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German Pages [256] Year 2013
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Michael Mair
Erdbeben in der Provinz Machtwechsel und politische Kultur in österreichischen Bundesländern
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
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Gedruckt mit Unterstützung durch das Amt der Salzburger Landesregierung das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung das Amt der Kärntner Landesregierung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: © APA/picturedesk © 2013 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, 1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Phillipp Rissel Umschlaggestaltung: Michael Haderer Satz: Bettina Waringer Druck und Bindung: General, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier ISBN 978-3-205-78862-1
Inhalt 1
Einleitung – oder: Worum es gehen soll . . . . . . . . . . . . . .
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Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks . . . . . .
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Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ein Sieg als Vater der Niederlage – der Sturz der „Frau Landeshauptmann“ und seine Vorgeschichte . . . . . . . . . . . 2.2 Der Bodycheck als politische Kulturtechnik – und die Resultate . . . . . 2.3 Die Landtagswahlen 2010 – oder: Ein (etwas zu) steirischer Wahlkampf . . . . . . . . . . . . . 2.4 Nur die Liebe zählt – die Rückkehr zum Konsens (und die Folgen) . . . . 2.5 Was vom Wechsel übrig blieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 29 36 52 58
Salzburg – oder: Tränen im Land des Lächelns . . . . . . . . . . . . 63 Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1 Wie man die Macht gewinnt – und wie man sie verliert . . . . . . . . . 66 3.2 Wie man die Macht erhält – (oder zumindest die Mehrheit) . . . . . . . 76 3.3 Eine kurze Bilanz – oder: Was vom Wechsel übrig blieb . . . . . . . . . 86 3.4 Der große Skandal – oder: Politik als „darstellende Kunst“ und was aus ihr wurde . . . . . . . . . 97 3
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Oberösterreich – oder: Grüne ohne Haschischpfeiferl . . . . . . . . 113
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Wie alles begann – Schwarz-Grün, die erste . . . . . . . . . . . . . . 115 Die Macht und ihr Preis – oder: Wie brav müssen Grüne in einer Regierung sein? . . . . . . . . . . . . 119 Klimawandel – die SPÖ und der Abschied vom Konsens . . . . . . . .123 Der Wahlkampf 2009 – eine Partei geht in die Falle . . . . . . . . . . .125 Alle zurück im Boot – die neue Regierung . . . . . . . . . . . . . . 139 Die SPÖ – der (selbst) gefesselte Riese . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Gewinner und Verlierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
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Inhalt
5.
Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7
Aufstiegshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158 Inszenierungen – und warum sie wirkten . . . . . . . . . . . . . . 160 Der „Kärnten-Faktor“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Die Gegner – und warum sie keine waren . . . . . . . . . . . . . . 170 Die politische Kommunikation – eine Partei als permanente Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Eine Zwischenbilanz – oder: Ein Land mit neuen Herren . . . . . . . . 191 Post mortem – oder: Wer gewinnt den Kampf um Haiders Erbe? . . . . 192 Epilog – oder: Was vom Mythos übrig blieb . . . . . . . . . . . . . 204
6
Einige Schlussfolgerungen – oder: Der Vergleich macht Sie sicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10
Der Konsens – ein Fall mit Verzögerung . . . . . . . . . . . . . . . Der Proporz – und warum seine Abschaffung noch nichts ändert . . . . Inszenierungen – oder: Wehe, wenn sie brechen . . . . . . . . . . . Das politische Marketing – und seine Grenzen . . . . . . . . . . . . Ohne Spitzenkandidat/-in ist alles nichts – aber der/die Spitzenkandidat/-in ist nicht alles . . . . . . . . . . . . Noch ein Comeback – oder: Die Rolle der direkten Kommunikation . . Die Freiheitlichen – rekonvaleszent, aber nicht bei alter Stärke . . . . . Die Grünen – oder: ein Sieg der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . Neue Koalitionen – und schwächere Sozialpartner? . . . . . . . . . . Was nun wirklich neu ist – und was beim Alten geblieben . . . . . . .
221 222 223 223 224 225 226 227 228 228
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
1 Einleitung – oder: Worum es gehen soll Sie waren sehr stabil, die Regierungen in Österreichs Bundesländern, und das über Jahrzehnte hinweg: Nur äußerst selten gelang es seit 1945 einer anderen Partei, die Position des Landeshauptmanns (es waren die längste Zeit nur Männer) zu erobern – zieht man den Sonderfall Kärnten ab, geschah dies vor Salzburg 2004 sonst nur noch ein einziges Mal, im Burgenland 1964. Aber dann: erstmals gewählte (und danach zumindest einmal bestätigte) „rote“ Landeshauptleute in Salzburg und der Steiermark; in Kärnten die SPÖ abgelöst, nach Jörg Haider auch dessen Erben zunächst weiter die Nummer eins, bevor sie selber ums politische Überleben kämpften; in Oberösterreich eine (ebenfalls bestätigte) schwarzgrüne Koalition, die erste auf Landesebene in Österreich – schon die Wahlresultate aus dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in vier österreichischen Bundesländern ließen ein politisches „Erdbeben“ vermuten. Der Befund galt schon, bevor das Jahr 2013 hereinbrach, mit dem Comeback der Sozialdemokratie im Haider-Land und einem Skandal in Salzburg, nach dem dort nichts mehr war wie vorher. Was waren die Gründe und vor allem die Hintergründe für die „tektonischen“ Verschiebungen? Haben diese Erschütterungen die politische Kultur verändert und wenn ja, wie sehr? Und haben sie die derzeit so stark eingeforderte Innovationsfähigkeit der Länder erhöht (was ihre politischen Systeme betrifft)? Das sind einige der Fragen, denen diese Studie in den vier erwähnten österreichischen Regionen nachgeht. Besonders „liebevoll“ widmet sie sich erfolgreichen und gescheiterten politischen Inszenierungen, der Kandidaten-Auswahl und dem Stand von Marketing und Kommunikation der Parteien. Als das Hauptthema aber hat sich das „Schicksal“ eines sehr charakteristischen Elements im Regierungssystem der Bundesländer herausgestellt: des Konsenses (nichts anderes als seine Herrschaft war gemeint mit dem berühmten „steirischen“, „oberösterreichischen“ oder „Salzburger“ Klima). Tatsächlich wurde die jahrzehntealte Tradition der Konkordanz in einigen Fällen von Konfrontation abgelöst – was letztlich daraus geworden ist, soll dieses Buch klären. Bei der Suche nach Antworten wurden Wahlkampf-Analysen und Umfragen, wissenschaftliche Literatur und Medien ausgewertet – aber nicht nur diese: zu Wort, und zwar im „Originalton“, kommen auch Beobachter und Beteiligte, von A (wie Akteure)
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1 Einleitung – oder: Worum es gehen soll
bis Z (wie Zeitzeugen), in Auszügen aus fast 50 Gesprächen. Auskunft gaben Regierungsmitglieder und Mandatare, Parteimanager und Kommunikationsexperten – manchmal überraschend, meist durchaus offenherzig und oft sehr klug. Sie lieferten jedenfalls Einblicke in Strategien und Handlungsmotive, in den politischen Alltagsbetrieb und in wahrlich dramatische Momente, wie sie auch ein langjähriger Journalist im Tagesgeschäft nicht bekommt. Die Auswahl der Gesprächspartner folgte dem Prinzip, an das sich der englische „Guardian“ hielt, als er mit dem Abdruck von Auszügen aus den Tagebüchern von Alastair Campbell, dem langjährigen einflussreichen Labour-Berater, begann und diese den Memoiren führender Labour-Politiker vorzog: „They (die Campbell-Tagebücher, Anm. d. Verf.) are also characteristic of another political truth: that observations taken from below are more interesting than those made from the very top. Mr Campbell was of course close to the leaders of his party. But he was not one of them.“1 Insofern berichten in diesem Buch keine Landeshauptleute, sondern jene, die mit ihnen gearbeitet oder sie an der Arbeit erlebt haben. Der Autor beobachtete sie natürlich auch, in Wahlkämpfen z. B. und bei anderen Auftritten; dies schlägt sich in Reportagen nieder, übertitelt mit „Szenen aus …“, die meist eine politische „Aufführung“ ausleuchten (oft gestaltet für die, wie es so schön im Jargon heißt, „Menschen draußen …“). Zum Abschluss folgt der Versuch von Schlussfolgerungen, destilliert aus einem Quervergleich der Erfahrungen in den vier Bundesländern mit einem Machtwechsel (oder zumindest einem neuen Regierungsmodell). Ziel war es, Politik spannend zu erzählen – und nüchtern zu analysieren. Hoffentlich ist dies gelungen; nach dem tröstlichen Leitmotiv des „Economist“: „The world is crazy. But at least it’s getting regular analysis.“ Michael Mair Salzburg, im Mai 2013 PS: Das Manuskript wurde im Prinzip Ende 2012 abgeschlossen; dann aber noch ergänzt, als die dramatischen Ereignisse in Salzburg und Kärnten um die Jahreswende 2012/2013 dies verlangten. Ich danke auf diesem Weg auch allen Gesprächspartnern für die Zeit und das Wissen, das sie mir zur Verfügung gestellt haben. Ich bedanke mich aber vor allem bei Robert Kriechbaumer, ohne dessen Begeisterung für Bücher und ohne dessen Anregungen dieser Band nie begonnen worden wäre; und ich bedanke mich bei meiner Frau Brigitta Walkner, ohne deren Geduld und moralische Unterstützung ich ihn vermutlich nicht beendet hätte.
2 Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks
Faktenbox
Die Steiermark kannte seit Menschengedenken – oder zumindest seit Ende des Jahres 1945 – nur „schwarze“ Landeshauptleute. Die erste, noch provisorische, Landesregierung nach dem 2. Weltkrieg wurde zwar von einem Sozialdemokraten angeführt, von Reinhard Machold; schon die erste Landtags-Wahl, im November 1945, gewann jedoch die ÖVP und die Position der Nummer eins und somit jene des Landeshauptmanns räumte sie 60 Jahre lang nicht mehr (1953 erreichte die SPÖ zwar die Stimmenmehrheit, blieb aber nach Landtags-Mandaten hinter der ÖVP zurück). Die längste Ära – sie dauerte von 1948 bis 1971, also 23 Jahre lang – begründete Josef Krainer (senior, wir nennen ihn hier künftig Josef Krainer I.). 1957 eroberte er für die ÖVP die absolute Mehrheit in der Landesregierung; die hielt bis 1991, noch weit über seine Zeit hinaus. Doch selbst unter diesen Bedingungen herrschte in Wahrheit ein Konkordanz-System der beiden Großparteien: der SPÖ wurde zum Beispiel auch unter ÖVP-Landeshauptleuten bis zum Jahr 2000 das Finanz-Ressort überlassen: „Irgendwann hat man es in die Chiffre ‚steirisches Klima‘ gefasst: Es ist zu einem zentralen Element politischer Selbstidentifikation der Steirer geworden … ‚Zusammenarbeit‘ und ‚steirisches Klima‘ sind mehr als nur rhetorische Figuren …“2 Die steirische SP machte sich zwar nichtsdestotrotz wiederholt Hoffnungen, die Vorherrschaft des Partners zu brechen, vor allem nach dem Tod Krainers, dem Prototyp des lokal verwurzelten Landesvaters. Denn Krainers Nachfolger Friedrich Niederl war zwar ebenfalls ein Landeshauptmann in Tracht, aber nicht einer vom Zuschnitt des Vorgängers. Dessen bestes Wahlergebnis übertraf er gleichwohl sogar noch: das SPÖ-Personal, „bieder, aber reizlos“3, vermochte auch ihn nicht ausreichend herauszufordern.
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2 Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks
Noch weniger gelang dies in den ersten Jahren von Josef Krainer Sohn (Josef Krainer II.), Landeshauptmann ab 1980. Erst Anfang der 90er-Jahre begann die Statue zu wanken: 1991 verlor die ÖVP die absolute Mehrheit, 1995 rettete sie nur noch etwas mehr als 2000 Stimmen Vorsprung auf die SPÖ. Deren Vorsitzender Peter Schachner-Blazizek hatte erstmals nach Jahrzehnten den Aufstieg zur stärksten Partei als Ziel ausgegeben und Entwöhnung von der Harmoniesucht verordnet. Das Ergebnis war mehr als ein Zeichen an der Wand für die steirische Volkspartei – sie vermochte es allerdings nicht zu lesen, wegen eines Zwischenhochs fünf Jahre später. Die ÖVP hatte nach dem Abgang von Josef Krainer II. Waltraud Klasnic auf den Schild gehoben, nicht nur in der Landesregierung, sondern auch in der Partei. Schachner griff die erste Frau an der Spitze des Landes frontal an, was scheitern musste; Klasnic hatte erfolgreich die Rolle als Landesmutter gespielt, zur Perfektion gebracht nach dem Grubenunglück von Lassing. Dazu bezahlte die FPÖ erstmals für ihre Regierungsbeteiligung im Bund. Die starken Gewinne der ÖVP bei den steirischen Landtagswahlen 2000 „erwiesen sich im Rückblick somit als Ausnahme“4, sie waren keineswegs die „Wiederkehr von Normalität“.5 Der Unterschied war vor allem, dass die Volkspartei zwar wieder wie zu ihrer besten Zeit die Landesregierung kontrollierte, die Parteichefin aber keineswegs die Partei. Der eigentliche starke Mann, Gerhard Hirschmann, trat nach ungehemmten Hahnenkämpfen 2005 mit einer eigenen Liste gegen die ÖVP an; dazu hatte die Spitzenkandidatin Klasnic eine öffentliche Debatte über den Missbrauch von Steuergeldern für Günstlinge am Hals (die „Herberstein-Affäre“). Nachdem sich schon zuvor die FPÖ in Knittelfeld selbst in die Luft gesprengt hatte, konnte doch noch ein SPÖ-Führer siegreich das Ruinenfeld betreten: Franz Voves, als „Manager“ inszeniert und wenige Jahre zuvor an die Parteispitze geholt, wurde am 25. Oktober 2005 zum ersten gewählten sozialdemokratischen Landeshauptmann der Steiermark. In den folgenden Jahren herrschte das Gegenteil des „steirischen Klimas“, nämlich eine aufgeheizte Atmosphäre zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Öffentlich dominierte über weite Strecken nicht Konsens, sondern Konfrontation. Bei den Landtagswahlen Ende September 2010 konnte sich Voves als Landeshauptmann trotz Verlusten jedoch halten, die Volkspartei verringerte den Abstand, blieb aber neuerlich nur Zweiter. Die FPÖ kehrte in den Landtag und in die Landesregierung zurück (in der Steiermark gilt seit 1926 der in der Verfassung verankerte Proporz, der jeder Fraktion ab einer bestimmten Stärke Regierungsbeteiligung garantiert).
Prolog
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Die Freiheitlichen blieben allerdings von dem ausgeschlossen, was man als eine der überraschendsten Volten der jüngeren österreichischen BundesländerGeschichte bezeichnen darf: Voves als SPÖ-Vorsitzender und ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer schworen sich auf eine Koalitionsvereinbarung ein, welche die erbitterten Gegner der vergangenen Jahre plötzlich zu trauter Zusammenarbeit verpflichtete. Der Versuch mit der Konflikt-Demokratie sollte wieder abgebrochen werden – man war durch das vorangegangene Erdbeben offensichtlich etwas zu erschüttert.
Prolog Diese Geschichte beginnt mit ihrem Ende – und dennoch ist sie es wert, erzählt zu werden. Denn nach dem ersten Augenschein besiegelten Franz Voves und Hermann Schützenhöfer Mitte Oktober 2010 mit ihrer Unterschrift unter ein SPÖ-ÖVPAbkommen die Rückkehr zu all dem, was aus vielen österreichischen Bundesländern nur allzu vertraut war: einen Generalpakt der „Groß“parteien auf den wichtigsten politischen Feldern, vom Budget bis zum Personal. Dabei hatten sie in der Periode davor noch etwas völlig Ungewohntes getan: Sie hatten das Konsenssystem aufgekündigt und stattdessen den Kampf auf offener Bühne aufgenommen, etwas Unerhörtes in der österreichischen Provinz. Ihre Berichte können uns deshalb einiges lehren über die Erfahrungen mit einem solchen politischen Experiment – und ein Experiment war es, gemessen an der Tradition. Den „Gegner“ zu umarmen, das war auch in der Steiermark schon ab den 60erJahren gepflegt worden, zunächst von Josef Krainer I.; diese Gepflogenheit wurde dann noch bis zu seinem Sohn gewahrt. Der reichte bei seiner Amtseinführung 1980 „seinem Stellvertreter, dem Sozialisten Hans Gross, mit zupackendem Griff die Hand … zwischen den beiden, leicht über sie gebeugt, wie ein wohlwollender Vater, Landtagspräsident Hanns Koren“6. Chronisten waren noch Jahre später regelrecht gerührt: in solchen Momenten werde das „Menschliche in der Politik offenbar“7… Spätestens mit dem Wahlsieg eines SPÖ-Kandidaten im Jahr 2005 war es aber mit den Sentimentalitäten vorbei. Danach wurden auf einige Jahre hinaus die Punkte nicht mehr friedlich geteilt. Der Eishockeyspieler Franz Voves ließ die alten Spielregeln in der Kabine; die unterlegene ÖVP wiederum provozierte ihn gezielt, man schlug sich um jeden Zentimeter auf dem „Eis“ – (und das lag nun wahrlich) auch und gerade vor
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2 Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks
den Kameras. Aus der Sicht des Abonnementmeisters hatte Voves sowieso etwas zu sehr den neuen Tabellenführer herausgekehrt. Denn in den Augen der stolzen steirischen Volkspartei hatte höchstens sie selber verloren, die SPÖ aber keineswegs gewonnen: „Wahlanalyse des Jahrs 2005 ist, dass die ÖVP abgewählt wurde, aber die SPÖ nicht gewählt wurde. Das ist ein sehr entscheidender Punkt …“8 … auf den VP-Manager größten Wert legten. Es gab also gar keinen wahren Sieger, so sahen es jedenfalls die schwarzen Schlüsselspieler. Völlig unrecht hatten sie damit nicht einmal. Aber die ganze Pointe ist damit noch gar nicht benannt: die lautet nämlich, dass die wahre Ursache für die Schmach schon viel weiter zurücklag – und das Erfolgsmodell der steirischen Volkspartei schon lang zuvor brüchig geworden war, unbemerkt von den eigenen FührerInnen.
2.1 Ein Sieg als Vater der Niederlage – der Sturz der „Frau Landeshauptmann“ und seine Vorgeschichte In Wirklichkeit begann alles bereits im Jahr 1995. Josef Krainer II., zuvor viermal zum Landeshauptmann gewählt, kündigte nach verlorenen Landtagswahlen an einem Wahlabend im Dezember umstandslos seinen Rücktritt an. Die ÖVP war um fünf Mandate ärmer geworden und stand im Landtag erstmals in der Nachkriegszeit ohne Mehrheit da; sie war nur noch knapp stimmenstärkste Partei. Krainers Abschied war mehr als der Rückzug eines einzelnen Politikers, er markierte das Ende einer Epoche: „Viele betrachteten ihn als wahren Landesfürsten … Er war wohl der Letzte, dessen Amtsauffassung einen solchen Titel verdiente“9, resümierten Biografen und meinten das wohlwollend. Tatsächlich verkörperte Krainer II. noch vieles von dem, was steirische Politik ausmachte – oder, genauer gesagt, von dem, was das Selbstbild steirischer Landespolitiker ausmachte. In seinen besten Momenten vereinte dieser Stil „ungekünstelte, ungespielte Volksnähe“10 mit einem durchaus patriarchalischen Auftritt. Komplett wurde er durch eine fast gewohnheitsmäßige Anti-Wien-Rhetorik, die bei Bedarf schnell von Folklore in Populismus umschlagen konnte: Krainer „verdiente“ sich seinen Wahlsieg 1986 auch durch ein Volksbegehren gegen die Stationierung von Draken-Abfangjägern. Das historische Rollenvorbild war der fast mythisch verehrte Landespatron Erzherzog Johann: auch der „kämpfte … zeit seines Lebens einen permanenten Krieg gegen die Wiener Zentralstellen“11, aber nicht nur das. Noch die Ausstellung zu seinem 150. Todestag im Jahr 2009 feierte ihn generell als: „modellhaft. Erzherzog Johann“. Sie zeigte Aquarelle mit dem Habsburger „in einer Almhütte“ oder zeittypische Porträts
2.1 Ein Sieg als Vater der Niederlage
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eines ernsten Mannes mittleren Alters „im Rock mit grünem Aufschlag“, der – so der Ausstellungstext – „in der Geschichte als Symbol der Volksverbundenheit des hochgeborenen Mannes“ gegolten habe; der Weinberge anlegen, Landwirtschaftsgesellschaften gründen und Montanschulen aufbauen ließ. Er habe „Bodenständigkeit bewahren und das Volkstümliche beschützen“12 wollen, dabei gleichzeitig Industrie und Landwirtschaft vorantreibend und Wissenschaft und Kunst fördernd – das waren in der Überlieferung politische Charakterzüge des „steirischen Prinzen“. Ebendiese versuchten demokratisch gewählte Landesväter noch Generationen später zu pflegen, auch Josef Krainer II., auf den „man das Vorbild Johann analogisierend … übertrug“13. Allerdings wurden die Zeiten dafür immer härter. Schon 1991 hatte Josef Krainer Sohn die noch vom Vater errungene Mehrheit in der Landesregierung verloren (und die „Absolute“ im Landtag sowieso). Mitstreiter sind heute noch davon überzeugt, dass er damals auch für sein leidenschaftliches Engagement für die Republik Slowenien bezahlte, die sich von Jugoslawien losgesagt hatte: „Josef Krainer umgibt sich nur mehr mit den ‚Tschuschen‘, haben die Bösen gesagt, weil er sehr viel gemacht hat mit Peterle (mit dem damaligen slowenischen Ministerpräsidenten Lojze Peterle, Anm. d. Verf.), das war ein historisches Verdienst von ihm. Da hat er unendlich viel gemacht, das war nicht nur populär in dem Land, die Tschechen und die Slowenen, das sind die ‚Tschuschen‘.“14 Für manche beging Krainer mit seinen Reisen im Dienste der Südosteuropäer eine doppelte Grenzverletzung: indem er regionale Außenpolitik betrieb, überschritt er auch seine Rolle als Landeshauptmann, der sich nur um das eigene Wahlvolk zu kümmern habe. Johanns europäische Aktivitäten (er war Reichsverweser zur Zeit der deutschen Revolution) mehrten seinen Ruhm in der Steiermark noch; Josef Krainer II. verzieh man Ähnliches nicht: Als er den damaligen slowenischen Ministerpräsidenten Lojze Peterle auf Schloss Stainz einlud, ging das Wort vom „Hofhalten“ um.15 Der Unterschied war: Der Erzherzog war ein „Privat-Regent“, der einer Provinz aus eigenem Entschluss die Gunst erwies; Krainer ein gewähltes Landesoberhaupt, also eines von Volkes Gnaden. Mit dem Bild vom „Landesfürsten“ war kein Staat mehr zu machen – oder, genauer gesagt, vielleicht noch ein „Staat“, aber nicht mehr ausreichend Popularität. Das musste auch Krainers Stab erkennen: „Dem Josef Krainer hat man ungerechterweise in den letzten Jahren vorgeworfen, dass er sozusagen von seinem Hofstaat abgeschirmt wird. Der Hirschmann (unter Krainer II. Klubobmann und ab 1993 geschäftsführender Landesparteiobmann, Anm. d. Verf.) habe ihn weggesperrt vor den Menschen und ich vor den Journalisten, das ist immer behauptet worden. Wir waren viel, wirklich mehr als früher unterwegs, aber das Image war furchtbar, da hast du nichts mehr machen können.“ (Hösele)
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2 Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks
Es ist müßig zu diskutieren, ob dieses Image gerechtfertigt war oder nicht. Es war geprägt, und damit kaum noch zu korrigieren. „Der König“ (diesen Titel trug das Abschiedsgeschenk der Partei an Krainer, eine Skulptur) war Geschichte. Was aber folgte auf diese Herrscherfigur, die er nun einmal tatsächlich dargestellt hatte? Krainer hatte einen Kronprinz, aufgebaut, Gerhard Hirschmann, seinen „politischen Ziehsohn“16, seit 1989 geschäftsführender Landesparteiobmann, damals erst 44, unzweifelhaft ein großes Talent und mit einer scharfen Zunge ausgestattet. Doch der logische Nachfolger scheute vor dem Griff nach der Macht zurück. Ein Zeitzeuge erinnert sich an die Wahlnacht im Dezember 1995: „Gegen ein Uhr in der Nacht hat mich der Gerhard Hirschmann angerufen und gesagt ,Du, ich mach’ es nicht!‘. Er hat da ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt gehabt, im parteinahen Umfeld. Diesem inneren und äußeren Druck glaubte er nicht standhalten zu können und hat gesagt, wenn das rauskommt, wird nur ein Jahr darüber diskutiert.“17 Hirschmann informierte Krainer nach eigener Darstellung erst am nächsten Morgen, knapp vor der entscheidenden Vorstandssitzung der ÖVP.18 Dann schlug er selbst einen anderen Kandidaten für die Landeshauptmann-Wahl vor: Waltraud Klasnic, Regierungsmitglied seit 1988: „Rational war es ganz richtig, er (Hirschmann) hat polarisiert, war unbeliebt, hat private Sorgen gehabt. Zur Wahl wären neben ihm noch gestanden der Bartenstein (Staatssekretär und dann Minister in der Bundesregierung, Anm. d. Verf.) und die Klasnic. Sie hat von den Umfragen her sicher die höchsten Sympathiewerte gehabt von den dreien.“ (Hösele) Damit war klar: Parteivorsitzende und Landeshauptmann wurde die Frau mit der größeren Popularität und nicht der mit dem politisch größten Gewicht. Wie sehr diese Hypothek auf der ÖVP lastete, sollte sich erst Jahre später herausstellen. Anfang 1996 übernahm Waltraud Klasnic erst einmal ihre neuen Ämter. Sie war die erste Frau an der Spitze eines österreichischen Bundeslandes. Genau diese Seite spielte sie zunächst auch erfolgreich aus. Die damals 50-Jährige, lange für die „Katastrophenhilfe Österreichischer Frauen“ und auch für ein Pflegeheim verantwortlich, eignete sich vortrefflich als Gegenbild ihres Vorgängers. Herwig Hösele, vorher Pressesprecher Krainers und dann Kommunikations- und Politikchef von Klasnic, vergleicht: „Sie (Klasnic, Anm. d. Verf.) ist unendlich fleißig gewesen, unendlich auf die Leute zugegangen. Krainer ist als unnahbar dargestellt gewesen in den letzten Jahren, Waltraud Klasnic war ein anderes Erlebnis: sie geht überall hin, man kriegt einen Termin bei ihr.“ (Hösele) Das war die neue Inszenierungsvorlage: Klasnic gab die Landes-„Mutter“, bei der sich der Normalbürger vorstellen konnte, dass sie einem die Hand um die Schulter legte; sie trat an die Stelle des letzten Burgherrn, der es nicht lassen konnte, weit über die Mur hinauszublicken und Staatsmänner empfing; sie bewältigte, nehmt alles nur
2.1 Ein Sieg als Vater der Niederlage
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in allem, den „Übergang vom Fürstentum zu einer Politik auf breiterer Basis“.19 Auch Politikwissenschafter sangen Hymnen auf die Frau mit Herz, die „imponierende Integrationskraft“ bewiesen und „in einer Welt der Europäisierung und Globalisierung menschliche Beheimatung“ ausgestrahlt habe.20 Das war der schwärmerische Teil – aber auch vom politischen Kalkül her hatte die steirische Volkspartei eine Identifikationsfigur tatsächlich notwendig.
Exkurs: Warum Grün-Weiß nicht gleich Schwarz ist – und was die steirische Volkspartei dagegen unternahm Der Grund war einfach: Wenn man an der grün-weißen „National“-Flagge der Steiermark kratzte, kam stets viel Schwarz zum Vorschein, aber nicht nur das, sondern auch viel Rot – jedenfalls was das Wählerpotenzial betraf. Denn in der Steiermark, dem alten Industrieland, wurde nicht nur Kernöl gepresst, sondern auch Stahl; die „Berufe des Bauern UND des Arbeiters (hatten) geradezu archetypische Präsenz“. Später „trat die postindustrielle Dienstleistungs- und Kommunikationsgesellschaft hinzu“.21 In der war beim Wählerverhalten ohnehin nichts mehr garantiert – und für die ÖVP in der Steiermark noch weit weniger als in anderen von ihr geführten Bundesländern, etwa in Salzburg. Dies belegt ein Blick auf die Nationalratswahl-Ergebnisse, die umso interessanter sind, als in beiden Regionen auf Landesebene jahrzehntelang durchgängig Schwarz dominierte (in Salzburg bis 2004, in der Steiermark bis 2005): In Salzburg lag auch bei den Nationalratswahlen zwischen 1945 und 2008 meist die ÖVP voran, nämlich 13-mal (die SPÖ nur 7-mal) – in der Steiermark hingegen war es genau umgekehrt: hier war die SPÖ bei den Parlamentswahlen 13-mal die Nummer eins und nur 7-mal die VP. Noch bemerkenswerter ist: Hatte die ÖVP bei Nationalratswahlen einen Vorsprung auf die SPÖ, dann war der in Salzburg stets größer als in der Steiermark – erreichte die ÖVP aber nur den zweiten Platz, dann war der Rückstand auf den Sieger SPÖ in Salzburg immer geringer als in der Steiermark. Dies illustrieren einige Beispiele:
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2 Die Steiermark – oder: Umarmung nach den Bodychecks
ERGEBNISSE NATIONALRATSWAHLEN (in Prozent, Differenz in Prozentpunkten)
Salzburg Steiermark
1956 ÖVP 47 46 SPÖ 36 44 Diff.VP:SP +11 +2 1966 ÖVP 48 50 SPÖ 36 44 Diff.VP:SP +12 +6 1970 ÖVP 44 46 SPÖ 43 48 Diff.VP:SP +1 –2 1983 ÖVP 46 43 SPÖ 41 49 Diff.VP:SP +5 –6 1995 ÖVP 29 30 SPÖ 33 40 Diff.VP:SP –4 –10 2002 ÖVP 47 45 SPÖ 31 37 Diff.VP:SP +16 +8 Zumindest bei nationalen Wahlen spürte die ÖVP in der Steiermark den Atem des „Verfolgers“ also stärker als in Salzburg. Um ihn bei Landtagswahlen auf Abstand zu halten, musste sie ein Rennen zu eigenen Bedingungen veranstalten – und sie machte daraus sehr früh und folgerichtig einen Kampf um den Landeshauptmann.22 Auch von US-Wahlkämpfen inspiriert, war die steirische VP in Österreich führend, wenn es galt, die Werkzeuge dafür zu schärfen: Schon in den 50er-Jahren griff Landesparteisekretär Franz Wegart erstmals zum Mittel der Meinungsumfrage, die ihm alsbald bestätigte, dass „die Volkspartei gut … LH Krainer als Person jedoch viel besser“ lag.23 Spätestens als ein darauf abgestimmter Wahlkampf der steirischen VP 1957 de facto die absolute Mehrheit im Landtag einbrachte, wurde sie – bereits unter Josef Krainer I. – zur „Landeshauptmannpartei“.24 Bei den nächsten Landtagswahlen, 1961, baute sie die Führung vor der SPÖ weiter aus. Auf einem der Wahlplakate prangten nur noch
2.1 Ein Sieg als Vater der Niederlage
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ein Krainer-Porträt in Gestalt eines Medaillons und darunter zwei Worte: „Vertrau ihm!“; von einem anderen rief es: „wieder Krainer. wieder ÖVP. Wähl steirisch!“ – es war der Dreischritt, auf den die Mehrheitspartei noch lange vertrauen sollte: erst kam der Landeshauptmann, dann die Partei und zum Schluss wurden beide mit „Heimat“ gleichgesetzt. Die SPÖ hatte dem nicht viel mehr entgegenzusetzen als Arbeiterführer. Sie kam mit ihnen über ihre Stammwählerschaft kaum hinaus25 – denn wenn jemand in der Steiermark Offenheit repräsentierte, war es wiederum die ÖVP. Sie eroberte z. B. das Feld von Kunst und Kultur, das vielleicht nicht massenwirksam war, aber hervorragend für Symbolhandlungen taugte – und mit dem sich die steirische ÖVP als „Schutzmacht der Moderne“ in Szene setzen konnte; auch angesichts der „kulturellen Abstinenz der Sozialdemokratie“26. So stand etwa für das Bündnis mit den Intellektuellen, auf Bundesebene vom Sozialdemokraten Bruno Kreisky geknüpft, in der Steiermark schon lang zuvor ein ÖVP-Politiker: Hanns Koren, Krainers langjähriger Kulturreferent in der Landesregierung. Dieser „steirischen Mischung“ war zwei weitere Jahrzehnte lang nicht beizukommen, jedenfalls nicht vom lokalen SPÖ-Personal – da half auch kein Kreisky-Effekt. Die Vorherrschaft der ÖVP überdauerte auch den Tod von Josef Krainer I. und die innerparteilichen Nachfolge-Kämpfe; die Krainers nahmen zumindest einen Teil der Macht in Erbpacht: auf Josef Krainer I. folgte zwar als Landeshauptmann zunächst Friedrich Niederl, der in dieser Rolle erst 1980 Josef Krainer II. wich – allerdings hatte der Krainer-Sohn schon bald nach dem Tod des Vaters als geschäftsführender Obmann die Partei übernommen. Die SPÖ-Führung war von Resignation erfasst, wie sich die Nachfahren erinnern – bis 1990 ein neuer Oberkommandierender zum Angriff blies, Peter Schachner-Blazizek: „Man hat den Eindruck gehabt, sie sind zufrieden, dass sie guter Zweiter sind. Das war zwar schon mit dem Peter Schachner nicht mehr so, auch der Peter Schachner wollte vorpreschen.“ 27
Der erste Angriff – und warum er fehlschlug Schachner-Blazizek stellte als erster SPÖ-Vorsitzender seit mehr als 30 Jahren den gewohnheitsmäßigen Anspruch der Volkspartei auf den Landeshauptmann ernsthaft infrage. Er war damit nicht nur als Person ein Vorläufer von Franz Voves, er schlug auch politisch in der SPÖ die Bresche für einen neuen Kurs. Im Landtags-Wahlkampf 1995 war die Zahl der medial ausgetragenen Konfrontationen z. B. fast 50 % höher als zwei Jahrzehnte zuvor; „knapp zwei Drittel (wurden) auf der persönlichen Ebene
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„Mit den Brosamen zufrieden“: Hans Gross, Erster Landeshauptmann-Stellvertreter für die SPÖ, mit ÖVP-Landeshauptmann Josef Krainer II. (September 1986)
abgeführt“28. Schon 1991 hatte die ÖVP die absolute Mehrheit in Regierung und Landtag verloren; vier Jahre später dankte die Familie Krainer ab. Die Nachfolgerin, Waltraud Klasnic, war streng genommen zweite Wahl; plötzlich schienen nur noch 2.400 Stimmen und eine Frau die SPÖ von der Nummer eins zu trennen. Schachner war zudem auch fest entschlossen, die SPÖ im internen Machtspiel zu stärken. Er verfolgte eine Taktik, die sich auch künftige Generationen zum Vorbild nahmen. Kurt Flecker avancierte in der Schachner-Zeit zum Parteigeschäftsführer und Klubobmann, hatte aber schon zuvor für die noch „friedliche“ SPÖ Dienst beim Land getan. Er gibt einen selten offenen Einblick in die neue personalpolitische Taktik: „Bis inklusive Gross (Hans Gross, von 1980 bis 1990 Erster Landeshauptmannstellvertreter für die SPÖ, Anm. d. Verf.) waren wir mit den Brosamen zufrieden. Der Schachner hat im Land viel erkämpft. Er hat auch angefangen, den Weg zu gehen über die politischen Büros. Wir haben große politische Büros im Verhältnis zu anderen Ländern. Das ist ein Kanal, wo du Leute hereinschleusen kannst … Dadurch haben wir ein bissel einen Nachwuchs gekriegt ins Land hinein.“29 Das waren – aus Sicht der Sozialdemokratie – Erfolge hinter den Kulissen. Auf der Bühne selbst konnte sie die ÖVP-Besetzung jedoch keineswegs aus den Hauptrollen verdrängen; auch nicht nach dem Eindruck eigener Abgeordneter: „Die Frau Klasnic hat man unterschätzt, sie hat das gut gemacht, sie hatte ein starkes Team um sich, Pai-
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erl (Wirtschafts-Landesrat, Anm. d. Verf.), Hirschmann (bereits seit 1993 Mitglied der Regierung, Anm. d. Verf.), auch Landesrat Pöltl (Agrar-Landesrat, Anm. d. Verf.) war eine Größe … Unsere waren fleißig, aber nach außen waren sie nicht präsent.“ (Kröpfl) Klasnic selber wurde „zusehends populärer als der etwas steife, reservierte Peter Schachner“30, der nicht einem Wählerbedürfnis entsprach, dem wir in dieser Untersuchung noch öfter begegnen werden – dem nach Landespolitikern „zum Anfassen“ oder, anders ausgedrückt, mit einer hohen Fähigkeit zur direkten Kommunikation. Schachner war, was das betraf, nicht der Stoff, aus dem man Wahlsieger macht – jedenfalls nicht in österreichischen Bundesländern. Klasnic, die „Landesmutter“, hatte hingegen keine Scheu, Empathie zu zeigen, auch öffentlich – was nie auf dramatischere Weise sichtbarer wurde als nach dem Gruben unglück von Lassing. Elf Bergleute waren damals, 1998, verschüttet worden. Herwig Hösele, Sprecher und engster Berater von Klasnic, nahm bei ihr damals eine Form von Courage wahr, die für Politiker nicht selbstverständlich war: „Sie ist dort hineingegangen, wo ich mich nie hineingetraut hätte, wo die Freundinnen von denen waren und sie hat denen mehr oder minder gesagt, dass sie sich auf das Schlimmste einstellen müssen … Wir hatten ja dort keine Zuständigkeit, sie hat das mehr oder minder politisch an sich gerissen … (Klasnic machte sich auch für den Einsatz eines speziellen Bohrgeräts stark, so Hösele.) Das war sehr wichtig, denn das hat eine Woche später das Wunder von Lassing gebracht. Da war sie zufällig auch oben, nach einem Rennen auf dem A1-Ring, weil sie fast jeden Tag hinaufgefahren ist – und plötzlich sagen die: ‚Der ist da – und lebt noch‘ (der wider jede Wahrscheinlichkeit doch noch gerettete Bergmann Georg Hainzl, Anm. d. Verf.). Sie hat dazwischen auch immer die richtigen Worte gefunden.“ Der „Lassing-Effekt“ war jedoch nicht der exklusive Grund für die wachsende Liebe zur Frau Landeshauptmann, vor allem nicht in der Steiermark. Das Drama, auch ein TV-Ereignis, führte zwar die Stärken der Regionalpolitikerin einem österreichweiten Publikum vor. Aber im eigenen Bundesland hatte Klasnic den SPÖ-Vorsitzenden Schachner an Sympathie-Punkten schon Anfang 1997 klar hinter sich gelassen, in der fiktiven Direktwahl-Frage z. B. mit 45 : 20 %31 – das war ein Jahr nach ihrer Amtsübernahme und eineinhalb Jahre vor dem Katastrophen-Einsatz. Dem SP-Kandidaten, einem Universitätsprofessor und Vorstandsvorsitzenden (der damaligen Grazer Stadtwerke), sah man seine Vergangenheit mehr als an. Er wurde in der ÖVP aber dennoch (oder deshalb) als Gegner durchaus ernst genommen. Im Führungskreis herrschte – in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre in einem entwickelten europäischen Land – die Angst, der Frau an der Landesspitze könne ihr Geschlecht als Nachteil ausgelegt werden: „… Sie wollte immer als ‚Frau Landeshauptmann‘ tituliert werden, das war eine strategische Entscheidung der ÖVP-Führung, denn er, der
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Schachner, hat immer gesagt, ‚er ist der Landeshauptmann und sie ist die Landeshauptfrau, er ist eh der viel Gscheitere, er ist der Akademiker, der doppelte Doktor und Universitätsprofessor.‘ Er hat sie schwer unterschätzt.“ (Hösele) Schachner tat der steirischen Volkspartei aber noch einen anderen Gefallen: er führte angesichts einer beim Bürger akzeptierten Landeshauptfrau (wir erlauben uns diese Bezeichnung) einen Wahlkampf im Zeichen der Aggressivität. Die richtete sich an sich gegen die Bundespolitik: Seit Jahresbeginn praktizierte dort eine schwarzblaue Koalition die „Wende“, weshalb in der Logik der Schachner-SPÖ der Wähler nun in der Steiermark die „rote Karte“ ziehen sollte. Via Klasnic mit Schüssel abzurechnen funktionierte jedoch überhaupt nicht. Im Gegenteil: Sogar von der Unzufriedenheit mit Teilen der Bundesregierung profitierte noch die steirische VP-Kandidatin – nämlich im Fall von enttäuschten FP-Sympathisanten, die nun zu Tausenden zu ihr wechselten.32 Aber vor allem waren die hervorragenden Sympathiewerte des „mütterlichen Landeshauptmanns“ damals durch nichts zu erschüttern. Darauf aufzubauen machte praktisch schon den VP-Wahlkampf aus: „Die Wahlstrategie der steirischen ÖVP setzte … klar auf Klasnic und eine eigenständige landespolitische steirische Entscheidung“.33 Klasnic hatte sich zudem nach dem Streitklima der vergangenen Jahre als wandelnde Kraft der Versöhnung präsentiert, ständig den dringenden Wunsch des Wahlvolks nach Konsens erfüllend: „Als Gegenüber hast du Peter Schachner gehabt, der angegriffen hat und gesagt hat, wer ist denn das, ich bin der Größte. Das war ja plakatiert, wir zeigen Klasnic und der Steiermark die rote Karte. Das waren grandiose Fehler der SPÖ, indem sie sich stark gefühlt haben und einen Angriffs-Wahlkampf gemacht haben.“ (Zankel) Der Gegenspieler der Frau Landeshauptmann hielt sich nicht an die in vielen Bundesländern geltende Harmonielehre und wurde bestraft. Auch deshalb endete die Attacke der steirischen Sozialdemokratie im Desaster. Die Belagerung der Grazer Burg wurde nicht nur zurückgeschlagen, sie trug dem Angreifer sogar Verluste ein: In der Landesregierung nahm die ÖVP der SPÖ nun das Finanzressort ab, das sie seit 1945 im Sinne der Machtteilung in Grün-Weiß stets dem Zweitstärksten überlassen hatte – im Gegensatz z. B. zu Salzburg. Das ‚steirische Klima‘ wurde auch unter Klasnic nie mehr so lau wie einst. Die ÖVP konnte die absolute Mehrheit wiedererringen, es waren „die Verhältnisse wiederhergestellt, die zwischen 1957 und 1991 herrschten“34 – jedenfalls äußerlich; Historiker wollten schon die „Wiederkehr von Normalität“ entdecken.35 Im Moment war das Resultat tatsächlich beeindruckend (und in gewisser Weise durchaus „historisch“): Das Plus von elf Prozentpunkten an Stimmen war der höchste Zugewinn, den bis dahin jemals ein amtierender österreichischer Landeshauptmann
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der Nachkriegszeit erreicht hatte.36 Die SPÖ lag wieder fast 100.000 Stimmen hinter der ÖVP, der Minimalabstand von 1995 hatte sich um das Vierzigfache multipliziert. Dabei war das Blatt für die steirische Volkspartei gar nicht so günstig gelegen, vor allem jenes, das in Wien ausgeteilt worden war. Doch es hatte nicht die „rote Karte“ gestochen, sondern der wieder einmal ausgespielte „schwarze Trumpf “: die Person des Landeshauptmanns.
Ohnmächtig? Jedenfalls ohne Macht – Waltraud Klasnic, oder warum Sympathiewerte nicht reichen In der ÖVP schien nun alles eitel Wonne – mit Betonung auf schien, wie man heute weiß; aber damals war sie schwer von sich selbst beeindruckt, vermutlich zu schwer. Sie hatte ein ähnliches Erfolgserlebnis zuletzt 1986 gefeiert, damals mit der absoluten Stimmenmehrheit: „2000 war erstmals seit 14 Jahren ein Wahlerfolg, wir hatten auf Bundesebene und Landesebene bei jeder Wahl eine draufbekommen … Dann waren wir strahlende Sieger und das war natürlich ein Hochgefühl. Und das wurde dann noch viel besser in den nächsten zwei Jahren … Die Umfragen haben wir verstecken müssen, die waren über 50 %, 2001, 2002 … und so ist das gelaufen bis zum Sommer 2003. Wir haben einen Hype gehabt.“ (Hösele) Schon in diesen Jahren begann jedoch eine Säule des Siegs zu bröckeln: die Loyalität beim Führungspersonal. Die war ohnehin von Beginn der Klasnic-Ära an weniger Überzeugung entsprungen, sondern von außen erzwungen worden, durch offensive Gegner wie Schachner: „Das hat zu einem riesigen Teameffekt geführt, sogar bei jenen Leuten, die gefragt haben, ob sie (Waltraud Klasnic, Anm. d. Verf.) das intellektuell beherrscht … Jedenfalls hat es da einen Gruppeneffekt gegeben, wo auch niemand quergetrieben hat. Alle haben da gesagt, jetzt geht es um die Wurscht.“ (Hösele) Allerdings: Wenn dort die Frage gestellt wurde, ob sie das „intellektuell beherrscht“, mussten Zweifel an der Führungsfähigkeit der Frau Landeshauptmann selbst im inneren Kreis schon länger geschwelt haben. Und tatsächlich brachen sich jetzt, nachdem die SPÖ geschlagen war und man in der Landesregierung in der Sicherheit einer absoluten Mehrheit agieren konnte, interne Rivalitäten immer ungehemmter Bahn: „Was bis zum Jahr 2000 der gemeinsame Kitt war, nämlich die Angst, dass die Steiermark fallen könnte, das war mit dem grandiosen Wahlerfolg weggefallen.“ (Zankel) Nach dem Eindruck kritischer Beobachter war die Landesmutter danach „intern eher eine Art Monarchin, nach außen hin ist das aber gut kaschiert worden“37. Unter bzw. neben der Landesherrin duellierten sich zwei Kronprinzen, die noch vom Hof von Josef Krainer II. stammten: Gerhard Hirschmann, der seinerzeit Thronverzicht geübt hatte,
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und Herbert Paierl, zum Missvergnügen des Regierungs-„Kollegen“ nun Finanz- und Wirtschafts-Landesrat, also mit einem Großressort ausgestattet. Der Kampf um Macht und Status eskalierte jetzt; er hatte jedoch, wie manch anderer, alte Wurzeln, die bis in die Zeit vor 2000 zurückreichten: „Oben ist die ‚Waldi‘, das hat der Hirschmann gesagt, im internen Verkehr, ‚die Waldi‘, dann kommt er, dann kommt lang nix und dann kommen vielleicht der Paierl und die anderen. Aber dem Hirschmann ist nach wenigen Wochen klar geworden, dass das nicht so funktioniert in der Hierarchie …“ (Hösele) Hirschmann wechselte im Frühjahr 2003 auf eigenen Wunsch in den Vorstand der EStAG, der steirischen Energie-Holding, einer Gesellschaft im Mehrheitsbesitz des Landes. Damit konnte nun die offene Feldschlacht beginnen (der Ausdruck sei verziehen, aber politisch war es eine). Der Ex-Politiker ging mit Kritik an finanziellen Missständen an die Öffentlichkeit, ohne Rücksicht auf Verluste – auch auf eigene. Weniger als ein Jahr später wurde der komplette Vorstand eliminiert, inklusive Hirschmann selbst. In der Karwoche des Jahrs 2004 opferte die Parteivorsitzende Klasnic auch das Regierungsmitglied Herbert Paierl, in den Jahren zuvor Eigentümer-Vertreter in der EStAG. Hirschmann hatte ihn in einem Untersuchungsausschuss des Landtags schwer belastet. Die Folgen für die ÖVP waren verheerend: Der Vorsprung auf die SPÖ schmolz unmittelbar danach von 15 Prozent bei den Landtags-Wahlen 2000 auf drei Prozent und wenige Wochen später auf ein Prozent zusammen; aber auch Klasnic blieb nicht unversehrt: die Ablehnung für die Strategie des Landeshauptmanns war bereits genauso stark wie die Zustimmung.38 Dies war der Anfang vom Ende für die ÖVP-Mehrheit in der Steiermark: „Der Imageschaden ist bereits durch die ESTAG-Affäre eingetreten und konnte durch den Wahlkampf nicht mehr korrigiert werden“, bestätigten später Wahl-Analysen. 39 Gemeint ist hier das Ansehen von Waltraud Klasnic; ihr Lager interpretierte das später in die Alleinschuld eines außer Kontrolle geratenen Einzelgängers um – eines Torpedoschützen, der das eigene, auf siegreicher Fahrt befindliche Schiff versenkt: „… das waren endogene Faktoren, die du nicht beeinflussen kannst. Es hat, glaube ich, uns diese Hirschmann-Geschichte den LH gekostet, den es uns sonst nicht gekostet hätte … Es war die grauenvollste, tragischste Erfahrung, es hat die Unentrinnbarkeit einer griechischen Tragödie gehabt. Was schiefgehen hat können mit ihm, ist schiefgegangen – alles …“ (Hösele) Das Geschehen sei also schicksalhaft gewesen, beteuert der wichtigste Landeshauptmann-Berater. Aber die Grundfrage ist doch wohl ohnehin eine andere: Wieso war der Konflikt nicht in den Griff zu bekommen? Und wo war eigentlich der Kapitän? Die Rivalitäten auf der Brücke, wo Krainers alter Stab seine Sträuße zeitgemäß mit
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Medien-Attacken ausfocht, waren schließlich in der Partei- und Landesspitze und bei deren Strategen seit den 90er-Jahren bekannt. Auch mag es zwar seinen Reiz haben, den Fall zur (alt)griechisch-steirischen Tragödie aufzuwerten, besonders wenn man einen gewissen Sinn für Pathos pflegt. Aber in der politischen Realität ist der Wettstreit um Einfluss und Prestige nach allen geschichtlichen Erfahrungen eher die Normalität als die Ausnahme – auch die erfolgsverwöhnte steirische Volkspartei hatte bereits Erfahrung damit, ohne dass es zum Letzten kam: Anfang der 70er-Jahre zum Beispiel, nach dem Tod von Josef Krainer I., wollten ÖAAB und Wirtschaftsbund den von Krainer auserkorenen Friedrich Niederl als Nachfolger verhindern, auch weil er dem Bauernbund zugerechnet wurde; auf die Barrikaden aber trieb sie vor allem die Installierung von Josef Krainer II. als starkem Mann in der Partei: „Nicht einmal ihre Spaltung schien ausgeschlossen.“40 Krainer II. setzte sich jedoch durch und die ÖVP blieb so geschlossen, dass Niederl 1974 sogar die Wahlergebnisse von Krainer I. übertraf. Der Unterschied zu damals war: Krainer und seine Getreuen verfügten noch über jene politische Autorität, die Klasnic nun fehlte. Ohne dieses Kapital war die ÖVP eines wesentlichen Instruments für den Machterhalt beraubt – aber genau von diesem hatte sie stets gezehrt: „Strukturell ist allerdings stets bedeutend … ob der Landeshauptmann die ‚eigene‘ Partei beherrscht oder nicht, dafür wieder ist u. a. maßgeblich, welche Autorität, wie immer verursacht, er bzw. sie in der obersten Elite dieser Partei, welches Ansehen er bzw. sie als Person in der breiten Öffentlichkeit genießt und selbstverständlich, wie stark sein bzw. ihr Ehrgeiz, seine bzw. ihre Energie überhaupt darauf gerichtet sind, zu führen, wohl gar zu beherrschen.“41 Nehmen wir doch diese Kriterien als Messlatte, die aus den jahrzehntelangen Erfahrungen der Nachkriegszeit resultieren – z. B. die „Autorität … in der obersten Elite dieser Partei“: Im Fall Hirschmann hatte ein Bundespartei-Chef, der von Zögerlichkeit genauso wenig hielt wie von Umfrage-Ergebnissen, schon früh einen klaren Ratschlag gegeben: „Der Schüssel hat ihn (Hirschmann, Anm. d. Verf.) nicht gemocht. Der Schüssel hat immer gesagt, hau den aussi und unter keinen Umständen nehme ich den irgendwo.“ (Hösele) Stattdessen durfte der „spielerisch-brillante Politiker“, ein unbestritten „großes Talent“42, aber nach dem Klasnic-Sieg 2000 aller Hoffnungen auf den Thron endgültig beraubt, zunächst in der Regierung bleiben – und sich dann, auf eigenen Wunsch und mithilfe der Regentin, in die „Wirtschaft“ transferieren lassen, in Wahrheit in ein Tochter-Unternehmen des Landes: „Dann hat er gesagt, ich möchte in die EStAG gehen und sie (Waltraud Klasnic, Anm. d. Verf.) hat ihm ja versprochen: Wo’s geht, dort machen wir’s. Aber er war ein Mann, der gewohnt war, jede Woche in der Zei-
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tung zu stehen. Dort ist es das Gegenteil, dort kommst du zweimal im Jahr vor, mit der Bilanz-Pressekonferenz und mit irgendwelchen Eröffnungen von irgendwelchen Kraftwerken. Das ist dort keine öffentliche Bühne. Das war der Fehler.“ (Hösele) Selbst im innersten Kreis rund um die Frau Landeshauptmann herrschte also ein gewisses Gefahrenbewusstsein: „Für uns Insider, für wenige Insider, war im Sommer 2003, Ende Juni – als wir öffentlich noch im Zenit waren, die steirische Volkspartei mit der Frau Landeshauptmann an der Spitze – absehbar: Wenn das eskaliert, Hirschmann-Paierl, dass uns das unendlich treffen wird können – auch für die Frau Landeshauptmann, die hat das gespürt, sie hat das gewusst.“ Die Frage aus dem Katalog der Erfolgskriterien, ob „sein bzw. ihr Ehrgeiz … darauf gerichtet sind, zu führen …“ (siehe oben) wurde auch beantwortet: die Parteiobfrau entschied sich selbst noch im Jahr darauf, als Hirschmann seine Vorstandsposition verloren hatte und sich mit jeder Woche mehr bestätigte, welche Minen er für die ÖVP legen konnte, für einen Kompromisskurs: „Es hat einen großen Strategiekonflikt gegeben. Der Bundeskanzler hat unmittelbar nach der Beurlaubung des Hirschmann gesagt: ‚So ist das Aktienrecht, an das muss man sich halten, Punkt, aus!‘ Hirschmann hat aber natürlich einen großen Anhang gehabt, nicht so sehr in der großen Parteimasse, aber einige sehr wesentliche Leute haben gesagt, man muss schauen, dass man mit dem Gerhard zu einem Ausgleich kommt. Zweitens hat es der Gerhard virtuos beherrscht, die Medienlandschaft zu bedienen, sowohl die ‚Kleine Zeitung‘ als auch die ‚Krone‘ … Sie (Waltraud Klasnic, Anm. d. Verf.) hat sich eher jener Linie angeschlossen, die gesagt hat, ‚wir müssen mit dem Gerhard zu einem Ausgleich kommen‘.“ (Hösele) „Ausgleich“ bedeutete, dass Hirschmann über seine EStAG-Abfertigung hinaus mit einer zusätzlichen Zahlung einer, wie es offiziell hieß, „privaten“ Gruppe bedacht wurde, „koordiniert“ nach eigener Darstellung von einem früheren ÖVP-WirtschaftsLandesrat.43 Sollten damit weitere Hoffnungen dieses Kreises verbunden gewesen sein, erfüllten sie sich jedenfalls nicht: im Jahr darauf gab der frühere ÖVP-Manager und -Spitzenpolitiker seine Kandidatur mit einer eigenen Liste für die Landtagswahlen im Herbst 2005 bekannt. Und das dritte Erfolgskriterium in der Geschichte der steirischen VP, das „Ansehen … der Person … in der breiten Öffentlichkeit“? Zwischen 2002 und 2004 war die Quote jener von fast 80 % auf rund 40 % gesunken, die der Frau Landeshauptmann „ausgezeichnete“ oder „gute Arbeit“ bescheinigten.44 Die Parteivorsitzende hatte weder die ausgebrochene Fehde im Zaum gehalten noch die Spaltung bei den Wahlen abgewendet und auch ihre persönliche Unangreifbarkeit verloren; damit war die heraufziehende Wahl-Kampagne von vornher-
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ein schwerstens belastet: „Eine Volksführungsfigur haben die Wähler ihr nicht mehr vollends zugetraut, weil sie nicht einmal in den eigenen Reihen für Ruhe sorgen konnte“45 musste der Wahlkampf-Manager der ÖVP erkennen. Waltraud Klasnic war das auf die Spitze getriebene Erfolgsmodell der steirischen Volkspartei – aber, wie sich jetzt zeigte, nur zur Hälfte: sie war die Kandidatin mit dem „gelungenen Lächeln“46, aber Kommunikationsfähigkeit genügte nicht in der Vertrauenskrise, Zuhören und Zureden waren zu wenig. Der zweite Teil, jener mit der politischen Macht, war auf der Strecke geblieben. Er war allerdings ganz offenkundig weiterhin unverzichtbar – und das nicht nur was die Inhalte betraf, sondern auch die Inszenierung selbst: steirische Wahlkampf-Experten und Spitzenpolitiker von ÖVP und SPÖ bestätigten in einer Nachwahl-Befragung eine alte Weisheit: dass die „geschlossene Darstellung eines Partei-Ensembles … nur anhand einer möglichst unumstrittenen Persönlichkeit an der Parteispitze“ möglich sei.47
Der Gegner – wieder ein Vorstand, aber diesmal mit Gitarre Was unternahm in all der Zeit eigentlich die steirische SPÖ? Sie brauchte nicht viel zu tun – außer die schwersten Fehler zu unterlassen. So wühlte sie zwar in den Wunden des Gegners, aber der neue Spitzenmann feuerte selber kaum Pfeile auf die leidende Landesmutter ab. Dafür war die SPÖ für den Fall von deren Ablöse vorbereitet: Im Frühjahr 2002 hatte der offensive, aber schwer geschlagene Peter Schachner einen Nachfolger küren lassen, den Versicherungs-Vorstand Franz Voves. Schachner holte ihn nach schweren Flügelkämpfen in der Mannschaft als Alternative von der „Ersatzbank“, Voves war zuvor „politisch“ nur als ASKÖ-Präsident auffällig geworden. Ein Spitzenmanager der Partei: „Es gab zwei mögliche Kandidaten, die da gerittert haben, es gab zwei Lager, die Linken und die Rechten in der Sozialdemokratie … Das hat aber zu einer Situation geführt, dass es zu einer Kampfabstimmung gekommen wäre und aufgrund dieser Tatsache ist der Dritte zum Zug gekommen.“ (Marcher)48 Voves war also ein interner Kompromisskandidat und keine von politischem Marketing bestimmte Entscheidung, wie uns das später bei Gabi Burgstaller in Salzburg begegnen wird. Er stellte allerdings auch keinen jener braven Partei- und Gewerkschaftsführer dar, mit denen die SPÖ zuvor oft aufs Feld getrabt war. Voves war ein Arbeiterkind, aber in der Wirtschaft bis zum Finanzchef aufgestiegen – wieder ein Vorstand also, wie schon Schachner, aber mit einem Unterschied: der Neue konnte Gitarre spielen und bei Bedarf jovial sein. Außerdem hatten die Sozialdemokraten ihre inneren Krämpfe nun hinter sich; verglichen mit der ÖVP konnten sie ihren Spitzenkandidaten vergleichsweise ungestört präsentieren. Der Manager werde das Land
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führen können, hieß die Botschaft, die Hans Marcher, 2005 Wahlkampfleiter der SPÖ, vermitteln wollte: „Neben den klassischen, der SPÖ zugeordneten Werten … war für mich ganz entscheidend die Frage der Wirtschaftskompetenz von Franz Voves. Das war das Zusatz-Asset, das üblicherweise nicht der Sozialdemokratie angerechnet wird. Diese Wirtschaftskompetenz und damit auch eine Führungskompetenz sind in diesem Wirrwarr des Jahres 2004 und auch 2005 sehr positiv rübergekommen.“ (Marcher) Die SPÖ konnte damit Druck an einem schwachen Punkt der Volkspartei ausüben: deren Regierungsbesetzung schien nach dem Verlust der rauflustigen, aber fähigen Paladine Hirschmann und Paierl nicht mehr in der Lage, die frühere KernKompetenz der VP auszuspielen – die Wirtschaftsentwicklung. Zunächst scheiterte das „Spielberg“-Projekt, eine 700-Millionen-Rennsport- und Luftfahrt-Investition in der Industrieregion Obersteiermark; noch peinlicher war für die ÖVP die „Affäre Herberstein“, die im „Schweinegürtel“, in den agrarisch geprägten Bezirken der Ost- und Südsteiermark, für böses Blut sorgte. Die Schlossherrin von Herberstein, „Gräfin“ genannt und für ihren notorisch guten Zugang zur ÖVP-Spitze bekannt, hatte einen Tierpark aufgebaut, für den Landesgeld floss – und das nicht zu knapp. Vor allem aber wurde es nicht nur im Sinn der Sache verwendet, wie der Landes-Rechnungshof wenige Monate vor den Wahlen nachwies.49 Auch die Frau Landeshauptmann persönlich hatte eine eilige Zahlung verfügt. Selbst engste Klasnic-Mitarbeiter können sich in diesem Punkt inzwischen der Selbstkritik nicht enthalten: „Wir haben viel zu spät die Notbremse gezogen, viel zu spät, weil die immer gesagt hat, ‚dann muss der Tierpark zusperren‘. Das war eine Art Erpressung.“ (Hösele) Jüngere ÖVP-Manager plagt blanke Bitterkeit: „Man hätte die Dinge einfach nicht tun dürfen. Man hätte dort rigide vorgehen müssen und nicht auf die Tränen der Frau Herberstein hereinfallen dürfen.“ (Drexler)50 Nicht nur der oben zitierte Klubobmann Christopher Drexler wertet das Beispiel bis heute als Indiz für die Schwächen in der Führung. Es war generell bei den eigenen Sympathisanten und in der ÖVP-affinen Wählerschaft ruinös für das Zutrauen in die Stärke des eigenen Landeshauptmanns: die Behauptung „nach der ESTAG-Affäre und Spielberg ist Herberstein ein weiteres Beispiel für das Scheitern der Frau Landeshauptmann in der Wirtschaftspolitik“ hielten 59 % für zutreffend – nicht aller Befragten, sondern der ÖVP-WählerInnen!51 Der Fall widersprach auch der Rechtfertigung des Klasnic-Lagers, dass letztlich Hirschmann allein alles Unglück über die Partei gebracht hatte; offensichtlich waren die Vorsitzende und ihr Team auch ohne ihn durchaus in der Lage, in Peinlichkeiten hineinzustolpern. Am Ende hatte die „Steiermark“-Partei die Kontrolle über die Themen des Wahlkampfes und das, was das Land bewegte, vollständig verloren. Dafür die „mediale Ver-
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knüpfung … mit der VP“ während der Skandalserie verantwortlich zu machen oder gar, dass nun „Klasnic … extrem negativ in den Medien“52 vorkam – das hieße freilich Ursache mit Wirkung zu verwechseln. Wenn Führungsoffiziere gegen das eigene Lager zu Felde zogen, Großprojekte platzten, die die Frau Landeshauptmann persönlich zu flicken versucht hatte, und Subventionen in Privatkassen landeten, dann hatte dies eine Sprengkraft, deren Detonationen alle anderen Geräusche übertönen musste. Dazu kamen politisch-technische Fehler, auch in der Kommunikation, für welche ausschließlich der verbliebene Führungskreis selber zuständig war: Vom Geldsegen für Hirschmann erfuhr die Öffentlichkeit offenkundig ganz gezielt, was aber nicht nur den Betroffenen schwächte – spätestens, als er sich revanchierte, auch er via Medien, mit Berichten über finanzielle Angebote eines „ÖVP-Freundes“, einen Tag vor Bekanntgabe seiner Kandidatur. So erledigte man nicht nur den „feindlichen Bruder“, sondern auch die eigene „liebe“ Familie: Einen Monat vor den Landtagswahlen 2005 übernahm die SPÖ die Führung; Klasnic lag zwar bei der fiktiven LandeshauptmannDirektwahl noch einen Punkt vor Voves, stürzte aber beim Vertrauens-Index auf den dritten Platz ab, mit katastrophalen Werten, gemessen an Landeshauptleuten.53 Diese Tabelle führte ein Kommunist an, der als „Engel der Armen“ in der Landeshauptstadt Graz populär gewordene Ernest Kaltenegger. Der ihm und der SPÖ gegenüber eingeschlagene Kurs verdeutlicht die enorme Orientierungslosigkeit, die die Klasnic-VP immer weiter Richtung Abgrund trieb: Während sie selbst vor einer angeblichen „rot-roten“ Gefahr warnte und damit tief in die Gruselkiste der Nachkriegs-Wahlkämpfe griff, dokumentierten die Nach-Wahl-Analysen, wer tatsächlich zu Kaltenegger desertiert war – nämlich Protestwähler aus der ÖVP, vor allem in Graz. In St. Leonhard z. B., einem „bürgerlichen“ Viertel, verlor die Volkspartei fast neun Prozentpunkte, mehr als im Landesschnitt, während die KPÖ dort mehr als elf Prozentpunkte gewann, mehr als doppelt so viel wie in der Steiermark insgesamt: „Die Wählerströme signalisieren für die KPÖ ein überraschendes Ergebnis: Jede/r fünfte KPÖ-WählerIn hat beim letzten Mal ÖVP gewählt“.54 (Ebenso stark bediente sich die Kaltenegger-KPÖ bei den Freiheitlichen, die auch deshalb für die nächste Periode aus dem Landtag verschwanden.) Weitere 20 % der VP-Unterstützer von 2000 wanderten direkt zur SPÖ ab. Sie eroberte schließlich das erste Mal in der Geschichte der Steiermark in der 2. Republik die Mandatsmehrheit im Landtag und auch erstmals per Wahl den Landeshauptmann. Die SPÖ hatte neun Prozentpunkte hinzugewonnen, die VP fast ebenso viel verloren.
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ERGEBNIS STEIRISCHE LANDTAGSWAHLEN 2005 (im Vergleich zu 2000) Stimmprozente Landtagsmandate Regierungsmitglieder ÖVP 38,7 (-8,6) 24 (-3) 4 (-1) SPÖ 41,7 (+9,3) 25 (+6) 5 (+2) FPÖ 4,6 (-7,8) 0 (-7) 0 (-1) Grüne 4,7 (-0,9) 3 (+/-0) KPÖ 6,3 (+5,3) 4 (+4) LH (Liste Hirschmann) 2,1 (neu) 0 BZÖ 1,7 (neu) 0 PF 0,3 (neu) 0 Die „Landesmutter“ war abgewählt. Was die Inszenierung betraf, hatte sie diese Rolle schon zuvor abgegeben: „Sie hat einen entscheidenden Fehler gemacht. Sie hat 2001, 2002 begonnen, ihr Enkelkind mitzunehmen … und ich kann mich erinnern: bei der Großmutter habe ich immer alles bekommen – aber dann ist die Mama gekommen und hat gesagt, was ich nicht darf … In der Rolle der Großmutter gebe ich genau diese Führerschaft auf … Das war von ihr in der Inszenierung nicht gewollt – von der Mutter zur Großmutter, das ist ein logischer Schritt, aber das wird völlig anders bewertet.“ (Marcher) Man kann das als bloßen Regiefehler betrachten, aber ungewollt verriet es auch etwas über die Wirklichkeit hinter den Kulissen. Die Parteichefin Klasnic war auch dort nicht mehr jenes „Oberhaupt“ gewesen, dass die Familie zusammenhalten konnte, und schon gar nicht die „strenge Mutter“. Dazu hätte sie die politische Führung ausüben müssen, was ihr nicht ausreichend gelang. Die Partei wiederum hatte sich schon zehn Jahre vor ihrer Niederlage, am Ende der Landesfürsten-Ära, mit einem Wechsel an der Spitze begnügt. Sie hatte wenig Lust gezeigt, sich selber auf den Prüfstand zu stellen. Ein ÖVP-Intimus: „In Wahrheit hat das Wahlergebnis 95, wo sich Krainer mit einem Vorsprung von 2.400 Stimmen noch d’rübergerettet hat, nie zu einer internen Manöverkritik geführt. Man muss ja die Manöverkritik nicht unbedingt am Marktplatz machen, aber die ÖVP hat sich darauf konzentriert, die Waltraud Klasnic herauszustellen. Sie hat völlig ihre intellektuelle Ausstrahlung verloren …“ (Zankel) Man überließ sich der Droge Popularität. Die wirkte 2000 auch und das sogar hervorragend, unter anderem deshalb, weil sich der Gegner damals noch beim Gegenmittel vergriffen hatte. Für die ÖVP erwies sich das Ergebnis als eine Art Halluzinogen; das Publikum aber war bald ernüchtert – und 2005 erwachte die Partei in der Realität: „… die steirische Wählerschaft (zählt) auch auf Landesebene traditionell zu den mobi-
2.2 Der Bodycheck als politische Kulturtechnik – und die Resultate
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leren. Bei den Landtagswahlen 1953 lag die SPÖ sogar leicht vor der Volkspartei … Die Landtagswahlen 2000 erwiesen sich im Rückblick somit als Ausnahme, bei der die Volkspartei aufgrund des Einbruchs der FPÖ und einer Schwäche der SPÖ ein besonders gutes Wahlergebnis erzielen konnte …“55 Die SPÖ, im Schatten stehend, hatte sich dort erholt, sogar selbst überrascht von der Geschwindigkeit, in der die ÖVP verfiel. Die hatte mithilfe ihres Stars die Nummer eins zwar noch „dargestellt“, zum Teil im wahrsten Sinn des Wortes – aber Regieanweisungen reichten am Ende nicht, auch nicht im angeblichen Zeitalter der politischen Inszenierung.
2.2 Der Bodycheck als politische Kulturtechnik – und die Resultate Der SPÖ-Kandidat Franz Voves wurde dann tatsächlich kein Landeshauptmann wie jeder andere. Er hatte nicht nur Gitarre gelernt, sondern auch Eishockey – und dieses beherrschte er als früherer Stürmer des Nationalteams sogar besser. Der Bodycheck, typisches Stilmittel in diesem zweikampfbetonten Sport, wurde nun rasch zur bevorzugten Technik, auch im politischen Umgang der Regierungs-„Partner“. Definiert wird er in der Fachwelt als – frei übersetzt – gezielter Körpereinsatz, um dem Puck-führenden Spieler die Scheibe abzunehmen56 und damit zu verhindern, dass der einen Erfolg, sprich ein Tor, erzielt. Interessanterweise kennt solche Methoden auch die Politik, ihr Jargon hat sogar einen Ausdruck dafür, der selbst aus dem Eishockey stammen könnte: man lässt den Gegner „auflaufen“ – und genau diese Taktik wurde in den folgenden Jahren in Burg und Landhaus bevorzugt. Das neue Landesoberhaupt war ohnehin nicht nur durch seine Vergangenheit als Sportler, sondern vor allem durch jene als Unternehmensmanager einen anderen „Spielstil“ gewohnt als den der traditionellen Gremiendemokratie: „Voves hat von den Ritualen der Politik nichts gewusst“, bekennt ein leitender Mitarbeiter von damals; das konnten auch andere „Mannschafts“-Kollegen bezeugen, etwa der langjährige Geschäftsführer der SP-GemeindevertreterInnen: „Voves kommt aus einem großen Versicherungsunternehmen, wo es klare Businesspläne gegeben hat, Ziele sind genau definiert worden, wie Meilensteine … aber eine Partei ist nicht immer vergleichbar mit einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen, womit er natürlich klarerweise seine Probleme hat, weil er den Erfolg rasch haben will … Wir merken es bei den Sitzungen, dass ihn das einholt, dass er sagt: ‚Jetzt hab ich das eingefordert und das ist noch nicht da‘, da wirst du klarerweise ein bissel nervös …“57 Das galt schon für den internen Verkehr; aber dazu kam eine ÖVP, die nun, nur noch „Vize-Meister“, von Anfang an entschlossen war, dem neuen Ersten nicht ein-
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fach das Feld zu überlassen. Vor allem sollte dieser nicht die Bonuspunkte des Landeshauptmanns lukrieren können. ÖVP-Klubobmann Christopher Drexler, jetzt mehr denn je ein Schlüsselspieler, hatte schon bei der konstituierenden Sitzung des Landtags „kritische Begleitung“ für den gegnerischen Star angekündigt: „Man kann getrost sagen, dass es bewusst gewählte Strategie war, nicht in voller Harmonie Hand in Hand durchs Land zu marschieren, weil uns klar war, dass uns Voves und die SPÖ sonst in der Wählergunst enteilen würden. Man musste verhindern, dass eine klassische Landeshauptmann-Figur entsteht … Unsere Strategie hat einfach geheißen, durchaus gelegentlich auf Konfrontation zu gehen, Konflikte auszutragen.“ (Drexler) Die ÖVP fühlte sich dazu umso mehr legitimiert, als die SPÖ in der Regierung alte Spielregeln nicht mehr respektierte. In der steirischen Krankenhausgesellschaft KAGES z. B. ließ sie einen der VP zugerechneten Aufsichtsrat abberufen und durch eine Expertin eigener Wahl ersetzen – für die steirischen Schwarzen ein „Vertrauensbruch“, ein „erschütterndes Ereignis“, ja „eine Art Casus Belli“ (Drexler). Auch für den SPÖ-Landesgeschäftsführer herrschte „nach einem dreiviertel Jahr offener Krieg“58. Voves sollte eine Absprache gebrochen haben, was er bestritt – aber der Alleingang war so oder so psychologisch ungeschickt und handwerklich unprofessionell. So beurteilten das auch sozialdemokratische Regierungs-Routiniers, die noch den „steirischen Brauch“ kannten: Der sah für solche Fälle informelle Vereinbarungen vor – und auch, sich daran zu halten. Machtpolitisch freilich waren selbst langjährige Gesprächspartner der Volkspartei aus den Reihen der SPÖ durchaus der Ansicht, die siegreiche Sozialdemokratie müsse nun zum Angriff übergehen und die Chance nutzen, ihre Einflusszonen auszuweiten. Kurt Flecker (SPÖ), Regierungsmitglied seit dem Jahr 2000: „Jetzt ist auch wieder, und da stehe ich absolut dazu, die Gemeindeabteilung besetzt worden mit jemand SPÖNahem und ein Bezirkshauptmann mit einem SPÖ-Nahen … Das geht alles mehrheitlich … Nach 60 Jahren leichter ÖVP-Mehrheit waren große Teile des Landes schwarz eingefärbt. Wir sind jetzt pari.“ (Flecker, 2008) Personalentscheidungen per Mehrheit, ohne Zustimmung des Partners, diese Bruchlinie war bereits in der Konstruktion dieser Regierung angelegt – die durchaus auch dem Willen der ÖVP entsprach. Rot und Schwarz (Blau war nicht mehr vertreten) hatten keineswegs eine Koalition abgeschlossen, sondern nur ein Arbeitsübereinkommen. Das musste von vornherein zu einer höheren Konfliktintensität führen. Der Klubobmann der SPÖ: „In der Regierung haben wir den Vorteil eines 5 : 4. Wenn es dort zu keinem Konsens kommt, kann man auch eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen (!). Im Landtag muss man aber schauen, dass man auch andere Parteien mit ins Boot nimmt … Im Landtag ist Spiel der freien Kräfte.“ (Kröpfl)
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Anders als etwa in Salzburg existierte also keine „Schon-Vereinbarung“, in der Landtagsinitiativen gegen den Koalitionspartner so gut wie unmöglich waren. Das vergrößerte in der Steiermark vor allem den Spielraum der ÖVP – denn die SPÖ verfügte zwar in der Regierung über die absolute Mehrheit, aber nicht im Landtag. Dort konnte die Volkspartei mithilfe der anderen Fraktionen die Sozialdemokraten jederzeit überstimmen – und sie war auch stolz, wenn sie das schaffte: „Es ist ihnen (der SPÖ, Anm. d. Verf.) ziemlich rasch bewusst geworden, dass ihnen die ganze absolute Mehrheit in der Regierung nichts hilft, solange sie im Landtag keine absolute Mehrheit haben in vielen Fragen – weshalb es dann gelungen ist über die fünf Jahre, die von mir sogenannte ‚Abenteuer-Koalition‘ mit ÖVP, KPÖ und Grünen zusammenzuschmieden und manchmal den Landeshauptmann und die SPÖ in die Schranken zu weisen.“ (Drexler) Es war wirklich äußerst bunt, das Modell politischer Herrschaft in jenen Jahren in der Steiermark – einem Beobachter aus England oder Deutschland mit der dort üblichen klaren Trennung von Regierung und Opposition musste es flimmern vor den Augen: Rot und Schwarz sollten zwar einerseits gemeinsam das Land führen, fielen einander aber gleichzeitig öfter in den Arm, wobei nicht einmal Kurzzeitpartnerschaften mit anderen ausgeschlossen waren. Dieses Doppelspiel erlaubte die immer noch geltende Proporz-Verfassung: sie garantierte ab einer gewissen Stärke die Vertretung in der Regierung – ohne dass man deshalb die Chance verlor, gleichzeitig auf Konfrontation zu gehen. Das System war so bequem, dass damals weder SPÖ noch ÖVP ernsthaft daran dachten, es aufzugeben. Die Volkspartei konnte ihre Empörung über eine drohende „sozialdemokratische Willkürherrschaft “ vorschützen, die „breite Kontrolle in der Landesregierung“ verlange59; die SPÖ forderte offiziell das Ende des Proporzes – aber eher nur rhetorisch: „Ich kann mit diesem System ganz gut leben, der Voves kann damit ganz gut leben. Unser Pochen auf das Thema dient natürlich dazu, sie (die ÖVP, Anm. d. Verf.) als alt und reform-unwillig darzustellen. Das ist eher ein Symbolstreit.“ (Flecker) Die neue Praxis in der Steiermark freilich sprach allen Erfahrungen Hohn, auch denen der Wissenschaft. Denn bis dahin hatte das „Proporzprinzip“, also die Beteiligung aller größeren Parteien an der Regierung, als Mittel zum (höheren) Zweck gegolten; es soll die „für die Zweite Republik charakteristische Konkordanz-Demokratie“ absichern; schließlich waren deren Aufkündigung „in den Ländern klare, allein durch eine Verfassungsänderung zu überwindende Schranken gesetzt“60. An der Mur aber warf man die gute alte Konsens-Tradition über Bord – ohne deshalb die Verfassung anzupassen, was seriös und logisch gewesen wäre. Vielmehr wurde der Proporz zur
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Vorsicht beibehalten – er war die politische „Lebensversicherung“, die Polizze, ein Beteiligungsschein an der Macht. Man konnte sich nach Lust und Laune streiten, ohne diesen zerreißen zu müssen. Der Schritt zu einer Konflikt-Demokratie war also nur ein halber – lediglich der öffentliche Lärm entsprach einer solchen. Parteitaktisch schien damit zumindest auf den ersten Blick die Parole aufzugehen, die die ÖVP ausgegeben hatte: „Nach der Wahl ist vor der Wahl – der Wahlkampf 2010 hat für uns 2006 begonnen.“61 Zum Vergnügen der schwarzen Strategen ließ sich nämlich in den ersten Jahren der rote Kapitän persönlich in Zweikämpfe ziehen. Das sah man auch in dessen eigenem Lager als Nachteil: „Franz Voves wird nicht immer poltern, aber wenn’s angebracht ist, ist er halt ein bisschen Eishockeyspieler. Das ist ja belebend. Das ist aber kein Mittel, das man ständig anwendet. Ich glaube, es ist gescheiter, wenn er das Grobe jemand anderem zuordnet, dem Klubobmann, oder einem aus der Regierungsmannschaft oder dem Landesgeschäftsführer. Bei der groben Arbeit sollte er sich mehr zurücknehmen, was ihm immer besser gelingt in letzter Zeit.“ (Kröpfl, 2008) Voves, auch selber einem Bodycheck nicht abhold, war es nicht gelungen, dem klassischen Bild vom Landesvater zu entsprechen – versöhnlich, väterlich, „konsensorientiert“ im Führungsstil.62 Im Vertrauensindex lag der Steirer im dritten Jahr seiner Amtszeit an vorletzter Stelle aller österreichischen und an letzter bei den SP-Landeshauptleuten63; selbst in TV-Berichten manchmal wirkend, als würde er sich von der Sportkantine aus über das Verhalten des Gegners auf dem Eis ereifern: „I hob so vü Dummheit auf an Hauf ’n in meiner beruflichen Funktion no nie erlebt …“64 Schon damals allerdings zeichnete sich ab, dass die raue Matchatmosphäre nicht nur einer Mannschaft angelastet wurde – ja mehr noch, es schien, als wolle das steirische Publikum in der Politik generell keine Eishockey-Sitten sehen: Nach den Serien-Checks sanken die Vertrauenswerte praktisch aller Spitzenpolitiker; noch schlechtere als Voves wies Hermann Schützenhöfer auf, nach der Niederlage von 2005 neuer Obmann und Landeshauptmann-Stellvertreter der ÖVP. Die ganze Branche litt – auch wenn die Volkspartei den Effekt nach eigenem Bekunden einkalkulierte: „Es schadet auf alle Fälle der Politik, es schadet den großen Parteien zuerst, aber en gros allen in der Politik. Allerdings ist das ein Kollateralschaden, den wir in Kauf nehmen. Der Kollateralschaden bedeutet im Endeffekt, dass die Leute sagen, ‚es geht im Land nichts weiter‘ und ich glaube, dass es wichtig ist, auch zu zeigen, dass nichts weitergeht.“ (Rinner, 2007) „Zu zeigen, dass nichts weitergeht“ – das war offensichtlich gelungen. Führende Medien sahen die „Steiermark in der Sackgasse“ und erklärten zwei Jahre nach Amtsantritt der neuen Regierung wesentliche Ziele wie die Sanierung des Budgets und
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die Abschaffung des Proporzes für gescheitert; in der Energiepolitik herrsche „Stillstand“65, man sei in der Arena zu sehr mit Fouls am Gegner beschäftigt. Bodychecks sind übrigens im Eishockey zugelassen, sofern sie korrekt ausgeführt werden und bei Gelegenheit werden sie sogar bejubelt – in der Politik fand die Technik der gezielten Konfrontation in der Öffentlichkeit keinen Beifall. „Checking from behind“ zum Beispiel ist allerdings selbst im Eishockey verboten.66
Exkurs: Graz – wo die Zukunft ihre Probe hält Wer auf der Suche nach mehr Bewegung in der Politik war, musste den Blick wieder einmal auf die Landeshauptstadt Graz richten. Zu Beginn des Jahres 2008 wurde ein neuer Gemeinderat gewählt und das Ergebnis ließ vor allem die SPÖ erschauern: Die ÖVP mit dem regierenden Bürgermeister Siegfried Nagl legte zu, die Sozialdemokraten – obwohl schon fünf Jahre zuvor schwer aufs Haupt geschlagen – verloren nochmals deutlich, während die Grünen die Zahl ihrer Mandate verdoppelten. Sie schlossen mit Nagl eine schwarz-grüne Koalition ab und stellten nun eine Vizebürgermeisterin für „Verkehr, Umwelt und Wirtschaftsbetriebe“. Aber Überraschungen waren das einzige, was an Grazer Wahlergebnissen nicht überraschen konnte. Die Stadt, eine Mischung von Verwaltungs- und Industriezentrum, aber inzwischen auch eine Dienstleistungs-Metropole67, war politisch schon seit Jahrzehnten ein Versuchslabor. Die SPÖ hatte hier z. B. 1973 nach fast 30 Jahren die Bürgermeisterposition verspielt – wegen einem Autobahnprojekt, einem grünen Thema also, das hier so früh wie kaum sonst wo Karriere machte, ausgenommen vielleicht Salzburg. Nun also hatte der ÖVP-Spitzenkandidat das Experiment riskiert, mitten im Wahlkampf erstmals eine Koalition mit den Grünen als Ziel zu nennen – und auch wenn der Versuch inzwischen scheiterte: die Ankündigung war damals durchaus ein Erfolg, auch weil eine Neuauflage von Schwarz-Rot in Graz als hoffnungsloser Fall galt. Claudia Babel betreute mit ihrer Agentur die Wahlwerbung für Nagl: „Die Aussicht, dass die Grünen mitspielen könnten, hat uns genutzt und denen; das hat sie um mindestens 6 % hinaufgezogen – und wir haben aus dem Nichtwähler-Bereich dadurch Leute aktivieren können … Wir hatten schon öfter besprochen, dass Schwarz-Rot kein Tun mehr ist. Auf einmal, durch die Zweitstimmen-Abfrage, war es so klar, dass eigentlich die Schwarzen alle ein grünes Herz haben und die Grünen die Kinder der Schwarzen sind, das ist das Ergebnis gewesen. Nagl hat dann mit Schützenhöfer alles abgeklärt und dann ist es raufgegangen, pro Woche raufgegangen, noch vor der Wahl, für die Grünen auch.“68
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Auch wenn die Analysen eine im wahrsten Sinn des Wortes „Verwandtschaft“ von Schwarz und Grün gezeigt hatten – eine Selbstverständlichkeit war die Ansage des Grazer ÖVP-Oberhauptes nicht. Nagl beschrieben Mitarbeiter als „Kirchenfreak, sehr spirituell veranlagt, religiös“ 69 – die Wunschpartnerin, die grüne Spitzenkandidatin Lisa Rücker, eine zweifache Mutter, hatte sich als lesbisch geoutet. Aber die Bürgermeister-Partei hatte in diesem Wahlkampf schon einiges anders gemacht. Die von Nagl verpflichtete Agentur-Chefin war Geschäftsführerin des Liberalen Forums gewesen und brach auch rasch mit einigen Kampagnen-Routinen: „Wir haben z. B. keinen einzigen Wahlkampf-Stand gehabt. Du bist dort nicht aktiv, denn die Leute müssen ja auf dich zukommen … Wir haben dann gehende Litfaßsäulen gemacht, da waren auch Themen drinnen, die sind aktiv durch alle Bezirke, sind auf die Menschen zugegangen. Da hat jeder gelacht. Mit unseren ‚lachenden Uhrtürmen‘ (dem Grazer Wahrzeichen nachgebaut, Anm. d. Verf.) sind die Leute in der Nacht durch die Stadt gegangen, weil ihnen die so gut gefallen haben, und dann haben sie sie wieder zurückgebracht. Wir haben etwas zustande gebracht, was aus Spaß heraus entstanden ist – denn das tut man normalerweise in der Politik nicht.“ (Babel) Der ÖVP-Spitzenkandidat trat massiv im Internet auf, was damals in dieser Intensität noch nicht üblich war; das Netz wurde auch benutzt, um für neue Wählergruppen Bürgernähe zumindest zu demonstrieren: „Der Einsatz der Website war mehr als eine Modeerscheinung … Wir haben zu acht Themen Abstimmungen gemacht. Wir haben die Älteren per Inserat befragt und für die Jüngeren haben wir im Internet gefragt, da haben wir insgesamt 83.000 Menschen gehabt, die sich beteiligt haben. Das Internet darfst du nicht überbewerten, aber du kriegst eine neue Klientel – Junge oder Leute, die überhaupt nicht zur Wahl gehen können, oder Autisten, die nur über diese elektronischen Medien kommunizieren.“ (Babel) Am Ende wurde die Grazer ÖVP in allen Wählergruppen zur stärksten Partei; sie hielt auch bei den Jüngeren die angeblich dort so unaufhaltsamen Blau/Orangen auf Abstand (unter 21-Jährige: ÖVP 38 %, FPÖ+BZÖ 21 %; 21- bis 30-Jährige: VP 34 %, FPÖ+BZÖ 11 %)70. Die Gewinne der mit heftigen Anti-Islam-Sprüchen um Aufsehen kämpfenden Freiheitlichen hielten sich mit nicht einmal drei Prozent auch im Gesamtergebnis in Grenzen. Einem Hauptkonkurrenten konnte auch das nicht mehr helfen – der SPÖ. Sie wurde im Wahlkampf regelrecht überrollt. Das lag zum einen an ihrem Vizebürgermeister Walter Ferk, einem früheren Gewerkschaftsvertreter, der in der Rolle als Spitzenkandidat ähnlich erfolglos war wie zuvor einige ÖGB-Kollegen auf Landesebene (Flecker: „Ferk war der Hans Groß der Stadtpolitik.“). Ferk erhielt z. B. nur ein Drittel der Vorzugsstimmen von Nagl und konnte auch
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nicht davon profitieren, dass die KPÖ ihren populären Repräsentanten, den früheren Wohnungsstadtrat Ernest Kaltenegger, ans Land verloren hatte und in Graz auf die Hälfte einschrumpfte. Die Schwäche an der Listenspitze allein konnte jedoch den Absturz der SPÖ nicht erklären – zu massiv war dessen Ausmaß und zu lange hatte er bereits gewährt. Vollends erschließt er sich bei einer Langfristanalyse – anzusetzen ab dem Jahr 1998, als die SPÖ noch den Bürgermeister stellte: GEMEINDERATSWAHLEN GRAZ Mehrheiten in den Bezirken SPÖ ÖVP 1998 in 10 in 7 2003 4 13 2008 1 16 Beispiel Bezirk Gries SPÖ ÖVP 1998 34 % 16 % 2008 26 % 27 % 1998 2003 2008
Wahlbeteiligung Bezirk Gries 54 % 49 % 43 %
Selbst stimmenstarke Mehrheitsbezirke konnte die ÖVP 2008 der SPÖ erstmals abnehmen. Den Schlüssel lieferte die Wahlbeteiligung: Verweigert hatten die Treuesten der Treuen in der SPÖ, jene aus der „50-plus-Generation“, ein „neues Phänomen71 – und ein für die Partei besonders desaströses: aus diesem Reservoir hatte sie bisher noch am erfolgreichsten Stimmen geschöpft; bei allen Wählergruppen unter 40 war sie nicht nur von der ÖVP, sondern auch bereits von den Grünen überholt worden … SPÖ-Manager mit viel praktischer Erfahrung wollen übrigens nicht an jene Erklärungsmuster glauben, die heute zur Deutung solcher Wahlresultate herumgereicht werden: dass es nämlich letztlich fast ausschließlich auf das Image des Spitzenkandidaten ankomme und auf die Botschaften in den Medien, angeblich den einzigen Orten, wo heute noch Politik vermittelt werden könne.72 Sie sind vielmehr überzeugt, dass die Sozialdemokratie in Graz eine ihrer größten Stärken verrotten ließ – die Verwurzelung
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im Geflecht der Gesellschaft. Der SP-Gemeindeexperte Günter Pirker: „Der Spitzenkandidat ist nur ein Faktor – so viel kannst du als Einzelperson gar nicht verlieren. Parteien brauchen Mitglieder, wenn man das nicht mehr hat, fehlt auch das Feeling für die Leute … Wenn ich sage, ich habe 3.000 Mitglieder in einem Bezirk, bin ich in jedem sozialen Netzwerk drinnen … dann bist du mit einem Sympathisanten fast in jedem Verein, in jeder Organisation, hast dort einen Meinungsträger dabei, der sich auch der Diskussion stellen kann. Wenn du das nicht hast, wer gibt in einer Diskussion beim Bier nach einer Feuerwehrübung kontra und klärt ein paar Dinge auf? So bleibt dann halt alles so stehen, was gerade Sache ist am Stammtisch.“ (Pirker) Die SPÖ hatte stadtviertelweise die direkte Kommunikation aufgegeben, geschweige denn, dass sie auf der Symbolebene noch Flagge zeigte: „Wenn man in Sprengeln nur noch 40 Stimmen hat, bei 400, 500 Wahlberechtigten, ist das die Katastrophe schlechthin. Ich weiß dann genau, dort habe ich nicht einmal mehr einen Sprecher für die SPÖ oder irgendeinen, der dort die rote Fahne hinaushängt am 1. Mai.“ (Pirker) Der „Grassroots“-Faktor werde unterschätzt, geben solche SP-Analytiker zu bedenken. Wenn dann noch der eigene Frontmann unterlegen war und der Wahlkampf des Gegners Fahrt aufnahm, konnte man kaum noch dagegenhalten, vor allem wenn man nicht mehr vom Abglanz des Bürgermeisteramts leben konnte, wie die Grazer SPÖ seit 2003: „Der Misserfolg ist schon mit Schluss der Ära Bürgermeister Stingl passiert und vielleicht etwas davor, weil man sich nicht mehr gekümmert hat um die SPÖ … Irgendwann hat man das in der SPÖ Graz nicht mehr als so wichtig empfunden und hat die Struktur sehr vernachlässigt.“ (Pirker) „In Graz ist es der Hauptfehler gewesen, dass man die Partei als Partei vergessen hat. Man hat die Sektionen herumdümpeln lassen, ohne zu versuchen, wirklich an die Menschen heranzugehen. Das hat sich nur in Funktionärskreisen abgespielt.“ (Kröpfl) Die Sozialdemokratie in der Hauptstadt lag darnieder. Das hatte keine geringe Bedeutung – auch die Landespartei und sämtliche Konkurrenten wussten, dass sich hier die nächsten Landeswahlen entscheiden würden.
2.3 Die Landtagswahlen 2010 – oder: Ein (etwas zu) steirischer Wahlkampf Es schienen nun auch weitere Zeichen auf eine rasche Rückkehr der ÖVP an die Spitze zu deuten. Ausgerechnet auf dem spielentscheidenden Terrain, in Graz, brach wenige Monate vor den Landtagswahlen 2010 ein Machtkampf an der SP-Spitze aus; eine Stadträtin (Elke Edlinger) stürzte den Parteivorsitzenden (Wolfgang Riedler) – auch
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dies eine späte Folge alter Versäumnisse: „Es war wie so oft, wenn Langzeitherrscher wie Alfred Stingl (SP-Bürgermeister 1985–2003, Anm. d. Verf.) abtreten und sie die Nachfolge nicht ordentlich geregelt haben. Das gehört ja vorbereitet und das ist überhaupt nicht passiert. Es hat mehrere Blöcke gegeben, die haben sich zerfleischt; die Blöcke gibt es noch immer, es ist halt nicht zur Ruhe gekommen. Die beiden, Edlinger und Riedler, haben sich selbst in die Luft gesprengt sozusagen, in einer beispiellos dummen Aktion.“ (Vukan, 2010) Schon wurden erste Vergleiche zum Ende der Ära Klasnic gezogen; der als „Notarzt“ eingesetzte Klubobmann Karl-Heinz Herper, ein Parteiroutinier (damals 64) beschrieb die für die SP äußerst bedrohliche Lage später so: „Vielleicht ist zu lange zug’schaut worden, auch von Franz Voves und den wichtigen Protagonisten der SPÖ Steiermark … Deshalb war die Situation dann noch dramatischer, weil es keiner für möglich gehalten hätte, die Partei zu stabilisieren oder überhaupt in der Öffentlichkeit wieder eine ruhigere Hand zu demonstrieren. Da haben schon alle gesagt, das ist eine Vorlage, das ist ein aufgelegter Elfer für die steirische ÖVP, für den Schützenhöfer.“73 Allerdings bestand ein Unterschied zur ÖVP-Chefin von damals: Voves erweckte wenigstens den Eindruck, als könne er das Spiel noch in die Hand nehmen, wenn auch erst knapp vor dem Ende. Die Duellanten in der Hauptstadt mussten beide ihre Ämter aufgeben; als neue Galionsfigur in Graz ließ der SPÖ-Landesvorsitzende Bettina V ollath installieren, eine Landesrätin, die nicht nur bei Voves, sondern auch bei den Wählern die höchsten Vertrauenswerte aller SP-PolitikerInnen genoss.74 Die SPÖ hatte zu diesem Zeitpunkt mehr Zuspruch bitter nötig. Bei den Gemeinderatswahlen im Frühjahr 2010 (in den Kommunen ausgenommen Graz) hatte sie knapp sechs Prozentpunkte verloren, die VP hatte leicht gewonnen – und dieser erste Wahlgang des Jahres konnte als Barometer gelten: Fünf Jahre zuvor hatte er den Trend richtig angezeigt. Die SPÖ schien ihre Stammwählerschaft nicht halten zu können. Hochburgen zerfielen; in der Mur-Mürz-Furche z. B., einem traditionellen Industriegebiet, bröckelten bis zu 21 % ab (etwa in Kapfenberg): „Nach der Gemeinderatswahl, bei der wir schwer verloren haben, waren wir auf Landesebene mindestens 3 % hinten, im April/Mai. Die Gemeinderatswahl war ein Desaster. Voves hat sich ferngehalten, das waren unsere Ortskaiser. Ein Leobener, ein Kapfenberger, ein Weizer, ein Voitsberger Bürgermeister, das sind ja Kaliber. Die machen, was sie für richtig halten. Das ist in die Hose gegangen.“ (Vukan) Zumindest bei den Lokalwahlen spielten die roten „Stadt-Grafen“ offensichtlich ihr eigenes Spiel. Die ÖVP durfte sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Vormarsch fühlen. Die Niederlage von 2005 konnte in erster Linie als Führungsdebakel erklärt werden und die neue Parteispitze hatte danach zunächst einmal versucht, wieder ein „Mann-
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schaftsgefühl“ zu produzieren und mit den eigenen Funktionären zusammenzurücken. Die interne Kommunikation wurde auf den Stand der Zeit gebracht; Bernhard Rinner, vom neuen Landesparteiobmann Schützenhöfer Anfang 2007 zum Landesgeschäftsführer berufen: „Begonnen habe ich bei einer Mitgliederzahl von 130.000, einer Funktionärsbasis von 6.500 und einer E-Mail-Datenebene von 2.000. Das heißt, ich kann mit meinen eigenen Funktionären und Mitgliedern gar nicht kommunizieren. Mittlerweile stehen wir bei 17.000 E-Mail-Daten, weil ich auf diesen dauernden Kontakt sehr viel baue und dies ein entscheidender Punkt ist, ob ich an die Leute herankomme oder nicht. Plus der direkte Kontakt wie zum Beispiel über eine Impulstour …“ (Rinner, 2007)
Szenen aus der Steiermark: Eine „Impuls-Tour“ – oder: Zuspruch für Geschlagene Ende September 2007, zwei Jahre nach der schweren Wahlniederlage der steirischen ÖVP, im Festsaal von St. Lorenzen im Mürztal. Die neue Parteiführung ist auf einer „Impuls-Tour“ durch die Bezirke, Knochenarbeit an der Basis ist angesagt; bei den Geschlagenen hat sich nach dem „politischen Tsunami“75 von 2005 Unsicherheit bis Depression breitgemacht. Mut zusprechen will man diesmal mehr als 200 Funktionären aus dem Industrie-Konglomerat Mürzzuschlag-Bruck-Leoben. Betriebe wechseln sich mit Einkaufszentren ab, die Ortschaften scheinen ineinander überzufließen. Die schwarzen Brückenköpfe sehen sich, bei Stimmenanteilen von zuletzt um die 25 %, einer roten Übermacht gegenüber. Der Saal ist in grünes Licht getaucht; ein großer Flatscreen leuchtet, das Techno-Ambiente ist mit Retro-Elementen versetzt: vorne rechts grüßt ein steirischer Panther. Moderator Bernhard Rinner, der Landesgeschäftsführer, wirft sich vor seinem Auftritt in ein Steirer-Sakko. Das Musikvideo zum Start lässt kein Abziehbild aus dem Steiermark-Album aus; den Uhrturm nicht, auch nicht den Klapotetz und schon gar nicht ein neues Heimatlied: „Do bin I her“, geschmachtet von Gert Steinbäcker von der Dialekt-Pop-Band STS. Aber dann geht es zur Sache. Rinner hat allein in diesen Bezirken 3.400 Fragebögen auswerten lassen und in diesen sogar das „Vertrauen in die BezirksparteiFührung“ abgetestet. Ein Obmann gratuliert ihm zu seinem „Mut“. Das Ergebnis wird auf offener Bühne verkündet: Leoben liegt bei 60 %, 20 % hinter Bruck – eine Blamage. Aber der Moderator setzt noch einen drauf: „Wie wichtig ist Vertrauen?“, fragt er die Leobner Obfrau …Allerdings ist das Verhältnis zur Landespartei auch
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noch nicht wieder vertrauenerweckend. „Werden die Funktionäre an der Basis von der Landespartei ernst genommen?“ beantwortet nur eine Minderheit von weniger als 40 % mit „Ja“. Obmann Hermann Schützenhöfer ist im Video tanzend vorgestellt worden, als „Dancing Star“ gewissermaßen. Tatsächlich ist er ein freundlicher, graumelierter Berufspolitiker mit (selbstverständlich) weiß-grüner Krawatte. Er ist in der milden Atmosphäre der steirischen Konzentrationsregierung groß geworden und muss den lokalen VP-Vertretern jetzt erklären, warum die VP nun ständig Eiszeiten ausruft. Das Klima sei tatsächlich rauer geworden, berichtet ein Bezirksobmann und versteht das als Klage, denn auf Gemeindeebene falle es schwer, „ständig dagegen zu sein“. Schützenhöfer tröstet: „Die SP war nicht in der Lage, den Amtsbonus auszuspielen. Wir sind nicht abgestürzt – das ist ein Erfolg.“ In der internen Umfrage haben 60 % der Mitglieder der ÖVP für das nächste Mal „Chancen auf die Nummer 1“ gegeben – kein großartiger Wert. Das Selbstvertrauen, in früheren Jahren schier überschießend, hat gelitten. Auf dem Flatscreen bauen sich weitere unangenehme Daten auf: „Zu wem haben Sie Kontakte?“, hat die Geschäftsführung gefragt. 78 % haben angegeben „zu Senioren“ – die Quote bei „Wechselwählern“: 28 %. Es musste wieder mehr Leben in die Partei. Zu lange hatte sie sich schlicht auf die Vormacht in der Grazer Burg verlassen; nun wurde dem Apparat personelle Erneuerung verordnet: „Das Schlimmste wäre: ‚Schwamm drüber, das war alles ein Betriebsunfall.‘ Davon kann man bei Gott nicht sprechen. Es geht auch um eine Professionalisierung der Strukturen … Wir haben mittlerweile – und das hat vor mir keiner getan die letzten 20 Jahre – fünf Bezirksgeschäftsführer gewechselt. Das ist etwas, was direkt in die Strukturen einer Partei hineingeht. Nur so geht es, um die direkten Player, die angestellt sind in einer Partei, neu zu formieren und die anderen zu motivieren.“ (Rinner, 2007) Gleichzeitig versuchte das Parteimanagement, bei jenen Traditionen anzuknüpfen, die die steirische ÖVP einst stark gemacht hatten: sich „volkstümlich und urban-intellektuell in einem“ zu geben und gezielt „Offenheit“ zu zeigen76: „Es war in der Steiermark geradezu ein Muss, liberalere Positionen einzunehmen und damit auch Signale an urbane Bevölkerungsgruppen zu senden … Ich glaube z. B., es ist ein Glück, wenn jemand gut verheiratet ist. Es ist aber kein Muss, um eine Ansprache bei der Partei zu haben – im Gegenteil: Es soll jeder Funktionär daran denken, wie bereits seine Kinder
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leben – die meisten sind nicht verheiratet. Man muss die Scheuklappen aufmachen.“ (Rinner, 2007) Diese Öffnung der „Scheuklappen“ klingt nach Selbstverständlichkeit, das war sie aber in der Praxis keineswegs – vor allem war es keine ausgemachte Sache, in welche Richtung sich der Blick weiten sollte: in der oben erwähnten Funktionärsumfrage der steirischen VP beantworteten die Frage „Soll wieder mehr Wert auf Grundwerte gelegt werden?“ fast 80 % mit „Ja“ – während sich gleichzeitig 77 % dafür aussprachen, dass die VP „liberaler sein“ solle. Beide Positionen, obwohl diametral entgegengesetzt, fanden eine überwältigende Mehrheit; ein Ergebnis, das nur möglich war, weil zahlreiche der mehr als 3.000 befragten ÖVP-Aktivisten in einem Atemzug zwei unvereinbare Forderungen unterstützt hatten. Der Parteimanager musste für seine Analyse Kategorien aus der Psychiatrie bemühen: „Die Partei ist quasi schizophren.“77 Auf jeden Fall illustriert das Beispiel trefflich, wie schwer sich die „Volks“-Parteien jeglicher Couleur heute tun, noch eine möglichst breite Wählerschaft zufriedenzustellen – zumal deren Wünsche nicht nur verschieden sind, sondern einander schlicht widersprechen und das selbst innerhalb derselben Kernzielgruppe. Wenn schon der Wähler nicht weiß, was er will, wie sollen das dann die Parteien wissen? Sie haben es sich ja heute schließlich auf die Fahnen geschrieben, praktisch ausschließlich diesem Wählerwillen zu folgen … Doch nicht nur wegen dieser Hindernisse war eine Rückkehr der Steirer-VP zur alten Pracht und Herrlichkeit ohnehin unrealistisch (ihr bestes Wahlergebnis: 53,3 % bei den Landtagswahlen 1974). Ein Jahr vor den Landtagswahlen 2010 hatte sie sich aber immerhin so weit stabilisiert, dass sie gleichauf mit der SPÖ lag, bei 37 %.78 Der Weg schien nach oben zu führen – allerdings hing die Datenkurve des Verfolgers an einer entscheidenden Stelle durch: ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer hatte weiterhin niedrigere Sympathiewerte als SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves, und das schon seit Jahren. Die Parteistrategen trösteten sich zwar damit, dass sie sich „keinem BurgstallerEffekt“ gegenübersahen79 und sie hatten damit sogar recht: im Vertrauens-Index der Landeshauptleute erreichte Gabi Burgstaller in Salzburg im Herbst 2009 44 Punkte, Franz Voves in der Steiermark nur 23 – das war der schwächste Wert aller regionalen Oberhäupter.80 Das Zutrauen zu Voves als Landeshauptmann war in der Steiermark freilich immer noch ausgeprägter als jenes zu Hermann Schützenhöfer: Selbst einige Monate später, rund um die Gemeinderatswahlen 2010 und auf dem Höhepunkt der ÖVP-Euphorie, als sie auf Parteiebene die SPÖ bereits überholt hatte, blieb ihr Spitzenkandidat hinter dem Titelverteidiger zurück: in der fiktiven Direktwahlfrage führte sogar damals Voves gegen Schützenhöfer mit 35 : 24 %; der Abstand hatte sich in den Jahren zuvor
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etwas verringert, nicht mehr. Selbst das lag nicht am Herausforderer, der exakt denselben Wert schon bei einer Umfrage desselben Instituts 2007 erreicht hatte81 – es lag eher an leichten Verlusten von Voves. Mehr hatte ihm die ÖVP auch mit den bis dahin schwersten Salven nicht zufügen können, denen der sogenannten „Stiftungs“-Affäre. Die schwarzen Angreifer zielten bei diesem Feldzug letztlich darauf ab, den „Kernöl“-Sozialisten mitsamt seinen Forderungen nach Vermögenssteuern als unglaubwürdig hinzustellen – „weil die steirische SPÖ trotz aller antikapitalistischen Rhetorik … selbst eine Parteistiftung“ unterhielt.82 Der Finanzbunker mit Namen „Zukunft Steiermark“ hatte inzwischen tatsächlich nur noch im Sinne der Volkspartei Zukunft, nämlich als Kampagnen-Thema für sie. Voves kündigte wohl auch deshalb im Sommer 2009 die Liquidierung an, mit einem Sicherheitsabstand von mehr als einem Jahr zum kommenden Wahlkampf. Doch nicht nur aus diesem Grund war die Trefferwirkung der VP-Attacke mit jener des Falles Herberstein für Waltraud Klasnic fünf Jahre zuvor nicht vergleichbar: Klasnic war persönlich in die Nähe einer Subventions-Affäre und deren Hauptfigur geraten, was in eindrücklichen Zeitungsfotos auch öffentlich dokumentiert worden war. Die etwas zu schlaue Stiftungs-Konstruktion hingegen war für einen sozialdemokratischen Führer wie Voves zwar ohne Zweifel eine Peinlichkeit – aber sie war eher „nur“ politisch anrüchig als persönlich; eine individuelle Verfehlung war dem „Beschuldigten“ nicht nachzuweisen. In den Augen der Wähler reichte das „belastende“ Material jedenfalls nicht, um den Landeshauptmann vom Sockel zu stürzen – auf dem er zwar vergleichsweise niedrig stand, aber immer noch höher als der Stellvertreter: auch im Sommer und Frühherbst 2010, vor der heißen Wahlkampfphase, führte Voves in allen bekannten Umfragen deutlich vor Hermann Schützenhöfer.83 Denn was der ÖVP-Kandidat sicher nicht verkörperte, war ein Aufbruch zu neuen Ufern. Sein wahres Verdienst war es gewesen, nach dem Schiffbruch 2005 den Zerfall der steirischen ÖVP verhindert zu haben; das zählte jedoch vielleicht für die Parteibasis, nicht aber für den Wechselwähler. Der nahm Schützenhöfer als Berufspolitiker wahr; als typischen Vertreter jener Funktionärssphäre, welcher der damals 58-Jährige tatsächlich seit fast vier Jahrzehnten angehörte: er war Landesobmann der Jungen ÖVP gewesen und Chef des ÖAAB, unter Klasnic Klubobmann und Landesrat, dazu ein Freund von Gerhard Hirschmann. Weder an der Professionalität noch an der Integrität dieses Routiniers waren jemals Zweifel laut geworden – doch wem imponierte das angesichts der allgemeinen Abwendung von der Welt der Politik? Zu wenigen offensichtlich: „Er ist für mich … ein enormes politisches Talent, aber natürlich keine Erneuerung.“ (Zankel)
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Ein (etwas zu) steirischer Wahlkampf: ÖVP-Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer am Wahltag, September 2010
Den Wahlkampf der ÖVP durchwehte überhaupt die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ (in der Variante weiß-grün-schwarz). Die Parteiführung war sogar zuversichtlich, dass von dieser Nostalgie nicht nur die Volkspartei selber, sondern der steirische Wähler generell befallen war. Der Wahlkampfleiter: „Wir haben auf das gesetzt, was die steirische Volkspartei in den letzten 60 Jahren eigentlich ausgemacht hat – das Thema Steiermark selbst. Wir haben kommuniziert, wir sind die Steiermark-Partei, wir sind weiß-grün, Franz Voves ist rot. Die Hauptslogans waren dann ‚Mehr Steiermark‘, sogar ‚Zurück zur Steiermark‘. Das ‚Zurück zur Steiermark‘ wollten wir bewusst kommunizieren im Sinne von ‚Franz Voves schadet diesem Land‘, es muss jetzt wieder die Steiermark in den Vordergrund kommen. Wir haben ganz stark auf die Identität der Steiermark gesetzt.“ (Rinner, 2010)
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Steirische Szenen: Nur der Schwarze ist weiß-grün – der Wahlkampf der ÖVP Im Wahlkampf von Hermann Schützenhöfer ist alles steirisch und daher das meiste weiß-grün. Die Burschen in der Ausschank in der Koralmhalle in Deutschlandsberg tragen Leibchen mit der Aufschrift „Mehr Steiermark“, die Besucher tragen vornehmlich Steireranzug und die Bezirkstour trägt den Titel „26. September. Die Rückkehr der Steiermark“. War die zuletzt verschwunden? Oder ist vielleicht einfach die Rückkehr der ÖVP als Nummer eins gemeint? Für manche ist dies dasselbe – und wenn sie es hier nicht schafft, in der Weststeiermark, dann schafft sie es nirgendwo. Deutschlandsberg ist Teil des „Schweinegürtels“, wie ihn steirische Politik-Manager nennen. Im Bezirk stellt die steirische Volkspartei 27 von 40 Bürgermeistern. Sie hat hier auch noch richtig kernige Bauernbund-Führer: „Wir wollen“, knurrt einer später, „am Sonntag mit deutlicher Mehrheit Erster werden, nach der links-linken Mehrheit der letzten Jahre.“ Die Sympathiewerbung übernimmt die Gruppe „Steirerstoak“: „A Steirergwaund hot do sei Tradition, geht Haund in Haund mit jeda Generation.“ Im Video hat man in den Chor an führender Stelle eine junge Frau im Top eingereiht, hinter ihr schaut ein Gamsbartträger hervor. Der Moderator, Routinier Peter Rapp (Trachten-Leinensakko, grüne Krawatte), lässt das Publikum Glücksrad spielen. „Irgendwaun“, erzählt er, „homma a Nonne g’hobt, die hot des Dirndl g’wunnan. Des hot sooooo … an Ausschnitt g’hobt.“ Eine Funktionärin (mit grünem Schal) verteilt unterdessen „Schützi“-Schilder (grün). Der Spitzenkandidat (weiß-grüne Krawatte, aber kein Steireranzug) zieht unter Blasmusik ein. Hermann Schützenhöfer gewinnt hier deutlich an Statur, gemessen zum Beispiel an seinem Auftritt im TV-Duell gegen Franz Voves, als er sich zeitweise durch eine Art Landpfarrer-Attitüde ausgezeichnet hat. „Die ÖVP ist in diesen fünf Jahren nicht schwächer geworden. Wer hätte am Wahlabend 2005 auch nur einen Cent darauf gewettet, dass wir jetzt knapp dran sind – niemand“, beschwört er die 600 Anhänger. Die Gestik ist lebhaft: Schützenhöfer sticht mit dem Finger nach vor, faltet die Hände vor der Brust, hebt die Arme, je nach Bedarf – der Mann hat sich als Redner stark verbessert. Er setzt Pausen, nimmt sich Zeit, spricht die eigenen Schwächen gezielt an, versucht, sie in Stärken umzuwandeln: „Auf der Stroßn hat mir jemand gesagt: ‚Sie red’n so langsam‘, er hat aber dann dazugesagt: ‚In Woahrheit, hob’ i inzwischen des G’füh’, Sie denk’n hoit üba des noch, wos Sie sog’n …‘“ Und selbst aus der Tatsache, dass dieser Parteiführer der ÖVP und dem Wähler eine bessere (selbstverständlich weiß-grüne) Zukunft verspricht, selber aber eine jahrzehntelange Vergangenheit als Berufspolitiker hinter sich hat, wird noch eine Gna-
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de: „Ich bin mit 18 noch persönlich dem Josef Krainer vorgestellt worden.“ Höhere Weihen gibt es nicht in diesem Kreis: Gemeint ist die Landeshauptmann-Ikone der steirischen Volkspartei, Josef Krainer (Vater). Josef Krainer (Sohn) hat 1995 eine Wahl verloren, er wird nicht erwähnt. „Aber mein Vorbild“ – Schützenhöfer wird noch einmal persönlich – „mein Vorbild war mein Vater: Ich werd nie vergessen, wie er uns am Küchentisch von seiner Entlassung erzählt hat, weil er als Bauernsohn nicht der sozialistischen Bauarbeitergewerkschaft beitreten wollte.“ In diesem Saal ist das der richtige Stoff. Der Parteiobmann muss auch bei der Herkunftslegende den Roten etwas entgegenhalten, die so stolz die Geschichte vom Aufstieg des Arbeitersohns Franz Voves unters Volk bringen. „In der Liebe zu diesem Land und zu den Menschen darf uns niemand überbieten“, wird Schützenhöfer später sagen – und auch nicht an Sentimentalität. „Steiermark – unser Weg, unser Ziel“, zwitschern die Kinder (in Lederhosen und Dirndlkleid) im Image-Film. Welche Ziele auf welchem Weg zu erreichen wären, davon ist wenig die Rede an diesem Abend. Der Slogan auf dem Podium gibt auch nicht viel mehr Auskunft: „Zurück zur Steiermark. Die Zukunft ist weiß-grün“. Wofür soll „Steiermark“ stehen? Was genau macht „Weiß-Grün“ aus? Die steirische Volkspartei mag im Aufbruch sein – wohin, erfährt man nicht. Die regionale Identität als Monopol einer Partei zu beanspruchen, war werbetaktisch jedenfalls kein Erfolg. Die Sozialdemokraten, fast schon geschlagen, aber letztlich dann auch 2010 die Nummer eins, identifizierten dies später als einen zentralen Fehler des Gegners: „So wie die ÖVP ihre Botschaften aufgelöst hat, war das eine RetroGeschichte – also der Blick zurück, anstatt Blick nach vorn: ‚Es muss alles wieder so werden wie wir an der Macht waren, und nur dann ist Steiermark.‘ Die nachwachsenden Generationen selbst in der Bauernschaft haben einen anderen Zugang als sie noch vor zehn Jahren hatten, ganz zu schweigen von denen hier im urbanen Umfeld. Ich kann nicht permanentes ‚Aufsteirern‘ durchführen und Musikkapellen auffahren lassen und nicht über Inhalte streiten, sondern darüber, wer die Tracht tragen darf und wer das Steirer-Jopperl. Da sind die Leute schon sensibler, als man ihnen zutraut, und feinfühliger.“ (Herper) Die Schützenhöfer-Drexler-Rinner-VP pflegte zwar auch den „rituellen Gestus steirischer Innenpolitik … die Darstellung regionalpolitischen Oppositionsverhaltens als charakteristische Landeseigenschaft“84. Ganz wie einst hatte man sich vorgenommen, „da oder dort deutlich Position zu beziehen gegenüber unseren Freunden auf der Bun-
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Steirische Eichen: Arnold Schwarzenegger, Josef Krainer u.a.
desebene …“ (Rinner). Manches, so die ÖVP-Strategen, ändere sich schließlich nie: „Steirerblut ist kein Himbeersaft. Das führt auch zur eigenen Identitätsbildung der Steirerinnen und Steirer. Das Stilmittel wird wiederbelebt. Es werden Versuche eingesetzt, das zu kultivieren.“ (Rinner, 2007) Nur: „Steirisch“ – das konnte im Bedarfsfall auch der Anführer der Sozialdemokraten. Bereits am Erzherzog-Johann-Mythos hatten auch die steirischen Sozialisten nützliche Seiten entdeckt85; jetzt entzog Voves auch dem Alleinvertretungsanspruch der ÖVP in Sachen Anti-Wien-Rhetorik den Boden. Er folgte dem „role model“ der steirischen Landeshauptleute, dem Schwarzen Josef Krainer I. Der hatte öffentlich zur innerparteilichen Meuterei aufgerufen, ja „den Führungsanspruch der Länder als politisches Ziel“86 verkündet; Voves desavouierte auf offener Bühne seinen Parteichef, Kanzler Alfred Gusenbauer87: „Da hat er eine Linie fortgesetzt, die von der ÖVP in den 70er-, 80er-Jahren schon praktiziert wurde … Dass einer auf den Tisch schlagt und beim Hackl-Ziehen sich nicht über den Tisch ziehen lasst, das goutieren vielleicht nicht viele Jüngere und akademisch Gebildete, aber die Masse der Bevölkerung sagt schon ,Da ist einer da, der es denen hinter dem Semmering hineinsagt‘.“ (Herper) Diese steirische Tradition wurde also auch unter einer roten Nummer eins keineswegs erschüttert – und auch wenn es sich zumindest abschnittweise eher um politische Folklore handelte (und der Verdacht besteht bei Krainer und bei Voves): Die ÖVP hatte jedenfalls nicht einmal mehr die Geste exklusiv.
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Szenen aus der Steiermark: Belafonte mit Jodler – der Alleinunterhalter Fesch ist Franz Voves schon, als er da auf der Bühne auf dem Weinmessen-Gelände in Leibnitz steht, aber ein wenig einsam wirkt er auch. Genauer gesagt gibt er den Alleinunterhalter, als er frei, ohne Manuskript und ohne Rednerpult, seine Ansprache hält – und genau das ist er auch in diesem Wahlkampf. „Er soll Landeshauptmann bleiben“, verkünden die SPÖ-Plakate, darüber prangt ein Porträt des Spitzenkandidaten. Das ist alles und das ist selbst gemessen an den Kriterien von Wahlwerbung sehr wenig. Vor allem beantwortet es nicht die Frage nach dem Warum. Die Aufrollständer versprechen Lehrlingsoffensiven, Gesundheitszentren, Strukturreformen. Was das Emotionelle angeht, packt Voves aus seinem Rollen-Koffer (Sohn aus kleinen Verhältnissen/Eishockey-Nationalspieler/Versicherungs-Vorstand) das Arbeiterkind aus: „Wer sind“, so fragt er, „die tatsächlichen Sozialschmarotzer? Das sind doch Investmentbanker, Spekulanten, multinationale Konzerne …“ Diesem „Kernöl-Sozialismus“ habe sich inzwischen sogar der Bundespräsident angeschlossen, sagt er. Ansonsten ist die Inszenierung nicht so ausschließlich weiß-grün wie bei der ÖVP. Zwar geht es auch hier nicht ohne Trachtenpuppen ab, die mit Heugabeln über der „Stärkungsstation“ thronen, aber die Tour-Band trägt nicht grüne, sondern orange Hemden. Voves trägt keinen Steireranzug, sondern Jeans und Sakko ohne Krawatte. Es gibt auch eine andere Steiermark, soll das wohl bedeuten – und: die SPÖ packt an: „Wir haben Tausenden Kurzarbeitern mit 92 % ihres Einkommens über die Krise geholfen“, tönt der Bariton von Voves; „gut so, weiter so“, erschallt das Echo der „Jungen Paldauer“. Ob es in den Augen der Arbeiter und damit der Stammwähler für ein „Weiter so“ gereicht hat, das entscheidet sich nicht im südsteirischen Weinland, sondern weiter im Norden, im Industrierevier der Mur-Mürz-Furche. Zweimal reist Voves in der letzten Wahlkampfwoche nach Mürzzuschlag. Das erste Stahlwerk dort ist 1862 gegründet worden; heute ist die Voest der größte Arbeitgeber im Bezirk. Die SPÖ hat von den letzten Landtagswahlen her ein Ergebnis von 65 % zu verteidigen. Voves hält hier eine ruhige Rede zwischen den Blumengestecken im Stadtsaal; er gibt zumindest zwischendurch den besonnenen Landeshauptmann – nicht gerade die Rolle, für die er bisher bekannt war: „Alles, was ich Ihnen erzähle, haben SPÖ und ÖVP gemeinsam beschlossen“, beteuert er – Projekte statt Polemik, Umarmungen statt Bodychecks. Dann geht er von Tisch zu Tisch und hört sich stundenlang Bürger aus unterschiedlichsten Milieus (und Lagern) an – Sozialarbeiter, Raiffeisen-
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Mitarbeiterinnen, Bauleiter. An sich ist der Bezirk tatsächlich gut durch die Flaute gekommen. Die Arbeitslosigkeit sinkt, wenn auch noch 400 Menschen in Schulungen aufgefangen werden müssen – mehr als ein Jahr zuvor. „Aber wir haben in der Krise hier nicht mehr als 15 echte Kündigungen gehabt“, kann der hiesige AMS-Chef stolz sein. Das hat die Sozialdemokratie nicht vor Vertrauensverlust bewahrt – bei den Gemeinderatswahlen wenige Monate zuvor haben die Freiheitlichen ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt. „Das Ausländer-Thema ist auch bei uns stark“, bestätigt der Bezirks-Geschäftsführer. Als in einer der Gesprächsrunden die Rede darauf kommt, ist es mit der Ruhe des Franz Voves vorbei: „Ich hob’ jo a so a poa linksliberale Freunde in meiner Partei“, poltert er, „oba ma kaun net immer nur sogn ‚Toleranz, Toleranz‘. Wenn der auf ’m Balkon immer no mitn Messa sei Laumm obsticht, muass eahm hoit die Hausverwoltung vielleicht sogn, dass ka Wohnbauförderung mehr gibt. Wegschaun geht net, do hot daunn nur da Strache leichtes Spü.“ Dessen Mannen haben auf dem Platz vor dem Saal einen Plakatständer aufgestellt mit der „Wir sind Heimat“-Parole. Davor sitzt ein Farbiger im Rollstuhl und telefoniert in der Abendsonne: „Es geht auch um Sozialneid“, seufzt der junge Parteimanager, „die Leute sagen: Wir arbeiten und die liegen in der Hängematte …“ Der rote Spitzenkandidat hält neue soziale Errungenschaften dagegen: „Wir haben in der Steiermark den Gratis-Kindergarten geschaffen.“ Das bringt ihm zumindest ein Teil-Lob ein bei Elisabeth Ulrich, die im nahen Wartberg eine private Betreuung für Kinder bis 14 auf die Beine gestellt hat: „Die Landesförderung ist schon in Ordnung, aber es passiert noch zu wenig. Es mangelt an Ganztagesplätzen. Die Gemeinden machen die nicht, weil es ihnen zu teuer ist.“ Frau Ulrich hingegen richtet sich in ihrer „Zaubervilla“ nach den Müttern: „Wenn die Billa-Verkäuferin bis 18 Uhr arbeitet, sind wir bis 18 Uhr 30 offen. Die kriegt ja ihren Dienstplan höchstens eine Woche vorher.“ Zum Abkassieren gibt es nichts bei diesen Frauen: „Die meisten, die ihre Kinder bei uns haben, verdienen vielleicht 600 Euro im Monat, für einen Vollzeit-Job.“ Ulrich und ihr Mann schleppen aus der Startphase noch Schulden mit, 30.000 Euro, als Sicherheit haben sie das eigene Haus eingesetzt. Der Landeshauptmann winkt eine Mitarbeiterin herbei: „Sie wird sich darum kümmern …“ Zumindest ein Beratungsgespräch wird vereinbart. Der Herr aus der Grazer Burg ist in der Realität aufgeprallt. Aber darin hat er inzwischen Übung. „Am Anfang wollte ich es anlegen wie ein Vorstandsvorsitzender des Landes Steiermark“, gesteht er ein und lächelt etwas wehmütig. Tatsächlich wirkt der frühere Versicherungsmanager manchmal immer noch wie einer, der den Mitarbeitern erklärt, wie die Welt draußen funktioniert – der Unterschied ist nur,
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dass in seiner jetzigen Branche der Chef von den Mitarbeitern gewählt wird. Gitarre gespielt wird an diesem Abend nicht. Das macht Voves nur, wenn die Stimmung passt, so wie tags darauf in Leibnitz. Er gibt einen steirischen Jodler zum Besten und dann einen Song von Harry Belafonte. Sag noch einer, in diesem Wahlkampf seien zu wenige Unterschiede auszumachen. „Little Girl in Kingston Town“ – das immerhin wäre bei Hermann Schützenhöfer undenkbar. Den ÖVP-Planern war dabei durchaus bewusst, dass sie im städtischen Milieu – in Graz und Umgebung – ihre eher ländlich angelegten Auftritte variieren mussten: „Es barg ein Risiko für den urbanen Raum … Wir haben dort mutiert; wir haben die Personen bewusst in Tracht oder Dirndl im Ausseer Land oder Mariazeller Land und in der Oststeiermark plakatiert, hier in Graz und Graz-Umgebung etwa den Spitzenkandidaten nie in Tracht, sondern urban, ohne Krawatte, mit offenem Hemd.“ (Rinner, 2010) In der Hauptstadt und rundum wurde der entscheidende Kampf geschlagen. Jedermann wusste, dass die Wahlergebnisse hier besonders volatil waren; bei den vier Landtagswahlen in den zwei Jahrzehnten zuvor war zweimal die SPÖ und zweimal die ÖVP vorangelegen; die Volkspartei z. B. konnte hier in guten Zeiten 41 % erreichen (im Jahr 2000) und in schlechteren 31 % (wie 2005). Doch diesmal erlebten die Wahlkämpfer in den Parteizentralen wegen der Meldungen aus Graz besonders dramatische Momente. Die ÖVP wähnte sich am Nachmittag des Wahlsonntags, des 26. September 2010, bereits als Sieger. Klubobmann Christopher Drexler erinnert sich: „Wir hatten um 15.30 Uhr eine interne Hochrechnung von unseren Meinungsforschern, die uns 0,1 Prozent hinter der SPÖ gesehen haben – mit dem Hinweis, dass in dieser Hochrechnung Graz konservativ eingeschätzt worden wäre und man davon ausgehen kann, dass, wenn Graz nur einen Tick besser läuft als der Landesschnitt, wir vorne sind. Das war auch die Stimmungslage beim ersten ORFEinstieg um 16.00 Uhr, selbst wenn uns die ORF-Hochrechnung ein halbes Prozent hinten gesehen hat.“ Doch schon eine halbe Stunde später hatte sich diese „Stimmungslage“ vollständig gewandelt, zum Erstaunen selbst der SPÖ-Führung und vor allem der SP-Spitzenfunktionäre in Graz selber. Karl-Heinz Herper, Nothelfer in der schwer angeschlagenen Stadt-Organisation: „Franz Voves sagt zu mir, um 16, 16.10 Uhr: ‚Jetzt bringt’s mir die Ergebnisse von Graz.‘ Als ich ein paar Sprengel zusammengehabt hab, hab ich selber Bauklötze gestaunt. Er (Voves) hat mich dann angeschaut wie das Phantom in der Oper, wie ich mit den Ergebnissen im Minutentakt gekommen bin. Am Schluss lagen wir knapp drei Prozent vor der ÖVP – eigentlich eine politische Sensation. Voves hat
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nur gestaunt. Es war fast ein Wunder-Augenblick. Es muss so etwas wie ein politisches Lourdes gewesen sein.“ (Herper) Zur Verdeutlichung: die SPÖ hatte in Graz sehr wohl auch verloren, jedoch weniger als im Landesschnitt – die ÖVP hingegen mehr: STEIRISCHE LANDTAGSWAHLEN 2010/ VERLUSTE DER „GROSSPARTEIEN“
SPÖ ÖVP Steiermark gesamt: –3,4 % –1,5 % Graz: –1,3 % –2,0 %
Wie war das möglich, wo doch die Grazer SPÖ gerade noch auf einem „kannibalistischen Trip“ (Drexler) gewesen war, wie ÖVP-Funktionäre durchaus richtig konstatierten? Und hatten diese nicht in der Hauptstadt den so eindrucksvoll siegreichen Bürgermeister Siegfried Nagl im Wahlkampf mitplakatiert? Das stimmte schon – doch abgestimmt wurde nicht über das Stadtoberhaupt, sondern (jedenfalls indirekt) über den Landeshauptmann, was dem aufgeklärten Wähler nicht verborgen geblieben war. Und diese Matchbedingungen spielten der SPÖ in die Hände: „Was wir bei den Umfragen gesehen haben, immer schon die letzten Jahre, ist, dass wir bei der Frage ‚Landtagswahl/Landeshauptmann‘ in Graz immer leicht vorne waren … Grund dafür war die Person Franz Voves, die im urbanen Bereich und mit seinem Hintergrund und seiner Performance wesentlich besser angekommen ist als sein Herausforderer im Trachtenanzug.“ (Vukan) Die ÖVP konnte zwar, so die Wahlanalysen, die höchste „Behalterate“ aller Parteien verbuchen; sie band einen großen Anteil der Wähler von 2005 wieder an sich. 88 Das reichte aber nicht: zum einen war das Bestandssicherung auf niedrigem Niveau (das Ergebnis seinerzeit war bekanntlich sehr schwach gewesen) und zum andern erschien auch 2010 ein beachtlicher Teil der schwarzen Stammwähler überhaupt nicht im Wahllokal. Insgesamt büßte die VP im Vergleich zu 2005 noch einmal 23.000 Stimmen ein und das, obwohl die Zahl der Wahlberechtigten 2010 um 37.000 gestiegen war. Diese Verluste der Volkspartei waren nicht nur in „bürgerlichen“ Vierteln von Graz überdurchschnittlich hoch, sondern auch in anderen Mehrheitsbezirken: „Gewisse Kernregionen haben bedauerlicherweise mehr verloren, als wir erwartet haben, auch im ‚Schweinegürtel‘ da und dort.“ (Rinner, 2010) „Schweinegürtel“, das sind im Jargon die einst vor allem landwirtschaftlich geprägten Gebiete südlich und östlich der Hauptstadt, Leibnitz etwa (VP: –4 %) oder Feld-
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bach (VP: –2,7 %). Die Gegenseite hatte über die Gründe keine Zweifel: „Es sind auch von uns (der SPÖ, Anm. d. Verf.) immer noch viele daheim geblieben, aber von den anderen auch. Weil der Schützenhöfer der ÖVP-Kandidat war, sind viele ÖVPler nicht hingegangen, die wollten einen anderen. Wenn die die Kristina Ploder aufstellen, schaut die Sache anders aus.“ (Vukan) Gemeint ist hier die VP-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder, die zwei Monate vor den Wahlen in der Vertrauenstabelle klar an erster Stelle aller Landespolitiker lag – nicht nur vor Voves, sondern mit großem Abstand auch vor Schützenhöfer.89 Der aber, innerparteilicher Stabilisator, war auch der Spitzenrepräsentant der VP für die Außenwelt – und weckte dort weniger Sehnsüchte. Die Datenanalyse bestätigt: „Den direkten Vergleich der SpitzenkandidatInnen konnte Franz Voves für sich entscheiden. Er war für 46 Prozent der SPÖ-WählerInnen ein sehr wichtiges Wahlmotiv, Schützenhöfer für 27 Prozent der WählerInnen seiner Partei.“90 Mit Voves hatte sich ein Landeshauptmann neuen Typs an der Spitze gehalten. Er war, wie schon oben beschrieben, kein ständig Harmonie stiftender Landesvater, er gab nicht den Schiedsrichter über die Streitparteien – er war ein Angreifer, der sich zwischendurch auch selber ins Getümmel warf, Verbalinjurien inklusive. Es mochte sein, dass die Fachwelt darob die Brauen hochzog und desgleichen das seriöser gestimmte Publikum; aber zumindest bei einem Teil der Wählerschaft, so hatte es die SPÖ gelernt, konnte diese so gar nicht rollenkonforme Emotionalität auch Punkte bringen – nämlich bei jenen, die in dieser Arena mehr Farbe und weniger Grau sehen wollten: „Ein Urfaktor ist Authentizität. Er (Voves, Anm. d. Verf.) hat uns manchmal zur Weißglut gebracht, als er z. B. zum Androsch gesagt hat: ‚Schleich di.‘ Er kann halt nicht anders und das ist auch gut so. Wir haben dann die Rückmeldungen bekommen aus der Bevölkerung ‚Um Gottes willen, das ist nicht Landeshauptmann-like‘ – aber die anderen Rückmeldungen, die gesagt haben ‚Das ist wenigstens ein Mensch‘, die haben überwogen, absolut.“ (Vukan)91 Die SPÖ blieb damit letztlich die Nummer eins: ERGEBNIS STEIRISCHE LANDTAGSWAHLEN 2010 (im Landtag vertretene Parteien)
Anteil gültige Stimmen (in %) Veränderung (in Prozentpunkten) SPÖ: 38,3 -3,4 ÖVP: 37,2 -1,5 KPÖ: 4,4 -1,9 Grüne: 5,6 +0,8 FPÖ: 10,7 +6,1
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Drei weitere kandidierende Listen, darunter auch das BZÖ, errangen kein Landtagsmandat. Hingegen kehrten die Freiheitlichen ins Regionalparlament zurück, mit dem eindeutig größten Stimmengewinn aller Parteien. Dieser ging zu einem guten Teil auf Kosten der Sozialdemokraten; laut Wahltagsbefragungen wählte jede/r Vierte die Freiheitlichen, die/der sich von den Folgen der Wirtschaftsflaute betroffen fühlte (durch Personalabbau, Lohnverzicht und Kurzarbeit).92 Die Zuwächse der FPÖ in der Steiermark hielten sich bei näherer Betrachtung jedoch in Grenzen: das Ergebnis von 2005 war abnorm schlecht gewesen; auch nach der Rekonvaleszenz konnte sie 2010 ihre besten Resultate bei Weitem nicht wiederholen – der FPÖ-Rekord (1995) steht nach wie vor auf 17 %; sogar im Jahr 2000, unter ungünstigen Vorzeichen wegen der schwarz-blauen Koalition im Bund, langte es mit 12 % noch zu mehr als 2010. Doch der lokale Spitzenkandidat (ein Obermagistratsrat mit Namen Gerhard Kurzmann) konnte selbst bei der eigenen Wählerschaft „nicht überdurchschnittlich punkten“93. Ähnliche Erfahrungen machten auch die Grünen, denen erst ein halbes Jahr vor den Wahlen ihre Leitfigur für den Wahlkampf abhandenkam. Die neue Nummer eins, der Nationalratsabgeordnete Werner Kogler, fand selber: „Ich bin eine klassische und brauchbare Nummer zwei.“94 Er versuchte zwar, die Kampagne auf eine Richtungsentscheidung zuzuspitzen (grün oder, nach seinen Worten, „blau-braun“); nach dem erfolgreichen Vorbild der oberösterreichischen Grünen im Jahr zuvor. Doch deren Spitzenkandidat Rudi Anschober hatte sich über Jahre hinweg etablieren können; er hatte wenige Wochen vor den Wahlen mit +19 % den drittbesten Vertrauenswert aller oberösterreichischen Landespolitiker aufgebaut – Koglers Vergleichswert im Sommer 2010 betrug –13 %.95 Die knapp sechs Prozent bei den Landtagswahlen waren schließlich nicht mehr als ein Bruchteil des grünen Potenzials in dem Bundesland: WAHLERGEBNISSE DER GRÜNEN IN DER STEIERMARK Nationalratswahlen 2008 (landesweit) Landtagswahlen 2010 (landesweit) 8,5 % 5,6 % Nationalratswahlen 2008(Graz) Landtagswahlen 2010 (Graz) 18,8 % 13,3 % Ein Regierungssitz wie in Oberösterreich war also im Prinzip in Reichweite, wurde aber klar verfehlt – was vor allem daran lag, dass die Professionalisierung der Grünen in der Steiermark lange nicht so weit gediehen war wie im Anschober-Land. Damit sind nicht nur interne Rivalitäten um den Kurs gemeint, zwischen einem
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„schwarz-grünen“ und einem „rot-grünen“ Flügel. Die kannten auch die oberösterreichischen KollegInnen. Bei ihnen war allerdings die Disziplin größer und Abkommen wurden von der Führung auch durchgesetzt. Im steirischen Landtag hingegen stimmte bei einer „Fahnenfrage“ wie der Spitalsreform ein „bürgerlicher“ Grün-Abgeordneter gegen die SP-freundliche Klublinie und desavouierte damit die eigene Fraktionsführung.96 Das stellte die Pakttreue der Partei infrage und damit auch ihre Regierungseignung. Als Spitzenkandidaten und damit möglichen Landesrat nominierte die Landesversammlung in der Steiermark schließlich keinen kompetenten Branchenkenner wie Anschober, sondern einen Quereinsteiger (der prompt hinwarf): Politik und Kunst seien „zwei unterschiedliche Parkette“97, hatte der Kabarettist Jörg-Martin Willnauer entdeckt, offensichtlich zu seiner eigenen Überraschung. Selten wurde die Missachtung für das politische Gewerbe deutlicher formuliert und wieder einmal rächte sie sich auch erbarmungslos. Denn dass das Bedürfnis nach einer Alternative jenseits der FPÖ bestand, bewies das Ergebnis der KPÖ: 2005 nach der SPÖ größter Profiteur des „Umsturzes“, konnte sie sich fünf Jahre später wieder für den Landtag qualifizieren – obwohl sich der „Stimmenfänger“ von seinerzeit, der überaus populäre Sozialpolitiker Ernest Kaltenegger, zurückgezogen hatte. Kaltenegger, ein früherer Sozialist, hatte in seiner aktiven Zeit die Vertrauenswerte der regierenden Landeshauptleute überboten, auch österreichweit eine Rarität.98 Das Scheitern der Grünen aber sollte bei den bevorstehenden Regierungsverhandlungen noch eine Rolle spielen – zumindest indirekt.
2.4 Nur die Liebe zählt – die Rückkehr zum Konsens (und die Folgen) Diese neue Spielzeit wurde mit einer der überraschendsten Volten in der jüngeren österreichischen Bundesländergeschichte eröffnet. SPÖ und ÖVP, jahrelang in Zweikämpfe voller Fouls verstrickt, reichten einander plötzlich wieder die Hände, ja mehr noch, sie präsentierten eine „Reformpartnerschaft“. Es war, als hätten Sturm und GAK eine Spielgemeinschaft gegründet99 (man verzeihe das in diesem Fall nicht aus dem Eishockey, sondern aus dem Fußball stammende Bild). Als Erklärung für das zunächst Unerklärliche offerierten die Parteikommunikatoren vor allem zwei „Erzählungen“: jene von der neuen Männerfreundschaft zwischen Franz Voves und Hermann Schützenhöfer (die sich im „Vieraugengespräch … bei einer Flasche Wein“ entwickelt habe100) und zusätzlich die von der Liebe zur Heimat (Voves: „Wir wollen das Land zukunftsfähig halten“, Schützenhöfer: „Machen wir was miteinander. Machen wir etwas für die Steiermark.“)101
2.4 Nur die Liebe zählt – die Rückkehr zum Konsens (und die Folgen)
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Männerfreundschaft mit Folgen – Franz Voves und Hermann Schützenhöfer, Oktober 2010
Die Effekte solcher Emotionen sind schwer zu beurteilen, zumal zum Start dieser – auf den ersten Blick – unwahrscheinlichen Beziehung nicht einmal engste Parteifreunde mit am Tisch saßen. Tatsache ist aber, dass jenseits jeder Sentimentalität die Aussöhnung wohl auch handfesten realpolitischen Motiven folgte. Das erste erschließt sich schon aus den nackten Daten, genauer gesagt, aus den Konsequenzen des Wahlergebnisses für Landtag und Landesregierung:
SPÖ ÖVP FPÖ Grüne KPÖ
STEIRISCHE LANDTAGSWAHLEN 2010 Mandate im Landtag Regierungssitze 23 (-2) 4 (-1) 22 (-2) 4 (+/-0) 6 (+6) 1 (+1) 3 (+/-0) 0 (+/-0) 2 (-2) 0 (+/-0)
Bei insgesamt 56 Mandaten waren für berechenbare Beschlüsse im Landtag mindestens 29 Stimmen nötig – zumindest auf den ersten Blick. Grüne und KPÖ schieden damit als Mehrheitsbeschaffer für SPÖ oder ÖVP schon rein mathematisch aus. Mit der FPÖ zusammen konnten die Sozialdemokraten die nötige Mandatszahl zwar genau erreichen; sie hatten damit den verhandlungstaktischen Vorteil, zumindest
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hypothetisch auch mit einem kleineren Partner eine Koalition schließen zu können – aber dieser Vorzug war nur ein scheinbarer. Der SP-Landesgeschäftsführer: „RotBlau war für uns in dem Fall von Anfang an keine Option, keine realistische Option, vor allem nicht mit diesen Protagonisten … Es wäre schon von den Zahlen her eine ständige Hochrisikopartie im Landtag gewesen. Wir haben auch gewusst, dass einige Abgeordnete der FPÖ von der Industrie heiß umworben werden. Wenn uns dort ein einziger Blauer wegbricht, dann ist die Mehrheit sowieso weg.“ (Vukan) Angesichts dessen verspürte die SPÖ auch wenig Lust, sich auf eine theoretisch mögliche rot-blaue Mehrheit von 5 : 4 in der Landesregierung zu verlassen: „Nach dem Moscheen-Spiel102 und dem Verhalten des Herrn Kurzmann und der StracheFPÖ kam das für den Voves überhaupt nicht infrage und für die ÖVP auch nicht. Das war nur ein bissel Spielmaterial für die Öffentlichkeit.“ (Herper) Manche Medien entfesselten daraufhin tatsächlich Spekulationen, „die FPÖ könnte jedenfalls bei der Wahl des künftigen Landeshauptmanns das Zünglein an der Waage sein“103. Eine reale Grundlage hatte diese Aufregung nicht – für die SPÖ nicht (siehe oben), aber auch nicht für die ÖVP. Sie konnte zwar zusammen mit den Freiheitlichen die Hälfte der Stimmen im Landtag verbuchen; doch zu Ende gedacht war den Strategen der Volkspartei der Einsatz politisch zu hoch – bei allem Reiz: „Wenn man die konfrontative Situation der letzten Legislaturperiode konsequent fortdenkt, hätte man natürlich dorthin steuern können, dass ich es im Moment der Landeshauptmannwahl auf ein 28 : 28 ankommen lasse. Woraufhin das Los entschieden hätte – worauf man sagen hätte können: ‚Sehr schön, eine Losentscheidung ist für die ÖVP nur zu gewinnen, weil nicht den Landeshauptmann haben sie eh schon und wenn sie ihn durch Los gewinnen, bitte …‘ Aber die Steirerinnen und Steirer hätten das gesamte politische Establishment gedanklich zu Recht in die Wüste geschickt, in diesem Moment.“ (Drexler) Rot-Blau fiel aus, Schwarz-Blau (mit einem Landeshauptmann per Losentscheid) ebenso. Für die Volkspartei kam noch ein Grund hinzu, in eine stabile Partnerschaft zurückzukehren: die öffentlich, auf dem „Dorfplatz“, ausgetragenen Ehestreitigkeiten der vergangenen Jahre hatten ihr die Macht im (Land-)Haus nicht zurückgebracht, der Konfliktkurs hatte sein Ziel verfehlt. Ohnehin wurde er nicht einmal in den eigenen Reihen von ganzem Herzen unterstützt, wie zum Beispiel Christopher Drexler, Angriffsführer der Volkspartei, erfahren musste: „Es gab eine wirkliche Sehnsucht nach Kooperation. Bei der ÖVP sowieso, das ist die kooperationssüchtigste Partei überhaupt … Der Konfrontationskurs war ja am allermeisten in der ÖVP umstritten, mehr als in der Gesamtbevölkerung. Aber für eine Funktionärsschar, die zum erheb lichen Teil in der Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sozialisiert ist, wo man 80 %, 90 % Mehrheit hat, ist es leicht, harmonisch zu sein.“ (Drexler)
2.4 Nur die Liebe zählt – die Rückkehr zum Konsens (und die Folgen)
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Ein anderer, gar nicht zweikampfscheuer Protagonist der ÖVP, Landesgeschäftsführer Bernhard Rinner, musste in der eigenen Familie erleben, wie tief diese Sehnsucht nach Harmonie in der politischen Kultur österreichischer Bundesländer verankert ist: „Nehmen Sie z. B. meine Mutter: ich komme aus einem bürgerlichen Haushalt … im Sinne von leistungsorientiert, meine Eltern haben sich ein Haus ersparen können und gebaut. Aber selbst meine Mutter hat quasi in den ‚schlimmsten‘ Zeiten, in denen ich den Voves angegriffen habe, immer zu mir gesagt: ‚Muss das sein?‘ Das habe ich hautnah miterlebt. Das war schwer.“ (Rinner, 2010) Analytische Geister wie Drexler verweisen deshalb am Beispiel der Steiermark zu Recht darauf, dass das Publikum die politischen Akteure vor ein unlösbares Dilemma stellt: Konfrontation ist unerwünscht – aber gleichzeitig steht Konsens unter Missbrauchsverdacht; er gilt als Deckmantel für heimliche Machtaufteilung: „Es wird sehr rasch die ersten Stimmen geben, die erklären werden: ‚Es ist ja furchtbar, dieser SPÖÖVP-Moloch raubt ja der Demokratie die Luft zum Atmen.‘ Dieser Vorwurf der ‚beispiellosen Packelei‘ wird kommen, rasch … Das ist halt so.“ (Drexler)104 Diese Befürchtung bestätigte sich; aber sie konnte die Führungen von Sozialdemokraten und Volkspartei nicht abhalten, mit der Zügellosigkeit der letzten Ära Schluss zu machen: „Wir werden Anträge mit Sicherheit auch abstimmen und parlamentarische Instrumente; alles, was mit dem Interpellationsrecht zu tun hat usw., werden wir mit Sicherheit nur gemeinsam machen.“ (Drexler) Hatte man bisher in der Regierung nebeneinanderher gelebt, bei freier Partnerwahl im Landtag, so wollte man nun eine stabile Beziehung eingehen – mit strengen Regeln: „Es gibt den gemeinsamen Willen, dass man sich nicht überstimmt im Landtag“ (Rinner, 2010) „Wir haben das Ganze um einiges wasserdichter gemacht, weil das Regierungsübereinkommen und die Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP absolut einer Koalition gleichkommen – im Unterschied zum letzten Mal. Es ist eine knallharte Koalition, die zusammengehalten wird vom gemeinsamen Ziel, 2013 ein ausgeglichenes Budget zu haben.“ (Drexler) Eine Liebesheirat war das also wahrlich nicht, eher eine Vernunftehe. Das zweite Motiv dafür neben der politischen Arithmetik gründete, wie vom ÖVP-Klubobmann oben angedeutet, in der Haushaltslage: als, neudeutsch, „Konsolidierungsbedarf “ wurde bei einem Kassensturz „weit über eine Milliarde Euro“105 ermittelt – von teilweise denselben Akteuren, die die Ressourcen vorher offensichtlich überstrapaziert hatten. Aber darüber wollte man nun nicht kleinlich zanken; schon beim Doppelbudget 2011/2012, dem ersten größeren Projekt nach den Landtagswahlen, wollten die Regierungspartner SP und VP beweisen, dass sie nun endlich Großes vorhatten: sie kündig-
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ten Einsparungen von insgesamt rund eineinhalb Milliarden Euro binnen zwei Jahren an, eine Summe, die circa 15 % des gesamten Ausgabenvolumens entsprach. Das war nun tatsächlich keine Kleinigkeit – und für einen Verantwortungsträger allein schwer zu schultern:„Ich muss bei den großen Brocken was machen, im Sozialen, im Gesundheitsbereich. Wenn eine der beiden Parteien mit einem Juniorpartner das angegriffen hätte, dann hätte die andere – bei Fortdenken der letzten Periode – Fundamentalopposition gespielt. Es wäre zu nichts gekommen.“ (Drexler) Dass nun etwas geschah, hatte zum einen schlicht damit zu tun, dass die Wahlen vorbei waren – aber noch mehr damit, dass die Parteichefs anscheinend keine mehr vor sich hatten.106 Davon ging man jedenfalls zu Beginn der neuen Periode in den Stäben aus; SPÖ-Landesgeschäftsführer Vukan: „Den Wahlkampf 2015 mach ich nicht mehr. Wahrscheinlich wird der Franz Voves auch nicht mehr kandidieren 2015 … Das heißt, man muss das dann anders aufsetzen.“ Inoffiziell bestätigten damals auch leitende ÖVP-Mitarbeiter, dass sie für die nächsten Landtagswahlen nicht mehr mit ihrem amtierenden Obmann als Spitzenkandidaten rechneten. Voves und Schützenhöfer konnten sich an Unpopuläres heranwagen, ohne persönlich die Rache des Wählers fürchten zu müssen – und unpopulär war ihr Programm, vor allem für die SPÖ: Der Sozialbereich (im weitesten Sinn) blieb nicht verschont, von der Jugendwohlfahrt und den Behindertenbetreuern bis zu Pendlern, Spitälern und Kinderbetreuung. Nachdem sich Arbeiterkammer und Gewerkschaft selber an die Spitze von Demonstrationen gesetzt hatten, wurden einige Einschnitte zwar abgemildert – aber verloren hatte nicht nur die Klientel der SPÖ, sondern auch die Partei selber, an Kernkompetenz als „Sozial“demokratie. Bereits die Leistungsbilanz der Regierung Voves 1 war in den Augen der Öffentlichkeit eher karg ausgefallen.107 Ihre Sozialpolitiker aber konnten damals z. B. noch den Gratiskindergarten anführen als Nachweis für ein „starkes soziales Profil“108 und als Antwort auf die Frage, was denn die SPÖ nach dem Machtwechsel eigentlich politisch erreicht habe. Im neuen Sparpaket war allerdings ausgerechnet diese Errungenschaft wieder geopfert worden. Das rote Gefolge hatte gegen solche Rückfälle stärker protestiert als jenes der Volkspartei – und die SP-Spitze sah nun die dringende Notwendigkeit, ein „Signal zu setzen, dass auch die Politik bei sich spart“ (Vukan). Die späte Kühnheit des Hermann Schützenhöfer kam da nur gelegen. Es folgte ein Donnerschlag, der weit über die Landesgrenzen hinaus zu vernehmen war: Regierung und Landtag sollen verkleinert, die Landes- und Bezirksverwaltungen gestutzt, Gemeinden zusammengelegt werden. Die ÖVP-Spitze entdeckte darob sogar jene spezifisch steirische Rhetorik wieder, die man von ihren Ahnen gewohnt gewesen war:
2.4 Nur die Liebe zählt – die Rückkehr zum Konsens (und die Folgen)
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dies sei „die größte Verfassungsanstrengung der 2. Republik“ (der Jurist Christopher Drexler); „kein Bundesland hat bisher so abgespeckt, wir empfehlen Nachahmung“ (Hermann Schützenhöfer, der Parteiführer auf der Suche nach dem starken Abgang?). Da war es wieder, das Selbstbild von der Steiermark in der Version „Erzherzog Johann“ – ein Land als Heimat der Visionen, als Vorbild für die Republik, als Motor von Reformen. Österreichweit trieb dies die Anerkennungswerte für den steirischen Landeshauptmann tatsächlich weit hinauf. Dies hatte er auch dem „Sparkurs“ zu verdanken, der allerdings – wenig überraschend – „vor allem außerhalb des Bundeslandes gelobt“ wurde109; in der „Zone der Betroffenheit“, der Steiermark selbst, erreichte er keine Mehrheit, wenngleich die Zustimmungsrate mit 48 % beachtlich war.110 Zudem war es den (einstigen) Großparteien damit gelungen, politische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren – und damit genau das, was ihnen in der Augen der Öffentlichkeit so bitter gefehlt hatte: Fast 60 % der Befragten, weit mehr als vor den Landtagswahlen, hatten nun den Eindruck, „dass in der Steiermark etwas weitergeht“. Davon profitierte Voves am meisten. Zum einen genoss er als Landeshauptmann bekanntlich schlicht den Vorteil der Führungsrolle, zum andern konnte er diese nun offenkundig auch besser darstellen und dem angestrebten Image des „tatkräftigen Politik-Managers“ stärker gerecht werden. In der Landeshauptmann-Direktwahl (auch in der Steiermark weiter eine fiktive Frage) lag er mit 39 : 18 % nun deutlicher vor ÖVP-Obmann Schützenhöfer als zuvor.111 Hat also die ÖVP, die Nummer zwei, im wiederentdeckten Konsensmodell letztlich mehr zu verlieren? Schließlich wird nach den nächsten Landtagswahlen auch der Regierungsproporz fallen (wobei die Steiermark hier hinterherfährt; in den westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg ist er schon gekippt). Zudem hat der späte Abschied etwas zu diesem Zeitpunkt etwas Ironisches: ausgerechnet jetzt, als die „Groß“-Parteien ihre Harmonie wiedergefunden hatten, wollten sie die Pflicht zur Konkordanz abschaffen (was zuvor bekanntlich gescheitert war). Der Spielzug war aber bei genauerer Analyse weniger widersprüchlich als auf den ersten Blick: zwar ist ohne Proporz die Beteiligung an der Macht formal nicht mehr garantiert, aber selbst angesichts schrumpfender Stimmenanteile können sich SPÖ und ÖVP doch ziemlich sicher sein, miteinander auch auf längere Sicht eine Mehrheit zustande zu bringen – und sich damit weiter an der Regierung halten. Das Risiko des Einflussverlustes ist also gering, jedenfalls solange Rot und Schwarz ihre wiederentdeckte Liebe weiterpflegen. Zudem erfüllte die Ankündigung einen immer wieder erhobenen Anspruch der kritischen Öffentlichkeit – nämlich dass große Koalitionen nur Sinn hätten, wenn sie sich auch der großen Themen annähmen.
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2.5 Was vom Wechsel übrig blieb Zu solchen Gesten der Erneuerung hatten die beiden Parteien auch jeden Anlass: Ihre Fähigkeit, Wähler zu mobilisieren, hatte im Lauf der Jahre drastisch abgenommen112; aber dieser Schwund an Loyalität ist noch viel dramatischer, als es das übliche Datenmaterial nahelegt. Dies wird deutlich, wenn man z. B. nicht die Anteile der Parteien an den gültigen Stimmen vergleicht (wie gewohnt), sondern die Gesamtsumme der Wahlberechtigten als Grundlage nimmt und die Prozentsätze für die wahlwerbenden Gruppen davon aus berechnet: STIMMENANTEILE (IN %) AN DER ZAHL DER WAHLBERECHTIGTEN (Landtagswahlen Steiermark) LTW 1949 SPÖ 36,0 ÖVP 41,1
LTW 1991 30,0 38,0
LTW 2010 26,2 24,9
SPÖ und ÖVP, damals noch „Groß“-Parteien, konnten also in der ersten Phase der Nachkriegsdemokratie zusammen 8 von 10 Wahlberechtigten (de facto der erwachsenen SteirerInnen) in die Wahllokale bringen, 1991 immer noch fast 7 von 10 – 2010 aber hatten Sozialdemokraten und Volkspartei zusammengerechnet nur noch die Hälfte der BürgerInnen hinter sich. Das amtliche Wahlergebnis weist zwar eine ganz andere Quote aus – demnach kamen SPÖ und ÖVP 2010 miteinander auf mehr als 75 % – aber dieses „beruhigende“ Resultat ergibt sich eben lediglich, weil nur die gültigen Stimmen in die Wertung kommen. Deren Zahl ist inzwischen jedoch weit niedriger als die der Wahlberechtigten, hauptsächlich, weil die Wahlbeteiligung enorm zurückgegangen ist (sie lag 2010 nur noch bei 70 %, einem historischen Tiefststand, gegenüber noch 90 % im Jahr 1991). Noch weiter öffnet sich die Schere, wenn man die Stärke der Repräsentanz von SPÖ und ÖVP im Landesparlament ihrer tatsächlichen Gefolgschaft gegenüberstellt: LANDTAGSWAHLEN 2010/STEIERMARK SPÖ+ÖVP
Stimmenanteil (an Wahlber.) 51 %
Anteil an LT-Mandaten 80 %
Knapp mehr als die Hälfte der Wahl-BürgerInnen genügte für eine überragende politische Mehrheit in den Gremien – die fortgesetzte Abkehr von den Traditionsparteien
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konnte das aber nicht kaschieren. Auch der Wechsel zu einem roten Landeshauptmann und der Kampf der Schwarzen um ein Comeback konnten diesen Trend nicht aufhalten, ja nicht einmal verlangsamen. Die SPÖ verlor gegenüber 2005 37.000 Stimmen, und das trotz Amtsbonus und obwohl die Zahl der Wahlberechtigten gestiegen war; die ÖVP tröstete sich damit, den Abstand verkürzt zu haben, sie hatte aber, wie weiter oben geschildert, selbst gegenüber dem Desasterjahr 2005 noch einmal an Wähler-Unterstützung eingebüßt. Beide traf das immer noch wachsende Desinteresse ihrer Kernklientel: „Mit steigender Agrarquote … nimmt der Verlust … der ÖVP zu … Bei den Industriezentren war der Rückgang der SPÖ vergleichsweise groß.“113 Solche Prozesse scheinen sich auch zu beschleunigen, wenn Wahlkämpfe nicht ausreichend faszinierend wirken. Die Saison 2010 war weit weniger emotionalisiert als jene von 2005 mit ihrer unvergleichlichen Melange aus Bruderkampf und entzauberter Landesmutter; wohl auch deshalb war das jeweilige Heimpublikum diesmal schlechter auf die Beine zu bringen: „Die SPÖ verlor tendenziell hoch in jenen Gemeinden, in denen sie bei der Landtagswahl 2005 die Zweidrittelmehrheit … bzw. die absolute Mehrheit hatte … Die ÖVP verlor in jenen Gemeinden stärker, in denen sie bei der Landtagswahl 2005 noch 50 % und mehr erreicht hatte.“114 Die FPÖ gewann zwar 2010 bekanntlich reichlich an Stimmen, aber auch sie blieb entgegen der landläufigen Meinung von der langfristigen Erosion nicht verschont: gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten kam sie über 7,3 % nicht hinaus – 1991, in einem ihrer besseren Jahre, hatte sie nach diesem Maßstab noch mehr als 13 % erreicht. Selbst bei den Sozialdemokraten, die doch nun zweimal hintereinander den Landeshauptmann-Thron erobert hatten, war die Jubelstimmung enden wollend. Dafür genügte schon ein Blick auf die finanziellen Sekundärfolgen des Wahlergebnisses: Trotz einer umstrittenen Sonderdotation für die Parteien aus dem Landesbudget rechnete man im SP-Management wegen des Mandatsverlusts auf lange Sicht mit sinkenden Einnahmen aus Parteienförderung und Parteisteuer; ein Minus aus den Mitgliedsbeiträgen war sowieso einkalkuliert. Der Einsparungsbedarf wurde – bei einem 6-Millionen-Jahresbudget – mit einer Million beziffert; der Personalstand sollte um 25 % reduziert werden. Gleichzeitig hatte der Parteivorsitzende unmittelbar nach der Wahl eine Partei reform in Auftrag gegeben. Über deren prinzipielle Notwendigkeit bestand zunächst einmal kein Zweifel: „Ich glaube, dass wir in einem unglaublichen Umbruchprozess sind in der Politik. Wenn wir uns als Sozialdemokratie in Österreich nicht wirklich am Riemen reißen und uns verändern, dann sind wir mittelfristig weg vom Fenster. Der ÖVP geht es nicht besser – ihr Wiener Ergebnis ist nur ein Vorbote künftiger Wahlen.“ (Vukan)
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Solche Warnungen kann man fast gleichlautend auch von SP-Funktionären in Oberösterreich und Kärnten hören. Auch die Stoßrichtung wird fast gleichlautend definiert – wieder näher an den Bürger heranzukommen: „Das Ziel ist eine moderne Partei zu haben, die offen ist, wo man problemlos sich einbringen kann, wo man auch nur eine Zeit lang mittun kann, wo man seine Meinung deponieren kann.“ (Vukan) Über das Ziel ist man sich einig, über den Weg nicht. Ein Teil der Parteimanager sieht als Ausweg das Konzept einer Sozialdemokratie als „Service-Einrichtung“; die sich verhalten müsse wie ein Dienstleistungsunternehmen, inklusive den von dort vertrauten Methoden, Helplines etwa. Gleichzeitig warnen aber gerade Kommunalexperten – also solche mit guten Kenntnissen vom „wahren Leben“ an der Gemeindebasis – davor, die alten Wurzeln zu kappen und sie restlos durch die Datenströme der neuen Kommunikationstechnologien zu ersetzen: „Wenn du ein Stück der Organisation aufgibst, gibst du auch einen Teil des möglichen Erfolges auf. Denn es ist ein Teil des Erfolgs, wenn man vor Ort ganz schnell reagieren kann … Um das beneiden uns alle sozialdemokratischen Parteiorganisationen Mitteleuropas. Alles geht nicht übers Internet, einen Plakatständer stellt man nicht übers Internet auf …“ (Pirker) Die zentrale Frage bleibt bei dieser Methodendiskussion ohnehin noch offen – die nach den politischen Inhalten. Mit einer stärkeren Marketingmentalität mit mehr „Konsumenten“-Orientierung ist schließlich noch nicht geklärt, was eigentlich „verkauft“ werden soll. Gerade die Produktidentität habe bei der SPÖ schwer gelitten, befinden Partei-Routiniers: „Unser Fehler war über Jahre – das ist die Geschichte auf Bundesebene, aber vielleicht auch auf Landesebene und auf kommunaler Ebene –, dass wir zu bestimmten Themen nicht klar Stellung bezogen haben, keine klare Linie erarbeitet oder sie ausdiskutiert haben. Da ist z. B. die Frage Integration, Immigration. Da ist die Frage: Welche Identität hat die Sozialdemokratie überhaupt noch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts? Wozu brauchen wir noch eine Sozialdemokratie?“ (Herper) „Für sozialpolitische Fortschritte“ hätte die steirische Sozialdemokratie noch in der ersten Ära Voves geantwortet – doch gerade auf diesem Feld zeigt sich, wie schwer sie sich auch als Nummer 1 tut, „rote Markierungen“ zu setzen. Anfang 2011 z. B. zog die rot-schwarze Reformpartnerschaft mit dem Gratiskindergarten ein „Fahnen-Projekt“ wieder zurück (siehe oben). In diesem Fall etwa machte es keinen großen Unterschied, ob die Regierung von einem sozialdemokratischen oder einem Landeshauptmann der Volkspartei geführt wurde. Und macht-(und das heißt vor allem personal-)politisch? In ihrer ersten Periode nach Eroberung der Regierungsspitze hatte die SPÖ noch um neue Brückenköpfe gekämpft, in der zweiten ist sie offensichtlich nicht mehr auf Geländegewinne aus: „Sie
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(die Personalpolitik, Anm. d. Verf.) wird paritätisch passieren. Derzeit ist es so, dass die ÖVP die Mehrheit aller Schlüsselpositionen hat, das wird so bleiben.“ (Vukan) Bleibt als sichtbare Neuerung die zusammen mit der ÖVP angekündigte Reduktion der Landtagssitze (um ein Siebentel). Dies wäre nicht nur ein Zeichen nach außen, sondern auch nach innen – schließlich stünden damit weniger Positionen zur Verfügung, um die Parteigliederungen zufriedenzustellen. Dies erfordert von den Obleuten durchaus einen gewissen Mut, blickt man nach Salzburg, wo man bei solchen Ansinnen rasch abwinkte. Dabei ist der steirische Landtag schon jetzt schlanker als der Salzburger, gemessen an der Größe der Bevölkerung: in Salzburg kommen derzeit nur rund 15.000 Einwohner auf einen Mandatar; in der Steiermark hingegen schon jetzt rund 22.000 und nach der Verkleinerung 25.000. Den Regierungsproporz aufzugeben bedeutet hingegen noch nicht automatisch einen Fortschritt, jedenfalls nicht demokratiepolitisch. Das demonstriert das Beispiel Salzburg – wo auch manches neu war und dennoch vieles beim Alten blieb, lange Zeit jedenfalls …
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Faktenbox Auch Salzburg war die längste Zeit schwarzes Kernland, sogar noch mehr als die Steiermark. Von 1945 bis 2004 war die ÖVP bei den Landtagswahlen ununterbrochen die Nummer eins und besetzte die Position des Landeshauptmanns. Zweimal, 1945 und 1989 (damals unter Wilfried Haslauer sen., dem Vater des späteren und gleichnamigen ÖVP-Obmanns), erreichte sie die absolute Mehrheit. Nur einmal während dieser Jahrzehnte rückte ihr die SPÖ sehr nahe, 1969, zu Zeiten der ÖVPAlleinregierung im Bund, als sich der Abstand auf knapp 700 Stimmen reduzierte. Im Prinzip jedoch war die Überlegenheit des schwarzen Lagers noch fester zementiert als in der Steiermark: Wie im vorigen Kapitel dargelegt, lag die ÖVP bei den Nationalratswahlen auf Salzburger Boden zwischen 1945 und 2008 13-mal voran, in der Steiermark jedoch nur 7-mal; hatte die Volkspartei dabei einen Vorsprung auf die SPÖ, dann war der in Salzburg stets größer als in der Steiermark. Die Basis der Sozialdemokratie war in Salzburg fundamental schmäler als dort. Ein Phänomen wie der obersteirische Industriegürtel war in diesem Land des Tourismus und des Handels unbekannt; Ähnliches gilt auch im Vergleich zu Oberösterreich: Dort findet fast ein Viertel aller Beschäftigten Arbeit in der Industrie (und damit eine politische Heimat eher in der Sozialdemokratie), in Salzburg nur ein Siebtel.115 Mitte der 90er-Jahre aber rutschte die SPÖ, bis dahin immerhin die ungefährdete Nummer zwei, so weit ab, dass sie bei den Landtagswahlen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfuhr, ein Menetekel; bei den folgenden Europa-Wahlen fiel sie auf Landesebene auf den dritten Platz zurück. Danach leitete die Parteiführung unter Gerhard Buchleitner und Othmar Raus eine „Wiederbelebung“ ein, bei der schließlich eine knapp 38-Jährige an die Spitze gehievt wurde: Gabi Burgstaller, einst Konsumentenschützerin bei der Arbeiterkammer, dann Klubvorsitzende und Landesrätin. Mit ihr fügte die SPÖ der ÖVP und deren regierendem
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Landeshauptmann Franz Schausberger bei den Landtagswahlen im März 2004 eine historische Niederlage zu: sie gewann mehr als 13 Prozentpunkte hinzu, wurde erstmals bei Landtagswahlen in diesem Bundesland stärkste Partei und Burgstaller die erste sozialdemokratische Landeshauptfrau. Mit Ausnahme von Kärnten war dies bis dahin der krachendste Umsturz in der Bundesländergeschichte der Nachkriegszeit. An der Regierungsform änderte sich freilich nichts. Schon Ende der 90er-Jahre war die Proporzverfassung in Salzburg abgeschafft worden, womit damals die FPÖ aus der Landesregierung gekippt wurde und um den Landesratssitz umfiel, den sie bis dahin die meiste Zeit über behauptet hatte; schon seit 1999 war eine große Koalition im Amt. Die wurde nun, 2004, fortgesetzt, mit einem einzigen Unterschied: die SPÖ rückte zur Nummer eins auf. Diese Position konnten die „Roten“ bei den Landtagswahlen 2009 wahren; sie büßten zwar deutlich an Stimmen ein, doch verlor auch die Volkspartei leicht und konnte die SPÖ nicht überholen. Die große Koalition wurde bestätigt, ebenso Gabi Burgstaller als Landeshauptfrau. Die FPÖ legte nach ihrem schwachen Ergebnis von 2004 wieder zu, sie war drittstärkste Kraft; die zweite Oppositionspartei im Landtag waren die Grünen. Dem BZÖ gelang der Einzug nicht. Ende 2012 erschütterte eine Finanzaffäre die Landespolitik. In der Finanzverwaltung des Landes war im Milliardenausmaß spekuliert worden, wie ein Untersuchungsausschuss Stück für Stück offenlegte. Die Landtagswahlen wurden um fast ein Jahr vorverlegt, auf den Mai 2013. Dabei erlitt die Salzburger SPÖ die schwerste Niederlage ihrer Geschichte. Die Parteivorsitzende und Landeshauptfrau Gabi Burgstaller verabschiedete sich aus der Politik; die ÖVP musste zwar ebenfalls ein Minus hinnehmen, eroberte aber die Position als Nummer eins zurück und damit auch jene des Landeshauptmanns. Die Grünen verdreifachten ihren Stimmenanteil fast; sie verdrängten die FPÖ vom Platz der drittstärksten Landtagsfraktion, obwohl die Freiheitlichen ebenfalls zulegten. Das Team Stronach qualifizierte sich beim ersten Antreten für den Landtag. Im Juni schlossen ÖVP, Grüne und Team Stronach eine Koalition ab, die erste frei gewählte dieser Art in Österreich. Die SPÖ gehörte erstmals seit 1945 nicht mehr der Regierung an.
Prolog
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Prolog Es wird viel geweint in diesem Wahlkampf 2013 in Salzburg. Finanzexpertin Monika Rathgeber schluchzt, als sie sich im Untersuchungsausschuss daran erinnert, wie sie entmachtet und ihr Computerzugang gesperrt wurde. Gabi Burgstaller, Noch-Landeshauptfrau, lächelt nicht wie sonst auf den Plakaten. Im Landtag entschuldigt sie sich mit fast tränenerstickter Stimme „bei der Salzburger Bevölkerung … weil wir in diesem Land die Stabilität zum Erschüttern gebracht haben“ – und Walter Blachfellner, roter Landesrat, blickt gerührt, als er sich bei der Wahlkampferöffnung der SPÖ bei „Gabi“ bedankt, „daß du bereit bist, in diese wichtige Wahlauseinandersetzung zu gehen“. Das ist tatsächlich nicht immer gewiss gewesen in den Wochen zuvor. Der Untersuchungsausschuss arbeitet einen Spekulationsskandal beim Land auf; das Finanzressort (mit Fachfrau Rathgeber) ist seit 2004 von Sozialdemokraten geführt worden – seit dem Jahr, als sie erstmals einen schwarzen Landeshauptmann vom Sockel gestürzt haben. Jetzt hat auch die „Aktie Burgstaller“ drastisch an Wert verloren, beim Wähler. Nur ist sie immer noch das einzige Wertpapier der Sozialdemokraten und sie ist sogar mehr als das gewesen – nämlich die Lebensversicherung der Salzburger SPÖ beim Kampf um den Platz ganz oben auf dem Podium. Deshalb tragen die Damen und Herren Funktionäre während der Burgstaller-Rede in der schmucklosen Messehalle jetzt alle rote Schals und halten pflichtgemäß Schilder mit der Aufschrift „Neustart für Salzburg“ hoch. Aber die wirken nun nur noch wie Kopien – aus besseren Zeiten, als eine breite Wählerschaft den Roten Anspruch und Inszenierung noch abnahm. Gerade die Salzburger Sozialdemokratie hatte so früh wie wenige andere in den Bundesländern auf politisches Marketing gesetzt und ihm Vorrang eingeräumt, bis hin zur Auswahl der Spitzenkandidatin. Die SPÖ hatte es damit zweimal zur Nummer eins geschafft, auf einem der dafür unwahrscheinlichsten Wählermärkte in Österreich. Was hatte sie mit der Macht angefangen oder mit dem, was von der Macht der Landesregierungen geblieben war? Wie war sie überhaupt zu dieser Chance gekommen – und wie hatte die ÖVP die Führung aus der Hand geben können, die gerade in Salzburg doch so etwas zu sein schien wie ihr politisches „Naturrecht“? Was hatte der Wechsel verändert – hatte er überhaupt etwas verändert? Und wieso schien dieses Zwischenspiel nun wieder zu Ende zu gehen und die ÖVP als Hausherr zurückzukehren? Für die Antworten müssen wir etwas weiter zurückblicken, circa ein Jahrzehnt vor das Jahr 2004 und den glamourösen Einzug einer SPÖ-Vorsitzenden in den Salzburger Chiemseehof.
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3.1 Wie man die Macht gewinnt – und wie man sie verliert
Aus der Not geboren – die Reform der SPÖ in den 90er-Jahren In Wahrheit hatte der Aufstieg mit einem tiefen Fall begonnen. Die Salzburger SPÖ war zu Beginn der 90er-Jahre in eine schwere Krise gestürzt: der Landesparteiobmann und Hoffnungsträger Wolfgang Radlegger war nach dem WEB-Bautreuhand-ImmagSkandal zurückgetreten; 1992 spaltete sich in der Stadtpartei der linke Flügel ab; das Landtagswahlergebnis 1994 war (bis dahin) das schlechteste der Geschichte; und zwei Jahre später, bei den Europa-Wahlen, fand sich Salzburgs immerhin „ewiger“ Zweiter nur noch auf dem dritten Platz wieder. Für die neue Parteiführung stand nichts weniger auf dem Spiel als die Zukunft der Sozialdemokratie als politischer Kraft in Salzburg. An ein Projekt „Machtwechsel 2004“ wagte damals niemand zu denken, man musste schlicht das Überleben sichern. Gerhard Buchleitner (Landesparteiobmann) und Othmar Raus (Stadtparteiobmann), den Notärzten, blieb gar nichts anderes übrig, als nach frischen Kräften Ausschau zu halten. Die fanden nun allerdings so viel Bewegungsfreiheit vor, wie es sich in diesem Ausmaß sonst sicher nicht geboten hätte. David Brenner z. B., später Regierungsmitglied, wurde seinerzeit, mit 27, plötzlich mit dem Aufbau eines Wahlbüros beauftragt: „Der Punkt war, es hat einen Bruch gegeben, ausgehend von 92, der viel Personalmangel erzeugt hat. Zweitens hat er Geschlossenheit erzeugt, für die Teile, die übergeblieben sind. Der Vorteil war: Dadurch, dass viele Funktionsträger weggefallen sind, war ein Vakuum da. Das ist sehr schnell mit jungen Leuten aufgefüllt worden.“116 Zu denen gehörte zum Beispiel eine junge Frau namens Gabi Burgstaller, ebenfalls aus dem WEB-Bautreuhand-Immag-Skandal bekannt, allerdings als Konsumentenschützerin und weiblicher Robin Hood für betrogene Anleger. Die Debütantin wurde aus der Arbeiterkammer heraus zur Klubvorsitzenden berufen, ohne einen Tag politischer Erfahrung im Landtag. Im Hintergrund zogen strategisch begabte VSStÖFunktionäre in Regierungsbüros ein, ungewöhnliche Karrieren, so rasch nur möglich eben wegen der Schwäche der Partei. Einer der Erneuerer war Christian Makor, heute Landtagsabgeordneter in Oberösterreich, damals Presse-Referent des Landtagsklubs: „Wäre in Salzburg die Partei stärker gewesen, hätte der beharrende Apparat die Positionen weiter besetzt. Aber es hat eine Rolle gespielt, dass der etwas orientierungslos war in der Phase um 94, 95 bis 97, am Höhepunkt der FPÖ … Auch die Gewerkschaft war in dieser Zeit geschwächt, wegen des Konflikts Pichler-Rainer (zentrale Figuren der Angestellten- bzw. Bauarbeitergewerkschaft, Anm. d. Verf.).“117
3.1 Wie man die Macht gewinnt – und wie man sie verliert
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Damit entstand Platz für jene „unsichtbaren Arena-Akteure“, die sich z. B. verstanden auf „News Management, das Image Building und nicht zuletzt das Management von Beziehungen zwischen Politikern und Journalisten“118. Das Phänomen der „Spin Doctors“, im Höhenflug seit Clinton und Blair, war in der österreichischen Provinz gelandet. Was die jungen Herren119 in Jeans ihren Chefs im grauen Anzug vermitteln wollten, war tatsächlich in vielem ein Abbild von „New Labour“: Da wie dort ließ sich auf die traditionellen Wählerschichten (in Salzburg ohnehin schwächer als etwa in der Steiermark oder Oberösterreich) keine Zukunft mehr bauen: „Eine ‚Arbeiter-Nostalgie‘ ist vollkommen sinnlos und führt nur zur weiteren Isolierung. Die Menschen waren nicht mehr bereit, einer Partei beizutreten, sie gehen in den Europark (ein Salzburger Einkaufszentrum, Anm. d. Verf.) …“120 Die Lebenswelten hatten sich verschoben, wussten die Berater und mit ihnen auch Markenbindungen jeder Art; „mit einer breiten Mittelschicht hatte man es nun zu tun, politisch genauso wechselbereit wie als Konsumenten vor dem Einkaufsregal“121 – und genauso allergisch wie ihr englisches Pendant auf manche sozialdemokratischen Fetische: „New Labour … seeks to be tough on both crime and its causes“ propagiert z. B. Philip Gould, Berater von Blair und des Clinton-Stabes122; und in Salzburg verabschiedet sich die SPÖ im Wahlprogramm 1999 vom „klassischen linken 70er-Jahre-Sermon … ‚es ist so wichtig, die sozialen Umstände zu verändern und Integrationsprogramme zu machen‘. Wir haben zuerst gesagt ‚hart gegen Kriminalität‘.“123 Genau am Tag der Festspieleröffnung 2002 besucht die bereits inthronisierte neue Symbolfigur der SPÖ, Gabi Burgstaller, eine Wachstube der Polizei, ganz in Sorge um die Sicherheit und die „kleinen Polizisten“, während die Staatsspitze unweit mit Zeremonien beschäftigt ist. Und während die neue Labour-Führung darauf bestand, „that we shouldn’t make public expenditure commitments which could only be met by increased taxation … and began reassuring the public on Labours’s economic competence“124, schwor eine reuige Salzburger SPÖ nun stets von Neuem: „Die moderne Sozialdemokratie macht keine Schulden“125 – niemals mehr wollte man sich das Stigma des „schlechten Wirtschaftens“ anhängen lassen; dass dies der ÖVP mit der Krei sky-Ära gelungen war, war für die neuen Sozialdemokraten PR-mäßig ein Trauma. Image war (fast) alles für die neue SPÖ, Image und Kommunikation. Man warf Altlasten ab; „dass es praktisch nur bürgerliche Feindzeitungen gebe, die über Sozialdemokraten ohnehin nie Positives berichten würden, dieses Gefühl wollten wir mit Stumpf und Stiel ausrotten“126, nahmen sich neu verpflichtete Pressesprecher vor, manche mit Branchenerfahrung ausgestattet. Lokalblätter, Radiostationen und selbst öffentlich-rechtliche TV-Sendungen brauchten in erster Linie Erfolg – und in
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den Regierungs- und Parteizirkeln handelte man mit dem, wonach es die Reporter am meisten verlangte: dem Rohstoff Information. Das hatte das jüngere politische Personal begriffen. Die Welt war ein Markt. War sie, politisch betrachtet, nicht auch ein Wähler-Markt? Wer das akzeptierte, wer so dachte, für den war der nächste Schritt nur logisch – der zum Polit-Marketing.127 1999, im Landtagswahlkampf, waren die ersten Gehversuche zu beobachten, jedenfalls für den, der sehen wollte: „Vor 99 war die klassische Wahlkampfveranstaltung eine Parteiveranstaltung mit der Ortspartei, die hat eingeladen und die Zielgruppe waren SPÖ-Funktionäre … 99 war es das erste Mal so, dass wir gesagt haben, nicht mehr nach innen kampagnisieren, sondern nach außen … Ich brauche mir nicht 100 SPÖ-Funktionäre einzuladen und denen erklären, warum die SPÖ die bessere Partei ist … Deshalb haben wir z. B. angefangen, Einkaufszentren und Straßenkreuzungen wirklich systematisch statistisch zu erfassen, nach Ort, Uhrzeit und Frequenz …“ (Brenner) Diese Öffnung war elementar. Man sollte sich den Strategiewechsel zwar als nicht allzu geplant vorstellen: „Du, wir brauchen so was wie die Amerikaner haben, so einen ‚war room‘, nächste Woche sollen wir was präsentieren“ … … fordert eines Tages der Landesgeschäftsführer von David Brenner, damals Leiter dieses Wahlbüros neuen Typs. Aber spontan oder nicht – es hielten damit jedenfalls die zeitgemäßen, aus den USA und Westeuropa kommenden Wahlkampfmethoden Einzug, inbegriffen ein Lehrsatz, der alles verändern sollte: „Politik muss visualisiert, inszeniert, unterhaltend und als Botschaft gefasst werden.“128 Auch hier bildete die Probe aufs Exempel schon die Wahlwerbung für 1999. Bei der Auftaktveranstaltung in der Eisenbahnergemeinde Bischofshofen z. B. ließ sich der Spitzenkandidat und Landesparteiobmann Gerhard Buchleitner auf offener Bühne von einer jungen Dame im roten Anorak hochheben; das sah jedenfalls mehr nach Bewegung aus als Reden hinter Pult und Buchsbäumen – und das Signal kam an: die Partei gewann mehr als fünf Prozentpunkte dazu. Vor allem aber gewann sie auch Erkenntnisse: die Investition in Inszenierungskompetenz hatte sich ausgezahlt; der ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger hatte auch nach drei Jahren im Amt kaum zugelegt; und wenn schon Gerhard Buchleitner, ein „ganz normaler“ SP-Kandidat, derart im Vormarsch war – was war dann für die Dame im roten Anorak möglich? Gabi Burgstaller genoss, das wussten die SP-Manager aus ihrem Datenmaterial, extrem rasch steigende Sympathie beim Wahlvolk. Das Tempo und die konsequente Regie, mit der sie in Stellung gebracht wurde, waren allerdings ungewöhnlich, im Vergleich zu anderen Parteiorganisationen in den Bundesländern. Im Frühjahr 2001
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wurde die damals noch nicht 38-Jährige zur Parteivorsitzenden in Salzburg gewählt, als erste Frau in einer Landesgruppe der Sozialdemokratie in Österreich (in einem Bräuhaus, volksnäher ging es nicht, auch hier hatte man streng auf die passende Kulisse geachtet); wenig später war sie als erste Frau in Salzburg Landeshauptmann-Stellvertreterin. Zu beachten ist: Burgstaller war nicht auf den Schild gehoben worden, weil sie die Mächtigste ihres „Stammes“ war (das war sie gar nicht) – sondern weil sie den größten Erfolg in dessen Außenwelt versprach. Das war ein kleiner Schritt nach Marketinggesichtspunkten, aber ein großer für eine Partei. Er war so geplant und insofern auch mit dem Wechsel in der steirischen SPÖ nicht zu vergleichen: Franz Voves kam erst an die Spitze, weil man nach einem internen Duell zweier Spitzenfunktionäre einen Kompromisskandidaten benötigte; in Salzburg hatten die entscheidenden Hierarchien vor Burgstallers Installierung Thronverzicht geübt. Zeitzeugen aus dem innersten Kreis der Salzburger SPÖ sind sich sicher, dass „… erstens Buchleitner es hätte bleiben können und zweitens Othmar Raus Parteivorsitzender hätte werden können – hätte er gesagt, ich trete an, hätte ihm niemand in der Partei widersprochen, er wäre es automatisch geworden …“.129 Die Selektion des Spitzenkandidaten nicht nach den innerparteilichen Stärkeverhältnissen zu richten, sondern strikt nach den Chancen auf dem Wählermarkt und diesem Kriterium alles, auch persönliche Interessen, zu unterwerfen – das war die Besonderheit am Fall Salzburg. So sieht es im Rückblick auch der politische Gegner, etwa Toni Santner, später Landesgeschäftsführer der Salzburger ÖVP: „Der Wahlerfolg der SPÖ kommt ja auch daher, dass manche Leute zurückgestanden sind … das gibt es in der Politik ganz selten … In jeder anderen Partei, würde ich mal sagen, hätte das nicht funktioniert …“130 Die Regeln des Marktes siegten über jene der Partei. Was den Wettbewerb betraf, funktionierte das neue Geschäftsmodell: Im Frühsommer 2001, wenige Monate nach dem Wechsel zu Burgstaller, lag die SPÖ in Salzburg in der „Sonntagsfrage“ nur noch ein Prozent hinter der ÖVP, gegenüber noch sieben Prozent ein Jahr zuvor.
Fürst oder Feuerwehrmann – die ÖVP und das Ende einer Ära Die Salzburger Volkspartei hätte damals gewarnt sein können. Die klaren Gewinne der Sozialdemokraten in Salzburg 1999 lagen in jenen Jahren keineswegs im Trend: in Oberösterreich (zwei Jahre zuvor) und in der Steiermark (ein Jahr danach) verloren die roten Landesparteien bei den Landtagswahlen jeweils um die vier Prozentpunkte und das mit einer ähnlichen Ausgangsposition, auch jeweils als Nummer zwei. Irgend-
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etwas musste die Salzburger SPÖ also anders gemacht haben. In ihren Reihen hatte man anhand der Umfragedaten auch damals bereits registriert, dass der amtierende schwarze Landeshauptmann Franz Schausberger nicht uneinholbar schien – was sich 2004 bekanntlich bewahrheiten sollte. Dieser Wahlgang und seine Vorgeschichte sind es wert, nochmals genauer analysiert zu werden. Er war damals eine Ausnahme; es war für die österreichische Volkspartei keineswegs Normalität, eine Landeshauptmann-Bastion schleifen zu müssen – Salzburg 2004 war erst der zweite Fall in der Geschichte der Bundesländer nach 1945 (nach dem Burgenland 1964). Die Niederlage war zudem das Ende einer Ära – und das in mehr als einer Hinsicht: Sie brachte nicht nur erstmals in Salzburg die SPÖ auf Platz eins, sie beendete ein Kapitel politischer Kommunikation, ja machte Schluss mit einem Regierungsstil. Der ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger verkörperte zweifelsfrei Willen zur Macht. Schon 1996 hatte er sich mit einer Erbsünde belastet, als er sich beim Aufstieg vom Landtagsklubobmann zum Parteichef über den Wirtschaftsbund hinwegsetzte und dessen Kandidaten, Landeshauptmann-Stellvertreter Arno Gasteiger. Dies und auch spätere personelle Affronts verzieh ihm die potente Teilorganisation nie; vor allem aber ging der Wirtschaftsflügel weiter als bei den sonst in der Volkspartei gewohnten internen Eifersuchtsanfällen: er steuerte seinen Kollisionskurs zum Parteichef in aller Öffentlichkeit (etwa durch aggressive Inserate gegen die Zustimmung der Landesregierung zum Ausbau eines Einkaufszentrums). Nicht nur in diesen Kreisen hing Schausberger zudem ein Image an, das sehr früh geprägt worden war – nämlich, dass er eine große Lust zur Repräsentation pflege und dem langjährigen Landeshauptmann Wilfried Haslauer (senior) nacheifere, dem „letzten Landesfürsten“.131 Schausberger selber bestritt ein feudalistisches Rollenvorbild stets, die neue ÖVP aber ist sich inzwischen jedenfalls ziemlich sicher, was die Wirkung betraf. Hans Scharfetter, Landtagsabgeordneter ab 2004, Unternehmer und Politikwissenschafter: „Das war halt ein traditioneller Landeshauptmann-Führungsstil, da ist halt der Landeshauptmann in seiner Machtfülle zelebriert worden, also ein nicht für alle, aber für einen Teil der Bevölkerung überholter Polit-Führungsstil. Aber ich würde es nicht nur auf diese Stilfrage reduzieren – es war einfach das Amtsverständnis.“132 Tatsächlich hatte der neue Landeshauptmann schon in seiner ersten Amtszeit Großprojekte betrieben (einen Stadionneubau und ein Museum), die mehr dekretiert worden waren als beworben133 – eine Provokation im Zeitalter der Bürgerinitiativen, in dem die Politik „enttäuschungsanfälliger und damit zugleich auch kommunikationsabhängiger geworden“134 war. Man befand sich in Salzburg, einer der Geburtsstät-
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ten der Protestbewegung in Österreich, die hier durchaus bürgerliche Väter hatte. Als sie in der Landeshauptstadt Ende der 70er-Jahre, früher als sonst wo in der Republik, in den Gemeinderat einzog, tat sie das unter dem Namen „Bürgerliste“. Aber in der Kommunikation hatte die Führung der Salzburger Volkspartei damals generell Rückstand auf die modernen Zeiten. Ein systematisches Themenmarketing fand nicht statt, so der Eindruck der Politikjournalisten135; die Medienarbeit war bei Weitem nicht so zeitgemäß wie jene der Sozialdemokraten. Man zeigte genau dort Schwächen, wo die Konkurrenz ihre Stärke hatte. Auch war die gesamte Inszenierung widersprüchlich. Tatsächlich wollte dieser Landeshauptmann nicht nur als Landesfürst durch das Land reisen (auch wenn viele diesen Eindruck hatten) – er wollte gleichzeitig auch leutselig sein. Der Regierungschef – übrigens als Krisenmanager durchaus respektiert – trug bei Bedarf auch Feuerwehruniform. Wollte hier jemand Kamerad und Herrscher in einem sein? Jedenfalls fügten sich Fürst und Florianijünger nicht, oder sie wurden nicht authentisch dargestellt. Der ÖVP-Führer hatte bei genauerer Analyse nicht nur ein Image-, sondern vor allem ein Glaubwürdigkeitsproblem. Dafür bezahlte der schwarze Spitzenkandidat auch, als er sich im Wahlkampf 2004 einer bösen Flüsterkampagne136 ausgesetzt sah. Er selber beschrieb diese später folgendermaßen: „Von Gewaltanwendungen gegen seine Frau, diversen Verhältnissen und einer bevorstehenden bzw. bereits vollzogenen Scheidung wurde dem Landeshauptmann auf hässlichste Weise alles unterstellt, was in einer in Österreich in dieser Form und Dimension noch nie gegen einen Politiker da gewesenen Rufmordkampagne möglich ist.“ 137 Dieses Gerücht ist bis heute unbestätigt und durch keinerlei Fakten oder Akten erhärtet; auch wurde es durch Zeitungen, Radio und Fernsehen nicht befeuert. Dennoch verbreitete es sich in hohem Tempo und in großer Dichte. Nicht einmal Schausberger selber mochte das nur auf den politischen Gegner schieben, er vermutete dahinter auch ein Revanchefoul jener „bürgerlichen Kreise“, die er mit seinen Großprojekten vor den Kopf gestoßen hatte.138 Dass er dadurch aber überhaupt zu treffen war, das schreiben gute Kenner der „Salzburger Seele“ eben dem (Vor-)Urteil zu, das mancher Bürger über den Politiker gefällt hatte. Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes und bis 1999 Landtagsabgeordneter der ÖVP: „Sie hatten das Vertrauen verloren, damit haben sie ihm auch andere Dinge zugetraut. Das war der entscheidende Punkt. Die Leute haben ihm solche Dinge zugetraut – was sie dem Katschthaler (Vorgänger Schausbergers als Landeshauptmann, Anm. d. Verf.) nie zugetraut hätten.“139
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Weitere Eigentore – und ein verwandelter Elfmeter Im Herbst 2003, wenige Monate vor Beginn der „heißen“ Wahlkampfphase, war die ÖVP, der langjährige Titelverteidiger, bereits ziemlich in den eigenen Strafraum zurückgedrängt. Die Umfragen sahen Burgstaller bereits vor Schausberger. Der 2001 zurückgetretene Gerhard Buchleitner war in der (fiktiven) Direktwahlfrage selbst zur besten Zeit 21 Prozentpunkte hinter dem VP-Landeshauptmann gelegen; im Vergleich der Personen hatte seine Nachfolgerin binnen Wochen schwer aufgeholt und mittlerweile auch ihre Partei auf Rang eins gebracht.140 Die nun 40-jährige Frau stellte das Gegenbild zum Herren des Chiemseehofs dar. Ex-Politiker, Parteimanager und Journalisten assoziierten damals Folgendes mit den beiden Spitzenkandidaten141: Burgstaller: Schausberger: „Powerfrau mit Herz“ „harter Macher“ „neu, frisch“ „dieses Land gehört uns“ „unkompliziert, unkonventionell“ „hat sein Amt zelebriert“ Die SPÖ richtete ihre Kampagne ganz auf das individuelle Profil der „Alternative Burgstaller“ aus; zugespitzt könnte man sagen, sie wurde als Nicht-Politikerin präsentiert oder zumindest als nicht „belastete“ Politikerin – mehr noch, die Wahlwerbung spielte mit dem vom Bürger oft so empfundenen Gegensatz von „Volk“ und „politischer Kaste“: die Neue sei, versprach das Wahlplakat, „eine von uns“, was bedeuten sollte „… und keine von denen da oben“ … Das zielte auf eine verbreitete Stimmung und insbesondere auf Wechselwähler. Sie sind besonders anfällig für personenorientierte Entscheidungen und zudem folgt gerade bei ihnen „die Wahrnehmung der unpolitischen Merkmale … verhältnismäßig schwach den Parteilinien“142.. Die SPÖ-Chefin wurde von den Parteistrategen bei aktuellen politischen Konflikten folgerichtig weitgehend herausgehalten. Das beklagte der ÖVP-Obmann zu Recht; er selber freilich konnte einen der sonstigen Hauptvorteile amtierender Landeshauptleute nicht lukrieren, nämlich: dass ihnen „alle wesentlichen landespolitischen Erfolge“ angerechnet werden und sie sich als „Repräsentant aller LandesbürgerInnen“ darstellen.143 Das entfiel bei Schausberger nach den Konfrontationen um die von ihm forcierten Bauprojekte. Der Amtsbonus, sofern noch einer existierte, war verbraucht. Doch es folgten weitere „Eigentore“: Trotz der Schwäche der „Sturmspitze“ stellte man keineswegs das Regierungsteam in den Vordergrund; die ÖVP verfügte z. B. über eine Landesrätin mit guten Sympathiewerten,144 die blieb aber außen vor und das Thema Frauen-Repräsentanz damit den Sozialdemokraten überlassen.
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Damit nicht genug, kündigte Schausberger schließlich mitten im laufenden Wahlkampf seinen Rückzug an (allerdings erst in zwei bis drei Jahren) und stellte Wilfried Haslauer, Sohn des früheren Landeshauptmanns, als Nachfolger vor. Das verstieß gleich gegen mehrere Regeln für erfolgreiche Wahlkämpfe: die rechtzeitige Auswechslung eines offenkundig nicht mehrheitsfähigen Spitzenkandidaten hatte man verpasst; nun brach man auch noch das eherne Gesetz „stay with your message“145 und klebte dem eigenen Frontmann weithin sichtbar ein „Ablaufdatum“146 auf. Das Manöver brachte die Mehrheitspartei nur noch mehr in die Defensive; in der Direktwahlfrage blieben Schausberger und Haslauer sogar zusammengerechnet hinter Burgstaller.147 Daran änderte auch eine letzte Geste in der Manier des Kärntner Amtskollegen Jörg Haider nichts: Der Landeshauptmann versprach, Verluste der Senioren durch die Pensionsreform auszugleichen – worauf in Salzburg fast zwei Drittel in einer Umfrage erklärten, die Aktion werde der ÖVP bei der Landtagswahl „eher nicht nützen“148. Der Fall war fast klassisch: Salzburg war nicht Kärnten, Schausberger nicht Haider – eine populistische Initiative zu imitieren, brachte nichts, nicht einmal mehr Beifall. Schausberger büßte im Wahlkampffinale als Person noch einmal ein Drittel Zustimmung ein.149 Die SPÖ, diesmal auch weitaus geschlossener als die Volkspartei, hatte ihre Taktik durchgehalten; ein schwer nervöser Gegner bescherte ihr noch dazu einen Elfmeter, den sie auch verwertete: Am Wahlabend Anfang März 2004 war ihre Zuwachsrate schließlich die höchste, die bis dahin österreichweit bei Landtagswahlen in der 2. Republik erreicht worden war: SALZBURGER LANDTAGSWAHLEN 2004 SPÖ 45,4 % (+13,1 %)
ÖVP 37,9 (-0,9)
Stimmenprozente FPÖ 8,7 % (-10,9)
Grüne 8,0 % (+2,6)
Landtagsmandate SPÖ ÖVP FPÖ Grüne 17 (+5) 14 (-1) 3 (-4) 2 (+/-0) Quelle: Landesstatistik
Das Ergebnis war deutlich – als wäre nicht schon ein bloßer Mehrheitswechsel in einem Bundesland wie Salzburg Überraschung genug gewesen.
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Der unterlegene ÖVP-Chef selbst führt als Grund vor allem „dirty campaigning“ ins Treffen.150 Abgesehen davon, dass ein solches im Normalfall vom politischen Gegner ausgeht, sich beim Beispiel Salzburg aber Zeitzeugen eher an Multiplikatoren aus den Reihen der VP erinnern können: Der Faktor lässt sich schwer berechnen, spielentscheidend war er nach der Datenlage nicht. Der Landeshauptmann-Bonus sei dadurch „dramatisch“ reduziert worden, argumentiert der Betroffene; tatsächlich aber war der schon lange vorher sehr viel schlanker als bei anderen VP-Landeshauptleuten: bereits im Herbst 1998 sprach eine Direktwahlumfrage Waltraud Klasnic (Steiermark) und Josef Pühringer (Oberösterreich) je 62 % zu, Schausberger nur 47 %; Klasnic hatte das Amt im selben Jahr wie er übernommen, Pühringer nur ein Jahr mehr Zeit gehabt.151 „Das Gerücht“ war aber erst im „zweiten Halbjahr 2001“ aufgekommen, drei Jahre später, wie Schausberger selber angibt.152 Schon zuvor, zwischen März und Juni 2001, hatte die SPÖ den Abstand zur ÖVP deutlich verkürzt, von acht auf ein Prozent – es war genau der Zeitraum, in dem Gabi Burgstaller von der SPÖ auf die Bühne geschickt worden war. Die Sozialdemokraten waren also mit ihrer neuen Kandidatin sehr rasch ein ernsthafter Bewerber um die Nummer eins geworden. Es war ihnen dann auch gelungen, die Landtagswahlen zu einem „candidate voting“ zuzuspitzen, wie es die Wahlforscher nennen „… wenn die Einstellungen zu den Spitzenkandidaten das Wählerverhalten in nennenswertem Umfang und eigenständig beeinflussen, d. h. unabhängig von den Themenorientierungen und der Parteiidentifikation …“ 153 Das war in Salzburg 2004 klassisch der Fall. Fahnenthemen fehlten auf regionaler Ebene. Ein Lagerwahlkampf verbot sich zudem für die lokale ÖVP, denn seit 2000 regierte auf Bundesebene Schwarz-Blau und sie litt eher darunter, „… trotz eifriger öffentlicher Relativierungs- und Abschwächungsversuche letztlich die vielfach unpopulären Reformmaßnahmen der Bundesregierung und deren Konsequenzen … mittragen und letztlich verteidigen …“154 zu müssen. Dies spielte der SPÖ unbestritten in die Hände. Sie konnte mit ihrem nahezu bruchlosen Wahlkampf nicht nur das eigene Lager fast vollständig zur Abstimmung bringen; in Salzburg bestätigte sich auch die Annahme, dass vor allem die Freiheit lichen für die Beteiligung an der Regierung (und damit an unpopulären Entscheidungen) bezahlen mussten: die Sozialdemokraten nahmen ihnen 20.000 Stimmen ab.155 Für eine solche politische Massenwanderung war das Bundesland allerdings auch anfällig. Die Wähler waren hier seit Langem überdurchschnittlich beweglich; es war ein „im Vergleich zu anderen Ländern (mit Ausnahme Wiens) unverhältnismäßig großer Wähleranteil im urbanen und suburbanen Bereich anzusiedeln“156. Dieser Wähleranteil wird auf mehr als 60 % geschätzt. Gerade im städtischen Raum
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aber lösen sich „Konflikt- und Milieulinien“ und damit auch Parteibindungen am ehesten auf.157 Die Politmanager der SPÖ wussten das, wusste es auch die ÖVP? Gerade im Flachgau, in der suburbanen Zone mit fast genauso vielen Wählern wie in der Landeshauptstadt, gewann die Burgstaller-Partei 2004 am meisten hinzu – die ÖVP lag nur in kleinen Agrargemeinden über dem Schnitt, dort, wo sich die wenigsten Stimmen fanden. Ein journalistischer Beobachter damals: „Die ÖVP stellt sich diesen bürgerlich-konservativen Salzburger vor, der am Samstagvormittag auf den Grünmarkt geht … Das andere Bild ist der Bauer in Bramberg, der Sonntag in die Kirche geht. Aber dazwischen liegt eine Gesellschaft, die ganz woanders ist, nämlich im Europark – nur existieren diese urbanen Schichten für die ÖVP gar nicht in ihrer politischen Vorstellungswelt oder nur am Rande.“158 Die ÖVP auf dem Grünmarkt, die SPÖ im Europark – das war ein sehr präzises Bild. Man kann es auch wissenschaftlich ausdrücken: Schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren hatte eine „Erosion der subkulturellen Lagermilieus (Dealignment)“ eingesetzt, vor allem in der Stadtregion, wegen der dort „traditionell hohen horizontalen und vertikalen Mobilität des Elektorats, hohen wirtschaftlichen Wohlstands, hohen Bildungsniveaus sowie expandierender, moderner urbaner Lebensformen.“159 Es galt, darauf zu reagieren – was die langjährige Landeshauptmann-Partei nicht geschafft hatte. Die Führung hatte nicht realisiert, dass unter ihr, politisch gesehen, bereits die Erde bebte. Die SPÖ, schon Jahre zuvor von dramatischem Mitgliederschwund160 und bedrohlichen Wahlniederlagen getroffen, hatte sich geschmeidiger gezeigt. Ihr war auch gar nichts anderes übrig geblieben, bei Strafe des Untergangs. Das waren die tieferen Ursachen für die Erschütterungen in Salzburg 2004 – und nicht ein Gerücht, ja nicht einmal einzelne Personen. Natürlich verstärkten die Figuren an der Spitze bestehende Trends, entfalteten Schubkraft, für die einen nach unten, für die anderen nach oben. Aber die große „Leistung“ der SPÖ war nicht, „die Gabi“ zu entdecken, entscheidend war, sie nach vorne zu stellen und einem frustrierten Publikum ein neues personelles Angebot zu präsentieren. Damit konnte die Mehrheit einer ständig schwankenden, immerzu wechselbereiten Wählerschaft gebunden werden – zumindest für den Moment. Die Frage war nun, was die SPÖ damit anfangen wollte.
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Die SPÖ 2004–2009 – oder: „Fürchtet euch nicht!“ Gabi Burgstaller zog zwar in Rot in den Chiemseehof161 ein, an diesem Wahlabend Anfang März 2004, aber das bedeutete nicht, dass die SPÖ nun das Land umfärben oder gar umbauen wollte. Dazu hatte sie von vornherein keine Absicht, weder beim Personal noch politisch. Rechnerisch tat sich zwar eine „rotgrüne Mehrheitsoption“ auf (mit 19 von 36 Landtagsmandaten), aber das hervorzuheben blieb dem grünen Landessprecher in Oberösterreich vorbehalten162 – ein Regierungsabkommen mit den Grünen, wie es im Nachbarbundesland ein Jahr zuvor die ÖVP beschlossen hatte, wäre der Salzburger SPÖ damals nicht in den Sinn gekommen. Die schwarz-rote Zusammenarbeit (lange Zeit unter Einschluss der Blauen) hatte sich über Generationen verfestigt; „das für Salzburg typische Konsensverhalten der politischen Eliten in der Ersten Republik setzte sich in der Zweiten Republik fort“163 – nun auch mit der SPÖ als Nummer eins. Sie hatte sich bereits im Wahlkampf zu einer großen Koalition bekannt, wohl auch, um keinen wechselbereiten Wähler abzuschrecken – das Signal lautete: Ihr könnt springen und dennoch in stabilen Verhältnissen landen. Niemandem sollte vor einem scharfen neuen Kurs bange sein. Tatsächlich schloss man binnen weniger Wochen nach den Wahlen mit der Volkspartei wieder eine Partnerschaft ab. Die Sozialdemokraten übernahmen zahlenmäßig erstmals die Führung, wollten aber in ihrer neuen Rolle jede größere Beunruhigung vermeiden. David Brenner, ab 2004 Klubobmann und ab 2007 Regierungsmitglied, bestätigt: „Es ist schon auch darum gegangen, ein politisches System in Salzburg zu haben, wo wir von Anfang an klarmachen, das ist stabil, das ist kein Tabubruch, da ziehen jetzt nicht irgendwelche wilden Räuber ein, die noch nie da waren … Wir wollten nicht in die Situation einer völligen Polarisierung kommen. Man muss auch sehen, dass die ÖVP eine politische Kraft ist, die extrem verankert ist im gesamten Land, in den Kammern, in den Wirtschaftsstrukturen, in den Regionen, in den Beiräten, über die Bürgermeister. Das war schon wichtig, nicht einen brutalen Cut zu machen. So ist die Möglichkeit größer, dass nicht solche Ängste entstehen.“ „Fürchtet euch nicht!“, hieß die Botschaft. So übernahm die SPÖ zwar z. B. das Personalressort, war aber auch „hinsichtlich möglicher Umbesetzungen im Amt … äußerst zurückhaltend“164. Ihre Machtpraxis war eine völlig andere als jene der Regierung Voves 1 in der Steiermark, wo die SPÖ ganz ähnlich wie in Salzburg ein Jahr spä-
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ter die ÖVP auf den zweiten Platz verdrängte. In Graz nutzte sie jede Gelegenheit, um Spitzenpositionen in der Verwaltung zu ihrem Vorteil neu zu besetzen,165 in Salzburg unterließ sie das weitgehend, obwohl auch dort die SPÖ wie in der Steiermark über die absolute Mehrheit in der Regierung verfügte (mit 4 : 3 Sitzen). Deutlich trat der Unterschied etwa bei den Spitals-Gesellschaften der Länder zutage: In der Steiermark waren (Stand Herbst 2007) sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats von der SPÖ nominiert,166 in Salzburg standen mehr Kontrolleure der ÖVP nahe als der SPÖ, einschließlich des Vorsitzenden. Und was den politischen Kurs betraf – auch hier pflegten die Salzburger Sozialdemokraten einen vorsichtigen Umgang mit dem schwer verwundeten Partner, vor allem aber mit einem als vorwiegend bürgerlich eingeschätzten Wählerheer. Nur selten ließen sie sich auf eine offene Auseinandersetzung ein – etwa, als Burgstaller gegen den Widerstand der ÖVP die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch in den Landeskliniken durchsetzte. Das Risiko war aber selbst dabei überschaubar: 1974, wenige Monate nach dem Beschluss der Fristenlösung im Nationalrat, hatte die SPÖ bei den Landtagswahlen im katholischen Salzburg dafür noch mit einer schweren Niederlage bezahlt – inzwischen war die Position längst mehrheitsfähig, mehr als drei Jahrzehnte später wurde sie selbst von knapp 60 % der ÖVP-SympathisantInnen 167 gutgeheißen. Solche Fälle blieben aber ohnehin die Ausnahme. Es war wahrlich nicht der Stil der neuen Landeshauptfrau-Partei, Themen zur „Fahnenfrage“ zu erklären, jedenfalls nicht zu einer Frage der roten Fahne. Wenn, dann schwang man ganz andere Banner – mit Begeisterung z. B. jenes der freien Marktwirtschaft. Die Salzburger SPÖ war dabei stolz, die Volkspartei vielleicht nicht rechts, aber zumindest auf der Mittelspur zu überholen, z. B. in der Debatte um Einkaufszentren: „Das ist ein massiv ideologisches Thema. Wir haben eine Sichtweise, die klassisch eher eine marktliberale Sicht ist. Die ÖVP hat eine extrem protektionistische Sichtweise, beeinflusst durch die Wirtschaftskammer. Konkret angeführt, ging es zum Beispiel um den Europark oder das Outlet-Center168 … Da ist es um Tausende Arbeitsplätze gegangen.“ (Brenner) Der damalige stellvertretende Parteivorsitzende führte dieses Beispiel übrigens als Beweis dafür an, dass sich die Sozialdemokraten durchaus vom Koalitionspartner abgegrenzt hätten. Das sollte allerdings nicht durch eine „linkere“ Linie erreicht werden, sondern durch mehr Markt – „Modernität“ nannte es die SPÖ in ihrem Selbstbild. Eklatant wurde der Unterschied zu traditionsgebundenen Sozialdemokratien seinerzeit beim Schuldenthema. Am 1. Mai 2008, dem Feiertag der Arbeiterbewegung, rühmte die Salzburger Landeshauptfrau als Verdienste ihrer Regierung zwar die
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„niedrigste Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren“, aber auch: „Salzburg hat die niedrigste Verschuldensquote seit zwei Jahrzehnten.“169 Besucher des oberösterreichischen SP-Parteitags hingegen empfing knapp ein Jahr später ein Video, das nicht nur generell Kreisky huldigte, sondern auch eine seiner bekanntesten Ansagen nicht ausließ: „Ein paar Milliarden Schulden mehr bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar Hunderttausend Arbeitslose.“ 170 In Linz klatschten die Delegierten an dieser Stelle, in Salzburg wäre sie gar nicht vorgeführt worden. Keinem Parteitagsredner wäre es hier eingefallen, den politischen Gegner als „Religionslehrer“ herabzuwürdigen und den Saal damit zum Kichern zu bringen, wie es Oberösterreichs SP-Chef Erich Haider im Linzer Design-Center unter Anspielung auf VP-Landeshauptmann Josef Pühringer tat. In Salzburg hielt sich die SPÖ weiter an ihr bekanntes Drehbuch: „Harte politische Brocken hat die Landesregierung unter Gabi Burgstaller bislang kaum bewältigt … die Salzburger SPÖ zieht ihre Erfolgsstrategie konsequent durch, die sie mit Gabi Burgstaller kreiert hat: sympathische Personen statt konfliktträchtiger Programmatik.“171
Die ÖVP: Ein Blick in den Abgrund Die SPÖ-Strategie gewährte der Volkspartei eine Schonzeit und die konnte sie auch gut gebrauchen. Wilfried Haslauer (junior) rückte zum Landesparteiobmann auf; zum neuen Landesgeschäftsführer berief er gegen internen Widerstand passenderweise einen Sanierungsspezialisten aus der Wirtschaft, der weder in einer Teilorganisation noch in einem Bezirk verankert war. Dieser (Anton Santner) fand bei der Amtsübernahme 2006 eine nach dem „Erdbeben“ der Wahlniederlage schwer erschütterte Organisation vor, das galt nicht nur politisch, sondern auch emotionell: „Organisatorisch war es eine Katastrophe, weil eigentlich nichts mehr passiert ist seit der Wahlniederlage 2004. Man war damit beschäftigt, die Wunden zu lecken, es war null Zeichen einer Aufbruchsstimmung da, die Mitarbeiter waren verängstigt. Teilweise war es so stark, dass, wenn man Mitarbeiter nur angesprochen hat, die dann zu weinen begonnen haben.“ (Santner) Um die verbliebenen Regierungssitze, von vier auf drei reduziert, waren nach der Niederlage Kämpfe ausgebrochen; Personal mit Potenzial, unzufrieden mit den angebotenen Positionen, hatte die Politik verlassen und war der ohnehin geschwächten Partei verloren gegangen.172 Die ÖVP, zuvor fast sechs Jahrzehnte lang ohne Unterbrechung an der Spitze des Landes, blickte in den Abgrund – nichts schien unmöglich, nicht einmal ein Auseinanderbrechen: „Man hat nicht gewusst, wie geht es überhaupt weiter mit dieser Partei. Können die Mitarbeiter überhaupt gehalten werden, haben wir überhaupt eine Perspektive oder zermalmt uns die SPÖ komplett.“ (Santner)
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Der Abgewählte und der Hoffnungsträger: Franz Schausberger und Wilfried Haslauer (mit Wolfgang Schüssel), Salzburg 2004
Aber das hatte – wie oben gezeigt – der Sieger gar nicht vor; Haslauer konnte sich fast ungestört an den Neuaufbau machen. In den folgenden Jahren wechselte z. B. in mehreren Untergliederungen die Führung, so z.B. in allen Bezirken. Zudem konnte der neue Obmann, selbst aus dem Wirtschaftsbund kommend, jene „Mine“ entschärfen, die für seinen Vorgänger politisch letal gewesen war: Die Wirtschaftskammer schreckte zwar weiter vor „heftigen Schlagabtäuschen“173 mit VP-Regierungsmitgliedern nicht zurück, z. B. in der Frage der Einkaufszentren; doch war das im Vergleich zur Vergangenheit harmlos, vor allem auf der Bühne der Öffentlichkeit – bestätigt Hans Scharfetter, damals als Landtagsabgeordneter und gleichzeitiger Vizepräsident der Wirtschaftskammer durchaus in der Gefahr von Loyalitätskonflikten: „Ich meine, eine Situation wie damals, dass gegen den eigenen Landeshauptmann Inserate geschaltet werden, da sind wir weit weg davon.“ Die Landespartei umwarb auch wieder die VP-Bürgermeister, von denen einige gute Beziehungen zur SP-Vorsitzenden aufgebaut hatten, was allerdings nicht nur mit persönlicher Sympathie, sondern vor allem mit politischer Logik zu tun hatte. Die Gemeindeoberhäupter wurden in Salzburg seit 1994 nicht von der Gemeindevertretung, sondern direkt gewählt; das hatte ihre Parteibindungen gelockert. Die Gewichte hatten sich verschoben, „von den politischen Parteien zum Souverän, dem Wahl-
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volk“174. Dessen Wünsche waren zuallererst zu erfüllen, stellt Helmut Mödlhammer klar, nicht nur Präsident des Gemeindebundes, sondern auch praktizierender Bürgermeister: „Jeder Bürgermeister, der sagt ‚die Partei zuerst‘, wird Schiffbruch erleiden. Zuerst kommen die Leute, dann kommt die Sache und erst dann die Partei. Das wissen wir als Bürgermeister genau und deshalb sind wir auch erfolgreich. Das hat die Burgstaller sehr rasch überrissen und auch sehr akzeptiert …“ … und darauf richtete sich nun auch die neue ÖVP-Spitze aus. Ihr fehlte es auch nicht an Nachhilfe von überaus selbstbewussten Ortsgranden: „Das hat er (Haslauer, Anm. d. Verf.) lernen müssen. Er hat geglaubt, am Anfang, wenn er in die Position kommt, ist er der Größte, Gescheiteste und Beste. Das haben ihn die Bürgermeister sehr rasch gelehrt, dass das nicht der Fall ist, sondern dass er nur dann, wenn er mit ihnen arbeitet und wenn er für sie auch Verständnis hat, erfolgreich sein wird.“ (Mödlhammer) Die Parteizentrale brauchte die Geschlossenheit, um die Kampagnenfähigkeit zurückzugewinnen, die sie rund um die Wahlen 2004 verloren hatte. Erst zwei Jahre später, im Windschatten des Wolfgang-Schüssel-Wahlkampfes, erlangte sie sie wieder. Sie musste dazu auch eine der größten Schwächen gegenüber den Sozialdemokraten bereinigen, jene in der Kommunikation. Die wurde inhaltlich gestrafft und auf wenige Themen konzentriert (Leistung, Eigentum, Sicherheit), die Rolle der Pressesprecher aufgewertet, das Verhältnis zu den Medien entkrampft. Der Gegner konzedierte: „Ja, wir hatten einen Vorsprung, den hat die ÖVP aufgeholt, weil es mittlerweile Standard ist. Was wir 99 gemacht haben, machen mittlerweile alle – also zum Beispiel strukturierte Pressearbeit im Ressort, Kommunikationsleute unmittelbar in Regierungs-Büros.“ (Brenner) Die ÖVP hatte die Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert, sie hatte Konfliktherde entschärft, sie war nicht zerbrochen. Sie hatte nur noch ein Problem, jetzt, wo sie wieder ins Feld ziehen konnte und der nächste Wahlkampf bevorstand – und das hieß weiter Gabi Burgstaller. Die Parteien lagen zwar inzwischen wieder gleichauf; nach Daten der SPÖ aber war im entscheidenden Augenblick – am Wahltag – die Landeshauptfrau als Person nach wie vor zehn Prozentpunkte „wert“. Die VP-Manager hatten versucht, ihr ein Regierungsteam gegenüberzustellen; am nächsten kam Burgstallers Werten dabei die Landesrätin Doraja Eberle, sehr angesehen wegen ihrer Hilfsaktionen („Bauern helfen Bauern“). Haslauer selber wurde auch vom breiten Publikum durchaus als fähiger Politiker respektiert; bei der Frage „Wer hat die höhere Sachfragen-Kompetenz?“ gewann er sogar (Haslauer: 43 %, Burgstaller: 36 %)175 – er hatte „lediglich“ Rückstand bei den Sympathiepunkten. Wie schwer die jedoch beim Wähler wogen, davon gab das Ergebnis der „Gretchenfrage“ eine Ahnung („Wen würden Sie bei einer Direktwahl zur/zum Landeshauptfrau/-mann wählen?“):
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Die SP-Spitzenkandidatin wahrte dabei gegenüber dem ÖVP-Chef weiter einen klaren Vorsprung.176 Es war ein markantes Beispiel, wie der Wahlbürger persönliche Eigenschaften über sachpolitische Fähigkeiten stellte, selbst wenn ihm der Unterschied durchaus bewusst war. Die Volkspartei hatte die Wähler jedenfalls gegen die Anziehungskraft der Konkurrentin nicht immunisieren können. Ein Rezept war allerdings auch schwer zu finden – Frontalangriffe, wie zunächst versucht, schienen nicht zu wirken: „Wir haben die Burgstaller ignoriert, um ihr nicht die nötige Bühne zu geben. Je mehr wir sie angreifen, desto eher sagen dann viele, ‚Die Arme ist eine Frau‘ und es wird vielleicht das Gegenteil erzeugt. Vor allem Innergebirg haben wir dieses Phänomen viel stärker und deshalb haben wir gesagt: ‚Wir lassen die Burgstaller Burgstaller sein und präsentieren unser Dreier-Team.‘“ (Santner) Als Alternative blieb eine Art unausgesprochener Nichtangriffspakt, der in der Öffentlichkeit naturgemäß auch nicht als Großoffensive der ÖVP erschien: „Gemeinsam werden mit dem Budget 2009 finanzielle Wahlzuckerl für Familien, Pendler und Pflegefälle verteilt. Waren die ersten Jahre der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP in Salzburg von vielen Konflikten geprägt, ist gegen Ende der Legislaturperiode eine ungewöhnliche Harmonie angebrochen.“177 Die ÖVP befand sich in der „klassischen“ Zwickmühle einer Nummer zwei, die sich einem populären Amtsinhaber gegenübersieht: Mit Attacken wird man selber nicht beliebter, gemeinsam präsentierte Leistungen wiederum liefern auch kein Abwahlmotiv. Tatsächlich entdeckte kurz vor Beginn des Intensivwahlkampfs „kein Meinungsforschungsinstitut eine Wechselstimmung“178; nicht einmal die Salzburger Volkspartei mochte an eine solche glauben.179
Die Wahlen 2009 oder – noch einmal: der „Burgstaller-Effekt“ Die Landeshauptfrau-Partei tat im Wahlkampf 2009 das, was am nächsten lag: sie versuchte, die Landtagswahlen zu einer Abstimmung über die Person an der Spitze zu machen: „Daran hat sich letztlich auch die Strategie ausgerichtet: Wir haben ein absolutes Stärkefeld und das ist die Spitzenkandidatin, die Gabi Burgstaller. Wenn ich mir Fokusgruppen anhorche, dann ist die Differenzierung insbesondere immer die in Modernität und Sympathie. Da sind Burgstaller und Haslauer sehr weit auseinander.“180 Burgstaller verfügte immer noch über einen gewissen „Frische-Bonus“ (Typ „moderne Frau“), dazu über ungewöhnliche Fähigkeiten in der persönlichen Kommunikation und noch dazu hatte sie politisch wenig unternommen, was eine breite Wählerschaft hätte verstören können. In einem einzigen Bild zum Ausdruck kam das im Plakat für
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Da war die Welt noch in Ordnung: SPÖ-Spitzenkandidatin Gabi Burgstaller mit Schwester bei der Wahlfeier 2009 im Salzburger Rockhouse
die heißeste Wahlkampfphase. Es spielte ausschließlich auf den individuellen Auftritt an und propagierte: „Ihre Art macht den Unterschied“ (also nicht „ihre Politik“ …). Auch ansonsten bot die Wahlwerbung für 2009 kaum Überraschungen. Selbst nach Einschätzung der „partei-offiziellen“ Geschichtsschreibung wurde sie „nach dem Ablaufmuster des Wahlkampfs von 2004 durchgeführt, routiniert und glatt abgespult“181 – aber das reichte: Die SPÖ hielt sich trotz Verlusten als stimmen- und mandatsstärkste Partei. SALZBURGER LANDTAGSWAHLEN 2009 Stimmenprozente Landtagsmandate SPÖ 39,4 (-6,0) 15 (-2) ÖVP 36,5 (-1,4) 14 (+/-0) FPÖ 13,0 (+4,3) 5 (+2) Grüne 7,4 (-0,6) 2 (+/-0) BZÖ 3,7 (+3,7) 0 (+/-0) Quelle: Landesstatistischer Dienst
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Der Burgstaller-Effekt hatte ohne Zweifel abermals gewirkt. Für fast 70 % der SPÖWähler war die Spitzenkandidatin ein Wahlmotiv, bei der ÖVP betrug diese Quote nur knapp ein Drittel. Die Landtagswahl wurde letztlich zur Abstimmung über die Frage „Wollt ihr Gabi weiter haben?“, wie eine weitere Zahl bestätigt: 82 % der SPWähler nannten als Grund für ihre Entscheidung „Burgstaller soll Landeshauptfrau bleiben“. Dies war das am häufigsten genannte Wahlmotiv in der Wahltagsbefragung überhaupt (alle fünf kandidierenden Parteien eingeschlossen).182 Nichtsdestotrotz hatte die SPÖ bei Weitem nicht mehr so viele Wähler angezogen wie noch 2004 – nämlich um rund 14.000 weniger, obwohl die Zahl der Wahlberechtigten um rund 20.000 gestiegen war. Sie tröstete sich zunächst mit der Erholung der FPÖ, die fünf Jahre zuvor für ihre Rolle in der schwarz-blauen Bundesregierung und die unvergesslichen Szenen von Knittelfeld183 abgestraft worden war. Mittlerweile steckte die SPÖ im Bund selber in der Regierungsverantwortung und die Freiheitlichen hatten 2009 in Salzburg zumindest wieder Teile ihres Potenzials abgerufen. Aber dieser Faktor war gar nicht ausschlaggebend, wie man nach genauerer Analyse der Daten auch im Burgstaller-Lager erkannte: Die Verluste an die Freiheitlichen waren mit „1,4 % der Stimmen aus 2004 fast zu vernachlässigen“184, die „Rückwanderung zur FPÖ war nicht entscheidend“185. Aber was dann? Eine Erklärung lieferten die Wählerstromanalysen. Auch wenn deren Zahlen je nach Quelle auseinanderlagen, so hatten sie doch eines gemeinsam: Die SPÖ konnte selbst mit ihrer „Nicht-Establishment“-Kandidatin weniger BürgerInnen zum Wählen bringen, zwischen 7.000 und 17.000 netto weniger jedenfalls, was nach allen Berechnungen ein größerer Verlust war als jener an die FPÖ. Es war unübersehbar, dass „eine Wählermobilisierung wie 2004 nicht mehr gelang“186; besonders nicht in der Landeshauptstadt (mit mehr als einem Viertel der Wahlberechtigten): die SPÖ büßte dort mit knapp 10 % an Stimmenanteilen weit mehr ein als im Landesschnitt (–6 %), mehr als in jedem anderen Bezirk und auch mehr als sonst im Zentralraum: „Normalerweise kann man in Salzburg sagen, im Zentralraum – in der Stadt, im Flachgau und im Tennengau – hat man ähnliche Trends. Da war aber der Ausreißer diesmal die Stadt. Das war letztlich das, was uns den Vierer (das Übertreffen der 40-%-Grenze, Anm. d. Verf.) gekostet hat.“ (Höfferer) Die ÖVP profitierte von dieser sinkenden Anziehungskraft der SPÖ in Wahrheit kaum. Sie konnte zwar 2009 den Abstand um mehr als die Hälfte verringern, unterbot aber mit einem Minus von 1,4 Prozentpunkten sogar noch das bis dahin historisch schwächste Resultat von 2004. Sie wollte der „Sympathiedemokratie, die jeder schwierigen Entscheidung aus dem Weg geht … Sacharbeit“187 gegenüberstellen; das
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war ehrenwert, nur kam der Regionalpartei die Weltwirtschaft in die Quere: Die Flaute nach den Stürmen auf den Finanzmärkten 2008 hatte auch Salzburg nicht verschont; die Zahl der Arbeitslosen war im Jänner 2009, wenige Wochen vor den Wahlen, in Salzburg am stärksten von allen Bundesländern gestiegen.188 Sachpolitisch rückte genau im Winter 2008/09 bei den „Themen, die Ihnen Sorgen machen und wo Sie sich persönlich betroffen fühlen“ die Arbeitslosigkeit ganz nach oben.189 Dies begünstigte die Sozialdemokraten, weil die in den Augen der Wähler dort eher ein Stärkefeld hatten. Außerdem hatte die ÖVP noch längst nicht alle Schwächen behoben. Sie wirkte im Parteienprofil laut Umfragen nach wie vor deutlich weniger „modern“ als die SPÖ190 und sie litt weiter unter einem Defizit bei großen Wählergruppen: bei den „Angestellten“ lag sie weiter hinter der SPÖ als im Schnitt; dasselbe galt bei den Frauen – bei jüngeren Frauen (bis 29) schnitt sogar keine Landtagspartei so schlecht ab wie die ÖVP (SPÖ: 31 %, Grüne: 13 %, FPÖ: 10 %, ÖVP: 7 %).191 Dazu passt die Überrepräsentanz jener Teilorganisation, die einen schrumpfenden Berufsstand vertritt – die Landwirte. Das wird inzwischen selbst von führenden Funktionären kritisiert, die selber dort verankert sind, etwa von Hans Scharfetter, im Pongau gleichzeitig Obmann des Wirtschaftsbundes und stellvertretender Obmann des Bauernbunds: „Faktum ist, dass der Bauernbund ein Drittel der Mandate besetzt. Das entspricht nicht mehr seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Bis 2009 war der Agrar-Klub sogar größer als der FPÖ-Klub.“ Tatsächlich besetzten die Freiheitlichen in der Periode von 2004 bis 2009 drei Landtagsmandate, dem ÖVP-Bauernbund konnten fünf zugerechnet werden. Haslauer wahrte jedoch den innerparteilichen Frieden, jedenfalls wurde Streit kaum öffentlich ausgetragen; der Parteichef blieb auch nach den Stimmanteilsverlusten ungefährdet. Er bot sein Amt zwar Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer an, wie sich dieser erinnert, aber: „Als er (Haslauer, Anm. d. Verf.) 2009 gefragt hat ‚Du, das ist nicht das beste Wahlergebnis, würdest du das machen?‘, habe ich ihm gesagt: ‚Nein, ich bin nicht zur Wahl im Land angetreten, sondern als Bürgermeister … Du bist gewählt worden. Natürlich ist das kein sehr erfreuliches Ergebnis … aber im Grunde genommen ist das kein Thema.‘ Das war in zwei Sekunden erledigt.“ In Wahrheit war auch die ÖVP enttäuscht; sie verbreitete aber nach außen hin eine offensive Ergebnisinterpretation, nämlich dass man „den Abstand zur SP verkleinern“ habe können.192 Damit hatte sie auf dem Feld der Nachwahlkommunikation sogar Erfolg; denn die SPÖ schaffte es nicht, die für sie gute Nachricht in den Vordergrund zu rücken – nämlich dass sie zum zweiten Mal vorne lag und das in einem Land wie Salzburg nicht selbstverständlich war. David Brenner, damals stellvertretender Partei-
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Auftritt vor Stammwählern: Wilfried Haslauer beim Ruperti-Treffen der Salzburger ÖVP im September 2009
vorsitzender: „Es war trotzdem in der eigenen Wahrnehmung unserer Partei so, dass es teilweise als unerwarteter Rückschlag interpretiert worden ist. Umgekehrt war es bei der ÖVP so, dass die noch hinter dem Ergebnis von Schausberger gelegen sind, das historisch schon eine Katastrophe war – und sie haben es psychologisch irgendwie geschafft, nach dem Motto ,der Abstand hat sich verkürzt‘ daraus Kraft zu beziehen. So etwas habe ich als studierter Politikwissenschafter, Kampagnenmanager und auch als Person noch nie erlebt, dass wenige Stunden psychologisch so viel auslösen.“ Die ÖVP hatte dazugelernt; ihr Vorsitzender Führungsstärke bewiesen. Es war ein Musterbeispiel dafür, wie entscheidend Vorwärtsverteidigung nach einem im wahrsten Sinn des Worts „unentschiedenen“ Ergebnis sein konnte; wie sehr es darauf ankam, gerade nach solchen Resultaten die Definitionsmacht über deren Deutung zu erobern. Die ÖVP hatte das Match gar nicht gewonnen, sehr wohl aber das Nachspiel. Das sollte sich auch in den folgenden Verhandlungen niederschlagen.
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3.3 Eine kurze Bilanz – oder: Was vom Wechsel übrig blieb Die SP-Vorsitzende Gabi Burgstaller wurde nach den Wahlen 2009 zum zweiten Mal zur Landeshauptfrau gewählt; Sozialdemokraten und Volkspartei verlängerten ihre Zweckehe und schlossen neuerlich eine große Koalition ab. Das war auch so zu erwarten gewesen. Mit der FPÖ – wieder stärker, aber noch deutlich unter den Spitzenwerten der Jörg-Haider-Zeit – war zwar rechnerisch eine Mehrheit möglich; doch Burgstaller zog ohnehin die ÖVP als Partner vor und die unter medialem Getöse erörterte Variante „Schwarz-Blau“ war letztlich keine realistische Option. Der damalige ÖVP-Landesgeschäftsführer: „Es hat ernsthafte Verhandlungen gegeben … aber ich muss ja eine Regierung bilden und da wäre für uns die FPÖ nicht der richtige Partner gewesen, einfach wegen der Personen und der Verlässlichkeit. Ich brauche schon einen Partner, der herhält, mit dem ich auch was umsetzen kann. Es war dann für uns relativ rasch klar, dass man das macht, wie es war.“ (Santner)
Der Konsenszwang – und sein Preis Die ÖVP schnitt bei der Machtaufteilung mit der SPÖ keineswegs schlecht ab; sie gewann z. B. die Zuständigkeit für das „Personal“ hinzu und damit eine Position, deren strategischer Wert nach wie vor gar nicht hoch genug einzuschätzen war. Abschreiben musste die lange Zeit beherrschende politische Kraft neuerlich das lange von ihr kontrollierte Finanzressort, das in Salzburg anders als in der Steiermark – traditionell der Landeshauptmann/frau-Partei zugeschlagen wird; das allerdings bedeutete sehr wohl einen realen Verlust an Einfluss. Insgesamt aber musste sich die frühere Nummer eins weiterhin keineswegs an den Rand gedrängt fühlen, auch wenn sie in der Regierung gegenüber der SPÖ mit 3 : 4 in der Minderheit war. Denn auch in der dritten Koalition zwischen Rot und Schwarz seit dem Ende des Proporzes blieben die Regeln weiter streng: in der Regierung galt das Einstimmigkeitsprinzip; anders als etwa in der Steiermark in der Ära Voves/Schützenhöfer I konnte die SPÖ also ihre Mehrheit nicht gegen den kleineren Partner einsetzen, was auch jüngere rote Regierungsmitglieder wie Landeshauptmann-Stellvertreter David Brenner gar nicht in Zweifel zogen: „Ein Regierungsbeschluss geht nicht nach Mehrheitsprinzip, sondern nach Einstimmigkeitsprinzip. Das ist festgelegt. Das ist ein klarer Fall …“ Der Konsenszwang reichte aber bis über die Regierung hinaus – bis ins Landesparlament. Nicht nur dass man einander dort nicht überstimmte, was bei einem Koalitionsabkommen noch als Normalfall betrachtet werden kann – mit wenigen Aus-
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nahmen wurden sämtliche Initiativen der SP- und VP-Abgeordneten einem wechselseitigen Vetorecht unterworfen. Die Praxis beschrieb der seinerzeitige SPÖ-Mandatar Walter Steidl: „Die Erstbehörde ist die eigene Fraktion und es sind die eigenen Regierungsmitglieder. Wenn ich als Abgeordneter eine Initiative setze, egal ob Antrag oder Anfrage, dann geht das zuerst an die eigenen Ressorts, da brauche ich von allen vier das O. K. Das ist schon nicht sehr einfach, weil irgendein Ressort sagt schon: ‚Da habe ich was dagegen.‘ Wenn ich diese Hürde gepackt habe, dann muss ich noch die ÖVPHürde packen. Die können das ohne Begründung ablehnen, außer es geht um BundesAngelegenheiten.“193 Von ähnlichen Verpflichtungen berichteten auch ÖVP-Abgeordnete: „Wenn ich eine Anfrage stelle, z. B. an den SPÖ-Raumordnungslandesrat, dann geht das meines Wissens so, dass diese Anfrage in die Präsidiale geht und die Landtagsfraktionen und die Regierungsfraktionen müssen sich darauf verständigen. Wenn die SPÖ dann sagt: ‚Nein, das kommt mir nicht gelegen, diese Anfrage‘, dann passiert sie nicht.“ (Scharfetter) Diese Erfahrungen waren nicht neu. Der Regierungsproporz, also die garantierte Beteiligung an der Macht für jede Partei ab einer bestimmten Stärke, war in Salzburg 1998 nach dem „Ja“ bei einer Volksabstimmung aus der Verfassung gekippt worden; auch aus Ärger über eine der FPÖ vorgeworfene Doppelrolle: „Keine Partei muss sich in Hinkunft mehr dem nicht zu bewältigenden Spagat unterziehen, gleichzeitig opponieren und regieren zu müssen“, begründete das damals ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger in offensichtlicher Anspielung auf die Freiheitlichen194; versprochen waren mehr Demokratie und „gesunder Wettbewerb“. Was daraus wurde, bezeugt am eindrucksvollsten der erste Klubobmann der SPÖ im neuen System, Walter Thaler. Noch 1999, nachdem die erste „frei“ gebildete Regierung ausverhandelt war, eine schwarz-rote Koalition, zeigte er sich hoffnungsfroh: „Die Abschaffung des Proporzes führt dazu, dass wir (die Landtagsklubs, Anm. d. Verf.) schon sehr frühzeitig in die Verhandlungen eingebunden werden müssen.“195 Nach fünf Jahren als Fraktionschef im Landtag waren ihm solche Illusionen vergangen; in einer politikwissenschaftlichen Arbeit entrüstete sich derselbe Thaler, das Einstimmigkeitsprinzip in den Regierungsfraktionen „macht diese zu bloßen Abnickern bereits vorgefasster Beschlüsse … Die Abgeordneten werden … zu bloßen Außendienstmitarbeitern der Parteien … Wesentliche demokratische Grundprinzipien, wie politische Verantwortung, Transparenz und Öffentlichkeit sowie politische Beteiligung (werden) aus dem Parlament ausgelagert“.196 Schon nach der ersten Periode mit der nun angeblichen „Konkurrenz“-Demokratie ließ sich nicht mehr verheimlichen, dass ausgerechnet das Landesparlament deren
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Lange im Schatten: Wilfried Haslauer und Gabi Burgstaller bei einer Landtagssitzung im Salzburger Chiemseehof im Juli 2011
Opfer geworden war – oder, präziser gesagt, der Art und Weise, in der sie praktiziert wurde. Die SPÖ-Vorsitzende Burgstaller selbst konzedierte 2004, dass „die Landtagsarbeit entwertet worden“ sei; in der Öffentlichkeit regte sie an, der Landtag solle durch „Zielvorgaben an die Landesregierung“197 (!) aufgewertet werden. In der Realität aber dachte genau diese Regierung – deren Mitglied Burgstaller war – nicht daran, dem Landtag Mündigkeit zuzugestehen: „Die jetzige Situation – das Majorz-System mit einem straffen, strengen, rigiden Koalitionspakt – ist die Entmündigung des Landtages par excellence …“, gibt der ÖVP-Mandatar Hans Scharfetter aktuell zu Protokoll,198 auch er Politikwissenschafter und Abgeordneter seit 2004. „Nun gilt es, diesen Rahmen mit neuen politischen Rahmen, mit neuen politischen Inhalten und Verhaltensweisen zu füllen … jede politische Gruppierung (habe) die Chance, in der Landesregierung politisch mitzugestalten“199, hatte Franz Schausberger, politischer Vater der Reform, 1998 angekündigt. Tatsächlich kam seither eine einzige Regierungsform zum Zug, eben die der großen Koalition. Die auch von Wissenschaftern (und desgleichen von Journalisten) geschürten Hoffnungen auf demokratiepolitische Fortschritte erfüllten sich nicht. Für die Bürger war
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„Proporz“ nur ein anderes Wort für „Postenschacherei und Packelei“200 – aber personelle Gegen-„Geschäfte“ waren mit seinem Ende nicht automatisch abgeschafft. Machttechnisch hatte das alte System noch erlaubt, sich wechselnde Mehrheiten für Initiativen zu suchen. Jetzt, wo Regierung und Opposition sauber getrennt waren, sahen sich die Koalitionsparteien ständig aufeinander angewiesen und darauf, dass ihre Vereinbarungen im Landtag hielten. Der „politische Druck zur Geschlossenheit“ war noch größer geworden, die „Disziplinierung der Beteiligten“201 noch härter. Offener Streit sollte vermieden werden, um fast jeden Preis. Auch deshalb fielen die Entscheidungen weniger denn je im Parlament, ja oft nicht einmal mehr in offiziellen Regierungssitzungen, sondern in informellen Gremien, etwa einem „Arbeitsausschuss“. Die KonkordanzDemokratie – oder sagen wir es deutlicher: die Machtpraxis der Regierungsparteien – war stärker als jede Verfassungsänderung, jedenfalls im Fall Salzburg. Nicht zu vergessen ist freilich, dass das Verlangen nach Harmonie nicht von Politikern erfunden worden ist, sondern vielmehr eine tiefe Sehnsucht des österreichischen Wählers widerspiegelt. Deren Erfüllung wird belohnt, das ist nicht nur eine Binsenweisheit aus dem politischen Alltag, das scheint auch das Datenmaterial zu erhärten: Im Frühjahr 2011 z. B. beurteilten in einer Umfrage 41 % die „Zusammenarbeit der Regierungskoalition SPÖ und ÖVP im Salzburger Landtag“ mit gut/sehr gut, das waren sieben Prozent mehr positive Einschätzungen als im Herbst 2010 – genau parallel stiegen auch die Werte im Vertrauensindex und die „Zufriedenheit mit der Arbeit der beiden Spitzenpolitiker“.202
Eine große Koalition – und auch große Entscheidungen? Permanenter Konsenszwang, ein weitgehendes wechselseitiges Vetorecht, KonfliktScheue in der Öffentlichkeit – wie groß war unter solchen Bedingungen das Erneuerungspotenzial einer zum zweiten Mal sozialdemokratisch geführten Landesregierung? Einen übertriebenen Hang zum großen Wurf konnte man beiden Seiten zunächst nicht unterstellen, auch nicht der ÖVP. Haslauer z. B. hatte auf einem der wichtigsten potenziellen Handlungsfelder, dem Nahverkehr, stark begonnen und die Sanierung einer Lokalbahn arrangiert, Projekte mit ähnlichem Anspruch ließ er jedoch nicht folgen. Auch bei einem der wenigen wirklich kursentscheidenden Steuerungsinstrumente von Landespolitik, der Raumordnung, verzichtete man lange auf energischen Zugriff. Bei einem Salzburger Schlüsselthema z. B., dem Mobilisieren von günstigem Bauland, blockierten einander SPÖ und ÖVP über Monate gegenseitig. Realisiert wurde allerdings eine Steuer auf Umwidmungsgewinne bei Grundstücken, im Sparpaket der Bundesregierung im Frühjahr 2012. Burgstaller hatte eine
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solche Abgabe – jedenfalls im Kern – zuvor propagiert.203 Die Bereitschaft, zu handeln, schien um diese Zeit generell zu steigen; auch, weil der nächste Termin für die Landtagswahlen (programmgemäß wäre das 2014 gewesen) näher rückte und die Regierungsparteien eingestandenermaßen nicht Opfer jener Vertrauenskrise werden wollten, welche die Erkenntnisse des Korruptions-Untersuchungsausschusses im Nationalrat ausgelöst hatten. Damals konnte man eben Salzburg noch als eine Art Skandal-freie Alternative präsentieren. Zusammen mit den Oppositionsfraktionen vereinbarten SPÖ und ÖVP früh ein Salzburger Transparenzpaket, das damals dem Bund voraus war und die Parteien zum Beispiel verpflichtete, sämtliche Spenden offenzulegen. Dies fand auch den Respekt kritischer Initiativen.204 Solche – auch von der SP-Landeshauptfrau propagierten – Aktivitäten richteten sich gegen ein durchaus allgemeines Phänomen, den „Politikfrust“205. Noch nicht beantwortet war damit die interessanteste Frage im Fall Salzburg – nämlich: Wie viele Spuren die Sozialdemokratie als solche hinterlassen konnte und vor allem hinterlassen wollte? Sie hatte von Anfang an beteuert, „bei einem Führungswechsel das Land moderat verändern zu wollen“,206 und sie hatte dies ab 2004, in der „Probezeit“ als Landeshauptfrau-Partei, auch skrupulös eingehalten. Die Risikobereitschaft wurde aber auch mit der zweiten Chance, nach der Bestätigung 2009, kaum größer. Ein führender Gewerkschafter und Landtagsmandatar: „Wir setzen das da und dort auch fort, was zu verändern und zu verbessern. Aber die Grundlinie ist dieselbe: die Leute nicht verschrecken, schauen, dass unsere Leute sympathisch rüberkommen und nicht mit irgendwelchen großen Themen anecken oder Unruhe stiften – alles ein bissel ruhig halten …“ (Steidl) Wie gehabt, vermied es die SPÖ z. B. weiterhin peinlich, in den Geruch einer „Schuldenpartei“ zu kommen. Als wichtige Errungenschaft des Landeshaushalts 2012 pries sie eine „Budgetwende“ mit einer „Null-Neuverschuldung bis 2017“207; die Sozialausgaben wurden erhöht, allerdings mit einer „Deckelung“. Mehr Geld floss zwar unbestritten in den Ausbau der Kinderbetreuung, eines der logischen Anliegen für die Sozialdemokratie; Burgstaller hatte persönlich freilich noch mehr, nämlich den Gratiskindergarten, propagiert. Der schaffte es als „erklärtes Ziel“ auch bis in das „Arbeitsübereinkommen 2009“ der Regierung208 – nichtsdestoweniger aber wurde der Zeitplan von der zuständigen ÖVP-Landesrätin alsbald öffentlich angezweifelt.209 Die SPÖ verwies zwar darauf, dass das Angebot an Betreuungsplätzen seit 2004 um insgesamt ein Fünftel ausgeweitet worden sei,210 was aber nicht einmal eigenen Abgeordneten als spezifisch sozialdemokratische Großtat erschien: „Da waren wir sowieso
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gezwungen, was zu machen, das war sowieso hinterwäldlerisch, was da vorher geboten worden ist. Da haben halt die Bürgermeister der Landgemeinden immer gemauert, ‚das brauchen sie nicht, Nachmittagsbetreuung und so weiter‘. Wenn die ÖVP das beurteilt, war das vermutlich sehr progressiv, für uns war es eher Normalität.“ (Steidl) Auch insgesamt ist die Begeisterung über die eigene Reformkraft selbst innerhalb der SPÖ durchaus nicht ungeteilt: „Wir haben Verschiebungen bei den Investitionen hin gemacht zum Ausbau moderner sozialer Dienstleistungen, in den Gesundheitsbereich, in die aktive Arbeitsmarktverwaltung. Mit dem ‚Salzburger Wohnbaufonds‘, der mittlerweile österreichweit Beachtung findet, investieren wir in leistbares Wohnen. Wir haben die Ausgaben für das politische System und die Parteienförderung gekürzt … Wenn man sich das rückblickend über einen Zeitraum von fünf, sechs Jahren anschaut, dann ist da ein klares sozialdemokratisches Projekt erkennbar …“ (Höfferer) … jedenfalls für den SP-Landesgeschäftsführer; während dem Spitzen-Gewerkschafter die Sicht darauf zumindest in Teilen noch verstellt zu sein schien: „Insgesamt sage ich, das, was wir als Sozialdemokraten in Anspruch nehmen – soziale Gerechtigkeit, soziale Verteilungsgerechtigkeit usw., das hat sich nicht weiterentwickelt, im Wesentlichen.“ (Steidl)
Szenen aus Salzburg Ein Jubiläum – oder: Dem Sturme blick ins Angesicht Es ist eine lange Liste von Ehrengästen, die Präsident Siegfried Pichler da vorliest. Die Salzburger Arbeiterkammer feiert ihr 90-jähriges Bestehen an diesem Vormittag im Mai 2011 – und sie wirkt beeindruckt von ihrer eigenen Bedeutung. Sie hat nicht nur als Erste von allen österreichischen Arbeiterkammern die Konsumentenberatung und ein Frauenreferat „erfunden“, sie redet nicht nur in der Landespolitik (fast) überall mit, sie ist vor allem DAS Personalreservoir der Salzburger Sozialdemokratie. Aus ihren Reihen ist zum Beispiel Gabi Burgstaller hervorgegangen, die Landeshauptfrau, die hier als Konsumentenberaterin begonnen hat. Sie hält eine Rede, bei der ihr sogar das Wort „Kapitalismus“ über die Lippen rutscht. Man ist nicht nur feierlich an diesem Festtag, man gibt sich auch kämpferisch. Der Part mit der Schärfung des historischen Bewusstseins kommt jedoch vor allem zwei Künstlern zu, Willi Resetarits und der Salzburger Jazz-Sängerin und Komponistin Sabina Hank. Resetarits wird von Burgstaller als „Ostbahn-Kurti“ begrüßt, der er gerade heute überhaupt nicht sein will. Der Kreisky-Preisträger hat
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für sich Texte des politischen Poeten Jura Soyfer wiederentdeckt, eines heimatlosen Linken, der 1939 im KZ starb; Hank hat sie vertont. Die beiden lassen die Festveranstaltung über ein bloßes Vereinsjubiläum hinauswachsen: „Der Weg ist weit und fern die Rast, und Müdigkeit hat dich erfasst. Du willst die Augen schließen. Und dennoch, schließ die Augen nicht, dem Sturme blick ins Angesicht, denn du sollst alles wissen.“ … klirrt es im Sprechgesang durch den Saal im Seminarzentrum „Parkhotel“, einem Bau aus den 80er-Jahren mit massiver Holzdecke. Der Augenblick hat etwas; das ist mehr als sozialistische Folklore, es gibt eine Ahnung davon, dass es um mehr gehen könnte als um „160.000 Beratungen“ (Leistungsbilanz der Salzburger Arbeiterkammer 2009). Wer „dem Sturme ins Angesicht“ blicken möchte, muss sich nun allerdings von diesem Moment politischer Poesie erfangen und sich auf die Festrede von Rudolf Hundstorfer konzentrieren. Der joviale Mann war früher ÖGB-Präsident, ist aber jetzt Sozialminister und spricht auch wie ein solcher. Während der hiesige Kammerchef zum „Fürsprecher“ aller Armen und Schwachen entbrennen will, die sonst „keine große Lobby“ haben, spritzt Hundstorfer kaltes Wasser ins Feuer. Junge, die weder in Lehre oder Schule aufzufinden und auch beim AMS verschwunden sind, sollen einer Ausbildungspflicht unterworfen werden. Älteren auf der Flucht in die Invaliditätsrente soll die erschwert werden, das spart Dutzende Millionen, sagt der Herr über das Sozialbudget. Haben die Arbeitnehmervertreter doch so viel Erfolg gehabt, dass der nun nicht mehr zu finanzieren ist? Oder erlöschen die Träume, wenn Sozialdemokraten an die Macht kommen? „Müdigkeit hat dich erfasst“, rezitiert Willi Resetarits. Die Lokalausgabe einer großen Boulevardzeitung nennt die Jura Soyfer-Vertonungen in ihrem Bericht ein „Ständchen“ – manche können sich eben nur noch nette Musik vorstellen, wenn Salzburgs Sozialdemokraten Jubiläen feiern. Die „größte Sozialkompetenz“ war übrigens 2009 tatsächlich das stärkste sachpolitische Wahlmotiv für SPÖ-Wähler (mit 49 %); bemerkenswerterweise war jedoch die Landeshauptfrau-Partei jene mit den niedrigsten Werten beim inhaltlichen Profil: die ÖVP kam beim Wahlmotiv „größte Wirtschaftskompetenz“ auf 63 % Nennungen, die Grünen erreichten dieselbe Quote mit „beste Umweltkompetenz“, die Freiheit-
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lichen („gegen Zuwanderung“) gar 71 %, also die höchste Rate überhaupt bei Kern„Kompetenzen“.211 Sozialdemokratische Wähler hingegen zog bekanntlich am stärksten eine Person an (wir erinnern uns: für mehr als 80 % war das Wahlmotiv „Burgstaller soll Landeshauptfrau bleiben“) – die Spitzenkandidatin überdeckte alles, auch Schwächen.
Ein „direkter“ Weg zu mehr Lebendigkeit? In den Gemeinden – die Wahlen waren am selben Tag wie jene zum Landtag angesetzt – war die SPÖ 2009 weiter zurückgefallen; die ÖVP hatte ihre starke Stellung sogar noch ausgebaut: sie wurde in 96 von 119 Kommunen stimmenstärkste Partei, das waren noch einmal um sieben mehr als fünf Jahre zuvor; sie stellte nun 93 Bürgermeister, die SPÖ nur noch 22 – acht weniger als noch 1994. Sie zahlte damit auch den Preis dafür, lange alles auf die Eroberung des Chiemseehofs auszurichten, vom Management bis zur Kommunikation: „Während wir im vergangenen Jahrzehnt daran gearbeitet haben, die politische Öffentlichkeitsarbeit zu zentralisieren, geht der Trend mittlerweile – nicht zuletzt aufgrund der neuen Medien – in die entgegengesetzte Richtung. Darauf hatten wir zu reagieren. Wir hatten ein bisschen übersehen, dass man eine organisatorische Breite hat, die man durchaus auch nutzen kann.“ (Höfferer) In den Gemeinden war die SPÖ sogar der Verlierer und das war für sie insofern bitter, als die Ortsoberhäupter die „starken Männer“ sind (es sind tatsächlich zum allergrößten Teil noch Männer) und das mehr denn je, seit Einführung der Direktwahl 1994. Ihre Wirkung beschränkte sich nicht auf den eigenen Dorfplatz; sie hatten auch die Macht, der Landesregierung in den Arm zu fallen – so zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung, wie Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer unmissverständlich klarmacht: „Da waren Auseinandersetzungen, wo wir gesagt haben: ‚Ihr könnt alles machen, zahlen müsst ihr halt dann.‘ Wir lassen uns nicht gerne zu etwas verpflichten, wo wir überhaupt keine Mitsprache haben. … Der Gratiskindergarten war so ein Thema, wo man gesagt hat, das ist nicht unsere Linie, und zwar Bürgermeister aller Couleurs, auch solche der SPÖ.“ Diese zugegeben interessengetriebenen „Koalitionen“ über die Lager hinweg waren oft stärker als die Bindung an die eigene Parteilinie. Das hieß im Umkehrschluss, dass die Zentralen diesem Politikertypus keine Haltung diktieren konnten. Bürgermeister besorgten sich ihre Legitimation nun direkt auf dem Wählermarkt, von dem waren sie in erster Linie abhängig. Die Gemeindevertretungen wurden zudem getrennt von ihnen, auf einem eigenen Stimmzettel, gewählt und „das Stimmensplitting hat die Wähler befähigt, den/die qualifiziertere(n) BewerberIn für das Bürgermeisteramt
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auszuwählen, ohne dass damit die parteipolitische Bindung des jeweiligen Wählers aufgegeben werden muss.“212 In der zweitgrößten Stadt Salzburgs z. B., der SPÖ-Hochburg Hallein, erreichte der Bürgermeisterkandidat der ÖVP im März 2009 nicht weniger als 73 % der Stimmen; bei den Landtagswahlen am selben Tag aber kam die ÖVP dort nur auf 25 %, die SPÖ schnitt trotz Verlusten fast doppelt so gut ab. Die WählerInnen nutzten ihre Freiheiten derart heftig, dass auch das Zusammenlegen der Wahltermine den Landesparteien keine Vorteile mehr garantierte – wie die Bürgermeister längst ahnten: „Ich habe gesagt, ‚Ihr müsst wissen, dass bei Zusammenlegung der Gemeinde- und der Landtagswahlen die Bürgermeister zuerst einmal für sich rennen und dass die Menschen sehr wohl unterscheiden. Die werden nicht drei Mal gleich wählen. Das ist eine Illusion.‘ Das waren heftigste Auseinandersetzungen im Parteipräsidium.“ (Mödlhammer) Was die Lebendigkeit von Demokratie betrifft, hatte die „Entkoppelung von Bürgermeister-Persönlichkeit und Partei“213 enorme Folgen – sie bewirkte weit mehr als die Auflösung des Regierungsproporzes. Dieser war als „Modernisierungskonzept für das gesamte politische System Österreichs“ angelegt.214 Aber soll – wie es die Kritik weithin verlangt – tatsächlich die „Kolonialisierung des Staats, d. h. der alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens durchdringende Parteieneinfluss“ 215 zurückgedrängt werden, dann ist nach den Salzburger Erfahrungen eher die Direktwahl der Schlüssel. Auch die allermeisten Bürgermeister gehören weiterhin Parteien an, nur hat sich ihr Spielraum vergrößert und ihre Abhängigkeit verkleinert; zwar rekrutieren auch in den Gemeinden weiter Parteien das politische Personal, aber sie suchen nun eher „Experten mit professionellem Wissen“, um nicht ein Scheitern auf dem Wählermarkt und bei der Führung der Gemeinde zu riskieren,216 und es ist richtig, dass Parteien weiter die Kandidaten nominieren,217 aber sie müssen Talenten rascher zum Aufstieg verhelfen. Folgsamkeit wird als Qualifikation weniger wichtig. Damit sinkt tendenziell die Loyalität gegenüber den Partei-Führungen – aber für die geht es inzwischen ohnehin schon mehr darum, sich überhaupt noch die Loyalität der Bürger zu sichern: „Man muss aufpassen, dass die Bevölkerung nicht sagt, wozu brauchen wir diesen Landtag noch …“ (Mödlhammer) … warnen Bürgermeister. Anfang 2012 begann in Salzburg sowohl in der SPÖ als auch in der ÖVP das laute Nachdenken über Direktwahlelemente auch für Landtagsabgeordnete. Reformen im steirischen Stil hielt man jedoch eher für unpassend. Der Salzburger Landtag ist zwar bereits jetzt größer, gemessen an der Bevölkerungszahl – wie schon im vorigen Abschnitt dargelegt, kommen auf einen Mandatar rund 15.000 Einwohner, in der Steiermark rund 22.000. Doch den Landtag zu schrumpfen, wie in der Steiermark beschlossen, würde auf Kosten der kleinen Bezirke gehen (sorgt sich die ÖVP) bzw.
3.3 Eine kurze Bilanz – oder: Was vom Wechsel übrig blieb
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der kleinen Parteien (sorgen sich die Grünen)218 und es wäre ohne „Konsens aller Landtagsparteien“ gar nicht möglich (sorgte sich die Landeshauptfrau).219
Neue Partner? Die rangen lang mit alten Schwächen Und wie standen damals, vor dem „großen Knall“, die Aussichten auf neue Regierungs- bzw. Koalitionsformen? Circa zur Hälfte der zweiten Periode unter SP-Führung war die Lage die folgende: die Sozialdemokratie war in dieser Rolle „salonfähig“ geworden (Copyright: Hans Scharfetter, ÖVP-Abgeordneter), das war ihr größter Erfolg. Die ÖVP war salonfähig geblieben, was zumindest zu Beginn auch ein Erfolg war. In den Umfragen lagen SPÖ und ÖVP nah beieinander; in der (fiktiven) Direktwahlfrage hielt Burgstaller einen deutlichen Abstand zu Haslauer220; Grüne und Freiheitliche legten zu. Die SPÖ hatte zwar 2009 Rot-Blau nicht ausgeschlossen, der ÖVP aber stets den ersten Anruf zugesichert. Die Lust auf Schwarz-Blau wiederum war enden wollend; das gegenseitige Verhältnis belastet: FPÖ-Obmann Karl Schnell war genau jener Politiker, der bei der Liquidierung des Proporzes unter einem VP-Landeshauptmann aus der Regierung verstoßen worden war. Dazu hatte die Partei bei internen Auseinandersetzungen einiges an potenziellem Führungspersonal aus Honoratioren- und Wirtschaftskreisen verloren. Und die Grünen? Die brachten bis dahin schlicht zu wenig Mandate auf die Waage (so war es jedenfalls noch 2009). Sie konnten ihren Stimmanteil bei den Landtagswahlen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur minimal erhöhen, während ihn z. B. die viel schwächer gestarteten oberösterreichischen Grünen in dieser Zeit verdreifachten.221 Das Potenzial war groß: Die Stadt Salzburg ist eine der Geburtsstätten der österreichischen Grün-Bewegung mit einer seit 1982 fast durchgehenden Tradition in der Stadtregierung und Wahlergebnissen von zuletzt 16 %. Doch die „Bürgerliste“ hatte rein städtische Wurzeln; sie wuchs früher und rascher als die Landes-Grünen und es gelang de facto nie wirklich, die Stämme zu einem gemeinsamen zusammenzubinden. Auch deshalb wurden auf Landesebene die Möglichkeiten lange nicht ausgeschöpft, wie auch der Vergleich mit den Nationalratswahlen dokumentiert: WAHLERGEBNISSE D. GRÜNEN IN SALZBURG Landtagswahlen 2004: 8,0 % Nationalratswahlen 2006: 12,5 % Landtagswahlen 2009: 7,4 % Nationalratswahlen 2008: 11,8 %
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An einem Mangel an Rechten für die kleineren Fraktionen im Landtag, wie ihn die Grünen oft beklagten, konnte das nicht liegen: sie konnten z. B., anders als in Oberösterreich, im Alleingang einen Untersuchungsausschuss pro Periode durchsetzen, ungeachtet ihrer Stärke, und sie hatten das (beim Thema „Olympiabewerbung“) auch bereits genutzt. Die neue Landessprecherin konnte auf diese Weise ihre Bekanntheit ausbauen.
Szenen aus Salzburg Weder Fisch noch Fleisch – ein Parteitag der Grünen 2011 Nein, Schafwollpullover strickt keiner mehr bei den Grünen, jedenfalls nicht auf der Landesversammlung. Als Cyriak Schwaighofer erstmals zum Landessprecher gewählt worden ist, vor zwölf Jahren, da hat man solche Szenen noch beobachten können. Schwaighofer ist Kompromisskandidat gewesen, als Flügelkämpfe und ein gnadenloser Führungsstreit die Bewegung fast zerrissen haben. Jetzt, im Herbst 2011, ist er froh, dass der Wechsel an der Spitze ohne Kampfgeräusche abgeht. Der Pongauer, respektierter Kulturmanager in einer Landgemeinde, hat die Partei nach innen hin befriedet – hat sich aber auch nach außen eher friedlich gegeben: „Ich kämpfe nicht in erster Linie gegen einen politischen Gegner, sondern für etwas“ bekennt er in seiner Abschiedsrede – eine ehrenwerte Haltung, aber nicht die eines klassischen Oppositionspolitikers. Unten streckt einer entspannt die Beine, der auch diese Phase schon hinter sich hat. Johann Padutsch, hervorgegangen aus der Bürgerliste, einer städtischen Protestbewegung, regiert seit knapp zwei Jahrzehnten die Salzburger Stadtplanung. Padutsch ist Super-Realo. Politisch lebt er in aufrechter rot-grüner Partnerschaft mit dem SPÖ-Bürgermeister; selbst nach durchschnittlichen Wahlergebnissen darf er sich Stadtrat, nach guten Vizebürgermeister nennen. Bei den letzten Landtagswahlen haben die Grünen im Stadtgebiet 13 % erreicht, das ist ein Rekord und fast doppelt so viel wie im Landesschnitt. In den Landbezirken hat das Bündnis aus Öko-Moralisten und Bürgerinitiativen sogar Stimmenanteile verloren. Ihnen fehlt der Zug zur Macht oder zumindest wird der nur auf unglückliche Weise sichtbar. Selbst der scheidende Landessprecher erinnert sich mit Schaudern an die Wahlkampagne 2004, als die grünen Wahlwerber mit Robin-Hood-Kappen hinausgeschickt wurden, „bei denen man schon froh war, wenn auf der Straße niemand stehen blieb …“ Doch vier Mandate (statt bisher zwei) müssten es beim nächsten Mal schon werden, wenn man sich Schwarz oder Rot ernsthaft als Regierungspartner empfehlen wolle.
3.4 Der große Skandal – oder: Politik als „darstellende Kunst“ und was aus ihr wurde
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Schwaighofer wüsste inzwischen, wie es ginge: „Wir dürfen“, hinterlässt er zum Abschied, „den Leuten nicht immer nur vorrechnen, wie die CO2-Belastung steigt oder die Unfallzahl, wir müssen Geschichten über positive Beispiele erzählen.“ Einzige Kandidatin für die Nachfolge ist Astrid Rössler. Sie hat als Sprecherin der Flughafenanrainer viele „negative“ Projekte gesehen, setzt auch mal den Zeigefinger ein und wirkt meistens sehr ernst. Um die Macht der Bilder weiß sie aber zunehmend Bescheid. Zur Antrittsrede schiebt sie ein grünes Rad herein, mit Anhänger und der Aufschrift ‚Radeln macht glücklich‘. „Wir werden“, so verspricht sie, „das Auto einfach nicht mehr brauchen, Zürich z. B. will 18.000 Parkplätze abbauen.“ Das ist selbst für den grünen Stadtrat Padutsch noch eine stolze Vorgabe. Der Basis gibt sie immerhin auch eine klare Ansage mit auf den Weg: „Wir wollen stärker werden und bei der nächsten Bergwertung viele Punkte holen“ – auch wenn „das heißt, Mahner zu bleiben“. Natürlich. Nach der Mittagspause hat ein neues Vorstandsmitglied aus den Reihen der grünen Frauen beklagt, dass das Mittagessen im Parteitagshotel (es gehört zum Reich der Arbeiterkammer) „zu wenig vegetarisch und zu fleischlastig war“. „Man muss die Spaßbremsen bremsen“, hat daraufhin der Finanzreferent gefordert, ein praktizierender Realo, worauf eine frühere Landtagsabgeordnete prompt ankündigt: „Ich werde eine Spaßbremse bleiben!“ „Sie wirken oft so rigid, haben Sie keine Laster?“, fragt der TV-Interviewer später die neue Landessprecherin. „Doch, Schokolade“, erwidert die amüsiert. Tatsächlich: Frau Rössler hat gelacht und das vor der Kamera. Ein Durchbruch? Das Lockern von Spaßbremsen kann jedenfalls ein ernstes Stück Arbeit sein.
3.4 Der große Skandal – oder: Politik als „darstellende Kunst“ und was aus ihr wurde Etwas mehr als ein Jahr später, im Winter 2012, schlägt aber ohnehin die Stunde der Mahner. Die Lage ist nämlich nun tatsächlich ernst: David Brenner, Landesfinanzreferent (SPÖ), gesteht einen Spekulationsskandal in seinem Ressort ein; die Leiterin des Budgetreferats soll „eigenmächtig riskoreiche Finanzgeschäfte im Namen des Landes betrieben (haben)“, es sei „nach ihren eigenen Angaben … ein rechnerisches Minus von etwa 340 Millionen Euro entstanden“ – so jedenfalls die offizielle Darstellung.222 Die öffentliche Erklärung hat die Wirkung einer Detonation. Das politische Gefüge wankt, so schwer wie kaum jemals zuvor in diesem Bundesland, wo es so einze-
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mentiert schien. Das Budget platzt; die ÖVP erzwingt vorzeitige Neuwahlen; Brenner, Nummer zwei der SPÖ, muss wenig später seinen Rücktritt ankündigen; die Zweck ehe in der Regierung wird geschieden; eine künftige Partnerschaft zwischen den Spitzen Burgstaller und Haslauer ist sowieso undenkbar, auch eine Neuauflage der großen Koalition nur noch schwer vorstellbar – der Konsens zumindest für die nächsten Monate aufgekündigt. Es sind Wochen, die alles ändern. Staatsanwälte ermitteln und Rechnungshöfe, Wertpapierexperten prüfen und Unternehmensberater, dazu die Bundesfinanzierungsagentur; ein Untersuchungsausschuss ist unvermeidlich.
Zehn gesicherte Erkenntnisse – oder: worüber nicht mehr spekuliert werden muss Die Verunsicherung in der Bürgerschaft war enorm nach Ausbruch der Affäre; gleichwohl gelang es, gesicherte Erkenntnisse zu erzielen – vor allem dem Untersuchungsausschuss des Landtags, der Ende Jänner 2013 eingesetzt wurde und bis Anfang April desselben Jahres Dokumente auswertete und 30 Zeugen befragte. In Salzburg gilt dabei die Regel, dass die Beweisaufnahme von einem Richter des Landesgerichts geleitet wird; die politische Bewertung liegt dann bei den Fraktionen. Die folgende Darstellung stützt sich jedoch nicht auf die Abschlussdokumente der Parteien, sondern auf die Zusammenfassung des Richters,223 Aussagen von Gutachtern im Ausschuss sowie auf Rechnungshofberichte, ein Urteil aus dem parallel laufenden Arbeitsgerichtsverfahren und Analysen von Wirtschaftsprüfern und Wertpapierexperten. 1. Das „Schuldenmanagement“ des Landes Salzburg wurde im Jahr 2001 installiert und sollte ursprünglich nur die Zinslast verringern (etwa durch Zinstauschverträge). Sowohl der damalige Landesfinanzreferent Wolfgang Eisl (ÖVP) als auch sein Nachfolger Othmar Raus rechtfertigen sich, solche Geschäfte seien vom Bundesrechnungshof und der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur regelrecht empfohlen worden. 2. Doch „bereits die erste, von Landeshauptmann-Stellvertreter aD Dr. Wolfgang Eisl ausgestellte Vollmacht (an das Budgetreferat und damit dessen Leiterin Monika Rathgeber, Anm. d. Verf.) hat … zum Abschluss einer Vielzahl von Wertpapier-
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und Derivatgeschäften ermächtigt, darunter auch börsliche und außerbörsliche Opitionsgeschäfte auf Wertpapiere und sonstige Optionsgeschäfte, Finanz-Swaps, Forward Rate Agreements, Zinsbegrenzungsgeschäfte sowie flexible Devisentermingeschäfte. Am 6. 2. 2003 wurde die Vollmacht dann durch LandeshauptmannStellvertreter aD Wolfgang Eisl auf den Abschluss ‚sonstiger strukturierter Derivate einschließlich exotischer Zinsderivate‘ ausgedehnt.“224 Die Schlussfolgerung des Richters unter Berufung auf ein Gutachten: „Gerade mit diesem Zusatz wurde eine Art Generalklausel geschaffen…“. Die Vollmachten wurden 2005 durch Raus (SPÖ) und 2008 durch den neuen Landesfinanzreferenten David Brenner (SPÖ) bestätigt. 3. Die Folgen beschreibt der Rechnungshof des Bundes: Wegen „der nicht sachgerechten Vollmachtserteilung an die Mitarbeiter der Budgetabteilung zur Eröffnung und Schließung von Konten entstand eine Kontrollücke, die es ermöglichte, Konten ohne Wissen und Zugriff der Landesbuchhaltung zu eröffnen und auf diesen zu gestionieren. Dies führte dazu, dass mindestens 300 bestehende Bankkonten im Rechnungswesen des Landes Salzburg nicht erfasst bzw. abgebildet waren“ (obwohl zum Beispiel allein auf weiteren rund 120 Fremdwährungskonten die Soll- bzw. Habenumsätze im Jahr 2012 rund 9,5 Milliarden EUR erreichten). 225 Zudem war „die Interne Revision des Landes Salzburg per Erlass des Landesamtsdirektors ausdrücklich von der Prüfung der Gebarung und des Rechnungswesens ausgenommen. Die Interne Revision leitete daraus auch die Unzuständigkeit für die Kontrolle des Finanzmanagements ab“.226 Damit verfügte dieses Finanzmanagement „weder über ausreichende personelle Ressourcen noch über die nötigen Bewertungs- und Kontrollsysteme, um ein derartiges Portfolio angemessen zu steuern“, es war „kein wirksames, effizientes und umfassendes IKS (internes Kontrollsystem, Anm. d. Verf.) eingerichtet“227. 4. Spätestens ab 2005 sollten nicht mehr nur die Kreditkosten des Landes gesenkt werden, sondern es waren „Erträge aus dem Finanzmanagement“ regelrecht im Haushalt eingeplant.228 Zwischen 2002 und 2007 erzielte das Land aus den Derivatgeschäften 210 Millionen EUR; nur 65 Millionen jedoch flossen ins Budget, der Großteil wurde wieder in Swaps und Ähnliches investiert.229
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5. Für die Finanzgeschäfte wurden auch Fonds erschlossen wie der VUF (der „Versorgungs- und Unterstützungsfonds des Landes“), der als Säule der Altersversorgung für die Landesbediensteten gedacht war, über ihn wurden „im Wesentlichen die Wertpapiere … angekauft“, auch mit „Fremdmitteln“.230 Der Finanzverwaltung wurden auch „Geldgebarung, Finanzmanagement und Buchhaltung“ des 2005 gegründeten Landeswohnbaufonds zugeschlagen.231 6. Ab 2006 war die Landesregierung per Haushaltsgesetz „ermächtigt … zur Erzielung von Zusatzerträgen abgeleitete Finanzgeschäfte durchzuführen, wenn diese Maßnahmen einen wirtschaftlichen Vorteil für das Land erwarten lassen; dies schließt die aktive Verwaltung des Finanzvermögens für den Landeswohnbaufonds mit ein“232. Das führte dazu, „dass bei der Bilanzerstellung des Wohnbaufonds seit dessen Einrichtung im Jahr 2006 in vielen wichtigen Punkten falsche und unübersichtliche Darstellungen der Finanzlage in den Rechnungsabschlüssen des Landes Salzburg, die jedes Jahr dem Landtag vorgelegt wurden, erfolgt sind“233. 2007 wurden zwar dann Richtlinien für das Finanzportfolio und den Wohnbaufonds erlassen und es wurde ein Finanzbeirat installiert (jedoch nur zur Beratung, nicht zur Kontrolle); Geschäfte ab einem Betrag von 20 Millionen EUR bedurften zudem der „Bewilligung durch den Leiter der Finanzabteilung“234. Das Risiko potenzial erreichte damals dennoch bereits rund 180 Millionen EUR, was zehn Prozent der Einnahmen im Budget entsprach und den höchsten Wert darstellte, den der Bundesrechnungshof damals bei seiner Prüfungsserie überhaupt bei der öffentlichen Hand in Österreich eruierte.235 Das Gesamtvolumen der Swaps war inzwischen auf 1,7 Milliarden EUR gestiegen. Die Prüfer anerkannten zwar, dass durch die Erträge „nahezu der gesamte Zins aufwand für die Finanzschuld der Jahre 2002 bis 2007 bedeckt“ werde; sie warnten aber: „Vom Risikostandpunkt aus waren Derivativgeschäfte zu reinen Spekulationszwecken nicht zu rechtfertigen.“ – Solche reine Spekulation wurde also offensichtlich betrieben, was weit über das Ziel niedrigerer Zinskosten hinausging.236 Tatsächlich war das folgende Jahr 2008 „durch die Finanzkrise geprägt“237; der Finanzbeirat resümierte, es wurden „88 Mio. EUR an Verlusten realisiert“238. Bis Ende 2012 hatte das Nominale der Zins-Swaps (der Betrag, der als Grundlage für die Zinsberechnung angenommen wird) einen Umfang von rund 3,8 Milliarden EUR239.
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7. Die Kontrolle in der Verwaltung und die Information des Landesparlaments sahen in der Praxis folgendermaßen aus: „Der Leiter der Finanzabteilung war in den Abschluss von Finanzgeschäften – trotz hohen Volumens und hohen zahlenmäßigen Umfangs der Finanzgeschäfte – weder systematisiert einbezogen, noch lag seine Bewilligung für Derivativgeschäfte ab einem Nominalbetrag von 20 Mio. EUR – wie in den Richtlinien für das Finanzmanagement des Landes Salzburg vorgesehen – durchgängig vor.“240 Der Leiter der Finanzverwaltung, Eduard Paulus, rechtfertigte sich vor dem Untersuchungsausschuss, „man könne nicht von ihm erwarten, dass er sich das Tagesgeschäft des Budgetreferats jeden Tag ansehe“.241 2008 und 2012 stellten die Grünen Anfragen an den damaligen Landesfinanzreferenten David Brenner (SPÖ), die auf die „Auswirkungen der Finanzkrise auf das Budget und … die Finanzgeschäfte bzw. Derivatgeschäfte des Landes“ zielten. Was die Antworten betrifft, ist der richterliche Befund sehr eindeutig: es wurden „jedenfalls objektiv … unrichtige Angaben durch den Ressortverantwortlichen gemacht“. So versicherte er zum Beispiel, „das Land sei auch nicht an sonstigen Hochrisikogeschäften beteiligt … das Land Salzburg tätige keine Spekulationsgeschäfte“. 242 8. „Erste Auffälligkeiten … mit Mag. Monika Rathgeber gab es nach den übereinstimmenden Beweisergebnissen bereits im Mai 2012“, konstatiert der Richter in seinem Bericht.243 Im Juni 2012 wurde eine verdächtige Unterschrift entdeckt; im Arbeitsgerichtsprozess hielt der vorsitzende Richter erster Instanz in seiner rechtlichen Beurteilung fest, dass Rathgeber „über einen längeren Zeitraum hindurch … Unterschriften eines Mitarbeiters auf Originaldokumente einkopiert und Protokolle über Finanzbeiratssitzungen verändert“ habe.244 In der Urteilsbegründung rügte das Gericht, der politisch damals verantwortliche David Brenner habe „trotz aufkeimender Hinweise auf Unregelmäßigkeiten mit allgemeinen Weisungen zur Reduktion des Risikos und zu einer möglichen Schadensminimierung für das Land Salzburg das Auslangen zu finden“ geglaubt, insofern liege nach Ansicht des Senats „ein sehr ungeschicktes, ja fahrlässiges Krisenmanagement vor“; durch den Abteilungsvorstand Eduard Paulus wurde „eine konkrete Dienstaufsicht nicht ausgeübt“.245 Im Juli des Jahres 2012 hatte Brenner der Leiterin des Budgetreferats schließlich die Handlungsvollmacht für die Finanzgeschäfte des Landtags entziehen lassen; Rathgeber protestierte bei Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) und warnte per Mail vor einem drohenden Schaden von 130 Millionen EUR für das Land.
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Burgstaller berief sich im Untersuchungsausschuss auf die Zuständigkeit ihres Parteikollegen Brenner und erklärte: „Ich bin ja nicht dazu da, dass ich ständig alle Regierungsmitglieder kontrolliere.“ Der für das Personal zuständige und ebenfalls informierte Landesrat Sepp Eisl (ÖVP) teilte mit, er habe „dem eher wirren E-MailVerkehr … am Anfang nicht viel Bedeutung beigemesssen.“246 9. Mitte Oktober 2012 erfuhr der damals noch amtierende Brenner, dass über das offizielle Portfolio des Landes hinaus „zusätzliche 252 Derivatgeschäfte existierten, die von Mag. Rathgeber der Portfolio-Rechenstelle der Deutschen Bank nicht gemeldet worden seien“.247 Diese Geschäfte sollten noch unter Brenner zwischen Oktober und Dezember 2012 aufgelöst werden. Der Gutachter Meinhard Lukas legte später in seiner Stellungnahme gegenüber dem U-Ausschuss dar: die „Auflösungsmaßnahmen (sind) kritisch zu beurteilen. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Dimension der Geschäfte (der Gesamtumsatz betrug laut Gutachten 1,15 Mrd. €, Anm. d. Verf.) ist kaum nachvollziehbar, warum die Abwicklung der Derivatgeschäfte in Angriff genommen wurde, ohne zuvor einen fundierten Statusbericht samt Einzelbewertungen zu erstellen und darauf aufbauend eine Abbaustrategie zu entwickeln.“248 Das „rechnerische Gesamtergebnis“ (aus dieser Phase, Anm. d. Verf.) bezifferte der Gutachter mit –205,5 Mio. EUR.249 10. Ab Beginn des Jahres 2013 wurden die Finanzgeschäfte des Landes von einem professionellen Unternehmen und unter Begleitung durch einen neuen Beirat mit externen Beratern abverkauft. Bis Mitte April 2013 wurde das „Portfolio um ca. die Hälfte reduziert, indem Wertpapiere und Derivate mit einem Volumen von ca. 950 Mio. EUR verkauft wurden … Darüber hinaus wurde das Gesamtrisiko des Portfolios signifikant verringert.“250 Die neue Führung des Finanzressorts versicherte, das Portfolio sei im Plus, „mit rund 85,3 Millionen Euro“251.
Solche Zahlen konnten aber nun kaum noch jemand besänftigen. Der Vertrauensverlust in beide Regierungsparteien war rasch, heftig und er vertiefte sich bis zum Wahlkampfbeginn noch: Im März 2013 hielten 70 % der Befragten SPÖ und ÖVP für „gleichermaßen“ verantwortlich für den Finanzskandal.252 Dabei hatten die Spitzenrepräsentanten in Salzburg noch vor den letzten Landtagswahlen über bessere Wer-
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te verfügt als jene in anderen Bundesländern; doch diese vergleichsweise noch hohe Achtung hatte nun extrem gelitten: VERTRAUENSINDEX253 Gabi Burgstaller Josef Pühringer Franz Voves
+57 +52 +15
Gabi Burgstaller
+4 (_53)
vor LTW 2009/2010 Wilfried Haslauer Erich Haider Hermann Schützenhöfer vor LTW 2013
Wilfried Haslauer
+47 +8 +10 –7(–54)
Die Daten oben wurden jeweils wenige Wochen vor den Landtagswahlen gemessen – also in ähnlichen Situationen. Sie zeigen, dass noch vor den letzten Wahlgängen (bzw. in Salzburg vor dem vorletzten Wahlgang) nicht nur Burgstaller mehr Vertrauen in ihrer Wählerschaft genoss als ihr Amtskollege Pühringer (in Oberösterreich) und als Voves (in der Steiermark) sowieso; auch bei den Herausforderern stieß der Salzburger Haslauer damals noch auf weit weniger Misstrauen als Haider (in Oberösterreich) und Schützenhöfer (in der Steiermark). Aber solche Boni hatten sich aufgelöst in der Spekulationsaffäre. Vom Image-Guthaben von Burgstaller und Haslauer waren nur noch Reste übrig (siehe die Werte „vor LTW 2013“ im Vertrauensindex oben); ein einziger Tag im Untersuchungs-Ausschuss konnte die politischen Kurse steigen und vor allem rapid fallen lassen; die Wahlkampfplanungen wurden ohnehin ins Altpapier entsorgt (regulär wären die Landtagswahlen erst 2014 angestanden). Kein Parteimanager hatte das vorhergesehen – oder vorhersehen können. Worauf setzten sie nun? Auf das, was ihnen noch geblieben war – der SPÖ Gabi Burgstaller, der ÖVP die Kernwählerschaft.
Szenen aus Salzburg: Ein Wahlkampf als Scheidungskrieg Die Dame, diesmal eher brav in rotem Kleid und weißer Bluse, gibt noch einmal die Hauptdarstellerin. Gabi Burgstaller hat allerdings eine neue Rollendeutung gefunden: „Wir haben“, wendet sich die Vorsitzende mit belegter Stimme an das Parteivolk, „harte Zeiten erlebt“; man sei vom Regierungspartner ÖVP „verlassen“
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worden, der „alles verhindern wollte“, trage aber nun die „Last“. Eine Landeshauptfrau pflegt Opferrhetorik. Die wird zugespitzt auf den Appell, zwischen „Gut“ und „Böse“ zu entscheiden: „Ich stehe dazu: entweder Haslauer oder Burgstaller.“ Die SPÖ reduziert wieder einmal (fast) alles auf die „Gabi“-Frage, nur wird die diesmal schärfer formuliert denn je, als offener Angriff auch auf einen namentlich benannten Gegner: „Haslauer ist eine destruktive Kraft.“ Die Sozialdemokraten hingegen seien „ihren Werten treu geblieben“, vor allem beim Wohnbau; Nutznießer von Arbeitsstiftungen und Bildungsscheck können sie auch vorweisen beim Wahlkampfauftakt in einer Halle des Salzburger Messezentrums und eine geringe Arbeitslosigkeit. Die SPÖ entdeckt ihre Traditionswerte wieder, jetzt, wo die Sympathiewerte gefallen sind: „Ich kämpfe um das Vertrauen der Menschen“, bekennt der langjährige Wählerliebling auf dem Plakat. Burgstaller muss kämpfen, garantiert wie bisher ist das Vertrauen nicht mehr. Warum man es dieser Regierungschefin trotz allem noch einmal schenken sollte, beantwortet sie in der Unterzeile: „Salzburg braucht Verlässlichkeit“ – und das ist offenkundig nicht sarkastisch gemeint. Noch ernster meint es womöglich Wilfried Haslauer. Tags darauf, ebenfalls im Messezentrum, aber in einer anderen Halle, ruft auch er in messerscharfem Ton eine „Zeit der Entscheidung“ aus – zwischen „Desaster“ (= SPÖ, laut ÖVPChef) und Kompetenz (die selbstverständlich sonst niemand hat, „außer uns“). Auch wenn das Volk sehr wohl noch seine Zweifel hat – die Parteiführung weiß: sie verfügt immer noch über ein Vielfaches an Funktionären, sind diese bereit zu „laufen“, hat sie die besseren Siegeschancen – oder, genauer gesagt, sie hat die besseren Chancen, weniger zu verlieren. Bei der SPÖ hat am Vorabend Wohnbaulandesrat Walter Blachfellner moderiert, der im Finanzskandal zumindest Streifschüsse davongetragen hat; Haslauer marschiert mit neuen und unbeschädigten Regierungskandidaten auf die Bühne. Die Kulisse dominiert ein hölzerner Löwe (schwarz eingefärbt, ist der Löwe das offizielle Salzburger Wappentier). Die Tatze hat er gehoben, sonst zeigt er in seiner geschnitzten Form naturgemäß wenig Bewegung. Doch „es heißt Wahlkampf und nicht Wahlschlaf “ ruft ein Gast namens Wolfgang Schüssel in den Saal – lebende Erinnerung an eine Zeit, in der die Beutejagd der ÖVP noch Erfolg hatte: „Wann, wenn nicht jetzt! Den Löwen lebendig machen! Kämpft!“ Zumindest entschlossener wirkt das als bei der Konkurrenz. Haslauer tut, was er sonst kaum tut – er zeigt Gefühle und erzählt in seiner Rede zum Beispiel Anekdoten von seiner Mutter, die ebenfalls in die Halle geleitet worden ist. Ihr Mann, sein Vater, hat Salzburg regiert, vor mehr als zwei Jahrzehnten. Da kämpft einer nicht nur um eine politische Funktion – aber er kämpft.
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Die vorgezogenen Salzburger Landtagswahlen Anfang Mai 2013 nutzte der Wähler dann zu einer Strafaktion gegen beide Regierungsparteien. Sie traf die SPÖ stärker als die ÖVP: SALZBURGER LANDTAGSWAHLEN 2013 SPÖ ÖVP FPÖ Grüne Team Stronach
Stimmprozente 23,8 (–15,6) 29,0 ( –7,5) 17,0 (+4,0) 20,2 (+12,8) 8,3 (+8,3)
Mandate 9 (–6) 11 (–3) 6 (+1) 7 (+5) 3 (+3)
Quelle: Land Salzburg, Landesstatistischer Dienst254
Sowohl die Sozialdemokraten als auch die Volkspartei mussten die schlechtesten Ergebnisse seit 1945 hinnehmen; ja mehr noch: sie verloren erstmals die Zweidrittel- und damit die Verfassungsmehrheit im Landtag, die künftig ohne Zustimmung einer dritten Fraktion nicht mehr herzustellen war. Das Parteiengefüge hatte sich durch den Einzug des „Team Stronach“ weiter aufgesplittert, auf erstmals fünf Gruppen im Landtag. Die Grünen, größter Wahlsieger, hatten die Freiheitlichen überholt, wodurch diese trotz ihrer Gewinne zum ersten Mal seit Kriegsende auf den vierten Platz verdrängt wurden. Die Beweglichkeit der WählerInnen war in Salzburg schon seit Jahrzehnten größer gewesen als in anderen Bundesländern, nehmen wir nur den Schwenk zu einer SP-Landeshauptfrau 2004 oder die zwei Mandate für eine früh-grüne Bürgerliste im Gemeinderat der Stadt bereits 1977. Die Bereitschaft zur Massenwanderung war inzwischen noch akuter, es brauchte dafür nur einen Auslöser – und den hatte der Finanzskandal geliefert. In Vorwahlbefragungen lag als Motiv für die Wahlentscheidung „Spekulationen mit Steuergeld verhindern“ mit 64 % bereits an zweiter Stelle (hinter „Billigeres Wohnen ermöglichen“)255; letztlich übertraf der „Licht ins Dunkel“-Faktor dann alle anderen: die Grünen erreichten mit 40 % die meisten Nennungen auf die Frage „Wer hat sich bei der Aufklärung des Skandals am meisten angestrengt?“ – und genau sie wurden auch überlegener Wahlsieger. Wenn nun, wie oben geschildert, die Wähler die SPÖ und die ÖVP für schuldig am Desaster hielten – wieso konnte sich dann die Volkspartei als Nummer eins ans Ufer retten? Weil sie offenkundig zumindest beim eigenen Publikum glaubwürdiger war als die SPÖ bei ihrem.
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Zwar machte auch fast die Hälfte der ÖVP-Anhänger beide Regierungsparteien für den Finanzskandal verantwortlich, die andere Hälfte aber nur den Gegner SPÖ – während bei den SPÖ-Sympathisanten kaum einer seine Lieblingspartei politisch freisprechen mochte.256 Dazu passt, dass in den Hochburgen die Volkspartei ihre Verluste weit besser eindämmen konnte als die SPÖ (sie büßte hier im Schnitt 18 Prozentpunkte ein, die ÖVP nur knapp fünf).257 Dementsprechend realisierte die Volkspartei eine Wiederwahl-Quote von 74% (sie konnte also drei von vier WählerInnen der Landtagswahlen 2009 wieder für sich gewinnen) – während die SPÖ hier nur auf 54% kam. Das war wahlentscheidend: „Die Stimmenverluste sind in erster Linie durch jene Gruppe zu erklären, die bei der letzten Wahl noch für die SPÖ votiert hat und dieses Mal der Wahl ferngeblieben ist. Die SPÖ konnte also offenbar einen großen Teil ihres Stammwählerpotenzials diesmal nicht für den Gang zur Wahlurne mobilisieren.“258 Dass dies der ÖVP besser gelang, lag auch an ihrer nach wie vor überlegenen Organisationsstärke. Die Salzburger Volkspartei zählt nach eigenen Angaben 36.000 Mitglieder,259 vier- bis fünfmal so viele wie die SPÖ; an diesem Kräfteverhältnis hinter den Kulissen hatten auch fast zehn Jahre mit einer roten Hauptdarstellerin auf der Bühne nichts geändert. Deshalb belebten die schwarzen Wahlkampfmanager z. B. eine sehr traditionsreiche, aber zwischendurch unterbewertete Wahlkampfmethode wieder: den Hausbesuch. Nach eigenen Angaben erreichte die ÖVP damit 70.000 Haushalte, das wäre mehr als jeder dritte im Land Salzburg.260 Auch die SPÖ griff auf diese Form der Kontaktaufnahme zurück, die noch Ende der 90er-Jahre verpönt gewesen war: damals „weigerten sich die Funktionäre, Hausbesuche durchzuführen“.261 Die Liebe zur direkten Kommunikation in diesem Wahlkampf erklärte sich nicht nur aus finanziellen Gründen (SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ hatten sich auf ein Kostenlimit von einer Million Euro pro Partei geeinigt). Die Sozialdemokraten richteten wieder fast alles auf die Wirkung einer Person aus und schickten die „Gabi“ folgerichtig vor allem in Bürgergespräche; die Volkspartei wiederum versuchte so in einem „‚altmodischen‘ Wahlkampf … nicht wettzumachende Vorteile gegenüber den Mitbewerbern“262 auszuspielen. Auch die Enttäuschung über die Regierungsspitze drückte die SPÖ weit mehr nach unten als die ÖVP – das Ergebnis der Sozialdemokraten hing schließlich deutlich mehr von der Galionsfigur ab als jenes der Volkspartei. Doch der „BurgstallerEffekt“ war diesmal fast wirkungslos: bei der (fiktiven) Direktwahlfrage führte die Landeshauptfrau vor den Wahlen 2009 gegen Haslauer mit 51 % : 24 %, nach dem Auffliegen des Finanzskandals aber nur noch mit 29 % : 22 %263; knapp vor dem Wahlgang im Mai 2013 blieb davon lediglich ein Vorsprung von einem Prozent (22 % : 21 %).264
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„Wir wurden über Jahre hinweg hinters Licht geführt“, hatte die Landeshauptfrau z.B. beim Wahlkampfauftakt beklagt, aber diese Rechtfertigung verfing nicht; dass „die Verantwortung bei den Beamten liege“, wie von der SPÖ insinuiert, das wollte nur eine Minderheit von 21 % akzeptieren.265 Dass die Verantwortungskette auch politisch mehr aus Lücken als aus Gliedern bestand, hatten die Aussagen im Untersuchungsausschuss offengelegt: –– der Leiter der Finanzverwaltung und Vorgesetzte der für das Schuldenmanagement zuständigen Beamtin richtete aus (siehe oben): „Man kann nicht erwarten, dass ich mir das Tagesgeschäft des Budgetreferats ansehe.“ –– der politisch zuständige Landesfinanzreferent David Brenner wiederholte mehrfach: „Ich bin nicht die Finanzabteilung.“ –– und die Regierungschefin ließ wissen: „Finanzmanagement ist nicht meine erste oder zweite Aufgabe gewesen.“ Dabei hatte die SPÖ-Spitze den Kampf gegen die internationale Spekulation sehr wohl zu einem Hauptziel erklärt, allerdings nur in ihrer Propaganda: nach Ausbruch der Finanzkrise entrüstete sich die Vorsitzende Burgstaller in einem Video auf der Homepage der Salzburger SPÖ über die „unglaubliche Gier von Spekulanten“, gefragt seien „Regulierungen“; David Brenner, stellvertretender Parteiobmann, forderte via Internet: „… wir brauchen eine Finanzarchitektur, die verhindert, dass einige wenige Spekulanten auf der ganzen Welt Arbeitsplätze vernichten, Menschen in die Armut stürzen …“266 Das war das öffentliche Bekenntnis – in der Realität hatte das Land Salzburg auch unter sozialdemokratischer Führung Millionen in eben diese „kaum regulierten Finanzmärkte“ (Zitat: Burgstaller) gepumpt und diese mit Spielkapital beliefert. Die Widersprüchlichkeit kam z.B. in einer Szene im Untersuchungsausschuss zur Sprache: „Ich habe solche Spekulationen immer abgelehnt“, beteuert die Zeugin Burgstaller. „Warum hast du dann nie vorher auf den Ausstieg gedrängt, die Geschäfte wurden ja unter Raus und Brenner fortgeführt?“, fragt der Abgeordnete Cyriak Schwaighofer (Grüne). Burgstallers Antwort: „Weil das kein Thema war … Mit dem jetzigen Wissen hätten wir genauer nachgefragt. In der Regierung hat niemand gefragt, ich auch nicht.“ Eine politische Grundsatzentscheidung gegen die Beteiligung an Spekulationsgeschäften fällt unter der SPÖ nicht, die Vollmachten bleiben aufrecht, eine funktionierende interne Kontrolle findet nicht statt, auch wenn man sich „schärferer Richt linien“ rühmt. Insofern war der Finanzskandal nicht die Krankheit – er war das Symptom. Das wirkliche Leiden war der Unwille, die Kontrolle zu übernehmen, im wahrsten und im
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doppelten Sinn des englischen Worts ‚control‘, das sowohl für ‚beherrschen‘ steht als auch für ‚beaufsichtigen‘. „Was wir wollten im Grundsatz, war, Politik neu zu definieren, nicht als Herrschaftsaufgabe“, bekannte David Brenner, noch bevor er von den Folgen eingeholt wurde.267 Man könnte auch sagen: die Salzburger SPÖ hatte Politik tatsächlich „neu definiert“, zumindest für österreichische Bundesländer – nämlich als neue Spielart der darstellenden Künste. Doch damit ging es nun zu Ende. Unter Druck schwand auch die einst so große Sicherheit in der Inszenierung, womit der SP-Spitze ihre eigent liche Kernkompetenz verloren ging: der Finanzreferent präsentierte sich zunächst als Chefaufklärer eines Skandals, der doch in seinem eigenen Verantwortungsbereich aufgebrochen war. Zwangsläufig wurde die Nummer zwei der SPÖ bereits am nächsten Tag von Rücktrittsforderungen ereilt. Denen musste Brenner eine Woche später nachgeben und seinen Rückzug ankündigen. Auch die Partei- und Regierungschefin Gabi Burgstaller wollte die Frage nach der politischen Verantwortung zunächst zur Seite schieben, das von ihr so bezeichnete „Neuwahlgespenst“268 wich allerdings nicht mehr von der Bühne. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen am 5. Mai 2013 erklärte Burgstaller ihren Abschied aus der Politik. „Ich übernehme nicht die Verantwortung für das, was passiert ist“, hatte sie aber bereits im Wahlkampf klargestellt, „sondern dafür, dass aufgeräumt wird.“ Selbstkritik übte sie nur verklausuliert, über ein Zitat, das dem französischen Dramatiker Molière zugeschrieben wird: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“269 Molière – das nur nebenbei – war auch Schauspieler und Theaterdirektor und ein großer Experte in Sachen Inszenierung. Seinem Helden Don Juan legt er auch folgende Erkenntnis in den Mund: „Handeln muß man und nicht reden, Tatsachen entscheiden besser als Worte.“270
Eine neue Regierung – und das Ende des Machtproporzes Macht-technisch betrachtet hatte die ÖVP mit ihrem Neuwahlhasard Erfolg: sie holte sich trotz Verlusten die Position als stärkste Partei zurück und hatte nun beste Aussichten, nach neun Jahren die Sozialdemokratie wieder aus dem Chiemseehof zu verdrängen (oder, genauer gesagt, aus dessen Südtrakt, wo früher Bischöfe residiert hatten und nun die Regierungsspitze amtierte). Spitzenkandidat Wilfried Haslauer war auf dem Weg zum Landeshauptmann, er konnte sich wohl auch einen Lebenstraum erfüllen – im Sitzungszimmer im ersten Stock hing das Porträt seines Vaters, einst selber Landesoberhaupt271, in einer Zeit, als man noch von „Landesfürsten“ sprach.
3.4 Der große Skandal – oder: Politik als „darstellende Kunst“ und was aus ihr wurde
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Haslauer junior vermied aber übertriebene Jubelgeräusche, wobei sich diese bei einem zweiten Blick auf das Wahlergebnis ohnehin verboten: die Salzburger ÖVP hatte ihr historisch schwächstes Ergebnis von 2009 noch einmal um siebeneinhalb Prozent unterboten und gegenüber 2009 nicht weniger als 26.000 Stimmen verloren (bei mehr Wahlberechtigten). Der Rückhalt beider einstiger „Groß“-Parteien bei den BürgerInnen war dramatisch gesunken. Dies wird deutlich, wenn wir – ähnlich wie zuvor in der Steiermark – den Anteil der Stimmen für ÖVP und SPÖ an der Zahl der Wahlberechtigten berechnen (und nicht an der Zahl der gültigen Stimmen) und ihn mit den Werten bei der vorausgegangenen Landtagswahl vergleichen: STIMMENANTEILE DER „GROSS“PARTEIEN IN SALZBURG
(in Prozent, gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten)
ÖVP LTW 2009 26,9 LTW 2013 19,8
SPÖ 28,9 16,3
VP/SP gesamt 55,8 36,1
Noch 2009 hatten Volkspartei und SPÖ in Salzburg zusammen immerhin eine absolute Mehrheit der WahlbürgerInnen hinter sich, vier Jahre später nur noch etwas mehr als ein Drittel. Der Verlust war der schwerste einer großen Koalition bei Landes- und Bundeswahlen in der Geschichte der 2. Republik. Auch in führenden Kreisen von ÖVP und SPÖ setzte sich alsbald die Einsicht durch, dass die neue Regierung eine breitere Legitimation brauche – wenn nicht überhaupt eine neue Form, am besten unter Beteiligung der eindrucksvoll gestärkten Grünen. Das war aber nicht so einfach: Schwarz-Grün genoss zwar in weiten Teilen der ÖVP Sympathie, verfügte aber nicht über die notwendige Mandatsmehrheit; SchwarzRot hatte die im Landtag zwar noch, hätte vom Wahlvolk nach der eindeutigen Botschaft vom 5. Mai aber nur als Affront verstanden worden können. Es blieb also nur eine Dreierkoalition – und eine Variante brachten öffentlich zunächst die Grünen ins Spiel: Schwarz-Rot-Grün. Das war eine Überraschung: schließlich waren es einst die Grünen gewesen, die für die Liquidierung des Regierungsproporzes gekämpft hatten; schließlich hatten sie der großen Koalition die gemeinsame Verantwortung für den Finanzskandal angelastet und schließlich waren sie es gewesen, die mit deren Praktiken bei der Personalauswahl Schluss machen wollten. Man könne aber eine „Partei, die wie die SPÖ zumindest 24% der Stimmen gemacht hat, nicht aus einer Regierung ausschließen“272, argumentierte die grüne Landessprecherin zumindest eine Weile lang. Die Forderung hatte vermutlich auch
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taktische Hintergründe: vielleicht fürchteten die Grünen andernfalls eine schwarze Übermacht in der Regierung oder/und eine rote Gegenmacht in der Opposition; manche dachten wohl auch an die Verfassungsmehrheit, also eine für große Reformen, die anders kaum zu schaffen war – aber so oder so bleibt der Eindruck: die Mentalität der Machtaufteilung ist selbst in den jüngeren politischen Bewegungen tief verwurzelt; auch sie betrachten es keineswegs als selbstverständlich, dass einer Partei nach einer deutlichen Wahlniederlage das Recht auf Teilnahme an der Regierung verloren geht. Die Verhandlungen führte nach Salzburger Tradition aber die stimmenstärkste Partei, diesmal also wieder die ÖVP. In deren Funktionärsschicht sah man nun, da keine Notwendigkeit mehr bestand, wenig Grund, die ungeliebte Ehe mit der SPÖ fortzusetzen; die Bürgermeister z.B. – die selbst im Jahr darauf Wahlen vor sich hatten – meldeten, dass die Bevölkerung auf Erneuerung dränge; die Wirtschaftsvertreter wiederum waren nicht mehr bereit, die sozialpartnerschaftlichen Bindungen zu Arbeiterkammer und Gewerkschaft allem überzuordnen. Das war nicht unwesentlich – zumal an der Spitze von Partei und Wirtschaftsbund noch die Befürchtung hinzukam, man könne bei einer „großen“ Dreierkoalition in der Regierung von Rot-Grün übertrumpft werden. Was blieb also noch? Zu Schwarz-Blau reichte es schon mathematisch nicht; die Freiheitlichen in Person ihres Obmanns Karl Schnell zeigten außerdem wenig Lust zu einem Engagement. Die ÖVP-Führung mit Obmann Haslauer eilte also schnellen Schritts einem Bündnis mit den Grünen und dem Team Stronach entgegen (mit denen man im Landtag auf 21 von 36 Mandaten und damit eine sichere Mehrheit zählen konnte). Die Grünen, obwohl wegen mancher Personen, wegen einiger Glaubenssätze und wegen Bedenken der Basis gegenüber der Stronach-Gruppe zunächst zurückhaltend, erklärten sich nur einen Tag nach dem ÖVP-Beschluss öffentlich zu Gesprächen bereit – der Pragmatismus hatte gesiegt und das sehr rasch. Zum großen Verlierer wurden auf diesem politischen Heiratsmarkt die Sozialdemokraten. Sie fielen, erstmals seit 1945, aus der Regierung (der hatten sie auch von 1918 bis zu ihrer Ausschaltung 1934 durchgehend angehört, denn schon in der Ersten Republik galt: „Im Gegensatz zur Bundespolitik orientierten sich die politischen Parteien im Land Salzburg nicht an einer Konflikt-, sondern an einer Konsensdemokratie.“).273 Die Grünen hatten übrigens – das nur als Fußnote – das Angebot der SPÖ nicht wirklich ernst genommen, Landessprecherin Astrid Rössler zur Landeshauptfrau zu küren; auch rote Parteiführer sahen es als eher nur taktisches Manöver, „um die SPÖ im Spiel zu halten“.274 Die Unwägbarkeiten bei dieser Variante waren außerdem größer: Grün und Rot hätte zwar zusammen mit dem Team Stronach über eine Landtagsmehrheit verfügt (mit 19 von 36 Sitzen), man wäre de facto aber der Stronach-Fraktion ausge-
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liefert gewesen: wenn auch nur zwei von deren drei Mandataren die Seite wechselten, war Rot-Grün plötzlich in der Minderheit (mit nur noch 17 von 36 Sitzen) und damit jederzeit abwählbar. Das war bei Schwarz/Grün+Team Stronach nicht der Fall: Schwarz und Grün gebieten auch ohne das Team Stronach über die Hälfte der Abgeordneten (18 von 36), was reicht, um eine Ablöse zu blockieren. So nachvollziehbar das klingt, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Machtlogik – diese Form von Dreierkoalition war nicht nur die erste ihrer Art in Österreich; sie war selbstverständlich auch weit weg von der Bundesländernormalität und sie brach in Salzburg selbst mit den Konventionen und nicht nur mit alten, sondern sogar mit neueren: –– mit der ÖVP konnte erstmals eine Partei die Nummer-eins-Position nach deren Verlust zurückerobern; –– nicht nur die große Koalition war am Ende, sondern das schwarz-rote Konsensmodell insgesamt, das sich nach Ende des 2. Weltkriegs fast sieben Jahrzehnte lang in wechselnder Form gehalten hatte, zunächst mit zeitweiliger blauer Beteiligung und dann unter zeitweiliger roter Führung; –– mit der SPÖ ging erstmals eine (frühere) Großpartei in Opposition; damit hatte die Abschaffung des Regierungsproporzes in den 90er-Jahren eineinhalb Jahrzehnte danach erstmals konkrete demokratiepolitische Konsequenzen; –– das Team Stronach wurde erstmals mit politischem Beschluss in eine Landesregierung aufgenommen (die Regierungssitze in Kärnten und Niederösterreich waren der neuen Gruppierung aufgrund des dort noch geltenden Proporzes automatisch zugefallen). Die Unbedenklichkeitsbescheinigung hatten nicht nur Schwarz und Grün ausgestellt, sondern auch die Sozialdemokraten (ihr Lockangebot an die Grünen hatte ja auch eine Ehe zu dritt mit dem Team Stronach umfasst) die Landes-Grünen nutzten nun doch noch ihr Potenzial (und vermutlich mehr als das); sie schafften es – 31 Jahre, nachdem das der Bürgerliste im Rathaus der Stadt gelungen war – erstmals auf die Regierungsbank im Chiemseehof. Die Sitze dort wurden im Verhältnis 3 : 3 : 1 aufgeteilt; die Grünen verfügen also – bei immer noch deutlich weniger Landtagsmandaten als die ÖVP – über gleich viele Regierungsmitglieder. Den Zugriff auf Personal und Finanzen behielt sich die Volkspartei zwar vor; Ressorts wie Raumordnung und Soziales eröffnen jedoch auch den Grünen Einflusschancen. Mögliche Streitfälle im Regierungsprogramm – z.B. das leidenschaftlich umkämpfte Projekt einer Hochspannungsleitung – wurden durch Kompromissformeln vorläufig entschärft; es lässt sich aber unschwer vorhersagen, dass auf
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die Grünen hier auf Dauer Belastungsproben zukommen. Mitte Juni 2013 unterzeichneten die Obleute von Volkspartei, Grünen und Team Stronach jedoch ihr Koalitionsübereinkommen, nachdem es auch die grüne Landesversammlung zuvor mit fast hundertprozentiger Mehrheit gutgeheißen hatte. Der neue Landeshauptmann Wilfried Haslauer (junior) ist bekanntlich der Sohn eines früheren. Der Wandel war tief binnen einer Generation und nichts bezeugt ihn besser als die unterschiedlichen Regierungsformen: Haslauer senior, obwohl keineswegs entscheidungsschwach, stand für ein Proporzsystem, in dem die „Spielregeln … vom Bemühen um Konsens bestimmt“ waren275; 1984, als die Freiheitlichen ihren einzigen Regierungssitz verloren, schuf er eigens einen „Landespolitischen Arbeitsausschuss“, um die FPÖ nicht völlig hinauszudrängen. Zusammen mit dem damaligen SPÖ-Obmann Wolfgang Radlegger wurde dieses Klima vom ÖVP-Landeshauptmann geradezu „personifiziert“276. Haslauer junior konnte es sich mittlerweile leisten, die SPÖ von einer Beteiligung an der Regierungsmacht auszuschließen und das noch einen Vorteil zu nennen: „Eine stärkere Opposition wird die Regierung … auch mehr zusammenschweißen.“277 Das Publikum kommentierte den Abschied von der großen Koalition inzwischen unsentimental: In einer Umfrage plädierten nur noch fünf Prozent für eine ÖVP/SPÖ-Regierung; bereits 51 % jedoch für die Variante ÖVP/Grüne/Team Stronach.278 Der ÖVPChef des Jahres 2013 führte ein Experiment, vor dem sich die Mehrheit offenkundig nicht mehr fürchtete. Die schwarz-grüne Kooperation war allerdings nicht die erste in einem österreichischen Bundesland. Sie wurde längst dort praktiziert, wo man es weit weniger hatte erwarten können.
4 Oberösterreich – oder: Grüne ohne Haschischpfeiferl
Faktenbox Das politische System Oberösterreichs war nach dem 2. Weltkrieg fast gewohnheitsmäßig von der Zusammenarbeit der Großparteien gekennzeichnet. Das geht bis auf das Jahr 1945 zurück, als die ÖVP bei den Landtagswahlen mit 59 % der Stimmen eine deutliche Mehrheit erreichte, ihr Landeshauptmann (Heinrich Gleißner) aber nach dem Urteil der Historiker dennoch versuchte, „zeit seiner Regierungstätigkeit die Sozialisten in alle Entscheidungsfindungen einzubeziehen und zu Lösungen zu kommen, die auch für den politischen Widersacher tragbar erschienen“.279 Im Gegenzug widerstand die SPÖ der Versuchung, 1949 – als die ÖVP ihre absolute Mehrheit verloren hatte – eine Koalition mit dem VdU abzuschließen und den „schwarzen“ Landeshauptmann zu stürzen, was rechnerisch möglich gewesen wäre. Stattdessen wurde „die große Koalition … auf Bundes- wie Landesebene zur bestimmenden Konstellation der nächsten Jahrzehnte“280. Das „für viele Jahrzehnte sprichwörtlich gewordene oberösterreichische Konsensklima“ kühlte nicht einmal ab, als die SPÖ 1967 erstmals nach 1945 die Stimmenmehrheit erreichte, sich Gleißner aber mithilfe der FPÖ zum Landeshauptmann küren ließ. Nichtsdestotrotz „bekräftigten sowohl Gleißner als auch Bernaschek (der SPÖ-Vorsitzende, Anm. d. Verf.) die Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit“281. Auch in der zweiten Ära der absoluten ÖVP-Mehrheit, 1979 bis 1991, blieb die SPÖ ihrer Grundhaltung treu; danach, unter ihrem Landeshauptmann-Stellvertreter Fritz Hochmair, fuhr sie in den Augen der Öffentlichkeit weiter „den Kurs eines ergebenen Zweiten“282. Erst Erich Haider, ab 2000 Hochmairs Nachfolger als Landeshauptmann-Stellvertreter, wollte sich damit nicht mehr zufriedengeben. Bis 2003 galt jedoch noch ein Koalitionsabkommen mit der ÖVP, die inzwischen von Landeshauptmann Josef Pühringer geführt wurde.
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Nach den Landtagswahlen in diesem Jahr aber kam es zum Bruch: die Volkspartei schloss eine Vereinbarung mit den Grünen, und damit die erste schwarzgrüne Koalition in Österreich auf Bundesländerebene. Sie wurde 2009 neu aufgelegt, allerdings mit einer bei den Landtagswahlen im September gestärkten ÖVP (mit nun 46,8 %, einem Plus von 3,3 Prozentpunkten). Die Freiheitlichen, 2003 aus Regierung und Landtag katapultiert, kehrten zurück und verdrängten die Grünen auf den vierten Platz. Die SPÖ erlitt eine Niederlage von historischen Ausmaßen (24,9 %; ein Minus von 13,4 Prozentpunkten). Die Oppositionsbänke mussten die Sozialdemokraten aber damit nicht beziehen. In Oberösterreich ist nach wie vor das Proporzsystem in Kraft, in dem jede Partei ab einer bestimmten Stärke automatisch in der Regierung vertreten ist. Josef Pühringer wurde 2009 zum Landeshauptmann wiedergewählt. Man kann auch im pragmatischen Oberösterreich seine Überraschungen erleben. Mitte Oktober 2007 zum Beispiel sitzen die Herren Pühringer (Landeshauptmann, ÖVP), Anschober (Landesrat, Die Grünen), Strugl (Klubobmann, schwarz) und Hirz (Klubobmann, grün) einträchtig bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Linz und loben ihre Arbeit: Oberösterreich sei praktisch überall Spitze, als Öko-Region in Europa sowieso und auch als „Sozialland“; aber vor allem sei es „gelungen zu beweisen, dass Umweltschutz und Wirtschaft kein Widerspruch“ seien.283 Das Voestalpine-Werk in Linz, Kathedrale nicht nur der oberösterreichischen Industrie, werde sogar ausgebaut. Seit vier Jahren regiert Schwarz-Grün zu diesem Zeitpunkt und das ist keine Selbstverständlichkeit. Der seriöse Herr Anschober, den man inzwischen im Landtag auch mit dezenter Krawatte antreffen kann, hat einst als Baustellenbesetzer begonnen – bei Kraftwerksprojekten, die nicht nur der Bauarbeitergewerkschaft lieb und teuer gewesen sind, sondern auch der ÖVP.284 Doch mittlerweile gibt ein führender Vertreter der oberösterreichischen Finanzwirtschaft Entwarnung: „Grün hat nichts mehr mit Chaos zu tun, mit Linksradikalismus oder nur mit alternativ – Grün ist etabliert im besten Sinn des Wortes … Anschober ist ein Mensch zum Angreifen, sympathisch, es fürchtet sich niemand vor Grün …“285 Der zitierte Banker gehörte sowohl dem Vorstand der Industriellenvereinigung als auch dem Aufsichtsrat der Voestalpine an – womit wir bei der eigentlichen Pointe angelangt sind: Das schwarz-grüne Experiment, das erste auf dieser Stufe in Österreich, findet nämlich sein Labor nicht in irgendeiner Region, sondern in der indus triestärksten der Republik. „Rund ein Viertel der bundesweiten Sachgüterproduktion
4.1 Wie alles begann – Schwarz-Grün, die erste
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findet in Oberösterreich statt. Industrie und industrienahe Dienstleister erwirtschaften über 22 Milliarden Euro und generieren so fast zwei Drittel der regionalen Bruttowertschöpfung …“286 … hat die hiesige Industriellenvereinigung erst wenige Monate zuvor verkündet; mit rund 160.000 zählt Oberösterreich die meisten Industriearbeiter aller Bundesländer (Niederösterreich: 130.000, Steiermark: 115.000); 23 % aller Beschäftigten finden Arbeit in diesem Sektor, ein Anteil, der so hoch ist wie nirgend woanders in Österreich (in Salzburg liegt er zum Vergleich bei 15 %).287 Ausgerechnet hier also sind die Grünen erstmals in einem österreichischen Bundesland zum Regieren zugelassen worden. Und tatsächlich: So undramatisch, wie es inzwischen den Anschein hat, ist die Geschichte dieser Partnerschaft nicht immer gewesen – vor allem nicht ihre Vorgeschichte. Sie beginnt 2003, mit einem Wahlgang.
4.1 Wie alles begann – Schwarz-Grün, die erste Die Lage nach den Landtagswahlen 2003 in Oberösterreich war durchaus komplex. Die SPÖ war der klare Wahlsieger (mit einem Plus von elf Prozentpunkten); die ÖVP mit dem regierenden Landeshauptmann Josef Pühringer hatte schwer unter der Debatte über die Voestalpine-Privatisierung und die Pensionsreform gelitten, die die schwarz-blaue Bundesregierung losgetreten hatte. Feinfühligkeit von dieser Seite durfte Pühringer keine erwarten, nicht einmal in einem Wahlkampf: er galt als „Verweigerer von Schwarz-Blau und Widerpart des Bundeskanzlers (Wolfgang Schüssel, Anm. d. Verf.)“ bei den erwähnten Streitthemen.288 „Ich lasse mir von der Bundes-ÖVP sicher nicht wieder in die Suppe spucken“289, machte der Landeschef später seinem Zorn öffentlich Luft. Er hatte die Position als Nummer eins in Oberösterreich 2003 dennoch gehalten. Einen hohen Preis für die Ära von Schwarz-Blau und die innerparteilichen Revolten (ein Jahr zuvor hatte der „Putsch von Knittelfeld“ die Partei auseinandergerissen) zahlten die oberösterreichischen Freiheitlichen: sie verloren beide Regierungssitze, vor allem aber wurden sie als dritte Kraft von den Grünen verdrängt. Diese hatten erstmals in ihrer Geschichte einen Sitz in der Regierung erobert. Genau das hatten sie von Anfang an als Wahlziel postuliert und die Offensivstrategie brachte das, was sie versprach: Aufmerksamkeit und eine Perspektive für Grün-affine Wähler. Die Arithmetik machte angesichts des neuen Mandatsstandes im Landtag (VP: 25, SP: 22, Grüne: 5, FPÖ: 4; von insgesamt 56) nun mehrere Koalitionen möglich. Auf den zweiten Blick aber lagen die besseren Karten trotz der eklatanten Gewinne der Sozialdemokraten immer noch bei der ÖVP: sie konn-
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te mit jeder der drei anderen Fraktionen allein eine Mehrheit bilden; wollte aber die SPÖ die Volkspartei überstimmen (und so zum Beispiel auf dem Landeshauptmann-Sessel Platz nehmen), musste sie zwei Partner auf ihre Seite ziehen. Allein, dass es diese Variante überhaupt zur ernst zu nehmenden Alternative brachte, war schon ein Beweis für die schweren tektonischen Spannungen im System. In früheren Zeiten hätten sich die beiden Großparteien bei einer solchen Konstella tion ohne Umschweife auf eine Zusammenarbeit geeinigt (selbstverständlich unter einem Landeshauptmann der ÖVP); die SPÖ hatte das über Jahrzehnte hinweg auch ohne größeren Widerstand hingenommen. Mittlerweile hatte sich aber etwas geändert und das fundamental: Der neue Parteivorsitzende der Sozialdemokraten erhob Ansprüche. Erich Haider wollte der ÖVP das höchste Amt im Land entreißen. Das war neu, das war unerhört (zumindest in den Augen der Mehrheitspartei) und es gewann noch einmal an Hebelkraft – durch den „menschlichen Faktor“. Michael Strugl, enger Mitarbeiter Pühringers als Landesparteisekretär (und später, bei Schwarz-Grün, als VP-Klubobmann im Landtag), erinnert sich: „Es war … das Vertrauen schon stark ramponiert durch Vorfälle im Wahlkampf … das ist auch bis in den persönlichen Bereich gegangen. Es ist sehr viel unter der Gürtellinie gekämpft worden … In der ersten Sitzung wurde einmal versucht, die Beziehungsebene zu klären und dann sachlich weiterzuverhandeln, es ist aber eigentlich dann nicht gelungen.“290 Auch was die Machtverteilung betraf, stockten die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ von Beginn an. Bei diesem Stand wurden die Grünen an den Spieltisch gebeten, wobei den ersten Kontakt die Sozialdemokraten gesucht hätten, wie jedenfalls der damalige Geschäftsführer der oberösterreichischen Grünen, Gottfried Hirz, beteuert: „Irgendwann ist die SPÖ mit Haider und Frank Schneider (ein Wohnbaumanager, der immer wieder als ‚Zukunftshoffnung‘ der SPÖ genannt wurde, Anm. d. Verf.) vorstellig geworden, zu einem informellen Gespräch hier herinnen (im Haus der Grünen, Anm. d. Verf.). Sie haben gesagt: ‚Es ist so schwierig, sie überlegen, ob es Mehrheiten jenseits der ÖVP gibt.‘ Sie haben ein Zusammenwirken SPÖ, Grüne und FPÖ vorgeschlagen.“291 Aus der SPÖ werden diese Versuche bestätigt, wobei vor allem der Arbeitnehmerflügel von Anfang an wenig darauf gab. Der damalige Arbeiterkammerdirektor Josef Peischer: „Erich Haider hat damals versucht, eine Koalition zu bilden mit den Freiheitlichen und den Grünen. Er war sehr sicher, dass das was wird … Aber es war eine Fehleinschätzung, zu glauben, es könnte mit den Grünen gehen, etwas mit der FPÖ zu beschließen.“292 Tatsächlich war zwar eine Koalition mit der SPÖ durchaus eine Option für die Grünen, nur fehlte Rot-Grün eine entscheidende Absicherung – die Mehrheit im Landtag. Eine solche durch Einschluss der Freiheitlichen herzustellen, war zwar mathematisch
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möglich (das war dem Informatiker Haider nicht verborgen geblieben) – für die Grünen aber moralisch und politisch undenkbar. Ihr Glaubensbekenntnis schloss so etwas schlicht aus. Haider platzierte sogar ein öffentliches Lockangebot: Man solle nur ein einziges Mal zusammen mit den Blauen zum Altar schreiten, nämlich bei der Wahl zum Landeshauptmann; danach seien die Grünen wieder „frei“ für alle anderen Mehrheiten.293 Die Ablehnung saß bei ihnen jedoch derart tief, dass die (Funktionärs-)Basis eine „Kontaktsperre“ zu den Freiheitlichen forderte. Anschober selber, der grüne Parteichef, hatte im Wahlkampf ein Keuschheitsgelübde gegenüber den Freiheitlichen abgegeben.294 Das wurde nun auch buchstabengetreu umgesetzt: „Dann ist ein für mich kurioser Beschluss gefallen im erweiterten Landesvorstand: Man hat gesagt: ‚Verhandelt mit der ÖVP, verhandelt auch mit der SPÖ, ihr dürft aber nicht mit der FPÖ verhandeln.‘ Das hat bewirkt, dass wir zwar mit der SPÖ gesprochen haben und die immer gesagt haben, was die FPÖ meint, aber wir nicht haben sagen können, was da wirklich stimmt. Diese Entscheidung war eigentlich eine politisch motivierte, nämlich zu signalisieren, wir wollen dort nicht offizielle Verhandlungen führen.“ (Hirz) Unterdessen waren auch die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ vollends in der Sackgasse; der historisch eingeübte Weg zu einer Regierung schien endgültig blockiert. Doch die Volkspartei hatte jetzt einen Ausweg und den nahm sie auch konsequent: Sie sperrte die Tür zu den Grünen auf. Das Hauptziel – und dies war ein machtpolitisches – formuliert Parteistratege Strugl unumwunden: „Die ÖVP war gezwungen, zu einem Ergebnis zu kommen, um den Landeshauptmann nicht zu verlieren.“ Der Schritt in die neue Richtung kam auch keineswegs „spontan“; inoffiziell gestehen VP-Verhandler durchaus ein, „wir hätten keine Hochrisikostrategie – sprich Abbruch der Verhandlungen mit der SPÖ – fahren können, ohne etwas in der Hinterhand zu haben“. Die grüne Karte stach. Die Parteiführung war längst zum Mitregieren entschlossen, schon im Sommer vor den Wahlen hatte man dafür Präventivbeschlüsse gefasst – und die ÖVP schien weit eher geeignet, bei diesem „großen Sprung“ die Hand zu reichen: „Die ÖVP war da wesentlich flexibler, wie ich überhaupt die SPÖ für wesentlich strukturkonservativer halte als die ÖVP. Strugl hat die ÖVP damals sehr massiv flexibel gehalten und signalisiert ‚Wir können uns bewegen‘, er hat das auch als Chance für die ÖVP gesehen. Wir hatten das Gefühl, ernster genommen zu werden in den thematischen Bereichen von der ÖVP als von der SPÖ.“ (Hirz) Bevor der Ehevertrag unterschrieben werden konnte, waren allerdings noch Widerstände in den Herkunftsfamilien zu überwinden. Vor allem die Wirtschaft übte massiven Druck gegen die neue Verbindung aus. Das blieb auch grünen Verhandlungsteilnehmern nicht verborgen: „Der ÖVP ist, wie ich weiß, auch gedroht worden. Sie haben ja die Investitionen gestoppt, während wir verhandelt haben, das war ein Paket
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im Milliardenbereich, auf die Periode gerechnet: ‚Wir ziehen alles ab, wir investieren nimmer mehr und so weiter.‘“ (Hirz) Zeugen der damaligen Gespräche aus den Reihen der ÖVP bestätigen solche Drohungen. Sie trafen aber auch die Grünen an einer „weichen“ Stelle, nämlich ihrem traditionellen Ruf der Wirtschaftsfeindlichkeit: „Das ist auch für Grüne eine schwierige Situation, nicht nur für die ÖVP: Wenn man in die Regierung kommt und dann beginnt die Wirtschaft zu signalisieren, wir ziehen alles ab, weil es uns politisch nicht passt und dann womöglich wirtschaftliche Einbrüche kommen, dann ist das wirklich schwierig. Das ist ein Problem.“ (Hirz) Das entscheidende Armdrücken wurde folgerichtig um das Energieressort ausgetragen. Die Grünen verlangten es als unabdingbare Mitgift für ihr ‚Ja‘, auch um endlich ernsthaft Politik machen und diesen Anspruch auch nachweisen zu können: „Nur mit der Umwelt uns das grüne Mäntelchen umzuhängen und zu sagen: ‚Tut’s da ein bissel Pflanzen schützen und so, das können wir uns locker leisten‘, das tun wir nicht“. (Hirz) Auf der anderen Seite des Tisches hatten der amtierende Wirtschaftslandesrat Josef Fill und Wirtschaftskammerpräsident Viktor Sigl von der Führung des Wirtschaftsbundes den klaren Auftrag, „vor allem in den Bereichen Energiepolitik, Rohstoffpolitik und Infrastruktur die Interessen der Unternehmer (zu) vertreten“295. Daraus entwickelte sich eine ÖVP-interne Kraftprobe, an die sich ein grüner Verhandlungsteilnehmer lebhaft erinnert: „Am Ende, bei der letzten ‚High Noon-Sitzung‘, sind wir (die Grünen, Anm. d. Verf.) trotzdem von dieser Forderung nach dem Energie-Ressort nicht heruntergestiegen. Dann hat es irgendwann eine kleine Sitzungsunterbrechung durch die ÖVP-Teilnehmer gegeben und der Landeshauptmann ist zurückgekommen … und hat festgestellt: ‚Energie ist bei den Grünen.‘ Darauf hat der Fill erwidert: ‚Herr Landeshauptmann, so habe ich das nie gehört.‘ Da hat der sich hinübergebeugt und erklärt: ‚Du, wir waren da zuerst beieinander, da warst du gerade nicht da und da haben wir gesagt, Energie kriegen die Grünen.‘ Der Fill hat dann bekanntgegeben, ‚Dann werde ich nicht mehr Landesrat für Wirtschaft sein, das mache ich nicht …‘“ (Hirz) Der Wirtschaftsbund wurde schließlich mit dem Amt des Wirtschaftslandesrats für den Kammerpräsidenten Sigl abgefunden. Aufseiten der ÖVP war die schwarz-grüne Partnerschaft besiegelt, die Parteiführung rund um Pühringer hatte sich durchgesetzt. Dasselbe gelang seinerseits auch Anschober. Im Führungsgremium erreichte er eine für die Grünen sehr ordentliche Mehrheit von mehr als 70 % für die Zusammenarbeit mit der ÖVP; die stets weiter links stehenden Linzer Grünen kündigten zwar noch eine Stunde vor der öffentlichen ‚Trauung‘ eine Revolte an, doch wurde ihr Stadtrat letztlich befriedet.
4.2 Die Macht und ihr Preis – oder: Wie brav müssen Grüne in einer Regierung sein?
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Die oberösterreichische Volkspartei und die Grünen Oberösterreichs schlossen ein Arbeitsübereinkommen, Anschober wurde Landesrat. Schwarz-Grün verfügte mit zusammen fünf Mitgliedern über die Mehrheit in der Regierung. Und die SPÖ? Die stellte auch vier Ressortführer, obwohl sie sich von Beginn an auf einen Oppositionskurs festlegte. Sie genoss das Privileg, gleichzeitig auf Konfrontation zu gehen und in der Regierung zu bleiben; das erlaubte das Proporzsystem (siehe „Faktenbox“). Die Eroberung des Landeshauptmann-Throns freilich war dem Parteivorsitzenden Erich Haider nicht gelungen. Dabei hätte die SPÖ gewarnt sein können: die ÖVP hatte schon einmal demonstriert, dass sie im Fall der Fälle auch andere Beziehungen einging, um Herr im Landhaus zu bleiben. 1967 hatte sie zwar gerade noch den Mandatsgleichstand mit der SPÖ erreicht, aber erstmals bei einer Landtagswahl die Stimmenmehrheit verloren. Die Sozialisten gewannen mehr als sechs Prozentpunkte hinzu, zu dieser Zeit ein Erdrutsch. Aus diesem rettete sich die Volkspartei, indem sie sich für die Wiederwahl von Landeshauptmann Gleißner die Stimmen der FPÖ besorgte. Die SPÖ bekannte sich damals dennoch weiter zur Zusammenarbeit mit der ÖVP. 2003 tat sie das nicht und bekämpfte nun eine schwarz-grüne Koalition. Aber die Hauptfrage war ab sofort ohnehin eine andere (und im politischen Österreich erwarteten viele gespannt die Antwort): Was machte die neue Regierungspartei nun daraus, nachdem sie es erstmals dorthin geschafft hatte, wo es wirklich zählte?
4.2 Die Macht und ihr Preis – oder: Wie brav müssen Grüne in einer Regierung sein? Die entscheidenden Stichworte lieferte der neue grüne Landesrat in einem einzigen Satz: „Wir haben in den letzten elf Wochen mehr an grünen Inhalten umgesetzt als in den letzten 15 Jahren“296, bilanzierte er nach den ersten 100 Tagen von Schwarz-Grün. Das war wohl vor allem an die eigene Basis gerichtet. Doch selbst wenn man diese Rechnung akzeptierte, war von Anfang an nicht zu leugnen: der Zugewinn an Macht und damit an Umsetzungschancen hatte auch seinen Preis. Ein typisches Beispiel war der Verkehr, ein Thema, das schon an der Wiege der Grünen Pate stand und bei dem sie große Erwartungen bei den Bürgerinitiativen geschürt hatten. Auch wenn sich Anschober später rühmte, das „Verhindern des geplanten weiteren Ausbaus der Innkreisautobahn … ganz oben auf die Agenda“297 gesetzt zu haben, durchschaute auch die breite Öffentlichkeit, dass dieser Erfolg einem Tauschgeschäft entsprang298: Bereits fixierte Straßenprojekte wurden von vornherein außer
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Streit gestellt und waren damit von den Grünen hinzunehmen. Das bestätigen Verhandler beider Seiten, auch der damalige grüne Klubobmann Trübswasser: „Das sind die Projekte, die beschlossen oder auf Schiene waren … Das einzige, was nicht gekommen ist, ist der sechsspurige Ausbau der Innkreisautobahn.“299 „Wir haben uns darauf verständigt, dass bestimmte Beschlüsse zu gelten haben … das war Teil der Einigung.“ (Strugl) Verlässlichkeit zu demonstrieren, das stand über allem in dieser Beziehung neuen Typs. Die ÖVP musste das nicht einmal erzwingen; die Grünen, nun erstmals als heiratsfähig akzeptiert, hatten sich selber das Gelübde auferlegt, sich als treuer Partner zu beweisen: „Wir beweisen tagtäglich, dass Grün regieren kann.“ 300 Die Regeln waren streng; der Ehealltag wurde peinlich genau abgestimmt: „Wir besprechen jede Sitzung vor und wissen genau, was macht wer. Das ist bei uns ganz selbstverständlich, weil wir ausgemacht haben, dass wir uns in unseren politischen Aktivitäten ganz eng abstimmen … Wenn der andere sagt, da habe ich ein Problem, stellen wir das zurück.“ (Strugl) Oberstes Gremium war ein Koordinierungsausschuss, eine Art Familienrat, dem die Parteispitzen angehörten: „Dieser Koordinierungsausschuss fängt 90 % der Konfliktfelder ab. Der Ausschuss beschließt, ist das jetzt umgesetzt, was im Koalitionsvertrag drinsteht oder ist es das nicht. Was muss gemacht werden? … Wenn sich Pühringer und Anschober was ausmachen, wird es im Koordinierungsausschuss noch einmal ins Protokoll genommen.“ (Trübswasser) Konflikte wurden gezielt entschärft, bevor sie explodieren konnten; glosten Brandherde, goss man kein Öl ins Feuer: „Keine der beiden Seiten versucht, sich in der Öffentlichkeit auf Kosten des anderen zu profilieren … Natürlich könnte Anschober heute mit irgendetwas in die Öffentlichkeit gehen, wo er damit rechnen kann, dass er die ÖVP oder den Wirtschaftsflügel der ÖVP brüskiert … Bei uns ist das zwischen den beiden bisher durchgehalten worden, dass man das nicht macht.“ 301 Dieses Lob kommt aus dem Mund eines ÖVP-Journalisten und man kann es durchaus als „vergiftetes“ Kompliment lesen. Die gerade von der Wirtschaft misstrauisch beobachteten Eheleute vermieden zwar Zank vor Gästen – nur: Wenn jedes Streitthema von vornherein mit Schweigebann belegt war, wie konnte der kleinere Partner dann noch mit eigener Stimme sprechen? Auch dabei, auch beim Appell an die Öffentlichkeit, einem bislang bevorzugten Instrument, ging den Grünen der Nachweis der Seriosität nun über alles. Rudi Leo, damals Pressesprecher des grünen Landesrats: „Wir haben am Anfang gesagt, wir werden einige Matches gegeneinander haben, aber wenn wir das öffentlich austragen, haben wir ein Problem – so oder so. Da haben wir das größere Problem gehabt als die ÖVP, weil alle von Anfang an gesagt haben: ‚Das
4.2 Die Macht und ihr Preis – oder: Wie brav müssen Grüne in einer Regierung sein?
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schafft’s ihr nie, das scheitert, ihr haltet das nicht durch.‘ … Wir haben echt das Problem gehabt, es sechs Jahre lang zu beweisen: ‚Das geht, wir schaffen das‘ – bei allen Preisen, die du bezahlen musst.“302 Auf einen Nenner gebracht, lautete das Kalkül für die Kommunikation: „Du musst ab und zu auf eine Profilierungschance verzichten. Das ist der Preis des Regierens.“ (Leo) Dass der tatsächlich zu bezahlen war, rechneten den grünen Mitregenten die Umfragen vor. Im Frühjahr 2008, eineinhalb Jahre vor den nächsten Landtagswahlen, sanken ihre Werte: „Anschober wird von der VP völlig zugedeckt und kommt mit keinem Thema durch. Die Grünen haben keinen eigenständigen Erfolg vorzuweisen – außer dass sie der Landeskoalition Stabilität verleihen“, konstatierte ein Marktforscher mitleidlos.303 So krass mochten das die Betroffenen naturgemäß nicht sehen, doch setzte sich selbst bei einem überzeugten Grün-Schwarzen wie dem langjährigen Klubobmann Gunther Trübswasser die Erkenntnis durch: „Die ersten drei Jahre war es okay, zu konsolidieren und nicht dauernd zu streiten … Aber ich glaube, dass man die Unterschiede auch klarmachen muss, z. B. in der Verkehrspolitik. Es ist da noch einiges zu tun, um Hiesl einzubremsen, einen starken Baggerfahrer. Obwohl ich im Koordinierungsausschuss sitze und politisch nach wie vor mitverantwortlich bin: da ist mir zu viel Harmonie …“ Die Anspielung war überdeutlich: Der grüne Anschober hatte mit Kollegen Hiesl, dem für Straßen zuständigen Landeshauptmann-Stellvertreter der ÖVP, sogar gemeinsame Pressekonferenzen gegeben. Nach diesen Daten versuchte man allerdings, eine neue Route einzuschlagen – in Richtung „kalkulierter Konflikt“. Die ÖVP hatte dem kleineren Koalitionspartner schon zuvor Erfolge auf seinem Spielfeld überlassen, etwa bei einer „Klage“ der Landesregierung gegen das Fremdenrecht.304 Jetzt sollten die Grünen öfter Kante zeigen dürfen, Unterschiede auch öffentlich deutlich gemacht werden. Mehr Profil vorzuweisen musste allerdings noch lange nicht bedeuten, sich auch politisch durchzusetzen: Selbst bei Umweltthemen mit großer Leuchtkraft (wie etwa der Sonnenenergie) scheute sich die ÖVP nicht, den Partner im Regen stehen zu lassen und etwa mit der FPÖ gegen eine Solarpflicht für „Häuselbauer“ zu paktieren.305 Und der grüne Landesrat? Der wollte das nicht als Koalitionsbruch werten, im Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP sei dazu nichts vereinbart gewesen … Wer immer im grünen Anhang geglaubt hatte, nun stünde die Tür zum Öko-Paradies offen, der musste jetzt zur Kenntnis nehmen: auch Grüne an der Regierung konnten oft genug die Welt nicht verbessern – sie konnten höchstens verhindern, dass sie aus ihrer Warte schlechter wurde: „Es hat gestern zwei Anträge gegeben von der FPÖ
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im Landtag: das Verbot des Baus von Minaretten und einen jährlichen Islambericht. Beide Anträge sind ohne Diskussion abgelehnt worden, obwohl sicher einige Zuckerl auch für die ÖVP dabei gewesen sind. Ich vergleiche die Aussagen von Landeshauptmann Pühringer mit dem, was der Landeshauptmann Pröll sagt zu Asyl und Bleiberecht – da sind einige Kilometer dazwischen. Da lässt sich die ÖVP in Oberösterreich nichts nachsagen.“306 (Trübswasser) De facto argumentierte die grüne Regierungsfraktion, man habe verhindert, dass der Landtagstanker weiter nach rechts abdrifte. Aber hatte sie ihn an irgendeiner Stelle auch auf einen neuen Kurs gebracht, hatte sie zumindest streckenweise den Kompass umprogrammiert? Der grüne Landessprecher meldete als realpolitische Erfolge „die größte Steigerung aller Bundesländer beim Sozialbudget“ und vor allem „Oberösterreich (als) Europas Vorreiter … für eine umfassende Energiewende weg von Öl und Atom und hin zu Ökoenergie und Energieeffizienz“307. Doch der merkbarste Fortschritt aus Sicht der Grünen war wohl ein strategischer, einer auf dem Schachbrett der Macht: Sie wollten nichts weniger als ihre Regierungsfähigkeit beweisen und sie standen dabei unter Beobachtung. Schwarz-Grün in Oberösterreich war schließlich eine Ehe auf Zeit – und dass sie funktionieren konnte, wurde gegen Ende der Vertragslaufzeit vom Partner kaum noch bezweifelt. Michael Strugl, ÖVP-Spitzenmanager: „Zur Gretchenfrage, nämlich: Kann man mit den Grünen regieren? Man kann. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir nicht schlecht gefahren sind … Aber es hängt auch damit zusammen, dass die handelnden Personen eine gute Ebene gefunden haben. Anschober ist sicherlich kein Linker.“ Gestört wurde der Friede am ehesten in Linz, wo der dortige Grünen-Führer deutlich eckiger auftrat, was laut Imageanalysen dem Bild einer „modernen, lösungsorientierten, bürgernahen … grünen Partei … alles andere als förderlich“ war.308 SchwarzGrün in Oberösterreich war aber auf Landesebene in Wahrheit keine Ehe unter Fremden. Hilfreich war vor allem die soziale Nähe. Anschober z. B. wurde politisch tatsächlich nicht als Linksradikaler sozialisiert, sondern in der Umweltbewegung; er absolvierte eine Lehre in der oberösterreichischen Wirtschaftskammer. Andere grüne Flirt-Partner der Schwarzen während der Eheanbahnung hatten eine christlich-soziale Vergangenheit; in Pühringer und Anschober sahen politische Beobachter gar „Mentor und Ziehsohn“.309 Derart väterliche Gefühle mochte zwar die Industrie nicht entwickeln. Doch Peter Mitterbauer etwa, Ehrenpräsident der Industriellenvereinigung, immer noch als deren „graue Eminenz“ betrachtet und lange Aufsichtsratsvorsitzender der ÖIAG, fällte gegen Ende der ersten schwarz-grünen Periode ein mildes Urteil über die neuen Gäste am Tisch der Macht: „Es war interessant und ich würde meinen, mit einer kraftvollen
4.3 Klimawandel – die SPÖ und der Abschied vom Konsens
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ÖVP kann das ohne Weiteres auch fortgesetzt werden. Die Grünen in OÖ waren eine positive Erfahrung in einer neuen Regierungsform. Das hängt sicherlich mit handelnden Personen zusammen.“310 Selbst in den Amtsstuben kehrte Normalität ein; anfängliches Schaudern legte sich. Rudi Leo, Sprecher Anschobers, mit feinem Lächeln: „Wenn du in der Regierung bist, tust du dir viel leichter. Speziell im Beamtenapparat, so habe ich das Gefühl, wirst du ernster genommen. Am Anfang hat es Schwierigkeiten gegeben, jetzt werden wir akzeptiert, das hat sich gelegt. Sie wissen, dass wir Schuhe tragen, wir haben keine Steine in der Hand und keine Haschpflanzen im Büro.“
4.3 Klimawandel – die SPÖ und der Abschied vom Konsens Wie reagierte nun die oberösterreichische Sozialdemokratie, jahrzehntelang der Favorit der ÖVP bei der Partnersuche, auf die neue Regierungspaarung? Zu sagen, dass sie sich in den Schmollwinkel stellte, wäre untertrieben – sie forcierte vielmehr ein Verhalten, das sie schon im Wahlkampf 2003 und zuvor an den Tag gelegt hatte, das aber in der oberösterreichischen Nachkriegsgeschichte bis dahin völlig neu gewesen war: die Konfrontation. Spitzenvertretern aus dem Lager der roten Sozialpartner hingen zwar dem guten alten Kooperationsmodell nach, auch, weil aus ihrer Sicht der Wahlsieg realpolitisch zu wenig gebracht hatte: „Die Auswirkungen sind bekannt: die SPÖ hat einen fulminanten Wahlsieg errungen, einen Landesrat dazugewonnen und hat gewaltig Macht verloren. Aus meiner Sicht wäre es zweckmäßiger gewesen, eine Koalition mit der ÖVP einzugehen. Soweit ich das weiß von damals aus der ÖVP, haben sie die Ressorts, die die FPÖ gehabt hat, 1 : 1 der SPÖ angeboten. Das heißt, die SPÖ hätte einen ordentlichen Machtgewinn gehabt und aus der Position der Stärke hätte ich angegriffen.“ (Peischer, 2008) Doch Parteichef Erich Haider hatte die Weichen längst anders gestellt. Das lag nicht nur an der offenen persönlichen Feindseligkeit zwischen dem ÖVP-Landeshauptmann und seinem SPÖ-Widerpart. Praktisch jeder Kenner der oberösterreichischen VP diagnostizierte zwar seinerzeit „persönliche Wunden bei Pühringer“311 und Haider trat ja für eine österreichische Länderbühne auch vergleichsweise aggressiv auf , was man in der SPÖ wiederum damit rechtfertigte, dass der schwarze Regent den offenen Griff nach der Macht durch die Roten als „Majestätsbeleidigung“312 interpretiert habe. In Wirklichkeit stand aber hinter diesen „Verhaltensauffälligkeiten“ – und das waren sie vor dem Hintergrund der eingeschliffenen politischen Kultur in diesem Bundesland – ein sehr bewusster Strategiewechsel der SP-Führung. Sie hatte nach mehr als 50 Jahren Ehe mit der ÖVP Bilanz gezogen und war unter dem Strich zu
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einem eher enttäuschenden Ergebnis gekommen, zusammengefasst von Christian Makor, einem jüngeren Abgeordneten der SPÖ, der 1997 nach einer der zahlreichen Wahlniederlagen der Partei in den Landtag aufgerückt war: „Historisch ist es so, dass dieses Konsensklima … in unserer Analyse dazu geführt hat, dass man als Juniorpartner sozusagen immer der ,Deschek‘ ist, dass es keine Veränderungspotenziale gibt, wenn du immer nur der Zweite bist. Das hat dazu geführt, dass man ab dem Moment, wo auf Bundesebene eine andere Koalition war (Schwarz-Blau, Anm. d. Verf.) dann die Gelegenheit beim Schopf gepackt hat und gesagt hat, schauen wir, ob wir nicht die Machtfrage stellen können.“313 Haider hatte die Parteiführung 1998 übernommen und die Zahlen schienen ihm auf den ersten Blick recht zu geben: die Gewinne von 2003 waren die ersten für die SPÖ bei Landtagswahlen seit 1967. Sie wirkten zunächst wie die Frucht eines bedingungslos offensiven Wahlkampfes und die oberösterreichischen Sozialdemokraten setzten ihre stürmischen Attacken denn auch in der neuen Periode munter fort. Der Klimawechsel war perfekt: „Es hat sich grundsätzlich etwas geändert. Das oberösterreichische Klima hat darin bestanden, dass man sich in den wesentlichen politischen Fragen einigt und der Parteienstreit wird hintangestellt. Diesen Konsens hat Erich Haider aufgekündigt und insofern hat er auch dieses oberösterreichische Klima zu Grabe getragen. Es gab auch damals unterschiedliche Positionen zwischen ÖVP und SPÖ, aber es gab eine Grenze für die Konfrontation. Das haben ein Grünner, ein Hochmair (Vorgänger Haiders, Anm. d. Verf.) noch respektiert, ein Haider nicht mehr.“ (Strugl, 2007) Was ihre Machtpositionen betraf, war das Risiko für die SPÖ begrenzt. Sie konnte nicht aus der Regierung geworfen werden, nicht einmal als Teilzeitopposition, das garantierte schon diese gewisse Bundesländerspezialität, die Proporzverfassung. Auch wer sich ausklinkte, genoss noch Seilsicherung und konnte nicht ins Leere stürzen – eine sehr österreichische Form von politischem Gipfelsturm. Die größten Anstrengungen unternahm die Partei auf dem Kampfplatz Energie AG. Gegen die von Schwarz-Grün beschlossene Teilprivatisierung des Landesenergieversorgers mobilisierte sie rund 90.000 Unterschriften; plakatierte „Heimische Forelle statt Börsenhaie“ und beschuldigte die Befürworter des „Verrats am oberösterreichischen Trinkwasser“314. Nüchtern betrachtet war das allerdings selbst ein Schlag ins Wasser: zum einen verabschiedete sich die ÖVP-Führung wenige Wochen vor einer Bürgerbefragung vom Börsengang, womit eine mögliche Waffe der SPÖ für den Wahlkampf stumpf wurde; zum anderen wurde bei dem Feldzug die Speerspitze selber ramponiert, nämlich Parteichef Haider: Im Dezember 2007 bekundeten in einer Umfrage 42 %, „keine gute
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Meinung“ von Haider zu haben – das war NACH der Kampagne um die Energie-AG; der Ablehnungspegel war um 5 % höher als im Herbst zuvor. Zu einer „guten Meinung“ bekannten sich nur 44 %, während ÖVP-Landeshauptmann Pühringer auf 80 % positive Nennungen kam. Dies war sogar mehr als vor dem Gefecht.315 Der harte Kurs half zwar der SPÖ, den Abstand zur ÖVP zwischendurch zu verkürzen; Haider als Person wurde dafür aber regelrecht abgestraft: Im Herbst 2007, auf dem Höhepunkt der von ihm selbst geführten Attacke, lag er bei der fiktiven Direktwahlfrage („Wen würden Sie zum Landeshauptmann wählen?“) gegen Pühringer mit 21 : 57 % zurück; im Frühjahr 2008 gar mit 20 : 61 %, Pühringer hatte also sogar weiter zugelegt.316 Dabei hatte die SPÖ das Meinungsklima gedreht – am Ende der Propaganda-Offensive war, anders als zu Beginn, eine Mehrheit der Oberösterreicher gegen einen Börsengang der Energie AG.317 Nur fand diese vielleicht die Botschaft überzeugend, nicht aber den Boten. Ihr Anführer profitierte nicht einmal, wenn die SPÖ die Bürger auf ihrer Seite hatte. Auch der Raumgewinn, den sich die Sozialdemokraten als Partei durch den Vorstoß auf dem Schauplatz Energie AG erarbeitet hatten, ging rasch wieder verloren: Schon im Frühjahr 2008 stand es in den Umfragen bereits wieder 44 % (ÖVP) : 30 % (SPÖ)318. Die größte Kraftanstrengung der oberösterreichischen Sozialdemokraten in dieser Periode war verpufft; der Frontalangriff hatte sie keinen Schritt vorangebracht.
4.4 Der Wahlkampf 2009 – eine Partei geht in die Falle Das war insofern ein Menetekel, als die nächsten Landtagswahlen nun nur noch eineinhalb Jahre entfernt waren. Tatsächlich änderte sich der Abstand zwischen den Großparteien von da an im Wesentlichen nicht mehr – und schon gar nicht stieg die Zustimmung für den Spitzenkandidaten der SPÖ: Im September 2009, knapp vor dem Wahlgang, hatten weiterhin 44 % „keine gute Meinung“ von Erich Haider.319
Exkurs: Spielentscheidend – oder warum der Spitzenkandidat in Oberösterreich noch wichtiger ist als anderswo Solche Werte stehen in der Welt der Politik keinem Herausforderer gut an, aber der oberösterreichischen SP hingen sie als Klotz besonders schwer am Bein: Der Gegner ÖVP war ihr gerade mit seinen Galionsfiguren über Jahrzehnte hinweg stets voraus gewesen und verdankte seine Siege gerade diesem Vorsprung. Denn die Zusammensetzung der Wählerschaft garantierte dies keineswegs: „Wir leben von der Struktur her in einem sozialistischen Land. Wir sind ein rotes Bundesland mit einer traditionell
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schwarzen Mehrheit auf Landesebene“320 wissen „schwarze“ Parteimanager: Bei Nationalratswahlen lag zumindest seit 1970 (mit einer einzigen Ausnahme, 2002) stets die SPÖ vorne und nur bei Landtagswahlen die ÖVP (und das schon seit 1945, ausgenommen 1967). Landeshauptleute der Volkspartei waren in Oberösterreich vielleicht eine Gewohnheit, aber keine Selbstverständlichkeit. Genau das machte die VP gezielt mit ihrem Personalangebot wett. Sie hatte darin sehr lange Übung. Recht typisch war z. B. bereits der Landtagswahlkampf 1961, den sie fast völlig auf den regierenden Landeshauptmann zuschnitt („OÖ wählt Gleißner“). Schon damals konnte sie sich nur auf diese Weise deutlich vorne halten und „der von der Volkspartei angesichts des tief greifenden wirtschaftlichen und sozialen Wandels im Land befürchtete Trend zur SPÖ … (konnte) diesmal noch, dank eines überzeugenden Spitzenkandidaten und einer vergleichsweise modernen Wahlkampfführung, abgewehrt werden“321. Dies sollte noch einige Male gelingen, sogar fast permanent, wie ein Politroutinier der SPÖ anmerkt: „Die ÖVP führt überhaupt nur Personalwahlkämpfe. Wenn Sie die Zeitreihe anschauen seit Gleißner, dann gibt es keinen anderen Wahlkampf bei der ÖVP.“322 Angesichts der aktuellen Popularitätstabellen und der historischen Erfahrungen hatte die ÖVP auch 2009 keinen Grund, diesen Weg zu verlassen: aus „OÖ wählt Gleißner“ wurde nun eben „Oberösterreich stärken. Pühringer wählen!“323. Wolfgang Hattmannsdorfer, in der ÖVP-Zentrale für den operativen Wahlkampf verantwortlich: „Die erste Strategie war sicher, dass man die Landtagswahl zu einem Plebiszit über den Landeshauptmann macht, dass man die Leute fragt: ‚Wer soll dieses Land regieren?‘ – das heißt die Landtagswahl als Frage ‚Pühringer oder Haider?‘.“ (Hattmansdorfer, 2010) Das konnte keine Überraschung sein, auch für den Kontrahenten nicht – Haiders Unterlegenheit im Direktvergleich war schließlich aktenkundig. Die SPÖ konnte nach den Gesetzen der politischen Logik nur noch auf einen Themenwahlkampf setzen, davon gingen auch die ÖVP-Strategen aus: „Die SPÖ versucht ein Gegenkonzept, sie wissen, dass Haider eben nicht so populär ist, sie versuchen, mit populären Themen dem LH das Wasser abzugraben – das ist der Wettbewerb …“ (Strugl, 2007) Doch es sollte anders kommen, als die professionellen Beobachter erwarteten; selbst Spitzen der oberösterreichischen SP waren überrascht – mit einer Ausnahme …
Der Spielverlauf – und die entscheidenden Züge „Stimmenstärkste Partei zu werden und in Folge den Landeshauptmann zu stellen“, deklarierte Erich Haider zu Beginn des Wahljahres 2009 als Ziel und rückte auch
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Sehen so Sieger aus? Erich Haider und Werner Faymann vor dem Wahlkampf 2009 in Oberösterreich
auf ungläubiges Nachfragen nicht davon ab.324 Er tat dies wenige Wochen, nachdem Marktforscher sowohl der Partei als auch ihrem Chef deren Chancenlosigkeit bestätigt hatten: „Das Rennen um Platz eins scheint gelaufen, außer es passiert noch etwas Gravierendes.“325 Dennoch: in der ersten Serie der SPÖ-Wahlplakate wurde der Spitzenkandidat zwar noch außen vor gelassen (Pühringer hatte zu diesem Zeitpunkt in der fiktiven Direktwahlfrage den Rekordwert von 65 % erreicht)326; in den letzten Inseraten z. B. aber posierte er im Vordergrund und den Anspruch auf den Landeshauptmann betonte Haider bis zuletzt: „Ich werde Landeshauptmann, ich glaube das wirklich.“327 Selbst einflussreiche Mitglieder der Parteiführung hatten da den Glauben allerdings längst verloren, so wie Josef Ackerl, damals stellvertretender Parteivorsitzender: „Ich habe das für einen Wahnsinn gehalten, als ich mitgekriegt habe, dass der Erich Haider diese Auseinandersetzung mit dem Pühringer sucht. Denn aus meiner Wahrnehmung konnte er mit dem Pühringer nicht in Konkurrenz treten. Außer dem Kreis Einge-
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fleischter, die ohnehin bei jedem am Hof ‚Bravo!‘ schreien, war jedem klar, dass du besser aufgestellt sein musst, damit das geht, und das ist ihm nicht gelungen. Das zu tun, war daher ein schwerer strategischer Fehler.“ (Ackerl, 2010) Die ÖVP konnte ihr Glück kaum fassen. Ihre Taktik war da bereits beschlossene Sache, aber der rote Mittelstürmer hatte den Schwarzen auch noch die Vorlage zu ihrem Lieblingsspielzug gegeben: „Es war ein ganz wesentlicher strategischer Faktor, dass der Erich Haider bis zum Schluss immer wieder die Forderung aufgestellt hat, er möchte Landeshauptmann werden. Dadurch war das kein Duell, das die ÖVP inszeniert hat, sondern eigentlich hat ja der Haider den Fehdehandschuh geworfen und wir haben ihn aufgenommen.“ (Hattmannsdorfer, 2010) Die Fehlkalkulation des oberösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden war mit Sicherheit eine der kapitalsten in den Bundesländerwahlkämpfen der vergangenen Jahre. Sie konnte gerade auch Funktionären mit Erfahrungen im Kommunikationsmanagement nicht verborgen bleiben (Christian Makor, vor seiner Karriere in Oberösterreich Pressereferent des Salzburger SPÖ-Landtagsklubs: „Wenn es die ÖVP darauf zugespitzt hätte, hätte es schon genügt; aber wir selber haben mit unseren Plakaten der ÖVP noch Munition geliefert.“).
Szenen aus Oberösterreich Erich Haider on Tour – oder: Der falsche Held „Haider und EAV on Tour“ heißt die Wahlkampftournee der oberösterreichischen SPÖ, die Plakate auf dem Eferdinger Stadtplatz versprechen ein „Gratiskonzert EAV“. Das Vertrauen, dass ein Spitzenpolitiker allein die Massen anziehen könnte, scheint nicht sehr ausgeprägt. Dabei muss SPÖ-Obmann Erich Haider hier Mandate machen, wenn er tatsächlich wie angekündigt Landeshauptmann werden will. Eferding liegt im Speckgürtel rund um Linz, die Sozialdemokraten stellen hier den Bürgermeister. Die Vorgruppe trägt Schwarz. „Knock, knock, knocking on heaven’s door“ singen die Lokalgrößen, fordern aber dann „Partystimmung“ auf dem Platz – worauf prompt folgt: „Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle“. Die Inszenierung holpert auf dem Weg dorthin. Zwischen dem Vorprogramm und dem Auftritt von EAV-Frontmann Klaus Eberhartinger tut sich nahezu eine Viertelstunde lang nichts auf der Bühne. Als der Showman erscheint, bittet er um Verständnis für das Programm: „Es
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werden natürlich auch Reden gehalten“, kündigt er an, Verzeihung heischend, aber „ich garantiere, dass die kurz sein werden“. Der Moderator der Kampagne entschuldigt sich mitten in einem Wahlkampf, dass bei der Gelegenheit auch Politik stattfindet: „Inhalte“, seufzt Eberhartinger, „müssen natürlich auch sein“. In Wahrheit hätte die SPÖ-Basis genau danach ein starkes Bedürfnis. Sie will vor allem Antworten auf das hören, was hier noch nobel „Integrationsfrage“ genannt wird. „Meine Söhne san so um die 40“, erzählt uns ein Pensionist, früher Betriebsratsobmann, „sogor die wöhl’n FPÖ. Die an, die wuill’n überhaupt kane Auslända und wöhl’n deshoib an Strache und die aundan, die rennan hinten noch.“ Die Parteiführung, klagt er, wolle diese Warnungen nicht hören: „Des is afoch a Problem, oba sie wuilln net driba red’n.“ Sein Nachfolger als Betriebsratsobmann beim Büromöbelhersteller Hali ist ein Aushängeschild der Gewerkschaftsbewegung. Josef Jungreithmayr – ruhig, zurückhaltend, niemand, der einem auf der Straße auffallen würde – ist als „Betriebsrat des Jahres“ ausgezeichnet worden. „In der Kategorie Widerstand natürlich“, lächelt er. Die Gewerkschaft liegt im heftigen Kampf mit den neuen Eigentümern der Firma, die ein scharfes Sanierungsprogramm fahren. Jungreithmayr hat genau an diesem Tag schon einen Gerichtstermin hinter sich gebracht, das Unternehmen hat ihn auf „Zustimmung zur Kündigung“ geklagt. Er denkt nicht daran, die zu geben. Dieser tapfere Zeitzeuge der Arbeitswelt von heute ist vorhin zwar auf die Bühne gebeten worden – aber da ist der Platz erst halbvoll und von einem Starmoderator nichts zu sehen, geschweige denn vom Parteichef. Jungreithmayr bekommt nur vom hiesigen Landtagsabgordneten ein schulterklopfendes „Joschi, was sie mit dir machen, ist eine Riesensauerei“ mit auf den Weg. „Wir Sozialdemokraten wollen die Menschen schützen, nicht die Dividenden“, wird Haider später sagen – aber die Chance, einen „Helden des Alltags“ im Scheinwerfer zu präsentieren und den Spitzenkandidaten mit ihm, wird verpasst. Dafür stellt Eberhartinger persönlich die Parteikandidaten vor: „Welchen Vorschlag haben Sie für den Bezirk Weiß?“, möchte er wissen. – Weiss heißt die Kandidatin, vertreten will sie die Bezirke Eferding-Grieskirchen. „Sonst noch was, was Ihnen wichtig ist?“, fragt Eberhartinger dann den Bürgermeister von Eferding (SPÖ): „Ich freue mich auf das Konzert“, erwidert der. Allerdings ist dazwischen noch der Hauptredner angesagt. Als Erich Haider eintrifft, „verliert“ ihn die Kamera für die Videowall zunächst gleich einmal. Oben an der Rampe zeigt er sich dann im offenen Hemd ohne Krawatte, mit zwei Kindern an der Hand. Der SPÖ-Chef hat ein Sympathiedefizit aufzuholen, wissen die
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Umfragen. Der Blick ist auch tatsächlich treuherzig und Haider bemüht sich, verglichen mit einer seiner letzten Parteitagsreden, mehr um Gesten; aber seinen größten Nachteil ist er nicht losgeworden: er wirkt auf der Bühne immer etwas verlegen. Seine eigentliche Rolle ist ja auch die des Angreifers: „Seeufergrundstücke, Wohnbaudarlehen“, alles habe die ÖVP verkauft, klagt er, ganz gekränkter Sozialdemokrat; die Volkspartei sei „die Partei des Geldes, der Banken und der Spekulanten“. Zwischendurch versucht er es mit Spott: „Die Liste ‚Dr. Joe‘ wird schon am Montag nach der Wahl die Liste ‚Pepi Yesterday‘ sein.“ Manche lachen. Josef Jungreithmayr hört unten im Publikum zu. Zum Thema „Ausländer“ fällt in der gesamten Rede kein Wort. Dieser Marsch in die Niederlage vollzog sich vor aller Augen – aber warum stellte sich eigentlich niemand in den Weg? Granden in der Parteispitze, Ackerl etwa, sahen das Unglück durchaus kommen, sie hielten sich jedoch bewusst bedeckt – auch, um im Wahlkampf keinen öffentlichen Streit zu entfachen; andernfalls hätten sie wohl damit rechnen müssen, später als Schuldige dazustehen. Den Rest erledigte das, was man „Lippi-Effekt“ nennen könnte, nach jenem italienischen Fußball-Nationaltrainer, der 2006 Weltmeister wurde, aber vier Jahre später schon in der Vorrunde scheiterte: Erich Haider war „Teamchef “ beim glorreichen Wahlsieg sechs Jahre zuvor gewesen, so einen Mann wechselte man nun nicht aus: „Das Problem war der Wahlsieg 2003, der so unerwartet groß ausfiel. Ab diesem Moment war der Erich Haider unantastbar … Wir waren der Meinung, er wird schon wissen, was er tut, was offensichtlich ein Irrtum war.“ (Makor, 2010) Ein Irrtum war es auch, anzunehmen, dass die Gewinne von 2003 dem Spitzenkandidaten zuzurechnen waren. Vielmehr hatte damals eine schwarz-blaue Bundesregierung den Sozialdemokraten genügend Angriffsflächen geboten; Erich Haider konnte einen Wahlkampf mit Parolen gegen den „Ausverkauf “ (die Voestalpine-Privatisierung) und zur „Sicherung der Pensionen“ bestreiten; und vor allem hatte sich die FPÖ durch die Revolte von Knittelfeld selber fast aus dem Spiel genommen. Bei Licht betrachtet konnte schon die oberösterreichische SP von 2003 gar nichts für all diese Erfolgsfaktoren; im Sommer/Herbst 2009 fielen auch diese allesamt weg: diesmal „stellte sich der Einfluss der Bundespolitik … eher gering dar“, die neue rot-schwarze Koalition in Wien war noch im Honeymoon, „Reizthemen waren kaum vorhanden“328. In ihrem Regional-Wahlkampf versuchte die SPÖ nun, zu Beginn der „heißen“ Wahlkampfphase bestimmte Politikfelder zu besetzen. Sie konnte aber nirgends
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durchbrechen, auf wesentlichen wie dem der Pensionen fehlte sogar der eigenen Partei die Überzeugung: „Wenn du selber nicht an die Inhalte glaubst, die als Ziele dargestellt werden wie zum Beispiel: ‚Die Oberösterreich-Pension – das Land zahlt dir was‘, dann kann man den Erfolg nicht haben. Es hat keinen einzigen außer ihm selber (Erich Haider, Anm. d. Verf.) gegeben, der diese Oberösterreich-Pension wollte. Das ist abgelehnt worden, es war ausgemacht, dass es kein Thema ist. Aber er hat uns nicht mehr gefragt.“ (Ackerl, 2010) Die ÖVP hingegen setzte ihr Spielsystem sehr geschlossen um, dafür war gerade der Pensionistenwahlkampf ein gutes Beispiel. Sie scheute sich dabei auch nicht, modische Erkenntnisse der Branche auf den Müll zu werfen: „Eine Innovation war ein absoluter Schwerpunkt auf einem Seniorenwahlkampf. Jugendwahlkämpfe sind ja schon ein alter Schmäh, die hat es 1997 schon zum ersten Mal gegeben mit der ‚Dr. Joe‘-Kampagne … Es hat eine eigene inhaltliche Ansage gegeben, ein eigenes Seniorenprogramm. Das war etwas, was sehr gut funktioniert hat.“ (Hattmannsdorfer) Diese eigene Seniorenkampagne entsprang zunächst einmal der Datenanalyse: Alle Welt sprach zwar vom „Wählen mit 16“, weil das Wahlalter erstmals auf diese Grenze herabgesetzt worden war – nur betrug der Anteil der Erstwähler lediglich zwölf Prozent, jener der über 60-Jährigen aber 29 Prozent. Er war damit zweieinhalb Mal so hoch und entsprach fast schon einem Drittel der Wahlberechtigten. Dazu mussten die ÖVP-Planer eine weitere Entdeckung machen: Die „Silberpuma“-Generation war nicht nur zahlreicher als die der Jungen, sie neigte inzwischen auch zur Treulosigkeit – alte Gewissheiten vom Wählermarkt waren plötzlich wertlos: „Der Unterschied war: Früher waren die Pensionisten unattraktiv, weil die waren in dem Mind-Set, dass sie das, was sie ihr ganzes Leben gewählt haben, durchgewählt haben, bis zur letzten Wahl. Das hat sich geändert. Die Pensionisten jetzt sind genauso Wechselwähler, vielleicht nicht in dem Ausmaß wie die Jungen, aber sie sind aufgrund der Größe eine kritische Masse.“ (Hattmannsdorfer) Das war ein ziemlich fundamentaler neuer Befund, mit unmittelbarem Einfluss auf die Wahlkampfführung. Der „kritischen Masse“ widmete man sich mit einer Sonderbehandlung; in einer ganzen Serie spezifischer (auch Groß-)Veranstaltungen, bis hin zu einer Bezirkstour mit dem weißhaarigen Altlandeshauptmann Josef Ratzenböck persönlich. Auch mit einem weiteren Dogma der modernen Wahlwerbung hatte die oberösterreichische Volkspartei gebrochen, nämlich dass der potenzielle Wähler nur noch über Medien erreichbar sei. Die direkte Kommunikation, nach manchen Lehrbüchern doch nur noch eine Randerscheinung329 im Politmarketing, rückte ins Zentrum: „Dieser Face-to-face-Wahlkampf ist das alles Entscheidende … Ich war in Urfahr auch Kan-
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didat für den Linzer Gemeinderat, ich habe dort meine Hausbesuche gemacht, ich bin die Hochhäuser durchgelaufen. Ich bin dann dank der Vorzugsstimmen überhaupt in den Gemeinderat hineingekommen … Man sagt halt nicht mehr Hausbesuche, jetzt ist das halt ‚grass-roots-campaigning‘, aber es ist in Wahrheit nichts anderes.“ (Hattmannsdorfer, 2010) Diese gute alte Methode wurde also nicht nur von Bürgermeistern in Landgemeinden eingesetzt, sie feierte auch in den anonymeren städtischen Räumen ein Comeback. Auch Pühringer selber, immerhin Spitzenkandidat auf einem Wählermarkt von mehr als einer Million, trat keineswegs nur medial vermittelt auf, im Fernsehen etwa oder in Zeitungsinseraten: „Er verkauft sich selbst, indem er Tag und Nacht unterwegs ist … Es ist ein wesentlicher Teil unserer Strategie, dass wir auf diese Popularität setzen und da braucht es halt auch sehr viel Hautkontakt zum Wähler.“ (Strugl) Die Nummer eins sollte z. B. leicht „bläulichen“ Wählern persönlich „nahegebracht“ werden und so das VP-Reservoir gegenüber der FPÖ abdichten. Ihr hatte die ÖVP 2003 fast 30.000 Wähler abgenommen330; das Trachtenhutsegment zog Pühringer als Landeshauptmann entschieden vor.331
Szenen aus Oberösterreich: Schuhplatt’ln mit Frauen Grillhendl drehen sich, Blasmusik in weißen Stutzen marschiert auf, auf den Tischen versprechen Zettel: „½ Hendl … 1 €, 1 Seidel Bier … 1 €, Limonade … 1 €“, auf einem kurzen Laufsteg proben Frauen für eine Trachtenmodenschau. Die ÖVP hat für die Bezirkskundgebung für die Landtagswahlen 2009 ein Volksfestgelände ausgewählt, in Andorf, nahe Schärding, mitten im Innviertel. Schon der Titel der Tour lässt keine Zweifel an ihrem Star offen: sie heißt „Dr. Joe im Wahlkampf “ – Dr. Joe ist offenkundig der Landeshauptmann, Josef Pühringer. Als Vorgruppe ist „Wilfried“ angekündigt mit dem „4Xang“. Man hält auf Volksmusik hier im Innviertel und sogar auf manche Politiker, aber es ist nicht so, dass man nicht mit der Zeit gehen würde. Wir befinden uns in tiefstem ÖVP-Land: das Innviertel liefere meist das zweitbeste Bezirksergebnis für die Volkspartei, erzählt stolz Hans Hingsamer, Bürgermeister im Nachbarort Eggerding und Landtagsabgeordneter. Die Fußtruppen mitsamt Kommandanten scheinen motiviert, sie sind in Bewegung. Jeden Haushalt hier haben die Funktionäre in den vergangenen Wochen zweimal besucht, „a wenn an die Leit bei so ana Gelegenheit net olle die Wahrheit sog’n“, wie Hingsamer, der Menschenkenner, weiß.
4.4 Der Wahlkampf 2009 – eine Partei geht in die Falle
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Was seine Leute jetzt brauchen, nach ÖVP-Meinung, das steht auf der Videowall geschrieben: „Verantwortung entscheidet“ und „Erfahrung“ sowieso. So gibt es das Einmaleins der Wahlkampfführung vor: Versprich Sicherheit in unsicheren Zeiten. Aber rede niemals nur über die Vergangenheit: Josef Pühringer sei auch „die treibende Kraft für Oberösterreich“, ein Hausvater, ja, aber ein energischer. Blick’ nach vorn, wenn du Wahlen gewinnen willst! Als die Schuhplattler anrücken, entpuppen sie sich als lauter Mädchen; zu den Lederhosen tragen sie Turnschuhe und T-Shirts. Der Auftritt passt ins Bild, genau dieses Image wollen die ÖVP-Regisseure bei jeder Gelegenheit vermitteln: „Tradition ja, aber bitte zeitgemäß“ – Schuhplatt’ln ist sonst Männern vorbehalten. Eine Domäne ist gebrochen, auf der Brauchtumsbühne jedenfalls … Die politischen Forderungen der ÖVP-Frauen, vorgestellt von Mädchen mit bedruckten Lang-Shirts, bleiben dafür eher im Allgemeinen. Propagiert werden sie nur mit bemühtem Humor: „Der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau darf nicht mehr das Einkommen sein!“ Auf dem Laufsteg marschieren jetzt die KandidatInnen auf, alle in ihrer ortstypischen Tracht, mitsamt Partnern. Die Dirndlkleider sind nicht billig, mit den Oberteilen aus Seide und den handgestickten Ziernähten. Im Innviertel zeigt man, was man hat – Sorgen auch, erzählt uns die Bäuerin auf der Bank gegenüber: Der Milchpreis ist ihr zu niedrig und nicht nur ihr. Manche schwarze Gemeinde kandidaten spekulieren durchaus, dass Agrarier bei den Wahlen zur FPÖ abwandern könnten. Die hat hier im Innviertel traditionell eine Bastion. Die Mitvierzigerin im T-Shirt neben uns, rundlich, vom Leben leicht gezeichnet, zeigt der Freundin ihr blaues Armband: „Des is mei Foab“, und sie verrät auch, warum: „Sogar waunst zum Hofer gehst, glaubst, du bist im Ausland …“ Einen Abend lang lässt sie an der Veranstaltung kein gutes Haar – und bestellt: erst Limo, dann Bier, alles um 1 Euro. Die Feuerwehr muss inzwischen Tische und Bänke nachschieben. „2.300 Besucher“ melden die Funktionäre von der Bühne, mehr als erwartet. Alles andere würden sie aber auch als unverdient empfinden. „Unser Dahoam“, schwärmen die „Seer“ im offiziellen Wahlkampfsong, „afoch guat, afoch schean.“ Dann zieht die Hauptnummer des Abends ein, die dafür sorgen soll, dass das alles so bleibt: Spruchbandschwenkende Jugendliche pflügen „Dr. Joe“ den Weg frei, dem „besten Landeshauptmann Österreichs“ (der Moderator), der das „größte Konjunkturpaket aller Bundesländer geschnürt“ und Oberösterreich deshalb die „niedrigste Arbeitslosigkeit von allen Bundesländern“ beschert hat – deklamiert
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Josef Pühringer und wippt dabei auf den Zehen. Er tut das oft. Die Energieleistung wird sich am Ende auszahlen: Die ÖVP legt in Andorf bei den Landtagswahlen von ohnehin schon 44 % noch einmal zu, ihre Gewinne sind stärker als die der FPÖ.
Um ihre Sturmspitze zu schützen, wechselten die ÖVP-Strategen auch die Taktik: hatte sie sich 2003 – zumindest nach ihre internen Analyse – noch zu passiv verhalten, so entschied sie sich nun für Offensivverteidigung: „Wir haben gesagt: 2009, wenn wir eine gedroschen bekommen, dann werden wir in der Sache zurückschlagen, wir nehmen den Fehdehandschuh auf … Das haben wir 2003 nicht gemacht, da hat es Frust gegeben. Das Wahlergebnis hätte sich nicht geändert, aber vom Selbstbewusstsein einer Partei her darf man nicht die andere Wange hinhalten. Das war ein interner Lernprozess.“ (Hattmannsdorfer) Der Bericht des jungen ÖVP-Wahlkämpfers ist nicht nur interessant, weil er ein Licht auf das Seelenleben der Partei wirft. Auch was die VP nun unternahm, war in Bundesländerwahlkämpfen bis dahin nicht sehr verbreitet: Im Internet kursierten Bilder von einem Sekt trinkenden Pühringer, die – in Anspielung auf die schwarzen Plakate – mit dem Text untermalt waren: „Weil er Alkohol liebt. Pühringer.“ Das VPManagement suchte aber nicht nach Rechtfertigungen. Es bezichtigte vielmehr seinerseits die SPÖ in Inseraten einer „Schmutzkübelkampagne“, auf diese Weise versuchend, das angebliche oder wirkliche „dirty campaigning“ als Vorwurf gegen den Konkurrenten selbst zu wenden. Die SP wies die Urheberschaft für die Fotomontage zurück; diese lässt sich im Nachhinein auch gar nicht mehr klären. Lehrreich ist jedenfalls wahlkampftechnisch, mit welcher Entschlossenheit die OÖ-VP zum Angriff überging, gleichgültig, ob dieser nun ein Gegen- oder gar tatsächlich ein Präventivschlag gewesen war … Am Wahltag war der Erfolg für den schwarzen Matchplan jedenfalls durchschlagend, das Desaster für die rote Seite vollständig. Das macht die Spielstatistik noch einmal deutlich: Das Ergebnis der SPÖ war mit 25 % das schwächste in Oberösterreich in der Geschichte der 2. Republik – aber damit nicht genug: die Verluste (mehr als 13 Prozentpunkte) waren die höchsten jemals von der SPÖ erlittenen bei Landes- und Bundeswahlen seit 1945. Die ÖVP (mit nun fast 47 %, einem Plus von mehr als drei Prozentpunkten) hatte weiter zugelegt; ihre Strategie, vor allem auf den Spitzenkandidaten zu setzen, war aufgegangen: über 90 % der VP-Wähler nannten als Wahlmotiv den „Wunsch, Josef Pühringer solle Landeshauptmann bleiben“332; Erich Haider kam bei der Frage nach dem Wahlmotiv selbst bei den verbliebenen SPÖ-Getreuen nur auf ein
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„Von der Struktur her ein sozialistisches Land“: ÖVP-Spitzenkandidat Josef Pühringer im Landtagswahlkampf 2009
Drittel dieses Werts. Wohl erklärt sich damit auch, dass die ÖVP den Großteil ihres Stimmengewinnes der SPÖ verdankte (33.000)333. Dies musste für die Verlierer umso deprimierender sein, als den Wählern das Thema „Arbeitsplätze“ bei diesem Wahlgang am wichtigsten war. Doch selbst im sozialdemokratischen Kerngeschäft traute man dem VP-Landeshauptmann mehr zu: Die „von der Wirtschaftskrise Betroffenen“ wählten zu fast 40 % ÖVP und nur zu 30 % die SPÖ334, in der Gruppe der „ArbeiterInnen“ fiel die SPÖ insgesamt hinter die Volkspartei zurück – nichts könnte das Ausmaß des Debakels besser beschreiben. Keine Zone des Spielfeldes war vor den Schwarzen sicher, auch nicht die röteste: selbst in Linz, wo sie seit Menschengedenken vorne lag (Ergebnis 1979, 30 Jahre zuvor: 53 %), wurde die SPÖ erstmals bei Landtagswahlen von der ÖVP überholt. Diese konnte sich bestätigt sehen – sie hatte im Ballungsraum der Landeshauptstadt einen Vorzugsstimmenwahlkampf für Pühringer geführt. Dessen gute Werte bei Blau-Sympathisanten trugen auch dazu bei, dass die ÖVP die Verluste an die FPÖ, den wieder erholten „Aufsteiger“, in engsten Grenzen halten konnte. Dass hingegen die SPÖ „bluten“ würde, damit war zu rechnen gewesen, sie
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blutete aber fast aus: sie musste an die FPÖ 45.000 jener Stimmen wieder abgeben, welche sie ihr 2003 abgenommen hatte335 – ein Hauptgrund für die Niederlage. Das Resultat der Freiheitlichen (rund 15 %) war insgesamt auf den ersten Blick sehr imposant, auf den zweiten etwas weniger: der Einbruch 2003 war dramatisch gewesen, die Verluste von damals waren mit den Gewinnen von 2009 nur zu etwas mehr als der Hälfte wettgemacht. Dies ist mit der Kandidatur des BZÖ (mit der Jörg-HaiderSchwester Uschi Haubner an der Spitze) nicht völlig zu erklären: die Orangen kosteten die Blauen nach Wahlanalysen zwar 6.000 Stimmen.336 Schlägt man diese aber den Freiheitlichen zu, so wären sie statt auf 15 auch nur auf rund 17 % gekommen – immer noch weniger als zu ihren besten Zeiten. 1997, während des Höhenflugs in der JörgHaider-Ära, war die FPÖ bei 21 % gelandet.
Szenen aus Oberösterreich: Alte Nationale und junge Frustrierte Der Weg zur Abschlusskundgebung der FPÖ führt zwischen dem „Dreamland“ und dem Riesenrad durch, vorbei an Schildern mit „Power Piercing“ und vorbei am Schaumrollen-Edi, der gerade sein Standl aufbaut – am nächsten Tag wird hier der „Urfahraner Jahrmarkt“ eröffnet, bei viel „Pizza vom Blech“ und auch „CurryWurst“ und „Langos.Bosner“ . Im „Europa-Bierzelt“ werden politisch korrekt für dieses Lager Bratwürstel serviert; dekoriert ist es mit Heimatszenen, jedenfalls denen von gestern – vor dem Hintergrund eines Weilers mit Kirche servieren dralle Kellnerinnen Tubabläsern frisches Bier. 7,30 € (bei 2 € Einsatz) kostet die „Maß“ in diesem Oktoberfestimitat. Die Tische sind mit blau-weiß karierten Plastiküberzügen gedeckt. Der Sänger vorn schmettert zunächst „An der schönen blauen Donau“ in den Saal, intoniert dann aber „was Internationales“: „New York, New York“ – „Scheiß New York“, kräht der junge Mann neben uns, „es lebe Linz!“, und schwenkt seinen Krug. Willi mir gegenüber ist zufrieden. Er ist pensionierter Briefträger aus dem Mühlviertel. „Ich bin ein deutscher Österreicher“, sagt Willi mit fester Stimme. Er fühlt sich bei Strache wieder gut aufhoben: „Des woa da Föhla vom Haider, doss er glaubt hot, er kaunn auf uns verzichten …“ Jetzt sitzen neben den alten Nationalen die jungen Frustrierten: „Schau“, sagt Willi und deutet auf einen Jugendlichen mit Irokesenschnitt, „früher wean die olle links g’wesn. Mi woan doch a Oitherrnklub.“ Veteranen in Anzug und Krawatte staunen. Aber Willi schunkelt mit bei „Fliege mit mir in die Heimat“, kommandiert von der „John Otti Band“, Volksfestroutiniers mit
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Ballermann-Referenzen. 20 Minuten brauchen sie, um das halbe Zelt auf die Bänke zu bringen – trampelnd, klatschend, prostend: „Immer wieder, immer wieder, immer wieder Österreich“. Auch Willi steht jetzt auf. „I wü leb’n, die Freiheit mecht I spian“, stampft es auf der Bühne, „Heimatland in eigner Hand“, ruft der Sänger am Ende, „wollt’s ihr das auch?“ – „Jo!“, brüllt der Saal – übergangslos hat sich Unterhaltung in Politik verwandelt. „Gleich treffen sie ein“, schreit Otti, „HC Strache und“ – er muss hinter sich blicken, auf das Transparent, auf dem der Name steht – „Manfred Haimbuchner.“ Dieser, sonst ganz der Typ strebsamer Jungjurist, zieht in Jeans und offenem Hemd ein. Auch die Sache mit Dativ und Akkusativ sieht er nicht ganz so eng – jedenfalls nicht bei sich selbst: „Wer nicht bereit ist, seinen Kindern die deutsche Sprache zu erlernen“, warnt der Rechtsanwaltsanwärter, „hat kein Recht, Steuergeld in Anspruch zu nehmen.“ Er selber muss keine Überprüfung fürchten, er ist in Wels geboren. Die Hauptattacke wird gegen Landesrat Anschober geritten; denn die ÖVP müsse ihre „grüne Option“ verlieren: „Der (Anschober, Anm. d. Verf.) hat sich ja beim TV-Duell die Krawatte mit Wasser angeschüttet.“ Die Gefahr, dass sich jemand mit Wasser anschüttet, ist hier im Zelt tatsächlich eher gering. Für Strache ist jetzt angerichtet. Er hält die Rede, die er auch in den letzten Wahlkämpfen immer gehalten hat, ergänzt um eine Prophezeiung: „Wir sind die Partei von morgen“ – und die von gestern. Vorher hat ein Mann namens Detlef Wimmer, der Linzer Spitzenkandidat, gefordert: „Auch in 20 Jahren wollen wir auf dem Urfahraner Markt nicht Cola und Kebab, sondern Bier und Schweinsbraten bestellen.“
„Nur mit Grün kann verhindert werden, dass Strache vom Bierzelt an den Verhandlungstisch kommt!“, hat Anschober einen Tag vorher beim Abschlussfest der Grünen in Linz gerufen – aber wie konnten sich diese noch Aufmerksamkeit verschaffen, in einer Arena, die bereits durch publikumswirksame Matches besetzt war, mit ‚Erich Haider gegen Josef Pühringer‘ etwa oder ‚Strache (Hauptattraktion im FP-Wahlkampf) gegen alle‘? Die Grünen hatten sich jedenfalls vorgenommen, dem Wahlkampf eine Dramaturgie zu geben, eine eindeutige „Geschichte“ zu erzählen – diese Notwendigkeit hatte inzwischen selbst diese sehr skrupulöse Bewegung begriffen, früher die Partei der eng beschriebenen Plakate. Man stellte sich zum Beispiel wieder als anständigere Alternative dar, als jemand, der – klein aber fein – den Unterschied ausmachen konnte: „Die Botschaft war klar: da steht die Lokomotive ÖVP und nun ist die Frage, welche Wei-
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„Abgefangene Konfliktfelder“: die Spitzenkandidaten Josef Pühringer (ÖVP) und Rudi Anschober (Grüne) im September 2009
che nimmt sie. Sie ist schwerfällig und entweder fährt sie mit der FPÖ Richtung 1930 zurück oder sie fährt Richtung 2030 mit uns.“ (Leo) Die entscheidende Bewegung aber war eine andere: die Grünen wollten aus der Kutte des Bußmönchs schlüpfen und den erhobenen Zeigefinger senken: „Wir haben nicht vor Augen geführt: ‚Ihr müsst’s eine saubere Luft produzieren und ihr müsst’s dieses und jenes tun, damit die Umwelt besser wird‘ – sondern: ‚Der Umweltschutz bringt euch was‘, nicht: ‚Ihr müsst Buße tun und ihr müsst euch bessern und ihr dürft’s kein Fleisch essen und ihr dürft’s nicht rauchen‘, sondern ‚Das nützt den Arbeitsplätzen‘. (Leo) Zu dieser Argumentation hatte sie umso mehr Grund, als die Großwetterlage für eine Öko-Partei nicht günstig war. Mit der 2008 heraufziehenden Wirtschaftsflaute musste sie befürchten, zum ersten politischen Krisenopfer zu werden: „Wir hatten das Problem eines Wahlkampfes in der absoluten Wirtschaftskrise. Wir waren in der Panik, dass die Leute Angst hatten, denn das hilft immer den Großparteien.“ (Leo) Eine zweite mögliche Rolle für Grüne, die des „Rächers“, stand dem Spitzenkandidaten schlicht nicht an: Rudi Anschober war kein Peter Pilz, geschweige denn ein Herbert Fux. Er hegte jedoch keinerlei Berührungsängste mit der Wirtschaft und
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hatte mit seiner Ressortarbeit als Energielandesrat bessere Werte als etwa Erich Haider erzielt.337 Ein Imagewechsel der früher reinen Umweltschützer schien eingeleitet: „Über die Ökojobschiene gelingt es den Grünen in Oberösterreich erstmals, als traditionelle Ökopartei im Hinblick auf Arbeitsplatzthemen ein markantes Profil zu entwickeln …“338 … ließen sie sich von Sozialforschern bestätigen. Das war ein Fortschritt; Allerdings waren die grünen Realos in Oberösterreich tatsächlich Realisten und wussten, dass günstige Umfragen gerade ihnen noch keinen Wahlsieg garantierten. Grüne Wähler warteten besonders lange zu – nicht weniger als 40 % entschieden sich erst in den letzten Wochen oder gar Tagen vor dem Urnengang, gegenüber nur 19 % in der Gesamtwählerschaft.339 Daraus zog man Lehren: „Wir haben vor allen Dingen etwas gemacht, was wir nie gemacht haben: wir haben den Wahlkampf aufgebaut, indem wir gesagt haben, wir müssen den Spannungsbogen bis zum Schluss halten, und das ist uns gelungen. Wir haben vorher noch ein Minus gehabt, wir haben von der Ausgangslage her das Optimale herausgeholt.“ (Hirz) Tatsächlich überwanden die Grünen bei dieser Wahl das alte Trauma, dass das Resultat schlechter ausfiel als die Prognosen. Begeisterung kam bei 9 % (mit einem minimalen Plus gegenüber 2003) am Wahlabend dennoch nicht auf: „Wir waren total müde und auch traurig und enttäuscht. Wir hatten ehrlich gesagt mehr erwartet. Die Wahlparty war verhalten, das war keine Stimmung zum Jubeln …“ (Leo) Der Regierungssitz war aber gerettet – und langfristig betrachtet, fiel an der Wahlanalyse noch mehr auf: bei den StammwählerInnen war „… die Fortführung der schwarz-grünen Koalition ein wichtiges Motiv für eine Stimme für die Grünen“ 340. Die Anhängerschaft war nach der Regierungsbeteiligung nicht abgefallen, sie hatte diese als Ziel akzeptiert.
4.5 Alle zurück im Boot – die neue Regierung Machtpolitisch gesehen war aber der große Sieger dieser Wahl die ÖVP. In der Landesregierung verfügte sie im Unterschied zur letzten Periode nun über die absolute Mehrheit (VP 5, SP 2, FP 1, Grüne 1); im Landtag über die Hälfte der Mandate (VP 28, SP 14, FP 9, Grüne 5). Damit war im Landhaus kein Beschluss gegen die Volkspartei mehr möglich. Die Grünen konnten anders als 2003 in den Parteienverhandlungen nicht mehr das Zünglein an der Waage spielen (damals stand es in der Regierung 4 ÖVP : 4 SPÖ : 1 Grüne). Die ÖVP-Führung hatte zwar schon vor den Wahlen mit einer Neuauflage der schwarz-grünen Ehe geflirtet. Ihr stand aber diesmal ein zweiter möglicher Partner zur Verfügung – die SPÖ, denn dort war fest mit dem Abgang von „Lieblingsfeind“
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Erich Haider zu rechnen. Eine große Koalition bevorzugte vor allem wieder die Wirtschaft. Sie kam damit jedoch neuerlich nicht durch und wollte deshalb wenigstens das Energieressort zurückholen. Ein grüner Verhandlungsteilnehmer: „Die haben uns in den Verhandlungen ein Paket hergelegt, das hätten wir vom Kraftwerksbau her gar nicht umsetzen können, also eine reine Provokationslinie. Das eine war die große Gruppe, dann hat es immer Pühringer-Anschober-Runden gegeben.“ (Hirz) Abgesehen vom guten persönlichen Verhältnis von Pühringer und Anschober aber neigten, zumindest nach dem Eindruck ihres Gegenüber, „sicherlich Strugl (Landesgeschäftsführer), Stelzer (Klubobmann), Stockinger (damals Agrar-Landesrat, Anm. d. Verf.) und eigentlich auch Hiesl (Bau-Ressort-Chef) …“341 wieder zu Schwarz-Grün, also die Spitzen von Regierung, Fraktion und Partei. Die hatten offensichtlich auch das Sagen – die Koalition ging in die Verlängerung, mitsamt Energieressort für die Grünen. Sie konnten damit ihr Gesicht wahren, nicht zuletzt nach innen; das war von der ÖVP auch genauso beabsichtigt. Damit war auch die hohe Zustimmungsrate nicht gefährdet, die das Bündnis in der grünen Wählerschaft bereits genoss. Die schwarzen Strategen aber studierten mit Interesse einen anderen Trend: unter den ÖVP-Wählern hielt inzwischen eine Mehrheit von 45 % Schwarz-Grün für die „beste Koalition für Oberösterreich“, nur eine Minderheit von 19 % hingegen Schwarz-Rot.342 Darüber hinaus brauchte die VP-Führung in Oberösterreich realpolitisch einen Dauerpartner, auch bei 50 % der Landtagssitze: „Das ist eine Sperrmajorität. Es kann gegen uns nichts passieren, aber wir können auch nichts durchbringen. Es gibt große Herausforderungen. Das Budget ist die Kernfrage, wir haben die Verwaltungsreform am Laufen, wir haben die Spitalsreform am Laufen, wir haben die Wirtschaftskrise, die noch nicht ausgestanden ist …“ (Hattmannsdorfer, 2010) Tatsächlich beklagte der Landesrechnungshof ein „strukturelles Defizit“343 im Haushalt, mit 2011 waren endgültig alle Rücklagen verbraucht, der Spardruck stieg – er war so drängend, dass die ÖVP sich gleichzeitig auch die anderen Regierungsparteien verpflichten wollte, anders als 2003: „Im Unterschied zu damals haben wir jetzt auch eine Vereinbarung mit Rot und mit Blau. Es gibt eine Koalitionsvereinbarung Schwarz-Grün und es gibt in den wesentlichen Themenfeldern auch Arbeitsübereinkommen mit FPÖ und SPÖ. Das Ziel ist ein alle Parteien übergreifender Schulterschluss. Nur brauchst du trotzdem mit einem Partner eine Koalition, denn es werden nicht alle Parteien immer überall mitgehen.“ (Hattmannsdorfer) Wenn das Bild gestattet ist: Die Grünen waren zwar weiter in der Rolle der „Lieblingsfrau“, aber sie waren nicht mehr die einzige – ihre Position im gemeinsamen Haushalt war nun weniger komfortabel: „Es sitzt uns eine gestärkte ÖVP gegenüber
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und es ist etwas schneller die Drohgebärde da, dass man auch andere Mehrheiten bekommen kann, was in der letzten Periode kaum der Fall war.“ (Hirz, 2010) Alle Landtagsfraktionen waren auch in der Regierung vertreten, alle hatten mit der stärksten ein Abkommen geschlossen – wo blieb da eigentlich die Opposition? Den Regierungsproporz zu liquidieren, das fand sich auch in der schwarz-grünen Vereinbarung nicht mehr als Ziel, obwohl sich einst ÖVP-Chef Pühringer und aktuell Grünen-Sprecher Anschober dazu bekannt hatten. Die Grünen löckten zwar nun öfter öffentlich wider den Stachel, etwa bei Straßenbauprojekten wie dem Linzer Westring, das war innerparteilich auch eingefordert worden – aber selbst dieser „Freiraum“ war abgesprochen worden bei den Verhandlungen mit der ÖVP. Die Freiheitlichen wiederum versuchten sich in einer Doppelrolle: sie bezogen die Regierungsbank und hielten im Landtag gleichzeitig Brandreden gegen das Budget – um ihm dann in Teilen zuzustimmen. Insgesamt aber blieb das System damit unangetastet. Das galt auch für die SPÖ – eine Abkehr vom Proporz kam für sie nicht infrage. Sie hatte die Hälfte ihrer Regierungssitze verloren, den Rest auch noch aufzugeben, hätte die personellen und finanziellen Ressourcen weiter ausgetrocknet: „Es gab null Willen bei uns, da etwas zu ändern, weil gerade nach dieser Wahl klar war: wir wären damit weg von jeglichem Fenster gewesen. Selbst mit den immer noch 25 %, so traurig die sind, wären wir in Opposition gewesen und hätten noch drei Sekretärinnen im Klub gehabt – sonst hätte es nichts mehr gegeben.“ (Makor, 2010) Die Sozialdemokraten zogen sich zwar nicht in die Opposition zurück, dennoch konnten sie nach diesem Wahlergebnis nur einen geschrumpften Teil ihres Reiches halten. Josef Ackerl, inzwischen neuer Parteichef, rettete „sein“ Sozialressort – allerdings sollte die Vereinbarung nur für die Zeit gelten, in der der damals 63-Jährige es selber führte. Danach war die Partei der Gnade der ÖVP ausgeliefert – und das nicht nur in dieser Frage: „Es war sehr demütigend, wir konnten uns aber nicht in Schmollwinkel zurückziehen. Es musste z. B. Personal aus zwei Regierungsbüros versorgt werden, dazu auch Organisationen in der Zukunft. Man braucht die Partei, die plötzlich fast die absolute Mehrheit hat, um uns selber am Leben zu erhalten … Du hattest eh schon verloren und konntest nicht den starken Macker spielen, sondern musstest in manchen Fragen zu Kreuze kriechen.“ (Makor, 2010) Den zweiten großen politischen Besitzstand, die Wohnbauförderung, musste die SPÖ überhaupt aufgeben: „Es hat nicht nur den Versuch gegeben, uns abzuräumen, es ist auch konkret geschehen. Der Entzug des Wohnbauressorts, das seit jeher ein Kernressort der SPÖ war, ist eine massive Beeinträchtigung unserer Befindlichkeit … Es ist etwas zurückgeblieben, etwas, das nicht vergessen wird.“ (Ackerl)
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In der politischen Kommunikation jedoch konnte und wollte Ackerl nicht mehr mit den Mitteln von Vorgänger Haider zurückschlagen: „Es ist ja lächerlich. Ich kann mit öffentlichen Inszenierungen drohen. Nur haben die Leute diese Art von Politik mit Inszenierung satt. Wenn du heute überschlau bist und glaubst, du musst Spielchen spielen, bist du in so einer Konstellation (in diesem Fall der klaren Überlegenheit der ÖVP, Anm. d. Verf.) falsch aufgestellt.“ (Ackerl) Die Konflikt-Rhetorik war Vergangenheit – und nicht nur die Rhetorik. Ein neuer politischer Kurs stand an oder besser die Rückkehr zu einem alten: Ackerl löste Haider auch ab, weil Parteigranden wie der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch an einem entspannten Verhältnis zur ÖVP interessiert waren: „Von meinem Freund Dobusch wurde es so gesehen, dass der Tausch Haider–Ackerl in den Verhandlungen mit der ÖVP etwas bringt und bringen muss – aber auch dass die SPÖ durch mich mittel- und längerfristig wieder als Partei wahrgenommen wird, wo die konstruktiven Elemente im Vordergrund stehen, sowohl inhaltlich als auch personell.“ (Ackerl) Manche roten Reichsfürsten sahen offensichtlich keine Vorteile in einer Dauerfehde mit den Herren im Landhaus. Großprojekte mit Prestige-Appeal z. B. waren ohne Schulterschluss mit der schwarzen Landesführung völlig aussichtslos, dafür war die neue Autobahn für Linz nur das jüngste Beispiel. Schon die reine Interessenpolitik sorgte also dafür, dass die oberösterreichische SPÖ von ihrem Konfrontationsabenteuer geheilt war. Sie kehrte wieder zurück ins Boot. In der Verfassung, das Steuer übernehmen zu können, war sie freilich nicht.
4.6 Die SPÖ – der (selbst) gefesselte Riese Die Sozialdemokraten leiteten eine Parteireform ein (unter dem Titel „morgen.rot“), eine andere Wahl blieb ihnen auch gar nicht. Ihr waren 2009 ganze Wählerschichten fast komplett weggebrochen: Für die unter 30-Jährigen war sie 2009 mit nur 12 % überhaupt die uninteressanteste aller Landtagsparteien (!); unter den Angestellten hatten bereits genauso viele grün gewählt wie rot (15 %; ÖVP : 49 %)344: „Es wird sich organisatorisch etwas ändern müssen, es wird sich strukturell etwas ändern müssen und es wird sich kommunikativ etwas ändern müssen“, gab der neue Parteichef Josef Ackerl vor. Er war für schonungslose auch interne Kritik bekannt: Beim Aufstieg in die Landesregierung 1993 z. B. war er auf die Stimmen der ÖVP angewiesen gewesen – seine eigene Landtagsfraktion hatte ihm damals die Gefolgschaft verweigert, weil er die Genossen zuvor in Versammlungen öffentlich gerügt hatte. Jetzt musste man ausgerechnet bei ihm anklopfen – die Lage musste tatsächlich äußerst ernst sein.
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4.6 Die SPÖ – der (selbst) gefesselte Riese
Wie ernst, das wird bei einer „Langstrecken“-Analyse der Daten deutlich, z. B. der Landtagswahlergebnisse über vier Jahrzehnte: LANDTAGSWAHLEN OÖ/LANGFRISTVERGLEICH 1967 1997 ÖVP 45,2 % 42,7 % SPÖ 46,0 % 27,0 %
2009 46,8 % 24,9 %
1967 herrschte annähernd Gleichstand, 30 Jahre später stand die oberösterreichische VP nur um 2,5 Prozentpunkte schlechter da – ein beachtliches Ergebnis angesichts von Kreisky-Ära und Jörg-Haider-Effekt. Die SPÖ hingegen hatte im Vergleich zu 1967 bereits 19 Prozentpunkte verloren. 1998 übernahm Erich Haider die Obmannschaft; sein Zwischenhoch 2003 war trügerisch, das Langfristtief konnte auch er nicht aufhalten: Über vier Jahrzehnte gerechnet hatte die SPÖ 21 Prozentpunkte eingebüßt, ihr Reservoir war bis auf den innersten Kern zusammengeschmolzen; die ÖVP hatte fast zwei Prozentpunkte dazugewonnen und sich mindestens stabilisiert. Sie hatte sich auch schlicht besser angepasst – beim politischen Programm zum Beispiel, wo die VP den Sozialdemokraten den Raum eng machte: Pühringer rühmte sich zum Beispiel im Wahlkampf 2009, das Land habe in der heraufziehenden Wirtschaftskrise für mehr als 100 Betriebe Haftungen übernommen. Das war Staatsinterventionismus pur und zur selben Zeit etwa in Salzburg undenkbar. Dort lehnte nicht nur die ÖVP solche Ansinnen aus der Industrie ab, sondern auch die rote Landeshauptfrau Gabi Burgstaller.345 Zugespitzt formuliert, war die oberösterreichische Volkspartei „sozialdemokratischer“ als die Salzburger SPÖ. Sie hatte es seit jeher für taktisch geboten gehalten, nach links Richtung Mitte zu rücken, angesichts der „nach Wien stärksten sozialistischen Strukturen, mit Linz, Steyr, Wels, Leonding, Traun usw.“346: „Uns wird ja nachgesagt, dass wir die linkeste VP Österreichs sind. Wir sind nicht Tirol oder Salzburg, das von den Strukturen her der ÖVP viel mehr entgegenkommen würde als Oberösterreich. Wir sind von der Struktur her nicht schwarz. Eine ÖVP, die bei uns eine Volkspartei sein will, muss mittig sein und mehr nach links hineinstrahlen als im heiligen Land Tirol.“ (Hattmannsdorfer) Dieses Bewusstsein, die Mehrheit gegen die Verhältnisse immer wieder neu erobern zu müssen, sitzt auch bei jüngeren Parteikadern der Volkspartei sehr tief. Es reicht aber viel weiter zurück und es förderte offenkundig schon sehr früh die Professionalisierung: bereits Anfang der 60er-Jahre wurden in den Wahlkämpfen der ÖVP „Strukturdaten, Meinungsumfragen und empirische Befragungsmethoden“ eingesetzt, mehr als ein halbes Jahrzehnt vor den Sozialdemokraten.347
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Ein historische Scheidemarke war auch unter diesem Gesichtspunkt das Jahr 1967: damals, bei Gleichstand der Mandate, als es so knapp war wie nie zuvor und auch wie niemals mehr danach, rettete die ÖVP den Landeshauptmann – und sicherte sich damit den Amtsbonus, dessen Wert unschätzbar war. Diesen nutzte sie dann auch konsequent: in der Frage nach der „Landeshauptmannpräferenz“ lagen schon die Vorgänger Josef Pühringers stets vorne und das über Jahrzehnte hinweg. Selbst Erwin Wenzl, der den vergleichsweise geringsten Vorsprung erreichte, schlug Josef Friedl (SPÖ) mit 40 : 33 %; zu Spitzenzeiten vergrößerte Josef Ratzenböck den Abstand auf 66 : 17 % (zu Karl Grünner)348. Die ÖVP wusste eben um die spielentscheidende Bedeutung des Spitzenkandidaten (siehe den Exkurs oben) – eine Erkenntnis, die sich den Sozialdemokraten verschloss oder die sich dort nicht durchsetzen ließ. „Nach der Prämisse ‚Wer ist der Attraktivste auf dem Wählermarkt?‘ hat die oberösterreichische SPÖ nie gehandelt. Sonst hätten wir wahrscheinlich schon den LH.“ (Peischer) Der Unterschied war: der ÖVP kam es darauf an, dass ihr Kapitän vom Publikum geliebt wurde – der SPÖ nur, dass ihm die eigene Mannschaft akklamierte. Eine Auswahl nach den Kriterien des Politmarketings, wie in Salzburg, war der oberösterreichischen SPÖ vor dem Desaster 2009 völlig fremd – das bezeugte in einem Gespräch in dieser Zeit Christian Makor, der beide Landesparteien gut kennt, in den 90er-Jahren die Salzburger SPÖ-Reform mitbetrieb und dann Landtagsabgeordneter in Oberösterreich wurde: „In Oberösterreich merke ich nix von einem Ansatz, wo man sagt, soll man nicht danach aussuchen, was die Wähler wählen – das ist noch kein Thema. Die ursprünglichen Machtzentren reklamieren die Positionen noch für sich, die sagen: ‚Wenn der zufällig auch noch beliebt ist, werden wir nicht dagegen sein …‘“349
Szenen aus Oberösterreich Der Musterschüler Design Center Linz, Mitte April 2009. Nach offiziellen Angaben 3000 Delegierte sind wenige Monate vor den Landtagswahlen aufmarschiert zum 40. Landesparteitag der oberösterreichischen SPÖ. „Schluss mit der Gier – GERECHTIGKEIT“ leuchtet es in weißer Schrift auf rotem Grund von einem Riesenflatscreen und Spitzenkandidat Erich Haider soll jetzt eigentlich eine flammende Rede halten. Selbst Parteigängern ist aber nicht verborgen geblieben, dass Haider vor der Kamera „unsicher und verkrampft“350 erscheint; eine Eigenschaft, die er aber nicht nur im
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Fernsehen, sondern auch auf Parteitagen nicht ablegt. Stellvertreter Ackerl hält die bessere Rede: zornig, authentisch, immer wieder in Dialekt fallend („Net bei de’ Bankn des Göd aussehaun und bei de Klan einespoan“) – während Haider, aufgestiegen aus kleinsten Verhältnissen, einziges Kind der Familie mit Erlaubnis zum Besuch des Gymnasiums, immer noch an einen Musterschüler erinnert, der ständig beweisen muss, was er alles weiß. Er spricht eine dreiviertel Stunde lang frei auf der Bühne und sagt dabei doch nur eine Rede auf – ein Aufsteiger, der seinen Platz behaupten will und dem man das anmerkt. Die Gedächtnisleistung ist enorm, nicht einmal mit einem Beistrich weicht der Vorsitzende vom Manuskript ab. Die Arme bewegt er dabei kaum; die Augen leuchten am meisten, wenn er von „25 % Zuschuss für die thermische Sanierung“ schwärmt. Ansonsten sagt er Sätze wie „Wir schöpfen Kraft aus unseren Werten“ oder „Nichts war Pühringer, dem Religionslehrer, heilig“. Der anti-klerikale Reflex reicht für ein Kichern im Saal, nur dass wir uns nicht mehr in den 30er-Jahren befinden und im Hotel Schiff351, sondern in einem Kongresszentrum aus den 90ern. „Solche Parolen san hoit Rhetorik“, seufzen Delegierte im Kulissengespräch, „oba die Luft is heraußen.“ In der oberösterreichischen SP war man eben noch mehr mit „Werthaltungen, Ideologien, Inhalten unterwegs“ – in den Augen eines Salzburger SPÖ-Strategen war das bereits die „Welt von gestern. Die Welt von morgen ist: Gefühle und Stimmungen aufzubauen.“352 Die Weigerung, sich den Gesetzen des Wählermarkts zu unterwerfen, kostete natürlich „Umsatz“. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich 2009 nannten nur 30 % der SP-Wähler den Spitzenkandidaten als Wahlmotiv, Gabi Burgstaller in Salzburg kam im selben Jahr bei der gleichen Frage auf 69 %353. Doch in Oberösterreich war auch nicht durchzusetzen, was in Salzburg praktiziert worden war: nicht die mächtigste Person auf den Schild zu heben, sondern die beliebteste. Dafür genügte – wenn wir uns an den Salzburg-Abschnitt erinnern – die Kraftanstrengung von zwei Parteidominatoren: Gerhard Buchleitner, Landesparteiobmann (der dies hätte bleiben können; er hatte bei den Landtagswahlen zuvor deutlich zugelegt) und Othmar Raus, Landesrat und starker Mann im Hintergrund (der es hätte werden können).354 Für solche Entscheidungen der kurzen Wege aber war die oberösterreichische SPÖ zu groß, zu komplex und wohl auch zu schwerfällig: „Die Parteiorganisation ist in Oberösterreich stärker als in Salzburg. Selbst in den entlegenen Gebieten wie dem Mühlviertel haben wir noch eine Parteistruktur, die wesentlich dichter ist als in Salz-
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burg, mit dem gesamten Umfeld. Da nehme ich dazu die Kinderfreunde, die Naturfreunde usw. …“ (Makor, 2008) Die Zahlen bestätigen diesen Eindruck: gemessen an der Gesamtbevölkerung, beträgt der Anteil an SPÖ-Mitgliedern in Salzburg 1,5 %, in Oberösterreich 2,9 % – er ist also doppelt so hoch. In Salzburg war der 1.-Mai-Aufmarsch bereits seit Ende der 80er-Jahre abgeschafft, in Linz war er immer noch eine Art sozialdemokratische Heerschau:
Szenen aus Oberösterreich 1. Mai in Linz – Leistungsparade mit Wasserski Er ist ein warmer, trockener Tag, dieser 1. Mai in Linz355; sogar der Wettergott scheint Sozialdemokrat zu sein beim Festzug der Linzer SPÖ, der nach Eigeneinschätzung „größten politischen Veranstaltung des Jahres“. Fast einen Vormittag lang defilieren vor der Ehrentribüne auf dem Linzer Hauptplatz ununterbrochen Sektionen und Ortsgruppen, Vereine und Teilorganisationen vorbei: Kinderfreunde und Naturfreunde, Volkshilfe und Freiheitskämpfer; Gewerkschafter und Manager, Studenten und Pensionisten, die Großmütter im rotem Strick und die Enkerl im Turndress; die Voestalpine-Arbeiter marschieren auf und die Magistratsbediensteten der „Unternehmensgruppe der Stadt Linz“, dazwischen eine türkische DachOrganisation, Serbenklubs und Bosnier in Tracht, gefolgt von der „Sektion Frankviertel“ in roten T-Shirts; auf einem eigenen Wagen stellen Ärztinnen im weißen Kittel und Schwestern des AKH Linz ein Krankenzimmer nach, auf einem anderen demonstriert die Berufsfeuerwehr Einsatzbereitschaft in Helm und Schutzkleidung, hinter ihnen entzünden indessen Stahlarbeiter in blauer Montur bengalische Feuer. Vorne regiert die Voestalpine – streng unterteilt in „Kaltbandveredelung“, „Feuerverzinkerei“, „Technisches Service“ usw. – hinten der ASKÖ: Judoka führen Würfe vor, Radler ihre Mountainbikes, der Hundesportklub einen Kampfhund – denn dies ist ja ein „Tag zum Kämpfen“, hat der Begrüßungsredner anbefohlen. Viele begrüßt er namentlich – Obmänner und Gemeinderäte sowieso, aber auch Magistratsdirektoren und Vorstandsdirektoren (sie werden umstandslos dem Reich der Partei zugerechnet); dazu Veteraninnen wie „Unsere Poldi“, die Freiheitskämpferin; Franz Ruhaltinger wird eigens hervorgehoben, ja der Franz Ruhaltinger – in Linz wird niemand verstoßen von der SPÖ, auch wenn er der „Bewegung“ imagemäßig nicht gerade geholfen hat. Dazwischen werden zur Auflockerung Blaskapellen eingeschoben, immer wieder Blaskapellen, die Voestalpine-Kapelle und die Magistrats-
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musik, die Musikkapelle der ÖBB und die aus Ebelsberg … Übertönen kann das alles nur einer – der Zeremonienmeister. Er heißt Klaus Luger, ist, wie praktisch, nicht nur Planungsstadtrat, sondern auch gleich Baustadtrat und kann auf diese Weise allen etwas versprechen: der „Neuen Heimat“ ein Sportheim, dem ASKÖ Zöhrdorf ein neues Vereinsheim, der Sektion „Keferfeld-Oed“ Wohnungen – und die „Urfahraner Sektionen“, was bekommen die eigentlich? Sie haben schon etwas bekommen – die Verlängerung der Straßenbahn vom Pöstlingberg bis zum Hauptplatz. Die Linz AG mit ihrem „City Runner“ ist bereits stolz eingefahren. Ihm folgt eine Kolonne von Müllautos, Kanalräumfahrzeugen und schließlich Bestattungswägen – die Partei ist immer zur Stelle, in jeder Lebenslage, sie ist die „Linz-Partei“ (so steht es jedenfalls auf dem Logo). Wie bei Familienfesten üblich, führen die Verwandten ihre Errungenschaften vor: den Judowagen zieht ein Mercedes, man hat es zu etwas gebracht. Und man darf sich als Teil einer großen Gemeinschaft fühlen: „No amoi!“, fordern die Studenten, als der Feuerwehrler sein Folgetonhorn aufheulen lässt; „Hallo, Werner!“, rufen sie und der Werner winkt zurück. Hier wird er noch wörtlich genommen, der Begriff der „Mutter“-Partei. Sie umarmt alles, was sich rührt und regt in dieser Gesellschaft und sie gliedert alle ein in den Festzug: den „Hrvatski Dom“ (einen Kroatenklub) ebenso wie den „Alavitischen Kulturverein Wels“ und natürlich auch die SOHO, die „Sozialdemokratische Homosexuellen-Initiative“ (ihr wird auch etwas versprochen, der Spatenstich für eine neue Zentrale). „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe“ – die Transparente werden jetzt drängender; die „Black Community“ mahnt „Unser Kakao in euren Häferln“ oder „Unsere Diamanten bei euren Juwelieren“ – eine Leistungsbilanz, die ans schlechte Gewissen appelliert. Punks in genieteten Jacken mit Irokesenfrisur und rotem Kammhaar sind auch da, sie stiefeln neben einer Flagge her, die das Projekt „Skinheads against Racial Prejudice“ propagiert – in Linz sind sogar die Skins politisch korrekt. Ist das die Sozialdemokratie,wie sie einmal gemeint war? Jedenfalls, sofern sie an ihre eigenen Illusionen glaubte. „Wir kämpfen für die Absicherung von dem, was unter Bruno Kreisky geschaffen worden ist …“, gibt der Conférencier oben als Parole aus in diesem Moment – auf jeden Fall ist das offensichtlich eine Sozialdemokratie, die ihre Tradition nicht kappen will. Zwei Stunden dauert es, bis alles vorbei ist, von den Studenten ganz am Anfang, die mit Zigarre im Mund und Champagnerglas in der Hand „Kapitalisten“ parodieren bis zu den sozialdemokratischen Wasserskifahrern am Ende, die selber schnit-
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tige Boote im Schlepptau haben; zwei Stunden, in denen wir z. B. auch erfahren, dass im „SK VOEST mit seinen 22 Sektionen“ immer noch Faustball gespielt wird. Aber Faustball? Wer sonst spielt eigentlich noch Faustball in diesem Land? Und wer braucht noch eine solche SPÖ? Gewiss – dieser Mai-Aufmarsch des Jahres 2007, der ist „so lang und so großartig gewesen wie lange nicht“, wie Bürgermeister Dobusch findet, der Familienpatriarch. Er hat die Parade am Hauptplatz schon 20-mal abgenommen. Linz, diese Festung, ruft er zur „sozialdemokratischen Musterstadt“ aus – nur: Reicht das, um „2009 stärkste Kraft in Oberösterreich zu werden“, wie Dobusch das seinem Landesparteiobmann vorgibt? „Wahre Werte. Klare Haltung. Danke Erich Haider“ deklariert das Spruchband auf einem Postbus und der SP-Vorsitzende referiert die üblichen Forderungen: Einkommensgerechtigkeit („Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer“), Pensionssicherheit, kein Verkauf des Familiensilbers. Kann so ein Programm die Massen fesseln? Es bräuchte dazu die richtigen Personen. Doch während die Politikerreden beginnen, hat sich ein Teil des Publikums auf dem Linzer Hauptplatz schon wieder verlaufen … Hier inszenierte eine Partei vornehmlich sich selbst. Doch nach dem Schlüsselerlebnis von 2009 wuchs zumindest bei Mitgliedern der Reformgruppe die Erkenntnis, dass reine Selbstbespiegelung und schiere Größe nicht ausreichten – ja sogar zur Unbeweglichkeit führen konnten: „Das Wichtigste ist, dass wir als SPÖ uns öffnen … Sonst werden wir irgendwann eine 20 %-Arbeiterpartei, nicht schlecht, aber dann brauchen wir nie mehr davon reden, dass wir eine Volkspartei werden, die mehrheitsfähig ist. Wir müssen im 21. Jahrhundert ankommen. Das muss ein Prozess sein, der von draußen hineingetragen wird, indem wir den Otto Normalverbraucher, die Intelligenz, die jungen Leute, die in einer völlig anderen Welt leben, zu uns hereinholen.“ (Makor, 2010) Den Übergang sollte Ackerl bewerkstelligen, der – als Jahrgang 1946 – intern von vornherein versichert hatte, er habe es nicht auf die Spitzenkandidatur abgesehen. Das sollte der Partei auch spontane Diadochenkämpfe ersparen; ein „logischer“ Nachfolger stand zudem ohnehin nicht bereit. Ackerl, ein Sozialdemokrat vom alten Schlag, denkt zwar nicht daran, der Partei nun ein Slickprofil zu verpassen („Die entscheidende Frage ist die der Verteilungsgerechtigkeit“)356. Bei der Selektion der künftigen Führung sollen aber die Reaktionen der Außenwelt ein Kriterium sein: „Die Person muss schon Inhalt und Außenwirkung zusammenführen, aber diese ist ein zweiter entscheidender Teil. … Ein Politiker muss ein Generalist sein. Es muss aber auch jemand sein,
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der doch in der Lage ist, vom Erscheinungsbild her, vom kommunikativen Verhalten her als vermittelbar zu gelten.“ (Ackerl)
4.7 Gewinner und Verlierer Wenn jüngere Parteireformer so wie oben eine „Öffnung“ der SPÖ fordern, ist auch gemeint, sich von alten Machtblöcken bzw. deren traditionellen Ansprüchen zu befreien, die inzwischen als Mühlsteine empfunden werden. Ein führender sozialdemokratischer Betriebsrat der Voestalpine zum Beispiel belastete durch eine Dienstwagendebatte („Soll ich mit dem Goggomobil fahren?“)357 nicht nur den Arbeiterkammerwahlkampf, sondern auch die Landespartei – der Mann hatte ein Landtagsmandat der SPÖ inne. Das besetzten die „Voestler“, eine der größten SP-Sektionen in Österreich überhaupt, seit Menschengedenken. Nach dem Wahlfiasko von 2009 aber war nichts mehr wie vorher und auch mit diesem Gewohnheitsrecht wurde gebrochen: „Die Frage war, kriegt das Mandat der Provinzler aus dem Innviertel oder der Voestalpine-Betriebsratsvorsitzende … Man hat sich für die Bezirke entschieden, was ich als ein Zeichen gesehen habe. Das wäre vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen.“ (Makor, 2010) Der neue Parteivorsitzende begründete das Votum zwar mit der dramatisch geschrumpften Zahl der Mandate. Er stellte aber auch unmissverständlich klar: „Die Voestalpine ist als größte Parteiorganisation von uns eine wichtige Organisation. Das hat in der Kreisky-Ära eine Rolle gespielt, aber das spielt keine Rolle mehr, dass man wegen der Voestalpine etwas nicht tut.“ (Ackerl, 2010) Die Vetomacht der Stahlfraktion wurde eingeschmolzen. Noch ein Jahrzehnt zuvor hätte ein SP-Parteichef eine solche Aussage nicht wagen können – doch diesmal waren die Gewerkschafter an der Entscheidung über den Führungswechsel nicht einmal mehr beteiligt gewesen.358 Der Machtverlust war fast historisch: „Die Gewerkschaft hat früher eher mehr Einfluss auf die Partei ausgeübt als umgekehrt. … Aber die Gewerkschaft hat auch in Oberösterreich an Macht verloren. Die Gewerkschaft ist weit entfernt davon, dass sie sagt, wer Nachfolger wird.“ (Peischer) Zu beweglich sind die Wählermassen geworden und zu inhomogen, als dass es sich Parteiführungen noch leisten könnten, nur die Interessen der intern am stärksten repräsentierten Kernklientel zu befriedigen. Zudem hatten deren Interessenvertreter im einstmals „eigenen“ Stadion längst kein Heimspiel mehr – in der verstaatlichten Industrie. Seit den 8oer-Jahren waren gerade auch in Oberösterreich große Komplexe privatisiert worden, das hatte die Machtgleichgewichte verschoben.359 Peter Mitterbauer, seit 1988 Präsident der oberösterreichischen und dann bis 2004 der österreichischen Industriellenvereinigung und später Aufsichtsratspräsident der ÖIAG: „Sie dürfen
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nicht vergessen, dass auch die Sozialpartnerschaft – oder die rote Seite als solche – im Verlauf der letzten Jahre schwere Schwächungen erlitten hat. Die Voestalpine ist durch die Privatisierung ein normales Unternehmen geworden … Dort sagt heute der Vorstand und nicht der Betriebsrat, was Unternehmenspolitik ist … Die Macht der Gewerkschaften in der eigenen Partei ist geringer geworden, ganz eindeutig, in ganz Österreich und insbesondere auch in Oberösterreich. Damit hat sich aber auch der Einfluss der Sozialpartnerschaft abgeschwächt, auch hier in Oberösterreich, eindeutig.“ Mit der Herrlichkeit der Verstaatlichten war auch die der Gewerkschaften geschwunden, ein Prozess, der schon seit Jahrzehnten währte und natürlich nicht auf dieses Bundesland beschränkt blieb. Doch die neue Regierungsform in Oberösterreich kostete zusätzlich Einfluss. Die schwarz-grüne Koalition habe sich „auch auf die Sozialpartner gewaltig ausgewirkt“ klagt die Arbeiterkammer. Auch langjährige Beobachter der oberösterreichischen (Wirtschafts-)Politik sind davon überzeugt, wie der Ökonom Friedrich Schneider von der Universität Linz: „Das ist durch diese Koalition geschehen, weil natürlich die rote Reichshälfte nicht in der Koalition war, hat sie an Macht und Einfluss verloren. In der Regierung wurden (in der ersten Auflage von Schwarz-Grün, Anm. d. Verf.) die Nichtkoalitionsparteien, wenn sie was anderes wollten, immer überstimmt … Dadurch, dass die SPÖ nicht im Koalitionspakt war, hat sie an Einfluss verloren und das spiegelt sich in ihren Interessengruppen wider.“360 Aber entstand dieser Effekt tatsächlich vor allem aus der Zaungastexistenz der Sozialdemokraten unter Schwarz-Grün? Vermutlich ist dies nur ein Teil der Erklärung. Auch Wissenschafter wie Schneider bestätigen, dass ganz generell „die Sozialpartnerschaft zurückgedrängt“361 werde; und führende Industriefunktionäre sind der Überzeugung, dass nicht nur das Gewerkschaftslager schwächer geworden sei: „Die Wirtschaftskammer ist eine Vorfeldorganisation der ÖVP, in den Bezirken draußen. Aber vergessen Sie nicht, was für ein Strukturwandel im Gang ist. Wie viele kleine Gewerbetreibende verschwinden, der ganze Handel ist in der Hand von Großketten, die total apolitisch sind, der kleine Schneider und der kleine Schuster sind verschwunden.“ (Mitterbauer) Ähnliches wie mit der Arbeitnehmervertretung vollzog sich also auch auf der anderen Seite des Tisches, in der Wirtschaftskammer. Sichtbar wurde es auch dort in Personalentscheidungen beziehungsweise im Selektionsmechanismus: Die neue ÖVPLandesrätin Doris Hummer kam zwar als Landesvorsitzende der „Jungen Wirtschaft“ aus der Kammer – aber sie war keineswegs von dieser nominiert worden, sondern die Kandidatin von Landesparteiobmann Josef Pühringer persönlich.362 Wirtschaftslandesrat Viktor Sigl, ein früherer Kammerpräsident, musste gar Ressortagenden an sie
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abgeben. Überhaupt scheint nicht nur mit Voestalpine-Betriebsräten, sondern auch mit Präsidenten der Wirtschaftskammer nichts mehr zu sein wie früher. Das belegen Zeitzeugen, die die Zeit des jetzigen Amtsinhabers Rudolf Trauner mit der Ära seines namensgleichen Vater vergleichen, der die Kammer von 1980 bis 1990 regierte: „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zum Sohn von Trauner, der ist ein hochanständiger Bursche, nur hat er aus meiner Sicht bei Weitem nicht den Grad an Freiheit, den sein Vater gehabt hat. Er ist sehr stark von der ÖVP abhängig … Bei der ÖVP ist es eine eklatante Machtverschiebung. Beim alten Trauner war das nicht so.“ (Peischer) Hat das neue Regierungsmodell gar insgesamt den Primat der Politik gefördert? Jedenfalls sprechen starke Indizien dafür. So blieben selbst Appelle der nationalen Sozialpartnerspitze in der Führungsriege der VP Oberösterreich ungehört: Christoph Leitl, Präsident der Bundeswirtschaftskammer und in Oberösterreich Landesobmann des Wirtschaftsbundes, hatte während der schweren Gefechte zwischen ÖVP und SPÖ öffentlich die Rückkehr zum Konsens gefordert, auch an die Adresse der eigenen Partei gerichtet. Das beeindruckte aber deren Führung wenig, die nicht an Waffenstillstand dachte, sondern den Kampf fortsetzte.363 Die Wirtschaft hatte weder die Macht, die Mutterpartei wieder mit dem alten Partner zu versöhnen, noch jene, die von ihr ungeliebte Ehe mit den Grünen zu verhindern. Die Sozialpartner waren ein Verlierer dieses neuen politischen Modells. Und die Gewinner? Einer war offenkundig die ÖVP. Ein klarer Beweis dafür ist allein schon das Wahlergebnis 2009. Es wäre zwar vermessen, das Plus der Volkspartei auf die Koalition mit den Grünen zurückzuführen – dafür waren andere Gründe ausschlaggebend (kein Gegenwind aus dem Bund, Überlegenheit beim Spitzenkandidaten, schwere Fehler des Gegners, professionellerer Wahlkampf ), sie sind in diesem Kapitel schon ausführlich dargelegt worden. Aber nicht nur kurzfristig, sondern auch auf lange Sicht hatte sich die ÖVP eine neue Option eröffnet und das, ohne unter ihr zu leiden. In einer Umfrage wenige Monate danach bewerteten 55 % der befragten Oberösterreicher die Neuauflage von Schwarz-Grün als „eher positiv“, in der ÖVPWählerschaft war dieser Anteil mit 72 % noch höher.364 Das „Experiment“ hatte der Partei nicht geschadet – schon das war eine wesentliche Erkenntnis angesichts einer völlig neuen Versuchsanordnung. Noch offensichtlicher waren die Vorteile für die Grünen. Unter ihren Sympathisanten war die Zustimmungsrate für die Koalition mit 96 % noch beeindruckender; bei den Wahlen hatten sie keine Stimmenanteile eingebüßt. Das war für eine Partei, die in der Opposition groß geworden war und nun erstmals selber in der Verantwortung stand, eine Bestätigung. Auch sie war mit dem neuen Schritt nichts ins Straucheln gekommen.
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Intern war die Begeisterung zwar nach wie vor nicht ungeteilt, dass man sich „wieder mit der ÖVP ins Bett gelegt“365 hatte; vor allem nicht im linken Flügel der Organisation. Aber der hatte keine Mehrheit – und strategisch hatte die in der österreichischen Parteiengeschichte noch junge Gruppierung ihr Hauptziel erreicht: Regierungsfähigkeit zu beweisen. Das attestieren auch ÖVP-nahe Beobachter: „Auf Bundesebene sagt man immer wieder, wären die Grünen doch nur in der Lage, den Schritt von der Oppositionspolitik zur Regierungspolitik im Sinn des Gestaltens zu machen … Das ist dem Rudi Anschober in Oberösterreich gelungen und er bringt sicherlich auch etwas zustande, was Gestaltung in seinem Ressort anlangt. Gerade im Umweltbereich muss man auch politisch klug agieren und das tut er.“ (Rohrhofer) Wie weiter oben gezeigt, birgt ein solches Lob auch Gefahren. Wer selber Teil der Regierung ist, kann nicht mehr so leicht mit dem Finger auf andere zeigen – die gerade zum Repertoire der Grünen gehörende Rolle des moralisch überlegenen Anklägers geht da rasch verloren. Anschober, der Landesrat, versuchte das in seiner zweiten Periode zu kompensieren, indem er sich auf der Bühne in bestimmten Szenen nun oppositioneller gab und auch gegenüber den kritischen Linzer Grünen Signale setzte (etwa mit öffentlicher Gegnerschaft zur neuen Linzer Stadtautobahn). Es fehlte auch nicht an Ratschlägen, „sich die Kunst einer mediengerechten Theatralisierung anzueignen und sich das Handwerk medialer Event- und Imagepolitik zu eigen zu machen“366. Doch in Wahrheit nahm man gewisse Risiken – zum Beispiel das der Profilabnutzung – zumindest teilweise bewusst in Kauf. Die Wachstumschancen wogen schwerer (die Grünen waren in diesem Fall keineswegs wachstumsskeptisch …). Nach sechs Jahren Regierungsbeteiligung im Land stieg die Zahl der grünen GemeindemandatarInnen 2009 um 30 %, auf mehr als 240; sie waren in 94 Gemeinden angetreten, in 30 mehr als noch 2003.367 Wie erfolgreich die Expansion der Grünen in Oberösterreich war, zeigt erst der Vergleich – z. B. jener zu Salzburg, einer Stammregion der Bewegung, in der sie an sich weit früher Wurzeln geschlagen hatte als im Nachbarbundesland: ENTWICKLUNG DER GRÜNEN (bei Landtagswahlen) OÖ
1991 3,1 %
1997 5,8 %
2003 2009 9,1 % 9,2 %
Sbg.
1989 6,2 %
1994 7,3 %
2004 2009 8,0 % 7,4 %
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Noch Ende der 80er-/zu Beginn der 90er-Jahre waren die Stimmenanteile der Grünen bei Landtagswahlen in Salzburg doppelt so hoch wie in Oberösterreich; auch Mitte der 90er waren sie in Salzburg noch größer. Bei den ersten Landtagswahlen des neuen Jahrtausends lagen die Oberösterreicher dann in dieser Wertung voran, sie hatten ihre Wählerquote verdreifacht, während die Salzburger fast auf der Stelle traten; 2009 vergrößerte sich der Abstand sogar noch – gar nicht zu reden vom neuerlichen Einzug in die Regierung, den die Salzburger Grünen bis dahin stets verfehlt hatten. Ihnen blieben damit ähnlich wie anderen Landes-Grünen auch Finanzierungsquellen verschlossen, zu denen man in Oberösterreich nun Zugang hatte: „Es war für ÖVP und SPÖ nicht mehr machbar, für grüne Einrichtungen, die mit ihren Vorfeldorganisationen vergleichbar sind, nichts zu geben. Man muss den grünen Frauen genauso was geben, wenn man den SPÖ-Frauen was gibt. Da haben sie uns bis 2003 ausgeschlossen gehabt. Das mag schon eine Folge der Regierungsbeteiligung sein, dass es für die Teilorganisationen einfach mehr Geld gibt.“368 Die Grünen waren in eine jahrzehntelang „geschlossene Gesellschaft“ (von Schwarz, Rot und Blau) eingedrungen, wovon auch die Untergliederungen profitierten. Gleichzeitig wuchs freilich an der Spitze das Bedürfnis, sich von beschwerlichem innerparteilichem Gepäck zu befreien. Klubobmann Hirz: „Du musst ja, wenn du verhandelst, ja oder nein sagen können, sonst bist du ja kein Verhandler – wenn du tausend Varianten hast und immer alles mit fünf Gruppen durchdiskutieren musst, dann schwächt das eigentlich die handelnden Personen. Diese Erkenntnis ist bei unseren Gremien noch nicht ganz angekommen, dass wir das nicht mehr so machen können, wie wir das immer gemacht haben, 20 Jahre lang, sondern dass das System schneller ist und man nicht alles rückkoppeln kann.“ Das lief auf nichts anderes hinaus als auf eine straffere Führung. Die Grünen sollen erwachsen werden – was allerdings mit der von Kind an gepflegten Liebe zur Basisdemokratie kollidierte: „Intern haben die grünen Funktionäre (auf die Regierungsbeteiligung, Anm. d. Verf.) so reagiert, dass sie die Kontrolle hochgefahren haben … Dadurch ist am Anfang fast ein internes Beschäftigungsprogramm für uns herausgekommen … Die Energie ist sehr stark gebunden. Das ist meiner Meinung nach etwas, wo wir besser werden müssen. Wenn wir jetzt in Richtung einer 20 %-Partei gehen wollen, um im Spektrum eine Rolle zu spielen, dann ist das eine Schlüsselfrage, die entscheiden wird, ob wir das Wachstumspotenzial, das wir haben, ausnützen können.“ (Hirz) Weiteres Wachstum funktioniert nur mit effizienterem Energieeinsatz – ein Satz wie aus dem Öko-Lehrbuch. Die grüne Führung will ihn auch auf die Politik anwenden. Sie sind eben auf dem Weg zu einer ganz normalen Partei, die oberösterreichischen Grünen.
5. Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren)
Faktenbox Kärnten war jahrzehntelang rotes „Territorium“. Von 1945 bis 1989 stellte die SPÖ ununterbrochen den Landeshauptmann, von 1970 bis 1989 regierte sie mit absoluter Mehrheit. Die Kärntner Volkspartei, eine der schwächsten Landesorganisationen der ÖVP, arbeitete meist mit ihr zusammen. Schon Mitte der 80er-Jahre jedoch erstarkte unter der Führung des neuen Parteiobmannes Jörg Haider die FPÖ. 1989 stieg sie zur zweitstärksten Partei auf; die SPÖ sank auf unter 50 % und Haider wurde mithilfe der ÖVP zum Landeshauptmann gewählt – zum ersten der Nachkriegszeit, der nicht aus der Sozialdemokratie kam. Es war der erste wirkliche Umsturz nach 1945 in einem österreichischen Bundesland (ausgenommen ein eher untypischer Fall im Burgenland); der rote Landesherrscher Leopold Wagner war, schwer angeschlagen durch ein Attentat und die öffentliche Kritik an der „Parteibuchwirtschaft“, bereits zuvor zurückgetreten. Haiders erste Periode an der Regierungsspitze blieb eine Episode, weil er schon 1991 nach seinem Lob für die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ in der Zeit der Nationalsozialisten von SPÖ und ÖVP im Landtag abgewählt wurde. Der ÖVP, obwohl kleinste Fraktion im Landtag, fiel danach mit Unterstützung der SPÖ für acht Jahre die Position des Landeshauptmanns zu. Bei den Landtagswahlen 1999 jedoch war der Umbruch nicht mehr aufzuhalten. Die FPÖ wurde erstmals stärkste Partei, die ÖVP öffnete die Tür zur neuerlichen Wahl Haiders zum Landeshauptmann. Diesmal bedeutete sie einen langfristigen Machtwechsel. Bis 2004 hielt sich die Haider-FPÖ als Nummer eins; sie schloss nun einen Vertrag mit der SPÖ ab (die sogenannte „Chianti-Koalition“), es war dies das erste Bündnis dieser Art in einem Bundesland – womit sich die Reihe der ständigen politischen Partnerwechsel in Kärnten fortsetzte, eine ansonsten in Österreichs
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5. Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren)
Regionalpolitik völlig ungewohnte Erscheinung. Dies blieb aber nicht die letzte Turbulenz. 2005 spaltete Haider österreichweit das blaue Lager und gründete das (orange) BZÖ. 2008, nach dem Tod des Parteiführers bei einem Autounfall, schien zunächst wiederum alles möglich. Bei den Landtagswahlen 2009 behauptete das BZÖ jedoch Platz eins und in Person von Gerhard Dörfler auch das Amt des Landeshauptmanns. Bereits etwas mehr als ein Jahr nach dem Hinscheiden des Gründers schlossen sich weite Teile des Kärntner BZÖ einschließlich Dörfler wieder den österreichischen Freiheitlichen an, unter dem Namen „FPK“. Dies wurde auf einem Parteitag Mitte Jänner 2010 bestätigt. Die – nun wieder – Blauen regierten zunächst mithilfe der ÖVP weiter. Dieses Modell wurde jedoch durch die Affäre um die Hypo Alpe Adria-Bank schwer erschüttert; sie war nicht nur ein Fall für einen Untersuchungsausschuss, sondern auch für den Staatsanwalt. Als Folge trat zunächst der ÖVP-Landesrat Josef Martinz 2012 von seiner Regierungsfunktion und dann auch als Parteiobmann zurück; wenig später tat es ihm sein Partner Uwe Scheuch von der FPK gleich. Bei den vorzeitigen Neuwahlen 2013 erlitt die FPK eine schwere Niederlage; die SPÖ eroberte sowohl die Position als stärkste Partei als auch die des Landeshauptmanns zurück; die Grünen, gestärkt durch die Rolle als Skandalaufdecker, gewannen deutlich, das Team Stronach zog in den Landtag ein. Erst mit diesem Ergebnis galt die Ära Haider politisch als beendet. Natürlich ist Kärnten anders. „Ich war nie stolzer darauf, ein Kärntner zu sein, als mit dir als Landeshauptmann. Kärnten ist anders und so soll es auch in deinem Gedenken immer bleiben“ – so steht es auf einem Dankesbrief an der Gedenkstätte in Lambichl, der Ortschaft knapp außerhalb der Landeshauptstadt Klagenfurt, wo der frühere Landeshauptmann Jörg Haider tödlich verunglückt ist. Wir schreiben den 25. Jänner 2009 und befinden uns mitten im Wahlkampf für die Landtagswahlen Anfang März. Vor mehr als drei Jahrzehnten hat hier im Süden Haiders politische Karriere begonnen, als Landesparteisekretär der Kärntner Freiheitlichen, an einem speziellen Ort: „… the young rebel was to cut his teeth in what for many counted as the most conservative province, the ‚deep South‘ of Austria, the realm of jolly red-necks and scenic lakes. The Carinthians could claim to be the founding fathers of the FPÖ. The party there retained a special flavor that set it apart from branches in the others provinces.369“ Später hat Haider als Erster die Konsensordnung der Nachkriegszeit aufgebrochen,370 nicht nur als Oppositionsführer im Bund, sondern auch in einem Bundes-
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land.371 Nach den Wahlen 1989 stürzt er mithilfe der ÖVP den Landeshauptmann, der seit 1945 stets aus der SPÖ gekommen ist – und wird das erste Landesoberhaupt in Kärnten, das nicht von der stärksten Partei gestellt wird. 20 Jahre danach, bei diesem Wahlgang 2009, wäre ihm die Nummer eins kaum noch zu nehmen gewesen, prophezeien seit Monaten die Umfragen.372 Jetzt soll Jörg Haider noch einmal Wahlen gewinnen, als Toter und inzwischen nicht mehr für die „Blauen“, sondern für das orange BZÖ.
Kärntner Szenen: Die Brückentaufe Gerhard Dörfler, sein Nachfolger als Landeshauptmann, tauft an diesem Tag Ende Jänner 2009 eines der größten Bauwerke Kärntens, die Lippitzbachbrücke, in Jörg Haider-Brücke um. Fast alles ist orange eingefärbt: Dörfler trägt einen teilorangen Anorak mit der Aufschrift „Kärnten baut“, das Mikrofon trägt Orange und der Mann mittleren Alters auf dem Weg zum Festplatz eine orange Kappe. Seine Trainingshose ist nicht orange. „Do siagst, wia da Jörg immer no ziagt“, brummt er angesichts von 700 Besuchern. Wie recht er hat: Der Mythos lebt. Dörfler beruft sich auf den Segen von oben: der Jörg persönlich habe ihm den Auftrag zum Bau der Brücke erteilt; womit diese, so der Verkehrsreferent, eine „historische“ sei. Der Stiftspfarrer von Gurk hat eine andere Vorstellung von „historischen“ Verdiensten: „Ich wünsche dieser Brücke, dass sie auch verbindet zwischen den Volksgruppen“, mahnt er; tatsächlich verbindet sie Bleiburg, eine der „Hauptstädte“ der slowenischen Minderheit, mit der Südautobahn. Heute muss sie aber eine andere Aufgabe erfüllen. „Der Lippitzbach is lei a Grob’n, i hob’ mei Herz verlorn im Lippitzbachgrob’n“, das sei Jörgs Lieblingslied gewesen, enthüllt Nachfolger Dörfler. Anschließend intoniert der „Männergesangsverein Petzen“ „Kärnten … Du bist mei Muatta und I bin dei Bua“ und dann das „Kärntner Heimatlied“, zusammen mit einer Blaskapelle. Dazu wird Kärntner Reindling verteilt. Die Brücke sei eine „von dort zu da, von drüben zu herüben“, formuliert Dörfler. Im Fach Politlyrik kann er mit seinem Vorgänger nicht mithalten. Aber er kann den Propheten als Zeugen anrufen: „Wir dürfen heute an Jörg Haider denken. Es war schön, mit ihm diese Brücke für die Ewigkeit zu bauen.“ Das schaffen nur die ganz Großen: Wenn sie sterben, überleben sie ihre Bauwerke …
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5. Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren)
Wahlen gewinnen mit Toten beschwörung: Gerhard Dörfler bei der Taufe der „HaiderBrücke“ im Landtagswahlkampf 2009
Bei den Landtagswahlen am 1. März treten die Orangen als „Liste Jörg Haider“ an (vollständige Bezeichnung: „Die Freiheitlichen in Kärnten – Liste Jörg Haider, BZÖ“) und fahren einen Erfolg ein: mit knapp 45 % übertreffen sie sogar noch das Ergebnis, das ein lebendiger Haider (damals noch als FPÖ-Obmann) 2004 erreicht hatte. Gerhard Dörfler bleibt Landeshauptmann.
5.1 Aufstiegshilfen In der oben beschriebenen Szene von der Brückentaufe finden sich einige der Klischees, die das Kärntenbild in der politischen Öffentlichkeit bestimmen: Singen, Feiern, sogar Führerkult, zumindest in Ansätzen. Keiner habe Kärnten so verkörpert wie Jörg Haider, schreibt der „Kurier“ nach seinem Tod und meint damit: „Leichte Lebenslust, dumpfe Ressentiments, übersteigerte Heimatliebe.“373
5.1 Aufstiegshilfen
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Reicht das, um die Erfolge des Kärntner Landeshauptmanns zu erklären? Sicherlich nicht – die Nationalismusfahne etwa hatten andere auch schon geschwungen: Leopold Wagner, nach dem schweren Ortstafelkonflikt in der SPÖ an die Macht gekommen, bekannte bei den Landtagswahlen 1975 „… in einem Zeitungsinterview, ein ‚höhergradiger Hitlerjunge‘ gewesen zu sein …“374. Solche und ähnliche Bekenntnisse zum Zwecke der „stabilen Identifizierung mit der Kriegsgeneration“ 375 waren demnach nicht neu, sie konnten den Unterschied nicht ausmachen; selbst kritische KärntenAnalytiker konzedieren, dass nach Untersuchungen der letzten Jahre „nur etwa ein Drittel der Haider-Wähler ihre Entscheidung aufgrund eigener rechtsextremer Identifizierungen“ getroffen hätten.376 Haider hatte zwar bei den Landtagswahlen 1984, bei seinen ersten Stimmengewinnen als Parteichef der FPÖ, ein Volksbegehren des Kärntner Heimatdienstes unterstützt, gleichzeitig jedoch schon damals ein zweites Hauptthema auf die Tagesordnung gedrückt: die Abschaffung der „Parteibuchwirtschaft“.377 Bei den nächsten Wahlen äußerte er sich sogar verächtlich über die „Deutschtümelei “ 378, die „Minderheitenfrage spielte … eine geringe Rolle “. 379 Nicht dies waren die entscheidenden Waffen beim Wahlsieg 1989, als Haider erstmals den Sessel des Landeshauptmanns eroberte – die Speerspitze im Wahlkampf bildeten die Parolen gegen Privilegien und Machtmissbrauch.380 Die schwersten Verletzungen bei der blauen Attacke bekamen die Roten ab, auch wenn, wie in vielen anderen Bundesländern, in Kärnten die Nachkriegspolitik „geprägt (war) von der Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP “ 381. Doch die SPÖ war die Landeshauptmannpartei, verfügte über die absolute Mehrheit und hatte von dieser auch Gebrauch gemacht. Der Regierungsstil von Leopold Wagner zum Beispiel – seine Herrschaftsperiode reichte von 1975 bis 1988 – hatte seine Konsequenzen, das leugneten SPÖ-Politiker der jüngeren Generation gar nicht – etwa Gerhard Seifried, bis 2011 Bürgermeister von Wolfsberg und Autor eines Interviewbuches mit Wagner und dessen Mitregenten382: „Leopold Wagner war ein Gigant in dieser 2. Republik, ähnlich wie es solche Figuren in anderen Bundesländern gegeben hat, der sich dieses Amt und diese Macht im Land erkämpft hat und der mit allen Mitteln versucht hat, dieses Amt und diese Macht abzusichern, indem er in alle Bereiche vorgedrungen ist, in die Personalpolitik, in den Lehrerbereich, in den öffentlichen Dienst. Wie es gewesen ist, bei vielen dieser Landesfürsten, sind da zum Teil auch die Demokratie und die innerparteiliche Demokratie auf der Strecke geblieben.“383 Die Angriffe an dieser Flanke waren entscheidend für den Durchbruch, bestätigt im Rückblick auch Andreas Mölzer, Vertreter des weit rechten Flügels in der FPÖ, unter dem Parteiobmann Haider zu Beginn der 90er Vorsitzender der freiheitlichen Partei-
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akademie: „Das war die Aufstiegsgeschichte der Haider-FPÖ, dass man das bekämpft hat, im Sinne der Bauern, von Freiberuflern, von Facharbeitern usw.“384 Haider hatte dazu die passende Inszenierung gefunden – als Robin Hood,385 der die Mächtigen das Fürchten lehrte. Doch die „Untertanen“ waren ihre Unterwerfungsgesten längst leid und der Unmut hatte sich weit über das rechte Lager hinaus verbreitet, bis hin zu Marjan Sturm zum Beispiel, seit 1992 Obmann des „Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten“: „Er (Haider, Anm. d. Verf.) hat etwas verstanden: Die Leute haben es als Demütigung empfunden, wenn sie für irgendeinen Job zur Partei mussten. Ich habe einmal eine Genossenschaftswohnung haben wollen, da hat es geheißen, ohne Partei geht nix. Dann bin ich zum Ambrozy (einem zeitweiligen Landeshauptmann und SPÖ-Obmann, Anm. d. Verf.) gegangen und habe gesagt: ‚Spinnt’s ihr, glaubt’s ihr, dass ich wegen einer Scheißwohnung der SPÖ beitrete?‘ Ich konnte mir das leisten, aber viele konnten sich das nicht leisten.“386 Allen, die sich offenen Widerstand nicht leisten konnten oder wollten, bot sich der damals 34-Jährige schon im Wahlkampf 1984 stellvertretend als mutiger Herausforderer an: „Der Jörg, der traut sich was“ hieß der Slogan, Haider gab sich als „plucky iconoclast“ 387, als „kühner Bilderstürmer“ aufseiten des Volks. Es waren auch Images, mit deren Hilfe die alte Ordnung zum Einsturz gebracht wurde, von einem, der um die Wichtigkeit der Bilder wusste und es auch verstand, neue zu schaffen.
5.2 Inszenierungen – und warum sie wirkten Haider setzte bei seinem blauen Angriff schon sehr früh auch auf optische Signale. Dabei reichten sehr einfache Mittel, um die Botschaft vom „Wir machen den Unterschied“ umzusetzen, wenn wir uns etwa an die Kampagne der blauen Schals im erfolgreichen Kärntner Wahlkampf 1989 erinnern. Wenn alle anderen Grau trugen, genügte das, um sich abzuheben. Im BZÖ-Wahlkampfvideo388 zwei Jahrzehnte später wurde der verstorbene Übervater zwar auch einmal im Dreireiher gezeigt, viel auffälliger aber ist, wie häufig die Dresscodes wechselten: vom Trachtenjopperl bis zum Banker-Hemd (blau mit weißem Kragen), von der Windjacke bis zum Kärntner Anzug, oder auch nur zum Gilet, nicht zu vernachlässigen die Laufhose mit orangem Leiberl: Die Auftritte des Jörg Haider waren eine Ganzkörperinszenierung. Zu deren psychologischer Deutung ist schon genügend publiziert worden,389 uns interessiert hier die politische Wirksamkeit dieser Kommunikation via Kleidung. Sie konnte beim Empfänger jedenfalls nur ankommen, wenn sie auch als stimmig empfunden wurde – und genau das gelang, wie sowohl Experten von außen als auch politische Akteure
5.2 Inszenierungen – und warum sie wirkten
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Verehrung für den „Volkskönig“: Jörg Haider zwei Wochen vor seinem Tod in Völkermarkt
selbst bestätigen. Betrachten wir z. B. nur näher die Figur des „fitten Führers“: Haider als Bungee-Jumper, Haider als Glocknerläufer, Haider in Lederjacke – das hatte immer etwas „Sportlich-Kämpferisches“390. Diese Rolle des „Durchtrainierten“ passte erst, wenn sie nicht nur körperliche Härte signalisierte, sondern der Darsteller auch politisch Muskeln zeigte. Genau das tat er regelmäßig: „Die Leute haben den Eindruck, da ist jemand, der das, was er machen will, auch durchsetzen will und es auch durchsetzen kann. Eine gewisse Leadership hat er zweifellos, auch wenn man nicht einverstanden ist mit gewissen Entscheidungen. Aber die Leute wollen wissen, wohin geht es.“ (Seifried, 2007) Fast ständig auf dem Prüfstand stehen gerade Landespolitiker mit ihren zahlreichen Bürgerkontakten auf einem anderen Feld, dem der persönlichen Kommunikation. Die Berichte über das Talent des Kärntner Landeshauptmanns dazu sind zahlreich: „Er ist
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ein guter Kommunikator, da ist er unschlagbar. Er hat ein gutes Personengedächtnis – bei der Feuerwehr weiß er, wer der Kommandant ist: ‚Servas Franz‘, heißt’s dann …“391, erinnert sich der frühere Spitzenbeamte und langjährige Wahlkampfbeobachter Karl Anderwald – eine Kleinigkeit vielleicht, aber keine für den „kleinen Mann“: er wird vom Würdenträger beachtet, bekommt gar einen Namen und wird so aus der Anonymität geholt. Professionelle Beobachter untermauern den Eindruck gezielt eingesetzter individueller Kommunikation: „Jörg Haider hat schon ganz automatisch auch auf nonverbales Verhalten, Kommunikationsstil, Charakterstruktur, Gestik, Mimik seines Gegenübers geachtet. Ebenso geübt hat er sich dem dann angepasst … Er hat oft die gleiche Körperhaltung angenommen, die auch sein Gesprächspartner hatte. Das weckt Vertrauen.“392 Beim Bürger entstand der Eindruck, er werde ernst genommen, auch bei solchen, die politisch eine diametral andere Linie einnahmen – wie Slowenenvertreter Marjan Sturm, der Haider (noch zu dessen Lebzeiten) auch im Vergleich eine Ausnahmebegabung bescheinigt: „Das konnte der Haider perfekt, Empathie zu entwickeln. Ich hatte mit vielen Landeshauptleuten zu tun, von Wagner zu Außerwinkler, Ambrozy und Haider – nur zwei haben dieses Potenzial beherrscht: das waren der Wagner und der Haider.“393 Nach der neuerlichen Übernahme des Landeshauptmannamts 1999 stand Haider allerdings bald vor einer grundsätzlichen Schwierigkeit: den Volkstribunen zu spielen reichte nun nicht mehr, der „Rächer der Enterbten“ musste einen Rollenwechsel bewältigen. Ein Haider-Kenner beobachtete im Sommer 2007 (nach einer Plakatwelle, bei der eine Art stolzer Landesvater mit dem Wörthersee im Hintergrund über Kärnten wachte): „Er hat seine Inszenierung natürlich verändert. Er ist als jugendlicher Held nicht mehr darstellbar … Er geht jetzt eher in Richtung König und er hat in dieser Rolle keinen Gegner – Landesvater statt ‚Robin Hood‘“.394 Bei genauerer Betrachtung entwickelte Haider dabei im Vergleich zu Vorgängern einen neuen Kommunikationsstil: er gab sich nicht so sehr als leutseliger Landesfürst, sondern wenn schon als „König“, dann als Volkskönig – als Landeshauptmann, der nicht auf seine Untertanen „herabblickte“, sondern sich als Teil von ihnen oder zumindest als ihr Anwalt offerierte. Das war besonders hilfreich in den Jahren von Schwarz-Blau. Haider stellte sich in Kärnten als wohltätigen Landesherrn dar, während im selben Moment die FPÖ (und später das BZÖ) gleichzeitig in Wien Unpopuläres mitverantwortete. Die Sonderbegabung Haider schaffte es damals, „gleichzeitig Populist und Verantwortungsträger“ zu sein. Das bestaunten auch Manager der Konkurrenz wie der damalige ÖVP-Landesgeschäftsführer Siegfried Torta: „Da sind Bauern auf dem Katschberg aufgetreten und
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„Züge religiöser Verehrung“: Haider-Rede in Kärnten im Juni 1994
haben auf der Autobahn gegen die Verkehrspolitik demonstriert, während gleichzeitig der Verkehrsminister ein BZÖler war und der Verkehrsressortchef des Landes auch ein BZÖler war. Vormittag Opposition, Nachmittag staatstragend, diese Flexibilität gibt es nur im BZÖ.“395 Schon die Analyse der Landtagswahl 2004 hatte bestätigt, dass „die Vertretung von Kärntner Interessen gegenüber der Bundesregierung mit großem Abstand vor allen anderen der FPÖ zugeschrieben (wird)“396. Ab 2007 und dem Ende der blau-orangen Regierungsbeteiligung in Wien war dazu noch die strategische Ausgangslage für die nun als BZÖ firmierende Haider-Partei einfacher, wie der seinerzeitige Pressesprecher des Kärntner Landeshauptmanns, Stefan Petzner, wenige Monate später erläuterte: „Da haben wir einen Rollenwechsel vollzogen, der sehr schwierig war in der Zeit, in der wir in der Bundesregierung waren. Das ist heute (2007, Anm. d. Verf.) einfacher, weil wir in Kärnten die Regierungsverantwortung haben und zugleich nicht mehr verteidigen müssen, was in Wien gemacht wird. Wir können die Rolle des Landeshauptmanns hier in Kärnten mischen mit einzelnen Elementen der Opposition gegenüber Wien.“397 Haider konnte nun seine ältesten Melodien wieder abspielen, die vom „Rot-schwarzen Missbrauch und Postenschacher“398; dies kulminierte schließlich in Hymnen auf
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eine Art ‚autonomes Kärnten‘:399 „Deshalb versuchen wir, in Kärnten eine Ausnahmesituation zu schaffen und auch zu kommunizieren – ‚Freistaat Kärnten‘, das geht z. B. genau in diese Richtung.“ (Petzner, 2007) Da war er wieder, der alte Refrain vom Kärnten, das anders sei und den eigenen Spielregeln folge – nur eben neu getextet (nicht mehr für das Vorbild Bayern, sondern für ein österreichisches Bundesland, jedenfalls). Schon der Untertitel der „Freistaat“Kampagne griff allerdings wortwörtlich altbekannte Parolen auf: „Der Kärntner war immer einer, der gesagt hat: ,Dieser Wiener Wasserkopf, der interessiert uns nicht.‘ Es gibt vielleicht keinen Satz, der besser das Kärntner Wesen ausdrückt: Der Kärntner ist einer, der sagt ‚wir sind wir‘.“ (Petzner, 2007) Die BZÖ-Kommunikationsstrategen vermuteten antizentralistische Ressentiments und knüpften dort an; ebenso an einer angenommenen Angst vor Übergriffen, welcher Art auch immer: „In tiefer Trauer um den Beschützer Kärntens“ (ein solcher wird offenkundig für notwendig gehalten) verkündet eine Tafel an der Unglücksstelle in Lambichl. Diese Trauerbekundungen nahmen Züge religiöser Verehrung an: „Tuast unter uns a neamma sein, setz’ Di beim Herrgott dafür ein, dass Deine Erben weiterhin das Land regiern in Deinem Sinn“ wünscht sich eine Kärntnerin in einem Gedicht. Die „Erben“ präsentieren sich damals auch noch einig, ihre Diadochenkämpfe sind noch nicht sichtbar ausgebrochen. In einem Gedenkvideo legen einander Gerhard Dörfler (Landeshauptmann), Uwe Scheuch (Landesparteiobmann) und Stefan Petzner (Wahlkampfleiter) vor einer Kärntner Landesfahne die Arme auf die Schultern; als Schlussbild erscheint ein lächelnder Haider mit der Schrift „In seinem Geist mit neuer Kraft“400. Entgegen anderen Beteuerungen401 speist sich der gesamte Wahlkampf der Liste aus dem Mythos des Verstorbenen; die Spitzenkandidaten empfehlen sich als Testamentsvollstrecker: „Als BZÖ Kärnten verpflichten wir uns, in seinem Geist mit neuer Kraft ‚stark für die Schwachen zu sein‘ … durch Investitionen in die Infrastruktur am modernen Kärnten weiterzubauen … unser Land vor überbordender Kriminalität und ungehemmter Zuwanderung zu schützen … unsere Kärntner Heimat gegenüber jenen zu verteidigen, die aufzwingen wollen, was im eklatanten Widerspruch zu Geschichte, Tradition und Kultur unserer Kärntner Heimat steht …“402 Die Erfolgselemente von Haiders Politikmischung sind hier noch einmal getreulich aufgezählt – und die Herausforderer wirken gegenüber diesem Vermächtnis nahezu wehrlos.
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Kärntner Szenen /Die „Elefantenrunde“ In einem Fernsehstudio des ORF Kärnten, eine Woche vor den Landtagswahlen 2009. Beim Ritual der „Elefantenrunde“ treffen die Spitzenkandidaten der Parteien aufeinander. Jörg Haiders Erfindungen haben tiefe Spuren hinterlassen. Selbst sein schärfster Kritiker, der Grüne Rolf Holub, hält mit vorwurfsvollem Gesicht Taferln in die Kamera. Josef Martinz, ÖVP, wirkt wie ein Landbürgermeister und insofern authentisch (genau ein solcher ist er früher gewesen). Mario Canori, FPÖ, tritt für die Wiedervereinigung des freiheitlichen Lagers unter dem Dach seiner Partei ein (und kann nicht ahnen, auf welche Weise er wenige Monate später recht bekommen wird). Den Hauptteil nimmt der Versuch von SPÖ-Spitzenkandidat Reinhart Rohr ein, Haiders Nachfolger Gerhard Dörfler (BZÖ) zu stellen. Beide wollen beweisen, dass ihnen die Schuhe des Verstorbenen nicht zu groß sind (was man ihnen anmerkt). Rohr hält auch etwas in die Kamera, ein dickes Aktenbündel. Überraschenderweise beruft sich nämlich nicht nur der Orange auf Haider, sondern auch der Sozialdemokrat. Die Dokumente sollen Zusagen belegen, die er und der frühere Landeshauptmann Haider für Projekte gegeben hätten. „Derweilen du durch die Lande getourt bist, hab’ ich mit dem Landeshauptmann gemeinsam in Form von Bedarfszuweisungen Kärntner Unternehmen unterstützt“, versucht Rohr den Haider-Erben zu übertrumpfen. Auch der SPÖ-Führer präsentiert sich als Jörgs Partner, als tüchtigeren sogar. „Ich will jetzt auch vier Minuten“, fordert Dörfler. Man wetteifert darum, Haiders Segen nachzuweisen. Da allerdings kann der BZÖ-Mann nicht nur locker mithalten – er kann sogar gewinnen.403 Reinhart Rohr hatte nach dem plötzlichen Abgang von Gaby Schaunig den Parteivorsitz in der Kärntner SP übernommen und damit wenige Monate vor den Wahlen auch die Spitzenkandidatur. Das war angesichts der Handwerksregeln für Wahlkampagnen (man rechnet mit eineinhalb bis zwei Jahren Vorbereitungszeit) sehr kurz – sogar zu kurz. Der langjährige Berufspolitiker wollte nach eigenem Bekunden zunächst gar nicht den Anspruch auf den Landeshauptmann und damit die Haider-Nachfolge stellen, weil ihm dies als zu riskant erschien. Er tat diesen Schritt aber dann doch – verleitet, wie er später sagte, durch bis zuletzt täuschend gute Umfrageergebnisse: „Am 28. Februar 2009, um 23.05 Uhr, habe ich telefonisch bei der letzten Veranstaltung, die ich im Wahlkampf besucht habe, die Ergebnisse bekommen, bei 750 Befragten. Man hat mir gesagt, ich kann ruhig schlafen gehen, es wird am nächsten Tag ein
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Ergebnis geben von 38 % SPÖ, 37 % BZÖ … Aber die letzte Botschaft, ‚Was Kärnten jetzt braucht: einen Landeshauptmann mit Format‘, das ist zu viel in Konkurrenz zu Haider und zu seinem Bild gestanden. Da haben uns die Umfragen hineingetrieben.“ (Rohr, 2010) Für einen guten Teil der Wählerschaft ging es offenkundig tatsächlich darum, „Haiders Politik fortzusetzen“ – was sie aber eben nicht der SPÖ, sondern gleich dessen Gefolgsleuten vom BZÖ zutraute; jedenfalls gaben dies 52 % der Orange-Wähler in einer Wahltagsbefragung als Grund für ihre Entscheidung an. Am tatsächlichen Spitzenkandidaten Gerhard Dörfler konnte der große Abstand zu den anderen wahlwerbenden Gruppen nicht gelegen haben: ihn nannten nur 37 % als Wahlmotiv. ÖVPObmann Josef Martinz kam auf denselben Wert, FPÖ-Listenführer Mario Canori auf einen höheren.404 Unstrittig ist, dass sich die anderen Parteien in einer psychologisch heiklen Lage befanden. Nach Haiders Tod, unvorhersehbar, aber vom BZÖ alsbald in Strategie umgesetzt, verloren die vorbereiteten Konzepte ihre Gültigkeit. Die SPÖ z. B., zunächst auf Konfrontation eingestellt, hätte demnach einen Wahlkampf gegen einen Verstorbenen führen müssen: „Sein plötzlicher Tod hat alles an Planung, Strategie und Konfrontationsszenarien grundsätzlich infrage gestellt … Die Frage war, welche Strategie wir einschlagen. Eine Konfrontationsstrategie gegen einen nicht mehr Lebenden hätte die Gefahr in sich getragen, dass die Bevölkerung durchaus das Empfinden entwickelt hätte, das ist pietätlos, da wird der Versuch unternommen, einen Toten vom Sockel zu stoßen, ihm die Ehre zu nehmen.“405 Doch so unerwartet eine solche Herausforderung war – die Hilflosigkeit war nicht neu und sie war auch nicht erst durch Pietät nach Haiders Tod ausgelöst worden. Langjährige Haider-Kontrahenten hatten schon lange zuvor auf die Schwächen seiner Gegner hingewiesen. Bereits einige Wochen vor dem tödlichen Unfall schätzte der Villacher SPÖ-Bürgermeister Helmut Manzenreiter die Lage so ein: „Ich glaube nicht, dass es der SPÖ gelingen wird, Erster in Kärnten zu werden … Ich spüre auch den Anspruch nicht bei meinen Leuten. Ich spüre keinen Angriffsplan – das geht von Tag zu Tag, sie gehen in Konflikte, aber ich spüre keine große Strategie dahinter, wie hebe ich den aus, was muss ich tun.“406 Angriffsflächen hatte auch die Haider-Regierung durchaus geboten. Die Eiterblase rund um den Verkauf der Hypo Alpe Adria-Bank z. B. platzte zwar erst nach den Wahlen 2009, doch Skandalgeruch war schon wahrnehmbar. Schon in einem eigenen „Kontrollbericht“ nach dem ersten Untersuchungsausschuss analysierten die Kärntner Grünen im Jahr 2007 „die Verflechtung zwischen Hypo und Politikern … die Kreditfinanzierung von Parteien über Vorgriff auf Parteienförderungen für zukünftige Wah-
5.3 Der „Kärnten-Faktor“
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len, die im Voraus erstatteten Haftungsprovisionen zur Abdeckung von wahlkampfbezogenen Landesausgaben …“407 Bereits Monate zuvor, noch zu Lebzeiten Haiders, hatten die Medien z. B. über die österreichische Armutsstatistik berichtet, die Kärnten am meisten Arme und Armutsgefährdete der Republik bescheinigte; ebenso, dass das Bundesland bei „Kaufkraft, Einkommen, Beschäftigungsquote oder der Anzahl der Mindestpensionen … deutlich unter dem Bundesschnitt“ lag408. Die Liste dieser Beispiele ließe sich verlängern. Warum gelang es den Konkurrenten nicht, aus dieser Bilanz politisches Kapital zu schlagen? Was waren ihre Versäumnisse? Und wenn der viel beschworene „Kärnten ist anders“-Faktor existiert, worin genau besteht er und was sind seine Wurzeln?
5.3 Der „Kärnten-Faktor“ Der Kärntner Landeshauptmann hatte unter der Listenbezeichnung „BZÖ-Liste Jörg Haider“ bei der Nationalratswahl 2008 mit knapp 11 % auch bundesweit ein Ergebnis erreicht, das allgemein als Achtungserfolg gewertet wurde. Sein Stimmanteil in seiner Heimatbasis in Kärnten war jedoch dreieinhalb Mal so hoch. Dies kann zum einen natürlich dadurch erklärt werden, dass das BZÖ dort eben das Landesoberhaupt stellte, mit allen Vorteilen auch für die Selbstdarstellung.409 Zum andern aber traf Haiders Samen dort offensichtlich auch auf einen besonders fruchtbaren Boden. Nehmen wir nur die Anti-Wien-Reflexe: „Mit Tirol teilt sich Kärnten auch einen besonders niedrigen Grad an emotionaler Verbundenheit zu Österreich“, bestätigen demoskopische Untersuchungen410 und mit der größten Selbstverständlichkeit holt ein früherer Kulturbeauftragter der Kärntner Landesregierung wie Andreas Mölzer fast sieben Jahrhunderte aus, um begreiflich zu machen, wie lange sich das Land schon im Stich gelassen fühle – seit der Übernahme durch die Habsburger nämlich: „‚Wir sind immer benachteiligt worden‘, seit 1335, keiner war da, keiner hat sich geschert, so ist das drinnen … Das ist in allen Bundesländern drinnen, aber in Kärnten besonders … Kärnten ist schon ein bisschen anders.“ Darauf folgten ein Kärnten als „… Zentrum des Protestantismus und … Hauptziel der Gegenreformation … Was übrig blieb … war auch ein krypto-protestantischer Ständerepublikanismus, nicht nur mit einer antikatholischen, antihabsburgischen und antibarocken, sondern auch mit einer anti-österreichischen Tendenz …“411, die schließlich im Gefühl des Verrats durch die Wiener Regierung in der „Schicksalsstunde des Abwehrkampfes und der Volksabstimmung der Jahre 1918–1920“ gipfelte.412 Diese Dolchstoßlegende wurde zwar auch von Kärntner Historikern inzwischen
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längst widerlegt, doch bis heute gilt, wie neuere Umfragen dokumentieren: „Was immer im Kärnten-Bezug steht, dem wird ein hoher Vertrauensvorschuss entgegengebracht. Dieser an sich positive, weil identitätsstiftende Trend führt umgekehrt allerdings in weiterer Folge zu einer im Vergleich zum Rest von Österreich mehrheitlich eher unkritischen Grundhaltung – nicht zuletzt auch gegenüber regionalen Autoritäten.“413 Ein treffliches Beispiel, um die in Kärnten vergleichsweise größere Duldsamkeit gegenüber lokalen Landesherrn zu belegen, sind die Sonderausschüttungen an die Bürger. Im Wahlkampf für die Landtagswahlen 2004 kündigte z. B. der damalige FPÖLandeshauptmann Haider an, Verluste der Pensionisten aus der Landeskassa auszugleichen; zwei Stunden später folgte der Salzburger Noch-Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP), der ebenfalls im Wahlkampf stand.414 Im Unterschied zu Haider vermied es Schausberger, an der Auszahlung persönlich teilzunehmen, es wurde dazu allerdings in den Regierungssitz im Salzburger Chiemseehof eingeladen. Der Pensionsausgleich werde der ÖVP bei der Wahl „eher nicht nützen“415, nahmen aber bei einer Umfrage in Salzburg 63 % an (vgl. den Salzburg-Abschnitt in diesem Band). Genauso kam es dann auch: Die Salzburger ÖVP verlor bei den Wahlen den Landeshauptmann, Schausberger rettete auch diese Aktion nicht mehr. Haider schadete sie hingegen keineswegs: die Kärntner FPÖ legte weiter zu; bei der Wahltagsbefragung in Kärnten gaben 43 % an, sie würden bei einer fiktiven Direktwahl für ihn als Landeshauptmann stimmen.416 Für das Verhältnis von Regierenden und Regierten in Kärnten sei dieses Echo durchaus typisch, befanden Kritiker von links bis rechts: „Es funktioniert, weil psychologisch ein Vertrag abgeschlossen wird zwischen dem Wähler und dem LH: er gibt ihnen 100 Euro und sie geben ihm die Stimme. Das ist der ganze Sinn und Zweck. Er ist der Kaiser von Kärnten und sie sind so devot, dass es ihnen gefällt.“417 „Da spielt er den Wohltäter der alten Muatterln, denen er persönlich 50 € in die Hand drückt. Die Demütigung, die da dabei ist, wird nur von wenigen registriert, und auch die Frechheit, wenn man etwas vergibt als Almosen, was einem gar nicht gehört.“ (Mölzer) Die Praktiken wurden aber auch von Haiders Nachfolgern fortgesetzt und sie hatten Grund, sie für erfolgversprechend zu halten. Während sich in Salzburg der Andrang seinerzeit nach Medienberichten in Grenzen hielt und die Geldverteilung von Gnaden des Landesherren nie mehr wiederholt wurde, stieg in Kärnten die Zahl der Ansuchenden sogar noch: von 2.000 im Jahr 2007 auf 3.500 Anfang Dezember 2008.418 Auch vor Weihnachten 2009 bildeten sich wieder lange Warteschlangen im Verwaltungszentrum des Landes, als dieses neuerlich einen „Teuerungsausgleich“ gewährte. Dörfler zeigte dabei vor der Kamera auch persönlichen Einsatz, was jenseits
5.3 Der „Kärnten-Faktor“
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von Pack und Tauern zu zornigen Kommentaren führte, weil sich zur gleichen Zeit die Republik gerade mit der Rettung der Hypo Alpe Adria-Bank beschäftigen musste.419 Das Kärntner BZÖ knüpfte mit dem Pensionsausgleich und Ähnlichem aber genau an der karinthischen Daueremotion einer angeblichen Benachteiligung an, die monetär „ausgeglichen“ werden sollte. Kärnten leide unter zu wenig Zuwendung, wobei darunter Zuwendungen aller Art verstanden werden – das ist das Ressentiment und es ist zwar ein historisches, doch nicht nur eines der älteren Generation. Bei der Auswertung einer Jugendstudie aus dem Jahr 2005 zeigte sich, dass die Kärntner 14- bis 24-Jährigen beim Urteil über das eigene Bundesland „als einzige ein Negativsaldo aufweisen … (es) findet sich nirgends eine mit Kärnten vergleichbare Einschätzung, man wäre politisch, wirtschaftlich und sozial gegenüber den restlichen acht Bundesländern quasi benachteiligt.“420 Regionalbewusstsein entwickeln durchaus auch Jugendliche aus anderen Bundesländern, es ist „jedoch in Kärnten mit einer empfundenen Schlechterstellung bis hin zu latenten Minderwertigkeitskomplexen verbunden“421. Haiders Kampagnenmanager Petzner gibt eine Ahnung davon, wie systematisch auf solchen Emotionen aufgebaut wurde, etwa in der Frage der Minderheitenpolitik: „Wir haben eine eigene Umfrage gemacht: ‚Die Ortstafelfrage aus der Sicht der Kärntner‘, wo herausgekommen ist, dass die größte Ablehnung zweisprachiger Ortstafeln aus der Bevölkerungsgruppe der unter 30-Jährigen kommt und natürlich bei den über 50-Jährigen … die junge und die ältere Generation sind massiv dagegen und da sogar die unter 30-Jährigen mehr als die über 50-Jährigen.“ (Petzner, 2007) Dieser „Minderwertigkeitskomplex“ existiere, bestätigt Josef Feldner, Obmann des Kärntner Heimatdienstes, einer also, der es wissen muss: „Diese Ängste aus der Zeit der Partisanenzeit, aus der Zeit des Abwehrkampfes, der Volksabstimmung, der Besetzung Kärntens, das ist relativ stark verankert noch. Dagegen versuchen wir jetzt aufzutreten. Was vorhanden ist, ist ein ausgeprägtes Landesbewusstsein … Da ist eine starke Identität da. Aber da ist auch noch sehr viel an Ängsten vorhanden, das ist auch eine Säule dieses Landesbewusstseins, die eigentlich keine mehr sein dürfte.“422 Feldner, immerhin Chef der laut Eigendefinition „größten parteifreien patriotischen Bürgerinitiative“ Österreichs, hält die Unterlegenheitsgefühle mancher seiner Landsleute für überlebt und bekämpft sie inzwischen sogar. Dabei erlebte er aber Erstaunliches – und seine Erfahrungen illustrieren sehr gut, warum der „KärntenFaktor“ so lange wirken konnte und wie die Chance verpasst wurde, ihm den Stachel zu ziehen.
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5.4 Die Gegner – und warum sie keine waren
Das Beispiel Ortstafelkonflikt oder: Vom Saulus zum Paulus Mit (nach eigenen Angaben) 20.000 Mitgliedern gebietet Feldner über die größte der Kärntner Heimatvereinigungen. Jahrzehntelang galt sie selbst neutralen Beobachtern zumindest als „nationalistische Pressure Group“423; Feldner selbst, Obmann seit 1972, bestreitet die einstige Rolle als „Scharfmacher“ gar nicht: „Wir sind mit unserer Zeitung viele Jahre in einer Auflage von 200.000 hinausgefahren, das heißt, an jeden Haushalt regelmäßig. Da hat man sehr plakativ gearbeitet – mit Schlagzeilen, mit der Holzhammermethode. Die Leute haben nur gelesen, ‚Jetzt gibt’s der Feldner wieder den Slowenen‘. Da ist ein Bild entstanden, der Heimatdienst ist die schärfste antislowenische Organisation.“ (Feldner, 2007) Der Heimatdienst propagierte damals in seinen mit „Ruf der Heimat“ betitelten Mitteilungen eine Art „Kampf bis zum Ende“: „… Also hat die Geschichte in Kärnten noch keinen Schlussstrich gezogen. Sie zieht ihn unter zwei Völker nur, wenn eines von ihnen nicht mehr besteht.“424 Das war 1970, zwei Jahre vor dem Kärntner Ortstafelsturm. Dreieinhalb Jahrzehnte später hörte sich das schon ganz anders an: Im Oktober 2006, einen Tag vor dem Kärntner Landesfeiertag, stellte Feldner an der „Stätte der Kärntner Einheit“ in Klagenfurt zusammen mit Sprechern von Slowenen-Organisationen ein Manifest vor. Darin bekannte er sich zur „gemeinsamen Vergangenheit der deutsch- und slowenischsprachigen Bevölkerung“425. Die Erklärung sollte insbesondere auch die Ortstafelfrage einer Lösung näher bringen. Dabei war gerade diese immer wieder zum Aufmarschgebiet im Minderheitenstreit geworden: Die Schilder sind unübersehbar, sie benennen und grenzen Siedlungsgebiete ab („Reviere“ quasi), eignen sich damit vortrefflich, um den Konflikt via Symbolen auszutragen. Was war geschehen, dass der Führer des Heimatdienstes nun neben Slowenen-Vertretern stand und ein Jahr später mit einem von ihnen sogar ein gemeinsames Buch präsentierte?426 Die Vorgeschichte muss hier nicht noch einmal dokumentiert werden, sie ist in der Literatur dutzendfach aufgearbeitet worden.427 Einige Tatsachen sollen aber festgehalten werden: Im Staatsvertrag von 1955 waren den Kroaten und Slowenen Minderheitenrechte zugesichert worden, darunter zweisprachige Ortstafeln. Der erste Versuch, sie aufzustellen, scheiterte 1972; fünf Jahre später schrieb eine Verordnung 91 Tafeln vor, sie wurde aber nie vollständig umgesetzt, geschweige denn das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Dezember 2001, das die rechtlichen Hürden für zusätz-
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liche Schilder senkte. 2004 aber wurde Slowenien in die EU aufgenommen – und ein Jahr später schien eine Einigung in Österreich so nahe wie nie: der Kärntner Heimatdienst und zwei Slowenen-Organisationen stimmten einem Kompromiss mit 158 Ortstafeln zu, in einer „Konsensgruppe“ rund um den Historiker Stefan Karner. Warum gehörte ihr auch Josef Feldner an, was bewog ihn zu seiner Unterschrift, warum hatte er sich vom Saulus zum Paulus gewandelt? Es ist beeindruckend, ein Interview aus dem Jahr 2007 nachzulesen und ihn seine Motive selber erklären zu lassen:
Kärntner Szenen / „Was gefehlt hat, war die Unterstützung“ – ein Interview mit Josef Feldner Frage: „Wieso war denn der Erfolg in den Gesprächen mit den Slowenen-Organisationen möglich?“ Feldner: „Es hat sich etwas verändert. Es hat sich auf der slowenischen Seite etwas verändert. Es geht für keine der beiden Seiten um Existenzfragen; es geht für die slowenische Seite nicht darum, zu überleben, weil die österreichische Minderheitenpolitik als großzügig bezeichnet werden kann. Und auf unserer Seite haben wir gesagt, na bitte, eine Gefahr für die Landeseinheit Kärntens, wie sie noch zur titoistischen Zeit zumindest theoretisch erklärbar gewesen wäre, gibt es nicht mehr. Die Republik Slowenien ist Mitglied der EU, davon kann keine realistische Gefahr für Kärnten mehr ausgehen. Diese beiden Hauptargumente, auf der slowenischen Seite Unterdrückung, Verfolgung aus der nationalsozialistischen Zeit her noch, und auf unserer Seite Gefahr für die Landeseinheit oder Slowenisierung SlowenischKärntens, diese Schlagworte waren weg.“ Frage: „Und wie haben Ihre Mitglieder reagiert?“ Feldner: „Wir sagen immer, wenn ihr ständig von Urangst sprecht – wir haben das ja als Heimatdienst bis in die 8oer-Jahre hinein immer gespielt aus einer inneren Überzeugung heraus, dann aber nicht mehr – wenn diese Urangst weiter besteht, dann ist das schon ein Ausdruck eines mangelnden kollektiven Selbstbewusstseins. Das sehen wir schon und da rufen wir und sagen: ‚Wir sind die Mehrheit – Urangst ist ein Zeichen mangelnden nationalen Selbstbewusstseins. Geht so weit, dass ihr sagts, aus diesem Selbstbewusstsein heraus können wir durchaus das eine oder
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andere Zugeständnis an die slowenische Minderheit akzeptieren und sehen darin keine Gefahr mehr, mitzugehen.‘ Die Negativzuschriften sind fast durchwegs von Leuten ab 75+, Leute noch aus der Kriegsgeneration. Das ist schon bezeichnend.“ Frage: „Wie beurteilen Sie denn selbst das Ansehen Kärntens, auch vor dem Hintergrund des Minderheitenkonflikts?“ Feldner: „Wir werden generell als verschroben, als Betonköpfe, als Supernationalisten und Altnazi bezeichnet, das verfestigt sich in der Meinung außerhalb Kärntens auch. Das ist etwas, was ich auch sage in Richtung Haider (das Interview wurde zu Lebzeiten Jörg Haiders geführt, Anm. d. Verf.) und in Richtung andere Parteien: Machts doch bitte einmal was für das Ansehen dieses Landes. Wir haben ja voriges Jahr (2006, Anm. d. Verf.) diese feierliche Erklärung unterfertigt. Wir haben die gesamte Politprominenz dagehabt, den Bischof, den Superintendenten, die Landeshauptmann-Stellvertreterin, den Landesparteiobmann von der ÖVP, alle waren da und haben diese feierliche Erklärung mitunterzeichnet. Was gefehlt hat, ist die weitere Unterstützung.“ Genau diese Sätze Josef Feldners erklärten, warum Haider eine seiner Waffen nicht früher aus der Hand geschlagen wurde – obwohl nun selbst der bekehrte Heimatdienstführer, einst Stimmungsmacher par excellence, das Propagandaschwert niederlegte; und obwohl auch auf der anderen Seite der Dialogprozess tief reichte. Eine treibende Kraft hatte er in Marjan Sturm, seit 1992 Obmann des „Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten“. Feldner war – siehe oben – der Meinung, den wechselseitigen Ängsten sei inzwischen schlicht die Geschäftsgrundlage entzogen worden; der langjährige SlowenenFunktionär hatte zudem schon damals den Eindruck, es fehle den Konfliktparteien auch der personelle Nachschub: „Wir haben in Wirklichkeit dasselbe Problem wie die Mehrheit, nämlich, dass es keine Jugendbewegung mehr gibt … Es gibt ein paar Vereinzelte – unsere Kinder, wo die Väter am Mittagstisch erzählen, wie revolutionär und super sie waren, dass sie Ortstafeln beschmiert haben und so, und die dann glauben, sie müssen das auch machen – aber das ist kein Massenphänomen mehr.“ (Sturm, 2008) Ähnliche Beobachtungen machte auf der anderen Seite selbst einer wie Andreas Mölzer, Vorstandsmitglied im Heimatdienst: „Ich trage die neue Linie mit … Ich habe den letzten 10. Oktober, den Kärntner Landesfeiertag, in Globasnitz, einer slowenischen Gemeinde, verbracht, einen sehr netten Abend, mit führenden Kärntner Slowenen, sehr freundschaftlich. Das sind die Kriege des 19. Jahrhunderts, die da noch
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ausgetragen werden … Es gibt wenige Kärntner, sogar in den radikalen Bereichen des Abwehrkämpferbundes, die so wie früher sagen würden: ‚Die Slowenen kommen über den Loibl.‘ – Quatsch, da gibt’s nur noch ein paar Narren!“ (Mölzer, 2007) Der Slowenen-Konflikt nur noch eine Sache für Ewiggestrige und das aus dem Mund von Haiders früherem Chefideologen? Fraglos hat er für diese Darstellung eindeutige Motive: „Da sag’ ich natürlich, dass das ja ein Teil unseres kulturellen Reichtums ist, dass das unsere Verbündeten sind gegenüber Gefahren, die ja viel größer sind und die aus der Islamisierung, aus der Zuwanderung, aus der Migrationsgesellschaft stammen. Wenn man sagt, wir haben 500.000 Muslime in Österreich und da rede ich von den Kärntner Slowenen – Schwachsinn.“ (Mölzer, 2007) Selbst wenn man diese Argumente für einen Dialog nicht teilte, so blieb als Zwischenbilanz 2007: Zwei der drei Slowenen-Organisationen waren auf Versöhnungskurs, dazu mit dem Heimatdienst dem mitgliederstärkstem Heimatverein; Haider konnte sich als Bündnispartner nur auf den kleineren „Kärntner Abwehrkämpferbund“ stützen. Der Boden schien bereitet für eine politische Offensive. Trotz allem aber blieb diese aus, zu Feldners Unverständnis. Der Heimatdienst hatte dafür bereits mobilisiert und auch in die Kommunikation investiert: „Allein diesen Ortstafelkompromiss haben wir jetzt ein Jahr lang allein beworben in der Öffentlichkeit. Wir haben Kosten in der Höhe von etwa 100.000 Euro eingesetzt mit bezahlten Einschaltungen in der Kärntner Tagespresse, mit Veranstaltungen, mit unserer Zeitung, die wir im Postwurf an jeden Haushalt geschickt haben. Es fehlt aber momentan total die Unterstützung der Parteien, die uns gebeten haben, Vorarbeit für sie zu leisten, weil sie darauf bedacht sind, die radikalsten Gruppierungen innerhalb ihrer Parteien nicht zu verärgern und nicht einige Tausend Wählerstimmen zu verlieren. Hier fehlt einfach der Mut zum Risiko, der ist absolut nicht erkennbar. Es ist ein eklatanter Mangel an Entscheidungsstärke gegeben.“ (Feldner, 2007) Nach Feldners Überzeugung wurde damals eine fast historische Chance verpasst, Haider entgegenzutreten: „Es ist für uns so unverständlich, dass eine ganz wichtige Sache von den anderen Parteien Haider nicht vorgehalten worden ist: ‚Bitte, du bist als Landesvater nicht nur für die Mehrheitsbevölkerung da, du kannst nicht eine ganz eindeutige Position einer ganz radikalen Mehrheitsmeinung vertreten, sondern du musst ja ausgleichend wirken, musst versuchen, den Verständigungsprozess zu forcieren!‘ … Diesbezüglich ist derzeit nichts erkennbar. Man schaut wirklich hin wie der Frosch auf die Schlange.“ (Feldner, 2007) Für den Kärntner Landeshauptmann stand das Feld damit weiter offen, zumal SPÖ und ÖVP die von ihren Bundeskanzlern betriebenen Lösungen wechselseitig blockier-
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ten – die SPÖ jene von Wolfgang Schüssel (2006), die ÖVP ein Jahr später die von Alfred Gusenbauer.428 Schon im ersten Wahlkampf nach der Kärntner Konsenskonferenz, jenem für die Nationalratswahl 2006, verschärfte Haider die Gangart, etwa durch eine Ortstafelbefragung in den Südkärntner Gemeinden429 oder indem er zweisprachige Tafeln abmontieren und durch deutschsprachige mit slowenischen Zusatzschildern ersetzen ließ. Diese Kampagne setzte er 2007 fort. Den Gusenbauer-Plan qualifizierte er öffentlich als „Kriegserklärung“430, womit er ein aus seiner Sicht bewährtes Mantra wiederaufnehmen konnte: „Der Haider ist viel zu zynisch, um das überhaupt ernst zu nehmen … Es ist aber doch so, dass die Medienpräsenz, auch die Präsenz des LH, der sagt ‚Da haben wir es diesen Wienern wieder gezeigt, wir lassen uns nicht von denen fremdbestimmen‘, darüber hinaus wirkt.“ (Mölzer, 2007) Die Ortstafelfrage selbst bot also offensichtlich auch nach Ansicht des nationalen Lagers gar nicht mehr genügend Munition für Propagandafeldzüge. Dafür sprach schon, dass Feldner auch nach seinen Friedensangeboten an die Slowenen im Jahr 2007 mit 97 % der Stimmen als Heimatdienstobmann bestätigt worden war. Doch da der Konflikt nicht entschärft war, ließen sich damit kommunikationstechnisch immer noch die „Geschütze“ Richtung Wien nachladen. Dies wurde durchaus noch von breiteren Wählerschichten wahrgenommen und interessierte damit auch Haider und seinen Stab: „Das ist ein Feld, auf dem man sehr gut arbeiten kann mit diesen historischen Prägungen. Das tun wir natürlich auch … Natürlich liegen auch diese Freistaatelemente oder die Ortstafelfrage auf der historischen Linie ‚Kärnten gegen den Rest der Welt‘.“ (Petzner, 2007) Da SP und VP zu wenig dagegenhielten, konnten die Erben auch nach dem Tod des Gründervaters und bis in den Landtagswahlkampf 2009 hinein die nationalistische Fahne schwenken. Gerhard Dörfler, inzwischen Landeshauptmann, hatte sich schon drei Jahre zuvor an Haiders Seite am Ortstafelverrücken beteiligt und sich insofern auch auf diesem Gebiet als Nachfolger qualifiziert. Im Haider-Gedenkmanifest des BZÖ („In seinem Geist mit neuer Kraft“) wurde tatsächlich ganz „in seinem Geist“ zunächst eine Gefährdung der Heimat konstruiert, um sich dann zu deren Verteidigung bekennen zu können: „Wir stehen Seite an Seite mit den Kärntnerinnen und Kärntnern sowie Traditions- und Heimatverbänden, die keine weiteren zweisprachigen Ortstafeln wollen …“431 „Wir bleiben Kärnten treu. Garantiert“, „Wir halten Kurs. Garantiert“ ließ Petzner plakatieren – und die BZÖ-Führung tat das auch, was ihr umso leichter fiel, als ihr Kurs schon zuvor niemals wirklich durchkreuzt worden war. Denn ÖVP und SPÖ hatten auch in den Jahren des Dialogprozesses in der Defensive verharrt. Die Kärntner Volkspartei, weil sie in der Minderheitenfrage gespalten war,
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wie ein früherer Parteimanager berichtet, und keine einhellige Unterstützung für eine Offensive in dieser Frage zu erwarten war (und gegen Haider ohnehin nicht): „Wir haben zwei Flügel, einen sehr nationalen Flügel, der am liebsten den Ortstafelsturm wiedersehen würde und einen liberalen Flügel. Wir haben identifizierte Mandatare, die sehr national denken und wir haben identifizierte Mandatare, die sehr liberal denken.“ (Torta, 2007) Die Kärntner SP wiederum litt auch hier unter den für sie typischen Schwächen – oben wechselte die Führung, die Lobbyinteressen darunter blieben dieselben. Gaby Schaunig, in der entscheidenden Zeit zwischen 2005 und 2008 Parteivorsitzende, wurde durch Widerstand aus den eigenen Reihen gebremst, vor allem durch Bürgermeister aus dem gemischtsprachigen Gebiet.432 Die hielten neue zweisprachige Ortstafeln für unpopulär – ein Faktor, der umso mehr an Gewicht gewann, als die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen mit den Landtagswahlen 2009 zusammengelegt worden waren. Schaunig selber war im Sommer 2008 zurückgetreten. Auch die neue Führungsmannschaft auf Landesebene fürchtete, ihr seien die Hände gebunden. Peter Kaiser, früherer Klubobmann und nach Schaunigs Rücktritt in die Regierung aufgerückt, rechtfertigte das später so: „Ich habe die Deklaration der Konsensgruppe damals als Klubobmann unterzeichnet … Doch man muss die Zeit reinnehmen, als Haider noch dominierend war und ich dann in die Regierung gekommen bin … Es war klar, acht Monate später wird der Haider die Absolute einfahren. Dann noch irgendwelche kritische Punkte anzugehen, die ihm noch mehr – aus damaliger Sicht – in die Hände gespielt hätten, war nicht opportun.“ So fiel das Resümee der politischen Beobachter einhellig aus: „Es ist in der Tat so, dass er (Haider, Anm. d. Verf.) von der Medienpräsenz, vom Themensetzen her und auch von der Dominanz im politischen Diskurs her absolut oben ist. Er hat keine Gegner, die ihm auch nur einigermaßen gewachsen sind.“ (Mölzer, 2007) „Er ist so stark, weil seine sogenannten ‚politischen Gegner‘ sich nicht entsprechend profiliert haben. Seine politischen Gegner sind nicht unbedingt geeignet, ihm Widerpart zu sein.“ (Anderwald, 2008)
Die SPÖ – der kopflose Riese Wer von Haiders (möglichen) Gegnern spricht, muss zuallererst von der Kärntner SPÖ reden. Sie herrschte jahrzehntelang fast unumschränkt im Land, warum aber sank sie nun zur Verliererpartei ab und vor allem woher rührte ihre Dauerschwäche? In der Ortstafelfrage zum Beispiel hatte sie nicht immer eine zögerliche Linie vertreten: „Lassen wir uns nicht das Recht nehmen, unseren Standpunkt zu vertreten, dem-
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zufolge die Toleranz nicht nur in Worten, sondern auch in Taten ihren Niederschlag finden muss …“433 … verlangte einst sogar ein Mann namens Leopold Wagner. Doch das war 1972 und Wagner war noch Landesparteisekretär. Im Jahr darauf, einen Ortstafelsturm und eine Niederlage bei den Gemeinderatswahlen später, war alles anders: „Das negative Wahlergebnis stärkte das deutschnationale Lager in der Partei, da nun auch viele volksgruppenpolitisch neutral oder sogar positiv denkende SPÖ-Funktionäre aus wahltaktischen Gründen ihre eigene Politik aufzugeben bereit waren.“434 Die Kärntner Sozialisten waren, wie das ein Kärntner Historiker ausdrückte – „geläutert“435 –, als wäre der liberale Kurs ein Sündenfall gewesen. Nüchtern betrachtet war er tatsächlich ein neuer Weg, jedenfalls gemessen an der Vorgeschichte der hiesigen SP. Gewiss, es war Wagner, mittlerweile Landesparteichef und dann Landeshauptmann, der nun ganz ohne Toleranzrhetorik versuchte, durch „gezielte Aussagen das deutsch orientierte Lager anzusprechen“436. Doch so neu war auch das nicht: schon zuvor spielte „gerade in Kärnten … auch die SPÖ gerne und häufig die deutschnationale Karte aus, um Wähler zu gewinnen“437. Auch die Nähe zum „dritten Lager“, in Kärnten besonders stark, war historisch.438 Als Wagner stürzte und Haider sich in den Sattel schwang, fiel es ihm damit leicht, fast wie ein „logischer Nachfolger“ zu wirken. Gesattelt hatte das Pferd die SPÖ selbst. Sie hielt allerdings nun nicht mehr die Zügel in der Hand.
Jörg Haider – die Fortsetzung von Leopold Wagner mit anderen Mitteln? Haider wechselte den Stil, wie zu Anfang des Kapitels ausführlich beschrieben. Er winkte, um im Bild zu bleiben, nicht vom hohen Ross herunter. Der neue Landesherr stieg zum Volk „hinunter“, dort angekommen, pflegte er allerdings durchaus zwei Traditionen weiter: mit der rechten Hand nationale Gesten zu setzen und mit der linken soziale Gaben zu verteilen – eine Kombination, die schon den „roten“ Wagner charakterisiert hatte. War Jörg Haider die Fortsetzung von Leopold Wagner mit anderen Mitteln? Gerhard Seifried, Haider-Kenner und Gesprächspartner von Wagner und dessen Führungsgenossen: „Haider sagt, er hat von Wagner sozusagen auch gelernt. Es hat die Kronprinzen in der SPÖ gegeben, die Wagner auch nachfolgen sollten und man hatte schon ein bisschen den Eindruck, dass sie die ungeliebteren Söhne sind, was man ja nicht sein will. Der ‚Jörgi‘ war der Frische, der Flotte, der Schneidige.“ (Seifried, 2007) Haider konnte, was Wagner gekonnt hatte – nur zeitgemäßer. In den 90er-Jahren steuerte er die FPÖ in Richtung „neue Arbeiterpartei“ und brach gerade in Kärnten in das Revier der „welfare chauvinists“ ein, das zuvor die SPÖ beherrscht hatte. 439 In einer sozialdemokratischen Hochburg wie Villach z. B. definierte das zwei Jahrzehnte
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später, wenige Monate vor den Bürgermeister- und Gemeindewahlen 2009, die strategische Hauptaufgabe: „Wir haben kaum noch Überschneidungen mit der ÖVP, die sackt weiter ab, aber mit dem Haider sind es bei 44.000 Wählern 6.000 Wähler. Die sind auf dem Markt, die sich da bewegen, zwischen SPÖ und BZÖ.“ (Manzenreiter, 2008) Bei den Landtagswahlen 2009 holte sich das BZÖ 22.000 SPÖ-Stimmen aus dem Jahr 2004 und eroberte im „Arbeitermilieu“ einen mehr als dreimal so hohen Wähleranteil wie die Sozialdemokraten.440 In zahllosen Inseraten (‚Die Gewinner der Unternehmen und Konzerne steigen. Die Manager jubeln. Nur die Menschen haben nichts davon‘)441, in Reden (‚Arbeit für das Land heißt Arbeit für die Menschen‘)442 und anderen öffentlichen Auftritten hatte sich der FPÖ- und spätere BZÖ-Führer zuvor über Jahre hinweg als „besserer Sozialdemokrat“443 angepriesen. Die Überschneidungen zwischen dem blau-orangen und dem roten Spektrum reichten so weit und währten so lange, dass am Ende die Sozialdemokraten nicht mehr klarstellen konnten, wer nun wen imitierte – bis ein Kärntner SPÖ-Obmann im lokalen Fernsehinterview wortwörtlich einen Wahlkampfslogan der Bundes-FP zitierte („Die Menschen erzählen mir ja, dass sie mit dem Einkommen nicht auskommen“)444. Zielgruppen ähnelten sich, die Parolen auch, man kämpfte auf demselben Feld. Nach Ansicht von Parteikennern konnten sich die Sozialdemokraten daran allerdings nicht gewöhnen, hatten sie es doch lange allein beherrscht: „Das Problem ist, dass der Verlust der absoluten Mehrheit die Partei traumatisiert hat und dass dieser Verlust bis jetzt noch nicht wirklich überwunden wurde. Man musste lernen, nicht die führende Kraft im Land zu sein und man sah sich einem Phänomen Haider gegenüber, das in Österreich einzigartig (war).“ (Seifried, 2007)
Manzenreiter – ein Mann hält dagegen ‚Wie hältst du es mit Haider?‘ – das war spätestens nach dem Abgang Leopold Wagners 1988 die Gretchenfrage für die Kärntner SPÖ; dahinter verbarg sich aber eine noch grundsätzlichere: wie dem neuen Rechtspopulismus Paroli zu bieten war. Es lohnt sich deshalb, eine Episode aus dem Jahr 1999 genauer zu analysieren, in der die SPÖ ihre Antwort gab – die falsche, wie man heute weiß; sie ist ein Musterbeispiel, wie man „Volksfreunde“ mit Sicherheit nicht aufhält. Die SPÖ hatte damals die schwerste Wahlniederlage ihrer Geschichte erlitten, die FPÖ war erstmals stimmenstärkste Partei geworden. Danach wurde Helmut Manzenreiter, Bürgermeister von Villach und Kandidat von Kanzler und Bundesparteivorsitzendem Viktor Klima, von der Parteiführung in Kärnten zum neuen Obmann gewählt – und damit ein Repräsen-
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tant, der für einen offensiven Kurs gegenüber Jörg Haider stand: „Es war ja eine komplett defensive Haltung da, das war wie die Maus vor der Schlange. Beim Jour fixe am Montag haben sie alle nur erzählt, was der Haider am Wochenende wieder gemacht hat und ich habe immer gesagt: ‚Freunde, beschäftigen wir uns nicht mit dem, was der Haider gemacht hat, sondern beschäftigen wir uns mit dem, was wir machen am nächsten Wochenende.‘ Mein Weg wäre gewesen, die SPÖ als Alternative zu Haider zu präsentieren.“ (Manzenreiter, 2008) Manzenreiters Drehbuch verlangte Abgrenzung, nicht Anbiederung. Dennoch akzeptierte er in der Regierungsmannschaft zunächst einen Funktionär, der nicht die Konfrontation pflegte, sondern die Kumpanei, eine Symbolfigur noch dazu der „alten“ SPÖ – den damaligen ÖGB-Präsidenten Adam Unterrieder. Dies sei auf Druck der Partei- und ÖGB-Führung im Bund geschehen, rechtfertigte sich Manzenreiter später: „Im April hat der Klima mich in einem eineinhalbstündigen Telefonat mehr als sanft überredet, das zu machen. Eingebunden in diese Gespräche waren Nürnberger als Fraktionsführer und Verzetnitsch als Chef des ÖGB … Ich habe meine Bedingung gestellt, dass ich den Unterrieder auswechseln kann, weil der hat immer gepackelt hinter dem Rücken aller Parteivorsitzenden … Aber im Juni waren die Wahlen zum EUParlament und im Herbst waren die Nationalratswahlen. Da ist gebeten worden, diesen Konflikt bis nach den Nationalratswahlen zu verschieben – und im Herbst haben sie dann davon nichts mehr wissen wollen.“ Nicht nur damit war Manzenreiters Scheitern vorgezeichnet und auch das der Parteireform, die er anstrebte. Im Kärntner Parteivorstand fand ein „Personalkonzept, das die Ablöse alteingesessener SPÖ-Funktionäre vorsah“445 keine Mehrheit; der als Erneuerer Angetretene gab bereits im Herbst 1999, nach wenigen Monaten, den Parteivorsitz wieder auf. Der Kurzzeitobmann hatte zuvor mit Haider, indessen zum zweiten Mal zum Landeshauptmann gewählt, noch harte Budgetverhandlungen geführt und dabei wesent liche SPÖ-Forderungen durchgesetzt – aber: „Ich habe keine Erfolgschance in der Konstellation gesehen. Ich habe zum Beispiel das Budget verhandelt und der Unterrieder ist mit dem Haider auf seiner Alm zusammengesessen und hat sich halt wieder andere Dinge ausgemacht, das waren Zustände in der SPÖ, die unerträglich für mich waren … Ich war halt bereit, den Konflikt massiv zu führen und bin es noch immer.“ (Manzenreiter, 2008)446 Manzenreiter konnte nur noch als Villacher Bürgermeister demonstrieren, was er mit Konfliktbereitschaft meinte: Schon zuvor hatte er den beliebtesten Politiker Kärntens einen „Risikofaktor für Villach genannt“447; danach, während der schwarz-blauen Koalition im Bund, führte er gegen Haider in der Öffentlichkeit einen systematischen
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Feldzug – mit dem Hauptvorwurf, der FPÖ-Landeshauptmann benachteilige die SPÖ-geführte Stadt permanent in der Auseinandersetzung um verschiedene Projekte. Dabei zog er einige Register der politischen Kommunikation, von Interviews bis zu Resolutionen des Gemeinderats, scheute auch vor Klagen nicht zurück448 und legte sich in der Wortwahl keine Zurückhaltung auf: „Ich habe dann auf einer Konferenz gesagt, entweder er hat ein kurzes Gedächtnis oder er ist ein Lügner. Das ist ihm sonst in Kärnten nicht so passiert, dass sich das wer traut.“ (Manzenreiter, 2008) Der Mann ging nicht in die Knie, er streckte auch nicht die Hand aus, er schlug im Gegenteil zurück. Die Frontalangriffe führten zum Ziel: 2003 wurde Manzenreiter in der Direktwahl mit 66 % der Stimmen als Bürgermeister bestätigt; er gewann damit weitere sechs Prozentpunkte hinzu, die SPÖ siebeneinhalb. Die Kampagne wirkte nachhaltig; in Spurenelementen noch bis zum Herbst 2008, wenige Monate vor den nächsten Landtags- und Gemeindewahlen: „Ich habe Umfragen, das ist immer noch mit 25–30 % bei den Leuten drinnen, dass sie sagen, der arbeitet gegen Villach.“ (Manzenreiter, 2008) Auf Landesebene aber war Haider da längst unangefochten; unter anderem auch deshalb, weil sein potenzieller Herausforderer knapp ein Jahrzehnt zuvor an der eigenen Partei gescheitert war. In Manzenreiter wäre ihm, das vermuteten politische Zeitzeugen noch Jahre später, der einzige ernst zu nehmende Gegner erwachsen: „Wer beste Chance gehabt hätte, diese Strukturen zu brechen oder auch den Machtanspruch des Haider zu begrenzen, wäre der Villacher Bürgermeister Helmut Manzenreiter gewesen, dem ich zugetraut hätte, dass er für eine Veränderung sorgt.“ (Anderwald, 2008)„Er hat Erfahrung ausgestrahlt, eine gewisse Seriosität, ein Gegenprojekt zu Haider, der damals sehr sprunghaft war, herumgesprungen ist nach Wien und so weiter … Das hätte aufgehen können, dass so jemand mit einer geeinten SPÖ gegen Haider in den Ring tritt.“ (Seifried, 2007)
„Gaby“ Schaunig – oder: Warum ein Vorname noch keine Politik macht Manzenreiter lag damals tatsächlich in den Umfragen sowohl bei den SPÖ-Wählern als auch in der Gesamtwählerschaft vorne449. Doch solche Kriterien beeindruckten die herrschende Funktionärsschicht seinerzeit keineswegs. Statt des Haider-Herausforderers wurde im Jahr 2000 zum zweiten Mal Peter Ambrozy zum Vorsitzenden gewählt. Der war nicht etwa der größte gemeinsame Nenner für den Wählermarkt, sondern „der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die verschiedenen Parteirichtungen der Kärntner SPÖ einigen konnten“450. Erst sechs Jahre später, von der Haider-FP inzwischen in jeder Weise zur Nummer zwei degradiert, unternahm die Partei dann doch den Versuch, sich ein neues Gesicht
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zu geben, nach innen und nach außen: Gaby Schaunig war jung (40, als sie Vorsitzende wurde), sie war eine Frau und sie wollte die Partei vom „Jörg“ emanzipieren. Die von ihrem Vorgänger Peter Ambrozy geschlossene blau-rote Ehe (die „Chianti-Koalition“) war selbst den SP-Delegierten zu eng geworden: „Wir sind keine Anhängsel und keine Mehrheitsbeschaffer“, solche Ansagen waren entscheidend für den Überraschungssieg von Schaunig auf dem Parteitag 2005.451 Angesichts der lokalen Parteigeschichte war es in der Männerwelt der Kärntner SPÖ schon keine Überraschung mehr, dass eine Frau auf den Chefsessel gehoben werden musste, damit jemand die frustrierten Herren im Kärntner Anzug entschlossen in den Kampf führte: „Sie war auch diejenige, die mit einem klaren Programm hineingegangen ist, nicht so ein bissel kollaborieren mit dem Haider und dann wieder ein bissel kritisieren, während ihre Konkurrenten, alles Männer, die strahlten eher diese Kompromissfähigkeit aus. Die Stimmung war dort so, dass man etwas Neues, etwas Erfrischendes, etwas anderes, etwas Kantigeres haben wollte.“ (Seifried) Das galt auch für die Außenwirkung. Die Kärntner SPÖ hoffte nun auf jenen „GabiEffekt“, der ein Jahr zuvor in Salzburg gewirkt hatte: dort hatte Gabi Burgstaller 2004 den ÖVP-Landeshauptmann aus dem Amt gekippt. Inzwischen war aus der Soziallandesrätin Gabriele Schaunig-Kandut ‚Gaby Schaunig‘ geworden, „wohl auch in gewollter Anspielung an die erfolgreiche ‚rote Gabi‘ in Salzburg“452: auch die jung, auch die relativ unverbraucht, weil erst wenige Jahre in der Regierung, auch die eben keine „Gabriele“, sondern eine „Gabi“. Hier enden die Parallelen aber schon: Die Kärntner „Gaby“ warf bekanntlich schon drei Jahre später hin, zu den Landtagswahlen trat sie gar nicht mehr an, geschweige denn dass sie den Landeshauptmann stürzen konnte. Aber woran lag es, dass in Kärnten misslang, was in Salzburg funktioniert hatte? Drei Hauptgründe waren: 1. Die SPÖ war nördlich der Tauern geeint, südlich davon weiterhin nicht. „Starke Männer“ der Partei hatten zugunsten der populären Burgstaller bewusst auf den Parteivorsitz verzichtet,453 ihre Inthronisierung entsprang nicht, wie bei der Kärntner „Gaby“, einer Parteitags-Laune – sie war im Gegenteil exakt orchestriert. So spontan Schaunig an die Spitze katapultiert wurde, so gezielt wurde Burgstaller nach oben gehievt. Die Salzburgerin hatte die Rückendeckung der Parteimächtigen, die Kärntnerin hatte diese nicht einmal von ihren Absichten informiert – vor allem nicht den Klagenfurter Parteiobmann Ewald Wiedenbauer.454 Genau einen Konflikt rund um diesen bekam sie später monatelang nicht in den Griff; die Kärntner SPÖ konnte daraufhin aus den Umfragen neuerlich lernen, welch verheerenden Eindruck Führungsschwäche und schwärende Machtkämpfe beim Wähler hinterließen: Im Frühjahr, vor der Affäre, hatte sie bereits die Mehrheit erobert, im Herbst war diese schon
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wieder verloren; die neue Spitzenfrau hatte in der Vertrauensfrage ihr Guthaben fast völlig verspielt.455 2. „Gabis“ größte Stärke war bei „Gaby“ eine der größten Schwächen – die persönliche Kommunikation. Selbst in den eigenen Reihen warfen Kritiker der Kärntner Soziallandesrätin ein „kaltes Herz“ vor,456 was ihre politische Ausstrahlung betraf; während Burgstaller dabei ständig „auch nonverbal zu vermitteln (schien): ‚Du kannst Spitzenpolitiker sein und trotzdem ein Mensch bleiben.‘“ Dieser „Mensch Burgstaller“ wurde gerade Wechselwählern gezielt vor allem im Direktkontakt präsentiert. Ein Salzburger Parteimanager: „Wir haben sie möglichst viel hinausgeschickt unter die Leute, in Situationen, wo sie weniger formal auftritt, vom Rednerpult herab die Menschen belehrt, sondern auf gleicher Augenhöhe mit den Menschen unkompliziert kommunizieren konnte.“457 Schaunig hingegen konnte aus ihren öffentlichen Auftritten offensichtlich keinen Gewinn ziehen. Dabei hatte sich nach ihrer Wahl 2005 sogar die Haider-Partei zunächst Sorgen gemacht: „Damals beim Landesparteitag hat es große Befürchtungen bei uns in den eigenen Reihen gegeben, ‚Wos is, wenn die Schaunig kummt?‘ … Weil nämlich immer der Fehler gemacht wurde, die Kärntner Gaby mit der Salzburger Gabi zu vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten mit einer völlig unterschiedlichen Politik. Die Gabi Burgstaller ist wirklich sehr geschickt, sie hat ein unglaubliches Charisma im Umgang mit Menschen, so ein bissel wie der Haider auch. Die Schaunig ist genau das Gegenteil …“ (Petzner, 2007) Zudem konstatierten politische Beobachter: „Selbstvermarktung ist keine Stärke von Schaunig und Vasallen“458 – ein Vorwurf, den man den „Vergleichsgrößen“ Haider und Burgstaller tatsächlich nicht machen konnte. Der Unterschied lag aber nicht nur im persönlichen Talent, sondern auch an den Stäben. Haider und auch die Salzburger Sozialdemokraten hatten ihre Begabung zur erfolgreichen Inszenierung hinreichend bewiesen – gemessen an ihnen hatte die Kärntner Landespartei großen Rückstand. Auch dies trug zum Gesamtresultat bei: die Kärntner „Gaby“ konnte ihren Kontrahenten in den persönlichen Werten nicht überholen, die Salzburger Gabi sehr wohl. In der (fiktiven) Landeshauptmann-Direktwahl-Frage lag Schaunig 2007, zwei Jahre bevor sie gegen ihn antreten sollte, gegen Haider 21 : 44 % zurück;459 Burgstaller hatte den regierenden ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger schon vor den Landtagswahlen 2004 hinter sich gelassen.460 3. Zu den Widersprüchen des Modells Schaunig gehörte auch einer, der nicht an Personen, ja nicht einmal an den Brüchen innerhalb der SPÖ lag, sondern im System: Die neue Vorsitzende definierte sich zwar ihrer politischen DNA gemäß als „AntiHaider“, war aber selbst Mitglied von dessen Regierung. In Kärnten galt wie in den
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meisten anderen Bundesländern der Proporz, der allen Parteien ab einer bestimmten Mandatszahl einen Anteil an der Macht garantierte. Das erzwang praktisch Kompromisse: Die sogenannte „Chianti“-Koalition, das Abkommen zwischen der SPÖ und Haider, kündigte Schaunig 2006 auf – nur um im Jahr darauf mit dem BZÖ gemeinsame Budgetbeschlüsse zu fassen. Dadurch sei „ein Jahr lang die Regierungsarbeit möglich“461, rechtfertigte sich die Landeshauptmann-Stellvertreterin. Damit sprach sie zumindest indirekt das eigentliche Problem an; ein medienerfahrener SPÖ-Bürgermeister: „Das Dilemma ist, einen solchen Kurs, denn das war damals schon eine Kampfansage gegen Haider, drei Jahre durchzuhalten in einer Konzentrationsregierung, wo man Landeshauptmann-Stellvertreter ist. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man fährt einen totalen Konfrontationskurs und verglüht an ihm oder man fährt den Konsenskurs und wird so umarmt, dass einem auch die Luft ausgeht.“ (Seifried) Zudem richteten sich Angriffe stets gegen einen Landeshauptmann, den der Wähler mit Mehrheit ausgestattet hatte: „Es geht in die Hose, weil die Leute es grundsätzlich nicht schätzen, wenn man am Landeshauptmann, den sie gewählt haben, herummäkelt … Das wollen die Leute letztlich nicht, das richtet sich gegen den, der diese Note in die tägliche Diskussion bringt.“ (Seifried) Schon in der politischen Kommunikation war die Aufgabe demnach schwer lösbar. Noch schwieriger wurde sie, wenn eine Parteiführerin die öffentlichen Fehden ernst, mehr noch, sogar persönlich nahm: Gaby Schaunig gab Jörg Haider z. B. nicht mehr die Hand, nachdem das BZÖ ihrem Ehemann in Inseraten vorgeworfen hatte, an einem von ihr kritisierten Kulturprojekt des Landes (der Wörthersee-Bühne) mitverdient zu haben. Schaunigs Gatte bekam vor Gericht recht – doch das Verhalten seiner Frau ging nach Ansicht von Würdenträgern ihrer Partei zu weit: „Es war eine fast persönlich ausgetragene Auseinandersetzung – dann kommst schnell in den Ruf, ein Streithansl zu sein. Denn in Wahrheit hat man zu kämpfen für den Bürger, den Wähler und nicht in einer persönlichen Auseinandersetzung. Das dürfte sie dann auch zermürbt haben.“ (Manzenreiter) Gegnerschaft bis in die personale Kommunikation zu tragen, durch symbolische Gesten sichtbar auszudrücken, das wurde als Verstoß gegen die herrschende (vermutlich nicht nur politische) Mentalität gewertet. Die Strecke von der Konsens- zur Konfliktlinie führte über eine Rasierklinge, nicht nur politisch, sondern auch was die sozialen Traditionen betraf.
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Die „roten“ Bürgermeister – oder: Der Reiz des „Judaslohns“ Eine der mächtigsten Gruppen in der SPÖ-Elite hatte unterdessen ihre Lösung für das Regierungs/Oppositions-Dilemma gefunden: Ein guter Teil der immer noch zahlreichen Bürgermeister hatte sich längst mit Haider arrangiert und bildete auch nun keineswegs die Speerspitze gegen ihn – im Gegenteil, viele hatten Frieden mit ihm geschlossen und behandelten ihn fast als politischen „Kumpel“. Die Illoyalität gegenüber der eigenen Parteiführung ging so weit und lag so offen zutage, dass sich sogar Schaunigs Vorgänger Peter Ambrozy, immerhin ein Architekt der FPÖ(BZÖ)-SPÖKoalition, bei seinem Abschied auf dem Parteitag bitter beklagte: „Es darf nie wieder passieren, dass zwei Wochen vor Wahlen wichtige Funktionäre mit dem politischen Gegner kollaborieren, gemeinsame Erklärungen abgeben oder Pressekonferenzen machen …“462 Der Parteiobmann spielt damit auf den Wolfsberger SPÖ-Bürgermeister Gerhard Seifried an, der auch in der Schaunig-Ära keinen Hehl daraus machte, wie die Logik eines Gemeindeoberhaupts funktionierte: „Ich möchte mich nicht ausnehmen, ich habe mich immer in erster Linie als Bürgermeister gesehen und als Bürgermeister musst du anders agieren. Als Erstes kommt Wolfsberg und dann kommt die SPÖ. Es lässt sich doch kein Bürgermeister, noch dazu wenn er erfolgreich ist, von irgendeinem SPÖ-Landessekretär etwas sagen … Der Bürgermeister braucht immer einen Ansprechpartner, den Landeshauptmann, den Landesfinanzreferenten. Im Grunde ist es gleichgültig, von welcher Partei der ist.“ (Seifried, 2007) Solche „Ansprechpartner“ hatten schlicht mehr Vorteile zu vergeben als die eigene Parteiführung, wie ein Kollege Seifrieds, der St. Veiter SPÖ-Bürgermeister Gerhard Mock, in einer Haider-Würdigung offenlegte: „Als Bürgermeister muss ich bekennen, dass sich die jahrelange Zusammenarbeit mit Haider vor allem auf dem wirtschaft lichen Sektor gelohnt hat. St. Veit kann heute mit Stolz auf einen stattlichen Industriepark verweisen, dessen Aufbau nur möglich war, weil er als Landeshauptmann und ich als Bürgermeister an einem Strang gezogen … haben.“463 Geschäfte mit dem Landeshauptmann versprachen den größeren politischen Nutzen, vor allem den, selber Erfolge vorweisen zu können – schon deshalb waren lokale Größen nicht bereit, im Interesse der Partei die Reihen gegen einen Landeshauptmann Haider zu schließen: „Die SPÖ hat das erstens nicht in allen Gliederungen durchgehalten. Es hat einige Bürgermeister gegeben, die sich auch den Judaslohn haben auszahlen lassen. Da ist der Haider schon bereit das zu tun, zum Beispiel beim Wolfsberger Bürgermeister, der immer vor Wahlen sozusagen der eigenen Partei in den Rücken gefallen ist und dem Haider eine positive Plattform gegeben hat.“ (Manzenreiter, 2008)
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5. Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren)
Der immer kampfbereite Amtskollege Manzenreiter übt hier moralische Kritik. Das Verhalten der Bürgermeister war aber aus ihrer Sicht durchaus opportun. Es wurde durch ein Wahlsystem begünstigt, das der blau-orange Landesregent schon in seiner ersten Amtszeit betrieben hatte: Ab 1992 wurden die Kärntner Gemeindeoberhäupter direkt gewählt. Seither waren sie im Zweifelsfall eher der Stimmung der Wähler verpflichtet als dem Interesse der Partei. Das hatte in Kärnten mit seiner historischen und unter Haider noch ständig wachsenden Stärke des „Dritten Lagers“ die spezielle Auswirkung, dass die roten Bürgermeister „den Preis der Abhängigkeit von blauen Leihstimmen“464 zahlten: „The directed elected mayors started zu keep their own party at arm’s length. They knew their success depended on attracting a lot of crossover voters, many of whom were sympathetic to Haider.“465 Die Direktwahl definierte den Begriff der „Loyalität“ neu – und jedenfalls nicht so, wie ihn Generationen von SPÖ-Funktionären verstanden hatten. De facto war dem politischen Strategen Haider mit ihrer Hilfe nichts weniger gelungen, als die einst mächtigste Partei des Bundeslandes zu spalten: „Der Nukleus des Problems der Kärntner SPÖ ist damit völlig auf den Punkt gebracht und klar seit 89. Als das erste Mal Mächte, die Landesebene und die Bezirksstädte, auseinandergebrochen sind, hast du diese Veränderung nachvollziehbar gespürt und wir hatten zwei Interessengruppen in einer Partei.“ (Kaiser, 2009)466 „Es gibt extrem große Zerklüftungen in dieser Partei, nach wie vor. Es gibt sehr viele Abteilungen in dieser Firma, die ihre eigene Suppen kochen – das sind verschiedene Bezirksorganisationen, das sind die Bürgermeister, das ist die Arbeiterkammer, der ÖGB … diese straffe Führung, die es damals (unter Wagner, Anm. d. Verf.) gegeben hat, gibt es seither nicht mehr und im Grund macht jeder, was er will.“ (Seifried, 2007)
Die ÖVP – besser eine kleine Rolle als keine Die SPÖ war aber nicht die einzige Traditionspartei, die in Kärnten unter dem Druck Haiders fast in ihre Einzelteile zerfiel. Die ÖVP zerriss es schon vor ihr, bei einer Obmannwahl im Jahr 1986, in ein Pro- und ein Anti-Haider-Lager.467 Damit verlor ein ohnehin schon Schwacher weiter an Kraft, denn die Blutarmut der Christlich-Sozialen war in Kärnten historisch: „Es dominierte das Kleinbauern- und Keuschlertum, also ein ländliches Proletariat, das gegenüber der Kirche auf Distanz blieb … Politische Strömungen, die Kirche und Glauben auf ihr Banner schrieben, hatten in Kärnten geringe Aussichten. Eine Folge davon ist die Schwäche des christlich-sozialen bzw. des ÖVP-Lagers.“468
5.4 Die Gegner – und warum sie keine waren
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Vollends „geheilt“ von jedem Anti-Haider-Virus war die Kärntner Volkspartei nach den schmerzlichen Erfahrungen im Landtagswahlkampf 2004. Die Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher hatte angekündigt, den Landeshauptmann auf keinen Fall wiederzuwählen; die ÖVP verlor die Hälfte ihrer Mandate und fiel auf unter zwölf Prozent – den niedrigsten Stimmenanteil, den die österreichische Volkspartei jemals bei einer österreichischen Landtagswahl „erreicht“ hatte. Der Haider-FPÖ war es gelungen, 24.000 Wähler von der ÖVP abzusaugen,469 die offensichtlich vor allem der Widerwille gegen die Wiederkehr eines SP-Landeshauptmanns trieb: „Es wirkt in den Köpfen sicherlich noch nach die Zeit der SPÖ-Alleinherrschaft in Kärnten, das ist noch nicht überwunden. Im Hintergrund wird noch vermerkt, dass diese Alleinregierung nicht absolut freundlich zu einem Teil der Bevölkerung war.“ (Anderwald) „Ein … Faktum scheint zu sein, dass Kärnten keinen sozialdemokratischen LH haben möchte, sie sind genug traumatisiert.“ (Torta) Damit durften sich auch Haider-kritische Elemente als gescheitert betrachten, die in der ÖVP durchaus existierten, wie etwa der damalige Landesgeschäftsführer Siegfried Torta: „Ich bin zur ÖVP gegangen, um den Haider zu entzaubern, das ist uns leider nicht gelungen … Ich bin eher der Liberale. Meine Strategie wäre, die Defizite des LH aufzuzeigen. Man muss die Leute das spüren lassen, Defizite sichtbar machen, das ist eine Distanzfrage. Opposition muss erkennbar sein.“ (Torta, 2007) Doch ein Oppositionskurs war nun vom Tisch: „Nach der letzten Wahl und dieser tragischen Entscheidung ist unser Mut relativ gesunken, der Mut, Neues auszuprobieren – nachdem wir ja gesagt hatten, Haider wird nicht gewählt, was zu dem Zeitpunkt, wo sie (die Spitzenkandidatin, Anm. d. Verf.) es gesagt hat, nicht Parteilinie war.“ (Torta) Die ÖVP war nicht nur entmutigt, sie fühlte sich auch machtpolitisch an den Rand gedrängt. Das BZÖ und die SPÖ hatten sich nur fünf Tage nach den Wahlen 2004 binnen einer Nacht auf eine Zusammenarbeit (die sogenannte „Chianti“-Koalition) geeinigt: „Wir wurden nicht einmal eingeladen zu Koalitionsverhandlungen. Unsere Verhandlungen haben sechs Stunden gedauert, wo man uns mitgeteilt hat, welche Ressorts man uns übrig gelassen hat und die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ haben wenige Stunden gedauert und schon war Haider Landeshauptmann …“ (Torta) Traumatisiert von den Folgen der Anti-Haider-Ansage, bei der Machtaufteilung nach eigenem Eindruck gedemütigt, kompensierte die neue Kärntner VP-Führung dies bei erster Gelegenheit – nach der „Scheidung“ der SPÖ-BZÖ-Ehe. Die ÖVP stellte sich als Partner zur Verfügung, unterzeichnete ein Abkommen zur Landesholding (die die Landesbeteiligungen bündeln sollte), profitierte in Form von Positionen und unterstützte Haider mehrfach in heiklen Situationen im Landtag.470
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5. Kärnten – oder: Warum ein Toter Wahlen gewinnt (und seine Erben alles verlieren)
Die Kenia-Koalition – Flagge zeigen an Nebenfronten Mit ihrer neuen Beziehung zum Landeshauptmann hatte eine österreichische „Groß“partei Einflussverluste zum Teil wettgemacht. Ein Regieren gegen Haider war damit aber als Variante endgültig ausgeschieden. Dabei war rein rechnerisch – und dies gerät oft in Vergessenheit – eine schwarzrot-grüne Mehrheit gegen die orange Nummer eins durchaus möglich. Daran erinnerte zum Beispiel der grüne Landessprecher Rolf Holub: „Ich hab’s nach der Wahl angeboten, wir haben eine Mehrheit, Schwarz-Grün-Rot, die Kenia-Koalition wird sie genannt, aufgrund der Farben der kenianischen Flagge. Aber aufgrund des Proporzes macht Haider so eine Art Mühle-Spiel: das Budget beschließt er mit den Roten, andere Sachen mit den Schwarzen, die zwei spielt er gegeneinander aus … Und dadurch wird immer nur er in die Höhe getrieben, denn er setzt es dann durch.“ (Holub, 2008) Doch dies war nur eine mathematische Option. Politisch blieb das Flaggezeigen auf Nebenfronten beschränkt. Praktiziert wurde es nur, wenn es um nicht mehr ging als etwa um eine Änderung im „Kärntner Heizungsanlagengesetz“ – da überstimmten SPÖ, ÖVP und Grüne gemeinsam das BZÖ und setzten damit Überprüfungen älterer Heizanlagen durch, um den Kohlendioxidausstoß zu senken.471 Aber das waren Rauchschwaden, die sich schnell verzogen. Bei Überlebensfragen einer Regierung wie dem Budget brachte wie geschildert selbst die SPÖ-Vorsitzende Schaunig nicht mehr zustande als ein „Nein, aber“ („Nein“ zu Jörg Haider, aber „Ja“ zum Haushalt). Eine dauerhafte Front gegen sich musste das BZÖ deshalb nicht fürchten, auch wenn dies zahlenmäßig nicht ausgeschlossen war, wo es doch über keine absolute Mehrheit verfügte: ÖVP und SPÖ hatten ihre „Haider nie“-Transparente längst wieder eingerollt; die Volkspartei scheiterte an der eigenen Wählerschaft, die SPÖ sogar an den eigenen Spitzenfunktionären (z. B. den Bürgermeistern) und letztlich erlagen beide dem Reiz der Machtbeteiligung. Der Landeshauptmann aber blieb als Hauptdarsteller unangefochten. Diese Rolle bauten er und seine Regieassistenten durch ihre Überlegenheit auf der Bühne der politischen Kommunikation noch aus.
5.5 Die politische Kommunikation – eine Partei als permanente Kampagne Nirgendwo anders wurde die Dominanz von „Jörg“, diesem Politiker neuen Typs, so sichtbar wie in der Sparte „Inszenierung“ (vgl. auch den Abschnitt dazu weiter vorn).
5.5 Die politische Kommunikation – eine Partei als permanente Kampagne
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Die „Marke“ Haider war stark, so stark, dass man mit ihrer Hilfe – auch nach der Selbstdemontage der FPÖ in Knittelfeld – eine neue politische Bewegung „zünden“ konnte, das BZÖ.472 Dass diese in Kärnten so rasch zu einem Höhenflug ansetzte, lag an ihrer Spitze, gewiss, aber nicht nur daran – es lag auch an der gesamten Konstruktion: die war schnittiger, schneller und schlagkräftiger als die der Mitbewerber. Tempo war schon entscheidend, als nach der Spaltung 2005 ein Wettlauf um die freiheitlichen Wähler und auch Funktionäre einsetzte. Der Sieg der Orangen schien dabei zunächst keineswegs garantiert. Die neue Gruppe kam in Kärnten nach Erinnerung von Haider-Mitarbeitern in den Umfragen zunächst nur auf 18 % und das samt Landeshauptmannbonus; auch im Stammland des BZÖ hatte sich „massive Verunsicherung“ ausgebreitet.473 Zwei Jahre später hatte sich hinter Haiders Fahne der Großteil des blauen Lagers versammelt: „Wir haben es geschafft, den freiheitlichen Wähler nach der Spaltung 2005 wieder an uns zu binden … Der, der als erster seine Sicht der Dinge draußen hatte, hat gewonnen. Das haben wir in Kärnten gemacht, die FPÖ hat es bundesweit gemacht … In Kärnten haben wir versucht, sofort offensiv hinauszugehen, haben einen außerordentlichen Landesparteitag gemacht und haben das abgewehrt.“ (Petzner, 2007) Weitere zwei Jahre danach, bei den Landtagswahlen 2009, gewann das BZÖ 80 % der FPÖ-Wähler von 2004 für sich.474 Dies hatte die neue Partei stark auch ihrer politischen Kommunikation zu verdanken. Haider selber beherrschte die Spielregeln des Medienmarktes früh. In seiner ersten Ära, bis 1991, bildete er eine „Zweckgemeinschaft“ mit der auflagenstarken „Kleinen Zeitung“, verhalf dieser zu journalistischen Erfolgen und profitierte als politischer Aufsteiger selber davon: „Die ‚Kleine Zeitung‘ hatte die Geschichten und Jörg Haider bekam als Aufdecker die Publicity.“475 Später hielt dieser Handel nicht mehr: Haider wurde – das änderte sich auch durch Marketingkooperationen476 nicht – von der Redaktion des Kärntner Marktführers durchaus kritisch behandelt. Doch da hatte sich das BZÖ von einzelnen Medien längst unabhängig gemacht. Es ging mit seinen Methoden früh und weit über die „klassische“ Pressearbeit hinaus: „Wir arbeiten einerseits mit Handy-Schnellinfos, mit Internet sehr, sehr stark, aber auch mit unserer Parteizeitung, die an alle Funktionäre wöchentlich verschickt wird. Das dritte Element ist unsere intensive Versammlungstätigkeit, es finden ständig irgendwelche Versammlungen statt für BZÖ-Funktionäre, wo die Spitzen auf ganz Kärnten aufgeteilt sind, alles abgedeckt wird, das passiert in Permanenz.“ (Petzner, 2007) Doch nicht nur in der Kommunikation nach innen, in deren Intensität und bei den angewendeten Technologien hatte das BZÖ einen enormen Vorsprung auf den größ-
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ten Konkurrenten, die Sozialdemokratie. Sie konnte diesen auch nach außen umsetzen. Das gestanden zumindest aufgeklärte SPÖ-Führungskräfte auch ein: „Es wirkt das Politmarketing, wie es das BZÖ betreibt, immer um einen Tick moderner, als das, was die SPÖ macht, das ist immer ein bissel altmodisch. Das BZÖ ist immer wachsam und immer unter Strom, da sind sie einfach professionell. Sie sind sehr präsent.“ (Sei fried, 2007) „Uns gegenüber steht das BZÖ. In der Aneignung von Fertigkeiten, bei Kommunikationsmitteln, in der Modernität und deren Vermittlung sind sie top. Das bringt uns automatisch in einen Nachteil.“ (Kaiser) Dabei verfügte die Kärntner SPÖ selbst in den besten Zeiten Haiders und selbst noch nach dessen jahrelanger Herrschaft über den stärkeren Parteiapparat. Dies war auch dem BZÖ bewusst: „Wir waren nie eine Funktionärspartei. Wir sind von der Menge und der Schlagkraft der Funktionäre der SPÖ weit, weit unterlegen, die hatten in Kärnten immer sehr, sehr starke Strukturen, die bis in die Regierung hineinreichen.“ (Petzner, 2007) Selbst die ÖVP musste sich, was den organisatorischen Unterbau betraf, keineswegs unterlegen fühlen: „Wir haben in jeder Gemeinde Bürgermeister oder Gemeinderäte, wir haben Bezirksorganisationen, das hat das BZÖ eher nicht. Für mich ist das so was wie ein Wahlverein. Es ist ständiges Campaigning.“ (Torta) Die Beobachtung trifft den Punkt. Exakt auf diese Weise sollten tatsächlich Schwächen in der Parteiorganisation wettgemacht werden, bestätigt Stefan Petzner, Pressesprecher und Kampagnenleiter Haiders: „Wir müssen daher immer versuchen, über die Kampagnisierung die Stimmung zu erzeugen … Unser Credo ist: Obwohl wir eben von den Organisationsstrukturen viel kleiner sind als die SPÖ, müssen alle Funktionäre, alle Abgeordneten permanente Präsenz in der Öffentlichkeit erreichen. Das heißt, bei großen Veranstaltungen, Festen, Feiern, Eröffnungen ist das BZÖ in Form von Funktionären, Abgeordneten, Bürgermeistern, Gemeinderäten präsent.“ (Petzner, 2007) Haiders BZÖ setzte Kampagnen nicht nur als Mittel ein – die Kampagne war seine Existenzform. Es führte Kampagnen nicht nur, es war eine. Zugutekam der Neugründung, dass Ähnliches in Traditionsparteien gar nicht möglich war. Die Ausrichtung auf eine Führungsperson galt ja nicht nur zum Beispiel für die Imageproduktion, sondern auch für die Entscheidungskompetenzen. Petzner: „Unsere größte Stärke und gleichzeitig auch größte Schwäche sind die sehr, sehr schlanken Hierarchien und Entscheidungsstrukturen. In der SPÖ wird eine Kampagne gemeinsam erstellt, die wird in 5.000 Gremien diskutiert, von 5.000 Leuten kritisiert und von 5000 Leuten verändert. Da kommt unterm Strich eine klassische 08/15-Kampagne raus, ohne Ecken,
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ohne Kanten, ohne Pfiff, die langweilig ist und beim Wähler nicht ankommt … Wir haben das immer anders gemacht – es hat eine Gruppe von ein, zwei Leuten gegeben, die die Kampagnen, die Strategien vorgeben, die dann umgesetzt werden. Sie werden schon diskutiert in den Gremien, sie werden abgesegnet, aber sie werden nicht mehr verändert.“ Die SPÖ war zwar immer noch die schwergewichtigere Partei – allerdings im doppelten Wortsinn, also auch was ihre Beweglichkeit betraf. Der nach der Niederlage 2009 mit der Parteireform beauftragte Peter Kaiser propagierte als eines der wichtigsten Ziele deshalb sofort die „Verschlankung der Entscheidungsprozesse – um rasch reagieren zu können, wie in einem Unternehmen“. Die „Firma SPÖ Kärnten“ war im Unterschied zum BZÖ in zahlreiche Abteilungen zerfallen: „Auch intern klappt es nicht. Wir raufen uns manchmal die Haare, wie viel Entscheidungsgremien, Sichtungen, Filterungen oder ‚Zensuren‘ es durchlaufen muss, bis irgendeine Botschaft hinausgeht. Du spürst es in unserem ganzen Habitus, er ist internalisiert, dieser SPÖStil und hat eben seine Gründe darin, dass wir alles fünfmal checken und gegenchecken müssen, bis dann was hinausgeht.“ (Kaiser, 2009) Man kann das „internen Interessenausgleich“ nennen, es sogar als Zeichen innerparteilicher Demokratie werten oder aber als Ausdruck von Führungsschwäche: in jedem Fall schleppte die Kärntner SP im Wettrennen um Aufmerksamkeit auf dem Markt der politischen Kommunikation eine schwere Bürde mit. Das BZÖ hingegen hatte sich damit nie belastet: es betrachtete sich von vornherein nicht in erster Linie als Partei im klassischen Sinn, sondern als Marketingvehikel. Reichlich Treibstoff lieferte dafür das Amt. Als Landeshauptmann gewann Haider etwas, das Rechtspopulisten ohne Regierungsfunktion oft fehlte, nämlich „Freiraum für Gestaltung und Selbstinszenierung“477. Diesen nutzte er auch aus und er übertraf dabei seine Amtskollegen aus anderen politischen Lagern, wie schon eine kleine Vergleichsuntersuchung der Internetauftritte belegt:
Huldigungen an den Herrscher An einem beliebig ausgewählten Wochentag im Mai 2008 fanden sich auf der Homepage des Landes Kärnten schon auf der Startseite sieben Meldungen mit Haider im Titel, er wurde damit in der Hälfte aller Berichte genannt und war das einzige Regierungsmitglied, das überhaupt erwähnt wurde. Die weiterführende, ausschließlich „LH Dr. Jörg Haider“ gewidmete Seite ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.
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Auf der Homepage des Landes Salzburg kam am selben Tag kein einziger Politiker namentlich vor; selbst in den neun Meldungen der Landeskorrespondenz erschien keiner im Titel, obwohl die Landesregierung an diesem Tag bei einer Arbeitsausschusssitzung mehrere Entscheidungen getroffen hatte. Die „Land Steiermark“-Homepage würdigte am selben Tag ein einziges Regierungsmitglied: der damalige Sozial- und Kulturreferent Kurt Flecker hatte seine Halbzeitbilanz vorgelegt. Auf der Seite „Landespressedienst“ mit fünf Tage zurückreichenden Nachrichten tauchte in keiner einzigen Titelzeile der Name eines Ressortchefs auf. Auf der „Land Oberösterreich“-Startseite fanden sich am Stichtag sieben Meldungen ohne Regierungsmitglied im Titel; auf der Seite „Landeskorrespondenz/ Medieninfo“ bezogen sich bei insgesamt sieben Themen zwei Überschriften auf Landeshauptmann Pühringer, eine auf Landeshauptmann-Stellvertreter Hiesl.478 Verglichen wurden oben nicht die personalisierten Seiten von Landeshauptleuten oder Spitzenkandidaten, sondern die Homepages der Länder. Beim Ergebnis fällt auf: Die Gleichsetzung von „Land“ und „Landeshauptmann“ war in keinem der vier Bundesländer so stark wie in Kärnten. Im kommunikativen Alltag, z. B. im Internet, ließ sich der Kärntner Landeshauptmann wesentlich häufiger zelebrieren als die Spitzen anderer Bundesländer. Der „Antipolitiker“, der „Neue“ legte seine Selbstdarstellung schamloser an als die Vertreter der von ihm so apostrophierten „Altparteien“ – eine interessante Lehre aus der jüngeren Bundesländergeschichte. Auch Haiders Nachfolger erwiesen sich dabei als durchaus begabt. Im Wahlkampf, der Blütezeit der Selbstrepräsentation, gab das BZÖ 2009 nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Focus Media doppelt so viel für Inserate aus wie die Haider-FPÖ fünf Jahre zuvor; im Landtagswahlkampf 2009 in Salzburg hingegen reduzierte die stärkste Partei, die SPÖ, diese Kosten im Vergleich zu 2004.479 Bei diesem Vergleich werden aber ohnehin nur Parteieninserate erfasst; weit interessanter ist die politische Werbung, die aus Regierungsämtern resultiert, also „… Anzeigen, die sich als Informationen der Landesregierung tarnen, aber lediglich zur Präsentation des Parteikandidaten dienen. Dies gilt insbesondere für Gerhard Dörfler und Uwe Scheuch vom BZÖ, die diese Mittel nahezu permanent unverfroren zur Selbstbewerbung einsetzen … Im Beobachtungszeitraum 23. Februar bis 1. März 2009 werden allein mit landespolitischem Hintergrund … rund 34,3 Seiten Inserate in der „Kleinen Zeitung“ und 34,9 in der „Kronen-Zeitung“ geschaltet. Für den Löwenanteil
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– insgesamt 38,5 Seiten – sorgt das BZÖ, das wiederum 29 Seiten davon als Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung (BZÖ-Reg.) deklariert.“480 Die (damals noch) BZÖ-Riege konnte aus ihrer Führungsrolle in der Regierung also enorme Vorteile lukrieren: fast drei Viertel der mit ihr verbundenen Anzeigen in den beiden reichweitenstärksten Tageszeitungen wurden auf diesem Weg lanciert. Wer hingegen politische Ämter verliert, der büßt auch finanzielle Mittel ein und damit Chancen auf PR. Die Kärntner VP, 2004 schwer geschlagen, machte in der Haider-Ära ihre Erfahrungen damit. Der damalige Geschäftsführer: „Wir haben nach der letzten Wahlniederlage die Hälfte der Parteienförderung verloren. Wir haben 17 Leute entlassen bzw. ‚weiterentwickeln‘ müssen. Wir haben nur noch ein Rumpfb udget. Wenn du die Hälfte der Abgeordneten verlierst, ist ungefähr auch die Hälfte der Parteienförderung weg. Wir haben eine Umstrukturierung durchführen müssen, auf Kosten der Öffentlichkeitsauftritte und der Inszenierungen. Wir haben gesagt, wir müssen jedes Jahr 150.000 € einsparen, müssen konsolidieren, müssen wieder lebensfähig werden.“ (Torta) Die Herrschaft auf dem Feld der Kommunikation war jedoch nicht die einzige, die sich die Blau-Orangen erobert hatten. Sie hatten über die Jahre die komplette Machtbalance des Landes verändert.
5.6 Eine Zwischenbilanz – oder: Ein Land mit neuen Herren Die Zwischenbilanz nach dem Ende der Ära Haider war ziemlich eindeutig: das (damals noch) BZÖ hielt nach den Landtagswahlen 2009 nicht nur weiter den Landeshauptmann, es hatte sogar erstmals die absolute Mehrheit in der Landesregierung übernommen und kontrollierte damit die angeschlossenen Einflusszonen, von der Landesholding bis zur Spitalsgesellschaft (gleichgültig, wem dort der Vorsitz überlassen wurde). Im Landtag verfügte die Fraktion zwar nicht über die absolute Mehrheit, aber doch über deutlich ausreichend Mandate für eine Sperrmajorität: ohne BZÖ (später FPK) konnte das Landesparlament nicht aufgelöst werden und waren vor allem keine Neuwahlen durchzusetzen (was noch sehr merkbar werden sollte). Die anderen Parteien waren klein und wurden nicht größer (die Grünen); waren zwar etwas größer, aber immer noch so klein, dass sie sich als Partner benutzen ließen (die ÖVP) oder sie waren früher groß und wurden immer kleiner (die SPÖ). Zu viele ihrer Führer hatten zu lange zu Haider aufgeblickt und dabei staunend, manche sogar angewidert das Treiben auf der Bühne verfolgt – dabei den eigenen Text vergessend. Stattdessen gab der Hauptdarsteller und Regisseur die Stichworte vor, auf die man dann – oft ratlos – nach Antwort suchte.
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Zwanzig Jahre nach Haiders Aufstieg waren in Kärnten auch die Apparate von Sozialdemokraten und Volkspartei den Emporkömmlingen an Schnelligkeit und Schlagkraft unterlegen. Nirgendwo sonst waren die Erschütterungen im Machtgefüge deutlicher zu spüren, nirgendwo sonst hatte eine neue politische Kraft mehr davon profitiert.
Post mortem – oder: Wer gewinnt den Kampf um Haiders Erbe? Das BZÖ war die stärkste Partei im Land und Jörg Haider ihr Prophet. Wer aber sollte der orangen Fahne langfristig noch folgen, vor allem außerhalb Kärntens? Zum Prüfstein wurde die Landtagswahl in Oberösterreich Ende September 2009. Oberösterreich war ein Kernland des freiheitlichen Lagers, wo Haider bei den Nationalratswahlen im Jahr davor immerhin neun Prozent erreicht hatte, Potenzial also vorhanden schien. Das BZÖ brachte auch dort den Haider-Mythos ins Spiel. Es trat mit Ursula Haubner als Spitzenkandidatin an, Haiders Schwester: „Weil sie weiß, was er wollte“, versprachen die Plakate. Das reichte aber nur knapp drei Prozent der Oberösterreicher als Wahlmotiv, zu wenig sogar für den Einzug in den Landtag, für die Landesregierung sowieso. Einem jungen Kärntner BZÖ-Landesrat namens Christian Ragger bescherte das eine Schlüsselerfahrung: „Das war für uns der Markstein, wo wir gesagt haben: wenn sie es schafft, das BZÖ dort zu etablieren, dann schaffen wir es auch, uns langfristig für eine Nationalratswahl breit zu entwickeln. Das ist kläglichst gescheitert. Das hat uns sofort zur Erkenntnis geführt, wenn wir in Kärnten in irgendeiner Form weiterhin Politik betreiben wollen, brauchen wir einen starken Partner in Wien.“481 Damit kam die Wiederverheiratung zweier Geschiedener in Fahrt. Schon seit Spätsommer/Frühherbst 2009 wurde nach Angaben aus der Kärntner BZÖ-Führung wieder mit der Bundes-FPÖ verhandelt. Später bemühte man sich sogar, eine Aussöhnung als eine Art „letzten Willen“ von Haider selber darzustellen: „Es ist unter Haider auch schon verhandelt worden. Nach dem Wahlerfolg von Haider bei den Nationalratswahlen 2008 war es ganz knapp, dass man sogar eine Bundeskoalition zusammengebracht hätte. Haider war der Kitt zwischen der FPÖ und der ÖVP. Das war keine zwei Wochen, bevor er verstorben ist. Das war genau damals im Fluss. Am 10. (Oktober 2008, Anm. d. Verf.) hat er noch verhandelt, am 11. ist er gestorben. Da waren die Verhandlungen mitten im Gange, wir waren damals in intensivsten Gesprächen.“ (Ragger) Dies ist der Versuch einer nachträglichen Legitimierung durch den verstorbenen „Vater“ – er erklärt sich womöglich aus der Tatsache, dass die Basis in den Heiratscoup
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nicht eingeweiht war. Die Eheanbahnung war unter großer Diskretion erfolgt. Das Aufgebot war erst Monate nach Gesprächsbeginn kundgemacht worden, im Dezember 2009 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von FP-Strache und Uwe Scheuch (nun statt „BZÖ“ unter „FPK – Die Freiheitlichen in Kärnten“ firmierend). Selbst Stützen wie der Arbeitnehmersprecher und Nationalrat Sigisbert Dolinschek erfuhren erst wenige Stunden zuvor davon: „Ich bin zur Landesparteivorstandssitzung gefahren. Man hat mich dann eingeweiht – durch dieses Regierungskonsortium, Dörfler, Scheuch, Dobernig, Ragger plus dem Klubobmann Kurt Scheuch – und man hat gesagt: Pass auf, wir wollen uns lossagen, wir werden einen eigenen Klub, einen Kärntner Klub im Nationalrat, gründen. Die FPÖ hat jetzt auch eine Sitzung, am Nachmittag soll das alles präsentiert werden. Natürlich muss mit dem Bucher (dem Bundesparteiobmann des BZÖ, Anm. d. Verf.) noch gesprochen werden, der weiß noch nicht Bescheid, Du bist der erste der Außenstehenden, der da Bescheid weiß.“482 Der langjährige Parlamentarier warnte vor rechtlichen Hürden, doch mahnende Stimmen blieben von Anfang an die Ausnahme: „Im Landesparteivorstand war ich mit meiner Wortmeldung, wo ich meine Bedenken geäußert habe, der Einzige. Alle anderen waren dafür … Ich habe gedacht, ihr habt’s ja keine Ahnung, ihr seht über die Kärntner Landesgrenzen nicht hinaus, was dort los ist.“ Dolinschek, Haider-Gefolgsmann seit 1985 und damit fast der ersten Stunde, entschied sich letztlich für den Verbleib im BZÖ. Er teilte das wenige Tage später auch dem FPK-Obmann mit, als sich der nach Andeutungen von BZÖ-Obmann Bucher in einer ORF-Pressestunde am Telefon meldete: „Ich habe dem Uwe Scheuch gesagt, ich sage dir jetzt gleich, ich werde das nicht machen. Das Gespräch ist immer härter geworden. Ich habe ihm gesagt: ‚Du wirst nie glaubwürdig sein, wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Weil du bist der Landesparteiobmann, da kannst du zwanzigmal den Chef spielen, der Bundesobmann ist er‘ (gemeint war Strache, Anm. d. Verf.).“ Tatsächlich misslang im Parlament zunächst die (inzwischen vollzogene) Familienzusammenführung, für die Gründung eines eigenen FPK-Klubs fanden sich zu wenige Überläufer aus dem BZÖ. Die Kärntner Heimatbasis wurde von der Strache-Partnerschaft jedoch im wahrsten Sinne des Worts überwältigt:
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Kärntner Szenen Ein Parteitag oder: Stille Tage in Klagenfurt Es „is schon still uman See“, wie es im Kärntner Volkslied heißt, an diesem trüben Freitagnachmittag Mitte Jänner in Klagenfurt. Gezählte sieben Besucher pilgern durch die „Sonderausstellung über den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann“ im Bergbaumuseum der Landeshauptstadt. Die Stimmung im Halbdunkel des früheren Luftschutzstollens am Rand der Innenstadt ist weihevoll. Durch die „Felsenhalle“ tönt die Stimme des Verstorbenen: „Pfiat Gott liabe Olm und leg’ di zua Rua“, singt er. Die Aufnahme ist wenige Tag vor seinem tödlichen Unfall entstanden, bei einer Produktion mit Kärntner Chören: „Wenn man sich dieses Lied anhört, möchte man meinen, sein Tod sei bestimmt gewesen“, sinniert der Einleitungstext zum Video. Darin schreitet Haider im Trachtenrock langsam über eine Holzterrasse auf der Gerlitzen, einem Ausflugsberg bei Villach, leicht melancholisch hinunter ins Tal blickend und auf die gleich gekleideten, melodisch summenden Männer auf der Wiese vorm Haus. „Jörg, mit Deiner Offenheit gegenüber den Bürgern hast Du uns gezeigt, dass Politiker auch Menschen sein können wie Du und Ich“ hat „Ing. Schober, Graz“ ins Kondolenzbuch im Museum eingetragen. Rundum ist vor allem Persönliches ausgestellt: rote Kinderschuhe („die Robert Haider für Sohn Jörg 1952“ angefertigt habe), Kleidungsstücke von weißem Leinen- bis zum braunen Kärntner Sakko, die erste Aktentasche, Pfeife, Füllfeder, Kalender – dies ist keine zeitgeschichtliche Schau, dies ist eine Gedenkstätte. Auch Haiders Schaukelpferd ist zu sehen. Es hieß „Caesar“. Die Erben von Caesars Reiter versuchen währenddessen, sich im Sattel zu halten. In den Wochen zuvor sind sie außer Tritt geraten. Am frühen Abend ziehen auf Einladung der Grünen 200 Menschen vom Regierungsgebäude zum Landhaus und rufen „Rücktritt!“ und „U-we tut weh!“. Der Zug führt an einer Filiale der „Hypo Alpe Adria“ vorbei, die einen Monat zuvor von der Republik gerettet wurde. Uwe Scheuch, damals noch Landesparteichef des BZÖ, hat das mit dem Satz „Das ist ein guter Tag für Kärnten“ kommentiert. Der grüne Landessprecher Rolf Holub findet das peinlich: „Überall, wo man hinkommt, wird man ausgelacht, wenn man sagt, dass man aus Kärnten kommt“, schimpft er ins Megafon und kündigt an, man werde jetzt jeden Freitag wiederkommen: „Wir wollen zeigen, dass es noch ein anderes Kärnten gibt.“ Das beeindruckt zunächst einmal vor allem die Verkäuferin vom Teeladen am Weg, die tapfer Beifall klatscht. Ansonsten herrscht auch hier, rund um die Demonstration, eine merkwürdige Stille.
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Auf dem Redaktionstisch der „Kleinen Zeitung“ allerdings liegt zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue Umfrage und deren Daten zeigen mehr als deutlich, dass es unter der ruhigen Oberfläche vibriert. „FPK STÜRZT AB“ verkündet die Schlagzeile am nächsten Morgen, pünktlich zum Parteitag, die Scheuch-Dörfler-Partei soll bereits hinter die SPÖ zurückgefallen sein. Den Haider-Nachfolgern kommt die Titelseite gerade recht, um die Reihen dicht zu schließen. Es ist eng im Klagenfurter Konzerthaus, es ist heiß, draußen lauert der Feind. Dörfler und Scheuch wählen ein (nicht nur) Alt-Kärntner Rezept: 1. Stelle dich als Opfer dar (unerträglich die „ständige Herabwürdigung Kärntens“) 2. Präsentiere einen Gegner („desto mehr die Medien uns hauen, desto besser liegen wir“) 3. Trotze ihm und versammle dabei das eigene Lager hinter dir („in Kärnten läuft es anders“, „wir Kärntner sind zusammengeschweißt“). Was die Zielscheibe betrifft, schießt man sich an diesem Tag nicht nur auf Wien und dessen Medien ein („gegen die journalistische Unkultur der Kärntner Sonderdiagnose“). Das Böse sitzt vielmehr schon im eigenen Land. Dies ist ein „Tag der Abrechnung“, droht der Landeshauptmann und wird konkret: für die ‚Kleine‘ wird’s … keine Inserate geben“. Ein offenes Wort – Kärntens Politik kann durchaus transparent sein. Der Ausgang der Versammlung steht schon seit dem Morgen fest. Scheuch ist bereits im Triumph empfangen worden und hat an die Einigkeit der Delegierten appelliert: „Geschlossenheit und Zusammenhalt bringen uns über den 16. Jänner.“ Angesichts von Standing Ovations kann er es sich leisten, zur Gegenkandidatur aufzufordern. BZÖ-Bundesobmann Josef Bucher verzichtet. „Stimmung kann man inszenieren“, weiß er, er hat ja auch Haider-Erfahrung. Immerhin wagt er sich ans Rednerpult, um sich seinerseits auf den von allen reklamierten Schutzpatron zu berufen: „Das BZÖ hat Jörg Haider gegründet, den ihr alle immer vergöttert habt … wird jemand auf dem Neuen Platz (dem zentralen Platz der Landeshauptstadt, Anm. d. Verf.) Wahlkampfbroschüren für H. C. Strache verteilen?“ Das aber dreht den „Jubelparteitag“ (Bucher) nicht mehr – und es hilft ihm, dem „Seppi“, auch wenig, dass er sich, in Wien als „Rechts-Liberaler“ auftretend, in Klagenfurt mehr rechts als liberal gibt: „Ich war nicht für die Homo-Ehe“, versichert er. Aber da sind die Delegierten schon viel zu gekränkt, allein durch seinen kritischen Hinweis auf die bewusste Umfrage in der Lokalzeitung. Niemand will Warnungen hören an diesem Tag. Die Buhrufe werden noch lauter, als Buchers Generalsekretär Stefan Petzner den früheren Parteifreunden die
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Leviten liest, in erheblicher Lautstärke (später rechtfertigt er sich, das Mikrofon sei absichtlich hinuntergeregelt worden): „Ich war euer Wahlkampfleiter, jetzt wird mir der Handschlag verweigert, das ist unanständig“, schreit der frühere HaiderPressesprecher und, kreischend fast: „Was ist aus dieser stolzen Partei geworden? Im eigenen Haus laufen uns Hunderttausende davon, weil wir sie verraten haben, weil wir sie an Strache verkauft haben.“ Als er, mit den Armen rudernd, zwischen Zorn und Verzweiflung schwankend, eine letzte Warnung hinterlässt, kippt die Stimme fast: „Wer entscheidet – wir da herinnen oder die Wähler draußen?“ Die Delegierten drinnen entscheiden sich jedenfalls mit 90 % für Scheuch als Obmann und einstimmig für den Wechsel zur Strache-FPÖ. Der Gutsbesitzer hat sich und seinen Getreuen zuvor sogar den Sieg bei der Jörg-Haider-Gedenkwahl auf die Fahnen geheftet: „Am 1. März 2009 haben die Menschen Gerhard Dörfler gewählt, sie haben uns gewählt.“ Die Umdeutung bleibt unwidersprochen. Die Luft draußen ist kalt, die Straßen sind immer noch fast menschenleer. Auf dem Vorplatz hält eine kleine Schar von Orangen die Stellung. Einzelne Grüppchen von Männern in brauner Landestracht machen sich auf den Heimweg, fröstelnd, die Hände in den Hosentaschen, draußen weit weniger siegessicher wirkend als eben noch drinnen im stickigen Saal.
Das BZÖ Kärnten gründete sich zwei Wochen später in einem Konvent zwar neu und gab damit ein (Über-)Lebenszeichen. Es hatte den Kampf um die personellen und finanziellen Ressourcen jedoch verloren: „Der größte Teil der Funktionäre ist bei den anderen, die hatten einen Vorsprung. Die haben schon arbeiten können, wir haben einen Parteitag abwarten müssen, dann haben wir einen Gründungskonvent machen müssen. Wir haben auch nicht den finanziellen Background der anderen.“ (Dolinschek) Der Sieger hatte wieder einmal vom Faktor Tempo profitiert; das FPK kassierte praktisch alle interessanten Positionen: „Wir haben die gesamte Struktur übernommen: wir haben 800 Gemeinderäte in Kärnten übernommen, wir haben 17 Landtagsabgeordnete übernommen, wir haben vier Landesräte, wir haben zwei Bundesräte, drei Nationalräte – die gesamte Struktur, die damals von der FPÖ weg ist zum BZÖ, haben wir wieder geeint, auch ohne verstorbenen Landeshauptmann und jetzt wieder implementiert in die FPK.“ (Ragger) Zumindest Haiders Funktionärserbe hatte sich die FPK damit weitgehend gesichert. Mit den Ausschlag hatte der amtierende Landeshauptmann Gerhard Dörfler
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„Shootout“: Stefan Petzner (damals BZÖ) und Uwe Scheuch (damals FPK) beim Spaltungsparteitag im Jänner 2010 in Klagenfurt
gegeben, der sich nach anfänglichem Widerstreben zur Ehe mit Strache bekannte. Dabei fehlte Dörflers Hauptargument die Geschäftsgrundlage, nämlich: „Damit werde man in Wien wieder mitentscheiden können, wer regiert … wo das Geld verteilt werde“.483 Im Bund regierte Rot-Schwarz, eine rasche Rückkehr der FPÖ an die Ministertische war realistischerweise nicht in Sicht. Frühere BZÖ-Parteifreunde sehen die Motive denn auch eher in den innerparteilichen Machtverhältnissen in Kärnten: „Im Parteiapparat der FPK, vormals BZÖ, hatte der Scheuch wesentlich mehr Leute hinter sich als der Dörfler. Der Dörfler war einer, den der Haider in die Regierung geholt hat, der ist weder Abgeordneter gewesen noch Gemeinderat oder sonst irgendwas, den hat er hineingeholt … Er hat weniger Hausmacht als die anderen.“ (Dolinschek) Dörfler stammt aus einem historisch neueren Reservoir, aus dem Haider Anhänger und Funktionäre rekrutierte, er „gehörte zu den Geschäftsleuten und Managern, die (er) um sich scharte und deren Unzufriedenheit mit der erstarrten Zweiparteienpolitik er ab den 80er-Jahren österreichweit mit Gewinn zum Thema machte“484; hingegen hatte er „als Ideologe … noch großen Nachholbedarf “485, so der Eindruck der Öffentlichkeit.
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Die Brüder Uwe und Kurt Scheuch (damals Landesparteiobmann bzw. Landtagsklubobmann der FPK) galten hingegen als „tief im national-freiheitlichen Milieu verwurzelt“486. Hieß die Parole also nun „Zurück zu den Wurzeln“ (des ehemaligen „Dritten Lagers“)? Ein Regierungsmitglied wie Ragger z. B., aus einer sozialdemokratischen Familie kommend und als Schüler von Haider persönlich „akquiriert“, hält einen weiteren Rechtsruck selbst in Kärnten nicht für mehrheitsfähig: „Ein scharf rechter Kurs wird von der Bevölkerung in Kärnten nicht goutiert, davon bin ich überzeugt. Es gibt ein Wählerspektrum, wo ich sage, mit massiv rechten Ideologien kann ich punkten, aber das Gros der Wähler akzeptiert dich, wenn du ein breites Spektrum bei den Tagesproblemen abdecken kannst.“ Das waren die Voraussetzungen, unter denen die Kärntner Volkspartei nach den Wahlen 2009 noch mit dem damaligen BZÖ eine Koalition innerhalb der Landesregierung geschlossen hatte. Schon im Oktober 2008, nach Haiders Tod, hatte sie den Orangen bei der Wahl des neuen Landeshauptmanns zur Mehrheit verholfen. Offerte der SPÖ an die ÖVP, unterbreitet vom damaligen SPÖ-Vorsitzenden Rohr, waren bei beiden Gelegenheiten gescheitert: „Im Oktober 2008 hat die ÖVP von mir das Angebot gehabt, dass sie, wenn sie einen Sozialdemokraten, konkret mich, zum Landeshauptmann wählt, das Finanzreferat bekommt … Auch nach der Wahl 2009 hat sie von mir durchaus ernst gemeint das Angebot gehabt zu einer Halbzeitlösung, wo ich gesagt habe, zuerst sie, denn sie haben immerhin ein paar Prozent dazugewonnen und dann, nach der Hälfte der Periode, sind wir auch neu aufgestellt und dann einer von uns.“ Nach der Heirat der Haider-Nachfolger mit der Strache-FPÖ war die Loyalität zur FPK innerhalb der Volkspartei allerdings nicht mehr ungebrochen. Wirtschaftskammerpräsident Franz Pacher (ÖVP-Wirtschaftsbund) sah Scheuch keineswegs als Fortsetzung von Jörg Haider: „Mit Haider hat es keine Barrieren gegeben, aber das Auftreten jetzt ist etwas, wo ich sage, das ist inakzeptabel. So wie die das gemacht haben, handstreichartig, das ist einer Demokratie nicht würdig. Diese Hinwendung Richtung Strache, das ist ein Bruch, wo ich sage, da ist man mit einer Partei zusammen, mit der die Koalition nicht begonnen hat. Das war eindeutig ein Rechtsruck mit der StracheFPÖ, das war ein Rechtsruck vom BZÖ dorthin.“487 Der Einfluss des Wirtschaftsbundes war jedoch offensichtlich zu gering, um die ÖVP aus den Armen der FPK zu lösen. Die Kammerführung war bekennender Anhänger der Sozialpartnerschaft, die Bindungen zwischen Schwarz und Rot waren weiter sehr eng – aber sie waren nicht mehr stark genug, um ein mit Misstrauen betrachtetes Regierungsbündnis zu verhindern. Zu sehr hatten sich die politischen Gewichte über die Jahrzehnte verschoben. ÖVP-Obmann Martinz ließ sich die blau-
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schwarze Partnerschaft bei einem Parteitag im Frühsommer 2010 bestätigen, wobei sein Hauptargument immer noch das alte war: bei einem Ausstieg aus der Koalition mit der FPK werde die ÖVP „wieder in die Bedeutungslosigkeit fallen“488. Das wog schwerer als die Warnungen der unterlegenen innerparteilichen Opposition vor dem größten Kärntner Skandal seit Jahrzehnten, bei dem tatsächlich unklar schien, wer in ihm versinken würde – dem „Hypo-Sumpf “. Die „Hypo Group Alpe Adria“, eine Bank mit starker Landesbeteiligung, war dem „System Haider“ als „Gelddruckmaschine“489 dienstbar gewesen, die Prestigeprojekte finanzierte – „auf Zuruf “, wie ein früherer Manager aussagte.490 2007 verkaufte das Land Kärnten Anteile um 1,6 Milliarden € an den neuen Mehrheitseigentümer Bayern LB, neben Haider unterschrieb auch Josef Martinz. Zweieinhalb Jahre später übernahm die Republik Haiders Hausbank um gezählte drei Euro – eine Notverstaatlichung, um sie vor der Pleite zu bewahren. In Bayern und Österreich ermittelten nicht nur die Staatsanwaltschaften, sondern auch Untersuchungsausschüsse der Landtage. Der Fall war also eminent politisch. Die Münchner Ankläger werteten Zahlungen der bayrischen Käufer Richtung Kärnten als „Bestechung eines ausländischen Amtsträgers“ (nämlich des Landeshauptmannes Haider)491; gegen Martinz wurde wegen eines 6-Millionen-Euro-Gutachtens seines Steuerberaters von der österreichischen Justiz ein Strafverfahren eingeleitet; der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der Grüne Rolf Holub, äußerte den „dringenden Verdacht der Parteienfinanzierung an BZÖ und ÖVP“.492 Die Parteiführungen von BZÖ/FPK und ÖVP dementierten dies stets493; ein wesentlicher Abschnitt ihrer Verteidigungslinie war, den Verkauf der Bank an die Bayern als „Geschäft“ zu präsentieren – der Untergang habe erst unter der Regie des neuen Mehrheitseigentümers Bayern LB begonnen.494 In der politischen Kommunikation gerieten die langjährigen Dominatoren ungewohnterweise dennoch in die Defensive: es waren die Monate, in denen – im wahrsten Sinn des Worts – mit der Ära Haider abgerechnet wurde. Nach einer Übersicht des Staatsschuldenausschusses Ende 2009 war das Bundesland in Österreich tatsächlich Spitze, allerdings bei der Pro-Kopf-Verschuldung, gemeinsam mit Niederösterreich; der Schuldenstand hatte sich in der Legislaturperiode davor fast verdoppelt, auch eine Folge der „intensiven Ausgabenpolitik“ 495. Haiders Nachfolger, etwa der neue Sozial landesrat, hatten etwas zu erklären – und sie taten das mit dem Regierungsproporz: „Die Haider-Ära war gekennzeichnet von wechselnden Mehrheiten, bei jedem Budgetbeschluss entweder mit der ÖVP oder mit der SPÖ; es ist keine fixe Koalition gewesen und dadurch ist es natürlich auch sehr schonungslos zu einem Hochlizitieren der Leistungen gekommen. Das hat natürlich dazu geführt zum Beispiel im Sozialbereich, dass wir in der Ära von 2000 bis 2009 die Sozialleistungen von 200 Millionen auf 320
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Millionen hochgeschraubt haben, wir also in einer relativ kurzen Periode überproportional Geld veranschlagt, aber auch ausgegeben haben.“ (Ragger) Verantwortlich war in dieser Darstellung das System. Doch auch die Schüler gestehen ein, dass vor allem die politische Strategie des Lehrmeisters ihren Preis hatte und die Kosten in die Höhe trieb: „Du kommst mit dem Sozialbereich in jeden Haushalt hinein, das ist das Entscheidende. Das hat Jörg Haider auch erkannt in seiner Ära. Deshalb hat er viel Parallelförderung aufgebaut – Muttergeld, Heizkostenzuschuss. Wir haben in Kärnten bis zu drei verschiedene Heizkostenzuschüsse gehabt …“ (Ragger) Haiders Erben standen also vor der Aufgabe, die Folgen ihrer eigenen Vergangenheit zu sanieren; nicht allerdings, ohne an die Mitwirkung von SPÖ und ÖVP zu erinnern: „Wir haben eine Konsensregierung seit Beginn der 2. Republik, aber sie tun so, als wären sie gar nie dabei gewesen“ (Ragger). Einst hatte man sich selbst als „Partei der sozialen Gerechtigkeit“496 belobigt, jetzt wurde – nach einem Blick in die Bilanz samt Übernahme der Kassa – der enorme finanzielle Aufwand dafür der Verantwortungslosigkeit des politischen Gegners angelastet. Doch eines konnte keine rhetorische Figur vergessen machen: die Erben sahen sich einem fundamental veränderten Script gegenüber. Eine der wichtigsten Gesten aus dem alten Repertoire konnten sie nur noch eingeschränkt setzen – Geld zu verteilen an jene, die es tatsächlich oder vermeintlich brauchten. Die Rolle als Robin Hood war nicht völlig ausgespielt, aber sie geriet zusehends zur Folklore. Hat nun jene politische Kraft Chancen auf ein Comeback in der Führungsrolle, die stets den Anspruch erhob, die sozialorientierte Partei schlechthin zu sein, aber von Haider immer stärker ins Eck gedrängt worden war – die SPÖ? Beim Parteiapparat war sie der FPK immer noch überlegen, zumindest potenziell. Doch die Niederlage 2009 hatte sie zunächst genau an diesem Punkt geschwächt; die Zahl der Angestellten musste danach um 40 % reduziert werden, rechnet der damalige Parteiobmann vor: „Wir haben natürlich auch Personal abbauen müssen, weil natürlich weniger Mandate, weniger öffentliche Förderungsmittel uns auch weniger Gestaltungsspielräume geben. Das waren harte Monate auch nach der Wahl, mit den Leuten am Verhandlungstisch zu sitzen und zu sagen: ‚Freunde, wir müssen uns neu aufstellen, aber das heißt auch Strukturen verschlanken, Leute reduzieren‘, das ist durchaus ein mühsamer und menschlich sehr belastender Prozess gewesen.“ (Rohr) Eine Erneuerung der Partei wurde zwar eingeleitet – es wäre aber nicht die Kärntner SP gewesen, hätte sie diese geordnet über die Bühne gebracht. Der Villacher Bürgermeister Helmut Manzenreiter führte „eine Palastrevolution … gegen den Kärntner SPÖ-Chef Reinhart Rohr an“497; diese scheiterte jedoch auf halber Strecke – diesmal
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nicht an anderen Parteiflügeln, sondern an der Tatsache, dass Manzenreiters Wunschkandidat, der Wolfsberger Bürgermeister Gerhard Seifried, der Partei eine Absage erteilte. Rohr war zu dem Zeitpunkt de facto bereits zum Rückzug gezwungen worden. Seine Schilderung gibt einen Einblick in das Innenleben von Parteien: „Man hat mir signalisiert, na ja gut, du kannst ja weiter stur und uneinsichtig bleiben – es ist ja nicht gesichert, wenn du allein als Kandidat beim Parteitag, auch bei einem außerordent lichen, auch bei einem vorverlegten, antrittst, ob du dort eine entsprechende Mehrheit kriegst. Da habe ich gesagt: ‚Eine Abwahl, organisiert, aus der Partei, als Drohung in den Raum gestellt zu bekommen – nicht mit mir.‘ Ich habe für mich dann den unumstößlichen Schluss gezogen, beim Parteitag nicht mehr als Vorsitzender zu kandidieren.“ Der eine durfte nicht mehr, der andere wollte nicht Parteiobmann sein – das war die Lage vor einem Parteitag, mit dem die Kärntner SPÖ ursprünglich auch in der Öffentlichkeit das Signal für einen Aufbruch setzen wollte. Dieses wurde nun von Personaldebatten übertönt, was nicht neu, sondern eine fast schon permanente Erfahrung mit der Kärntner Sozialdemokratie war.
Kärntner Szenen Ein Parteitag sucht einen Obmann – wieder einmal Wir schreiben Ende März 2010 und rein mengenmäßig zeigt die Kärntner SPÖ bei ihrem Landesparteitag in der Messehalle 5 in Klagenfurt, wie dominant sie immer noch sein könnte. 1.000 Besucher, mehr als 500 Delegierte – „nach Größe und Mitgliedern sind wir die stärksten in Kärnten“, rechnet der Landesgeschäftsführer vor. Ein Bankenskandal ist aufzuklären, mit unabsehbaren Folgen, die blau-schwarze Koalition muss die Sozialleistungen zurückfahren und schließlich sind Dörfler und Scheuch nicht Haider: „Das ist ein aufgelegter Elfmeter, den muss man verwandeln.“ Allerdings ist der Verein wieder einmal nicht damit beschäftigt, dem Gegner Tore zu schießen, sondern den eigenen Trainer abzulösen – zum siebenten Mal seit dem Abgang Leopold Wagners 1988. Vorzeitig abgehalftert wird diesmal Reinhart Rohr; einige Revierfürsten haben die Geduld mit ihm verloren, nach der historischen Niederlage gegen den toten Haider im Jahr davor. Die rührendste Szene liefert die Parteijugend: Teilnehmer der neuen Nachwuchsakademie erobern im Dutzend die Bühne und halten den Delegierten ein Transparent vor die Nase: „Die SPÖ ist nicht tot. Wir sind mit Spaß und Engagement dabei.“ Judith Michael, frühere ÖH-Vorsitzende in Klagenfurt, appelliert an
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den künftigen Parteivorsitzenden: „Sei mutig, zeige Ecken und Kanten und kämpfe mit uns.“ Einen haben die Jungen damit eher nicht gemeint: Gerhard Köfer, Bürgermeister von Spittal, ein Riese, jedenfalls körperlich. Er ist ein Populist, finden die Kärntner Medien und er hält es für einen „Irrtum, sich in eine linke Richtung zu begeben“. Seine Kandidatur hat er zu spät eingereicht, jetzt wird die Zulassung einer geheimen Abstimmung unterworfen: Köfer erreicht beachtliche 60 %, verfehlt aber die notwendige Zweidrittelmehrheit: „Dos is ka Demokratie“, murren Grauköpfe am Oberkärntner Tisch im Buffet. Die Strecke ist damit frei für Peter Kaiser, Landesrat und als Marathonläufer mit der richtigen Konstitution für eine Reform der Kärntner Sozialdemokratie ausgestattet. Kaiser ist ein Intellektueller auf Grundwertekurs. „Arbeit. Bildung. Soziales“ müssten die Themen sein, verlangt er in seiner Bewerbungsrede. Immerhin: genau mit diesen hat einst ein SPÖ-Obmann namens Alfred Gusenbauer den Wahlkampf gegen einen für unschlagbar gehaltenen Kanzler Wolfgang Schüssel gewonnen. Kaiser hat an diesem Tag zudem rhetorisches Format. Seine Sprache ist klar, die Sätze sind knapp, die Ansagen eindeutig; dazu entwickelt er Sinn für Emotionelles: „Ich leiste Abbitte für die Streitereien der Vergangenheit.“ Der Kandidat trifft den Ton. Er schafft fast 80 % im ersten Wahlgang, mehr als erwartet. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Kärntner SPÖ damit von ihrer Vergangenheit erlöst ist. Schon eine Stunde später schließt Gerhard Köfer im Radiointerview nicht aus, sich für die nächste Landtagswahl als Spitzenkandidat zu bewerben … Der dann zum neuen Parteiobmann gewählte Peter Kaiser war bereits zuvor mit der Parteireform beauftragt worden. Seiner Analyse nach hatte sich die Kärntner SPÖ etwas zu sehr in ihrer Rolle als Nummer zwei eingerichtet und dabei Profil geopfert: „In den letzten 25 Jahren hat sich unsere eigene sogenannte Ideologie darauf beschränkt, die eigene Machterhaltung zu sichern, wo es geht, auszubauen und nicht, die Urgrundsätze der Sozialdemokratie in die politische Praxis umzusetzen … Im Endeffekt haben wir uns innerhalb eines wirtschaftspolitischen Systems etabliert, das auch gar nicht mehr kritisch mit seinen ganzen Erscheinungsformen infrage gestellt, sondern geschaut, es so abzumildern, dass es unserer Primärklientel entspricht und es unseren politischen FunktionärInnen ermöglicht, Bereiche, Mandate, Funktionen abzusichern.“ (Kaiser, 2009) Diese Einzäunung von eigenen politischen Weiden unterhalb der Regierungsgipfel war vor allem in zahlreichen Gemeinden gelungen, die SPÖ stellt in Kärnten immer
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noch die Mehrzahl der Bürgermeister. Das hatte es aber nicht gerade erleichtert, neues politisches Personal zu gewinnen: „In der SPÖ haben wir ein bisschen das Problem, dass wir einen Mittelbau haben, der sehr stark bremst, wo durchaus genügend Dynamik vorhanden wäre; der will aber teilweise in Seilschaften seine Macht erhalten … Ich glaube, wir müssen mittelfristig durchaus auch darüber nachdenken, dass 25- bis 30-jährige Funktionsdauern von Bürgermeistern in einer Gemeinde in Wahrheit ganze politische Generationen dazwischen ausbremsen bzw. diese ausfallen und verloren gehen …“ (Rohr) Auch lag zwar die Vorstellung nahe, von der kommunalen Machtbasis aus die „blauen Reiter“ in der Landesregierung aus dem Sattel zu hebeln (Kaiser: „Du müsstest, wenn du es auf einem Reißbrett konstruierst, über die Gemeinden und die Majorität und die politische Zielsetzung dort das Land einkassieren können.“). In der politischen Realität aber dachten manche SP-Bürgermeister auch nach dem Tod Haiders und den Wahlen 2009 nicht daran, zum Angriff überzugehen – sie forderten im Gegenteil nun ein Arrangement mit seinen Nachfolgern.498 In der FPK hatte man keine Zweifel, im Verhältnis zu manchen Gebietsfürsten der SPÖ weiter eine bewährte Methode einsetzen zu können: „Wir haben z. B. den Wolfsberger Bürgermeister, der damals außer Manzenreiter der stärkste SPÖ-Bürgermeister war, einfach herausgesprengt. Wir haben quasi eine Koalition; denn obwohl Seifried früher fast eine Zweidrittelmehrheit hatte im Stadtparlament von Wolfsberg, hat er uns in die Koalition genommen und umgekehrt haben wir dafür Sorge getragen, dass Wolfsberg überproportional versorgt wird.“ (Ragger) Die Nähe ging – zumindest nach Darstellung des Haider-Lagers – so weit, dass man z. B. dem damaligen Wolfsberger SPÖ-Bürgermeister eine Führungsposition anbieten wollte: „Ich glaube schon, dass der Seifried für höhere Weihen gedacht gewesen wäre. Er war auch in unseren Reihen sehr, sehr anerkannt und er hätte ein verbindendes Element schaffen können zwischen der SPÖ und dem BZÖ. Das wäre durch eine Berücksichtigung von ihm selbst in den Regierungsgremien gegangen. Das ist auch sehr weit gediehen gewesen; sie haben sich sehr gut verstanden, der Haider und der Seifried … Aber so wie er es jetzt nicht wollte (eine Rolle in der Landespolitik, Anm. d. Verf.) hat er es damals auch nicht gewollt.“ (Ragger) Was eine Einigung der Partei betraf, stand die neue SP-Führung also vor alten Herausforderungen. Sie hatte zudem auch im Fach „Kommunikation“ Hausaufgaben nachzuholen, die über Jahre hinweg unerledigt geblieben waren. Der neue Parteiobmann definierte als Notwendigkeit „… eine Verbesserung der Kommunikation, der Kommunikationstechnologien intern und extern. Hier sind wir strukturkonservativer als jede andere Partei … Wir sind zu langsam, wir sind zu antimodernistisch, was die
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Nutzung moderner Technologiemittel betrifft und wir sind zu lahm, zu wenig ergebnisorientiert geworden, geben unsere Meinung zu wenig weiter, mit diesen Just-inTime-Möglichkeiten.“ (Kaiser, 2009) Tempo und Klarheit der Botschaften zu erhöhen, das hatte Kaiser nicht zufällig als besonders dringende Ziele vorgegeben. Auch wenn die SPÖ kalkulierte, dass die blau-schwarze Regierungskoalition bis zum Ende der Legislaturperiode halten werde, konnten die Ermittlungen in der Hypo-Alpe-Adria-Affäre jederzeit für neue Erschütterungen sorgen. Die Landespolitik war durch ein hohes Ausmaß an Unberechenbarkeit gekennzeichnet – Kärnten blieb anders.
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Ein Skandal und die Folgen Die politische Verantwortung für den Bankenskandal sollte wie erwähnt ein Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtags klären. Der wurde Anfang 2012 nach zweijähriger Arbeit zwar ohne gemeinsamen Endbericht abgeschlossen (die Grünen legten eine eigene, sehr ausführliche Dokumentation vor; die „Freiheitlichen in Kärnten“ ebenfalls, jedoch eine weit kürzere) – ein Faktum ist unbestreitbar, was die Rolle des früheren Landeshauptmanns betrifft: Jörg Haider war von 2005 bis zu seinem Tod 2008 Aufsichtskommissär der „Kärntner Landesholding“, die aus der früheren Kärntner Landes-Hypothekenbank hervorgegangen war und für das Land die Anteile hielt; er verfügte insofern über weitgehende Kontroll-, ja Vetorechte. Die Landesaufsicht aber habe „ihre Kompetenzen … mangelhaft wahrgenommen“, kritisierte der grüne Ausschussvorsitzende Rolf Holub in seinem Resümee;499 er verwies auf die Haftung von zuletzt 20 Milliarden Euro, die das Land für die Bank übernommen hatte – und die es auch mit dem Verkauf nicht loswurde: „Die Mehrheit der HGAA (Hypo Group Alpe Adria, Anm. d. Verf.) wurde an die BayernLB veräußert, aber die Ausfallbürgschaft blieb beim Land Kärnten … Das Haftungsrisiko wurde beim Verkauf von HGAA-Anteilen an die BayernLB behalten, die Kontrolle über den Schuldner, für den man bürgte, die Hypo-Alpe-Adria-Bank International AG, ging verloren.“500 Als Vermögensverlust für die Kärntner Landesholding errechnete der Ausschussvorsitzende eine Summe von 600 Millionen Euro.501 Haiders Nachfolger sahen dennoch keinen Grund, von ihrer Verteidigungslinie abzugehen – und sie hatten wohl auch keine andere Wahl: zum einen hatten sie seit
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1999 durchgehend den Aufsichtskommissär der Landesholding gestellt (und damit das entscheidende Kontrollorgan), zum andern konnten sie kein Interesse daran haben, dass das Image des Ahnherrn Schaden nahm. So wies man jede politische Verantwortung zurück502 und blieb in der Kommunikation bei der bewährten Methode: Freiheitliche waren Landesverteidiger und nicht nur das, sondern dabei auch noch schlau – und alles Üble dräute wieder einmal von außen, zumindest im Endbericht der FPK: „Der Verkauf der Hypo-Anteile an die BayernLB war vom Erlös (vorsichtig bewertet) hervorragend für Kärnten. Die Zeit des Mehrheitseigentümers BayernLB war für die Hypo fatal und mündete schlussendlich in der Notverstaatlichung. Diese Notverstaatlichung ist in ihren Auswirkungen katastrophal.“503 Diese Geschichtsschreibung hatten beteiligte und hochrangige Experten allerdings bereits korrigiert. Der Gouverneur der Nationalbank, Ewald Nowotny, federführend bei der Notverstaatlichung, stellte klar: „Eine Reihe der Probleme ergibt sich aus der früheren Eigentümerschaft, daraus ergibt sich auch eine gewisse Mitverantwortung des Landes Kärnten“ und „Hätte es keine Lösung für die Hypo Alpe Adria gegeben, wäre die Landeshaftung Kärntens wirksam geworden“504 – was die FPK bis heute bestreitet. Sachlich war die Lage damit klar, war sie es auch politisch? Hatte der HaiderMythos gelitten unter den Enthüllungen rund um die „Haus“-Bank auch seiner Regierung?
Kärntner Szenen: Haider-Gedenken – oder: Keine frischen Spuren im Schnee Gewiss – an der Unfallstelle in Lambichl, in der Nähe von Klagenfurt, fordern immer noch die Verschwörungstheoretiker „Kärnten will die Wahrheit“; Anna Maria Kaiser, die Heimatdichterin, ist immer noch mit einem Gedicht vertreten („Tuat uns a die Vorausgang schmerzen, Du bleibst weiter in den Herzen“) und auf einer anthrazitfarbenen Steintafel wird auf den Punkt gebracht, was seine Verehrer von ihm erwarteten: „Jörg Haider – mit dem Hirn gegen die Großen, mit dem Herz für die Kleinen.“ Aber jetzt, an einem Februartag im Jahr 2012, ist hier an der Gedenkstätte alles ein wenig organisierter als noch beim ersten Besuch vor fast genau drei Jahren und vieles ist etwas offizieller, während damals noch persönliche Trauerbekundungen vorherrschten. 2009, ein Jahr nach der Todesfahrt, haben Haiders politische Nachfolger hier einen Bildstock enthüllt (Teilnehmerzahl: 1.000);
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seither rufen sie immer am Todestag zu Gedenkfeiern (Teilnehmerzahl im Oktober 2011: 200). „Auf ewig in unseren Herzen. Danke Jörg“ verkündet eine Art Großplakat, mit Haider in Tracht vor Kärntner Bergkulisse. Die Hecke dahinter ist von Haider-Bildern gesäumt. Weiter vorn liegt auf Engelsfiguren ein leicht verschmutztes Blechtäfelchen; wenn man es umdreht, kann man die Aufschrift lesen: „This land is so empty without you.“ Viel mehr an Totenkult ist nicht zu entdecken. Eine halbe Autostunde weiter, am Ende einer schmalen Fahrstraße, weisen aus Holz geschnitzte Schilder wieder auf eine Gedenkstätte. Es ist ein einsamer Ort, an dem die Urne mit der Asche des großen politischen Verführers bestattet wurde. Das Bärental liegt in den Karawanken; der Blick auf die Bergwälder rundum ist fast schon kitschig. Nur ein Forstweg führt jetzt noch weiter, vorbei an der alten Volksschule, bis zu einer kleinen Kirche – seitlich erhebt sich eine leicht geschwungene Steinmauer, alles andere als monumental, mit einer Tafel „Jörg Haider. Landeshauptmann von Kärnten“. „Wir kämpfen für Dich weiter“ versprechen „Deine Freunde aus Bayern“ auf einer Schieferplatte; eher noch als das schmiedeeiserne Kreuz fällt eine Plastikplane auf, mit der Aufschrift: „Jörg Haider, an Dich erinnert sich immer das venetische Volk“. Es ist kein Mensch zu sehen an diesem ganz normalen Wochentag im Winter. Die Spuren im Schnee sind mehrere Tage alt. Was war aus den großen Hoffnungen geworden, die die Wahlbürger in diesen „Politiker neuen Typs“ gesetzt hatten? In Haiders zweiter und dritter Amtszeit als Landeshauptmann, von 1999 bis 2008, hatte Kärnten in den ersten drei Jahren die höchste Arbeitslosenrate aller Bundesländer, in den restlichen die zweithöchste hinter Wien; in dieser gesamten Zeit war die Quote an Beschäftigungslosen in Kärnten stets höher als im österreichischen Schnitt505 – daran hatten sämtliche Aktivitäten des blau-orangen Regierungschefs nichts geändert. Auch in der Pro-Kopf-Verschuldung lag Kärnten 2010 nach den Daten des Staatsschuldenausschusses an zweiter Stelle (hinter Niederösterreich)506. Haiders Nachfolger mussten auf Spar-Rhetorik umstellen, selbst der neue FPK-Finanzlandesrat Harald Dobernig distanzierte sich zumindest indirekt von früheren Praktiken: „Im Gegensatz zu früheren Zeiten werden von mir als Referent keine politischen Sonderwünsche erfüllt“, kündigte er an, übrigens selber früher Haider-Mitarbeiter.507 Was die politische Moral betraf, so wirkten sich die Nachbeben der Haider-Ära (Stand Sommer 2012) folgendermaßen aus – wenn man sich einmal nur auf Kärntner Boden beschränkt: Haiders politischer Partner, der ÖVP-Obmann Josef Martinz,
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war zunächst als Landesrat und Aufsichtsratsvorsitzender der Kärntner Landesholding zurückgetreten. Gegen ihn ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Millionenauftrags an den Steuerberater Dietrich Birnbacher am Rand des Hypo-Verkaufs, den auch Haider mitveranlasst hatte (Martinz: „Mein Kollege rast in den Tod, ich habe jetzt einen Schauprozess am Hals“).508 Im Juli musste Martinz auch als Parteiobmann aufgeben, noch im Gerichtssaal, nachdem Birnbacher eingestanden hatte, dass das an ihn ausbezahlte Gutachterhonorar in Wahrheit der Parteienfinanzierung dienen sollte. Der ÖVP-Politiker bestätigte die Angaben des „Strohmanns“ und das war das im wahrsten Sinn des Worts „Erschütternde“ an der Aussage: ein Parteifunktionär selber hatte eingestanden, wessen seine Kaste seit Langem verdächtigt worden war; so konnte man das Wort „Parteinehmer“ also auch interpretieren. Hier war er: der ultimative Korruptionsnachweis, hier war sie: die Politik als Provisionsgeschäft. Die FPK (damals BZÖ) bestritt ihren „Anteil“ daran; nichtsdestoweniger zog sich Parteichef Uwe Scheuch nun doch zurück – eine Art (Herren-) Bauern-Opfer. Es rückte der eigene Bruder nach (mit Vornamen Kurt). Uwe Scheuch, Nachfolger Haiders, war schon zuvor in einem anderen Fall wegen des „Verbrechens der Geschenkannahme durch Amtsträger“509 in erster Instanz zu 18 Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden, nach diesem (nicht rechtskräftigen) Verdikt aber noch keineswegs aus seinem Regierungsamt als Landeshauptmann-Stellvertreter gewichen. Wenige Monate später, im Dezember 2012, erging ein rechtskräftiger Spruch gegen ihn (sieben Monate bedingte Haft, knapp 70.000 € unbedingte Geldstrafe). „Wer hohe moralische Ansprüche stellt, darf sich selbst davon nicht ausnehmen“510, hatte Haider einst gefordert, aber das war in einer Grundsatzrede gewesen. Seine Vorgänger als Machthaber, die roten „Landesherren“ hatte er seinerzeit gemahnt: „Mit Subventionen, Wohltaten für die Sportvereine und Marionetten … kann man auf Dauer keine Mehrheiten sichern. Anstand und Vorbild dürfen nicht fehlen. Subventionsmacht ist kein dauerhafter Ersatz für Gesinnung und Moral.“511 Diese Sätze Haiders aus dem Jahr 1997 waren wie gesagt auf die damaligen SPÖFürsten, auf Leopold Wagner und Co. gemünzt, nicht auf das eigene Lager. In den Augen der Öffentlichkeit aber hatte dieses den Anspruch, Erneuerer der Demokratie zu sein, mittlerweile selber verwirkt. Bedeutete das nun, dass sich die von Haider Enttäuschten mit fliegenden Fahnen neuen Bewegungen zuwendeten oder zu alten zurückkehrten? Selbst Vertreter von Rot und Grün, potenzielle Profiteure also, mussten damit rechnen, dass sich das Misstrauen in das politische System insgesamt weiter vergrößert habe: „Die Politiker sind alles Gauner, das ist der Tenor – auch wenn man sich nichts zuschulden hat kommen
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lassen, so wie die Grünen. Die hätten nicht einmal strukturell die Möglichkeit gehabt, schuld zu sein. Ich sage immer, wir sind die Unbestochenen und nicht die Unbestechlichen. Aber wir werden auch mit in ein Boot geworfen mit denen …“ (Holub, 2012)512 „Das trägt natürlich und das ist das Gefährliche, über die Parteiinteressen und über die Politik hinaus zu einer Demokratiegefährdung, zu einer Politikverdrossenheit bei und zu dem immer öfter hinter vorgehaltener Hand geäußerten Wunsch, eine starke Person, die eine Zeit lang eine totale Autorität hat, würde dem Land gut tun. Einen negativen Führer will niemand, aber so ein bissel einen Führer wollen leider immer mehr …“ 513 Diese Eindrücke der politischen Repräsentanten bestätigen auch Umfragen, wonach es „um das Ansehen von Politik und Politikern generell schlecht bestellt“ und drei Jahre nach dem Tod Haiders „im Land Ernüchterung“ eingekehrt sei, weil die „Kärntner zunehmend mit den Folgen der Haider-Politik konfrontiert seien.514 Man kann das auch Ironie der Demokratiegeschichte nennen: Haider hatte einen „Neubeginn der demokratischen Entwicklung Österreichs“ versprochen, hatte beteuert, das „Proporz- und Pfründesystem“ zu „überwinden“515 und geschworen, ihm überhaupt jegliche Sünde auszutreiben. Gelungen war ihm das genaue Gegenteil: die Abwendung des Publikums von „der Politik“ hatte sich noch beschleunigt, nachdem die Apostel einer neuen Moral vor aller Augen dem Praxistest unterworfen worden waren.
Ein Sieg der Vernunft – und warum der so viele Väter hatte Müde war das Land mittlerweile auch eines Konflikts, mit dem Haider und seine Getreuen ihre Kampagnen bei Bedarf immer wieder emotionell „aufgeladen“ hatten: mit dem Ortstafelstreit. Noch im Landtagswahlkampf 2009 hatten Haiders Nachfolger damit geworben, dass es „mit Landeshauptmann Gerhard Dörfler … keine zusätzlichen Ortstafeln geben wird“ – zwei Jahre später, im Frühjahr 2011, einigte sich eben jener Dörfler mit der Bundesregierung (Staatssekretär Josef Ostermayer) und Slowenen-Sprechern auf einen Kompromiss, der auf mehr als 160 zweisprachige Tafeln hinauslief, womit sich ihre Zahl circa verdoppelte. Was hatte sich dazwischen verändert, was war der Unterschied zu den vielen gescheiterten Versuchen davor? Zum einen hatte der Bundeskanzler (Werner Faymann) stets versichert, „wir machen es mit Kärnten“, und Forderungen zurückgewiesen, „notfalls eine Ortstafellösung auch gegen die Kärntner Freiheitlichen besiegeln zu wollen“516 – womit die einst so beliebte Drohgebärde aus dem Süden wirkungslos wurde, man werde sich keinem „Diktat“ aus Wien beugen. Zum andern aber versprach das Thema selbst in der Kärntner Binnenpolitik endgültig keinen Profit mehr; mehr als 60 % erkannten darin keine „persönliche Bedeu-
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tung“ mehr für sich.517 Das bestätigt auch Josef Feldner, Obmann des Kärntner Heimatdienstes und Kenner der „Kärntner Seele“: „In der Bevölkerung hat dieses Thema nichts mehr gebracht, außer Unmut – Unmut, warum es nicht endlich ein Ende gibt, auch bei Leuten, die zweisprachigen Ortstafeln eher ablehnend gegenüberstehen … Das ist völlig ohne Widerstand über die Bühne gegangen … Es war erfreulich, dass es in der Bevölkerung keinerlei ernst zu nehmende Reaktionen gegeben hat, bis auf einige Schmieraktionen, was auch unbedeutend war, weil es zu keiner Aufregung geführt hat.“ (Feldner, 2012)518 Feldner hatte mit der von ihm mitbegründeten „Kärntner Konsensgruppe“ selber enorm dazu beigetragen, die politische und auch die Kommunikationsagenda neu zu schreiben und Kompromisssuche überhaupt wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Die Hauptrolle als großer Friedensstifter beanspruchte nun allerdings ein anderer für sich – Gerhard Dörfler, der gewendete Landeshauptmann. Er anerkannte nur zwei „Messi“, Ostermayer und Dörfler, (für Nicht-Fußballfans: „Messi“ steht hier nicht für eine Kurzform von „Messias“, sondern spielt auf den weltbesten Fußballer an, den Argentinier Lionel Messi); Feldner sei nur ein „selbst ernannter Wichtikus“519, der „Grauslichkeiten“ verbreitet habe. Auch diese Episode hat etwas von bitterer Ironie: der Heimatdienst-Führer war bis 2009 von den Orange-Blauen wegen seines Einsatzes für mehr Ortstafeln gerügt worden (also eben wegen der Abkehr von den „Grauslichkeiten“), jetzt, nachdem das freiheitliche Lager fünf Jahre nach ihm de facto auf seinen Kurs eingeschwenkt war, wurde er nicht etwa als Vorreiter gewürdigt, sondern einer längst bewältigten Vergangenheit geziehen. Der Landeshauptmann wollte sich die Kärntner Exklusivrechte auf die Versöhnungsleistung nicht nehmen lassen. Gegenüber der Bürgerschaft ging diese Taktik auf – eine deutliche Mehrheit schrieb ihm den größten Beitrag zur Lösung zu.520
Tage der Abrechnung Das Beispiel zeigt, wie wichtig Dörfler und seine Berater die Imagekorrektur genommen hatten – der Haider-Schüler sollte nicht mehr als Brandstifter wirken, sondern als Feuerwehrmann. Insofern kehrte selbst ein Landeshauptmann der FPK – obwohl letztlich das Produkt eines zwei Jahrzehnte vorher begonnenen Aufstands gegen die etablierte Landespolitik – zur traditionellen Typenvorgabe zurück; im Kärntner Stil zwar, aber nach Eindruck von Beobachtern der lokalen Szene zunächst durchaus erfolgreich (die folgenden Zitate stammen aus den Jahren 2010/11): „Die einzige ‚Blue Chip‘-Aktie – also Einserbank – an der volatilen Kärntner Politbörse ist derzeit Ger-
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hard Dörfler. Andere mögen mit den Gerichten hadern, er gibt derweilen generös den Landesvater.“521 „Der in Restösterreich viel belächelte Liebhaber der Motorsäge erweist sich in der externen Kommunikation als überraschend geschickt. Turnusmäßig Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz im ersten Halbjahr, stilisiert sich der Outcast Dörfler durchaus erfolgreich zum Integrator.“522 Er wirkte noch eine Weile, der gute alte Landeshauptmannbonus – vor allem weil Herausforderer fehlten, wie in Kärnten in den ersten Dörfler-Jahren. Die „Populismuslücke“ nach dem Tod Haiders schien jenseits der FPK niemand füllen zu können; das elementare Bedürfnis der BürgerInnen nach direkter Kommunikation mit den Machthabern; die Sehnsucht nach einem „Politiker zum Angreifen“, sie waren nicht befriedigt worden, jedenfalls nicht durch die Konkurrenz. Was konnte also eine Position wie die Dörflers gefährden, der so eine Art leutseliges Kärntner „Familienoberhaupt“ gab? Wenn wir an Waltraud Klasnic zurückdenken, die steirische „Landesmutter“, dann waren es in ihrem Fall zwei Faktoren: Führungsschwäche oder zumindest politischer Kontrollverlust – und eine Finanzaffäre im Umfeld. Von beidem wurde nun auch der Kärntner Landeshauptmann ereilt. Dabei war er im Prinzip die beste Karte der FPK, die sie zum Beispiel in der Proporzdebatte ausspielte. Die anderen Parteien hatten die FPK beim Wort genommen und das Ende des Regierungsproporzes verlangt – schließlich hatte Haider „Proporz“ einst zu einer Art „Unwort“ für Demokratien erklärt. Doch so einfach wollten die „Freiheitlichen in Kärnten“ ihn nicht aufgeben – sie waren hauptverantwortlich in der Landesregierung in einer Zeit auch unangenehmer Entscheidungen, vom Budget bis zu den Spitälern und es barg für sie weniger Risiko, wenn alle größeren Fraktionen mithafteten. Stattdessen stießen sie die Diskussion über eine Direktwahl des Landeshauptmanns an (welche die Bundesverfassung gar nicht zulässt). Tatsächlich waren die Umfragewerte des Amtsinhabers jahrelang zwar nicht überragend gewesen, hatten aber für einen Vorsprung auf die Verfolger ausgereicht – vorerst. Denn im vierten Regierungsjahr Dörflers war nicht einmal mehr darauf Verlass: im Wahlkampf 2009 hatte er in einer „Kurier“-Umfrage bei der (fiktiven) Direktwahl gegen den damaligen SPÖ-Kandidaten Reinhart Rohr noch mit 51 : 26 % gewonnen, im Sommer 2012 lag er gegenüber dem neuen SPÖ-Chef Peter Kaiser nur noch mit 26 : 22 % voran. Der Hypo-Bank-Skandal und dessen Folgen ließen auch Haiders Nachfolger nicht unbeschädigt. Zudem wollte die FPK ganz offensichtlich jene raschen Neuwahlen hinauszögern, die nach den Umfragen von zwei Dritteln der BürgerInnen gewünscht wurden – das war ein ziemlich unpopuläres Verhalten für eine populistische Partei und ihren Frontmann.
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Kärntner Szenen Abrechnung mit einem „System“ – eine Sondersitzung im Kärntner Landtag Der Einzige, der an diesem Spätnachmittag im Sitzungssaal des Kärntner Landhauses in Klagenfurt nicht gereizt wirkt, ist Josef Lobnig. Der erste Landtagspräsident kommt zwar aus der FPK, hält aber auf Korrektheit. Die laufende Sondersitzung leitet er mit ruhiger Hand. Die SPÖ-Abgeordneten tragen alle rote Buttons mit der Aufschrift „Neuwahlen jetzt“ und genau das ist es, was sie in diesem Moment wollen, Anfang August des Jahres 2012; sie und auch die Volkspartei und die Grünen. Die FPK hat jedoch etwas dagegen – eine Sperrminorität nämlich; für die Auflösung des Landtags müssten zwei Drittel der Mandatare im Saal sein, aber das verhindert die Mehrheitsfraktion, mit ihren 17 von 36 Sitzen. Kurt Scheuch, starker Mann der FPK, hat schon vorher im Hof des Landhauses im Fernsehinterview verkündet, die Fraktion werde nicht erscheinen. Scheuch (Kurt) ist zwei Tage zuvor zum Nachfolger von Scheuch (Uwe) ausgerufen worden, weil der nun auch noch Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen versuchter Geldwäsche am Hals hat. Wiederum nur einen Tag zuvor hat Gabriel Obernosterer, neuer Partei chef des einstigen Koalitionspartners ÖVP, die Rücktritte des schwarzen Landesrats, des Klubobmanns und des Parteigeschäftsführers erzwungen. Am selben Abend haben 1.700 Menschen in einem Protestmarsch durch Klagenfurt „für ein sauberes Kärnten“ demonstriert. Die FPK-Führung will die Angriffe offenkundig per Sitzungsboykott ins Leere laufen lassen, aber so einfach ist das nicht. Nicht nur die Grünen, auch die Sozialdemokraten sind zur offenen Abrechnung entschlossen, selbst wenn sie den „Angeklagten“ in Abwesenheit den Prozess machen müssen. „Wir haben genug von eurer Liebe zu Kärnten, die das Land fast erstickt hat“, ruft die SPÖ-Abgeordnete Nicole Cernic. Sie hat Haider und seine Nachfolger über Jahre im Landtag und auch in der Regierung erlebt, aber jetzt macht auch emotionell jene Partei mit dem Partner Schluss, die einst mit den Freiheitlichen eine „Chianti“-Ehe gefeiert hatte. Der Fraktionskollege Klaus Köchl, der auch schon mal öffentlich die „Haidersche Götzenverehrung“ anprangert, schleudert einem ÖVP-Mandatar entgegen: „Ihr wart’s beschämend … ihr werdet’s mit nassen Fetzen aus dem Landtag gejagt werden.“ Der Adressat Christian Poglitsch, ein bekannter „Schwarz-Blauer“ hat zuvor kritisiert, dass es die SPÖ so „eilig habe, mit der FPK abzurechnen“. In der Kärntner Volkspartei haben sich noch nicht alle von der Vergangenheit verabschiedet. Rolf
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Holub, der grüne Aufklärer, appelliert fast schon verzweifelt an sie: „Ich habe den Eindruck, ihr wisst’s nicht, in welchen Abgrund ihr hineinspringt. Mauert nicht noch einmal das System ab.“ Der Mann, das wissen inzwischen alle im Saal, ist ernst zu nehmen. Er kann nicht mehr als „der Kabarettist“ abgetan werden – so nannten ihn die FPKler und das reichte für einen Lacherfolg im Kärntner Landtag, früher. Rolf Holub hat alles ins Rollen gebracht und mit vielem recht behalten. „Ich habe der Staatsanwaltschaft empfohlen, mit dem Mafia-Paragrafen vorzugehen“, warnt er und so etwas hält mittlerweile niemand für einen Bühnengag. Selbst in der ÖVP zeigt sich so etwas wie Scham: „Machen wir einen Neustart, mit neuen Regeln“, predigt Landwirtschaftssprecher Franz Wieser, „wir wollen wieder erhobenen Hauptes vor unsere Bevölkerung hintreten können.“ Die Fraktion stimmt dem Antrag zu, die Auflösung des Landtags auf der Tagesordnung zu lassen. In den Umfragen dieser Tage steigt die SPÖ zur Nummer eins auf, die FPK fällt schwer zurück (auf circa die Hälfte der 45 % von 2009), die Grünen verdreifachen ihren Anteil.523 Aber ein Wahlsieg für die Sozialdemokraten ist noch keineswegs sicher. Klubobmann Reinhart Rohr diagnostiziert zwar schon „das letzte Zucken eines Systems, das am Ende ist“. Doch während er wettert, das Land Kärnten sei „als Selbstbedienungsladen missbraucht“ worden, wird bekannt, dass auch gegen ihn selbst ermittelt wird – vom Korruptionsstaatsanwalt, wegen Auftragsvergaben an eine SPÖ-Werbefirma. Auch SPÖ-Vorsitzender Peter Kaiser ist angezeigt worden, auf Beschluss der blauen und schwarzen Regierungsmitglieder. Der Sozialdemokrat versucht das zwar als politisches Schlamm-Catchen abzuqualifizieren: „Die Methode der FPK lautet, wir sind dreckig, wir werden nicht mehr sauber und müssen möglichst viele anschwärzen“ – doch er muss hinzufügen: „Sollte Anklage erhoben werden, müsste jeder Betroffene zurücktreten.“ So sind die neuen Regeln, überhaupt wenn man selber als Verkörperung der Anständigkeit auftreten will. Das Bedürfnis dazu scheint zu steigen. Als „Buberlpartie“ ist Haiders Gefolge auch in dieser gefühlsgeladenen Debatte wieder verspottet worden. Der blaue Landtagspräsident Lobnig sagt gegen Ende der Sitzung: „Ich lege Wert auf die Feststellung: ich gehöre keiner Buberlpartie an.“ In seiner Stimme liegt dabei keine Spur von Ironie. Sie hatten das „System“ der Altparteien schwer erschüttert – mittlerweile standen sie selbst auf unsicherem Boden. Die Serie von Erdbeben war noch nicht zu Ende.
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Abwahl – oder: Wie erstmals eine Festung zurückerobert wird Denn auch die FPK konnte vorzeitige Neuwahlen schließlich nicht mehr verhindern. Sie stand dabei vor einer völlig ungewohnten Herausforderung: Auf den großen Verführer konnte sie nicht mehr zurückgreifen – auf den lebenden ohnehin nicht, aber nun auch nicht mehr auf den toten. Mehr als die Hälfte der Kärntner lastete dem früheren Landeshauptmann inzwischen eine „große Mitschuld an den Skandalen“ an524; die freiheitliche Heiligenfigur hatte politisch post mortem ihre Unschuld verloren. Die Nachfahren konnten ihren Wahlkampf nicht mehr rund um das Haider-Erbe arrangieren, dieses war befleckt, inzwischen auch in den Augen der BürgerInnen. Das „System Haider“ werde nach und nach „entlarvt“ (Peter Kaiser, SPÖ-Vorsitzender) – so etwas konnte man mittlerweile öffentlich sagen in Kärnten und dabei noch auf Stimmen hoffen. Es roch nach Machtwechsel. Wie wollten die Nachlassverwalter dem begegnen?
Kärntner Szenen: „Unser Kärnten“ – oder: Ist Kärnten noch unser? Die FPK im Wahlkampf Die Absicht ist vom ersten Meter an klar, auf dem Weg zur Halle 2 der Klagenfurter Messe. Die FPK und „Unser Kärnten“, das ist eins, verkündet das Transparent über dem Eingang; „Unser Kärnten“ ist auch auf die Doppelreihe von Schildern gedruckt, die Spalier stehen bei der Wahlkampferöffnung der FPK; sie sind blau umrandet und Ortstafeln nachempfunden. Die sind mittlerweile zum Symbol für die Regierungsfähigkeit der Partei geworden. Spitzenkandidat Gerhard Dörfler rechnet es sich als Verdienst an, dass der Konflikt in seiner Amtszeit beruhigt wurde. Das ist neu. Die Minderheitenfrage haben die Orange-Blauen sonst gerne als Aufputschmittel genutzt für ihre Kampagnen. Der amtierende Landeshauptmann soll das Gesicht dieses Wahlkampfes sein; sein Porträt, übermannsgroß, beherrscht die Bühnendeko – der Haarschnitt schwungvoll, der Teint gesund, das Lächeln weiß-zahnig. Landesparteiobmann Kurt Scheuch begrüßt den Spitzenkandidaten als „Landesvater“; später wird es für einen Moment sogar still werden im Saal, als Dörfler zur Kriegs- und Nachkriegszeit klarstellt: „Alle Opfer sind Opfer“ – und dabei ausdrücklich die „Volksgruppe“ miteinschließt.
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So etwas ist möglich in diesem Moment bei der Mehrheitspartei. Haben wir es mit Kärntner Freiheitlichen „neuen Stils“ zu tun, jetzt, im Jänner 2013; friedlicher, versöhnlich gar, von Reue beseelt nach all den Skandalen und Prozessen? Der Hallensprecher kündigt jedenfalls eine „Show“ an. Dunkle Gestalten werden auf die Bühne geschleudert: Trommler mit schwarzen Kappen, schwarz verspiegelten Brillen und in bodenlangen schwarzen Mänteln schwingen rot beleuchtete Schlägel gegen Metallfässer; blau-weiße Lichtpfeile schießen durch die Halle, Blitze zucken, Flammen lodern, brennt da gar das Höllenfeuer auf der Video-Wall? Jedenfalls tritt Sekunden später darunter die FPK-Führung hervor, begleitet von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Man ist ja wieder-vereinigt. Auch die Inszenierung der Haider-Erben trägt wieder Blau, vom Logo bis zur Kulisse. Strache und Dörfler reißen einander die Arme hoch, „Suppa!“, freut sich Scheuch – und Strache garantiert, er werde es „nicht zulassen, dass man Jörg Haider immer wieder ins Grab nachspuckt“. Dafür bekommt er Beifall, das ist es, was die Halle hören will. „Wir lassen auf dem Grab von Jörg Haider nicht herumtrampeln“, empört sich auch Scheuch, „da ist ein Abwehrkampf durchzuführen.“ Nationaler Mythos verbindet sich mit Amtsdeutsch, Scheuch ist schließlich Regierungsmitglied. Als solches möchte er naturgemäß Geld verteilen. Ein „Kärntner Familiengeld“, ein „Kärntner Baugeld“ und ein „Kärntner Gesundheitsgeld“ verspricht der Wahlprospekt, alles finanziert aus dem Zukunftsfonds des Landes, in dem einst der Erlös aus dem Hypo-Verkauf geparkt wurde. Das fällt natürlich auch unter „in memoriam Jörg Haider“, rein Wahlkampf-technisch betrachtet – die Idee hätte vom großen Lehrmeister selber stammen können. Scheuch übernimmt den Part des Abwehrkämpfers, nicht nur in der Sparte Haider-Gedenken. Er entwickelt auch aktuelle Varianten: „Ich bin dagegen, dass der Gurker Dom besetzt wird“, ruft er in Anspielung auf einen Hungerstreik von Asylwerbern in der Wiener Votivkirche; und versucht eine weitere Nummer aus dem Repertoire des Unerreichten: die Opferrolle. Der Bruder Uwe wegen Korruption verurteilt? „Freiheitliche sind vogelfrei“, beklagt Kurt, politische Gegner vergleicht er in seiner Rede mit „Insekten“ und bekennt: „Ich bin stolz darauf, dass wir die wenigsten Asylanten in Österreich haben.“ Scheuch ist für das nationale Lager zuständig; Gerhard Dörfler gibt den „Modernen“. Er schwärmt von Zukunftsprojekten mit Slowenien, einer 3-Länder-Ski-WM, internationaler Öffnung – der Balkan als Chance, daran kommt auch ein FKP-Landeshauptmann nicht mehr vorbei. „Kärnten ist herzeigbar, Kärnten hat nichts zu verstecken“ – Dörfler kämpft, Dörfler gestikuliert, Dörfler wirft sich in die Brust.
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Auf die hat er sich ein „Unser Kärnten“-Pickerl geklebt. „Bahntunnel, Autobahnbrücken, Denkwerkstätten“, das ist Kärnten, „die wahren Sümpfe, die sind woanders“, in Salzburg z.B., wo die SPÖ regiert, die „Spekulations-Partei Österreich“ oder in Niederösterreich, das politisch-geographisch weit auffälliger ist, denn dort ist der höchste Berg der „Schuldenberg“. Kärnten hingegen hat „stabile Finanzen“ und „nichts zu verstecken“. Vorher hat Dörfler einen Putztrupp abgeklatscht, bestehend aus ziemlich jungen Mädchen, gekleidet in Hotpants und Ruderleibchen und rhythmisch einen Besen schwingend. Überhaupt kommen Frauen an diesem Vormittag in eher traditionellen Rollen vor – als Großmutter (bei Scheuch), Ehefrau (bei Dörfler) oder Tochter (wieder bei Scheuch). Die „feschen Mädels“ (Scheuch) von der „Danceworld Centerstage“ aus St.Veit/ Glan erweisen einem anderen Nachbarland Kärntens die Ehre: sie tanzen zu „L’Italiano“. Mit dem Lied ist einst Toto Cutugno berühmt geworden, 1983, beim Festival von San Remo. Er singt darin von einem Italien mit einem „partigiano come presidente“ – in Anspielung auf den damaligen Präsidenten der Republik, Sandro Pertini. Der hatte als Partisan gegen die deutsche Wehrmacht gekämpft. Am Ende der Veranstaltung schwenkt Gerhard Dörfler aber wieder die Kärntner Landesfahne. Neben ihm prangt eine Ortstafel, mit der bekannten Aufschrift „Unser Kärnten“. Kurt Scheuch hat sie als Geschenk mitgebracht: „Eine mit richtigem Text“, prustet der Obmann. Über „Unser Kärnten“ und dessen künftige Führung aber hatten die Wähler ihr Urteil damals schon gesprochen, wenn man an die oben zitierten Umfragen aus dem Sommer 2012 denkt. Der Absturz der Landesherren fiel dann allerdings noch tiefer aus als vermutet. Das Ergebnis vom 3. März 2013 ließ keine Zweifel offen:525 LANDTAGSWAHLEN KÄRNTEN 2013 (im Landtag vertretene Parteien, im Vergleich zu 2009) Stimmen (%) +/– (in Prozentpunkten) FPK 16,9 –28,0 SPÖ 37,1 +8,4 ÖVP 14,4 –2,4 Grüne 12,1 +7,0 Team Stronach 11,2 +11,2 BZÖ526 6,4 +6,4
Mandate 6 (–11) 14 (+3) 5 (–1) 5 (+3) 4 (+4) 2 (+2)
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Nicht nur der Gesichtsverlust für die FPK war eklatant, sondern vor allem auch der Machtverlust: ihr wurden die Position als stärkste Partei und jene des Landeshauptmanns entrissen, beide von der SPÖ; in der Regierung blieb den Langzeitherrschern von der einstigen absoluten Mehrheit noch ein einziger Sitz (von den restlichen gingen drei an die SPÖ; je einer stand ÖVP, Grünen und dem Team Stronach zu). Darüber hinaus büßte die FPK die Vetomacht gegen Verfassungsänderungen ein (dafür hätte sie ein Drittel der Mandate gebraucht, doppelt so viele wie ihr noch geblieben waren). SPÖ, ÖVP und Grüne konnten nun zum Beispiel gemeinsam das System der Proporzregierung liquidieren – die „Kenia“-Koalition war nicht mehr auf Novellen zum Kärntner Heizungsanlagengesetz beschränkt (vgl. den Abschnitt „Die ‚Kenia‘-Koalition – Flagge zeigen an Nebenfronten“). Die Freiheitlichen wurden in Kärnten wieder auf jenen Stand zurückgeworfen, an dem in den 80er-Jahren ihr Aufstieg mit Jörg Haider begonnen hatte. Was waren die Gründe dafür? Der wichtigste war klar zu identifizieren: die Kärntner Landtagswahlen 2013 waren ein klassischer Fall von „issue voting“, bei der „eine ‚deviating‘ oder eine ‚realigning election‘ überwiegend dem Einfluss eines den Wahlkampf dominierenden politischen Sachthemas geschuldet“ ist.527 Eine solche Mure, fast alles mit sich reißend, war in Kärnten mit dem Korruptionsskandal abgerutscht: 73% der Befragten bezeichneten die „Bekämpfung der Korruption“ in einer Nachwahlanalyse als „sehr wichtig“ für ihre Entscheidung528. Der Wert für „Arbeitsplätze“ lag zwar noch höher, nur war das keineswegs neu und schon gar nicht spielentscheidend, wie ein Blick auf andere Wahlauseinandersetzungen zeigt. Der Quotient für „Arbeitsplätze“ war z.B. ähnlich hoch gewesen, als die Haider-Erben 2009 die Wahlen triumphal gewonnen hatten; den Unterschied musste also ein anderer Faktor ausmachen. In der Liste der Wahlmotive stößt man auf ihn unter dem Stichwort „Kontrolle von Missständen“: 2009 war diese politische Aufgabe gar nicht eigens abgefragt worden, offensichtlich war sie damals kein großes Thema; 2013 war sie nicht nur für eine große Mehrheit der Grün- und Team-Stronach-Wähler ein „sehr zutreffender“ Grund für die Wahlentscheidung, sondern auch für 50 % der SPÖ-Sympathisanten. Es war das Korruptionsthema, das entscheidend ins Gewicht fiel – und auf das die FPK keine Antwort fand. Im Wahlprospekt („Unser Kärnten“) las man kein Wort dazu (auch nicht unter „Brauchtum“ …); als Obmann Kurt Scheuch beim Wahlkampfauftakt beklagte, er habe „den Glauben an den Rechtsstaat verloren“, fiel selbst der Beifall des eigenen Publikums dünn aus – und in der breiten Wählerschaft herrschte ohnehin zu 80 % der Wunsch vor, dass „die FPK für die Skandale abgestraft“ werde.529 Der Zauber der Inszenierung war verflogen; die Arena war nicht zu befrieden, sie verlangte nach Opfern, die ihr aber nicht dargebracht wurden.
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Nehmen wir nur Kurt Scheuch: dass er im Sommer 2012 als Parteiobmann auf seinen zurückgetretenen Bruder folgte, wurde offensichtlich nicht als Aufbruch zu neuen Zeiten gewertet und schon gar nicht als Zeichen von Einkehr und Reue. 83 % Befragten mochten nicht glauben, dass auf diese Weise ein „Richtungswechsel bei den Freiheitlichen“ bevorstehe530 (den eine große Mehrheit anscheinend für notwendig hielt), im Gegenteil, die Vertrauenswerte für Scheuch und auch die anderen Regierungsmitglieder der FPK kollabierten.531 Hier lag der Unterschied zur ÖVP: Auch ihr gegenüber hegte das Wahlvolk zwar ausgeprägte Sühnewünsche;532 die Volkspartei bot jedoch mit dem neuen Obmann Gabriel Obernosterer und dem Diplomaten Wolfgang Waldner unbelastetes Personal an; die Vorgänger hatte sie von der Bühne geholt. Wohl auch deshalb kam die ÖVP im Vergleich zur FPK mit weit geringeren Verlusten davon. Bei aller generellen Enttäuschung über die Kärntner Landespolitiker und bei allem Skandalfrust hatten die Wähler die Schuld sehr genau verteilt. Die Sozialdemokratie kam als Alternative wieder infrage; die Traumata aus der Zeit ihrer absoluten Herrschaft schienen überwunden. Man schrieb das Jahr 1989, als die Partei vom Fürstenthron gestoßen wurde – es hatte immerhin eine Generation gedauert, bis man ihr wieder die Führung anvertrauen mochte. Das hatte auch mit einem Spitzenkandidaten zu tun, dem Herrscherallüren fremd waren. Vor allem aber galt Peter Kaiser, Parteivorsitzender und Landeshauptmann-Stellvertreter, als seriös – und Seriosität lag im Trend in diesen Wochen in Kärnten. Kaiser betrieb alles sehr ernsthaft, sogar die Führung der Kärntner SPÖ. Er mochte zu vielem begabt sein, aber sicher nicht zur Show; insofern stellte er das Gegenbild zur Haider-Ära dar. Der Mythos war gebrochen – ruiniert von den Erben, gewiss. Jene politischen Minen, die dann hochgingen, hatte aber noch der Ahnherr selber gelegt. In der (fiktiven) Direktwahlfrage jedenfalls hatte der SPÖ-Kandidat den amtierenden Landeshauptmann nach langem Rückstand bereits vor den Wahlen überholt;533 auch das war ein klares Indiz, dass nun ein neuer Typ gefragt war, im doppelten Wortsinn. War dies auch ein Anzeichen für ein bevorstehendes Hinscheiden des Populismus, gerade wenn es ihn in einem Bundesland ereilte, in dem seine zeitgemäße Spielart miterfunden worden war? Ein solcher Schluss würde wiederum zu weit führen, wenn wir das Kärntner Ergebnis von 2013 und vor allem seine Hauptursache genau nehmen: abgewählt wurden zwar Populisten – aber weil sie nicht nur das Volk, sondern auch sich selbst bedienen wollten, bzw. ihre Partei (und sich das nicht mehr verheimlichen ließ). Kaiser verkörperte jenen Stilwechsel, der genau zu diesem Moment passte. Er setzte nicht aber nur einen Stil-, sondern auch einen Machtwechsel um – der Berufspolitiker
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konnte eine Stimmung534 in ein Wahlergebnis gießen. In der politischen Kommunikation betonte er – wie schon andere Wahlsieger in anderen Bundesländern vor ihm – den Effekt des persönlichen Kontakts. Der Kärntner SPÖ-Vorsitzende wusste, dass die Landespartei in der „technischen“ Informationsvermittlung effizienter und schlagkräftiger werden musste, gleichzeitig war er überzeugt, dass kein Medium eine funk tionierende Organisation ersetzen konnte und vor allem nicht eine, die zur personalen Kommunikation auch bereit war: „Das direkte an den Mann und an die Frau bringen unserer Argumente durch die Funktionäre, das hat sich ausgezahlt im Wahlkampf.“535 Am Ende verschoben sich ungeheuer große Wählermassen neu, in einem Ausmaß, dass man wie oben erwähnt die Kärntner Landtagswahlen 2013 als „realigning elections“ einordnen muss. Das ist der seltenste Wahltypus überhaupt, dabei richten sich „Parteiloyalitäten bestimmter Wählergruppen neu aus“536. Genau dies geschah in Kärnten. Die Vehemenz belegt ein Datenvergleich zum Wahlverhalten einzelner Alters- und Berufsgruppen 2009 bzw. 2013537: WAHLVERHALTEN NACH GRUPPEN (Kärntner Landtagswahlen, Angaben in %)
FPK (bzw. BZÖ/Liste Haider)
ArbeiterInnen 2009 47 2013 32 unter 30-Jährige 2009 43 2013 12 Frauen 2009 31 2013 17
SPÖ
15 36 20 24 20 41
Die Abwendung von der FPK wurde noch durch eine neue Liste erleichtert, die als zusätzliche Alternative akzeptiert wurde: Das „Team Stronach“ zog z.B. bei der Gruppe der „unter 30-Jährigen“ sofort 20 % an. Es wäre jedoch verfehlt, das Kärntner Ergebnis der Debütanten einfach auf andere Bundesländer hochzurechnen. Sie offerierten einen lokal sehr bekannten Spitzenkandidaten, der durch mehrere Direktwahlen zum Bürgermeister geeicht war; der frühere Sozialdemokrat Gerhard Köfer war im Wettbewerb der Vorzugsstimmen einstmals sogar nur von Meister Haider selbst übertroffen worden.538 Es war Köfer, der diesmal die entstandene Populismuslücke zumindest zum
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Teil füllen konnte; die Hälfte der Stimmen für das Team Stronach strömte ihm von der „BZÖ-Liste Jörg Haider“ von 2009 zu. Doch das markanteste Resultat blieb, dass sich die Sozialdemokraten in Schlüsselgruppen die Mehrheit zurückholen konnten – bei Frauen, bei Jüngeren und auch bei den ArbeiterInnen. Dort hatte Haider, beginnend in den 90er-Jahren, das Monopol der Roten systematisch aufgebrochen und diese sogar überholt. Streng genommen war die Neuordnung der Wählerschaft 2013 also eine Rückkehr der Kohorten. Das Comeback der Kärntner SPÖ als Nummer eins war das erste dieser Art in einem österreichischen Bundesland; keiner Regionalpartei war zuvor nach einem Machtwechsel Ähnliches gelungen. Die Uraufführung hatte wieder in Kärnten stattgefunden.
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6 Einige Schlussfolgerungen – oder: Der Vergleich macht Sie sicher Was hat die manchmal erdbebenartigen Wahlergebnisse ausgelöst, welche Erschütterungen in der politischen Kultur sind durch sie tatsächlich verursacht worden, was ist an Neuem gebaut oder zumindest fundamentiert worden? Das waren einige der Fragen, deren Beantwortung wir auf dieser Bundesländerreise etwas näher kommen wollten. Wir wollen nun die Erfahrungen vergleichen, um einige erste Orientierungsmarken aufstellen zu können. Manches jedoch, so viel vorweg, wird hier als These stehen bleiben müssen und erst durch weitere Untersuchungen wird abgeklärt werden, ob die Richtung stimmt. Insofern – und dafür bittet der Autor um Verständnis – ist das Versprechen von „Schlussfolgerungen“ ein zu großes Wort für diese Zusammenfassung.
6.1 Der Konsens – ein Fall mit Verzögerung Natürlich prägen die jüngsten Erschütterungen das Bild der Bundesländerpolitik. Doch wenn wir den Blick etwas weiten, z.B. auf das vergangene Jahrzehnt, dann ist zunächst etwas ganz anderes augenfällig (auch wenn dieser Befund aus heutiger Sicht wie einer von gestern wirkt), nämlich: wie rasch als Prinzip der politischen Kultur mancherorts zunächst wieder der Konsens regierte – auch in den Bundesländern, in denen im neuen Jahrtausend neue Landeshauptleute oder neue Koalitionen an die Macht gekommen waren: in einem Fall (Salzburg) war er lange überhaupt nicht weg, jedenfalls nicht bis zur Finanzaffäre; in zwei anderen Fällen (Oberösterreich, Steiermark) nach einer Periode wieder da. Beide Male war die zweitstärkste „Großpartei“ (in Oberösterreich die SP 2003–2009, in der Steiermark die VP bis 2010) auf Konfrontationskurs zum Landeshauptmann gegangen – ohne damit ans Ziel zu kommen. Voves wurde nicht gestürzt, Pühringer sogar noch stärker. In der Steiermark herrscht unterdessen zwischen SPÖ und ÖVP (zumindest deren Führern) fast schon Verbrüderung, in Oberösterreich schlossen sie ein Arbeitsübereinkommen. Die Versuche mit der Konfliktdemokratie wurden dort rasch wieder eingestellt.539 Das hat zum einen mit Machtlogik zu tun: isolierte Parteien (wie die Erich-Haider-SPÖ) können weniger durchsetzen, für Budget-Sanierungen (wie in der Steier-
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6 Einige Schlussfolgerungen – oder: Der Vergleich macht Sie sicher
mark) will niemand allein verantwortlich gemacht werden – aber die Abkehr erklärt sich auch aus einer offenkundig tief sitzenden Mentalität der Wählerschaft. Nimmt sie keine öffentlichen Streitthemen wahr, steigen die Beliebtheitswerte der Landespolitiker; „die Bevölkerung liebt die Harmonie“540. Sie liebt aber nicht die Heimlichtuerei, womit sie Regierungsparteien in eine Doppelmühle treibt: tragen sie die Konflikte auf offener Bühne aus, heißt es: ‚Die streiten nur‘, verschieben sie das Aushandeln hinter die Kulissen, dann ‚packeln‘ sie. Christopher Drexler, Klubobmann der steirischen ÖVP, kommentiert leicht verzweifelt: „Eine parlamentarische Auseinandersetzung, eine politische Diskussion wird in Österreich a priori verteufelt … Man will keine Diskussion, keine Konfrontation, am liebsten wäre einem eine institutionalisierte Koalition, die soll 90 Prozent haben, gleichzeitig aber irgendeine Opposition 30 Prozent. Am liebsten wäre dem Österreicher eine Stimmenverteilung, die zu insgesamt 120 Prozent Stimmen führt, und dass alles so ist, wie es ist.“541 Drexler war jahrelang „Angriffsführer“ der steirischen Volkspartei gegen den Landeshauptmann; Ähnliches können Gaby Schaunig erzählen, die als Kärntner SPVorsitzende Jörg Haider den offenen Kampf antrug und auch die Salzburger ÖVP, die es zunächst mit Frontalangriffen auf die neue rote Landeshauptfrau versuchte, diese aber wegen Erfolglosigkeit zunächst abbrach. Dies änderte sich erst, als die Normalität plötzlich in Trümmer fiel – erschüttert durch einen entscheidenden Erdstoß: den großen Skandal. Aber selbst danach schlugen die großen Sieger (die Grünen) zunächst noch den Neubau eines schwarz-roten Doppelhauses vor – lediglich „erneuert“ durch einen grünen Balkon.
6.2 Der Proporz – und warum seine Abschaffung noch nichts ändert Das Beispiel Salzburg beweist auch: die Abschaffung des Regierungsproporzes allein bricht noch keineswegs einer neuen politischen Kultur Bahn. Der Landtag wurde dort danach mehr denn je diszipliniert, die Macht wechselte keineswegs, sondern lag bis 2013 ununterbrochen in den Händen einer großen Koalition. Mit der hatte sich die längste Zeit „nichts Wesentliches an der Konkordanz-demokratischen Ausrichtung geändert“542 – eher im Gegenteil. Zweifelsohne produziert das alte System nahezu absurde Konstellationen – bei denen sich zwar Koalitionen bilden (formale wie schwarz-grün in Oberösterreich, oder auch nur faktische wie einst blau-schwarz in Kärnten), während gleichzeitig eine dritte Partei auch in der Regierung bleiben darf, aber gleichzeitig Opposition spielt (die SPÖ in Oberösterreich unter Erich Haider, die FPÖ in Salzburg unter Karl Schnell
6.3 Inszenierungen – oder: Wehe, wenn sie brechen
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bis 1997). Das mag z. B. einem Angelsachsen erklären, wer will. Unübersehbar ist aber auch, dass große Koalitionen in Mehrheitssystemen keineswegs per se von mehr Innovationsbereitschaft und demokratischer Lebendigkeit beseelt sind. Die Ziele der steirischen „Reformpartnerschaft“ von SPÖ und ÖVP waren (trotz einer Proporzregierung) weit kühner gefasst als jene der Schwesterparteien in Salzburg (wo auf Mehrheitsregierung umgestellt wurde). Der Kärntner Regierung bis 2013 (noch nach Proporz gebildet) konnte man vieles unterstellen, aber sicher keine Konfliktscheue und die erste Koalition mit den Grünen, ein völlig neues Regierungsbündnis für österreichische Bundesländer, riskierte die VP-Oberösterreich – in einem Proporzsystem. Um keine Missverständnisse hervorzurufen: dies ist kein Plädoyer für ein tatsächlich nur noch schwer vermittelbares Regierungsmodell – sondern ein Hinweis, dass Traditionsparteien aus dessen Ruinen keineswegs automatisch Neues sprießen lassen.
6.3 Inszenierungen – oder: Wehe, wenn sie brechen Generell waren die Bundesländer bekanntlich die längste Zeit politisch äußerst stabil,543 was die seltenen Farbwechsel an der Spitze illustrieren: nur sechsmal konnte zwischen 1945 und 2010 eine andere Partei die Position des Landeshauptmanns erobern (davon allein dreimal in Kärnten, sonst noch im Burgenland 1964, in Salzburg 2004 und in der Steiermark 2005). Dass es dennoch passierte, lag zum einen an der rapiden Auflösung der Parteibindungen, die auch die Länder erfasste hatte,544 dazu aber auch an erfolgreichen Neuinszenierungen:545 etwa bei Jörg Haider (Kärnten, 1989) oder bei Gabi Burgstaller (Salzburg, 2004). Beide – und hier tut sich eine vielleicht überraschende Parallele auf, die aber SP-Strategen in Salzburg sehr wohl bewusst war – traten als „Politiker neuen Typs“ auf und benahmen sich, obwohl de facto Berufspolitiker, nicht als Repräsentanten des „Systems“. Zudem profitierten nicht nur sie, sondern auch andere Wahlkampfsieger der vergangenen Jahre wie Franz Voves oder Josef Pühringer von Imagebrüchen bei ihren Gegnern. Unter solchen litten z. B. Franz Schausberger (Salzburg 2004); Erich Haider (Oberösterreich 2009) oder Waltraud Klasnic (Steiermark 2005). Ging die Glaubwürdigkeit der eigenen Inszenierung verloren, war das ein Treibsatz für die Niederlage und steigerte noch ihr Ausmaß.
6.4 Das politische Marketing – und seine Grenzen Professionelle Kommunikation nach innen und außen, Arrangieren von Fernsehbildern, möglichst gezieltes Marketing von Personen und Botschaften – das ist auch
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im politischen Geschäft der Bundesländer inzwischen Standard, wenn auch auf sehr unterschiedlichem Niveau und wenn auch manchmal nur angestrebt. Abstiegsangst und der Kampf um die eigene Position befördern dabei den Einsatz zeitgemäßer Methoden – ein frühes Beispiel sind die Volksparteien der Steiermark und Oberösterreichs der 50er- und Anfang der 60er-Jahre, für die Platz eins oft weniger sicher war, als heute angenommen. Ein Musterbeispiel aus der neueren Vergangenheit ist Salzburg, wo die SPÖ, fast am Boden liegend, mit der Modernisierung begann und die ÖVP nach dem Desaster von 2004 nachzog – ähnlich wie die steirische Volkspartei nach ihrer Degradierung 2005. In Salzburg ging die Orientierung der neuen SPÖ am Wählermarkt so weit, dass ihr die Selektion des Spitzenkandidaten/der Spitzenkandidatin unterworfen wurde. Allerdings garantiert Imitation noch keinen Erfolg: die Kärntner SPÖ-Gaby (Schaunig) hatte mit der Salzburger Gabi zwar den Vornamen gemeinsam, aber beim Publikum nicht dieselbe Anziehungskraft; sie scheiterte jedoch (Kärnten 2008) auch an der eigenen Partei, die nicht in den Griff zu bekommen war. Genau das brachte letztlich ebenso Waltraud Klasnic zu Fall, die (Steiermark 1995) mit Blick auf ihre Sympathiewerte auserwählt worden war. Popularität (oder die Hoffnung darauf) allein reicht nicht, jedenfalls nicht auf Dauer; sie stößt an ihre Grenzen, wo sie nicht durch genügend politische Macht abgestützt wird.
6.5 Ohne Spitzenkandidat/-in ist alles nichts – aber der/die Spitzenkandidat/-in ist nicht alles Wahr ist natürlich auch: bei den untersuchten Wahlbewegungen konnte nur in Ausnahmefällen eine Partei gewinnen, die nicht einen markttauglichen Spitzenkandidaten selektioniert hatte – ansonsten war dessen Fehlen zugegeben ein Nachteil. Erinnert sei nur an die Niederlagen der oberösterreichischen SP (Erich Haider, 2009) oder an jene der SP in Kärnten (Reinhart Rohr, 2009). Den Wechsel und auch eine Verlängerung an der Spitze schafften hingegen die SP Salzburg (Burgstaller 2004 und 2009) und Steiermark (Voves 2005 und 2010). Der Anteil des personellen Angebots an einem Wahlsieg ist jedoch unterschiedlich groß: Burgstaller übertraf mit ihren Werten seinerzeit sogar den amtierenden VPLandeshauptmann; Voves erreichte ihre Höhen nie. Er lag zwar am Ende vor Waltraud Klasnic – aber nur, weil diese tief gefallen war. Im Wahlkampf hatten für sie peinliche Themen die Bühne beherrscht (die Affären Herberstein, EStAG, Hirschmann).546 Ein ähnlicher Schaukeleffekt (Stichwort: Finanzskandal) führte zum Niedergang von Gabi
6.6 Noch ein Comeback – oder: Die Rolle der direkten Kommunikation
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Burgstaller und dem Wiederaufstieg der ÖVP zur Nummer eins unter Wilfried Haslauer (Salzburg 2013). Klasnic hatte den Dramafaktor übrigens bereits zuvor einmal zu spüren bekommen, damals allerdings Ansehen gewonnen (nach dem Unglück von Lassing). Ein sehr spezieller Schatten lag auch über dem Kärntner Wahlkampf 2009 – jener des toten Jörg Haider. Der Vorsprung des eigentlichen BZÖ-Kandidaten (Gerhard Dörfler) auf den SP-Konkurrenten war gar nicht besonders groß – aber das Wahlmotiv, Haiders Erbe nicht am „Totenbett“ untreu zu werden, war wahlentscheidend. 547 Bei aller Tendenz zur Personalisierung auch in den Ländern und selbst wenn diese eine der Eintrittskarten zum Erfolg ist – die Beispiele Steiermark, Kärnten und zuletzt Salzburg zeigen: Wahlergebnisse können nicht nur aus den Persönlichkeitswerten der Spitzenkandidaten erklärt werden, gerade wenn Einzeleffekte sie plötzlich in ein anderes Licht tauchen (Klasnic 2005, Burgstaller 2013) oder in den Hintergrund rücken (Dörfler 2009).
6.6 Noch ein Comeback – oder: Die Rolle der direkten Kommunikation Keine Frage – ohne mediale Tauglichkeit ist heute auch in den Bundesländern schwer etwas zu gewinnen; gerade audiovisuelle Medien entfalten auch hier ihre besondere Wirkung548 und generell hat „der Mediatisierungsprozess auch die (bislang teilweise ‚verschonte‘) Landesebene voll erreicht“, wie die Wissenschaft nach einer Serie von Landtagswahlen 2005549 konstatierte. Aber hier soll ein anderer Befund hervorgehoben werden: praktisch alle „großen“ Wahlsieger der vergangenen zwei Jahrzehnte in den Bundesländern (Jörg Haider, Gabi Burgstaller in ihrer besten Zeit, Josef Pühringer) hatten ihre Stärke auch und gerade in der persönlichen Kommunikation; Voves wird zumindest Authentizität bescheinigt. Ausnahmslos berichten die betroffenen Kampagnenmanager, dass sie diese Kandidaten gezielt und massiv im direkten Bürgerkontakt einsetzten. Die Fähigkeit dazu scheint eine Voraussetzung für eine bleibende Rolle an der Landesspitze zu sein; wird diese Kompetenz nicht vom Spitzenkandidaten verkörpert, muss die Partei darüber verfügen: die Salzburger Volkspartei (2013) entdeckte erfolgreich die traditionelle Kommunikationstechnik des Hausbesuchs wieder. Man könnte solche Phänomene mit der Übersichtlichkeit mancher Bundesländer erklären – aber von den enormen Effekten sind auch die Wahlkampforganisatoren der VP Oberösterreich überzeugt, in einer Region mit immerhin 1,4 Millionen Ein-
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wohnern. Umgekehrt hatte der Zerfall der Parteistruktur fatale Folgen (Grazer SPÖ, Gemeinderatswahl 2008) – gerade weil es damit nicht mehr gelang, Kommunikationsfelder jenseits von Fernsehen und Zeitungen zu besetzen: „Ich brauch die Laufarbeit, ich brauche die Präsenz, ich brauche die Netzwerke, ich brauche die Kommunikationsebene. Das geht nicht über Medien – denn dann bist du denen ausgeliefert.“ (Herper, 2010)550 Auch deshalb kündigen in allen vier untersuchten Bundesländern vor allem SPManager innere Reformen an (oder sie wollen eine solche zumindest versuchen); selbst die Salzburger Sozialdemokraten, an sich der Musterfall für den Einsatz von Marketingmethoden, wollen das Partei-Gerüst wieder stärken – und hatten das schon vor der schweren Niederlage 2013 für nötig gehalten: „Nachdem wir begrenzte Ressourcen haben, hat man sich eben auf ein paar Ziele des politischen Marketings konzentriert, sehr erfolgreich. Jetzt ist es an der Zeit, die Strukturen wiederzubeleben, weil es letztlich auch um langfristige Absicherung geht.“ (Höfferer)551 Der Hinweis ist zwar fast überflüssig, aber trotzdem: Dies ist keine leichte Aufgabe. Sogar die Salzburger SPÖ, einst neu gestartet mit einer jungen Frau, beschreibt sich selbst als „alte Männer-Partei“, die „nicht mehr die Vielfalt der Gesellschaft im 21. Jahrhundert“ 552 abbildet. Die Erosion ist mancherorts drastisch, denken wir an die realen Verhältnisse in der Steiermark, wo die „Groß“parteien trotz ihrer überragenden Landtagsmehrheit in Wahrheit gerade noch die Hälfte der Wählerschaft repräsentieren – oder an Salzburg, wo sie das nur noch bei etwas mehr als einem Drittel tun. In der Gesellschaft verankert zu bleiben wird eine Überlebensfrage auch für Regionalparteien.553
6.7 Die Freiheitlichen – rekonvaleszent, aber nicht bei alter Stärke Die Freiheitlichen waren die großen Profiteure aus den „Massenbewegungen“ der Wähler in den 90er-Jahren, auch in den Ländern. Haiders Sieg (Kärnten 1989) leitete die erste echte Machtverschiebung in den Bundesländern ein, hin zu Blau/Orange/ Blau. Selbst nach einem Parteienwechsel bei den Landeshauptleuten oder bei einer neuen Koalition standen sonst immer noch die SPÖ (Steiermark, Salzburg) oder die ÖVP (Oberösterreich) an der Spitze. Ähnliches wie in Kärnten gelang den Freiheitlichen (oder gar dem BZÖ) in anderen Regionen aber nicht mehr und während der Regierungsbeteiligung im Bund in der Schüssel-Ära wurden sie in den Ländern schwer abgestraft. Davon haben sie sich danach erholt, ohne bislang wieder die alte Stärke zu erreichen: In der Steiermark, in Salzburg und in Oberösterreich fehlten bis 2010 zu den Rekordresultaten der 90er-
6.8 Die Grünen – oder: ein Sieg der Aufklärung
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Jahre zwischen fünf und sieben Prozentpunkte; in Kärnten brach der FPÖ-Partner FPK völlig ein. Die Parole „gegen Zuwanderung“ verschaffte den Freiheitlichen zwar überall Zulauf; der zu den Spitzenkandidaten in den Bundesländern war geringer, auch gemessen am Bundesparteiobmann: Heinz-Christian Strache (Listenführer 2010) wurde bei den Wiener Gemeinderatswahlen von 38 % als Wahlmotiv genannt; die Kollegen in Oberösterreich, der Steiermark und Salzburg (2009) kamen nur auf 26–29 %.554 Im Jörg-Haider-Land konnte dieses Lager den Landeshauptmann zwar zunächst behaupten (2009), in Oberösterreich (2009) und in der Steiermark (2010) in die Regierung zurückkehren; doch zu einem rot-blauen oder schwarz-blauen Koalitionsabkommen brachte diese Kraft es außerhalb von Kärnten in keinem der Bundesländer mit neuen Machtmodellen.
6.8 Die Grünen – oder: ein Sieg der Aufklärung Da erreichten die Grünen mehr – wenn auch zunächst nur in einem Einzelfall, in Oberösterreich. Sie wollten dort Regierungsfähigkeit beweisen, was gelang; das stellte auch die ÖVP sehr zufrieden: „Die haben geglaubt, die Lichter gehen aus, die Welt geht unter – ihr werd’s verschwinden und wir werden nächstes Mal alles kassieren“555, erinnert sich ein ÖVP-Stratege an die Reaktion der SPÖ auf den ersten Versuch mit Schwarz-Grün (Oberösterreich 2003). Oberösterreich überlebte, ja mehr noch, es blieb ein Industrieland. Die Grünen überlebten auch und das sogar in der Regierung. Aber ansonsten kamen sie lange noch langsamer voran als das Elektromobil auf dem Automarkt. In den anderen Bundesländern gewannen sie zunächst höchstens leicht (Steiermark 2010) oder verloren gar (Kärnten und Salzburg 2009), im HaiderLand und in Salzburg verschaffte ihnen erst die erfolgreich ausgefüllte Rolle des „Aufklärers“ wahre Beschleunigung (2013). Ohne den Schub durch Skandale hätte die Fahrt in diesen beiden Bundesländern möglicherweise abermals nicht in die Regierung geführt. Ob solche Erfolgsmodelle auch Langzeittests bestehen, wird sich erst im Alltagsbetrieb erweisen: unter dem Kompromissdruck, dem jeder Regierungsteilnehmer ausgesetzt ist, und ohne den Sauberkeitsbonus, den Korruptions- oder Kontrolldesaster der politischen Gegner den Grünen bescherten. Was war der Unterschied zu Oberösterreich, wieso sind die Grünen dort eine Etappe voraus? Sie hatten sich jedenfalls einigen alten Ballasts entledigt, der andere lange beschwerte: sie zeigten keine falsche Scheu vor der Macht, machten früh klar, dass man die Welt nur bei Regierungsbeteiligung verbessern könne; verfügten über einen Spitzenkandidaten, den man sich als Landesrat vorstellen konnte – und sie erhoben
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6 Einige Schlussfolgerungen – oder: Der Vergleich macht Sie sicher
niemals den Zeigefinger. Diese Grünen trugen kein Bußgewand, sie hatten Subventionen für Solaranlagen in der Aktentasche.
6.9 Neue Koalitionen – und schwächere Sozialpartner? Dieser Punkt kann tatsächlich nur als Hypothese formuliert werden, und das mit großer Vorsicht: sowohl Aussagen aus dem Arbeitnehmer-Lager als auch aus der Industrie deuten darauf hin, dass neue Koalitionsformen wie Schwarz-Grün in Oberösterreich den Einfluss der Sozialpartner beschneiden. Dafür sprechen Personalentscheidungen und vor allem, dass der Wirtschaftsbund die Neuauflage dieses Paktes nicht verhindern konnte (Oberösterreich 2009); ebenso wenig wie die Verlängerung der blau-schwarzen Partnerschaft in Kärnten (2010, nach der Spaltung zwischen FPK und BZÖ). So weit einige Indizien – aber sie bedürfen auf jeden Fall einer genaueren Untersuchung.
6.10 Was nun wirklich neu ist – und was beim Alten geblieben Nüchtern betrachtet provozierten die ersten „aufregenden“ Wahlergebnisse nach dem Jahrtausendwechsel (Salzburg 2004, Steiermark 2005) weniger Neues als andere. Die Kooperation von ÖVP und SPÖ wurde in beiden Fällen wieder aufgenommen, nun eben unter anderer Fahne, im einen Fall sofort (Salzburg 2004), im anderen mit Verzögerung (Steiermark 2010). Großen Reformwillen garantieren auch große Koalitionen unter neuer (sozialdemokratischer) Führung nicht; dieser kann sogar eher begrenzt sein (bei einer Wiederwahlstrategie, Salzburg, 2004 und 2009) – und erheblich ist er offenkundig nur bei Sonderkonstellationen (bei wenig Wiederwahldruck, Steiermark 2010). Neue Regierungsmodelle entstanden jedoch durchaus auch aus den „Trümmern“ der alten. In Oberösterreich etablierte sich mit den Grünen eine zusätzliche Alternative an der Macht (2003 und 2009); in Kärnten, wo man Wechsel schon länger gewohnt war, hielt sich zunächst eine solche an der Landesspitze (die Orangen/dann Blauen 2009); schließlich bildete sich ein völlig neues Bündnis heraus (Rot/Schwarz/Grün, 2013). Selbst in Salzburg zerbrach – mehr als ein Jahrzehnt nach Abschaffung des Regierungsproporzes – die große Koalition, auch sie wurde durch ein Bündnis neuer Art abgelöst (Schwarz/Grün/Team Stronach, 2013). Der Aufstieg neu eingefärbter, gerade gegründeter oder vorher oppositioneller Formationen in die Regierung oder gar zur Nummer eins ist tatsächlich etwas Neues im lange so trägen Parteiensystem der Bundesländer.
6.10 Was nun wirklich neu ist – und was beim Alten geblieben
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Als größer noch aber könnte sich die Sprengkraft eines anderen Elements erweisen – der Direktwahl. Sie hat zum Beispiel bei den Bürgermeistern in Salzburg die Bindung an die eigene Parteiführung unterspült, wenn nicht sogar völlig hinweggerissen wie mancherorts in Kärnten. Gleichzeitig bildet sie eine neue, kürzere Brücke zwischen den Bürgern und dem politischen System. Da dieses kein Interesse haben kann, die Verbindung zu kappen, wird sich die Debatte darüber nicht mehr aufhalten lassen. In Salzburg macht sie auch vor den Landtagsabgeordneten nicht mehr halt; schon vor den Wahlen 2013 hatten ÖVP und SPÖ angekündigt, die Bewerber künftig zumindest zum Teil nicht mehr einer Parteiliste, sondern der Direktwahl zu unterwerfen – das wäre, keine Frage, zumindest ein sanftes Erdbeben.
Anmerkungen
Einleitung 1
The Guardian, 29th May 2010.
Steiermark 2
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5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
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18 19
Ableitinger, Alfred: „Politik in der Steiermark“, in: Dachs, Herbert/Hanisch, Ernst/Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945“; darin: Ableitinger, Alfred/Binder, Dieter A. (Hg.): „Steiermark. Die Überwindung der Peripherie“, Wien/Köln/Weimar 2002, S. 99. Ableitinger, 2002, S. 15. Ulram, Peter A./Sommer, Franz: „Gebremste und ungebremste Stürze. Gemeinderats- und Landtagswahlen 2005“, in: Khol/Ofner/Burkert/Dottolo/Karner (Hg.): „Österreichisches Jahrbuch für Politik 2005“, S. 52. Ableitinger, 2002, S. 103. Trost, Ernst: „Josef Krainer II. Der letzte Landesfürst“, Wien 1996, S. 152. Trost, 1996, S. 153. Aus dem Tonmitschnitt eines Interviews mit Bernhard Rinner, Landesgeschäftsführer der ÖVP, geführt am 26.9.2007, Zitate daraus werden im Folgenden als „Rinner 2007“ markiert. Trost, 1996, S. 16. Trost, 1996, S. 246. Magenschab, Hans: „Erzherzog Johann. Bauer/Bürger/Visionär“. Wien, Graz, Klagenfurt 2008, S. 192. Vgl. Magenschab 2008, S. 206. Binder, Dieter A.: „Heimatsuchen. Versuche zur Kulturgeschichte eines Bundeslandes“, in: Ableitinger/Binder, 2002, S. 566. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Herwig Hösele am 27.8.2007. Hösele war Pressereferent von Josef Krainer II und später Leiter des Referats „Politik und Öffentlichkeitsarbeit“ im Büro von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic. Die Ausschnitte aus dem Gespräch sind im Folgenden als „Hösele“ gekennzeichnet. Trost, 1996, S. 245. Trost, 1996, S. 351. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Erwin Zankel, damals stellvertretender Chefredakteur und von 1998 bis 2006 Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, geführt am 27.8.2007. Die Ausschnitte sind im Folgenden mit „Zankel“ gekennzeichnet. Trost, 1996, S. 351. Rauscher, Hans: „Waltraud Klasnic. Eine Frau neuen Stils an der Spitze der Steiermark“, Wien 2000, S. 61.
Anmerkungen
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20 Mantl, Wolfgang: „Politischer Wandel in der Steiermark“, in: Hösele/Lopatka/Mantl/Piza/Pri sching/Schilcher/Schnider: „Steirisches Jahrbuch für Politik 2005“, Graz 2006. 21 Mantl, 2006, S. 26. 22 Ähnliches praktizierte in vergleichbarer Lage die VP in Oberösterreich, vgl. den Abschnitt 4.1 im Oberösterreich-Kapitel. 23 Vgl. Ableitinger, 2002, S. 9. 24 Mantl, 2006, S. 28. 25 Vgl. z. B. Ableitinger, 2002, S. 15. 26 Vgl. Binder, 2002, S. 583 u. S. 603. 27 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Walter Kröpfl, schon seit 1996 Abgeordneter und seit 2004 Klubobmann der SPÖ-Fraktion im steirischen Landtag; geführt am 20.2.2008. Die weiteren Ausschnitte daraus sind mit „Kröpfl“ gekennzeichnet. 28 Binder, Dieter A./Wassermann, Heinz P.: „Die steirische Volkspartei oder die Wiederkehr der Landstände“, Graz 2008, S. 263. 29 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit dem SPÖ-Politiker Kurt Flecker, geführt am 18.12.2008. Flecker war nach seiner Zeit im Landtag von 2000 bis 2009 Mitglied der Landesregierung und bis 2010 Landtagspräsident. Zitate werden im folgenden als „Flecker“ gekennzeichnet. 30 Ableitinger, 2002, S. 20. 31 Vgl. Lopatka, Reinhard/Hösele, Herwig: „Steirische Landtagswahl 2000. Der fulminante Sieg hat eine Mutter – Waltraud Klasnic“, in: Khol/Ofner/Burkert/Dottolo/Karner: „Österreichisches Jahrbuch für Politik 2000“, Wien 2001, S. 80. 32 Vgl. Hadler, Markus/Haller, Max: „Die steirische Landtagswahl 2000“, in: SWS-Rundschau 2/2001, S. 170ff. 33 Vgl. Lopatka/Hösele, 2001, S. 84. 34 Ableitinger, 2002, S. 21. 35 Ableitinger, 2002, S. 103. 36 Vgl. Lopatka/Hösele, 2001, S. 88. 37 Zitiert aus dem Interview mit Erwin Zankel. 38 Vgl. APA, 10.4.2004 und 22.4.2004. 39 SORA: „Wahlanalyse der Landtagswahl Steiermark 2005“, S. 6 (http://www.sora.at/fileadmin/ downloads/wahlen/2005_ltw-stmk_wahltagsbefragung_wahlanalyse.pdf), Stand 13.6.2011. 40 Ableitinger, 2002, S. 13. 41 Ableitinger, 2002, S. 112. 42 Rauscher, Hans: „Das Königsdrama auf der Grazer Burg“, in: Hösele/Lopatka/Mantl/Piza/Prisching/Schilcher/Schnider, 2006, S. 127. 43 Zu der „Koordinierung“ bekannte sich der Unternehmer und Ex-Politiker Hans Georg Fuchs. 44 SORA, Wahlanalyse Steiermark 2005, S. 6. 45 Der Wahlkampf-Manager der steirischen VP 2005, Andreas Schnider, zitiert in Dunst, Ulrich: „Performance-Politik in der Steiermark“, Innsbruck 2008, S. 146. 46 Sittinger, Ernst: „Mobilität in neuen Dimensionen“, in: Hösele/Lopatka/Mantl/Piza/Prisching/ Schilcher/Schnider 2006, S. 133. 47 Vgl. Dunst, 2008, S. 143. 48 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Hans Marcher, von 2001 bis 2006 Landesgeschäftsführer der SPÖ Steiermark. Zitate daraus sind im Folgenden mit „Marcher“ gekennzeichnet. 49 Vgl. z. B. http://steiermark.orf.at, 3.8.2005.
232
Anmerkungen
50 Aus einem Gespräch mit Christopher Drexler, Klubobmann der ÖVP im steirischen Landtag seit 2003, geführt am 24.11.2010. Zitate sind im Folgenden mit „Drexler“ gekennzeichnet. 51 Siehe SORA, 2005, S. 7. 52 Vgl. Russ, Gabriele/Wassermann, Heinz (Hg.): „Wendezeit. Monitoring des steirischen Landtagswahlkampfes 05“, Graz 2006, z. B. S. 185, 193, 233. 53 Vgl. OGM für „Kleine Zeitung“, APA vom 9.9.2005 und APA/OGM-Vertrauensindex, APA vom 16.9.2005. 54 Vgl. http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen/ltw-stmk05.html), Stand 1.4.2011. 55 Ulram, Peter A./Sommer, Franz: „Gebremste und ungebremste Stürze. Gemeinderats- und Landtagswahlen 2005“, in: Khol/Ofner/Burkert/Dottolo/Karner (Hg.): „Österreichisches Jahrbuch für Politik 2005“, S. 51f. 56 Vgl. z. B. die Definition auf der offiziellen Website des kanadischen Amateur-Eishockeys: „Body Checking is defined as an individual defensive tactic designed to legally separate the puck carrier from the puck. This tactic is the result of a defensive player applying physical extension of the body toward the puck carrier moving in opposite or parallel direction.“ (vgl. http://www.hockeycanada.ca/index.php/ci_id/6876/la_id/1/ss_id/6886.htm), Stand 22.6.2011. 57 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Günter Pirker, Geschäftsführer des „Verbandes sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen Steiermark“, geführt am 20.2.2008. Die weiteren Ausschnitte sind mit „Pirker“ gekennzeichnet. 58 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) vom 22.11.2010 mit Anton Vukan, Landesgeschäftsführer der SPÖ seit Anfang 2006. Zitate daraus sind im Folgenden mit „Vukan“ gekennzeichnet. 59 Vgl. die Absage von VP-Klubobmann Christopher Drexler zum geplanten Steiermark-Konvent mit Verfassungsreform, „Kleine Zeitung“, 18.9.2007. 60 Karlhofer, Ferdinand: „Landesparlament und Politikgestaltung“, in: Bußjäger, Peter (Hg.): „Beiträge zum Länderparlamentarismus. Zur Arbeit der Landtage“, Wien 2007, S. 9. 61 Aus einem späteren Interview mit Bernhard Rinner, dem Landesgeschäftsführer der ÖVP Steiermark, geführt am 24.11.2010. Zitate aus dem Tonmitschnitt sind im Folgenden als „Rinner 2010“ ausgewiesen. 62 Vgl. Wineroither, David M.: „Der Landeshauptmann im Regierungssystem: Das Amt und seine Säulen“, in: ders. (Hg.): „Politik im Viervierteltakt“, Wien 2010, S. 41. 63 Vgl. APA/OGM-Index Steiermark, in: APA, 20.4.2007. 64 „Steiermark heute“, 5.3.2007, in einem Ausschnitt aus dem Pressefoyer nach der Sitzung der Landesregierung zum Thema „weiterer Anteilsverkauf bei der Energie Steiermark“. 65 „Kleine Zeitung“, 19.9.2007. 66 Laut Regel 523 im „Rule Book“ des Internationalen Eishockeyverbands (http://www.iihf.com/iihfhome/sport/iihf-rule-book.html), Stand 24.6.2011. 67 Steiner, Michael: „Vom Wandel in Vergangenheit und Gegenwart. Die wirtschaftliche Entwicklung der Steiermark seit 1945“, in: Ableitinger, Binder, 2002, S. 133f. 68 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt, 19.6.2008) mit Claudia Babel, die mit ihrer Agentur den ÖVP-Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen 2008 in Graz betreute. Ausschnitte sind im Folgenden mit „Babel“ gekennzeichnet. 69 Vgl. Babel-Interview 2008. 70 Ifat („Institut für angewandte Tiefenpsychologie“): „Analyse des Wahlverhaltens auf der Grundlage der Exit Polls“ (bezogen auf die Grazer Gemeinderatswahl 2008). 71 Vgl. Bachmayer, Wolfgang, OGM, „Standard“, 21.1.2008. 72 Vgl. dazu neben vielen anderen z. B. Plasser, Fritz: „Vom Selling zum Marketing von Politik.
Anmerkungen
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Wahlkämpfe im Zeichen des politischen Marketings“, in: Sarcinelli, Ulrich/Tenscher, Jens (Hg.): Machtdarstellung und Darstellungsmacht. Beiträge zu Theorie und Praxis moderner Politikvermittlung, Baden-Baden 2003, S. 237f. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Karl-Heinz Herper, Klubvorsitzender der SPÖ im Grazer Gemeinderat; im Sommer 2010 interimistischer und dann stellv. SP-Vorsitzender in Graz; bis 2011 auch Stadtrat. Ausschnitte daraus sind mit „Herper“ gekennzeichnet. Vgl. den APA/OGM-Vertrauensindex, APA 13.8.2010. Rinner, 2007. Vgl. Beutl, Bernd: „Die Volkspartei und die Transformation des politischen Systems“, in: Ableitinger, Alfred/Beutl, Bernd (Hg.): „60 Jahre steirische Volkspartei. Für die Steirmark Partei ergreifen“, Graz 2005, S. 132 u. 139. Rinner, 2007. IMAS-Umfrage für die „Steirerkrone“, vgl. APA, 16.10.2009. Rinner, 2007. Vgl. APA/OGM-Vertrauensindex, APA 16.10.2009; die Werte entsprechen dem Saldo der „Ja“ und „Nein“-Antworten auf die Frage „Vertrauen Sie diesem Politiker“. Als Vergleichsbasis wurden oben die Daten im jeweils eigenen Bundesland herangezogen, dort fallen die Wahlentscheidungen über diese Kandidaten. Vgl. APA 24.3.2010, „NEWS/OGM-Umfrage zur Steiermark-Wahl“ und oesterreich.ORF.at, 14.10.2007. In einer dort zitierten OGM-Umfrage für die „Kleine Zeitung“ führte Voves mit 40 : 24 %. APA, 11.5.2009. Vgl. z. B. Gallup für die Tageszeitung „Österreich“ (Voves : Schützenhöfer 47% : 35%), APA 15.8.2010; oder Market für die „Kleine Zeitung“ (Voves : Schützenhöfer 37 : 23 %), APA 3.9.2010. Binder, 1998, S. 129. Vgl. Binder, Dieter A.: „Von wilden Bergvölkern und dem schwierigen Umgang der Provinz mit der Metropole“, in: Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Liebe auf den zweiten Blick. Landes- und Österreichbewußtsein nach 1945“, Wien/Köln/Weimar 1998, S. 138. Binder, 1998, S. 137. Anfang Jänner 2007 ließ der steirische Landeshauptmann und Parteiobmann den Kanzler Alfred Gusenbauer während einer laufenden Pressekonferenz minutenlang am Telefon warten, während dieser über eine (späte) steirische Beteiligung am Regierungsteam verhandeln wollte; vgl. z. B. http://steiermark.orf.at, 10.1.2007. Vgl. ISA/SORA im Auftrag des ORF: „Wahlanalyse Landtagswahl Steiermark 2010“. Im APA/OGM-Vertrauensindex Anfang August 2010 kam Kristina Edlinger-Ploder auf +22 %, Voves auf +15 %, Schützenhöfer auf +10 % (vgl. APA, 13.8.2010). Vgl. ISA/SORA, „Wahlanalyse Landtagswahl Steiermark 2010“. Voves hatte im Februar 2009 mit den Worten „Alles Gute, nimm ein Cola mit und schleich dich“ öffentlich Sanktionen gegen Firmen gefordert, die trotz positiver Ergebnisse Standorte schlossen; Vukan gehört offensichtlich zu jenen Sozialdemokraten, für die das Diktum auch auf den Unternehmer und früheren SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch gemünzt war, der z. B. Stellenabbau beim Leiterplatten-Hersteller AT&S betrieb. Vgl. die ORF-Wahltagsbefragung durch ISA und SORA, in „Wahlanalyse Landtagswahl Steiermark 2010“. Vgl. die Analyse der Wahlmotive bei ISA/SORA 2010. Werner Kogler laut APA, 26.9.2010.
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Anmerkungen
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APA, 11.9.2009 bzw. 13.8.2010. Vgl. „Der Standard“, 6.8.2009. Vgl. „Kleine Zeitung“, 18.4.2010. Vgl. z. B. APA/OGM-Vertrauensindex, 21.7.2006; Kaltenegger lag damals in der Steiermark vor Voves auf Platz 1 der Tabelle. 99 Für Nicht-Sportfans: GAK und Sturm sind Grazer Fußballklubs, die seit Jahrzehnten nur eines eint – ihre Rivalität. 100 Vgl. „Kleine Zeitung“, 20.10.2010. 101 APA, 19.10.2010. 102 Im Landtagswahlkampf hatte die FPÖ ein Computerspiel mit dem Titel „Moschee-Baba“ ins Internet gestellt, bei dem Minarette und Muezzins „weggeklickt“ werden konnten. Es sei nicht als „Schießspiel“ zu interpretieren gewesen, argumentierte die FPÖ, nachdem es die Justiz aus dem Netz nehmen ließ. 103 Vgl. z. B. „Salzburger Nachrichten“, 27.9.2010. 104 Drexler sollte recht behalten: nach dem Bekanntwerden erster Personalkonzessionen an die ÖVP sprach z. B. die KPÖ von „übelstem Parteiproporz“ („Der Standard“, 10.11.2010). 105 ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer lt. APA vom 10.3.2011. 106 „Beide Parteichefs kündigten mehr oder weniger ihren Rückzug an, doch fix ist nix“, schränken allerdings Kenner der steirischen Szene ein, vgl. Gigler, Claudia: „Partner auf Zeit und aus Passion“, in: Karl u. a. (Hg): „Steirisches Jahrbuch für Politik 2010“, Graz 2011, S. 152. 107 Vgl. „Die Bilanz ist ziemlich durchwachsen“, „Kleine Zeitung“, 19.9.2010. 108 Flecker, 2008. 109 Vgl. die Einschätzung von Wolfgang Bachmayer (OGM), APA, 16.9.2011. 110 Nach einer OGM-Umfrage im Auftrag der „Kleinen Zeitung“, vgl. APA, 7.4.2012. 111 S. o., zwei Jahre zuvor hatte das Verhältnis noch 35 : 24 % gelautet; vgl. APA, 24.3.2010. 112 Zum Zusammenhang zwischen der propagierten „Reformpartnerschaft“ und dem für SPÖ und ÖVP unbefriedigenden Wahlergebnis vgl. auch Filzmaier, Peter: „Der steirische Zug der Lemminge? Mediale Inszenierung statt politischer Themen in der Landtagswahl 2010“, in: Karl u. a., 2011, S. 105. 113 „Landtagswahl 2010.Dokumentation“; in: „Steirische Statistiken“, Heft 12/2010, S. 32, Graz 2010. 114 S. o.
Salzburg 115 Vgl. http://www.statistik.at/OnlineAtlasWeb, Stand 1.8.2011. 116 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit dem damaligen Landeshauptmann-Stellvertreter David Brenner, geführt am 8.12.2010. Brenner, Jahrgang 1971, war ab 1999 Landtagsabgeordneter und dann Klubvorsitzender; seit Ende 2007 gehörte er als Leiter des Finanzressorts der Landesregierung an, bevor er wegen des Spekulationsskandals zurücktrat; er war stellvertretender Parteivorsitzender der SPÖ. 117 Christian Makor (Jahrgang 1968) war von 1990 bis 2000 Pressereferent des SPÖ-Landtagsklubs in Salzburg; das Gespräch (Tonmitschnitt) wurde 13.11.2008 geführt. 118 Vgl. z. B. Tenscher, Jens: Mythos ‚Spin Doctors‘. Analytische Anmerkungen und empirische Befunde zu Zentralakteuren moderner Politikvermittlung. In: Sarcinelli, Ulrich/Tenscher, Jens
Anmerkungen
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(Hg.): Machtdarstellung und Darstellungsmacht. Beiträge zu Theorie und Praxis moderner Politikvermittlung. Baden-Baden 2003, S. 80f., und ebendort: Radunski, Peter: „Wahlkampf im Wandel. Politikvermittlung gestern-heute-morgen“, S. 188. Es handelte sich tatsächlich vornehmlich um Männer, Anm. d. Verf. Tatsächlich sank der Anteil der Beschäftigten im Sektor „Industrie und verarbeitendes Gewerbe“ seit den 70er-Jahren von 36 % auf 31 % (bereits im Jahr 1991); vgl. Resch, Ursula: „Die demographische Entwicklung im Bundesland Salzburg seit 1945“, in: Hanisch, Ernst/Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Salzburg. Zwischen Globalisierung und Goldhaube“, Wien-Köln-Weimar, 1997, S. 163. Vgl. Mair, Michael: „Ein verwandelter Elfmeter Machtwechsel und Kommunikation um die Salzburger Landtagswahl 2004“, in: Dachs, Herbert/Floimair, Roland (Hg.): „Salzburger Jahrbuch für Politik 2005“, Wien-Köln-Weimar 2006, S. 13. Vgl. Gould, Philip: „The Unfinished Revolution. How the Modernisers Saved the Labour Party“, London 1999, S. XI. Mair, 2006, S. 16. Gould, 1999, S. 284f. Das hielt bis weit ins neue Jahrtausend und war z. B. der Titel einer Aussendung von SP-Landesgeschäftsführer Uwe Höfferer zum Landesbudget 2009, dem ersten des Landesfinanzreferenten David Brenner (Salzburger SPÖ: „Medieninformation“, 25.6.2008). Vgl. Mair, 2006, S. 14. Das Wort von der Politikvermittlung als „Vermarktung“ fiel offiziell erstmals in einer SPÖ-Vorstandssitzung im Dezember 1996; vgl. Gutschner, Peter: „Die Salzburger SPÖ muss eine selbstbewusste Partei werden“, in: Brenner, David/Duffek, Karl/Gutschner, Peter (Hg.): „Signaturen des Wandels. Zur Rolle der SPÖ in Salzburg 1970–2009“, Innsbruck 2010, S. 421. Radunski, Peter: „Wahlkampf im Wandel. Politikvermittlung gestern-heute-morgen“; in: Sarcinelli/Tenscher, 2003, S. 188. Radunski war von 1973 bis 1991 Öffentlichkeitsarbeiter und Bundesgeschäftsführer der CDU. Vgl. Mair, 2006, S. 15. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Anton („Toni“) Santner, Landesgeschäftsführer der Salzburger ÖVP von 2006 bis März 2011, geführt am 29.7.2010. So hatte ihn Schausberger selbst genannt, vgl. Schausberger, Franz: „Wilfried Haslauer, der letzte Landesfürst“, in: Dachs, Herbert: „Die Ära Haslauer – Salzburg in den 70er- und 80er-Jahren“, Wien 2001. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Hans Scharfetter, Landtagsabgeordneter der ÖVP seit 2004, Tourismusunternehmer und Bezirksobmann des Wirtschaftsbundes. Geführt am 18.5.2011. Vgl. Mair, 2006, S. 20. Sarcinelli, Ulrich: „Parteien in der Kommunikationsfalle“, in: Sarcinelli/Tenscher, 2003, S. 55. Mair, 2006, S. 17f. Dachs, Herbert: „Machtwechsel! Landtags- und Gemeinderatswahlen in Salzburg 2004“, in: ders./ Floimair, Roland (Hg.): „Salzburger Jahrbuch für Politik 2003“, Wien-Köln-Weimar 2004, S. 24. Schausberger, Franz: „Salzburger Landtagswahl 2004 – Versuch einer Analyse“, in: „Österreichische Monatshefte“ (2004) 2, S. 59. Vgl. Schausberger, 2004, S. 59. Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Helmut Mödlhammer, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, Landtagsabgeordneter der ÖVP von 1995–99, seit 1986 Bürgermeister der Flachgauer Gemeinde Hallwang; geführt am 25.8.2010.
236
Anmerkungen
140 Wally, Stefan: „Neue Kommunikation neuer Inhalte. Der Umbau der Salzburger SPÖ 1994 bis 2009“; in: Brenner/Duffek/Gutschner, 2010, S. 470. 141 Mair, 2006, S. 23. 142 Brettschneider, Frank: „Spitzenkandidaten und Wahlerfolg. Personalisierung – Kompetenz – Parteien. Ein internationaler Vergleich“, Wiesbaden 2002, S. 208. 143 Dachs, Herbert: „Wahlkämpfe in den Bundesländern – zwischen regionalen Problemlagen und bundespolitischen Reflexen“; in: Panagl, Oswald/Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Wahlkämpfe. Sprache und Politik“; Wien-Köln-Weimar 2002, S. 107. 144 Die Ärztin und Spitalslandesrätin Maria Haidinger. 145 Vgl. z. B. Radunski, 2003, S. 190. 146 Das war die Einschätzung der SP-Strategen, vgl. Mair, 2006, S. 26. 147 Burgstaller kam auf 43 %, Schausberger auf 24 %, Haslauer auf 10 % (Institut für Grundlagenforschung: „Das aktuelle politische Stimmungsklima im Bundesland Salzburg. Ergebnisbericht“, veröffentlicht am 14.2.2004, drei Wochen vor den Landtagswahlen). 148 Siehe die IGF-Umfrage oben. 149 Nach den Daten des IGF lag Schausberger in der fiktiven Direktwahlffrage im Oktober 2003 bei 36 %, im Februar 2004 bei 24 %. 150 Vgl. Schausberger, 2004, S. 56 u. S. 60. 151 Vgl. APA, 13.10.1998. 152 Schausberger, 2004, S. 59. 153 Brettschneider, 2002, S. 57. 154 Dachs, Herbert: „Machtwechsel! Landtags- und Gemeinderatswahlen in Salzburg 2004“, in: Dachs, Herbert/Floimair, Roland: „Salzburger Jahrbuch für Politik 2003“, Wien-Köln-Weimar 2004, S. 11. 155 Vgl. SORA: „Wählerstromanalyse. Landtagswahl Salzburg 2004“. 156 Dachs, 2004, S. 11. 157 Dachs, s.o.; vgl. auch Kriechbaumer, Robert: „Politische Kultur“, in: Hanisch/Kriechbaumer, 1997, S. 65. 158 Vgl. Mair, 2006, S. 19; der Grünmarkt ist ein traditioneller Markt in der Salzburger Altstadt, der Europark ein Einkaufszentrum. 159 Kriechbaumer, 1997, S. 65. 160 Zwischen 1980 und 1991 sank die Mitgliederzahl der SPÖ von rund 27.000 auf 20.000, vgl. Gutschner, 2010, S. 354. 161 Der Chiemseehof in der Landeshauptstadt ist in Salzburg Sitz des Landtags und der Landeshauptfrau (bzw. des Landeshauptmanns). 162 Vgl. Anschober, Rudi: „Grün regiert“, Wien 2005, S. 60. 163 Schausberger, Franz: „Der Salzburger Landtag“, in: Hanisch/Kriechbaumer, 1997, S. 365. 164 Gutschner 2010, S. 433. 165 Vgl. „Kleine Zeitung“, 16.12.2008. 166 Vgl. „Kleine Zeitung“, 27.9.2007. 167 Vgl. APA, 6.8.2004. 168 Gemeint sind der Ausbau des größten Salzburger Einkaufszentrums und der Neubau eines Outlet-Centers in einer Stadtrandgemeinde. 169 „Niedrigste Arbeitslosigkeit seit 16 Jahren“, Medieninformation der Salzburger SPÖ, 1.5.2008. 170 Gesehen beim 40. ordentlichen Landesparteitag der oberösterreichischen SP am 18.4.2009 im Design-Center in Linz. Bekannt wurde der Ausspruch laut Kreisky-Archiv durch eine Rede im Nationalratswahlkampf 1979, vgl. http://www.kreisky.org/index_faqs.htm, Stand 1.12.2011.
Anmerkungen
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171 „Salzburger Nachrichten“, 16.11.2007. 172 Nach Berichten von Zeitzeugen weigerte sich z. B. die Spitalslandesrätin Maria Haidinger, das angebotene Amt der 2. Landtagspräsidentin zu übernehmen, sodass eilends Ersatz gefunden werden musste (Mödlhammer, Gespräch vom 25.8.2010). 173 Santner, 2010. 174 Thaler, Walter: „Bürgermeister-Direktwahl: Show business, big Business oder demokratiepolitischer Fortschritt? Untersuchungen nach drei Bürgermeister-Direktwahlen im Land Salzburg“, in: Dachs, Herbert/Floimair, Roland (Hg.): „Salzburger Jahrbuch für Politik 2007“, Wien-KölnWeimar 2008, S. 43. 175 Aus einer Gallup-Umfrage für die ÖVP, vgl. „Österreich“, 18.1.2009. 176 Von 51 : 24 % z. B. in einer Umfrage des IMAS-Instituts, vgl. APA, 19.11.2008. 177 „Die Presse“, 2.11.2008. 178 „Der Standard“, 2.1.2009. 179 „Ich war einer der wenigen, die gesagt haben, dass wir das auch 2009 schon schaffen können … Da hat einfach keiner dran geglaubt … Das war einfach schwer zu kommunizieren und das ist schade“, berichtet der damalige Landesgeschäftsführer Anton Santner (Gespräch 2010). 180 Aus einem Gespräch (10.12.2009, Tonmitschnitt) mit Uwe Höfferer, seit 2007 Landesgeschäftsführer der Salzburger SPÖ. 181 Vgl. Gutschner 2010, S. 438, Gutschner war politischer Referent im Büro von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. 182 Die Daten stammen aus: ISA/SORA, „Wahltagsbefragung Landtagswahl Salzburg 2009“ (im Auftrag des ORF). 183 Nach einer Revolte gegen die Regierungsmitglieder bei einer FPÖ-Versammlung in Knittelfeld 2002 waren unter anderem Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und Finanzminister Karl-Heinz Grasser zurückgetreten. 184 Landesstatistischer Dienst, „Landtagswahl am 1.3.2009. Endgültige Ergebnisse“, http://www.salzburg.gv.at/20003stat/wahlen/ltw/ergebnisse/bericht.pdf (Stand 26.12.2011), S. 22. 185 Wally, 2010, S. 476. 186 Wally, s. o. 187 ÖVP-Spitzenkandidat Wilfried Haslauer in einem „Presse“-Interview am 1.2.2009. 188 APA, 2.2.2009. 189 Im November 2008 wurde „Arbeitslosigkeit“ hier von 28 % genannt, im Februar 2009 bereits von 36 % (nach internem Datenmaterial der SPÖ, die in einer Zeitreihe Umfragen ausgewertet hatte). 190 56 % wiesen diese Eigenschaft der SPÖ, nur 12 % der ÖVP zu (vgl. Salzburger SPÖ: „medien.info“, 16.1.2008, unter Bezug auf eine Umfrage des „Instituts für Grundlagenforschung“). 191 Die Daten stammen aus der Wahltagsbefragung von ISA/SORA zur Landtagswahl Salzburg 2009. 192 Haslauer im Wahljournal der „KronenZeitung“ (Salzburg Krone), 2.3.2009. 193 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Walter Steidl, geführt am 11.2.2011; Steidl war damals Landtagsabgeordneter der SPÖ und Geschäftsführer der GPA in Salzburg, er rückte 2012 in die Landesregierung und 2013 zum SPÖ-Chef auf. 194 Bei einem Vortrag über seine Regierungsarbeit in Salzburg, vgl. APA, 23.4.1998. 195 APA, 26.4.1999. 196 Thaler, Walter: „Kooperationsgewinne und -verluste nach der Verfassungsreform in Salzburg und Tirol (1999–2004)“, in: Bußjäger, Peter (Hg.): „Beiträge zum Länderparlamentarismus. Zur Arbeit der Landtage“, Wien 2007, S. 62. 197 APA, 6.2.2004.
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Anmerkungen
198 In dem oben zitierten Gespräch im Jahr 2011. 199 APA, 23.4.1998. 200 Thaler, 2007, S. 57. 201 Thaler, 2007, S. 61. 202 Bei Burgstaller von 52 % auf 70 %, bei Haslauer von 57 % auf 77 %, vgl. Institut für Grundlagenforschung: „Politisches Stimmungsklima. Repräsentativerhebung im Bundesland Salzburg“, 4.3.2011. 203 Verwirklicht wird dies über die neue Immobilienbesteuerung, vgl. APA, 27.3.2012. 204 Zum Salzburger Transparenzpaket vgl. z. B. APA, 19.4.2012; zum positiven Echo z. B. jenes der Plattform „Mein OE.Demokratie jetzt“, ORF-Radio Salzburg, 4.5.2012. 205 Den Burgstaller selber konstatierte, vgl. APA, 29.4.2012. 206 Wally, 2010, S. 459. 207 SPÖ: „Salzburger Landeshaushalt: Budgetwende greift …“, 16.10.2011, vgl. http://salzburg.spoe. at/?pid=22&id=4658, Stand 4.1.2012. 208 Floimar, Roland (Hg.): „Arbeitsübereinkommen. Regierungserklärung 2009–2014“, Schriftenreihe des Landespressebüros Salzburg, Salzburg-Dokumentationen, Nr. 119. 209 Bereits 2010 von der damals noch amtierenden Landesrätin Doraja Eberle, vgl. APA 25.3.2010. 210 Salzburger SPÖ/Medieninformation vom 5.7.2011: „Salzburger Zahlenspiegel. Salzburg ist seit 2004 moderner und sozialer geworden.“ 211 Die Daten stammen aus der Wahltagsbefragung 2009 von ISA/SORA. 212 Thaler, 2008, S. 42. 213 Thaler, 2008, S. 43. 214 Der frühere Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger am 24.6.1999, laut APA. 215 Thaler, 2007, S. 37. 216 Vgl. die Untersuchung von Thaler 2008, S. 27. 217 Quereinsteiger ohne Unterstützung einer Partei „haben es nie geschafft, den Bürgermeistersessel zu erklimmen“, zeigt eine Untersuchung (Flandera, Christian: „Große Siege und kleine Tragödien. Gemeindewahlkämpfe in Salzburg seit 1969“, in: Brenner/Duffek/Gutschner, 2010, S. 303.) 218 Vgl. APA, 17.3.2010 und 18.3.2010. 219 APA, 17.3.2010. 220 Aus einer Umfrage des „Instituts für Grundlagenforschung“ für das „Salzburger Fenster“ (24.10. 2011). 221 Vgl. die Grafik im Oberösterreich-Teil. 222 „Salzburger Landeskorrespondenz“, 6.12.2012 223 Wagner, Anton (Beweisaufnahmerichter des Landesgerichts): „Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Salzburger Landtages. Untersuchungsgegenstand: ‚Finanzmanagement des Landes Salzburg seit 2001‘. Zusammenfassung“ (im Folgenden kurz „Zusammenfassung U-Ausschuss“ genannt). Download von www. salzburg.gv.at, Stand 20.4.2013. 224 Zusammenfassung U-Ausschuss, S. 5. 225 Der Rechnungshof: „Land Salzburg. Finanzielle Lage“, Rohbericht, erschienen im April 2013, S 25 (im Folgenden kurz „Rechnungshof 2013“ genannt). 226 Rechnungshof 2013, S. 24. 227 Rechnungshof 2013, S. 13 bzw. S. 19. 228 Diese Aussage der Referatsleiterin Rathgeber wurde vom früheren Landes-Finanzreferenten Raus bestätigt, vgl. „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 24. 229 Vgl. Der Rechnungshof: „Finanzierungsinstrumente der Gebietskörperschaften mit Schwerpunkt Land Salzburg (2009)“, S. 84; im Folgenden kurz „Rechnungshof 2009“ genannt. 230 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 6 und 12.
Anmerkungen
239
231 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 9. 232 Zitiert nach „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 8. 233 Vgl. den Prüfbericht des Beratungsunternehmens PwC zum Salzburger Landeswohnbaufonds, zitiert nach Salzburger Landeskorrespondenz, 12.3.2013. 234 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 11. 235 Rechnungshof 2013, S. 15. 236 Rechnungshof 2009, S. 63ff. 237 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 13. 238 Finanzbeirat/Ergebnisprotokoll 18.2.2009, zitiert nach „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 13. 239 Vgl. „ithuba Capital“ (Auftraggeber: Land Salzburg): „Portfolioanalyse“, Stand 14.1.2013. 240 Rechnungshof 2013, S. 22. 241 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 28. 242 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 59. 243 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 66. 244 Moritz, Herbert (Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht): „Arbeitsrechtssache Monika Rathgeber wider Land Salzburg“ (20Cga274/12i-19), Salzburg 2013, S. 33. 245 Moritz 2013, S. 30. 246 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 71f. 247 „Zusammenfassung U-Ausschuss“, S. 77. 248 Lukas, Meinhard: „Untersuchungsausschuss zum Thema ‚Finanzmanagement des Landes Salzburg seit 2001‘ – Gutachtliche Stellungnahme zur Auflösung von Derivatgeschäften im OktoberDezember“, Linz 2013, S. 9. 249 Lukas 2013, S. 7. 250 ithuba CAPITAL: „Portfoliobericht. 15.4.2013“, S. 5, vgl. http://service.salzburg.gv.at/lkorrj/ Index?cmd=detail_ind&nachrid=50884, Stand 28.4.2013. 251 Der damalige Landesfinanzreferent Georg Maltschnig laut Landeskorrespondenz, 17.4.2013. 252 Institut für Grundlagenforschung (IGF)/Salzburger Fenster: „Polit-Klima vor der Landtagswahl 2013.Auswirkungen des Finanzskandals“, Salzburg 2013, S. 5. 253 Der Vergleich basiert auf dem APA/OGM-Vertrauensindex, bei dem immer nach derselben Methode der Saldo aus „Vertrauen/kein Vertrauen“ gebildet wird; vgl. APA 12.4.2013, 11.9.2009, 13.8.2010. 254 die Ergebnisse beziehen sich auf die im neuen Landtag vertretenen Parteien; die Vergleichszahlen auf die Landtagswahlen 2009. 255 Vgl. die Umfrage des Market-Instituts („Der Standard“, 12./13.4.2013); file:///C:/Users/mair/Documents/Bundesl%C3%A4nder/Sbg,%20Umfrage%20Wahlmotive,%20April.htm 256 Vgl. IGF 2013, S. 6. 257 Vgl. Filipp, Gernot u.a.: „Landtagswahl am 5.5.2013. Vorläufige Ergebnisse“, Salzburg 2013, http:// www.salzburg.gv.at/20003stat/wahlen/ltw/download/LTW-2013-vorlaeufig.pdf (Stand 8.5.2013). 258 Aus der Wählerstromanalyse der Salzburger Landesstatistik (vgl. Filipp 2013, S. 79). 259 Vgl. z.B.: „Sparsamste Wahlauseinandersetzung“, Unterlage zur Pressekonferenz der Salzburger Volkspartei am 13.3.2013. 260 APA, 3.5.2013. 261 Brenner/Duffek/Gutschner 2010, S. 358. 262 Pressekonferenz Salzburger Volkspartei, 13.3.2013. 263 IFG/“Salzburger Fenster: „Politisches Stimmungsklima. Repräsentativerhebung im Bundesland Salzburg“, 8.2.2013. 264 Vgl. die Umfrage von GMK („Stadtblatt Salzburg“, 24./25.4.2013).
240
Anmerkungen
265 Vgl. „Der Standard, 12./13.4.2013. 266 „Gerechtigkeit: Dafür arbeiten wir“, Video, veröffentlicht im Juni 2010 auf der Homepage der Salzburger SPÖ (http://www.salzburg.spoe.at/index.php?pid=5911&id=3106, Stand: 23.12.2012). 267 Brenner 2010 (Tonbandmitschnitt). 268 Salzburger SPÖ: „Medien-Information“, 9.12.2012. 269 Das Zitat fiel z.B. in der Rede Burgstallers beim SPÖ-Wahlkampfauftakt in Salzburg am 4.4.2013. 270 Molière: „Don Juan. Komödie in fünf Akten“; 2. Akt, 4. Szene; aus dem Französischen übertragen von Arthur Luther, Stuttgart 2007. 271 Wilfried Haslauer senior, gestorben 1992, war von 1977-1989 Landeshauptmann von Salzburg. 272 APA, 14.5.2013. 273 Hanisch, Ernst: „Die Erste Republik“, in: Dopsch, Heinz/Spatzenegger, Hans (Hg.): „Geschichte Salzburg“, Band II/2, S. 1066. 274 … so der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden in einem Interview, vgl. APA 13.5.2013. 275 Fallend, Franz: „Von der realen Macht des ‚Landesfürsten‘“, in: Dachs, Herbert u.a. (Hg.): „Die Ära Haslauer. Salzburg in den siebziger und achtziger Jahren“, Wien.Köln.Weimar 2001, S. 178. 276 Dachs, Herbert u.a.(Hg.): „Wolfgang Radlegger. Ein Mitgestalter seiner Zeit“, Wien-Köln-Weimar 2007, S. 46. 277 APA, 21.5.2013. 278 So die Ergebnisse einer SN-Umfrage unter salzburg.com-Usern, vgl. salzburg.com, Stand 16.6.2013.
Oberösterreich 279 Glas, Bernhard: „Land der Mitte und der Eintracht. Landtagswahlkämpfe in Oberösterreich 1945– 1967“, in: Dachs, Herbert (Hg.): „Zwischen Wettbewerb und Konsens. Landtagswahlkämpfe in Österreichs Bundesländern 1945–1970“, Wien-Köln-Weimar 2006, S. 160. 280 http://www.ooegeschichte.at/Parteientwicklung.225.0.html, diese Seite entstand im Auftrag des Landes Oberösterreich und des Verbundes oberösterreichischer Museen. 281 Glas, 2006, S. 203. 282 „Oberösterreichische Nachrichten“, 30.10.2009. 283 APA, 19.10.2007. 284 Vgl. Anschober, Rudi: „Grün regiert. Ein politisches Tagebuch über das erste Jahr der ersten Grünen Regierungsbeteiligung“, Wien 2005, S. 15f; gemeint ist zum Beispiel das Kraftwerksprojekt im Hintergebirge, heute ein Nationalpark. 285 Franz Gasselsberger, Generaldirektor der Oberbank, in einem Gespräch am 25.4.2008 (Tonmitschnitt). Auch die folgenden mit „Gasselsberger“ gekennzeichneten Zitate stammen daraus. 286 „Oberösterreichische Nachrichten“, 31.5.2007. 287 Vgl. http://www.statistik.at/OnlineAtlasWeb, Stand 1.8.2010. 288 „Die Presse“, 21.10.2003. 289 „Der Standard“, 9.8.2009. 290 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Michael Strugl am 15.8.2007; die anderen mit „Strugl“ gekennzeichneten Passagen stammen ebenfalls daraus. 291 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Gottfried Hirz am 12.5.2010; die weiteren Ausschnitte daraus sind mit „Hirz“ gekennzeichnet. 292 Aus einem Interview mit Josef Peischer, damals Direktor der Arbeiterkammer Oberösterreich, geführt am 15.5.2008 (Tonmitschnitt). Auch die weiteren Zitate unter „Peischer“ stammen daraus.
Anmerkungen
241
293 Vgl. Anschober, 2005, S. 33. 294 Vgl. Anschober, 2005, S. 20. 295 So verlangte es Wirtschaftsbundchef Christoph Leitl, vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 18.10.2003. 296 „Oberösterreichische Nachrichten“, 26.1.2004. 297 Anschober, 2005, S. 18. 298 „Oberösterreichische Nachrichten“, 20.10.2004. 299 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Gunther Trübswasser, damals Klubobmann der oberösterreichischen Grünen im Landtag, geführt am 19.10.2007. Auch die weiteren mit „Trübswasser“ gekennzeichneten Abschnitte stammen daraus. 300 Der grüne Landessprecher Anschober in einer weiteren Bilanz-Pressekonferenz ein Jahr vor den Landtagswahlen, vgl. APA, 23.10.2008. 301 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Werner Rohrhofer, Chefredakteur „Neues Volksblatt“ (das als „Teilorganisation“ der ÖVP geführt wurde), am 19.10.2007; daraus stammen auch die weiteren mit „Rohrhofer“ gekennzeichneten Ausschnitte. 302 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Rudi Leo, damals Pressereferent im Büro von Landesrat Anschober; am 2.6.2010. Die anderen mit „Leo“ gekennzeichneten Stellen stammen ebenfalls daraus. 303 Klaus Nemetz, Leiter des Instituts SPECTRA, vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 5.4.2008. 304 Die oberösterreichische Landesregierung beschloss im Herbst 2007 mit einer Mehrheit von RotGrün, den Verfassungsgerichtshof mit einer Prüfung des Fremdenrechts zu beauftragen, die Regierungsmitglieder der ÖVP enthielten sich dabei der Stimme. 305 ÖVP und FPÖ hoben im Dezember 2008 per Landtagsbeschluss eine von SPÖ und Grünen unterstützte Verordnung aus, wonach auch bei Neubauten von Einfamilien- und Reihenhäusern eine Solaranlage eingebaut werden sollte. 306 Tatsächlich stimmte in Kärnten die ÖVP im selben Monat (Oktober 2007) mit BZÖ und FPÖ einem Antrag zu, wonach die Landesregierung Vorschläge zur Verhinderung moslemischer Religionsbauten vorgelegen solle. In der „Arigona“-Debatte verlangte der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll zur selben Zeit ein Leumundszeugnis bzw. die Veröffentlichtung des Strafregisters von Asylwerbern. 307 Vgl. Anschober, lt. APA, 28.9.2006. 308 Dolnigg, Monika: „Verbales und nonverbales Verhalten der politischen Partei ‚Die Grünen OÖ‘“, Diplomarbeit, Johannes Kepler Universität Linz, 2008, S. 96. 309 Vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 20.10.2004. 310 Aus einem Gespräch (Tonmitschnitt) mit Peter Mitterbauer vom 17.6.2008; auch die folgenden, mit „Mitterbauer“ gekennzeichneten Ausschnitte stammen daraus. 311 Rohrhofer, 2007. 312 Peischer, 2008. 313 Aus Interviews mit Christian Makor, Landtagsabgeordneter der SPÖ, das eine wurde vor der Landtagswahl 2009 geführt (am 13.11.2008 in Linz), das andere danach (am 12.5.2010 in Ried); sie sind im folgenden als „Makor 2008“ bzw. „Makor 2010“ gekennzeichnet. Makor ist Mitglied der Lenkungsgruppe von „morgen.rot“, dem Reformprojekt der oberösterreichischen SP. 314 Vgl. APA, 31.5.2007. 315 Vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 15.12.2007. 316 Vgl. die Politbarometer der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 20.10.2007 und 5.4.2008. 317 Im Juli 2007 waren bei einer Umfrage für die „Oberösterreichischen Nachrichten“ 49 % gegen einen Börsengang, im Oktober bereits 56 %.
242
Anmerkungen
318 SORA-Umfrage im Auftrag der Grünen, vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 19.4.2008. 319 Vgl. die „Politbarometer“ der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 13.12.2008 und vom 12.9.2009. 320 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Wolfgang Hattmannsdorfer, stellv. Landesgeschäftsführer der oberösterreichischen Volkspartei am 2.6.2010 in Linz; die weiteren Ausschnitte daraus sind mit „Hattmannsdorfer“ gekennzeichnet. 321 Vgl. Glas, 2006, S. 192f. 322 Aus einem Interview (Tonmitschnitt) mit Josef Ackerl am 14.5.2010 in Linz. Ackerl gehört seit 1993 der oberösterreichischen Landesregierung an; er wurde im Oktober 2009 zum geschäftsführenden Landesparteiobmann der SP Oberösterreich gewählt. Die weiteren Ausschnitte aus diesem Gespräch sind mit „Ackerl 2010“ gekennzeichnet. 323 Vgl. die ÖVP-Inserate von damals, z. B. in der „Kronen Zeitung“, 24.9.2009. 324 Vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 3.1.2009. 325 Klaus Nemetz, Leiter von SPECTRA, in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 13.12.2008. 326 Vgl. Politikbarometer der „Oberösterreichischen Nachrichten“, 4.7.2009. 327 Vgl. etwa „Kurier“, 20.9.2009 und „Oberösterreichische Nachrichten“, 26.9.2009. 328 Strugl, Michael/Hattmannsdorfer, Wolfgang: „Die oberösterrreichische Landtagswahl 2009: Jetzt kein Richtungswechsel – Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer“ (Manuskript), S. 6. 329 Vgl. z. B. Plasser, Fritz: „Vom Selling zum Marketing von Politik. Wahlkämpfe im Zeichen des politischen Marketings.“ In: Sarcinelli, U./Tenscher, J. (Hg.): „Machtdarstellung und Darstellungsmacht. Beiträge zu Theorie und Praxis moderner Politikvermittlung.“ Baden-Baden 2003, S. 237f. 330 Vgl. SORA: „Wählerstromanalyse Landtagswahl Oberösterreich 2003“. 331 In der fiktiven Landeshauptmann-Direkwahl-Frage führte nach einer ÖVP-Umfrage im August 2009 Pühringer bei FPÖ-Wählern gegenüber Erich Haider mit 49 : 17 %. 332 Vgl. ISA/SORA im Auftrag des ORF: „Wahlanalyse Landtagswahl Oberösterreich 2009“, S. 4. 333 Vgl. die Wahltagsbefragung von SORA, z. B. unter http://www.sora.at/fileadmin/downloads/wahlen/2009_ltw-ooe_wahltagsbefragung_wahlanalyse.pdf (Stand: 6.9.2010). 334 Perlot, Flooh/Zeglovits, Eva: „Wahltagsbefragung und Wählerstromanalyse Landtagswahl Oberösterreich 2009“, Stand 27.9.2009. 335 Vgl. ISA/SORA, Wahlanalyse Oberösterreich 2009 (wie oben), S. 1. 336 S. o., S. 2. 337 In einer Umfrage von SORA für die Grünen im Juli 2009 („… macht seine Arbeit ausgezeichnet/ gut“) hatte Anschober mit 55 % den zweitbesten Wert nach Josef Pühringer, noch vor Erich Haider (35 %); vgl. Anschober, Rudi, Die Grünen/Hofinger, Christoph, SORA: Pressegespräch „Die politische Lage in OÖ 7 Wochen vor der Wahl“, 6.8.2009. 338 Hofinger, Christoph/Zandonella, Martina: „Die politische Situation in OÖ Ende 2009“, SORA 16.12.2009. 339 Vgl. ISA/SORA „Wahlanalyse Oberösterreich 2009“. 340 Vgl.http://www.sora.at/fileadmin/downloads/wahlen/2009_ltw- ooe_wahltagsbefragung_wahlanalyse.pdf (Stand 6.9.2010). 341 Vgl. Hirz, 2010. 342 Laut der Wahltagsbefragung von ISA/SORA zur Landtagswahl 2009. 343 Vgl. den Direktor des Landesrechnungshofs, Helmut Brückner, „Oberösterreichische Nachrichten“, 27.5.2010 . 344 Vgl. Perlot/Zeglovits, 2009. 345 „Salzburger Nachrichten“, 24.6.2009.
Anmerkungen
243
346 Hattmannsdorfer, 2010. 347 Vgl. Glas, 2006, S. 206. 348 Vgl. Kirschhofer-Bozenhardt, Andreas: „Wahlen und Wahlkämpfe. Das Politgeschehen im Rückblick“, in: Wineroither, David M.: „Politik im Viervierteltakt. Personen, Strukturen und Inhalte in Oberösterreich“, Wien 2010, S. 157ff. 349 Makor, 2008. 350 Peischer, 2008. 351 Das frühere Hotel Schiff in Linz, nun Sitz der Landesgeschäftsstelle der SPÖ, war in der Zwischenkriegszeit unter anderem ein Versammlungsort des Republikanischen Schutzbundes. 352 Martin Apeltauer, verstorbener Landesgeschäftsführer der Salzburger SPÖ, zitiert nach Makor (2008). 353 Vgl. APA 27.9.2009 bzw http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen/ltw-sbg09.html, Stand 7.9.2010. 354 Vgl. den Salzburg-Teil in dieser Studie. 355 Die Reportage entstand am 1. Mai 2007. 356 Ackerl, 2010. 357 „Oberösterreichische Nachrichten“, 31.1.2009. 358 Vgl. z. B. „Oberösterreichische Nachrichten“, 1.10.2009. 359 Vgl. z. B. Karlhofer, Ferdinand: „Verbände und Politikgestaltung“, in: Wineroither, 2010, S. 101. 360 Aus einem Interview mit Friedrich Schneider, Ökonom an der Universität Linz, geführt am 2.6.2010 (Tonmitschnitt). 361 Schneider, 2010. 362 Vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 19.8.2010. 363 Vgl. z. B. „Oberösterreichische Nachrichten“, 30.5.2007 und 6.8.2009. 364 Nach einer Umfrage von OÖN/SPECTRA, vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 27.1.2010. 365 Vgl. „Oberösterreichische Nachrichten“, 6.3.2010. 366 Dolnigg, 2008, S. 110. 367 Vgl. Anschober, Rudi/Hofinger, Christoph/ Gratzer Lätitia: „Presseinformation. Nachwahlanalyse, Sonntagsfrage, aktuelle politische Entwicklung“, Linz 2009. 368 Aus dem Tonbandmitschnitt eines Gesprächs mit Stefan Hindinger, Obmann der grünen Bildungswerkstatt Oberösterreich, Stadtrat in Vöcklabruck, geführt am 15.8.2007.
Kärnten 369 Höbelt, Lothar: „Defiant Populist. Jörg Haider and The Politics of Austria“, West Lafayette, 2003, S. 35. 370 Vgl. Pelinka, Anton: „Austrian Political Culture. From Subject zu Participant Orientation“, in: Luther, Kurt Richard und Pulzer, Peter (Hg.): „Austria 1945–95. Fifty Years of the Second Republic“, Ashgate 1998, S. 111; zitiert nach: Hofer, Thomas: „Spin Doktoren in Österreich. Die Praxis amerikanischer Wahlkampfberater. Was sie können, wen sie beraten, wie sie arbeiten“, Wien 2005, S. 66. 371 Vgl. Hofer, 2005, S. 66. 372 Vgl. z. B. die „Woche“ vom 16.4.2008 und die dort wiedergegebene Fessel-GfK-Umfrage, in der das BZÖ auf Landesebene mit 40 % klar vor der SPÖ (32 %) lag; ein ähnliches Ergebnis hatte
244
373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391
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Anmerkungen die „Kronen-Zeitung Kärnten“ schon am 12.3.2008 veröffentlicht, auf Basis einer IMAS-Umfrage (BZÖ: 42–44 %, SPÖ: 32–34 %). Vgl. „Kurier“, 13.10.2008. Valentin, Hellwig: „Der Sonderfall. Kärntner Zeitgeschichte 1918–2004“, Klagenfurt/CelovecLjubljana/Laibach/Wien/Dunaj 2005, S. 218. Vgl. Ottomeyer, Klaus: „Die Haider-Show. Zur Psychopolitik der FPÖ“, Klagenfurt 2000, S. 63–69. Ottomeyer, 2000, S. 9. Valentin, 2005, S. 221. Vgl. Valentin, 2005, S. 239. Valentin, 2005, S. 229. Valentin, 2005, S. 229. Valentin, 2005, S. 245. Tonmitschnitt eines Gesprächs mit Andreas Mölzer am 1.10.2007; auch die weiteren mit „Mölzer 2007“ gekennzeichneten Zitate stammen daraus. Gespräch mit Gerhard Seifried, Tonmitschnitt, 31.8.2007; die mit „Seifried 2007“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls aus diesem Interview. Tonmitschnitt eines Gesprächs mit Andreas Mölzer am 1.10.2007; auch die weiteren mit „Mölzer 2007“ gekennzeichneten Zitate stammen daraus. Vgl. Ottomeyer, 2000, S. 11ff. Gespräch mit Marjan Sturm, Tonmitschnitt, 16.9.2008. Die anderen mit „Sturm 2008“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls aus diesem Interview. Höbelt, 2003, S. 39. Vgl. „Jörg Haider. 1950–2008. In seinem Geist mit neuer Kraft. Der Film“; http://freiheitliche-ktn. at/neu/film_joerghaider.php, Stand 13.12.2008. Vgl. vor allem Ottomeyer, 2000. Ottomeyer, 2000, S. 11. Interview mit Karl Anderwald, 24.4.2008, Tonmitschnitt. Anderwald war stellvertretender Landesamtsdirektor von Kärnten 1992–2002; er ist Mitherausgeber des „Kärntner Jahrbuch für Politik“. Die mit „Anderwald 2008“ gekennzeichneten Zitate stammen aus diesem Gespräch. Bleyer-Krainer, Michaela: „Trickreiche Kommunikation“, in: Lux, Georg/Wiedergut, Arno/Sommersguter, Uwe: „Jörg Haider. Mensch, Mythos, Medienstar“, Wien/Graz/Klagenfurt 2008, S. 171. Bleyer-Krainer ist pädagogische Psychologin in Klagenfurt. Aus dem Interview mit Sturm im September 2008, noch zu Lebzeiten Haiders. Aus dem Mitschnitt eines Interviews mit Karlheinz Klement am 31.8.2007. Klement, ein langjähriger Haider-Kenner und früherer Nationalratsabgeordneter, wurde von diesem mehrfach in Funktionen geholt, jedoch zweimal aus der Partei ausgeschlossen. Tonmitschnitt eines Interviews mit Siegfried Torta am 17.8.2007; die anderen unter „Torta“ zitierten Ausschnitte stammen ebenfalls aus diesem Gespräch. Torta ist seit Ende 2011 Abteilungsleiter im Kärntner Landesschulrat. Vgl. SORA (Hofinger, Christoph/Ogris, Günther/Zeglovits, Eva): „Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg am 7. März 2004“: „48 % der Befragten waren am Wahltag dieser Ansicht … Dies ist ein Zeichen dafür, dass die FPÖ zu ihrer vertrauten Inszenierung als Oppositionspartei zurückgefunden hat.“ Tonmitschnitt eines Interviews mit Stefan Petzner am 31.8.2007. Die mit „Petzner 2007“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls daraus.
Anmerkungen
245
398 Vgl. APA (OTS), 23.4.2008, „ÖBB: Jörg Haider erstattet Anzeige gegen gesamten Aufsichtsrat“, die Anzeige kündigte der Kärntner Landeshauptmann wegen des ‚Golden Handshakes‘ in Höhe von 850.000 Euro für Ex-ÖBB-Chef Martin Huber an. 399 Vgl. z. B. die Homepage des BZÖ-Kärnten, Stand 5.5.2008. 400 Vgl. „Jörg Haider … Der Film“, 2008. 401 Vgl. „Kleine Zeitung“, 17.12.2008, S. 22. 402 „Manifest des BZÖ Kärnten. In seinem Geist mit neuer Kraft“; Klagenfurt, November 2008. 403 Aus der regionalen „Pressestunde“ des ORF zu den Kärntner Landtagswahlen, 22.2.2009. 404 Institut für Strategieanalysen/SORA: „Wahltags-Befragung Landtagswahl Kärnten 2009“, http:// www.sora.at, Stand 31.1.2010. 405 Aus dem Mitschnitt eines Gesprächs mit Reinhart Rohr am 22.4.2010 in Klagenfurt, die mit „Rohr 2010“ gekennzeichneten Stellen stammen aus diesem Interview. 406 Tonmitschnitt eines Interviews mit Helmut Manzenreiter, 16.9.2008. Die übrigen mit „Manzenreiter 2008“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls daraus. 407 Die Grünen im Kärntner Landtag, „Grüner Kontrollbericht. Der Hypo-Fall“, Klagenfurt 2007, S. 116. 408 Vgl. „Kleine Zeitung“, 17.9.2008. 409 Heinisch, Reinhard: „Die FPÖ – Ein Phänomen im Internationalen Vergleich. Erfolg und Misserfolg des Identitären Rechtspopulismus“, in: ÖZP 2004/3, 247–262. 410 Bruckmüller, Ernst: „Österreichbewusstsein im Wandel“, Schriftenreihe des Zentrums für angewandte Politikforschung 4, Wien 1994, S. 19, zitiert nach: Rumpler, Helmut: „Kärnten und Österreich. Eine unbeglichene historische Rechnung“, in: Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Liebe auf den zweiten Blick: Landes- und Österreichbewusstsein nach 1945“, Wien-Köln-Weimar 1998. 411 Vgl. Rumpler, 1998, S. 145. 412 Rumpler, 1998, S. 146. 413 Filzmaier, Peter/Perlot, Flooh: „Ticken KärntnerInnen anders? Meinungen zu Österreich und Europa“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl: „Kärntner Jahrbuch für Politik 2009“, Klagenfurt 2009, S. 25. 414 Vgl. APA, 3.2.2004. 415 Vgl. Mair, Michael: „Ein verwandelter Elfmeter. Machtwechsel und Kommunikation um die Salzburger Landtagswahl 2004“, in: Dachs, Herbert/Floimair, Roland (Hg.): „Salzburger Jahrbuch für Politik 2005“, Wien, Köln, Weimar 2006, S. 26. 416 Vgl. Hofinger/Ogris/Zeglovits, 2004, S. 24. 417 Aus einem Gespräch mit Rolf Holub, Landtagsabg. und damals Landessprecher der Kärntner Grünen, Tonmitschnitt, 24.4.2008. Die mit „Holub 2008“ gekennzeichneten Ausschnitte stammen aus diesem Interview. 418 Vgl. „Kleine Zeitung“, 7.12.2008. 419 Vgl. z. B. „Kurier“, 13.12.2009, S. 2. 420 Filzmaier, Peter/Hajek, Peter: „Jugend und Politik in Kärnten: Das Jubiläumsjahr 2005“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl (Hg.): „Kärntner Jahrbuch für Politik – 2005“, S. 11. 421 S. o., S. 11. 422 Tonmitschnitt eines Interviews mit Josef Feldner am 17.8.2007; die mit „Feldner 2007“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls daraus. 423 „Die Presse“, 10.10.2007. 424 Zitiert nach Hren, Karl: „Die SPÖ und der Kärntner Ortstafelsturm“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl: „Kärntner Jahrbuch für Politik 2004“, Klagenfurt 2004, S. 103.
246
Anmerkungen
425 Vgl. z. B. http://kärnten.orf.at, 9.10.2006. 426 Feldner, Josef/Sturm, Marjan: „Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog“, Drava-Verlag 2007. 427 Vgl. zum Folgenden z. B. Filzmaier, Peter: „Was macht die Politik mit dem Recht“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl (Hg.): „Kärntner Jahrbuch für Politik – 2005“, S. 253–264; oder für einen Kurzüberblick „Lange Tradition an Lösungsversuchen. Eine Chronologie“, in: „Kleine Zeitung“, 14.5.2008. 428 Vgl. zum Beispiel APA, 2.7.2007. 429 Vgl. APA, 27.6.2006. 430 Vgl. „Salzburger Nachrichten“, 26.6.2007. 431 „Manifest des BZÖ Kärnten. In seinem Geist mit neuer Kraft“, Klagenfurt, November 2008. 432 Vgl. z. B. Thomas Krainz, den Bürgermeister von St. Kanzian: „Vielerorts höre ich, dass man damit keine besonders große Freude hat. Ich meine, dass wir ganz andere große Probleme haben. Etwa die Arbeitsplatzprobleme oder Strukturprobleme in der Tourismuswirtschaft.“ (http:// kaernten.ORF.at, 3.12.2005). 433 Vgl. Hren, 2004, S. 107. 434 Hren, 2004, S. 108. 435 Valentin, 2005, S. 209. 436 Valentin, 2005, S. 218. 437 Hren, 2004, S. 105. 438 Vgl. Höbelt, Lothar: „Das dritte Lager in Kärnten“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl: „Kärntner Jahrbuch für Politik 2007“, Klagenfurt 2007, S. 9ff. 439 Vgl. Höbelt, 2003, S. 111ff. 440 Vgl. Hajek, Peter/Siegl, Alexandra: „Das Kärntner Wahljahr 2009“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl (Hg.): „Kärntner Jahrbuch für Politik 2009“, Klagenfurt 2009, S. 46, und SORA: „Wählerstromanalyse Landtagswahl Kärnten 2009“, www.sora.at, Stand 14.3.2010. 441 Aus dem Text eines Inserats zum von Haider initiierten Teuerungsausgleich, vgl. apa, 15.3.2008. 442 Titel einer Rede von Haider vor dem 1. Mai 2008 im Industriepark von St. Veit. 443 Petzner, 2007. 444 Reinhart Rohr im Sommer-Interview in „Kärnten heute“ am 26.8.2008. 445 Valentin, 2005, S. 255. 446 Die „Almgespräche“ mit Unterrieder bestätigte auch der damalige FPÖ-Finanzlandesrat Karl Pfeifenberger, vgl. „Kleine Zeitung“, 15.11.1999. 447 Vgl. „Kleine Zeitung“, 16.2.2003. 448 Vgl. z. B. „Kleine Zeitung“, 28.4.2001, 12.9.2002, 24.11.2002. 449 Laut einer Umfrage des OGM-Instituts, vgl. „Kleine Zeitung“, 21.11.1999. 450 Valentin, 2005, S. 255. 451 Vgl. Sattmann, Alexander: „Gaby Schaunig und der Versuch eines Neubeginns in der Kärntner SPÖ“, in: Anderwald/Filzmaier/Hren, 2005, S. 39. 452 Sattmann, 2005, S. 40. 453 Vgl. Mair, 2006, S. 15. 454 Vgl. Sattmann, 2005, S. 37. 455 Vgl. „Kleine Zeitung“, 5.10.2007, und Plaikner, Peter: „Viel Feind, viel Ehr – Die Schwäche seiner Gegner ist Haiders größte Stärke“, in: Anderwald, Karl/Filzmaier, Peter/Hren, Karl: „Kärntner Jahrbuch für Politik 2007“, Klagenfurt 2007, S. 29.
Anmerkungen
247
456 Sattmann, 2005, S. 39. 457 Vgl. Mair, 2006, S. 27. 458 Plaikner, 2007, S. 31. 459 Nach OGM, vgl. „Kleine Zeitung“, 5.10.2007. 460 In Umfragen von vier Instituten, vgl. Mair 2006, S. 23f. 461 „Kleine Zeitung“, 28.11.2007. 462 Zitiert nach Sattmann, 2005, S. 38. 463 Mock, Gerhard: „Sorg di net, Burgamasta!“, in: Lux/Wiedergut/Sommersguter, 2008, S. 1986. 464 Höbelt, 2007, S. 11. 465 Höbelt, 2003, S. 66. 466 Aus dem Tonmitschnitt eines Interviews mit dem damaligen SPÖ-Landesrat und späteren Parteivorsitzenden Peter Kaiser, am 4.11.2009; die mit (Kaiser) gekennzeichneten Passagen stammen aus diesem Gespräch. 467 Dengel, Waltraud: „Roter Kannibalismus und schwarze Resignation“, in: Anderwald/Filzmaier/ Hren 2007, S. 25. 468 Valentin, 2005, S. 234. 469 Vgl. SORA, 2004. 470 Vgl. „Kleine Zeitung“, 19.2.2007, 27.5.2007. 471 Stenografisches Protokoll der 58. Sitzung des Kärntner Landtags (29. Gesetzgebungsperiode), 24.4.2008. 472 Vgl. Kravagna, Simon: „Scheidung auf italienisch. Die letzten Tage der Blauen und regionale Zukunft des BZÖ“, in: Anderwald/Filzmaier/Hren, 2005, S. 27. 473 Petzner, 2007. 474 Vgl. SORA: „Wählerstromanalyse Landtagswahl Kärnten 2009“. 475 „Es gab nichts zu verzeihen. Gespräch mit Antonia Gössinger, Politik-Journalistin der ‚Kleinen Zeitung‘ Kärnten“, in: Lux u. a. 2008, S. 190f. 476 S. o., S. 191f. 477 Vgl. Heinisch, 2004. 478 Verglichen wurden die Internet-Auftritte der Bundesländer vom 5.5.2008. 479 Vgl. APA, 25.4.2009. 480 Plaikner, Peter:„Im Wettbewerb der größten Kleinstformate. Die Kärntner Landtagswahl aus der Perspektive von Kleine Zeitung und Kronen Zeitung“, in: Anderwald/Filzmaier/Hren 2009, S. 30f. 481 Aus dem Tonmitschnitt eines Gesprächs mit Christian Ragger, stellv. Parteiobmann der FPK, zuvor Gefolgsmann Haiders in der FPÖ und im BZÖ; seit 2009 Landesrat in der Kärntner Landesregierung. Das Interview wurde am 22.4.2010 geführt; die übrigen mit „Ragger“ gekennzeichneten Zitate stammen ebenfalls daraus. 482 Aus dem Tonmitschnitt eines Gesprächs mit Sigisbert Dolinschek, Nationalratsabgeordneter des BZÖ, am 23.4.2020; die anderen mit „Dolinschek“ gekennzeichneten Ausschnitte stammen ebenfalls daraus. 483 Vgl. APA, 16.1.2010. 484 „Oberösterreichische Nachrichten“, 15.10.2008. 485 „Kleine Zeitung“, 12.10.2008. 486 „Die Presse“, 19.12.2009. 487 Aus dem Tonmitschnitt eines Gesprächs mit Franz Pacher, Präsident der Kärntner Wirtschaftskammer, am 22.4.2010. Die anderen mit „Pacher“ gekennzeichneten Passagen stammen aus diesem Interview.
248
Anmerkungen
488 APA, 26.6.2010. 489 „Die Presse“, 12.12.2009. 490 APA, 19.5.2010. 491 APA, 1.4.2010. 492 APA (OTS „Kurier“, 19.6.2010). 493 Vgl. z. B. APA, 4.1.2010. 494 Vgl. ORF-„Pressestunde“, 7.2.2010, oder „Die Presse“, 15.5.2010. 495 Vgl. APA, 9.12.2009; „Die Presse“, 29.1.2009; und: Sommersguter, Uwe: „Blaues Quartett mit Joker“, in: Anderwald/Filzmaier/Hren (Hg.): „Kärntner Jahrbuch für Politik 2011“, Klagenfurt 2011, S. 40ff. 496 Vgl. z. B. „Manifest des BZÖ Kärnten“, Klagenfurt 2008. 497 Vgl. „Kleine Zeitung“, 17.1.2010. 498 „Kleine Zeitung“, 6.3.2009. 499 Die Grünen: „Bericht zum Untersuchungsausschuss zur Überprüfung des Verkaufs von Anteilen der HGAA durch die Kärntner Landesholding“, Stand 7.2.2012, http://kaernten.gruene.at/fileadmin/kaernten/benutzerinnen/downloads/Hypo/Hypo_UA_der_Gruene_Endbericht.pdf, (Stand: 1.3.2012), S. 657f. 500 Grüne, „Bericht zum Untersuchungsausschuss“, S. 657f. 501 Grüne, s. o., S. 659. 502 Freiheitlicher Landtagsklub in Kärnten: „Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtages zur Überprüfung des Verkaufs von Anteilen der Hypo-Alpe-Adria Bank AG bzw. Hypo Group Alpe Adria durch die Kärntner Landesholding. Endbericht der freiheitlichen Ausschussmitglieder“, S. 87. 503 S. o., S. 87. 504 Vgl. APA, 14.12.2009. 505 Quelle: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, vgl. http://www.dnet.at/ bali/User2008.aspx, Stand 2.3.2012. 506 Vgl. APA, 20.11.2011. 507 Vgl. APA, 27.10.2011. 508 Vgl. APA, 16.1.2012. 509 APA, 7.12.2011 und 19.4.2012; Scheuch soll in der „part of the game“-Affäre von einem potenziellen russischen Investor als Gegenleistung für die Beschaffung der Staatsbürgerschaft eine Parteispende verlangt haben; er erklärt sich für nicht schuldig. 510 Es war die Rede des damaligen FPÖ-Obmanns am 12. November 1999 in der Hofburg in Wien, zitiert nach APA, 12.11.1999. 511 Seifried/Toefferl, 1997, S. 9. 512 Aus einem weiteren Gespräch (Tonmitschnitt) mit Rolf Holub, Landtagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Hypo-Untersuchungsausschusses; geführt am 16.2.2012 in Klagenfurt. 513 Aus einem zweiten Gespräch (Tonmitschnitt) mit Peter Kaiser, Landeshauptmann-Stellvertreter und Parteivorsitzender der SPÖ, am 3.8.2012 in Klagenfurt. 514 Aus einer Untersuchung des Instituts „Triconsult“, „Kurier“, 7.1.2012. 515 In der oben zitierten Grundsatzrede in der Wiener Hofburg, 1999. 516 APA, 4.12.2010. 517 Aus einer Umfrage des „Human Institut“ Klagenfurt vom Juli 2010 („Ortstafeln bewegen die Kärntner Seele nicht mehr“), vgl. http://www.humaninstitut.at/humaninstitut/item1.php?chat_ seite=1&spr_id=1, Stand 4.3.2012.
Anmerkungen
249
518 Aus einem zweiten Gespräch (Tonmitschnitt) mit Josef Feldner, Obmann des Kärntner Heimatdienstes, geführt am 16.2.2012 in Klagenfurt. 519 „Kleine Zeitung“, 4.9.2010. 520 Für 54 % der Befragten hatte er nach einer Umfrage des Klagenfurter Human Instituts „am meisten“ zur Ortstafellösung beigetragen; vgl. APA, 29.4.2011. 521 Sommersguter 2011, S. 45. 522 Plaikner, Peter: „Kein Licht am Ende der Sonnenfinsternis“, in: Anderwald/Filzmaier/Hren (Hg.): „Kärntner Jahrbuch für Politik 2010“, Klagenfurt 2010, S. 132. 523 Dieses Bild ergab sich in den Umfragen dreier verschiedener Institute, vgl. news.orf.at, publiziert am 10.8.2012. 524 Vgl. die OGM-Umfrage für den „Kurier“ (http://kurier.at, Stand 26.8.2012) 525 Das hier angeführte Ergebnis wurde von der Kärntner Landeswahlbehörde am 7.3.2013 offiziell bestätigt. Das BZÖ kündigte einen Einspruch und allenfalls den Gang zum Verfassungsgerichtshof an (Stand Anfang März 2013, Anm.d.Verf.). 526 Unter „BZÖ“ kandidierte jene Gruppe, die seinerzeit nach der Abspaltung der FPK übrig geblieben war, mit dem Bündnisobmann und Kärntner Landesobmann Josef Bucher als Spitzenkandidat; die FPK von 2013 war 2009 als „Die Freiheitlichen in Kärnten – BZÖ Liste Jörg Haider“ angetreten. 527 Brettschneider, Frank: „Spitzenkandidaten und Wahlerfolg. Personalisierung – Kompetenz – Parteien. Ein internationaler Vergleich“, Wiesbaden 2002, S. 55. 528 Vgl. SORA/ISA: „Wahlanalyse Landtagswahl Kärnten 2013. Im Auftrag des ORF“. 529 Laut einer Market-Umfrage für den „Standard“ (11.2.2013). 530 Vgl. die Umfrage der Karmasin Motivforschung für „profil online“, zitiert nach APA, 10.8.2012. 531 Im APA/OGM-Vertrauensindex kam Kurt Scheuch im Sommer 2012 auf einen Saldo (Vertrauen/ Misstrauen) von –33, drei Jahre zuvor hatte Vorgänger Uwe Scheuch noch +18 erreicht (APA, 24.8.2012). 532 In der oben zitierten Umfrage für den „Standard“ (11.2.2013) wünschten sich 68%, dass auch die ÖVP bei den Wahlen „für die Skandale abgestraft“ werde 533 Vgl. z.B. die Market-Umfrage aus dem Februar 2013 („Standard“, 11.2.2013), Kaiser schlug Dörfler damals mit 25% : 14%. 534 Mehr als 70% der Wähler wollten eine andere Partei als bisher mit dem Amt des Landeshauptmanns betrauen (nach einer Umfrage von Peter Hajek für ATV, zitiert nach APA, 3.3.2012) 535 ORF-Pressestunde, 10.3.2013. 536 Vgl. Brettschneider 2002, S. 54. 537 Die Daten stammen aus ISA/SORA: „Wahltagsbefragung Landtagswahl Kärnten 2009“ und „Wahlanalyse Landtagswahl Kärnten 2013“. 538 Köfer wurde dreimal zum Bürgermeister der Bezirkshauptstadt Spital gewählt; durch die hohe Zahl an Vorzugsstimmen katapultierte er sich bei den Wahlen 2004 ohne fixen Listenplatz für die SPÖ in den Landtag (vgl.APA, 9.3.2004).
Schlussfolgerungen 539 Vgl. auch Wineroither, David M.: „Der Landeshauptmann im Regierungssystem: Das Amt und seine Säulen“, in: ders. (Hg.): „Politik im Viervierteltakt“, Wien 2010, S. 31. 540 Die Aussage stammt von Klaus Nemetz, Leiter des Linzer SPECTRA-Instituts; in der Umfrage
250
541 542
543 544 545
546
547 548 549 550
551 552 553 554 555
Anmerkungen vom Frühsommer 2010 überwogen z. B. bei der SPÖ Oberösterreich erstmals seit 2008 wieder „gute Meinungen“ – vorausgegangen war ihre Abkehr von der Dauerkonfrontation (vgl. http:// www.nachrichten.at/nachrichten/politik/landespolitik, Stand 26.6.2010). Drexler, 2010, weitere Angabe zum Gespräch siehe im Steiermark-Teil. Marko, Joseph/Poier, Klaus: „Die Verfassungssysteme der Bundesländer: Institutionen und Verfahren repräsentativer und direkter Demokratie“, in: Dachs, Herbert (Hg.): „Bundesländer, Gemeinden“, in: „Politik in Österreich. Das Handbuch“, Band VIII, S. 952, Wien 2006. Vgl. z. B. Fallend, Franz: „Landesregierung und Landesverwaltung“, in: Dachs 2006, S. 981. Vgl. z. B. Dachs, Herbert: „Wahlkämpfe in den Bundesländern“, in: Panagl/Kriechbaumer (Hg.): „Wahlkämpfe. Sprache und Politik“, Wien-Köln-Weimar 2002, S. 108. Der Begriff der „Inszenierung“ wird hier wertfrei verwendet, im Sinne von „In-Szene-Setzen eines Werkes“ (also auch einer politischen Handlung), vgl. Meyer/Ontrup/Schicha: „Die Inszenierung des Politischen“, Wiesbaden 2000, S. 54f. Vgl. Ulram, Peter A./Sommer, Franz: „Gebremste und ungebremste Stürze. Gemeinderats und Landtagswahlen 2005“, in: Khol/Ofner/Burkert/Dottolo/Karner (Hg.): „Österreichisches Jahrbuch für Politik 2005“, S. 5. Vgl. die Daten in ISA/SORA: „Wahltagsbefragung Landtagswahl Kärnten 2009“. Vgl. dazu z. B. Meyer, Thomas/Ontrup, Rüdiger/Schicha, Christian: „Die Inszenierung des Politischen“, Opladen/Wiesbaden 2000, S. 60f. Ulram/Sommer, 2005, S. 57. Karl-Heinz Herper war jahrzehntelang (als Landesgeschäftsführer der steirischen SP und als Klubvorsitzender und Stadtrat in Graz) Parteimanager und Kommunalpolitiker; nähere Angaben zum Gespräch im Steiermark-Teil. Uwe Höfferer ist Landesgeschäftsführer der Salzburg SP, siehe den Salzburg-Teil. Zitat Höfferer. Vgl. z. B. SP-Landesgeschäftsführer Vukan im Steiermark-Teil: „Wenn wir uns nicht am Riemen reißen, sind wir mittelfristig weg vom Fenster …“ Vgl. die Wahltagsbefragungen von ISA/SORA, http://www.sora.at/ueber-sora.html (Stand 9.1.2012). Aus einem Interview mit dem Landesgeschäftsführer der VP OÖ, Michael Strugl (mehr dazu im Oberösterreich-Teil).
Personenregister Ackerl Josef 128, 131, 141f, 145, 148f Ambrozy Peter 160, 162, 179, 180, 183 Anschober Rudi 51, 52, 114, 117, 118, 119, 120ff, 137ff, 152 Apeltauer Martin 243, Außerwinkler Michael 162 Belafonte Harry 46, 48 Bernaschek Ludwig 113 Blachfellner Walter 65, 104 Blair Tony 67 Brenner David 66, 68, 76, 77, 80, 84, 86, 97ff, 107f Buchleitner Gerhard 63, 66ff, 72, 145, Burgstaller Gabi 63ff, 72ff, 80ff, 86, 88ff, 93, 95, 98, 101ff, 106ff, 143, 145, 180f, 223ff Canori Mario 165f Cernic Nicole 211 Clinton Bill 67 Cutugno Toto 215 Dobernig Harald 193, 206 Dobusch Franz 142, 148, Dolinschek Sigisbert 193, 196f Dörfler Gerhard 156ff, 164ff, 168, 174, 190, 193, 195ff, 201, 208ff, 213ff, 225 Drexler Christopher 26, 30f, 44, 48f, 54ff, 222 Eberhartinger Klaus 128f Eberle Doraja 80 Edlinger Elke 36f Edlinger-Ploder Kristina 50 Eisl Sepp 102 Eisl Wolfgang 98f Feldner Josef 169ff, 209 Ferk Walter 34
Fill Josef 118 Flecker Kurt 18, 30f, 34, 190 Fux Herbert 138 Gasteiger Arno 70 Gleißner Heinrich 113, 119, 126 Gross Hans 11, 18 Grünner Karl 124, 144 Gusenbauer Alfred 45, 174, 202 Haider Erich 78, 103, 113, 116f, 119, 123ff, 134, 137, 139, 139ff, 148 Haider Jörg 7, 73, 155ff, 172ff, 201ff, 216ff, 221ff Haimbuchner Manfred 137 Hainzl Georg 19 Hank Sabina 91f Haslauer Wilfried jun. 73, 78ff, 84f, 88f, 95, 98, 103f, 106, 108f, 110, 112, 225 Haslauer Wilfried sen. 63, 70 Hattmannsdorfer Wolfgang 126, 128, 131f, 134, 140, 143 Haubner Uschi 136, 192 Herper Karl-Heinz 37, 44f, 48f, 54, 60, 226 Hiesl Franz 121, 140, 190 Hingsamer Hans 132 Hirschmann Gerhard 10, 13f, 19, 21ff, 41, 224 Hirz Gottfried 114, 116ff, 139ff, 153 Hochmair Fritz 113, 124 Höfferer Uwe 83, 91, 93, 226 Holub Rolf 165, 186, 194, 199, 204, 208, 212 Hösele Herwig 13f, 19ff Hummer Doris 150 Johann, Erzherzog 12, 45, 57 Jungreithmayr Josef 129f Kaiser Peter 175, 184, 188f, 202ff, 210, 212f, 217
252
Personenregister
Kaltenegger Ernest 27, 35, 52 Klasnic Waltraud 10,14, 18ff, 37, 41, 74, 210, 223ff Klima Viktor 177 Köfer Gerhard 202, 218 Kogler Werner 51 Koren Hanns 11, 17 Krainer Josef jun. 10, 12ff, 21f, 28, 45 Krainer Josef sen. 9, 11, 23, 44f Kreisky Bruno 17, 67, 78, 91, 143, 147, 149 Kriechbaumer Robert 8 Kröpfl Walter 19, 30, 32, 36 Kurzmann Gerhard 51, 54 Leitl Christoph 151 Leo Rudi 120f, 123, 138f Luger Klaus 147 Makor Christian 66, 124, 128, 130, 141, 144, 146, 148f Manzenreiter Helmut 177ff, 182ff, 200ff Marcher Hans 25f, 28 Martinz Josef 156, 165f, 198f, 206f Messi Lionel 209 Michael Judith 201 Mitterbauer Peter 122, 149f Mock Gerhard 183 Mödlhammer Helmut 71, 80, 84, 93f Mölzer Andreas 159, 167f, 172ff Nagl Siegfried 33f, 49 Niederl Friedrich 9, 17, 23 Nowotny Ewald 205 Nürnberger Rudolf 178 Obernosterer Gabriel 211, 217 Ostermayer Josef 208f Pacher Franz 198 Padutsch Johann 96f Paierl Herbert 22, 24, 26 Paulus Eduard 101
Peischer Josef 116, 123, 144, 149, 151 Pertini Sandro 215 Peterle Lojze 13 Petzner Stefan 174, 181, 187f, 195 Pichler Siegfried 66, 91 Pilz Peter 138 Pirker Günter 36, 60 Poquelin Jean-Baptiste („Moliére“) 108 Pühringer Josef 74, 78, 103, 113ff, 118, 120, 122f, 125ff, 132ff, 137f, 140f, 143ff, 150, 190, 221, 223, 225 Radlegger Wolfgang 66, 112 Ragger Christian 192f, 196, 198, 200, 203 Rainer Wolfgang 66 Rapp Peter 43 Rathgeber Monika 98, 101f Raus Othmar 63, 66, 69, 98f, 107 Resetarits Willi 91f Riedler Wolfgang 36f Rinner Bernhard 32, 38ff, 42, 44f, 48f, 55 Rohr Reinhart 165f, 198, 200f, 203, 210, 212, 224 Rohrhofer Werner 152 Rössler Astrid 97, 110 Rücker Lisa 34 Santner Anton 69, 78, 81, 86 Schachner-Blazizek Peter 10, 17 Scharfetter Hans 70, 79, 84, 87f, 95 Schaunig Gaby 165, 175, 179ff, 186, 222, 224 Schausberger Franz 64, 68, 70ff, 79, 85, 87f, 168, 181, 223 Scheuch Kurt 198, 207, 211, 213ff Scheuch Uwe 156, 164, 190, 193ff, 201, 207 Scheucher Elisabeth 185 Schneider Frank 116 Schneider Friedrich 150 Schnell Karl 95, 110, 223 Schüssel Wolfgang 20, 23, 79f, 104, 115, 174, 202, 226
Personenregister Schützenhöfer Hermann 11, 32f, 37ff, 48, 50, 52f, 56f, 86, 103 Schwaighofer Cyriak 96f, 107 Seifried Gerhard 159, 161, 176f, 179f, 182ff, 188, 201, 203 Sigl Viktor 118, 150 Soyfer Jura 92 Steidl Walter 87, 90f Stelzer Thomas 140 Stingl Alfred 36f Stockinger Josef 140 Strache Heinz-Christian 47, 54, 129, 136f, 193, 195ff, 214, 227 Stronach Frank 64, 105, 110ff, 156, 215f, 218f, 228 Strugl Michael 114, 116f, 120, 122, 124, 126, 132, 140 Sturm Marjan 160, 162, 172 Thaler Walter 87 Torta Siegfried 162, 175, 185, 188, 191 Trauner Rudolf jun. 151 Trauner Rudolf sen. 151 Trübswasser Gunther 120ff
253
Unterrieder Adam 178 Verzetnitsch Friedrich 178 Vollath Bettina 37 Voves Franz 10ff, 17, 25ff, 29ff, 37, 40ff, 45ff, 52ff, 60, 69, 76, 86, 103, 221, 223ff Vukan Anton 37, 49f, 54, 56, 59ff Wagner Leopold 155, 159, 162, 176f, 184, 201, 207 Walkner Brigitta 8 Wegart Franz 16 Wenzl Erwin 144 Wieser Franz 212 Willnauer Jörg-Martin 52 Wimmer Detlef 137 Zankel Erwin 20f, 28, 41 Zernatto Christof 162
ROBERT KRIECHBAUMER, FRANZ SCHAUSBERGER (HG.)
DIE UMSTRITTENE WENDE ÖSTERREICH 2000–2006 (SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTES FÜR POLITISCHHISTORISCHE STUDIEN DER DR.-WILFRIEDHASLAUER-BIBLIOTHEK, BAND 43)
Keine Phase der österreichischen Politik nach 1945 ist so umstrittenen wie jene der Regierungen Schüssel I und II zwischen den Jahren 2000 und 2006. In diesem Band wird der Versuch unternommen, eine kritische zeithistorische Bilanz dieser so umstrittenen Jahre zu ziehen. Mit Beiträgen von Dieter A. Binder, Peter Bußjäger, Herbert Dachs, Christian Dirninger, Heinz Fassmann, Michael Gehler, Ernst Hanisch, Gunther Hauser, Ewald Hiebl, Marcelo Jenny, Robert Kriechbaumer, Paul Luif, Wolfgang C. Müller, Michael Neider, Franz Schausberger, Peter Stachel, Günther Steiner, Engelbert Theurl, Heinz-Peter Wassermann. 2013. 848 S. ZAHLR. FARB. U. S/W-ABB., TAB. U. GRAF. GB. MIT SU. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-78745-7
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
MANFRIED WELAN
ÖSTERREICH AUF DEM WEG ZUR DEMOKRATIE? AUFMERKSAME BEOBACHTUNGEN AUS EINEM HALBEN JAHRHUNDERT ZUM 75. GEBURTSTAG HERAUSGEGEBEN UND MIT EINEM NACHWORT VERSEHEN VON ALFRED J. NOLL (STUDIEN ZU POLITIK UND VERWALTUNG, BAND 106)
Manfried Welan verfolgt in seinen Beiträgen zu Demokratie und Verfassung in Österreich seit mehr als einem halben Jahrhundert die einzelnen Entwicklungsschritte einer oftmals holprigen Entwicklung. Weder das Jahr 1848 noch die Revolution 1918 haben in Österreich eine demokratische Gesinnung gebracht. Demokratie ist in Österreich immer nur institutionell angekommen. Welan zeigt sich als konsequenter Vertreter einer auf Demokratisierung und kritische Reflexion zielenden Rechts- und Politikwissenschaft, der sich als homo politicus der wissenschaftlichen und staatsbürgerlichen Aufgaben bewusst ist: Demokratie ist kein gesellschaftlicher Zustand, sondern ein gesellschaftlicher Prozess. Demokratie bedarf der steten Bemühung, alle Institutionen und Gesellschaftsbereiche weiter zu demokratisieren. 2012. 358 S. GB. MIT SU. 155 X 235 MM. | ISBN 978-3-205-78853-9
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ANDREAS KHOL, GÜNTHER OFNER, STEFAN KARNER, DIETMAR HALPER (HG.)
ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH FÜR POLITIK 2012
Seit 36 Jahren versorgt das „Österreichische Jahrbuch für Politik“ alle an Politik Interessierten mit Informationen über das politische Geschehen in Öster reich und der Welt. Im Zentrum des Jahrgangsbandes 2012 stehen die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Zukunft der Europäischen Union, das Parteienförderungsgesetz 2012 (Parteienförderung, Parteienfinanzierung, Parteispenden, Beschränkung der Wahlwerbungskosten), die Diskussion um die Reform der Demokratie („Demokratiepaket“) und andere politische Themen des Jahres 2012. 2013. XII, 628 S. ZAHLR. TAB. U. GRAF. BR. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78903-1
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