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German Pages 120 [122] Year 2010
Kulturführer zur Geschichte und Archäologie EPHESOS
Herausgegeben von Holger Sonnabend und Christian Winkle
Kulturführer zur Geschichte und Archäologie
EPHESOS Eine antike Metropole in Kleinasien Von Wolfram Letzner
PHILIPP VON ZABERN MAINZ
Römische Republik (509/450-30/27 v. Chr.) Was geschah zu dieser Zeit Was war neu, allgemeineres humor
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Römische Republik (509/450-30/27 v. Chr.) Was geschah zu dieser Zeit Was war neu, allgemeineres Humor
INHALT
Einführung Seite 7
Geographische Lage Seite 9
Geschichtlicher Überblick Seite 10
Baudenkmäler und Funde Das Artemision Seite 17 | Stadtentwurf und Befestigungen Seite 25 | Vom Magnesischen Tor bis zur Staatsagora Seite 31 | Das politische Zentrum – der Staatsmarkt Seite 35 | Die Straße nach Magnesia im Bereich der Staatsagora und die „Domitiansgasse“ Seite 47 | Die Domitiansterrasse – ein Neubau für den Kaiserkult Seite 52 | Der Domitiansplatz Seite 55 | Die Denkmäler am Embolos – das Gedächtnis der Stadt Seite 61 | Die Hanghäuser – Beispiele des Wohnluxus in Ephesos Seite 75 | Das Bibliotheksviertel Seite 81 | Die Tetragonos-Agora und die „Neronische Halle“ Seite 89 | Das „Serapeion“ Seite 92 | Entlang der Marmorstraße Seite 93 | Der Theaterplatz und das Theater Seite 94 | Arkadiane und Hafenviertel Seite 101 | Das Olympieion und die Marienkirche Seite 107 | Entlang der Plateia in Koressos Seite 111 Nachwort Seite 115 Glossar Seite 116 Literaturverzeichnis Seite 118 Abbildungsnachweis Seite 119 Impressum Seite 120
6 Einführung 7
Schwarzes Meer
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Konya
Mittelmeer
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EINFÜHRUNG
Ephesos – ein Name, der mit der Faszination eines der Sieben Weltwunder der Antike verbunden ist, des monumentalen Tempels der Artemis! Aber Ephesos steht nicht nur für den Tempel. Vielmehr war es eine der großen Metropolen, der alten Welt, die es vermochten, über Jahrhunderte hinweg ihre Bedeutung zu wahren. Dies spiegelt sich noch heute in dem großen Ausgrabungsgelände wider, das seit mehr als 100 Jahren federführend durch das Österreichische Archäologische Institut erforscht wird und das sicherlich noch für Generationen von Archäologen ein weites Feld der Forschung sein wird. Aber es sind nicht nur die Bauten, die die einstige Größe der Stadt belegen. Es sind auch die Menschen, die das urbane Klima hervorgebracht hat. Hier lassen sich Persönlichkeiten wie der Philosoph Heraklit (spätes 6./frühes 5. Jh. v. Chr.), der Komödiendichter Menander (2.Jh. v. Chr.) oder der Geograph Artemidoros (1. Jh. v. Chr.) anführen. Allerdings darf man nicht aus den Augen verlieren: Ephesos war in erster Linie eine Handels- und Verwaltungsstadt, deren wichtigster Erwerbszweig das Artemision war. Eine gewisse Faszination lässt sich auch sicher darauf zurückführen, dass Ephesos immer wieder im Brennpunkt der Geschichte stand, sei es in kriegerischen Kontexten oder aber als Zentrum von nachhaltigen Geistesströmungen wie dem Christentum. Ohne an dieser Stelle schon jetzt ausführlicher darauf eingehen zu wollen, sei auf die frühe christliche Gemeinde im 1. Jh. oder auf das dritte Ökumenische Konzil von 431 verwiesen, in dem Maria zur „Gottesgebärerin“ erklärt wurde. Wie aber nähert man sich im Rahmen eines Führers einer Ausgrabungsstätte wie Ephesos,
mit so vielen unterschiedlichen Bauten? Sicher der einfachste Weg wäre es, die Gebäude in alphabetischer Reihenfolge vorzustellen. Doch diese Methode würde dem Platz kaum gerecht, weil sich so urbanistische Strukturen nicht darstellen lassen. In Ephesos sind wir in der glücklichen Lage, in Teilen Funktionsräume erkennen und diese dann in ihrer Entwicklung darstellen zu können, so den Staatsmarkt oder das Bibliotheksviertel. Einige Bereiche hingegen, vor allem was das private Wohnen breiterer Bevölkerungsschichten betrifft, müssen zwangsläufig in der Darstellung zurückbleiben, weil die frühen Ausgräber den Haupterschließungsachsen des Stadtplans folgten und sie sich mehr für repräsentative Bauten interessierten. Erst in den letzten Jahrzehnten vollzieht sich bei den Zielsetzungen langsam ein Wandel.
Ê Öffnungszeiten täglich von 8:00–18:30 Uhr Eintrittspreis Ephesos: 20 TL / 10 € Eintrittspreis Hanghäuser: 15 TL / 8 € Der Eintrittspreis kann nur in Landeswährung (TL) entrichtet werden. Museumstipp Für den Besucher von Ephesos ist es ein Muss, das Archäologische Museum in Selçuk zu besuchen. Hier werden die neueren Funde aus den Ausgrabungen in Ephesos gezeigt. Dazu zählen etwa die Skulpturen des Pollio-Nymphäums, der Fries des Hadrianstempels und vor allem die Statuen der Artemis aus dem Prytaneion. Öffnungszeiten: Di–So 8:30–12:00 Uhr, 13:00–18:30 Uhr (montags geschlossen)
8 Geographische Lage
Faszination Ephesos 9
Blick entlang der Arkadiane
GEOGRAPHISCHE LAGE
Ephesos liegt etwa 75 km südlich der modernen Großstadt İzmir. Die nächstgrößeren Ortschaften sind der Badeort Kuşadası und Selçuk, zu dem die Ausgrabungsstätte auch verwaltungstechnisch gehört. Ursprünglich besaß die Stadt einen unmittelbaren Zugang zum Meer durch einen Hafen an der Mündung des Kaystros, der heute den Namen Küçük Menderes (Kleiner Mäander) trägt. Es handelte sich hier um eine tief einschneidende Meeresbucht, die für antike Seefahrer gut geschützte Ankermöglichkeiten bot. Durch die Ablagerungen des Flusses ist der Hafen heute verlandet. Neben dem Kaystros trugen auch die von Süden kommenden Flüsse Marnas und Selenos mit gewaltigen Schlammmassen zur Veränderung der Landschaft und zu diesem Prozess bei. Die Verlandung bereitete schon in der Antike massive Probleme. So ließ Hadrian (römischer Kaiser 117–138 n. Chr.) den Kaystros durch einen Kanal begradigen, dessen Verlauf jenem des Küçük Menderes entspricht. Die Verlandung des Hafens und die Verschiebung der Küstenlinie wurde durch Meeresströmungen unterstützt, die zur Bildung einer Nehrung, einer Landzunge vor der Küste, beitrugen. Insgesamt verschob sich die Küstenlinie um etwa 9 km nach Westen. In Ephesos prägen insgesamt drei Hügel das Stadtgebiet. Im Nordosten liegt der Ayasoluk, der ursprünglich unmittelbar an der Meeresbucht lag und der als Siedlungskern verstanden werden muss. So erklärt sich auch die Position des Artemisions südöstlich des Hügels auf einer früher in die Bucht vorspringenden Landzunge, gleich einer Landmarke für die Seefahrer. Für die historische Topographie wichtiger sind zwei weitere Berge, im Osten der Panayır Dağ, der ursprünglich die Küste bildete, und der durch einen Taleinschnitt abgetrennte Bülbül Dağ. Der Panayır Dağ bildet zwei Hügel aus, von denen der höhere 155 m misst und in
der Antike als Pion bezeichnet wurde. Der niedrigere Gipfel – er misst nur 133 m – trug den Namen Tracheia. Zu seinen Füßen lag ein Hafenplatz, der Koressos genannt wurde und der uns im Laufe der Darstellung immer wieder begegnen wird. Der andere bedeutende Berg, der Bülbül Dağ, liegt mit seinem Gipfel 358 m über dem Meeresspiegel. Für die Antike sind mehrere Namen überliefert: zunächst Lepre Akte und dann Preon. Diese topographischen Bedingungen haben den Rahmen geschaffen, in dem Ephesos entstehen, gedeihen und schließlich untergehen sollte. mit dem Auto Ñ Anfahrt • Von İzmir aus: E 87 nach Süden, bei Belevi ab Richtung Selçuk – in Selçuk: „Efes/ Ephesus“ ausgeschildert (hinter dem Ortsausgang: das Artemision) • Von Kuşadası aus: 515 entlang der Küste (ausgeschildert) Anfahrt mit Bus/Taxi/zu Fuß • Von Kuşadası aus: → Taxi hin und rück: ca. 80–100 TL/35–40 € → Dolmuş (Sammeltaxi): ca. 4 TL/2 €, vom Busbahnhof aus (Richtung Selçuk/Ephesus); Fahrtzeit ca. 30 Min., 15 Min. Fußweg zum unteren Eingang • Von Selçuk aus: Fußweg zum Grabungsgelände ca. 600 m (die Straße nach İzmir entlang) Unabhängig von der Anfahrt bietet Kuşadası als Ausgangsort einen Vorteil: Falls mehrere Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen, sollte man den Besuch von Ephesos vielleicht verschieben oder erst am Nachmittag dorthin gehen. Die Besuchermassen von den Schiffen sind dann wieder fort.
GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
Die ältesten Siedlungsspuren im Raum um Ephesos reichen bis in das 5. Jt. v. Chr. zurück. Ursprünglich lebten hier einheimische Völker mit eigener Sprache und Kultur. Anzeichen von Griechen finden wir in der 2. Hälfte des 14. Jhs. v. Chr. etwa mit einem mykenischen Grab auf dem Ayasoluk-Hügel. Erst während der sog. Ionischen Wanderung, die in Griechenland durch das Eindringen der Dorer ausgelöst wurde, kam es schließlich im 11. Jh. v. Chr. zu der Anlage einer dauerhaften Siedlung. Der Mythos überliefert, der athenische Prinz Androklos habe mit seinen Kolonisten einen karischen Siedlungsplatz zerstört und eine eigene Siedlung gegründet. Als zugehörige Akropolis der griechischen Siedlung wird ein Felssporn angesprochen, bei dem es sich um einen Ausläufer des Panayır Dağ handelt, auf dem sich heute überwiegend kaum erforschte Denkmäler aus byzantinischer Zeit befinden. Aussagen über die Gestalt der frühen Siedlung können aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse nicht gemacht werden. Fest steht aber, dass die Stadt in Hanglage errichtet wurde und befestigt war. Ein weiteres wichtiges Datum für die Entwicklung der Stadt findet sich im 9. Jh. v. Chr., in dessen Verlauf der Bezirk der Artemis entstanden ist. Dem Heiligtum kam auch politische Bedeutung zu, weil der ephesische Tyrann Pythagoras der Göttin in der 2. Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. einen Tempel stiftete. Im 6. Jh. v. Chr. änderten sich die Verhältnisse. Der Lyder Kroisos (König 560–547 v. Chr.) konnte im Rahmen seiner Expansionspolitik seinen politischen Einfluss auf Ephesos ausdehnen. Dabei forderte er um das Jahr 560 v. Chr. zunächst den eigenen Neffen Pindaros, der als König über die Stadt herrschte, auf, ihm diese zu übergeben. Verständlicherweise widersetzte sich dieser einem solchen Begehren. Dem militärischen Potential des Kroisos hielt
Ephesos allerdings nicht lange stand. Eine Zerstörung der Stadt konnte verhindert werden – wollen wir unseren Quellen glauben –, indem man mit einem Seil die Tempelasylie auf das Stadtgebiet ausdehnte. dem Tode des Alyattes übernahm ¿ „Nach sein Sohn Kroisos im Alter von 35 Jahren die Regierung. Er griff als erste Griechenstadt Ephesos an. Als er die Stadt belagerte, weihten die Einwohner sie der Artemis und zogen vom Tempel bis zur Stadtmauer ein Seil. Zwischen der Altstadt, die damals belagert wurde, und dem Tempel liegen sieben Stadien [ca. 1200 m].“ Herodot 1,26,1–2, Übers.: J. Feix Allerdings blieb dieser Widerstand nicht ohne Konsequenzen. Die befestigte Hanglage der ersten Stadt musste aufgegeben werden und die neue Stadt entstand in der Ebene. Daneben war es aber für Ephesos bedeutend, dass Kroisos den Neubau des Artemistempels kräftig unterstützte. Das Artemisheiligtum sollte mit seiner Asylie für die Stadt Ephesos von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung sein. Heiligtum und Asylie sorgten dafür, Menschen und Dinge vor dem Zugriff Anderer zu schützen. Das Artemision genoss dabei den Ruf der besonderen Heiligkeit und wurde zu einer Art „Weltbank“, die kräftig Depotgebühren kassierte, die als Weihung deklariert wurden. Darüber hinaus sollte eine lebhafte Souvenir- bzw. Devotionalienindustrie entstehen, die der Stadt einen erheblichen Wohlstand brachte. Archäologisch gesehen wissen wir kaum etwas über die zweite Stadt, weil durch die Flüsse Marnas und Selenos im Laufe der Jahrhunderte riesige Massen von Schwemmmaterial über dem Stadtareal abgelagert wurden, wie man deutlich im Bereich des Artemisions sehen kann. Hier liegen die archaischen
Schichten etwa 7–10 m unter dem heutigen Niveau. Außerdem wurde das Siedlungsareal in den letzten Jahrzehnten teilweise vom stark gewachsenen Selçuk überbaut. Nach einem demokratischen Zwischenspiel um das Jahr 550 v. Chr. fiel Ephesos 546/545 v. Chr. an das junge persische Großreich unter Kyros dem Großen (König 559–530 v. Chr.). In den folgenden Jahrzehnten lavierte sich Ephesos geschickt durch die Wirren der Zeit. Während des Ionischen Aufstandes (499–494 v. Chr.), bei dem sich die griechischen Städte Kleinasiens gegen die Oberhoheit der Perser auflehnten, blieb Ephesos neutral. Diese Politik der Ephesier – man kann sie durchaus opportunistisch nennen – gab den damaligen Entscheidungsträgern recht. Blickte man etwa auf das benachbarte Milet, das eine herausgehobene Rolle im Aufstand gespielt hatte, so sah man die Stadt in Schutt und Asche versinken. Die Perser hatten während der Rebellion der Ionier die dabei nicht unerhebliche Rolle des griechischen Mutterlandes erkannt. Persische Politik musste es nun sein, Griechenland direkt anzugreifen und zu unterwerfen. Erst nach den militärischen Niederlagen der Perser bei Salamis und Plataiai (479 v. Chr.) entschloss sich Ephesos, dem neu entstandenen Delisch-Attischen Seebund beizutreten. Mit dem sog. Kallias-Frieden von 450/449 v. Chr., der das Verhältnis zwischen dem persischen Großreich und den Griechen regelte, wurden zwar die griechischen Städte an der kleinasiatischen Küste entmilitarisiert, konnten aber im Delisch-Attischen Seebund verbleiben. Kaum zeichneten sich aber die ersten Probleme Athens und seiner Verbündeten im Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) ab, in dem es zwischen Sparta (Peloponnesischer Bund) und Athen (Delisch-Attischer Seebund) um die Vormacht im griechischen Raum ging und der die griechischen Städte schwächte,
kassierte Dareios II. (König 423–405/404 v. Chr.) den Kallias-Frieden und fügte die griechischen Städte einschließlich Ephesos endgültig in sein Reich ein. Das Stadtbild von Ephesos, über dessen bauliche Ausgestaltung zu dieser Zeit fast nichts bekannt ist, bot von den Menschen her, die hier dauerhaft oder auch nur kurzfristig lebten, ein buntes Gemisch: Lyder, Perser und Griechen gaben sich ein Stelldichein. Nicht nur kommerziell, sondern auch kulturell trug diese Mischung dazu bei, der Stadt einen hohen Grad an Urbanität zu geben. Das nächste wichtige Ereignis war der Brand des Artemisions. Ein gewisser Herostrat setzte im Jahre 356 v. Chr. den Tempel in Brand. Das Motiv lag in der Geltungssucht oder im Wahnsinn des Brandstifters. Der Wiederaufbau des Tempels zog sich lange hin, so dass noch Alexander der Große (König 336–323 v. Chr.) im Jahre 334 v. Chr. den Ephesiern anbot, den Neubau zu unterstützen. Diese lehnten jedoch ab, weil sie befürchteten, durch die Annahme der Hilfe dem makedonischen König eine Einflussnahme auf Stadt und Heiligtum einräumen zu müssen. Politisch gesehen konnte sich nochmals kurzfristig ein Tyrann namens Hegesias etablieren, der aber 323 v. Chr. von seinen Mitbürgern ermordet wurde. Viel wichtiger als die Tyrannis war der Umstand, dass nach dem Tode Alexanders dessen riesiges Reich zerbrach. Seine unmittelbaren Nachfolger, die Diadochen, die jeweils ihre eigenen machtpolitischen Interessen vertraten, sollten in den folgenden Jahren um das Erbe heftige militärische Auseinandersetzungen miteinander führen. Ephesos gehörte zu den Leidtragenden dieser Kriege, war aber zugleich auch Gewinner! Die gravierendste Veränderung wurde dabei von Lysimachos (König 305–281 v. Chr.) herbeigeführt: nach dem Vorbild Alexanders, der sich als Städtegründer
12 Geschichtlicher Überblick
Zwangsumsiedlung 13
ausgezeichnet hatte, erzwang er die Neugründung und Verlegung der Stadt Ephesos an ihren heutigen Standort. Die Methoden der Neugründung erscheinen uns heute etwas zweifelhaft, weil sie die Einwohner der kleineren Umlandgemeinden Teos, Lebedos und Kolophon zur Umsiedlung nötigte. Aber auch die Ephesier selbst zeigten keine besondere Neigung zum Umzug: Teile der neuen Stadt lagen über Nekropolen. Unsere Quellen berichten darüber, Lysimachos habe bei einem Unwetter die Kanalisation des alten Ephesos verstopfen lassen, so dass die Stadt unbewohnbar wurde. Jedenfalls entstand eine Neustadt, die einen beachtlichen Bauboom ausgelöst haben wird. Vielleicht kann man ein Gesetz zur Baukosten-
regulierung, dass uns Vitruv in seiner Schrift De architectura überliefert, in diese Zeit setzen. Der dynastische Wille des Lysimachos fand seinen Ausdruck in der Umbenennung der Stadt in Arsinoeia, dem Namen seiner Frau Arsinoë folgend. Diese Umbenennung hatte aber keinen langen Bestand, weil nach dem Tode des Lysimachos im Jahre 281 v. Chr. die Stadt an die Seleukiden fiel, dann um 260 v. Chr. von Ptolemaios II. Philadelphos (König 285–246 v. Chr.) eingenommen wurde. Erst Antiochos III. (König 222–187 v. Chr.) gelang im Jahre 197 v. Chr. die Rückgewinnung der Stadt. Gegen Ende des 3. Jhs. v. Chr. hatte sich aber ein grundlegender politischer Wandel vollzogen. Rom musste sich zunehmend in Bauen in Ephesos Geschehnisse der hellenistischen Welt einmi„In der berühmten, großen griechischen schen. Nachdem Antiochos III. im Sommer Stadt Ephesos war, wie man berichtet, von den 195 v. Chr. den Erzfeind Roms, den karthagiVorfahren in alter Zeit ein Gesetz mit einer schen Feldherrn Hannibal, in Ephesos empzwar harten, aber nicht ungerechten Bestimfangen hatte, eskalierte die Situation zu einem mung beschlossen worden. Wenn nämlich ein Krieg, der von 192 bis 188 v. Chr. dauerte. Der Architekt die Bauleitung für einen öffentlichen Seleukide unterlag. In der Folge dieses KrieBau übernimmt, gibt er eine Erklärung ges überwinterte C. Scipio Asiagenus in Ephedarüber ab, wie viel der Bau kosten wird. sos. Weiteres Interesse zeigte Rom an Ephesos Nachdem der Baukostenvoranschlag der aber nicht: die eroberten Teile des seleukidiBehörde übergeben ist, wird sein Vermögen schen Reiches fielen dem mit Rom verbundeverpfändet, bis das Bauwerk fertig ist. Ist es nen pergamenischen Reich zu. Erst mit der aber fertig und die Baukosten haben dem testamentarischen Verfügung Attalos’ III. Voranschlag entsprochen, dann wird der (König 138–133 v. Chr.) ging Ephesos mit der Architekt durch einen ehrenvollen Erlaß gesamten Erbmasse in Roms Besitz über, das geehrt. Ferner wird, wenn nicht mehr als ein darauf im Jahre 129 v. Chr. die Provinz Asia Viertel zum Baukostenvoranschlag hinzugeeinrichtete. legt werden muß, dieses Viertel aus StaatsmitMit der wachsenden Zahl seiner Provinzen teln gedeckt, und der Architekt wird nicht mit stand Rom aber vor einem großen verwaleiner Geldbuße bestraft. Wird aber bei der tungstechnischen Problem. Man war nicht Bauausführung über ein Viertel mehr verdarauf eingestellt, Steuern und Abgaben in braucht, [als veranschlagt war,] dann wird zur eigener Regie zu erheben. So verfiel man darVollendung des Baues der Betrag aus dem auf, die Steuereinnahmen der Provinzen an Vermögen des Architekten beigetrieben.“ privatwirtschaftliche Gesellschaften zu verVitruv 10 praef. 1, Übers.: C. Fensterbusch kaufen, also Steuereinnahmen vorweg zu
¿
erheben. Die Gesellschaften hatten nun das Recht, in den Provinzen diese Beträge mit Aufschlägen einzuziehen. Mangels wirksamer Kontrollen kam es immer wieder zu Übergriffen. Die griechischen Städte der Provinz Asia fühlten sich überbeansprucht und folgten daher nur zu bereitwillig dem Mithridates VI. Eupator von Pontos (König 120–63 v. Chr.). Dieser stellte sich als Befreier Griechenlands vom römischen Joch dar. In Wirklichkeit verfolgte er aber seine eigenen Interessen und versuchte diese in drei Kriegen gegen Rom durchzusetzen. Sicherlich eine der dunkelsten Episoden in der Geschichte der Stadt steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Mithridates zu Beginn des ersten Mithridatischen Krieges (89–85 v. Chr.). Der pontische König befahl nämlich im Jahre 88 v. Chr. zu einem bestimmten Stichtag die Ermordung aller Römer und Italiker in der Provinz. Dieser Befehl ist in die Geschichtsschreibung als Ephesische Vesper eingegangen. Etwa 80.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Für diesen Befehl hatte Mithridates zwei Gründe. Zunächst musste er den Krieg gegen Rom finanzieren und konnte dafür nicht die gerade von ihm Befreiten zur Kasse bitten. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass Städte, die sich an dem Massaker beteiligt hatten, aus Furcht vor römischer Rache nicht – wie gewohnt – nach Gutdünken wieder die Seite wechselten. Ephesos, in dem selbst die Tempelasylie keinen Schutz mehr geboten hatte, musste dafür wenige Jahre später – im Jahre 84 v. Chr., nach dem Sieg des L. Cornelius Sulla über Mithridates – schwer büßen. Die Stadt verlor wohl Teile ihres Territoriums. Die Häupter der antirömischen Partei wurden hingerichtet. Zudem erfolgte eine Brandschatzung. Eine zusätzliche Last traf Ephesos, weil Sulla hier sein Winterquartier nahm. Selbstverständlich musste es
auch noch die ausgefallenen Steuern der Jahre 88–85 v. Chr. nachzahlen. In den folgenden Jahrzehnten finden wir in Ephesos immer wieder bedeutende Persönlichkeiten. Von wirklicher Bedeutung war aber nur der Aufenthalt C. Iulius Caesars (100–44 v. Chr.) im Jahre 48 v. Chr., der die Plünderung des Artemisheiligtums durch T. Amplius Balbus verhinderte und der eine Neuordnung des Steuerwesens für die Provinz Asia durchführte. Auf Messers Schneide stand das Schicksal der Stadt, als sie den Caesarmördern M. Iunius Brutus und C. Cassius Longinus die Tore öffnete. Im Jahre 41 v. Chr. hielten sich Marcus Antonius (82–30 v. Chr.) und Kleopatra VII. (Königin 52–30 v. Chr.) in der Stadt auf. Neben all dem Glanz, den sie in der Stadt verbreiteten, kam es zu einer erneuten Verletzung der Tempelasylie: Arsinoë, die Schwester der Kleopatra, wurde im Heiligtum der Artemis ermordet. Eine Konsolidierung der Verhältnisse in der Provinz Asia und damit auch Ephesos fand nach dem Ende des Bürgerkrieges durch den späteren Augustus im Jahre 30/29 v. Chr. statt. Im Rahmen der Neuordnung der Provinz erhob er nämlich Ephesos zu deren Hauptstadt. So wurde eine neue Blütezeit eingeleitet, was sich in den Baudenkmälern spiegelt. Die Entwicklung der Stadt während der Kaiserzeit wurde auch nicht durch die zahlreichen Erdbeben behindert, welche die Region erschütterten. Ephesos erfreute sich in diesen Ausnahmesituationen, aber auch ansonsten des Wohlwollens der römischen Kaiser. Davon zeugen etwa die zwei Besuche Hadrians (Kaiser 117–138) in der Stadt in den Jahren 124 und 129/130. Auch sein Nachfolger, Antoninus Pius (Kaiser 138–161), saß als Prokonsul in Ephesos. Um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. war Ephesos bereits die zweitgrößte Stadt des Orients, wie Seneca (epist. 17, 2, 21) feststellte. Für das 2. Jh.
14 Geschichtlicher Überblick
Kaiserliches Wohlwollen 15
vom Kaiser ¿ Hilfe „Die verbündeten wie die unterworfe-
aufgebrochen. Während des Feldzuges brach eine Epidemie aus, die von den rückkehrenden Truppen nach Ephesos und dann in die nen Städte erfuhren durch [Hadrian] großübrigen Regionen des Reiches eingeschleppt zügigste Hilfe. Mehr als sonst ein Kaiser hatte er viele von ihnen persönlich besucht, und fast wurde und u. a. verheerende wirtschaftliche allen gewährte er seine Unterstützung, indem Konsequenzen für den Staat hatte. So war die Zentralmacht in der Folgezeit nicht mehr in er die einen mit Wasser, die anderen mit der Lage, nach Erdbebenschäden, wie im Hafenanlagen, Getreide, öffentlichen Bauten, Jahre 262, als auch das Artemision schwer Geld sowie, je nachdem, mit verschiedenen beschädigt wurde, zu helfen. Erschwerend Ehren beschenkte.“ Cassius Dio 69, 5, 2–3 kam hinzu, dass auch der Hafen zunehmend verlandete. Schon Hadrian hatte einen Kanal anlegen lassen, um den Hafen weiterhin offen wird die ephesische Bevölkerung auf ca. 300.000 Menschen geschätzt. Damit bewegte zu halten. Um die Mitte des 4. Jhs. verwüstesich die Stadt auf einem ähnlichen Niveau wie ten schwere Erdbeben die Stadt weiter. Eine Renaissance erfuhr die Stadt aber gegen Alexandria, für das etwa die gleiche Einwohnerzahl angenommen wird. Auch wenn nicht Ende des 4. Jhs. Dies mag damit zusammenhängen, dass sich in Ephesos eine der frühesalle Einwohner von Ephesos gleichzeitig auf ten christlichen Gemeinden befand. Der Aposden Straßen und Plätzen unterwegs waren, tel Paulus weilte im Jahre 52 während seiner muss es an zentralen Stellen der Stadt zu eizweiten Missionsreise hier und nach christnem furchtbaren Gedränge gekommen sein. licher Tradition hatte Maria in der Stadt ihren Amtsträger ließen sich ihren Weg bahnen, letzten Wohnsitz gefunden. Nachdem Theowas vermutlich bei einem Teil der zur Seite dosius I. (Kaiser 379–395) im Jahre 391 das gedrängten Bürger Proteste auslöste. Träger mit Waren, Lasttiere oder Fahrzeuge quälten Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte, konnten Tempel und Kultstätten abgerissen sich durch die Straßen. Die Geräuschkulisse und das Abbruchmaterial für neue Bauten erreichte durchaus Pegel, die mehr als unanverwendet werden. genehm waren. Dort, wo Gewerbebetriebe Auf dem dritten ökumenischen Konzil von angesiedelt waren und der „kleine Mann“ lebte, kam noch eine bunte Mischung von Gerü- 431 wurde ein für das Christentum immer noch geltender Beschluss gefasst: Maria wurde chen aller Art hinzu, die auch nicht immer zur Gottesgebärerin (Theotokos) erhoben. Der angenehm waren. Vieles davon kann man theologische Streit war so heftig, dass es zu turnoch heute nachvollziehen, wenn die Besubulenten Szenen kam. Theodosius II. (Kaiser chermassen von den Kreuzfahrtschiffen im 408–450), der das Konzil einberufen hatte, sah Hafen von Kuşadası durch die Straßen von sich gezwungen, die führende Köpfe der miteiEphesos gehetzt werden. Ab der Mitte des 2. Jhs. sollte Ephesos – wie nander streitenden Parteien abzusetzen. Ein weiteres Konzil fand im Jahre 449 statt. andere Teile des Imperiums auch – von Katastrophen getroffen werden. Lucius Verus, von Dieses lief aber noch chaotischer ab; es ging unter der Bezeichnung „Räubersynode“ in die 161–169 Mitkaiser des Marcus Aurelius (KaiKirchengeschichte ein und wird nicht zu den ser 161–180), war von Ephesos aus im Jahre offiziellen Konzilien gerechnet. 162/163 zu einem Feldzug gegen die Parther
Lebte man bis dahin im Gebiet der antiken Stadt, so sollte sich dies ab Mitte des 6. Jhs. grundlegend ändern. Den Anfang machte Erzbischof Johannes III., der Teile der Verwaltung in die unter Justinian (Kaiser 527–565) errichtete Johannesbasilika verlegte. Von 610 bis 654/55 erlebte die Stadt noch eine Nachblüte, als sie zur
Ephesos. Durchblick am Bouleuterion.
Hauptstadt des byzantinischen Militärbezirkes Thrakesion wurde. Mit den arabischen Angriff fen aber wurde die antike Stadt aufgegeben. Mit den veränderten Bevölkerungszahlen war es nicht mehr möglich, die alte Stadt wirksam zu verteidigen. Endgültig untergehen sollte das alte Ephesos aber erst im 11. Jh.
16 Baudenkmäler und Funde
Groß ist die Artemis 17
Plan des Artemisions. Archaischer T Tempel oben, spätklassischer Bau unten.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Das Artemision
Der wichtigste Bau für die Geschichte der Stadt Ephesos ist der Tempel der Artemis, der zu den Sieben Weltwundern der Antike gerechnet wird. Jedoch haben ihm die Wirren der Zeit so übel mitgespielt, dass man im Gelände kaum noch etwas sehen kann, und das Wenige, was sichtbar ist, liegt je nach Jahreszeit unter Wasser. Vorausgeschickt sei an dieser Stelle aber, dass im Kultbezirk der Artemis auch andere Götter verehrt wurden und dass sie ihre eigenen Kultbauten besaßen. Daneben standen im Heiligtum zahlreiche Weihegeschenke, die heute weitgehend verloren sind. Über besondere Weihungen sind wir gelegentlich durch die Schriftquellen informiert. Zur Einführung des Artemiskultes gibt es zwei mythologische Überlieferungen, in deren Mittelpunkt aber immer die Amazonen stehen. Nach einer Überlieferung hätten diese den Kult selbst eingeführt, während die andere von deren Flucht vor Herakles und Dionysos in das schon bestehende Heiligtum berichtet.
Naiskos, der das Kultbild aufnahm. Dieser Tempel wurde wohl mehrfach modifiziert. Im späten 7. Jh. v. Chr. entschlossen sich die Ephesier, einen neuen Tempel zu errichten, der gegenüber dem alten nach Westen verschoben wurde und eine andere Orientierung aufwies. Aufgrund seiner Maße – die Länge beträgt 34,40 m – wird er als „Hundertfüßler“ (Hekatompedos) bezeichnet. Eine Zuweisung an Artemis ist unsicher. Vielleicht wurde in diesem Tempelbau Apollon verehrt, für den durch schriftliche Quellen hier ein Tempel belegt ist. Ebenfalls im 7. Jh. v. Chr., aber nach dem Hekatompedos, entstand der sog. Tempel C an der Stelle des Baus des 8. Jhs. v. Chr. und griff dessen Orientierung auf. Tempel C wurde jedoch nicht fertiggestellt, weil man sich zu einer monumentaleren Lösung entschlossen hatte, vielleicht begründet durch die Konkurrenz innerhalb der griechischen Staatenwelt. Auf Samos hatte man nämlich gerade – d. h. zwischen 575 und 550 v. Chr. – einen neuen Tempel für Hera errichtet, der gemessen an andeVom kleinen Tempel zum ren Tempelbauten dieser Zeit gigantisch war. Zugleich hatten die Architekten Rhoikos und Weltwunder Theodoros ein neues Grundrisskonzept entwiVerlassen wir den Mythos und wenden wir ckelt: den Dipteros, einen Ringhallentempel uns den Fakten zu. Die archäologischen Unmit zwei umlaufenden Säulenreihen. tersuchungen, die in der 2. Hälfte des 19. Jhs. Man beauftragte Theodoros mit der Pladurch J. T. Wood begonnen und durch das nung und der Oberaufsicht für den Bau, Österreichische Archäologische Institut fort- während vor Ort zwei kretische Architekten, gesetzt wurden, konnten für das Heiligtum Chersiphon und sein Sohn Metagenes, die eine komplexe Baugeschichte aufzeigen. Bauausführung leiteten. Was entstand, überDiese lässt sich aber im Gelände nicht mehr traf auch das Heraion von Samos. Der Temnachvollziehen. Die ältesten Bauphasen datie- pel maß 55,10 x 115,40 m und wies schließlich ren in das 8. Jh. v. Chr. Jedoch vermutet man einen Säulenwald von 117 Säulen auf, die einen Vorgängerbau. 18,90 m hoch waren. Den Ephesiern mag Bei dem Tempel des 8. Jhs. v. Chr. handelte der Transport der gewaltigen Bauteile, die bis es sich um einen Ringhallentempel (Periptezu 24 t wiegen konnten, so vorgekommen ros), dessen Cella kein Dach besaß. Stattdessen sein, als habe die Göttin selbst mitgebaut befand sich im Inneren ein kleiner Bau, ein (Abb. S. 16).
18 Baudenkmäler und Funde
Brandstifter am Werk 19
Ephesos. Blick über das Ausgrabungsgelände des Artemisions mit einer wiederaufgerichteten Säule.
Vom Grundriss her war der Tempel wie das Vorbild in Samos konzipiert. Abweichungen konnten aber nicht ausbleiben. Während der samische Tempel wohl ein geschlossenes Dach besaß, verzichtete man in Ephesos auf selbiges im Cellabereich. Bestimmt spielten bei dieser Entscheidung statische Gründe eine Rolle, aber sicherlich war die alte Kulttradition nicht zu vernachlässigen. Schon der Vorgängerbau des 8. Jhs. v. Chr. verzichtete auf eine richtige Cella, die damals statisch kein Problem gewesen wäre. Eine Besonderheit gab es zusätzlich: ein Teil der Säulen erhielt eine Reliefdekoration, die den Reichtum des Tempels gegenüber anderen nur allzu deutlich hervorhob. Diese Reliefsäulen, von denen Plinius später als columnae caelatae sprach und von denen es 36 gab, müssen die Zeitgenossen sehr beeindruckt haben. Noch während die Bauarbeiten liefen, sollten sich die politischen Verhältnisse ändern. Der neue Herr der Stadt, Kroisos, wusste um die Bedeutung des Heiligtums und förderte den Weiterbau. Besonders die mit Relief verzierten Säulen wurden aus seiner Kasse bezahlt, wie man einer Stelle bei Herodot (1, 92, 1) entnehmen kann. Die gleiche Stelle lässt aber auch einen Blick auf den Gesamteindruck zu, der sich dem Besucher bot. Trotz des Baustellencharakters fanden sich hier zahlreiche Weihegeschenke, unter denen sich von Kroisos gestiftete goldene Rinderstatuen befanden. Diese Weihungen belegen einen ununterbrochenen Kultbetrieb. Schließlich konnten die Ephesier weder auf ihr religiöses Zentrum verzichten, noch die wirtschaftlichen Aspekte, die sich mit dem Heiligtum verbanden, außer Acht lassen. Trotz dieser großzügigen Unterstützung durch Kroisos konnte der Tempel erst um 420 v. Chr. fertiggestellt werden. Nach rund 60 Jahren sollte dieser Tempel im Jahre 356 v. Chr. in einer Brandkatastrophe un-
als Baustoff ¿ Holz „Für am längsten ausdauernd hält man das Ebenholz, die Zypresse und die Zeder; als glänzender Beweis für alle Arten Holz dient der Tempel der Artemis in Ephesos, da er ja, obwohl sich ganz Kleinasien an seinem Bau beteiligte, erst nach 120 Jahren vollendet wurde. Man ist sich darin einig, daß das Tempeldach aus Zedernholzbalken besteht. Allein über das Bild der Göttin gibt es strittige Auffassungen: Die übrigen sagen, es sei aus Ebenholz; Mucianus aber, der dreimal Konsul war und zu denen gehört, die es persönlich in Augenschein genommen und darüber vor kurzem geschrieben haben, haben, sagt, es sei aus Rebenholz und niemals ausgetauscht worden, obwohl der Tempel siebenmal wiederhergestellt wurde; diese Holzart sei von Endoios ausgewählt worden, erstaunlicherweise weiß er nämlich auch den Namen des Künstlers zu nennen, obwohl er der Statue ein höheres Alter zuteilt als der der Athene und der des Vaters Liber. Er fügt noch hinzu, daß ‚die Statue‘ durch viele Öffnungen mit Nardenöl benetzt werde, damit diese heiligsame Flüssigkeit es tränke und die Fugen zusammenhalte – ich wundere mich aber nachgerade, daß ein mäßig großes Standbild solches hat; die Torflügel seien aus Zypressenholz, und das ganze Holz überdaure schon an die 400 Jahre, sehe aber noch aus wie neu. Man wählte hierzu Zypressenholz, weil es die einzige Holzart ist, die vor allen anderen ihren Glanz am dauerhaftesten erhält.“ Plinius, n. h. 16, 79, 213–215, Übers.: R. König – J. Hopp tergehen. In unseren Quellen heißt es, ein gewisser Herostrat habe den Tempel angezündet. Die Brandstiftung wurde von Zeitgenossen und späteren Historiker als Tat eines Wahnsinnigen interpretiert. An der Deutung sind in
20 Alexander der Große und das Artemision
Baudenkmäler und Funde 21
den letzten Jahren Zweifel aufgekommen. Es wird die Ansicht vertreten, es habe sich nicht um die Tat eines Einzelnen gehandelt, vielmehr sei es mit Unterstützung aus der Priesterschaft der Artemis geschehen. Heute nachvollziehbare Gründe gibt es aber nicht, zumal die Zeiten unsicher waren. Zu Beginn des Wiederaufbaus gab es offenbar große Finanzierungsprobleme. Strabo schreibt: „Als aber diesen Tempel ein gewisser Herostrat niedergebrannt hatte, bauten sie einen anderen, schöneren, indem sie den Schmuck der Frauen und ihr eigenes Vermögen zusammentaten und auch die alten Säulen verkauften. Zeugnis dafür sind die damals gefaßten Volksbeschlüsse“ (14, 1, 22, Übers.: H. E. Jones). Der Neubau des Artemistempels stand unter einem günstigen Stern, als Alexander der Große im Jahre 334 v. Chr. nach Ephesos kam. Er zollte dem Heiligtum seinen Respekt, wie er es an vielen anderen Orten auch getan hatte. Er vollzog Opfer und ließ Weihegeschenke auff stellen. Gewiss nicht ohne Hintergedanken war aber sein Angebot, den Wiederaufbau des Tempels zu finanzieren, konnte er doch in einem solchen Fall die Loyalität eines der wichtigsten Heiligtümer Asiens einfordern. Die Priesterschaft und die Bürger von Ephesos dürften dies erkannt und daher das Angebot abgelehnt haben. Dies geschah – folgt man Strabo (14, 1, 22) – sehr diplomatisch, indem man gegenüber Alexander erklärte, es gezieme sich nicht für einen Gott, einer Göttin einen Tempel zu weihen. Der Makedone akzeptierte dieses Argument und unterstützte den Neubau, indem er das Steueraufkommen, das bisher den Persern geschuldet war, auf den Tempel übertrug. Mit dieser Finanzierung sollte der Bau entstehen, der viele Elemente des alten Artemisions auff griff, es aber letztendlich um einiges übertraf. Was entstand nun? Gegenüber dem alten Tempel errichtete man ein hohes Stylobat,
einen Unterbau mit 13 Stufen. Das war notwendig, weil man schon beim Altbau mit Wasserproblemen zu kämpfen hatte. Darüber hinaus konnte man die Reste des Vorgängerbaus gut im neuen Stylobat verbauen. Bei annähernd gleicher Größe und gleichem Bautypus konnte man so die neuen Säulen über die alten Säulenfundamente setzen. Dabei waren die neuen Säulen mit 17,65 m Höhe etwas niedriger und mit einem Durchmesser von 1,84 m etwas anders proportioniert. Bei den Säulen an der Front trat eine Veränderung ein: Statt der zwei Säulenreihen wurden nun drei errichtet. Veränderungen gab es bei der Cella. Hatte der alte Tempel im Osten ein Adyton, entstand nun ein Opisthodom. Die Aufhöhung des Stylobats wirkte sich auch auf den Innenbereich aus, der weiterhin nicht gedeckt war. Eine Treppenanlage führte nun vom Pronaos hinab. Für den neuen Tempel sicher belegt ist eine Durchfensterung des Giebels. Allgemein deutet man diese im Zusammenhang mit dem Kult. Hier konnte die Göttin den Massen vor dem Tempel erscheinen. Eine andere Deutung geht dahin, dass durch die Fenster das Kultbild beleuchtet wurde.
Das Kultbild der Artemis Die griechische Göttin Artemis ging in Ephesos eine enge Verbindung zu einer anatolischen Göttin ein, die Fruchtbarkeit symbolisierte. Heute geht man davon aus, dass es im Artemision drei Kultbilder nacheinander gegeben hat. Das ursprüngliche Kultbild war aus Holz. Über seine Form lassen sich nur Vermutungen anstellen. Das zweite Kultbild lässt sich insofern besser fassen, weil wir den Künstler kennen, Endoios. Aber schon beim Material hört das Wissen auf. Antike Beschreibungen
können die Holzart nicht näher bestimmen, weil es durch die Pflege offenbar eine dunkle Farbe angenommen hatte. Dieses Kultbild stand im Bau des Kroisos. Das dritte Kultbild aber ist das uns vertraute: die „vielbrüstige Artemis“, die für den Tempel des 4. Jhs. v. Chr. geschaffen wurde (Abb. S. 23). Gerade diese Darstellung hat zu kontroversen Deutungen geführt. Eine der gängigen Theorien besagt, es handele sich nicht um Brüste, sondern um Stierhoden, die dem Kultbild nach der Opferung angeheftet worden seien. Das Motiv der „Vielbrüstigkeit“ ist keineswegs auf die ephesische Artemis beschränkt. So kennt man etwa ein Relief aus Tegea mit der Darstellung des Zeus Labraundos (heute im British Museum, London), das etwa zeitgleich mit dem letzten Kultbild der Artemis anzusetzen ist. In diesem Kontext ist eine Deutung als Brüste auszuschließen.
Der Altar Der Altar ist der Ort, an dem in der Antike der Kult vollzogen wird. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass der normale antike Mensch kaum den eigentlichen Tempel betrat, ganz im Gegensatz zur christlichen Kirche. So durfte es auch nicht verwundern, als man 1965 westlich des Tempels einen großen Altarbereich entdeckte und freilegte. Wie auch der Tempel war der Altar das Produkt einer langen Entwicklung. Aus einem relativ kleinen Altarbereich, der aus dem 6. Jh. v. Chr. stammte, entstand eine monumentale Anlage, die aus einem Altarhof und dem eigentlichen Altar bestand. Die Anlage maß insgesamt 40 x 20 m. Hohe Mauern an drei Seiten umschlossen die Hoffläche, die 32 x 15 m groß war. Im 4. Jh. v. Chr. wurden die Mauern von einem
Unterbau gebildet, der eine reiche Säulenarchitektur an der Innen- und Außenseite trug. Nach dem Befund fand sich im Westen eine Rampe, der ein Gatter vorgelegt war. Hier standen die Opfertiere bereit, die auf einer Schlachtbank getötet werden sollten. Von der Kapazität her konnten zwischen 15 und 20 größere Schlachttiere bereitgestellt werden. Da der Altar in dieser Form vom Tempel abgetrennt war, darf man wohl eine Basis dahingehend deuten, dass hier während der Opferzeremonie das Kultbild stand.
Die Opfer – zwischen religiösem Akt und gemeinsamem Mahl Bei den großen Festen zu Ehren der Artemis nahmen die Opfer riesige Ausmaße an. Das wichtigste Opfertier war der Stier, der im Zusammenhang mit Artemis eine bedeutende Rolle spielt. Aus den archäologischen Befunden wissen wir aber auch, dass Schafe und Ziegen geopfert wurden. Nach der Tötung der Opfertiere wurden nur gewisse Teile davon als Brandopfer der Göttin dargebracht. Der überwiegende Teil aber wurde von den Gläubigen verspeist. Eine Inschrift aus Ephesos berichtet davon, dass ein gewisser Aurelius Veranus den Rat der Ephesier, alle Vereine und 40.000 Bürger zum Opfer einlud (IvE 951). Von der Atmosphäre her lässt sich die Situation heute nicht wirklich nachvollziehen. Schon beim Opfer muss die Geräuschkulisse recht heftig gewesen sein, bedenkt man, dass kaum ein Tier in Erwartung des nahen Todes diesem friedfertig entgegensah. Der Gestank von Blut und Kot, auch wenn diese abgeleitet wurden, und der Rauch der Feuerstellen, auf denen das Opferfleisch für den Verzehr gegart wurde, müssen über dem Heiligtum gelegen haben. Auch bei der Verteilung des Fleisches dürfte es gelegent-
22 Baudenkmäler und Funde
Kult und Opfer 23
Prozession als ! Die Privatveranstaltung
handelte es sich um Eunuchen, die hochangesehen waren und die die Opfer leiteten. In der Ausübung ihres Amtes wurden sie von den Zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. stiftete C. Vibius Essenes unterstützt. Sie waren jungfräuliche Salutarius dem Heiligtum der Artemis eine Reihe von Gold- und Silberstatuen. Diese wo- Priesterinnen, deren Dienstzeit auf ein Jahr gen drei bis sieben Pfund und waren im Arte- beschränkt war. Während dieser Zeit lebten sie mision selbst aufgestellt. Darüber hinaus stell- in einer Art Kloster. Innerhalb der Gemeinschaft bestand eine Rangfolge, die wohl von te Salutarius ausreichend finanzielle Mittel der Dauer der bereits geleisteten Dienstzeit bereit, um seine Weihungen zu pflegen und abhängig war. Parallel zu diesem weiblichen einmal im Jahr eine festliche Prozession zu „Orden“ gab es ein männliches Äquivalent, die Ehren der Göttin durchzuführen. Bei dieser Essener. Die Aufgabe dieses Kollegiums Veranstaltung wurden auch die gestifteten bestand darin, religiöse Fragestellungen und Statuetten mitgeführt. Es sollte so ablaufen: Anliegen von den Besuchern des Heiligtums Die Priesterschaft der großen Göttin trug die Statuetten vom Heiligtum aus bis zum Magne- anzunehmen und an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten. Als Verwaltungsbeamte sischen Tor. Hier übergaben sie diese an die dienten die Kureten, die aber auch innerhalb Epheben, die jugendlichen Söhne der Bürger des Kultes eine wichtige Aufgabe hatten. Sie von Ephesos. Diese brachten die Statuetten quer durch die Stadt zum Theater, wo es offen- führten u. a. ein großes Festmahl im Rahmen bar eine Massenveranstaltung gab. Nach deren der Mysterien für Artemis durch. Vorrangig war für viele Bürger von Ephesos zwar das Abschluss trugen die Epheben die Statuetten Essen und Trinken, aber das Erlebnis der zum Korressischen Tor, von dem aus die Gemeinschaft und die gemeinschaftlich Priester sie wieder ins Heiligtum brachten. vollzogenen Rituale beim Kult prägten doch mit Sicherheit das Selbstverständnis der lich zu tumultartigen Vorkommnissen gekom- Ephesier und wirkten identitätsstiftend. men sein, weil der eine oder andere mit der Qualität des zugeteilten Fleischstücks nicht zuHeiligtum und Stadt – frieden war.
Priesterschaft und Organisation
die Prozessionen zu Ehren der Artemis
Wie hat man sich aber nun die Organisation des Heiligtums vorzustellen? Die Pflege, die Durchführung der kultischen Handlungen und die Verwaltung des Heiligtums erforderten zahlreiches Personal, von dem sicherlich nicht alle Priester waren. Innerhalb der Priesterschaft lässt sich aber ein differenziertes Bild erkennen. In der Hierarchie des Heiligtums standen mehrere Priester, die Megabyzoi genannt wurden, an erster Stelle. Dabei
Das Heiligtum und die Stadt waren eng miteinander verknüpft. Den deutlichsten Ausdruck dafür findet man in den Prozessionen der Göttin Artemis. In ihnen konnten sich die ursprünglichen Bewohner des Landes mit ihrer Kulttradition, der Verehrung der Kybele, wiederfinden, genauso wie die griechischen Einwanderer mit deren Gleichsetzung, der Artemis. Aus unseren Quellen wissen wir, dass im kaiserzeitlichen Ephesos im Jahreslauf vier
Prozessionen durchgeführt wurden. Sicherlich die wichtigsten waren jene, die das Kultbild mitführten. Eine Prozession führte vom Heiligtum durch das Stadtgebiet unmittelbar zum Heiligtum zurück; eine weitere führte zum Geburtsort der Göttin und dann zurück. Eine verkürzte Variante stellte wohl eine Prozession dar, die in Ephesos begann. Im 2. Jh. kam ein weiterer Umzug hinzu, der der großen Prozession folgte. Die Route der Prozessionen begann am Heiligtum. Von hier aus führte sie nach Süden. Am Ort des späteren Magnesischen Tores bog die Prozession nach Westen bis zum Hafengebiet hin ab, den Taleinschnitt zwischen dem Bülbül Dağ und dem Panayır Dağ nutzend. Der Hauptweg ging dann nordwärts, um beim späteren Stadion nach Osten hin zum Artemision abzubiegen. Eine Abzweigung des Prozessionsweges ging weiter nach Westen. Ziel war Ortygia im Kenrcheiostal (Arvalia Çayi). Hier befand sich der Geburtsort des Apollon und der Artemis. Die eben beschriebene Route sollte das Stadtbild bzw. den Stadtplan von Ephesos mitbestimmen. Erst in der Kaiserzeit wurden einige Veränderungen in der Trasse zugunsten von Neubauten vorgenommen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die Prozessionen für die große Göttin nicht ausschließlich durch offizielle Stellen durchgeführt wurden (s. S. 22). Aus einer lateinischen Inschrift, die im 19. Jh. am Südeingang des Theaters gefunden wurde und die sich heute im British Museum, London, befindet, lässt sich entnehmen, dass ein Privatmann diese durchführen konnte. Darüber hinaus erläutert sie den Ablauf der Prozession zu Beginn des 2. Jhs. Diese letztgenannte Prozession weist schon darauf hin, dass der Kult und die mit ihm verbundenen Rituale als eine Form der Selbst-
Die „vielbrüstige“ Artemis Ephesia, gefunden in Ephesos. Höhe 174,5 cm. Römisch, 2. Jh. n. Chr. Ephesos-Museum SelççÜuk.
darstellung gesehen werden können. Eine deutliche Ausprägung findet man in der Anlage der Damianusstoa. Hier handelt es sich um eine Halle, die T. Flavius Damianus an der Wende vom 2. zum 3. Jh. über dem Prozessionsweg außerhalb der Stadt errichten ließ. Der ephesische Sophist – so sein Biograph und Schüler Philostratos – wollte, dass es dem Artemision bei Regen nicht an Verehrern fehle. Die Anbindung von extraurbanen Heiligtümern an städtische Strukturen ist aber nicht singulär. So etwas ist auch z. B. aus Pergamon bekannt.
24 Baudenkmälder und Funde
Stadtentwurf und Befestigungen 25
Pollio-Aquädukt, Aquäduktbrücke.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Stadtentwurf und Befestigungen
! Besichtigung Die Ausgrabungsstätte in Ephesos
gleichzeitig deutlich, dass die Topographie die Gestaltung der Straßen mit beeinflusste. Um die Höhenunterschiede zu überbrücken, verfügt über zwei Eingänge. Reisegruppen wurden Treppenanlagen eingeführt, die von beginnen ihre Besichtigung zumeist am den österreichischen Ausgräbern als Stiegenoberen Eingang, weil das Gelände zum gassen bezeichnet werden. Solche Konstrukunteren Eingang hin abfällt. Sie werden dann tionen sind aber keineswegs ungewöhnlich, von Bussen am unteren Eingang wieder wie man etwa im nicht weit entfernten Priene aufgenommen, so dass der Rückweg entfällt. beobachten kann. Für den Individualreisenden ist es unerhebÜber die Ausgrabungen hinaus, die zur Klälich, welchen Eingang er wählt, weil er wieder rung des Straßennetzes beigetragen haben, zu seinem Fahrzeug zurück muss und so ohnehin gegen den Besucherstrom läuft – ent- sind es heute die geophysikalischen Untersuchungen, die zwar für die Forschung Klarheit weder auf dem Hin- oder auf dem Rückweg. schaffen, aber für den Besucher von Ephesos nicht nachvollziehbar sind. Grundvoraussetzung für das Gedeihen einer Ein anderer Aspekt betrifft die BebauungsStadt ist die Schaffung einer ausreichenden Indichte. Trotz der Umsiedlung der Bevölkefrastruktur. Dazu zählen sehr unterschiedliche rung verschiedener Gemeinden in das neue Punkte, etwa der Stadtentwurf, die VerteidiEphesos des Lysimachos wird die Bevölkegungsanlagen oder die Wasserversorgung. Sie rungszahl nicht ausgereicht haben, um sofort machen eine Stadt lebenswert. das ganze Stadtgebiet zu bebauen. Zunächst wurden potenziell gut geeignete Flächen zuDer Stadtentwurf gebaut und dann, in der römischen KaiserBetrachtet man heute Ephesos, so wird das zeit, mussten Bauflächen neu geschaffen Stadtbild nur von einigen Straßenzügen und Plätzen bestimmt. Bei den Straßen sind etwa Kostenübernahme für öffentliche der Embolos, die Marmorstraße oder die ArBauten – die Aquäduktbrücke kadiane hervorzuheben. Als Plätze fallen die des Pollio Staatsagora oder die Tetragonos-Agora auf. Dieses Bild entspricht nicht der antiken Reali- „Gewidmet der Artemis Ephesia und dem tät: Als Lysimachos die Stadt neu anlegen ließ, Imperator Caesar Augustus und dem Tiberius konzipierten seine Stadtplaner eine Stadt mit Caesar, Sohn des Augustus, und der Stadt Ephesos. Gaius Sextilius Pollio, Sohn des orthogonalem Straßensystem, wie es in der Publius, aus der Bürgerliste Voturia, sorgte hellenistischen Welt dieser Zeit üblich war. gemeinsam mit Ofillia Bassa, Tochter des Das Schachbrett-System wurde nur durch den Embolos unterbrochen. Im Rahmen die- Aulus, seiner Gattin, und mit Gaius Ofillius Proculus, seinem Sohn, und seinen übrigen ses Rasters konnten nun Wohnhäuser, Tempel oder öffentliche Bauten errichtet werden. Kindern für die Errichtung der Brücke aus An einigen Stellen lässt sich dieses Straßen- eigenen Mitteln.“ zit. nach P. Scherrer in: G. Wiplinger (Hrsg.), system recht gut erkennen. So nehmen etwa Cura Aquarum in Ephesus (2006) die Hanghäuser am unteren Embolos jeweils 46 Testimonium 2 b einen Wohnblock ein. Hier wird aber auch
¿
26 Baudenkmäler und Funde
Stadtentwurf und Befestigungen 27
werden. So wurde das Schwemmland des Kaystros durch Aufschüttungen in Bauland umgewandelt.
Muster bürgerlichen ¿ Ein Engagements
„Zunächst kam Claudius Aristion mit seinem Prozeß heran, eine der führenden Persönlichkeiten in Ephesos, ein freigebiger Mann, der es Die Wasserversorgung auf anständige Weise zu großer Beliebtheit Die wichtigste Grundlage für das Gedeihen ei- gebracht hatte; infolgedessen Mißgunst, und ner Siedlung ist eine ausreichende Menge an Leute, die ihm nicht das Wasser reichen gutem Wasser. Über die Versorgung der frükonnten, schickten einen Ankläger gegen ihn hen Stadt Ephesos ist praktisch nichts bekannt. vor. Natürlich wurde er freigesprochen und Die Menschen dürften sich mit Brunnenwaserhielt Genugtuung.“ ser und Zisternen versorgt haben. Plin. epist. 6, 31, 3, Übers.: H. Kasten Mit der lysimachischen Neugründung sollte sich die Versorgung deutlich verbessern. Der jüngere Plinius berichtet hier von einem Entsprechend der neuesten Kenntnisse über der großen Wohltäter (Euergeten) in Ephesos diese Zeit wurde eine Wasserleitung in die um die Wende vom 1. zum 2. Jh. Aus Inschriff Stadt hinein gelegt. Ihr Ursprung ist bislang ten ist bekannt, dass Tib. Claudius Aristion, noch nicht bekannt. Während der römischen wie er mit vollem Namen hieß, in seiner Zeit sollte eine Reihe von Leitungen entsteVaterstadt so beliebt war, dass er dreimal zum hen, die in seltenen Fällen durch private Initi- Oberpriester des provinzialen Kaiserkultes ative errichtet wurden. Hier sind der Pollio(Asiarch) und mehrfach in lokale Ämter Aquädukt (Abb. S. 24) aus augusteischer Zeit gewählt wurde. Dank einer leider fragmentariund der Aristion-Aquädukt vom Anfang des schen Ehreninschrift wissen wir, dass er „mit 2. Jhs. zu nennen. Sowohl Pollio als auch vielen außerordentlichen Bauwerken auf Aristion treten uns auch sonst als Wohltäter eigene Kosten die Stadt geschmückt hat“ in Ephesos entgegen, was nicht immer ohne (IvE II 425, L. Vandeput – Ch. Berns in: A. Neid blieb. Nünnerich-Asmus (Hrsg.), Traian (2002) 75). In der Stadt selbst lässt sich die Wasserversorgung zumeist nur an den Brunnen erkennen, von denen sich einige in monumentaler Form entlang der wichtigsten Straßen befinden. Das Leitungssystem ist hingegen nur an wenigen Stellen wahrnehmbar, wenn ein Stück Rohrleitung offen liegt. Den Reichtum der Stadt an Wasser kann man aber auch an den zahlreichen Thermenbauten erkennen. Der Ephesier der Kaiserzeit war wassertechnisch kaum schlechter gestellt als sein Zeitgenosse in Rom. Wo es Wasser gibt, besteht auch das Problem des Abwassers. Im unterirdischen Ephesos be-
finden sich Abwasserkanäle, die man gelegentlich an Revisionsschächten im Straßenpflaster erkennen kann.
Die Stadtmauern Bereits die erste griechische Siedlung in Ephesos und die aus der Zeit des Kroisos verfügten über Befestigungsanlagen, von denen aber heute nichts mehr zu sehen ist. Als Lysimachos die Verlegung der Stadt beschloss, wurde eine mehr als 9 km lange Stadtmauer errichtet. Sie erfüllte zwei Funktionen. Zunächst muss ihre Schutz-
Magnesisches Tor, Grundriss.
funktion erwähnt werden, da die Zeiten unruhig waren. Daneben war eine Stadtmauer aber auch ein Statussymbol, das eine Siedlung erst zu einer Stadt machte, deren Autonomie verdeutlichte oder aber auch den Machtanspruch eines Herrschers dokumentieren konnte. In Ephesos trafen beide Faktoren zu. Wer auch immer sich der Stadt näherte, sah schon von weitem die Stadtmauer, die in Verbindung mit ihrer Lage unüberwindbar erschien. Während der Kaiserzeit mussten Stadtmauern keine fortifikatorische Funktion mehr übernehmen. Die pax Romana, der Römische Friede, erlaubte es, im gesamten Reich auf Neubauten von Stadtbefestigungen zu verzichten. Erst in den Krisenzeiten der Spätantike und in byzantinischer Zeit mussten solche
Bauten wieder errichtet werden. Dies geschah auch in Ephesos. Beginnen wir mit der hellenistischen Stadtmauer. Sie lässt sich teilweise auch von Punkten außerhalb des Ausgrabungsgeländes beobachten. Nimmt man das Magnesische Tor (Abb. S. 27), das bisher als einzige Toranlage ausgegraben wurde, als Ausgangspunkt für eine Beschreibung des Mauerverlaufs, so ergibt sich folgendes Bild: Die Mauer verläuft in gerader Linie nach Norden. Sie steigt dabei entsprechend der Hangneigung des Panayır Dağ bis auf 70 m an. Dieser Höhenlinie folgt sie auf einer Strecke von rund 500 m. Die Mauer steht hier teilweise noch mit einer Höhe von 2,50 m an. Nach diesem Abschnitt schwenkt die Mauer nach Westen ab und
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Stadtentwurf und Befestigungen 29
den Sinn von Stadtmauern ¿ Über „Da es aber durchaus vorkommen
klärende Weise den Ostkamm des Bülbül Dağ in einer Höhe von mehr als 300 m zu erreichen. Von hier aus lief die Mauer in westliche kann, daß die Masse der Angreifer für die Richtung, schloss einen Vorhügel ein, um menschliche Tapferkeit einer Minderzahl zu dann einer topographischen Vorgabe folgend groß wird, so muß man, wenn man sich nach einem Bogen in gerader Linie zum retten und nicht Unglück und Mißhandlung Hafenareal zu gelangen. erleiden will, annehmen, daß die zuverläsDie Mauer ist in einem sehr guten Erhalsigste Festigkeit der Mauern auch am kriegstungszustand und weist eine Stärke von 2,90– mäßigsten ist; dies vor allem heute, wo so präzise Geschütze und Belagerungsmaschinen 3,60 m und Höhen bis zu 6,50 m auf. Sie besaß Zinnen, und man geht davon aus, dass sie teilerfunden worden sind.“ Aristoteles, Politik 7, 11 [1330 b 37–1331 a 2], weise gedeckte Wehrgänge aufwies. Verstärkt Übers.: O. Gigon wurde die Mauer mit Türmen, von denen 48, die mit einer Kammer versehen waren, nachgewiesen sind. Sie erreichten eine MindestDer große Philosoph Aristoteles (384–322 höhe von 9 m und ihre Mauerstärke schwankte v. Chr.) fasste in seiner „Politik“ die unterzwischen 1,60 und 2,50 m. In den Turmkamschiedlichsten Bereiche zur Staatstheorie mern waren Torsionsgeschütze aufgestellt, die zusammen. Besonders im siebten Buch setzt in der Zeit des Hellenismus im besonderen er sich mit der Stadtplanung auseinander, so Maße weiterentwickelt worden waren. Daneauch mit den Stadtmauern. ben existierten aber auch einige mehrkammerige Türme, wie etwa ein heute unzusteigt bis auf eine Höhe von 120 m. Der weigänglicher Kommandoturm, der etwa 400 m tere Verlauf der Befestigung ist oberirdisch westlich des Hafens liegt, oder der Turm, der nicht mehr feststellbar. Selbstverständlich ist seit dem 17. Jh. als „Paulusgefängnis“ bezeichdiese Linienführung der Mauer mit verschie- net wird. Ergänzt wurde das Mauersystem teildenen Richtungswechseln gebaut worden, weise durch Ausfallpforten und Treppenauff weil man sich an topographischen Gegeben- gänge, die auf die Mauern führten. heiten orientierte. Das Magnesische Tor bildete den AusgangsTürme wurden dort angelegt, wo die Kurtine punkt für eine Reihe von Straßen, die einmal ihre Richtung wechselte oder wo besondere nach Magnesia am Mäander und nach Milet strategische Punkte waren. Sie waren im und zum anderen weiter nach Osten führten. Grundriss annähernd quadratisch (8,20 x Zugleich kam dem Magnesischen Tor auch 9,80 m, 9,40 x 10,60 m) und sprangen über die eine sakrale Funktion zu, weil die Strecke der Flucht der Kurtine vor, damit man Angreifer Prozession für Artemis hier verlief. Bei den auch am Fuß der Mauer bekämpfen konnte. archäologischen Untersuchungen des Tores Die Mauer selbst bestand aus einem zweikonnten mehrere Bauphasen festgestellt werschaligen Quadermauerwerk. Ihre Breite den. In der ersten Phase bestand das Tor aus schwankte zwischen 2,40 m und gut 3,00 m. einem 3,70 m breiten Durchgang, hinter dem Ein weiterer Mauerzug, ebenfalls sich vom ein 22,80 x 25 m großer Torhof lag. Magnesischen Tor aus erstreckend, verlief Die zweite Bauphase möchte man frühestens nach Süden, um dann auf eine heute nicht zu in die 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. setzen. Dabei
Ephesos. Blick auf die Celsus-Bibliothek und das Mithridatestor.
wurde der Torbau massiv verändert: Man errichtete zu beiden Seiten des Tores vorspringende Türme, die eine Seitenlänge von 11 m auff wiesen und deren Mauern 2 m stark waren. Im Erdgeschossbereich wurden die Türme mit Schutt verfüllt, so dass eine Turmkammer erst im ersten Obergeschoss vorhanden war. Parallel dazu wurde die Mauerbreite um 1,60 m auf 5 m erhöht. Das Tor selbst erhielt zwei seitliche Durchgänge und der mittlere Durchgang erfuhr durch dekorative Gesimse eine Auff wertung. In der dritten und letzten Phase als Toranlage, im 3. Jh., wurden lediglich die Türme
wiederhergestellt. Danach wurde der Torhof als Friedhof genutzt, der mit der Basilika am Ostgymnasium in Verbindung steht. Im 6. oder im frühen 7. Jh. entstand die letzte Befestigungsanlage der Stadt Ephesos. Sie spiegelt schon den Verfall der Stadt wider, weil die neue Mauer ein wesentlich geringeres Stadtareal umschloss und sich auf das Koressosviertel konzentrierte. Wie es bei spätantiken bzw. byzantinischen Befestigungsanlagen üblich war, integrierte man ältere Gebäude wie etwa das Theater in den Mauerring. Das Stadtzentrum, das die antike Stadt ausmachte, wurde nicht berücksichtigt.
30 Vom Magnesischen Tor bis zur Staatsagora
Baudenkmäler und Funde 31
Oberes Gymnasium am Staatsmarkt.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Vom Magnesischen Tor bis zur Staatsagora Der Bereich vom Magnesischen Tor bis zum heutigen Eingang zur Ausgrabungsstätte ist bislang nur wenig erforscht. Einige Denkmäler wurden zwar freigelegt, mussten dann aber z. T. nach ihrer Untersuchung wieder zugeschüttet werden, um Platz für den Straßenbau zu schaffen. Dies gilt etwa für einen monumentalen Brunnen, der in der Forschung als Straßenbrunnen bezeichnet wird. Etwas abgesetzt von der Straße, nicht im Ausgrabungsgelände gelegen, findet sich das sog. Lukasgrab. Gleiches trifft auch auf das Ostgymnasium und die zugehörige frühchristliche Basilika sowie das Magnesische Tor selbst zu. Kurz vor dem Erreichen der Agora sollte man sich nach Norden wenden, um das Obere Gymnasium zu besichtigen.
Vom Brunnen zur Kirche – das sog. Lukasgrab Etwa 150 m südöstlich der Oberen Agora von Ephesos wurde bereits von J. T. Woods ein Bau festgestellt, den er aufgrund von dort gefundenen Reliefdarstellungen mit einem Kreuz und einem Buckelochsen mit dem Grab des Evangelisten Lukas in Verbindung brachte. Beide Motive seien Symbole für jenen. Inzwischen konnte das sog. Lukasgrab als monumentale Brunnenanlage aus der 2. Hälfte des 2. Jhs. identifiziert werden, weil ein dreifacher Leitungsstrang nachgewiesen werden konnte, der von Süden her das Gebäude erreichte. Im Inneren des Baus fanden sich Reste einer Steigleitung am zentralen Pfeiler und schließlich die Reste eines kleinen Wasserbeckens. Obwohl das Gebäude in byzantinischer Zeit in eine Kirche umgewandelt wurde, lässt sich ein Monopteros mit 16 Säulen für die Brunnenanlage erschließen, der ein Becken umschloss.
Das Ostgymnasium Unmittelbar am Magnesischen Tor findet sich nach Norden hin ein bislang nur oberflächlich untersuchter Baukomplex, der als Ostgymnasium bezeichnet wird, tatsächlich aber eine Kombination aus Thermen und Gymnasium ist. und Wellness ! Wein „Die Bäder, die Weine, die Liebe: sie ruinieren unsern Körper. Aber sie machen das Leben aus: die Bäder, die Weine, die Liebe.“ CIL VI 15258 Dieser Grabspruch spiegelt recht gut die Bedeutung der Thermen in der römischen Kaiserzeit wider. Die Bäder waren für die meisten Besucher nicht allein Stätten der Hygiene, sondern stellten in vielen Bereichen eine übersteigerte Form der modernen „Wellnessoasen“ dar. Gemischtes Baden war sehr wahrscheinlich nicht besonders verbreitet und wurde sogar zeitweise verboten. Daneben gab es in römischen Thermen auch Bereiche der geistigen Bildung, die sich neben den Sportanlagen auch im griechischen Gymnasium finden. Beide Bautypen gingen in Kleinasien eine enge Verbindung ein. Der aus der 2. Hälfte des 2. Jhs. stammende Bau misst etwa 130 x 107 m und war mit seiner Eingangsseite auf die Magnesische Straße hin orientiert. Zur Straße existierte eine Säulenhalle, in der Händler ihre Waren feilboten. In der Raumdisposition folgt das Ostgymnasium dem kleinasiatischen Vorbild jener Zeit. Bestimmend war der große Hof, die Palästra, über den der Besucher den Bau betrat. An jeder Seite befand sich eine Säulenhalle. In der Mitte der Ostseite lag hinter der Säulenhalle ein mit
32 Baudenkmäler und Funde
Thermen und Kirchen 33
Sitzstufen versehener Vortragsraum. Auf der gegenüberliegenden Seite, also im Westen, befand sich ein sog. Kaisersaal, dessen Wände mit Nischen versehen waren. In der Zentralnische in der Rückwand des Raumes entdeckte man im Jahre 1930 die Fragmente einer Statue des Asklepios. Zum Statuenprogramm des Raumes gehörten Statuen eines Kaiserpriesters und einer vornehmen Dame. Bis auf die letztgenannte Statue, die sog. Vedia Phaedrina – heute im Museum von Selçuk –, befinden sich alle anderen Statuen im Museum von İzmir. Hinter der Hofanlage liegt der eigentliche Thermenbereich. Hier finden sich rechteckige Baderäume in symmetrischer Anordnung. An drei Seiten ist dieser Komplex von Gängen umschlossen, die überwölbt waren. Von der Funktion her dienten sie für sportliche und spielerische Aktivtäten oder einen geruhsamen Spaziergang.
Die Basilika am Ostgymnasium Im späten 4. oder 5. Jh. entstand östlich der Thermen eine Kirche. Diese überbaute die hellenistische Stadtmauer. Wohl in der Regierungszeit des Justinian (527–565) entstand ein repräsentativer Bau, eine dreischiffige Kirche, die 35 x 17 m groß war. Die Schiffe wurden durch Säulenarkaden gebildet. Ganz entsprechend dem frühen Kirchenbau war dem eigentlichen Kirchenraum ein Narthex vorgelegt. Das Innere der Kirche war aufwendig geschmückt. In dem Bereich, der den Laien zustand, konnte ein gut erhaltener Mosaikboden festgestellt werden, der sich noch heute am Ort befindet, aber aus konservatorischen Gründen wieder abgedeckt wurde. Darüber
hinaus kam auch numidischer Marmor zum Einsatz: Eine kanzelähnliche Struktur vor dem Presbyterion, die Solea, wurde mit diesem Material geschmückt. Zwischen ca. 600 und 630 ging die Kirche in einer Brandkatastrophe unter. Eine weitere Nutzung erfolgte nicht mehr. Heute überlagert eine moderne Straße den Bereich des Presbyterions.
Das Obere Gymnasium Der erste deutlich auffallende Komplex innerhalb des Ausgrabungsgeländes ist das Obere Gymnasium, dessen Bezeichnung inschriftlich gesichert ist (Abb. S. 30). Vermutlich bestand hier bereits in hellenistischer Zeit ein Gymnasium. Der aktuelle Baubestand, der zu einem großen Teil noch nicht ausgegraben ist, stammt allerdings aus der Kaiserzeit. Bei der Errichtung des Komplexes ist einiges an Auff wand getrieben worden. Für vier Räume wurde nach Norden hin – also zum Panayır Dağ – der anstehende Felsen abgearbeitet. Im Westen liegt das Caldarium (Heißbaderaum), das über sieben in Nischen angelegte Badebecken verfügte. Beleuchtet wurde der Raum über ein Fenster im Westen. Südlich des Caldariums befand sich eine Latrine, die sehr wahrscheinlich durch das Brauchwasser der Thermen gespült wurde. Im südlichen Bereich fanden sich weitere Neben- und Wirtschaftsräume. Aufwendig gestaltete Hallen im Westen und Süden ergänzten den Komplex. Dabei wird die südliche, dreischiffige Halle als Basilika Thermarum anzusprechen sein, die für Sportübungen, Spaziergänge und Versammlungen genutzt wurde.
„Die Bäder, die Weine, die Liebe: sie ruinieren unseren Körper. Aber sie machen das Leben aus: die Bäder, die Weine, die Liebe.“ (CIL VI 15285) Gymnasium – nicht nur Sport ! Das Gymnasion, lat. Gymnasium – der
Rolle im religiösen Bereich. Oft fanden sich hier Kulte des Hermes, des Herakles und der Name leitet sich vom griechischen Begriff Musen. Daneben wurden Stifter und hervorgymnos (nackt) ab und gibt damit einen ragende Schüler teilweise in den Rang eines Hinweis darauf, dass die Gymnasiasten dort Heros erhoben und hier beigesetzt. Außerdem unbekleidet übten. Es gehört als Bautyp zum spielten die Schüler eine wichtige Rolle im festen Bestandteil einer griechischen Stadt. religiösen Leben der Stadt. Sie nahmen an Nur ärmere Gemeinden mussten darauf Prozessionen teil und stellten etwa den Chor verzichten. Lange Zeit war es vor allem ein im Rahmen dieser Veranstaltungen. Ort der körperlichen Ertüchtigung und Zeugnisse oder Prüfungen gab es in antiken vormilitärischen Erziehung. Seit dem späten Gymnasien nicht. Jedoch stellten sich deren 4. Jh. v. Chr. veränderte sich sein Charakter. Angehörige dem Wettkampf in den unterSo wurden nun auch Fertigkeiten wie Musik schiedlichsten Disziplinen, die hier unterrichund literarische Kenntnisse vermittelt. tet wurden: so etwa militärische Übungen, Mathematische bzw. naturwissenschaftliche Dauerlauf, Stadionlauf, Faustkampf oder RingFächer gehörten weder im Hellenismus noch kampf, aber auch Lesungen oder musikalische während der römischen Kaiserzeit zur Darbietungen. Die Sieger wurden in Inschriff Allgemeinbildung. Schulbildung wurde in ten geehrt. der Kaiserzeit generell von den ÜbungsstätAbschließend ist noch ein Blick auf die ten für den Sport getrennt. baulichen Elemente des Gymnasiums zu Die Gymnasien wurden von den Söhnen werfen. Allgemein werden dessen bauliche der freien Bürger der Stadt besucht, deren Ein- Elemente so beschrieben: Um einen großen trittsalter und Verweildauer war von örtlichen Platz gruppieren sich verschiedene BaueleReglungen bestimmt. Die Qualität der Gemente: die offene, meist ein Stadion lange bäude und des Unterrichts hingen von der Laufbahn – die Strecke eines Stadions variiert finanziellen Lage der Städte ab. Oft traten von Stadt zu Stadt und schwankt zwischen Privatpersonen als Stifter auf, die für die Erca. 162 und 210 m –, eine überdachte Lauff richtung und den Unterhalt Sorge trugen. bahn und Säulenhallen, in denen sich Allerdings wurden die Gymnasien immer Übungs- und Unterrichtsräume befinden. öffentlich von der Stadt verwaltet und die Leh- Außerdem waren ein Umkleideraum, ein rer von der Volksversammlung auf ein Jahr Waschraum, als Vorstufe von größeren gewählt. An der Verwaltungsspitze stand der Bädern, und ein Salbraum vorhanden. Nicht Gymnasiarch, der gelegentlich auch als Epheb- minder gehörte eine Latrine zum Gymnaarch oder Kosmet bezeichnet wurde. sium. Ergänzend trat noch die Palästra, ein Ein Aspekt, den wir heute überhaupt nicht meist rechteckiger Hof, hinzu, der zur Vormit einem Gymnasium verbinden, ist dessen bereitung auf Kampfsportarten diente.
34 Baudenkmäler und Funde
Die Staatsagora – ein Ort der Politik 35
Staatsmarkt: Übersichtsplan mit angrenzenden Bereichen 1 2 3 4 5 6 7
Hydreion Memmiusbau Prytaneion T Temenos Banketthaus Bouleuterion Ostchalkidikum
8 9 10 11 12 13 14
Westchalkidikum Pollio-Bau Basilike Stoa Domitiansplatz Domitiansbrunnen T Tempel Domitianstempel
15 Domitiansterrasse 16 Propylon 17 Hyprekdocheion des Laecanius Bassus 18 Dorisches Propylon 19 Sog. Fontäne
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Das politische Zentrum – der Staatsmarkt In der Antike spielten die Agorai (lat. Foren) für die Urbanistik einer Stadt eine große Rolle. Sie machten eine Stadt aus. Oft waren sie zugleich politisches Zentrum und wirtschaftlicher Mittelpunkt der Stadt. In Ephesos sehen wir eine getrennte Funktion. Wir kennen den Staatsmarkt (Abb. S. 34), der sich im Einschnitt zwischen dem Bülbül Dağ und dem Panayır Dağ befindet, und die Tetragonos-Agora, die näher am ehemaligen Hafen liegt. Die ältesten Bebauungsspuren im Bereich des Staatsmarktes, die nicht zu diesem gehören, Ämter benötigen Platz ! Öffentliche Durchaus vergleichbar mit der heutigen
sind Straßenzüge aus archaischer Zeit. Parallel dazu entstand eine Nekropole, die vom 6. bis zum 4. Jh. v. Chr. genutzt wurde. Die Aufgabe der Nekropole lässt sich mit der Neuanlage der Stadt unter Lysimachos erklären. Nach antiker Tradition waren Bestattungen nur außerhalb der Stadtmauern erlaubt. Ausnahmen galten für Heroen oder Wohltäter einer Stadt, wie wir dies auch in Ephesos finden. Wie aber hat man sich den Staatsmarkt vorzustellen? Von den Dimensionen her misst er heute 160 x 58 m. Entsprechende Dimensionen sind
wichtiges Amt, das mit der zivilen Verwaltung zu tun hatte, war das des Agoranomos, der die Aufsicht über die Märkte führte und zugleich Situation ist die Verwaltung vieler antiker Städte, die in ihren Kommunalordnungen ein die Getreide- und Brotversorgung überwachte. Jedoch das prestigeträchtigste Amt der Stadt demokratisches Prinzip verankert hatten. war das des Prytanen, der als Vorsteher des Dabei wurden alle politischen Ämter und teilweise auch die religiösen nur für bestimmte Prytaneions zu verstehen ist. Hier im Prytaneion brannte das Herdfeuer der Hestia, Zeiträume durch eine Wahl vergeben, an der dessen Flammen das Leben der Stadt symbolialle stimmberechtigten Bürger der Stadt sierte. Aufgabe des Prytanen war es, das Feuer teilnahmen. Die basisdemokratische Instituzu hüten. Daneben war er verpflichtet, im Vertion war dabei die Volksversammlung, die lauf des Amtsjahres jeden Tag ein Opfertier auf zusammen mit dem Rat die Legislative in eigene Kosten bereitzustellen und kultische Ephesos bildete. Der Ort, an dem die VolksHandlungen zu organisieren. Bei einer Pflichtversammlung in Ephesos zusammenkam, verletzung musste er Strafe zahlen. Die Kosten, musste dementsprechend groß sein. Hier bot die mit dem Amt verbunden waren, bewirkten, sich als Versammlungsort das große Theater dass die Prytanen aus einem sehr engen Kreis an. Der Rat hingegen, die Boule, fand ihren der Oberschicht kamen und auch Frauen aus Sitz in einem „Rathaus“ (Bouleuterion), das diesen Familien das Amt ausübten. So ist es man vielleicht besser als Sitzungssaal umnur verständlich, dass dieses Gebäude im polischreiben kann. Sowohl hier als auch im tischen Zentrum der Stadt seinen Platz finden Theater wurden heftige Debatten geführt, die z. T. sicher auch tumultartig waren. Sowohl die musste. Daneben waren aber auch alle Kulte, Volksversammlung als auch der Rat verfügten die im offiziellen Leben eine Rolle spielten, über Grammateioi, eigentlich mit „Schreiber“ hier vertreten, so auch die Kureten, die mit zu übersetzen, die aber vielmehr die Funktion dem Artemiskult verbunden waren und hier Festmahle abhielten. von Generalsekretären innehatten. Ein
36 Die Basilike Stoa – ein eindrucksvolles Zeugnis privaten Engagements
Baudenkmäler und Funde 37
aber schon für die späthellenistische Zeit anzunehmen. Um diese Platzgröße überhaupt erreichen zu können, musste im Westen eine Stützmauer errichtet werden. In seiner ursprünglichen Form dürfte der Platz im Norden, Süden und Osten von Hallen eingefasst gewesen sein. Im Westen hingegen bildeten Einzeldenkmäler den Platzabschluss. Kommen wir zu den Hallen. Obwohl im östlichen Abschnitt des Staatsmarktes archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden, sind hinsichtlich einer Hallenanlage an dieser Seite noch keine definitiven Ergebnisse vorhanden. Blickt man auf entsprechende Pläne, so ist zwar eine Halle eingetragen, doch handelt es sich dabei um einen Analogschluss zur Südhalle. Die Südhalle war zweischiffig angelegt und in einer dorischen Ordnung gestaltet. Der Gesamteindruck im Gelände ist eher bescheiden, weil die Halle nur an ihren Enden untersucht wurde. Prägnant ist die Hallenrückwand mit einer Marmorverkleidung und einer vor ihr verlaufenden Sitzbank, die ebenfalls aus Marmor besteht. Der Zugang zur Halle und damit auch zum Platz selbst erfolgte durch zwei nachgewiesene Torbauten. Der eine liegt am Ostende und erlaubte den Zugang von der Plateia aus. Von ihm ist genug Baumaterial erhalten, um ihn zu rekonstruieren. Danach handelte es sich um einen 8,40 m breiten und etwa 8 m hohen Bau mit vorgestellten Säulen, die einen Giebel trugen. Als Dekorationselement fand sich im Giebelfeld ein Rundschild. Von der zugehörigen Torwand haben sich lediglich zwei Pfeiler erhalten. Der zweite, schlecht erhaltene Torbau liegt am westlichen Ende der Halle und öffnete sich zur sog. Domitiangasse hin. Aufgrund der Dekorationreste lassen sich der Torbau und damit wohl auch die Halle in das 2./1. Jh. v. Chr. datieren.
An der Nordseite des Platzes ist der Befund nicht so eindeutig zu klären. Die Forschung schwankt in der Aussage, ob sich hier eine einfache, einschiffige Halle oder lediglich eine Terrassenmauer befand, die parallel zur alten Prozessionsstraße verlief. Nur ein kleiner Abschnitt konnte untersucht werden, weil die Nordseite durch die eine aufwendige Säulenhalle, die Basilike Stoa, überbaut ist.
Die Basilike Stoa Eine grundlegende architektonische Gestaltung erfuhr der Staatsmarkt, als im Jahre 11 n. Chr. an der Nordseite des Platzes ein monumentaler Hallenbau errichtet wurde (Abb. S. 37). Als Stifter traten C. Sextilius Pollio und seine Familie auf. Der Besucher des Staatsmarktes sah einen zweistöckigen Hallenbau, der sich über die gesamte Länge des Platzes erstreckte. Gegenüber dem Platzniveau war er durch vier Stufen abgesetzt, wodurch seine Wirkung noch gesteigert wurde. Zum Platz hin öffnete sich die Halle mit weiten Säulenstellungen mit insgesamt 67 Säulen an der Front. Das Innere der Halle ist durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe gegliedert. Die beiden äußeren Schiffe weisen jeweils eine Breite von 4,72 m auf, während das Mittelschiff mit 6,85 m erheblich breiter ist. Das Mittelschiff war gegenüber den Seitenschiffen in der Höhe deutlich abgesetzt. Dem aufmerksamen Betrachter wird vielleicht auffallen, dass die Säulen im Inneren zwei unterschiedliche Kapitelltypen zeigen. Einmal lassen sich Kapitelle beobachten, die mit weit ausladenden Stierköpfen verziert sind, während andere Säulen korinthische Kapitelle tragen. Ursache dafür war ein Erdbeben im Jahre 23, bei dem der Bau schwer
Staatsagora. Basilike Stoa. Blick aus westlicher Richtung.
38 Baudenkmäler und Funde
... und hier wird Politik gemacht 39
Staatsagora. Blick aus südöstlicher Richtung auf das Bouleuterion und die Basilike Stoa.
beschädigt wurde. Nach dem Beben musste wohl die Rückwand der Halle neu errichtet werden und zur Verbesserung der Statik verdoppelte man die Säulenzahl im Innenraum. Die neuen Säulen erhielten dann die korinthischen Kapitelle.
Durch spätere Um- und Anbauten wurde der Bau verändert. So entstanden an den Enden der Halle im Osten und Westen Abschlussbauten, sog. Chalkidika. Der Westbau, der gelegentlich auch dem Domitiansplatz zugerechnet wird, entstand unter Nero (Kaiser 54–68). In der Spätantike wurde der Bau in eine Kirche umgestaltet. Der Ostbau stellt sich heute nur noch in seiner byzantinischen Ausprägung dar. Zu erkennen ist ein Peristylhof mit Halbsäulenpfeilern, die korinthische Kapitelle tragen und vermutlich zur Obergeschossarchitektur der Halle gehörten. Wie aber ist die Halle insgesamt zu interpretieren? Dem zuletzt erwähnten Ostbau werden monumentale Sitzstatuen des Augustus (Kaiser 23 v. Chr. – 14 n. Chr.) und seiner Ehefrau Livia zugeordnet. Außerdem lassen sich weitere Porträts und Inschriften der Halle mit der julisch-claudischen Dynastie verbinden. Daher liegt es nahe, hier eine Art Kaisergalerie anzunehmen. Die monumentale Halle verstellte aber auch den Blick auf eine Reihe von öffentlichen Gebäuden, die sich an den Hang anlehnten. Dazu zählen das Bouleuterion, das heute mit seinen Sitzstufen das Bild dominiert, der Temenos, das Prytaneion und das Banketthaus.
Das Bouleuterion – hier wurde Politik gemacht Ein wichtiger Bau im Bereich des Staatsmarktes ist das Bouleuterion, das Gebäude, in dem der Rat der Stadt zusammenkam (Abb. S. 38). Vom Platz aus wurde es nicht wahrgenommen, weil es von der Basilike Stoa verdeckt war. Von dort und der Südhalle des Temenos aus erfolgte der Zugang. Ein späthellenistischer Vorläu-
40 Baudenkmäler und Funde
Ein Heiligtum an der Staatsagora 41
Bauherr Vedius Antoninus „Die Bereitschaft zur Leistung, die Vedius Antoninus euch erweist, lernte ich weniger aus euren Briefen kennen als vielmehr aus seinen. Er informierte mich nämlich darüber, welch gewaltige Bauten er in der Stadt erstellen will, und erbat meine Unterstützung für die schönen Anlagen, die er euch versprochen hat; doch ihr verweigert ihm die gebührende Anerkennung.“ Brief des Antoninus Pius an die Bürger von Ephesos. IvE 1991. Übers.: H. Engelmann in: H. Friesinger – F. Krinzinger (Hrsg.), 100 Jahre Österreichische Forschungen in Ephesos (1999) 157–160, mit Kommentar
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ferbau ist nachgewiesen. Der aktuelle Bau wurde von P. Vedius Antoninus errichtet, der zwischen 160 und 169 als Bauherr in Ephesos aktiv war, aber keineswegs immer von seinen Mitbürgern geliebt wurde. Ein Zeugnis dafür ist ein Brief des Antoninus Pius (Kaiser 138– 161) an die Ephesier aus dem Jahre 145, der durch eine Inschrift überliefert ist (s. S. 40). Von seiner Form her entspricht das Bouleuterion einem kleinen Theater, dessen Halbrund sich gegen den Hang lehnt und etwa eine Fläche von 45 x 29 m einnimmt. Die Sitzstufen sind durch einen Umgang in zwei Zonen gegliedert und Treppen erlaubten es dem Besucher, zu seinem Sitzplatz zu gelangen. Das Gebäude bot Platz für 1500 Menschen. Dem heutigen Betrachter wird sich die Frage stellen, wieso ein Versammlungsgebäude eine so hohe Zahl an Plätzen auff wies. Es müsste doch eigentlich überdimensioniert sein, weil die Ratsversammlung der Stadt Ephesos nur 750 Ratsmitglieder zählte. Die Erklärung dafür ist relativ einfach: Neben seiner Nutzung als Bouleuterion dürfte der Bau als Odeion gedient haben, wo Lesungen
Staatsagora. Fundamente des Tempels. T
42 Baudenkmäler und Funde
Hier fand man Statuen der Artemis 43
Staatsagora. Prytaneion.
oder musikalische Veranstaltungen stattgefunden haben. Natürlich gab es aber auch politische Veranstaltungen, bei denen der Teilnehmerkreis deutlich erweitert war. So kann man hier an Loyalitätskundgebungen für das Kaiserhaus denken.
Das Prytaneion, ein kultisches Zentrum Das Prytaneion, ein Gebäudetyp, der in der griechischen Stadt nicht fehlen darf, befindet sich zumeist im Bereich der Agora und hier besonders in der Nähe des Bouleuterions, so auch in Ephesos. Im Gegensatz zu Letzterem handelt es sich nicht um einen Verwaltungsbau, sondern um einen Kultbau, in dem das Heilige Feuer brannte, dessen Repräsentantin die Göttin Hestia Bouleia war und in dem religiös begründete Festmahle stattfanden (Abb. links). Der aus augusteischer Zeit stammende Bau besteht in seinem zentralen Teil aus einem 26 x 22 m großen Säulenhof, um den sich Räume gruppieren. Der Komplex wurde in der Spätantike gründlich ausgeplündert und das Steinmaterial anderweitig verbaut. Heute stehen hier wieder sechs Säulen in dorischer Ordnung, deren Zugehörigkeit zu diesem Bau durch Inschriften – es handelt sich dabei um Listen des Kultpersonals und religiöse Texte – unzweifelhaft ist. Die Nordhalle des Säulenhofes fällt sehr breit aus und bildet zugleich den Zugang zum Prytaneion. Im rechteckigen Hauptraum des Gebäudes wurden im 3. oder 4. Jh. n. Chr. vier Säulen mit herzförmigem Querschnitt aufgestellt. Zwischen den Säulen lassen sich Reste von Ziegelmauern beobachten, die noch später als die Säulen anzusetzen sind. Die Deutung
44 Baudenkmäler und Funde
Gespeist wird immer 45
als Hauptraum ergibt sich daraus, dass in der Mitte des Raumes ein Quaderfundament festgestellt wurde. Hier lässt sich durchaus der Standort des Heiligen Feuers oder aber einer Anrichte für die bereits erwähnten Festmähler vorstellen. Nach Westen und Norden hin schließen sich weitere kleinere Räume an, die sich jedoch einer Deutung entziehen. Seit dem 2. Jh. n. Chr. wurde die Nutzung des Gebäudes erweitert, wie Inschriften und Funde belegen. So lassen sich Kulte für Apollon Manteios, den wahrsagenden Apollon, und für Demeter Karpophoros, die fruchttragende Demeter, feststellen. Eine Überraschung barg das Prytaneion: Bei den Ausgrabungen fand man drei Statuen der Artemis von Ephesos (vgl. Abb. S. 23). Die römischen Kopien des Kultbildes waren nach einem Erdbeben im 4. Jh. in dem Bau kultisch bestattet worden. Die Gründe für solche Bestattungen waren vielschichtig. In Heiligtümern kam es z. B. häufig zu einer Überfüllung des Tempelbezirks mit Weihegaben, die man pietätvoll abräumte und bestattete, um für neue Weihungen Platz zu schaffen. Ein anderer Grund besteht darin, dass man Kultbilder vergrub, um sie vor Entweihung und Zerstörung zu schützen. Die Statuen der ephesischen Artemis befinden sich heute im Museum von Selçuk. Um das Jahr 400 wurde das Gebäude von fanatischen Christen systematisch abgetragen, weil man alle Spuren heidnischer Kulte beseitigen wollte.
Das Banketthaus – gespeist wird immer Westlich des Prytaneions kam ein als Banketthaus gedeuteter Baukomplex zutage, als 1990 durch Mitarbeiter des Museums in Selçuk archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden.
Formal gesehen handelt es sich bei Banketthäusern um Gebäude, die mehrere Räume auff weisen können und sich häufig um einen Peristylhof entwickeln. Der Zuschnitt der Räume ist so, dass man Klinen (Liegen) aufstellen kann, deren Zahl schwankt. In der Deutung ist der Bautypus manchmal etwas schwierig, weil auch andere Gebäude, so etwa ein Prytaneion, für Bankette dienten. Hier in Ephesos nimmt der eindrucksvolle Bau eine Fläche von 14 x 11 m ein und vermittelt einen Eindruck des Raumes, weil die Mauern noch in einer Höhe von bis zu 3,50 m erhalten sind. Von der Ausstattung haben sich besonders im großen, repräsentativen Südsaal Reste mit Wandmalereien und einem kostbaren Marmorboden erhalten. Welche Funktion aber hatten die Gast- oder Festmähler in der antiken Welt? Hier muss man unterscheiden: In der griechischen Welt finden wir das öffentliche Gastmahl in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Anlässen. In der ursprünglichen Form war das Gastmahl u. a. ein Ausdruck der politischen und wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu einer Bürgerschaft. Wer zum Gastmahl zugelassen war, der war freier Bürger einer Stadt. Daneben nahmen auch Amtsträger und Gäste der Stadt an öffentlichen Gastmählern teil. Bezahlt wurden solche Veranstaltungen in vielen Fällen durch reiche Bürger, welche die Verpflichtung dazu übernommen hatten. Im Gegensatz zum öffentlichen Gastmahl stand das private, das Symposion. Ort war das Andron, der Männerraum im Haus, in dem Klinen aufgestellt wurden. Vor jedem Lager stand ein Tisch, auf den Sklaven die Speisen servierten. Der erste Teil wurde von der Mahlzeit gebildet, die mit einem Opfer begann. Nach dem Dessert ging man zum zweiten Teil des Symposions über, dem Trinken. Dieses war geprägt von Gesprächen und unterschiedlichsten Zerstreuungen.
In Rom hingegen war die Bedeutung öffentlicher Gastmähler eher gering. Aber über die privaten Gastmähler (convivia) sind wir gut unterrichtet. Ein farbiges, wenn auch mit Übertreibungen versehenes Bild liefert etwa die berühmte Darstellung des Gastmahls beim neureichen Trimalchio bei Petronius (Satyricon 26,7–78,8 – heute bekannter durch Federico Fellinis Verfilmung des Romans von 1969). Ort des Gastmahls was das häusliche Speisezimmer. Dort gab es 9–12 Klinen, wodurch die Zahl der Gäste in etwa vorgegeben war. Bei Mehrbedarf konnten Stühle aufgestellt werden. Die eingeladenen Gäste durften nach Absprache mit dem Gastgeber noch weitere mitbringen. Darüber hinaus brachten die Gäste ihre eigenen Sklaven mit, die die Bedienung übernahmen. Im Gegensatz zur griechischen Welt durften auch ehrbare Frauen und Kinder teilnehmen. Allerdings waren auch Damen zweifelhaften Rufes zugelassen. Das Gastmahl wurde durch ein Opfer an die Götter eröffnet und bestand aus dem eigentlichen Essen (cena) mit drei bis sieben Gängen. Ergänzt werden konnte die Veranstaltung durch ein Trinkgelage (comissatio). Begleitet wurde das Gastmahl oft durch ernsthafte Gespräche oder aber durch ein umfassendes Unterhaltungsprogramm.
Der Tempel auf dem Staatsmarkt Heute vermittelt der Staatsmarkt den Eindruck einer freien Fläche, auf der einige Architekturteile verstreut liegen. Auch in der Antike existierte keine großartige Bebauung. Lediglich im Westen des Platzes befand sich ein Tempel, der nach Ausweis der Befunde etwa zwischen 50 und 25 v. Chr. errichtet worden war. Bei dem Tempel handelte sich um einen prostylen Ringhallentempel mit 6 x 10 Säulen, der an seiner Frontseite eine doppelte Säulenstellung besaß (Abb. S. 41). Für ein Podium konnten Maße von 14,50 x 22,20 m festgestellt werden. Die Säulen waren wahrscheinlich mit korinthischen Kapitellen versehen. Eine Benennung des Tempels ist hingegen recht schwierig, weil wir uns mit seiner Entstehungszeit in einer komplizierten Geschichtsphase befinden. So dachte man etwa an einen Isistempel, der von Marcus Antonius und Kleopatra 41 v. Chr. errichtet worden wäre. Genauso möglich ist aber auch eine Deutung als Augustustempel und seit neuestem wird an ein Heiligtum für den vergöttlichten Caesar und die Göttin Roma gedacht, der vom Verein der römischen Bürger (conventus civium Romanorum) errichtet wurde.
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Und Wasser fließt ... 47
Blick von der Basilike Stoa über den Staatsmarkt auf die sog. Fontäne, eine monumentale Brunnenanlage.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Die Straße nach Magnesia im Bereich der Staatsagora und die „Domitiansgasse“ Der hier beschriebene Abschnitt der Magnesischen Straße bildet eine geradlinige Fortsetzung jenes Straßenabschnittes, der vom Magnesischen Tor aus zum Staatsmarkt führt. Auch hier fanden sich Säulenhallen. Bis gegen Ende des 1. Jhs. dürfte die Straße ihren Benut-
zern ein eher langweiliges Bild geboten haben, architektonische Höhepunkte fehlten. Gleiches gilt wohl auch für die spätere Domitiansgasse. Wer einmal im Hochsommer durch die Marmorschluchten von Ephesos gewandert ist, kann schnell nachvollziehen, warum gerade Straßen mit Brunnenanlagen architektonisch gestaltet wurden – ein Phänomen, das auch am Embolos zu beobachten ist. Neben der praktischen Funktion der Wasserentnahmestelle war es vor allem das Überlaufwasser, das das Pflaster abkühlte und die Hitze reduzierte. Daneben genoss der Ephesier noch einen psychologischen Aspekt: Das Plätschern des Wassers verhieß Ruhe, Entspannung oder, um mit dem jüngeren Plinius (epist. 5, 6, 23) zu sprechen: iucundissimum murmur, ein „äußerst liebliches Plätschern“. Ein prägnantes Denkmal an diesem Straßenzug ist die sog. Fontäne, die aufgrund ihrer Dimensionen am besten vom Staatsmarkt aus wahrzunehmen ist.
Die sogenannte Fontäne Blickt der Besucher des Staatsmarktes heute nach Süden, so sieht er dort ein mächtiges Monument, die sog. Fontäne. Dabei handelt es sich um ein monumentales Nymphaeum, das mehrere Bauphasen aufweist und mit dem sich diverse Inschriften verbinden lassen (Abb. links). Zur ersten Bauphase gehört der halbrunde Mittelteil, der als Endpunkt, Reservoir und Verteiler der Marnaswasserleitung diente. Zum Erstbestand gehörte auch eine Beckenanlage. Eine Inschrift nennt den Statthalter Calvisius Ruso Frontinus und zusätzlich die Titulatur des Domitian. So können wir die Entstehung des Bauwerks sicher in die Zeit von Mitte September 92 bis Ende Juni 93 festlegen.
48 Baudenkmäler und Funde
... aus monumentalen Brunnen 49
den (Imperator Caesar) Do¿ „Für mitianus Augustus Germanicus, pontifex maximus, Inhaber der Volkstribunengewalt zum 12. Mal, consul zum 16. Mal, imperator zum 22. Mal, censor auf Lebenszeit, Vater des Vaterlandes, und das (Kaiser-) tempelpflegende Volk der Ephesier … (Die Flüsse) Marnas und Klaseas erbaute die (Kaiser)tempelpflegende Stadt der Ephesier aus eigenen Mitteln, wobei der Proconsul Publius Calvisius Ruso die Einleitung (des Wassers) und die Einweihung (der Anlage) vornahm.“ zi. nach P. Scherrer in: G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus (2006) 50 Testimonium 5 h Im 2. Jh. wurde der Brunnen ausgebaut: Es entstanden Seitenflügel und weitere Becken. Außerdem erhielt der Bau eine Statuenausstattung. Im 4. Jh. wurde der Bau durch einen Brand zerstört, aber durch den Prokonsul L. Caelius Montis noch vor der Mitte desselben Jahrhunderts wieder hergestellt.
Das Hydrekdocheion (Wasserschloss) des Laecanius Bassus Eine weitere Brunnenanlage, das Hydrekodocheion (Abb. rechts), liegt am westlichen Ende der Magnesischen Straße, die hier nach Norden in die „Domitiansgasse“ übergeht. Sowohl der Name für den Bau als auch der des Stifters sind inschriftlich überliefert. Danach trat C. Laecanius Bassus als Stifter auf, dessen Laufbahn gut bekannt ist. Dadurch ergibt sich für die Anlage eine Datierung in die Jahre 80–82 n. Chr. Die Reste des Baus erlauben es, die Brunnenanlage zu rekonstruieren (Abb. S. 50). Teile der aufgehenden Architektur sind im Rahmen
Brunnenanlage des Laecanius Bassus. Blick aus südlicher Richtung. Im Hintergrund ist das Bouleuterion erkennbar.
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Laecanius Bassus, ein Wohltäter in Ephesos 51
Brunnenanlage des Laecanius Bassus. Rekonstruktion.
einer Revision auf dem Areal neben dem Brunnen gelagert worden. Danach handelt es sich hier um ein Gebäude mit einem U-förmigen Grundriss, der gut im Befund nachvollziehbar ist. Man kann von einem Fassadenbau mit Eckrisaliten sprechen. In die U-förmige Struktur eingeschrieben war ein rechteckiges Wasserbecken, etwa 12,52 x 8,38 m groß und ca. 1,20 m tief. Diesem Hauptbecken war ein schmales Schöpfbecken vorgelegt, dessen Vorderwand noch die Spuren einer intensiven V Nutzung zeigt. Ursprünglich war die Anlage zweigeschossig konzipiert. Die Risalite waren etwa 10,80 m hoch und bildeten mit ihrer Säulenarchitektur eine transparente Fassade. Die Rückwand bzw. Hauptfassade des Brunnens griff im Wesent-
lichen die Höhe der Risalite auf, war jedoch in der Mitte aufgrund einer Giebelkonstruktion etwas höher. Darüber hinaus lag hinter den Säulen eine geschlossene Wand, deren Existenz sicherlich mit der Statik zu tun hatte. Hinter ihr verbarg sich der Technikraum der Brunnenanlage, in dem sich noch heute die Zu- und Ableitungen des Wassers für die Wasserauslässe im ersten Obergeschoss beobachten lassen. Als die Domitiansterrasse angelegt wurde, reduzierte sich die Breite der vor dem Brunnen liegenden Straße. Damit man noch einen Blick auf die reiche Fassade werfen konnte, musste man nun auf die Terrasse hinauf. Um den Eindruck von dort zu steigern, setzte man auf die Hauptfassade eine weitere Säulenarchitektur mit Giebel, die über keine geschlossene Rück-
Blick vom Hügel Bülbül aus auf die TetragonosT Agora und das Theater von Ephesos.
Rat und das Volk von Ephesos) ¿ „(Der ehrten Gaius Laecanius Bassus, den gewesenen Proconsul, der in vielerlei Hinsicht ein Wohltäter der Stadt war und auch Sorge sowohl um die Errichtung des Hydrekdocheions als auch die Einleitung des Wassers in dieses trug. Um die Errichtung seiner Ehrungen kümmerte sich Lucius Herenius Peregrinus, der fromme Freund der Artemis und zweimalige Sekretär der Volksversammlung. Der Beschluss (für die Bewilligung der Ehrung) und die Errichtung erfolgte unter dem Sekretär der Volksversammlung Flavius Asclepiodorus.“ zit. nach P. Scherrer in: G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus (2006) 48 Testimonium 4
wand verfügte. Der Bau erreichte nun eine Höhe von ca. 16 m. Bei den Ausgrabungsarbeiten wurden zahlreiche Statuenfragmente gefunden, die zur ursprünglichen Ausstattung des Brunnens gehörten und sich heute im Museum von Selçuk befinden. Diese waren nicht nur Dekor, sondern dienten auch als wasserspendende Brunnenfiguren. Das Repertoire war reichhaltig. Neben Statuen von Angehörigen der kaiserlichen Familie und der Stifters waren Skulpturen von Meereswesen und Flussgöttern vorhanden.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Die Domitiansterrasse – ein Neubau für den Kaiserkult Schaut man auf die topographische Situation in Ephesos, so wird schnell deutlich, dass im innerstädtischen Bereich in der 2. Hälfte des 1. Jhs. kaum noch ausreichend Baugrund für Großprojekte zur Verfügung stand. Als es den Ephesiern gelang, einen weiteren überregionalen Kaiserkult, eine Neokorie, zu gewinnen, war es daher nötig geworden, einen entsprechend Bauplatz zu schaffen – koste es, was es wolle. Je mehr Kaiserkulte eine Stadt in ihren Mauern beherbergte, desto größer war ihr Prestige.
und Neokorie – ! Kaiserkult alles zu Ehren der Stadt
Die Terrasse – Unterbau und Fassade Westlich des Staatsmarktes bot sich ein Gelände an, das aber mittels Substruktionen erweitert werden musste. Die so entstandene Terrasse war 90 m lang und 50 m breit. Die Substruktionen nahmen eine 154 m lange Kryptoportikus auf, eine Bauform, die hier erstmals im Osten des Imperiums genutzt wurde.
Im Osten des Reiches verband sich der Kaiserkult schnell mit dem Begriff der Neokorie. Darunter verstand man, dass eine Stadt sich als Die kultische Verehrung eines Herrschers zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode hatte besondere Beschützerin des Kultes ihrer jeweiligen Schutzgottheit verstand. Mit Beginn des ihren Ursprung in der griechischen Welt. 2. Jhs. n. Chr. strebten vor allem die Städte der Dabei stieg der Verehrte in den Rang einer Gottheit auf. Die Intentionen, die sich mit dem Provinz Asia danach, Neokorien für den Kaiserkult zu gewinnen. Diese mussten in Rom Kult verbanden, kann man von zwei Standbeim Senat beantragt und vom Kaiser persönpunkten aus betrachten. Von Seiten des Herrschers wurde die kultische Verehrung als lich bewilligt werden. Voraussetzung einer Anerkennung war die Existenz eines KaiserMittel der Herrschaftssicherung verstanden, kultes, der nicht nur in der Stadt selbst, sonwährend die Städte in dem Kult einen Ausdern auch darüber hinaus anerkannt wurde. druck ihrer politischen Bindungen und ihrer Die Verleihung der Neokorie war damit AusSelbstdarstellung sahen. Mit dem zunehmenden Engagement Roms druck kaiserlicher Gunst und löste unter den Städten Asiens einen regelrechten Wettbewerb in der hellenistischen Welt übernahmen die Römer diese Vorstellungswelt, die schließlich aus. Ephesos konnte sich dabei gut positionieren: Sie besaß im Laufe der Geschichte insgezum Kaiserkult werden sollte. Vor allem im samt drei Tempel für den Kaiserkult, den TemOsten des Reiches erfuhr der Kaiserkult eine weitere Verbreitung, während im Westen dies pel auf dem Staatsmarkt, den Domitianstempel deutlichlich geringer ausfiel, weil man hier ein und schließlich den Tempel für Hadrian gewisses Unbehagen bei der Herausstellung ei- (Olympieion). Die beiden zuletzt genannten Bauten waren mit einer Neokorie versehen. ner einzelnen Person empfand.
ã Kryptoportikus Die Kryptoportikus dient heute als
Pseudo-Dipteros gehandelt haben muss, der 8 x 13 Säulen aufwies. Dabei stand der Tempel auf einem sechsstufigen Unterbau, der Museum, in welchem zahlreiche Inschriften 24 x 34 m groß war. Von der aufgehenden aus Ephesos aufbewahrt werden. Die SammArchitektur hat sich nichts erhalten. lung ist für diejenigen Besucher interessant, Vor dem Tempel befand sich ein Altar, der die die Inschriften lesen können. Darüber auf einem Podium stand. Eine Treppe mit hinaus sind die Räumlichkeiten nur zu sieben Stufen führte zum eigentlichen Altarbesonderen Öffnungszeiten zugänglich, die an bereich. Vom Grundriss her war er U-förder Kasse erfragt werden müssen. mig. Betont wurde diese Disposition durch jeweils zwei kleine Säulenhallen, die sich an Zur Domitiansgasse hin entstanden Tabernen, den Längsseiten des Altars befanden. Im die auch von dort zugänglich waren. Üblicher- Gegensatz zum Tempel existieren vom Altar weise pflegte man in der Antike solche Räume Dekorationsreste, Reliefplatten mit Darstellungen von Waffen, Siegeszeichen und einem für gewerbliche Zwecke zu nutzen. An dieser Stelle könnte es anders ausgesehen haben. Statt Opferstier am Altar, heute im Museum von Selçuk. Geld zu verdienen, wurden die Räume vielIn den Kontext des Tempels gehören zwei leicht für kultische Zwecke genutzt, weil hier der Prozessionsweg für Artemis vorbeiführte. Teile einer Kolossalstatue, die in den Substruktionen der Terrasse gefunden wurden. Lange Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang ging man davon aus, hier handele es sich um auf ein in diesem Bereich gefundenes Fresko ein Bildnis des Domitian (Kaiser 81–96), für mit der Darstellung der Demeter, heute im den der Tempel ursprünglich errichtet wurde. Museum von Selçuk, hingewiesen. Es wäre einem so ehrgeizigen Projekt wie der Inzwischen sieht man in ihm ein Bildnis dessen Einrichtung eines Kaiserkultes unangemessen älteren Bruders Titus (Kaiser 79–81). Als Domitian der damnatio memoriae vergewesen, wenn man die Terrassenfront nicht fiel, standen die Ephesier vor einem großen architektonisch gestaltet hätte. Zum Domitiansplatz hin war die Terrasse so hoch, dass die Problem, hatten sie doch mit dem Tempel eine Fassade mit mehreren Stockwerken gegliedert zu große Nähe zur nunmehrigen Unperson Domitian gepflegt, vom vielen Geld, das für werden konnte und hier auch eine Teilrekonstruktion erfuhr. Als Randbebauung erhielt die den Tempel ausgegeben worden war, ganz zu schweigen. Die damnatio memoriae ist die Terrasse nach Norden, Süden und Westen Tilgung der öffentlichen Erinnerung an einen Säulenhallen. Herrscher, dessen Name aus öffentlichen Inschriften und von Bauwerken und dessen Domitianstempel und Altar Bildnisse entfernt werden. Der Tempel musste umgewidmet werden. Es gelang den Ephesiern, Über den Tempel kann man nicht viel sagen, Domitian durch Vespasian (Kaiser 69–79), den weil er in spätantiker Zeit aus ideologischen Vater des Domitian und Gründer der flaviGründen abgetragen wurde. Aus den geringen schen Dynastie, im Rahmen des Kaiserkultes Resten lässt sich ablesen, dass es sich um einen zu ersetzen. Geld und Prestige waren gerettet.
54 ... und noch ein Wohltäter: C. Sextilius Pollio
Baudenkmäler und Funde 55
Domitiansplatz. Blick von der Domitiansgasse auf den Platz.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Der Domitiansplatz
Verlässt man die Staatsagora vorbei an der Domitiansterrasse Richtung Westen, so begibt man sich auf ein tieferes Geländeniveau. Hier verbreitert sich die Straße zu einem Platz, der heute als Domitiansplatz bezeichnet wird, weil ein Teil der sichtbaren Bebauung in dessen Regierungszeit fällt. Einen Gesamteindruck vom Domitiansplatz zu geben, ist nicht möglich, da der westliche Teil der Platzanlage noch nicht freigelegt wurde.
Stoa der Staatsagora auf (Abb. links). Der Unterbau enthält drei Kammern, die jeweils durch eine Tür zugänglich waren. Oberhalb dieser Türen verläuft ein durchgängiger Architrav, der einst eine Inschrift aus Bronzebuchstaben trug. Sie konnte nicht rekonstruiert werden, weil sie getilgt wurde. Vermutlich bezog sie sich auf Nero (Kaiser 54–68), der nach seinem Tod seinerseits der damnatio memoriae anheimfiel.
Das West-Chalkidikum der Basilike Stoa
Der Pollio-Bau – die Danksagung an einen Wohltäter
Beginnt man einen Rundgang auf dem Domitiansplatz, so fällt zunächst vor allem der Unterbau des West-Chalkidikums der Basilike
Ein frühes Denkmal auf dem Domitiansplatz stellt der Pollio-Bau dar (Abb. unten), der in augusteisch-tiberische Zeit datiert wird, also
Domitiansplatz. Pollio-Bau.
56 Baudenkmäler und Funde
Kaiser Domitian (81–96) 57
zwischen 23 v. Chr. und 37 n. Chr. Es handelt sich um einen rechteckigen Sockel, der gegen die Terrassenmauer des Staatsmarktes gesetzt ist. Seine Dimensionen mit einer Länge von 8 m, einer Tiefe von 6,50 m und einer Höhe 6,40 m sind beachtlich. In seinem Kern besteht das Denkmal aus opus caementitium, das mit Marmorplatten verkleidet war. Zur Front hin wies der Bau eine von Pilastern gerahmte Bogennische auf, die von den Bauinschriften in Griechisch und Latein flankiert war. Demnach wurde der Bau dem C. Sextilius Pollio von seinem Stiefsohn C. Ofilinus errichtet.
Domitiansplatz. Domitiansbrunnen.
Dabei stellte die Stadt Ephesos das Baugrundstück zur Verfügung. Dies muss man als Danksagung für verschiedene großzügige Stiff tungen des Pollio, wie etwa die Basilika auf dem Staatsmarkt, verstehen. Seit geraumer Zeit werden verschiedene Steinplatten, die zu einem Brunnenbecken gehören, diesem Denkmal zugewiesen. Das Becken lag unterhalb der oben beschriebenen Nische, die möglicherweise die Wasserversorgung aufnahm. Ob der Brunnen der ersten Bauphase zugerechnet werden kann, ist in der Forschung umstritten.
Domitiansplatz. Blick auf die Fassade der Domitiansterrasse.
Der Domitiansbrunnen
Die Apsis selbst wurde durch das Wasserbecken ganz ausgefüllt. Die Beckenvorderwand war vor die Flucht der Terrassenstützmauer geEin weiteres Denkmal auf dem Domitianszogen. Weil diese Beckenvorderwand mit 1,67 m platz ist der sog. Domitiansbrunnen (Abb. viel zu hoch war, als dass man unmittelbar aus links), der sich unmittelbar südlich an das Pollio-Monument anschließt und in die Ter- dem Becken Wasser entnehmen konnte, befanden sich in der Wand Wasserauslässe. Das Wasrassenmauer der Staatsagora integriert ist. Heute fällt der Brunnenbau vor allem durch ser, das nicht entnommen wurde, ergoss sich wohl über den Domitiansplatz. Die Wasserzuseine Rekonstruktion unter großzügiger fuhr zum Brunnen erfolgte über einen WasserVerwendung von Beton auf. Bei dem Brunnen selbst handelt es sich vom Grundriss her auslass an der Rückwand der Apsis, der an die Marnas-Wasserleitung angeschlossen war. um eine große halbrunde Apsis, die in die Von der Dekoration des Brunnens hat sich Stützmauer der Domitiansterrasse eingefügt eine Statuengruppe erhalten, die das Thema war. Ursprünglich war der Brunnen durch Odysseus/Polyphem zum Gegenstand hat. eine im Ansatz erhaltene Halbkuppel aus opus caementitium abgedeckt. Die Marmor- Die Statuen, heute im Museum von Selçuk, wurden nachträglich für die Verwendung als verkleidung des Brunnens griff auf die Außenseite der Terrasse über und bildete zu den Brunnenschmuck hergerichtet. Die Entstehungszeit des Domitiansbrunnens Seiten der Nische Pilaster aus, die über korinthische Kämpferkapitelle den großen Bo- ist durch mehrere Inschriften gesichert, die begen der Nische trugen. An den Außenseiten legen, dass dieser der Artemis und dem Kaiser gewidmet war. Danach wurde das Nymphaeum wurden die Schäfte von Pilastern, in korinthischer Ordnung und mit Rankenwerk ver- zwischen September 92 und Juni 93 n. Chr. eingeweiht. ziert, begrenzt.
58 Der Enkel des L. Cornelius Sulla errichtet ein Denkmal
Baudenkmäler und Funde 59
Die Fassade der Domitiansterrasse Im Kontext der Domitiansterrasse war schon darauf hingewiesen worden, dass die Terrassenfassade architektonisch gefasst war. An der Südseite des Domitiansplatzes richtete man unter Verwendung von viel Beton im Jahre 1975 einen sehr kleinen Teil der Fassade wieder auf (Abb. S. 57). Im unteren Bereich findet sich eine eher schlichte Säulenordnung, die ein Gebälk (Beton) trägt. Darüber liegt ein TriglyphenMetopen-Fries, der von einem Gesims bekrönt wird. Das darüberliegende Stockwerk zeigt eine aufwendigere Dekoration: hier finden sich in der Achse der unteren Säulenstellung Pfeiler, die zur Front hin als Halbrund gestaltet sind. Zwischen ihnen sind reich verzierte Verschrankungen angebracht. Die Pfeiler bilden im unteren Bereich eine dekorierte Sockelzone aus, die als Basis für Barbarenfiguren dient. Diese Pfeilerblöcke wurden sekundär bei Renovierungsarbeiten an der Tetragonos-Agora genutzt und auch dort gefunden.
Der Memmiusbau Unmittelbar am Beginn des Embolos befindet sich eine der wenigen noch hellenistischen Denkmäler der Stadt, das Memmius-Monument, ein in seiner Bedeutung noch nicht gänzlich geklärter Bau. C. Memmius war der Enkel des L. Cornelius Sulla, der nach dem ersten Mithridatischen Krieg (89–85 v. Chr.) Ephesos hart bestraft hatte. Memmius war im Jahre 34 v. Chr. Konsul und hielt sich danach vielleicht als Statthalter hier auf. Das Denkmal als solches zu erkennen und sich davon eine Vorstellung zu machen, fällt angesichts der Auff stellung der Architekturteile schwer (Abb.
rechts). Dennoch ist es möglich, aufgrund der vorhandenen Überreste das Bauwerk zu rekonstruieren. Grundlage für den Bau ist eine massive Sockelzone, auf der sich mit einem fast quadratischen Grundriss der Bau entwickelte. Über einem Stufenbau stand ein Untergeschoss, das an drei Seiten über große Ausnischungen verfügte – drei Seiten deshalb, weil nach Norden hin der Panayır Dağ eine architektonische Ausgestaltung überflüssig machte. Innerhalb dieser Nischen waren Sitzbänke angebracht. Im Aufriss zeigt dieses Geschoss oberhalb einer profilierten Sockelzone an den Eckkanten Säulen oder Dreiviertelsäulen. Auf den Wandflächen links und rechts neben der Bogennische befanden sich Pilaster und unmittelbar unter den Bögen waren Karyatiden, Stützfiguren, positioniert. Darüber muss eine Gebälkzone gewesen sein. Aufgrund neuerer Zuordnungen von Architekturteilen ist davon auszugehen, dass nun ein weiteres Stockwerk folgte, das ebenfalls nur an drei Seiten gestaltet war. Eine leichte Säulenarchitektur umschloss einen mit Reliefs dekorierten „Kernbau“, die Reliefs sind heute z. T. im Zementverbund aufgestellt. In den dort dargestellten Personen sind Familienangehörige und Personifikationen der Tugenden des Geehrten zu sehen. Oberhalb dieser Etage folgten wohl nach dem Gebälk eine Rundstruktur, die mit Girlanden und Bukranien geschmückt war. Den Abschluss bildete ein dann spitz zulaufendes Dach.
Ehrenmonument des C. Memmius aus dem 3. Viertel des 1. Jhs. v. Chr. in einer modernen Zusammenstellung.
60 Baudenkmäler und Funde
Auf der Prachtstraße durch Ephesos 61
Embolos. Das sog. Herkulestor.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Die Denkmäler am Embolos – das Gedächtnis der Stadt Die Straße, die in der Antike Embolos oder Plateia genannt wurde, wird häufig mit dem Hilfsnamen Kuretenstraße bezeichnet, der vom Fund wiederverwendeter Säulen aus dem Prytaneion ableitet wurde. Auf diesen Säulen finden sich nämlich Listen mit Namen von Kureten (Abb. unten). Der Embolos beginnt am Domitiansplatz und die Länge der Straße wird mit 210 m angegeben. Dabei überwindet die Straße eine Höhendifferenz von 20 m; das entspricht einem Gefälle von ca. 10 %. Ihr Ende findet sie am Bibliotheksplatz und als optische Begrenzung war seit dem frühen 2. Jh. n. Chr. die Celsus-Bibliothek zu sehen. Das Gefälle der Straße führte auch dazu, dass trotz der unter
Der Embolos. Blick entlang der Straße.
dem Embolos verlaufenden Kanalisation bei heftigen Regenfällen im unteren Bereich Überschwemmungen auftraten. Bislang wurden nur die eigentliche Straße, deren Breite zwischen 6,80 m und 10 m liegt, und die vorderen Partien der begleitenden Säulenhallen ausgegraben. Die Ladengeschäfte mit ihren unterschiedlichen Nutzungen, die hinter den Hallen lagen, sind noch nicht freigelegt. Besonders an der Nordseite des Embolos fand man zahlreiche Basen für Ehrenstatuen vor den Säulen. In ihnen dokumentiert sich letztendlich bürgerliches Engagement für das Gemeinwohl. Ihre Häufung erlaubt es, beim Embolos vom „Gedächtnis der Stadt“ zu sprechen, unabhängig davon, dass man sich auch
62 Baudenkmäler und Funde
Prozessionsweg für Artemis 63
hier auf den Spuren der Artemisprozession bewegt. In dieser Bewertung schließen wir uns den Ephesiern an, denen diese Straße so wichtig war, dass sie noch in der Spätphase der Stadt durch die Errichtung des sog. Herkulestores (Abb. S. 60) eine verkehrsberuhigte Zone, wenn nicht sogar eine Fußgängerzone, schufen. Jedoch sind einige wichtige Denkmäler vollständig freigelegt und konserviert worden, denen im Folgenden größere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll.
Domitiansplatz/Embolos. Hydreion, 2. Jh. n. Chr.
Vom Embolos aus erstreckte sich in Richtung des Panayır Dağ das Straßennetz. Davon in ihrem Verlauf ausgegraben sind teilweise die sog. Badegasse und die Akademiegasse.
Das Hydreion Das Hydreion ist ein Brunnen am oberen Ende des Embolos unmittelbar am Memmius-Monument und ist mit seiner Fassade zur Straße hin orientiert. Mit ihrem rückwärtigen Teil ist
die Anlage gegen den Panayır Dağ gesetzt (Abb. links). Vom antiken Laufniveau aus führte eine dreistufige Treppenanlage zum Brunnen. Im Wesentlichen bestand dieser aus einer langgestreckten, durch Mauern dreigeteilten Beckenanlage. Die seitlichen Becken sind deutlich kleiner als das mittlere. Hinter diesem befindet sich eine große Apsis, die ebenfalls ein Becken aufnahm. Die Sohle des Apsisbeckens liegt etwa 2 m über dem Bodenniveau der vorgelegten Beckenanlage. Die Abgabe des Wassers erfolgte vom Apsisbecken in die vorgelegten Schöpfbecken wohl durch Speier oder Überläufe. Im Aufriss gestaltete sich die Brunnenanlage als Fassadenbau, der von vier Säulen korinthischer Ordnung, die auf den seitlichen Mauern und den Trennmauern des Beckens stehen, dominiert wurde. Sicher ist, dass sie Ädikulen bildeten, die ursprünglich jeweils eine halbrunde Nische aufnahmen. Die bereits erwähnte von einer Halbkuppel überdachte Apsis war von Wandpilastern begrenzt. Deren nicht erhaltene Kapitelle dienten als Auflager für die Gebälke der Ädikulen. Die Anlage wird überwiegend in die augusteische Zeit datiert, weil sie wohl von der Aqua Troessitica, einer der ephesischen Wasserleitungen, versorgt wurde. Eine Renovierung der Brunnenanlage ist inschriftlich für severische Zeit gesichert. Sie erfolgte durch den Asiarchen Ti. Meander. Dabei wurden das Ziegelmauerwerk der Kuppel und der Architrav erneuert. Um das Jahr 300 wurde die statuarische Ausstattung, von der sonst nichts bekannt ist, um Statuen der Tetrarchen erweitert. Eine letzte Sanierung ist für die Zeit des Theodosius belegt.
Das Nymphaeum Traiani, ein Ausdruck der Kaiserverehrung An der Nordseite des Embolos wurde durch die österreichischen Ausgräber eine weitere monumentale Brunnenanlage freigelegt, die durch das Inschriftenmaterial als Nymphaeum Traiani identifiziert werden konnte (Abb. S. 65), zwischen 102 und 114 entstand und wiederum auf eine private Stiftung zurückgeht. Die vorhandene Bausubstanz reichte aus, den Bau recht genau zu rekonstruieren, was den Ausgräbern am Bau – im Gegensatz zur zeichnerischen Rekonstruktion (Abb. S. 64) – nicht besonders gut gelungen ist. Bei dem Bau handelt es sich um ein Fassadennymphaeum mit Eckrisaliten, vorspringenen Mauern. Die Fassade und die Risalite umschlossen ein Becken, das mit seiner Vorderfront annähernd die Flucht der Risalite auff nahm. Vor der gesamten Anlage existiert ein weiteres rechteckiges Becken. Die Wasserzufuhr erfolgte über einen großen Kanal, der in der Mitte der Fassade seinen Ausgang hatte. Der sonst massiven Rückwand der Anlage war eine aufwendige zweigeschossige ÄdikulaArchitektur vorgelegt. Wesentlicher Bestandteil der Anlage war natürlich die statuarische Ausstattung. Es fanden sich neben der in der zentralen Ädikula anzunehmenden Statue des Kaisers wohl Statuen von Angehörigen seiner Familie. Daneben waren Statuen aus dem dionysischen Umfeld, so Dionysos selbst, und weitere aus der lokalen Mythologie vorhanden. Die Statuen befinden sich heute im Museum von Selçuk.
64 Baudenkmäler und Funde
Traian (117–138) 65
Embolos. Zeichnerische Rekonstruktion des Nymphaeum Traiani.
Artemis Ephesia und den Impera¿ „Für tor Nerva Traianus Caesar Augustus Germanicus Dacicus und die Vaterstadt hat Claudius Aristion, drei Mal Asiarch und Pfleger des Tempels (der Kaiser) zusammen mit Iulia Lydia Laterane [Var?]ille, seiner Gattin, ,Tochter (der Provinz) Asia‘, Oberpriesterin (des Kaisertempels) und Prytanin Wasser durch eine Leitung in einer Länge von 210 Stadien hereingeführt und diesen Brunnenbau samt dem gesamten Bauschmuck aus eigenen Mitteln geweiht.“ zit. nach P. Scherrer in: G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus (2006) 53 Testimonium 6 a
Embolos. Nymphaeum Traiani. Aktueller Befund.
Der Hadrianstempel – ein Tempel für den Kaiser? Wer den Embolos entlanggeht, stößt auf ein Gebäude, das sich durch seine Fassade deutlich vom Erhaltungszustand des architektonischen Umfeldes absetzt (Abb. S. 66f.). Es handelt sich um einen kleinen Bau, der in der Literatur zumeist als Tempel für Hadrian (Kaiser 117–138) angesprochen wird, weil eine Bauinschrift, die P. Vedius Antoninus Sabinus als Stifter des Baues benennt, darauf hindeutet. Der Deutung wurde zwar schon recht bald widersprochen, doch alle vorgetragenen Theorien haben sich nicht als wirklich
66 Baudenkmäler und Funde
Ein T Tempel für Hadrian? 67
schlüssig erwiesen. Das Österreichische Archäologische Institut hat daher ein Forschungsprojekt zu diesem Bau angestoßen, dessen Ergebnisse noch ausstehen. Sicher ist aber, dass der Kaiserkult für Hadrian mit dem Tempelkomplex des Olympieions zu verbinden ist. Einstweilen soll aus praktischen Erwägungen heraus weiter vom Hadrianstempel gesprochen werden. Der Tempel, dessen Fassade nach der Ausgrabung in den Jahren 1957/1958 wieder aufgebaut wurde, orientiert sich zur Straße hin. Zwei Pfeiler und zwei Säulen – alles in korinthischer Ordnung – tragen Gebälk, Fries und einem sog. „Syrischen Giebel“. Hinter dieser Fassade liegt eine Vorhalle. Sowohl die Halle als auch die anschließende Cella mit einer Breite von 7,50 m und einer Tiefe von 5,00 m greifen in den Baukörper des Varius-Bades ein. Die bescheidene Größe des Tempels wird durch den reichen Bauschmuck kompensiert. So finden sich Rankenwerk, das von Fabelwesen durchsetzt ist, sowie die Darstellung einer Tyche über einem Blattkelch. Der Fries in der Vorhalle, dessen Original im Museum von Selçuk ausgestellt ist, greift mythologische Gründungsszenen der Stadt Ephesos auf. Der Bau wurde möglicherweise schon einmal in der Antike durch ein Erdbeben zerstört. Wann dies geschah, ist in der Forschung umstritten. Der Wiederaufbau erfolgte jedenfalls weitgehend mit originalem Material. Eine Ergänzung könnte der Fries in der Vorhalle sein. Ebenfalls nicht zum ursprünglichen Baubestand gehören die großen Podeste vor dem Tempel. Sie wurden um das Jahr 300 aufgestellt und trugen nach Ausweis der Inschriften Statuen des Diokletian, Constantius und Maximian Gallienus sowie des Maximanus Senior. Diese wurde allerdings später durch eine Statue des Flavius Theodosius, des Vaters des Kaisers Theodosius I., ersetzt.
Variusbad/ Scholastikiathermen – Baden in prominenter Lage An der Ecke von Embolos und Badegasse befindet sich eine Thermenanlage, die ursprünglich von Varius errichtet wurde. Es mag etwas verwundern, an so prominenter Stelle
Thermen zu finden, konnte von diesen doch erhebliche Lärmbelästigung ausgehen, so wie Seneca es im 1. Jh. n. in einem Brief beschrieb (s. S. 69). In christlicher Zeit erfolgte eine Renovierung, die sich mit dem Namen der Scholastikia verbinden lässt. In der Literatur wird der Komplex sowohl „Variusbad“ als auch
„Scholastikiathermen“ genannt. Man konnte das Bad über zwei Eingänge erreichen – von der Badegasse aus (mit großem Apsidenraum als Apodyterium und Sitzstatue der Stifterin in einer Wandnische) und vom Embolos aus, östlich des „Hadrianstempels“. Der Thermenkomplex war über eine Treppenanlage zu erreichen. Embolos. Hadrianstempel.
68 Baudenkmäler und Funde
Baden in prominenter Lage 69
Das Variusbad verfügt über die üblichen Funktionsräume römischer Thermen: Apodyterium (Umkleide), Frigidarium (Kaltbad), Tepidarium (Warmbad), Caldarium (Heißbad) und Sudatorium (Schwitzbad). Die drei Letzteren, die Warmbaderäume, verfügten über eine Hypokaustheizung (Abb. S. 70). Teilweise existierte auch eine Wandheizung. Der Betrieb der Heizung erfolgte von Praefurnien aus, die an der sog. Akademiegasse lagen. Die Räume waren mit Marmorböden und entsprechenden Wandverkleidungen versehen, und auch die Badebecken waren mit Marmor verkleidet. Embolos. Alytarchenstoa.
Die Latrine Betritt der Besucher erstmals eine antike Toilettenanlage, wird er vermutlich überrascht sein: Dicht an dicht sieht er in den besser erhaltenen Anlagen die „Sitze“ (vgl. Abb. S. 110 f.). Doch wie konnte man in so einer Latrine überhaupt seinen Bedürfnissen nachgehen, und was war mit Toilettenpapier? Der antike Nutzer war natürlich von klein auf an den Toilettenbesuch als Gemeinschaftserlebnis gewöhnt (daheim wurde, hatte man keine eigene Latrine, ein Nachttopf
benutzt). Die Latrine bot die Möglichkeit, über Gott und die Welt zu reden und auch einmal über die hohen Herren zu lästern, die die Geschicke der Stadt lenkten (oder gar den Kaiser). Die Frage nach dem Toilettenpapier bzw. dessen Ersatz lässt sich nicht ganz so einfach erklären. In der antiken Literatur taucht der Begriff des Xylospongiums auf, des Stockschwamms. Von diesem Gerät wurde lange vermutet, es habe das Toilettenpapier ersetzt und sei zum gemeinschaftlichen Gebrauch vorgesehen gewesen. Diese Vorstellung löst natürlich Irritation aus, wenn man den Aufwand in der Bauausführung und den erreichten Hygienestandard der Latrinen bedenkt. Neueste Überlegungen – angeregt durch Befunde in Ephesos – weisen in eine ganz andere Richtung. In den Abwasserkanälen von Latrinen hat man zahlreiche Scherben von Gefäßen gefunden und außerdem Reste von Eisendornen. Die Verbindung von beidem legt den Schluss nahe, dass die Ephesier wie alle ihre Zeitgenossen – ähnlich heute im Nahen und Mittleren Osten – sich nach dem erledigten „Geschäft“ unter Zuhilfenahme des Gefäßes reinigten. Das Xylospongium diente dann nur noch zur Reinigung des Gefäßes oder des Sitzplatzes. Im Stadtbild waren Latrinen so positioniert, dass eine gute Wasserversorgung gewährleistet war, weil das Konzept der Latrine auf ständiger Spülung beruhte. So ist auch die Lage einer Latrine im Kontext einer Thermenanlage nicht ungewöhnlich. Unsere Anlage ist durch die sog. Akademiegasse von den Thermen getrennt. Diese öffentliche Latrine wies an drei Seiten Hallen auf. Entlang der Hallenrückwände k verlief ein Kanal, über dem die Toilettensitze angebracht waren, zu den Füßen der Sitzenden führte eine Rinne, die Frischwasser zur körperlichen Reinigung lieferte.
wohne gerade über einem Bad; ¿ „Ich stell dir das Stimmgewirr, das Geschrei in allen Tonarten vor, am liebsten möchte man taub sein! Ich höre das Ächzen der Leute, die mit Hanteln turnen; sie stoßen kurze Pfiffe aus und keuchen angestrengt. Wenn jemand ganz still daliegt und sich massieren läßt, höre ich das Klatschen der Hand auf seinem Rücken; jeweils einen anderen Laut, wenn der Schlag der hohlen oder flachen Hand gegeben wird. Wenn dann noch jemand kommt, der nicht mit dem Ball spielen kann, ohne zu schreien, und die Schläge mit lauter Stimme zu zählen beginnt, ist es ganz aus. Dazu kommen dann die Streitsüchtigen, der Dieb, den man auf frischer Tat ertappt hat, der Schwätzer, der sich an seiner eigenen Stimme berauscht; und dann die Taucher, die sich in das Schwimmbecken stürzen, daß das Wasser nach allen Seiten spritzt. Aber diese Leute lassen wenigstens ihre natürliche Stimme ertönen. Doch vergiß nicht den Haarausreißer, der jeden Augenblick im Falsett seine Dienste anpreist und nur still ist, wenn er jemandem die Haare ausreißt; dann aber beginnt sein Opfer zu zetern. Ganz zu schweigen von dem Geschrei der Getränke-, Wurst- und Pastetenhändler sowie der Laufburschen der Kneipen, die umherziehen und ihre Ware anbieten, jeder in einer anderen Tonart.“ Seneca, Epistulae 56, 1–2
Das sogenannte Freudenhaus In der Nähe der Latrine findet sich ein Gebäude, das die örtlichen Reiseleiter gerne als „Freudenhaus“ deklarieren. Ursache dafür ist eine Inschrift auf einem Architravblock, der ein „Paidiskeion“ (Bordell) nennt. Der Block ist aber an dieser Stelle neu verbaut worden, so dass die Inschrift keinen Bezug zum Bau hat. Vielmehr handelt es sich hier um ein Wohn-
70 Baudenkmäler und Funde
Der Mythos im Stadtbild 71
haus, welches über eine reiche Ausstattung verfügte. So trugen etwa die Böden reiche figürliche Mosaiken. Dabei wäre die Existenz eines Bordells an prominenter Stelle und auch öffentliche Werbung dafür nichts Außergewöhnliches: In griechischer und römischer Zeit hatte man ein ganz anderes Verhältnis zur „käuflichen Liebe“ als heute; der Bordellbesuch war frei von moralischen Bedenken, die erst durch das Christentum aufkamen (wie man zahlreichen antiken Quellen und Schriften der Kirchenväter n entnehmen kann).
Hypokaustum im Variusbad.
Die Alytarchenstoa An der Südseite des Embolos erstreckt sich vor den Hanghäusern eine Säulenhalle, die sog. Alytarchenstoa (nach der Bauinschrift, die einen solchen Amtsträger als Bauherrn nennt). Sie erstreckt sich über eine erhebliche Länge mit einer Tiefe zwischen 4,70 m und 5,50 m. Da der Embolos nach Westen hin um etwa 2,50 m abfällt, musste die Halle diese Differenz ausgleichen. Dazu schuf man zwei durch Stufen verbundene Ebenen.
Der Boden in der Halle ist noch heute mit Mosaiken dekoriert. Die Motive sind weitgehend geometrisch, ergänzt durch Darstellungen von Vögeln und Blumen und der Abbildung eines Kantharos mit Tauben. Hinter dem Säulengang befinden sich Ladenlokale und zwei weitere Räume (2 und 2 a) am westlichen Ende der Halle, deren spätantike Nutzung noch unklar ist. Sie gehören zu einem älteren Baubestand, bei dem es sich um eine Brunnenanlage gehandelt hat. Reste der Wasserauslässe lassen sich noch beobachten. Die Halle muss vor dem Jahr 440/441 n. Chr. errichtet worden sein. Das ergibt sich aus einer Inschrift, die auf einer der Hallensäulen angebracht ist und Flavius Heliodorus als Prokonsul nennt, dessen Tätigkeit in Ephesos sicher datiert ist.
Oktogon Ein weiteres bedeutendes Denkmal an der Westseite des unteren Embolos ist das Oktogon (Achteck), ein Grabbau, in der jüngeren Forschung Arsinoë IV. zugewiesen. (Sie wurde 41 v. Chr. auf Betreiben ihrer Schwester, Kleopatra VII., in Ephesos ermordet, die sie als Rivalin sah.) Dafür spricht die Baudekoration, die auf eine Entstehung zwischen 50 und 20 v. Chr. hinweist, und dass in der von der Rückseite aus zu erreichenden Grabkammer der Sarkophag mit dem Skelett einer 15- oder 16-jährigen Frau gefunden wurde. Bei einem Geburtsdatum Arsinoës nach 69 v. Chr. würde dies passen. Die Basis des Oktogons wird von einem 9 m langen und 3,40 m hohen Sockelgeschoss gebildet, das auf einem Unterbau mit drei Stufen ruht und dekorative Profile aufweist. Auf ihm stand eine Cella mit mehrstufigem Unterbau, deren Grundriss für das Denkmal namens-
gebend sein sollte: er weist die Form eines Achtecks auf. Diese Grundrissform wurde auch von den umgebenden Säulen mit korinthischen Kapitellen aufgegriffen, die an den Ecken positioniert waren. Im unteren Bereich der Cellaaußenwand verläuft eine Sitzbank, oben in der Cella ein Bukranien-Girlandenfries. Die bereits erwähnten Säulen trugen einen Architrav, auf dem ein umlaufender Fries ruhte. Akanthusblätter wechseln sich mit Palmetten und Darstellungen von Greifenkörpern ab. Die Spitzen der Blätter und die Greifenköpfe dienten als Stützen für blockförmige Konsolen, die sich mit geschweiften Konsolen abwechselten. Bei dem Dach handelte es sich um eine ebenfalls achteckige Stufenpyramide, die von einer Kugel bekrönt wurde. Nicht zum ursprünglichen Denkmal gehören die Inschriften auf der Vorderseite des Sockelbaus: Briefe der Kaiser Valens (Kaiser 364–378), Valentian I. (Kaiser 364–375) und Gratian (Kaiser 367–383). Der lateinische Text links ist an den proconsul Asiae (Prokonsul der Provinz Aisia) Eutropius (371/372) gerichtet, bei dem es sich möglicherweise um den Historiker gleichen Namens handelt. Der Inhalt betrifft die Verteilung von öffentlichen Mitteln an die erdbebengeschädigten Städte Kleinasiens. Die zweite Inschrift (von 372) ist in Griechisch und Latein verfasst und richtet sich an den proconsul Asiae Festus. Gegenstand ist die Kostenverteilung der Provinzfestspiele auf vier Städte.
Das Heroon des Androklos – die ständige Erinnerung an den mythischen Stadtgründer Am unteren Ende des Embolos wurde zu Beginn des 20. Jhs. das bis zu einer Höhe von ca. 4 m erhaltene Heroon des Androklos ausgegraben, jedoch erst in den 90er Jahren des
72 Baudenkmäler und Funde
Mord im T Tempel: das Grab der Arsinoë 73
vergangenen Jhs. eingehend untersucht. Es liegt zwischen dem Oktogon und dem Hadrianstor. Das Heroon ist von beträchtlicher Größe (B 10,35 m; H ca. 13 m) und weist zunächst einen U-förmigen Grundriss auf, so dass man von einem Risalitbau sprechen kann. Der Bau ist in zwei Zonen gegliedert: einen massiven unteren Bereich, mit Marmor verkleidet und durch Pilaster sowie Fries dekoriert, und einen oberen Bereich mit einer Säulenarchitektur. Embolos. Hadrianstor.
Die Decke des Innenraumes, der durch die Säulenarchitektur entstand, wies eine Kassettendecke auf. Der obere Abschluss des Baus wird durch ein Giebeldach mit dreigeteiltem Tympanon gebildet. Im Giebelfeld fanden sich Kampfszenen, die unter Heranziehung von Schriftquellen (Strabon 14, 1, 21 p. 640 und Athenaios 8, 62 p. 361) mit der mythischen Gründung von Ephesos in Verbindung gebracht werden. Später wurde das Heroon in einen Brunnen umgewandelt, indem man
dem Bau ein Becken vorlegte. Von der ursprünglichen Beckenwand hat sich nichts erhalten. In christlicher (byzantinischer) Zeit wurde sie erneuert, wie etwa Kreuzmotive auf den Platten belegen. Die Wasserzufuhr erfolgte über einen schmucklosen Kanal, der im mittleren Teil der Anlage die Mauer durchbricht. Aufgrund der Keramikfunde wird für die Anlage eine Datierung in die Mitte des 2. bis Mitte des 1. Jhs. v. Chr. vorgeschlagen. In Betrieb war die Anlage bis in byzantinische Zeit und wurde dann in ein Reservoir umgewandelt.
vier Postamente gebildet, auf denen sich zur Rückseite hin Pfeiler erheben, die mit Halbsäulen dekoriert sind. Letztere finden ihre Entsprechung an der Vorderfront durch freistehende Säulen, die Kompositkapitelle tragen. Über den seitlichen Durchgängen liegt eine gerade Gebälkzone, während der mittlere Teil des Tores von einem großen Bogen überspannt war. Das zweite Geschoss wurde von vier Pfeilern gebildet, von denen die beiden inneren den Torbogen begrenzten. Die so entstandenen Zwickel waren durch Mauerwerk geschlossen. Es folgte eine weitere Gebälkzone, die das Das Hadrianstor dritte Stockwerk des Torbaus trug. Dieses bestand aus sechs Säulen mit korinthisierenden Unmittelbar hinter den Hanghäusern, befindet Kapitellen vor Pfeilern, die einen Architrav sich ein Denkmal, das Hadrianstor, das von trugen, der in der Mitte unterbrochen war, den Besuchern leicht übersehen wird, weil weil hier ein Bogen ausgebildet war. Seinen heute davon nur vier Säulen aufrecht stehen Abschluss fand das Gebäude in einem Giebel, (Abb. links). Zudem richtet sich der Blick des der sich oberhalb der vier inneren Säulen des Betrachters auf die Fassade der Celsus-Biblio- Obergeschosses entwickelte. thek, die den optischen Abschluss des EmboZwischen den Säulen der beiden oberen los bildet. Das Hadrianstor hingegen bildete Stockwerke waren Statuen aufgestellt. Vermutden Abschluss der Marmorstraße, der sich auff lich handelte es sich dabei um Standbilder der grund der fragilen Architektur aber wohl erst kaiserlichen Familie, des Stifters und von Götbeim Näherkommen dem antiken Betrachter tern. Sicher belegt ist hier ein Bildnis der Arte(und nicht nur ihm) erschlossen haben dürfte. mis, wie eine Inschrift aufzeigt. Darin rühmt Ursprünglich bestand der Bau, der vermut- sich der christliche Eiferer Demaeas, den lich schon in der Regierungszeit des Trajan „bösen Dämon“ – damit ist die Artemis ge(Kaiser 98–117) begonnen, aber erst unter meint – gestürzt zu haben. Hadrian (Kaiser 117–138) vollendet wurde, aus Der Torbau der hadrianischen Phase ging einer dreigeschossigen Konstruktion, die durch ein Erdbeben – wohl im Jahre 262 – un11,40 m breit, 16,60 m hoch und 1,50 m tief war. ter, sollte aber bald danach wieder aufgebaut Der Bau verfügte über drei Durchgänge, zwei werden. Dabei erfuhr die Architektur eine Verengere seitliche und einen breiteren mittleren änderung: Die seitlichen Durchgänge wurden über dem Straßenbereich. Sie werden durch mit Brunnenbecken zugesetzt.
74 Baudenkmäler und Funde
Schöner wohnen in Ephesos 75
Embolos. Hanghaus 2. Blick über den Komplex.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Die Hanghäuser – Beispiele des Wohnluxus in Ephesos um Peristylhöfe, die aber kaum noch nachvollziehbar sind, weil hier im Laufe der Zeit massive Umbauten erfolgten. Für den Komplex des Hanghauses 1 ist eine Nutzungsdauer vom 1. Jh. v. Chr. bis in das 7. Jh. n. Chr. festzustellen. Innerhalb des Hanghauses 1 nimmt das sog. Banketthaus eine zentrale Rolle ein, es beansprucht etwa die Hälfte der Insulafläche. Der Zugang zu diesem Haus erfolgte über eine Taberna, einen Laden, genau gegenüber dem sog. Hadrianstempel. Insgesamt ließen sich im Hanghaus 1 deutliche Anzeichen des Wohnluxus feststellen: Bäder, marmorne Wandverkleidungen, Mosaiken und Brunnenanlagen. In der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. wurde die Bebauung den veränderten Ansprüchen im Sinne eines gesteigerten Wohnluxus und Repräsentationsbedürfnisses Hanghäuser angepasst. Der Besuch des Hanghauses 2 ist auf Als sich gegen Ende des 3. Jhs. die wirtjeden Fall zu empfehlen, da es den Wohnluxus schaftliche Lage im Imperium allgemein zum der ephesischen Oberschicht verdeutlichen. Schlechteren hin veränderte und Ephesos von Für die Besichtigung des Hanghauses muss ein Erdbeben betroffen war, erfuhr auch Hanggesonderter Eintritt bezahlt werden. Dieser ist haus 1 einen Wandel. Entlang des Embolos unmittelbar dort in Landeswährung zu wurden Läden eingerichtet. Die Wohnungen entrichten und beträgt 15 TL (8 €). wurden kleiner und es entstanden Werkstätten Um die aufwendig restaurierten Malereien im Baukomplex. Allerdings sollte die Wohnund Mosaiken zu schützen, hat man im qualität ab dem 5. Jh. wieder besser werden. Hanghaus 2 eine Besichtigungsroute mit Zu beobachten ist im Hanghaus 1 auch der Wegesystem aus Edelstahl und Glas angelegt, Siegeszug des Christentums. Die Räume G das zwar nicht in alle Räume führt, jedoch und H wurden in eine Kapelle umgewandelt. einen Einblick in die nicht zugänglichen Deutlich wird dies in der Dekoration von Räume erlaubt. Architekturteilen mit dem Kreuzmotiv oder etwa durch den Fund von Fragmenten zweier Altarplatten. Hanghaus 1 Einen gewaltigen Baukomplex in Ephesos bilden die zwei sog. Hanghäuser, deren Name sich von der Lage am Hang des Bülbül Dağ her erklärt. Im Straßensystem nimmt dabei jedes Haus die Fläche einer Insula ein. Die Häuser – zwischen 1960 und 1983 ausgegraben – erbrachten so viel Befunde, dass deren Konservierung an Ort und Stelle notwendig wurde. Dies betraf vor allem das Hanghaus 2. Mit der Fertigstellung des aktuellen Schutzbaus über dem Hanghaus 2 steht dieses nun dem Besucher offen. Viele Einzelbeobachtungen in den beiden Hanghäusern erlauben einen Einblick in das soziale Leben der Stadt: Man kann hier den Wandel von der herrschaftlichen Residenz hin zu einfacheren Wohnquartieren und Gewerbebetrieben nachvollziehen.
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Das Hanghaus 1 weist eine Gesamtfläche von ca. 3000 m² auf, die sich über vier Terrassen verteilen. Die Ausgräber konnten in diesem Haus sechs Wohneinheiten freilegen. Die einzelnen Wohnungen entwickelten sich jeweils
Hanghaus 2 Das Hanghaus 2 (Abb. links) befindet sich in einem weitaus besseren Zustand. Insgesamt sieben Wohneinheiten verteilen sich auf drei
76 Baudenkmäler und Funde
Marmor und anderer Ausstattungsluxus 77
Embolos. Hanghaus 1 (links) und Hanghaus 2 (rechts) mit den unterschiedlichen Wohneinheiten.
Terrassen mit 4000 m² Grundfläche. Die Ausgräber haben bei der Nummerierung der Wohneinheiten im Süden, also im oberen Hangbereich begonnen. Dies entspricht nicht dem Weg, den der heutige Besucher zurücklegt (Abb. links). Allgemein lässt sich für alle Wohneinheiten festhalten, dass sie etwa gleich groß angelegt sind. Wie schon im Hanghaus 1 folgen die Wohnungen dem Prinzip des hellenistischen Peristylhauses. Vergleichbar ist auch die Nutzungsdauer vom 1. Jh. v. Chr. bis in das 7. Jh. n. Chr. In der Spätantike ging dem Komplex der Charakter gehobenen Wohnens verloren, der sich u. a. in Heizungsanlagen, hauseigenen Latrinen und dekorativen Brunnen gezeigt hatte. Im Westen der Insula entstanden Wassermühlen und im Nordwesten eine Werkstatt mit Steinsäge, die ebenfalls mit Wasserkraft betrieben wurde. Dass sich diese Betriebe hier einnisteten, lag unzweifelhaft an der guten Wasserversorgung der Hanghäuser. Die Werkstatt mit Steinsäge, die in das 6. Jh. datiert wird, stellt ein bedeutendes technikgeschichtliches Denkmal dar. Der Raum kann zwar nicht begangen werden, doch von der Stiegengasse aus hat man durch eine Glastür einen guten Überblick. Neben der Anlage in Ephesos existiert nur noch eine weitere in Gerasa (Jordanien). Ergänzend dazu kann noch ein Relief aus Hierapolis in Phrygien herangezogen werden, welches eine derartige Anlage zeigt. Von der aufgehenden Konstruktion – so etwa dem Wasserrad – hat sich nichts erhalten, weil es aus Holz bestand. Hingegen lassen sich Einlassspuren der Holzkonstruktion sowie diverse Kanäle und Leitungen beobachten, über die das für den Betrieb nötige Wasser herangeführt oder entsorgt wurde. Auch fand man hier noch unfertige Werkstücke.
als Marmor ! Nichts Geht man durch eine antike Stadt oder betrachtet man nur ein einigermaßen gut erhaltenes antikes Gebäude, so fällt auf, dass Marmor das Stadtbild oder die Ausstattung der Häuser bestimmt hat. Nur – nicht alles, was wie massiver Marmor aussieht, ist auch wirklich massiver Marmor. Oft wurden die Wände oder die Böden lediglich mit dem kostbaren Material verkleidet. Bei dem ungeheuren Bedarf dafür konnte der Stein nicht in ausreichenden Mengen und in gleichen Stärken per Hand geschnitten werden. Eine mechanische Lösung musste her: die mit Wasserkraft betriebene Steinsäge, die einen Marmorblock gleichzeitig in viele dünne Platten zerlegen konnte.
Die Wohneinheit 1 liegt im oberen Bereich des Hangs und wurde von Süden her von der sog. Hanghausstraße aus betreten. Ein weiterer Zugang war von der Stiegengasse 1 möglich. Allerdings führte dieser Zugang zu den Wirtschaftsräumen des Hauses. Betritt man das Haus durch den zuerst genannten Eingang, so gelangt man in ein Vestibulum, das zu einem Innenhof mit vier Säulen führt, von dem aus sich große Teile des Hauses erschließen. Innerhalb des repräsentativen Gebäudeteils sind die Räume z. T. nach ihrer Dekoration benannt worden, was es dem Besucher einfacher macht, sich zu orientieren. Die Raumnumerierung der Ausgrabungen ist zu nüchtern und erlaubt auch nicht die Identifikation. Hervorzuheben ist in Wohneinheit 1 besonders das sog. Theaterzimmer (SR 6). Hier finden sich Darstellungen aus den Komödien des Menander (342– ca. 290 v. Chr.) und aus den Tragödien des Euripides (485/84–406 v. Chr.). An der Nordwand des Raumes ist eine nicht genau zu deutende mythologische Szene dargestellt.
78 ... weil man öffentliche Ämter bekleidet: die basilika privata
Baudenkmäler und Funde 79
Möglicherweise handelt es sich um Darstellung des Kampfes zwischen Herakles und dem Flussgott Acheloos um Deianeira, die Tochter des Königs von Kalydon. Sowohl Herakles als auch Acheloos begehren sie zur Frau. In die Wohneinheit 2 gelangte man von Westen. Den Eingangsbereich bildete ein viersäuliges Atrium mit dorischen Säulen. Der repräsentative Charakter des Atriums ging aber im Laufe der Zeit verloren; es wurde Mittelpunkt des Wirtschaftstraktes. Als neuer Mittelpunkt des Hauses diente in der späten Kaiserzeit ein neunsäuliger Peristylhof (SR 22/23), der aufwendig dekoriert ist. In einer Exedra an der Südseite findet sich etwa ein Glasmosaik mit der Darstellung des Dionysos und der Ariadne in einem Weingarten, und das Bodenmosaik des Umgangs verweist in den maritimen Bereich. Dargestellt werden Triton, mehrere Hippokampen und eine Nereide. Aufwendig dekoriert war auch der Raum SR 24, der als Esszimmer (triclinium) bezeichnet wird. Auf diese Deutung weist die Bodengestaltung hin: Entlang der Wände verläuft
eine Zone, die in Weiß gehalten ist, während das Zentrum des Raumes mit Mosaiken versehen ist. Auf dem Randstreifen standen die Klinen. Dass dieser Raum eine wichtige Rolle einnahm, verdeutlichen auch die anderen Dekorationselemente. So konnten Nischen mit Marmordekration und kostbaren Glasmosaiken beobachtet werden. Ein Beispiel der veränderten Nutzung im Hanghaus 2 stellen die Wohneinheiten 3 und 5 dar. Ursprünglich bildeten sie nur eine Wohneinheit. Die Räume waren recht klein, jedoch wurde die Raumdisposition um die Innenhöfe herum beibehalten. Die Innenausstattung war wohl nicht so aufwendig. Hervorgehoben werden in der Literatur der Raum 12 und Hof 24. Im erstgenannten Raum finden sich Darstellungen der neun Musen, der um 600 v. Chr. lebenden Dichterin Sappho und des Apollon. Für die Ostwand des Hofes hatte man Porträts von berühmten Philosophen als Motive der Wanddekoration gewählt. Die Wohneinheit 4 zeigt eine nicht minder komplizierte Baugeschichte. Sicher ist, dass das Zentrum des Hauses ein offener Hof war. Zahlreiche Umbauten haben den Bereich beDie Oberschicht braucht den Luxus troffen. Die wohl nachhaltigste Veränderung „Für hochstehende Personen aber, die, bestand darin, dass der Apsidensaal der weil sie Ehrenstellen und Staatsämter bekleiWohneinheit 6 in die Strukturen der Wohnden, den Bürgern gegenüber Verpflichtungen einheit 4 eingriff. Zwischen diesen beiden erfüllen müssen, müssen fürstliche, hohe Wohneinheiten konnte zudem eine Treppe Vorhallen, sehr weiträumige Atrien und nachgewiesen werden, so dass der Schluss Peristyle gebaut werden, […] außerdem naheliegt, dass beide Wohneinheiten einen Bibliotheken, Räume für Gemäldesammlungemeinsamen Besitzer hatten. Dabei wäre gen und basilikaähnliche Hallen, die in dann die Wohneinheit 4 der Wirtschaftstrakt ähnlicher Weise prunkvoll ausgestattet sind der Wohneinheit 6 gewesen. Dieser Zustand wie die staatlichen Gebäude, weil in den wird in das 2./3. Jh. n. Chr. gesetzt. Häusern dieser Männer öfter politische Die bekanntesten Stücke der Dekoration aus Beratungen abgehalten und Urteile und Wohneinheit 4 sind die Darstellungen des Entscheidungen in privaten Angelegenheiten athenischen Philosophen Sokrates (469–399 gefällt werden.“ v. Chr.) und der als Schutzherrin der PhilosoVitruv 6, 5, 2; Übers.: C. Fensterbusch phie geltenden Muse Urania. Beide Fragmente
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Hanghaus 2, Innenansicht eines Raumes mit römischer Wandmalerei.
gehören zur ältesten Bauphase der Wohneinheit und sind heute im Museum von Selçuk ausgestellt. Die Wohneinheit 6 stellt unzweifelhaft den bedeutendsten Komplex des Hanghauses 2 dar. Dafür spricht zunächst einmal die Größe der Wohneinheit mit einer ursprünglichen Fläche von 950 m². Sie war zeitweise auch mit Wohneinheit 7 verbunden. Darüber hinaus setzt sich die Wohneinheit durch einen Raum besonders ab: den großen Apsidensaal 8. Bei ihm handelt es sich um eine basilica privata (einen großen Empfangsraum), die mit einem Tonnengewölbe versehen und über ein Atrium mit Kreuzgewölbe zugänglich war. Der Raum besaß eine marmorne Wandverkleidung und eine Stuckdecke mit dionysischen Themen. Diese Dekoration mag zugleich als Brücke zum Besitzer dieser Wohneinheit gelten. Aus einer im Peristyl gefundenen Inschrift ist ein C. Flavius Furius Aptus als Eigentümer bekannt. Dieser gehörte im ausgehenden 2. Jh. zu den Notablen von Ephesos, die im Dionysos-
kult eine wichtige Rolle spielten. Darüber hinaus war er mindestens einmal verantwortlich für die Durchführung der ephesischen Olympien, musischen und athletischen Wettkämpfen, die seit hadrianischer Zeit alle vier Jahre durchgeführt wurden. Die Wohneinheit 7 weist eine Grundfläche von 900 m² auf. Sie ist ganz konventionell um einen Peristylhof angelegt. Im Gegensatz zu Wohneinheit 6 diente sie ausschließlich einer privaten Nutzung. Eine der interessantesten Fundgruppen dieses Hauses wurde in einer Exedra am Peristyl gefunden. Es handelt sich dabei um Büsten des Augustus, der Livia und des Tiberius. Der Wohneinheit 7 werden Räume zugewiesen, die nach Norden hin auf einer tieferen Terrasse liegen. Sie wurden bis in die Spätantike hinein noch als Wohnräume genutzt. In Raum 45 b konnten Wandbilder freigelegt werden, die vielleicht dem 3./4. Jh. zugerechnet werden müssen. Sie greifen wohl Themen aus den „Metamorphosen“ des Apuleius von Madaura (125–ca. 180) auf.
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Das Wahrzeichen von Ephesos 81
Bibliotheksplatz. Blick auf die Fassade der Celsus-Bibliothek.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Das Bibliotheksviertel
Der Name „Bibliotheksviertel“ ist eine moderne Bezeichnung, die aber durchaus das Wesen des Platzes in seiner heutigen Erscheinungsform trifft. Vor der Entstehung der Celsus-Bibliothek existierten hier andere, heute nicht mehr erkennbare Strukturen, die vom Verlauf der älteren Prozessionsstraße mit geprägt waren.
Die Celsus-Bibliothek – Bildungsstätte und Grabmal Die Celsus-Bibliothek (Abb. links) bildet einen architektonischen Höhepunkt im Stadtbild von Ephesos. Dies liegt vor allem am Wiederaufbau der Fassade mit weitgehend originalen Bauteilen. So vermag sie auch, dem heutigen Betrachter annähernd den Eindruck zu vermitteln, den auch der Besucher der Stadt in der Antike von diesem Gebäude hatte.
war Celsus? ! Wer Tib. Iulius Celsus Polemaeanus war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in Ephesos. Er stammte vermutlich aus einer ritterlichen Familie in Sardes (TR). Unter Vespasian begann seine politische Karriere in Rom, die ihm im Jahre 92 n. Chr. das Amt des consul suffectus (ein im Laufe des Jahres nachgewählter Konsul) und daraufhin das Amt des Kurators für öffentliche Gebäude brachte. Schließlich war er aber 105/106 als proconsul Asiae in Ephesos tätig. Nach dem Ende seiner politischen Laufbahn ließ er sich hier nieder, da es familiäre Bindungen gab: Er war verschwägert mit Aristion und Varius, die ebenfalls als Wohltäter der Stadt in Erscheinung traten. Da er sich als Wohltäter erwiesen hatte, durfte er später innerhalb der Stadt bestattet werden.
82 Baudenkmäler und Funde
Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus 83
und Lesen in der Antike ! Schreiben In einer so hoch entwickelten Gesellschaft wie der römischen waren zumindest elementare Kenntnisse im Schreiben und Lesen für den freien Bürger eine unabdingbare Notwendigkeit. Vom Staat selbst ging keine Initiative aus, um diese Kenntnisse zu vermitteln; sie waren Privatsache. Während die Kinder der wohlhabenden Familien von Privatlehrern betreut wurden, mussten die Kinder aus normalen Familien für kleines Geld einen Gemeinschaftsunterricht besuchen, der, wie wir aus den Quellen wissen, manchmal von drakonischen Erziehungsmaßnahmen begleitet war. Immerhin reichte das Vermittelte aus, um einen Alphabetisierungsgrad zu erlangen, der in mitteleuropäischen Ländern erst nach der Mitte des 18. Jhs. (z. B. durch die Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen) erreicht wurde. Vor diesem Hintergrund kann man auch die Bedeutung von Bibliotheken in der römischen Welt besser verstehen, selbst wenn man davon ausgeht, dass der kleine Handwerker oder Händler von Nebenan kaum so viel Wissbegierde besaß, um in die Bibliothek zu gehen.
Der aufwendige Bau wurde von Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus gestiftet, doch die weitgehend erhaltene Bauinschrift nennt C. Iulius Aquila, den Sohn des Celsus als Ausführenden. Diese Stiftung einer Bibliothek darf man aber nicht isoliert sehen, schließlich hatte Trajan (Kaiser 98–117) nur wenige Jahre vorher im Bereich seines gewaltigen Forums in Rom ebenfalls zwei öffentliche Bibliotheken gestiftet. Über diesen Aspekt hinaus lassen sich noch andere Parallelen zwischen dem Kaiser und Celsus ziehen. In Rom gingen die Forumsbibliotheken eine enge Verbindung mit dem
Grabmal des Kaisers im Sockel der nach ihm benannten Säule ein; auch Celsus verstand die Bibliothek als repräsentativen Rahmen für sein Grab, das unter dem Gebäude liegt. Vom Innenraum der Biliothek aus konnte schon der antike Besucher der Bücherei durch zwei Öffnungen einen Blick auf den Sarkophag werfen. Blicken wir zunächst auf die allgemeine topographische Situation. Der Bau befindet sich an einem kleinen Platz, dessen Laufniveau unterhalb des umliegenden Geländes liegt. Städtebaulich gesehen bildet der Platz ein Verbindungsglied zwischen Embolos und „Marmorstraße“. Zugleich wird von ihm aus die Tetragonos-Agora durch das Tor des Mazaeus und Mithridates zugänglich. Dem Besucher erschließt sich der Bau schon aus der Ferne, wenn er den Embolos hinabgeht. Er nimmt die zweigeschossige Fassade mit ihrer korinthischen Ordnung wahr. Aber erst beim Erreichen des Platzes vermag man den Bau in seiner gesamten Höhenentwicklung optisch zu erfassen. Eine Freitreppe mit acht Stufen zwischen Mauerwangen führt hinauf zur Bibliotheksebene. In die Treppe integriert waren an den Seiten jeweils Postamente, die durch Inschriff ten die Laufbahn des Stifters darstellten. Die Fassade ist mit einer aufwendigen Säulenarchitektur versehen, die sich über zwei Stockwerke erstreckt. Im ersten Stockwerk – man kann es auch als Erdgeschoss bezeichnen – befinden sich vier Säulenpaare, bei denen die Säulen auf Podesten stehen. Sie bilden Ädikulen aus, d. h. jeweils ein Paar trägt ein reich verziertes Gebälk, das mit der dahinterliegenden Wand verbunden ist. In der
Bibliotheksplatz. Grab des Dionysos Rhetor.
84 Baudenkmäler und Funde
Auferstanden aus Ruinen 85
Bibliotheksplatz. Tor des Mazaeus und Mithridates (Südtor der TetragonosT Agora).
Fassadenwand sind Rechtecknischen. Die Säulenordnung des zweiten Stocks bildet ebenfalls Ädikulen aus. Sie greift dabei aber einen anderen Rhythmus auf. Hier befinden sie sich über den Eingängen zur Bibliothek und betonen sie. Die beiden äußeren Ädikulen sind mit Kreissegmentgiebeln versehen, während die mittlere einen dreieckigen besitzt. Hinter der Säulenordnung ist die Außenwand des Bibliotheksbaus durch Türen und Nischen gegliedert. In den vier unteren Nischen stehen Statuen, die inschriftlich benannt sind. Es handelt sich dabei um die Personifikationen der Weisheit (ΣΟΦΙΑ=Sophía), der Tugend (ΑΡΕΤΗ= Areté), des Verständnisses (ΕΝΝΟΙΑ=Énnoia) und des Sachverstandes (ΕΠΙΣΤΗΜΗ=Epistéme). Bei den heute auff gestellten Statuen handelt es sich um Abgüsse; die Originale befinden sich im Ephesos-Museum in Wien. Die reiche Fassade war aber nicht zweckfrei konzipiert. Sie erfüllte wichtige Funktionen, indem sie die Schriften vor übertriebenem Lichteinfall und vor Feuchtigkeit mit schützte. Ein Gang war dem eigentlichen Bibliotheksraum vorgelegt. Von dort aus konnte der Besucher durch drei große Türen den Lesesaal betreten. Die Türen waren aufwendig gerahmt und von reich dekorierten Pilastern flankiert. Oberhalb der Türstürze befanden sich rechteckige Fenster, die durchbrochene Marmorplatten aufwiesen. Der Innenraum wurde durch drei weitere Fenster im Obergeschoss beleuchtet. Betrat man den Raum, der 16,72 m breit und 10,92 m tief war, so nahm man eine eindrucksvolle zweigeschossige Säulenarchitektur wahr, die auf einem Podium ansetzte. Die obere Säulenarchitektur bildete nochmals eine Galerie aus, so dass man von drei Ebenen sprechen kann. Genau in der Achse des mittleren Eingangs befindet sich eine große halbrunde Nische oder Apsis, die bis in die obere
86 Baudenkmäler und Funde
Freigelassene des Kaisers bauen! 87
Raumzone reichte. In den Seitenwänden und der Rückwand befanden sich rechteckige Wandnischen, die zur Aufbewahrung der Bibliotheksbestände dienten. Der Besucher wird unmittelbar hinter den Fassadenmauer links und rechts jeweils Türen entdecken, die zu schmalen Gängen, deren Breite bei 1,10 m liegt, führen. Diese Gänge haben vor allem eine Funktion: Sie sollten das eigentliche Mauerwerk des Bibliotheksraums und so die Bestände vor Feuchtigkeit schützen. Diese Gänge nahmen vielleicht hölzerne Treppen auf, die zu den oberen Etagen führten. Auf eine aufwendige Gestaltung konnte man hier verzichten, weil vermutlich nur das Bibliothekspersonal Zugang hatte und dort gelagerte Schriften auf Bestellung den Schränken entnahm. Darüber hinaus führt der Gang rechts zur Grabkammer des Celsus, die unterhalb der Apsis liegt. Die Celsus-Bibliothek wurde im Jahre 262 n. Chr. durch einen Brand weitgehend zerstört. Erhalten blieb jedoch die reich gegliederte zweigeschossige Fassade mit ihren Ädikulen und die statuarische Ausstattung. Im 4. oder 5. Jh. wurde die Bibliotheksfassade in ein Nymphaeum umgebaut. Die drei Eingänge zum Bibliotheksraum wurden zugemauert, und aus statischen Gründen hinterfüllte man die Fassade im unteren Bereich mit Bauschutt und für die Vorderfront der Beckenanlage nutzte man Friesplatten des sog. Parthermonuments. Sie wurden auf die unterste Stufe der Freitreppe gesetzt. Einem minimalistischen Prinzip folgend, dienten die alten Treppenwangen der Bibliothekstreppe als Seitenwände des Beckens. Weil die Platten der Beckenvorderwand eine Höhe von mehr als 2 m aufweisen, war eine praktische Nutzung kaum möglich. Lediglich in der Mitte der Beckenvorderwand hatte man eine halbrunde Einziehung vorgenommen, in der sich ein Wasserspeier be-
fand. Im Rahmen der Umgestaltung wurde die Fassade mit einem weißen Anstrich versehen. Die Statuenausstattung wurde erweitert, weil neue Nischen entstanden waren.
Das Grab des Dionysos Rhetor – auch ein Philosoph verdient ein besonderes Begräbnis Unterhalb der spätantiken Rampe, die vom Embolos bzw. von der Marmorstraße auf das Niveau des Bibliotheksplatzes führt, konnte eine Grabkammer freigelegt werden (Abb. S. 83). In ihr befand sich noch ein Girlandensarkophag, dessen Inhaber durch eine Inschrift identifiziert werden konnte. Es handelt sich dabei um T. Claudius Flavianus Dionysos Rhetor, einen bekannten Sophisten aus hadrianischer Zeit. Philostratos (ca. 170–ca. 245), der u. a. zwei Bücher über Lebensbilder von Sophisten verfasste, berichtet davon, Dionsyos Rhetor sei auf der Agora bestattet worden.
Der Rundbau (Monopteros) – Brunnen oder Wasseruhr? Ein weiteres Denkmal im Bibliotheksviertel besteht aus einem Rundbau, der vor der Schmalseite der Neronischen Halle liegt, zu der eine Freitreppe führte und das Grab des Dionysos Rhetor überlagerte. Unstrittig ist die Form des Rundbaus: Es handelte sich um einen Monopteros. Es gab nur einen Säulenkranz, der hier aus sechs Säulen mit Kapitellen bestand, die Gebälk und Kegeldach trugen. In situ ist vor allem das Kegeldach auffällig. Hinsichtlich der weiteren Deutung existieren sehr unterschiedliche Meinungen. Sie reichen von einem Brunnenbau bis zu einem Horologion, einer mit Wasser betriebenen Uhr.
Das Tor des Mazaeus und Mithridates (Südtor der Tetragonos-Agora) Neben der Celsus-Bibliothek fällt besonders das Tor des Mazaeus und Mithridates, zweier Freigelassener des Kaiserhauses, auf (Abb. S. 84). Dieses Denkmal wurde weitgehend mit Originalmaterialien zwischen 1979 und 1988 wieder aufgerichtet. Bei dem Torbau lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden. Die erste Phase gehört in das Jahr 4/3 v. Chr., wie die Bauinschriften in griechischer und lateinischer Sprache belegen. Danach errichteten Mazaeus und Mithridates das Tor zu Ehren des Augustus, seiner Frau Livia, des Schwiegersohns M. Agrippa und der Tochter Julia. Der Torbau, der wie ein Ehrenbogen wirkt, besitzt drei Durchgänge, die von Bögen überspannt sind. Statt einer geraden Fassadenlinie ist der mittlere Teil zurückgenommen. Die zum Bibliotheksplatz hin orientierte Fassade zeigt eine Gliederung mit schlichten Pilastern, die nach oben hin mit Kapitellen abschließen. Diese tragen einen Dreifaszienarchitrav, dem nach oben hin Rankenfries und Zahnschnittgesims folgen. Es schließt sich ein reiches Abschlussprofil an, das u. a. ein Flechtbandmotiv zeigt. Auf dieser Konstruktion befindet sich ein Attikageschoss, das wohl ursprünglich den Standort für Statuen von Angehörigen der kaiserlichen Familie bildete.
Über das ursprüngliche Aussehen der Fassade auf der Agoraseite lässt sich nichts mehr sagen. Sie wurde in der zweiten Bauphase noch im frühen 1. Jh. n. Chr. verändert. Eine aufwendige Dekoration ist aber auszuschließen, da das Tor in die Strukturen des Agora eingebunden war. Steht man vor dem Tor, so wirkt der Bau bei weitem nicht so kompakt, wie man es sonst von römischen Torbauten kennt, weil die einzelnen Tordurchgänge durch Türen untereinander verbunden sind. So entstanden keine großen geschlossenen Mauerflächen. In den äußeren Wänden der Schmalseiten sind Reliefs der Hekate, einer aus Karien stammenden Göttin, angebracht, die neben zahlreichen anderen Zuständigkeitsbereichen auch als Hüterin von Eingängen und Wegkreuzungen fungierte. Umgebaut wurde in der zweiten Bauphase das Bodenniveau des Tores: Es wurde angehoben, weil es sich zeigte, dass bei starken Regengüssen das Ablaufwasser des Embolos hierhin flutete und die Agora unter Wasser setzte. Außerdem waren hier unterirdische Kanäle vorhanden, die das Wasser kontrolliert abführen sollten. Zur ersten Bauphase gehörten auch zwei Flügelbauten, die zweigeschossig angelegt waren. Es handelte sich vermutlich um die Gräber der Stifter. Als die Tetragonos-Agora im 1. Jh. n. Chr. umgebaut wurde, musste der östliche Anbau verkleinert werden, während der westliche, der dem Mazaeus zugeschrieben wird, spätestens dann abgerissen wurde, als die Celsus-Bibliothek entstand.
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Dem Handel sein eigener Platz 89
T TetragonosAgora. Blick nach Westen.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Die Tetragonos-Agora und die „Neronische Halle“ Mit dem Tor des Mazaeus und Mithridates haben wir bereits einen Bestandteil der Tetragonos-Agora kennengelernt. Der Name ist inschriftlich überliefert. Die Anlage diente als Handelsmarkt (Abb. links und S. 91). Diese Funktion darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass an diesem für die Handelsstadt so wichtigen Ort die politischen Eliten der Kaiserzeit einen passenden Rahmen der Selbstdarstellung fanden, wie eine Reihe von Inschriften belegt. Das, was wir heute hier sehen können, ist ein spätantiker Bauzustand. In der Disposition folgt er aber der Planung aus augusteischer Zeit. Ihren Ursprung hatte die Tetragonos-Agora bereits in lysimachischer Zeit. Die Agora wurde in einem flachen Talbereich westlich der Marmorstraße angelegt. Die Wahl dieses Platzes war sicherlich gut durchdacht, weil es von hier aus nicht weit bis zum Hafen war. Allerdings musste für den Bau eine dörfliche Siedlung geschleift werden, die bis in das 7. Jh. v. Chr. zurückreicht. Die Befunde konnten mit dem Dorf Smyrna in Verbindung gebracht werden, das von den aus Ephesos stammenden Dichtern Kallinos (ca. 1. Häfte 7. Jh. v. Chr.) und Hipponax (ca. 541–500 v. Chr.) erwähnt wird. Außerdem wurden bei Tiefgrabungen Gräber aus archaischer und klassischer Zeit nachgewiesen.
Dimensionen der Anlage klären können. Danach war der Agorakomplex etwa 70 x 100 m groß. In der Anfangsphase wurde der Platz lediglich durch freistehende Gebäude, Magazine und Hallenbauten begrenzt. Schließlich entstand eine geschlossene Rahmung durch Hallen. Eine Neugestaltung der Agora erfolgte etwa 20–10 v. Chr., wobei man einen vollständigen Neubau durchführte. Unterstützt wurde dieses Vorhaben durch den Verein der römischen Kaufleute in der Provinz Asia, der sich aber möglicherweise bei diesem Projekt übernommen hatte. Als im Jahre 23 n. Chr. ein schweres Erdbeben die Stadt heimsuchte, war die Agora nämlich noch nicht fertiggestellt. Gegenüber dem hellenistischen Vorläufer wurde zunächst einmal das Niveau um 1,50 m erhöht und darüber hinaus das Gelände im Südwesten aufgeschüttet. So entstand ausreichend Raum für die 154 x 154 m große Anlage. Das Zentrum bildete ein quadratischer Platz mit einer Seitenlänge von 111 m. An allen Seiten war er von einer zweischiffigen Säulenhalle eingefasst, hinter der sich an jeder Seite noch eine Reihe von Kammern anschloss. Einige der Kammern besaßen ein Zwischengeschoss, das entweder dazu diente, den Lagerraum zu vergrößern, oder aber als einfacher Wohnraum genutzt werden konnte. Die Halle war vermutlich an allen Seiten zweigeschossig ausgeführt und von einer dorischen Ordnung geprägt. Nach der Katastrophe von 23 wurde sofort Einen sehr guten Überblick über die mit dem Neubau begonnen. Dabei griff man Tetragonos-Agora hat man von einer auf den ursprünglichen Grundriss zurück. Aussichtsplattform im Bereich der „NeroniPlanungsfehler aus der vorangegangenen Bauschen Halle“, die von der Marmorstraße aus phase wurden beseitigt, indem etwa das Lauff zugänglich ist. niveau des Mithridates-Tores angehoben und Das Niveau der hellenistischen Agora liegt bis eine Wasserführung eingerichtet wurde. So zu 3 m unterhalb des aktuellen Laufniveaus. Da- überschwemmte das ablaufende Regenwasser vom Embolos her die Agora nicht mehr. her kann man von den frühen Bauten heute Der wichtigste Eingang zur Tetragonosnichts mehr sehen. Ausgrabungen in den Jahren 1977–1986 haben aber die Entwicklung und die Agora war das zum Hafen hin orientierte
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90 Die TetragonosT Agora und die „Neronische Halle“
Baudenkmäler und Funde 91
Westtor. Dessen ursprüngliche Planung und Ausführung lässt aber am Sachverstand des Architekten zweifeln. Er errichtete nämlich einen 17 m breiten Podiumsbau als Angleichung an des Platzniveau der Agora, dem er eine zehnstufige Freitreppe vorlegte, die seitlich von Risaliten eingefasst war. Das Aufgehende wurde weitgehend von einer leichten Säulenarchitektur ionischer Ordnung gebildet, die eine Torwand mit einem Durchgang aufnahm. Sitzbänke und Statuen komplettierten das Tor. Hübsch anzuschauen, aber wenig funktionell! Aufgrund der Treppen war es unmöglich, mit Fahrzeugen Waren auf den Markt zu bringen. Gegen Ende des 1. Jhs. ließ ein Kaufmann aus Alexandria das Tor umbauen. Vermutlich entstanden zwei weitere Tordurchgänge und an den Seiten Rampen, wie sie sich in der spätantiken Bauausführung auch finden. Endlich war der reibungslose Lastentransport möglich. Schließlich gibt es noch das Nordtor. Dieses konnte in seiner baulichen Ausführung mit den anderen Torbauten nicht mithalten. Der Neubau wurde mit Sicherheit erst nach und nach fertiggestellt und erfuhr vermutlich auch Planänderungen. Statt einer zweigeschossigen Oststoa entstand hier eine zweischiffige Halle dorischer Ordnung, die vermutlich als Gerichtsgebäude diente. Ob man diese Halle der Tetragonos-Agora zurechnen kann, bleibt zu diskutieren, weil ein Zugang vom Bibliotheksplatz und einer von der Marmorstraße aus erfolgte. Datiert wird der Bau in die Regierungszeit Neros (Kaiser 54–68), sicher aber vor 58. Er trägt in der Literatur den Namen „Neronische Halle“. Die Baumaßnahmen an der Agora zogen sich noch bis in das frühe 2. Jh. hin. Nachdem um die Mitte des 4. Jhs. eine Reihe von schweren Erbeben Ephesos erschüttert hatte, scheint die Tetragonos-Agora so stark in
Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, dass unter Theodosius I. (Kaiser 379–395 ) die Anlage nicht restauriert, sondern vollständig erneuert wurde, sieht man von der „Neronischen Halle“ ab. Auch hier wurde der Grundriss beibehalten. Jedoch war der Neubau wesentlich einfacher gehalten. Es gab nur noch eingeschossige Hallen und das Baumaterial bestand aus Spolien. Material aus anderen zerstörten Bauten, vor allem aber von Gebäuden, die nicht den ideologischen Vorstellungen des fanatischen Christen Theodosius entsprachen, wurden hier verbaut. Unterschiedlichste Säulenschäfte und Kapitelle geben sich ein Stelldichein. Der Bruch mit der Vergangenheit wird auch darin deutlich, dass die Anlage nunmehr nach Ausweis einer Inschrift den Namen forum Theodosii führte. Diese Inschrift hat allerdings in jüngster Zeit dazu Anlass gegeben, die Datierung in die Regierungszeit Theodosius’ I. zu revidieren und generell der theodosischen Dynastie, also dem Zeitraum von 379 bis 450, zuzuweisen. Weitere bauliche Veränderungen erfolgten noch im 6. Jh. Spätestens zu Beginn des 7. Jhs. verlor die Agora an Bedeutung, weil sie nun außerhalb der Stadtmauern lag. Der endgültige Verfall setzte aber erst im 9. Jh. ein. Wie hat man sich aber den Betrieb auf der Agora vorzustellen? Die Kammern kann man sich unschwer als Lagerräume oder Ladenlokale vorstellen. Darüber hinaus wird das innere Säulenschiff, also unmittelbar vor den Läden, ebenfalls als Verkaufsfläche gedient und manches Verkaufsgespräch erlebt haben, während das hofseitige Schiff der Halle wohl ausschließlich als Laufweg genutzt wurde. Selbstverständlich diente auch die Freifläche des Hofes dem Handel.
Übersichtsplan des Bibliotheksviertels und der TetragonosT Agora 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Hadrianstempel Variusbad/Scholastikia-Thermen Latrine und sog. Freudenhaus Alytarchenstoa Hellenistischer Brunnen Oktogon Heroon des Ktistes Androklos Hadrianstor Hanghaus 1 Hanghaus 2 Celsus-Bibliothek
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Tor des Mazaeus und Mithrifates Grab des Dionysos Rhetor Rundbau (Monopteros) Marmorstraße T Tetragonos-Agora Neronische Halle Agora-Westtor (Richtung Hafen) Agora-Nordtor Weststraße Serapeion (?)
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Das „Serapeion“
Unmittelbar an die Tetragonos-Agora schließt sich ein im ersten Drittel des 2. Jhs. entstandener Tempelbezirk an, der vielleicht dem aus Ägypten stammenden Gott Serapis (oder Sarapis) geweiht war. Die Deutung ist nicht unumstritten. Aufgrund der Befunde – Wasseranlagen im Tempelbereich – könnte man auch an einen Heilgott denken. Zwischen Agora und Tempelkomplex bestand wohl zunächst keine direkte Verbindung. Für die spätantike Zeit ist jedoch eine Treppe in der Südwestecke der Agora belegt, die zum Tempelbereich führte. Der Hauptzugang erfolgte von der „Weststraße“. An einem Hangausläufer des Bülbül Dağ wurde dazu ein Bauplatz geschaffen, indem man einerseits Felsabarbeitungen vornahm, andererseits Terrassierungsmaßnahmen durch Geländaufschüttungen durchführte. Dabei wurden ältere Baureste überlagert. Die so entstandene Terrasse war etwa 75 x 100 m groß und orientierte sich mit ihrer Schmalseite zur „Weststraße“ hin. Zwischen deren Niveau und dem Laufniveau der Terrasse bestand ein Höhenunterschied von rund 4 m. Um diese Höhendifferenz zu überwinden, legte man eine monumentale Freitreppe an. Entlang der Terrassenkanten verliefen zweigeschossige, durch Pultdächer abgedeckte Hallen, die etwa 6 m tief waren und eine Trauff höhe von 15 m aufwiesen. Marmor fand als Dekorationselement mindestens im Erdgeschoss Verwendung. Entsprechend der Säulenstellungen war die Rückwand der Hallenarchitektur durch Pilaster gegliedert. Säulen und Pilaster wiesen eine korinthische Ordnung auf. In der nördlichen Hälfte des so gerahmten Platzes befindet sich der Tempel. Es handelt sich bei ihm um einen 29,20 x 36,70 m großen
Podiumstempel, zu dem eine in zwei Absätzen gegliederte Treppenanlage hinaufführt. Seine Front wurde durch acht Säulen korinthischer Ordnung gebildet, deren Höhe zwischen 14 und 15 m lag. Sie korrespondierten – wie in der Hallenarchitektur – mit Pilastern korinthischer Ordnung an der Frontseite der Cella. Auf den Säulen ruhte ein reiches Gebälk, das den Giebel trug. Die aus lokalem Kalkstein mit opus caementitium errichtete Cella war mit einem Tonnengewölbe abgedeckt. In den Längswänden finden sich auf jeder Seite sechs kleine Nischen sowie an der Südseite zwei weitere, die eine größere Nische flankieren. Alle Nischen führten Wasser und gaben dieses in einen Ringkanal ab, der sich im Cellaboden befindet. Die Nische in der Mitte der Südwand nahm das Kultbild auf. Bisher konnten zwei sehr schmale Seitenschiffe mit einer Durchgangsbreite von 1,23 m in der Cella beobachtet werden. In deren Außenwänden fanden sich ebenfalls Nischen, fünf an der Zahl. Es konnten auch Treppenreste festgestellt werden, doch ist unklar, zu welchen Strukturen sie führten. Ergänzt wurde das Aussehen des Heiligtums durch Weihgaben, die auf dem Hof aufgestellt waren. Um die Mitte des 4. Jhs. wurde der Tempelkomplex durch eine mit einem Erdbeben verbundene Brandkatastrophe stark zerstört. In der Regierungszeit Theodosius’ I. wurden Baumaterialien für eine weitere Verwendung abtransportiert und die Cella des alten Tempels in eine Kirche umgewandelt. Während des Mittelalters ging die Kirche, die vielleicht Johannes geweiht war, durch ein Erdbeben unter.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Entlang der Marmorstraße
Vom Bibliotheksplatz aus entwickelt sich parallel zur Tetragonos-Agora nach Norden die sog. Marmorstraße. Der Name leitet sich davon ab, dass im 5. Jh. die Straße eine Pflasterung aus Marmorblöcken erhielt. Sie war seit der Kaiserzeit eine der Hauptstraßen. Noch heute deutlich zu erkennende Spurrillen von Wagen im Pflaster belegen eine sehr intensive Nutzung. Daneben kommt ihr eine weitere Funktion zu, indem sie mit der Neugestaltung der Tetragonos-Agora, die nun die alte Prozessionsstraße überlagerte, auch diese ersetzte. Entlang der Straße ist zum Panayır Dağ hin nur wenig ausgegraben worden: eine Säulenhalle, hinter der sich einzelne Geschäftslokale befanden. Oberhalb dieser Strukturen lagen mehrgeschossige Wohnhäuser, die aber keineswegs den repräsentativen Charakter der Hanghäuser am Embolos erreicht haben dürften. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße bestimmt heute über eine Strecke von 150 m
und Religionen in Ephesos ! Götter In einer Metropole wie Ephesos gab es
gezeigt, doch meistens ! Gerne fehlinterpretiert! Örtliche Führer und Reiseleiter weisen oft auf Ritzzeichnungen hin, die sich etwa in Mitte der „Neronischen Halle“ im Straßenpflaster finden. Dargestellt sind ein weiblicher Oberkörper, ein Fuß und ein Herz mit Pfeil. Sie möchten diese Ritzungen als Wegweiser zum „Freudenhaus“ am Ende des Embolos verstanden wissen – was aber wohl falsch ist. der Unterbau der „Neronischen Halle“ das Bild. Sie lag mit ihrem Laufniveau f 1,70 m über dem der Straße. Am Übergang von der Marmorstraße zum Theaterplatz lässt sich ein Rest der byzantinischen Stadtmauer erkennen, die an das Bühnengebäude des Theaters angebaut wurde. Im Straßenzug wurde eine Toranlage eingefügt, deren Türgewände aus Marmor noch zu sehen sind.
diese Götter ist angesichts der Ausgrabungssituation schwierig. neben der sonst alles bestimmenden Artemis Neben den Göttern der klassischen Antike zahlreiche andere Götter und Religionen. waren aber auch zwei monotheistische ReligiEng verbunden mit der Stadtgöttin war ihr onen in Ephesos präsent, das Juden- und das Bruder Apollon, der in mehrfachen Interpre- Christentum. Eine große jüdische Gemeinde tationen überliefert ist. Belegt sind etwa durch ist belegt, die verschiedene Privilegien genoss Münzen und Inschriften auch andere Götter, und über eine Synagoge verfügte. Diese ist so z. B. Aphrodite, der Heilgott Asklepios, durch die Apostelgeschichte dokumentiert, Athena, Demeter oder die aus Ägypten weil Paulus zu Beginn seiner Missionstätigstammenden Isis und Serapis. Daneben gab es keit in dieser auftrat. Später konnte sich das Götter, die nicht in der Öffentlichkeit präsent Christentum in der Stadt etablieren. Kirchen waren und lediglich von Einzelnen verehrt sind jedoch bis in das 4. Jh. hinein nicht nachwurden. Eine Zuweisung von Kultbauten an gewiesen.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Der Theaterplatz und das Theater
Die Marmorstraße mündet schließlich am Theater in den Theaterplatz, der sich westlich des Bühnengebäudes erstreckt. Der Platz selbst ist 20 x 30 m groß und war über einige Stufen zu erreichen. Er war sicherlich als Verteilerfläche für die Menschenmassen im Theater notwendig. Die Stufen dürften aber den Platz als Verbindungsglied für Lastverkehr mit Wagen ausgeschlossen haben.
Das hellenistische Brunnenhaus In den Kontext des Theaterplatzes gehört auch das hellenistische Brunnenhaus (Abb. rechts), das der Besucher häufig übersieht. Es zählt aber zu den älteren erhaltenen Gebäuden der Stadt. In einer ersten Phase entstand ein 3,82 m langer und 1,45 m tiefer Bau aus Marmorquadern, an dessen Rückwand sich noch ein Profil sowie drei Löwenkopfwasserspeier beobachten lassen. Von hier aus fiel das Wasser in ein heute verlorenes Schöpfbecken. Die Seitenwände des Brunnenhauses sind als Anten ausgebildet, die mit Kapitellen versehen sind. Zwischen den Anten stehen zwei ionische Säulen, die einen Architrav und ein Gesims tragen. Dazu gehört auch noch eine Kassettendecke aus Marmor. In der zweiten Bauphase in römischer Zeit wurde das Brunnenhaus um 2 m zur Straße hin erweitert und erhielt damit einen neuen Vorraum. Das alte Säulenmotiv wurde an der Front durch zwei unkannelierte Säulen aufgegriffen. Das Wasser für diesen Brunnen kam von der hellenistischen Marnas-Wasserleitung. Daran besteht kein Zweifel, weil durch eine heute noch teilweise erhaltene Inschrift auf der südlichen Frontsäule belegt ist. Dort heißt es: „(Brunnen gespeist?) aus dem Marnas“. Dadurch scheint eine Datierung der hellenistischen Bauphase in das 3. Jh. v. Chr. möglich. Die zweite Bauphase ist nicht vor dem 2. Jh. n. Chr. anzusetzen.
Das Theater Sicherlich der beeindruckendste Bau in Ephesos ist das große Theater am Hang des Panayır Dağ (Abb. S. 96). Mit seinen riesigen Dimensionen erschlägt es den Besucher förmlich. Auch in der Antike dürfte der Besucher beeindruckt gewesen sein, wenn sich ihm auch je
nach Zeitpunkt seines Besuches ein unterschiedliches Bild dargeboten hat. Ist das Aussehen des Theaters heute vom gewaltigen Zuschauerraum geprägt, so hat in der Antike das Bühnengebäude diesen Blick etwas verstellt. Welche Bedeutung hatte aber das Theater für die Ephesier? Für die Beantwortung dieser Frage lassen sich mehrere Punkte anfüh-
ren. Zunächst ist festzuhalten, dass Theateraufführungen im Kulturleben in der antiken Welt im Sinne der Massenunterhaltung eine wichtige Rolle spielten. Schon aus diesem Grund konnte kaum eine Stadt ohne entsprechenden Bau auskommen. Dies gilt dann in einem besonderen Maße für eine Metropole wie Ephesos.
Theaterplatz. Hellenistisches Brunnenhaus.
96 Baudenkmäler und Funde
Der Aufstand der Silberschmiede 97
Die Wurzeln des griechischen und damit des abendländischen Theaters liegen in kultischen Handlungen. An vielen Orten spielte dieser Faktor keine Rolle mehr, aber in Ephesos liegt das Theater an der Prozessionsstrecke für Artemis und nahm in diesem Kontext eine wichtige Funktion ein. Blick ! Phantastischer Für den Besucher lohnt es sich allemal, die Zuschauerränge soweit wie möglich hinaufzusteigen. Von dort hat man einen phantastischen Blick entlang der Arkadiane zum Hafenbereich. Mit Hilfe eines Planes lassen sich so weite Teile der städtischen Infrastruktur entschlüsseln, die sich vom Straßenniveau her so nicht offenbaren.
Das Große Theater.
Natürlich wurde auch wirklich Theater gespielt. Das Spektrum der aufgeführten Stücke war sehr breit, auch wenn wir für Ephesos die genauen Spielpläne nicht kennen. In der Kaiserzeit dürfte die Anzahl der Stücke zugenommen haben, die auf bloße Unterhaltung aus waren. Dabei wurden auch Inhalte dargeboten, die später den Unwillen der Kirchenväter weckten. Die sicherlich überzogenen Meinungsäußerungen spiegeln aber doch das späte Bild der Theatervorführungen wider, wie es etwa Tertullian (ca. 160–ca.220) aufzeigt. Schließlich müssen wir das Theater als politische Bühne für die Ephesier wahrnehmen. Der Bau bot für eine große Menschenmenge Platz und war aufgrund seiner Akustik dazu prädestiniert, dass hier Meinungen geäußert wurden.
Dass das Theater ein Ort der Meinungsbildung war, lässt sich am in der Apostelgeschichte überlieferten Aufruhr der Silberschmiede gegen Paulus deutlich erkennen (s. rechts). Schauen wir auf das Theater selbst. Der früheste Beleg für ein Theater an dieser Stelle gehört in die Jahre um 100 v. Chr. und steht im Kontext eines Bauprogramms, das seine Ursache in der Einrichtung der Provinz Asia hatte. Allerdings war dieser Bau gegenüber dem heutigen Zustand eher bescheiden. Vom Grundriss her – er ist mehr als halbkreisförmig – und
der Unzüchtigkeit ¿ Tummelplatz „Dadurch werden wir [die Christen] vom Theater ausgeschlossen, das der ureigene Tummelplatz der Unzüchtigkeit ist, wo nichts Beifall findet, was anderswo nicht auf Ablehnung stößt. So wird die außerordentliche Beliebtheit des Theaters vor allem durch eine Unflätigkeit erzielt, die der AtellanenSchauspieler durch seine Gestik zum Ausdruck bringt, die der Mimen-Schauspieler sogar durch Frauenkleider darstellt […] und […] schließlich der Pantomimen-Darsteller […]. Selbst auch die Dirnen läßt man als Opfer öffentlicher Wollust auf der Bühne auftreten.“ Tertullian, De spect. 17,1–3, Übers.: K.-W. Weeber von der Wahl des Bauplatzes – der Hanglage – war es ein griechischer Bau. Ein rein römisches Theater wäre vom Grundriss her genau ein Halbrund und als freistehender Bau mit Stützarchitekturen errichtet worden. Es gab in der ersten Bauphase ein kleines Bühnengebäude, die Orchestra, in ihrer ursprünglichen Funktion ein Tanzplatz des Chores, einen Entwässerungskanal und einen Zuschauerraum, der vermutlich nicht über den ersten Rang hinaus-
Theater und Politik „Denn der Silberschmied namens Demetrius, der silberne Artemistempel herstellte und den Künstlern viel zu verdienen gab, rief diese und die anderen damit beschäff tigten Arbeiter zusammen und sagte: […] Nun seht und hört ihr, dass dieser Paulus nicht nur in Ephesos, sondern fast in der ganzen Provinz Asien viele Leute verführt und aufgehetzt hat mit seiner Behauptung, die mit Händen gemachten Götter seien keine Götter. So kommt nicht nur unser Geschäft in Verruf, sondern auch dem Heiligtum der großen Göttin Artemis droht Gefahr […]. Als sie das hörten, wurden sie wütend und schrien: Groß ist die Artemis von Ephesos; […] alles stürmte ins Theater, und sie schleppten die Makedonier Gaius und Aristarch, Reisegefährten des Paulus mit sich. Als aber Paulus in die Volksversammlung gehen wollte, hielten ihn die Jünger zurück. Auch einige hohe Beamte der Provinz, die mit ihm befreundet waren, schickten zu ihm und rieten ihm, nicht ins Theater zu gehen. Dort schrien die einen dies, die anderen das […]. Die Juden schickten Alexander nach vorn […]. Doch als sie merkten, dass er ein Jude war, schien sie alle fast zwei Stunden lang wie aus einem Mund: Groß ist die Artemis von Ephesos! Der Stadtschreiber aber brachte die Menge zur Ruhe und sagte: […] Ihr habt diese Männer hergeschleppt, die weder Tempelräuber noch Lästerer unserer Göttin sind. Wenn also Demetrios und seine Zunftgenossen eine Klage gegen irgendjemand haben, so gibt es dafür Gerichtstage und Prokonsuln […]. Sonst sind wir in Gefahr, dass man uns nach dem heutigen Vorfall des Aufruhrs anklagt, weil kein Grund vorliegt, mit dem wir diesen Volksauflauf rechtfertigen könnten.“ Apostelgeschichte 19, 23–40
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98 Baudenkmäler und Funde
Noch mehr Thermen 99
ging. Der Zugang erfolgte durch schräg verlaufende Eingänge, die Parodoi. Die städtische Entwicklung im 1. Jh. n. Chr. machte dann eine Erweiterung des Theaterbaus notwendig. Unter Nero (Kaiser 54–68) und Domitian (Kaiser 81–96) wurden in den Jahren 87 und 92 Arbeiten an der Dekoration des Bühnengebäudes, Veränderungen im Bühnenbereich selbst und vor allem des Zuschauerraumes durchgeführt. Es wurden als Begren-
Theaterplatz. Theatergymnasium.
zungen des zweiten Ranges seitliche Stützmauern errichtet. Ein weiterer Ausbau des Zuschauerraumes mit einem dritten Rang und die Aufstockung des Bühnengebäudes erfolgten zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, aber vor dem Erdbeben von 262. Den oberen Abschluss des Zuschauerraumes bildete eine Kolonnade. Möglicherweise ist in diesem Bereich das inschriftlich überlieferte Nemeseion, das Heilig-
tum der Wettkampfgöttin Nemesis, anzusiedeln. Mit dieser abschließenden Erweiterung des Zuschauerraumes fanden rund 25.000 Menschen im Theater Platz. Wie aber kamen die Leute auf ihre Plätze? Schon mit Errichtung des zweiten Ranges hatte man in die seitlichen Stützmauern Treppenanlagen eingebaut, die später weiter ausgebaut wurden. Von diesen Treppen aus erreichte man breite Umgänge innerhalb des Zuschau-
erraumes, die zu weiteren Treppen führte und so den Zugang zu den Sitzen ermöglichten. Weitere bauliche Veränderungen fanden um die Mitte des 2. Jhs. statt. Hier ging es weniger um eine Erhöhung der Zuschauerkapazität als vielmehr um eine Steigerung der Zuschauerkomforts: Man schuf die baulichen Voraussetzungen zur Errichtung von Sonnensegeln (vela), welche die Zuschauer während der tagsüber stattfindenden Vorführungen vor der größten Hitze schützten. Diese wurden im Jahre 205 und um 240 herum repariert. Der Niedergang des Theaters als Bauwerk setzte mit dem Erdbeben von 262 ein. Die nördliche Stützmauer mit dem innenliegenden Treppenhaus wurde im oberen Bereich beschädigt, so dass eine andere Zugangssituation geschaffen werden musste. Zwischen 359 und 366 wurde die Stützmauer erneut schwer beschädigt und im oberen Bereich aufgegeben. Im 8. Jh. erfuhr das Theater eine gänzlich andere Nutzung. Es wurde in die Befestigungen der verkleinerten byzantinischen Stadt mit einbezogen.
Das Theatergymnasium In unmittelbarer Nähe zum Theater befindet sich ein Thermenkomplex (Abb. links), der noch nicht vollständig ausgegraben ist. In der Literatur wird betont, die Anlage folge einem in Ephesos gängigen Typus. Ein wesentlicher Bestandteil ist daher in dieser Anlage auch die Palästra, die als Besonderheit eine Tribüne aufweist und die sich über die gesamte Breite des Thermenbaus erstreckt. Die anderen drei Seiten des Hofes, der 30 x 70 m groß ist, weisen Hallen auf, in denen Mosaikböden gefunden wurden. In ihren Funktionen sind die Räume III und IV als Baderäume identifiziert, während für den Raum V die Nutzung als Saal für den Kaiserkult angenommen wird.
100 Ein verkehrstechnisches Problem, der Hafen
Baudenkmäler und Funde 101
Blick auf die Arkadiane und den Hafen.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Arkadiane und Hafenviertel Der Hafen Dreh- und Angelpunkt in der Entwicklung der Stadt Ephesos war der Hafen an der Mündung des Kaystros. Boten sich hier anfangs gute Ankermöglichkeiten, so stellten sich bald große Probleme durch die fortschreitende Verlandung ein. Immer wieder mussten Baumaßnahmen ergriffen werden, um den Hafen für den Schiffsverkehr offen zu halten. Das reichte bis hin zur Verlegung des Hafens. Abgesehen von den verkehrstechnischen Aspekten barg das Problem der Verlandung aber ein weitaus gravierenderes: In der Spätantike war die Versumpfung soweit fortgeschritten, dass die Malaria endemisch wurde – ein weiterer Grund, warum das alte Stadtgebiet zunehmend aufgegeben wurde. Um den Hafen heute erkennen zu können, muss man einen höheren Standort wählen. Von dort erkennt man recht gut das Hafenbecken, das in seiner jetzt wahrnehmbaren Form in trajanisch-hadrianischer Zeit, also zwischen 98 und 138 n. Chr. , entstanden sein dürfte (Abb. links). Bei archäologischen Untersuchungen konnten entsprechende Kaimauern festgestellt werden. Leider sind im unmittelbaren Hafenbereich nur begrenzt Ausgrabungen vorgenommen worden, die tiefere Einblicke gewähren. Jedoch konnten hier Bauten nachgewiesen werden, die für den Hafenbetrieb unabdingbar sind. Dabei handelt es sich um zwei große dreischiff fige Hallen, 25 x 60 m und 25 x 120 m groß. Weil in diesen Hallen keine Innenwände nachgewiesen wurden, möchte man diese Bauten gerne als Handelsräume interpretieren. Notwendige Speicherbauten wurden bislang nicht ausgegraben. Sie müssen aber existiert haben. Nicht dem Handel dienend, aber für das Bestreben nach Repräsentation relevant sind die Hafentore. Gegen Ende des 19. Jhs. wurden
102 Spätantike Blüte: Straßenbeleuchtung für die Arkadiane
Baudenkmäler und Funde 103
drei Torbauten freigelegt, die entsprechend ihrer Lage als südliches, mittleres und nördliches Hafentor bezeichnet werden. Das älteste Tor ist das mittlere, das aus hadrianischer Zeit stammt und das Ende der späteren Arkadiane bildete. Zeitlich folgte das südliche. Durch eine Inschrift lässt es sich als Stiftung eines Asiarchen aus der Zeit um 200 n. Chr. bestimmen. Rund 50 Jahre später entstand das letzte Tor. Inschriftenreste deuten darauf hin, dass dieses Bauwerk als Ehrenbogen für einen proconsul Asiae errichtet wurde.
Die Arkadiane Nähern wir uns heute dem Hafenareal, so geschieht dies visuell zumeist von den oberen Rängen des Zuschauerraums des Theaters aus. Richtung Westen fällt fast zwangsläufig ein Straßenzug auf, der sich schnurgerade bis zum Hafen erstreckt. Diese 528 m lange Straße existierte wahrscheinlich bereits in spätrepublikanischer Zeit oder in der frühen Kaiserzeit. Das heutige Bild geht aber auf umfassende Renovierungen durch Arcadius (Kaiser 395–408) zurück, der nun auch zum Namensgeber für die Straße wurde. Ursache für die Neugestaltung waren die verschiedenen Erdbeben, die die Region 359–366 heimgesucht hatten. Die älteren Hallen entlang der Straße wurden wieder aufgebaut. Dazu bediente man sich des vorhandenen Baumaterials, wie es bei vielen Bauten der Spätantike üblich war. Die Fahrbahnbreite lag bei 11 m. Im 6. Jh. sollten einige Veränderungen an der Arkadiane erfolgen, die vor allem die Ausstattung betrafen. Besonders hervorzuheben ist die Einführung einer Straßenbeleuchtung: 50 Lampen wurden installiert. Die Gründe dafür lassen sich wohl recht schnell nachvollziehen, gelten doch heute in vielen Städten die Hafenquartiere nicht unbedingt als die
Arkadiane. Blick von Westen entlang der Straße mit dem Viersäulenbau.
104 Baudenkmäler und Funde
Sport gehört dazu! 105
sichersten. Andererseits kann man die Straßenbeleuchtung aber auch als besonderen Ausdruck urbanen Lebens deuten, was ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Ephesos wirft. Schließlich besaß nur Konstantinopel sicher eine Straßenbeleuchtung, vielleicht noch Antiocheia am Orontes.
Der Viersäulenbau – ein christliches Denkmal Ein repräsentatives Denkmal des 6. Jhs. ist der sog. Viersäulenbau, der sich etwa in der Mitte der Arkadiane befindet (Abb. S. 103). Bei diesem Monument handelte es sich um vier Säulen, die in den Ecken eines Quadrates aufgestellt waren. Erhalten ist davon nur noch eine, die es erlaubt, sich eine Vorstellung von der Gesamtanlage zu machen. Auf einem dreistufigen Unterbau erhebt sich eine Rundbasis, deren Höhe bei 2 m liegt und die umlaufend mit halbrunden Nischen und kleinen Säulen versehen war. Auf diesem Unterbau steht die eigentliche Säule. Zusammen mit den heute abhanden gekommen Säulen haben hier vermutlich Statuen der vier Apostel gestanden. Gestützt wird die Annahme, es handele sich um ein christliches Monument, auch dadurch, dass die hohen Rundbasen mit christlichen Motiven dekoriert waren.
Das Hafengymnasium Nördlich der Arkadiane und von dieser Straße aus auch zugänglich liegen die Hafenthermen, die sich aus mehreren Gebäudekomplexen zusammensetzen. Es handelt sich dabei um das atrium thermarum, die Palästra und die eigentlichen Thermen. Zugerechnet werden müssen wohl auch die Verulanushallen, die in
der Antike xystos genannt wurden. Dieser Begriff lässt sich in zweierlei Hinsicht interpretieren. Man kann unter xystoi Säulenhallen verstehen, die im Winter oder bei schlechtem Wetter als Übungsräume genutzt wurden, oder aber den gesamten Sportplatz. Die Bezeichnung „Veulanushallen“ leitet sich von dem Umstand ab, dass in hadrianischer Zeit Claudius Verulanus, ein Priester des Kaiserkultes, für die älteren Hallen eine neue Wandverkleidung aus Marmor stiftete. Der Komplex entstand in seiner Grundform in der Regierungszeit Domitians (Kaiser 81–96). Danach erfuhr er zunächst nur Renovierungen, bis er nach einer größeren Zerstörung noch vor der Mitte des 4. Jhs. umfassend wiederhergestellt wurde. Dabei kam es zu Planänderungen, die vor allem die Eingangssituation betrafen. Bis dahin war der Haupteingang zu den Thermen von der Hafenseite aus möglich. Mit den Baumaßnahmen des 4. Jhs. entstand ein neuer Eingang von der Arkadiane aus, von dem aus sowohl die Thermen als auch die Palästra zu erreichen waren. Dieser Eingang war in der Flucht der nördlichen Säulenhalle architektonisch betont. Dahinter liegt ein fast ovaler, etwa 45 m langer Platz. An drei Seiten finden sich Säulenhallen, deren Böden mit Mosaiken dekoriert waren. Die eigentliche Platzfläche war mit einer Marmorpflasterung aus wiederverwendetem Steinmaterial versehen. Darunter fanden sich auch Fragmente des sog. Parthermonuments. Vom Niveau des Hofes aus führte eine von zwei Spiralsäulen flankierte Treppe zu einem Raum, der inschriftlich als atrium thermarum constantinarum benannt ist. In Jahreszahlen ausgedrückt datiert das Atrium in die Jahre zwischen 337 und 350. Zu beiden Seiten der Treppe befinden sich Brunnenbecken, für die jeweils die Reliefplatten eines Stierkopf-Girlandenfrieses verwendet wurden. Auch hier
möchte man gerne das Parthermonument als Lieferanten ansehen. Bei dem Atrium handelt es sich um einen 33 m langen und 15 m breiten Raum, der durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe gegliedert ist. Die Außenwände des Raumes sind durch Ziegelpfeiler strukturiert. Die so entstanden Nischen waren durch Gewölbe abgedeckt. Zugleich dienten sie zusammen mit den Säulen als Auflager für ein Tonnengewölbe, das den Raum überspannte. Was man schon bei der Gestaltung des Vorhofes beobachten konnte, ist hier im Atrium in gleicher Weise festzustellen: Säulen und Kapitelle stammen aus älteren Bauten. Obwohl der Thermenkomplex noch nicht vollständig freigelegt ist, lassen sich sehr konkrete Aussagen über seine Gestalt machen. Vom Atrium aus erreichte man das Apodyterium. Es schloss sich das Frigidarium an, welches über eine große Beckenanlage verfügt. In der Abfolge schließen sich drei Räume an, die in ihrer Funktion nicht gänzlich gesichert sind, aber die wohl Tepidaria waren, also für lauwarme Bäder vorgesehen waren. Nach Westen hin bildet das Caldarium den Abschluss. In dem 18 m hohen Saal, der über Fußboden- und Wandheizung verfügte, konnten sechs Badebecken beobachtet werden. Zur Beleuchtung dieses Raumes dienten große Wandfenster. Ergänzt wurde diese Raumfolge durch weitere Räume, die für sportliche Aktivitäten und die Körperpflege genutzt wurden. Selbstverständlich waren Böden und Wände im Thermenbereich mit Marmor verkleidet. Diese Raumfolge wiederholte sich symmetrisch.
Nach Osten hin schließt sich ein Komplex an, der sich um einen großen Peristylhof entwickelt. Dieser misst 90 x 90 m. Der Zugang erfolgte durch einen Eingang in der Achse des Thermenkomplexes. Hinter den rahmenden Säulenhallen liegen an drei Seiten – im Norden, Osten und Süden – diverse Räume, die der geistigen Erziehung dienten. Im Norden und Süden fallen jedoch zwei große Räume auf. Der Raum an der Südseite, der durch die Ausgräber am Ende des 19. Jhs. den Namen „Marmorsaal“ erhielt, zeichnete sich durch eine zweigeschossige Tabernakelarchitektur, dreizehn unterschiedlichen Marmorsorten und Skulpturenfunde aus. Man möchte den Raum gerne als „Kaisersaal“ interpretieren, zumal eine Inschrift belegt, dass Tib. Claudius Aristion den Raum zu Ehren Domitians errichten ließ. Um zu den Verulanushallen zu gelangen, richtete man wiederum in der Achse der Thermen an der Ostseite der Palästra einen Durchgang ein, der aus zwei Säulenreihen zu vier Säulen bestand. Bei den Verulanushallen handelt es sich um einen 200 x 240 m großen Komplex, der allseitig von dreischiffigen Säulenhallen eingefasst war und dessen mittlere Schiffe deutlich breiter waren. Es gibt die Auffassung, er sei nicht gedeckt gewesen und habe als Laufbahn gedient. Der eigentlich Platz wurde sicher für andere Sportarten genutzt, doch ist auch nicht auszuschließen, dass er eine gärtnerische Gestaltung, d. h. eine Bepflanzung mit Bäumen, erfuhr.
106 Baudenkmäler und Funde
Kaisertempel und Kirche 107
Marienkirche. Blick in das Innere.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Das Olympieion und die Marienkirche
Die Überschrift mag zunächst verwirrend sein, weil sie zwei so unterschiedliche Denkmäler zusammenfasst. Erklären lässt sich dies aber damit, dass Teile des Olympieions in spätantiker Zeit und darüber hinaus zu Kirche und Episkopeion umfunktioniert wurden. Die Bauphasen dieser Zeit lassen sich aber kaum ohne den älteren Bestand verstehen.
Olympieion Das Heiligtum für die olympischen Götter, das Olympieion, war zugleich Tempel des Kaiserkultes. Es liegt im Nordwesten des Stadtgebietes auf einer Fläche, die ursprünglich Meeresbucht und dann Küstensumpf war. Dieser wurde dann Anfang des 2. Jhs. n. Chr. trocken gelegt. Ab 130 entstand der Tempelbezirk mit einer Fläche von fast 90.000 m², der damit fast so groß war wie der des Artemisheiligtums. Die Forschung geht davon aus, dass es sich bei diesem Komplex um den offiziellen Provinzialtempel für Hadrian und den olympischen Zeus handelte. Für den Besucher bietet das Heiligtum nur wenig, weil der eigentliche Tempel schon um 400 bis auf die Fundamente abgetragen wurde. Selbst jene wurden 100 Jahre später zerstört, um an die kostbaren Metallklammern, die die Steinblöcke miteinander verbanden, zu gelangen. Wie hat man sich den Tempelkomplex vorzustellen? Es handelte sich um einen freien Platz, der von allen Seiten von Säulenhallen umgeben war. In seiner Mitte erhob sich der Tempel, dessen Ausmaße gigantisch waren. Seine Grundmaße (im Podiumsbereich) betrugen 57 x 85 m. Der Tempel selbst dürfte eine Länge von 60 m gehabt haben. Er wird als Pseudodipteros mit 74 kannelierten Säulen, deren Durchmesser mehr als 1,50 m betrug, und einer Gesamthöhe von etwa 25 m rekon-
108 Glaubensfragen – das dritte Ökumenische Konzil
Baudenkmäler und Funde 109
struiert. Ein Kapitellfragment weist auf eine korinthische Bauordnung hin. Von den umgebenden Hallen war die Südhalle am aufwendigsten gestaltet; sie nahm auch zugleich den Eingang zum Tempelareal auf. Diese Halle erstreckte sich über 263 m und war als dreischiffiger Bau konzipiert. Die Halle endete im Westen und Osten in Kopfbauten (Chalkidiken), die über die eigentliche Breite des Tempelbezirks hinausgingen. In der Mitte der Halle befand sich der Eingang, der durch eine offene Pfeilerstellung gebildet wurde. Die übrigen Hallen waren nicht so aufwendig gestaltet. Vermutlich existierten hier nur zweischiffige Bauten. Sieht man von den bereits erwähnten Bauten ab, so darf man sich den Bezirk nicht leer vorstellen: Der Tempel bedurfte eines Altars, der sich vielleicht mit den Reliefs des sog. Parthermonumentes verbinden lässt. Darüber hinaus entstanden im Hofbereich zusätzliche Hallenbauten, in denen die Forschung weitere Kaiserkulte ansiedeln möchte.
Marienkirche Weiter oben ist darauf hingewiesen worden, dass das Heiligtum für die olympischen Götter und den Kaiserkult um 400 zerstört wurde. Dies betraf aber nicht die monumentale Südhalle, deren westlicher Teil in eine der Gottesmutter Maria geweihte Kirche (Marienkirche) umgewandelt werden sollte. Kirchengeschichtlich bedeutend ist dieser Bau, weil hier im Jahre 431 das dritte ökumenische Konzil abgehalten wurde. Nachdem bereits in den 1920er Jahren die Grundstrukturen des Baus erforscht wurden, konnten durch Untersuchungen des Österreichischen Archäologischen Instituts 1989–1997 zahlreiche Detailfragen zur baugeschichtlichen Entwicklung geklärt und einschließlich
der kaiserzeitlichen Halle (Bauphase I) sieben Bauphasen nachgewiesen werden. Die erste Nutzung als Kirche fällt in die Bauphase II, die mit dem bereits genannten Konzil von 431 in Verbindung steht. Dabei – so die Ausgräber – wurde das Mittelschiff der alten Halle erweitert und ein großes Halbrund als Presbyterion mit einem Altar eingebaut. Aufgrund von Münzfunden lässt sich diese Baumaßnahme mindestens bis in das Jahr 426 datieren. Es ist vermutet worden, man habe für das Konzil mit dem Bau begonnen, aber ihn nach Beendigung des Treffens wieder aufgegeben. Um das Jahr 500 entstand die sog. Säulenkirche, die als Bauphase III verstanden wird. Dabei wurde der Hallencharakter aufgegeben und die Außenseiten durch Quadermauerwerk geschlossen. Außerdem wurden die Dimensionen der alten Halle reduziert, indem man im Osten eine Apsis einzog. Ganz dem Schema einer frühchristlichen Kirche folgend entstand ein Atrium mit den Maßen 43 x 25 m, ein Narthex und schließlich der eigentliche Kirchenraum, der 74 x 29 m groß war. Durch 40 Säulen war der Innenraum in drei Schiffe gegliedert. Neben der Apsis, die einen aufwendigen Marmorboden erhielt, liegen Räume, in denen liturgische Opfergaben aufbewahrt wurden. Daneben existierten hier Treppenhäuser, die in ein oberes Stockwerk führten. Über den Altbestand der Halle hinausgehend entstand an der Nordseite des Atriums ein Baptisterium, eine Taufkapelle. Dessen Wände waren mit Nischen gegliedert, so dass ein Oktogon entstand. In der Mitte des Raumes befindet sich das Taufbecken, das in den Boden eingetieft ist. Mit dieser Bauphase war die Kirche so weit monumentalisiert, dass sie als repräsentative Bischofskirche dienen konnte. Die Bauphase IV, wohl nur wenig später als Bauphase III, brachte nur marginale Veränderungen, die vor allem durch liturgische
Gründe zu erklären sind. Es entstand eine neue Priesterbank und in der Apsis wurde ein Tischaltar so aufgestellt, so dass der Zelebrant nur nach Osten gewandt stehen konnte. Außerdem wurde der Boden neu gestaltet. Vermutlich im Jahre 557 wurde der Sakralbau durch ein Erdbeben so stark beschädigt, dass man bei der Wiederherstellung massive konzeptionelle Änderungen durchführte, welche die Bauphase V darstellen. Die Kirche wurde zu einer Kuppel- und Pfeilerkirche. Die Veränderungen lassen sich vor allem durch den Wechsel im Baumaterial erkennen. War die ältere Kirche in Quadermauerwerk ausgeführt, so nutzte man nun Ziegelmauerwerk. Was änderte sich nun in dieser Bauphase? Der Kirchenraum wurde zweigeteilt. Nach Osten hin entstand eine nur noch 23 m lange Pfeilerbasilika. Ihr war ein Narthex vorgelegt, in dem Gräber – vermutlich für den Klerus – nachgewiesen wurden. Der westliche Teil des Kirchenraumes, 37 x 29 m groß, wurde mit massiven Pfeilern versehen, so dass drei Schiffe entstanden. Während die schmalen Seitenschiffe jeweils mit Tonnengewölben abgedeckt waren, wurde das Mittelschiff mit einer Kuppel versehen. Bei der Gestaltung des Mittelschiffes erhielt dieses im Osten eine eigene Apsis mit Seitenräumen. Die Bauphase VI, von den Ausgräbern mit dem Begriff Ambo-Kirche belegt, wird bislang in das 6. Jh. datiert. Sie betraf Veränderungen im Bereich des Presbyterions. Dabei wurde eine neue Priesterbank angelegt, die den alten Altar der Bauphase IV überlagerte. Außerdem wurde nun der Ambo, eine Kanzel, errichtet. In diesem Zusammenhang muss man sich natürlich vor Augen führen, dass der Marienkirche in Ephesos mächtige Konkurrenz in
Form der Johannesbasilika auf dem AyasolukHügel entstand. Diese Situation erklärt aber auch, warum die Marienkirche in ihrer letzten Bauphase, der Phase VII, schrumpfte. Die Araber hatten 654/655 Ephesos überfallen und damit deutlich gemacht, dass die alte Stadt nicht mehr sicher war. So verlegten die Bischöfe von Ephesos ihren Sitz auf den Ayasoluk-Hügel, in die Johannesbasilika. In der Marienkirche wurde der Ostteil verkleinert, indem man die Pfeilerzwischenräume vermauerte. Nur das Mittelschiff diente noch als Kirche. In dieser Form überlebte die Marienkirche bis in das 11. Jh. hinein als Friedhofskirche. Bestand hatte aber trotz allem noch der Kuppelteil, der erst im Spätmittelalter einstürzte.
Episkopeion In den vorangegangenen Abschnitten ist mehrfach auf die Kirche als Bischofskirche hingewiesen worden. Selbstverständlich bedurfte der Bischof von Ephesos auch einer repräsentativen Residenz, eines Episkopeions. Dieses entstand in der Bauphase III der Kirche im östlichen Bereich der kaiserzeitlichen Halle. Dazu mussten deren Reste an dieser Stelle entfernt werden. Bei dem Bau handelt es sich um diverse Räume, die von der Ausstattung her Palastcharakter besaßen. Sie waren um einen Peristylhof angeordnet. Die Deutung kann als gesichert angenommen werden, weil verschiedene hier gemachte Funde deutliche Bezüge zum christlichen Ritus ausweisen. Dem Komplex zugerechnet werden muss auch eine Thermenanlage, die ganz dem antiken Vorbild folgte. Im Frigidarium konnte ein marmorverkleidetes Becken nachgewiesen werden.
110 Nochmals auf den Spuren der Prozessionen für Artemis
Baudenkmäler und Funde 111
Die Toiletten im Vediusgymnasium.
BAUDENKMÄLER UND FUNDE Entlang der Plateia in Koressos
Ein weiterer historischer Straßenzug ist die Plateia in Koressos. Sie setzt an der Nordostecke des Theatergymnasiums an und führt nach Norden. Dabei folgt sie wohl dem alten Prozessionsweg und ordnet sich nicht dem Straßenraster unter. Insgesamt ist der Bereich wenig erforscht. Es lassen sich heute im Wesentlichen Bauten aus spätantiker bzw. byzantinischer Zeit beobachten. Dies liegt daran, dass sich das Stadtzentrum in dieser Zeit wieder mehr in Richtung Ayasoluk-Hügel zurückzog.
Die Plateia Der Zustand, der sich heute im Bereich der Plateia zeigt, geht auf spätantike Baumaßnahmen zurück, die aufgrund von Erdbebenschäden notwendig geworden waren. Danach wurde die mit Marmorplatten gepflasterte Straße von Säulenhallen begrenzt, hinter denen Ladengeschäfte waren. Die Straße selbst wies eine Breite von 7,70 m auf, während die Portiken im Osten 4,10 m und im Westen 3,70 m tief waren. Die Hallen gehen z. T. auf private Stiftungen zurück. Eine Stoa des Servilius ist inschriftlich belegt. Interessanter ist aber eine Stiftung des Dionysos Nikephoros, der in der 1. Hälfte des 3. Jhs. eine Halle restaurieren ließ. Um eine möglichst große Zahl von Menschen in dieses Projekt einzubinden und damit diese auch an sich zu binden, vergab Dionysos Gewerke, also Teilabschnitte, jochweise. Zur Bebauung, die hinter den Hallen der Plateia lag, lässt sich nicht viel sagen. Die Bauten, die bislang nachgewiesen sind, können überwiegend der byzantinischen Zeit zugerechnet werden.
112 Eine Stätte des sportlichen Wettkampfes – das Stadion
Baudenkmäler und Funde 113
Das Stadion – zwingend notwendig in einer griechischen Stadt Eine wichtige Stätte der Massenunterhaltung, die in einer griechisch geprägten Stadt nicht fehlen durfte, war das Stadion. Für derartige Bauten gab es besondere Anforderungen hinsichtlich der Lage im Stadtgebiet. Sie waren häufig an die Peripherie gerückt und bevorzugten eine Landschaftstruktur, die dazu beitrug, Baumaßnahmen im Zuschauerbereich zu minimieren. In Ephesos fand sich ein entsprechender Bauplatz für das Stadion, nämlich an der Nordwestflanke des Panayır Dağ. Die Baugeschichte des Stadions ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist wohl, dass sich bereits in hellenistischer Zeit an dieser Stelle das Stadion befand. Sitzstufen waren vermutlich nur am südlichen Hang vorhanden. Als gesichert angesehen werden kann aber im Westen des Stadionbaus eine Startanlage. Der Bau, den wir heute sehen, wurde wahrscheinlich erst in neronischer Zeit realisiert. Vergleichbar mit anderen Großbauten für die Massenunterhaltung ist davon auszugehen, dass hier private Wohltätigkeit die bauliche Entwicklung förderte. Belegt ist etwa die Stiftung des C. Stertinius Orpex, eines Freigelassenen. In der Bauausführung zugeordnet werden kann der Stiftung eine Substruktionsarchitektur im Norden, auf der Sitzstufen angelegt wurden. Man kann sich gut vorstellen, dass die Fassadenarchitektur auf dieser Seite monumental ausgestaltet war. Die Kopfseiten der Zuschauertribünen wurden ebenfalls architektonisch gestaltet. Im Norden wurde eine Quadermauer errichtet, während im Süden ein monumentaler Torbau das Bild bis heute prägt.
Im Inneren des Stadions fasste man die etwa 180 m lange Laufbahn mit Reliefplatten ein. Im Ostteil lässt sich eine elliptische, ca. 40 x 50 m große Struktur beobachten; deren Funktion bislang noch nicht gänzlich geklärt ist. Wahrscheinlich wurden hier Gladiatorenkämpfe durchgeführt. Gestützt wird diese Ansicht durch die Freilegung eines Gladiatorenfriedhofs nur 300 m östlich des Stadions. und Amphitheater ! Griechen In der griechischen Welt haben sich Amphitheater als Bautyp nicht wirklich durchsetzen können. Ursache war aber nicht das mangelnde Interesse an Gladiatorenkämpfen, sondern vielmehr wollte man die kulturelle Identität bewahren. Daher veränderte man bestehende Theater und Stadien so, dass sie auch als Raum für Gladiatorenkämpfe dienen konnten. Während des 3. Jhs. – wahrscheinlich bei dem Erdbeben von 262 – wurden große Teile des Stadions zerstört. Wiederhergestellt wurden lediglich das Südtor und der Westbau. Erneute Beschädigungen erfuhr der Bau durch eine Reihe von Erdbeben zwischen 359 und 366. Wie lange das Stadion in seiner Funktion als Wettkampff stätte noch genutzt wurde, bleibt offen. Im 5. Jh. entstand am Westende des nördlichen Tunnels eine bislang kaum untersuchte Kirche, mit deren Errichtung eine Zäsur eingesetzt zu haben scheint. Im unmittelbaren Umfeld des Sakralbaus entstand ein Friedhof und die alte Lauff bahn wurde als Feld genutzt. Diese Nutzung lässt sich sicher bis in das 12. Jh. belegen.
Das Vediusgymnasium Unmittelbar nördlich des Stadions liegt das Vediusgymnasium, das ursprünglich den Namen „Gymnasium in Koressos“ trug. Auff
grund seines Erhaltungszustandes wurde es bereits im frühen 20. Jh. erstmals untersucht. Weitere Forschungen erfolgten in den 1950er Jahren und schließlich ab dem Jahr 2000. Die neuen Untersuchungen in dem 12.500 m² großen Komplex haben viele Detailfragen klären können. Um das Gymnasium anlegen zu können, musste eine große Terrasse mit gewaltigen Substruktionen errichtet werden, die im Westen die Technikräume und Versorgungsanlagen aufnahmen, während im Osten in den Substruktionen auch Thermenräume vorhanden waren. Für den Besucher der Thermen existierten zwei Möglichkeiten, diese zu betreten. Zunächst gab es im Süden, von einer Säulenstraße aus zugänglich, ein großes Proplyon mit drei Durchgängen. Die Seitenwände des Propylons waren durch Nischen gegliedert. Dieser Eingang führte in eine große Palästra. Ein zweiter Eingang, an der gleichen Seite gelegen, ermöglichte unmittelbar den Zugang zum Umkleideraum der Thermen, dem Apodyterium. Der 40 x 50 m große Hof war an allen vier Seiten von einer Säulenhalle eingefasst, die 5 m breit war. Hier fanden sich auch mehrere Inschriften, die Auskunft über den Bau geben. Eine berichtet über eine Stiftung an Antoninus Pius (Kaiser 138–161) und das Kaiserhaus, während die andere M. Claudius P. Vedius Antoninus Phaedrus sowie dessen Frau Flavia Papiana nennt. Aufgrund dieser Inschriften ist der Bau sicher in die Jahre zwischen 146 und 149 zu datieren. An der Westseite des Hofes befindet sich ein Komplex von drei Räumen, von denen der mittlere der wichtigste ist. Es handelt sich um den sog. Kaisersaal, der durch eine aufwendige Tabernakelarchitektur geschmückt war, die sich über zwei Stockwerke hin entwickelte. Die Rückwand des Raumes wies zudem eine große
Mittelnische auf. In dem Raum waren zahlreiche Statuen aufgestellt, u. a. eine des mythischen Stadtgründer Androklos und des Stifters. Sicher war aber in der Mittelnische die heute verschwundene Statue des Antoninus Pius aufgestellt, auf deren Existenz ein dort gefundener Altar hinweist. In Ermangelung eines eigenen Tempels für Antoninus Pius kann man den Raum als Kaisersaal bezeichnen. Über die flankierenden Räume war der Zugang zu den eigentlichen Baderäumen möglich. Innerhalb des eigentlichen Thermenkomplexes befinden sich Baderäume entsprechend der kaiserzeitlichen Raumabfolge. Außerdem ist bei den Thermen auch auf die Symmetrie geachtet worden, sodass für eine Reihe von Räumen eine Dopplung vorliegt (z. B. für das Apodyterium, das Tepidarium oder das Caldarium). Die Thermen verfügten über ein reiches Angebot von Wasserbecken unterschiedlicher Größe. Ein Komplex, der nicht in doppelter Ausführung vorkam, war die Latrine. Ursprünglich befand sie sich in den Substruktionen. Wer ein dringendes Bedürfnis hatte, musste sich also auf einen langen Weg machen. Die abgelegene Lage der Latrine spiegelt aber keine geringe Wertschätzung des Raumes wider, denn er war aufwendig mit Mosaiken und Marmorverkleidungen ausgestattet. Rund 54 Menschen konnten die Latrine gleichzeitig nutzen. Die abgelegene Lage und vielleicht auch die sehr große Zahl der Nutzer führte dazu, dass später unmittelbar westlich des Propylons eine weitere Latrine mit 60 Plätzen entstand. Inschriften auf den Säulen in dieser Latrine weisen auf Handwerkerzünfte hin, die ihre Läden und Werkstätten an der Straße betrieben und wohl Nutzungsrechte besaßen. Sie mögen vielleicht auch die treibende Kraft für den Umbau gewesen sein, weil ihnen die alte Latrine zu weit entfernt war.
114 Nachwort 115
Embolos. Fries aus der Vorhalle des Hadrianstempels.
NACHWORT
Blicken wir abschließend noch einmal zurück. Die Stadt Ephesos hat in ihrer langen Geschichte zahlreiche Entwicklungen durchlaufen. Besonders die älteren Phasen sind nur schwer zu fassen, sowohl was die baulichen Befunde betrifft, als auch was Einblicke in das Leben der Ephesier angeht. Gänzlich auf sicherem Boden sind wir erst in der römischen Kaiserzeit. Wahrzunehmen ist ein Wandel des Stadtbildes in mehreren Schüben, zumeist Altes modifizierend und ergänzend. Als Hauptstadt der römischen Provinz Asia erlebte die Stadt eine bauliche und wirtschaftliche Blüte. Rund 300.000 Einwohner werden für die Kaiserzeit angenommen. Sie fanden eine komfortable Stadt vor, die mit Thermen, Theater und Stadion sowie einer großzügigen Wasserversorgung versehen war. Trotz aller politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die Ephesos erfahren musste, konnte es seine Rolle bis in die spätantike bzw. byzantinische Zeit wahren. Diese Entwicklungen ließen sich besonders punktuell an einzelnen Denkmälern ausmachen, während eine Betrachtungsweise in einer zeitlichen Schiene allein vom Textvolumen her hier unmöglich war. Auch hätte es einer anderen Darstellungsweise bedurft.
GLOSSAR
Ädikula Adyton Agora Akanthus Akroter Alytrach Anastylose Ante Apodyterium Apsis Architrav Asylie Atrium
Bema Bukranium Bouleuterion Caldarium Cella Damnatio memoriae Dipteros Episkopeion Essenen Exedra Frigidarium Heroon Heros Hippokampos Hypokausten Insula
Rahmung einer Nische, einer Öffnung oder eines Durchgangs mit zwei Säulen, die ein Gebälk und einen Giebel tragen Raum innerhalb des Tempels, der nur von Priestern betreten werden durfte Versammlungs- oder Marktplatz, griechisches Äquivalent zum römischen Forum Distelart mit großen, ausgezackten und an der Spitze leicht eingerollten Blättern Dachschmuck Festspielleiter der ephesischen Olympien Wiederaufbau eines Gebäudes unter weitgehender Verwendung originaler Bauteile Pfeilartige Stirnseite einer Wand Umkleideraum in Thermen Große Nische mit halbrundem Grundriss, die von einer Halbkuppel abgedeckt ist Gebälk (aus Stein oder Holz), das auf den Säulen, Pfeilern oder Bogenstellungen aufliegt s. Tempelasylie Raum eines römischen Hauses, dessen mittlerer Teil nicht mit einem Dach versehen ist und zur Erschließung des Gebäudes dient. Im frühchristlichen Kirchenbau bezeichnet das Atrium eine Hofanlage. Stufe, in der frühchristlichen Kirche entweder die Vorstufe einer Kanzel oder Sitzstufe für die Priester Stierschädel Rathaus Heißbaderaum in römischen Thermen Hauptraum eines Tempels Offizielles Auslöschen des Andenkens eines Herrschers Tempel mit zwei Säulenumgängen Sitz eines Bischofs Priester und Priesterinnen im Artemiskult Große, häufig rechteckige Nische, mit Sitzgelegenheiten Kaltbaderaum in römischen Thermen Kultstätte für Heroen, meist deren Grab Mythologischer Held oder reale Persönlichkeit, die aufgrund einer Leistung besonders verehrt wird Fabelwesen, das im oberen Körperteil ein Pferd ist, während es sich ab der Brust als Meereswesen darstellt Unter dem Fußboden liegende Teile einer römischen Heizung Entweder Mietshaus in der römischen Architektur oder ein Häuserblock in einem geplanten, meist rechtwinkligen Straßensystem
Kureten Megabyxos Naos Narthex Nymphaeum Odeion Oktogon Opisthodom Opus caementitium Palästra Parthermonument
Peristyl Pilaster Praefurnium Presbyterion Prokonsul Pronaos Propylon Prytaneion Pseudo-Dipteros Risalt Sudatorium Stylobat Sulla, Lucius Cornelius Tempelasylie Tepidarium Tetrarch(en), Tetrarchie
Vestibulum
Priester, zunächst im Artemiskult, später auch für andere Götter zuständig Bezeichnung eines Priesters im Artemiskult, aus dem Persischen abgeleitet (= „von Gott gegeben“) Kernbau beim griechischen Tempel Vorhalle in frühchristlichen und byzantinischen Kirchen, zwischen dem Atrium und dem eigentlichen Kirchenraum gelegen Monumentale Brunnenanlage, ursprünglich mit einem Kult verbunden Kleines gedecktes Theater für Lesungen oder musikalische Veranstaltungen Bau mit achteckigem Grundriss Rückwärtige Halle des griechischen Tempels Römischer Gussbeton Übungsplatz in Gymnasien Großes, wohl altarförmiges Denkmal aus dem 2. Jh. n. Chr. mit unbekanntem Standort, das über eine reiche Reliefdekoration verfügte, die an zahlreichen Fundstellen im Stadtgebiet von Ephesos aufgefunden wurde. Die Reliefs befinden sich heute bis auf wenige Ausnahmen im EphesosMuseum, Wien. Säulenhof Wand- oder Halbpfeiler Bereich, von dem aus Heißluft in Heizungssysteme (z. B. der Thermen) eingespeist wird Chorraum einer Kirche Staatlicher Amtsträger im Römischen Reich, der außerhalb der Stadt Rom fast die gleichen Befugnisse besitzt wie die Konsuln Vorhalle des griechischen Tempels Torbau Heiligtum der Hestia, Sitz der Prytanen Tempel, der einen so weiten Umgang hat, dass man einen Säulenring einstellen könnte Vorspringender Baukörper Schwitzbad in römischen Thermen Im griechischen Tempelbau die Fläche, auf der Säulen und aufgehendes Mauerwerk errichtet sind Römischer Feldherr und Politiker (138–79 v. Chr.), Konsul 88 und 80 v. Chr. Garantiertes Recht, bedrohten Menschen innerhalb eines Heiligtums Schutz vor Verfolgung zu geben Baderaum mittlerer Temperatur in römischen Thermen Herrscherbezeichnung bzw. Regierungsform im Römischen Reich, eingeführt unter Diokletian, bei der jeweils ein Augustus und Caesar für die westliche bzw. die östliche Reichshälfte vorhanden waren. Diese werden als „Tetrarchen“ (= „Vier-Herrscher“) bezeichnet. Vorraum (Eingangsbereich) bei einem Gebäude
LITERATURVERZEICHNIS
Die Ergebnisse der Ausgrabungen in Ephesos werden seit Grabungsbeginn regelmäßig in Jahrheften des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖJh) veröffentlicht. Abschließende Publikationen erscheinen im Rahmen der Reihe „Forschungen in Ephesos“ (FiE) und epigraphisches Material in „Inschriften von Ephesos“ (IvE). E. Akurgal, Griechische und römische Kunst in der Türkei (1987) A. Bammer – U. Muss, Das Artemision von Ephesos. Das Weltwunder Ioniens in archaischer und klassischer Zeit, Sonderband AW (1996) A. Calapà, Das Stadtbild von Ephesos in hellenistischer Zeit: Kontinuität und Wandel, in: A. Matthaei – M. Zimmermann (Hrsg.), Stadtbilder im Hellenismus. Die hellenistische Polis als Lebensform 1 (2009) 322–347 C. Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen in kleinasiatischen Städten. Studien zur antiken Stadt 7 (2001) J. Freely, The Aegean Coast of Turkey (1996) 176–228 W. Hoepfner, Die Celsus-Bibliothek in Ephesos. Eine kaiserzeitliche Bibliothek mit zentralem Lesesaal, in: W. Hoepfner (Hrsg.), Antike Bibliotheken. Sonderband AW (2002) 123–126 Abb. 159–166 F. Hueber, Ephesos. Gebaute Geschichte, Sonderband AW (1997) St. Karwiese, Groß ist die Artemis von Ephesos. Die Geschichte einer der größten Städte der Antike (1995) J. C. Kraft – İ. Kayan – H. Brückner – G. Rapp Jr., A Geological Analysis of Ancient Landscapes and the Harbors of Ephesos and the Artemision in Anatolia, in: ÖJh 64, 2000, 175–233 U. Muss (Hrsg.), Die Archäologie der ephesischen Artemis. Gestalt und Ritual eines Heiligtums (2008) H. Schäfer-Schuchardt, Antike Metropolen – Götter, Mythen und Legenden. Die türkische Mittelmeerküste von Troja bis Ionien (2001) 168–201 P. Scherrer (Hrsg.), Ephesos. Der neue Führer. 100 Jahre österreichische Ausgrabungen 1895– 1995 (1995) P. Scherrer – E. Trinkl, Die Tetragonos Agora in Ephesos. Grabungsergebnisse von archaischer bis in byzantinische Zeit – ein Überblick, FiE XIII 2 (2006) H. Stierlin, Kleinasiatisches Griechenland. Klassische Kunst und Kultur von Pergamon bis Nimrud Dagh (1986) G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus. Proceedings of the Twelfth International Congress on the History of Water Management and Hydraulic Engineering in the Mediterranean Region. Österreichisches Archäologisches Institut, Sonderschriften 42 (2006) G. Wiplinger – G. Wlach, Ephesos. 100 Jahre österreichische Forschungen (21996)
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abb. S. 6: Peter Palm, Berlin Abb. S. 15, 114: GNU License 1.2/Traroth Abb. S. 16: nach H. Stierlin, Kleinasiatisches Griechenland (1986) Abb. S. 69 Abb. S. 23: akg-images/Leo G. Linder Abb. S. 24, 51, 60, 70, 79, 110: akg-images/Erich Lessing Abb. S. 27: nach G. Wiplinger – G. Wlach (Hrsg.), Ephesos (² 1996) 119 Abb. 158 Abb. S. 34: nach E.-L. Schwandner – K. Rheidt, Architektur der Macht – Macht der Architektur (2004) 224 Abb. 3 Abb. S. 50: nach G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus (2006) 84 Abb. 6–7 Abb. S. 64: nach U. Quartember in: G. Wiplinger (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus (2006) 74 Abb. 2 (basierend auf Pellonis) Abb. S. 76, 91: nach P. Scherrer (Hrsg.), Ephesos (1995) Abb. S. 107, 131 Abb. 1. Abb. S. 96: akg-images/Bildarchiv Steffens Alle übrigen Abbildungen stammen vom Autor.
IMPRESSUM
120 Seiten mit 60 Farb- und 7 Schwarzweißabbildungen Umschlagabbildung: Celsus – Bibliothek, Ephesos (vgl. Abb. S. 80). Frontispiz: Ephesos. Variusbad Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie unter: www.zabern.de © 2010 by Verlag Philipp von Zabern, Mainz ISBN: 978-3-8053-4090-8 Lektorat: Cornelius Hartz, Hamburg Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Reihengestaltung/Umschlaggestaltung: Max Bartholl, b3K text und gestalt GbR, Frankfurt am Main und Hamburg Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed in Germany by Philipp von Zabern Printed on fade resistant and archival quality paper (pH 7 neutral) · tcf