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German Pages 572 [612] Year 1979
Joachim Schmidt-Salzer Entscheidungssammlung Produkthaftung Band II
Entscheidungssammlung Produk^aftung Mit einer Einführung und Urteilsanmerkungen Band II von
Dr. Joachim Schmidt-Salzer Rechtsanwalt in Braunschweig
1979
J. Schweitzer Verlag • Berlin
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Entscheidungssammlung Produkthaftung: mit e. Einf. u. Urteilsanm. / von Joachim SchmidtSalzer. - Berlin: Schweitzer. NE: Schmidt-Salzer, Joachim [Hrsg.] Bd. 2 . - 1 9 7 9 . ISBN 3-8059-0535-1
© 1979 by J. Schweitzer Verlag, Berlin. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz: IBV Lichtsatz KG • Druck: Karl Gerike • Bindearbeiten: Wübben, Berlin Printed in Germany
Für Kai und Jan
Vorwort: Produkthaftung, Produkthaftpflichtversicherung, Betriebsorganisation und der Zweck dieser Entscheidungssammlung 1. Die deutsche Rechtsprechung hat fast alle für die betriebliche Praxis wichtigen Fragen der Produkthaftung bereits behandelt und geklärt. Die Entscheidungen sind aber teils überhaupt nicht bzw. nur auszugsweise veröffentlicht, teils über eine Vielzahl von juristischen Fachzeitschriften, o. ä. verstreut und ad hoc aus Anlaß eines konkreten Einzelfalls für den Nichtspezialisten nicht bzw. nur schwer erreichbar. Diese Entscheidungssammlung soll deshalb zunächst einmal dem Juristen einen schnellen Zugang zu den vorliegenden Entscheidungen ermöglichen. 2. Weiterhin ist die Entscheidungssammlung aber auch für die betriebliche Praxis im kaufmännischen und im technischen Bereich gedacht. Wegen der ständig zunehmenden Bedeutung des Produktrisikos für die Risikoexponierung der Unternehmen und darüber hinaus auch der Mitarbeiter 1 wird es immer wichtiger, daß sich die potentiell Betroffenen intensiv mit diesem Fragenbereich auseinandersetzen. a) Bei dem Thema Haftung wird sofort an die Haftpflichtversicherung gedacht. Die Produkthaftpflichtversicherung bietet zweifellos einen sehr weitgehenden Schutz. Sie muß aber immer gewisse Grenzen haben. Aus der unternehmerischen Sicht kann die Produkthaftpflichtversicherung deshalb nur ein sekundäres Instrument zur Bewältigung des Produktrisikos sein. 2 aa) Die Frage nach den Grenzen der Produkthaftpflichtversicherung betrifft zunächst den nicht versicherbaren Bereich. Wenn im Fall eines Großserienschadens der volle Schadenaufwand versichert war und dadurch außer der zu Beginn des Versicherungsjahres bezahlten Versicherungsprämie keine Kostenbelastung des Herstellers erfolgte, kann es sein, daß die Verbraucher das Vertrauen in die Marke verloren haben und auf Wettbewerbsprodukte umsteigen. Durch diese Ausstrahlung des hinsichtlich des konkreten Schadenaufwands versicherungsmäßig voll abgedeckten Schadens kann sich für den Hersteller eine katastrophale Situation ergeben. Gegen derartige Ausstrahlungsrisiken kann es aber keinen Versicherungsschutz geben. ab) Weiterhin sind die Deckungssummen- und Deckungsumfang-Grenzen der Produkthaftpflichtversicherung zu berücksichtigen. Die in Deutschland übliche, das Produktrisiko umfassende Betriebshaftpflichtversicherung stellt zwar eine sehr umfassende Deckung dar. Sie enthält aber notwendigerweise gewisse Deckungsbegrenzungund Deckungsausschlußklauseln, so daß diese Grenzen des versicherten Risikos zu beachten sind. 1
2
Siehe insbesondere das Spannkupplungen-Urteil (I. 86) und allgemein das Stichwort „Mitarbeiter-Eigenhaftung" Vgl. dazu Schmidt-Salzer, BB 1972/1430ff.
VII
Weiterhin sind die Deckungssummen und die Jahreshöchstleistungen begrenzt. Die Höhe der Versicherungsprämie wird u. a. durch die Höhe der pro Schadenereignis festgelegten Deckungssumme und weiterhin die pro Versicherungsjahr vom Haftpflichtversicherer zu erbringende Maximalleistung bestimmt. Deshalb erfolgt die Festlegung der Deckungssummen und der Jahreshöchstleistung im allgemeinen auf der Basis einer kaufmännisch vernünftigen Einschätzung der für das einzelne Unternehmen bestehenden Risikoexponierung. Dabei werden u. a. die Größenordnung des Unternehmens, die Höhe seines Jahresumsatzes, die Einschätzung der mit seinem Herstellungs- bzw. Vertriebskonzept verbundenen Haftungsrisiken, die Schadenerfahrungen der Vergangenheit sowie die zahlenmäßige Größenordnung der zur Placierung des konkreten Versicherungskonzeptes benötigten Prämie berücksichtigt. Bei unglücklichem Zusammentreffen mehrerer Faktoren und erst recht bei unglücklichem Zusammentreffen mehrerer Großschäden in einem Versicherungsjahr kann sich aber ergeben, daß auch an sich recht hoch angesetzte Deckungssummen bzw. Jahreshöchstleistungen im Einzelfall überschritten werden. Hier besteht ein wichtiger Unterschied zwischen der Industrie-Feuerversicherung und der Industrie-Haftpflichtversicherung: im theoretischen Konzept der Industrie-Feuerversicherung ist es möglich, den maximalen Höchstschaden im vorhinein relativ präzise zu ermitteln und dementsprechend die Versicherungssummen festzusetzen. In der Industrie-Haftpflichtversicherung dagegen ist es letztlich nur eine Frage der Phantasie, welcher Schadenaufwand sich bei unglücklichem Zusammentreffen verschiedener Faktoren ergibt. Z. B. ist die gemäß § 94 ArzneimittelG vorgeschriebene Deckungssumme für die Personenschaden-Haftpflichtversicherung von in Deutschland an den Verbraucher abgegebenen Arzneimitteln mit 200 Mio DM sehr hoch angesetzt. Abgesehen von einigen wenigen Großunternehmen würden normalerweise auch große und erst recht JTI ittelständische oder gar kleinere Unternehmen eine derartige Dekkungssumme nicht beschaffen. Der Contergan-Fall mit einem Schadenaufwand von etwa 2 Milliarden D M hat aber gezeigt, daß im Fall eines Großserien-Schadens auch eine derartige Deckungssumme unzulänglich sein kann. Die Industrie-Haftpflichtversicherung bietet also zwar für normale und auch für außergewöhnliche Fälle eine sehr wichtige Risikoabschirmung. In Extremfällen können aber auch die Grenzen einer kaufmännisch vorsichtigen Versicherungsabdeckung überschritten sein. b) In den letzten 10 Jahren hat das Produktrisiko völlig neue Dimensionen gewonnen. Diese Entwicklung wird mit Sicherheit weitergehen. Dies ist nicht nur eine Frage von Weiterentwicklungen des Haftungs- und des Prozeßrechts. Der wesentliche Grund liegt m. E. in der ständig zunehmenden Anspruchskenntnis der Geschädigten und im ständig zunehmenden Anspruchsbewußtsein und Anspruchsdenken. Je größer aber das Produktrisiko wird, um so höher wird der Schadenaufwand. Um so mehr steigen die von den Haftpflichtversicherern zur Versicherung des Produktrisikos benötigten Prämien. VIII
Um so wichtiger wird es aus der unternehmerischen Sicht, sich hinsichtlich der Bewältigung des Produktrisikos nicht nur mit der Produkthaftpflichtversicherung zu begnügen, sondern die Versicherungsdeckung zu ergänzen durch unternehmensinterne Schadenverhütungs- bzw. Schadenminderungsmaßnahmen. Dafür wiederum ist eine möglichst genaue Kenntnis und Analyse der Produkthaftung und ihrer Ausstrahlungen auf die konkrete Risikoexponierung des einzelnen Unternehmens erforderlich. Diese Arbeit kann nicht von den Juristen geleistet werden. Vielmehr müssen die Kaufleute und die Techniker in ihren Arbeitsbereichenein „Parallelwissen in der Laiensphäre" über die relevanten Ausstrahlungen der Produkthaftung aufweisen. Nur dies schafft die Voraussetzung dafür, daß in der betrieblichen Praxis versucht werden kann, im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen zugleich auch Schadenverhütung im Hinblick auf die Begrenzung der Haftungsexponierung zu betreiben. Es handelt sich hier also um wesentlich mehr als um nur betriebswirtschaftliche Fragen der Kosten/Nutzen-Bewertung z. B. von Qualitätssteuerungsmaßnahmen. Das Ziel dieser Entscheidungssammlung und der Urteilsanmerkungen ist es, auch diesem Personenkreis den Einstieg in die Problematik zu ermöglichen. Ich habe versucht, in den Urteilsanmerkungen bei allem Streben nach einer höchstmöglichen juristischen Präzision zugleich auch eine Verständlichkeit für den Nichtjuristen zu erreichen und weiterhin im Rahmen des vom Umfang dieses Buches her Möglichen auch auf die Konsequenzen für die betriebliche Praxis hinzuweisen. Ein kardinales Darstellungsproblem ergibt sich dabei aus den unterschiedlichen Begriffen und Sprachgebräuchen des juristischen, des technischen und des kaufmännischbetriebswirtschaftlichen Bereichs, die jeweils eigenständig ohne Rücksicht auf die Entwicklung in den Paralleldisziplinen gewachsen sind. Soweit wie möglich wurde im Rahmen der sachlichen Analyse auch eine terminologische Vereinheitlichung und im Stichwortverzeichnis eine Berücksichtigung auch der außerjuristischen Begriffswelt angestrebt. 3. Der 1975 erschienene Band I umfaßte im wesentlichen Entscheidungen, die bis Ende 1974 ergangen bzw. veröffentlicht waren, sowie zwei nachgeschobene, sehr wichtige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. In der Zwischenzeit sind mir weitere Entscheidungen aus diesem Zeitraum bekannt geworden, die ich wegen der Bedeutung in den Band II hereingenommen habe. Viele Hinweise auf Entscheidungen vor allem der Instanzgerichte verdanke ich Richtern, Anwälten und Technikern. Jedem Benutzer der Entscheidungssammlung bin ich im Interesse einer möglichst umfassenden Materialerfassung für weitere Hinweise dankbar. 4. Meinem Kollegen Dr.-Ing. Egon Sattler, mit dem mich eine mehrjährige intensive Zusammenarbeit im Bereich der Schadenverhütung verbindet, danke ich auch an dieIX
ser Stelle für den konstruktiv-kritischen Dialog über die Urteilsanmerkungen und viele Fragen in den Grenzbereichen zwischen Juristerei und Technik. Die Produkthaftung hat eine sozialpolitische und wirtschaftliche Bedeutung gewonnen, die sie weit über den Bereich der Juristen hinaushebt. Die mit der Produkthaftung verbundenen Fragen werden immer mehr zu einem Feld, in dem die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Juristen, Betriebswirten, Kaufleuten und Technikern sowie allen mit Fragen der Produktgestaltung beschäftigten Wissenschaftlern und Praktikern weiterer Bereiche brennend erforderlich wird. Möge diese Entscheidungssammlung in Verbindung mit den Urteilsanmerkungen dafür einen Beitrag und hoffentlich auch eine Grundlage bieten. 3300 Braunschweig Margaretenhöhe 15 im Juli 1979
X
Dr. Joachim Schmidt-Salzer
Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort: Produkthaftung, Produkthaftpflichtversicherung, Betriebsorganisation und der Zweck dieser Entscheidungssammlung
VII
Gesamtverzeichnis der in Band I und II abgedruckten Entscheidungen . . XII Gesamtverzeichnis und Inhaltsübersicht der in Band I und II enthaltenen Urteilsanmerkungen XIII Einleitung 1. Gesetzgeberische Weiterentwicklungen der Produkthaftung a) Das AGB-Gesetz b) Das ArzneimittelG c) Das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen d) Der Entwurf der EG-Kommission
XXXIV . . . XXXIV XXXIV XXXIV XXXV . XXXV
2. Produkthaftung und Produzentenhaftung
XXXVI
3. Vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Produkthaftung a) Die haftungsrechtliche Bewertung tatsächlicher Arbeitsteilungen b) Produktbeobachtungshaftung
XXXVII XXXVII XXXVIII
Teil I: Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs Teil II: Entscheidungen der Oberlandesgerichte Teil III: Entscheidungen der Land- und der Amtsgerichte
1 293 481
Gesamt-Stichwortverzeichnis für Band I und Band II
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XI
Gesamtverzeichnis der in Band I und II abgedruckten Entscheidungen
Der in dieser Entscheidungssammlung abgedruckte Text ist sehr oft nicht mit dem Abdruck in den weiteren Fundstellen identisch, weil eine Neubearbeitung erfolgte. Deshalb erfolgt die Angabe weiterer Fundstellen lediglich informationshalber. Die durch ein (A) gekennzeichneten Entscheidungen sind mit einer Anmerkung versehen. Die in der ersten Spalte eingerückt gesetzten Entscheidungen sind in Band II, die nicht eingerückten Entscheidungen in Band I enthalten. JW 1905/368 (A) 1.1 RG, 27. 4. 1905, 594/04 VI JW 1908/236 1.2 RG, 13. 2. 1908, VI 172/07 JW 1910/748 RG, 27. 5. 1910, II 409/09 1.3 JW 1912/682; LZ 1912 Sp. 1771 RG, 12.4. 1912,11 86/12 1.4 RG, 25.2. 1915, VI 526/14 RGZ 87/1 1.5 RG, 19. 4. 1916, VI 47/16 LZ 1916 Sp. 1025 1.6 RG, 19.4. 1918,11478/17 1.7 Recht 1918 Nr. 1363 RG, 29. 4. 1918, VI 58/18 Recht 1918 Nr. 1367 1.8 RG, 6. 11. 1919, VI 215/19 RGZ 97/116 1.9 RG, 22. 12. 1919, VI 208/19 1.10 Recht 1920 Nr. 2845 RG, 29. 4. 1920, VI 6/20 1.11 Recht 1920 Nr. 2849 RG, 4. 1. 1921, II 374/20 1.12 RGZ 101/157 RG, 21. 9. 1923,111 569/22 RGZ 108/221 1.13 (A) RG, 21. 12. 1928,11 260/28 1.87 RGZ 123/147 RG, 26. 6. 1929,1 17/29 RGZ 125/76 1.14 RG, 11. 7. 1931, IX 138/31 JW 1932/745 (Freileitung) 1.88 RG, 14. 10. 1931, IX 224/31 HRR 1932 Nr. 444 (Starkstrom1.89 leitung) LZ 1933 Sp. 659 RG, 10. 2. 1933, II 268/32 (A) 1.15 JW 1935/2628 (Gittermast) 1.90 RG, 29. 4. 1935, VI 586/34 RGZ 163/21 (Bremsen) RG, 17. 1. 1940, II 82/39 1.16 DR 1940/1293 (Bremsen) RG, 3. 4. 1940, II 148/39 1.17 BGHZ 4/1 BGH,25.10.1951,III ZR95'50 (A) 1.18 BGH, 23. 6.1952, III ZR168/51 1.19 VersR 1952/357 (Rungenverschluß) BGH, 1.4. 1953, VI ZR 77/53 VersR 1953/242 (Speiseöl) 1.20 VersR 1954/100 (Trinkmilch) BGH, 16.12.1953, VI ZR12/53 1.21 BGHZ 17/191 (Wasser-Chlo1.91 BGH, 9. 5. 1955, II ZR 31/54 rung) XII
(A)
1.92 1.22
BGH, 13. 5. 1955,1 ZR 137/53 BGH, 5.11.1955, VI ZR 199/54
1.93
BGH, 28. 2.1956, VI ZR 354/54
1.23 1.24 1.25 1.26 (A) 1.27 1.94 (A) 1.95 1.28
BGH, 15. 3. 1956, II ZR 284/54 BGH, 21. 4. 1956, VI ZR 36/55 BGH, 25. 4. 1956, VI ZR 34/55 BGH, BGH, BGH, BGH, BGH,
13. 7.1956, VIZR223/54 29. 10. 1956, II ZR 79/55 11.2. 1957, VII ZR 256/56 11.4.1957, VIIZR308/56 17. 5.1957, VI ZR 120/56
1.29 1.96
BGH, 4. 6. 1957, VI ZR 145/56 BGH, 27. 9. 1957, VI ZR 139/56
1.30 1.31 1.32 1.33
BGH, BGH, BGH, BGH,
1.34 1.35 1.36 1.37 1.38 1.39
BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH,
1.40 1.41 1.42 1.43 1.44 1.45 1.46 1.47 (A) 1.48
BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH,
BGHZ 17/214 VersR 1955/765, BB 1955/1109 (Insektenvernichtungsmittel) LM, Nr. 1 zu § 633 BGB (Plattenverlegung) VersR 1956/259 (Motorroller) VersR 1956/410 (Fahrradgabel) VersR 1956/419, NJW 1956/ 1193 (Dreschmaschine) VersR 1956/625 (Karussell) BGHZ 22/90 BGHZ 23/288, VersR 1957/251 LM, Nr. 3 zu § 633 BGB VersR 1957/584 (Gelenkwellenschutz) VersR 1957/585 (Bagger) VersR 1958/107 (Betondecke) BB 1956/426 (Leim) VersR 1958/672 (Ziegel)
25. 3. 1958, VIII ZR 58/57 11.7.1958,VIZR158/57 14. 10. 1958, VI ZR 183/57 14. 10. 1958, VIII ZR 143/57 LM Nr. 7 zu § 459 Abs. 1 BGB (Fußbodenbelag) 28. 10. 1958, VI ZR 176/57 VersR 1959/104 (Seilschloß) 17. 2. 1959,1 StR 618/58 BB 1959/473 (Zwischenstecker) 14. 4. 1959, VI ZR 94/58 VersR 1959/523 (Seilhexe) 15. 5.1959, VI ZR109/58 JZ 1960/124 (Rostschutzmittel) 10. 8. 1959, VIII ZR 113/58 (Maschinenfett) 20. 10. 1959, VI ZR 152/58 VersR 1960/342 (Fußbodenklebemittel) 29. 10. 1959, VII ZR 176/58 VersR 1960/344 (Auftaugerät) 5. 7. 1960, VI ZR 130/59 VersR 1960/855 (Kondenstopf) 8. 7. 1960, VI ZR 159/59 VersR 1960/856 (Silo) 18. 10. 1960, VI ZR 8/60 VersR 1960/1095 (Kühlanlage) 21.2.1962, VIII ZR 4/61 (Auto-Scooter) 22. 2. 1962, VII ZR 205/60 VersR 1962/480 (Heizkörper) 5. 4.1962, VII ZR 183/60 BGHZ 37/94 24. 1. 1963, VII ZR 100/61 NJW 1963/1148 30. 4. 1963, VI ZR 7/62 VersR 1963/860 (Auftau-Transformator) XIII
1.97
BGH, 2. 5. 1963, VII ZR 221/61
1.98 1.99
BGH, 2. 4. 1964, VII ZR 128/62 BGH, 9. 2. 1965, VI ZR 253/63
1.100 BGH, 1.49 BGH,
(A)
1.50
BGH,
1.51
BGH,
1.52
BGH,
1.53
BGH,
1.101 BGH, 1.54
BGH,
1.55 (A) 1.56 1.57
BGH, BGH, BGH,
1.58
BGH,
1.102 1.59 1.103 1.104
BGH, BGH, BGH, BGH,
1.60
BGH,
1.61 (A) 1.62
BGH, BGH,
XIV
BGHZ 39/183, NJW 1963/1451, VersR 1963/879 (Schaufensterrahmen)
NJW 1965/1075, VersR 1965/ 497 (Sturzhelm) 6. 5. 1965, VII ZR 211/63 VersR 1965/800 20. 12. 1965, VIII ZR 220/63 VersR 1966/241, Betr. 1966/ 147 (Ziegelstein) 28. 2. 1967, VI ZR 14/65 VersR 1967/498 (Plastikmassebehälter) 8. 3. 1967, VIII ZR 4/65 BB 1967/433, JZ 1967/321 (Farbe n-Grundstoff) 5. 4.1967, VIII ZR 32/65 BGHZ 47/312, Betr. 1967/944, JZ 1968/228 (Betonbereitungsanlage) 21.6. 1967, VIII ZR 26/65 BGHZ 48/118, NJW 1967/1903 (Trevira) 12.10.1967, VII ZR 8/65 BGHZ 48/310, VersR 1967/ 1194, NJW 1968/43 (Flachdach) 17.10.1967, VI ZR 70/66 NJW 1968/247, VersR 1967/ 1199 (Schubstrebe) 8. 5.1968, VIII ZR 62/66 29. 5. 1968, VIII ZR 77/66 BGHZ 50/200, NJW 1968/1622 25. 9. 1968, VIII ZR 108/66 NJW 1968/2238, JZ 1968/742 (Dieselöl) 26. 11. 1968, VI ZR 212/66 BGHZ 51/91, NJW 1969/269, BB 1969/12, VersR 1969/155 (Hühnerpest) 13. 2. 1969, VII ZR 14/67 BB 1969/512, VersR 1969/470 22. 10. 1969, VIII ZR 196/67 NJW 1970/383 10. 3. 1970, VI ZR 98/68 NJW 1970/944 (Sicherheitsgurt) 23. 3. 1970, VII ZR 87/68 BauR 1970/177 (TonerdeSchmelzzement) 7. 7. 1970, VI ZR 223/68 JZ 1971/63, NJW 1970/1963 (Druckfehler) 9.7. 1970, VII ZR 70/68 BGHZ 54/236 28. 9. 1970, VIII ZR 166/68 BB 1970/1414, Betr. 1970/2213, VersR 1971/80, JZ 1971/29 (Bremsen)
(A)
(A)
(A)
(A)
(A)
BGH, 14. 10. 1970, VIII ZR 156/68 B B 1970/1416, WM 1970/1400 BGH, 22. 10. 1970, VII ZR 90/68 VersR 1971/134, NJW 1971/92 (Korkisolierung) B G H Z 55/392, B B 1971/936, 1.107 BGH, 4. 3. 1971, VII ZR 40/70 NJW 1971/1131 (Achsaggregat) 1.108 BGH, 12. 3. 1971, V ZR 119/68 NJW 71/1313, B B 1971/723 1.109 BGH, 20. 4. 1971, VI ZR 232/69 BGH, 28. 4. 1971, VIII ZR 258/69 B B 1971/673 (Tanklastzug) 1.63 BGH, 16. 6. 1971, VIII ZR 69/70 WM 1971/1121, B B 1971/1173 1.64 1.110 BGH, 5. 7. 1971, VII ZR 98/69 WM 1971/1271 (Dachkonstruktion) BGH, 6. 10. 1971, VIII ZR 95/70 1.65 B B 1972/13, Betr. 1972/85, BGH, 9. 11. 1971, VI ZR 58/70 1.66 VersR 1972/149 (Förderanlage) 1.67 BGH, 24. 11. 1971, VIII ZR 81/70 NJW 1972/252 (Futtermittel) BGH, 25. 11. 1971, VII ZR 82/70 Betr. 1972/233, VersR 1972/ 1.68 274 BGH, 16. 2. 1972, VI ZR 111/70 1.69 VersR 1972/559 (Förderkorb) 1.111 BGH, 18. 4. 1972, VI ZR 168/70 VersR 1972/693 BGH, 18. 4.1972, VI ZR 168/70 1.70 VersR 1972/693 BGH, 17. 5. 1972, VIII ZR 98/71 Betr. 1972/1335 (Propangas) 1.71 BGH, 5. 7. 1972, VIII ZR 74/71 1.72 B G H Z 59/158, B B 1972/1069 (Fensterlack) B G H Z 59/172, NJW 1972/2217, BGH, 1 1 . 7 . 1972, VI ZR 194/70 1.73 B B 1972/1161, VersR 1972/ 1075 (Kurznarkosemittel) B G H Z 59/303, NJW 1972/ BGH, 4. 10. 1972, VIII ZR 117/71 1.74 2300, VersR 1973/33 (Wasserversorgung) B B 1973/539 1.112 BGH, 1. 3. 1973, VII ZR 82/71 BGH, 14. 3. 1973, VIII ZR 137/71 NJW 1973/843 (Nottestaments1.75 mappe) B B 1973/1372, NJW 1973/1602, BGH, 19. 6. 1973, VI ZR 178/71 1.76 VersR 1973/862 (Feuerwerkskörper) E 61/118, NJW 1973/1688 1.113 BGH, 5. 7. 1973, VII ZR 12/73 (Werbeagentur) 1.77 BGH, 23. 10. 1973, VI ZR 162/72 VersR 1974/243 NJW 1974/272, B B 1974/104 1.78 BGH, 6. 12. 1973, VII ZR 17/72 1.79 BGH, 20. 12. 1973, VII ZR 184/72 VersR 1974/490 1.105 1.106
XV
1.80 1.81 1.114 1.82
BGH, BGH, BGH, BGH,
1.83 1.84 1.115 1.116
BGH, BGH, BGH, BGH,
(A) 1.85
BGH,
1.117 BGH, (A) 1.118 BGH, (A) 1.86 BGH, (A)
1.119 BGH, 1.120 BGH,
(A)
1.121 BGH, 1.122 BGH,
(A)
1.123 BGH, 1.124 BGH,
(A)
1.125 BGH, 1.126 BGH,
1.127 BGH,
1.128 BGH, 1.129 BGH,
(A)
XVI
1.130 BGH,
29. 1. 1974, VI ZR 53/71 6. 2. 1974, VIII ZR 12/73 11. 3. 1974, II ZR 45/73 14. 5. 1974, VI ZR 48/73
VersR 1975/750 DAR 74/128 VersR 1974/771 BB 1974/998, NJW 1974/1503 (Prüfzeichen) 16. 5. 1974, VII ZR 214/72 BGHZ 62/323, NJW 1974/1322 24. 6. 1974, VIII ZR 245/72 BB 1975/1137 11. 11. 1974, VII ZR 137/73 WM 1974/1204 (Spanplatten) 23. 1. 1975, VII ZR 137/73 NJW 1975/685, Betr 1975/540 (Kfz-Waschanlage) 19. 2. 1975, VIII ZR 144/37 BGHZ 64/46, BB 1975/806, NJW 1975/824 (Haartonikum) 24. 4. 1975, VII ZR 114/73 Betr 1975/1458 30. 4. 1975, VIII ZR 164/73 BB 1970/1416 (Wellstegträger) BB 1975/1031, Betr. 1975/1404 3. 6. 1975, VI ZR 192/73 (Spannkupplungen) NJW 1976/2245 24. 6. 1975, VI ZR 72/74 VersR 1976/166 (Schweiß23. 9. 1975, VI ZR 62/73 arbeiten) BB 1975/1503, VersR 1976/166 7. 10. 1975, VI ZR 43/74 (Entsorgung) 30. 10. 1975, VII ZR 309/74 BB 1976/17 (Kunststoffplatten) 3. 12. 1975, VIII ZR 237/74 BB 1976/105 (Kleiderstoff) 28. 4. 1976, VIII ZR 244/74 BGHZ 66/208, BB 1977/216, VersR 1976/882 (Batterie) BB 1976/1342, VersR 1976/954 11. 5. 1976, VI ZR 210/73 24. 5. 1976, VIII ZR 10/74 BGHZ 1966/315, BB 1976/902, Betr 1976/1422, WM 1976/839 (Frostschutzmittel I) 10. 6. 1976, VII ZR 129/74 BGHZ 67/1, BB 1976/1340, NJW 1976/1502, Betr 1976/ 1473 (Wertgutachten) 28. 10. 1976, III ZR 155/74 VersR 1977/253 (Abwasseranlage) BB 1977/468, MDR 1977/390, 10. 11. 1976, VIII ZR 112/75 Betr 1977/159, WM 1977/220 (Adventsstollen) BGHZ 67/359, BB 1977/162, 24. 11. 1976, VIII ZR 137/75 VersR 1977/358, JZ 1977/342,
1.131 BGH, 25. 11. 1976, II ZR 209/75 1.132 BGH, 19. 1. 1977, VIII ZR 319/75 1.133 BGH, 2. 3. 1977, VIII ZR 209/75 1.134 BGH, 15. 3. 1977, VI ZR 201/75 1.135 BGH, 16. 3. 1977, VIII ZR 194/75 1.136 BGH, 24. 3. 1977, VII ZR 319/75 1.137 BGH, 20. 4. 1977, VIII ZR 141/75 1.138 BGH, 14. 6. 1977, VI ZR 247/75 1.139 BGH, 29. 6. 1977, VIII ZR 309/75 1.140 BGH, 11. 10. 1977, VI ZR 110/75 1.141 BGH, 11. 1. 1978, VIII ZR 1/77 1.142 BGH, 9. 2. 1978, VIII ZR 84/77
1.143 BGH, 9. 2. 1978, VIII ZR 122/77 1.144 BGH, 21.2. 1978, VI ZR 202/76 1.145 BGH, 29. 3. 1978, VIII ZR 245/76 1.146 BGH, 19. 4. 1978, VIII ZR 39/77
1.147 BGH, 30. 5. 1978, VI ZR 113/77 1.148 BGH, 14. 6. 1978, VIII ZR 97/77 1.149 BGH, 20. 6. 1978, VI ZR 15/77 1.150 BGH, 21.6. 1978, VIII ZR 91/77
NJW 1977/379 (Schwimmerschalter) WM 1977/224 WM 1977/365 VersR 1977/571, WM 1977/557 (Wasserversorgung) VersR 1977/546 BB 1977/618, WM 1977/555, Betr 1977/953 NJW 1977/1819, Betr 1977/ 1457 Betr 1977/1408, BB 1977/1019 (Champignondosen) BB 1977/1117, VersR 1977/839 (Autokran) BB 1977/1373,VersR 1977/918, Betr 1977/1695 (Pflanzenschutzmittel) VersR 1978/82 (Narkosegerät) NJW 1978/1051, WM 1978/328, Betr 1978/1119 (Sand) BB 1978/832, VersR 1977/520, NJW 1978/1157 (Heizungsventil) BB 1978/577, WM 1978/580 (Trittschallschutz) VersR 1978/561 (Rutsche) BB 1978/1489, NJW 1978/2394 (Kühlschrank) BB 1978/827, Betr 1978/1685, NJW 1978/1430 (Wasserversorgung) BB 1978/1088,VersR 1978/722, Betr 1978/1830 (Kfz-Reparatur) WM 1978/1094 (Lichtkuppel) BB 1978/1233,NJW1978/2032, VersR 1978/945 BB 1978/1489, BauR 1978/482, Betr 1978/1975 (SportplatzSchlacke) XVII
(A)
1.151 BGH, 5. 7. 1978, VIII ZR 172/77
11.1 11.2 11.21 11.3 11.22 11.4 11.23 11.24 11.5 11.6 II.6a 11.7 11.25 11.26 11.27 11.8 11.9 (A)
11.28
(A)
11.29 11.10 11.11
BB 1978/1491, WM 1978/1172, NJW 1978/2241, Betr 1978/ 1878 (Hinterreifen)
OLG Stuttgart, 10. 12. 1907 OLGE 18/69 OLG Bremen, 11. 10. 1951, NJW 1951/145 2 W 208/51 OLG Karlsruhe, 8. 7. 1953, (Anhydritmörtel) 1 U 316/52 OLG Frankfurt, 7.1.1954, U 173/52 OLG Karlsruhe, 7. 3. 1956, 5 W 226/55 NJW 1956/913 OLG Celle, 4. 5. 1957, 9 U 65/55 VersR 1958/404 OLG Karlsruhe, 27. 6. 1958, (Klebstoff) 7 U 186/57 OLG Bremen, 14. 6. 1960, 3 U 296/59 (Röntgengerät) OLG Köln, 9. 12. 1963,10 U 44/62 VersR 1964/541 OLGKarlsruhe,4.3.1964,1U154/63BB 1964/740 OLG Zweibrücken, 7. 12. 1965, 1 U 63/65 OLG Frankfurt, 2. 6. 1967, 5 U 136/66 VersR 1969/1121 OLG Karlsruhe, 30. 4. 1969, 7 U 118/68 OLG Koblenz, 14. 7. 1969 (Holzschutzmittel) 1 U 323/65 OLG Düsseldorf, 18. 11. 1969, 4 U 74/69 VersR 1971/88 (Kreissäge) OLG Celle, 28. 1.1970,13 U 175/69 OLG Saarbrücken, 17. 3. 1970, 2 U 193/66 1 BB 1970/1417 OLG Saarbrücken, 17. 3. 1970, 2 U 193/66 BB 1970/1417 (Glasfliesen) OLGKarlsruhe, 3 . 6 . 1970, 9 U 43/69 BauR 1971/56 (Lüftungsrohr) OLG Celle, 4. 12. 1970, 8 U 113/68 OLG Hamm, 18.1.1971,3 U 193/70BB 1971/845
Erratum: Zweimaliger Abdruck, bei II. 28 aber mit Anmerkung. XVIII
11.12 11.13 11.30 11.31 11.14 11.15 11.16 11.32 11.17 11.18 11.33 11.34 11.19 11.35 11.20 11.36 (A) 11.37 11.38 (A) 11.39 11.40
OLG Hamburg, 22. 6. 1971, 7 U 113/70 OLG Köln, 19.10.1971,15 U67/71 OLG Köln, 20. 1. 1972, 10 U 26/71 OLG Düsseldorf, 8. 11. 1972, 19 U 54/72 OLG Hamm, 23. 10. 1972, 22 U 127/27 OLG Düsseldorf, 24. 10. 1972, 4 U 68/72 Kammergericht, 3. 11. 1972, 17 U 1137/72 OLG Köln, 2. 5. 1973, 16 U 169/72 OLG Stuttgart, 31. 10. 1973, 2 U 64/73 OLG Hamm, 8. 11. 1973, 7 U 45/73 OLG München, 31. 1. 1974, 1 U 3104/73 OLG München, 22. 2. 1974, 1 U 2490/73 OLG München, 26. 4. 1974, 19 U 4324/73 OLG Köln, 10. 6. 1974, 7 U 207/73 OLG Düsseldorf, 23. 7. 1974, 4 U 20/74 KG, 29. 10. 1974, 9 W 1270/74 OLG Hamburg, 4. 12. 1974, 5 U 79/74 OLG Nürnberg, 11. 12. 1974, 4 U 180/72 OLG Oldenburg, 19. 2. 1975, 2 U 140/74 OLG München, 13. 3. 1975, 1 U 4134/74
DAR 1972/16 NJW 1972/162 (Speiseeisbereiter)
MDR 1973/224, Betr. 1973/325
BB 1973/169 MDR 1973/848 (Pkw)
NJW 1974/1090 NJW 1974/1143 (Kfz-Waschanlage) BB 1974/579 Betr. 1974/1059
BB 1974/1366 VersR 1975/427 (Kontrastmittel) (Konservierungsmittel) (Wasserversorgung II) (Pkw)
XIX
11.41 11.42
11.43 11.44 11.45 11.46 (A) 11.47 11.48 11.49 (A) 11.50 11.51 (A) 11.52 11.53 11.54 11.55 11.56 11.57 11.58 11.59
XX
OLG Bamberg, 7. 7. 1975, 4 U 177/74 OLG Bamberg, 14. 7. 1975, 4 U 7/74 OLG Köln, 23. 2. 1976, 5 U 67/75 OLG Köln, 10. 3. 1976, 13 U 32/75 OLG Hamm, 1. 6. 1976, 9 U 81/76 OLG Hamm, 12. 7. 1976, 3 U 60/76 OLG Stuttgart, 26. 8. 1976, 10 U 35/76 OLG Zweibrücken, 20. 9. 1976, 2 U 217/75 OLG München, 6. 10. 1976, 15 U 4854/75 OLG Karlsruhe, 7. 10. 1976, 4 U 16/75 OLG Braunschweig, 4.11.1976, 1 U 23/76 OLG Stuttgart, 24. 11. 1976, 6 U 27/76 OLG München, 21. 12. 1976, 4 U 186/76 OLG Düsseldorf, 7. 2. 1977, 5 U 206/76 OLG Bremen, 30. 3. 1977, 3 U 132/75 OLG Frankfurt, 6. 5. 1977, 22 U 155/75 OLG Karlsruhe, 26. 5. 1977, 9 U 67/75 OLG Stuttgart, 31. 5. 1977, 11 U 10/77 OLG Hamm, 8. 6. 1977, 19 U 119/73
(Industriethermometer) VersR 1977/771 (Kraftfahrzeug-Felge) (Skibindung) (Fonduegerät) VersR 1976/47 (L) (Heimdusche) VersR 1977/842, MDR 1977/ 137 (Schrankwand) BauR 1977/129 (Schablone) NJW 1977/111 (Gittermast)
VersR 1978/246 NJW 1977/299, VersR 1977/477 (Sicherheitsgurt) BauR 1977/279 (Schallschutz) VersR 1977/1111 (Sauna) DAR 1977/322 (Kraftfahrzeug-Inspektion) VersR 1977/867 (Pkw-Reparatur) (Heizwasser) (Fugenverputzmasse) VersR 1978/354 (Wasserzufuhr) (Frostschutzmittel II)
11.60 11.61 11.62
11.63 11.64 11.65 11.66
II.67 (A) 11.68
OLG Karlsruhe, 22. 6. 1977, 7 U 123/76 OLG Karlsruhe, 20. 7. 1977, 7 U 16/77 OLG Köln, 21. 9. 1977, 13 U 28/77 OLG Karlsruhe, 28. 10. 1977, 10 U 89/77 OLG Celle, 28. 11. 1977, 9 U 83/77 OLG Düsseldorf, 24. 1. 1978, 4 U 154/77 OLG Frankfurt, 24. 6. 1978, 4 U 56/74 1 OLG Celle, 13. 7. 1978, 7 U 163/77 OLG Celle, 26. 10. 1978, 7 U 64/78
VersR 1978/550 (Coca-Cola-Flasche) VersR 1978/830 (Betonbereitungsanlage) VersR 1978/650 (Sicherheitsgurt) VersR 1978/770 VersR 1978/258 (Hocker) VersR 1978/1044 (Meißel)
VersR 1978/1144 (Apfelschorf) BB 1979/392 (Apfelschorf)
(A) III.l (A) (A)
(A)
(A)
LG Hanau, 28.2. 1955, VersR 1955/785 2 O 117/53 III.2 LG Lindau, 26. 4. 1955, OH 83/64 VersR 1955/428 III.3 LG Freiburg, 17. 2.1959,2 O 40/57 LG Duisburg, 14. 2 . 1 9 6 3 , 1 0 0 38/57 III.4 LG Heidelberg, 10. 4. 1963, III.5 2 O 196/60 BB 1963/670 III.6 LG Kleve, 26. 2. 1964, 2 O 157/62 LG Limburg, 18. 6. 1969, 111.7 NJW 1969/1574 2 O 11/69 J Z 1971/507 LG Aachen, 18. 12. 1970, III.15 4 Kms 1/68,15-115/67 (Contergan) VersR 1972/671, LG Düsseldorf, 26.5. 1971, 111.8 BB 1972/241 5 O 363/70 LG Hagen, 21.3. 1972, 111.9 5 O 259/71 LG Köln, 13. 4. 1972, 111.10 2 O 124/71 NJW 1972/1580
Erratum: 24. 6. 1975, VersR 1977/1133 (L) XXI
III.ll (A) III.12 (A) III.13 III.16 (A)
III.17 III.18 III.19 III.14 III.20 III.21 111.22 III.23
XXII
LG Braunschweig, 14. 12. 1972, 17 O 253/69 LG Heidelberg, 25. 7. 1973, 3 S 28/73 LG Saarbrücken, 2. 7. 1974, 10 O 111/73 LG Augsburg, 17. 9. 1974, 2 O 354/72 LG XYZ, 1. 1. 1975, 33 O 21/73 LG Berlin, 7. 2. 1975, 56 S 128/74 LG Hamburg, 11. 6. 1975, 65 O 285/74 LG Hannover, 12. 6. 1975, 21 O 275/73 LG Hamburg, 2. 7. 1976, 74 O 584/75 AG Frankfurt, 7. 4. 1977, 31 C 8396/75 LG Köln, 26. 4. 1978, 13 S 301/77 LG Duisburg, 27. 4. 1978, 8 O 206/76
DAR 1974/124
VersR 1975/916 (Gasverpuffung) (Ventil) VersR 1976/396 (Plattenaufteilungsanlage)
(Apfelschorf) (Vollkornbrot) MDR 1978/846 (SchwimmbadDesinfektionsmittel) (Gießpulver)
Gesamtverzeichnis und Inhaltsübersicht der in Band I und Band II abgedruck ten Urteilsanmerkungen
1.1
R G , 27. 4. 1905
1.13
R G , 21. 9. 1923
1.15
R G , 10. 2. 1933
1.18
B G H , 25. 10. 1951
I.27 1 ) 2 )
B G H , 29. 10. 1956
1
Unterscheidung zwischen Sachbeschädigung und Herstellung eines mangelhaften Werks - Einzelfragen des Sachschadenbegriffes (vgl. auch unten, 1.130) Streckengeschäft: Vorlieferant als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers § 826 B G B als Anspruchsgrundlage f ü r Produktschäden: Beweisfragen H a f t u n g des U n t e r n e h m e n s für die Sachorganisation - H a f t u n g des U n t e r n e h m e n s für die Personalorganisation: H a f t u n g f ü r die Mitarbeiter; H a f t u n g für die allgemeine Unternehmensorganisation - § 831 B G B und dezentralisierter E n t l a s t u n g s n a c h w e i s - V e r h ä l t nis der Organisationshaftung gemäß § 823 B G B und der Mitarbeiterhaftung gemäß § 831 B G B - Einzelfragen Allgemeine Geschäftsbedingungen: I n h a l t s g r e n z e n Begriff der A G B bzw. der formularmäßigen Klauseln - Inhaltsgrenzen - Haftungsfreizeichnungsklauseln -
Für nach dem 31. 3. 1977 abgeschlossene Verträge ist das AGB-Gesetz zu beachten. Jedenfalls für den Geschäftsverkehr mit Kunden, die nicht (a) juristische Person des öffentlichen Rechts, (b) öffentlich-rechtliches Sondervermögen oder (c) Kaufmann sind, der den Vertrag im Rahmen seines handelsgewerblichen Tätigwerdens abschließt (vgl. § 24 Abs. 1 AGBGesetz), ergeben sich durch die in § 11 Nr. 7 und § 11 Nr. 11 AGB-Gesetz enthaltenen Regelungen über die Unzulässigkeit von Haftungsfreizeichnungen bzw. Haftungsbegrenzungen im Vergleich zum richterrechtlich geformten Recht der AGB engere Inhaltsgrenzen. Gemäß § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz ist ein Ausschluß oder eine Begrenzung der Haftung für vorsätzliches oder grobfahrlässiges Handeln von gesetzlichen Vertretern bzw. Erfüllungsgehilfen (aller Art) ausgeschlossen. Nach dem Richterrecht der AGB dagegen war eine Haftungsfreizeichnung für vorsätzliches oder grobfahrlässiges Handeln nur insoweit unwirksam, wie es sich um Organpersonen bzw. sog. leitende Angestellte (im haftungsrechtlichen Sinn) handelte; die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von nichtleitenden Angestellten konnte dagegen rechtswirksam in AGB ausgeschlossen werden. Die Frage, in welchem Umfang Haftungsbegrenzungen unzulässig sind, war im Richterrecht der AGB ungeklärt (vgl. dazu SchmidtSalzer, AGB, 1971, Rn. 189-191). Gemäß § 11 Nr. 11 AGB-Gesetz kann bei Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträgen die Scha-
1.48
BGH, 30. 4. 1963
Ausschluß der Schadensersatzhaftung - Abänderung der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte - Abänderung der werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsrechte - Zahlungspflichten des Kunden und Gewährleistungsverpflichtung des Lieferanten Rechtliche Relevanz von Werbeangaben - vertragsrechtliche Relevanz - deliktsrechtliche Relevanz
densersatzhaftung wegen des Fehlens zugesicherter Eigenschaften weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden: im Richterrecht der A G B war zwar ebenfalls eine Unwirksamkeit des Ausschlusses der Schadensersatzhaftung anerkannt: dies war aber auf Fälle beschränkt, in denen sich die Eigenschaftszusicherung nach Lage der Umstände auf die Absicherung gegen die betreffenden Mangelfolgeschäden erstreckte (vgl. 1.56 und die dortige Anmerkung). Für den in § 24 AGB-Gesetz genannten Personenkreis dagegen ist § 11 AGB-Gesetz nicht anwendbar. Die sog. Inhaltsgrenzen für formularmäßige Haftungsfreizeichnungen, die der Bundesgerichtshof vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes herausgearbeitet hatte, gelten aber auch für nach dem 31. 3 . 1 9 7 7 abgeschlossene Verträge in der Form weiter, daßdiese Inhaltsgrenzen als Anwendungsergebnisse des § 9 AGB-Gesetz zu verstehen sind (vgl. Schmidt-Salzer, NJW 1977/129, 136f. sowie A G B , 2. Aufl., 1977, Rn. F. 14ff.; zustimmend Koch-Stübing, A G B Gesetz, 1977, Rn. 10 zu § 9). Dies erklärt sich damit, daß die in § 9 AGB-Gesetz normierte Generalklausel über die richterliche Inhaltskontrolle von A G B ihrerseits im wesentlichen nur eine gesetzliche Festschreibung der im Richterrecht der A G B entwickelten (ungeschriebenen) Generalklausel darstellt.
2
Im einzelnen ist hier vieles strittig. Z. B. geht Kötz (Münchener Kommentar, 1978, Rn. 4 zu § 11 AGB-Gesetz) davon aus, daß im Verkehr mit Kaufleuten, usw. mit § 11 unvereinbare Klauseln trotz der Nichtanwendbarkeit des § 11 gemäß § 9 AGB-Gesetz nichtig seien, sofern nicht festgestellt wird, daß aufgrund der besonderen Bedürfnisse des kaufmännischen Verkehrs eine unterschiedliche Behandlung von Kaufleuten und Nichtkaufleuten gerechtfertigt ist (ähnlich Schlosser-Coester/Waltjen-Graba, AGB-Gesetz, 1977, Rn. 1 zu § 24). Löwe-WestphalenTrinkner (AGB-Gesetz, 1977, Rn. 14 zu § 24) stellen darauf ab, ob bei Anwendung der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGB-Gesetz eine inhaltliche Parallelwertung zu § 11 „angezeigt und erforderlich" ist, und kommen zu einer analogen Anwendbarkeit des § 11 a u c h f ü r d e n Verkehr mit Kaufleuten, usw. (aaO, Rn. 13 zu § 24; ebenso im Ergebnis Koch-Stübing, aaO, Rn. 10 zu § 9 mittels Abstellens auf die jeweilige faktische Interessenlage). Für eine analoge Anwendbarkeit des § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz auch auf den Verkehr mit Kaufleuten, usw. Löwe-Westphalen-Trinkner, aaO, Rn. 17 zu § 11 Nr. 7; Schlosser-Coester/Waltjen-Graba, aaO, Rn. 84 zu § 11 Nr. 7; Kötz, aaO, Rn. 64 zu § 11; Koch-Stübing, aaO, Rn. 20 zu § 11; Ulmer-Brandner-Hensen A G B G , 1977, Rn. 30 zu § 11 Nr. 7. Gegen die analoge Anwendbarkeit des § 11 Nr. 7 Palandt-Heinrichs, BGB, 37. Aufl., Anm. 7c zu § 11; Schmidt-Salzer, A G B , 2. Aufl., 1977, Rn. F. 201; Helm, BB 1977/1109; DittmannStahl, A G B G , 1977, Rn. 435.
XXIV
I.56 3 )
BGH, 29. 5. 1968
Formularmäßige Abbedingung der Schadensersatzhaftung fiir das Fehlen zugesicherter Eigenschaften: Unterschied zwischen Eigenschaftszusicherungen mit bloßer Vergewisserungsfunktion und Eigenschaftszusicherungen mit der Funktion einer Absicherung gegen Mangelfolgeschäden; Bedeutung bei Konstruktionsfehlern sowie bei Fabrikationsfehlern Werkvertragsrecht - Verschuldensunabhängigkeit der Schadensersatzhaftung gemäß § 463 B G B
1.62
BGH, 28. 9 . 1 9 7 0
1.72
BGH, 5. 7. 1972
Anscheinsbeweis und Beweislastumkehr-retrospektiver Anscheinsbeweis - Beweisvereitelung bzw. Verpflichtung des Herstellers zur Aufbewahrung der Schadensteile Vorliegen von Eigenschaftszusicherungen, insbesondere Eignung für einen bestimmten Verwendungszweck, Leistungsangaben, DIN-Normen - Voraussetzungen für eine Erstreckung der Eigenschaftszusicherung auf Mangelfolgeschäden - Umfang der mit der Erstreckung auf Mangelfolgeschäden verbundenen Absicherungsfunktion
1.85
BGH, 19. 2. 1975
1.86
BGH, 3. 6. 1975
3
Nichtberücksichtigung der bei der Produkterprobung gewonnenen Erkenntnisse - vertragsrechtliche Instruktionshaftung - funktioneller Zusammenhang zwischen Konstruktionshaftung und Instruktionshaftung - Anwendungsbereiche der Instruktionshaftung - Fallbereiche der Instfuktionshaftung - Instruktionshaftung und statistische Häufigkeit bzw. Seltenheit des Schadenseintritts - Beweislastumkehr im Bereich des Kausalitätsnachweises Alternativer Fehlernachweis - Erfordernis der Verantwortung des Beklagten für beide potentiellen Fehler - Verantwortung des Fabrikationsleiters für In-
Für eine analoge Anwendbarkeit des § 11 Nr. 11 auch für den Verkehr mit Kaufleuten, usw. Koch-Stübing, aaO, Rn. 10 zu § 11 Nr. 11; Palandt-Heinrichs, Anm. 12 zu § 11; Ulmer-Brandner-Hensen, aaO, Rn. 23 zu § 11 Nr. 11; Kotz, aaO,Rn. 126 zu § 11; Palandt-Heinrichs, aaO, Anm. 11 zu § 11. Differenzierend, d. h. entsprechend dem Richterrecht der AGB gegen eine Anwendbarkeit des § 11 Nr. 11 auf Eigenschaftszusicherungen, deren Schutzzweck sich nicht auf die Absicherung gegen Mangelfolgeschäden erstreckte, Schmidt-Salzer, AGB, Rn. F. 117ff.; Löwe-Westphalen-Trinkner, Rn. 23 zu § 11 Nr. 11; Schlosser-Coester/Waltjen-Graba, Rn. 20 zu § 11 Nr. 11.
XXV
1.92
B G H , 13. 5. 1955
1.95
BGH, 1 1 . 4 . 1957
XXVI
struktionsfehler - Beweislastumkehr im Bereich der Mitarbeiter-Eigenhaftung: rechtspolitischer Stellenwert der Entscheidung - Anwendungsvoraussetzungen für die Beweislastumkehr im Bereich der Mitarbeiter-Eigenhaftung - sozialpsychologische Bedeutung der Entscheidung - unmittelbare deliktsrechtliche Haftung des Mitarbeiters gegenüber dem Endgeschädigten für in seinem Verantwortungsbereich gesetzte Fehlerureachen - Assembler-Haftung - Quasi-Herstellerhaftung Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Schadensverursacher - Gesamtschuldnerschaft trotz fehlenden Zusammenwirkens der Gesamtschuldner-Erfordernis des Fehler-, Kausalitäts- und Verschuldensnachweises gegenüber jedem einzelnen Gesamtschuldner - Bedeutung für das Produkthaftungsrecht interner Schadensausgleich bzw. Regreß zwischen den Gesamtschuldnern - gesetzliches Ausgleichverhältnis - Freistellungsanspruch - Zahlungsanspruch Verjährung - Bewertungsmaßstab für die Aufteilung der Schadenstragung zwischen den Gesamtschuldnern - gesetzlicher Ubergang des Geschädigtenanspruchs - Begrenzung des Forderungsübergangs entsprechend der Ausgleichsquote - Anwendungsbeispiele - Ausstrahlung der rechtlichen Normallage auf Umgehungskonstruktionen - Bewertungsmaßstäbe für die Schadensaufteilung Haftung für Vorarbeiten Dritter, für vorgeschriebene Materialien, für beigestellte Teile, o. ä. - Eigenhaftung für in fremdem Verantwortungsbereich gesetzte Schadenursachen - Baurecht: Haftung des Handwerkers für Mängel des Architektenwerks - Auftragsfertigung und Haftung für Konstruktionsfehler - Arbeitsteilung und Haftungsverteilung-Mitverantwortung für fremde Verantwortungsbereiche - Hinweisverpflichtungen - Montagebetrieb und Haftung für Konstruktionsfehler - Getränkeabfüllbetrieb und Haftung für beigestellte Flaschen - Haftung für beigestellte Einzelteile - Haftung des Montagebetriebes für Konstruktionsfehler der beigestellten Teile - Haf-
1.101
B G H , 12. 10. 1967
1.105
B G H , 23. 3. 1970
1.107
B G H , 4. 3. 1971
1.110
B G H , 5. 7. 1971
1.112
B G H , 1. 3. 1973
tung für Fabrikationsfehler bei Anlieferung durch Drittunternehmen - Beistellung durch den A u f t r a g geber selbst Erfordernis des individuellen Fehlernachweises bei mehreren Beteiligten - Fehler-Beurteilungszeitpunkt - Verschulden-Beurteilungszeitpunkt - E n t wicklungsgefahren - Beispiele - Produktbeobachtungshaftung - Entwicklungslücken - Verpflichtung zum Unterlassen des Inverkehrbringens - Zulässigkeit des Inverkehrbringens, aber Bestehen einer Warnpflicht - der Begriff „Stand der Technik" - der Begriff „Stand der Wissenschaft" im nicht-technischen Bereich - die Begriffe „lege artis" und „State of the a r t " - der Begriff „Stand der Fachkenntnisse" Stand der Technik und Regelwerke ( D I N - N o r m e n , V D E - N o r m e n , usw.) - keine rechtliche Identität von D I N - N o r m e n , usw. mit dem Stand der Technik A u f g a b e und Wirkungsbereich der N o r m u n g - keine Rechtsnormenqualität von D I N - N o r m e n , usw. - mittelbare rechtliche Bedeutung von D I N - N o r m e n H a f t u n g trotz Berücksichtigung der D I N - N o r m , usw. - doppelte Überprüfungspflicht des Anwenders von D I N - N o r m e n , usw. - Übereinstimmung der D I N - N o r m , usw. mit d e m Stand der Technik? - A u s reichen der dem Stand der Technik entsprechenden D I N - N o r m für den betreffenden Einzelfall? - Relativität des „Standes der Technik" Produktbeobachtungshaftung: Warnpflicht - Qualifikation der Warnpflicht als deliktsrechtlichen A n spruch auch im Verhältnis zwischen Vertragspartnern - Inhalt der Produktbeobachtungshaftung: Begrenzung auf die Warnverpflichtung Beschädigung einer bestehenden Sache durch m a n gelhafte R e p a r a t u r als Sachbeschädigung i. S. des § 823 Abs. 1 Planungshaftung des Architekten und H a f t u n g von Konstruktionsbüros H a f t u n g für beigestellte Teile - Gewährleistungshaftung und Beistellung von Einzelteilen durch den Auftraggeber - Regelung in der V O B - Rechtslage XXVII
außerhalb des Anwendungsbereichs der V O B - fahrlässige Nichterkennung von Mängeln der beigestellten Teile durch den Auftragnehmer Kaufmännische Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten - Falschlieferungen - Präklusionswirkung der §§ 377 f. H G B auf Schadensersatzansprüche? Begrenzung der §§ 377 f. H G B auf zweiseitige Handelsgeschäfte? - Anforderungen an die Untersuchungsobliegenheiten - Dauer der Untersuchungsfrist - formularmäßige Milderung bzw. Abbedingung in Allg. Einkaufbedingungen - Risiken des Vertrauens auf Allg. Einkaufsbedingungen Deliktsrechtliche Mitarbeiter-Eigenhaftung - Erfordernis der Zuordnung der schadenverursachenden Handlung zum Verantwortungsbereich des betreffenden Mitarbeiters
1.118
B G H , 30. 4. 1975
1.119
BGH, 24. 6. 1975
1.121
B G H , 7. 10. 1975
Verkehrssicherungspflicht: umfassender Charakter der deliktsrechtlichen Haftung - deliktsrechtliche Bewertung tatsächlicher Arbeitsteilungen - Auswahl- und Uberwachungshaftung bei Einschaltung Dritter - die drei Pflichtenbereiche - Drittunternehmer-Auswahlhaftung - Lieferantenbeurteilung Prüfung der auftragsbezogenen Qualifikation - Drittunternehmer-Bindungshaftung - DrittunternehmerÜberwachungshaftung - Wareneingangskontrolle Parallelen zwischen Drittunternehmer-Einschaltungs haftung und Verrichtungsgehilfenhaftung (§ 831 BGB) - Arbeitsteilungen im Herstellerbereich - Einschaltung von Auftragnehmern - Einschaltung von Zulieferern
1.124
BGH, 28. 4. 1976
Verhältnis der §§ 377ff. H G B zu § 254 BGB - Mitverschulden und Untersuchungspflichten des Abnehmers bzw. Benutzers - Verhältnis zu den kaufmännischen UIntersuchungsobliegenheiten (§§ 377ff. H G B ) - Eigenständigkeit des Fragenbereichs im im Rahmen des § 254 B G B - Beurteilungskriterien im Rahmen des § 254 B G B - Möglichkeit und Zumutbarkeit der Vorsorgemaßnahme - Untersuchungspflichten bei Gefahr von Mangelfolgeschäden - Ublichkeit bzw. Nichtüblichkeit der erforder-
XXVIII
liehen Untersuchungen - Verschuldenskriterien typisierende Beurteilung - Erfordernis des „allgemeinen Bewußtseins" über die Notwendigkeit der Vorsorgemaßnahme? - haftungsrechtliche Problemstellung - prozessuale Problemstellung - besondere gerichtspsychologische Sachlage im Straßenverkehrsrecht - Präventiveffekt einer B e j a h u n g des Mitverschuldens - Nützlichkeitsgrad bzw. Nützlichkeitswahrscheinlichkeit der Vorsorgemaßnahme - haftungsrechtliche Untersuchungspflichten bei f o r m u larmäßiger Abbedingung der kaufmännischen U n t e r suchungsobliegenheiten - formularmäßige Abbedingung der haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten 1.126
B G H , 24. 5. 1976
1.130
B G H , 24. 11. 1976
1.136
B G H , 24. 3. 1977
1.138
B G H , 14. 6. 1977
Mitarbeiterhaftung (§ 831 B G B ) - Mitarbeiter-Eigenhaftung - vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Rechtslage bei Personen- u n d / o d e r Sachfolgeschäden, die als Folge des Fehlens von zugesicherten Eigenschaften eingetreten sind Endherstellerhaftung f ü r fremdproduzierte Einzelteile - Anspruchskonkurrenz - Sachschaden bei H e r stellung einer neuen, aber mangelhaften Sache? Unterscheidung zwischen Herstellung und R e p a r a tur - das Kriterium der funktionellen Begrenzbarkeit Anspruchskonkurrenz - Schadenberechnung im Fall des sog. Haftpflichtschadens H a f t u n g von Vertriebsunternehmen mit E n d m o n tagefunktionen - Vertriebsunternehmen mit E n d montagefunktionen - Abgrenzung zwischen Vertriebsunternehmen mit Endmontagefunktionen und Assemblern - Qualifikation als Vertriebsunternehmen - Qualifikation als Hersteller - Quasi-Hersteller - Abgrenzung zwischen Montage und Assembling - Qualifikation als Assembler - Fertigung nach Kundenzeichnung - Beauftragung (a) eines Konstruktionsbüros und (b) eines Lohnbüros - Ausstattung eines Fremdprodukts mit eigenem Warenzeichen Vertrieb von F r e m d p r o d u k t e n durch Handelsbetrieb unter eigenem Warenzeichen - Mitverantwortung d. Montagebetriebs für Konstruktionsfehler - b e i g e XXIX
1.139
BGH, 29. 6. 1977
1.141
B G H , 11. 1. 1978
1.146
B G H , 19. 4. 1978
1.148
B G H , 14. 6. 1978
1.151
B G H , 5. 7. 1978
XXX
stellte Teile - vom Montagebetrieb beschaffte Teile Instruktionshaftung - Beratungshaftung und Eigenschaftszusicherungshaftung - Beratung über Verwendungsmöglichkeiten als Bestandteil späterer Bestellungen - versicherungsrechtliche Sachlage - Verjährung Verjährungsfragen - Gewährleistungshaftung - vertragliche Mangelfolgeschadenhaftung - Kaufvertragsrecht - Werkvertragsrecht - deliktsrechtliche Haftung - Zusammentreffen mehrerer Anspruchsgrundlagen - Prinzip der Anspruchskonkurrenz Anwendbarkeit des § 477 B G B auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung? - Bewertungsunterschiede zwischen Gewährleistungshaftung und Haftung aus positiver Vertragsverletzung Daseinsvorsorge - Wahlfreiheit des Staates zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Gestaltung - zivilrechtliche Ausgestaltung - öffentlichrechtliche Ausgestaltung - zivilrechtsanaloge Entwicklung des öffentlichen Rechts - Anhaltspunkte für die Qualifikation des Rechtsverhältnisses Rechtsweg - Haftungsfreizeichnungen Händler-Haftung: Untersuchungspflichten - Eigenschaftszusicherung Sachschaden-Begriff - Deliktshaftung für Schäden an der gelieferten Sache - Händlerhaftung - Rechtsgrundlage - keine Eigenverantwortung des Vertriebsunternehmens für den Herstellerbereich - Haftung des Vertriebsuntrnehmens für Vertriebsfehler Vertragshändler-Haftung - Beispiele für Vertriebsfehler - Nichtberücksichtigung von Herstellerfehlern als Vertriebsfehler - Berücksichtigung von Reklamationen und Schadenmeldungen - personelle Verflechtung des Vertriebsunternehmens mit dem Hersteller-Betrieb - gesamtschuldnerische Haftung des Hersteller- und des Vertriebsunternehmens - Untersuchungspflichtendes Vertriebsunternehmens-keine Verpflichtung zur herstellerähnlichen Untersuchung bzw. Prüfung - Haftung für fahrlässiges Nichterkennen von Herstellungsfehlern
11.28 11.29 11.37
OLG Saarbrücken, 17. 3. 1970 OLG Karlsruhe, 3. 6. 1970 OLG Hamburg, 4. 12. 1974
11.39
OLG Oldenburg, 19. 2. 1975
11.47
OLG Stuttgart, 26. 8. 1976
11.50
OLG Karlsruhe, 7. 10. 1976
11.52
OLG Stuttgart, 24. 11. 1976
11.68
OLG Celle, 26. 10. 1978
Gewährleistungshaftung des Werkherstellers für vorgeschriebene Materialien Mitverantwortung für Bereiche Dritter Eigenschaftszusicherungen bei verwendungsabhängigen Produkten - Schadenermittlungsverhandlungen als Grundlage zukünftiger Eigenschaftszusicherungen - Verkäuferinteresse - Käuferinteresse Beurteilungsmaßstäbe Händlerhaftung: Vertragshändler: Importeur - Verschärfung der Händlerhaftung bei Konzernbindung und/oder Importeurfunktionen? - konzerngebundenes Vertriebsunternehmen ohne Importeurfunktionen - konzerngebundenes Vertriebsunternehmen mit Importeurfunktionen - Importeur - Quasi-Herstellerhaftung oder Verschärfung der Händlerpflichten? - Verschärfung der Händlerpflichten - Bewertungskriterien - gelegentliche Importe - Generalvertreter-Importeur DIN-Normen als Erkenntnismittel zur inhaltlichen Präzisierung des Vertragsgegenstandes - Rechtslage bei Auslandlieferungen-Erfordernis einer Zurechenbarkeit der DIN-Norm - Rechtslage im inländischen Vertragsverkehr - Rechtslage bei Auslandlieferungen - vertraglich vorausgesetzter Gebrauch Arbeitsunfallrecht und Produkthaftungsrecht - Unfallverhütungsvorschriften - Verschuldensnachweis: keine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen bei Arbeitgeber-Regressen der Berufsgenossenschaften DIN-Normen als Mittel zur Präzisierung des Vertragsgegenstandes - DIN-Normen als Auslegungsinstrument - DIN-Normen als Kurzformel zur Leistungsbeschreibung - Verhältnis Individualvertrag/ DIN-Norm - Werks- bzw. Hausnormen - von der DIN-Norm abweichende Individualvereinbarung mittelbare Unvereinbarkeit der DIN-Norm mit dem Individualvertrag Haftung für Verwendbarkeitsangaben, usw. in Produktverpackungen und -beilagen - BeratungshafXXXI
III. 1 111.2
LG 28. LG 26.
Hanau, 2. 1955 Lindau, 4. 1955
111.3
L G Freiburg, 1 7 . 2 . 1959
III.6
LG Kleve, 26. 2. 1964
111.12
L G Heidelberg, 25. 7. 1973 LG Saarbrücken, 2. 7. 1974 LG Aachen, 18. 12. 1970
111.13 III.15
XXXII
tung - Fe hiernachweis: Beurteilungszeitpunkt ,,Hersteller"-Haftung eines konzerngebundenen Vertriebsunternehmens? -,,Hersteller" -Haftung und deliktsrechtliche Gefahrabwendungspflichten - allgemeine deliktsrechtliche Haftung und Instruktionshaftung - Entwicklungsgefahren - Produktbeobachtungshaftung - Anwendungsprinzipien der Produktbeobachtungshaftung - Rückrufhaftung - Beweislastverteilung - präventive Dimension der Schadenregulierung: Haftung für die ordnungsgemäße Erfassung und Auswertung von Schadensfällen. Mitarbeiter- und Organisationshaftung (§§ 8 3 1 , 8 2 3 BGB) Ineinandergreifen von Fabrikations- und Qualitätskontrollhaftung - Hundertprozent-Kontrollen Stichproben-Kontrollen Quasi-Herstellerhaftung bei Vertrieb eines Fremdproduktes unter eigenem Warenzeichen, eigener Handelsmarke oder als eigenes Produkt - Inhalt der Quasi-Herstellerhaftung Assembler-Haftung bei Fabrikationsfehlern - Einzelfragen der Drittunternehmerauswahl- bzw. Kontrollhaftung Beschränkung einer Eigenschaftszusicherung auf einen Vergewisserungseffekt Deliktsrechtliche Importeurhaftung - Kollisonsrecht Kausalitätsnachweis im Arzneimittelhaftungsprozeß: zivilprozessuale Aspekte - generelle Kausalität individuelle Kausalität - Verschulden des Arzneimittelherstellers: zuvilrechtliche Aspekte - Verschulden beim Inverkehrbringen? - Entwicklungsgefahr - Produktbeobachtungshaftung - Handlungspflicht des Arzneimittelherstellers bereits bei bloßem Verdacht - Anforderungen an die Begründetheit des Verdachts - Relevanz der Dauer der Gesundheitsbeschädigung - Relevanz der Häufigkeit des Auftretens derartiger Schäden - therapeutischer Wert des Präparats - Erfordernis der Bewertung sämtlicher Einzelfallumstände
III. 17
LG XYZ, 1 . 1 . 1975
Produktbeobachtungshaftung - Langzeitverhalten als Entwicklungsgefahr - Inhalt der erforderlichen Warnung - Form der erforderlichen Warnung
XXXIII
EINLEITUNG 1. Gesetzgeberische Weiterentwicklungen der Produkthaftung
Nach Veröffentlichung des Bandes I sind einige maßgebliche gesetzliche Weiterentwicklungen der Produkthaftung erfolgt: a) Das AGB-Gesetz Zum 1. 4. 1977 ist das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) in Kraft getreten. Es enthält weitgehend eine gesetzliche Konsolidierung des von der Rechtsprechung entwickelten Rechts der AGB, darüber hinaus aber auch eine Fülle von Weiterentwicklungen sowie echten Neuregelungen. Für Verträge, die nach dem 31.3. 1977 abgeschlossen wurden, ist also dieses Gesetz zu beachten. Es wirft eine Fülle von Einzelfragen auf, die in der Literatur sehr umstritten sind. Eine Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist noch nicht erfolgt, so daß ich an dieser Stelle auf diese Fragen nicht eingegangen bin. 1 b) Das ArzneimittelG Zum 1 . 1 . 1 9 7 8 ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (ArzneimittelG) in Kraft getreten. Es stellt zweifellos einen Markstein in der Entwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts dar, indem in § 84 ArzneimittelG zum ersten Mal eine deliktsrechtliche, vertragsrechtlich nicht abdingbare Produkt-Gefährdungshaftung anerkannt wird, die allerdings mehrfach begrenzt ist, nämlich - territorial auf die innerhalb der Bundesrepublik und West-Berlins an den Verbraucher abgegebenen Arzneimittel - zeitlich auf die nach dem 3 1 . 1 2 . 1 9 7 7 im territorialen Geltungsbereich an den Verbraucher abgegebenen Arzneimittel - von der Schadensart her auf den Ersatz von Personenschäden einschließlich derjenigen Vermögensnachteile, die durch zeitweise oder dauernde Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. Vermehrung der Bedürfnisse eingetreten sind - summenmäßig pro Person auf einen Kapitalbetrag von 500 000 DM bzw. einen Rentenbetrag von jährlich 30000 DM sowie „im Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch das gleiche Arzneimittel" auf einfen Kapitalbetrag von 200 Mio DM oder einen Rentenbetrag von jährlich 12 Mio DM (vgl. §§ 84 bis 88 ArzneimittelG). 1
Im einzelnen ist dies in meiner Monographie „Allgemeine Geschäftsbedingungen", 2. Aufl., 1977, erfolgt.
XXXIV
G e m ä ß § 91 ArzneimittelG bleibt eine nach anderen gesetzlichen Vorschriften - also z. B. aufgrund der deliktsrechtlichen Generalklausel des § 823 Abs. 1 B G B bestehende weitergehende Haftung davon unberührt. c) Das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen A m 16. 4. 1974 trat innerhalb der Bundesrepublik das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen in Kraft. Das Gesetz gilt als innerstaatliches Recht. Es regelt diejenigen Kaufverträge über bewegliche Sachen, die mit Parteien aus anderen Vertragsstaaten abgeschlossen werden. Im haftungsrechtlichen Teil beschreitet es aus deutscher Sicht völliges Neuland, weil hinsichtlich der Schadensersatzhaftung nicht mehr zwischen Gewährleistungshaftung einerseits, Mangelfolgeschadenhaftung andererseits unterschieden wird, wie dies im normalen deutschen Recht aufgrund des Nebeneinanders von Gewährleistungshaftung und H a f t u n g für positive Vertragsverletzung der Fall ist. d) Der Entwurf der EG-Kommission Im November 1976 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den „Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die H a f t u n g für fehlerhafte P r o d u k t e " vorgelegt. Auch hier wird eine Produkt-Gefährdungshaftung vorgeschlagen, die allerdings nicht auf Personenschäden begrenzt ist. Sie umfaßt vielmehr auch Sachschäden, wenn es sich um Schäden im nichtgewerblichen Bereich handelt. Auch dieses Konzept enthält eine summenmäßige Begrenzung und sieht ausdrücklich vor, daß die Haftung vertraglich weder abdingbar noch begrenzbar ist. Weiterhin ist vorgesehen, daß eine nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten bestehende weitergehende Haftung davon unberührt bleibt. Dieser Entwurf hat jedenfalls in Deutschland ein enormes Aufsehen erregt. Das Thema der Produkthaftung wird seit Vorliegen dieses Entwurfes vielfach nur unter dem G e sichtspunkt gesehen: „Welche Kostenbelastung bringt diese Haftung f ü r die Industrie?" Dazu ist aus derzeitiger Sicht aber zu sagen, daß nicht absehbar ist, o b und wann dieser Entwurf oder aber eine im Detail überarbeitete Fassung tatsächlich zur Verabschiedung einer Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften führt. Selbst dann sind immer noch innerstaatliche Ausführungsgesetze erforderlich. Vor allem aber ist durch diesen Entwurf - bei aller notwendigen rechtspolitischen A n a lyse und Erörterung - ein äußerst gefährlicher Akzent in die geistige Auseinandersetzung mit dem Fragenbereich der Produkthaftung gekommen: Es wird in weiten Kreisen übersehen, daß bereits das geltende deutsche Recht der Produkthaftung sowohl im Bereich des Vertragsrechts als auch im Bereich des Deliktsrechts so weit geht, d a ß die Übergänge zu einer Gefährdungshaftung keineswegs mehr eine Revolution oder einen Schritt in eine völlig neue Welt darstellen. Zweifellos würde eine P r o d u k t - G e f ä h r XXXV
dungshaftung der von der EG-Kommission vorgeschlagenen Art aus deutscher Sicht eine signifikante Weiterentwicklung der bestehenden Rechtslage und damit gewissermaßen eine neue Stufe darstellen. M. E. handelt es sich hier nur um eine Evolution. Damit soll die Bedeutung einer derartigen Evolution für die Risikoexponierung der Hersteller-Unternehmen nicht unterschätzt werden. Im Hinblick auf die Akzentsetzung der derzeitigen Problemerörterung in der Industrie ist aber ganz klar zu sagen, daß wegen der falschen Einschätzung des Ist-Standes m. E. die Akzente falsch gesetzt sind. Für die Hersteller-Betriebe besteht das Problem bereits heute in einem Umfang, der in der Industrie noch nicht scharf genug gesehen wird. 2. Produkthaftung und Produzentenhaftung In den USA wurde die Thematik von Anfang an unter dem Stichwort der products liability behandelt. Es wurde also nicht an die Person des Haftungsschuldners angeknüpft, sondern an die Schadenursache. In Deutschland wurde das Thema unter dem Stichwort der Warenhersteller- 2 bzw. der Produzentenhaftung 3 aufgenommen. Dies ist aber deswegen zu eng, weil dadurch die Assoziation vermittelt wird, diese Haftung betreffe ausschließlich die im Produktionsbereich tätigen Unternehmen, nicht aber Handelsunternehmen, Reparaturbetriebeo. ä. Abgesehen von einigen wenigen Spezialnormen ist das deutsche Produkthaftungsrecht aber nicht konkret geregelt. Vielmehr wird sowohl die vertragsrechtliche als auch die deliktsrechtliche Produkthaftung aus allgemeinen Haftungsnormen abgeleitet (Haftung für positive Vertragsverletzung, § 823 Abs. I, § 823 Abs. II, § 826 BGB). Das, was systematisch als „Produkthaftungsrecht" gekennzeichnet werden kann, stellt also sachlich nicht mehr und nicht weniger als die Anwendung von allgemeinen Haftungsnormen auf einen bestimmten Fallbereich dar. Dies hat zur Folge, daß die Produkthaftung nicht nur den Produzenten trifft, sondern auch dessen Mitarbeiter (1.86), die Vertriebsunternehmen (vgl. 1.41, 1.138, 1.151, 11.12), Reparaturbetriebe (1.68,1.147, II.2,11.54,11.55), usw. Folglich ist der Begriff „Produzentenhaftung" zu eng und stellt er sogar eine gefährliche Irreführung über den personellen Anwendungsbereich dar, so daß der Begriff „Produkthaftung" vorzuziehen ist. 4 Dies wird mehr und mehr erkannt. 5 Der Begriff „Produkthaftung" bringt das 2
Lorenz,
Festschrift für Nottarp, 1961, S. 59ff.; Weitnauer, NJW 1 9 6 8 / 1 5 9 3 f f . ;
Diederichsen,
NJW 1 9 7 8 / 1 2 8 1 , 1283. 3
Simitis, Grundfragen der Produzentenhaftung, 1965; Graf von Westphalen,
BB 1971/152;
B B 1 9 7 3 / 1 3 7 3 , 1374. 4 5
Vgl. Einleitung zu Band I. Vgl. Anhalt, Produzentenhaftung, 1978, S. 11; von Marschall
in: Deutsche zivil-, kollisions-
und wirtschaftsrechtliche Beiträge zum X. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Budapest 1978, S. 2 7 f . ; Lukes, Reform der Produkthaftung 1979, S. 3. Siehe auch Schuldrecht, 6. Aufl., 1976, S. 646.
XXXVI
Fikentscher,
zum Ausdruck, was im Kernbereich des Rechtsgebietes liegt, nämlich die Anknüpfung der Haftung an ein Produkt. Wurde ein Produkt zur Schadensursache, liegt in diesem Sinne ein „Produkthaftungsfall" vor. Erst die nächste Frage ist dann, welche Personen in einer Art und Weise mit dem Produkt in Berührung gekommen sind, aufgrund derer sie - gegebenenfalls neben weiteren - dem Geschädigten auf Schadensersatz haften. Es gibt keine allgemeine deliktsrechtliche Produzentenhaftung. Grundlage der Haftung des Herstellers ist vielmehr die sog. allgemeine Verkehrssicherungspflicht, die aus § 823 Abs. 1 B G B abgeleitet wird. Diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht gilt aber für jedermann. Folglich ist es unerheblich, ob es sich im Einzelfall um ein Hersteller-Unternehmen, um den Mitarbeiter eines Hersteller-Unternehmens, um ein Vertriebsunternehmen 6 oder dessen Mitarbeiter oder sogar um einen gewerblichen bzw. privaten Produktbenutzer (1.48, 11.20, 11.45) handelt. Jedermann haftet gemäß der deliktsrechtlichen Generalklausel für schuldhaft und rechtswidrig verursachte Beeinträchtigungen deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter Dritter, also auch der Hersteller, der Vertriebshändler und der gewerbliche sowie der private Produktbenutzer. 3. Vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Produkthaftung Grundlegende Weiterentwicklungen der in der Einleitung zu Band I skizzierten Rechtslage sind nicht erfolgt. An dieser Stelle ist lediglich auf zwei Fragenbereiche einzugehen. a) Die haftungsrechtliche Bewertung tatsächlicher Arbeitsteilungen In der Einleitung zu Band I wurde im Abschnitt „Arbeitsteilung und Deliktsrecht" versucht, die Grundlinien dieses sich damals noch relativ schwach in der Rechtsprechung abzeichnenden Bereichs herauszuarbeiten. Inzwischen liegen weitere Entscheidungen zum Produkthaftungsrecht vor. Das Entsorgung-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7 . 1 0 . 1 9 7 5 (I.121)über die Betriebsstätten-Haftung von Industrieunternehmen für die Beseitigung von Produktionsabfällen hat für die Praxis eminent wichtige Beurteilungsrichtlinien herausgearbeitet. Konsequent weitergedacht und auf den Bereich der Produkthaftung angewandt, bestätigen sie voll die in Band I anhand der damals vorliegenden Rechtsprechung entwickelten Gedankengänge. 7 Weiterhin hat der Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt, daß auch die vertragsrechtliche Erfassung tatsächlicher Arbeitsteilungen immer dann auf der Grundlage dieser 6 7
Anderer Ansicht Graf von Westphalen, BB 1977/313,314. Vgl. im übrigen sowie vor allem im Detail die Anmerkung zu 1.121 und meinen Aufsatz in BB 1979/1 ff.
XXXVII
Bewertungskriterien zu erfolgen hat, wenn ein Zulieferer, Auftragsfertiger, usw. kein Erfüllungsgehilfe des Lieferanten ist (1.142). Diese Bewertungskriterien gelten also nicht nur im Deliktsrecht, sondern auch für die Haftung des Hersteller-Verkäufers und die Haftung des Werklieferanten vertretbarer Sachen. Sie gelten dagegen nicht für Werkhersteller, weil der Werkhersteller die Herstellung des Werkes vertragsrechtlich schuldet: folglich sind bei Benutzung von fremdproduzierten Einzelteilen die Zulieferer, Auftragsfirmen, usw. im Verhältnis des Werkherstellers zum Besteller als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) des Werkherstellers zu behandeln. Das gleiche gilt für Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen, die gemäß § 6 5 1 BGB als Werkverträge behandelt werden. b) Produktbeobachtungshaftung Früher wurde in der deutschen Diskussion die Herstellerhaftung in drei große Bereiche - Konstruktionshaftung - Fabrikationshaftung - Instruktionshaftung eingeteilt. 8 Inzwischen hat sich in Literatur und Rechtsprechung die seinerzeit 9 von mir vorgeschlagene Erweiterung dieser Fehlertypologie auf den Bereich der Produktbeobachtungshaftung durchgesetzt. 10 Dahinter steht der Gedanke, daß ein Hersteller unter Umständen auch in den Fällen, in denen ein objektiv fehlerhaftes Produkt ohne Verschulden in den Verkehr gebracht wurde, bei späterer Erkennbarkeit des Fehlers zu Gefahrabwendungsmaßnahmen verpflichtet sein kann. Dies ist die unausweichliche Konsequenz daraus, daß Grundlage der Produkthaftung nicht etwa eine Norm des Inhalts „Der Hersteller haftet für Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler" ist, sondern die deliktsrechtliche Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB. Die Anwendbarkeit dieser Norm ist aber nicht zeitlich auf das Inverkehrbringen von Produkten begrenzt. Folglich kann sich auch bei schuldlos in den Verkehr gebrachten, objektiv fehlerhaften Produkten noch im Zeitpunkt der späteren Fehlererkennung die Frage einer deliktsrechtlichen Haftung stellen.
8
9 10
Grundlegend Lorenz, Festschrift für Nottarp, 1961, S. 81 ff.; aus neuester Zeit vgl. von Marschall (Fußn. 5) S. 36ff. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1973, S. 83 ff. 11.60; 11.67; 11.68; Palandt-Thomas, BGB, 36. Aufl., 1977, S. 828; Anhalt, Produzentenhaftung, 1978,S. 104; Kullmann,BB 1976/1085; Diederichsen,NJW1978/1281,1283; v.Hippel, Verbraucherschutz, 1974, S. 35f. und 39; Kötz, Deliktsrecht, 1976, S. 206.
XXXVIII
1.87
I. Teil: Entscheidungen des Reichsgerichts- bzw. des Bundesgerichtshofes
1.87: RG, 21. 12. 1928, II 260/28
Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung
Kenntnis des Verwendungszweckes
(In den Urteilsgründen des Vorderrichters) wird festgestellt, daß jedenfalls eine ausdrückliche Zusicherung über die Eignung des Hengstes zur Zucht nicht gegeben worden sei. Der Vorderrichter verneint auch eine stillschweigende Zusicherung dieses Inhalts. Er ist der Meinung, für die Annahme einer solchen genüge nicht schon die unstreitig beim Kaufabschluß vorhanden gewesene Kenntnis des Klägers davon, daß der Beklagte den Hengst zum Decken seiner HakneyStute verwenden wolle. Vielmehr müsse das Einstehen für das Vorhandensein aller hierfür gebotenen Voraussetzungen stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht sein. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden... Die Kenntnis des Verwendungszwecks für sich allein genügt nicht, sondern es ist eine unmittelbare Übernahme der Gewährleistung erforderlich.
I.88: RG, 11. 7.1931, IX 138/31 (Freileitung)
Rechtliche Gefahrabwendungspflichten und
Das Berufungsgericht hätte davon ausgehen müssen, daß es für die Bemessung der Sorgfalt, die von der Beklagten zu verlangen war, genügen mußte, wenn sie sich an die VDEVorschriften hielt, die, wie bekannt ist, in gemeinsamer Zu1
1.88 überbetriebliche Regelwerke VDE-Vorschriften
sammenarbeit nicht bloß der Elektrizitätsunternehmungen und der ihr nahestehenden Industrie, sondern auch beteiligter Behörden (Bahn und Post), wissenschaftlicher Institute, Hochschulen, u.a.m. abgefaßt und aufgestellt worden sind, so daß sie sehr wohl als Richtlinien für das Maß der zu stellenden Anforderungen verwertet werden können. Denn danach handelt es sich bei diesen Vorschriften nicht etwa bloß um die Niederlegung der Anschauungen beteiligter Kreise, sondern um eine über diese Kreise hinausreichende, eine gewisse überparteiliche Autorität genießende Bearbeitung der im Interesse der Allgemeinheit erforderlichen, aber auch im allgemeinen genügenden Maßnahmen auf diesem Gebiet.
Verpflichtung zur Erfüllung der VDEVorschriften
Hiervon ausgehend mußte das Berufungsgericht untersuchen, ob diese Vorschriften für Fälle der hier vorliegenden Art Sicherungsmaßnahmen vorschrieben; wenn nicht, dann war zu prüfen, ob trotzdem aus besonderen Gründen ein höherer Grad von Vorsicht geboten war als nach diesen Vorschriften. Diese Untersuchung hätte ergeben, daß jene Vorschriften für Freileitungen, die an senkrechten Fassaden entlanglaufen oder in sie hineingeführt sind, Sicherungsmaßnahmen nicht vorschreiben. Es könnte sich daher nur noch fragen, ob nicht trotzdem aus besonderen Gründen die Anwendung einer über das Maß der durch jene Vorschriften erforderten Sorgfalt hinausgehenden Sorgfalt geboten war. Es kann nicht anerkannt werden, daß die vom Berufungsgericht erwähnten und festgestellten örtlichen Verhältnisse eine besondere Gefährdung begründeten, die eine über das gewöhnliche, durch die Einhaltung jener Vorschriften gewährleistete Maß hinausgehende Sorgfaltspflicht für die Beklagte mit sich brachte. Die Freileitung war an sich unzugänglich oben an der Fassade angebracht. Begründet dies an sich keine besondere Vorkehrungspflicht, so konnte die Nähe der Dachrinne mit Abfallrohr die Notwendigkeit solcher Vorkehrungen nicht begründen. Reparaturen und sonstige Arbeiten an Dachrinnen pflegen nicht viel häufiger als solche an der Fassade selbst und gleich diesen nur von sachkundigen Handwerkern ausgeführt zu werden, von de-
Verpflichtung zur Prüfung der konkreten Sachlage Verpflichtung zur Prüfung der konkreten Sachlage
HerstellerVerhaltenserwartungen: Sachkundigkeit der potentiell Gefährdeten 2
1.89 nen die Beklagte voraussetzen durfte, daß ihnen die Gefahr des Berührens ungeschützter Leitungen bekannt sei, und zwar auch auf dem Lande. Der Beklagten fällt daher kein Verschulden zur Last, wenn sie eine besondere Vorkehrung zur Sicherung nicht getroffen und im Einklang mit den Vorschriften handelte, deren Einhaltung für sie im Regelfall gleichbedeutend war mit der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Sie durfte sich darauf verlassen, daß, wenn jene Vorschriften für derartige, an sich häufige Fälle Sicherungsmaßnahmen nicht vorschrieben, sie nicht ihrerseits Sicherungsmaßnahmen zu treffen brauchte.
1.89: RG, 14.10.1931, IX 224/31 (Starkstromleitung)
Deliktshaftung
VDEVorschriften
Der Ehemann der Klägerin ist am 18.6. 1927 gegen 6 Uhr morgens dadurch tödlich verunglückt, daß er auf dem Wege von seiner Wohnung zur Arbeitsstelle mit einem herabhängenden Drahtstück der Starkstromleitung, die dort in der voraufgegangenen Nacht bei einem Gewittersturm gerissen war, in Berührung kam. Die Begründung aus §823 Abs.1 BGB trägt die Entscheidung (des Berufungsgerichts, wonach der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt war). Das Berufungsgericht hat eine für die Tötung des Ehemannes ursächliche Fahrlässigkeit der Beklagten darin erblickt, daß sie unterlassen habe, das über die Straße geführte Stück der Stromabzweigung mit einer Sicherung zu versehen, die bei einem Drahtbruch den Strom ausgeschaltet hätte. Den Umstand, daß in den Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker eine solche Sicherung nicht gefordert war, erachtet es als ungenügend zur Entlastung der Beklagten, weil sie trotzdem bei gehöriger Aufmerksamkeit die Gefährlichkeit einer solchen sicherungslosen Leitung hätte erkennen müssen. Hieran liegt keine Überspannung der Anforderungen zum Schutz des Verkehrs. Wenngleich für die Regel die gewis3
1.90 Rechtliche Gefahrabwendungspflichten und überbetriebliche Regelwerke Verpflichtung zur Prüfung der konkreten Sachlage
senhafte Beobachtung der Verbandsvorschriften hinreicht, so gilt dies doch da nicht, wo deren Unzulänglichkeit bei Anwendung der durch die Umstände gebotenen Sorgfalt erkennbar ist. Hier war aber zu berücksichtigen, daß es sich bei der gefährdeten Umgebung der Leitung um eine öffentliche Ortsstraße handelte, auf deren Sicherheit sich ihre Benutzer müssen verlassen können. Die Beklagte mußte deshalb besonders sorgfältig prüfen, ob von der quer über diese führenden Leitung irgendwelche Gefahren ausgingen und welche Wege zu deren Beseitigung offenstanden. Dabei durfte siesich nicht auf die Verbandsvorschriften verlassen, die einen solchen Sonderfall nicht erwähnen, und von denen nicht ohne weiteres anzunehmen war, daß sie auch dafür gelten sollten. Wäre sie dieser Pflicht nachgekommen, so würde ihr die keineswegs schwer zu erkennende Möglichkeit und Notwendigkeit einer solchen Sicherung der Stichleitung nicht entgangen sein.
1.90: RG, 29. 4.1935, VI 586/34 (Gittermast)
VDEVorschriften
Verpflichtung zur Prüfung der konkreten Sachlage
4
Das Vorliegen eines an die Gewerbeaufsichtsbehörden gerichteten Ministerialerlasses,dereinen Kletterabwehrschutz an Starkstromleitungsmasten nur in Einzelfällen und für solche Masten fordert, für die er unbedingt geboten ist, und der Umstand, daß die Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker die Anbringung eines solchen Schutzes nicht mehr verlangen, befreien die Werke nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob nicht aus besonderen Gründen eine über diese Vorschriften hinausgehende Vorsicht nach den Umständen des einzelnen Falles geboten ist. (Dies wurde bejaht im Fall eines 300m von Häusern entfernten Gittermastes, den ein Kind erklettert hatte.)
1.91 1.91: BGH, 9. 5. 1955, II ZR 31/54 (Wasser-Chlorung)
Hinweisverpflichtung bei Vorhersehbarkeit eines Sachschadens
Dasei nsvorsorge
Rechtsweg
Die beklagte Stadtgemeinde hatte ohne Hinweis der Abnehmer eine Chlorung des zu liefernden Wassers angeordnet. Die Klägerin benutzte das Wasser u. a. zur Konservierung von Gurken, die aber durch die Chlorung verdarben. 1. Wenn die Stadtgemeinde damit rechnen mußte, daß die angeordnete Chlorung des Wassers nach deren Stärke bei unveränderter Verwendung für bestimmte betriebliche Zwecke Schaden verursachen könnte, so war sie verpflichtet, die Chlorung und ihr Maß bekanntzugeben und auf die Möglichkeit von Schäden hinzuweisen. Dies ergibt sich aus dem Vertrag über die Benutzung des Leitungswassers. 2. Die Satzung spricht dafür, daß das Wasserwerk der Beklagten als eine Gemeindeanstalt betrieben wird und daß die Bereitstellung und Benutzung des Wasserwerks nach öffentlichem Recht infolge Zwanges und nicht im Rahmen der Vertragsfreiheit erfolgt. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Städtischen Wasserwerk ihre Grundlage nur in der Satzung haben und hierdurch ein öffentlich-rechtliches Verhältnis geschaffen ist. Denn auch öffentlich-rechtliche Verhältnisse können Rechte und Pflichten erzeugen, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind und deren Verletzung zum Ersatz des dadurch dem anderen Teil zugefügten Schadens nach eben diesen Vorschriften verpflichtet. 3. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Reichsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflicht zur Lieferung einwandfreien Trinkwassers auch für den Fall bejaht, daß diese Pflicht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage entstanden ist (vgl. RGZ 152/129,131 f.). Der Rechtsweg ist daher auch insoweit zulässig, als die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei auf vertraglicher oder vertragsähnlicher Grundlage verpflichtet gewesen, die Chlorung öffentlich bekanntzumachen oder die in Betracht zu ziehenden Betriebe in anderer Weise von der Chlorung in Kenntnis zu setzen und auf mögliche Schäden hinzuweisen. 5
1.92 Hinweisverpflichtung bei Vorhersehbarkeit eines Sachschadens
Hinweisverpflichtung bei Kenntnis des Verwendungszweckes Hinweisverpflichtung als Nebenpflicht von Lieferverträgen Kausalitätsnachweis: Beweislastumkehr
4. Die Beklagte war zur Bekanntgabe der Chlorung in dem vorgenommenen Ausmaß verpflichtet. Diese Pflicht bestand für sie dann, wenn sie mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß die Chlorung in der von ihr vorgenommenen Stärke bei unveränderter Verwertung des Leitungswassers als Gebrauchswasser zu Schädigungen im Betriebe der Klägerin führen können. Die Auffassung der Beklagten, ihre Verpflichtung habe sich darauf beschränkt, darauf zu achten, daß das Wasser hygienisch einwandfrei, also nicht gesundheitsgefährdend sei, ist unhaltbar. Da sie auch Gebrauchswasser zu gewerblichen Zwecken lieferte und die Wasserverbraucher gemäß §29 der Satzung verpflichtet waren, ihren gesamten Bedarf an Trink- und Gebrauchswasser aus der Wasserleitung zu decken, hätte die Beklagte bei Vornahme der Chlorung erwägen müssen, ob in der vorgenommenen Stärke eine derartige Maßnahme gegenüber einzelnengewerblichen Verbrauchern nachteilige Folgen zeitigen könnte. Die Pflicht zur Bekanntgabe der Chlorung bestand somit auch gegenüber der Klägerin als Nebenpflicht aufgrund des vertraglichen oder vertragsähnlichen Verhältnisses, das durch den Anschluß an die Wasserleitung und die ständige Wasserlieferung begründet war. 5. Nach der Erfahrung des Lebens muß angenommen werden, daß die Klägerin bei einer mit einem solchen Hinweis verbundenen Bekanntmachung der Chlorung rechtzeitig Erkundigungen eingeholt haben würde, um zu klären, ob auch bei der Konservierung von Gurken Schäden zu befürchtenseien und daß sie eine damals mögliche Maßnahme getroffen haben würde, die Wirkungen des Chlors zu beseitigen, d.h. das Wasser zu entchloren.
1.92: BGH, 13. 5. 1955, I ZR 137/53
Die Beklagte beförderte einen mit Zuckerrüben beladenen Waggon, der vorher zum Transport von Altblei an die St-AG benutzt worden war, zu einer Zuckerfabrik. Die Zuckerfabrik 6
1.92 entlud die Zuckerrüben im sog. Spritzverfahren, bei dem die Rüben mittels hohen Wasserdrucks aus den geöffneten Wagentüren geschleudert werden. Hierauf belud die Fabrik den Waggon mit Naßschnitzeln und brachte ihn Frau H zum Versand. Am 14. November 1949 wurden die Rübenschnitzel entladen und auf den Hof der Frau H gebracht. Am I.Dezember 1949 erkrankten einige Kühe der Frau H, die mit den Schnitzeln gefüttert worden waren, an Bleivergiftung und mußten notgeschlachtet werden. Den hierauf von Frau H gegen die Zuckerfabrik geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat die Klägerin als Haftpflichtversicherin derZukkerfabrik befriedigt. Frau H trat ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Das Oberlandesgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Anspruchskonkurrenz
(1) Enthält eine Handlung gleichzeitig eine Vertragsverletzung und einen Verstoß gegen die allgemeinen Rechtspflichten der §§823ff. BGB, so haftet der Schädiger regelmäßig sowohl aus Vertrag als auch aus unerlaubter Handlung. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Vertragsrecht und Deliktsrecht bei der Anspruchskonkurrenz ist in ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt (vgl. insbes. RGZ 88/34). Der Grundsatz kann dort eine Einschränkung erfahren, wo d u r c h Gesetz oder Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend die Haftung aus unerlaubter Handlung in zulässiger Weise entweder ganz ausgeschlossen oder auf bestimmte Schuldformen beschränkt oder der Höhe nach begrenzt ist, w o also nach dem Zweck des Gesetzes oder dem Willen der Vertragsschließenden durch das Gesetz oder durch den Vertrag die Haftung aus unerlaubter Handlung ausnahmsweise beeinflußt wird. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 28.4.1953 (BGHZ 9/301) ausgeführt, daß aufgrund desselben Sachverhalts gegen Spediteure, Lagerhalter und Frachtführer wegen Verlustes oder Beschädigung des ihnen anvertrauten Gutes Schadensersatzansprüche sowohl aus Vertragsverletzungen als auch aus unerlaubter Handlung gegeben sein können. Jeder Schadensersatzanspruch ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung entweder nach Ver7
1.92
Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB)
Kausalitätsnachweis
Verkehrssicherungspflicht
Adäquanz-Test
Verkehrssicherungspflicht Kenntnis des konkreten Ver8
tragsrecht oder nach Deliktsrecht zu beurteilen, wobei die Parteien durch Vertragsabreden auch für die mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängenden unerlaubten Handlungen die Haftung ausschließen oder beschränken können. (2) Der Beklagten wird vorgeworfen, daß sie widerrechtlich und schuldhaft durch die Unterlassung der Beseitigung von Bleiresten, die mit dem beförderten Futter in den Magen der Tiere gelangt sind und zur Bleivergiftung geführt haben, unmittelbar das Eigentum der Frau H an ihren Kühen verletzt hat. Rechtlich bedenkenfrei sieht das Oberlandesgericht in §823 BGB eine mögliche Klagegrundlage für die Haftung der Beklagten. Dadurch, daß die Beklagte nach Durchführung des Bleitransportes nicht für die Entfernung der Bleireste sorgte, hat sie ein Glied in der Kette der Ursachen gesetzt, die in adäquater Weise zum Verenden der Kühe führten und damit den der Frau H entstandenen Schaden hervorriefen. Durch den Bleitransport bildete der Güterwagen eine Gefahrenquelle für nachfolgende Transporte, wenn bei diesen unverpackte Futtermittel befördert wurden. Für die Beklagte ergab sich die Rechtspflicht, den Wagen so zu reinigen, daß er auch für solche Transporte tauglich war. Dabei handelte es sich nicht nur um eine der Zuckerfabrik gegenüber aufgrund des Beförderungsvertrages bestehende Rechtspflicht, vielmehr um eine allgemeine Verkehrspflicht, die sich auf die Beförderung von Gütern durch die Eisenbahn gründet; jedermann hat Anspruch darauf, daß die Eisenbahn keine Wagen in Umlauf setzt, die mangels Reinigung von Giftrückständen für Menschen und Tiere eine Gefahr bilden können (vgl. RGZ 102/39,42f.; BGHZ 9/301,307). Es entspricht durchaus dem regelmäßigen und gewöhnlichen Verlauf der Dinge, daß das durch das rechtswidrige Unterlassen der Eisenbahn herbeigeführte Verbleiben der Bleirückstände in dem Wagen zu dem Verenden der Kühe führte. Überdie vertragliche Verpflichtung der Bahn gegenüber der Zuckerfabrik, einen Wagen, der für die Beförderung von Rübenschnitzeln geeignet war, zu stellen, hinaus, bestand für die Beklagte die allgemeine Rechtspflicht, einen mit Giftrückständen behafteten Wagen nicht in Umlauf zu setzen.
1.92 wendungszweckes allgemeine Vorhersehbarkeit von Schäden der betreffenden Art Kausalitätsnachweis und Pflichtenverletzung Dritter (hier: Zuckerfabrik) Organhaftung Dienstvorschriften Zumutbarkeit: Massenbetrieb Eigenhaftung eines Dritten für dessen Pflichtverletzung (hier: Zuckerfabrik) Gesamtschuldnerische Haftung Schadensausgleich zwischen
Die Beklagte kann sich nicht damit entschuldigen, ihr sei nicht bekanntgewesen, daß mit dem Wagen Naßschnitzel befördert werden sollten, da der Wagen von der Zuckerfabrik als Selbstverladerin aus einer größeren Anzahl der ihr zur Verfügung stehenden Waggons ausgesucht worden sei. Denn da die Beklagte die Beförderung unverpackter Futtermittel nicht ausgeschlossen hatte, durfte sie keinen Wagen in Umlauf setzen, der Bleireste enthielt. (3) Ebensowenig wird die Beklagte von ihrer Rechtspflicht dadurch befreit, daß etwa anderen am Beförderungsvertrag Beteiligten die Pflicht zur Beseitigung der Bleireste oblag. (4) Das Berufungsgericht hält aber ohne Rechtsverstoß die Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht nur aufgrund der §§823, 831, sondern auch aufgrund der §§823, 89, 31 BGB für gegeben, da die Organe der Beklagten deren Bedienstete bei Bleifrachtentladungen nicht zu gehöriger Sorgfalt bei der Überprüfung von Reinigungen angehalten haben. Die Beklagte hat nicht dargelegt, daß sie durch entsprechende Dienstvorschriften der ihr in dieser Richtung obliegenden Pflicht genügt hat. Auch der Hinweis der Revision auf den Großbetrieb der Wagengestellung und den Massenverkehr der Bahn entbindet die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung, die Gefährlichkeit von Bleitransporten für gewisse Nachladungen durch entsprechende Vorkehrungen zu beseitigen.
(5) Die Zuckerfabrik hatte die Pflicht zur Lieferung von Rübenschnitzeln, die von schädlichen Beimischungen frei waren, und mußte daher die Bleireste vor der Beladung des Wagens entfernen. Auch ohne Rücksicht auf ein bestehendes Vertragsverhältnis durfte die Zuckerfabrik die Rübenschnitzel, die zur Fütterung fremder Tiere bestimmt waren, nicht mit Bleiresten vermengen. Ihr Handeln erfüllt daher objektiv den Tatbestand des §823 BGB. Bei schuldhaftem Verhalten würde sie der Eigentümerin H gemäß §840 BGB als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten haften, da diese Vorschrift die gesamtschuldnerische Haftung aller denselben Schaden selbständig verursachender Personen auch dann begründet, wenn diese Personen miteinander nicht in Verbindung stehen (RGZ 96/224,225). Da die Klägerin für die Zuckerfabrik den Schadensersatzanspruch der 9
1.92 mehreren Verursachern
Minderung des Regreßanspruchs durch Berücksichtigung des eigenen Verursachungs-und Verschuldensbeitrages Schadensausgleich zwischen mehreren Verursachern Abtretung des Schadensersatzanspruchs vom Geschädigten an einen Gesamtschuldner und Regreßanspruch dieses Gesamtschuldners gegen die übrigen § 254 BGB als Maßstab für den Innenausgleich der Gesamtschuldner
10
Eigentümerin befriedigt hat, ginge dieser Anspruch nach §426 Abs.2 BGB insoweit auf die Zuckerfabrik (und gemäß §67 VVG auf die Klägerin) über, als diese von der Beklagten Ausgleichung verlangen könnte. Der Anspruch wäre demnach nicht in voller Höhe, sondern nur mit einem nach §254 BGB verminderten Betrag übergegangen. Der Ausgleichsanspruch der Zuckerfabrik gegen die Beklagte wäre daher in keiner Weise identisch mit dem Eigentumsverletzungsanspruch der geschädigten Frau H. (6) Er könnte weiterhin gemindert sein, falls auch die St.-AG gegenüber der Eigentümerin eine gesamtschuldnerische Haftung aus §§823,840 BGB treffen sollte, da der den Gläubiger befriedigende Gesamtschuldner die übrigen Gesamtschuldner jeweils nur in Höhe ihres Ausgleichspflichtanteils in Anspruch nehmen kann (RGZ 92/143,145). Diese gesetzliche Regelung kann nicht dadurch umgangen werden, daß der verletzte Eigentümer seinen eigenen Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Gesamtschuldner an den ihn befriedigenden Gesamtschuldner durch Rechtsgeschäft überträgt (abtritt), da hierdurch in die durch das Gesetz geordneten Rechtsverhältnisse der an dem Rechtsgeschäft nicht beteiligten übrigen Gesamtschuldner eingegriffen würde. Hiernach ist die Abtretung der Schadensersatzansprüche der Eigentümerin H an die Klägerin dann gegenstandslos, wenn die Zuckerfabrik ein deliktisches Verschulden trifft. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann die Klägerin ihren Anspruch gegen die Beklagte auf die Abtretung stützen. Selbst wenn ein deliktisches Verschulden der Zuckerfabrik zu bejahen und die Beklagte nur nach § 426 BGB ausgleichspflichtig wäre, so würde bei Anwendung des § 254 BGB auf die Verteilung der Schadensersatzpflicht (RGZ 159/86, 90) im Innenverhältnis zwischen der Zuckerfabrik und der Beklagten die Pflicht zur Tragung des Schadens allein die Beklagte treffen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn eine weitere gesamtschuldnerische Haftung der St.-AG bestehen sollte, da es sich hier sachlich um einen Ersatzanspruch mit daraus folgender gesamtschuldnerischer Haftung der übrigen ausgleichspflichtigen Personen für den Ausgleichsanspruch der klagenden Gesamtschuldnerin
1.92
Mitverschulden (§ 254 BGB)
handelt, wenn diese aufgrund des §254 BGB völlig frei wird (RGZ 84/415, 432; 87/64, 67; 92/143, 146; 136/275, 287). (7) Die Verneinung einer Schadensersatzpflicht der Zuckerfabrik gemäß §254 BGB ergibt sich aus folgendem, vom Berufungsgericht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigten Sachverhalt: Das Berufungsgericht führt aus, die Zuckerfabriken müßten als Selbstverladerinnen den Wagen auf die übliche Besenreinheit untersuchen, könnten aber das Vorhandensein von Giftresten nicht mit in ihre Berechnung einbeziehen, wenn sie nicht darauf hingewiesen würden oder es bei der üblichen Überprüfung erkennen würden. Während die Beklagte hiernach weder durch Dienstvorschriften auf besonders sorgfältige Reinigung der Wagen, die dem Bleitransport dienen, hingewiesen hatte, noch im vorliegenden Fall die Zuckerfabrik durch die Beklagte von der früheren gefahrbringenden Ladung in Kenntnis gesetzt worden war, auch die Eisenbahnbediensteten, die von der Bleiladung wußten, nicht für sorgfältige Entfernung der Bleireste gesorgt hatten, kann der Zuckerfabrik allenfalls vorgeworfen werden, sie habe es unterlassen, den Wagen vor der Beladung genügend von Schmutzresten zu säubern, die nach ihrer unverschuldeten irrtümlichen Annahme keine Gefahr für das Vieh darstellten. Unter solchen Umständen kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, sie hätte sich darauf verlassen, die Zuckerfabrik würde den Wagen vor der Beladung mit Rübenschnitzeln besenrein machen. Die Verursachung des Schadens und das Verschulden liegen in so überwiegendem Maße bei der Beklagten, daß eine Pflicht der Zuckerfabrik, sich an der Tragung des Schadens zu beteiligen, völlig entfällt (vgl. RGZ 155/192, 197f.).
Anmerkung:
Die Entscheidung enthält grundsätzliche Ausführungen zu den Fragenbereichen (1) der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Schadensverursacher und (2) des internen 11
1.92 (Anm.)
Gesamtschuldnerische Haftung
Gesamtschuldnerschaft trotz fehlenden Zusammenwirkens der Gesamtschuldner
Erfordernis der Fehler-, Kausalitäts- und Verschuldensnachweises gegenüber jedem einzelnen Gesamtschuldner Bedeutung für das Produkthaftungsrecht
12
Schaden- bzw. Haftungsausgleichs zwischen mehreren Gesamtschuldnern. 1. Gesamtschuldnerische Haftung bedeutet, daß jeder Gesamtschuldner dem Geschädigten auf vollen Schadensersatz, d.h. auf 100% des Schadensersatzanspruchs, haftet. Der Geschädigte kann sich also auswählen, gegen welchen Gesamtschuldner er vorgeht. Es ist dann Sache des betroffenen Gesamtschuldners, seinerseits Rückgriff bei den übrigen Gesamtschuldnern zu nehmen und von diesen einen Teil der Summe zurückzuerhalten. a) Die Entscheidung stellt zunächst klar, daß das Vorliegen einer gesamtschuldnerischen Haftung keineswegs ein gewolltes Zusammenwirken der verschiedenen Gesamtschuldner voraussetzt. Es genügt, daß jeder von ihnen objektiv eine (Mit-)Ursache für den Schadenseintritt gesetzt hat. b) Weiterhin ist nicht erforderlich, daß die einzelnen Gesamtschuldner die von den anderen Gesamtschuldnern gesetzten Ursachen konkret kannten bzw. vorhersehen konnten. Vielmehr ist es ausschließlich eine Frage der (haftungsbegründenden) adäquaten Kausalität, ob die Ursachenbeiträge der übrigen Gesamtschuldner noch im Rahmen des Kausalitätsverlaufs lagen, für den der einzelne aufgrund der sog. Adäquanztheorie einzustehen hat. c) Andererseits wird in der Entscheidung aber ein für die Praxis sehr wichtiger Gesichtspunkt betont: es muß gegenüber jedem einzelnen Gesamtschuldner zunächst einmal der Nachweis einer objektiven Pflichtverletzung geführt werden. Istdiese Voraussetzung gegeben, muß weiterhin für jeden einzelnen Gesamtschuldner geprüft werden, ob auch ein Verschulden vorliegt. d) Diese Ausführungen sind gerade für das Produkthaftungsrecht sehr wichtig. In den Fällen, in denen mehrere Unternehmen in die Warenherstellung und/oder den Vertrieb eingeschaltet sind, tritt sehr häufig eine Haftungsvervielfältigungauf, indem z. B. für einen von einem Zulieferer gesetzten Fehler neben der Haftung des Zulieferers auch eine Mitverantwortung des Weiterverarbeiters und von Vertriebshändlern bestehen kann, wenn und soweit für die nachgeschalteten Beteiligten bei Anwendung der erforder-
(Anm.) 1.92
Interner Schadenausgleich bzw. Regreß zwischen den Gesamtschuldnern Gesetzliches AusgleichsVerhältnis (§ 426 I BGB)
Freistellungsanspruch Zahlungsanspruch Verjährung des Ausgleichsanspruchs
liehen und zumutbaren Sorgfalt der Fehler erkennbar war (vgl. Anm. zu 1.121). In derartigen Fällen fehlt es am gewollten Zusammenwirken. Darauf kommt es aber nicht an. Vielmehr genügt die Kausalität des Handelns der einzelnen Beteiligten. Im gegebenen Beispiel würde es sich bei den nachgeschalteten Unternehmen um eine Haftung wegen pflichtwidriger Unterlassung (nämlich Nichterkennen des vom Zulieferer gesetzten Fehlers) handeln. Wie sich aus der obigen Entscheidung ergibt, muß für jeden einzelnen Beteiligten geprüft werden, ob (a) er einen Fehler gesetzt hat, (b) dieser Fehler eine (Mit-)Ursache für den Schadenseintritt war und (c) auch ein Verschulden vorliegt. Nur unter diesen Voraussetzungen besteht eine gesamtschuldnerische Haftung auch des Betreffenden neben den übrigen Unternehmen. 2. Von grundsätzlicher Bedeutung sind weiterhin die Ausführungen zu der in der Praxis sehr wichtigen, aber rechtlich sehr komplizierten Frage des internen Schadenausgleichs zwischen mehreren Verursachern. a) Gemäß §4261 BGB besteht zwischen den Gesamtschuldnern im Innenverhältnis ein gesetzliches Ausgleichsverhältnis. Dieses Ausgleichsverhältnis besteht bereits ab der Begründung der Solidarobligation (Esser-Schmidt, Schuldrecht, 5.Aufl., §39111, S.289). Das Ausgleichsverhältnis entsteht also nicht erst mit der Befriedigung des Geschädigten durch den zunächst in Anspruch genommenen Gesamtschuldner, sondern bereits ab der Schadenverursachung. Nimmt der Geschädigte einen einzelnen Gesamtschuldner in Anspruch, steht diesem folglich bereits in diesem Zeitpunkt im Innenverhältnis zu den übrigen Gesamtschuldnern ein Freistellungsanspruch zu, so daß er z. B. auf Freistellung klagen kann. Hat er dagegen den Geschädigten befriedigt, wandelt sich dieser Anspruch um in einen gegen die übrigen Gesamtschuldner gerichteten Zahlungsanspruch. Dieser Ausgleichsanspruch stellt einen selbständigen rechtlichen Anspruch dar, für dessen Verjährung die allgemeinen Regeln (§ 195 BGB: 30 Jahre) gelten. Nach der gesetzlichen Normalregel des §4261 ist der Schaden unter den Gesamtschuldnern nach Kopfteilen aufzuteilen. Im hier interessierenden Bereich greift aber diese ge13
1.92 (Anm.) Bewertungsmaßstab für die Aufteilung der Schadenstragung zwischen den Gesamtschuldnern
setzliche Normalregel nicht ein. Vielmehr sind die Tat-bzw. Erfolgsbeiträge der mehreren Gesamtschuldner entsprechend §254 BGB abzuwägen (Fikentscher, Schuldrecht, 6. Aufl., S.337). Aufgrund der Befriedigung des Geschädigten erwirbt der Gesamtschuldner entsprechend der sich daraus ergebenden Haftungsverteilung Zahlungsansprüche gegen die übrigen Gesamtschuldner. Fällt einer der übrigen Gesamtschuldner aus (z. B. wegen Konkurses), erhöht sich die Schuld der übrigen anteilig (§42612 BGB): der von dem Ausgefallenen zu zahlende Betrag wird also zwischen den übrigen entsprechend der Haftungsverteilungsquote aufgeteilt.
Gesetzlicher Übergang des Geschädigtenanspruchs (§ 426 II BGB)
b) Unabhängig von diesem gesetzlichen Ausgleichsverhältnis geht gemäß §42611 BGB der Anspruch des Geschädigten auf den Gesamtschuldner über, der ihn befriedigt. Zwischen dem gemäß §4261 BGB bestehenden Ausgleichsanspruch und diesem übergegangenen Anspruch besteht eine echte Anspruchskonkurrenz, so daß jeder Anspruch selbständig zu beurteilen ist. Da es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang handelt, sind die Verhältnisse des Geschädigten maßgeblich. Handelt es sich um einen deliktsrechtlichen Anspruch, gilt für den Lauf der in §852 BGB normierten Dreijahresfrist nicht die Kenntnis des Gesamtschuldners, auf den der Anspruch des Geschädigten übergegangen ist, sondern die Kenntnis des Geschädigten selbst.
Begrenzung des Forderungsübergangs entsprechend der Ausgleichsquote
Andererseits schlägt aber doch in gewissem Umfang das Regreß-Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern auch auf diesen übergegangenen Anspruch durch: der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner erwirbt den Anspruch des Geschädigten nur in Höhe seines anteiligen Ausgleichanspruchs (Esser-Schmidt, aaO., S.291).
Konkrete Auswirkungen
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c) Konkret bedeutet dies folgendes: Befriedigt ein Gesamtschuldner den Geschädigten, geht gemäß §42611 BGB der Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf den betreffenden Gesamtschuldner über. Ein derartiger Forderungsübergang bedeutet normalerweise, daß der Anspruchserwerber in vollem Umfang die Position des vorigen Anspruchsinhabers erlangt. Der Geschädigte hätte aber seinerseits jeden der übrigen Gesamtschuldner
(Anm.) 1.92 zu 100% auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können. Würde der zunächst in Anspruch genommene Gesamtschuldner die Rechtsposition des Geschädigten uneingeschränkt erwerben, würde dies bedeuten, daß der zunächst vom Geschädigten in Anspruch genommene Gesamtschuldner A seinerseits einen weiteren Gesamtschuldner B zu 100% in Anspruch nimmt, und so fort, und daß letztlich ein Kreislauf zwischen den Gesamtschuldnern eintritt. Selbst wenn man bereits hier eine Korrektur ansetzt und den Anspruchsübergang dadurch begrenzt, daß A sich den von ihm im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern zu tragenden Anteil (z. B. 20%) abrechnen lassen muß, hätte dies doch zur Folge, daß er z. B. bei insgesamt 5 Gesamtschuldnern, die im Innenverhältnis je 20% des Schadens zu tragen haben, den B auf 80% in Anspruch nehmen könnte und daß B seinerseits hinsichtlich der restlichen 60% das volle Regreßrisiko gegenüber C, D und E hätte. Dieses unsinnige, dem Zufall bzw. dem Regulierungsgeschick Tür und Tor öffnende Ergebnis wird in richterrechtlicher Präzisierung des §42611 BGB dadurch vermieden, daß nach ständiger Spruchpraxis bereits in der Person des zuerst in Anspruch genommenen Gesamtschuldners ein Durchschlagen des Regreß-Innenverhältnisses zwischen den Gesamtschuldnern erfolgt: bereits auf dieser Stufe ist gedanklich der Schadensausgleich zwischen den mehreren Gesamtschuldnern vorzunehmen. Der zunächst in Anspruch genommene Gesamtschuldner kann die übrigen Gesamtschuldner nur insoweit in Anspruch nehmen, wie diese intern im Verhältnis der Gesamtschuldner zur Schadenstragung verpflichtet sind. In dem gegebenen Beispiel hat von den 5 Gesamtschuldnern jeder 20% zu tragen. Also geht der Anspruch des Geschädigten auf den A von vornherein nur in Höhe von 80% des Schadenbetrages über. Auch soweit es sich um den übergegangenen Anspruch handelt, ist dieser aber kraft Ausstrahlungswirkung des Regreß-Innenverhältnisses der Gesamtschuldner aufgesplittert in insgesamt 4 Teilansprüche gegen B, C, D und E in Höhe von je 20% und kann A die übrigen Gesamtschuldner nur in dieser Höhe in Anspruch nehmen. 15
1.92 (Anm.)
Ausstrahlung auf UmgehungsKonstruktionen
Wenn z. B. der B wegen Konkurses ausfällt, werden die von ihm zu tragenden 20% aufA, C, D und E aufgeteilt. Jeder hat dann anstelle der ursprünglich 20% des Schadens 25% zu tragen. Folglich kann ab endgültigem Ausfall des B derA den C, den D und den E in Höhe von je 25% in Anspruch nehmen. Der Höhe nach ist es insoweit also unerheblich, obA den ihm gemäß §4261 BGB zustehenden Ausgleichsanspruch oder aber den gemäß §42611 BGB auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruch des Geschädigten geltend macht. Dies sind die Konsequenzen des von der obigen Entscheidung unter Bezugnahme auf RGZ92/143, 145 bestätigten Rechtssatzes, daß „der den Gläubiger befriedigende Gesamtschuldner die übrigen Gesamtschuldner jeweils nur in Höhe ihres Ausgleichspflichtanteils in Anspruch nehmen kann". d) Darüber hinaus stellt die Entscheidung auch klar, daß diese Rechtslage nicht dadurch umgangen werden kann, daß sich der zunächst in Anspruch genommene Gesamtschuldner anstelle des in §426 II BGB normierten gesetzlichen Forderungsübergangs mittels eines besonderen Vertrages die ursprüngliche Schadensersatzforderung des Geschädigten abtreten läßt. Dies könnte an sich in der Form erfolgen, daß der Geschädigte und der von ihm in Anspruch genommene Gesamtschuldner zwei formal selbständige, aber faktisch zusammenhängende Vereinbarungen abschließen, nämlich einerseits die Schadenregulierungsvereinbarung, aufgrund derer der Gesamtschuldner 100% des Schadens leistet, und andererseits die Abtretungsvereinbarung. Dadurch würde die sich aus §42611 BGB ergebende gesetzliche Regelung aufgespalten in zwei vertragliche Rechtsgeschäfte. Dies wäre aber ein Umgehungsgeschäft, mittels dessen dem Gesamtschuldner eine Rechtsposition verschafft werden soll, die ihm im Innenverhältnis der mehreren Gesamtschuldner gerade nicht zusteht. Die Entscheidung stellt klar, daß ein derartiges Umgehungsgeschäft unwirksam ist, wenn und soweit im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander eine Gesamtverantwortung aller für den dem Geschädigten eingetretenen Schaden gegeben ist. Sollte dagegen im obigen Fall die Zuckerfabrik im delikts-
16
1.93
Bewertungsmaßstäbe für die Schadensaufteilung zwischen den Gesamtschuldern
rechtlichen Verhältnis zur Eigentümerin H kein Verschulden treffen, fehlt es an einer Haftung der Zuckerfabrik gegenüber der geschädigten Eigentümerin H und damit konsequenterweise zugleich auch an einer gesamtschuldnerischen Haftung, so daß sich die Problematik der gesamtschuldnerischen Haftung und des Innenausgleichs zwischen Gesamtschuldnern von vornherein nicht stellt. 3. Wie ausgeführt richtet sich die Schadenverteilung innerhalb der Gesamtschuldner nach den Grundsätzen, die für die Berücksichtigung des Mitverschuldens maßgeblich sind. Im obigen Fall wird zwar die direkte deliktsrechtliche Haitung der Zuckerfabrik gegenüber der Eigentümerin H bejaht. Im Innenverhältnis zwischen der Zuckerfabrik und der Eisenbahn erlegt der BGH aber entsprechend den Bewertungskriterien des §254 BGB die Pflicht zur Schadenstragung in vollem Umfang der Eisenbahn auf, weil deren Verursachungs- und Verschuldensbeitrag in einem so erheblichen Umfang überwiege, daß sie den vollen Schaden zu tragen habe.
1.93: BGH, 28. 2. 1956, VI ZR 354/54 (Plattenverlegung)
Objektiver Sorgfaltsmaßstab: Umfang der verlangten Sachkenntnis Übernahmehaftung Spezialkenntnisse eines Fachmannes
1. Wer ein Gewerbe betreibt, hat dafür einzustehen, daß er die erforderliche Sachkenntnis besitzt. Ihr Fehlen entschuldigt ihn nicht. Der Umfang der von ihm zu erfordernden Sachkenntnis richtet sich nach der Schwierigkeit und der Gefahr des Mißlingens seiner Arbeit, die er bei seiner Planung beachten muß. Wer sich zu Arbeiten erbietet, die nur ein ausgesprochener Fachmann zu leisten vermag, muß die auf langer Erfahrung und neuester Erkenntnis beruhenden „Regeln seiner Kunst" beherrschen. Mit Recht verlangt das Berufungsgericht von einem Plattenleger die notwendigen Spezialkenntnisse. Das gilt um so mehr, wenn, wie hier, der Plattenbelag im Freien verlegt wurde, wo er allen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist. Es war deshalb Sache der 17
1.93
Überspannung der Sorgfaltspflichten
Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten
Umfang der verlangten Sachkenntnis
Hinweispflichten eines Spezialisten
18
Beklagten, die möglichen Einwirkungen von Nässe, Frost und Hitze bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen, und zwar nicht nur deren Einfluß auf den wenig empfindlichen Plattenbelag selbst, sondern vor allem auf die ihn aufnehmende, auf der Dichtung liegende Mörtelschicht, deren Beständigkeit wiederum davon abhängt, daß die Dichtung ihre Aufgabe erfüllt, die den Plattenbelag durchdringende Feuchtigkeit aufzufangen und abzuleiten. Es kann nicht als eine Überspannung der an die Beklagte als Spezialfirma zu stellenden Anforderungen angesehen werden, wenn das Berufungsgericht ihr die Verantwortung dafür beimißt, daß die von dem Dachdekker und Abdichter hergestellte Dichtung sachgemäß, d. h. so angelegt wurde, daß sie im gegebenen Fall den besonderen Zweck erfüllte, die unter dem Belag sich bildende Feuchtigkeit abzuleiten. 2. Das Berufungsgericht hat nicht die Verantwortung des bauleitenden Architekten unterbewertet und die an einen bauausführenden Handwerker zu stellenden Anforderungen überspannt. Richtig ist zwar, daß der an einem Bau Arbeiten ausführende Unternehmer in der Regel insoweit von eigener Verantwortung für die Art der Ausführung frei ist, als er sich dabei nach den Anordnungen des vom Bauherrn bestellten Architekten richtet oder sich dessen Zustimmung versichert. Auch ist es Aufgabe des Architekten, für ein sachdienliches Ineinandergreifendereinzelnen Arbeitenzusorgen. Es kann aber nicht als rechtsirrtümlich angesehen werden, wenn das Berufungsgericht hervorhebt, es hieße die Anforderungen an einen Architekten überspannen, wollte man von ihm auch die Spezialkenntnisse eines Plattenlegers verlangen. Der Beklagten verblieb die Verantwortung für die sachgemäße Ausführung der von ihr übernommenen Spezialarbeiten, und zwar auch insoweit, als sie darauf hinwirken mußte, daß die ihrer Arbeit dienende, von anderen Handwerkern auszuführende Vorarbeit ihren Zweck erfüllte. Falls ihr die Anlage für den Fugengrund eines Gefällebetons verweigert wurde, mußte sie auf die Folgen dieser Unterlassung für den Plattenbelag hinweisen. Das hat sie nicht getan. Deshalbmuß sie für die Auswirkungen der unsachgemäßen Anlage der Dichtung auf dem Plattenbelag einstehen.
1.94 1.94: BGH, 1 1 . 2 . 1957, VII ZR 256/56
Haftung für positive Vertragsverletzung: Beweislastverteilung Verschulden: Unerheblichkeit des Üblichen
Verschuldensnachweis: Beweislastumkehr
Das Kammergericht hat die Frage der Ursächlichkeit offengelassen, da die Klageforderung schon daran scheitern mußte, daß den Beklagten kein Verschulden treffe. Die hiergegen gerichtete Revision ist begründet. 1. Soweit das Berufungsgericht damit einen Verstoß des Beklagten gegen die auf seinem Fachgebiet geltenden Regeln verneinen will, übersieht es, daß der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht schon dann genügt, wenn er einem auf seinem Fachgebiete verbreiteten Brauche folgt; er hat vielmehr nach §276 BGB für die im Verkehr erforderliche Sorgfalteinzustehen. Der Umstand, daß heute noch vielfach Kupfer und Zink zusammengeschlossen werden, läßt noch nicht den Schluß zu, daß dies, vom Standpunkt des Fachmanns aus gesehen, auch richtig ist. 2. Auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Verschuldens des Beklagten müssen rechtlich beanstandet werden. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, daß bei dem auf positive Vertragsverletzung gegründeten Schadensersatzanspruch des Klägers die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens des Beklagten nicht den Kläger, sondern den Beklagten selbst treffe. Die Rüge ist begründet. Die Frage, ob bei positiven Vertragsverletzungen die Beweisregel des §282 BGB eingreift, ist umstritten. Sie braucht in dieser Allgemeinheit hier nicht entschieden zu werden. Denn das Reichsgericht hat jedenfalls für das Gebiet des Werkvertrages den Satz aufgestellt, daß in der Frage des Verschuldens den Unternehmer die Beweispflicht treffe, wenn sich aus der Sachlage zunächst der Schluß rechtfertige, daß der Unternehmer die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt habe und wenn die Schadenursache aus einem Gefahrenkreis hervorgegangen sei, für den im Zweifel der Unternehmer verantwortlich sei (RGZ 148/148,150; 150/134,139; RG DR 1944/182,185; vgl. auch für einen Kaufvertrag RG Seuff Arch Bd. 63/358). Dieser Auffassung, der auch im Schrifttum (u. a. Raape, AcP 147/278ff.; Schönke, DR 1944/185; Rosenberg, Beweislast, 4.Aufl., S.360ff.) überwiegend zugestimmt worden ist, ist beizutre19
1.95 ten. Da das Berufungsgericht hier die Frage der Ursächlichkeit offengelassen hat, ist für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daßtdas von dem Beklagten gelieferte Werk Eigenschaften aufwies, die dem Vertragszweck zuwiderlief, und daß infolgedessen der Kläger durch den Gebrauch des Werkes zu Schaden gekommen ist. Es ist nicht einzusehen, warum dieser Fall rechtsgrundsätzlich wesentlich anders liegen sollte als der, daß dem Besteller ein Schaden deshalb erwächst, weil die von dem Unternehmer geschuldete Werkleistung unmöglich wird. In dem zuletzt genannten Fall liegt es nach §282 BGB dem Unternehmer ob, zu beweisen, daß die Schadensursache nicht von ihm zu vertreten ist. Die Interessenlage ist aber auch im Falle der positiven Vertragsverletzung mindestens dann keine andere, wenn die Schadensursache, wie hier zu unterstellen, dem Gefahrenkreis des Unternehmers angehört. Auch dann muß also dem Unternehmer der Beweis für seine Schuldlosigkeit aufgebürdet werden. Dem Besteller dagegen kann in einem solchen Fall nicht zugemutet werden, einen Beweis über Dinge zu führen, die seinem Gefahrenkreis und in der Regel auch seiner Sachkenntnis entzogen sind. Die von dem Berufungsgericht getroffene Entscheidung zur Frage des Verschuldens des Beklagten beruht also auf einer Verkennung der Beweislast.
1.95: BGH, 11.4. 1957, VII ZR 308/56
Mangelhaftigkeit i. S. des § 633 BGB
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Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die von den Beklagten verlegten Steinholzfußböden bereits kurze Zeit nach der Fertigstellung an mehreren Stellen rissig geworden waren und sich stellenweise derart gewölbt hatten, daß im Büro der Klägerin ein Teil des Fußbodens entfernt werden mußte. Diese Mängel haben ihre Ursache nicht in dem Steinholzbelag selbst, sondern in dem Unterbelag, dem von H hergestellten Zementestrich. Dieser enthielt nicht die notwendigen Dehnungsfugen, um die Spannungen auszugleichen, die infolge der durch den Abbindevorgang und das Heizen des Raumes im Boden auftretenden Wärme entstanden.
1.95 Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten Durch Vorarbeiten eines Dritten bedingte Mangelhaftigkeit Prüfungspflicht hinsichtlich fremder Vorarbeiten
Ist ein Werk mangelhaft i.S. der §§633, 634 BGB, so macht es für die Gewährleistungsansprüche des Bestellers zwar grundsätzlich keinen Unterschied, ob der Mangel auf eine schlechte Arbeit des Unternehmers, auf Mängel des von ihm verwendeten Stoffes oder auf einen sonstigen nicht näher aufzuklärenden Umstand zurückzuführen ist. Die Tatsache, daß ein Mangel vorliegt, genügt. Dieser Grundsatz erfährt aber eine Einschränkung dann, wenn der vom Besteller in Anspruch genommene Unternehmer das von ihm geschuldete Werk als solches mangelfrei erbracht hat und erst danach ein Mangel auftritt, der ausschließlich durch die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen, unabhängig von ihm arbeitenden Unternehmers verursacht worden ist. In diesem Falle kommt es darauf an, ob ein die Regeln seines Faches beherrschender Unternehmer feststellen konnte, daß sein Werk durch Mängel der Vorarbeit des anderen gefährdet sein wird. Der Fall liegt ähnlich dem, daß der Besteller selbst den Stoff liefert; dann hat der Unternehmer zu prüfen, ob sich aus der Beschaffenheit des Stoffes Mängel des fertigen Werkes ergeben können. Ebenso hat ein Unternehmer, der auf fremder, seinem Werk dienender Vorarbeit aufzubauen gezwungen ist, zu prüfen, ob sich für sein Werk aus dieser Vorarbeit möglicherweise Gefahren ergeben können; denn ein Werk, das auf erkennbar schlechter Vorarbeit aufgebaut wird, ist nicht fachgerecht und daher selbst mangelhaft. Das gilt um so mehr, je weniger der die Vorarbeit Leistende Kenntnisse des Gewerbes des zweiten Unternehmers haben kann. Hat der zweite Unternehmer Bedenken gegen die Leistung des ersten, so hat er sie dem Besteller mitzuteilen und auf die möglichen Nachteile hinzuweisen. Diese Grundsätze stimmen im wesentlichen überein mit den in §§13 Ziff.3, 4 Ziff.3 niedergelegten Regeln der VerdingungsO für Bauleistungen (VOB), TeilB, deren Anwendung die Parteien zwar hier nicht vereinbart haben, die jedoch den sich aus der Bestimmung des §242 BGB ergebenden Rechtsgrundsätzen entsprechen. Da die Risse und Beulen im Steinholzfußboden infolge von Mängeln in dem von H hergestellten Zementestrich entstanden sind, kommt es darauf an, ob ein Fachmann in der Lage gewesen wäre, diese Mängel zu erkennen. Die Beklagten 21
1.95 können sich aber nicht darauf berufen, sie hätten die Auswirkungen erkennbarer Mängel in dem von H hergestellten Estrich auf den Steinholzbelag nicht vorausgesehen; denn jeder, der ein Gewerbe betreibt, hat dafür einzustehen, daß er die erforderliche Sachkenntnis besitzt (RG, Deutsche Justiz 1939/105; BGH, Nr.1 zu §633 BGB). Sollte der Estrich überhaupt keine Dehnungsfugen enthalten haben, so haben die Beklagten, da das Fehlen der Fugen erkennbar war, für die im Steinholzfußboden entstandenen Risse und Beulen einzustehen. Wies dagegen der Zementestrich die nötigen Dehnungsfugen auf und haben die Beklagten auch im Steinholzbelag die erforderlichen Fugen angebracht, so bedarf es der Prüfung, ob die mangelnde Verbindung zwischen der Estrichschicht und der alten Betonkonstruktion für einen Fachmann feststellbar war.
Anmerkung:
Haftung für Vorarbeiten Dritter, für vorgeschriebene Materialien, für beigestellte Teile o. ä.
1. Die Entscheidung betrifft zwar nicht die Mangelfolgeschaden-Haftung des Werkunternehmers, sondern die Mangelhaftung für das Werk selbst (§633 BGB). An sich kommt es im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistungshaftung für Mängel des gelieferten Werks nicht auf ein Verschulden an. Hier handelte es sich aber um eine Sonderproblematik, nämlich um die Frage der Untersuchungsund Hinweispflichten des Nach-Unternehmers hinsichtlich der von einem Vor-Unternehmer erbrachten Leistung. 1 Der BGH hat das Problem mit Kriterien des Verschuldensrechts gelöst. Hätte es sich nicht um den Mangel selbst, sondern um einen Mangelfolgeschaden gehandelt, für den der Unternehmer nur bei Verschulden haftet, wären mit Sicherheit die gleichen Überlegungen angestellt worden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es mehr zufälliger Art, daß Streitgegenstand des obigen Verfahrens lediglich die Mangelhaftung, 1
22
Zur Haftung des Vor-Unternehmers für Hinweise auf vom NachUnternehmer zu berücksichtigende Faktoren vgl. II.28
(Anm.) 1.95 nicht aber die Mangelfolgeschaden-Haftung war. Wegen der Heranziehung von Verschulden-Kriterien kann die Entscheidung insoweit als gedankliche Leitlinie für die Beurteilung der in der Praxis sehr wichtigen Frage herangezogen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Haftung für Mangelfolgeschäden besteht, wenn diese durch die Nichtbeachtung von Mängeln der Vorarbeiten Dritter bzw. von Mängeln beigestellter Teile, vorgeschriebener Materialien (dazu vgl. 11.27), o. ä. ausgelöst wurden.
Eigenhaftung für in fremdem Verantwortungsbereich gesetzte Schadenursachen
2. Der Ausgangspunkt der Entscheidung ist denkbar einfach: jeder haftet für die Fehlerfreiheit der von ihm erbrachten Leistung; er darf keine Ursache für Schäden Dritter setzen. Ist Gegenstand der Leistung die Herstellung, Bearbeitung, Veredelung eines Produktes, o. ä. und wird dieses Arbeitsergebnis dadurch beeinträchtigt, daß zwar die Arbeitsleistung als solche ordnungsgemäß erbracht wurde, aber aufgrund von Mängeln der Leistungen eines vorgeschalteten Unternehmers das Produkt doch fehlerhaft wird, d. h. Schäden Dritter auslösen kann, muß der nachgeschaltete Unternehmer auf die vom vorgeschalteten Unternehmer verursachten Mängel hinweisen bzw. die sich aus der Erkenntnis derartiger Mängel ergebenden Gefahrabwendungsmaßnahmen treffen. 3. Dieser aus der Entscheidung ableitbare Rechtssatz ist im Zeitalter einer arbeitsteiligen Warenherstellung von eminenter praktischer Bedeutung.
Baurecht: Haftung des Handwerkers für Mängel des Architektenwerkes
a) Den klassischen und altvertrauten Anwendungsbereich für diese Eigenverantwortung eines nachgeschalteten Unternehmers für die Berücksichtigung von Mängeln der von einem vorgeschalteten Unternehmer erbrachten Arbeitsleistung ergibt das Baurecht und die dortige Rechtsprechung über die Haftung des Handwerkers für die Nichtberücksichtigung von Mängeln des Architektenwerks (vgl. dazu Nr. 1.93): der Architekt ist für die Planung verantwortlich, so daß die Planungshaftung ihm obliegt; der Handwerker ist für die planungsgemäße Ausführung verantwortlich, so daß ihm die Herstellungsverantwortung obliegt. Es ist seit langem anerkannt, daß der Handwerker die Planungsunterlagen nicht blind ausführen darf, sondern auf ihm erkennbare Mängel
23
1.95 (Anm.)
Auftragsfertigung und Haftung für Konstruktionsfehler
Arbeitsteilung und Haftungsverteilung
Mitverantwortung für fremde Verantwortungs bereiche
Hinweisverpflichtungen
24
des Architektenwerks hinweisen muß, die Auswirkungen auf die vom Handwerker zu erbringende Arbeitsleistung haben (vgl. Nr. 1.93). b) Der wohl wichtigste Anwendungsbereich betrifft die sog. Auftragsfertigung. Vielfach fertigt ein Auftraggeber die Konstruktionspläne, -Zeichnungen, usw. für Produkte an. Die Fertigung wird dann aber nicht in eigener Fabrikation vorgenommen, vielmehr wird ein sog. Auftragsfertiger eingeschaltet. Ein klassisches Beispiel dafür bietet die Tätigkeit der Gießereien für die Kraftfahrzeug-Hersteller: die Kfz-Hersteller erstellen Konstruktionsunterlagen, in denen alle für das betreffende Stück wesentlichen Daten enthalten sind (also z. B. Maße, Festigkeit, Werkstoff usw.). Die Gießereien erhalten diese Konstruktionsunterlagen und haben zeichnungsgemäß zu fertigen und zu liefern. Hier tritt also eine Arbeitsteilung ein: der Auftraggeber hat die Konstruktionsentscheidungen getroffen; der Auftragnehmer hat die Fabrikation übernommen. Folglich obliegt die Konstruktionshaftung dem Auftraggeber und die Fabrikationshaftung dem Auftragnehmer. Das Problem ist, ob der Auftragnehmer (z. B. also die Gießerei) die Konstruktionszeichnungen „blind" ausführen kann oder ob eine Mitverantwortung des Auftragsfertigers für Mängel der Konstruktionszeichnungen besteht. Dies ist zu bejahen. Der in der vorstehenden Entscheidung festgehaltene Rechtssatz bedeutet, daß der Auftragsfertiger (Gießerei) auf etwaige Mängel des Gußwerks, die sich aus der Vorleistung des Auftraggebers (Konstruktionszeichnungen des Kfz-Herstellers) ergeben, hinweisen muß. Ist z. B. der vom Auftraggeber festgelegte Werkstoff für den dem Auftragnehmer bekannten Verwendungszweck nicht ausreichend, muß folglich die Gießerei darauf hinweisen. Das gleiche gilt, wenn bei den Konstruktionszeichnungen gießtechnische Gesichtspunkte, die Auswirkungen auf die Produktqualität haben, nicht berücksichtigt sind und sich daraus eine Gefährlichkeit der Gußstücke für Dritte ergeben könnte. Diese Hinweispflicht ist einerseits vertragsrechtlicher Natur, indem es sich um eine nebenvertragliche Hinweispflicht handelt, deren Verletzung den Auftragsfertiger schadensersatzpflichtig machen kann. Im Beispiel: Hat die Gießerei un-
(Anm.) 1.95 ter Verletzung dieser Hinweispflicht die erhaltenen Konstruktionszeichnungen „blind" ausgeführt und die Gußteile dem Kfz-Hersteller ausgeliefert und stellt der Kfz-Hersteller seinerseits bei der Weiterbearbeitung oder bei seiner Qualitätskontrolle fest, daß die erhaltenen Gußstücke wegen der nicht erfolgten Berücksichtigung der eine Hinweispflicht der Gießerei auslösenden Faktoren unbrauchbar sind, kann eine Schadensersatzhaftung der Gießerei gegenüber dem KfzHersteller bestehen. Andererseits
handelt
es sich aber auch um eine d e l i k t s r e c h t -
liche, der Gießerei gegenüber außenstehende Dritten obliegende Gefahrabwendungspflicht. Ist z.B. wegen eines zu geringen Querschnitts bei längerem Einsatz des Gußstückes mit einer Materialermüdung und einem Brechen des Teils zu rechnen, so hat die Gießerei eine Schadenursache gesetzt, wenn sie den Kfz-Hersteller nicht auf diese Gefahr hingewiesen hat. Gegebenenfalls kann also der durch das Brechen eines Gußstückes geschädigte Dritte direkt unter Überspringung des Kfz-Herstellers von der Gießerei Schadensersatz verlangen.
Montagebetrieb und Haftung für Konstruktionsfehler
c) Ein weiteres Beispiel aus der Rechtsprechung: Ein Montagebetrieb kann sich nicht damit beschränken, auf der Grundlage der erhaltenen Konstruktionszeichnungen die Einzelteile zu montieren; ist für die übernommene Montagefähigkeit eine genaue Durchsicht der Konstruktionsunterlagen erforderlich und ist es dabei für einen durchschnittlichen Montagebetrieb ersichtlich, daß ein Konstruktionsfehler vorliegt, ist der Montagebetrieb verpflichtet, dies zu berücksichtigen. Vertragsrechtlich kann gegenüber dem Auftraggeber eine Verpflichtung zum Hinweis auf den Konstruktionsfehler bestehen. Deliktsrechtlich kann sich aus dem Unterlassen eines derartigen Hinweises bzw. sonstiger Gefahrabwendungsmaßnahmen eine Schadensersatzhaftung des Montagebetriebes gegenüber Dritten für Personen- und/oder Sachschäden ergeben, die als Folge des Konstruktionsfehlers eingetreten sind (RG 1.16 und 1.17). Das gleiche gilt für die Vertriebshändler, die vertraglich die sog. Endmontage übernommen haben (vgl. BGH 1.138).
Getränkeabfüllbetrieb und
d) Konsequenterweise muß dies auch für gelten. Ist z. B. für ein Getränkeabfüllund
Fabrikationsfehler Vertriebsunter25
1.95 (Anm.) Haftung für beigestellte Flaschen
Beigestellte Einzelteile
nehmen ersichtlich, daß die ihm vom Getränkehändler beigestellten Flaschen gefährlich sind und häufig zerplatzen, kann sich aus dieser Kenntnis eine Mithaftung des Abfüllunternehmens für durch zerplatzende Flaschen ausgelöste Personenschäden Dritter ergeben. Beschränkt sich dagegen die Tätigkeit des Abfüllunternehmens lediglich darauf, im Auftrag eines Getränkeherstellers unter Verwendung der vom Getränkehersteller bei den Flaschenproduzenten bestellten, geprüften und abgenommenen und vom Getränkehersteller in den Verkehr gebrachten Flaschen das Getränk abzufüllen, stellt sich die Sachlage anders dar, weil hier der Vertrieb an Dritte und damit auch die Beobachtung, wie sich das Produkt bzw. die Flasche im Feld bewährt, dem Getränkehersteller obliegt (ebenso BGH, 7. 3. 1978, abgedruckt bei 11.60). 3. Für die Praxis besonders wichtig ist der Fall der Beistellung von Einzelteilen. Vielfach werden Liefer- bzw. Fertigungsaufträge auf der Basis erteilt, daß der Auftraggeber dem Auftragnehmer Einzelteile „beistellt", die der Auftragnehmer zu verwerten hat. Wenn z. B. eine Anlage zu errichten ist und der Auftraggeber die elektronische Steuerung von einem Drittunternehmen bezieht, beschränkt sich die Tätigkeit des Auftragnehmers darauf, unter Verwendung der elektronischen Steuerung die restlichen für die Erstellung der Anlage benötigten Einzelteile herzustellen bzw. zu erwerben. Die Entscheidung, ob die betreffende elektronische Steuerung für die konkrete Anlage ausreicht, ist hier bereits vom Auftraggeber getroffen. Grundsätzlich haftet also für alle durch konstruktive Mängel der beigestellten elektronischen Steuerung ausgelösten Mangelfolgeschäden nicht der Auftragnehmer, sondern der Auftraggeber (zur Gewährleistungshaftung für Schäden an der unter Verwendung der beigestellten Teile hergestellten Sache vgl. Nr. 1.112 sowie die dortige Anmerkung).
Haftung des
In der betrieblichen Praxis wird diese Konsequenz zwar gesehen. Gerade die Auftragnehmer-Betriebe sind aber häufig der Auffassung, daß hinsichtlich der beigestellten Einzelteile keine Haftung des Auftragnehmers bestehe. Konsequenz der obigen Entscheidung ist, daß diese Auffassung unzu-
Montage-
treffend
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ist: wird für den Auftragnehmer
bei
Berücksichti-
(Anm.) 1.95 betriebes für Konstruktionsfehler der beigestellten Teile Haftung für Fabrikationsfehler bei Anlieferung durch Drittunternehmen
Beistellung durch den Auftraggeber selbst
gung der von ihm zu verlangenden Fachkenntnisse erkennbar, daß die beigestellten Teile konstruktiv nicht ausreichendsind, muß der Auftragnehmer dies berücksichtigen. In dem gegebenen Beispiel muß also der Auftragnehmer-Betrieb auf die konstruktive Ungeeignetheit der beigestellten elektronischen Steuerungsanlage hinweisen. Das gleiche gilt sinngemäß für die Fälle, in denen zwar die konstruktive Eignung der beigestellten Teile gegeben ist, aber beim anliefernden Drittunternehmer ein Fertigungsfehler auftrat. Der Auftragnehmer-Betrieb hat die volle Fertigungsverantwortung übernommen. Dazu gehört u.a. die Eingangskontrolle der angelieferten Einzelteile. Zwar ist der Verantwortungsbereich der Lieferantenauswahl (dazu vgl. Anm. zu 1.121) dem Auftragnehmer-Betrieb dadurch abgenommen, daß diese Entscheidung vom Auftraggeber getroffen wurde. Es bleibt aber der Verantwortungsbereich der Wareneingangskontrolle: jedenfalls dann, wenn der Drittunternehmer direkt an den Auftragnehmer geliefert hat, muß der Auftragnehmer eine ausreichende Wareneingangskontrolle vornehmen. Auch diese Haftung wird in der betrieblichen Praxis nur selten erkannt. Die Auftragnehmer-Betriebe sind häufig der Meinung, daß sie die vom Auftraggeber beigestellten Teile nicht mehr auf etwaige Fabrikationsfehler, Materialverwechslungen, usw. zu überprüfen brauchen, sondern daß dies gegebenenfalls ein Kundenservice sei. Anders kann sich die Sachlage dann darstellen, wenn keine Anlieferung von einem Drittunternehmen erfolgt, sondern der Auftraggeber selbst die Einzelteile beistellt. In dieser Fallkonstellation wird man vielfach davon ausgehen können, daß der Auftraggeber seinerseits entweder die Teile selbst hergestellt oder aber eine Wareneingangskontrolle vorgenommen hat, so daß der Auftragnehmer nicht zu einer eigenen Wareneingangskontrolle verpflichtet ist (vgl. dazu BGH 7.3. 1978, abgedruckt bei 11.60). Hier wird es aber ganz entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. Der Fragenbereich ist haftungsrechtlich zu brisant, um die Klärung erst im Schadenfall zu unternehmen. Die Auftragnehmer-Betriebe sollten in Fällen der Beistellung von Einzelteilen versuchen, ihre Verantwortung für die beigestellten Teile in dem Vertrag präzise zu regeln. 27
1.96 1.96: BGH, 27. 9. 1957, VI ZR 139/56 (Betondecke)
Deliktshaftung (§§ 823, 831 BGB)
Fehlernachweis: Anscheinsbeweis
An einem Neubau führte die Beklagte die Maurerarbeiten, der Kläger die Montage der Heizung aus. Zu den Arbeiten der Beklagten gehörte die Herstellung der Betondecken. Als der Kläger Rohre verlegte, brach an der Stelle, an der der Kläger stand, aus der Decke unter der Fensterbrüstung aus der ca. 1 m breiten Fläche zwischen zwei Trägern ein Stück heraus und erlitt der Kläger einen Personenschaden. Fest steht, daß der Kläger in einem Neubau etwa elf Wochen nach der Schüttung einer Decke ohne ersichtlichen Grund durch sie gestürzt ist. Ein derartiger Deckeneinbruch legt aber nach der Lebenserfahrung zunächst die Annahme nahe, daß die Decke fehlerhaft errichtet ist und daß der Fehler auf einer vom Hersteller zu vertretenden Fahrlässigkeit beruht. Dieser nach der Lebenserfahrung sich aufdrängenden Vermutung kann sich der beklagte Unternehmer nicht schon durch das Aufzeigen theoretischer Möglichkeiten entziehen, daß ein Deckeneinsturz auch bei ordnungsmäßiger Deckenherstellung vorkommen könne. Vielmehr wird er Tatsachen behaupten und beweisen müssen, die die ernstliche Annahme nahelegen, daß der Deckenbruch auf Ursachen zurückzuführen ist, die außerhalb seiner Organisations- und Verantwortungssphäre liegen. Es muß sich also um Umstände handeln, die die Beklagte nicht zu vertreten hat. Nun könnte allerdings, falls eine ernsthafte andere Möglichkeit als Ursache des Unfalls nicht nachweisbar ist, der Anscheinsbeweis, der für eine objektiv fehlerhafte Errichtung der Decke spricht, auch durch den Nachweis ausgeräumt werden, im Arbeitsbereich der Beklagten, also in der Sphäre ihrer Verantwortlichkeit, sei nicht fehlerhaft gehandelt worden. Die Beklagte müßte dabei allerdings beweisen - und an diesen Beweis wären strenge Anforderungen zu stellen - , daß alle an der Errichtung der Decke beteiligten Personen ihres Arbeitsbereichs und sie selbst ordnungsgemäß gehandelt haben. Bleibtin ihrer Sphäre eine mögliche Ursache des Einbruchs ungeklärt, so ist der Beweis nicht geführt. Da vor allem bei Betrieben mit einer größeren Zahl von Be-
28
1.97 Entlastungsnachweis bei Gehilfenhandeln (§ 831 BGB)
schäftigten dieser Beweis für ein ordnungsgemäßes Verhalten aller Beteiligtensehrschwer zuführen ist und daher vielfach ausscheidet, ist mit Rücksicht auf den bisherigen Vortrag der Parteien noch auf folgendes hinzuweisen: Trotz fehlerhafter Errichtung kann ein schuldhaft haftungsbegründendes Verhalten der Unternehmerin zu verneinen sein. Ist feststellbar, wer für die fehlerhafte Errichtung der Decke verantwortlich ist, so kann die Unternehmerin, soweit kein Organisationsfehler vorliegt, sich durch den Nachweis entlasten, sie habe bei der Auswahl und Überwachung der für den Fehler verantwortlichen Verrichtungsgehilfen, usw. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet. Vermag die Beklagte jedoch nicht zu beweisen, auf welchen oder welche Verrichtungsgehilfen die aus ihrem Betrieb herrührende schädigende Ursache zurückzuführen ist, so muß sie zu ihrer Entlastung die Beobachtung der objektiv erforderlichen Sorgfalt für alle ihre Verrichtungsgehilfen führen, die als Urheber der fehlerhaften Errichtung in Betracht kommen können (BGHZ, LM Nr. 12 zu §286 (C) ZPO = VersR 53, 242 = 1.20).
1.97: BGH, 2.5.1963, VII ZR 221/61 (Schaufensterrahmen)
Sorgfaltsmaßstab: Stand der Technik
Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Schaufensterrahmen infolge konstruktiver Fehler regendurchlässig und deshalb mangelhaft sind, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Zur Frage des Verschuldens vermißt die Beklagte eine Feststellung des Berufungsgerichts, daß sie die Regendurchlässigkeit der Fenster schon bei der Herstellung und Aufstellung habe erkennen können. Diese Rüge geht fehl. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der Stahlfensterbau im Jahr 1951 noch in seinen Anfängen steckte. Es führt dazu aber aus, daß der Beklagten auch nach dem Stand der Technik von 1951 die ihr zur Last gelegten Fehler in der Konstruk29
1.97
Sorgfaltsmaßstab: Anforderungen an Spezialisten bzw. Fachfirmen Hinweispflicht
Mitverschulden (§ 254 BGB)
tion nicht hätten unterlaufen dürfen, weil sie sich bewußt gewesen sei, ,,daß die Klägerin zwar auf äußerst billiges Bauen, aber doch auf regendichte Fenster Wert legte" (Urteil S.9). Daraus ist die Auffassung des Berufungsgerichts zu entnehmen, daß die Beklagte keine Konstruktion habe wählen dürfen, bei der sie sich nicht völlig sicher sein konnte, daß sie den Anforderungen des Bestellers entsprach, und sie schuldhaft gehandelt habe, wenn sie darüber im Zweifel sein mußte und dennoch sich nicht vergewisserte, ob die von ihr ausgeführte Konstruktion eine völlige Regendichtigkeit gewährleistete. Gegen diese Würdigung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie sich bei der Herstellung der Fensterrahmen nach den Anweisungen des bauleitenden Architekten der Klägerin habe richten müssen. Sie ist eine Fachfirma; die Klägerin und ihr Architekt mußten sich daher auf die von ihr zu erwartenden Spezialkenntnisse verlassen können. Hatte die Beklagte Bedenken gegen die billigere Ausführung, so hätte sie diese geltend machen müssen. Hat sie diese Bedenken vorsätzlich oder auch nur fahrlässig nicht erhoben, so kann sie sich nicht damit entlasten, daß sie die Konstruktion nach den Weisungen des Architekten der Klägerin habe ausführen müssen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin verneint. Die Beklagte hat zwar behauptet und unter Beweis gestellt, die Klägerin habe ihre Ratschläge, wie solche Rahmen nach ihrer Meinung besser zu konstruieren seien, abgelehnt und darauf bestanden, daß sie sich genau an die Konstruktionszeichnungen des Architekten zu halten habe. Dieser Vortrag ist jedoch nicht schlüssig; denn die Beklagte hat nicht behauptet, sie habe bei ihren angeblichen Vorstellungen auch auf die Gefahr hingewiesen, daß die Fenster bei der von dem Architekten der Klägerin verlangten Konstruktion regendurchlässig sein könnten. Das hätte sie aber tun müssen, denn sie wußte, daß die Beklagte trotz der von ihr gewünschten billigeren Herstellungsweise eine Undichtigkeit der Fenster auf keinen Fall in Kauf nehmen wollte. Von dem Architekten der Klägerin waren Spezialkenntnisse
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1.98 Hinweispflicht einer Fachfirma
im Schaufensterbau nicht zu erwarten. Er konnte daher, wenn ihn die Beklagte nicht ausdrücklich auf die Gefahr einer Regendurchlässigkeit hinwies, ohne Verschulden annehmen, daß in dieser Richtung gegen die billigere Konstruktion der Fensterrahmen keine Bedenken bestanden. Fehlt es aber an einem Verschulden des Architekten, dann ist es unerheblich, ob die von ihm gewünschte Konstruktion etwa mitursächlich für den Mangel und den Schaden war.
1.98: BGH, 2. 4. 1964, VII ZR 128/62
Sorgfaltsmaßstab
(Eine Haftung des beklagten Architekten wegen der Verwendung mangelhafter Ziegel besteht nicht.) Das Berufungsgericht stellt fest, daß mindestens 20% der aufgebrachten Dachziegel nur als III.Sorte bezeichnet werden können und deshalb den vertraglichen Anforderungen nicht entsprachen. Es ist jedoch aufgrund der Angaben des Sachverständigen der Auffassung, daß der Kläger hierfür nicht verantwortlich gemacht werden könne, da die mindere Qualität der Ziegel nur von einem erfahrenen Dachdecker hätte festgestellt und von dem Kläger als Architekten diese besondere Sachkenntnis nicht hätte verlangt werden können. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der Architekt grundsätzlich gehalten ist, das beim Bau verwendete Material auf seine Brauchbarkeit nachzuprüfen. Diese Prüfungspflicht darf aber nicht überspannt werden und muß ihre Grenze dort finden, wo von dem Architekten die entsprechende Sachkenntnis nicht erwartet werden kann. Wenn das Berufungsgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis kommt, daß dies hier der Fall war, und sich der Kläger deshalb auf die Prüfung durch die sachkundigen Dachdecker habe verlassen dürfen, so ist das nicht zu beanstanden.
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1.99 1.99: BGH, 9. 2. 1965, VI ZR 253/63 (Sturzhelm)
Mitverschulden des geschädigten Motorradfahrers
Bekanntsein der Schadenminderungswirkung
Allgemeines Bewußtsein von der Notwendigkeit
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In Übereinstimmung mit dem LG hat das Berufungsgericht nach §254 BGB ein Fünftel des Schadens dem Kläger überbürdet. Es hat sich davon überzeugt, daß die Verletzungen des Klägers geringer gewesen wären, wenn er einen Schutzhelm getragen hätte. Daß er ohne Schutzhelm gefahren ist, hat es als Verschulden im Sinne des §254 BGB angesehen. Diese Ausführungen unterliegen keinen rechtlichen Bedenken. Ein Mitverschulden ist dann gegeben, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (BGH, VersR 60/804). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 18. 4.1961 (VersR 61/ 561) das Vorliegen dieser Voraussetzungen für den Fall verneint, daß ein Kraftradfahrer im Jahre 1956 ohne Schutzhelm gefahren ist. Die damals ausdrücklich offengebliebene Frage, ob ein solches Verhalten einem Kraftfahrer im Jahre 1961 zum Mitverschulden gereicht, ist zu bejahen. Zur Unfallzeit war allgemein bekannt, daß einem Schutzhelm für Motorradfahrer große Bedeutung zur Abwehr und Minderung von Unfall Verletzungen zukommt. Anhaltspunkt hierfür ist, daß Post und Bundeswehr ihre Bediensteten zum Tragen von Schutzhelmen verpflichtet haben. Ein weiteres Anzeichen ist, daß der Bundesministerfür Verkehr in mehreren Verlautbarungen, zuletzt im Jahre 1958, auf die Schadensminderung der Schutzhelme hingewiesen und deshalb Kraftfahrern die Benutzung geeigneter Schutzhelme empfohlen hat. Hierbei stellt er für 1958 fest, daß bereits zahlreiche Fahrer einen Schutzhelm benutzen. Das allgemeine Bewußtsein von der Notwendigkeit, zur Vermeidung schwerer Unfallfolgen einen Schutzhelm zu tragen, konnte das Berufungsgerichtzusätzlich aus der Häufigkeit folgern, mit der zur Unfallzeit Schutzhelme getragen wurden. Hierbei steht nicht in Widerspruch, wenn das Berufungsgericht weiter ausführt, seiner Annahme stehe nicht entgegen, daß eine große Zahl von Motorradfahrern heute wie damals aus Bequemlichkeit oder Nachlässigkeit auf den Helm verzichtete.
1.100 Übliches Verhalten/ erforderliches Verhalten
Das Berufungsgericht weist unter Anführung des §276 BGB zutreffend darauf hin, daß es nicht auf die Üblichkeit, sondem auf die Erforderlichkeit eines Verhaltens ankommt. Im übrigen hat das Berufungsgericht seine Überzeugung davon, was im Jahre 1961 erforderlich war, nicht aus dem Umstand gewonnen, daß der größte Teil der Kraftradfahrer damals einen Schutzhelm getragen hätte. Es hat vielmehr den Umstand, daß er damals häufig benutzt wurde, als ein Anzeichen neben anderen für das allgemeine Bewußtsein seiner Notwendigkeit gewertet. Mit Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, daß diese Erwägungen wegen der größeren Verkehrsdichte und Übersichtlichkeit auch für den langsameren Stadtverkehr gelten. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen, es sei dem Kläger zur Last zu legen, daß er durch Nichtanwendung dieser Vorsichtsmaßnahme zur Unfallzeit diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Motorradfahrer zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden hat.
1.100: BGH, 6. 5. 1965, VII ZR 211/63
Die Klägerin übertrug dem beklagten Architekten A die Planung, Oberaufsicht und Bauleitung für ihr neues Sparkassengebäude. Die Halle für die Schalter und den Publikumsverkehr sollte in Stahlbeton ausgeführt werden. A beauftragte namens der Klägerin den Beklagten S, die statischen Berechnungen und die Bewehrungszeichnungen zu fertigen. Die Erd-, Beton-, Stahlbeton- und Maurerarbeiten übernahm der Bauunternehmer B. Bereits kurz nach dem Einzug der Klägerin zeigten sich Risse in der freitragenden Decke der Halle, die sich später vergrößerten, so daß die Decke wegen Einsturzgefahr abgestützt werden mußte. Als Ursache stellte sich heraus, daß verschiedene Bewehrungsstäbe gebrochen waren und daß der Beton nicht genügend fest war. 33
1.101 Sorgfaltsmaßstab: Anforderungen an technisches Fachwissen
Keine Haftung des Architekten für statisches Spezialwissen
Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Arbeiter des Bauunternehmers B die Stahlstäbe für die Betondecke entgegen den maßgeblichen Richtlinien der VOB DIN 1045 (§14b) um ein Mehrfaches zu stark gebogen haben; hierauf sowie auf die schlechte Beschaffenheit des Betons seien die Schäden an der Decke zurückzuführen. Nach dem bedenkenfreien Gutachten des Sachverständigen könne dem Beklagten A nicht vorgeworfen werden, daß er dies nicht gemerkt habe; denn das sei über die von ihm und dem als Bauführer eingesetzten Dipl.-Ing. W zu verlangenden Fachkenntnisse hinausgegangen. Der Beklagte A habe aber die ihm obliegenden Pflichten dadurch schuldhaft verletzt, daß er sich nicht ausreichend über die Leistungsfähigkeit des Bauunternehmers B unterrichtet habe. Außerdem hätte er der Klägerin vorschlagen müssen, den Beklagten S mit der Abnahme der Bewehrungs- und Betonarbeiten zu beauftragen. Wegen dieser Unterlassungen hafte er für den Schaden. Die hiergegen gerichteten Revisionsrügen des Beklagten A sind unbegründet. Dem Berufungsgericht ist jedenfalls darin zuzustimmen, daß der Beklagte A seine Beratungspflichten schuldhaft verletzt und dadurch den Schaden verursacht hat. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn es in der Unterlassung eines solchen Rats ein Verschulden des Architekten erblickt. Aus den vorangegangenen Verhandlungen wußte dieser, daß die Klägerin eine vollständige Überwachung der Arbeiten wünschte. Soweit er selbst und sein Gehilfe W hierzu mangels Sachkunde nicht in der Lage waren, mußte er deswegen für eine anderweite Aufsicht sorgen. Dafür bot sich die Beauftragung des Statikers S an.
1.101: BGH, 12.10. 1967, VII ZR 8/65 (Flachdach)
Die Beklagten fordern Schadensersatz, weil das Flachdach infolge der sich darin entwickelnden hohen Temperaturschwankungen von den Mauern, auf die es unmittelbar aufgesetzt wurde, abgerissen ist. Dabei sind in den Mauern 34
1.101 Risse und Feuchtigkeitsschäden entstanden. Der Schaden wäre vermieden worden, wenn zwischen den Hauswänden und dem Dach Gleitfugen und im Flachdach selbst Trennfugen angelegt, ferner eine Isolierschicht obenauf statt darunter verlegt worden wäre. Das Berufungsgericht meint aber, der Kläger habe das nicht zu vertreten. Seine Planung habe mit den im Jahre 1956 anerkannten Regeln der Baukunst und Technik im Einklang gestanden. Erst später sei bekanntgeworden, daß weitere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich seien. Fehlerbegriff
Stand der Technik
Verschulden Beweislastumkehr
Beweislastverteilung nach Gefahren-
1. Die von dem Kläger entworfenen Pläne waren unrichtig, wie sich aus den Schäden am Bauwerk in Verbindung mit den späteren Erkenntnissen gezeigt hat. Daraus folgt, daß ihm objektiv eine Pflichtverletzung zur Last fällt. Er hatte dafür zu sorgen, daß seine Planung geeignet war, die Entstehung eines mangelfreien Bauwerks zu gewährleisten. Entsprach seine Arbeit nicht diesen Erfordernissen, so erfüllte sie nicht die gestellten Anforderungen und war daher objektiv mangelhaft. Hieran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man mit dem Kammergericht davon ausgeht, daß die Pläne den im Jahre 1956 anerkannten Regeln der Baukunst und Technik gerecht wurden. Denn es kommt in diesem Zusammenhang nur darauf an, ob ihnen Fehler anhafteten, die sich zwangsläufig auf das Bauwerk übertragen mußten. Das war hier der Fall. Die Beklagten haben also den ihnen obliegenden Beweis erbracht, daß der Kläger objektiv seine Pflichten verletzt hat (vgl. BGHZ58/251 und BGHZ42/16,18). Das gilt auch für die unterlassene Aufklärung. 2. Unter diesen Umständen ist es nunmehr Sache des Klägers zu beweisen, daß er den Mangel nicht zu vertreten hat. a) Die Schadenursache lag in seinem Gefahrenbereich. In solchen Fällen hat der BGH für die positive Vertragsverletzung entschieden, daß es Sache des Unternehmers ist, sich zu entlasten, soweit es sich um den Schuldvorwurf handelt (u.a. BGHZ 23/288, 290 = VersR 57/251 = I.94). Die Frage, wen bei einer positiven Vertragsverletzung die Beweislast für das Verschulden trifft, ist im wesentlichen nach der Interessenlage beantwortet worden. Der Besteller
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1.101 bereichen bei positiver Vertragsverletzung
§ 635 BGB
Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten
Sorgfaltsanforderungen
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kennt den Schaden und ist in der Lage, ihn zu übersehen. Anders steht es aber um die Vorgänge zum Schuldvorwurf, die sich allein im Gefahrenkreis des Unternehmers abgespielt haben. Diese zu beweisen, ist dem Besteller in der Regel erschwert und nicht zuzumuten. Demgegenüber hat der Unternehmer die bessere und vollständigere Übersicht. Er ist auch „näher daran", den Sachverhalt insoweit aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, weil er es war, der den Schaden objektiv verursacht hat. Diese Erwägungen treffen unverändert auf den Ersatzanspruch auf §635 BGB zu. Deswegen ist er, soweit der Beweis des Vertretenmüssens in Rede steht, genauso zu behandeln wie (der Ersatzanspruch) bei der positiven Vertragsverletzung. b) Im Prozeß der jetzigen Beklagten (damaligen Klägerin) gegen die Baufirma S. hatte das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil die Ausführung den Plänen des Architekten entsprochen habe und S. keine bautechnischen Kenntnisse zu besitzen brauchte, die eine Abweichung davon erfordert hätten. Im vorliegenden Prozeß verweist das Kammergericht auf dieses Urteil und sagt weiter, „der Architekt brauchte in bezug auf die Konstruktion eines Flachdachs nicht Regeln über die hinaus zu beachten, die auch der Bauunternehmer zu befolgen hatte". Das ist in einer solchen Verallgemeinerung unrichtig. Zwar mag es große Baufirmen geben, die besondere Fachkräfte und Spezialisten beschäftigen und die auf diese Weise über ein besseres Wissen verfügen als der dem Durchschnitt entsprechende Architekt. Daß es sich um einen solchen Fall gehandelt hat, ist jedoch den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Dann ist aber von dem Regelfall auszugehen. In ihm ist vom Architekten eine bessere Ausbildung und größere Kenntnis in technischen Dingen zu verlangen als vom Bauhandwerker. Das gilt insbesondere, wenn es sich um eine Spezialkontruktion handelt - wie hier um die eines Flachdachs - und wenn dem Architekten auch die statische Berechnung übertragen ist. Derjenige, der sich dann um die technischen Einzelheiten in erster Linie zu bemühen hat, ist der Architekt und nicht der Unternehmer; dieser kann sich in einem solchen Fall weitgehend darauf ver-
1.101
Weiterentwicklungen des Standes der Technik
lassen, daß ihm nichteine mehr oder weniger unausgereifte Konstruktion zur Ausführung übertragen wird. c) In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß der Kläger nicht nur haftet, wenn er die „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und Technik" vernachlässigt hat. Vielmehr besteht die Ersatzpflicht darüber hinaus, wenn er etwaige Fortschritte und Erkenntnisse unbeachtet gelassen hat, die über die im Augenblick anerkannten Regeln hinausgingen. Jedenfalls hat der Architekt auch zu prüfen, ob zu der Zeit, zu der er den Bau plant und ausführt, die technischen Erkenntnisse etwa fortgeschritten und die früheren Regeln überholt und veraltet sind. Hierauf konnte es gerade im vorliegenden Falle ankommen, indem die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts es nicht ausschließen, daß die Entwicklung hinsichtlich der Konstruktion von Flachdächern bereits 1956 andere Wege eingeschlagen hatte, als sie bisher üblich waren. Einen solchen Hinweis könnte z. B. die Äußerung des Sachverständigen M. enthalten, daß man sich schon 1956 und 1957 genötigt gesehen habe, Forschungsaufträge über die hier streitige Konstruktion zu erteilen.
DIN-Normen und Stand der Technik
Das Kammergericht stützt die Entscheidung nicht zum wenigsten darauf, daß die vom Kläger gewählte Konstruktion nicht von den im Jahre 1956 gültigen DIN-Vorschriften abgewichen sei. Er sagt, diese Vorschriften seien nach sorgfältiger Prüfung der physikalischen Verhältnisse von kompetenter Seite erlassen worden und würden mit Recht als die geschriebenen Regeln der Baukunst bezeichnet. Davon abweichenden Einzelmeinungen sei keine Bedeutung beizumessen, solange jene DIN-Vorschriften nicht geändert seien.
Prüfungspflichten bei DIN-Normen
Dabei übersieht es, daß die damals gültigen DIN-Bestimmungen nicht etwa die vom Kläger gewählte Konstruktion vorgeschrieben haben, sondern nur über die hier interessierenden Punkte nichts enthielten und daß sich ferner ein Architekt nicht uneingeschränkt auf sie verlassen darf. Vielmehr hat er unabhängig von ihnen und selbständig zu prüfen, ob nicht weitere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind.
37
1.101 Pflicht zur Berücksichtigung bekannt gewordener Schadensfälle
Sorgfalts- und Hinweispflichten bei der Verwendung von Neukonstruktionen
Verwendung noch nicht ausreichend erprobter Konstruktionen 38
d) Insoweit ist das Urteil unvollständig. Zwar stellt das Kammergericht fest, daß Flachdächer aus Beton im Jahre 1956 schon in großer Zahl errichtet worden waren. Es äußert sich aber nicht dazu, ob bis dahin nicht schon anderweitig Schäden aufgetreten und bekanntgeworden sind. Darlegungen des beweispflichtigen Klägers hierzu hätten um so näher gelegen, als die Mängel schon zwei Jahre nach der Abnahme offenbar geworden und andererseits nach der eigenen Behauptung des Klägers solche Flachdächer bereits seit 1952 vielfach ausgeführt worden sind. e) Eine schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflicht ist (nicht nur dann anzunehmen, wenn der Beklagte die den heutigen Erkenntnissen im wesentlichen entsprechende Baulehre von Mittag gekannt hat, sondern) auch dann, wenn es der Architekt unterläßt, seine Auftraggeber über Gefahren zu unterrichten, die ihm bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein müssen. Deshalbistdie vom KG gegebene Begründung fehlerhaft, die Beklagten hätten behaupten müssen, daß der Kläger Erwägungen über die mit seiner Planung verbundenen Gefahren angestellt habe. Es genügte vielmehr, wenn der Kläger solche Erwägungen schuldhaft unterlassen haben sollte. f) Die Beklagten haben im Schriftsatz vom 13.8. 1964 unter Beweis gestellt, der Sachbearbeiter L vom Baulenkungsamt habe dem Kläger ausdrücklich abgeraten, mit dem geplanten Dach einen wenig erprobten Weg zu gehen. Darauf konnte es entscheidend ankommen, denn ein solcher Rat hätte, wenn er erteilt worden sein sollte, den Kläger stutzig machen und zu genauen Nachforschungen anhalten müssen. Zum mindesten wäre er gehalten gewesen, diese Äußerung an seine Auftraggeber weiterzugeben, zumal es sich um die Meinung eines mit solchen Dingen befaßten und möglicherweise über Erfahrung verfügenden Beamten handelte. Die Nichterhebung des Beweises enthält also einen Verstoß gegen §286 ZPO. Schließlich ist auch die Rüge begründet, das Berufungsgericht habe das Gutachten des Sachverständigen unzureichend gewürdigt. Der Sachverständige hat zwar die Planung des Klägers als den im Jahre 1956 anerkannten Regeln der Baukunst und Technik entsprechend bezeichnet. Er hatte
1.101 aber weiter erklärt, die Konstruktion sei im genannten Jahr noch nicht erprobt gewesen. Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß auch der Kläger diese mangelnde Erprobung hätte kennen müssen. Eine nicht ausräumbare Unklarheit zu diesem Punkte würde zu seinen Lasten gehen, da er seine Schuldlosigkeit zu beweisen hat.
Anmerkung:
Erfordernis der individuellen Fehlernachweise bei mehreren Beteiligten
1. Die Entscheidung ist dogmatisch sehr wichtig, weil sehr klar zwischen zwei getrennten Fragenbereichen unterschieden wird, nämlich - dem Fehler-Bereich - dem Verschulden-Bereich. a) Im Bereich des Verschuldens sind andere Bewertungen vorzunehmen als in der Frage, ob überhaupt ein Fehler vorliegt. In den Fällen einer arbeitsteiligen Warenherstellung muß für jeden beteiligten Herstellerbetrieb getrennt untersucht werden, ob in seinem Bereich eine Fehlerursache gesetzt wurde. Bestellt z.B. ein Hersteller von Pkw-Sitzen Schrauben unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die einschlägige DIN-Norm und stellt sich später heraus, daß die Schrauben bei Verwendung zur Befestigung der Rückenlehne nicht ausreichend sind (Abbrechen der Rückenlehne bei einem Heck-Auffahrunfall), hat sowohl der Schraubenhersteller als auch der Sitzhersteller eine Ursache gesetzt. Die rechtlich entscheidende Frage im Fall einer Schadenersatzklage des durch das Abbrechen der Rückenlehne verletzten Pkw-Insassen ist aber, ob beide einen Fehler begangen haben. Im Verantwortungsbereich des Sitzherstellers liegt im gegebenen Beispiel ein der Konstruktionshaftung zuzuordnender Fehler vor (nämlich eine unzulängliche Auswahl der zur Herstellung des eigenen Produkts verwendeten fremdproduzierten Einzelteile). Im Bereich des Schraubenherstellers liegt dagegen kein Fehler vor: der Schraubenhersteller hat 39
1.101 ( A n m . ) das geliefert, was bestellt wurde, nämlich eine unter Bezugnahmeauf die einschlägige DIN-Norm im einzelnen gekennzeichnete Schraube. Erfüllt die Schraube die Anforderungen der DIN-Norm, hat der Schraubenhersteller zwar eine Schadenursache (im Sinn der naturwissenschaftlichen Kausalität) gesetzt. Er hat aber keinen Fehler im Sinn der Deliktshaftung verursacht. Ebensowenig ist die Schraube im Sinn der vertragsrechtlichen Haftung mangelhaft. Es genügt also nicht schon die bloße Ursachensetzung. Vielmehr muß sich die gesetzte Ursache aufgrund der Umstände des Einzelfalls -
deliktsrechtlich
als
Fehler
vertragsrechtlich als sog. Mangel, von der vertraglich geschuldeten §§459, 633 BGB) darstellen.
d. h. als Abweichung Beschaffenheit (vgl.
FehlerBeurteilungszeitpunkt
b) Für die Frage, ob ein Produkt fehlerhaft ist, kommt es auf die objektive Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (11.24). Ob der Fehler nach dem Stand der Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller gehandelt hat bzw. hätte handeln können, erkennbar war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Zur besonderen Sachlage bei Beratungsbzw. Hinweispflichten vgl. Anm. zu 11.68.
VerschuldenBeurteilungszeitpunkt
c) Im Rahmen der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung genügt aber nicht schon das Vorliegen eines Fehlers. Vielmehr ist darüber hinaus auch ein Verschulden erforderlich. „Verschulden" bedeutet dabei, daß der Vorwurf erhoben wird, der Schuldner habe Maßnahmen vorgenommen bzw. pflichtwidrig unterlassen, deren Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Dritter ihm erkennbar war. War aber nach dem Stand der Technik die Fehlerquelle im Zeitpunkt des potentiellen Handelns nicht bekannt, konnte der Schuldner sie nicht berücksichtigen. Folglich muß hier ein Verschulden entfallen (1.114; 1.122; 1.139; 11.24; 11.36; 11.67; 11.68). Beurteilungszeitpunkt für die Frage, ob ein Verschulden vorliegt, ist also nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern der Zeitpunkt, in dem der Schuldner bei Erfüllung der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung hätte handeln können (vgl. die vorgenannten Entscheidungen).
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(Anm.) 1.101 Entwicklungsgefahren
1. Beispiel
2. Beispiel
3. Beispiel
2. Für die sog. Entwicklungsgefahren besteht also im Rahmen einer Verschuldenshaftung mangels Vorwerfbarkeit der Nichtberücksichtigung dieser Gefahren keine Haftung. Unter Entwicklungsgefahren versteht man Fehler, die im Zeitpunkt des potentiellen Handelns nicht bekannt waren, sondern die erst später (sehr oft aufgrund der Analyse aufgetretener Schadenfälle) erkannt wurden. Kommt es z. B. zu einem Bruch von Schrauben in PkwBremssättein und ergibt die Schadensanalyse, daß die Ursache dafür ein Zusammentreffen von drei Faktoren war (eine bestimmte Härte der Schrauben; das Vorliegen einer Randentkohlung und das Hinzutreten eines korrosiven Mediums) und war diese Schadenursache vorher nicht bekannt, lag zwar bei Verwendung von Schrauben einer entsprechenden Güteklasse für Pkw-Bremsen, die korrosiven Medien ausgesetzt sind, ein Fehler vor: diese Gefahr war aber nach dem Stand der Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht bekannt. Folglich kann man dem Bremsenhersteller die Verwendung dieser Schrauben nicht als Verschulden vorwerfen, so daß keine Haftung besteht. Ergibt die Analyse von Fällen, in denen Kinder mit verstümmelten Gliedmaßen geboren wurden, daß dies auf der Einnahme eines einen bestimmten Wirkstoff enthaltenden Mittels beruht (terratogene Wirkung des Wirkstoffs Thalidomid bei Einnahme von entsprechenden Beruhigungsmitteln durch Schwangere zu Beginn der Schwangerschaftsperiode) und war im Zeitpunkt der Konzeption des Beruhigungsmittels und seines Inverkehrbringens diese Gefahr nicht bekannt, liegt zwar ein Produktfehler vor: mangels Bekanntseins dieser Wirkung entfällt aber ein Verschulden und damit eine Haftung (vgl. die insoweit verwertbare strafgerichtliche Entscheidung des LG Aachen, III. 15). War bei Inverkehrbringen eines Spritzpulvers zur Bekämpfung des Apfelschorf-Spaltpilzes nicht bekannt, daß sich nach einiger Zeit eine Resistenz dieser Schadpilze gegenüber dem Mittel bildet und das Mittel wirkungslos bleibt, so ist das Mittel zwar fehlerhaft: im Zeitpunkt des Inverkehrbringens entfällt aber mangels Bekanntseins dieser Tatsache ein Verschulden und damit eine Haftung (vgl. 11.67 und 11.68).
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1.101 (Anm.) Produktbeobachtungshaftung
Entwicklungslücken
Verpflichtung zum Unterlassen des Inverkehrbringens
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3. Auch wenn in diesem Sinn Entwicklungsgefahren vorliegen, kann sich aber unter anderen Gesichtspunkten eine Haftung ergeben. Wird in den vorstehenden Beispielen der Wirkungszusammenhang aufgrund von Schadenanalysen bekannt, muß der Hersteller je nach Lage der Dinge die erforderlichen Maßnahmen ergreifen (11.67,11.68). Obwohl also im Zeitpunkt des ursprünglichen Inverkehrbringens kein Verschulden und damit keine Haftung vorlag, kann ab Bekanntsein des Wirkungszusammenhangs eine deliktsrechtliche Haftung auf Vornahme einer Warnkampagne oder eines Produktrückrufs entstehen: das Unterlassen derartiger Maßnahmen kann dann ab dem betreffenden Zeitpunkt zu einer Verschuldenshaftung führen (11.67,11.68 sowie LG Aachen, aaO.). 4. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang der Problemkreis der Entwicklungslücken zu sehen. Entwicklungslücken sind dann gegeben, wenn im Zeitpunkt des potentiellen Handelns die Gefahr bekannt war, aber nach dem Stand der Technik keine ausreichenden Möglichkeiten zu ihrer Abwendung bzw. ausreichenden Minderung zur Verfügung stehen. Würde das Fehlen ausreichender technischer Gefahrabwendungs- bzw. -minderungsmaßnahmen bedeuten, daß der Hersteller ein derartiges Produkt ohne Haftungsrisiken auf den Markt bringen kann, wäre dies letztlich ein Freibrief für die in Kauf genommene Schädigung Dritter. Dies widerspricht dem haftungsrechtlichen Grundgedanken. Es greift hier die deliktsrechtliche Generalklausel ein. Da jedermann die nach Lage der Dinge erforderlichen, möglichen und zumutbaren Maßnahmen treffen muß, um Schäden von deliktsrechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter abzuwenden (vgl. dazu Bd. I, Einleitung, S. 7), können sich in einer derartigen Situation trotz der technisch nicht vermeidbaren Gefährlichkeit des Produkts besondere Pflichten ergeben. a) Im extremen Fall kann hier eine Verpflichtung bestehen, das Inverkehrbringen des unvermeidbar gefährlichen Produktes zu unterlassen (vgl. 11.30). Handelt es sich z. B. um einen Speiseeisbereiter, so ist dies ein Haushaltsgerät, das nicht benötigt wird. Kann nach dem Stand der Technik eine bestimmte bei der Benutzung bestehende Gefahr nicht vermieden werden, kann sich aus der fehlenden sozialen Nütz-
(Anm.) 1.101
Zulässigkeit des Inverkehrbringens, aber Bestehen einer Warnpf I ¡cht
lichkeit des Produkts eine deliktsrechtliche Verpflichtung zum Unterlassen ergeben. Bringt der Hersteller das Gerät trotzdem in den Verkehr, kann er sich im Haftungsfall nicht darauf berufen, daß nach dem Stand der Technik die Gefahr nicht vermeidbar war (11.30). b) Dies gilt aber nicht in allen Fällen. Handelt es sich z. B. um ein Arzneimittel, mit dem bestimmte therapeutische Wirkungen erzielt werden können, die im Zeitpunkt des potentiellen Handelns mit anderen Arzneimitteln nicht erreichbar sind, so ist zwar nach dem Stand der Fachkenntnisse im Zeitpunkt des Inverkehrbringens die Gefahr nicht vermeidbar: im Hinblick auf die soziale Nützlichkeit des Arzneimittels kann aber trotzdem das Inverkehrbringen zulässig sein: selbst wenn sich die Gefahr realisiert, kann nicht schon aus dem Inverkehrbringen des Mittels eine Haftung abgeleitet werden (11.36). Eine andere Frage ist allerdings, ob sich hier eine besondere Warnpflicht ergibt, aufgrund derer der Hersteller auf die unvermeidbare Gefahr hinweisen muß. Z. B. bei Blutkonserven ist nach dem Stand der heutigen Fachkenntnisse nach meinen Informationen nicht feststellbar, ob eine Hepatitisverseuchung vorliegt. Diese Gefahr kann also nicht ausgeschlossen werden. Andererseits werden aber in vielen Fällen Blutkonserven benötigt, ohne daß eine Substitutionsmöglichkeit besteht. Folglich ist das Inverkehrbringen bzw. Vertreiben von Blutkonserven grundsätzlich haftungsrechtlich zulässig. Die Frage ist allerdings, ob eine Instruktionsverpflichtung zum Hinweis darauf besteht, daß nach dem Stand der Fachkenntnisse die Gefahr einer Hepatitisverseuchung nicht ausgeschlossen werden kann. Dadurch wird der Benutzer gewarnt und kann er entscheiden, ob er zur Heilung bzw. Milderung seiner Krankheit die Gefahr einer Hepatitis in Kauf nimmt oder aber wegen der Gefahr einer Hepatitis auf eine an sich mögliche Heilung verzichtet (im Fall 11.36 wurde auch eine Warnpflicht verneint), c) Im Fall der Entwicklungslücken stellt sich also die haftungsrechtliche Problematik anders dar als im Bereich der Entwicklungsgefahren und ergeben sich haftungsrechtlich je nach den Umständen des Einzelfalles mehrere Bewertungssituationen. 43
1.101 (Anm.) Der Begriff „Stand der Technik"
Der Begriff „Stand der Wissenschaft" im nicht-technischen Bereich
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5. Der „Stand der Technik" wird also sowohl bei der Prüfung der Fehler-Frage als auch bei der Prüfung der gegebenenfalls anschließenden weiteren Frage relevant, ob ein Verschulden vorliegt. Der Begriff „Stand der Technik" ist dem technischen Sprachgebrauch entlehnt. In neueren Gesetzen wird aber auch der Begriff „Stand der Wissenschaften" gebraucht. Teilweise werden sogar beide Begriffe verwendet, indem „nach dem Stand der Technik und Wissenschaft" bestimmte Maßnahmen gefordert werden (z.B. §411 Nr.3 und § 711 Nr. 2AtomG). Wären einerseits „Stand der Technik" und andererseits „Stand der Wissenschaft" inhaltlich dekkungsgleich, wäre dies eine unnötige und irreführende Tautologie. Mit den beiden Bewertungsmaßstäben ist aber etwas anderes gemeint: unter dem „Stand der Technik" wird das Fachwissen der Praxis, unter dem „Stand der Wissenschaft" dagegen das Fachwissen der Lehre, also ein wissenschaftlich höherer Standard gemeint. Genaugenommen ist dies aber eine legislative Unklarheit. Entweder kommt es auf die Fachkenntnisse der Praxis oder aber auf die Fachkenntnisse der Lehre und Forschung an. Werden beide Maßstäbe zusammen aufgeführt, bleibt offen, welcher im Einzelfall gelten soll, wenn im Sinn der obigen Beispiele (Nr. 2) ein bestimmter Wirkungszusammenhang mehrerer Faktoren zwar nach dem Stand der Wissenschaft, nicht aber nach dem Stand der Technik bekannt ist. Im übrigen ergibt sich eine weitere begriffliche Unschärfe dadurch, daßz. B. im chemischen, im pharmazeutischen und im ärztlichen Bereich nicht vom „Stand der Technik" gesprochen werden kann. Hier wird vielmehr der Begriff „Stand der Wissenschaft" benutzt. Gemeint ist damit das sachliche Synonym zum „Stand der Technik" des technischen Bereichs. Z. B. wird in §17 Nr. 5 Lebensmittel bei der tatbestandlichen Festlegung, wann Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr gebracht werden, die Irreführung vor allem darin gesehen, daß „Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichertsind". In diesen Bereichen wird also eine Unterscheidung zwischen den Fachkenntnissen der Praxis einerseits,
(Anm.) 1.101
Die Begriffe „lege artis" und „state of the art" Der Begriff „Stand der Fachkenntnisse" Stand der Technik und Regelwerke (DIN-Normen, VDE-Normen, usw.) Keine rechtliche Identität von DIN-Normen, usw. mit dem Stand der Technik
den Fachkenntnissen von Forschung und Lehre andererseits nicht vorgenommen. In diesem Zusammenhang kann auf die begrifflichen Fragen nur hingewiesen werden. Dahinter steht m. E. ein ganz anderes Problem, nämlich die im folgenden behandelte Frage nach der Relativität des Standes der Technik je nach dem Spezialisierungsgrad des einzelnen Haftungsschuldners. M. E. hat die Problemlösung dort anzusetzen (vgl. dazu im folgenden Nr. 8). Gegenüber der deutschen, aus den geschilderten Gründen unscharfen Terminologie ist der lateinische Fachbegriff lege artis bzw. seine englische Übersetzung State of the art vorzuziehen. Sinngemäß übertragen bedeutet dies: Stand der Fachkenntnisse. Mit dieser Terminologie ist die Möglichkeit gegeben, mittels Differenzierung zwischen je nach Spezialisierungsgraden unterschiedlichen Bereichen von Fachgenossen auch unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. 6. Rechtlich sehr schwierig ist die Frage des Verhältnisses zwischen überbetrieblichen Regelwerken (z.B. DIN-Normen, VDE-Normen oder Regelwerk des Vereins Deutscher Gas- und Wasserfachleute eV) und dem Stand der Technik. Im folgenden werden diese Probleme anhand der DIN-Normen behandelt. Die Ergebnisse gelten sinngemäß auch für andere überbetriebliche Regelwerke, a) Vor allem bei mittelständischen und kleineren Betrieben herrscht vielfach die Auffassung, die DIN-Normen und sonstigen überbetrieblichen Regelwerke seien der verbindliche Ausdruck des jeweiligen Standes der Technik. Daraus wird (mehr oder minder unbewußt) von Praktikern häufig abgeleitet, daß derjenige, der die einschlägigen DIN-Normen bzw. sonstigen überbetrieblichen Regelwerke beachtet, technisch ordnungsgemäß handele. Dies wiederum ergibt dann die Grundlage für die nächste Ableitung, daß bei Beachtung der einschlägigen DIN-Normen keine Haftung bestehe. Die vorstehende Entscheidung zeigt, daß dies falsch ist und daß hier ein trügerisches Sicherheitsgefühl herrscht. Zweifellos sind die DIN-Normen und sonstigen überbetrieblichen Regelwerke in der Wirtschaftspraxis von eminenter Bedeutung für die Erkennung und Weiterentwicklung des Standes der Technik. Sie sind aber rechtlich gesehen nicht als ver45
1.101 (Anm.)
Aufgabe und Wirkungsbereiche der Normung
Keine Rechtsnormenqualität von DINNormen, usw.
M ittel bare rechtliche Bedeutung von DIN-Normen 46
bindliche Festschreibung des Standes der Technik anzuerkennen. b) LautDIN820Abschnitt2 wird unter Normung verstanden ..die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit. .. Sie fördert die Rationalisierung und Qualitätssicherung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Verwaltung... Sie dient außerdem einer sinnvollen Ordnung und der Information auf dem jeweiligen Normungsgebiet". Gemäß DIN820 Abschnitt 6.1 ,,stehen die Normen des Deutschen Normenwerkes jedermann zur Anwendung frei. Sie sollen sich als ,anerkannte Regeln der Technik' einführen. Die Normen bilden einen Maßstab für einwandfreies technisches Verhalten; dieser Maßstab ist auch im Rahmen der Rechtsordnung von Bedeutung. Eine Anwendungspflicht kann sich aufgrund von Rechtsoder Verwaltungsvorschriften sowie aufgrund von Verträgen oder aus sonstigen Rechtsgründen ergeben.« c) Bereits in der DIN-Grundnorm kommt also zum Ausdruck, daß die DIN-Normen keine Rechtsnormen darstellen. Dies entspricht der gegebenen Rechtslage. Nach dem geltenden Verfassungsrecht können Rechts normen nur von den verfassungsrechtlich dazu legitimierten Organen aufgestellt werden. Dem Deutschen Normungsausschuß bzw. seinen Arbeitsausschüssen ist aber eine derartige Rechtssetzungsermächtigung nicht erteilt. Daher können die von ihnen aufgestellten DIN-Normen als solche nicht die Wirkung von Rechts normen in Anspruch nehmen. Die DIN-Normen stellen also jedenfalls keine unmittelbaren Normen des Produkthaftungsrechts dar. Eine Nichteinhaltung bzw. Nichterfüllung der in DIN-Normen enthaltenen Merkmale, Verhaltensgebote, usw. beinhaltet also nicht zugleich auch eine unmittelbare Verletzung von haftungsrechtlichen Verhaltenspflichten. d) Die DIN-Normen können aber mittelbar haftungsrechtlich relevant werden. Aufgrund der deliktsrechtlichen Generalklausel haftet jeder für die Vornahme der möglichen Gefahrabwendungsmaßnahmen. Das, was dem „Stand der Tech-
(Anm.) 1.101
Haftung trotz Berücksichtigung der DIN-Norm, usw.
Doppelte Über prüfungspflicht des Anwenders von DIN-Normen usw. Übereinstimmung der DINNormen, usw. mit dem Stand der Technik?
Ausreichen der dem Stand der
nik" entspricht, ist möglich. Deckt sich die DIN-Norm mit dem Stand der Technik, kennzeichnet deshalb die DIN-Norm das, was in dem betreffenden Bereich möglich ist. Insoweit ist also die DIN-Norm ein Mittel zur inhaltlichen Präzisierung der möglichen Gefahrabwendungsmaßnahmen. Bei Nichterfüllung der DIN-Norm ist hier ein Verschulden zu bejahen (1.143). e) Daraus ergibt sich eine für die Praxis eminent wichtige Schlußfolgerung: in den Fällen, in denen eine DIN-Norm nicht mit dem einschlägigen Stand der Technik übereinstimmt, handelt derjenige, der zwar die DIN-Norm erfüllt, aber nicht den weitergehenden Stand der Technik berücksichtigt, rechtswidrig und im allgemeinen auch schuldhaft (vgl. I, 101, Nr. 2c). 7. Sachlich vergleichbar mit DIN-Normen und sonstigen überbetrieblichen Regelwerken ist der im Baurecht häufig verwandte Begriff „allgemein anerkannte Regeln der Baukunst und Technik". Hier fehlt lediglich die förmliche Fixierung in einem überbetrieblichen Regelwerk. In der Sache wird aber auf das gleiche verwiesen, nämlich auf den objektivierten Maßstab des einschlägigen Standes der Technik. In Nr. 2 c der obigen Entscheidung wird klar erkennbar, daß denjenigen, der die „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und Technik" (bzw. DIN-Normen oder sonstigen überbetrieblichen Regelwerke) anzuwenden hat, eine doppelte Überprüfungspflicht trifft: a) Zunächst einmal hat er zu prüfen, ob die betreffenden Regeln bzw. Regelwerke noch dem im Prüfungszeitpunkt bestehenden Stand der Technik entsprechen (vgl. die obige Entscheidung). Dies betrifft das Überalterungsproblem. Als Faustregel kann man hier sagen, daß die Prüfungspflichten um so intensiver werden, je älter eine „anerkannte Regel der Technik" bzw. eine DIN-Norm wird. Verändert sich der Stand der Technik, erhöht sich in der Hypothese mit jedem Tag die Wahrscheinlichkeit, daß eine in einem bestimmten Zeitpunkt erlasseneDIN-Normdurchzwischenzeitliche Weiterentwicklungen des entsprechenden Standes der Technik überholt wurde. b) Kann der Normen-Anwender aufgrund dieser Prüfung davonausgehen,daßdieDIN-Norm demeinschlägigenStand 47
1.101 (Anm.) Technikentsprechenden DIN-Norm für den betreffenden Einzelfall?
Relativität des „Standes der Tech n i k"
48
der Technik entspricht, muß er weiterhin prüfen, obdieDINNorm auch im konkreten Einzelfall ausreichend ist (vgl. RG, 11. 4. 1935, JW 1935/2196, 2197 sowie 1.88,1.89,1.90,11.48, 11.63 und die obige Entscheidung). DIN-Normen und sonstige überbetriebliche Regelwerke sind mit ganz wenigen Ausnahmen nicht auf spezifische Verwendungszwecke in ganz konkreten Situationen zugeschnitten. Sie enthalten vielmehr abstrahierte Durchschnittsregelungen für Normalfälle (wobei es selbstverständlich eine Frage des Anwendungsbereichs ist, wie eng oder wie weit der Bereich dieser Normalfälle angesetzt wird). Der Anwender der DIN-Norm hat aber jeweils einen konkreten Einzelfall zu behandeln. Folglich muß er entscheiden, was fürdiesen konkreten Einzelfall technisch zu beachten ist (vgl. die vorstehend zitierten Entscheidungen sowie Budde, DIN-Mitteilungen 1975/5). Der Bundesgerichtshof formuliert in der obigen Entscheidung diese auf den Einzelfall zugeschnittene Überprüfungspflicht folgendermaßen: „(Der Anwender einer DIN-Norm) hat unabhängig von den damals gültigen DIN-Bestimmungen und selbständig zu prüfen, ob nicht weitere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind." 8. Der „Stand der Technik" ist als solcher kein Rechtsbegriff, sondern eine Beschreibungs formel. „Stand der Technik" ist nach der vom Reichsgericht geprägten Definition die formelhafte Bezeichnung für die Gesamtheit der auf dem fraglichen Gebiet bis zu einem gegebenen Zeitpunkt gewonnenen und anerkannten technischen Erkenntnisse (RGSt, 11. 10.1910, E 44/75, 79f.). a) Analysiert man die Formel des Reichsgerichts, so ergibt sich daraus, daß zu dem objektiven Element (Erkenntnisgewinnung) noch ein quantitativ-subjektives (Anerkennung in den Kreisen der betreffenden Techniker) hinzukommen muß (RG, aaO). Weder genügt also die subjektive Meinung eines einzelnen noch genügt die Auffassung einer Minderheit, auch wenn sie wissenschaftlich richtig und unanfechtbar ist (RG, aaO.), weil sich meisterst nach einer gewissen mal kürzeren, mal längeren Übergangszeit herausstellt, ob eine These wissenschaftlich richtig und unanfechtbar ist oder nicht und weil der einzelne praktisch kaum in der Lageist, eine
(Anm.) 1.101 derartige Beurteilung zu treffen. Erforderlich ist vielmehr, daß die Mehrheit der in dem betreffenden Zweig Tätigen und mit der erforderlichen Vorbildung Ausgestatteten diebetreffende Aussage, Erkenntnis, usw. als zutreffend erkennt (RG, aaO.; vgl. auch OLG Koblenz, 21. 12. 1972, BB 1973/216: „Durchschnittsmeinung, die sich in den Kreisen der Praktiker gebildet hat"). Sozialpolitisch gesehen wird dem einzelnen durch die Erforderlichkeit des „Anerkenntnisses der großen Menge der Fachgenossen" (RG, aaO.) das Risiko der individuellen Beurteilung abgenommen. b) Vereinfacht sind also 3 Entwicklungsstufen zu sehen: - individuelle Erkenntnis eines noch nicht gelösten Problems: hier ist das Bewußtsein von der technischen Lücke „Stand der Technik". Wegen des Fehlens von Lösungsmöglichkeiten kann die Handlung selbst (z.B. Vertrieb von hepatitisverseuchten Blutkonserven) vorgenommen werden und können lediglich haftungsrechtlich ergänzende Pflichten (z. B. zum Hinweis auf die Gefahr) entstehen; das gleiche gilt für die individuelle Erkenntnis einer Problemlösung -
Verbreitung und Anerkennung des neuen Wissens innerhalb eines kleineren Kreises - Verbreitung und Anerkennung des neuen Wissens innerhalb der überwiegenden Mehrheit des betreffenden Bereichs.
Erst in der 3. Phase ist das neue Wissen von der subjektiven Meinung zunächst eines einzelnen, später einiger weniger zum neuen „Stand der Technik" geworden. Auch wenn später erkannt wird, daß der einzelne oder die Minderheit von Anfang an die Probleme zutreffend erkannt bzw. gelöst hatten, erfolgt doch erst mit dem Konsens der Fachgenossen (so ausdrücklich RG, aaO.) die Heraushebung aus der individuellen Ebene und entsteht mittelbar über die deliktsrechtliche Generalklausel eine rechtliche Verpflichtung zur Beachtung des neuen Standes der Technik. c) Analysiert man allerdings das Problem genauer, dann wird durch die Formel von der „Anerkennung durch die Mehrheit der in dem betreffenden Zweig Tätigen und mit der erforderlichen Vorbildung Ausgestatteten" ein praktisch enorm wichtiges Problem verdeckt. Versucht man, die Formel des
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1.101 (Anm.) Reichsgerichts inhaltlich auszuloten, so stellt sich sofort das Anwendungsproblem, wie groß oder wie klein der Kreis zu fassen ist, der jeweils für die Beurteilung relevant ist. Haftungsrechtlich muß jedes Unternehmen dafür einstehen, daß es das allgemein verfügbare technische Wissen aufweist. 1 Es muß sich z. B. über die Erkenntnisse und Erfahrungen aus seinem Tätigkeitsgebiet unterrichten.2 Handelt es sich z. B. um eine Tätigkeit in einem relativ wenig spezialisierten Bereich, haftet das Unternehmen nur dafür, daß es die allgemein verfügbaren Kenntnisse berücksichtigt. Es besteht aber keine Haftung für die Beachtung von Faktoren, die nicht allgemein bekannt, sondern lediglich einem Ingenieur mit Spezialkenntnissen bekannt sind.3 Z. B. haftet ein Architekt nicht dafür, daß er die Spezialkenntnisse eines Plattenlegers4 oder eines Dachdeckers5 oder eines Unternehmens, das einen neuen Werkstoff entwickelt hat6, aufweist. Andererseits haftet aber jemand, der eine Tätigkeit übernimmt, die ein spezielles Fachwissen voraussetzt, dafür, daß er über dieses Fachwissen verfügt.7 Folglich haftet jener Ingenieur mit Spezialkenntnissen dafür, daß er auf seinem Spezialgebiet ausreichend informiert ist und das Wissen ordnungsgemäß verwertet.8 Allgemein formuliert: je spezialisierter ein Unternehmen ist, um so höhere Sorgfaltspflichten werden ihm auferlegt. Z. B. wird von einem Architekten eine größere Kenntnis in technischen Dingen verlangt als von einem Bauhandwerker.9 Andererseits können an große Baufirmen, die wegen spezieller Aufträge besondere Fachkräfte und Spezialisten beschäftigen, gegebenenfalls höhere Anforderungen als an den 1 2 3 4 5 6
7 8 9
50
1.114 BGH, 5.12. 1967, NJW 1968/1181, 1182. 1.106; 1.114; H 24. I.93. I.98. 1.122.
I.93; 1.100. I.93; I.97; 1.111. 1.101.
(Anm.) 1.101 durchschnittlichen Architekten gestellt werden.10 Weiterhin werden an einen Meister im allgemeinen höhere Anforderungen als einen Monteur gestellt.11 Desgleichen wird von den Konstruktionsabteilungen eines Kraftfahrzeug-Herstellers, der fremdproduzierte Gußteile benutzt, ein gewisses Wissen über Gußstücke verlangt. Selbstverständlich werden dabei aber geringere Anforderungen gestellt, als sie für die Gießerei selbst gelten. Innerhalb des Gießereibereichs wiederum werden an eine hochspezialisierte Gießerei innerhalb ihres Spezialbereichs höhere Anforderungen gestellt als an eine Gießerei, die wenig spezialisiert ist. Formelhaft zusammengezogen muß man also sagen, daß der Kreis der für die Beurteilung in Betracht zu ziehenden Personen eine Funktion des jeweiligen Spezialisierungsgrades ist. Für die Beurteilung dessen, was für ein hochspezialisiertes Unternehmen „Stand der Technik" ist, muß auf die in dem betreffenden hochspezialisierten Bereich Tätigen und mit der erforderlichen Ausbildung Ausgestatteten abgestellt werden (vgl. die Formel des Reichsgerichts). Dies hat zur Folge, daß der „Stand der Technik" für ein einheitliches technisches Problem je nach Spezialisierungsgrad des betreffenden Unternehmens relativ ist. Was für Spezialgießereien „Stand der Technik" ist, muß noch lange nicht für einen Kraftfahrzeug-Hersteller gießtechnischer „Stand der Technik" sein, für dessen Kenntnis er einzustehen hat. Vielmehr kommt es jeweils auf die Berufsgruppe an (BGH, 13.6. 1960, NJW 1961/600; vgl. auch 1.93, 1.111), der der Betreffende zuzurechnen ist, und auf die von dieser Berufsgruppe objektiv zu verlangenden Sorgfalt, für die jeder Angehörige der Gruppe einzustehen hat.
10
1.101.
11
BGH, 13.12.1962, VersR 1963/195,196; BGH, 13.12.1973, BauR 1974/125.
51
1.102 1.102: BGH, 13. 2. 1969, VII ZR 14/67
Haftung für positive Vertragsverletzung: Beweislastverteilung Fehlernachweis Verschuldensnachweis Beweislastumkehr: Beweis lastverteilung nach Gefahrenbereichen
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Für die Beweislastverteilung bei einem Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung bei einem Dienstoder Werkvertrag gelten folgende Grundsätze: 1. Der Anspruchsteller muß beweisen, daß der Inanspruchgenommene oder seine Erfüllungsgehilfen, für die er gemäß §278 BGB einzutreten hat, den objektiven Tatbestand einer positiven Vertragsverletzung verwirklicht haben und dadurch der Schaden verursacht worden ist. 2. Erst wenn das bewiesen worden ist, wobei auch ein Anscheinsbeweis zugunsten des Anspruchstellers in Betracht kommen kann, greift für die Verschuldensfrage die analog anzuwendende Regelung des § 2 8 2 BGB ein. Der Inanspruchgenommene hat die Beweislast für sein Nichtvertretenmüssen. Voraussetzung für diese Umkehr der Beweislast ist jedoch, daß die Schadensursache aus einem Gefahrenbereich hervorgegangen ist, für den er im Zweifel die Verantwortung trägt. Die analoge Anwendung des §282 BGB betrifft nur die Frage des Vertretenmüssens. Diese Beweislastregel ist nicht dahin auszudehnen, daß der Inanspruchgenommene auch zu beweisen hat, ihn treffe kein Pflichtverstoß und der Schaden sei nicht durch sein objektiv pflichtwidriges Handeln entstanden. Die Umstände, die den objektiven Tatbestand der positiven Vertragsverletzung ausmachen, ergeben zwar vielfach auch, daß der Schuldner diese zu vertreten hat, so daß dann, wenn die objektive Pflichtverletzung bewiesen ist, zugleich auch sein Vertretenmüssen feststeht. Die Beweisschwierigkeiten betreffen vielfach schon die Feststellung eines objektiven Pflichtverstoßes und seiner Ursächlichkeit (vgl. Stoll, Festschrift für Fritz von Hippel, S.517, 522; Larenz, Schuldrecht, 9.Aufl., §23lb). Diese Schwierigkeiten entstehen dann gerade deshalb, weil der Anspruchsteller nicht den Beweis für Dinge führen kann, die „seinem Gefahrenkreis und in der Regel auch seiner Sachkenntnis entzogen sind". Das war jedoch der Grund, aus dem die genannte Rechtsprechung dem Inanspruchgenommenen bei der positiven Vertragsverletzung die Beweislast dafür auferlegt hat, daß ihn bei in seinem Ge-
1.103 fahrenbereich liegenden Schadensursachen kein Verschulden trifft. Damit ist es aber noch nicht gerechtfertigt, dem Anspruchsteller auch den Beweis für den objektiven Tatbestand der positiven Vertragsverletzung und den Kausalzusammenhang zwischen dieser und dem Schaden abzunehmen. Das hat in den Vorschriften des BGB keine Grundlage.
1.103: BGH, 10. 3.1970, VI ZR 98/68 (Sicherheitsgurt)
Mitverschulden
Mitverschulden bei teils nützlichen, teils gefährlichen Vorsorgemaßnahmen?
Zu billigen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, daß T das Nichtanlegendes Sicherheitsgurtes (bei einem am 1.4.1965 eingetretenen Unfall) nicht als Mitverschulden angerechnet werden kann. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Grundsätze des sog. Schutzhelmurteils nicht ohne weiteres auch in dem jetzt zu entscheidenden Falle anzuwenden sind. In seinem Urteil vom 9.2.1965 (I.99) hat der erkennende Senat entschieden, daß ein Motorradfahrer, der keinen Schutzhelm trägt, einen Teil seines Schadens selbst zu tragen hat, wenn er durch das Verschulden eines anderen bei einem Unfall eine Kopfverletzung erleidet. Es ist heute allgemein bekannt, daß die Folgen eines Motorradunfalls, vor allem gefährliche Kopfverletzungen, durch die Verwendung eines geeigneten Kopfschutzes erheblich gemindert, wenn nicht gar verhütet werden können. Ein Motorradfahrer, der es gleichwohl unterläßt, einen Schutzhelm zu tragen, läßt die Sorgfalt außer acht, die ein ordentlicher und verständiger Kraftfahrer anzuwenden pflegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Er handelt gegen sein eigenes wohlverstandenes Interesse (Verschulden gegen sich selbst). Das kann indes nicht in gleicher Weise gelten, wenn ein Kraftfahrer davon absieht, sich in seinem Wagen anzuschnallen. Allerdings haben die Erfahrungen ergeben, daß das Benutzen der Gurte in vielen Fällen, besonders bei bestimmten Arten von Unfällen, die Gefahr von Verletzungen 53
1.103
Mitverschuldensneutrale Freiheit des Geschädigten zur Risikoabwägung
Mitverschulden und Eintrittswahrscheinlichkeit des gefährlichen Unfallverlaufs
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vermindert. Andererseits steht aber auch fest, daß das Tragen eines Gurtes bei anderen Unfallsituationen die Folgen des Unfalls erheblich verschlimmern oder gar erst Verletzungen herbeiführen kann, die sonst nicht eingetreten wären. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, daß immer wieder von Unfällen berichtet wird, bei denen ein nicht angeschnallter Fahrer oder Beifahrer bei der ersten Schleuderbewegung des Fahrzeugs herausgeschleudert wurde und mit leichten Verletzungen davonkam, während er bei Benutzung des Gurtes die Schleuderbewegungen des Wagens mitgemacht hätte und in dem völlig zertrümmerten Wagen ums Leben gekommen wäre. Die Erfahrung zeigt also, daß das Anschnallen im Kraftwagen anders als das Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren mit einem Risiko verbunden ist. Bei dieser Sachlage muß es der Entscheidung des einzelnen überlassen bleiben, ob er das Risiko mit Rücksicht auf die Vorteile, die der Gurt in sehr vielen Fällen bietet, in Kauf nehmen oder ob er wegen dieses Risikos auf das Anschnallen verzichten will. Auch ein ordentlicher und verständiger Kraftfahrer, der auf die Vermeidung eigenen Schadens bedacht ist, wird eine Schutzmaßnahme, die neue Gefahren herbeiführt, nicht ohne Bedenken anwenden. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, daß er gegen sein eigenes wohlverstandenes Interesse verstößt, wenn er unter diesen Umständen davon absieht, sich anzuschnallen. Ob es besser gewesen wäre, mit oder ohne Gurt zu fahren, kann meistens erst nach dem Unfall beurteilt werden. Ist aber von vornherein nicht zu sagen, ob eine Maßnahme von Vorteil oder von Nachteil sein wird, so kann man dem Fahrer keinen Vorwurf daraus machen, daß er sie unterlassen hat. Im Schrifttum wird der Anteil der Fälle, in denen Unfallfolgen durch Sicherheitsgurte zumindest erheblich gemindert werden, auf 60 bis 70% geschätzt und der Anteil der Fälle, in denen der angelegte Gurt die Unfallfolgen verschlimmert oder gar erst schafft, mit 10 bis 15% angenommen (vgl. Breitzke, NJW 65/2340; H. W. Schmidt, VersR 67/218 sowie R. Schmidt, Versicherungspraxis 67/197). Ob diese Schätzungen zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die Zahl der Fälle, in denen sich das Angeschnalltsein als nachteilig erweisen kann, nicht so gering, daß sie nicht ins Ge-
1.104
Allgemeines Bewußtsein über die Erforderlichkeit der Vorsorgemaßnahme
wicht fiele und dem Kraftfahrer zugemutet werden könnte, bei seinem Entschluß, sich anzuschnallen oder nicht, diesen Fällen keine Bedeutung beizumessen. Solange die genannten Zahlen nicht aufgrund zuverlässiger Untersuchungen widerlegt sind, kann einem Kraftfahrer, der sich nicht angeschnallt hat, nicht vorgeworfen werden, daß ihn ein Mitverschulden an seinem Schaden treffe. Das gilt um so mehr, als der Wert der Gurte und die Notwendigkeit, sie zu benutzen, auch im Schrifttum umstritten sind. In dem jetzt zu entscheidenden Fall muß der gegen T erhobene Vorwurf des Mitverschuldens zudem schon daran scheitern, daß sich jedenfalls im Zeitpunkt des Unfalls - April 1965-noch kein allgemeines Bewußtsein über den Wert der Gurte und darüber gebildet hatte, daß es zur Vermeidung von Verletzungen notwendig sei, sich anzuschnallen. Das wäre aber erforderlich, um dem T ein eigenes Verschulden anlasten zu können (vgl. BGH, 9.2. 1965, aaO., und BGH, NJW 69/1898 = VersR 69/805).
1.104: BGH, 23. 3. 1970, VII ZR 87/68 (Tonerdeschmelzzement)
Verwendung neuentwickelter Baustoffe: Hinweisverpflichtung
DIN-Normen
1. Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Verwendung von Tonerdeschmelzzement zur Zeit der Planung und Herstellung der Dächer (1957/1958) schon allgemeine Anerkennung gefunden hatte oder noch nicht. Es geht zutreffend davon aus, daß bei Verwendung eines neu entwickelten, nicht erprobten Baustoffs die Beklagten verpflichtet gewesen wären, die Klägerin vorher auf das darin liegende Risiko hinzuweisen. Es ist aber der Auffassung, es fehle hier mindestens am Verschulden der Beklagten. Diese hätten sich 1957/58 darauf verlassen dürfen, daß der nach den einschlägigen DIN-Vorschriften seit 1943 für Sfah/beton und seit 1953 auch für Spannbeton zugelassene Tonerdeschmelzzement auch hier unbedenklich verwendet werden dürfe. DIN-Normen gehör55
1.104
Vertrauen auf die Richtigkeit von DIN-Normen
Entwicklungsgefahr
Nachträgliche Hinweisverpflichtung aufgrund späterer Kenntniserlangung
Vertragliche Verjährungsverkürzung
tenzwar nicht schon aufgrund ihres Bestandes zu den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst. Regelmäßig aber beruhten sie auf wissenschaftlicher Anerkennung und praktischer Bewährung. Deshalb handele mangels besonderer Umstände nicht schuldhaft, wer sich auf die Richtigkeit einer DIN-Norm verlasse. Dieser tatrichterlichen Würdigung kann aus Rechtsgründen nicht entgegengetreten werden. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß es Pflicht der Beklagten gewesen wäre, die Klägerin auf ein mögliches Risiko bei der Verwendung neuartiger, nicht erprobter Baustoffe hinzuweisen. Es verneint aber ein Verschulden der Beklagten, weil diese sich zur Zeit der Planung und Errichtung der Dächer des Risikos der Verwendung von Tonerdeschmelzzement noch nicht bewußt gewesen seien und auch nicht hätten bewußt zu sein brauchen. Dagegen bringt die Revision nichts Beachtliches vor. 2. Die Klägerin macht den Beklagten weiter zum Vorwurf, daß sie sie nicht nachträglich gewarnt hätten, als sie erfuhren, daß die Dächer wegen der Verwendung von Tonerdeschmelzzement fehlerhaft seien und sogar Einsturzgefahr drohe. Das hätten sie spätestens seit 1963 gewußt. Hätten sie rechtzeitig darauf hingewiesen, so würde sie (Klägerin) ihre Gewährleistungsansprüche gegen die Firma H. wegen der Mängel der Dachschalen rechtzeitig und mit Erfolg geltend gemacht haben, noch bevor diese Ansprüche Ende 1963 verjährten. Den ihr aus der Verjährung ihrer gegen die Firma H. gerichteten Gewährleistungsansprüche entstandenen Schaden müßten die Beklagten ihr ersetzen, a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten, der sich auf schuldhafte Verletzung der vorgenannten vertraglichen Hinweispflicht der Beklagten stützt, jedenfalls verjährt. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Nach den Verträgen der Parteien verjährten alle vertraglichen Ansprüche in zwei Jahren nach Ablauf des Jahres, in welchem die Beklagten ihre Tätigkeit beendeten. Das letztere war unstreitig im Jahre 1958. Das Berufungsgericht legt diese Klausel dahin aus, daß sie sich auch auf positive Vertragsverletzungen der Beklagten
56
1.104
DeliktsrechtlicheWarnpflicht
erstrecke. Diese Auslegung ist für den Senat frei nachprüfbar, da es sich um eine typische Vertragsklausel handelt. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist richtig. Die Klausel ist umfassend und läßt den Schluß zu, daß ihr auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung unterfallen sollten. Der erklärte Wille der Parteien ging ersichtlich dahin, daß zwei Jahre nach Beendigung der Tätigkeit der Beklagten ein Schlußstrich gezogen werden sollte, b) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin, den sie darauf stützt, daß die Beklagten durch Unterlassung eines nachträglichen Hinweises die Verjährung ihrer (der Klägerin) Ansprüche gegen die Firma H. verschuldet hätten, läßt sich auch nicht aus außervertraglichem Rechtsgrund (unerlaubter Handlung) herleiten. Die Beklagten mögen allerdings, unabhängig von einer dahingehenden Vertragspflicht, nach außervertraglichen Rechtsgrundsätzen verpflichtet gewesen sein, die Klägerin vor einer aus der Verwendung von Tonerdeschmelzzement für die Dachschalen sich möglicherweise ergebenden Einsturzgefahr zu warnen. Diese Rechtspflicht der Beklagten zur Warnung der Klägerin vor Einsturzgefahr dürfte sich daraus ergeben, daß die Beklagten dadurch, daß sie der Firma H. die Verwendung von Tonerdeschmelzzement für die Fertigung der Dachschalen freigaben, den gefahrdrohenden Zustand mit geschaffen haben und daher die daraus herrührenden Gefahren von der Klägerin abwenden müssen (vgl. BGHZ 34/206 , 209; Soergel-Siebert, BGB, 10.Aufl., §823 Anm. 102,113,124; Esser, Schuldrecht, 3. Aufl., Band II, S.417ff.; Larenz, Schuldrecht, 9.Aufl., Bandll, S.431-434). Ein darauf gestützter Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert aber daran, daß die sonstigen Voraussetzungen der §§823, 826 BGB hier nicht gegeben sind. Die Klägerin verlangt den „Verjährungsschaden" ersetzt, den sie durch das Verjähren ihrer Gewährleistungsansprüche gegen die Firma H. erlitten haben will. Das ist kein Schaden aus Verletzung eines der in §823 Abs.1 BGB aufgezählten Rechtsgüter.
57
1.104 (Anm.) Anmerkung:
1. Wäre es anstelle der Mangelbehebung zu einem Einsturz gekommen, wäre ein Sachschaden eingetreten. Der BGH hat obiter dictum das Entstehen einer Rechtspflicht der Beklagten zur Warnung der Klägerin vor der Einsturzgefahr bejaht und lediglich im konkreten Fall eine Haftung deswegen verneint, weil ein Sachschaden nicht eingetreten war. Man kann also davon ausgehen, daß im Fall des Einsturzes die deliktsrechtliche Schadensersatzhaftung bejaht worden wäre. Dieses obiter dictum ist von einer grundlegenden Bedeutung für die Risikoexponierung von Herstellerunternehmen. Der BGH hat (in Nr. 2a des Urteils) ausdrücklich bestätigt, daß bereits zwei Jahre nach Einstellung der Tätigkeit, also im Jahr 1960, alle auf die vertragsrechtliche Haftung gestützten Ansprüche verjährt waren. DerZeitpunkt, in dem die Beklagten Kenntnis von der Einsturzgefahr gewonnen hatten, die durch die Verwendung von Tonerdeschmelzzement drohte, lag dagegen erst 1962/63, also nach Ablauf dieser Verjährungsfrist. Der Bundesgerichtshof hat obiter dictum die Möglichkeit anerkannt, daß trotz Verjährung aller etwaigen vertragsrechtlichen Ansprüche in diesem Zeitpunkt eine originäre, neue deliktsrechtliche Warnpflicht entsteht: bei pflichtwidrigem Unterlassen der Warnung kann eine Schadensersatzhaftung auf Ersatz der dadurch ausgelösten Personen- und Sachschäden entstehen. 2. Weiterhin ist wichtig, daß der Bundesgerichtshof diese Warnverpflichtung auch zwischen Vertragspartnern nicht als nachvertragliche Hinweisverpflichtung, sondern lediglich als deliktsrechtliche Warnpflicht qualifiziert. Würde es sich um eine nachvertragliche Hinweispflicht handeln, würde die Haftung für das pflichtwidrige Unterlassen auch den Ersatz von unmittelbaren Vermögensschäden umfassen. Gerade dies hat der BGH aber ausdrücklich abgelehnt und die nachträgliche Warnpflicht auf die in §823Abs. 1 aufgezählten Rechtsgüter, also in dem hier interessierenden Bereich auf die Vermeidung von Personen- und/oder Sachschäden begrenzt. 3. Weiterhin ergibt sich aus der Qualifikation dieser nach58
(Anm.) 1.104 träglichen Warnpflicht als deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch, daß die Pflichtsich in der Warnung erschöpft. Die Durchführung der Warnung gibt dem Gefährdeten die Möglichkeit, den Schaden zu vermeiden. Wie er dies tut, ist seine Sache. Der Hersteller des betroffenen Produkts bzw. der Erbauer des vom Einsturz bedrohten Gebäudes ist nicht verpflichtet, über die Warnung hinaus zugleich auch eine Mangelbehebung vorzunehmen. Die Begründung kann allerdings nicht schon in dem Gedanken gesehen werden, daß es sich dabei sachlich um eine Nachbesserung bzw. Mangelbehebung handele, die vertraglichen Gewährleistungsansprüche aber abgelaufen seien. Denn hier handelt es sich um einen deliktsrechtlichen Anspruch. Aufgrund des Prinzips der Anspruchskonkurrenz (vgl. dazu 1.92,1.107 und 1.130) muß die Antwort aufgrund deliktsrechtlich relevanter Überlegungen formuliert werden. Den Ansatzpunkt ergibt hier die Begrenzung deliktsrechtlicher Gefahrabwendungspflichten durch die Kriterien des Ausreichens und der Zumutbarkeit der Maßnahme: erforderlich ist es, den Eintritt der voraussehbaren Gefahr zu vermeiden. Der optimale Weg dafür wäre selbstverständlich die Mangelbehebung. Ausreichend ist aber die Warnung des Sachinhabers. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit muß dies genügen, weil sonst eine zeitlich unbegrenzte Haftung für Schäden bestünde, an deren Verursachung den Betreffenden kein Verschulden trifft. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß es ein Mitverschulden des Betroffenen beinhaltet, wenn er aufgrund einer erhaltenen Warnung über die Gefährlichkeit der Sache daraus keine Konsequenzen zieht. Andererseits ist dieses Argument nicht zwingend, weil es hinsichtlich des Mitverschuldens auf die individuellen Verhältnisse ankommt und je nach Sachlage durchaus Fälle denkbar sind, in denen zwar ein Mitverschulden des Betroffenen vorliegt, dieses Mitverschulden aber nicht so erheblich ist, daß es im Rahmen des §254 BGB zu einer Nichthaftung des Herstellers führt.
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1.105 1.105: BGH, 14.10.1970, VIII ZR 156/68 (Textilfasern)
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten (§§ 377,378 HGB)
Kauf nach Probe
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Die Klägerin hatte von der Beklagten Diolen-Noppen bezogen, die sie zu Garn verarbeitete und an die Firma R weiterlieferte. Die Firma R rügte die Qualität des Garnes und schickte es an die Klägerin zurück, da das Garn eine Fremdfaserbeimischung von Polyacrylfasern enthalte. 1. Es kann hier auf sich beruhen, ob es sich bei der Fremdfaserbeimischung lediglich um einen Sachmangel im Sinne des §459 BGB gehandelt hat oder ob die Beklagte eine andere als die bedungene Ware (§378 HGB) geliefert hat. Denn auch wenn man der letzteren Ansicht folgt, so wich doch jedenfalls die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich ab, daß die Beklagte die Genehmigung der Klägerin als ausgeschlossen betrachten mußte und die Klägerin aus diesem Grunde von der Obliegenheit einer unverzüglichen Mängelrüge befreit war (§378, 2.Halbsatz HGB). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung an das Vorliegen einer groben Artabweichung im Sinne dieser Vorschrift strenge Anforderungen gestellt. Nur wenn die Verschiedenheit zwischen bestellter und gelieferter Ware nach ihrer Beschaffenheit so erheblich ist, daß nach vernünftiger Beurteilung der Sachlage ein Kaufmann mit der Ware auch nurden Versuch einer Erfüllung nicht machen würde, andererseits ein Behalten dieser Ware von dem Käufer als Vertragserfüllung schlechthin nicht erwartet werden kann, entfällt die Verpflichtung zur Erhebung der Mängelrüge (BGH, 24.10. 1960, BB1960/1262; BGH, 8.3. 1967, BB1967/433). 2. Auch der Umstand, daß die Klägerin die streitigen Noppen nach Probe gekauft hat, befreite sie nicht von der Rügepflicht. Der Abschluß eines Kaufes nach Probe hat lediglich zur Folge, daß gemäß §494 BGB die Eigenschaften der Probelieferung für die Hauptlieferung als zugesichert gelten. Das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (§459 Abs.2 BGB) unterliegt aber bei einem beiderseitigen Mangelkauf wie jeder Mangel der Verpflichtung zur Erhebung der Mängelrüge -gleichgültig, ob die Eigenschaft ausdrücklich zugesichert ist oder, wie beim Kauf nach Probe, als zugesichert gilt.
1.105 Anforderungen an die Untersuchungsobliegenheiten: Zumutbarkeit der Untersuchung
Gefahr hoher Mangelfolgeschäden
3. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war es der Klägerin zuzumuten, die Reinheit der Noppen alsbald nach der Ablieferung und vor der Weiterverarbeitung durch eine sog. Neocarminprobe zu überprüfen. Durch eine derartige Probe können die Faserstoffarten Polyester (Diolen) und Polyacrylnitril sowie eine etwaige Vermischung beider Faserstoffe unschwer dadurch festgestellt werden, daß das Fasermaterial in eine im Handel erhältliche Neocarminlösung eingelegt, diese kurz aufgekocht und die auftretende Färbung mit einer dem Lösungsmittel beigefügten Farbskala verglichen wird. Eine derartige, nur ganz geringfügige Kosten verursachende Untersuchung war nach Ansicht des Berufungsgerichts der Klägerin hier um so mehr zuzumuten, als der Anteil der Noppen an dem Garn nur 5% betrug und daher mit der Verarbeitung ein unverhältnismäßig hoher Mangelfolgeschaden drohte. Das Berufungsgericht sieht in der Fremdfaserbeimischung einen sog. offenen Mangel im Sinn des §377 Abs.1, 2 HGB. Welche Anforderungen hier an eine Untersuchungspflicht zu stellen sind, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen von einem Käufer die Durchführung einer chemischen Analyse verlangt werden kann, läßt sich nicht allgemeingültig festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsansprüche zugemutet werden können. Dabei sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Käufers und seine Anschauungen maßgebend. Vielmehr kommt es auf die objektive Sachlage und die allgemeine Verkehrsanschauung, wie sie sich hinsichtlich eines Betriebes vergleichbarer Art gebildet hat, an (vgl. Brüggemann, RGRK HGB, §377 Anm.13; Schlegelberger, HGB, §377 Anm.65). Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Vorschriften über die Mängelrüge (§§377f. HGB) in erster Linie den Belangen des Verkäufers dienen. Er soll nach Möglichkeit davor bewahrt werden, sich noch längere Zeit nach der Ablieferung etwaigen, dann nur schwer feststell ba61
1.105
Gefahr hoher Mangelfolgeschäden
Kosten- und Zeitaufwand
Üblichkeit/ Erforderlichkeit der Untersuchung
ren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Dabei kann sein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen sorgfältigen Untersuchung durch den Käufer dann besonders groß sein, wenn er bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Kaufsache zu wertvollen Objekten mit hohen Mangelfolgeschäden rechnen muß und nur der Käufer das Ausmaß dieser drohenden Schäden übersehen kann. Dafür gibt gerade der vorliegende Fall ein eindringliches Beispiel. Andererseits hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. November 1956 (BB1956/1166) darauf hingewiesen, daß im Rahmen einer sachgemäßen Interessenabwägung zwischen Käufer und Verkäufer die Anforderungen an die Untersuchungspflicht nicht überspannt werden dürfen. Kosten und Zeitaufwand für die Untersuchung, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für ihre Durchführung und die Notwendigkeit, besondere technische Vorkehrungen für sie zu treffen oder die Untersuchung durch Dritte vornehmen zu lassen, können für die Beurteilung, ob eine Untersuchung in einem Betrieb wie dem des Käufers tunlich ist, bedeutsam sein. Das Berufungsgericht hat diese für die Auslegung des §377 Abs.1 HGB maßgeblichen Grundsätze nicht verkannt. §377 Abs. 1 HGB stellt nicht darauf ab, obeine Untersuchung üblich, sondern ob sie im ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich ist. Dabei wird allerdings das Bestehen eines etwaigen Handelsbrauchs zumeist einen Maßstab dafür geben, welche Untersuchungshandlungen dem Käufer im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs zumutbar - und damit tunlich - sind (RGZ 96/175, 176; Brüggemann, aaO.). Die Revision verkennt, daß das Berufungsgericht hier ausdrücklich auf die besondere Lage des zur Entscheidung stehenden Einzelfalles abgestellt hat und auch abstellen durfte. Die Revision kann sich auch nicht auf die Äußerungen in der Rechtsprechung zu der Frage, in welchem Umfang im Rahmen des §377 Abs. 1 HGB chemische Analysen durchzuführen sind, berufen. Das von der Revision angeführte Senatsurteil vom 25. September 1968 (BB 1968/1216) befaßt sich lediglich mit der hier nicht interessierenden Frage, ob und in welchem Umfang ein Zwischenhändler zur Vermeidung
62
1.106 von Schadensersatzansprüchen verpflichtet ist, die an den Verbraucher weiterveräußerte Ware zuvor auf ihre Beschaffenheit zu untersuchen. Soweit der Senat im Urteil vom 17. Februar 1959 (BB1959/393) einen Käufer von Perlonstrümpfen nicht für verpflichtet gehalten hat, durch Vornahme einer chemischen Untersuchung festzustellen, ob Perlon-oder Nylonstrümpfe geliefert waren, handelt es sich schon deswegen um einen anderen Sachverhalt, weil in dem damals entschiedenen Fall keine Anhaltspunkte für einen drohenden, besonders hohen Mangelfolgeschaden ersichtlich war, andererseits aber auch die tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür ergaben, daß die Unterschiede - wie hier - durch eine besonders einfache und kaum kostenverursachende Probe festzustellen waren.
1.106: BGH, 22.10.1970, VIIZR 90/68 (Korkisolierung)
Das Berufungsgericht wertet es nicht als Planungsfehler, daß die Kläger (Architekten) auf dem Flachdach des Hauptbaues eine nur 2cm starke Korkisolierung verlegen ließen. Nach §11 Nr.1 des Architektenvertrages hafteten die Kläger nur dafür, daß die von ihnen übernommenen Leistungen den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik entsprechen. Dabei sei auf die zur Zeit der Bauausführung anerkanntgewesenen Regeln abzustellen. Die Beklagten hätten nicht bewiesen, daß die von den Klägern geplante Ausführung des Flachdaches nicht den Bauregeln entspreche, die zu Beginn des Jahres 1956 gegolten hätten. Der Sachverständige H habe dargelegt, daß sich die Kenntnis von der Notwendigkeit, eine mehr als 2cm starke Korkschicht zu verwenden und auch die Traufen zu isolieren, erst in den folgenden Jahren durchgesetzt habe. Die Kläger hätten sich an die Vorschriften in DIN 4108 gehalten und die Verwendung von 2cm starken Korkplatten habe auch den Vorschlägen des Berliner Senators für Bau- und Wohnungswesen in des63
1.106
Fehlerbegriff und Stand der Technik
64
sen Rundverfügung vom 27.7.1956 entsprochen. Zumindest sei den Klägern kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie die wenigen Schriften, in denen schon vor 1956 auf die von Flachdächern ausgehenden Gefahren hingewiesen worden sei, nicht gekannt hätten. 1. Die Revision beruft sich auf die - ebenfalls den Bau eines Flachdaches betreffende - Entscheidung des erkennenden Senats(BGHZ48/310 = NJW68/43 = 1.101), in dereine „objektive Pflichtverletzung" des Architekten bejaht worden ist, weil die Planung des Flachdaches, wie sich aus den Schäden am Bauwerk in Verbindung mit den späteren Erkenntnissen gezeigt habe, unrichtig gewesen sei. Daß die Pläne den im Jahre 1956 anerkannt gewesenen Regeln der Baukunst und Technik entsprochen hatten, ist als unerheblich bezeichnet, weil es nur darauf ankomme, ob ihnen Fehler anhafteten, die sich zwangsläufig auf das Bauwerk übertragen mußten. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, dieser Entscheidung zu folgen. Es meint, eine objektive Pflichtverletzung des Architekten könne nicht vorliegen, wenn sein Plan den anerkannten Regeln der Baukunst und Technik gerecht werde, die zur Zeit der Planung gegolten hätten; für die Annahme einer objektiven Pflichtverletzung genüge nicht die Feststellung, daß die Planung Fehler am Bauwerk verursacht habe. Das sei nicht mit §11 Nr.1 des Architektenvertrags vereinbar, wonach der Architekt die Haftung nur dafür übernommen habe, daß seine Leistungen den anerkannten Regeln der Baukunst und Technik entsprächen. Es kann offenbleiben, ob und inwieweit die Bedenken des Berufungsgerichts gerechtfertigt sind. Dem obigen Fall lag eine dem § 11 Nr. 1 des hier von den Parteien geschlossenen Architektenvertrags entsprechende Bestimmung nicht zugrunde. Es war daher anhand der Bestimmungen des BGB zu entscheiden. Es mag sein, daß der in BGHZ 48/310 und auch sonst in der Rechtsprechung des erkennenden Senats gebrauchte Ausdruck „objektive Pflichtwidrigkeit" in diesem Zusammenhang mißverständlich ist. Abzustellen ist darauf, ob die Planung fehlerhaft ist. Das trifft zu, wenn die geplante Ausführung des Bauwerks notwendigerweise zu einem Mangel des Bauwerks führen muß. Denn nach §633 Abs. 1 BGB muß das Werk, also die Planung des Architekten,
1.107
Verschulden und Stand der Technik
Fachliteratur
DIN-Normen
so beschaffen sein, daß sie keine Fehler aufweist, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. 2. Das angefochtene Urteil wird aber getragen durch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, die Kläger seien jedenfalls mangels eines Verschuldens (§§635, 276 BGB) nicht schadensersatzpflichtig. Das Berufungsgericht stellt anhand Sachverständigengutachten und aufgrund eigener Sachkunde fest, daß die wenigen Schriften, in denen bis zum Jahre 1956 auf die von Betondächern ausgehenden Gefahren für das Bauwerk hingewiesen worden war, in Architektenkreisen noch nicht bekannt waren. Den Klägern könne deshalb kein Vorwurf gemacht werden, zumal sie sich an die einschlägige DIN-Vorschrift und die Rundverfügung des Bausenators gehalten hätten.
1.107: BGH, 4. 3.1971, VII ZR 40/70 (Achsaggregat)
Die Beklagte hatte der Klägerin Im Oktober 1965 den Auftrag erteilt, einen ihr gehörenden, durch einen Verkehrsunfall beschädigten Pritschensattelauflieger wieder instand zu setzen. Hierbei sollte das bisherige durch den Unfall in Mitleidenschaft gezogene 16-t-Achsaggregat durch ein neues 20-t-Doppelachsaggregat ersetzt werden. Die Klägerin baute ein solches Aggregat mit Konsole unter, richtete es aus und befestigte es mittels Verschweißung und Verstärkung mit Knotenblechen am Fahrgestell. Die Beklagte sieht in der mangelhaften Montage des Doppelachsaggregats, das unter den Längsträgern nicht hätte verschweißt werden dürfen, sondern hätte verschraubt werden müssen, eine mangelhafte Montage und macht gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung geltend. § 635 BGB: Abgrenzung
1 • Der erkennende Senat hat sich schon wiederholt dazu geäußert, wie beim Werkvertrag der Schadensersatzanspruch 65
1.107 zwischen Erfüllungs- und MangelfolgeSchadenbereich
66
aus positiver Vertragsverletzung von dem in §635 BGB behandelten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung abzugrenzen ist. Danach fällt ein Schaden, der dem Werk unmittelbar anhaftet, weil es infolge eines Mangels unbrauchbar, wertlos oder minderwertig ist, sowie der durch einen Mangel verursachte entgangene Gewinn allein unter die Vorschrift des §635 BGB. Dagegen sind Schäden, die zwar auf ein mangelhaftes Werk zurückgehen, aber weder in einem dem Werk unmittelbar anhaftenden Nachteil bestehen, noch sonst eng und unmittelbar mit dem Mangel zusammenhängen, nach den Regeln über die positive Vertragsverletzung und nicht nach den Vorschriften über die Gewährleistung zu ersetzen. Dabei ist auf die Art des geltend gemachten Schadens abzustellen (BGHZ 35/130, 132 = NJW 1961/1256, BGHZ 37/341, 343 = NJW 62/1764; BGHZ 46/238,239 = NJW 67/340; NJW 69/838 und 1710; NJW 70/ 421; NJW 71/99; JZ 63/596; VersR 63/169). Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der der Klägerin von der Beklagten erteilte Reparaturauftrag die Längsträger des Fahrgestells mit umfaßte, an denen später die Risse und Brüche aufgetreten sein sollen. Denn der Pritschensattelauflieger war erst wieder voll betriebsfähig mit dem Einbau eines neuen Achsaggregats, nachdem das alte ausgewechselt werden sollte. Das aber bedingte zwangsläufig Arbeiten auch an den Längsträgern des Fahrgestells, an denen das Aggregat befestigt werden mußte. Damit schuldete die Klägerin ein Werk, in das das Fahrgestell mit den Längsträgern einbezogen war. Sie hatte nicht nur ein neues Achsaggregat zu liefern, sondern hatte unter Einbau dieses Fahrzeugteils einen voll betriebsfähigen Pritschensattelauflieger her- bzw. wiederherzustellen. Das bedeutet aber, daß die entstandenen Schäden dem geschuldeten Werk unmittelbar anhaften. Zumindest hängen sie im Sinn der angeführten Rechtsprechung so eng und unmittelbar mit den von der Beklagten behaupteten Mängeln zusammen, daß sie nur nach den Vorschriften über die Gewährleistung und nicht nach den Regeln über die positive Vertragsverletzung zu ersetzen sind. Dabei spielt keine Rolle, daß die Risse und Brüche an den Längsträgern erst auftraten, als die Beklagte das Fahrzeug benutzte. War das
1.107
Deliktsrechtl. Schadensersatzanspruch
Anspruchskonkurrenz
Achsaggregat unsachgemäß montiert, so war das von der Klägerin geschuldete Werk von Anfang an fehlerhaft. Die Mängel traten nur erst später zutage. Doch bestand der jetzt von der Beklagten geltend gemachte Minderwert des Fahrzeugs, in dem sich dessen Unbrauchbarkeit für die vorgesehenen Nutzlasten ausdrückt, schon bei der Abnahme. 2. Etwaige vertragliche Schadensersatzansprüche der Beklagten aus Gewährleistung sind aber nach §638 BGB verjährt. 3. Das Berufungsgericht versagt der Beklagten auch die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung. Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zustehen kann, ist nicht zu beanstanden. Denn nach der Darstellung der Beklagten sind die Schäden an den Längsträgern allein darauf zurückzuführen, daß das eingebaute neue Achsaggregat unsachgemäß mit den Längsträgern verbunden, nämlich an diese angeschweißt statt lediglich mit ihnen verschraubt worden ist. Das soll die Ursache dafür gewesen sein, daß beim Gebrauch des Fahrzeugs Spannungen an den Längsträgern des Fahrgestells entstanden seien, die schließlich die aufgetretenen Risse und Brüche zur Folge gehabt hätten. Trifft das zu, so muß in der fehlerhaften Montage des Achsaggregats eine Einwirkung auf die der Beklagten gehörenden anderen Fahrzeugteile gesehen werden, die den Tatbestand einer Eigentumsverletzung nach §823 Abs. 1 BGB verwirklicht und daher eine Schadenshaftung der Klägerin nach den §§823ff. BGB begründen kann. Die Revision wendet sich jedoch zu Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, auch ein eventueller Schadensersatzanspruch der Beklagten aus unerlaubter Handlung sei verjährt. a) Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzungen und aus unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz handelt, die sich aus dem gleichen Rangverhältnis von Delikts- und Vertragsrecht ergibt. Verstößt ein Verhalten sowohl gegen eine allgemeine Rechtspflicht als auch gegen eine vertraglich
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1.107
Ausstrahlungen des § 638 BGB auf deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche?
68
begründete Pflicht, so sind die Rechtsfolgen sowohl den Vorschriften des Deliktsrechts als auch den für den Vertrag maßgebenden Bestimmungen zu entnehmen (BGHZ 9/301, 302; BGHZ 17; 214, 217; BGHZ 24/188, 191; BGHZ 32/194, 203; BGHZ 46/140,141). Dabei unterliegen die Schadensersatzansprüche, die aus beiden rechtlichen Gesichtspunkten nebeneinander entstehen können, nach Voraussetzung, Inhalt und Verwirklichung dem ihnen eigentümlichen Rechtsbereich (BGHZ9/301,302; 24/188,191; BGH, VersR 64/927). Das gilt grundsätzlich auch für die Frage der Verjährung (BGHZ 9/301, 303; BGH, VersR 64/927). Freilich kann eine gesetzliche Einschränkung der Vertragshaftung auf die Haftung aus unerlaubter Handlung zurückwirken (BGHZ 46/140,141). So hat beispielsweise der BGH mehrfach entschieden, daß es bei einer gesetzlichen Begrenzung der Vertragshaftung auf bestimmte Schuldformen nicht angehe, wegen derselben Handlung nach Deliktsrecht eine strengere Haftung eintreten zu lassen (BGHZ 36/313, 316). Eine solche Einschränkung der Haftung auf unerlaubte Handlung ist aber vom BGH für einen bedeutsamen Zweig des Werkvertragsrechts, der besonderen gesetzlichen Bestimmungen unterliegt, nämlich für die gewerbsmäßige Güterbeförderung auf Schiene und Straße, gerade nicht angenommen worden (BGHZ 24/188; 32/194; 46/140). Darum geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht, b) Hier stehtvielmehr allein in Frage, inwieweit Verjährungsvorschriften, die für vertragliche Schadensersatzansprüche gelten, auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung übergreifen, also die Regelung des §852 BGB verdrängen können, wenn solche Ansprüche aufgrund des gleichen Sachverhalts aus beiden rechtlichen Gesichtspunkten tatsächlich herzuleiten sind. Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, in Fällen, in denen Schadensersatzansprüche sowohl aus §635 BGB wie aus unerlaubter Handlung (§§823ff. BGB) herzuleiten sind, der kurzen Verjährung nach §638 BGB den Vorrang in der Weise einzuräumen, daß entgegen der Vorschrift des §852 BGB auch der Deliktsanspruch in den für die Vertragsansprüche vorgesehenen kürzeren Fristen verjährt, ba) Die Rechtsprechung zum erweiterten Anwendungsbe-
1.107 reich des §558 BGB wird einmal aus dem Wortlaut dieser Bestimmung begründet, wonach ganz allgemein „Ersatzansprüche des Vermieters" der kurzen Verjährung unterliegen sollen, zu denen nach den dem Erlaß der Vorschrift vorausgegangenen Beratungen ausdrücklich auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gezählt wurden (Prot.ll S.177/194). Zum anderen wird der mit der kurzen Verjährung aller Ersatzansprüche des Vermieters vom Gesetzgeber verfolgte Zweck darin gesehen, eine möglichst schnelle, umfassende Abwicklung zu ermöglichen, weil die Gebrauchsüberlassungsverhältnisse- insbesondere bei beweglichen Sachen - vielfach häufig wechselnde Interessen berühren und der Zustand der überlassenen Sache bei ihrer Rückgabe um so schwerer festzustellen ist, je länger dieser Zeitpunkt zurückliegt. Schließlich lassen sich die von §558 BGB erfaßten Ansprüche des Vermieters im allgemeinen nicht nur auf den Mietvertrag, sondern auch auf andere Rechtsgrundlagen, z. B. gerade auf Eigentumsverletzungen, stützen, so daß die erwähnte Bestimmung im wesentlichen bedeutungslos wäre, wenn fahrlässige oder vorsätzliche Beschädigungen der Mietsache ausscheiden würden, bb) Mit diesen Gesichtspunkten kann eine ähnlich weite Auslegung des §638 BGB nicht begründet werden. Die Vorschrift ist schon anders, nämlich nicht so allgemein gefaßt wie die Bestimmung des § 558 BGB. Der Anspruch des Bestellers auf Schadensersatz wegen eines Mangels des Werkes wird in einem Zug mit den übrigen Gewährleistungsansprüchen auf Nachbesserung, Minderung und Wandlung genannt, so daß von vornherein näherliegt, eine auf vertragliche Ansprüche beschränkte Regelung anzunehmen. Aus den Beratungen, die zum Erlaß des §638 BGB geführt haben, ergibt sich zudem nichts für eine Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen, die auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden. Der gesetzgeberische Zweck der kurzen Verjährung werkvertraglicher Mängelansprüche besteht allerdings in Anlehnung an die Regelung beim Kauf ebenfalls darin, aus „Gründen praktischer Zweckmäßigkeit" eine schnelle Bereinigung herbeizuführen (Motiveil S.486, 238; Prot.l S.676). Entscheidend ist aber, daß im Werkvertragsrecht - anders 69
1.107
Unbeachtlichkeit des § 638 BGB bei deliktsrechtlichen Ansprüchen
70
als bei den Gebrauchsüberlassungsverhältnissen - die kurze Verjährung des § 638 BGB für vertragliche Schadensersatzansprüche keineswegs praktisch bedeutungslos wäre, wenn ihr nicht auch Ansprüche wegen Mängeln des Werkes unterworfen würden, die aus unerlaubter Handlung, insbesondere aus einer Eigentumsverletzung (§823 Abs.1 BGB) herzuleiten sind. Zunächst ist es im Rahmen vieler Werkvertragsverhältnisse - zu denken ist etwa an solche, die auf die Herstellung eines unkörperlichen Werkes gerichtet sind - nur schwer vorstellbar, daß eine mangelhafte Werkleistung zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung, vor allem einer Eigentumsverletzung erfüllt. Entgegen der Ansicht von Wilts (VersR 1967/817) trifft das nicht einmal für Bauverträge überwiegend oder wenigstens in aller Regel zu, wie der erkennende Senat mehrfach entschieden hat (vgl. einerseits BGH, LM Nr.4 zu §830 BGB; VersR 64/927; andererseits BGHZ 39/366; BGH, NJW 65/534). Aber auch wenn in ein auszuführendes Werk zwangsläufig fremdes Eigentum mit einbezogen ist - wie bei der Instandsetzung von Sachen oder ihrer Neuherstellung aus vom Besteller geliefertem Material - begeht der Unternehmer nicht stets oder auch nur regelmäßig eine unerlaubte Handlung, wenn er schuldhaft eine fehlerhafte Werkleistung erbringt. Das hängt vielmehr von dem jeweiligen Umfang des erteilten Auftrags und von der Art sowie den Auswirkungen etwaiger Mängel ab. Anders als bei Ansprüchen wegen Veränderung oder Verschlechterung einer zum Gebrauch überlassenen Sache ist es demnach für Werkvertragsverhältnisse keineswegs typisch, daß vertragliche Schadensersatzansprüche wegen eines Mangels an dem herzustellenden Werk mit Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, insbesondere aus Eigentumsverletzungen, konkurrieren. Hängt dies aber von der Gestaltung des jeweiligen Einzelfalls ab, so behält die Vorschrift des §638 BGB durchaus ihre Bedeutung, auch wenn sie nicht auf etwaige neben Schadensersatzforderungen aus Mängelgewähr gegebene Deliktsansprüche angewendet wird. Solche Ansprüche verjähren dann vielmehr selbständig nach der für sie geschaffenen Vorschrift des §852 BGB. Soll diese Folge vermieden werden, so bedarf das im Rah-
1.107 Vertragliche Regelung der Verjährung deliktsrechtIicher Ansprüche
men des Zulässigen besonderer vertraglicher Abmachungen, wie sie beispielsweise in §64 ADSp getroffen worden sind (vgl. BGHZ 9/1,5 = NJW 53/541). Verjährt der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch, soweit er aus einer unerlaubten Handlung hergeleitet wird, nach §852 BGB, also innerhalb 3 Jahren seit der Kenntnis vom aufgetretenen Schaden, so kann die Beklagte mit ihm nach §390 Satz2 BGB noch gegen die Klageforderung aufrechnen. Denn zumindest seit Oktober 1966 standen sich beide Ansprüche aufrechenbar gegenüber.
Anmerkung:
1. Zur Frage des Verhältnisses zwischen §477 BGB und der Verjährung deliktsrechtlicher gegen den Verkäufer gerichteter Ansprüche vgl. 1.130. 2. Im deliktsrechtlichen Teil ist die Aussage wichtig, daß die Beschädigung einer bestehenden Sache durch eine mangelhafte Reparatur eine Sachbeschädigung i.S. des §823 Abs. 1 BGB sein kann und zum Schadensersatz verpflichtet. Wird dagegen keine bestehende Sache beschädigt, sondern durch Verwendung eines mangelhaften Einzelteils eine mangelhafte neue Sache hergestellt, fehlt es an einer beschädigten vorbestehenden Sache und damit am Tatbestandsmerkmal des Sachschadens i. S. des §823 Abs. 1 BGB (vgl. dazu 1.130 nebst der dortigen Anmerkung). Entgegen Löwe (BB1978, S.1495, 1496) können beide Fälle nicht gleich behandelt werden, sondern liegen rechtlich verschiedenwertige Sachverhalte vor (vgl. im einzelnen Anm. zu 1.130).
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1.108
1.108: BGH, 12. 3. 1971, V ZR 119/68
Vorliegen einer EigenschaftsZusicherung
Verwendungszweck
Als Zusicherung einer Eigenschaft gilt nicht jede bei Gelegenheit von Kaufverhandlungen über den Kaufgegenstand abgegebene Erklärung. Zusicherung bedeutet vielmehr, daß der Verkäufer nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte eine besondere vertragsmäßige Gewähr für das Vorhandensein der betreffenden Eigenschaft übernehmen will (BGH, NJW 1967/1903, 1904). Es bedarf daher stets sorgfältiger Unterscheidung zwischen der „nach dem Vertrag vorausgesetzten" Beschaffenheit (§459 BGB) und der Zusicherung einer Eigenschaft (§463 BGB). Das gilt insbesondere bei einer nicht ausdrücklich, sondern nur stillschweigend erfolgten Zusicherung, die möglich ist und unter Umständen in dem beiden Vertragsteilen bekannten Verwendungszweck gefunden werden kann, wenn dieser Zweck in den Vertragsinhalt aufgenommen ist (RG, JW 1910/748,749; BGH VersR 1966/241, 242). Mit der Möglichkeit einer stillschweigenden Zusicherung der Bebaubarkeit hätte sich bei der gegebenen Sachlage das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen. Für die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung genügt allerdings nicht schon die bei Kaufabschluß vorhanden gewesene Kenntnis der Beklagten von dem Verwendungszweck der Kaufsache durch den Käufer (RGZ 123/148, 149). Berücksichtigt man aber die Angabendes Zeugen S., daß er der Annahme gewesen sei, „daß man dort bauen könnte", und die in das Wissen der Zeugin V gestellte Behauptung der Klägerin, ihr Ehemann habe bei allen Verhandlungen immer ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die zum Tausch stehenden Grundstücke ebenso bebaubar sein müßten wie das zum Tausch gegebene Grundstück, so läßt sich nicht ausschließen, daß das Berufungsgericht bei Würdigung der Bekundungen des Zeugen H zur Annahme einer stillschweigenden Zusicherung gekommen wäre. Das Berufungsgericht durfte den genannten Beweisantrag sonach nicht übergehen.
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1.109 1.109: BGH, 20. 4. 1971, VI ZR 232/69
Deliktshaftung: Organisationshaftung
DIN-Normen
Am 8.7. 1964 erfaßte der von der Erstbeklagten eingesetzte Löffelbagger bei der Ausschachtung eines Grabens das quer über die Straße zum Haus des Klägers führende Anschlußrohr der Gasversorgung. Das in den Keller ausströmende Gas führte zehn bis fünfzehn Minuten später zu einer Explosion, durch die das Haus des Klägers so schwer beschädigt wurde, daß es abgerissen werden mußte. Der Kläger begehrt von dem Beklagten als Gesamtschuldner Ersatz der ihm durch die Gasexplosion an seinem Haus und Gewerbebetrieb entstandenen Schäden. Das Berufungsgericht verneint eine Organhaftung der Erstbeklagten nach §§31, 823 Abs.1 BGB und hält den von der Erstbeklagten für den Zweitbeklagten als örtlichen Bauleiter und für den Drittbeklagten als aufsichtsführenden Oberschachtmeister nach §831 BGB zu führenden Entlastungsbeweis für erbracht. Es ergibt sich (aber) schon aus dem unstreitigen Parteivorbringen, daß die Erstbeklagte sogar ein eigenes Organisationsverschulden trifft. An die im Bereich von Versorgungsleitungen tätigen Tiefbauunternehmer sind, vor allem bei Verwendung von Baggern und ähnlichen schweren Arbeitsgeräten, hohe Anforderungen an die Erkundigungs-und Sicherungspflichten bezüglich der verlegten Versorgungsleitungen zu stellen. Der Tiefbauunternehmer muß sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnisse verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. Der Tiefbauunternehmer ist in diesem Zusammenhang insbesondere verpflichtet, sich den erforderlichen Grad von Gewißheit über den Verlauf der Gasleitungen wie auch sonstiger Versorgungsleitungen zu verschaffen, und zwar dort, wo die entsprechenden zuverlässigen Unterlagen vorhanden sind. Nach den hier in Betracht kommenden Richtlinien für Rohrnetzpläne der Gas- und Wasserversorgung (DIN 2425) sollen von den Versorgungsunternehmen Bestandspläne (Teilübersichtspläne) angelegt werden, die das Rohrnetz eines bestimmten Bezirks wiedergeben und alle wesentlichen 73
1.109
Delegation der Erkundigungspflicht auf Mitarbeiter
Organisationshaftung für Arbeitsanweisungen
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Einzelheitender Hauptspeiseleitungen, der Versorgungsleitungen und Anschlüsse, auch der Hausanschlüsse enthalten. Nach der DIN 19630 Nr. 13 sind die eingebauten Leitungsteile einzumesssen und in der Bestandszeichnung festzuhalten. Im allgemeinen gibt eine Einsichtnahme in diese Pläne dem Tiefbauunternehmen den erforderlichen Grad von Gewißheit über den Verlauf der unterirdisch verlegten Leitungen und Hausanschlüsse. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkundigungspflicht stets der Leitung des Tiefbauunternehmens selbst obliegt. Bei einem so großen Unternehmen wie der Erstbeklagten kann dies auf Schwierigkeiten stoßen, auch wenn insoweit der Leiter der Zweigniederlassung in K als verfassungsmäßig berufener Vertreter anzusehen sein dürfte. Jedenfalls bedarf es aber im Falle der Übertragung der Erkundigung auf Angestellte einer klaren, eindringlichen Anweisung des Tiefbauunternehmens an die örtlichen Bauleiter und aufsichtsführenden Poliere, wann und wie sie sich über Lage und Verlauf der Versorgungsleitungen, einschließlich der Hausanschlüsse, anhand zuverlässiger Unterlagen der in Betracht kommenden Versorgungsunternehmen zu vergewissern haben. Mit Rücksicht auf die besonders große Gefährdung Dritter bei Beschädigung von Gas-, Wasser- und Starkstromleitungen muß die Anweisung den verpflichtenden Hinweis enthalten, sich nicht mit allgemeinen, keine konkreten Zahlen - insbesondere über die Verlegungstiefe -enthaltenen mündlichen Auskünften zu begnügen, die erkennbar nicht anhand von Plänen erteilt werden. Eine solche Pflicht, sich über vorhandene Versorgungsleitungen zu vergewissern, muß bei Baggerarbeiten zur Aushebung eines 0,60m tiefen Grabens bejaht werden, zumal wenn dieser unter dem Gehweg und damit in Nähe der Hausanschlüsse angelegt wird, die erfahrungsgemäß weniger tief verlegt sind als die Hauptleitungen. An einer Anweisung der Erstbeklagten mit dem hiernach zu fordernden mehrfachen Inhalt fehlt es hier. Die Erstbeklagte haftet somit schon wegen Organverschuldens nach §§31, 823 Abs.1 BGB. Es würde die Erstbeklagte nicht entlasten, wenn der Hausanschluß der Gasleitung nur in 45cm Tiefe gelegen haben sollte. Es ist jedenfalls nicht so, daß bei Anlegung eines Gra-
1.110
DVGW-Normen
DVGW-Normen als Grundlage von Situationserwartungen
bens von 60cm Tiefe durch einen Bagger schlechterdings nicht mit dem Anreißen einer solchen Gasleitung zu rechnen gewesen wäre. Nach den Technischen Vorschriften und Richtlinien für die Einrichtung von Niederdruckgasanlagen in Gebäuden und Grundstücken (TVR-Gas 1938) des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern E.V. (DVGW) sollen Zuleitungen in der Regel mit Gefälle zur Versorgungsleitung verlegt werden. Eine Vorschrift über die Höhe der Mindestabdeckung der Erdleitungen war in dieser TVR-Gas nicht enthalten. Erst die TVR-Gas 1950, die nach Verlegung der hier in Betracht kommenden Gasleitung am 1.10.1951 in Kraft getreten Ist, schrieb vor, „die Deckung der Erdleitung soll etwa 1 m betragen". Gemäß der 4.DVO zum EnergiewirtschaftsG vom 7.12.1938 gelten die vom Reichswirtschaftsminister genehmigten Bestimmungendes DVGW als anerkannte Regeln der Technik. Die Erstbeklagte mußte somit in Betracht ziehen, daß Gasleitungen, insbesondere Hausanschlüsse, in erheblich geringerer Tiefe als 1 m verlegt sein konnten.
1.110: BGH, 5. 7. 1971, VII ZR 98/69 (Dachkonstruktion)
Planungshaftung für Mängel des aufgrund der Planungsunterlagen ausgeführten Werks: § 635 BGB
1. Das Berufungsgericht stellt fest, daß sich unter dem nach den Plänen des Beklagten ausgeführten (von ihm geplanten) Dach Schwitzwasser bildete, das auf die darunter gelagerten pharmazeutischen Artikel tropfte. Die Dampfdiffusion aus dem Rauminneren wurde nicht genügend gebremst, der Raum zwischen den Wellasbestzement-Platten und der darunter befindlichen Isolierung nicht ausreichend entlüftet. Das Architektenwerk der Beklagten war somit fehlerhaft, denn die geplante Ausführung mußte notwendigerweise zu einem Mangel des Bauwerks führen. Die Schäden, die die Klägerin ersetzt verlangt, sind keine Mängelschäden, sondern unmittelbar durch die fehlerhafte Planung verursacht. Baumängel sind dann zugleich Mängel
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1.110
Beweislastumkehr
Hinweispflicht
des Architektenwerks, wenn sie durch eine - objektiv - mangelhafte Erfüllung der Architektenaufgaben verursacht sind (BGHZ 42/16). Somit bietet §635 B G B die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. 2. Ein Anspruch aus §635 B G B setzt voraus, daß der Beklagte den Planungsmangel zu vertreten hat. Da der Mangel feststeht, muß er sich entlasten (BGHZ 48/310). a) Nach dem vom Landgericht hinzugezogenen Sachverständigen B galt die vom Beklagten vorgesehene Dachkonstruktion im Zeitpunkt der Planung aufgrund ihrer damals bekannten Eigenschaften als geeignet und sachentsprechend. Das Berufungsgericht hält jedoch das von ihm eingeholte Gutachten der Landesgewerbeanstalt für überzeugender. Deren SachverstandigerJ hat ausgeführt, im Jahre 1961 habe ein Architekt über die Bedeutung der Belüftung einer zweischaligen Dachkonstruktion Bescheid wissen und die für eine ausreichende Belüftung geeigneten konstruktiven Maßnahmen kennen müssen. Jedenfalls sei nach dem Stand der Kenntnisse und Erfahrungen des Jahres 1961 eine einigermaßen gesicherte Aussage über die Bewährung der gewählten Dachkonstruktion für voll beheizbare Räume, um die es hier ging, nicht möglich gewesen. Das Berufungsgericht sieht das Verschulden des Beklagten darin, daß er die Klägerin nicht darüber aufklärte, welche Faktoren der vorgesehenen Dachkonstruktion sich günstig und welche sich ungünstig auswirken konnten, und daß er sie nicht über die Unsicherheit belehrte, ob die geplante Dachkonstruktion den an eine Lagerhalle für pharmazeutische Waren zu stellenden Anforderungen genügen würde. Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Beklagte behaupte selbst nicht, daß er die Klägerin belehrt habe. Er mache vielmehr nur geltend, daß man zur damaligen Zeit die heutigen Erfahrungen noch nicht gehabt habe. Es unterstellt, daß er den Ehemann der Klägerin darauf aufmerksam gemacht hat, beim Fehlen einer Be- und Entlüftung könne unter Umständen Schwitzwasser auftreten. Einen solchen Hinweis hält es nichtfür ausreichend, denn bei den späteren Nachbesserungsversuchen habe sich erwiesen, daß mit der Anbringung von Firstentlüftern der Mangel nicht behoben
76
1.110 werden konnte. Der Beklagte hätte vielmehr auf die Bedenken hinweisen müssen, ob die gewählte Dachkonstruktion insgesamt und überhaupt ausreichende Sicherheit gegen Schäden bot.
Fachwissen des Auftraggebers und Hinweispflicht des Auftragnehmers
Fehlende Erfahrungen bei der Verwendung von Neukonstruktionen
b) Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision sind nicht begründet. Die Ansicht der Revision, der Beklagte habe gegenüber der durch ihren sachkundigen Ehemann vertretenen Klägerin keine Beratungspflicht gehabt, ist unrichtig. Als Bauingenieur mußte der Ehemann nicht die für die Planung eines geeigneten Daches über der Lagerhalle für pharmazeutische Erzeugnisse erforderlichen Kenntnisse besessen haben. Unerheblich ist, ob der Beklagte zunächst zu einer anderen Decke geraten, der Ehemann der Klägerin aber der Corblanit-Decke, die billiger war, den Vorzug gegeben hat. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß bei einer anderen Decke bei sonst gleicher Konstruktion kein Schwitzwasser aufgetreten wäre. Auch wurde seine Belehrungspflicht durch die vom Ehemann getroffene Wahl nicht gemindert. Das Berufungsgericht wirft dem Beklagten nicht vor, daß ihm eine geeignete Konstruktion der Decke nicht gelungen ist, sondern nur, daß er die Bedenken, die gegen seine Konstruktion bestanden, nicht erkannt und die Klägerin darüber belehrt hat. Dafür kann es sich auf das Gutachten J berufen. Die entscheidende Frage, ob der Beklagte im Jahr 1961 gegen die von ihm vorgesehene Konstruktion des Daches Bedenken hätte haben müssen, bejaht der Sachverständige J. Für ihn ist entscheidend, daß man mit der vom Beklagten gewählten Konstruktion damals keine genügende Erfahrung besaß, und deshalb meint er, hierauf habe der Beklagte die Klägerin hinweisen müssen. Daß das Berufungsgericht dieser Ansicht des Sachverständigen J gefolgt ist, kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Wenn man erst später erkannt hat, daß die Querschnitte für die Belüftung größer sein müssen, als man damals annahm, ändert das nichts daran, daß der Beklagte die Lagerhalle für empfindliche Pharmazeutika mit einer nicht erprobten Decke hat versehen lassen. Daß sich aus einer allgemeinen Sachkunde des Ehemannes der Klägerin als Bauingenieur und daraus, daß dieser das 77
1.110 billigereCorblanit-Welldach-Isoliersystem gewählt hat, kein Mitverschulden ergibt, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgeführt.
Anmerkung:
Planungshaftung: Konstruktionsbüros
Die Rechtsprechung des BGH zur Planungshaftung des Architekten für Mängel des aufgrund der Planungsunterlagen ausgeführten Werks ist über den Bereich des Bauvertragsrechts hinaus wichtig für die Haftung von Konstruktionsbüros. Übernimmt z. B. ein Konstruktionsbüro auf Auftragsbasis die Erstellung von ausführungsfähigen Konstruktionszeichnungen für Produkte, so liegt genau die gleiche Situation vor. Sind die Konstruktionszeichnungen mangelhaft, haftet das Konstruktionsbüro für Mängel der aufgrund der gelieferten Konstruktionsunterlagen hergestellten Einzelteile im Rahmen des §635 BGB. Dieser Satz ist wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung. Würden die Mängel der aufgrund der Konstruktionszeichnungen hergestellten Einzelteile als Mangelfolgeschäden anerkannt, würde hinsichtlich der Verjährung nicht §638 BGB eingreifen: nach ständiger Rechtsprechung verjähren im Werkvertragsrecht Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden nicht entsprechend §638 BGB, sondern im Rahmen der allgemeinen dreißigjährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Die Qualifikation der Haftung des Planungsbüros, Architekten- bzw. Konstruktionsbüros für Mängel des aufgrund der gelieferten Unterlagen ausgeführten Werks als Haftung i.S. des §635 BGB hat demgegenüber zur Folge, daß die Verjährung der Ansprüche auf die kurzen Fristen des §638 BGB begrenzt ist. Auch in deliktsrechtlicher Sicht ergeben sich keine längeren Verjährungsfristen: die Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache stellt keinen im Rahmen des §823 Abs. 1 BGB geschützten Sachschaden, sondern nur einen deliktsrechtlich nicht geschützten unmittelbaren Vermögensschaden dar (vgl. zu diesem Fragenbereich aber die Schwimmer-
IQ
1.111
schalter-Entscheidung des BGH 1.130 nebst der dortigen Anmerkung).
1.111: BGH, 18. 4. 1972, VI ZR 168/70 §823 Abs. 1 BGB Sorgfaltsanforderungen: Übernahmehaftung
Sorgfaltspflichten bei provisorischen Maßnahmen
Zumutbarkeit: finanzielle Auswirkungen
Aufgrund einer von einem Wohnungsbauunternehmen falsch dimensionierten Abwasseranlage erlitt der Pächter einer Gaststätte einen Wasserschaden. Das Berufungsgericht geht bei der Prüfung der Fahrlässigkeit zutreffend von den besonderen Anforderungen aus, welche an die Organe einer großen Baugesellschaft gestellt werden müssen. Seine Ansicht, daß solchen Organen, auch soweit sie nur kaufmännisch ausgebildet sind und über besondere technische Kenntnisse nicht verfügen, besondere Sorgfalt bei der Bemühung um technische Information durch eingehende Befragung der sachverständigen Vertragspersonen abgefordert werden muß, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch einen hinreichenden Anlaß für solche Befragung stellt das Berufungsgericht fehlerfrei fest. Die Organe der Beklagten haben zunächst um das Mißverhältnis der Dimensionen von Zuleitungen und Abfluß im Schacht62 gewußt. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß dieser Umstand auch die Aufmerksamkeit eines Nichttechnikers, der aber in Bausachen von Berufs wegen besonders versiert war, erregen mußte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Besonderheit eines „Provisoriums", also einer technischen Anlage, die wegen der Ungewißheit der endgültigen Gesamtlösung in gewissem Umfang auf Perfektion und auch auf volle Sicherheit verzichtet, gründet sich auf rein wirtschaftliche Erwägungen. Wirtschaftlich kann es durchaus zweckmäßig sein, bei einer nur auf kurze Arbeitszeit berechneten Anlage auf Sicherungen gegen Schadenfälle zu verzichten, wenn die kurze Lebensdauer die Wahrscheinlichkeit solcher Schadenfälle entsprechend vermindert. Soweit sich aber die so in Kauf genommenen Schäden zu Lasten Dritter auswirken können, beurteilt sich die Frage nach der 79
1.112
Wirtschaftlichkeitserwägungen
Erlaubtheit des Provisoriums nicht so sehr nach technischen und kaufmännischen, sondern nach rechtlichen Gesichtspunkten. Auch in rechtlicher Sicht mag der provisorische Charakter einer Anlage nicht ganz ohne Bedeutung für die an ihre Verkehrssicherheit zu stellenden Anforderungen sein. Keinesfalls aber ist der Verzicht auf Sicherung für Dritte schon rechtlich zulässig, wenn das Produkt aus Höhe und Wahrscheinlichkeit des vorhersehbaren Schadens hinter den Kosten der Sicherheitsvorkehrungen deutlich zurückbleibt. Eine Wirtschaftlichkeitserwägung ist regelmäßig widersprüchlich, wenn der Handelnde zwar die Ersparnis der AufWendungen für sich erstrebt, aber davon ausgeht, daß der wider Erwarten eintretende Schaden gegebenenfalls Dritte trifft. Es ist also im Verhältnis zu anderen immer zu fragen, ob das mit dem „Provisorium" verbundene Risiko sich noch im Rahmen des nach guter Verkehrsübung Vertretbaren und Zumutbaren hält. Im vorliegenden Fall hat dies das Berufungsgericht mit dem Hinweis darauf verneint, daß das Provisorium immerhin für Monate oder Jahre bestehen sollte. Es bringt damit zum Ausdruck, daß den möglicherweise gefährdeten Dritten die von dem auf längere, wenn nicht auf sehr lange Zeit berechneten „Provisorium" ausgehende Gefahr insgesamt nicht zumutbar gewesen sei, während der Beklagten die Alternativlösung (Anschluß erst in Schacht 35) offensichtlich schon deshalb zumutbar gewesen wäre, weil siediese Lösung ursprünglich selbst in Aussicht genommen hatte.
1.112: BGH, 1. 3. 1973, VII ZR 82/71
Die Klägerin ließ nach der Planung und unter der Bauleitung ihres Architekten K Reihenhäuser errichten. Die Dachdeckerarbeiten führte der Beklagte aus. Dem Vertrag der Parteien lagen die Bestimmungen der VOB zugrunde. Nachdem sich herausstellte, daß die vom Architekten im Lei-
80
1.112
stungsverzeichnis aufgeführten Dachziegel der Firma J nicht mehr lieferbar waren, entschied sich der Architekt für Ziegel der Firma L. Der Beklagte bestellte darauf diese Dachziegel über seine Einkaufsgenossenschaft und rechnete mit dieser den Kaufpreis ab. Die Ziegel erwiesen sich nicht als frostbeständig. Der Beklagte lehnte eine Haftung für die Frostschäden ab.
Haftung des Auftragnehmers für vom Auftraggeber gelieferte Teile
1. Nach §19 Nr.1 V O B (B) hat der Auftragnehmer für seine Bauleistungen Gewähr zu leisten. Bauleistungen sind Bauarbeiten mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen (§1 Nr.1 V O B [A]). Die Gewährleistung soll jedoch nur soweit gehen, wie der Auftragnehmer für seine Leistungen verantwortlich ist. Nach § 13 Nr. 3 V O B (B) ist er von seiner Gewährleistungspflicht frei und trägt der Auftraggeber das Risiko, wenn Mängel zurückzuführen sind auf vom Auftraggeber „gelieferte oder vorgeschriebene Baustoffe oder Bauteile". Das gilt allerdings nicht, wenn der Auftragnehmer Bedenken, die er gegen die vorgesehene Art der Ausführung, d. h. auch gegen das vom Auftraggeber vorgeschriebene Material hat oder haben muß, dem Auftraggeber nicht unverzüglich schriftlich mitteilt (§4 Nr.3 V O B [D]). Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte die mangelnde Frostbeständigkeit der Ziegel erkannt hat oder hätte erkennen können oder daß er die Ziegel durch geeignete Versuche auf ihre Frostbeständigkeit hätte prüfen oder prüfen lassen müssen, hält das Berufungsgericht nicht für gegeben. Nicht zu beanstanden ist aber auch die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Klägerin durch ihren Architekten die Verwendung von Flachdachziegeln der Firma L i.S. des §13 Nr.3 V O B (B) „vorgeschrieben" hat. P o s i t i o n l des Leistungsverzeichnisses ergab für einen sich um die Arbeiten bewerbenden Dachdeckers, daß nicht er zu entscheiden hatte, mit welchen Ziegeln er die Dächer decken wollte, sondern daß ihm von vornherein die Verwendung (bestimmter Ziegel) vorgeschrieben war. Mit der Abgabe seines Angebots und mit der Erteilung des Auftrages war der Beklagte insoweit gebunden. Als sich dann herausstellte, daß die Ziegel der Firma J nicht lieferbar waren, hat der Architekt nach seiner Begründung dem Beklagten nicht mehr andere Lieferanten zur Auswahl gestellt, sondern ihn auf Ziegel gleicher 81
1.112
Vorschreiben der Verwendung bestimmter Teile durch den Auftraggeber
Vertragliche Freistellung des Auftragnehmers von der Gewährleistungshaftung für die vorgeschriebenen Teile
82
Art der Ziegelei L verwiesen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, damit habe sich an der Bindung des Beklagten nichts geändert, kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. 2. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß nach §13 Nr.3 VOB (B) die Anordnung des Auftraggebers, bestimmte Baustoffe oder Bauteile zu verwenden, der Lieferung solcher Baustoffe oder Bauteile durch den Auftraggebergleichsteht. Demgegenüber meint die Revision, die Freistellung des Auftragnehmers von der Gewährleistung sei zwar im Fall der Lieferung der Baustoffe durch den Auftraggeber gerechtfertigt; schreibe jedoch der Auftraggeber einen bestimmten Baustoff nur vor, so bestehe zwischen den Vertragsparteien ein Lieferungsverhältnis, aus dem der Auftragnehmer Gewinn ziehen könne, das aber auch die Grundlage für Gewährleistungsansprüche gegen ihn wegen Mängeln der Baustoffe bilde. Auf solche Überlegungen kann es jedoch in Anbetracht des klaren und eindeutigen Wortlauts des § 13 Nr. 3 VOB (B) nicht ankommen. Zudem weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, daß der Auftraggeber sich rechtzeitig über die Brauchbarkeit des Baustoffs und Zuverlässigkeit des Herstellers erkundigen kann, bevor er dem Auftragnehmer die Verwendung eines bestimmten Stoffes vorschreibt, daß dagegen der Auftragnehmer dazu zwischen Lieferung und Verwendung des Baustoffs schon aus Zeitgründen in der Regel nicht in der Lage ist. 3. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ändert sich an der Freistellung des Beklagten von seiner Gewährleistung auch dann nichts, wenn gerade die von ihm beschafften und für die Häuser verwendeten Ziegel infolge eines der Ziegelei L unterlaufenen Herstellungsfehlers ausnahmsweise nicht die übliche Güte hatten und nicht frostbeständig waren. Dem ist beizutreten. §13 Nr.3 VOB (B) enthält keine Einschränkung der Haftungsbeschränkung des Auftragnehmers dahin, daß er für solche Fehler, die einem nach Art und Herkunft vom Auftraggeber genau vorgeschriebenen Baustoff nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall anhaften, doch wieder einstehen sollte. Die Befreiung von der Gewährleistungspflicht (Nr. 1) geht nach §3 vielmehr nur dann nicht, wenn der Auf-
1.112 tragnehmer nicht entsprechend seiner Verpflichtung aus §4 Nr.3V0B (B) auf zu befürchtende Mängel des angelieferten Baumaterials hingewiesen hat. Daß er im vorliegenden Fall eine dahingehende Verpflichtung nicht verletzt hat, stellt das Berufungsgericht aber schon fest.
Anmerkung:
Haftung für beigestellte Teile Gewährleistungshaftung und Beistellung von Einzelteilen durch den Auftraggeber
1. Zur Grundsatzfrage der Haftung des Auftragnehmers für vom Auftraggeber beigestellte oder vorgeschriebene Teile vgl. Anm. zu Nr. 1.95, Nr. 3. 2. Der eine Unterschied zwischen dem Sachverhalt der obigen Entscheidung und der in der zitierten Anmerkung behandelten generellen Rechtslage besteht darin, daß hier eine vertragliche Regelung getroffen war. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) ist als Bedingungswerk im Sinn des § 1 AGB-Gesetz zu qualifizieren. Es handelt sich also um Bestimmungen vertragsrechtlicher Natur. Dem Vertrag lag die VOB zugrunde, so daß bei der Frage, welche Gewährleistungshaftung dem Bauunternehmer für die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Ziegel obliegt, nicht von der allgemeinen rechtlichen Sachlage, sondern von § 13 Nr. 3 VOB (B) auszugehen ist. Weiterhin ist zu beachten, daß es sich hier nicht um die Haftung für Mangelfolgeschäden, sondern um die Gewährleistungshaftung im engen Sinn, d. h. um die Frage handelt, ob und inwieweit der Bauunternehmer bei Mangelhaftigkeit der unter Verwendung der beigestellten Teile hergestellten Sache zur Nachbesserung bzw. zur Minderung des Werklohnes verpflichtet ist. Diese Haftung ist (anders als die Haftung für Mangelfolgeschäden wegen positiver Vertragsverletzung) verschuldensunabhängig. Deshalb kam es im Rahmen der obigen Entscheidung nicht darauf an, ob der Beklagte die mangelnde Frostbeständigkeit der Ziegel erkannt hat oder hätte erkennen können. Würde es sich dagegen um einen Mangelfolgeschaden handeln, würde der Beklagte dafür nur bei Verschulden haften. Das Verschulden würde vermutet 83
1.112 (Anm.) (vgl. Nr. 1.62). Er hätte aber die Möglichkeit sich zu entlasten und könnte nach dem Sachverhalt vortragen, daß nach Lage der Dinge für ihn der Mangel der Ziegel nicht erkennbar war und folglich wegen fehlenden Verschuldens eine Haftung entfalle. § 13 Nr. 3 VOB (B) ist also auf den Sonderfall der echten Gewährleistungshaftung begrenzt. Da dem Bauunternehmer insoweit eine verschuldensunabhängige Haftung obliegt, ist es nur recht und billig, daß er nicht für Mängel der ihm vorgeschriebenen Bauteile haften soll, wenn ihn kein Verschulden trifft. 3. Die gleiche Problematik kann auftreten, wenn es sich außerhalb des Anwendungsbereichs der VOB im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer um die Gewährleistungshaftung handelt, also in dem in der Anm. zu Nr. 1.95 gegebenen Beispiel, um die Haftung des Herstellers der Anlage für die Gebrauchsunfähigkeit der Anlage wegen Mängel der beigestellten elektronischen Steuerungsanlage. Die an sich im Rahmen der Gewährleistungshaftung bestehende verschuldensunabhängige Haftung des Auftragnehmers und eine eventuelle Preisminderung wären unvertretbar, wenn die Mängel der von ihm gelieferten Anlage ausschließlich auf Mängeln der ihm beigestellten bzw. vorgeschriebenen elektronischen Steuerungsanlage beruhen. Unter diesem Gesichtspunkt ist § 13 Nr. 3 VOB (B) als Wiedergabe der in der zitierten Anmerkung entwickelten rechtlichen Normallage zu verstehen. Dies hat die Konsequenz, daß auch bei nicht erfolgter Zugrundelegung der VOB im Rahmen von Bauverträgen von der § 13 Nr. 3 VOB (B) entsprechenden Rechtslage auszugehen ist. 4. Es bleibt die Problematik, daß der Auftragnehmer die ihm erkennbare fehlende Eignung der beigestellten bzw. vorgeschriebenen elektronischen Steuerungsanlage tatsächlich nicht erkannt hat, also fahrlässig handelte. Hier wäre es genauso unvertretbar, ihm das Recht zu geben, sich der Verantwortung unter Hinweis auf die Beistellung bzw. Vorschreibung durch den Auftraggeber zu entziehen. Das Problem ist hier, daß das Gewährleistungsrecht der §§459ff. BGB keine Regelung für eine Berücksichtigung des Mitverschuldens enthält, soweit es sich um die Gewährlei-
84
1.113 stungsrechte der Nachbesserung, Wandlung und Minderung handelt (§§459ff., 633ff. BGB). Das Mitverschulden kann nur in den Fällen der ausdrücklich im Gewährleistungsbereich normierten Schadensersatzhaftung (§§463, 480 Abs. 2, 635 BGB) berücksichtigt werden. Die Lösung bietet aber m.E. der in §13 Nr. 3 VOB (B) beschrittene Weg einer Hinweispflicht. Hat der Auftragnehmer den Mangel erkannt, muß er darauf hinweisen. Hat er ihn nicht erkannt, aber hätte er ihn erkennen können, muß er für das pflichtwidrige Unterlassen der Überprüfung und der sich aus dem Mangel ergebenden Hinweispflicht einstehen. Inhalt dieser Einstandspflicht ist dann die gesetzliche Gewährleistungshaftung: entsprechend der in der VOB vorgesehenen Regelung kann bei dieser Sachlage der Auftraggeber Wandlung, Minderung bzw. Nachbesserung verlangen.
1.113: BGH, 5. 7 . 1 9 7 3 , VII ZR 12/73 (Werbeagentur)
Haftung für positive Vertragsverletzung
Die Klägerin, eine Werbeagentur, hatte die Werbeberatung und -durchführung für einige Erzeugnisse der Beklagten übernommen. Sie veranstaltete als Werbung für ein Fabrikat einen Bastei-Wettbewerb. Zum Abschluß des Wettbewerbs, insbesondere zur Preisverteilung kam es jedoch nicht, weil der Beklagten wegen des wettbewerbswidrigen Kaufzwangs die weitere Durchführung gerichtlich verboten wurde. 1. Die Beklagte verlangt von der Klägerin Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung. Nach gefestigter Rechtsprechung obliegt ihr daher grundsätzlich nicht nur der Beweis, daß die Klägerin objektiv den Tatbestand einer positiven Vertragsverletzung verwirklicht hat, sondern auch, daß dadurch der von ihr behauptete Schaden eingetreten ist (vgl. statt vieler BGH, LM Nr.18 zu §282 BGB; BGH, NJW 1969/ 1708). Das bedeutet, wenn es - wie hier - um die Schadensverursachung durch Unterlassen geht, daß der Geschädigte an sich den Nachweis erbringen muß, bei pflichtgemäßem Verhalten des in Anspruch Genommenen wäre der Schaden 85
1.113
Beweislastumkehr in Ausnahmefällen: Arzthaftung
Beweislastumkehr bei Gefahrhinweisen 86
nicht entstanden. Denn nur dann ist nach der Rechtsprechungeine Unterlassung für den Erfolg ursächlich (vgl. etwa BGH, NJW1961/868,870). Dabei können dem Beweispflichtigen die Regeln des Anscheinsbeweises zu Hilfe kommen. 2. Eine echte Umkehr der Beweislast für die Ursächlichkeit wird jedoch angenommen, wenn ein Arzt einen groben Behandlungsfehler begangen hat, der geeignet war, einen Schaden herbeizuführen, wie er tatsächlich eingetreten ist (vgl. etwa BGH, NJW 1967/1508; 1968/1185,2291; 1969/553; BGH VersR 1970/554). Diese Rechtsprechung wird erstreckt auf die grobe Verletzung sonstiger Berufspflichten, die ähnlich wie beim Arztberuf auf die Bewahrung anderer vor Gefahren für Körper und Gesundheit gerichtet sind (so BGH, NJW 1962/959 für einen Bademeister; BGH, NJW 1971/241 für Krankenhauspflegepersonal). Aus dieser Rechtsprechung läßt sich für den vorliegenden Fall aber nichts herleiten. Denn die Besonderheiten, die den Bundesgerichtshof bewogen haben, in den dargelegten Grenzen von der normalen Beweislastverteilung abzugehen, sind hier nicht gegeben. Einmal kann schon zweifelhaft sein, ob die der Klägerin vorzuwerfende Pflichtverletzung, die das Berufungsgericht als „offenkundig" bezeichnet, einem groben ärztlichen Behandlungsfehler gleichzusetzen ist. Zum anderen fehlt es aber an dem Verstoß gegen eine Berufspflicht, die ähnlich wie bei den Ärzten dem Schutz vor Gefahren für Körper und Gesundheit dient. 3. Gleichwohl ist der Auffassung des Berufungsgerichts für den vorliegenden Fall im Ergebnis zuzustimmen. Dabei braucht nicht näher untersucht zu werden, ob seiner Ansicht, das Risiko des nicht voll aufklärbaren Sachverhalts solle stets dem zur Last fallen, der es durch sein pflichtwidriges Verhalten geschaffen hat, in dieser Allgemeinheit gefolgt werden könnte. Dem stünde schon die erwähnte Rechtsprechung zum ärztlichen Behandlungsfehler entgegen, die dann auch die Fälle nur leichter Fahrlässigkeit erfassen würde. Dem Beruf ungsurteil ist insoweit beizutreten, als es sich um die Verletzung von Aufklärungspflichten handelt, die dazu bestimmt sind, den Vertragsgegner zu einer eigenen EntSchließung über Maßnahmen zu bewegen, durch die ihm
1.113
Beweislastumkehr wegen des SchutzZweckes der Auf klärungspflicht
Anwendungsfälle
möglicherweise Schaden droht. Der Zweck solcher Aufklärungs-, Hinweis- oder Beratungspflichten besteht auch darin, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Vertragsgegner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewußt gemacht wird, trotzdem an der ins Auge gefaßten Maßnahme festhalten oder ob er von ihr Abstand nehmen will. Die Aufklärung soll also gerade die in Fällen dieser Art häufig auftretende Beweisnot beseitigen, die darin besteht, daß sich nachträglich nur schwer mit der erforderlichen Zuverlässigkeit beurteilen läßt, wie der Betroffene bei rechtzeitiger Kenntnis von etwaigen schadenbedrohenden Umständen gehandelt hätte. Dem vorzubeugen ist eine der Zwecke der Pflicht zur Aufklärung. Dem Ersatzberechtigten wäre wenig damit gedient, wenn er seinen Vertragsgegner zwar an sich aus schuldhafter Verletzung einer solchen Hinweispflicht in Anspruch nehmen könnte, aber regelmäßig daran scheitern würde, daß er den meist schwer zu führenden Beweis nicht erbringen könnte, wie er auf den Hinweis reagiert hätte, wenn er gegeben worden wäre. Der Auf klärungspflichtige dagegen hätte nicht viel zu befürchten, wenn er bei Verletzung seiner Hinweispflicht sich darauf zurückziehen dürfte, daß kaum zu beweisen sei, was der andere Teil auf den Hinweis getan hätte. Damit würde der mit der Aufklärungspflicht verfolgte Schutzzweck verfehlt. Die besondere Interessenlage der beteiligten Vertragspartner erfordert deshalb, daß in diesen Fällen derjenige, der die vertragliche Hinweispflicht verletzt, auch das Risiko der Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs zumindest insoweit trägt, als in Frage steht, wie der andere Teil gehandelt hätte, wenn er pflichtgemäß ins Bild gesetzt worden wäre (vgl. auch Stoll in: Festschrift für Fritz von Hippel, S.517, 553, 559). So hat denn auch der VI. Zivilsenat des BGH (NJW1971 /241, 242) die Beweislast dafür, daß sich derjenige, der ein Krankenhaus aufsucht, zur Aufnahme auch dann entschlossen haben würde, wenn er über die dort herrschenden unterdurchschnittlichen hygienischen Verhältnisse aufgeklärt worden wäre, dem Krankenhausträger auferlegt. Der erkennende Senat hat ebenfalls in Fällen mit entsprechender Interessenlage die Beweislast in gleicher Weise verteilt. So hat 87
1.113 er im Rahmen von Bauverträgen entschieden, daß ein Unternehmer, der der ihn nach § 4 Nr. 3 VOB (B) treffenden schriftlichen Anzeigepflicht über Bedenken gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile nicht nachgekommen ist, beweisen muß, der Bauherr würde sich auch im Fall einer der Form des § 4 Nr.3 VOB (D) genügenden Warnung nicht zur Verwendung eines anderen Materials entschlossen haben (Urteile vom 22.3. 1962 und vom 24.9. 1962). Der Senat hat ferner in einem Fall, in dem es ein Architekt versäumt hat, auf Bedenken gegen die gewählte Dachkonstruktion hinzuweisen, den Architekten dafür beweispflichtig gehalten, daß sein Auftraggeber auch bei Belehrung an dem von ihm gewünschten Dach festgehalten hätte (WM 1971/1271 =1.110). Ärztliche Aufklärungspflicht
Die ärztliche Auf klärungspflicht (vgl. dazu etwa BGHZ 29/46; 29/176; BGH, NJW 1956/1106; 1961/2203; 1963/393; 1965/ 2005; 1971/1887; 1972/335) geht insofern eigene Wege, als mit ihrer Verletzung in aller Regel die Einwilligung des Patienten in den vom Arzt vorgenommenen Eingriff fehlt, der dann eine rechtswidrige Körperverletzung darstellt und bleibt, ohne daß es darauf ankommt, wie sich der Patient auf die pflichtgemäße Aufklärung durch den Arzt verhalten hätte (vgl. BGH, VersR 1959/355). Immerhin ist bereits im Urteil BGHZ 29/176,187 ausgeführt, daß die Ungewißheit, wie der Patient - vor die Wahl von zwei in Betracht kommenden Behandlungsarten gestellt - sich entschieden und ob er die Einwilligung zu einem gefährlicheren Eingriff erteilt hätte, zu Lasten des ohne wirksame Einwilligung handelnden Arztes gehen müsse.
Entscheidung
Entsprechendes muß im vorliegenden Falle gelten. Die
des konkreten Rechtsstreits
Pflicht zur Aufklärung über die rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der geplanten Werbemaßnahme traf die Klägerin, um der Beklagten die bei der Durchführung des Bastelwettbewerbs mit dem vorgesehenen Kaufzwang drohenden Gefahren vor Augen zu halten und ihr die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie das insoweit bestehende Risiko auf sich nehmen wolle. Mit der Erfüllung dieser Pflicht, d.h. mit der von der Klägerin herbeigeführten Kenntnis der Beklagten von der Wettbewerbswidrigkeit der Werbemaßnahme, wäre zugleich Klarheit über den Ursachenzusam-
88
1.114 menhang mit einem etwas später eintretenden Schaden geschaffen worden. Das liegt innerhalb des mit der Aufklärungspflicht verfolgten Zwecks. Damit ist die Interessenlage gegeben, die es erfordert, der Klägerin die Beweislast für ihre Behauptung aufzubürden, die Beklagte hätte auch bei gehöriger Belehrung den Bastelwettbewerb in der von ihr gewünschten Form durchgeführt.
1.114: BGH, 1 1 . 3 . 1974, II ZR 4 5 / 7 3 :
Verschulden: relevantes technisches Wissen
Relativität des Standes der Technik je nach Spezialisierungsgrad
Entwicklungsgefahr
(Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Entlastungsbeweis des Verfrachters gemäß §559 Abs.2 HGB als geführt betrachtet). Vom Verfrachter und seinen Gehilfen kann ohne Zweifel nur das im maßgeblichen Zeitpunkt allgemein verfügbare technische Wissen, das in den geltenden Vorschriften und ihrer Auslegung in der Praxis verwertet worden ist, verlangt werden. Das Berufungsgericht führt aus, daß dem Zweitbeklagten zwar bekannt sein mußte, durch Abstagen des Schotts könne eine wesentlich höhere Festigkeit erreicht werden; er habe aber die Kräfte, die auf das Schott nach den Eigenschaften der für ihn neuen Ladung unbekannten Feuchtigkeitsgehalts wirkten, nicht gekannt. Der Sachverständige hatte ausgeführt, daß allenfalls ein erfahrener Ingenieur mit Spezialkenntnissen eine Berechnung mit den nötigen Abschätzungen habe durchführen können, wobei zu beachten sei, daß das Bewegungsverhalten von Schiff und Ladung im Seegang weitgehend unerforscht sei. Das Ingenieurbüro M, von dem sich der Zweitbeklagte hat beraten lassen, hatte nach Untersuchung des Schotts eine Abstagung nicht verlangt und die Stauung als ordnungsgemäß bezeichnet. Erst nach 1965 wurde allgemein bekannt, daß die Festigkeit des Getreideschotts für spezifisch schwerere Schüttgüter nicht ausreicht, zumal wenn es sich um Güter handelt, die bei einem bestimmten Feuchtigkeitsgehalt breiig und damit leicht beweglich werden. 89
1.115 1.115: BGH, 11.11.1974, VIII ZR 137/73 (Spanplatten)
Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung
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Die Beklagte, die Spanplatten herstellt, hatte der Klägerin, einer Holz- und Baugesellschaft, Spanplatten handelsüblicher Qualität angeboten. Mit Schreiben vom 4. August 1971 bat die Klägerin die Beklagte um Bestätigung, daß die angebotenen Platten vollkommen geruchsfrei seien. Die Beklagte erwiderte am 6. August 1971: „ Unsere Holzspanplatten, im Gegensatz zu den Flachsspanplatten, werden mit den üblichen Zusätzen in Anlehnung an die DIN 68761 produziert und wurden wegen Geruch noch nie reklamiert." Die Klägerin bestellte daraufhin Spanplatten und baute diese in eine Bürobaracke ein. Es ergaben sich aber Geruchsbelästigungen. Die Klägerin rügte dies. Die Beklagte wies die Rüge zurück. Die Klägerin ließ daraufhin zur Beseitigung der Geruchsbelästigung einen Anstrich auf die Spanplatten der Baracke aufbringen. Die Klägerin mußte nach ihrer Behauptung für die Beseitigung der Geruchsbelästigung 15235,20 DM aufwenden und klagt den Differenzbetrag zwischen den aufgewandten Kosten für die Beseitigung der Geruchsbelästigung und der noch offenen Kaufpreisforderung ein. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Klage für unbegründet und die Widerklage für begründet gehalten, weil die Klägerin schon mangels rechtzeitiger Rüge weder einen Gewährleistungsanspruch habe noch Schadensersatz verlangen könne. 1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß eine Zusicherung verneint. Zusicherung ist die vertragsgemäße Erklärung des Verkäufers, daß er für das Vorhandensein einer Eigenschaft einstehen werde. Diese Erklärung kann auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGHZ 59/158 = I.72). Unter Umständen kann je nach Lage des Einzelfalls sogar in dem beiden Teilen bekannten Verwendungszweck der Kaufsache eine stillschweigende Zusicherung liegen (BGH, VersR 1966/241 = I.49). a) Dem Schreiben der Klägerin vom 4. August 1971 ist zu ent-
1.115
Kenntnis des Verwendungszwecks
DIN-Norm
nehmen, daß diese eine Zusicherung der Geruchsfreiheit wünschte. Für die Frage, ob eine Eigenschaft zugesichert wurde, kommt es zwar nicht allein auf den Willen des Verkäufers an, für alle Folgen einzustehen, wenn diese Eigenschaft fehlt. Entscheidend ist vielmehr, wie der Käufer die Äußerungen des Verkäufers unter Berücksichtigung seines sonstigen Verhaltens und der Umstände, die zum Vertragsschluß geführt haben, nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung auffassen durfte (BGHZ 59/158,160f. = I.72). Wenn indessen die Beklagte auf den Wunsch der Klägerin, die Geruchsfreiheit der Platten zuzusichern, lediglich erwiderte, ihre Platten seien wegen Geruchs noch nie reklamiert worden, so wies die Beklagte auf ihre bisherigen Erfahrungen hin und gab die von der Klägerin gewünschte Zusicherung nicht ab. Das mußte diese als kaufmännisches Unternehmen erkennen. Sie konnte mithin das Schreiben der Beklagten vom 6. August 1971 nicht als die gewünschte „Bestätigung" der Geruchsfreiheit auffassen, b) Auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht erörtert, ob die Beklagte die Eignung der Platten für den Innenausbau stillschweigend zugesichert habe, ist im Ergebnis unberechtigt. Für die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung genügt die Kenntnis des Verkäufers vom Verwendungszweck der Sache nicht ohne weiteres (BGH, WM 1971/797). Andernfalls würde bei Kenntnis des Verkäufers von dem Verwendungszweck stets eine stillschweigende Zusicherung vorliegen, was mit Wortlaut und Zweck des §459 Abs. 2 BGB nicht vereinbar wäre. Es ist daher nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob in der Kenntnis des Verkäufers vom Verwendungszweck eine stillschweigende Zusicherung der Eignung der Sache gesehen werden kann (BGH, WM 1971/1121, 1123). Die Revision will die Zusicherung der Eignung der Platten für den Innenausbau mit dem Hinweis auf DIN 68751 im Schreiben der Beklagten vom 6. August 1971 entnehmen. Allein aus der Anführung einer DIN-Vorschrift für die Herstellung von Spanplatten zum Innenausbau von Räumen konnte die Klägerin indessen nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung nicht annehmen, daß die Beklagte sich 91
1.115
Untersuchungsobliegenheit des Käufers: § 377 HGB
Möglichkeit der Untersuchung
Zumutbarkeit der Untersuchung
Gefahr erheblicher Mangelfolgeschäden
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verpflichtete, für die Eignung der Platten zum Innenausbau einstehen zu wollen. Wie diese mit Recht geltend macht, handelt es sich auch dann, wenn sie den Verwendungszweck der Platten gekannt hatte, bei deren Eignung zum Innenausbau um eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Eigenschaft im Sinne des §459 Abs.1 BGB und nicht um die Zusicherung einer Eigenschaft gemäß §459 Abs. 2 BGB. Ein Hinweis auf die Eignung für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck reicht nicht ohne weiteres zur Annahme einer Zusicherung aus (BGHZ 59/158, 160 = I.72). 2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die mithin erforderliche Rüge der Klägerin am 7. Februar 1972 verspätet war. Die in Nr. 10 der Lieferungsund Zahlungsbedingungen enthaltene Regelung der Rügepflicht bei nicht verborgenen Mängeln enthält gegenüber der gesetzlichen Regelung in §377 Abs.1 HGB keine Erleichterung. Das Berufungsgericht hat von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß die Geruchsbelästigung sich bei einer probeweisen Aufstellung der Platten in einem geschlossenen Raum unter entsprechenden Bedingungen herausgestellt hätte. Dem steht nicht entgegen, daß der von der Klägerin beauftragte Sachverständige B den von den Spanplatten ausgehenden starken Geruch nicht bemerkt hatte. Denn er hatte die Spanplatten nicht vor ihrem Einbau überprüft. Bei seiner Besichtigung waren die Platten bereits eingebaut und die Baracke mit Möbeln, Heizkörpern und Sperrholztüren versehen, von deren Anstrich ebenfalls ein Geruch ausging. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß eine probeweise Aufstellung der Platten in einem geschlossenen Raum, bei der sich die Geruchsbelästigung hätte feststellen lassen, der Klägerin zuzumuten war. Für die an die Untersuchungspflicht zu stellenden Anforderungen kommt es darauf an, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im Einzelfall unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Käufers zugemutet werden können. Da die Vorschriften über die Mängelrüge vor allem den Interessen des Verkäufers dienen, ist einerseits insbesondere zu berücksichtigen, ob bei einer bestimmungsge-
1.115
Kosten- und Zeitaufwand
Kenntnis des Käufers von der konkreten Möglichkeit bestimmter Mängel
Erstreckung des § 377 HGB auf die Haftung für positive Vertragsverletzungen
mäßen Weiterverarbeitung der Sache mit erheblichen Mangelfolgeschäden zu rechnen Ist. Andererseits dürfen allerdings die Anforderungen an die Rügepflicht auch nicht überspannt werden. Kosten und Zeitaufwand für die Untersuchung, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse, die Notwendigkeit der Zuziehung eines Dritten, usw. können für die Frage, ob eine Untersuchung tunlich ist, von Bedeutung sein (BGH, WM 1970/1400 = 1.105). Bei Beachtung dieser Grundsätze durfte die Klägerin eine Untersuchung bzw. Rüge nicht unterlassen. Wie die Klage zeigt, konnten sich bei Verarbeitung der Platten erhebliche Mangelfolgeschäden ergeben. Die Untersuchung wäre einfach gewesen. Kosten wären nicht entstanden. Der Zeitaufwand wäre gering gewesen. Der Hinzuziehung eines Dritten hätte es nicht bedurft. Es kommt überdies hinzu, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Klägerin wußte, daß bei Spanplatten Geruchsbelästigungen auftreten können. Wenn es auch insbesondere für den Umfang der Untersuchung auf die objektive Sachlage und die allgemeine Verkehrsanschauung und nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Käufers ankommt, so kann bei der Frage, ob dem Käufer eine Untersuchung zuzumuten ist, nicht außer acht bleiben, ob er mit dem Vorhandensein von Mängeln rechnen mußte. 3. Da es mithin einer alsbaldigen Rüge bedurfte, die Klägerin aber nicht rechtzeitig rügte, kann sie weder Gewährleistungsansprüche noch einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung (BGH, Nr.5 zu §377 HGB) geltend machen, es sei denn, daß die Beklagte die Abwesenheit von Fehlern arglistig verschwiegen hätte (§377 Abs.5 HGB). Ein arglistiges Verschweigen ist nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer gemäß §242 BGB einen ihm bekannten und nach seiner Ansicht dem Käufer unbekannten, aber wesentlichen Umstand offenbaren mußte (BGH, WM 1971/797). Wie dargelegt wurde, war jedoch nach der Feststellung des Berufungsgerichts der Klägerin bekannt, daß bei derartigen Spanplatten Geruchsbelästigungen auftreten können. Davon durfte auch die Beklagte ausgehen, weil die Klägerin eine Holz- und Baugesellschaft ist. Der Beklagten kann schon deswegen 93
1.116 ein arglistiges Verschweigen von Fehlern nicht angelastet werden.
1.116: BGH, 23.1.1975, VII ZR 137/73 (Kfz-Waschanlage)
Haftung für positive Vertragsverletzungen
Vertragliche Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung
ProduktbenutzerHaftung
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1. (Die Feststellungen des Berufungsgerichts) rechtfertigen nicht die Annahme, daß die Beklagte für die Erfüllung ihrer aus dem Werkvertrage sich ergebenden Obhutspflichten auch ohne Verschulden habe einstehen sollen. Eine Verpflichtung zum Schadensersatz besteht in der Regel nur bei Verschulden des Schädigers. Dieser allgemeine Grundsatz des Haftungsrechts (vgl. BGHZ 51/91, 98 = I.58; BGHZ 54/332,336 = NJW 1971 /32) gilt auch für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung. Er wird nicht dadurch beseitigt, daß das Gesetz in Einzelfällen hiervon abweicht. Die Vereinbarung, daß der Unternehmer für den Erfolg seiner Leistung unbedingt und damit auch ohne Verschulden einstehen soll („unselbständige Garantiezusage", vgl. die Senatsurteile vom 5.3. 1970 - VII ZR 80/68 = BauR 1970/107 und vom 8.2.1973-VIIZR 209/70 = WM 1973/411), bildet auch für vertragliche Nebenpflichten eine Ausnahme. Ist sie nicht ausdrücklich getroffen worden, wird sie nur unter Anlegung eines strengen Maßstabes angenommen werden können. Das hat das Berufungsgericht nicht bedacht. Seine Auffassung, es sei Sache der Beklagten gewesen, die Risikoübernahme unmißverständlich auszuschließen, ist mit jenem Grundsatz der Verschuldenshaftung nicht vereinbar. Eine Garantiezusage läßt sich nicht schon daraus herleiten, daß die Beklagte eine vollautomatische Leistung angeboten hat. Mit Recht hebt die Revision hervor, daß es keinen Unterschied machen kann, ob ein Fahrzeug mit der Hand, unter teilweisem Einsatz von Maschinen oder vollautomatisch gewaschen wird. Auch bei einer vollautomatischen Anlage ist menschliches Versagen denkbar. Während des Waschvorgangs selbst mag es zwar kaum eine Rolle spielen; vorher
1.116 - e t w a bei der Wartung - kommt ein Verschulden des Bedienungspersonals jedoch durchaus in Betracht. Im übrigen kann ein Schaden auch dadurch verschuldet werden, daß die Anlage trotz eines erkannten oder jedenfalls erkennbaren Konstruktionsmangels betrieben wird. Ein Beispiel dafür bietet der Sachverhalt, der dem Urteil des OLG München (NJW1974/1143 = II .33) zugrunde lag. Dort w a r e n - w i e der Unternehmer wußte - weder Vorkehrungen gegen einen Auffahrunfall getroffen, noch gab es eine die Anlage rechtzeitig ausschaltende Sicherung.
Verschuldensnachweis: Beweislastumkehr im Werkvertragsrecht
Der vom Berufungsgericht sodann gewürdigte Umstand, daß der Kläger das mit der Benutzung der Anlage verbundene Risiko nicht habe überschauen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie wäre nur geboten, wenn der Kläger nach der Verkehrssitte hätte damit rechnen können, daß die Beklagte aus diesem Grunde mit einer vom Verschulden unabhängigen Haftung einverstanden sei. Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Sie würden zudem der Lebenserfahrung widersprechen, weil Unternehmer sich regelmäßig vor Schadensersatzansprüchen zu schützen suchen, die in ihren Auswirkungen unübersehbar sind, sich einer wirtschaftlich vertretbaren Risikodeckung entziehen und über den Wert der Gegenleistung weit hinausgehen (BGHZ 40/91,104 = NJW 1963/2071). So hat auch der Senat in vergleichbaren Fällen, in denen der Besteller dem Unternehmer Gegenstände von erheblichem Wert anvertraut hat, nur eine Verschuldens-, nicht eine Garantiehaftung angenommen (VersR 1966/1154; VersR 1969/827). Soweit die Frage nach dem Verschulden in Rede steht, ist den schutzwürdigen Interessen des Bestellers hinreichend damit gedient, daß der Unternehmer den Beweis für seine Schuldlosigkeit zu führen hat, sofern nur die Schadensursache in seinem Organisations- und Gefahrensbereich liegt (seit BGHZ 23/288, 290 = NJW 1957/746 = I.94 ständige Rechtsprechung). 2. Das Berufungsurteil ist jedoch im Ergebnis richtig; denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haftet die Beklagte dem Kläger aus für den Schaden ursächlicher positiver Vertragsverletzung (vgl. Urteilsabdruck in Betr 1975/ 540f.). 95
1.117 1.117: BGH, 24. 4. 1975, VII ZR 114/73
Mangelfolgeschaden
Deliktsrechtliche Haftung Anspruchskonkurrenz
Auslegung von formularmäßigen Freizeichnungsklausein
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Die Klägerin betraute den beklagten Architekten mit den bei der Verlagerung ihrer chemischen Fabrik anfallenden Architektenaufgaben. Bestandteil des Vertrages sind die Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag", deren § 7 Satz2 lautet: „Seine (d.h. des Architekten) Haftung beschränkt sich auf den Ersatz des unmittelbaren Schadens am Bauwerk." Am 19.3. 1969 drang Wasser in den Keller der Halle, in dem Waren und Verpackungsmaterial der Klägerin lagerten. 1. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß die Materialkosten (für das verdorbene Verpackungsmaterial) keine „unmittelbaren Schäden am Bauwerk" sind. Es handelt sich vielmehr um Folgeschäden. Sie betreffen Sachen, die mit dem Bauwerk nichts zu tun haben. Vertragliche Ansprüche gerade wegen solcher Folgeschäden fallen unter die Haftungsbeschränkung nach §7 Satz2 AVA (vgl. BGH, Betr 1972/431 und NJW 1971/1130). 2. Die Klägerin hat in der Klageschrift ihren Anspruch auch auf unerlaubte Handlung gestützt. Das Berufungsgericht hätte darauf eingehen müssen. a) Treffen Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung zusammen, so liegt eine echte Anspruchskonkurrenz vor, die sich aus dem gleichen Rangverhältnis von Delikts- und Vertragsrecht ergibt. Die Rechtsfolgen sind daher in solchen Fällen sowohl den Vorschriften des Deliktsrechts als auch den für den Vertrag maßgebenden Bestimmungen zu entnehmen (BGHZ 55/ 392). b) Wird in einem Vertrag die Haftung formularmäßig beschränkt, so ist die Klausel nach Treu und Glauben eng auszulegen. Das gilt auch für §7 Satz2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag (vgl. BGH, LM Nr. 12 zu §634 BGB). Bei einer solchen engen Auslegung ist die Haftungsbeschränkung nur auf die vertragliche Haftung zu beziehen. Der Klausel (als Bestandteil der Regelung vertraglicher Beziehungen) ist nicht zu entnehmen, daß auch
1.117 die nicht erwähnte De//kfshaftung ausgeschlossen sein soll. Anders könnte es sein, wenn die unterschiedliche Behandlung vertraglicher und deliktischer Ansprüche die Haftungsbeschränkung praktisch gegenstandslos und sinnlos machen würde. Das ist aber nicht der Fall. Folgeschäden eines Bauwerkmangels lösen keineswegs immer zugleich Ansprüche aus Vertrag und solche aus unerlaubter Handlung aus. In vielen Fällen reinen Vermögensschadens kommen lediglich vertragliche Ansprüche in Betracht, nicht aber solche aus unerlaubter Handlung. Die vertragliche Haftungsbeschränkung hat im übrigen auch für die Fälle einer Konkurrenz beider Ansprüche erhebliche Bedeutung. Diese besteht vor allem darin, daß mit dem Ausschluß der Vertragshaftung die bei Vertragsansprüchen in der Regel bestehende Beweiserleichterung für das Verschulden des Architekten (§282 BGB) und die strenge Haftung für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen (§278 BGB) entfallen. Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung ist das Verschulden des Architekten nachzuweisen. Bei Fehlverhalten von Hilfspersonen besteht gegenüber Ansprüchen aus unerlaubter Handlung für den Architekten die Entlastungsmöglichkeit des §831 BGB (BGHZ 61/203, 207, 208 für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen nach §13 Nr. 7 VOB (B) und solchen aus unerlaubter Handlung). Mitverschulden (§ 254 BGB)
3. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils, als das Berufungsgericht den Anspruch auf Zahlung von 10006,07 DM für die durch den ersten Wassereinbruch entstandenen Material kosten abgelehnt hat. Der Anspruch auf Ersatz für die weiteren Materialkosten in Höhe von 20847,74 DM, den das Berufungsgericht mit derselben fehlerhaften Begründung abgewiesen hat, ist trotzdem von ihm im Ergebnis mit Recht verneint worden, weil die Klägerin nach seinen rechtsfehlerfreien Feststellungen gemäß §254 BGB wegen Verletzung ihrer Schadenminderungspflicht für die durch die späteren Wassereinbrüche entstandenen Schäden selbst einzustehen hat. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin müsse diese Kosten deshalb allein tragen, weil sie ihre 97
Schadenminderungspflicht verletzt und dadurch den Schaden selbst verschuldet habe. Sie sei nach dem ersten Wassereinbruch durch die Stellungnahme des von ihr zugezogenen Sachverständigen Dr. M darauf hingewiesen worden, daß abgewartet werden müsse, ob und inwieweit es nach Abführen des seitlichen Schicht- und Oberflächenwassers durch die vorgeschlagene Drainage künftig doch noch zu Wasserandrang aus tieferen Klüften kommen werde. Gleichwohl habe sie alsbald erneut Material im Keller auf dem Fußboden gelagert. Es möge sein, daß der Kellerfußboden bei den späteren Wassereinbrüchen „erneut total überflutet" gewesen sei, ebenso wie bei dem ersten Wassereinbruch. Sie hätte das Material aber auf Paletten so hoch lagern können und müssen, daß es bei den späteren Überflutungen nicht beschädigt worden wäre. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
1.118: BGH, 30. 4. 1975, VIII ZR 164/73 (Wellstegträger)
Der Kläger beabsichtigte, einen Flachdachanbau zu errichten. Mit den Bauarbeiten beauftragte er einen Bauunternehmer, während er die Beschaffung des Baumaterials selbst übernahm. Er wandte sich wegen der für das Dach benötigten Wellstegträger an den Beklagten, der Baustoffhändler ist und seinerseits von seiner Lieferfirma zunächst eine Statik für die Dachkonstruktion anfertigen ließ. Infolge eines Versehens bestellte der Beklagte alsdann anstelle der in der Statik ausgewiesenen, 40cm hohen Wellstegträger solche mit einer Höhe von nur 32cm. Nachdem diese im August 1971 zur Baustelle angeliefert und in der Folgezeit eingebaut waren, zeigte sich nach Fertigstellung des Anbaus im Dezember 1971, daß die Träger zu schwach waren und das Dach sich durchbog. Der Kläger nahm den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage wurde abgewiesen.
1.118
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten (§§ 377, 378 HGB)
1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt in erster Linie davon ab, ob der Kläger - wie das Landgericht meint - die Abweichung der gelieferten Wellstegträger von den benötigten und auch dementsprechend bestellten nicht rechtzeitig gerügt hat und damit Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung nicht mehr geltend machen kann (§377 HGB), oder ob für ihn - wovon das Berufungsgericht ausgeht - eine Obliegenheit zur Mängelrüge deswegen entfiel, weil der Beklagte eine andere als die bedungene Ware geliefert hat und angesichts des Ausmaßes der Abweichung eine Genehmigung dieser für den Kläger wertlosen Ware als ausgeschlossen betrachten mußte (§378 HGB). Der Senat tritt der Auffassung des Landgerichts bei. 2. Nach §§377, 378 HGB hat bei einem beiderseitigen Handelskauf der Käufer, will er sich seine Rechte aus einer zu beanstandenden Lieferung erhalten, unverzüglich zu rügen. Diese Obliegenheit trifft ihn grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um eine mangelhafte Lieferung im eigentlichen Sinn handelt oder ob der Verkäufer eine andere als die bedungene Ware - also ein aliud - geliefert hat. Während jedoch bei einer Schlechtlieferung (§377 HGB), auch wenn der Mangel noch so erheblich ist und auf der Hand liegt, eine Mängelrüge stets unentbehrlich ist und der Käufer sich auf die Genehmigungswirkung einer unterbliebenen Anzeige (§377 Abs.2 HGB) berufen kann, bedarf es bei einer Falschlieferung ausnahmsweise dann nicht einer Rüge, wenn die gelieferte Ware von der Bestellung offensichtlich so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten muß. Diese unterschiedliche Behandlung von Schlecht- und Falschlieferung ergibt sich nicht nur aus dem Wortlauf des §378, letzter Satzteil HGB, sondern entspricht auch der Bedeutung dieser Regelung als einer eng begrenzten Ausnahmevorschrift und ihrer dadurch gebotenen restriktiven Auslegung. Da im vorliegenden Fall die wesentlich zu schwachen Wellstegträger für den vertraglich vorausgesetzten Zweck völlig wertlos waren und der Kläger ersichtlich auch sonst keine Verwendung für sie hatte, der Beklagte mithin, wenn er sein Versehen rechtzeitig erkannt hätte, mit den gelieferten Trägern auch nur den Versuch einer Erfüllung nicht gemacht hätte, 99
1.118
Abgrenzung, Schlechtlieferung/Falschlieferung
Abgrenzung bei Gattungswaren
Abstellen auf die Verkehrsauffassung
100
andererseits von dem Kläger ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung schlechthin nicht erwartet werden konnte (vgl. BGH, 14.10. 1970, BB 1970/1416f. = 1.105), wäre das Unterlassen einer Rüge für den Kläger dann - und nur dann - unschädlich, wenn es sich nicht um eine Schlecht-, sondern um eine Falschlieferung gehandelt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. a) Die Abgrenzung von Schlechtlieferung und Falschlieferung bei der Rügepflicht hat von jeher der Rechtsprechung - vor allem beim Gattungskauf (§480 BGB) - erhebliche Schwierigkeiten bereitet (Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 4.Aufl., §378 Anm.4; Brüggemann, Großkommentar HGB, 3.Aufl., §378 Anm.1). Sie waren nicht zuletzt der Grund für den Gesetzgeber des HGB, hinsichtlich der Obliegenheit zur Rüge die Lieferung eines aliud der mängelbehafteten Lieferung grundsätzlich gleichzustellen - mit der Folge allerdings, daß nunmehr die Rechtsunsicherheit auf die Abgrenzung von genehmigungsfähiger und nicht genehmigungsfähiger Falschlieferung (§378 HGB) verlagert ist. Ihren Grund finden diese Abgrenzungsschwierigkeiten in dem relativen Gattungsbegriff, wie er dem Kaufrecht zugrunde liegt(§480Abs.1 BGB i.V. §243 BGB bzw. 360 HGB). Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Vertragspartner es weitgehend in der Hand haben, durch genaue Bestimmung der für die zu liefernden Waren maßgeblichen Eigenschaften ganz eng begrenzte Warengattungen festzulegen - mit der Folge, daß oft nur geringe Normabweichungen sich bereits als Falschlieferungen darstellen. Insbesondere im Bereich der industriellen Fertigung hat die Bezugnahme auf eine Vielfalt von genau umrissenen, häufig nur geringfügig voneinander abweichenden Typen und Normen zu einer weitgehenden Auffächerung des Gattungsbegriffs geführt. b) Die Möglichkeit für die Vertragsparteien, auf diesem Wege die Grenze zwischen Schlecht- und Falschlieferung selbst festzulegen, findet jedoch ihre Schranke an der jeweiligen, der Bedeutung der Mängelrüge für den Handelsverkehr Rechnung tragenden Verkehrsauffassung. Diese ist maßgebend dafür, ob im Einzelfall die vertragliche Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit der zu liefernden Sache
1.118
Verkehrsauffassung bei Abweichungen von genormten Merkmalen
Sinn und Zweck der §§ 377f. HGB
sich bereits als Festlegung eines besonderen Gattungsmerkmals erweist oder ob die Parteien nicht vielmehr lediglich bestimmt haben, mit welchen besonderen Eigenschaften die aus einer vorgegebenen Gattung zu leistende Ware ausgestattet sein soll (vgl. Schlegelberger-Hefermehl, aaO., §378 Anm.4; Brüggemann, aaO., §378 Anm.4; Senatsurteil vom 7. 5.1969, Betr. 1969/1056). c) Allgemeine Maßstäbe für die Verkehrsauffassung lassen sich nicht aufstellen. Sie richten sich vielmehr nach den Besonderheiten der einzelnen Branche und des jeweiligen Liefergegenstandes. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob etwa im Holzhandel Bretter mit einer Dicke von 1 und 11/2 Zoll verschiedenen Warengattungen angehören (Schlegelberger-Hefermehl, aaO., §378 Anm.5; vgl. auch Brüggemann, aaO., §378 Anm.9). Es mag auch richtig sein, daß im Rahmen des ohnehin sehr umfassenden Gattungsbegriffs der „Schrauben" die unterschiedlichen Abmessungen jeweils wegen ihrer verschiedenen Verwendungsmöglichkeit zugleich spezielleren Gattungen angehören. Handelt es sich um einen bestimmten Gegenstand industrieller Fertigung, der zwar in verschieden genormten Abmessungen angeboten, im übrigen aber in der gleichen Form, aus dem gleichen Material und zu demselben einheitlichen Verwendungszweck hergestellt wird, so stellen jedenfalls die Normabweichungen nach der Verkehrsauffassung nicht eine Falschlieferung aus einer anderen Warengattung dar. Vielmehr sind sie, da sie von der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit abweichen (vgl. RGZ 161/334; BGHZ 16/55), lediglich fehlerhaft im Sinne des §377 HGB und unterliegen daher der uneingeschränkten Rügepflicht. d) Nur eine derartige Abgrenzung zwischen Schlecht- und Falschlieferung wird dem rechtspolitischen Sinn der Mängelrüge (§377f. HGB) und ihrer Funktion für eine reibungslose Abwicklung des Handelsverkehrs gerecht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 14.Oktober 1970 (aaO.) die Bedeutung der Mängelrüge in erster Linie darin gesehen, im Interesse einer raschen und endgültigen Abwicklung der Rechtsgeschäfte im Handelsverkehr einen späteren Streit über die Mangelhaftigkeit einer Ware und die mit zunehmendem Zeitablauf sich verstärkenden Beweisschwierigkeiten zu 101
1.118 vermeiden. Darum geht es hier allerdings nicht. Die nicht unerhebliche Abweichung in den Dimensionen und der statischen Belastbarkeit zwischen den bestellten und den ausgelieferten Wellstegträgern ist nicht umstritten. Auch der Beklagte räumt insoweit ein in seinem Verantwortungsbereich liegendes Versehen ein. Die Obliegenheit zur Rüge dient aber darüber hinaus auch einer interessengemäßen Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer im Handelsverkehr. Versehen kommen immer wieder vor. Auch wenn den Verkäufer insoweit ein Verschulden trifft, so hat er doch ein schutzwürdiges Interesse daran, von der bei einer zumutbaren Überprüfung zutage getretenen fehlerhaften Lieferung möglichst frühzeitig zu erfahren, um noch rechtzeitig vor einer Verarbeitung oder einem Einbau Ersatz liefern zu können und dadurch etwaige Mangelfolgeschäden, die unter Umständen den Wert der gelieferten Ware um ein Vielfaches übersteigen können, zu vermeiden. Gerade der vorliegende Fall, bei dem einem Verkaufspreis von etwa 2000 DM Schadensersatzansprüche gegenüberstehen, deren bezifferbaren Teil der Kläger mit nahezu 45000 DM angegeben hat, bestätigen das schutzwürdige Interesse des Verkäufers an einer umfassenden Obliegenheit zur Mängelrüge. Zugleich erweist sich damit, daß der Beklagte keineswegs rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er sich gegenüber Ansprüchen des Klägers auf Ersatz derartiger Mangelfolgeschäden auf die unterlassene Mängelrüge beruft. Geht man von einer derartigen Interessenabwägung aus, so besteht jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden- kein sachlich einleuchtenderGrund, die Lieferung einer im übrigen normgerechten, aber aus minderwertigem Material hergestellten Ware - also zweifellos eine sog. Schlechtlieferung - und die u.U. wesentlich leichter feststellbaren Normabweichungen unterschiedlos zu behandeln und letztere, sofern die Lieferung für den Käufer wertlos ist, von einer Rügepflicht freizustellen. Erkennbarkeit des Mangels (§ 377 II HGB)
102
3. Eine Obliegenheit des Klägers zur Rüge entfiel mithin nicht schon deswegen, weil es sich um eine nicht genehmigungsfähige Falschlieferung (§378 letzter Satzteil HGB) gehandelt hätte. Schließlich warder Fehler für den Kläger auch bei der Anlieferung der Wellstegträger auf der Baustelle un-
1.118
Erstreckung der Rügeobliegenheit auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
schwer erkennbar. Die Abweichung um ein Fünftel von der aus der Statik und der in dieser enthaltenen Zeichnung ersichtlichen Höhe der Träger war offensichtlich. Auf den Umstand, daß er als Laie die notwendige Höhe der Träger, die die Parteien unstreitig zum Vertragsinhalt gemacht hatten, der Statik ohnehin nicht habe entnehmen können, kann sich der Kläger nicht berufen. Übernahm er die Bestellung des Baumaterials selbst, so hätte er für eine Prüfung bei Lieferung durch eine sachkundige Person Sorge tragen und gegebenenfalls sicherstellen müssen, daß diese dabei die Statikoder-solltediesesich bei den dem Bauamt überreichten Unterlagen befunden haben - eine entsprechende Ablichtung zur Hand hatte. Durch die rügelose Entgegennahme der Wellstegträger gilt somit die streitige Lieferung in jeder Hinsicht als genehmigt (§377 Abs.2 HGB). Da der Beklagte mit der Berufung auf die unterbliebene Mängelanzeige auch nicht rechtsmißbräuchlich handelt, stehen dem Kläger somit Rechte aus der mangelhaften Lieferung jedenfalls gegenüber dem Beklagten nicht zu. Das gilt auch hinsichtlich der Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung (BGH, BB 1959/393 = NJW 1959/1081 = LM, Nr.6 zu §377 HGB).
Anmerkung:
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten
1. Im zwischenkaufmännischen Verkehr werden sehr häufig die kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten übersehen. Gemäß §§377,378 HGB ist beim Handelskauf (einschließlich des Werklieferungsvertrages über vertretbare Sachen) und gemäß §381 Abs.2 HGB auch beim Werklieferungsvertrag über unvertretbare Sachen der Empfänger der Ware verpflichtet, die Ware (a) unverzüglich zu untersuchen, soweit dies „nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang üblich ist", und (b) wenn sich ein Mangel zeigt, unverzüglich den Mangel anzuzeigen. „Unverzüglich" bedeutet dabei nach der Legaldefinition des § 122 BGB „ohne schuldhaftes Zögern". Handelt es sich also um erkennbare Mängel und werden die Untersuchung sowie gegebenen103
1.118 (Anm.) falls die Absendung der Mängelrüge nicht (rechtzeitig) vorgenommen, verliert der Käufer bzw. Besteller die ihm zustehenden Gewährleistungsrechte (§377 II HGB). Bei nicht sofort erkennbaren Mängeln (z. B. Langzeitverhalten oder mit zumutbaren Untersuchungsmethoden bzw. -mittein nicht erfaßbare Mängel) ist die Anzeige unverzüglich nach tatsächlicher Feststellung des Mangels zu machen (§377 III HGB). Falschlieferungen
2. Dies gilt nicht nur bei Lieferung mangelhafter Ware, sondem darüber hinaus auch bei Falschlieferungen (§378 HGB). Allerdings ist hinsichtlich der Falschlieferungen zwischen genehmigungsfähigen - nicht genehmigungsfähigen Falschlieferungen zu unterscheiden. Wich die gelieferte Waren „nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich ab, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte" (§378 HGB), gilt auch für derartige Falschlieferungen die Untersuchungsund die Rügeobliegenheit: obwohl es sich um eine Falschlieferung handelt, gilt die Lieferung bei Unterbleiben dieser Maßnahme als genehmigt und muß der Empfänger sie als Vertragserfüllung anerkennen. Wich die Ware dagegen so erheblich von der Bestellung ab, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte, ist der Empfänger nicht zur Untersuchung und erst recht nicht zur Rüge der Falschlieferung verpflichtet. Vielmehr stehen ihm uneingeschränkt die sich aus der Falschlieferung ergebenden gesetzlichen Rechte zu (insbesondere also der Erfüllungsanspruch: die Gewährleistungsansprüche sind, weil noch keine Erfüllung vorliegt, noch nicht anwendbar). Zur Abgrenzung zwischen Schlechtlieferung und Falschlieferung vgl. 1.105. 3. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß sich der Käufer gemäß §464 BGB seiner Gewährleistungsansprüche begibt, wenn er bei Gefahrübergang den Mangel festgestellt und trotzdem die Ware in Kenntnis des Mangels ohne Vorbehalt der sich aus dem Mangel ergebenden Rechte entgegengenommen hat (vgl. 1.148).
104
(Anm.) 1.118 Erstreckung der Präklusionsw i rku ng auf Schadenersatzansprüche?
4. Der Käufer bzw. Besteller verliert aber nicht nur die gesetzlichen Gewährleistungsrechte. Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich die Präklusionswirkung der §§377, 378, 381 HGB vielmehr auch auf eventuelle Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, soweit diese durch Mängel der gelieferten Sache ausgelöst wurden (1.115; 1.124; zur Rechtslage bei mangelhafter Verpackung vgl. 1.124). Handelt es sich also um einen erkennbaren Mangel, der gemäß §377 II HGB Gegenstand der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit ist und löst dieser Mangel später z. B. einen Sach-Mangelfolgeschaden des Käufers bzw. Bestellers aus, hat nach dieser Rechtsprechung der Käufer bzw. Besteller bei Unterlassen der (rechtzeitigen) Untersuchung und Rüge nicht nur die Gewährleistungsrechte, sondern auch Ansprüche auf Ersatz des Mangelfolgeschadens verloren (1.115; 1.123). Handelt es sich dagegen um einen nicht bzw. nicht mittels zumutbarer Untersuchungsmethoden erkennbaren Mangel, so besteht insoweit keine Untersuchungsobliegenheit. Löst der Mangel später einen Sach-Folgeschaden des Abnehmers aus, so sind eventuelle Ansprüche auf Ersatz des Mangelfolgeschadens mangels Verletzung der Untersuchungsobliegenheit nicht präkludiert. Eine ganz andere Frage ist dann, ob den Abnehmer unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens z. B. eine Verpflichtung zu einer Probeverarbeitung trifft und er sich die Verletzung dieser Verpflichtung als Mitverschulden entgegenhalten muß (vgl. 1.51). Im einzelnen vgl. zum Verhältnis zwischen den gemäß §§377, 378, 381 HGB bestehenden kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten einerseits, den im Rahmen des §254 BGB bestehenden Untersuchungspflichten andererseits Anm. zu 1.124. a) Es ist allerdings sehr fraglich, ob diese Rechtsprechung Bestand haben wird. Jedenfalls für Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen, die gemäß §651 BGB als Werkvertrag zu behandeln sind, gilt die ständige Rechtsprechung des BGH, daß die Verjährung der Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung unabhängig von der Verjährung der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte ist (1.125). Deshalb kann auch bei einem 4 Monate nach Gefahrübergang eingetretenen Mangelfolgeschaden noch nach weiteren 4 105
1.118 (Anm.) Monaten eine Schadensersatzklage erhoben und durchgesetzt werden, selbst wenn die in §638 BGB normierte sechsmonatige Gewährleistungsfrist abgelaufen ist. Im Kauf recht und damit auch für Werklieferungsverträge über vertretbare Sachen, die gemäß §651 BGB als Kaufverträge zu behandeln sind, findet zur Zeit eine Aufweichung der ebenso alten Rechtsprechung statt, daß entsprechend §477 BGB zugleich mit dem Ablauf der Gewährleistungsfrist auch die Haftung aus positiver Vertragsverletzung verjährt (vgl. 1.75). Darin spiegelt sich wider, daß von der Gesetzessystematik her die Gewährleistungshaftung einerseits, die im BGB nicht geregelte, erst von der Rechtsprechung entwickelte Mangelfolgeschadenhaftung für positive Vertragsverletzungen andererseits zu unterscheiden sind. Es ist m. E. logisch nicht begründbar, im allgemeinen Vertragsrecht jedenfalls für Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen die Mangelfolgeschadenhaftung von den engen Voraussetzungen der Gewährleistungshaftung zu lösen, andererseits aber im kaufmännischen Verkehr die Gewährleistungshaftung und die Mangelfolgeschadenhaftung für positive Vertragsverletzungen als Einheit zu behandeln, b) Hinzu kommt, daß in vielen Fällen ein tatsächlich erkannter Mangel nicht unbedingt auch zu Mangelfolgeschäden führen muß. Gewährleistungsrechtlich mag der Käufer bzw. Besteller sich deshalb trotz Erkennung des Mangels (z. B. aus Belieferungsschwierigkeiten) doch für die Annahme der Ware entscheiden. Hat er sich aber hinsichtlich der Möglichkeit oder des Umfangs eines durch den Mangel ausgelösten Mangelfolgeschadens geirrt oder hat sich z. B. eine für unwahrscheinlich gehaltene Gefahr realisiert, ist es nicht gerechtfertigt, ihm hinsichtlich dieses Mangelfolgeschadens Schadensersatzansprüche nur deshalb zu versagen, weil er gewährleistungsrechtlich die Ware trotz des Mangels akzeptiert hat. Gewährleistungsrechtlich besteht also eine ganz andere Fragestellung als hinsichtlich der Haftung für Mangelfolgeschäden. Im Rahmen der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten gilt das starre Alles-odernichts-Prinzip. Im Rahmen der Schadensersatzhaftung für Mangelfolgeschäden dagegen besteht über das zu berücksichtigende Mitverschulden (§254 BGB) eine sachgerechte 106
(Anm.) 1.118
Begrenzung auf zweiseitige Handelsgeschäfte
Anforderungen an die Untersuchungsobliegenheiten Dauer der Untersuchungsfrist
Möglichkeit, einen etwaigen schuldhaften Schadenverursachungsbeitrag des Geschädigten mittels Aufteilung der Schadenstragung angemessen zu erfassen (vgl. z.B. 1.51). Dies ist sehr viel sachgerechter. c) Eine Erstreckung der in §§377, 378, 381 HGB normierten Präklusionswirkung auf mit Mängeln der Sache begründete Schadensersatzansprüche ist deshalb m. E. nicht sachgerecht. Dem Sinn und Zweck der Vorschriften entspricht es, die Präklusionswirkung auf den gewährleistungsrechtlichen Bereich zu beschränken (ebenso Hönn, BB 1978/685,688). 5. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften ist, daß es sich um ein zweiseitiges Handelsgeschäft handelt, d. h. daß sowohl Käufer bzw. Besteller als auch Verkäufer bzw. Lieferant Kaufleute sind. Unerheblich ist dabei, ob es sich um Vollkaufleute oder Minderkaufleute handelt (BGH, BB 1975/717 = NJW 1975/2011, 2012). 6. Zu der Frage, wann eine Untersuchungspflicht besteht und wann nicht bzw. welche Sorgfaltsanforderungen hier an den Käufer bzw. Besteller zu richten sind, vgl. 1.51; 1.105; 1.115; 1.118; 1.123; 1.135; 1.137. Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Mängelrüge vgl. 1.150. 7. Auch die für die Untersuchung bzw. die Durchführung der Mängelanzeige geltende Frist kann nicht allgemein umrissen werden. Vielmehr kommt es hier auf die Umstände des Einzelfalles an: je komplizierter, aufwendiger und/oder zeitraubender die zumutbare Untersuchung ist, um so länger ist die Zeit. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, daß §§377, 378, 381 HGB ausgesprochene Verkäufer- bzw. Lieferantenschutzvorschriften sind. Die Vorschriften dienen dem Schutz des Verkäufers bzw. Lieferanten: „Dem Interesse des Käufers an einer ordnungsgemäßen Erfüllung steht das ebenfalls schutzwürdige Interesse des Verkäufers gegenüber, von bei zumutbarer Prüfung zutage tretenden Mängeln der von ihm gelieferten Sache möglichst rasch zu erfahren und dadurch einen drohenden Schaden noch rechtzeitig abwenden zu können. Die an die unterbliebene Rüge geknüpfte Folge, daß damit die Kaufsache uneingeschränkt als genehmigt gilt, kann den Käufer insbesondere dann hart treffen, wenn die Schlecht- oder Falschlieferung durch den Verkäufer auf dessen grobfahrlässigem oder leichtfertigem 107
1.118 (Anm.)
Formularmäßige Milderung bzw. Abbedingung in Allg. Einkaufsbedingungen
Risiken des Vertrauens auf Allg. Einkaufsbedingungen
108
Verhalten beruht, während er selbst lediglich durch Nachlässigkeit eine rechtzeitige Untersuchung und Rüge versäumt hat. Im Interesse einer reibungslosen und raschen Abwicklung des Handelsverkehrs muß der Käufer diese Nachteile im Bereich der Gewährleistung deswegen hinnehmen, weil typischerweise die Feststellung von Mängeln mit zunehmendem Zeitablauf unvertretbar erschwert würde (1.124 und 1.137). Da es sich um eine Verkäufer- bzw. Lieferantenschutznorm handelt, werden also an die dem Käufer bzw. Besteller obliegenden Untersuchungspflichten hohe Anforderungen gestellt, so daß die Untersuchungs- und die Rügefrist knapp bemessen werden. 8. Im Hinblick auf die Präklusionswirkung und die in sachlicher sowie in zeitlicher Sicht an den Käufer bzw. Besteller gestellten relativ hohen Anforderungen stellen also die kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten für den Käufer bzw. Besteller ein erhebliches Geschäftsrisiko dar. Deshalb wird in Allgemeinen Einkaufsbedingungen im allgemeinen versucht, dieses Risiko mittels - Verlängerung der Unverzüglich-Frist z. B. auf ein oder zwei Wochen oder aber - vollständige Abbedingung der kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten zu lösen. Die Rechtswirksamkeit derartiger Klauseln wird von der Rechtsprechung anerkannt. An sich wäre damit dieses spezifische Risiko für den Käufer bzw. Besteller gebändigt. In der Praxis ergibt sich aber gerade im zwischenkaufmännischen Verkehr in ständig zunehmendem Maß die Problematik des Aufeinandertreffens von Allgemeinen Einkaufsbedingungen mit den Allgemeinen Verkaufsbedingungen des Lieferanten. Hier ist es letztlich eine Frage des Einzelfalles, ob (a) die Allgemeinen Verkaufsbedingungen, (b) die Allgemeinen Einkaufsbedingungen oder (c) keines der beiden Bedingungswerke, sondern die allgemeinen Rechtsregeln gelten. Nur in sehr wenigen Fällen kann sich der Käufer bzw. Besteller darauf verlassen, daß den Bezugsverträgen auch tatsächlich seine Einkaufsbedingungen zugrunde liegen. Es muß in der Praxis vielmehr mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, daß wegen des Kollidierens der Ein-
1.119 kaufsbedingungen mit Verkaufsbedingungen des Lieferanten entweder die gesetzliche Regelung oder aber die Verkaufsbedingungen des Lieferanten gelten: in beiden Fällen besteht für den Besteller bzw. Käufer die Untersuchungsund die Rügeobliegenheit und damit die Gefahr des Verlustes seiner Gewährleistungsrechte und darüber hinaus eventuell auch von Ansprüchen aus positiver Vertragsverletzung (vgl. oben, Nr. 3). Wenn Einkaufsbedingungen verwendet werden, müssen diese also unbedingt die Abbedingung der kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten enthalten. Der Käufer bzw. Besteller sollte sich damit aber nicht begnügen, sondern organisatorisch im Wege der Wareneingangskontrolle für eine unverzügliche und ausreichende Untersuchung und gegebenenfalls Mängelrüge Sorge tragen. Dies gilt sowohl für Hersteller- als auch für Handelsunternehmen.
1.119: BGH, 24. 6. 1975, VI ZR 72/74
Der Kläger wurde von dem Erstbeklagten, dem Chefarzt Dr. K, operativ versorgt. Das Narkosegerät bediente die dem Operateur als Assistentin zugeordnete Zweitbeklagte, eine Ärztin ohne Fachausbildung, die in zahlreichen Fällen Narkosen ausgeführt hatte. Im Anschluß an die Operation zeigten sich bei dem Kläger neurologische Ausfallerscheinungen mit Krampfbereitschaft, die auf eine Stammhirnschädigung zurückgeführt werden. Der Kläger führt seinen Zustand auf fehlerhafte Durchführung der Intubationsnarkose zurück. Das Landgericht hat die Klage gegenüber dem Chefarzt abgewiesen. Das Berufungsgericht bejahte das Verschulden der Zweitbeklagten, indem es zwei mögliche Ursachen in Betracht zieht, nämlich entweder eine fehlerhafte Beschaffenheit des Tubus, nämlich einen Fabrikationsfehler oder einen Alterungsschaden, oder aber eine Benutzung unter Verwendung eines zu hohen Druckes. 109
1.119 Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten
Verwendung von Hilfspersonen
Schwere der Gefahren und Möglichkeit sowie Zumutbarkeit
Auswahl- und Überwachungshaftung
Persönlicher Verantwortungsbereich 110
1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts haben insoweit keinen Bestand, als es auch eine fehlerhafte Beschaffenheit des Tubus in jedem Fall der Zweitbeklagten zur Last legen will. Die Meinung, die Zweitbeklagte habe auf jeden Fall die Pflicht gehabt, den einwandfreien Zustand des Tubus selbst zu prüfen, hat aufgrund der bisherigen Feststellungen keinen Bestand. Die vom Berufungsgericht angeführte Tatsache, daß eine unterlassene oder ungenaue Prüfung des Tubus schwere Folgen zeitigen kann, ergibt in dieser Hinsicht nichts. Die Verwendung nicht ärztlicher Hilfspersonen ist aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht wegzudenken. Es ist auch unvermeidlich, daß diesen Hilfspersonen im Einzelfall ein hohes Maß von Verantwortung zufällt-so im gesamten Bereich der Aseptik, bei hochentwickelten technischen Geräten, deren Funktion verläßlich oft nur von einem Techniker zu kontrollieren ist, oder bei der Bereitstellung von Medikamenten und anderen Chemikalien. In all diesen Bereichen ist dem Arzt ein persönliches Tätigwerden im Einzelfall teils aus Gründen der wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht zumutbar, teils auch wegen der Grenzen seiner fachlichen Kenntnisse gar nicht möglich. Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. 2. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzte eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt. Daß dies hier der Fall gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. Denn es handelte sich darum, die rein mechanische Funktionsfähigkeit eines verhältnismäßig einfachen Geräts zu prüfen. 3. Deshalb spricht derzeit alles dafür, daß sich die Sorgfaltspflicht des verantwortlichen Arztes darin erschöpfte, die fachliche und charakterliche Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft zu überwachen und zu gewährleisten, daß sie sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewußt blieb. Daß diese Überwachung im Streitfall vernachlässigt worden wäre, stellt das Berufungsgericht indessen nicht fest. Vor allem fehlt ein Anhalt dafür, daß sie zum Aufgabenbereich der Zweitbeklagten ge-
1.119
Haftung bei überobligationsmäßigem Handeln
hörte. Der Umstand, daß sie als verhältnismäßig junge Assistenzärztin nur von Fall zu Fall zur Durchführung von Narkosen herangezogen wurde, spricht eher dagegen. Das Unterlassen einer eigenen Prüfung könnte ihr daher nicht zum Verschulden gereichen, wenn sie nach den Umständen damit rechnen durfte, daß die Prüfung bereits durch eine befähigte und zuverlässige Hilfskraft geschehen sei. 4. Hat die Zweitbeklagte dagegen eine eigene Prüfung des Tuches tatsächlich vorgenommen, hätte sie mehr getan, als sie schuldig war. Dann könnte sich ihre Verantwortung nur daraus ergeben, daß sie Mängel des Tuches tatsächlich erkannt, sich den Folgerungen aus dieser Erkenntnis aber schuldhaft verschlossen hätte. In dieser Richtung sind keine Feststellungen getroffen.
Anmerkung:
1. Die Entscheidung ist über den Bereich der Arzthaftung hinaus auch für das Produkthaftungsrecht interessant, weil sie einen Beleg für die deliktsrechtliche Eigenhaftung des Mitarbeiters ergibt (vgl. dazu 1.85 nebst Anmerkung). 2. Voraussetzung für eine deliktsrechtliche Eigenhaftung von Mitarbeitern ist aber stets, daß die schadenverursachende Handlung auch tatsächlich im Verantwortungsbereich des betreffenden Mitarbeiters liegt. Auch gegenüber dem Mitarbeiter muß also der Fehler-Nachweis geführt werden. „Fehler" ist in diesem Fall eine Verletzung von gerade dem betreffenden Mitarbeiter obliegenden Pflichten. Dies ist im Spannkupplungen-Urteil des Bundesgerichtshofs (1.85) für jeden der beklagten Beteiligten getrennt untersucht und auch unterschiedlich entschieden worden. Auch im obigen Fall wurde konsequenterweise geprüft, welche Pflichten der beklagten Narkoseärztin oblagen, indem ausdrücklich überprüft wurde, ob die entscheidungserhebliche Pflichtverletzung zu ihrem Aufgabenbereich gehörte.
111
1.120
1.120: BGH, 23.9.1975, VI ZR 62/73 (Schweißarbeiten)
Verjährung: § 852 BGB
112
Die Zweitbeklagte wurde mit der Vornahme bestimmter Schweißarbeiten beauftragt. Die Durchführung übernahm der bei ihr beschäftigte Erstbeklagte, der einen Glimmbrand verursachte. Der Erstbeklagte wurde aus §823 Abs. 1 BGB wegen Nichtbeachtung der Brandverhütungsvorschriften, die Zweitbeklagte wegen schuldhafter Vertragsverletzung und Haftung für den Erstbeklagten gemäß §278 BGB verklagt. 1. Der Geschädigte hat erst dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen, wenn ihm Tatsachen bekannt werden, die auf den Schädiger und auf ein schuldhaftes Verhalten hinweisen. Diese Kenntnis braucht sich aber nicht auf alle Einzelheiten der schädigenden Tat zu erstrecken. Sie muß soweit gehen, daß der Geschädigte in der Lage ist, eine Schadensersatzklage erfolgversprechend zu begründen (BGHZ 6/195,202; BGH, VersR 1974/197,198). Daher genügt es, wenn er soviel an Tatsachen erfahren hat, daß ihm die Erhebung der Klage mit hinreichender Erfolgsaussicht zuzumuten ist. Hinsichtlich der Person des Ersatzpflichtigen genügt es grundsätzlich, wenn der Geschädigte Umstände kennt, die ohne nennenswerte Mühe zur Feststellung von Namen und Adresse des Schädigers führen (BGH, VersR 1973/841 = NJW 1973/1496). Ohne Rechtswirkung hat das Berufungsgericht angenommen, D habe sich die Überzeugung aufdrängen müssen und aufgedrängt, daß der Brand durch Schweißarbeiten der Zweitbeklagten hervorgerufen worden war. Daran hat von Anfang an keine der Beteiligten gezweifelt, obwohl das eigentliche Feuer im unteren Dachboden ausgebrochen war. Es gab keinen Hinweis auf eine andere Brandursache. Dann liegt aber der Schluß des Berufungsgerichts auf die Kenntnis des D von den wesentlichen Umständen, wie es zu dem Brand gekommen war und auf die in Frage kommenden ersatzpflichtigen Personen im Bereich möglicher tatrichterlicher Würdigung. Ob den beim Schweißen beschäftigt gewe-
1.120 senen beiden Arbeitern letztlich ein Verschulden am Ausbruch des Brandes nachzuweisen sein werde, berührte die in §852 BGB vorausgesetzte Kenntnis nicht; denn der Beginn der Verjährung hängt nicht davon ab, ob der anzustrengende Prozeß mehr oder weniger risikolos erscheint (BGHZ 6/195, 207; BGH, VersR 1973/232). Daß noch Gutachten zur Sicherung und Untermauerung der Einzelheiten des Brandausbruchs ausstanden, ist für die Kenntnis i.S. von §852 BGB ohne Belang. (Deshalb wurde die gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage wegen Verjährung abgewiesen.)
Sorgfaltsanforderungen: Brandverhütungsvorschriften
Sorgfaltsanforderungen
2. Die Haftung der Zweitbeklagten ergibt sich daraus, daß der Erstbeklagte bei den Schweißarbeiten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen (§276 Abs.1 Satz2 BGB) und so eine der Zweitbeklagten obliegende vertragliche Nebenpflicht des Werkvertrags verletzt hat. Der Erstbeklagte hat bei den Schweißarbeiten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen (§276 Abs.1 Satz2 BGB) und so eine vertragliche Nebenpflicht des Werkvertrags verletzt. a) Art und Umfang der Sorgfaltspflichten ergaben sich für ihn im wesentlichen aus den Brandverhütungsvorschriften, wiesie in der Bayerischen Landesverordnung über die Verhütung von Bränden niedergelegt sind. Brandverhütungsvorschriften sind der Niederschlag langer Erfahrungen von Fachleuten. Sie dürfen nicht nach Gutdünken von einem schweißenden Arbeiter durch andere, von ihm als ausreichend angesehene Maßnahmen ersetzt werden, etwa weil die Befolgung der Vorschriften technische Schwierigkeiten bereiten könnte. Gerade Schweißarbeiten sind wegen der außerordentlich hohen Temperaturen und des in seinem Ausmaß nicht voraussehbaren Verspritzens kaum sichtbarer Schweißperlen und Schweißfunken besonders gefährlich. Deshalb müssen die einschlägigen Sicherungsvorschriften streng befolgt werden. b) Den Erstbeklagten vermag es nicht zu entlasten, daß er die leichte Entflammbarkeit der Kupferfolie, die als Ummantelung der Seidenzopf isolierung diente, nicht kannte und nach seinen Erfahrungen meinte, er werde eines etwaigen Glimmbrandes des Seidenzopfes ohne weiteres Herr werden 113
1.120
Üblichkeit der vorgenommenen Maßnahmen und rechtlich erforderliche Maßnahmen Voraussehbarkeit des Schadeneintritts
Adäquanztest: haftungsausfüllende Kausalität
114
können. Es kommt für seine zivilrechtliche Haftung nicht darauf an, ob gerade er nach seinen besonderen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage war, die konkrete Brandgefahr abzuschätzen. Maßgebend ist vielmehr, was von einem Schweißer objektiv an Sorgfalt erwartet werden kann und muß. Die Beachtung der üblichen Sorgfalt reicht nicht (BGHZ 8/138,140 = VersR 1953/67, 68). Das ist zu allererst die Kenntnis und Beachtung der Brandverhütungsvorschriften. Ihre Außerachtlassung stellt bereits einevorwerfbare Verletzung der konkreten Sorgfaltspflicht dar und begründet in der Regel für sich allein den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Daß die Unterlassung vorgeschriebener Sicherungsmaßnahmen zur Entstehung eines Brandes führen kann, ist voraussehbar, und die Ersetzung dieser vorgeschriebenen Maßnahmen durch andere, subjektiv für ausreichend gehaltene, schließt die Voraussehbarkeit nicht aus. Fahrlässigkeit setzt nur die Fähigkeit voraus, bei Anspannung der im Verkehr erforderlichen Aufmerksamkeit Gründe und Anlaß dieser Sorgfaltspflichten zu erkennen und sein Verhalten nach dieser Einsicht zu bestimmen. Damit muß nur die Pflichtensituation als solche erkennbar sein, nicht aber die konkrete Schädigungsart oder gar die Schadenhöhe. Deswegen ist es ohne Belang, wie der Erstbeklagte die (ihm bis dahin unbekannte) leichte Entflammbarkeit der vorgefundenen Isolierung einschätzte, selbst wenn diese für einen Fachmann überraschend gewesen sein sollte. Gerade die Fremdheit des vorgefundenen Materials, noch dazu bei Arbeiten auf einem besonders brandgefährdeten Holzdachboden eines alten Gebäudes, legte die strikte Befolgung der Brandverhütungsvorschriften nahe, c) Die vom Erstbeklagten nicht erkannte leichte Entflammbarkeit der Kupferfolie rechtfertigt es auch nicht, den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen seiner Handlung und dem Brandausbruch zu verneinen. Die Entstehung einer (nicht mit den vom Erstbeklagten für ausreichend gehaltenen Mitteln zu erstickenden) Brandes lag keineswegs außerhalb jener Voraussehbarkeit. Eher handelt es sich um den typischen Verlauf eines Brandes aufgrund fahrlässig ausgeführter Schweißarbeiten.
.121 Verjährung bei Anspruchskonkurrenz
d) Der Schadensersatzanspruch des klagenden Landes gegen die Zweitbeklagten wegen schuldhafter Vertragsverletzung unterliegt nicht deshalb der kurzen Verjährungsfrist des §852 BGB, weil der Sachverhalt gleichzeitig einen Anspruch aus unerlaubter Handlung rechtfertigen könnte. Vertragliche Ansprüche verjähren, soweit nichts anderes bestimmt ist, unabhängig von der Verjährung konkurrierender Ansprüche aus unerlaubter Handlung erst in 30 Jahren. Das gilt auch für den hier gegebenen Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung für (entfernte) Mangelfolgeschäden (vgl. u.a. BGHZ 46/238, 239 = VersR 1967/ 160, 161). Die durch den Abschluß eines Vertrages hergestellte besondere Beziehung zwischen den Vertragspartnern rechtfertigt für sich allein schon eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsfolgen (einschließlich der Bemessung der Verjährungsfristen) von Ansprüchen aus Verletzung der Vertragspflichten gegenüber den für unerlaubte Handlungen geltenden Rechtsfolgen, bei denen diese Beziehung vor dem Eingriff in die Sphäre des Verletzten fehlt, e) Mithin ist die Zweitbeklagte, die für den Erstbeklagten nach §278 BGB einzugestehen hat, wegen fahrlässiger Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten aus dem Werkvertrag dem klagenden Land zum Ersatz verpflichtet.
1.121: BGH, 7 . 1 0 . 1975, VI ZR 43/74 (Entsorgung)
Verkehrssicherungspflicht
Die Klägerin, ein städtisches Wasserwerk, verlangt Ersatz von Aufwendungen, die ihr infolge Verseuchung des Grundwassers im Einzugsgebiet des Wasserwerks durch Mineralölabfälle entstanden sind. Nach ihrer Behauptung stammen die ölabfälle von dem beklagten Großunternehmen, das der mitbeklagten V-GmbH auf Empfehlung des ebenfalls beklagten Architekten B. ölabfälle zur Abfuhr und schadlosen Verbrennung übergeben hatte. 1. Der Produzent solcher Industrieabfälle, die ohne besondere Vorkehrungen eine Quelle von Umweltgefahren sind, 115
1.121
Entsorgungshaftung
Sorgfaltsanforderungen: Grad der Gefährlichkeit Verhältnismäßigkeit zwischen Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahme
116
ist unbeschadet weiterer besonders normierter Verhaltensregeln und der sich daraus etwa aus §823 Abs.2 B G B ergebenden Rechtsfolgen bereits aufgrund der aus §823 Abs.1 B G B abgeleiteten Verkehrssicherungspflicht gehalten, das Erforderliche zu tun, damit sich die (potentiellen) Gefahren nicht zum Schaden Dritter auswirken können. Wie dem Warenhersteller solche Pflichten hinsichtlich der von ihm in Verkehr gebrachten Waren obliegen (BGHZ 51 /91,97,105 = 1.51), hat er im Rahmen des Zumutbaren und Verkehrsüblichen auch für die Abwehr von Gefahren seiner bei der Produktion anfallenden Erzeugnisse „mit negativem Wert" zu sorgen. Daß diese nicht für den Absatz bestimmt sind, ist hierfür ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, daß ihre Herstellung erlaubt ist. Entscheidend ist allein, daß der Hersteller die Gefahrenquelle geschaffen hat und sie daher gegenüber Dritten sichern muß, soweit ihm das möglich und zumutbar ist. Dieser allgemeine Grundsatz des Deliktsrechts (BGHZ 5/378,380; 14/83,85; 60/54,55) findet, soweit es um die objektive Zurechenbarkeit geht, eine Entsprechung in dem das öffentliche Recht des Umweltschutzes ebenfalls beherrschenden Leitbild, daß für die Kosten einer Umweltbelastung aufkommen soll, wer für ihre Entstehung verantwortlich ist. 2. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die hier in Rede stehenden mineralölhaltigen Abfallstoffe bei unsachgemäßer Lagerung und Beseitigung vor allem für den Grundwasserhaushalt gefährlich sind. Wegen dieser Umweltgefährlichkeit, zumal im Blick auf die Menge der anfallenden Mineralölabfälle der Beklagten (ca. 370t in etwa 2 Monaten), waren deshalb an ihre Sorgfalt bei Lagerung und Vernichtung ihrer Abfälle strenge Anforderungen zu stellen. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben, daß die schadlose Vernichtung der Abfälle schon technisch schwierig war, also besondere Anforderungen an Beseitigungsmethode und -anlage stellte, da deren Fehlen die Gefahr unsachgemäßer oder nicht vollständiger Vernichtung näher rückte, zumindest größere Lagerkapazitäten und längere Lagerzeiten mit den sich daraus ergebenden Gefahren erforderte. Zur Schwierigkeit der Abfallbeseitigung konnte es sich auf den
1.121
Einschaltung eines Drittunternehmers
Überprüfungspflichten
Überspannung der Sorgfaltsanforderungen
Überwachungsund Eingriffspflichten Drittunternehmer-Auswahlhaftung
eigenen Vortrag der Beklagten stützen, der - obwohl ein großes Unternehmen der Petrochemie - die schadlose Beseitigung der Abfallstoffe trotz Versuchen selbst nicht gelungen war. 3. Dem Berufungsgericht ist weiter dahin beizupflichten, daß die Beklagte zwar die Lagerung und Vernichtung ihrer Abfälle nicht notwendig selbst besorgen mußte, sondern dies auch einem selbständigen, mangels der hierfür erforderlichen Abhängigkeit nicht als ihr Verrichtungsgehilfe i.S. von §831 BGB geltenden Unternehmen übertragen konnte. In solchem Fall mußte sie sich aber darum kümmern, daß die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung Dritter durch die Beseitigung ihrer ölabfälle von diesem Unternehmen sachgemäß getroffen wurden. Gewiß sind der Beaufsichtigung eines Fachunternehmens durch das Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, die Selbständigkeit und Weisungsunabhängigkeit des Beauftragten Grenzen gesetzt. Es würde eine den wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten nicht gerecht werdende Überspannung der Sorgfaltsanforderungen bedeuten, wenn dem Auftraggeber angesonnen würde, die Arbeitsweise des Beauftragten auf Schritt und Tritt zu kontrollieren. Andererseits wird der Verkehrssicherungspflichtige von seiner Verantwortung für die von ihm geschaffenen Gefahrenquellen nicht immer schon dadurch freigestellt, daß eine andere Stelle aufgrund eines Vertrages zu ihrer Sicherung ebenfalls verpflichtet ist. Vielmehr kann er, wenn es die Umstände erfordern, etwa bei besonders erhöhter Gefahrenlage (vgl. BGH, VersR 1965/38,40) oder wenn ernster Anlaß zu Zweifeln besteht, ob der Beauftragte den Gefahrenund Sicherheitserfordernissen ausreichend Rechnung tragen will (BGH, VersR 1966/145, 146), verpflichtet sein, die Arbeiten des beauftragten Unternehmens zu überwachen und notfalls selbst einzugreifen (vgl. auch BGH, VersR 1975/87, 88). 4. Vor allem wird er von seiner Verantwortung nicht entlastet, wenn er ein Unternehmen heranzieht, das keine Gewähr für die Beachtung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen bietet. Denn dann rückt er durch die Übertragung seiner Sicherungsaufgabe auf ein solches Unternehmen die Gefahr 117
1.121 einer Schädigung Dritter nur noch in größere Nähe. In solchem Fall kann er sich nicht etwa darauf berufen, daß ihm durch die Einschaltung eines selbständigen Unternehmens die Einflußmöglichkeit auf die Gefahrenquelle beschnitten ist. Die Möglichkeit, den Beauftragten sorgfältig auszusuchen, war ihm eröffnet. Je enger die Grenzen seiner Einflußnahme durch die Selbständigkeit des beauftragten Unternehmens gezogen sind, um so ernster muß die Pflicht zu sorgfältiger Auswahl des Unternehmens genommen werden. Er hat deshalb dafür einzustehen, wenn sich Gefahren verwirklichen, die er selbst durch die Heranziehung eines unzuverlässigen Unternehmens geschaffen hat. Verantwortungsverteilung zwischen Hersteller und Entsorgungsunternehmen
5. Für die haftungsrechtliche Wertung bei der Beurteilung und Abgrenzung der Verantwortungsbereiche fällt jedenfalls entscheidend ins Gewicht, daß die bei der Mineralölherstellung anfallenden Abfälle und ihre Beseitigung gewissermaßen als ihre ,,negative" Seite zur Herstellung des Produkts gehören und daher ihre Vernichtung nach der Verkehrsauffassung eine Angelegenheit des Herstellers ist und bleibt, während die „Vernichtung" des Mineralöls bestimmungsgemäß durch die Verbraucher erfolgt. Entschließt sich der Hersteller zur Produktion von Mineralöl, so muß er auch für die gefahrlose Vernichtung der Abfälle sorgen, zumal sie regelmäßig besondere Vorkehrungen verlangt; jedenfalls kann dann, wenn durch seine Abfälle jemand geschädigt worden ist, auch auf seine bürgerlich-rechtliche Verantwortlichkeit zurückgegriffen werden. Zieht er zur Abfallbeseitigung einen Dritten hinzu, so sind es seine Verkehrssicherungspflichten, die er durch den Dritten erfüllen läßt.
Drittunternehmer-Auswahlhaftung
6. Es kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß die Beklagte bei den gebotenen und ihr zumutbaren Nachforschungen vor Auftragserteilung hätte erkennen müssen, daß das von ihr beauftragte Unternehmen damals keine Gewähr für eine schadlose Vernichtung der Abfälle bot und daß, wenn es in der von der Klägerin behaupteten Weise die Abfälle beseitigt haben sollte, sich Gefahren verwirklichten, die die Beklagte infolge mangelnder Sorgfalt bei der Auswahl des Unternehmens zu verantworten hat.
118
1.121 a) Ohne Rechtsfehler entnimmt das Berufungsgericht seine kritische Beurteilung der V-GmbH, den primitiven Verhältnissen, unter denen die als Provisorium errichtete Anlage betrieben wurde, insbesondere dem Umstand, daß die vier Öfen und elf Ölfässer, in denen die Rückstände verbrannt werden sollten sowie die Tanks, in denen die Abfälle bis zu ihrer Vernichtung gelagert wurden, weder durch Betonwannen noch andere geeignete Vorkehrungen dagegen gesichert waren, daß die Abfälle beim Befüllen, Entleeren oder einem Schadhaftwerden der Behälter in den Erdboden oder von dort in das Grundwasser gelangten. Diese Gefahr wurde noch dadurch erhöht, daß die Abfälle mit der Hand in Eimern von den Tanks in die Fässer transportiert wurden, wenn Motor- und Handpumpe versagten. Solche Verfahrensweise entsprach nicht den Bestimmungen des §34 Abs.2 Satzl WHG, nach denen selbst dort, wo dies außerhalb eines Wasserschutzgebiets geschieht, Stoffe nur so gelagert oder abgelagert werden dürfen, daß eine Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaft nicht zu besorgen ist.
Verfahrensausstattung des Drittunternehmers
Zuverlässigkeit der Drittunternehmer
b) Daß die Anlage auf dem über dem Müll aufgebrachten Lehmboden errichtet war, räumte eine Verunreinigung des Grundwassers durch austretendes Öl - sei es auch nur infolge Vermischung mit Niederschlagswasser - nicht mit der erforderlichen Sicherheit aus. Deshalb mußten zum Schutz des Grundwassers besondere Vorkehrungen getroffen werden, die ein Austreten von Öl in den Boden durch Schadhaftwerden der Behälter infolge von Korrosion, aufgrund von Material- oder Konstruktionsfehlern oder durch Überlaufen beim Befüllen oder Entleeren zuverlässig verhinderten. c) Die Beklagte hätte erkennen müssen, daß die Anlage bei der Auftragserteilung die einfachsten Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des Grundwassers vermissen ließen und in diesem Zustand keinerlei Gewähr für eine schadlose Beseitigung ihrer Abfälle bot, vor allem, wenn sie die Menge der zu vernichtenden Stoffe in Rechnung stellte. Dann waren entsprechende Schlüsse auch auf die Zuverlässigkeit der Unternehmensführung, die sich in dieser groben Weise über einfachste Sicherheitsanforderungen hinweggesetzt hatte, geboten. Bei so offensichtlichen, groben Mißständen lag es 119
1.121 dann für die Beklagte auch nicht außerhalb der Voraussehbarkeit, wenn die V-GmbH bei der Beseitigung der ölabfälle den Schutz des Grundwassers auch sonst nicht ernstgenommen hat. Überprüfungspflicht
120
d) Zu solcher Unterrichtung über die betrieblichen Verhältnisse der V-GmbH war die Beklagte aufgrund ihrer Verkehrssicherungspflicht verpflichtet, bevor sie dieser ihrer ölabfälle überließ. Daß im damaligen Zeitpunkt Mißstände bei der Beseitigung von Industrieabfällen noch nicht nachhaltig in das Bewußtsein der Öffentlichkeit und der beteiligten Industrien gedrungen sein mögen, kann die Beklagte hiervon nicht entlasten. Möglichkeiten und Gefahren einer sachwidrigen Beseitigung solcher Abfälle mußten ihr aufgrund ihrer Sachkunde bekannt sein, e) Von dieser sich aus ihrer Verkehrssicherungspflicht ergebenden Verpflichtung über derartige Erkundungen wäre die Beklagte nur befreit gewesen, wenn sie auf andere Weise zuverlässige Auskunft über die Eignung der V-GmbH für die übertragenen Aufgaben erhalten hätte. Es ist davon auszugehen, daß die Beklagte auf die Empfehlungen des Architekten B allein nicht bauen durfte, auch wenn sie ihn als zuverlässigen Sachverständigen für ö l schadenbeseitigung kennengelernt und er ihr als solcher vom Wasserwirtschaftsamt und von dem Abteilungsleiter ihres Versicherers empfohlen worden sein sollte. Ob dies auch dann zu gelten hätte, wenn der Architekt B mit der V-GmbH nicht persönlich verbunden gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war der Beklagten bekannt, daß der Architekt B das Unternehmen zusammen mit seiner Ehefrau gegründet hatte und daß er praktisch die Geschäfte der VGmbH führte. Die Beklagte mußte deshalb die von ihm gegebenen Auskünfte in erster Linie als solche des Mitinhabers und Interessenten an der Vergabe des Auftrags beurteilen. Als neutralen Berater, dessen Angabe sie vorbehaltlos vertrauen konnte, durfte sie ihn nicht sehen. In solchen Fällen kann der Umstand allein, daß der Auskunftgeber Sachkunde über die an eine ordentliche Beseitigungsanlage zu stellenden Anforderungen wiederholt unter Beweis gestellt haben mag, nicht wie hier notwendige Gewißheit darüber beschaffen, daß sich diese Sachkunde in der Ausstattung und Füh-
1.121 rung des von ihm geleiteten Unternehmens niedergeschlagen hat. Das hing auch von anderen Faktoren, insbesondere den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens, ab, über die aber die Beklagte keine Kenntnis hatte. Ihre Kenntnis bezog sich auf die Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit des Architekten B als Sachverständigen, nicht aber auf ihn als Unternehmer. Allein auf letzteres kam es aber an. Zudem hat der Architekt B seine Auskunft zu einem Zeitpunkt gegeben, als die Anlage noch nicht fertiggestellt war. Seine Auskunft ließ offen, inwieweit das Vorhaben bei Auftragserteilung überhaupt so verwirklicht war, daß dem jungen Unternehmen solche große Menge an ölabfällen anvertraut werden konnte. BeurteilungsZeitpunkt
f) Es kommt ebensowenig darauf an, ob das Unternehmen der V-GmbH heute als mustergültig anerkannt ist. Maßgebend ist hier allein der Zeitpunkt der Auftragserteilung. Auch daß die Beklagte gute Erfahrungen mit der V-GmbH als Transportunternehmen für ihre Müllabfälle gemacht hatte, verhalf ihr nicht zu der erforderlichen Gewißheit, daß diese auch als Abfallbeseitigungsunternehmen zuverlässig arbeiten würde. 7. Nach alledem hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die Beklagte bei Anwendung der von ihr zu verlangenden Sorgfalt ihre ölabfälle der V-GmbH nicht, jedenfalls nicht ohne besondere Vorkehrungen, für eine Überwachung der Vernichtung hätte überlassen dürfen. Sie hat deshalb-jedenfallsausdem Gesichtspunkt des Schadenersatzes nach §823 BGB - für die zur Eindämmung der Gefahren für die Trinkwasserversorgung notwendigen Aufwendungen der Klägerin einzustehen, soweit diese infolge des behaupteten unsachgemäßen Vorgehens der V-GmbH verursacht sind und bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht entstanden wären.
121
1.121 (Anm.) Anmerkung:
Verkehrssicherungspflicht; umfassender Charakter der deliktsrechtlichen Haftung
1. Der Bundesgerichtshof zieht hinsichtlich der Haftung eines Herstellers für die Vernichtung der bei seiner Fabrikationstätigkeit anfallenden umweltschädlichen Abfallstoffe mehrfach die Parallele zur Produkthaftung und argumentiert im Umkehrschluß, daß der Warenhersteller auch für die Produkte „mit negativem Wert" Dritten gegebenenfalls auf Schadensersatz haftet. Dieser bildhaften UmkehrschlußTechnik hätte es nicht bedurft. Zur Anwendung kommt hier - wie der Bundesgerichtshof auch ausdrücklich betont (vgl. Nr. 1, Nr. 6b sowie Nr. 7des Urteils)-der Grundsatz der allgemeinen deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Diese deliktsrechtliche Haftung umfaßt den gesamten Tätigkeitsbereich des Herstellers. Es richtet sich also nach dem einzelnen Schadenfall, ob sich die allgemeine Haftung für Verletzungen der Verkehrssicherungspflicht als Produktrisiko, als Betriebsstättenrisiko oder aber als Entsorgungsrisiko darstellt.
Deliktsrechtliche Bewertung tatsächlicher Arbeitsteilungen
2. Abgesehen von ihrer grundsätzlichen Bedeutung im Rahmen des deliktsrechtlichen Umweltschutzes ist die Entscheidungzugleich für ein Kernproblem des modernen Produkthaftungsrechts wichtig, nämlich für die Frage der deliktsrechtlichen Bewertung von tatsächlichen Arbeitsteilungen.
Auswahl- und Überwachungshaftung bei Einschaltung Dritter
a) Der BGH stellt zunächst klar, daß den Herstellerbetrieb eine deliktsrechtliche Verkehrssicherungspflicht für die ordnungsgemäße Unschädlichmachung der Abfallstoffe trifft (Nr. 1). Weiterhin wird klargestellt (Nr. 3), daß der Hersteller nicht verpflichtet ist, dies selbst zu tun. Vielmehr kann er auch einen rechtlich selbständigen, nicht an Weisungen gebundenen Drittunternehmer damit beauftragen. Eine derartige Pflichtendelegation ist zulässig. Sie muß aber so erfolgen, daß aus der Sicht des Delegierenden alle Voraussetzungen dafür geschaffen sind, daß die betreffenden Verkehrssicherungspflichten auch tatsächlich ordnungsgemäß erfüllt werden (vgl. Nr. 5). Die Begründung dafür ergibt sich daraus, daß es sich auch bei Übertragung der Entsorgung auf ein Drittunternehmen immer noch um die e i g e n e
122
(Anm.) 1.121 Verkehrssicherungspflicht des Herstellers zur machung der Abfallstoffe handelt (vgl. Nr. 5). Allgemein formuliert: Schaltet jemand einen sungsgebundenen Dritten in seinen eigenen reich ein, hat er diesen Dritten ordnungsgemäß len und zu überwachen.'
Die 3 P f l i c h t e n bereiche
Unschädlichnicht weiPflichtenbeauszuwäh-
Inhaltlich präzisiert für den Bereich der Warenherstellung: Schaltet ein Warenhersteller ein rechtlich selbständiges Drittunternehmen in die Herstellung der von ihm in den Verkehr gebrachten Waren ein, hat er den Drittunternehmer ordnungsgemäß auszuwählen und zu überwachen. 2 b) Versucht man, die Haftung für die ordnungsgemäße EinSchaltung Dritter in den eigenen Tätigkeitsbereich inhaltlich zu konkretisieren, so ergeben sich mehrere nämlich Drittunternehmer-Auswahlhaftung Drittunternehmer-Bindungshaftung Drittunternehmer-Überwachungshaftung.
Teilpflichten,
1
Vgl. BGH, 24.6.1975, NJW 1976/2245, 2246 = 1.119 zur deliktsrechtlichen Haftung des Arztes bei Verwendung nichtärztlicher Hilfspersonen und BGH, 11.5.1976, BB 1976/1342f. = 1.125 zur deliktsrechtlichen Haftung des Bauherrn für die Erfüllung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten durch den eingeschalteten Architekten und den Bauunternehmer.
2
Ebenso BGH, 16.2.1972, BB 1972/13 = 1.69 (Förderkorb); Kullmann, BB 1976/1085, 1087f. Im Schwimmerschalter-Urteil (1.130) hat der VIII. Senat den im Rahmen einer Verschuldenshaftung grundlegenden Unterschied zwischen der Haftung des Endherstellers - für sein Endprodukt - für die bei der Herstellung des Endprodukts verwendeten fremdproduzierten Einzelteile nicht beachtet. Im Autokran-Urteil (1.138) dagegen wurde dies ausdrücklich vom VI. Senat anerkannt: ein bloßes Montageunternehmen träfen geringere Schadenabwendungspflichten als einen sowohl die Konstruktion als auch die Fabrikation durchführenden Betrieb. Auf dieser Linie liegt auch der Beschluß des VI. Senats in der Erfrischungsgetränk-Entscheidung (abgedruckt bei II.60), wonach ein Abfüllbetrieb nicht für Mängel der ihm angelieferten Flaschen haftet. 123
1.121 (Anm.) Drittunternehmer-Auswahlhaftung
Lieferantenbeurteilung
124
c) Die Drittunternehmer-Auswahlhaftung: Zunächst einmal muß geprüft werden, ob der betreffende Drittunternehmer bei Beachtung aller Umstände ausreichend qualifiziert und zuverlässig ist, um die übertragene Tätigkeit ordnungsgemäß auszuführen. In der obigen Entscheidung war gerade diese Verpflichtung verletzt worden. Bei der Drittunternehmer-Auswahl kommt es nach dem obigen Urteil entscheidend darauf an, wie groß die bei mangelhafter Ausführung der übertragenen Tätigkeiten bestehenden Gefahren sind und welche objektiven Voraussetzungen (z. B. Maschinen-, Anlagen- und sonstige Ausstattung des Drittunternehmens) für die ordnungsgemäße Ausführung der betreffenden Tätigkeit vorliegen. Weiterhin kann es wichtig sein, ob nach Lage der Dinge Anlaß zu Zweifeln daran besteht, daß das Drittunternehmen den Gefahren- und Sicherheitserfordernissen ausreichend Rechnung tragen wird. Je größer die verbleibenden Zweifel an der Qualifikation und der Zuverlässigkeit des Drittunternehmens sind, um so höher sind die Anforderungen, die an den Gefahrabwendungspflichtigen zu richten sind, der die Erfüllung seiner Pflichten dem Drittunternehmen übertragen will. Der Bundesgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht des Bauherrn und der vom Bauherrn vorgenommenen Einschaltung eines Architekten sowie eines Bauunternehmers ausdrücklich betont, daß sich zwar für den Bauherrn oft die Aufsichtspflicht erübrige, wenn er einen als zuverlässig bekannten sachkundigen Architekten und einen solchen Bauunternehmer beauftragt: der Bauherr sei aber zu eigenem Eingreifen dann verpflichtet, wenn er Gefahren sieht oder hätte sehen müssen bzw. wenn er Anlaß zu Zweifeln hat, ob der von ihm Beauftragte den Gefahren und Sicherheitserfordernissen in der gebührenden Weise Rechnung trägt oder wenn dessen Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die auch von dem Bauherrn erkannt und durch eigene Anweisungen abgestellt werden können (vgl. BGH, 11.5. 1976, aaO.) Vor allem in der militärischen Beschaffungswirtschaft und in der Kfz-Industrie ist dieser Bereich bereits seit langem bekannt. Unter dem Stichwort der Lieferantenbeurteilung wird von den Abnehmern jeweils überprüft, ob die eingeschalte-
(Anm.) 1.121
Prüfung der auftragsbezogenen Qualifikation
Drittunternehmer-Bindungshaftung
ten Lieferanten den Qualifikationen, die an die Vergabe von Aufträgen gestellt werden, gerecht werden. Ergänzend ist allerdings klarzustellen, daß es nicht auf eine allgemeine Qualifikation, sondern auf die auftragsbezogene Qualifikation ankommt. Grundlage der DrittunternehmerAuswahlpflichten ist die Haftung des Einschaltenden (z. B. Endhersteller) für seinen Herrschaftsbereich, d. h. für sein Endprodukt. Hat er dabei fremdproduzierte Teile verwendet oder einzelne Bearbeitungsvorgänge (z. B. Vergüten oder Verzinken) einem Auftragsunternehmen auf Entgeltbasis übertragen, ist der Endhersteller zwar nicht Hersteller der betreffenden Teile bzw. Ausführender des Bearbeitungsvorgangs. Er hat aber die Gesamtverantwortung für das Endprodukt. Organisatorisch gesehen ist das Endprodukt nur dann fehlerfrei herstellbar, wenn sichergestellt ist, daß auch die von rechtlich selbständigen Drittunternehmen hergestellten Teile bzw. übernommenen Tätigkeiten ordnungsgemäßausgeführt werden. Also kommt es auf die ordnungsgemäße Auswahl dieser Zulieferer bzw. Auftragnehmer im Hinblick auf das konkrete Endprodukt und damit auf eine auftragsbezogene Qualifikation an. Die Beauftragung eines Unternehmens, dessen Geschäftsbereich in der Herstellung von Normteilen besteht mit der Konstruktion und/oder Fertigung von Teilen, die ein außerhalb dieses Bereichs liegendes SpezialWissen erfordern, kann deshalb eine Verletzung der deliktsrechtlichen Drittunternehmer-Auswahlpflichten des Auftraggebers sein. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Bereich der Fertigung von Normteilen jahrelange zufriedenstellende Geschäftsverbindungen bestanden haben, weil es nicht auf die allgemeine, sondern auf die auftragsbezogene Qualifikation ankommt, die im Beispiel gerade fehlt, d) Drittunternehmer-Bindungshaftung: Weiterhin muß der Drittunternehmer vertraglich in ausreichendem Maß gebundenwerden. Die Notwendigkeit dafür ergibt sich daraus, daß der rechtlich selbständige Drittunternehmer (anders als der Verrichtungsgehilfe i.S. des §831 BGB) nicht den Weisungen des Auftraggebers unterliegt. Da derjenige, der rechtlich selbständige Drittunternehmer in seinen Pflichtenbereich einschalten will, für die ordnungsgemäße Ausführung der 125
1.121 (Anm.) übertragenen Aufgaben Sorge tragen muß, hat er vertraglich festzulegen, was das Drittunternehmen zu tun hat. Wird hier lediglich ein management by objective betrieben, indem dem Drittunternehmen lediglich der herbeizuführende Erfolg vorgegeben wird, ohne daß aber im einzelnen bei der Auftragsvergabe überprüft und dann vertraglich festgeschrieben wird, welche Sorgfaltsmaßnahmen das eingeschaltete Unternehmen zu erfüllen hat, kann der Auftraggeber nicht davon ausgehen, daß das Drittunternehmen auch tatsächlich die bei der Auftragsvergabe besprochenen Sorgfalts- und Sicherungsmaßnahmen einhält. Also muß hier eine vertragliche Festschreibung erfolgen. Dieser Bereich ist heutzutage in der Industrie weitgehend unbekannt. Der Fragenbereich wird fast ausschließlich als Qualitätssteuerungs-Maßnahme verstanden, so daß es sich nach dem jeweiligen Qualitätssteuerungs-Konzept des Auftraggebers richtet, in welchem Umfang er vertraglich die vom Auftragnehmer einzuhaltenden Maßnahmen festschreibt. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die vielfach benutzte Formulierung:,, Für die Einhaltung der erforderlichen Qualität ist in vollem Umfang der Zulieferer (bzw. der Auftragnehmer) verantwortlich." Mit diesem Satz verzichten die industriellen Auftraggeber (sehr oft aus Preisgestaltungsgründen, um die Frage der Kosten des Zulieferers bzw. Auftragnehmers für Qualitätssicherungsmaßnahmen aus den Preisverhandlungen herauszuhalten) auf eine genauere Analyse und Festschreibung der vom Auftragnehmer vorzunehmenden Qualitätssteuerungsmaßnahmen. Wie gezeigt, kann dies aber nicht nur unter betriebswirtschaftlich und technisch orientierten Qualitätssteuerungs-Aspekten gesehen werden. Vielmehr ist damit auch eine haftungsrechtliche Implikation verbunden. Erfüllt ein Industrieunternehmen, das auf der Grundlage der von ihm entwickelten Konstruktionszeichnungen einen Auftragsfertiger einschaltet oder von Zulieferern Komponenten bezieht, diese Drittunternehmer-Bindungspflicht nicht, kann sich daraus eine deliktsrechtliche Haftung des Auftraggebers für im Bereich des Auftragnehmers gesetzte Schadenursachen ergeben (z. B. für Fabrikations- bzw. Qualitätskontrollfehler des Auftragsfertigers). 126
(Anm.) 1.121 Drittunternehmer-Überwachungshaftung
e) Drittunternehmer-Überwachungshaftung: Handelt es sich nicht nur um die Lieferung eines Einzelteils, sondern um eine länger andauernde Bezugsverbindung, besteht weiterhin eine deliktsrechtliche Verpflichtung zur Überwachung des Drittunternehmers. Erschöpft sich die Tätigkeit des eingeschalteten Dritten nicht in einer einmaligen Leistung, sondern enthält sie einen gewissen Dauer Charakter, muß derjenige, der die Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflichten einem Dritten überträgt, die Gewißheit erlangen, daß nicht nur bei der Vertragsvergabe, sondern auch bei der laufenden Vertragsabwicklung vereinbarungsgemäß verfahren wird. Dies setzt eine entsprechend den Umständen angemessene Überwachung des Drittunternehmens voraus. Ob und in welchem Umfang hier Stichprobenkontrollen oder aber eine laufende Überwachung erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.
Wareneingangskontrolle
Auch dieser Aspekt ist in der Industrie altbekannt. Das klassische Stichwort dafür ist der Begriff der Wareneingangskontrolle. Die Wareneingangskontrolle dient aber nicht nur der eigenen betriebswirtschaftlichen Absicherung des Abnehmers gegen Schäden, die ihm durch nutzlos aufgewandte Bearbeitungskosten entstehen. Zugleich hat die Wareneingangskontrolle eine die Eigenhaftung des Abnehmenden betreffende haftungsrechtliche Dimension: verzichtet der Abnehmende auf eine Wareneingangskontrolle, hat er keine Gewähr dafür, daß sich das eingeschaltete Drittunternehmen auch tatsächlich vereinbarungsgemäß verhält. Hat das eingeschaltete Drittunternehmen Ursachen für Schäden Dritter gesetzt, kann sich allein schon aus dem Unterlassen der erforderlichen und ausreichenden Überwachung eine Mithaftung des einschaltenden Unternehmens ergeben. ty Parallele zu §831 BGB: gedanklich entsprechen diese drei Pflichtenbereiche der Drittunternehmer-Einschaltungshaftung den drei bekannten Kategorien, die im Bereich des §831 BGB entwickelt wurden. Voraussetzung für die Verrichtungsgehilfen-Haftung gemäß §831 BGB ist eine Weisungsgebundenheit des Verrichtungsgehilfen. Ist dies zu bejahen, haftet der Geschäftsherr für die ordnungsgemäße - Auswahl
Parallelen zwischen DrittunternehmerEinschaltungshaftung und Verrichtungsgehilfenhaftung (§ 831 BGB)
127
1.121 (Anm.) - Anleitung per Weisung - Überwachung des Verrichtungsgehilfen. Der Unterschied zwischen §831 BGB und der Drittunternehmer-Haftung besteht darin, daß der Verrichtungsgehilfe weisungsgebunden, der Drittunternehmer dagegen weisungsfrei ist. Als Korrelat der im Verhältnis zum Verrichtungsgehilfen bestehenden Weisungsbefugnis und -Verpflichtung besteht im Verhältnis zum (nicht weisungsunterworfenen) Drittunternehmer eine Verpflichtung zur ausreichenden vertraglichen Festlegung der vom Drittunternehmer zu treffenden Maßnahme. Das Gemeinsame der beiden Fallbereiche ist, daß hier eine eigene Pflicht des Haftungsschuldners einem Dritten übertragen wird. Im Fall der Verrichtungsgehilfenhaftung gemäß §831 BGB handelt es sich um eine innerbetriebliche Übertragung, im Fall der Beauftragung eines Drittunternehmers dagegen um eine zwischenbetriebliche Übertragung. In beiden Fällen aber erfüllt der Verkehrssicherungspflichtige eine ihm obliegende Gefahrabwendungspflicht dadurch, daß er sie nicht persönlich erfüllt, sondern die tatsächliche Durchführung einem Dritten überträgt. Entsprechend dem Unterschied zwischen Weisungsbindung und Weisungs freiheit sind die rechtlichen Kategorien, die bei dieser Übertragung zu beachten sind, unterschiedlich zu formulieren. In der Substanz aber handelt es sich um parallele Problemlösungen. Arbeitsteilungen im Herstellerbereich Einschaltung von Auftragnehmern
128
3. Arbeitsteilungen im Hersteller-Bereich: Die im Bereich der Drittunternehmer-Einschaltungshaftung bestehenden Sorgfaltspflichten gelten zunächst einmal für den Bereich der sog. Auftragstätigkeit, also z. B. für die Einschaltung von Konstruktionsbüros oder Testinstituten sowie vor allem für den in der Industriepraxis sehr häufigen Fall der Auftragsfertigung nach Kundenzeichnungen. In all diesen Fällen hat der Beauftragende Tätigkeiten, die eigentlich funktionell im eigenen Bereich erfolgen müßten (nämlich Entwicklung, Vornahme der betreffenden Qualitätskontrollmaßnahmen bzw. Ausführung der Fabrikation), einem rechtlich selbständigen Drittunternehmen auf Entgeltbasis übertragen. Der Auftraggeber haftet nicht für die Fertigung; der Fertigungsbetrieb haftet nicht für die ihm vorgegebene Konstruktion
(Anm.) 1.121
Einschaltung von Zulieferern
(I.17; 1.138); beiden Unternehmen kann aber im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände eine Mitverantwortung für die im Bereich des anderen Unternehmens gesetzten Schadenursachen obliegen: danach kann z. B. eine Mitverantwortlichkeit des Montageunternehmens bei Erkennbarkeit von Konstruktionsfehlern bestehen (1.17; 1.138) oder eine Mitverantwortung des Auftraggebers für vom Auftragnehmer verursachte Fabrikationsfehler (vgl. zur ähnlichen Problematik des Verhältnisses zwischen Hersteller und Vertriebshändler 1.41 sowie die Anmerkung zu 1.151). Darüber hinaus gilt dies auch für das Verhältnis zwischen Endhersteller und Zulieferer. Der Endhersteller ist für sein Endprodukt verantwortlich. Verwendet er dabei fremdproduzierte Teile, ist er zwar nicht Hersteller dieser Einzelteile, so daß er hinsichtlich dieser Einzelteile keiner HerstellerHaftung unterliegt. Der Endhersteller hat aber die fremdproduzierten Einzelteile in sein eigenes Endprodukt, für das ihm selbstverständlich die Hersteller-Haftung obliegt, im wahrsten Sinne des Wortes eingebaut. Als Endhersteller muß er dafür sorgen, daß nicht nur die Nullserie, sondern auch alle Einzelteile der laufenden Serie fehlerfrei sind. Werden dabei fremdproduzierte Einzelteile verwendet, muß durch die ordnungsgemäße Auswahl, vertragliche Bindung und laufende Kontrolle des Zulieferers gewährleistet sein, daß die angelieferten Fremdprodukte mangelfrei sind. Auf den ersten Blick kann man hier einwenden, daß zwei Unternehmen die gleiche Haftung obliegt. Näher betrachtet zeigt sich aber doch ein entscheidender Unterschied. Der Endhersteller ist nicht Hersteller der fremdproduzierten Einzelteile. Also schuldet er nicht die den Hersteller selbst treffende Sorgfaltspflicht (ähnlich Kulimann, BB 1976/1085, 1087). Konkretes Beispiel: Bei Gußteilen sind fertigungstechnische Risse nicht vermeidbar. Deshalb haftet die Gießerei auf Vornahme von adäquaten Rißprüfmethoden in ausreichendem Umfang. Dies wird im allgemeinen den Zwang zu einer 100%-Rißprüfung (z. B. Magnafluxung) bedeuten. Handelt es sich um Gußteile, die in Automobile eingebaut werden, schuldet der Kfz-Hersteller als Endhersteller nach dem Ausgeführten gerade nicht die Vornahme von factory 129
1.121 (Anm.)
Stichprobenprüfung des Abnehmers
type-lnspektionen, sondern nur die ordnungsgemäße Auswahl, vertragliche Bindung und laufende Überwachung der Gießerei. Im Rahmen der laufenden Überwachung ist das normale Instrument dafür die Wareneingangskontrolle. Der haftungsrechtliche Aufgabenbereich der Wareneingangskontrolle besteht aber für den Endhersteller gerade nicht in einervollständigen Wiederholung der bereits vertraglich vom Zulieferer vorzunehmenden Qüalitätskontrollmaßnahmen. Vielmehr handelt es sich im Rahmen der Wareneingangskontrolle nur um die Sicherstellung, daß der Zulieferer (die Gießerei) auch tatsächlich in der Serie ordnungsgemäß liefert. Also kann sich der Kfz-Hersteller mit einer Stichprobenkontrolle begnügen. Gießerei und Kfz-Hersteller schulden also beide Qualitätskontrollmaßnahmen. Die konkreten Anforderungen sind aber sehr unterschiedlich, so daß auch der vom Endhersteller zu erbringende Kostenaufwand in haftungsrechtlich zulässiger Weise erheblich niedriger liegt. 4. Zur haftungsrechtlichen Beurteilung der Arbeitsteilung zwischen Endhersteller und Vertriebshändler vgl. Anm. zu 1.151; zur haftungsrechtlichen Präzisierung der Importeurhaftung vgl. Anm. zu 11.39; zum Problem der Quasi-Herstellerhaftung beim Vertrieb von Fremdprodukten unter eigenem Warenzeichen vgl. Anm. zu 1.138. 5. Die vorstehend anhand der deliktsrechtlichen Haftung präzisierten Grundsätze für die haftungsrechtliche Bewertung von tatsächlichen Arbeitsteilungen im Herstellerbereich gelten nicht nur für das Deliktsrecht, sondern auch für die vertragsrechtliche Haftung bei Kaufverträgen sowie bei Werklieferungsverträgen über vertretbare Sachen, die gemäß §651 BGB wie KaufVerträge zu behandeln sind: da auch beim Hersteller-Verkäufer bzw. beim Werklieferanten vertretbarer Sachen die Herstellung nicht zu den vertraglich übernommenen Pflichten gehört, sind vom Hersteller-Verkäufer bzw. vom Werklieferanten vertretbarer Sachen eingeschaltete Drittunternehmen nicht als Erfüllungsgehilfen (§278 BGB) zu qualifizieren (1.142) und stellen sich die hier unter dem Begriff der Drittunternehmer-Einschaltungshaftung behandelten Fragen. 6. Hinsichtlich des Beurteilungszeitpunktes (Nr.6f. des obigen Urteils) ist klarzustellen, daß es genaugenommen nicht
130
1.122 auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Drittunternehmer die Schadenursache gesetzt hat. Es ist durchaus möglich, daß es bei einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen einem Herstellerunternehmen und einem selbständigen Entsorgungsbetrieb im Zeitpunkt der Einschaltung des Entsorgungsbetriebes zu Verletzungen der skizzierten DrittunternehmerEinschaltungspflichten gekommen ist: wenn aber keine Haftungsfälle entstehen, ist dies nur von akademischer Bedeutung. Erfüllt dagegen der Herstellerbetrieb nach einiger Zeit alle Anforderungen, die im Rahmen der Drittunternehmer-Einschaltungshaftung hinsichtlich der Auswahl, vertraglichen Bindung und Überwachung des eingeschalteten Drittunternehmers gestellt werden, sind umgekehrt diese ursprünglich einmal gegebenen Verletzungen der entsprechenden Pflichten nicht mehr erheblich. Wie ausgeführt gilt dies auch bei sonstigen Einschaltungen von nicht weisungsgebundenen Dritten.
1.122: BGH, 30. 10. 1975, VII ZR 309/74 (Kunststoffplatten)
Haftung bei Verwendung neuer Werkstoffe
Der Architekt hatte entsprechend dem Angebot der Firma K Kunststoff-Verbundbauplatten vorgesehen, bei denen aber später Wölbungen und Risse auftraten. Weiterhin hatte die vom Architekten ausgewählte Fensterkonstruktion zur Folge, daß in das Gebäude Feuchtigkeit eindrang. 1. Der Architekt darf in seiner Planung nur eine Konstruktion vorsehen, bei der er völlig sicher ist, daß sie den zu stellenden Anforderungen genügt. Es würde schuldhaft handeln, wenn er darüber Zweifel hegen müßte und sich gleichwohl nicht vergewisserte, ob der von ihm verfolgte Zweck auch zu erreichen ist (Senatsurteil vom 2. Mai 1963,1.97). Demgemäß hat er grundsätzlich auch das beim Bau verwendete Material auf dessen Brauchbarkeit zu überprüfen (Senatsurteil vom 2.April 1964, I.98). Bekommt er Bedenken, so muß er den 131
1.122
Hinweispflicht
Grenzen der Prüfungspflicht bei Verwendung neuer Werkstoffe
Bauherrn darauf hinweisen (BGH, BauR 1970/177 = 1.104; BGM, WM 1971/1271 = 1.110). Verhielte sich der Architekt gegenüber jeder Neuerung von vornherein ablehnend, wäre die Fortentwicklung des Bauwesens ausgeschlossen. Den Interessen des Bauherrn wäre damit nicht gedient. Die Verwendung eines nicht schon seit Jahren in der Praxis bewährten Materials kann andererseits auch besondere Gefahren in sich bergen. Bei neuen Werkstoffen hat der Architekt daher mit erhöhter Sorgfalt zu prüfen, ob er sich mit seiner Empfehlung auf das Gebiet der riskanten Planung begibt. Ist das für ihn erkennbar, trifft ihn eine entsprechende Belehrungspflicht. Das hat das Berufungsgericht hinreichend beachtet. Wenn es unter Würdigung der Gutachten und anderen Beweismittel zu dem Ergebnis gelangt, daß die Auswahl der Platten damals als unbedenklich und zweckmäßig angesehen werden durfte, und insbesondere nicht gegen die anerkannten Regeln der Baukunst verstieß, muß die Revision das hinnehmen. 2. Das Berufungsgericht durfte dabei berücksichtigen, daß die Prüfungspflicht dort ihre Grenze findet, wo von dem Architekten eigene Sachkenntnis nicht mehr erwartet werden kann (Senatsurteil vom 2.April 1964, aaO.). Er kann sich dann mit den Äußerungen solcher Personen oder Institute begnügen, die er nach ihrer Qualifikation als sachverständig ansehen darf. Stimmen diese Äußerungen im wesentlichen mit dem überein, was der Produzent oder Lieferer in seinem Prospekt oder auf andere Weise anpreist, oder sprechen weitere gewichtige Gründe für die Richtigkeit dieser Angaben, so kann sich der Architekt in der Regel hierauf verlassen. Sollte man von ihm auch dann noch verlangen, daß er nur solches Material verwende, das sich bereits seit Jahren in der Praxis bewährt hat, wäre der Einsatz neuer Werkstoffe niemals möglich. Die Revision hat deshalb nicht recht, wenn sie von dem Architekten verlangt, daß er vor Erteilung des Auftrags hätte zusätzlich prüfen müssen, ob die erst 1959 eingeführte Platte, die als Verbesserung eines in Fachkreisen bekannten Typs bezeichnet wurde, schon bei anderen Bauten verwendet worden war und welche Erfahrungen man damit gesam-
132
1.122
Empfehlungen durch Fachfirma
Stand der Technik
Zumutbarkeit
melt hatte. Die von ihr in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen bleiben erfolglos, denn sie richten sich gegen die rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Dessen Auffassung, daß der Architekt aufgrund der ihm mitgeteilten Einzelheiten mit genügender Sicherheit auf eine Wetterbeständigkeit der Platten schließen durfte, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Architekt brauchte nach alledem die Beklagte auch nicht dahingehend zu belehren, daß er riskant geplant habe. 3. Dadie Aufwölbung der Platten noch vor Fertigstellung des 3. Bauabschnitts erkennbar wurde, entschloß sich der Architekt, sie hierfür nicht mehr zu verwenden. Auf Empfehlung der Firma K (die die in den ersten beiden Bauabschnitten benutzten Platten hergestellt hatte) wählte er statt dessen die von einem Tochterunternehmen der Firma K seit 1958 aufgrund einer schwedischen Lizenz produzierten KGD-Platten. Seit 1964, also etwa 3 Jahre nach Beendigung der Bauarbeiten, begannen die Kunststoffbeschichtungen dieser Platten zu „verkreiden". Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Planung des Architekten hinsichtlich der Auswahl der KGD-Platten fehlerhaft ist. Nach seiner Ansicht entfällt eine Verpflichtung zum Schadensersatz jedenfalls deshalb, weil den Architekten kein Verschulden treffe. Er habe sich vor Auftragserteilung einen Materialprüfungsbericht der Firma L vorlegen lassen. Weitere Kontrollversuche hätten keinen Sinn gehabt. Die später aufgetretenen Mängel seien damals weder bekannt noch erkennbar gewesen. Über Verkreidung und Wasserdampfdurchlässigkeit von Kunststoffbeschichtungen habe man zu jener Zeit auch in Fachkreisen noch nichts gewußt. Die Produzentin sei vertrauenswürdig gewesen. Diese Würdigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Verwendung von in der Praxis noch nicht bewährten Baustoffen ist nicht von vornherein ausgeschlössen. Erforderlich ist nur, daß der Architekt das den Umständen nach ihm Zumutbare unternimmt, um zu klären, ob das ihm angebotene Material die für den Bau unerläßlichen Eigenschaften besitzt. Angesichts der sich auch auf bautechnischem Gebiet vollziehenden Entwicklung liegt es auf der Hand, daß er sich dabei beraten lassen muß. Darf er den Hersteller für vertrauenswürdig halten und spricht sich 133
1.123
Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten Sorgfaltsanforderungen: Beratung durch Fachfirma
ein von diesem vorgelegter Materialprüfungsbericht für die Brauchbarkeit des neuen Werkstoffes zu dem verfolgten Zweck aus, so ist es kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht das genügen läßt, um ein Verschulden des Architekten bei der Auswahl dieses Werkstoffs zu verneinen. 4. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Architekt grundsätzlich verpflichtet ist, eine Fensterkonstruktion auf deren Zweckmäßigkeit und Brauchbarkeit zu prüfen und den ordnungsgemäßen Einbau der Fenster zu überwachen. Es durfte aber ebenso berücksichtigen, daß der Architekt die Konstruktion eines bekannten, seit 1932 auf dem Gebiet des Fensterbaus tätigen Fachunternehmens übernommen hatte, dessen Spezialkenntnisse den seinen überlegen sein mußten und die von ihm auch nicht ohne weiteres erwartet werden konnten (vgl. das erwähnte Senatsurteil vom 2.Mai 1963). Denn den Architekten trifft jedenfalls dann kein Verschulden, wenn er sich zur Lösung einer bestimmten Spezialaufgabe an ein Unternehmen wendet, das sich hierauf besonders eingerichtet hat, und wenn für ihn kein triftiger Grund besteht, den Spezialkenntnissen und Erfahrungen dieses Unternehmens zu mißtrauen. Daß der Architekt gegenüber der Firma K Anlaß zu besonderer Vorsicht gehabt habe, wird von der Revision nicht geltend gemacht. Ihm kann deshalb nicht zur Last gelegt werden, daß die Dichtungsbänder nach Größe und Beschaffenheit nicht den an sie zu stellenden Anforderungen entsprechen, die Fenster dadurch nicht genügend abgedichtet sind, die Holzteile von dem eindringenden Regenwasser aufquellen und die Rahmenschenkel sich zum Teil verbiegen.
1.123: BGH, 3.12.1975, VIII ZR 237/74 (Kleiderstoff)
Die Klägerin kaufte von der Beklagten bis zum Februar 1972 Kleiderstoffe verschiedener Färbung. Nach Verarbeitung der Stoffe stellte sich bei der Kundschaft heraus, daß die 134
1.123 Stoffe abfärbten. Das OLG hat die Schadensersatzklage gewiesen.
ab-
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten
Das Berufungsgericht hat einen offenen Mangel angenommen und die Rüge fehlender Farbechtheit als verspätet (§377 HGB) behandelt. Zwar sei nicht festzustellen, daß die Prüfung auf Farbechtheit bei gefärbten Oberstoffen durch den Konfektionär im Räume Aschaffenburg einem Handelsbrauch entspreche. Dies bedeute aber noch nicht, daß schon deshalb ein versteckter Mangel vorliege. Vielmehr sei hinsichtlich der Untersuchungspflicht auf Kriterien anderer Art abzustellen: die rasche Abwicklung der Geschäfte im Handelsverkehr diene den Belangen des Verkäufers, liege aber auch im allgemeinen Interesse. Eine sorgfältige und alsbaldige Untersuchung der Ware durch den Käufer sei zumal dann geboten, wenn bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Ware im Falle des Vorhandenseins von Mängeln hohe Folgeschäden zu befürchten seien. Bei erst im Stück gefärbten Oberstoffen sei die Gefahr des Abfärbens wesentlich größer als bei Oberstoffen, die aus schon gefärbten Garnen hergestellt seien. Zudem hätte die Prüfung auf Farbechtheit nur ganz geringen Arbeits- und Kostenaufwand erfordert, weil für jeden Stoffballen von üblicherweise 40 bis 60 Meter Länge ein einziger Reibversuch mit einem feuchten Lappen genügt hätte; diese Untersuchung sei wesentlich einfacher als etwa die Prüfung der Stoffe auf vorhandene Webfehler, was ein Abrollen und Beschauen der gesamten Ware erfordere.
Inhalt der Untersuchungsobliegenheit
Dieser Wertung des Berufungsgerichts ist zuzustimmen, denn sie stellt entscheidend auf die sachliche Notwendigkeit und auf die Zumutbarkeit der Untersuchung ab und nimmt damit den in §377 HGB enthaltenen Maßstab für die Bemessung der Sorgfaltspflichten des Käufers beim Handelskauf. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 14.10. 1970 (BB 1970/1416 = 1.105), das einen dem Vorliegenden durchaus vergleichbaren Sachverhalt betraf, im einzelnen ausgeführt. Hiernach kommt der Gefahr hoher Mangelfolgeschäden und dem geringen Kosten- und Arbeitsaufwand für eine sachgerechte Untersuchung durch den Käufer maßgebliche Bedeutung zu. Auf die Üblichkeit der Untersuchung und auf das Vorliegen eines entsprechenden Handelsbrauchs kann
Gefahr von Mangelfolgeschäden; Kosten- und Zeitaufwand; Üblichkeit der Untersuchung
135
1.123
Gebotene Untersuchung/ übliche Untersuchung
Fachmännischer/ nichtfachmännischer Abnehmer
es schon deshalb nicht entscheidend ankommen, weil bei Anwendung dieser Maßstäbe Nachlässigkeiten und Mißstände, die bei Abwicklung von Geschäften des kaufmännischen Verkehrs eingerissen sein mögen, als rechtens hingenommen würden, obwohl die genannten Verhaltensweisen sachlich nicht zu billigen sind und deshalb auch rechtlich keinen Schutz verdienen. Ist für bestimmte Bereiche des Handelsverkehrs eine besondere Art der Untersuchung des Kaufgutes auf etwa vorhandene Mängel üblich und besteht sogar insoweit ein Handelsbrauch, so kann allerdings dem Käufer ein Abweichen vom Handelsüblichen zu rechtlichem Nachteil gereichen. Für den umgekehrten, hier gegebenen Fall, daß eine sachlich gebotene und zumutbare Art der Untersuchung als handelsüblich nicht festzustellen ist, kann jedoch nicht gefolgert werden, der Käufer sei allein schon aus diesem Grund von der Verpflichtung freigestellt, die angelieferte Ware alsbald so zu untersuchen, wie es die kaufmännische Sorgfalt erfordert und wie es ihm im Interesse seines Vertragspartners, aber auch im allgemeinen Interesse an einer schnellen, möglichst reibungslosen Abwicklung von Geschäften und damit letztlich auch im wohlverstandenen Eigeninteresse zuzumuten ist. Dabei sind hinsichtlich Art und Ausmaß der gebotenen Untersuchung an den fachmännischen Käufer in der Regel weitergehende Anforderungen zu stellen als an den Nichtfachmann (RGZ 59/75). Für die Klägerin als Käuferin waren die angelieferten Stoffe nicht lediglich Umsatzartikel, sondern Gegenstand eigener, intensiver Weiterverarbeitung. Nach alledem kann die Revision mit ihrem Angriff, Reibversuche mit einem feuchten Lappen zur Prüfung auf Farbechtheit seien nicht üblich und es bestehe im Raum Aschaffenburg kein entsprechender Handelsbrauch, keinen Erfolg haben. Unbegründet ist aber auch der weitere Angriff der Revision, die Klägerin sei jeglicher Untersuchungs- und Mängelanzeigepflicht nach §377 HGB schon deshalb enthoben gewesen, weil sie „nadelfertige" Stoffe bestellt habe. Der Begriff „nadelfertig" hat (nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin) nichts zu tun mit der Farbechtheit des Stoffes. Hiernach besagt der Hinweis „nadelfertig" nur, daß die Stoffe gekrumpft
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1.124 und dekapiert, also schnittbereit sein müssen, so daß sie ohne jede weitere Behandlung verarbeitet werden können. Das besagt aber nicht, daß eine Untersuchung der Stoffe entbehrlich wäre.
1.124: BGH, 28. 4. 1976, VIII ZR 244/74 (Batterie)
Die Speditionsfirma L bestellte bei der Erstbeklagten zwei geladene, aber ungefüllte Batterien für einen Gabelstapler, die sie selbst in betriebsbereiten Zustand setzen wollte. Die Erstbeklagte gab die Bestellung an das zweitbeklagte Akkumulatorenwerk weiter, bestellte dabei jedoch versehentlich gefüllte Batterien. Die Zweitbeklagte lieferte diese Batterien entsprechend der ihr erteilten Bestellung, jedoch ohne Verpackung und ohne äußerlich sichtbaren Hinweis auf den Ladungszustand an den von L beauftragten Spediteur aus. Dieser lud die Batterien zusammen mit anderem Stückgut auf den Anhänger eines Lastzuges. Unterwegs brach ein Brand aus. Der Brand war dadurch verursacht, daß ein mit Metallbändern verschnürtes Zeitungspaket auf die freiliegenden Pole einer der Batterien gepackt und die Metallbänder einen Kurzschluß ausgelöst hatten. Anhänger und Ladung brannten aus. Deliktsrechtliche Haftung des Herstellers für VerpackungFolgeschäden
1. Ohne Rechtsfehler stellt das Berufungsgericht fest, daß die Zweitbeklagte sich bei der Auslieferung der Batterien an die Speditionsfirma einer fahrlässigen Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht schuldig gemacht hat. Daß die Versendung von geladenen und gefüllten, also betriebsbereiten Batterien im öffentlichen Straßenverkehr ohne Verpackung und insbesondere ohne Sicherung der freiliegenden Pole eine besondere Gefährdung für Rechtsgüter mit sich bringt, ziehen auch die Beklagten nicht mehr ernsthaft in Zweifel. Die Gefahr eines Schadeneintritts liegt insbesondere dann nahe, wenn die als Stückgut verladenen Batterien mit anderen metallischen Gegenständen durch 137
1.124
Warnpflicht
Streckengeschäft: Lieferant als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers (§ 278 BGB)
138
unsachgemäße Stapelung oder durch Verrutschen der Ladung während des Transports in Berührung kommen und dadurch ein Kurzschluß ausgelöst wird. Wollte die Beklagte, die als namhafte Herstellerin von Akkumulatoren auch für die Frage des Transportes über besondere Erfahrung und Sachkunde verfügte, gleichwohl die Batterien ohne Verpackung in den Verkehr geben, so hätte sie zumindest durch deutliche und unübersehbare Hinweise an den Batterien selbst auf den gefährlichen Ladezustand hinweisen müssen. Daß die bloße Eintragung dieser Batterien auf dem Lieferschein in der Spalte ,,gef. und gel." als Warnung schon deswegen nicht ausreichte, weil die mit dem Transport befaßten Personen den Lieferschein und die in ihm enthaltenen, ohnehin kaum verständlichen Eintragungen nicht immer vor Augen hatten, hat das Berufungsgericht überzeugend dargelegt. Die Zweitbeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe im Hinblick auf die bei ihr eingegangene Bestellung darauf vertraut, daß die Firma L ebenfalls betriebsbereite Batterien erwarte und daher selbst dieerforderlichen Sicherheitsmaßnahmen treffen werde. Da es sich um eine Weiterbestellung durch die Erstbeklagte handelte, die Zweitbeklagte mithin mit der Möglichkeit einer Fehlbestellung rechnen mußte und sie zudem wußte, daß die Batterien nicht sofort eingebaut, sondern zunächst durch eine zwischengeschaltete Spedition im Straßenverkehr transportiert werden sollte, wäre es in erster Linie ihre Sache gewesen, gegen die Gefahr eines Kurzschlusses während des Transportes Vorsorge zu treffen. Der lediglich mündliche Hinweis an den Fahrer der Spedition über den Ladezustand reichte dabei schon deswegen nicht aus, weil nicht feststand, daß nur er den Transport bis zum endgültigen Bestimmungsort durchführen werde. 2. Für diese als leichtfertig zu bezeichnende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Zweitbeklagte hat die Erstbeklagte, die sich ihrer bei Erfüllung des mit der Firma L abgeschlossenen Kaufvertrages als Erfüllungsgehilfen bedient hat, einzustehen (§278 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob die Speditionsfirma R im Auftrag der Firma L tätig geworden ist und aus diesem Grunde kein Versendungskauf i.S. des §447 BGB vorlag. Denn auch wenn die Erstbe-
1.124
Handelsrecht!. Untersuchungsobliegenheiten (§ 377 f. BGB)
Gewährleistungshaftung für Verpackungsmängel
VerpackungsFolgeschadenhaftung
klagte ihre Verkäuferpflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung bereits mit Aushändigung der Batterien durch die Zweitbeklagte an die Firma R erfüllt hatte und für den Weitertransport nicht mehr verantwortlich war, stellte sie dieser Umstand doch nicht von der Verpflichtung frei, die Batterien in ordnungsgemäß verpacktem und gesichertem Zustand zu übergeben. Sie haftet für diese Pflichtverletzung auch dann, wenn der Schaden selbst erst nach der Übergabe eintrat (BGH, Betr. 1964/1697; BGH, WM 1968/1302). 3. Soweit die Erstbeklagte unter Hinweis auf §377 Abs.2 HGB meint, die Firma L habe die Batterien rügelos entgegengenommen und könne damit aus der mangelhaften Lieferung Schadensersatzansprüche nicht mehr herleiten, verkennt sie Anwendungsbereich und Bedeutung dieser Bestimmung. a) Zwar kann ein Käufer u.U. auch aus einer schadhaften, unvollständigen oder fehlenden Verpackung der Kaufsache Gewährleistungsansprüche herleiten - und zwar etwa dann, wenn die Mängel der Verpackung die Möglichkeit der Weiterverwendung oder des Weiterverkaufs erschweren und damit auch der Wert oder die Tauglichkeit der Sache selbst zu dem vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgehoben und gemindert ist (vgl. BGH, Betr. 1958/868). Ein solcher Fehler lag hier jedoch nicht vor. Die Abdeckung der Pole sollte vielmehr lediglich für die Dauer des Transportes einen Kurzschluß oder sonstige Beschädigungen verhindern. Ihr Fehlen minderte dagegen die Gebrauchstauglichkeit der Batterien selbst nicht. b) Richtig ist, daß die Beklagten statt der bestellten ungefüllten Batterien gefüllte geliefert haben. Dabei kann zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, daß die Firma L jedenfalls bei Entgegennahme der Batterien in der Hauptniederlassung mit zumutbaren Mitteln zu einer Überprüfung des Ladezustandes in der Lage und damit zur unverzüglichen Rüge der von der Bestellung abweichenden Lieferung verpflichtet gewesen wäre. Ob es sich dabei um einen Mangel i. S. des §459 Abs. 1 BGB oder nicht vielmehr um die Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware handelt, kann im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, da die Rügepflicht beide Fälle gleichermaßen erfaßt (§§377,378 139
1.124 HGB). Es ist den Beklagten auch einzuräumen, daß die rügelose Entgegennahme als Genehmigung gilt und damit neben den Gewährleistungsansprüchen im eigentlichen Sinne (§§462f. BGB) auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen eines nicht rechtzeitig gerügten Fehlers verlorengehen (BGH, LM Nr. 5 zu § 377 HGB). Stets muß es sich aber um Schadensersatzansprüche handeln, die auf einem Mangel der Sache oder auf einer Falschlieferung beruhen, sich mithin als Gewährleistungsansprüche im weiteren Sinne darstellen. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall. Zwar wäre der Schaden nicht entstanden, wenn die Beklagten - der Bestellung entsprechend - ungefüllte Batterien geliefert hätten. Gleichwohl wurzelt die Schadensersatzpflicht in erster Linie nicht in dieser fehlerhaften Lieferung, sondern in der unsachgemäßen Verwendung gefüllter Batterien und damit in der Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenpflicht. Zweck der §§ 377f. HGB
140
c) Auch der rechtspolitische Zweck der Untersuchungs- und Rügepflicht beim Handelskauf verbietet eine entsprechende Anwendung der §§377f. HGB auf Fälle der vorliegenden Art. Wie der Senat in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, dient die Obliegenheit zur unverzüglichen Mängelrüge nicht nur dem allgemeinen Interesse des Handelsverkehrs an einer raschen und endgültigen Abwicklung von Rechtsgeschäften, sondern zugleich einer sachgerechten Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer. Dem Interesse des Käufers an einer ordnungsgemäßen Erfüllung steht das ebenfalls schutzwürdige Interesse des Verkäufers gegenüber, von den bei zumutbarer Prüfung zutage tretenden Mängeln der von ihm gelieferten Sache möglichst rasch zu erfahren und dadurch einen drohenden Schaden noch rechtzeitig abwenden zu können (zuletzt Senatsurteil vom 30.4.1975, WM 1975/526 = 1.118). Die an die unterbliebene Rüge geknüpfte Folge, daß damit die Kaufsache uneingeschränkt als genehmigt gilt (§377 Abs.2 HGB), kann den Käufer insbesondere dann hart treffen, wenn die Schlechtoder Falschlieferung durch den Verkäufer auf dessen grobfahrlässigem oder leichtfertigem Verhalten beruht, während er selbst lediglich durch Nachlässigkeit eine rechtzeitige Untersuchung und Rüge versäumt hat. Im Interesse einer
1.124 reibungslosen und raschen Abwicklung des Handelsverkehrs muß der Käufer diese Nachteile im Bereich der Gewährleistung deswegen hinnehmen, weil typischerweise die Feststellung von Mängeln mit zunehmendem Zeitablauf unvertretbar erschwert würde. Für eine entsprechende Anwendung der §§377f. HGB über die Mängelhaftung hinaus fehlt es aber an einem zwingenden Bedürfnis, zumal die Berücksichtigung des Mitverschuldens (§254 BGB) - anders als die auf dem Grundsatz des „alles oder nichts" aufbauende Genehmigung nicht gerügter Mängel - einen sachgerecht abgestuften Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen ermöglicht. Verjährung
Entsprechendes gilt hinsichtlich der Verjährung. Dabei bedarf es keiner Vertiefung der Frage, in welchem Umfang überhaupt Schadensersatzansprüche wegen Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware (§378 HGB) innerhalb der kurzen Frist des §477 BGB verjähren (vgl. dazu BGH, LM Nr.5 und Nr.10 zu §477 BGB). Denn wenn überhaupt, so werden von der kurzen Verjährung nur Ansprüche erfaßt, die in einer mangelhaften Leistung oder der Lieferung eines aliud ihren Grund haben (BGHZ 47/312,319), und das ist bei den hier streitigen Ansprüchen nicht der Fall, d) Schließlich geht auch die Ansicht der Revision der Erstbeklagten fehl, die geltend gemachten Schadensersatzansprüche scheiterten gemäß §464 BGB daran, daß der Fahrer der Speditionsfirma R - obwohl ausdrücklich auf den Ladezustand der Batterien hingewiesen - diese für die Firma L vorbehaltlos angenommen habe. Ganz abgesehen von der Frage, ob §464 BGB überhaupt auf Lieferungen eines aliud Anwendung findet und ob die Kenntnis des Fahrers einer die Ware abholenden Vertragsspedition bereits dem Käufer zuzurechnen ist (vgl. dazu RGZ 64/236), verkennt die Erstbeklagte, daß die vorbehaltlose Annahme schon nach dem Wortlaut und der rechtssystematischen Einordnung dieser Vorschrift lediglich den Verlust von Gewährleistungsansprüchen im weitesten Sinne, nicht dagegen von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenpflicht zur Folge hat.
Mitverschulden (§ 254 BGB)
4. Das Berufungsgericht bewertet das Mitverschulden der Firma L auf ein Drittel. Auch diese grundsätzlich dem Tat141
1.124
Individuelle Verhältnisse des Geschädigten
richter vorbehaltene Abwägung läßt einen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten nicht erkennen. Anhaltspunkte für die Annahme, das Berufungsgericht habe außer acht gelassen, daß die Firma L als Speditionsunternehmen bei der Prüfung der entgegengenommenen Batterien besondere Sorgfalt habe walten lassen müssen, sind um so weniger ersichtlich, als das Berufungsgericht zu Lasten der Klägerin auf die gerade von dem Zeugen T als „Technischem Leiter der Firma L" zu verlangende Sachkunde abgestellt hat, wenn im übrigen das Berufungsgericht aus dem Umstand, daß die Angestellten der Firma L die ihnen vertragswidrig angelieferten Batterien ohne Prüfung ihres Ladezustandes an den Bestimmungsort weitergesandt haben, ein Mitverschulden der Firma L zu einem Drittel herleitet, so läßt dies angesichts des leichtfertigen Verhaltens der Zweitbeklagten und des Umstandes, daß die Erstbeklagte ebenfalls durch die fehlerhafte Weitergabe der Bestellung den Schadensablauf mitverursacht hat, jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Erstbeklagten erkennen.
Anmerkung: Rechtliche Analyse der Entscheidung
142
1. Im Ergebnis ist der Entscheidung zuzustimmen. Die Begründung allerdings ist sehr fraglich. Ausgangspunkt ist die überkommene Rechtsprechung, daß sich die Verletzung der in §§377,378,381 HGB normierten Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten zugleich auch auf die mit Mängeln der gelieferten Sache begründeten Schadensersatzansprüche bezieht (vgl. dazu Anm. zu 1.118). Die obige Entscheidung ist zwar gewährleistungsrechtlich konsequent, indem Verpakkungsmängel nur in besonderen Ausnahmefällen Gewährleistungsansprüche begründen. Andererseits zeigt aber der Sachverhalt, daß auch Sachmängel denkbar sind, die nicht zugleich auch Gewährleistungsansprüche begründen: wennz. B. der Lieferant die Ware mit einem eigenen Lkw auf den Hof des Käufers transportiert und die Ware dort vor Abladen explodiert und einen Sachschaden des Käufers auslöst, liegt ein Folgeschaden vor, der durch Mängel der gelie-
(Anm.) 1.124 ferten Sache ausgelöst wurde, während mangels Gefahrübergangs noch keine Gewährleistungsansprüche, sondern noch die Erfüllungsansprüche bestehen. Im obigen Fall hatte bereits ein Gefahrübergang stattgefunden. Die sachgerechtere, dem Zweck der §§377, 378, 381 HGB angemessenere Lösung ist, den Geltungsbereich dieser Vorschriften, d. h. die dort für den Fall einer Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten normierte Präklusionswirkung auf den gewährleistungsrechtlichen Bereich zu beschränken und die Haftung für Mangelfolgeschäden aufgrund positiver Vertragsverletzung von der Präklusionswirkung auszunehmen (ebenso Hönn, BB 1978/685, 688; vgl. im einzelnen Anm. 1.118, Nr. 3). Verhältnis der §§ 377ff. HGB/ 254 BGB
Mitverschulden und Untersuchungspflichten des Abnehmers bzw. Benutzers
Verhältnis zu den kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten (§§ 377ff. HGB)
2. Generell ist zu den beiden Fragenbereichen (a) der sich aus §§377, 378, 381 HGB ergebenden kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten und (b) der im Rahmen des §254 BGB bei der Frage des Mitverschuldens bestehenden haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten folgendes zu sagen: In vielen Fällen von Produktmängeln hätten die dadurch ausgelösten Folgeschäden vermieden bzw. begrenzt werden können, wenn der Käufer, Besteller bzw. Produktbenutzer vor der Verwendung, Bearbeitung, Verarbeitung, Vermischung, usw. des Produktes eine an sich mögliche und ihm auch zumutbare Untersuchung vorgenommen hätte, ob das Produkt keine Mängel der betreffenden Art aufweist. Haftet in derartigen Fällen der Verkäufer bzw. Lieferant für die durch Mängel des Produkts ausgelösten Folgeschäden, stellt sich in derartigen Fällen hinsichtlich der Schadenshöhe die Frage, ob ein gewisser Teil des Schadens vom Geschädigten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (wegen Unterlassens einer derartigen vorherigen Untersuchung) zu tragen ist. a) Auf den ersten Blick scheinen hier die sog. kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten der §§377, 378, 381 II HGB eine Antwort zu geben (vgl. dazu Anm. zu 1.118). Dies ist jedoch ein Irrweg. Es handelt sich hier um ein völlig anders gelagertes Problem. Wenn das HGB davon spricht, daß der Käufer „die Ware unverzüglich zu untersuchen hat", dann ist darin keine haf143
1.124 (Anm.)
Eigenständigkeit der Fragenbereiche im Rahmen des § 254 BGB
Beurteilungskriterien im Rahmen des § 254 BGB
144
tungsrechtliche Sorgfaltspflicht z. B. im Sinn einer handelsrechtlichen Spezialnorm zur Ergänzung der allgemeinen zivilrechtlichen Regelung über das Mitverschulden (§254 BGB) zu sehen. Vielmehr handelt es sich um eine sog. Obliegenheit. Zwar handelt es sich bei der Untersuchungspflicht um eine Rechtspflicht. Sanktion dieser Rechtspflicht ist aber lediglich der Verlust bestimmter Rechtspositionen (nämlich der Gewährleistungsrechte). Deshalb handelt es sich hier nicht im technischen Sinn um eine „Haftung", sondern nur um eine Obliegenheit, d. h. um eine Rechtslast, die der Betreffende im eigenen Interesse zur Wahrnehmung bzw. Erhaltung seiner Rechtspositionen zu erfüllen hat b) Im hier behandelten Zusammenhang dagegen handelt es sich um die völlig andersartige Frage, ob der Käufer, Besteller, usw. unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens verpflichtet ist, die Ware vor Verwendung, Verarbeitung, Vermischung, usw. auf Mangelfreiheit zu überprüfen und ob ihm bei Unterlassen dieser Untersuchung und hypothetischer Erkennbarkeit des Mangels unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens ein diesem Mitverschulden proportionaler Schadensteil zuzurechnen ist. Diese Frage kann nicht unter Ausrichtung auf §§377, 378, 381 HGB entschieden werden und ist völlig unabhängig vom Bestehen derartiger kaufmännischer Untersuchungsobliegenheiten (1.51). Vielmehr handelt es sich hier um ein allgemeines, über den Bereich der zweiseitigen Handelsgeschäfte hinausgehendes Problem, dessen Rechtsgrundlage ausschließlich der §254 BGB ist. 3. Im Rahmen des §254 BGB kommt es darauf an, ob(a)die objektive Möglichkeit eines Schadens der konkret eingetretenen Art durch die Unterlassung der Untersuchung allgemein erhöht oder begünstigt wurde (Kausalität des Geschädigtenhandelns: vgl. OLG Braunschweig, VersR 1978/627) und weiterhin (b) ob ein verständiger Beurteiler zur Vermeidung eigenen Schadens die (tatsächlich unterlassene) Schadensverhütungs- bzw. -minderungsmaßnahme getroffen hätte: ein Mitverschulden ist dann gegeben, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (1.99).
(Anm.) 1.124 Möglichkeit und Zumutbarkeit der Vorsorgemaßnahme
a) Zunächst einmal ist also zu prüfen, obdem Geschädigten überhaupt hinsichtlich des konkreten Schadens eine Schadenverhütungs- bzw. -minderungsmaßnahme (a) möglich und (b) zumutbar war. Damit verschiebt sich die Problematik auf die Frage, welche vorbeugenden Maßnahmen „zumutbar" sind. Grundgedanke des §254 BGB ist folgendes: Wenn jemand einen Schaden erleidet und einen anderen, der schuldhaft mitgewirkt hat, auf Ersatz des Schadens in Anspruch nimmt, dann muß ersieh sein eigenes sorgloses und für den Schaden mitursächliches Verhalten anrechnen lassen, sofern es ihm im Sinne persönlicher Verantwortlichkeit zugerechnet werden kann; das Verlangen nach Schadensersatz bzw. nach vollem Schadensersatz ist unbillig, wenn und soweit sich der Geschädigte unter Außerachtlassung zumutbarer Sorgfalt selbst in die Lage gebracht hat, in der sich das Verhalten des anderen für ihn schädigend auswirken konnte (vgl. Larenz, Schuldrecht, Allg. Teil, 11.Aufl., S. 424). Der Geschädigte darf also die Folgen seines eigenen nachlässigen Verhaltens nicht bzw. nicht in vollem Umfang auf einen gleichfalls an der Schadensentstehung beteiligten Dritten abwälzen (Esser-Schmidt, Schuldrecht, Allg. Teil, 5. Aufl., §35 I, S.221). Daraus ergibt sich für die inhaltliche Präzisierung des Begriffs der Zumutbarkeit, daß der Geschädigte grundsätzlich zu den nach Lage der Dinge erforderlichen Schadenverhütungs- bzw. -minderungsmaßnahmen verpflichtet ist, wenn und soweit nicht im Einzelfall für ihn daraus ein unverhältnismäßiger Aufwand entstehen würde. Das Kriterium der Zumutbarkeit hat im Rahmen des §254 BGB lediglich eine pflichtenbegrenzende Funktion. Ähnlich wie im Bereich der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten muß also eine Abwägung zwischen dem für den Untersuchungspflichtigen entstehenden Aufwand und den berechtigten Interessen des anderen erfolgen. Im Rahmen der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten bestehen die berechtigten Interessen des anderen darin, möglichst bald über eventuelle Mängelrügen informiert zu werden (vgl. 1.105; 1.118; 1.124). Hier dagegen handelt es sich um eine Begrenzung einer grundsätzlich bestehenden Schadensersatzhaftung unter dem Gesichtspunkt, daß der Schaden nicht bzw. nicht in dieser Höhe ein145
1.124 (Anm.)
Untersuchungspflichten bei Gefahr von Mangelfolgeschäden
Üblichkeit bzw. Nichtüblichkeit der erforderlichen Untersuchungen
Verschuldenskriterien
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getreten wäre, wenn der Geschädigte bestimmte Vorsorgemaßnahmen getroffen hätte. Wegen der Ähnlichkeit der Bewertungssituation kann m. E. die Rechtsprechung zu den kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten im Bereich der haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten als gedankliche Leitlinie für die inhaltliche Präzisierung der Zumutbarkeit der Untersuchung herangezogen werden. Wenn also(1) bei Vorliegen eines bestimmten Mangels und (2) Unterbleiben einer der Verwertung (z. B. Weiterverarbeitung, Montage, usw.) vorgeschalteten möglichen und zumutbaren Untersuchung (3) Mangelfolgeschäden zu befürchten sind, die im Verhältnis zu dem für den Abnehmer bei Vornahme der Untersuchung anfallenden Kosten- und/oder Zeitaufwand unverhältnismäßig hoch sind, kann der Lieferant dem Anspruch des Abnehmers auf Ersatz von Mangelfolgeschäden den Einwand des Miverschuldens entgegenhalten (1.105). Das Unterlassen einer derartigen Untersuchung kann gemäß §254 BGB zur Folge haben, daß der Geschädigte einen diesem Mitverschulden proportionalen Teil des Schadens selbst zu tragen hat. Im extremen Fall kann unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens dem Geschädigten der volle Schaden zur Last fallen. b) Klarzustellen ist dabei, daß es auf die Üblichkeit einer derartigen Untersuchung nicht ankommt. Ergibt sich, daß eine objektiv mögliche Untersuchung sachlich geboten und zumutbar ist, kann sich der Geschädigte nicht darauf berufen, daß derartige Untersuchungen unüblich seien (1.99; 1.105; 1.123). Umgekehrt ergibt sich aber bei (Handels-)Üblichkeit der fraglichen Untersuchung ohne weiteres aus dem Unterlassen der Untersuchung ein Mitverschulden (1.51). c) Hinsichtlich des Verschuldens kommt es nicht auf eine Rechtswidrigkeit an, weil es sich hier nicht um die Frage einer Fremdgefährdung, sondern um die andersartige Frage der Eigengefährdung handelt (vgl. Larenz, aaO., S.424). Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen dagegen können weitgehend die im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung geltenden Bewertungsmaßstäbe herangezogen werden (vgl. Larenz, aaO., S.425). Dies wird von entscheidender Bedeutung bei der Frage, ob das Unterlassen objektiv möglicher und zumutbarer Vorsor-
(Anm.) 1.124
Typisierende Beurteilung
Erfordernis des „allgemeinen Bewußtseins" über die Notwendigkeit der Vorsorgemaßnahme?
gemaßnahmen als Verschulden vorwerf bar ist. §254BGB hat insoweit eine Außenfunktion, als sich daraus eine berechtigte Verhaltenserwartung Dritter ergibt: wenn Dritte im Einzelfall dem Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet sind, können sie doch berechtigtermaßen davon ausgehen, daß dieser hinsichtlich der Schadensverursachung und/ oder des Schadenumfangs gewisse Sorgfaltsmaßnahmen trifft: sind diese Maßnahmen unterblieben, reduziert sich die Schadensersatzverpflichtung entsprechend. ca) Für das Zivilrecht gilt aber hinsichtlich des Verschuldens kein individueller, sondern ein typisierter Fahrlässigkeitsbegriff. Dies ist jedenfalls im Sinn eines Mindestmaßstabs wichtig. Ein hinter der Norm zurückbleibendes Wissen bzw. hinter der Norm zurückbleibende Handlungsmöglichkeiten sind von dem Betreffenden zu vertreten. Angewandt auf den Bereich des Mitverschuldens: kennt der Geschädigte nicht die bei typisierender Beurteilung objektiv möglichen und zumutbaren Vorsorgemaßnahmen bzw. fehlen ihm die dafür erforderlichen Voraussetzungen, geht dies nicht zu Lasten des Schädigers, sondern zu seinen Lasten. Auch im Rahmen des Mitverschuldens ist also eine typisierte Verschuldensprüfung vorzunehmen. Abzustellen ist jeweils auf die in Betracht kommenden Verkehrskreise. Handelt es sichz. B. um einen Verpackungs fehler einer Ware und ist der Käufer Spediteur, dann ist maßgeblicher Verkehrskreis für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten der Kreis der Spediteure: im Rahmen des Mitverschuldens ist hinsichtlich der vom geschädigten Spediteur haftungsrechtlich zu fordernden Untersuchungsmaßnahmen auf die Möglichkeiten und Kenntnisse eines berufsmäßigen Spediteurs abzustellen (1.124). cb) Diese Fragen sind im Bereich der Straßenverkehrshaftung im Zusammenhang mit der Verpflichtung von Motorradfahrern zum Tragen von Sturzhelmen (1.99; 1.103) und von Kraftfahrzeug-Insassen zur Benutzung von Sicherheitsgurten (1.103; 11.51; II. 62) aktuell geworden. Der BGH verlangt ein „allgemeines Bewußtsein" davon, daß die betreffende Vorsorgemaßnahme erforderlich sei (1.99; 1.103; vgl. auch 11.51). Dies beinhaltet aber m. E. eine Kategorie, die im Rahmen des 147
1.124 (Anm.)
Haftungsrechtliche Problemstellung
Prozessuale Problemstellung
Besondere gerichtspsychologische Sachlage im Straßenverkehrsrecht
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Mitverschuldens nicht relevant sein kann. Zunächst einmal hat der BGH selbst klargestellt, daß bei einem an sich möglichen und zumutbaren Verhalten der Gesichtspunkt, daß das betreffende Verhalten nicht üblich ist, unerheblich sei (1.99 sowie auch 11.51): das „allgemeine Bewußtsein" ist aber im Kern nur eine Paraphrasierung des Abstellens auf die Üblichkeit. Wenn z. B. das Tragen von Sturzhelmen durch Motorradfahrer üblich ist, wird die Notwendigkeit dieser Maßnahme in das allgemeine Bewußtsein eingedrungen sein. Umgekehrt ist das Tragen eines Sturzhelms üblich geworden, weil es Gegenstand des allgemeinen Bewußtseins ist. Würde man tatsächlich darauf abstellen, ob ein ,,allgemeines Bewußtsein" von der Erforderlichkeit der fraglichen Vorsorgemaßnahme gegeben ist, würde das rechtlich Gebotene und Zumutbare begrenzt durch ein rein empirisches Kriterium. Die zitierte Rechtsprechung zeigt, wie schwer dieses „allgemeine Bewußtsein" zu ermitteln ist. Ähnlich wie bei der Frage der Verkehrsgeltung im Warenzeichenrecht müßte an sich eine statistisch abgesicherte demoskopische Ermittlung erfolgen, was Gegenstand des „allgemeinen Bewußtseins" in einem gegebenen Zeitpunkt (und eventuell auch in einem gegebenen regionalen Bereich) ist. Aus auf der Hand liegenden Gründen ist dies hinsichtlich der zitierten Fragenbereiche nicht erfolgt. Vielmehr haben sich die Gerichte trotz rhetorischer Anerkennung dieses Kriteriums letztlich damit begnügt, auf öffentlich-rechtliche Benutzungsvorschriften abzustellen und damit zu argumentieren, daß jedenfalls ab Inkrafttreten dieser Maßnahme eine Benutzungspflicht gegeben sei. Im Rahmen des allgemeinen Haftungsrechts ist es anerkannt, daß ein branchenüblicher Schlendrian bzw. ein Verweisen auf das allgemein Übliche keinen Entlastungsgrund ergibt. Der BGH selbst hat diesen Gesichtspunkt auch im Bereich des Mitverschuldens anerkannt. Die Gerichte haben zu prüfen, was nach Lage der Dinge (a) möglich und (b) zumutbar ist. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob diese Maßnahmen bereits allgemein als erforderlich anerkannt sind. Die Rechtsprechung zur Frage der Sturzhelme und der Sicherheitsgurte dürfte vom Mitleid-Syndrom und dem Ge-
(Anm.) 1.124
Präventiveffekt einer Bejahung des Mitverschuldens
Nützlichkeitsgrad bzw. -Wahrscheinlichkeit der Vorsorgemaßnahme
sichtspunkt, daß im Rahmen der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Schaden nicht vom Schädiger selbst, sondern von der Versicherung gezahlt wird, getragen sein: wird ein Mitverschulden bejaht, muß der Geschädigte einen Schadenteil selbst tragen, während bei Ablehnung des Mitverschuldens die Schadentragung aus einer „anonymen Masse" kommt. Psychologisch ist es durchaus verständlich, daß die Gerichte sich jeweils lange Zeit sträubten, bevor das Mitverschulden anerkannt wurde und letztlich erst öffentlichrechtliche Maßnahmen, auf die dann verwiesen wurde, den Durchbruch brachten. Man muß sich aber umgekehrt darüber im klaren sein, daß eine Grundsatzentscheidung gerade im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung über die Öffentlichkeitsarbeit der Automobilclubs und die allgemeine Berichterstattung der Presse eine ausgesprochene Signalwirkung hat. Das Sicherheitsgurt-Urteil des OLG Braunschweig (11.51) hat diesen Effekt klar gezeigt. Für den einzelnen Geschädigten, der das „Opfer" eines derartigen Grundsatzurteils geworden ist, bedeutet die Entscheidung zwar einen Geldverlust. Präventiv gesehen hat sie aber zur Folge, daß in Tausenden von Fällen Schäden nicht bzw. nicht in diesem Umfang entstehen, weil sich ein derartiges Urteil schnell herumspricht und deswegen in größerem Maß die betreffenden Schutzmaßnahmen (Anlegen eines Sicherheitsgurtes, Tragen eines Schutzhelms, usw.) vorgenommen werden. Wenn dagegen die Gerichte ein Mitverschulden verneinen (z. B. Ablehnung eines Mitverschuldens bei einem Fahrer eines Fahrrads mit Hilfsmotor, der keinen Sturzhelm benutzt: BGH, NJW 1969/1898), dann provoziert dies nur in dem entsprechenden Verkehrskreis die Einschätzung, daß auf einen Sturzhelm verzichtet werden kann. d) Ein weiteres Anwendungsproblem stellt sich hinsichtlich der Frage nach dem wahrscheinlichen Nutzen der fraglichen Maßnahme. Lange Zeit war die Frage mehr oder minder umstritten, welchen Nutzen bzw. Schaden die Verwendung eines Schutzhelmes bzw. von Sicherheitsgurten hat. Der BGH scheint im Zusammenhang mit der Benutzung von Sicherheitsgurten darauf abzustellen, ob die Nützlichkeit voll nachgewiesen ist; wenn die Erfahrung zeigt, daß das An149
1.124 (Anm.)
Haftungsrechtliche Untersuchungspflichten bei formularmäßiger Abbedingung der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten 150
schnallen in Kraftwagen in gewissen Unfallsituationen mit einem Risiko verbunden ist, müsse es der Entscheidung des Einzelnen überlassen bleiben, ob er das Risiko mit Rücksicht auf die Vorteile, die der Gurt in sehr vielen Fällen bietet, in Kauf nehmen oder er wegen dieses Risikos auf das Anschnallen verzichten will (1.103). Zweifellos ist dies richtig, wenn der Nutzen einer an sich möglichen Sicherheitsmaßnahme sehr umstritten ist. Man kann nicht vom einzelnen Geschädigten die Klärung einer . Frage verlangen, die unter Fachleuten noch umstritten ist. Andererseits kann man aber m.E. nicht auf eine vollständige Klärung aller zwischen den Fachleuten streitigen Einzelfragen abstellen. Wenn zwar in gewissen Situationen z. B. das Anlegen von Sicherheitsgurten schadenverursachend bzw. -erhöhend ist, aber doch andererseits in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle das Anlegen des Sicherheitsgurtes schadenverhütend bzw. -mindernd ist, kann man m. E. vom Geschädigten verlangen, daß er sich für die Maßnahme mit dem wahrscheinlich größeren Nutzen entscheidet: wendet man den für ein Mitverschulden maßgeblichen Test an, ob ein verständiger Beurteiler zur Vermeidung eigenen Schadens die Schadenverhütungs- bzw. -minderungsmaßnahme getroffen hätte, an, muß man m. E. zu dem Ergebnis kommen, daß ein verständiger Beurteiler eine Maßnahme (z. B. Anlegen eines Sicherheitsgurtes), die in vielen Fällen schadensverhütend bzw. -mindernd ist, auch dann treffen würde, wenn in einigen wenigen Fällen diese Maßnahme schadenverursachend bzw. -erhöhend ist. Es muß hier also darauf ankommen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt von einer überwiegenden Nützlichkeit der fraglichen Maßnahme ausgegangen werden kann (ebenso Knippel, VersR 78/1028, 1029). 4. Die Unterscheidung zwischen - kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten des Käufers bzw. Bestellers bei Kauf- und Werklieferungsverträgen - haftungrechtlichen Untersuchungspflichten des Käufers, Bestellers, Produktbenutzers, usw. (unabhängig vom Vorliegen vertraglicher Beziehungen) hat eine enorme praktische Bedeutung. Im Zuge der Ko-
(Anm.) 1.124
Formularmäßige Abbedingung der haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten
stenersparnis haben viele Betriebe die Wareneingangskontrolle weitgehend reduziert mit der Überlegung (die teilweise den Zulieferern bzw. Auftragnehmern auch mitgeteilt bzw. sogar vertraglich festgehalten wird), daß im Fall eventueller durch Mängel der angelieferten Waren ausgelöster Mangelfolgeschäden die Schäden dem Lieferanten berechnet würden. Auch dann, wenn in derartigen Fällen der Käufer bzw. Besteller die kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten abbedungen hat, bleiben aber doch die haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten. Unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens muß sich der Käufer bzw. Besteller in derartigen Fällen den Verzicht auf eine Wareneingangsoder Verarbeitungsvorkontrolle je nach Sachlage als Mitverschulden zurechnen lassen und einen entsprechenden Teil des Schadens selbst tragen. 5. Wenn in Allgemeinen Einkaufsbedingungen über die Abbedingung der kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten hinaus auch noch eine allgemeine Klausel vorgesehenist, daß „der Käufer bzw. Besteller zur Untersuchung der Ware vor der Verarbeitung nicht verpflichtet ist" o.ä., stellt sich die Frage nach der Rechtswirksamkeit dieser Klausel. Gemäß §9 I AGB-Gesetz bzw. bei vor dem 1.4. 1977 abgeschlossenen Verträgen aufgrund der sog. richterlichen Inhaltskontrolle von AGB kommt es dabei auf die Angemessenheit einer derartigen Klausel an. Dabei ist die Ordnungsfunktion des dispositiven Rechts zu beachten. §254 BGB enthält mit der Berücksichtigung des Mitverschuldens einen elementaren Rechtssatz, der auf eine Abwägung der beiderseitigen berechtigten Interessen bzw. Pflichtenbereiche zielt. Hinter §254 BGB steht also mehr als nur eine bloße gesetzgeberische Zweckmäßigkeitsregelung. Es handelt sich vielmehr um eine Vorschrift mit einem sehr hohen Gerechtigkeitsgehalt. Folglich ist m. E. eine formularmäßige Abbedingung der je nach Lage des Einzelfalles bestehenden haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten unwirksam (ebenso Schlosser-Coester/Waltjen-Graba, AGB-Gesetz, 1977, Rn. 108 zu §9).
151
1.125 1.125: BGH, 11. 5. 1976, VI ZR 210/73
Deliktshaftung (§ 823 Ab. 1 BGB) bei Pflichtenübertragung auf Dritte (Bauherr/Architekt)
Überwachungshaftung der Bauherrn
152
1. Der Bauherr hat dafür zu sorgen, daß von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können. Denn er ist es in erster Linie, der die Gefahrenquelle eröffnet (vgl. Koenig, VersR 1971/701; Ruhkopf, VersR 1964/798ff.). Er wird von seiner Verantwortung auch nicht schon dadurch befreit, daß er die Bauplanung, Bauaufsicht und Bauausführung einem bewährten Architekten sowie einem zuverlässigen und leistungsfähigen Bauunternehmer überträgt (BGH, VersR 1960/134 = NJW 1960/335). Zwar erübrigt sich für ihn oft die Aufsichtspflicht, wenn er einen als zuverlässig bekannten sachkundigen Architekten und einen solchen Bauunternehmer beauftragt hat (BGH, NJW 1969/2140, 2141, mwN.). Der zunächst Verkehrssicherungspflichtige ist aber zu eigenem Eingreifen dann verpflichtet, wenn er Gefahren sieht oder hätte sehen müssen, wenn er Anlaß zu Zweifeln hat, ob der von ihm Beauftragte den Gefahren und Sicherungserfordernissen in der gebührenden Weise Rechnung trägt oder wenn dessen Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die auch von ihm, dem Auftraggeber, erkannt und durch eigene Anweisungen abgestellt werden können (BGH, VersR 1977/87, 88; VersR 1976/62, 64). 2. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis darin zu folgen, daß im Streitfall für die Beklagte nach diesen Rechtsgrundsätzen Veranlassung zu eigenem Eingreifen bestand. Wenn der Giebel eines Hauses unterfangen werden soll, so ist auch für einen verständigen Laien erkennbar, daß dies mit einer erheblichen Gefährdung dieses Gebäudes und des mit ihm etwa konstruktiv zusammenhängenden Nachbargebäudes verbunden ist. Die Anforderungen an einen nicht sachkundigen Bauherrn werden, wenn man diese Erkenntnis von ihm fordert, nicht überspannt (vgl. Herding/Schmalzl, Vertragsgestaltung und Haftung im Bauwesen, 2. Aufl., Kap. 20, Rn. 14; Otto, BauR 1974/179). Dahinstehen kann allerdings, ob ein Bauherr in solchen Fällen verpflichtet ist, sich durch Rückfragen bei seinem Architekten oder seinem Bauunternehmer darüber zu vergewissern, ob dieser etwa nur eine
1.125 einfache und möglichst preiswerte, nicht alle Gefahren sicher ausschließende konstruktive Lösung gewählt hat und ob es Alternativen gibt, die sicherer, wenn auch teurer sind, damit er sich auf diese Weise die Kenntnis verschafft, eigene Anweisungen geben zu können. Es spricht vieles dafür, daß er sich - solange er keine Anzeichen für das Gegenteil hat - darauf verlassen kann, daß insbesondere der Architekt als sein „Sachwalter" (BGHZ 60/1,3) die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Hierzu gehört es auch, daß dieser, falls ihm auf einem bestimmten Gebiet die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen, notfalls einen Spezialisten hinzuzuziehen hat (BGH, VersR 1965/800, 801). Daher mußte der Umstand, daß der Architekt die schwierigen Unterfangungsarbeiten nach den Angaben des Statikers ausführen lassen wollte, die Beklagte noch nicht zu eigenem Handeln veranlassen. Doch braucht diesen Fragen nicht weiter nachgegangen zu werden. Für die Beklagten, die die Bauausschreibung kannten, bestand nämlich jedenfalls die Pflicht zur Nachprüfung, ob der Architekt wie in eben dieser Ausschreibung vorgesehen, den Statiker wirklich beauftragt hatte, dem Bauunternehmer Angaben über die Art und Weise der Herstellung der Unterfangung zu geben und ob genaue und auf ihre exakte Einhaltung vom Architekten kontrollierbare Anweisungen des Statikers vorlagen. Zwar hatte der Umstand, daß der Architekt die Frage, wie die vorgesehene Unterfangung im einzelnen durchzuführen war, aus der Hand geben wollte und aus der Hand gegeben hat, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Beklagte noch nicht hinsichtlich der Erfahrung und der allgemeinen Fachkunde des Architekten mißtrauisch machen müssen. Nachdem sie aber wußten, daß die Unterfangungsarbeiten nicht nur im Zusammenhang zwischen dem Bauunternehmer und dem Architekten ausgeführt werden sollten, sondern daß noch eine dritte Person, nämlich der Statiker eingeschaltet wurde, trat zusätzlich zu der bereits aus der Art der geplanten Bauausführung erwachsenden, durch die Einschaltung des Statikers nochmals deutlich in Erscheinung getretenen Gefahr die zusätzliche, aus dem Zusammenwirken mehrerer Verantwortlicher immer wieder 153
1.125
Überwachungspflicht bei voraussehbarem großem Schaden
Inhalt der Überwachungspflicht
Kausalitätsnachweis
154
entstehende Gefahr, daß sich der eine auf den anderen verläßt und daß dadurch, wenn keine zusätzliche Kontrolle vorgesehen ist, Schäden für Dritte entstehen können. Wegen der Größe des hier unter Umständen eintretenden Schadens mußten in diesem Fall bereits die möglicherweise nur geringfügigen Zweifel daran, ob die so wichtige Zusammenarbeit zwischen Architekt, Bauunternehmer und Statiker lükkenlos ablief und ob dabei allen Sicherungserfordernissen in der gebührenden Weise Rechnung getragen wurde, die Beklagte veranlassen, darüber zu wachen, ob der Statiker den in der Ausschreibung vorgesehenen Auftrag erhalten und auch wirklich rechtzeitig und umfassend ausgeführt hatte. Damit wurden die Beklagten als Nichtfachleute auch keineswegs überfordert. Dessen Berechnungen und Einzelanweisungen brauchten sie freilich nicht zu überprüfen. Sie mußten aber kontrollieren, ob er eine solche Arbeit dem Architekten übergeben hatte. 3. Das Berufungsgericht hat auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der schuldhaften Verletzung der den Beklagten obliegenden Sicherungspflichten und dem Schaden der Kläger bejaht. Bei (der gegebenen Sachlage) ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht ersichtlich davon ausgeht, der Schaden wäre nicht eingetreten, wenn sich die Beklagte darum gekümmert hätte, ob der Statiker ordnungsgemäß eingeschaltet war, da dieser dann einen klaren Auftrag erhalten und darauf entweder die erforderlichen Überprüfungen selbst vorgenommen hätte o d e r entsprechend seinem Sachvortrag im Rechtsstreit - auf eine entsprechende Erklärung von ihm, daß er nicht der richtige Sonderfachmann sei, der Auftrag anderweitig vergeben worden wäre.
1.126 1.126: BGH, 24.5.1976, V I I I Z R 1 0 / 7 4 (Frostschutzmittel I)
Haftung für positive Vertragsverletzung und Verjährung entspr. § 477 BGB
Der Kläger ist Transportunternehmer. Zu seinem Fahrzeugpark gehören auch Lastkraftwagen von Typ Scania-Vabis, für die der Hersteller die Verwendung von Kühlerfrostschutzmitteln einer bestimmten Zusammensetzung vorschreibt. Ab 24. September 1969 bestellte der Kläger über den Reisenden K bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Handelsgesellschaft W-GmbH, 2001 Frostschutzmittel. Er behauptet, K habe ihm bei dieser Gelegenheit ausdrücklich zugesichert, das gelieferte Mittel entspreche den für die Scania-Lkw's vorgeschriebenen Anforderungen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe das Frostschutzmittel an 4 Lkw's zu Motorenschäden geführt. Eingeklagt wurde der Reparaturaufwand. 1. Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß der Schadensersatzanspruch des Klägers, soweit er sich aus dem Kaufvertrag herleitet, verjährt ist. Diese Ansicht ist richtig. Der Kläger stützt die geltend gemachte Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung auf die Lieferung einer mangelhaften Sache. Ein derartiger Anspruch unterliegt aber der kurzen Verjährung des §477 Abs.1 BGB (vgl. Senatsurteil vom 22.3. 1961, LM Nr.5 zu §477 BGB und vom 27.1.1971, NJW 1971/654). Die Verjährungsfrist war auch bei Klageerhebung bereits abgelaufen. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Frist schon bei Lieferung des Frostschutzmittels oder erst zu einem späteren Zeitpunkt- etwa mit Kenntnis des Klägers von den eingetretenen Schäden - begann (vgl. dazu Larenz, Schuldrecht Band II, 8. Aufl., S. 60, Fn2; BGHZ60,9/30f.; Senatsurteil vom 14.3.1973, WM 1973/730, 732 = NJW 1973/843, 845 = I.75). Denn jedenfalls war die Verjährung im Hinblick darauf, daß dem Kläger die Schäden nach seiner eigenen Darstellung bereits im August 1970 bekannt waren, am 23. November 1972- dem Zeitpunkt der Klageerhebung - längst abgelaufen. Auf den Umstand, daß zwischenzeitlich unter Einschaltung der Haftpflichtversicherung der Beklagten Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien schwebten, kann sich 155
1.126
Deliktshaftung
Ausstrahlung des § 477 BGB auf deliktsrechtl. Ansprüche?
Anspruchskonkurrenz
156
der Kläger schon deswegen nicht berufen, weil er nicht unverzüglich nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 27. Juli 1972, aus dem sich das endgültige Scheitern der Vergleichsbemühungen ergab, Klage erhoben hat. 2. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es entscheidend darauf an, ob der Kläger unbeschadet der Verjährung seiner kaufvertraglichen Schadensersatzansprüche in der Lage war, aufgrund desselben Sachverhalts die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Eigentumsverletzung (§823 Abs.1 BGB) in Anspruch zu nehmen, oder ob auch dieser Anspruch nicht der dreijährigen Verjährung des §852 BGB, sondern - weil auf der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache beruhend - der kurzen Verjährung des §477 BGB unterlag. Das Berufungsgericht hat letzteres mit der Begründung bejaht, andernfalls werde der rechtspolitische Zweck des §477 BGB, den Streit der Parteien eines Kaufvertrages über die Mangelhaftigkeit der Kaufsache und die auf sie etwa zurückzuführenden Mangelfolgeschäden im Interesse einer baldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens rasch abzuwickeln, vereitelt. Diese Ansicht hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Frage, ob die für kaufvertragliche Schadensersatzansprüche geltende Verjährungsvorschrift des §477 Abs. 1 BGB auch auf Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung übergreift und den §852 BGB verdrängt, wenn vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche aus demselben Sachverhalt hergeleitet werden, ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht ausdrücklich entschieden. Der Senat vermag der Ansicht, auch der aus der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache hergeleitete deliktische Anspruch unterliege der kurzen Verjährung des §477 Abs. 1 BGB, nicht zu folgen. a) Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz. Erfüllt ein Vorgang sowohl den Tatbestand des Vertragsrechts als auch den des Deliktsrechts, so ergibt sich aus jedem Gesetz ein Schadensersatzanspruch. Jeder ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selb-
1.126 ständig zu beurteilen und folgt damit grundsätzlich auch seiner eigenen Verjährungsfrist (BGHZ 9/301,303). Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung bei der werkvertraglichen Gewährleistung - also in einem dem vorliegenden Fall verwandten Bereich - dem Besteller, dessen aus §635 BGB gestützter vertraglicher Schadensersatzanspruch verjährt ist, ein Zurückgreifen auf den deliktischen Schadensersatzanspruch wegen fahrlässiger Beschädigung seines Eigentums (§823 BGB) innerhalb der Verjährungsfrist des §852 BGB nicht verwehrt (BGHZ 55/392; vgl. auch BGHZ 61 /203). Die gleichen Erwägungen sind für die Verjährung der gegen den Spediteur, Lagerhalter und Frachtführer gerichteten Ansprüche wegen Verlustes oder Beschädigung des ihm anvertrauten Gutes, soweit vertragliche mit deliktischen Ansprüchen konkurrieren, maßgebend (§414 HGB; vgl. BGHZ 9/301). b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn und soweit die Befugnis des Geschädigten, nach Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen zu können, den Zweck der besonders kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfristen vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Rechtsprechung Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der vermieteten Sache auch insoweit, als sie aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden könnten, der kurzen Verjährungsfrist des §558 Abs.1 BGB unterstellt (BGHZ 47/52; BGH, NJW1968/694); denn die dem Vermieter zustehenden Ersatzansprüche beziehen sich in aller Regel auf einen Schaden an der in seinem Eigentum stehenden Mietsache, so daß bei deren Veränderung oder Verschlechterung in der Mehrzahl aller Fälle eine Haftung nach §823 BGB und damit auch die Anwendung des §852 BGB in Betracht käme. Die Befugnis des Vermieters, auch nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist auf einen deliktischen Anspruch aus schuldhafter Eigentumsverletzung zurückgreifen zu können, würde daher den mit §554 BGB verfolgten Zweck, die Rechtsbeziehungen zwischen Vermieter und Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses rasch und abschließend 157
1.126 zu bereinigen, im wesentlichen vereiteln. Es kommt hinzu, daß auch der allgemein gehaltene Wortlaut des §558 Abs. 1 BGB, der von „Ersatzansprüchen" schlechthin - im Gegensatz zu Gewährleistungsansprüchen - spricht, die Einbeziehung von deliktischen Schadensersatzansprüchen deckt und daß der Gesetzgeber ersichtlich von einer derartigen Einbeziehung ausgegangen ist (Protokolle I1194). Hinsichtlich der Ersatzansprüche gegen einen Kaufinteressenten, der einen ihm zur Probefahrt überlassenen Pkw beschädigt, liegt die Interessenlage ähnlich (BGHZ 54/264). c) Die vorgenannten Besonderheiten, die ausnahmsweise die Unterstellung deliktischer Ansprüche unter eine kürzere vertragliche Verjährungsfrist rechtfertigen, liegen jedoch bei der kauf rechtlichen Verjährung nicht vor. Aus dem Wortlaut des §477 BGB, der lediglich Gewährleistungsansprüche zum Inhalt hat, läßt sich - anders als bei §558 Abs.1 BGB eine Einbeziehung auch deliktischer Ansprüche ohnehin nicht herleiten. Auch der Hinweis in den Protokollen (I.676), ein Zurückgreifen auf den Sachmangel nach Ablauf der angeordneten kurzen Verjährung sollte nur in Ausnahmefällen zulässig sein, läßt keinen hinreichend sicheren Schluß darauf zu, daß nach der Absicht des Gesetzgebers diese Beschränkung auch deliktische Schadensersatzansprüche, soweit sie auf eine fahrlässige Verletzung der in §823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter gestützt werden, erfassen solle. Vor allem aber trifft es nicht zu, daß ohne Erstreckung des §477 Abs.1 BGB auch auf konkurrierende deliktische Ansprüche der Zweck der kurzen Verjährungsregelung vereitelt und diese Vorschrift im Ergebnis ausgehöhlt würde. Zwar soll §477 BGB der baldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Kauf recht dienen. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß Ermittlung und Feststellung von Mängeln der Kaufsache nach einem gewissen Zeitablauf kaum mehr durchführbar sind und es zu einer erheblichen Erschwerung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs führen würde, wenn man das Zurückgreifen auf solche Mängel noch nach langer Zeit - d.h. innerhalb der sonst maßgeblichen 30jährigen Verjährungsfrist - zulassen würde (BGHZ 60/9,11 f.; BGH, NJW 1972/146). Gerade aus diesen Gründen, denen im Rahmen des vorwiegend vom Massenumsatz 158
1.126
Geltung des § 477 BGB für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
sowie der alsbaldigen Weiterveräußerung, der Weiterverarbeitung oder dem Verbrauch gekennzeichneten Kaufrecht besondere Bedeutung zukommt, hat der Senat - über den ersichtlich zu engen Wortlaut des §477 Abs. 1 BGB hinaus den Anwendungsbereich dieser Vorschrift weit ausgedehnt und insbesondere die die eigentlichen Gewährleistungsansprüche ergänzenden, auf den Ersatz von Mangelfolgeschäden gerichteten Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung in die kurze Verjährung einbezogen, soweit sie aus einem Sachmangel hergeleitet werden. Daß die angestrebte rasche Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Bereich der Mängelhaftung dann erschwert wird, wenn man ein Ausweichen des Geschädigten auf deliktische, der dreijährigen Verjährung unterliegende Schadensersatzansprüche zuläßt, liegt auf der Hand. Gleichwohl behält die kurze Verjährungsfrist durchaus ihren Sinn. Einmal schließt sie den geschädigten Käufer mit allen Ansprüchen aus, die nicht auf einer Verletzung der in §823 BGB genannten Rechtsgüter beruhen. Damit erfaßt sie insbesondere den weiten Bereich der fahrlässigen Vermögensverletzung. Überdies aber erschwert sie die Rechtsverfolgung für den Käufer nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist insoweit, als sie ihm nunmehr neben dem ihm stets obliegenden Nachweis der mangelhaften Lieferung und des Ursachenzusammenhangs zwischen dieser und dem eingetretenen Schaden auch den Beweis eines Verschuldens des Verkäufers, dem seinerseits der Entlastungsbeweis (§831 BGB) hinsichtlich des Verhaltens seiner Verrichtungsgehilfen offensteht, aufbürdet. Damit schützt sie den Verkäufer nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist weitgehend vor einer Inanspruchnahme durch den Käufer. Berücksichtigt man schließlich, daß ein Dritter, der durch die Lieferung der mangelhaften Waren an den Käufer zu Schaden gekommen ist, die ihm gegen den Schädiger (Verkäufer) zustehenden deliktischen Schadensersatzansprüche innerhalb der Dreijahresfrist des §852 BGB geltend machen kann, so besteht kein vernünftiger Anlaß, dem Käufer derartige, auf Ersatz für Mangelfolgeschäden gerichtete Schadensersatzansprüche nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist nur deshalb abzu159
1.126 schneiden, weil er zu dem Schädiger in Vertragsbeziehungen gestanden hat. d) Nach alledem besteht kein zwingender Anlaß, im Bereich der kaufrechtlichen Gewährleistung von dem allgemeinen Grundsatz, daß bei Anspruchskonkurrenz jeder Anspruch seiner eigenen Verjährungsregelung folgt, zu Lasten des Käufers abzuweichen.
Anmerkung:
Mitarbeiterhaftung (§831 BGB)
MitarbeiterEigenhaftung
160
1. Zu dem für eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten erforderlichen Kausalitätsnachweis vgl. die aufgrund der Zurückverweisung ergangene Entscheidung des OLG Hamm (11.59). 2. Beklagt wurde das Vertriebshändler-Unternehmen. Die umstrittene Erklärung über die Verwendbarkeit des bestellten Frostschutzmittels hatte der Reisende K vorgenommen. Nach deutschem Recht werden im Deliktsrecht die Erklärungen des Mitarbeiters dem sog. Geschäftsherrn, d. h. hier dem beklagten Handelsunternehmen, nicht als eigene Erklärungzugerechnet. Gemäß §831 BGB besteht vielmehr lediglich eine Haftung des Geschäftsherrn für die ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Kontrolle des Mitarbeiters, wobei aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regel das Verschulden des Geschäftsherrn vermutet wird und dieser sich entlasten muß. Kann das beklagte Vertriebsunternehmen den Entlastungsnachweis führen, daß der Reisende K ordnungsgemäß ausgewählt, angeleitet und kontrolliert wurde, würde eine deliktsrechtliche Haftung entfallen und wäre damit die Klage abzuweisen. Es bleibt aber noch die deliktsrechtliche Eigenhaftung des Reisenden K. Würde der Fehler- und der Kausalitätsnachweis geführt, daß das von ihm verkaufte Frostschutzmittel nicht geeignet war, bleibt noch die Haftungsfrage zu klären, ob die objektiv falsche Beratung verschuldet war. Aufgrund des Spannkupplungen-Urteils (1.85) ist fraglich, ob das Ver-
(Anm.) 1.126 schulden des Reisenden K bei dieser Sachlage vermutet wird. Der Bundesgerichtshof hat im Spannkupplungen-Urteil lediglich für leitende Mitarbeiter eine Erstreckung der im Hühnerpest-Urteil (1.58) zu Lasten des industriellen Herstellers im Verschuldensbereich anerkannten Beweislastumkehr ausgesprochen. Nach der bei Abschluß des Manuskripts bestehenden Rechtslage bleibt abzuwarten, ob die Beweislastumkehr auch auf die deliktsrechtliche Haftung nichtleitender Mitarbeiter erstreckt wird. 3. Generell ist also hinsichtlich der Haftung für Personenund/oder Sachfolgeschäden, die als Folge des Fehlens von Eigenschaften eingetreten sind, die Mitarbeiter des Verkäufers zugesichert haben, von folgendem auszugehen: a) Vertragsrechtlich werden die Erklärungen der Mitarbeiter dem von ihnen vertretenen Verkäufer-Unternehmen zugerechnet und wird dessen Haftung gemäß §463 BGB ausgelöst. Diese Haftung verjährt innerhalb der in §477 BGB normierten kurzen Fristen. b) Deliktsrechtlich kann eine Haftung des Verkäufer-Unternehmens für die von seinem Mitarbeiter abgegebenen Erklärungen gemäß §831 BGB bestehen. Im Unterschied zur vertragsrechtlichen Sachlage werden aber die Erklärungen des Mitarbeiters deliktsrechtlich nicht dem Verkäufer-Unternehmen zugerechnet. Grundlage der deliktsrechtlichen Haftung ist vielmehr das gemäß §831 BGB vermutete Auswahl-, Überwachungs- und Kontrollverschulden. Das Verkäufer-Unternehmen hat also die Möglichkeit, den Entlastungsnachweis anzutreten, daß der Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgewählt, angeleitet und überwacht wurde. c) Weiterhin besteht eine deliktsrechtliche Eigenhaftung des Mitarbeiters für die von ihm abgegebenen Erklärungen. Hinsichtlich des Verschuldens kommt es grundsätzlich auf den Maßstab an, der objektiv bei einem Mitarbeiter dieser Stufe anzulegen ist. Unter dem Gesichtspunkt des sog. Übernahmeverschuldens (vgl. dazu Anmerkung zu 1.101) kann sich insoweit auch eine Haftung in den Fällen ergeben, in denen zwar hinsichtlich der konkreten Erklärung kein Verschulden vorlag, aber allein die Abgabe der Erklärung bereits die Übernahme einer Verantwortung beinhaltete, der der Betreffende kraft seines Wissens nicht gerecht werden konnte. 161
1.127 In diesem Zusammenhang handelt es sich um die Eigenhaftung des Mitarbeiters für seine eigenen Erklärungen. Jedenfalls dann, wenn es sich um einen leitenden Mitarbeiter (im haftungsrechtlichen Sinn) handelt, wird nach dem Spannkupplungen-Urteil (1.85) das Verschulden vermutet.
1.127: BGH, 10.6.1976, V I I Z R 1 2 9 / 7 4 (Wertgutachten)
Nichterfüllungund Mangelfolgeschadenhaftung bei Werkverträgen (§§635,638 BGB)
Der beklagte Architekt hatte für die Klägerin ein Gutachten über den Wert eines zu beleihenden Grundstücks erstattet. Aufgrund des Gutachtens wurde ein Hypothekendarlehen gewährt. Bei der später durchgeführten Zwangsversteigerung fiel die Klägerin mit einem größeren Betrag aus. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß das vom Beklagten erstattete Gutachten unrichtig ist: die Grundstücke hatten allenfalls einen Wert von 700000 DM, nicht aber den vom Beklagten angegebenen Wert von 1250000 DM. 1. Der aus der unrichtigen Bewertung des Grundstücks hergeleitete Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ist nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht verjährt. Es handele sich nicht um einen nach §635 BGB zu ersetzenden Nachteil, dessen Ausgleich an der Einrede der Verjährung gemäß §638Abs.1 BGB scheitern müßte, sondern um eine erst nach 30 Jahren verjährende Forderung aus positiver Vertragsverletzung. Die Revision meint demgegenüber, es könne nicht danach unterschieden werden, ob der Mangel des Architekten- oder Statikerwerks sich in einem Bauwerk verkörpere oder ob der Fehler des Gutachtens sich in einer das Vermögen des Bestellers beeinträchtigenden Darlehnsgewährung realisiere. Jedenfalls aber sei die Forderung verjährt, weil §638 BGB hier zumindest analog angewandt werden müsse. Das ist indessen nicht richtig. Die Revision bleibt deshalb ohne Erfolg.
Abgrenzung zwischen Nicht-
2. In seinem Urteil BGHZ 58/85 hat sich der Senat für den Bereich des §635 BGB zwar im Prinzip zu einem engen, ledig-
162
1.127 erfüllung- und MangelfolgeSchäden
lieh sog. „Mangelschäden" einschließenden Schadensbegriff bekannt. Er hat aber im Interesse einer zweckgerechten Anwendung des §638 BGB gewisse nächste „Mangelfolgeschäden" einbezogen (aaO., S.89). Eine derartige Erweiterung des Schadensbegriffs hat er dort für erforderlich gehalten, wo der Folgeschaden mit dem Werkmangel „eng zusammenhängt". Zu der Frage, wie dieser „enge Zusammenhang" zu ermitteln sei, hat er auf die Notwendigkeit einer die Eigenart des jeweiligen Sachverhalts berücksichtigenden Begründung und Wertung verwiesen. Wie auch sonst bei Generalklauseln könne sich im Verlauf der Rechtsprechung eine Typenbildung nach Tatbestandsgruppen ergeben (aaO., S.91f.). Ein Teil des Schrifttums hat diese Entscheidung abgelehnt (vgl. z.B. Finger Betr. 1972/1211,1215 sowie NJW 1973/81; Ganten, VersR 1972/540; Ballerstedt, Festschrift Larenz, 1973, S.717, 719; Schmitz, NJW 1973/2081; Jakobs, Jus 1975/76/78; Schubert, JR1975/179,180 sowie BB 1975/585; Palandt-Thomas, 35.Aufl., Anm. 4e vor §633 BGB; ErmanSeiler, 6. Aufl., BGB, Anm.25f. zu §635). Die Kritik gibt dem Senat keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Auch der vorliegende Fall nötigt nicht dazu, a) Ausgangspunkt bleibt der „enge Schadensbegriff" (BGHZ 58/85, 88; vgl. außer den dort erwähnten Autoren noch Kopeke, Typen der positiven Vertragsverletzung, 1965, S. 144 sowie neuerdings Glanzmann in RGRK BGB, 12.Aufl., Anm.33ff. zu §635 und wohl auch Finger, NJW 1973/81, 84). Daß dieser Schadensbegriff zumindest nicht im Widerspruch zu den Materialien steht, wird auch von den Gegnern der hier vertretenen Auffassung anerkannt (Medicus, Festschrift Kern, 1968, S.313, 322). Wenn der Senat zur Kennzeichnung des nach §635 BGB zu ersetzenden Mangelschadens verlangt hat, daß dieser dem Werk „unmittelbar anhaften" müsse (vgl. die in BGHZ 58/85, 87 aufgeführten Entscheidungen), so hat er damit nicht auf ein kausales „Tatbestandselement" verwiesen. Als ausschlaggebend hat er vielmehr ein „lokales", d.h. am Leistungsobjekt orientiertes, seit seinem Urteil vom 2.5. 1963 (VII ZR 233/61 = Betr 1963/1318; vgl. die in NJW 1971/1131 163
1.127 aufgeführten Entscheidungen) als „Art des Schadens" bezeichnetes Merkmal angesehen. Die dem BGB fremde Frage, ob der Mangel den Schaden unmittelbar oder nur mittelbar verursacht habe, hat er also entgegen verschiedentlich geäußerter Vermutung nicht gestellt, b) Nicht annehmbar ist weiterhin die vor allem auf Esser (Schuldrecht II, 4. Aufl., §80 II 3d, S. 176) und Medicus (aaO., S.323ff.) gestützte Ansicht, daß §635 BGB für sämtliche von einem Werkmangel verursachte Schäden gelte, weil das „Leistungsinteresse" des Bestellers auf ein ungefährliches und ihm alle typischen Gebrauchsvorteile vermittelndes Werk gerichtet sei (Esser, aaO.; im Ergebnis ebenso außer den in BGHZ 58/85, 90 Genannten noch Ballerstedt, aaO.; Brox, Besonderes Schuldrecht, 2.Aufl., Rn. 270; Schmitz, aaO.; Jakobs, Jus 1974/341,342; Erman-Seiler, aaO.). Diese Meinung entfernt sich zu weit von der gesetzlichen Grundlage des Gewährleistungsschadens, auf den sich §638 BGB bezieht. Ihre konsequente Durchsetzung würde gerade in Fällen der hier in Rede stehenden Art, aber auch in anderen (vgl. die von Larenz, Schuldrecht II, 10. Aufl., S.231 aufgeführten Beispiele) gewöhnlich zur Verjährung der vertraglichen Ersatzansprüche noch vor Entstehung des sie begründenden Schadens führen. Das ist untragbar und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Dieser ging davon aus, daß der Mangel zumindest in der Regel innerhalb der in §638 BGB bestimmten Fristen erkennbar werde; er hat sie gerade im Hinblick hierauf differenziert und so für Gewährleistungsansprüche aus Bauwerken die Verjährung erst nach fünf Jahren vorgesehen (Mugdan, Materialien zum BGB II, S. 271 ff.). Einige Anhänger der hier erörterten Auffassung suchen allerdings jenes von ihnen ebenso mißbilligte Ergebnis zu vermeiden. Sie empfehlen für gewisse Fallgruppen, in die auch der vorliegende Sachverhalt einzuordnen wäre, die Verjährung nicht mit der für den Werkvertrag maßgeblichen Abnahme (§638, Abs. 1 Satz2 BGB), sondern erst mit der Kenntnis von der Entstehung des Schadens beginnen zu lassen (z.B. Ballerstedt, aaO., S.730 und ihm folgend Jakobs, Jus 1975/76,79). Damit verwenden sie aber ein Merkmal aus dem Recht der unerlaubten Handlung (§852 Abs. 1 164
1.127 BGB), das dem Vertragsrecht fremd ist. Das verstößt gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das der Abnahme auch auf anderen Gebieten des Werkvertrages wesentliche Wirkungen beilegt (§§640f., §§644f. BGB), sowie dagegen, daß vertragliche und dellktische Haftung eigenen Regeln unterworfen sind und deren Übertragung auf den jeweils anderen Anspruchsbereich grundsätzlich nicht zulässig ist. Der VIII. Zivilsenat des BGH hat zwar einmal für den Kauf einer unrichtige Belehrungen enthaltenden ,,Nottestamentsmappe", wo es auf die nur für den Werkvertrag ausschlaggebende Abnahme des Werkes also nicht ankommen konnte, einen auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Schadens abstellenden Verjährungsbeginn erwogen, seine Entscheidung darauf aber nicht gegründet (NJW 1973/843, 845 - I.75); der erkennende Senat braucht deshalb darauf nicht näher einzugehen. c) Aus im wesentlichen gleichen Erwägungen ist schließlich die neuerdings vertretene Ansicht abzulehnen, daß die §§635,638 BGB für sämtliche in den „Funktionsbereich" der Werkleistung fallende Mangelfolgeschäden zu gelten hätten und insbesondere alle auf dem Gebrauch fehlerhafter Gutachten beruhenden Nachteile von diesen Vorschriften erfaßt seien (Schubert, JR 1975/179,184). Das Problem, wie der regelmäßige, erst später auftretende Schaden zu behandeln ist, kann auch nach dieser Meinung nur dadurch bewältigt werden, daß der Beginn der - bei Gutachten nur sechs Monate dauernden - Verjährung von der Abnahme hinweg verlegtwird (Schubert, BB 1975/585,586). Als den Lauf der Verjährung auslösendes Ereignis wird zwar nicht die Kenntnis vom Schaden, sondern dessen Entstehung (§198 BGB) angenommen, so daß deliktsrechtliche Merkmale vermieden werden. Die gegen diese Theorie zu erhebenden Bedenken sind damit aber nicht ausgeräumt, weil für die nach §638 BGB verjährenden Ansprüche auf die Abnahme oder, wo diese nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist, auf die ihr nach §646 BGB gleichzusetzende Vollendung des Werkes als den für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Zeitpunkt nicht verzichtet werden kann. d) Eine mit dem Gesetz zu vereinbarende und dessen Zweck 165
1.127 erfüllende Lösung des hier anstehenden Problems hat das Schrifttum nach alledem nicht aufzuzeigen vermocht. Angesichts der Mannigfaltigkeit der dem Recht des Werkvertrags zuzuordnenden Vertragstypen läßt sich die Frage, wie das die Verjährung betreffende Risiko angemessen zu verteilen ist, nur mit Hilfe der vom Senat geforderten Güter- und Interessenabwägung beantworten. Nur dort, wo der auf angemessene Risikoverteilung zielende Zweck dies nötig macht, sind deshalb nächste Folgeschäden in den Schadensbegriff des §635 BGB einzubeziehen. Der die Einbeziehung voraussetzende ,,enge Zusammenhang" von Mangel und Schaden ist auch insoweit, also nicht nur bei der Feststellung des Mangelschadens im eigentlichen Sinne, nicht „kausal", sondern am Leistungsobjekt orientiert („lokal") zu ermitteln. Daß der Schaden auf dem Mangel beruhen muß, versteht sich von selbst. Entgegen wiederholt geäußerter Ansicht trifft es deshalb nicht zu, daß der Senat mit seiner Auslegung die Art der Werksleistung außer acht läßt, nach der sich allerdings die durch §638 BGB geregelte Dauer der Verjährungsfrist richtet. Der Vorwurf, daß die Rechtsprechung des Senats die Praxis vor unübersehbare Abgrenzungsschwierigkeiten stelle, ist nicht gerechtfertigt, dies um so weniger, als auch die Kritiker keine überzeugende Lösung anzubieten haben. Erforderlich ist nur, daß bei der notwendigen Wertung des jeweiligen Sachverhalts jener Zweck im Auge behalten bleibt. Die gebotene Typenbildung (BGHZ 58/85,92) wird die Abgrenzung erleichtern. Auf dem Gebiet des Architekten- und Statikerwerks ist das bereits geschehen. 3. Für Mangelfolgeschäden aus Schätzungen, Gutachten und Auskünften hat der Senat, wenngleich bisher nur beiläufig (BGHZ 58/91) die Anwendung der §§635, 638 BGB ausgeschlossen. Daran ist festzuhalten. Insoweit kommt nur eine Haftung wegen positiver Vertragsverletzung und damit die dreißigjährige Verjährung (§195 BGB) in Betracht. Der Gesetzgeber hatte bei §638 BGB lediglich berücksichtigt, daß, „wenn man den Beginn der kurzen Verjährung in der Regel nicht an die Entdeckung des Mangels, sondern an die Gutheißung des Werkes bzw. an die, wenn auch verborgene Existenz des Mangels und die Vertragswidrigkeit 166
1.127 knüpft, der Anspruch des Bestellers, namentlich bei Mängeln eines Bauwerks, meist verjährt sein werde, ehe der Besteller vom Anspruch Kenntnis erlangt habe" (Mugdan, aaO., S. 271 f.). Dem hat er gerade und nur bei Bauwerken mit der fünfjährigen Verjährungsfrist Rechnung getragen und dazu geglaubt, daß „Mängel der Konstruktion und des Materials des Bauwerks regelmäßig innerhalb fünf Jahren zutage treten und deshalb Einstürze, welche nach fünf Jahren seit der Vollendung erfolgen, regelmäßig nicht auf einer fehlerhaften Ausführung des Baues, sondern auf anderen Ursachen beruhen" (Mugdan, aaO., S.273). An Mangelfolgeschäden, die aus unrichtigen Gutachten oder sonstigen Auskünften gewöhnlich erst lange nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des §638 Abs. 1 BGB zu entstehen pflegen, hat der Gesetzgeber nicht gedacht; ihm standen in erster Linie Sachwerke vor Augen, wie allgemein anerkannt ist (Hönn, NJW 1968/14,16; Schlechtriem, VersR 1973/581, 591; Jakobs, Jus 1975/76, 79). Das ist auch hier zu beachten. Zwar sollte sich das Gutachten des Beklagten gerade dann bewähren, wenn der Darlehnsschuldner säumig wurde oder in Vermögensverfall geriet und seine Grundstücke verwertet werden mußten. Das allein rechtfertigt aber nicht die Anwendung der §§635, 638 BGB; es könnte allenfalls ein Gesichtspunkt sein, dem bei der Wertung andere gegenüberzustellen sind. Die häufig befürchteten Beweisschwierigkeiten treten bei dem hier in Rede stehenden Gutachten nicht auf, weil ihr Inhalt üblicherweise festgehalten ist. Sofern sie aber in besonderen Fällen doch entstehen sollten, treffen sie zunächst den Besteller, der ohnehin Mangel, Schaden und ursächlichen Zusammenhang beweisen muß (Glanzmann, aaO., Anm.9 zu §638). Die Interessen des Sachverständigen werden damit nicht unangemessen vernachlässigt. Dieser weiß oder muß doch wissen, daß die Auswirkungen seines fehlerhaften Werks regelmäßig erst lange nach der Abnahme sichtbar werden. Er muß deshalb auch damit rechnen, daß er für Mangelfolgeschäden noch lange nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des §638 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden kann. Zu einer Einbeziehung dieser Schäden in den Anwendungsbereich der §§635, 638 BGB besteht da167
1.128
nach kein anzuerkennendes Bedürfnis. Auch die hier eingeklagten Ansprüche sind somit nicht verjährt.
1.128: BGH, 28.10.1976, III ZR 155/74 (Abwasseranlage)
Daseinsvorsorge
Öffentlichrechtliche Regelung
168
Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis verneint, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Der BGH hat zur Frage der Schadensersatzpflicht einer Gemeinde, die eine Abwasseranlage betreibt, gegenüber einem einzelnen Anschlußnehmer folgende Grundsätze aufgestellt (BGHZ 54/299,303 = VersR 70/1131,1132): die Gemeinde steht zu dem an ihr Kanalisationsnetz angeschlossenen Hauseigentümer in einem auf Dauer angelegten öffentlich-rechtlichen Benutzungs- oder Leistungsverhältnis, aufgrund dessen sie Abwässer aus den Grundstücken aufzunehmen und abzuleiten hat. Dieses Leistungsverhältnis ist geeignet, Schadensersatzansprüche nach allgemeinen Grundsätzen zu begründen, wie sie in den für das vertragliche Schuldrecht geltenden Vorschriften, insbesondere in den §§276,278 BGB ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Für derartige Schadensersatzansprüche ist, wie der BGH weiter ausgesprochen hat, der ordentliche Rechtsweg gegeben (BGHZ 59/303, 305 = VersR 1973/33, 34; BGH, VerS 63/1030 und 63/477). 2. Das Berufungsgericht will von dieser Rechtsprechung nicht abweichen. Es meint indes, im Streitfall sei ein anderer Sachverhalt gegeben, als er den angeführten Entscheidungen zugrunde liege. Die von dem Berufungsgericht für entscheidungserheblich erachteten Abweichungen rechtfertigen indes nicht die Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht zieht zunächst daraus, daß die beklagte Gemeinde ihre Rechtsbeziehungen zu den Anschlußnehmern noch nicht durch eine Satzung geregelt hat, un-
1.128 richtige Folgerungen. Es ordnet zwar im Ausgangspunkt zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 54/299,301 = VersR 70/1131) die Schaffung und Unterhaltung von Abwasseranlagen dem Bereich der Daseinsvorsorge und damit der schlicht-hoheitlichen Verwaltung zu. Bei der Abwasseranlage der Beklagten handelt es sich nämlich um eine „der öffentlichen Reinlichkeit" und „der Gesundheit" (Art. 57 II BayGO) dienende öffentliche Einrichtung i.S. des Art. 21 I BayGO. Daran vermag auch das Fehlen einer Satzung nichts zu ändern. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Rechtsverhältnisse der Abwasseranlage als einer öffentlichen Einrichtung durch eine Ortssatzung zu regeln. Recht des Staates zur Wahl zwischen zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Ausgestaltung
Das Fehlen einer solchen Satzung kann jedoch unter einem anderen Gesichtspunkt Bedeutung erlangen. Die Beklagte war befugt, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen, und zwar auch der Abwässerkanalisation, öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich auszugestalten (Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4.Aufl., 1976, §99 Val; Helmreich/Widtmann, Bayerische Gemeindeordnung, 3.Aufl., Art.21, Anm.4). Hat eine Gemeinde das Leistungsverhältnis ihrer öffentlichen Einrichtung zu den Benutzern durch Satzung geordnet, so bildet das - insbesondere bei Anschluß- und Benutzungszwang-zumindest ein gewichtiges Indiz dafür, daß sie diese Rechtsbeziehungen dem öffentlichen Recht unterstellen will. Umgekehrt kann allein daraus, daß die Gemeinde für den Bereich der Abwässerbeseitigung keine Ortssatzung erlassen hat, noch nicht auf eine privatrechtliche Regelung des Benutzungsverhältnisses geschlossen werden. Dies kann z. B. auch durch einen verwaltungsrechtlichen Vertrag öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden (vgl. Wolff/Bachof, aaO.).
Inhaltsgleichheit der zivilrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Rechtslage
3. Die Frage (ob aus dem Fehlen einer Satzung der Schluß zu ziehen ist, daß sich die Rechtsbeziehungen der Parteien auf der Ebene des bürgerlichen Rechts bewegen) braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da die Beklagte in jedem Fall fürdieschädlichen Auswirkungen der Fehlplanung ihrer Baumaßnahmen durch das Ingenieur-Büro B einstehen muß. Bei einer privatrechtlichen Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses zwischen den Parteien haftet die Be169
1.128
Anspruchskonkurrenz zur Amtshaftung (§ 839 BGB)
Mitverschulden
DIN-Norm
170
klagte unmittelbar nach den §§276, 278 BGB. Bei einer öffentlich-rechtlichen Regelung ist sie - wie oben unter Nr. 1 dargelegt - nach den allgemeinen Rechtsgedanken, die in diesen Vorschriften zum Ausdruck gekommen sind, dem Kläger aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis schadensersatzpflichtig. Die Beklagte hat sich des Ingenieur-Büros B zur Erfüllung ihrer - durch eine öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Sonderverbindung begründeten - Verbindlichkeiten bedient. Damit hat sie entsprechend der gesetzlichen Wertung in §278 BGB für Schäden am Eigentum ihrer Anschlußnehmer einzustehen, die im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau ihres Kanalisationssystems durch diese „Erfüllungsgehilfen" schuldhaft verursacht worden sind. 4. Eine Haftung der Beklagten aus dem Schuldverhältnis träte, wenn es öffentlich-rechtlicher Natur wäre, gleichzeitig neben eine etwaige Haftung aus Amtspflichtverletzung (BGHZ 61/7,14 = VersR 73/1025, 1027; BGHZ 63/167, 172 = VersR 75/151,152; BGHZ 21/214, 220; BGH, LM Nr. 89 zu §14 GVG; BGH, VersR 74/1102 = NJW 74/1816). Daher unterläge die Haftung nicht den Einschränkungen des §839 Abs. 1 Satz2 BGB (BGHZ 63/167,171 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1976, S.233; vgl. auch Baur, Urteilsanmerkung in JZ 71/96). 5. Nach alledem muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Der erkennende Senat kann jedoch in der Sache selbst entscheiden. Die Beklagte hat nicht dargetan, daß den Kläger an der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden trifft oder dieser seiner Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen ist. Mit Recht hat das LG ausgeführt, daß der Kläger vor dem ersten Schadenfall mangels Kenntnis von der fehlerhaften Planung der Kanalisationsarbeiten keinen Anlaß hatte, in seinem Haus ein Rückstauventil einzubauen. Ohne Erfolg bleibt auch der in der Berufungsinstanz erhobene Einwand der Beklagten, der Kläger habe durch dieses Unterlassen gegen die einschlägige DIN-Vorschrift Nr. 1986 14.1.3 verstoßen. Diese sieht zwar für die Entwässerung von Räumen, „in denen Rückstau auftreten kann", den Einbau von Absperrvorrichtungen vor. Selbst wenn man annimmt,
1.129 daß eine derartige Vorkehrung objektiv geboten war, fehlte es doch an dem weiteren Erfordernis des §254 BGB, daß dem Kläger „ein Verschulden gegen sich selbst" zur Last falle. Denn nach dem Gesagten brauchte er nicht damit zu rechnen, daß ein Rückstau auftrat, da ihm die der Beklagten zuzurechnenden Planungs- und Baufehler in dem hier interessierenden Zeitpunkt noch unbekannt waren. Dem Kläger kann auch nicht als Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht angelastet werden, daß er nicht schon aufgrund des ersten Schadenereignisses ein Rückstauventil hat anbringen lassen. Er hat dazu vorgetragen, der Bürgermeister der Beklagten habe ihm nach der ersten Überschwemmung erklärt, die Kanalisation werde geändert; erst neun Monate später habe ihn der Bürgermeister darauf hingewiesen, daß ein Rückstauventil eingebaut werden müsse. Damit entfällt die Verletzung einer Obliegenheit gegen sich selbst.
1.129: BGH 10.11.1976, VIII ZR 112/75 (Adventsstollen)
Vertriebshändlerhaftung
Untersuchungs pflichten
Die von der Beklagten bei der Firma M. angelieferten 9000 und dann noch einmal 6000 Adventsstollen waren infolge ihres Untergewichts i.S. des §459 BGB mangelhaft mit der Folge, daß die Klägerin diese Lieferungen nach §480 Abs. 1 Satzl BGB zurückweisen durfte. Davon geht auch die Revision aus. Sie wendet sich jedoch gegen den Vorwurf eines Verschuldens an den Schlechtlieferungen. Eine Untersuchungspflicht habe für die Beklagte als reine Zwischenhändlerin nicht bestanden, und zwar auch nicht nach der Beanstandung und Zurückweisung der ersten Lieferung. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß ein Verkäufer als Zwischenhändler im Regelfall, d.h. wenn nicht besondere Umstände vorliegen, nicht zur Untersuchung der an die Verbraucher weiterveräußerten Ware auf ihre Qualität verpflichtet ist (RGZ 125/76, 78; BGH, LM Nr.2 zu §276 BGB 171
1.129
Untersuchungspflichten bei Erstlieferung
Untersuchungspflichten bei Ersatzlieferungen bzw. bei Zweifeln an der Fertigungssicherheit des Herstellers
172
(Hb); Senatsurteile NJW 1768/2238 und WM 1971/1121). Dieser Grundsatz gilt auch für den Handel m it Gattungsware, solange sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Soweit die Untersuchung der Ware nicht zu den Verpflichtungen des Verkäufers gehört, kommt auch eine Haftung des Verkäufers für ein etwaiges Verschulden seines Vorlieferanten gemäß §278 BGB nicht in Betracht, weil der Vorlieferant insoweit nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (Senatsurteile, aaO.; für den dem Gattungskauf ähnlichen Fall eines Werklieferungsvertrags über eine vertretbare Sache vgl. BGHZ 48/118, 120). Bei Anwendung der aufgezeigten Grundsätze ergibt sich, daß die Beklagte nicht verpflichtet war, die erste von der Firma D übernommene Lieferung hinsichtlich des Gewichts der einzelnen Adventsstollen zu überprüfen. Vergeblich wendet die Revision sich jedoch dagegen, daß das OLG die Beklagte für verpflichtet gehalten hat, die von der Firma D ersatzweise zur Verfügung gestellten 6000 Stollen vor deren Auslieferung jedenfalls stichprobenweise einer Gewichtskontrolle zu unterziehen. Das OLG hat hierzu ausgeführt, nachdem die Vorlieferantin der Beklagten mehrere tausend Stollen mit Untergewicht hergestellt hatte, habe die Beklagte Veranlassung zum Mißtrauen gehabt. Sie habe sich nicht mehr darauf verlassen können, daß in Zukunft die zu dem Mangel führende Ursache im Produktionsablauf behoben sein würde. Das Untergewicht habe wissentlich herbeigeführt worden sein, auf einem Versehen beim Einstellen der Wiegeeinrichtungen oder auf einem technischen Fehler bei der Herstellung beruhen können. Da die Beklagte die wirkliche Ursache nicht kannte, habe sie mit allen in Betracht kommenden Möglichkeiten rechnen müssen.
1.130 1.130: BGH, 24.11.1976, VIII ZR 137/75 (Schwimmerschalter)
Vertragshaftung
Werklieferungsvertrag
Vertretbare/ unvertretbare Sachen
Die Beklagte lieferte an die Versicherungsnehmerin der Klägerin eine Reinigungs- und Entfettungsanlage für Industrieerzeugnisse, bei der durch Erhitzen und Verdampfen von Perchloräthylen das von den zu reinigenden Blechteilen abgewaschene öl abgeschieden wird. Ein mit einem Stromabscheider verbundener Schwimmer, den die Beklagte von einer englischen Zulieferfirma bezogen hat, soll dabei verhindern, daß die normalerweise mit Flüssigkeit bedeckten Heizdrähte durch das Verdampfen freigelegt werden. Nachdem die Anlage Anfang Juni 1969 aufgestellt und in Betrieb genommen war, geriet am 26. Juni 1969 das in der Anlage befindliche Schmutzöl in Brand, weil ein Schwimmerschalter die Heizdrähte nicht rechtzeitig abgeschaltet hatte und diese sich überhitzten. Durch den Brand entstand ein Schaden (a) an der Reinigungsanlage selbst sowie (b) weiterhin eine Korrosion an in der Nähe lagernden Metallvorräten. 1. Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche aus Vertrag gegenüber der Beklagten schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht zu. Zutreffend geht dabei das Berufungsgericht davon aus, daß sich etwaige Ersatzansprüche der Firma D. bzw. der Klägerin nach Kaufrecht (§§459ff. BGB) bemessen. Da die Beklagte die zu liefernde Reinigungsanlage nicht vorrätig hatte, vielmehr erst aus einem von ihr zu beschaffenden Material herstellen mußte, handelt es sich bei dem hier streitigen Vertrag um einen Werklieferungsvertrag i.S. des §651 Abs. 1 BGB, auf den nur dann die Vorschriften über den Kauf uneingeschränkt Anwendung finden, wenn er auf Herstellung einer vertretbaren, d.h. im Verkehr üblicherweise nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmten Sache gerichtet war (§651 Abs.1 Satz2,1. Halbsatz in Verbindung mit §91 BGB). Das ist dann der Fall, wenn nicht- wie beim Werkvertrag oder beim Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache (§631, §651 Abs. 1 Satz2,2. Halbsatz BGB) - die entgeltliche Schöpfung des Wertes gerade für den Besteller, sondern die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz auf den „Besteller" 173
1.130 im Vordergrund steht (BGHZ 48/118, 121; Mezger in BGB RGRK, 12.Aufl. vor §433 Anm.12; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II, 9.Aufl., §49IV). Für das Vorliegen eines derartigen sog. uneinheitlichen Werklieferungsvertrages kann der Umstand sprechen, daß der Gegenstand serienmäßig hergestellt oder nach Katalog bzw. Muster - wenn auch mit Abweichungen im Detail - bestellt wird und es dem „Besteller" letztlich gleichgültig ist, ob der „Unternehmer" die zu liefernde Sache seinem Vorrat entnimmt, selbst herstellt oder durch Dritte herstellen läßt (BGH aaO. S.121). Ist dagegen die Herstellung der Sache den besonderen Wünschen des Bestellers angepaßt und für den Unternehmer schwer oder gar nicht anderweitig abzusetzen, so wird es sich in der Regel um einen Werklieferungsvertrag im eigentlichen Sinn, d.h. über eine nicht vertretbare Sache handeln (vgl. BGH, 29.9. 1966, NJW 1966/2307; vgl. auch RGZ 171/ 297, 300). Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Berufungsgerieht zu Recht davon ausgegangen, daß sich die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche der Firma D gegen die Beklagte nach Kaufrecht (insbesondere §§459ff. BGB) bemessen. Die Firma D hatte die Anlage nach Katalog bestellt, wobei die Abänderung gegenüber der ursprünglich von der Beklagten angebotenen Anlage lediglich die Erweiterung der Leistungsfähigkeit um eine weitere, vierte Kammer betraf. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die Anlage abgesehen von der erhöhten Leistungsfähigkeit - den besonderen Anforderungen gerade des Betriebes der Firma D angepaßt und daher für die Beklagte anderweitig nur schwer oder gar nicht abzusetzen gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beklagte den der Firma D gelieferten Typ serienmäßig hergestellt hat, kommt es bei dieser Sachlage ebensowenig an wie auf den Umstand, daß die Allgemeinen Lieferbedingungen der Beklagten - weil offensichtlich für beide Vertragsarten vorgesehen - in Abschnitt VII wechselnd von „Käufer" und „Besteller" sprechen.
Haftung für positive Ver-
2. Handelt es sich mithin bei dem Lieferungsvertrag um einen Sachkauf, so waren bei Erlaß des Zahlungsbefehls, der
174
1.130 tragsverletzung und Verjährung entsprechend § 477 BGB
Deliktsrechtl. Haftung für Schäden an der gelieferten Sache
Fehler- und Kausalitätsnachweis
der Beklagten am 23. Juni 1972 zugestellt worden ist, vertragliche Schadensersatzansprüche der Firma D. auch dann verjährt, wenn man davon ausgeht, daß durch die Allgemeinen Lieferbedingungen der Beklagten die Verjährungsfrist des §477 BGB auf ein Jahr verlängert war. Wie der erkennende Senat wiederholt dargelegt hat, erfaßt die kurze Verjährung der Gewährleistungsrechte auch Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung, soweit sie unmittelbar aus der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware hergeleitet werden (Senatsurteil vom 27.1. 1971, NJW1971/654). Soweit der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für den Bereich des Werksvertragsrechts (vgl. zuletzt BGH, 10.6. 1976, WM 1976/841 = 1.127) eine einschränkende und differenziertere Ansicht vertritt, steht dies der Rechtsprechung des erkennenden Senats schon deswegen nicht entgegen, weil im Kaufrecht - anders als weitgehend beim Werkvertrag - die Kaufsache typischerweise dem Käufer übergeben wird und er damit in dem gemäß § 477 BGB für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Zeitpunkt im Regelfall in der Lage ist, die für den späteren Eintritt auch mittelbarer Schäden maßgeblichen Ursachen zu erkennen. Da mithin vertragliche Schadensersatzansprüche ohnehin verjährt sind, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage, ob der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch deswegen ausgeschlossen wäre, weil die Beklagte sich durch Abschnitt VII Nr.9 ihrer Allgemeinen Lieferbedingungen rechtswirksam freigezeichnet hat. 3. Wenn sich somit auch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma D. stehe ein Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung nicht zu, jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erweist, so halten doch die weiteren Erwägungendes Berufungsgerichts, unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung sei die Klage nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ebenfalls unbegründet, einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Eine in der Lieferung der mangelhaften Reinigungsanlage liegende, für den Brandschaden ursächliche objektive Pflichtverletzung der Beklagten hat die Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt und unter Sachverständigenbeweis gestellt. Mit seiner gegenteiligen Auffassung, die Klägerin 175
1.130
VerschuldensVermutung
Verschuldensvermutung bei vom Endhersteller benutzten fremdproduzierten Einzelteilen
Konstruktionsfehler
Fabrikationsfehler
176
habe insoweit nicht einmal eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten dargetan, überspannt das Berufungsgericht seine Anforderungen an die Darlegungslast des Geschädigten. Die Klägerin hatte im Schriftsatz vom 7.3. 1973 unter Darstellung der Arbeitsweise der Reinigungsanlage behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt, der Schwimmerschalter habe aufgrund eines Fabrikations- oder Konstruktionsfehlers der Beklagten versagt und damit das Freiliegen der Heizdrähte bewirkt. Mit diesem Vorbringen, das stillschweigend auch den Vorwurf der schuldhaften Schlechtlieferung enthielt, hatte sie ihrer Darlegungslast genügt. Da die Klägerin die Beklagte als Herstellerin der Anlage in Anspruch nimmt, war es daher unter dem Gesichtspunkt der sog. ,,Produzentenhaftung" deren Sache, sich hinsichtlich ihres mangelnden Verschuldens - eines Umstandes also, der ganz in ihrem Einflußbereich lag und damit der Kenntnis der im wesentlichen auf Vermutungen angewiesenen Klägerinentzogen w a r - z u entlasten (BGHZ 51/91 = 1.58; Senatsurteile vom 28.9.1970, WM 1970/1418,1420 = I.62 und vom 24.11. 1971, NJW 1972/251 = I.67). Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daß sie den Schwimmerschalter, dessen Versagen nach Darstellung der Klägerin den Brand ausgelöst hat, von dritter Seite bezogen und lediglich in die von ihr gefertigte Anlage eingebaut hat. War dieser Schalter zwar an sich fehlerfrei, aber in seiner Leistung für die Anlage zu schwach oder sonst ungeeignet, so handelt es sich um einen für die „Produzentenhaftung" typischen sogenannten Konstruktionsfehler (vgl. Senatsurteil vom 28.9.1970, aaO.). Aber auch wenn die Konstruktion einwandfrei war und lediglich der Schalter einen Defekt aufwies, müßte sich die Beklagte - unbeschadet der Frage, welche Ansprüche der Klägerin u. U. zusätzlich gegen den Hersteller des Schalters zustehen können - hinsichtlich des Verschuldens bei einem derartigen Fabrikationsfehler entlasten; denn nachdem die Beklagte diesen für die Betriebssicherheit der verkauften Anlage notwendigen Schalter nach ihrer Konstruktion bestellt und eingebaut hatte, lag nunmehr die Verantwortung für ein fehlerfreies Arbeiten des Schalters - im Verhältnis der Parteien zueinander - aus-
1.130
Deliktshaftung des HerstellerVerkäufers für Schäden an der gelieferten Sache Anspruchskonkurrenz
schließlich im Bereich der Beklagten, die allein die Ausführung und den Einbau des Schalters kontrollieren konnte, während der Firma D. diese Überprüfungsmöglichkeit verschlossen war. 4. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das ,.Rechtsinstitut der Produzentenhaftung" sei für den mehrstufigen Warenabsatz entwickelt worden und könne dann keine Anwendung finden, wenn unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen Hersteller und Endverbraucher bestünden, ist rechtsirrig. Zwischen dem Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung besteht eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, daß jeder Anspruch der ihm eigenen gesetzlichen Regelung folgt und es dem Geschädigten grundsätzlich freisteht, auf welche Anspruchslage er seine Forderung stützen will. Er ist insbesondere nicht gehindert, auf die Haftung aus unerlaubter Handlung zurückzugreifen, wenn vertragliche Ansprüche etwa wegen eingetretener Verjährung oder einer nur sie erfassenden Haftungsfreizeichnung - nicht mehr bestehen (vgl. das Senatsurteil vom 24.5. 1976 = BGHZ 66/315 = 1.126). Stützt der Geschädigte seinen Anspruch auf eine unerlaubte Handlung des schädigenden Herstellers, so schließt der bloße Umstand, daß unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen beiden bestehen oder jedenfalls bestanden haben, die für die Inanspruchnahme eines Herstellers entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens nicht aus (vgl. auch Senatsurteil vom 28.9. 1970, aaO.). Soweit in diesem Zusammenhang Graf von Westphalen in seiner kritischen Stellungnahme (BB 1976/1097) zu dem Senatsurteil vom 24.5.1976 (aaO.) offenbar meint, der Senat sei für eine Fallgestaltung wie die vorliegende von den Beweislastgrundsätzen der Produzentenhaftung wieder abgerückt, übersieht er, daß es sich bei dem damals entschiedenen Rechtsstreit um einen typischen Fall der Inanspruchnahme einer Handelsfirma im Rahmen einer mehrstufigen Handelskette handelte, die weder das Produkt hergestellt noch als ausgegliederte Vertriebsgesellschaft der Herstellerfirma in den Verkehr gebracht hatte, und daß aus diesem Grund für die Heranziehung der Grundsätze der Produzentenhaftung kein Raum war; das war aus dem im 177
1.130
Sachschaden
Beschädigung der gelieferten Anlage als Sachschaden?
Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache kein Sachschaden
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WM 1976/839 abgedruckten vollständigen Tatbestand des Urteils zu entnehmen. 5. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin auch eine Verletzung des Eigentums der Firma D und den dieser entstandenen Schaden (§823 Abs. 1 BGB) hinreichend substantiiert behauptet. Bereits im ersten Rechtszug hatte sie unter Bezugnahme auf ein „Abschätzungsverzeichnis" ausgeführt, daß der Firma D. für die Reparatur der Reinigungsanlage sowie der elektrischen Anlage und für die Reinigung der durch das freiwerdende Chlor angegriffenen Warenvorräte Kosten in Höhe von insgesamt 70971,62DM entstanden seien. Im Hinblick darauf, daß die Beklagte diesen Betrag nicht nur nicht bestritten, sondern ein Eingehen auf die Schadenshöhe trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens der Klägerin überhaupt abgelehnt hatte, bedurfte es keiner weiteren Spezifizierung durch die Klägerin. Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der für die Reparatur der Reinigungsanlage entstandenen Kosten meint, es fehle jedenfalls insoweit an einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung, weil die Anlage nach der Darstellung der Klägerin von vornherein mangelhaft geliefert worden sei und damit die Firma D eine mangelfreie Sache zu Eigentum gehabt habe, ist diese Ansicht rechtsirrig. Richtig ist allerdings, daß sowohl das Reichsgericht (RG, JW 1905/367 = 1.1) als auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 39/366) den auf die mangelhafte Erstellung eines Bauwerks gestützten Anspruchs eines Bauherrn auf Eigentumsverletzung (§823 Abs. 1 BGB) gerade hinsichtlich dieses Bauwerks dann verneint haben, wenn die zum Bau verwandten Materialien mangelhaft waren und mit fortschreitenden Bauabschnitten jeweils ein weiterer mangelhaft erstellter Teil in das Eigentum des Grundstückseigentümers überging (vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW1956/913 = II.22). Wesentlich ist diesen Fällen, daß der Mangel der übereigneten Sache von vornherein insgesamt anhaftete, diese damit für den Eigentümer von Anfang an schlechthin unbrauchbar war und sich der Mangel mit dem geltend gemachten Schaden deckt (vgl. dazu Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware, 1969, S.66). In einem solchen Fall scheidet in der Tat die Beschädigung einer fremden Sache bereits begrifflich aus, und es liegt lediglich
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Funktionelle Begrenzbarkeit des Mangels der neuen Sache und Sachschadenbegriff
ein im Rahmen des §823 Abs. 1 BGB nicht erstattungsfähiger Vermögensschaden vor (BGHZ, aaO.). Darum geht es hier jedoch nicht. Ganz abgesehen davon, daß die vorgenannten Erwägungen des Berufungsgerichts ohnehin nur den an der Reinigungsanlage selbst entstandenen Schaden, nicht aber die durch den Brand verursachten Schäden an anderen Gegenständen der Firma D. betreffen, hat sich hier die Beklagte der Firma D. Eigentum an einer Anlage verschafft, die im übrigen einwandfrei war und lediglich ein-funktionell begrenztes - schadhaftes Steuerungsgerät enthielt, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen hatte. In einem solchen Fall kommt es aber auf den Umstand, daß nach formaler Betrachtungsweise der Erwerber von vornherein nur ein mit einem Mangel behaftetes Eigentum erworben hat (vgl. dazu Diederichsen, VersR 1971/1078,1094; Schlechtriem, VersR 1973/581, 589), nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert hat und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt worden ist (Dunz/Kraus, aaO., S.66; Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Produkthaftung, S.30f.). In derartigen Fällen besteht - insbesondere wenn der Geschädigte das Eigentum aufgrund eines Kaufvertrages erworben hat - kein Grund, diesem das Zurückgreifen auf deliktische Ansprüche abzuschneiden; dies um so weniger, als dem Geschädigten, wenn er - etwa im Interesse der Aufrechterhaltung der Produktion - die Anlage behalten muß und lediglich Ersatz seiner Reparaturkosten geltend machen will, ein vertraglicher Schadensersatzanspruch von vornherein deswegen nicht zusteht, weil das Gewährleistungsrecht (§§459ff. BGB) über den Sonderfall der Eigenschaftszusicherung (§463, §480 Abs.2 BGB) hinaus einen Schadensersatzanspruch nicht kennt und Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Lieferung einer mangelhaften Sache nur auf Ersatz des an anderen Rechtsgütern, nicht aber an der Kaufsache selbst entstandenen Schadens gehen (Senatsurteil vom 8.3. 1967, LM Nr. 3 zu §276 179
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Keine Ausstrahlung des § 477 BGB auf deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche Erstreckung von AGB auf deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche Auslegung von AGB-Freizeichnungsklauseln
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BGB [K]), der Käufer mithin ohne die Möglichkeit eines Zurückgreifens auf deliktische Ansprüche insoweit weitgehend rechtlos gestellt würde. Der Senat verkennt nicht, daß im Einzelfall die Abgrenzung zwischen einem die übereignete Sache von vornherein insgesamt umfassenden Mangel und einem begrenzten Fehler, der erst später einen zusätzlichen Schaden an der sonst mangelfrei übereigneten Sache hervorgerufen hat, auf Schwierigkeiten stoßen kann - so etwa dann, wenn ein anfänglich vorhandener begrenzter Mangel sich nach Übereignung durch ,.Weiterfressen" ausgedehnt und nachträglich die gesamte Sache erfaßt hat (vgl. dazu Schlechtriem, aaO., S.589; Dunz/Kraus, aaO., S.66, Fn 7). Der vorliegende, angesichts der Relation zwischen dem Wert des Schwimmerschalters und der zum Gesamtpreis von etwa 20000 DM verkauften Reinigungsanlage eindeutige Fall nötigt jedoch nicht dazu, Abgrenzungskriterien aufzustellen. 6. Schließlich ist der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch, soweit er auf unerlaubte Handlung gestützt wird, auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswirksam ausgeschlossen. Die kurze Verjährungsfrist des §477 BGB findet auf einen solchen Anspruch keine Anwendung (Senatsurteil vom 24. Mai 1976, aaO.). Das gleiche giltfür die in Abschnitt VII Nr.9 der Allgemeinen Lieferbedingungen der Beklagten normierte Haftungsfreizeichnung, wobei zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden kann, daß diese Lieferbedingungen Vertragsinhalt geworden sind. Ob eine solche Freizeichnung auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, soweit sie mit der mangelhaften Lieferung zusammenhängen, erfaßt, bemißt sich nach der Auslegung einer derartigen Klausel im Einzelfall (vgl. etwa BGH, 23.4. 1970, WM 1970/903). Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - eine Auslegung der Allgemeinen Lieferbedingungen nicht vorgenommen hat, kann der Senat diese Klausel selbst auslegen. Dabei ist neben dem Gesichtspunkt, daß Freizeichnungsklauseln als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung grundsätzlich eng auszulegen sind, hier zusätzlich zu berücksichtigen, daß nach der sog. „Unklarheitenregel" verbleibende Zweifel an der Reichweite der in
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Unklarheitenregel
Besonderheiten der Haftungsfreizeichnung von Elektroversorgungsunternehmen
Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Bestimmungen zu Lasten desjenigen gehen, der sie aufgestellt hat und sich ihrer bedient. Im vorliegenden Fall findet sich die Freizeichnungsklausel in einem Abschnitt der AGB, der mit „Haftung für Mängel der Lieferung" überschrieben ist und insbesondere die vertragliche Garantieübernahme durch den Verkäufer, mithin - in Abwandlung der §§459ff. BGB und §§377f. HGB - die vertraglichen Gewährleistungsansprüche regelt. Dabei kann auch im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Freizeichnung des Käufers bzw. des Bestellers, von denen Nr.9 aaO. allein spricht, auch die aus einer Schlechtlieferung hergeleiteten Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung einschließt. Jedenfalls fehlt es an einer hinreichend klaren Regelung, daß Ansprüche aus einer schuldhaften Verletzung der in §823 Abs. 1 BGB unter besonderen Schutz gestellten Rechtsgüter ausgeschlossen sein sollten. Wenn dies der Wille der Beklagten gewesen wäre, so hätte sie durch eine eindeutig formulierte Klausel die Firma D auf die weitere erhebliche Beschränkung ihrer Rechtsstellung - in Betracht kommen etwa die sich aus einer fahrlässigen Körperverletzung oder aus einer existenzbedrohenden Zerstörung eines ganzen Gewerbebetriebes ergebenden Ansprüche - hinweisen müssen. Soweit der Senat in der Entscheidung BGHZ 64/355 ausgeführt hat, daß der in Abschnitt II Nr. 5 der „Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz" (AVB) enthaltene Haftungsausschluß für die aus der Unterbrechung der Stromzufuhr hergeleiteten Schäden neben vertraglichen Ansprüchen auch deliktische Ersatzansprüche erfaßt, gehen diese Ausführungen von einer mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sach- und Interessenlage aus. Ganz abgesehen davon, daß die AVB als Rechtsverordnung gelten (BGHZ 9/390) und schon aus diesem Grunde zu ihrer Auslegung die sog. „Unklarheitenregel" nicht herangezogen werden kann (vgl. BGH, 21.10. 1978, NJW 1959/38), trägt der Haftungsausschluß in Nr. II 5 AVB dem Umstand Rechnung, daß die Energieversorgungsunternehmen die ihnen übertragene Aufgabe einer Versorgung der Allgemeinheit mit billigem Strom 181
1.130 nur dann erfüllen können, wenn sie möglichst weitgehend von Haftungsrisiken freigestellt werden; diese besondere Aufgabe verlangt eine volle Ausschöpfung der Haftungsfreizeichnung mit der Folge, daß - soweit zulässig - Schadensersatzansprüche in jedem rechtlichen Gewände erfaßt werden (vgl. Senatsurteil vom 9.6. 1959, NJW 1959/1423). Für den vorliegenden Fall, in dem es um die Abwälzung des Risikos von dem Verkäufer auf den Käufer durch AGB geht, gelten dagegen derartige Erwägungen nicht.
Anmerkung: Endherstellerhaftung für fremdproduzierte Einzelteile
1. Die Beklagte war Herstellerin des Endprodukts „Reinigungsanlage". Die Schadenursache war ein bei der Herstellung der Anlage benutztes fremdproduziertes Einzelteil. Hinsichtlich der Frage, ob der Beklagten ein Verschulden oblag, stellt sich also das Problem der Haftung eines Endherstellers für von ihm benutzte fremdproduzierte Einzelteile (vgl. dazu im einzelnen Anm. zu 1.121, Nr. 3). In der obigen Entscheidung berücksichtigt der VIII. Senat bei den Ausführungen zur sog. „Produzentenhaftung" der Beklagten nicht die haftungsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus dieser tatsächlichen Arbeitsteilung ergeben. Im Rahmen einer Verschuldenshaftung ist es nicht gerechtfertigt, dem Endhersteller deliktsrechtlich eine von einem Zulieferer gesetzte Schadenursache so zuzurechnen, als hätte der Endhersteller die Schadenursache selbst gesetzt (vgl. im einzelnen die zitierte Anmerkung).
Anspruchskonkurrenz
2. Die Ausführungen zur Anspruchskonkurrenz zwischen einerseits den Vorschriften über die vertragsrechtliche Haftung, andererseits den deliktsrechtlichen Normen entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. 1.91, 1.128 sowie Anm. zu 1.127). 3. Einen neuen haftungsrechtlichen Akzent setzen demgegenüber die Ausführungen zum Sachschadenbegriff. Der VIII. Senat bestätigt zwar die ständige Rechtsprechung, daß die Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache keinen Sachschaden, sondern nur einen Vermögensschaden
Sachschaden bei Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache? 182
(Anm.) 1.130 darstellt (vgl. Nr. 5 des Urteils sowie 1.1 und 1.151). Dieser Rechtssatz wird aber durch das Kriterium der funktionellen Begrenzbarkeit des Mangels eingeschränkt: Ist die Anlage im übrigen einwandfrei und enthält sie lediglich ein - funktionell begrenztes - schadhaftes Steuerungsgerät, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorruft, sei entscheidend, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt; in einem solchen Fall komme es nicht darauf an, daß nach formaler Betrachtungsweise der Erwerber von vornherein nur ein mit einem Mangel behaftetes Eigentum erworben hat. Die Entscheidung ist in dieser Frage abzulehnen. Unterscheidung zwischen HerStellung und Reparatur
a) Der Unterschied zwischen Herstellung und Reparatur: Der Begriff des Sachschadens setzt voraus, daß überhaupt eine Sache besteht, weil sonst keine Beschädigung eintreten kann. Also ist der Satz richtig, daß in Fällen, in denen eine Sache erst hergestellt wird (die vorher noch nicht bestanden hat), begrifflich eine Sachbeschädigung entfällt. Wird dagegen eine Sache repariert und tritt durch mangelhafte Reparatur ein Schaden an der Sache selbst ein, wird eine vorbestehende Sache beeinträchtigt und liegt folglich eine Sachbeschädigung vor (1.51; 11.2). Wird im Austausch gegen ein nicht mehr richtig funktionierendes Teil ein Ersatzteil eingebaut, das aber seinerseits mangelhaft ist und zu einem Schaden an einer Sache führt (z. B. Einbau eines Ersatzkolbens in einen Kfz-Motor), liegt eine Sachbeschädigung vor (11.2). Wird in eine ältere Maschine zwecks Modernisierung nachträglich eine elektronische Steuerungsanlage eingebaut, die aber aufgrund eines Fehlfunktionierens die Maschine beschädigt, liegt ebenfalls ein Sachschaden vor. Wird im Gegensatz dazu unter Verwendung vieler Einzelteile (Motorblock, Kolben, Schrauben, Muttern, usw.) eine neue Sache hergestellt (Kfz-Motor) und wird diese funktionelle 183
1.130 (Anm.) Einheit später beim Betrieb dadurch beschädigt, daß ein Einzelteil (z. B. Kolben) mangelhaft ist, stellt sich die Frage, ob ebenfalls ein Sachschaden vorliegt. Vom wirtschaftlichen Interesse her ist es zwar richtig, daß den Inhaber des Motors in erster Linie interessiert, ob der Schaden am Motor ersetzt wird oder nicht (so Löwe, BB 1978/1495, 1496). Dies ist aber eine Herauslösung des tatsächlichen und damit auch des rechtlichen Problems aus dem konkreten Sachverhaltszusammenhang. Die Frage, ob der Schaden am Motor zu ersetzen ist, kann nicht abstrakt gestellt und abstrakt beantwortet werden. Vielmehr muß die Frage präzisiert werden, wodurch werden Schaden am Motor verursacht hat und ob der Betreffende dafür haftet. In diesem Sinn ist es aber ein erheblicher tatsächlicher Unterschied, ob (a) der Inhaber eines Motors zur Behebung einer Funktionsunfähigkeit einen Austauschkolben erwirbt und einbauen läßt und Mängel dieses Austauschkolbens zu einem Schaden am Motor führen oder ob (b) jemand von vornherein einen Motor erwirbt, bei dessen Betrieb sich nach einiger Zeit herausstellt, daß durch Mängel des Einzelteils (Kolben) nach einer gewissen Einsatzzeit Schäden am Motor eintreten: im ersten Fall wird durch den Einbau des Ersatzteils eine Ursache für Schäden gesetzt, die ohne dieses konkrete Ersatzteil hinsichtlich des betreffenden Motors nicht eingetreten wären. Im zweiten Fall dagegen schwebte über dem Motor von Anfang an das Damoklesschwert der sich später realisierenden Schadensursache. Es liegt also entgegen Löwe kein vergleichbarer Sachverhalt, sondern ein anderer Sachverhalt und damit auch eine andere rechtlich relevante Interessenlage des Motorinhabers vor. Daraus, daß ein durch ein erst nachträglich eingebautes Ersatzteil ausgelöster Schaden unter §823 Abs. 1 BGB fällt, kann man deshalb nicht schon ableiten, daß dann auch bei Originaleinbau eines derartigen Ersatzteils, das später zu einem vergleichbaren Schaden führt, ebenfalls ein Sachschaden i.S. des§823Abs. 1 BGB vorliegt. Das Problem stellt sich vielmehr in dem Sinn, ob ein Hersteller im gleichen Moment eine neue Sache herstellen und diese neue Sache beschädigen kann (vgl. dazu im einzelnen Schmidt-Salzer, BB 1979/ 1ff.). 184
(Anm.) 1.130 b) Das Kriterium der funktionellen Begrenzbarkeit: Auch der Ausgangspunkt des obigen Urteils, nämlich die Unterscheidung zwischen dem funktionell begrenzten mangelhaften Einzelteil einerseits, dem im übrigen mangelfreien Eigentum des Erwerbers der Anlage andererseits stellt m. E. eine künstliche Unterscheidung dar, die rechtlich nicht haltbar ist. Erwirbt jemand eine Reinigungsanlage oder einen Motor, wird die Reinigungsanlage bzw. der Motor im Rechtsverkehr als eine Einheit gesehen. Dem entspricht auch die sachenrechtliche Behandlung. Der Schwimmerschalter ist sachenrechtlich kein selbständiger Rechtsgegenstand mehr, sondern Bestandteil der Sache „Reinigungsanlage". Im Motorbeispiel ist der in den Motor eingebaute Kolben unselbständiger Bestandteil der Sache „Motor" geworden. Entsteht durch Verbindung von vielen Einzelteilen eine neue Sache, dann haben die Einzelteile ihre rechtliche Identität verloren. Konsequenterweise geht das Eigentum an den Einzelteilen unter und entsteht neues Eigentum an der neuen Sache. Die einheitliche Sache und damit auch das nicht mehr an den Einzelteilen, sondern nur noch am neuen Endprodukt bestehende Eigentum gedanklich aufzuteilen in ein (sachenrechtlich nicht mehr bestehendes) Eigentum an einem mangelhaften Einzelteil und ein weiteres Eigentum an dem mangelfreien Rest ist künstlich und nicht gerechtfertigt (ähnlich OLG Köln, 11.32; Schubert, JR 1978/458, 459). Bereits insoweit entfällt eine Unterscheidbarkeit zwischen funktionell begrenzten mangelhaften Teilen einerseits, in toto mangelhaften Sachen andererseits. Selbst wenn man aber den Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs akzeptiert, zeigt sich bei näherer Analyse, daß das Abstellen auf die funktionelle Begrenzbarkeit rechtlich nicht begründet ist. Konsequent fortgedacht bedeutet der im obigen Urteil gewählte Ansatzpunkt, daß eine durch Assembling, Verbindung, Vermischung, Montage, o.ä. von Einzelteilen entstandene neue Sache im Verhältnis zu den benutzten Einzelteilen nicht als aliud, sondern als Summe der zur Herstellung benutzten Einzelteile betrachtet wird. Dann aber ist es nicht mehr gerechtfertigt, zwischen den Fällen der funktionellen Begrenzbarkeit mangelhafter Teile 185
1.130 (Anm.) einerseits, der Erstreckung des Mangels von den Einzelteilen auf die gesamte neue Sache andererseits zu unterscheiden. Wird z. B. ein Denkmal aus Beton errichtet und ist das Denkmal wegen Mängeln des verwendeten Kieses, der nach einigen Jahren zu alkalischen Prozessen und damit zur Zersetzung des Betons führt, mangelhaft, ist die neue Sache „Denkmal" zunächst mangelfrei: erst allmählich setzt der Zersetzungsprozeß ein und entsteht ein tatsächlich erfaßbarer Sachschaden. Bis dahin besteht nur die Gefahr eines zukünftigen Sachschadens, der noch bei rechtzeitiger Erkennung (z.B. anhand der Schadenanalyse anderer Bauten) verhindert werden kann. So einleuchtend also auf den ersten Blick die gedankliche Unterscheidung zwischen funktionell begrenzbaren Mängeln komplexer Sachen einerseits, in toto vom Mangel eines Einzelteils erfaßten neuen Sachen andererseits ist: bei näherer Analyse ist eine rechtlich verschiedene Behandlung nicht gerechtfertigt. Entweder wird in beiden Fällen ein Sachschaden dann abgelehnt, wenn der Schaden sich aus der Verwirklichung einer bereits bei der Herstellung gesetzten Ursache ergibt. Oder aber ein Sachschaden wird in beiden Fallgruppen bejaht. Da die neue, aber durch den „eingebauten" Mangel gefährdete Sache bis zur Verwirklichung der selbstzerstörerischen Gefahr intakt ist, kann die Frage der funktionellen Begrenzbarkeit keine Sonderbehandlung rechtfertigen, sondern ist eine einheitliche Problemlösung erforderlich. Aus den im Vorangegangenen dargelegten, an anderer Stelle weiter im Detail ausgeführten Gründen (BB 1979/1 ff.) kann m.E. die Entscheidung nur in dem Sinn getroffen werden, daß bei Herstellung einer neuen, aber wegen eines mangelhaften Einzelteils von der Gefahr der Selbstzerstörung bzw. Selbstbeschädigung bedrohten Sachen auch bei späterer Realisierung dieser Gefahr kein Sachschaden vorliegt. 4. Zur Verjährungsproblematik vgl. Anm. zu 1.127. 5. Zur Auslegung von Haftungsfreizeichnungsklauseln Anm. zu 1.146.
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vgl.
1.131 1.131: BGH, 25. 11. 1976, II ZR 209/75
Die Parteien sind Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft (Gesellschaft Bürgerlichen Rechts), die unter der Federführung der Klägerin von der X-Bank damit betraut worden war, in deren Verwaltungsneubau die sanitären Installationsarbeiten durchzuführen. Nach einer Anweisung der Bauleitung hatte die Arbeitsgemeinschaft dabei von einer Firma Ft. vorgefertigte Installationswände einzubauen. Schon zwei Monate nach Ingebrauchnahme zeigten sich aber undichte Stellen. Auf die sofortige Mängelrüge der Bank unternahmen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft während mehrerer Jahre Nachbesserungsversuche, die jedoch keinen dauernden Erfolg brachten. Nach einer Verhandlung der Klägerin mit der Bank und einer anschließenden Verhandlung der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft darüber, wer die einzelnen Arbeiten ausführen sollte, faßte die Klägerin das Ergebnis in einem Aktenvermerk zusammen, der dem Beklagten übersandt wurde. Der Beklagte antwortete, er werde die in Aussicht genommenen Arbeiten nur gegen volle Bezahlung durchführen, da etwaige Gewährleistungsansprüche der Bank verjährt seien und er auch keine Mängel zu vertreten habe. Da die Bank auf der vereinbarten Mängelbeseitigung bestand und hierfür eine Frist setzte, verrichtete die Klägerin die Arbeiten allein. Sie verlangte mit der Klage vom Beklagten anteiligen Ausgleich. Das Berufungsgericht führt aus: der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch schon deshalb zu, weil sie als einer der mehreren Gesamtschuldner die Nachbesserungsarbeiten ausgeführt habe und darum nach §426 BGB Ausgleich fordern könne. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Für die Revision ist davon auszugehen, daß der Beklagte sich in der Besprechung der Arbeitsgemeinschaft nicht zur Gewährleistung bereiterklärt hatte und daß auch seinem vorübergehenden Schweigen auf die Aktennotiz der Klägerin diese Bereitschaft nicht entnommen werden mußte. Damit fragt es sich, ob die Arbeitsgemeinschaft ursprünglich und - bejahendenfalls - auch noch bei Abschluß der Nachbesserungsvereinbarung mit der Bank dieser ge187
1.131
Haftung für vom Auftraggeber vorgeschriebene Teile
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genüber zur Mängelbeseitigung noch verpflichtet gewesen wäre; denn hätte die Klägerin die Nachbesserungsarbeiten ohne eine solche Verpflichtung und ohne Zustimmung des Beklagten vorgenommen, so könnte sie von ihm keinen Ersatz verlangen. Der Umstand, daß die Bauleitung die Verwendung vorgefertigter Installationswände eines bestimmten Fabrikats vorgeschrieben hatte, schloß die Nachbesserungspflicht der Arbeitsgemeinschaft nicht aus. Zwar beruhte die Notwendigkeit einer Nachbesserung nach der Feststellung des Berufungsgerichts nicht auf einem Montagefehler der Klägerin, sondern darauf, daß die Wände in ihrer Konstruktion und statischen Berechnung „deutlich sichtbare Mängel" aufwiesen. Deshalb könnte sich die Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich auf § 13 Nr. 3 der VOB, Teil B, berufen, wonach in der Regel der Auftragnehmer von der Gewährleistung für diejenigen Mängel frei ist, die auf die von dem Auftraggeber vorgeschriebenen Bauteile zurückzuführen sind. Demgegenüber verweist das Berufungsgericht jedoch mit Recht auf §4 der gleichfalls zum Vertragsinhalt gewordenen Allgemeinen Vertragsbedingungen der Bank, wonach „alle Ausführungsunterlagen vom Auftragnehmer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen" waren, der Auftragnehmer „die volle Verantwortung für die Betriebssicherheit der technischen Anlagen" trug und „für alle Mängel, die nach neuestem Stand der Technik zu vermeiden waren", haftete. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, durch diese Bedingungen sei §13 Nr. 3 VOB, Teil B, abbedungen worden, so daß die Arbeitsgemeinschaft auch für die Installationswände als solche Gewähr habe leisten müssen, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
1.132 1.132: BGH, 19. 1. 1977, VIII ZR 319/75
Kauf- bzw. Werklieferung-Kaufvertrag mit Montageverpflichtung
Der Kläger betrieb u. a. drei Gewächshäuser, die bis 1969 von außerhalb der Gewächshäuser aufgestellten WarmwasserKokszentralheizungen beheizt wurden. Er bestellte im Sommer 1969 bei der Beklagten drei innerhalb der Gewächshäuser aufzustellende ölbefeuerte Warmluftheizungen. Die Auftragsbestätigung der Beklagten enthielt auf Wunsch des Klägers folgenden maschinenschriftlichen Zusatz: ,,Wir garantieren für diese Anlage wärmetechnisch und auch funktionstechnisch!" 1. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bemessen sich in erster Linie nicht nach Werkvertragsrecht (§§631 ff. BGB), sondern nach den kauf rechtlichen Vorschriften (§§433 ff. BGB). Der Kläger hat bei der Beklagten nicht die Erstellung einer Heizungsanlage für seine Gewächshäuser in Auftrag gegeben, sondern drei Heizöfen mit teilweise unterschiedlicher Wärmeleistung nach Katalog zu einem Gesamtpreis von 24435,54DM gekauft. Die Montage stellt demgegenüber - das zeigt schon die verhältnismäßig niedrige Vergütung von 1471,31 DM, in der unstreitig zu einem erheblichen Teil Reisekosten für die Monteure enthalten waren - lediglich eine im vorliegenden Zusammenhang nicht interessierende werkvertragliche Nebenleistung dar, die für die rechtliche Einordnung des Vertrages als Kaufvertrag ohne Bedeutung ist. Anhaltspunkte dafür, daß die Öfen eigens für den Kläger hergestellt werden mußten, sind nicht ersichtlich. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so würde es sich jedenfalls nur um einen sog. „uneigentlichen Werklieferungsvertrag" handeln, auf den gemäß §651 Abs.1 Satz2, 1. Halbsatz BGB die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden. Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.11.1976 (WM 1977/79 = 1.130) ausgeführt hat, liegt ein Werklieferungsvertrag im eigentlichen Sinn, d. h. über eine nicht vertretbare Sache nur dann vor, wenn die Herstellung der nach Katalog bestellten Sache den besonderen Wünschen des Bestellers angepaßt und für den Unternehmer schwer oder gar nicht anderweit abzusetzen ist (vgl. auch RGZ171/297,300; BGH, 29.9. 1966, NJW 1966/2307). An diesen Voraussetzungen 189
1.132
Schutzbereich der Eigenschaftszusicherung
fehlt es jedoch hier schon im Hinblick darauf, daß lediglich dieölleitungs- und Gasabzugsrohre-vom Kläger gesondert zu vergüten - den Gewächshäusern angepaßt werden mußten. 2. Das Berufungsgericht legt die von der Beklagten übernommene „wärmetechnische und funktionstechnische Garantie" für die verkaufte Anlage dahin aus, daß die Beklagte damit nicht nur ein vertragsgemäßes Arbeiten der Öfen gewährleisten wollte, sondern das gesamte, mit der Aufstellung dieser Öfen innerhalb der Gewächshäuser verbundene Risiko übernommen und sich insoweit gegebenenfalls zur Schadensersatzleistung verpflichtet habe. Diese Auslegung einer Individualerklärung ist nicht nur rechtlich möglich und vom Tatrichter ohne Verfahrensfehler vorgenommen, sondern auch naheliegend. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß der Kläger bisher mit Heizöfen dieser Art, insbesondere aber mit einer innerhalb des Gewächshauses betriebenen Heizung keine Erfahrung hatte und angesichts der Anfälligkeit seiner „warm getriebenen" Schnittblumen ein verständliches Interesse daran haben konnte, ein von ihm als Laie nicht überschaubares Risiko auf den Lieferanten der Öfen abzuwälzen.
Rechtliche Qualifikation einer „Garantie" als Eigenschaftszusicherung
3. In rechtlicher Hinsicht wertet das Berufungsgericht die vorgenannte Garantieübernahme als einen neben dem Gewährleistungsrecht stehenden selbständigen Garantievertrag, aus dem die Beklagte nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen bei Eintritt des Risikos - und zwar ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden - zum Schadensersatzverpflichtet sei. Ob diese Auffassung richtig ist, bezweifelt die Revision mit Recht; denn knüpft sie hier die „Garantie" an eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache an, die auch Gegenstand einer gewährleistungsrechtlichen Zusicherung i.S. von §459 Abs.2 BGB sein kann (vgl. BGHZ 59/ 158,161 = WM 1972/969 = I.72), so bedarf es stets einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob die Parteien wirklich eine weitergehende Garantiehaftung begründen wollten. Das hat das Berufungsgericht nicht gesehen.
Unwirksamkeit eines formularmäßigen Aus-
4. Allerdings kommt es für die Fragen, ob Schadensersatzansprüche des Klägers bereits an dem formularmäßigen Haftungsausschluß (Nr. 7 der Verkaufs- und Lieferungsbe-
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1.132 Schlusses der Schadensersatzhaftung
Untersuchungsobliegenheiten des Käufers (§ 377 HGB)
dingungen) oder an der Verletzung der Rügepflicht (Nr.6 aaO.) scheitern, auf die rechtliche Einordnung der Garantieerklärung vom 8. August 1969 als eines selbständigen Garantievertrages (§305 BGB) oder einer lediglich gewährleistungsrechtlichen Eigenschaftszusicherung (§459 Abs.2 BGB) nicht an. a) Handelt es sich um einen selbständigen Garantievertrag, so ist mit ihm der formularmäßige Ausschluß von Schadensersatzansprüchen, wie das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier Auslegung dieser Individualabrede feststellt, rechtswirksam abbedungen. Diese Auslegung drängt sich schon deswegen auf, weil andernfalls die Garantieübernahme für den Kläger nahezu wertlos gewesen wäre. b) Wertet man dagegen die streitige Erklärung als bloße Eigenschaftszusicherung i.S. des § 459 Abs.2 BGB, so wäre ein formularmäßiger Ausschluß von Schadensersatzansprüchen deswegen unwirksam, weil die Zusicherung nach der rechtsfehlerfreien Würdigung durch das Berufungsgericht den Kläger gerade vor etwa an seinen Pflanzen entstehenden Mangelfolgeschäden absichern sollte und damit die formularmäßige Freizeichnung der Zusicherung ihren eigentlichen Sinn nehmen würde (BGHZ 50/200, 206 = I.56; BGH, 5.7. 1972, WM 1972/969, 970 = I.72). 5. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Mängelrüge, die der Kläger erst um die Weihnachtszeit 1969 erhoben hat. Auf Ansprüche aus einem selbständigen Garantievertrag findet die mit der Gewährleistung in engem Zusammenhang stehende Bestimmung des §377 HGB - und entsprechendes muß für die dieser Bestimmung nachgebildete Nr.6 der Verkaufsund Lieferungsbedingungen der Beklagten gelten-ohnehin keine Anwendung. Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Eigenschaftszusicherung könnte sich die Beklagte auf Nr.6 ihrer Verkaufs- und Lieferungsbedingungen deswegen nicht berufen, weil es sich bei dem Einströmen giftiger Abgase um einen sog. versteckten Mangel (vgl. §377 Abs.2,2. Halbsatz HGB) handelt, den der Kläger alsbald nach Entdeckung gerügt hat. Nach seinem unwidersprochenen Vorgehen hatte er die Mängel an den Heizöfen erst bemerkt, als er sie Ende 1969 wegen des anhaltenden starken Frostes längere Zeit mit voller Kraft laufen lassen mußte. Soweit der 191
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Auswirkungen von Schadenregulierungsverhandlungen auf den Lauf von Gewährleistungsfristen (§ 477 BGB)
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Sachverständige S. in seinem Gutachten darauf hinweist, der Luftstrom in Ofennähe sei schon mit bloßer Hand spürbar gewesen, brauchte der Kläger nicht damit zu rechnen, daß die umlaufende Warmluft mit schwefelhaltigen Abgasen vermischt war. Im übrigen würde es die Anforderungen an die Untersuchungspflicht eines Käufers derartiger Heizöfen überspannen, wollte man von ihm verlangen, daß er sie alsbald nach Lieferung über mehrere Tage hin mit voller Kraft nur zu dem Zweck in Betrieb hält, sie auf etwaige Mängel zu überprüfen. Auf versteckte Mängel aber kann Nr.6 der Verkaufs* oder Lieferungsbedingungen bei einer an Treu und Glauben (§242 BGB) ausgerichteten Auslegung keine Anwendung finden; andernfalls würde der Käufer durch die kurze Rügefrist weitgehend rechtlos gestellt (vgl. dazu jetzt auch §11 Nr. 10 AGB-G). 6. Ähnliches gilt für die Möglichkeit der Beklagten, sich auf Verjährung zu berufen. Ansprüche aus einem selbständigen Garantievertrag unterliegen ohnehin der normalen Verjährungsfrist von 30 Jahren (BGH, 31.1. 1962, Betr. 1962/367; Mezger in BGB RGRK, 12. Aufl., §477 Anm.15). Aber auch wenn der Kläger gegenüber der Beklagten lediglich unter dem Gesichtspunkt der zugesicherten Eigenschaft einen der kurzen Verjährungsfrist des §477 BGB unterliegenden gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzanspruch (§463 BGB) geltend machen kann, könnte der Beklagten die Berufung auf die Verjährung unter dem Gesichtspunkt der Arglist verwehrt sein. Nachdem sich der Haftpflichtversicherer der Beklagten Ende März 1970 an den Kläger mit der Bitte gewandt hatte, die Verhandlungen über eine Regulierung der Schäden nunmehr über ihn zu führen, hätte sich die Beklagte nach Treu und Glauben auf eine nunmehr eintretende Verjährung nicht berufen können (vgl. dazu Johannsen in BGB RGRK, 12.Aufl., §222 Anm.10ff.). Angesichts dieser Zusage wäre es in erster Linie ihre Sache gewesen, den Schwebezustand durch endgültige Ablehnung einer Schadensersatzleistung zu beenden. Das hat sie bis zum Beginn dieses Verfahrens weder ausdrücklich noch stillschweigend getan. Allerdings durfte auch der Kläger angesichts des Schweigens der Beklagten nicht über Gebühr lange untätig bleiben. Ihm muß jedoch im Hinblick darauf, daß - jedenfalls
1.133 aus seiner Sicht - die Beklagte sich offenbar noch um Versicherungsschutz bei ihrem Haftpflichtversicherer bemühte und derartige Verhandlungen erfahrungsgemäß längere Zeit in Anspruch nehmen, ein nicht zu kurz zu bemessender Zeitraum des Abwartens zugebilligt werden, der bei der gegebenen besonderen Sachlage mit knapp drei Monaten seit der letzten Äußerung der Beklagten jedenfalls nicht übersetzt ist. Das alles setzt allerdings voraus, daß die mit der Aufstellung der Heizöfen am 23.September 1969 beginnene sechsmonatige Verjährungsfrist des §477 BGB noch nicht abgelaufen war, als zwischen den Parteien Verhandlungen über eine gütliche Regulierung des Schadens aufgenommen wurden. Zu diesem Punkt fehlt es bisher an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen. Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
1.133: BGH, 2. 3.1977, VIII ZR 209/75 (Wasserversorgung)
Fehlernachweis
Der Kläger war Inhaber eines Gartenbaubetriebes. Er behauptet, daß aufgrund übermäßigen Chlorgehalts des ihm von der Erstbeklagten gelieferten, zur Berieselung von Pflanzen benutzten Wassers Kulturen im Wert von 200594,50DM eingegangen seien. Der erstbeklagte Wasserzweckverband stellte die Versorgungsanlagen aufgrund einer Satzung als öffentliche Einrichtung bereit. Das benötigte Wasser bezog der Erstbeklagte von dem zweitbeklagten Wasserzweckverband. 1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Kulturen des Klägers durch Chloreinwirkung vernichtet worden sind. Allerdings hat die Vorinstanz in diesem Zusammenhang die vom BGH für die Produzentenhaftung aufgestellten Beweislastregeln (BGH, 26.11. 1968, BGHZ 51/91, 102 = I.58) verkannt. Die Feststellung, daß die Kulturen durch übermäßigen Chlorgehalt des Was193
1.133
Indiziennachweis
Eigenschaftszusicherung bei satzungsmäßiger Bezugnahme auf eine DIN-Norm? Daseinsvorsorge in öffentlichrechtlicher Form Haftung für positive Vertragsverletzung Zulieferer Erfüllungsgehilfe des Lieferanten?
194
sers vernichtet worden sind, läßt sich indessen mit anderer Begründung halten: der Umstand, daß die Anpflanzungen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Auftreten von ausgeprägtem Chlorgeruch bei der Entnahme von Leitungswasser eingegangen sind, spricht prima facie für eine übermäßige Chloranreicherung als Schadenursache. Ist aber rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Anpflanzungen des Klägers durch überchlortes Wasser vernichtet worden sind und daß überchlortes Wasser in das benachbarte Versorgungsnetz gelangt ist, so begegnetes keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht die Möglichkeit eines Wasseraustauschs zwischen den beiden Versorgungsnetzen als Bindeglied der Kausalitätskette hat ausreichen lassen. 2. Der Erstbeklagte war aufgrund der Satzung verpflichtet, Wasser in Trinkwasserqualität nach DIN 2000 und 2001 zu liefern. Auch soweit Gemeinden und Kommunalverbände die Wasserversorgung kraft autonomer Satzung als öffentliche Einrichtung mit Anschluß- und Benutzungszwang betreiben, gelten für die aus diesen Rechtsverhältnissen hergeleiteten Ansprüche die zumindest entsprechend anwendbaren Vorschriften des Kaufrechts (Senatsurteil vom 4.10. 1972, BGHZ 59/303 = VersR 1973/33 = I.74). Da Trinkwasserqualität nicht i.S. einer zugesicherten Eigenschaft geschuldet wird, kann der Kläger einen Schadensersatzanspruch nur aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung herleiten, der Verschulden des Erstbeklagten voraussetzt (Senatsurteil vom 4.10. 1972, aaO.). 3. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Zweitbeklagte und der Streithelfer, den der Zweitbeklagte mit der Planung und Herstellung der neuen Wassergewinnungsanlage beauftragt hatte, müßten als Erfüllungsgehilfen des Erstbeklagten mit der Haftungsfolge des §278 BGB angesehen werden, begegnet das Bedenken. Der Bau der Steigleitung und ihre Desinfektion ist nicht vom Erstbeklagten, sondern vom Zweitbeklagten in Auftrag gegeben worden. Die Leitung gehörte, abgesehen davon, daß sie bei Schadenentstehung noch außer Betrieb war, nicht zum Versorgungsnetz des Erstbeklagten. Der Umstand, daß der Erstbeklagte vom Zweitbeklagten das Wasser bezieht, welches er seinen Abnehmern liefert, macht den Zweitbeklagten nicht zum Er-
1.133
Überwachungspflichten des Verkäufers
füllungsgehilfen des Erstbeklagten. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es indessen nicht, weil das Berufungsgericht den Standpunkt eingenommen hat, der Erstbeklagte habe eine ihm selbst obliegende Überwachungspflicht bei der Entnahme von Frischwasser aus einer Leitung seines Versorgungsnetzes verletzt. 4. Die Pflicht zur Überwachung der Frischwasserentnahme hat das Berufungsgericht mitzutreffenden Erwägungen aus derGefährlichkeitdieser Maßnahme für die Trinkwasserver-
Satzungs-
sorgung hergeleitet. Eine fahrlässige Pflichtverletzung hat die Vorinstanz dem Erstbeklagten anlasten dürfen. Für ihn war vorhersehbar, daß eine nicht überwachte Frischwasserentnahme zum Zweck des Auflösens von Chloramin Schaden verursachen könnte. Er wußte, daß für die Dauer der Entnahme eine unmittelbare Verbindung zwischen Frischwasserleitung und Steigleitung bestand, über die bei nicht rechtzeitigem oder nicht exaktem Schließen des Trennschiebers überchlortes Wasser in das Versorgungsnetz gelangen konnte. Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt die Bejahung fahrlässigen Verhaltens nicht voraus, daß der Erstbeklagte die Schadenentstehung in ihren Einzelheiten vorhersehen konnte. Das Berufungsgericht hat ferner darin recht, daß dem Erstbeklagten die Überwachung der Entnahme zumutbar war. Es hätte genügt, den Wasserwerksmeister damit zu beauftragen. 3. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hat das Beru-
mäßige Haftungsfreizeichnung
fungsgericht den Standpunkt eingenommen, der Ersatzanspruch des Klägers sei nicht aufgrund des §4 Abs. 4 der Satzung des Erstbeklagten ausgeschlossen. Bei gebotener enger Auslegung der Freizeichnungsklausel sei ihr erkennbarer Sinn, „den Wasserlieferanten bei typischen im Bereich der Wasserversorgung häufiger auftretenden Störungen nicht unübersehbaren Schadensersatzansprüchen auszusetzen". Um eine solche Störung habe es sich im vorliegenen Fall jedoch nicht gehandelt. Dem Erstbeklagten sei vielmehr, „eine Pflichtverletzung innerhalb seines Betriebes, welche nicht zu den typischen Störungen im Rahmen einer Wasserversorgung gerechnet werden" könne, anzulasten. Diese Auffassung der Vorinstanz bekämpfen die Beklagten und ihr Streithelfer im Ergebnis ohne Erfolg (vgl. im einzel195
1.134
Deliktshaftung des Wasseraufbereiters
nen den Urteilsabdruck in VersR 1977/571, 572 = WM 1977/557, 558f.). 6. Das Berufungsgericht hat schließlich ausgeführt, der Zweitbeklagte schulde dem Kläger mangels vertraglicher oder vertragsähnlicher Beziehungen Schadensersatz aus unerlaubter Handlung. Eine unerlaubte Handlung sei ihm wegen unterlassener Überwachung der Frischwasserentnahme anzulasten. Eine konkrete Rechtspflicht zum Handeln habe für ihn aus denselben Gründen wie für den Erstbeklagten bestanden. Ihn treffe gleichfalls der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Auch in diesem Punkt hält das angegriffene Urteil einer Nachprüfung stand.
1.134: BGH, 15. 3. 1977, VI ZR 201/75
Stand der Technik bzw. Wissenschaft
Verfolgung der Fachliteratur
196
Der beklagte Tierarzt behandelte ein Reitpferd und injizierte eine bestimmte Lösung intramuskulär, allerdings nicht im Bereich der Brustmuskulatur, sondern in dem der Halsmuskulatur, obwohl in dem 1969 in 29. Auflage erschienenen Lehrbuch „Tierärztliche Operationslehre" angegeben ist, u. a. die seitlichen Halsflächen seien als Einstichstellen zu vermeiden. 1. Zu der Frage, ob es dem Beklagten zum Verschulden gereicht, daß er die Injektion in die Halsmuskulatur und nicht in die Brustmuskulatur vorgenommen hat, stellt das Berufungsgericht fest, das Vorgehen des Beklagten sei aus optimaler Sicht unzweckmäßig, weil gefährlich gewesen. Es beurteilt aber den unstreitigen Umstand, daß dem Beklagten dies entgangen war, weil er den Hinweis in der neuesten Auflage des Lehrbuchs von Berge/Westhuis nicht kannte, nicht als Verstoß gegen die dem Beklagten obliegende berufliche Sorgfaltspflicht. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, daß dem Beklagten die Unkenntnis der neuesten Auflage des Buches nicht zum Verschulden gereiche, dann läßt sich dem hier nicht einfach entgegensetzen, daß im Bereich der Hu-
1.134
Allgemeine Zumutbarkeit
Intensivierung der Informationspflichten bei konkretem Anlaß
Erneuerte Aufläge von Standardwerken
manmedizin der Arzt gehalten ist, sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Erkenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaft unterrichtet zu halten (Senatsurteil vom 5.12. 1969, VersR 1968/276; vgl. auch RGSt 64/263, 269). Das Gebot, mit der eigenen Leistung auf der Höhe der Zeit zu bleiben, gilt zwar im Grundsatz für alle Berufs- und Gewerbetreibenden. Daß insoweit aber an den Humanmediziner ganz besonders strenge Anforderungen gestellt werden müssen, hängt nicht mit der Art der Tätigkeit zusammen, sondern mit den von ihr betreuten Rechtsgütern, dem Leben und der Gesundheit von Menschen. Hier also können sich gegenüber der Veterinärmedizin durchaus gradmäßige Unterschiede ergeben. Bei dieser mag es sinnvoll sein, die Grenzen der zeitlichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei der laufenden wissenschaftlichen bzw. technischen Information eher z.B. an den Anforderungen an einen mit wertvollen Maschinen befaßten Techniker oder an einen Kunstrestaurator zu messen. Daß diese Differenzierung auch der Verkehrsauffassung entspricht, läßt sich u. a. auch daraus entnehmen, daß in der Humanmedizin neue Erkenntnisse - etwa wie hier über die Spritztechnik - alsbald in allgemein gelesenen Fachzeitschriften verbreitet werden; das war hier nach den Bekundungen des Sachverständigen nicht der Fall. Die in dem erwähnten wissenschaftlichen Lehrbuch empfohlene neue Spritztechnik war nur dort nachzulesen und bis zu dem Zwischenfall auch nicht auf Kongressen usw. diskutiert worden. Dem steht nicht entgegen, daß aus eben diesen vor allem wissenschaftlichen Erwägungen der Tierarzt gehalten sein kann, sich vor Befassung mit einem Objekt von besonderem Wert, um das es sich hier nach der allerdings bestrittenen Behauptung des Klägers gehandelt hat oder wenn sich der Auftraggeber aus persönlichen Gründen zu höherem Aufwand bereit erklärt hat, durch zusätzliche Information abzusichern. Es ist indessen im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, daß der Beklagte durch irgendwelche Umstände auf die Quellen solcher Information über die Fortgeltung einer bisher anerkannten Methode hingewiesen gewesen wäre, Angesichts dessen ist die tatrichterliche Feststellung, daß dem Beklagten unter den gegebenen Umständen die Un197
1.135
Wahl der relativ sichersten Methode
kenntnis der geänderten Stellungnahme in der neuesten Auflage des Lehrbuchs nicht zum Verschulden gereiche, rechtlich möglich (anderes gilt, soweit dem Tierarzt in bestimmten Bereichen die Sorge für menschliche Gesundheit obliegt-vgl. RGZ102/372,375). Freilich mag man Feststellungen darüber vermissen, welchen Stellenwert gerade diesem Werk aus der Sicht des niedergelassenen Tierarztes zukam. Der Sachverständige hat nur bekundet, daß andere noch als gültig betrachtete Lehrbücher, deren letzte Auflagen allerdings älter waren, noch die Halsinjektion billigten. Das könnte den Beklagten möglicherweise dann nicht entschuldigen, wenn es sich bei dem Buch von Berge/Westhuis um ein als unentbehrlich betrachtetes Standardwerk gehandelt hätte, so daß der Beklagte doch die jeweils neueste Auflage hätte erwerben und beachten müssen. 2. (Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist erforderlich, weil) nicht erkennbar (ist), ob sich das Berufungsgericht bewüßt gewesen ist, daß der Beklagte dem Kläger grundsätzlich die Wahl der sichersten Methode schuldete. Dies ist nicht nur in der Humanmedizin allgemein anerkannt (u.a. BGHZ 8/138,140), sondern gilt u.a. auch für Rechtsanwälte (BGH, VersR 1975/524) und generell selbst für Dienstleistungen einfacherer Art. Demnach durfte das Berufungsgericht das Vorgehen des Beklagten nur dann nicht als Verstoß gegen die dem Kläger rechtlich geschuldete Sorgfalt werten, wenn die Anwendung einer Methode, die größere Sicherheit bot, aus bestimmten, indessen vom Berufungsgericht nicht festgestellten Gründen untunlich oder unzumutbar war.
1.135: BGH, 16. 3. 1977, VIII ZR 194/75 Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten (§§ 377, 378 HGB) 198
Das Berufungsgericht ist zu Unrecht der Meinung, daß Mängel, die sich erst bei einer Serienproduktion herausstellen, erkennbare Mängel im Sinne des §377 Abs.1 HGB seien. §377 HGB legt dem Käufer keine Untersuchungspflicht auf. Die für eine ordnungsmäßige Untersuchung erforderliche
1.135
Anforderungen an die Untersuchungs-
Zeit ist lediglich für die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige maßgebend (BGH, 18. 3.1952, BB 1952/330). Entscheidend ist daher hier, ob die Mängel der Maschine bei einer sachgemäß durchgeführten Untersuchung und Erprobung, soweit diese nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich war, unverzüglich nach Erhalt der Maschine hätten festgestellt werden können oder nicht, ob es sich mithin um erkennbare oder verborgene Mängel handelt. Welche Anforderungen an die Art und Weise der Untersuchungzu stellen sind, läßt sich nicht allgemein festlegen. Es kommtauf die Umstände des Einzelfalles an. Dabei isteiner-
obliegenheiten
seits zu berücksichtigen, daß die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers oder Werklieferanten dienen. Er soll, was auch dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Geschäfte im Handelsverkehr entspricht, nach Möglichkeit davor geschützt werden, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schlecht feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer bzw. zwischen Werklieferanten und Besteller die Anforderungen an eine ordnungsmäßige Untersuchung nicht überspannt werden. Daher können für das, was dem Käufer oder Besteller zuzumuten ist, beispielsweise die Kosten und der Zeitaufwand für eine Untersuchung, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für ihre Durchführung wie die Notwendigkeit, besondere Vorkehrungen für sie zu treffen oder die Untersuchung von Dritten vornehmen zu lassen, bedeutsam sein (BGH, 1.105).
Zumutbarkeit der Untersuchung
Hier zeigten sich nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Mängel der Maschine erst bei der Serienfertigung von Rohrmänteln. Die Schwierigkeit der Entdeckung eines Mangels entbindet zwar den Käufer oder Besteller nicht von der Rügepflicht. Diese Pflicht findet indessen ihre Grenze daran, daß nichts Unbilliges verlangt werden darf, daß die Untersuchung dem Käufer oder Besteller zumutbar sein muß. Von diesem kann verlangt werden, daß er eine Maschine in Gang setzt und erforderlichenfalls längere Zeit beobachtet
Probebenutzung
199
1.135 (RG, WarnRspr 1909 Nr. 152). Daraus läßt sich indessen nicht der Schluß ziehen, daß, um der Rügepflicht zu genügen, eine Serienfertigung aufgenommen werden muß. Denn der Käufer oder Besteller einer Maschine kann mannigfache Gründe haben, die Serienproduktion nicht unverzüglich nach Erhalt der Maschine aufzunehmen. Er kann die Maschine vorsorglich im Hinblick auf eine geplante, aber noch nicht vorgenommene Modernisierung seines Betriebs oder eine in Aussicht genommene, aber noch nicht erfolgte Neuaufnahme einer Produktion angeschafft haben. Die Maschine ist möglicherweise aus steuerlichen Gründen oder im Hinblick auf staatliche Förderungsmaßnahmen in einem Zeitpunkt angeschafft worden, in dem der Käufer oder Besteller die Serienproduktion noch nicht aufnehmen will. Schließlich kann die Serienproduktion deshalb zurückgestellt worden sein, weil der oder die Abnehmer der mit der Maschine hergestellten Erzeugnisse vor Erteilung von Aufträgen die zunächst gefertigten Proben prüfen wollen.
Stichprobenprüfung
200
Es wäre daher eine Überspannung der an die Rügepflicht zu stellenden Anforderungen, wenn man dem Käufer oder Besteller ansinnen würde, eine Serienfertigung ohne Rücksicht auf die betrieblichen Gegebenheiten wie die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Betriebs lediglich deshalb aufzunehmen, um auch solche Mängel, die sich erst bei einer Serienproduktion zeigen, unverzüglich rügen zu können. Das wird dadurch bestätigt, daß auch sonst im Handelsverkehr für eine ordnungsmäßige Untersuchung lediglich Stichproben erforderlich sind (RGZ 106/359, 362; vgl. auch OLG Hamburg, MDR 1965/390). Den vom Käufer bei einer Warenlieferung vorzunehmenden Stichproben entsprechen bei Lieferung einer Maschine die stichprobenweise Fertigung der mit der Maschine herzustellenden Erzeugnisse unter ähnlichen Bedingungen wie bei einer serienmäßigen Produktion, insbesondere im Zeittakt. Mängel, die sich nicht bei einer solchen Fertigung, sondern erst bei einer echten Serienproduktion zeigen, sind somit nicht als bei einer ordnungsmäßigen Untersuchung erkennbare, sondern als verborgene Mängel anzusehen, die gemäß §377 Abs. 3 HGB erst nach ihrer Entdeckung angezeigt werden müssen. So hat auch das Reichsgericht in einem allerdings etwas anders
1.136 gelagerten Fall entschieden, daß Mängel von Zuckersäcken, die nicht bei der Besichtigung oder bei einer mit der Hand vorgenommenen Prüfung, sondern erst beim Füllen und Stapeln der Säcke erkennbar wurden, als verborgene Mängel anzusehen sind (Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen 1911/309). Etwas anderes kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil der Besteller auf Fertigstellung der Maschine gedrängt und am 21. März 1973 angekündigt hatte, am 16.April 1973 mit der Serienproduktion beginnen zu wollen. Davon abgesehen, daß die Maschine nach Vornahme von Nachbesserungsarbeiten erst Mitte Mai 1973 geliefert worden war und daß daher die Serienfertigung nicht am 16.April 1973 aufgenommen werden konnte, war auch das Drängen des Bestellers auf Lieferung der Maschine wie die Ankündigung, die Serienfertigung am 16. April 1973 aufzunehmen, kein Grund, eine alsbaldige Aufnahme der Serienproduktion als im ordnungsmäßigen Geschäftsgang tunlich anzusehen.
1.136: BGH 24. 3. 1977, VII ZR 319/75
Anspruchskonkurrenz (§§ 633 ff., 823 ff.)
Die Klägerin Heß im November/Dezember 1972 von der Beklagten 2944 Aluminium-Rasterelemente zur Montage von Lichtrasterdecken lackieren und unmittelbar an ihre Großhandelskundin liefern. Alsbald nach Auslieferung stellte die Klägerin fest, daß alle von der Beklagten lackierten Raster beim Lackieren verformt worden waren. Die Parteien prüften im Januar 1973, ob und wie die Verformungen behoben werden könnten. Die Beklagte erklärte, daß sie nichts ändern könne. Im September/Oktober 1973 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte mit dem Hinweis, sie habe ein Verfahren zur Richtung der Raster entwickelt und verlange von der Beklagten eine Beteiligung an den Kosten der Wiederherstellung. 1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz von 201
1.136 Nachbesserungskosten (§633 III BGB) oder auf Schadensersatz (§635 BGB) gemäß §6381 BGB verjährt seien und ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung nicht in Betracht komme, weil die Verformung der Raster bei der Lackierung kein entfernter Mängelfolgeschaden sei. Dagegen hält es den Anspruch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gemäß §831 I 1 BGB für begründet, weil die Beklagte das Eigentum der Klägerin durch Beschädigung der Raster verletzt (§823 I BGB) und sich nicht für das Fehlverhalten ihrer Verrichtungsgehilfen gemäß §83112 BGB entlastet habe. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin alle von der Beklagten lackierten Raster zurückgenommen und gerichtet habe. Der Anspruch auf Schadensersatz (§249 Satz2 BGB) stehe ihr auch ohne Reparatur der Raster zu. Der Ersatzanspruch der Klägerin sei nicht verjährt, weil für diesen die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §852 BGB gelte, die im Januar 1974 bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen sei.
Schaden-Begriff
202
Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Eigentumsverletzung nach §831 I BGB haftet, weil durch ihre Verrichtungsgehilfen die Raster bei der Lackierung verformt worden sind. 2. Die Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz für die Reparatur aller Raster. Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, daß die Klägerin sämtliche Raster von ihren Kunden zurückgenommen und gerichtet hat. Solcher Feststellungen bedurfte es nicht, weil der Anspruch der Klägerin nicht voraussetzt, daß die Raster tatsächlich repariert worden sind. Der Schaden der Klägerin besteht darin, daß die von der Beklagten lackierten Raster verformt waren. Dafür kann sie gemäß §249 Satz2 BGB von der Beklagten in der Weise Ersatz verlangen, daß diese ihr den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag zahlt. Dieser Anspruch besteht, gleichgültig ob die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt wird. Dem Geschädigten steht es grundsätzlich frei, ob er den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag wirklich diesem Zweck zuführen oder anderweitig verwenden will (BGHZ 66/239, 241 = NJW1976/1396; vgl. auch BGHZ 61/28 = NJW 1973/ 1457).
1.136
Anspruchskonkurrenz (§§ 638, 852)
Daß ein Teil der Kunden der Klägerin die gelieferten Raster möglicherweise ohne Beanstandung abgenommen hat, läßt den Schadensersatzanspruch unberührt. Ob die spätere Minderung oder Beseitigung des einmal eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflußt, ist nach den Grundsätzen der sog. Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Hierbei sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die mit dem schädigenden Ereignis in ädaquatem Zusammenhang stehen. Die Anrechnung dieser Umstände muß dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (RGZ 146/275, 278; BGHZ 8/325, 329 = NJW 1953/618; BGHZ 49/56, 61 f. = NJW 1968/491). Im vorliegenden Fall fehlt es an dem erforderlichen adäquaten Zusammenhang; denn daß Kunden der Klägerin die Raster unbeanstandet abgenommen haben, ist keine naheliegende Folge der Beschädigungen durch die Beklagte und die Beklagte kann sich demgemäß auf diesen Umstand, der allein auf den Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden beruht, nicht berufen (RG, Warn 1911 Nr.234; RG, JW 1919/934; Glanzmann, RGRK BGB, 12.Aufl., §635 Rn 11). 3. Für den hier zuerkannten Anspruch aus unerlaubter Handlung kann unterstellt werden, daß der Klägerin zugleich auch ein Vertragsanspruch gemäß §§633 III oder 635 BGB zugestanden hätte. Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Auch die Revision stellt das nicht in Zweifel. Die Ausführungen von Schlechtriem (NJW 1972/1554), wonach in diesen Fällen unter Ausschluß des §852 BGB die Verjährungsvorschrift des §638 BGB zu gelten habe, geben dem Senat keinen Anlaß, von seiner gegenteiligen Rechtsprechung (vgl. u.a. BGHZ 55/392 = NJW 1971/1131; BGHZ 61/ 203 = NJW 1973/1752; BGH, NJW 1975/1315) abzuweichen. In BGHZ 55/392 ( = NJW 1971/1131) hat der Senat bereits darauf hingewiesen, daß die Beschädigung des Eigentums des Bestellers eben nicht zum typischen Vertragsrisiko des Werkunternehmers gehört. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Werkmängel vorliegen, ohne daß das in das Werk einbezogene Eigentum des Bestellers beeinträchtigt wurde. Es ist auch nicht einzusehen, warum der Vertragspartner, obwohl er größere Pflichten als jeder andere Dritte gegenüber dem 203
1.136 Besteller hat, besser gestellt werden soll als der Dritte. Das hat auch der VIII. Zivilsenat in BGHZ 66/315 = NJW 1976/ 1505 (und neuerdings in NJW 1977/379) für das Kaufrecht angenommen. Er ist damit zu dem gleichen Ergebnis gelangt wie der erkennende Senat für das Werkvertragsrecht.
Anmerkung:
1. Der Ausgangspunkt entspricht gesicherter Rechtsprechung, daß unabhängig von der gewährleistungsrechtlichen Haftung des Werkherstellers (§§633 ff. BGB) eine deliktsrechtliche Haftung gemäß §§823 ff. BGB besteht, deren Voraussetzungen und zeitliche Geltung völlig unabhängig von der Gewährleistungshaftung sind (vgl. 1.127 sowie die dortige Anmerkung). Im vorliegenden Fall war Gegenstand des Werkvertrages die Bearbeitung einer fremden Sache. Die durch die mangelhafte Lackierung ausgelöste Verformung der Raster stellte also tatbestandlich eine Sachbeschädigung dar, so daß an sich eine Anwendung des §823 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. 2. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage der Schadenberechnung. Im Zeitpunkt der Sachbeschädigung standen die Raster zwar im Eigentum der Klägerin. Die Auslieferung erfolgte aber direkt von der Beklagten an die Großhandelskunden der Klägerin. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, daß die Abnehmer der Klägerin weder Nachbesserungs- noch Wandlungs- oder Minderungsansprüche geltend gemacht haben. Die Klägerin hat also die Raster zu dem ursprünglich mit ihrem Kunden vereinbarten Preis absetzen können. Ein Schaden ist hier also nicht eingetreten. Damit entfällt ein Schadensersatzanspruch. Wäre dagegen von der Kundin der Klägerin ein Nachbesserungsanspruch geltend gemacht worden, hätte die Klägerin einen Schaden erlitten und wären Gegenstand der Schadensberechnung diese Nachbesserungskosten gewesen. Das Problem liegt hier also in der Frage der Schadensbe204
1.137 rechnung. Hätte die Beklagte die lackierten Raster an die Klägerin geliefert und hätte die Klägerin die Verformung noch vor der Auslieferung an die Kunden festgestellt, hätte die Klägerin die Kosten für die Nachbesserung im Wege des Schadensersatzes einklagen können und wäre sie in der tatsächlichen Verwendung des daraufhin erhaltenen Betrages frei gewesen (vgl. Nr. 2 des Urteils). Hier aber lag der Fall anders, so daß die Entscheidung in diesem Teil m. E. abzulehnen ist: zwar lag eine Sachbeschädigung vor; die Schadensberechnung ergibt aber im konkreten Fall, daß ein Schaden i. S. des §249 BGB nicht eingetreten ist.
1.137: BGH, 20. 4.1977, VIII ZR 141/75 (Champignondosen)
Kaufmännische Untersuchungsobliegenheit (§ 377 HGB)
Die Klägerin importiert u.a. Champignons in Dosen aus Formosa. Die beklagte Fleischwarenfabrik stellt unter Zugabe derartiger Pilze Ragout fin her. Nachdem eine Warensendung am 21.1. 1974 bei der Beklagten eingetroffen war, teilte sie Ende Januar 1974 der Klägerin mit, daß die Ware verdorben sei. Unstreitig enthalten zahlreiche Dosen Urin oder Jauche; wegen des dadurch hervorgerufenen ekelerregenden Geruches und Geschmackes sind die befallenen Pilze ungenießbar. Gleichwohl verlangt die Klägerin mit der Begründung, die Beklagte habe die Mängel verspätet gerügt, Bezahlung der Rechnung. Die Beklagte beruft sich demgegenüber darauf, daß eine stichprobenhafte Prüfung von 5 bis 6 Dosen unmittelbar nach Erhalt der Ware weder nach Aussehen noch nach Geruch und Geschmack Grund zur Beanstandung gegeben habe. Die Mängel an Teilen der Lieferung seien erst erkennbar geworden, als sie am 29.1. 1974 bei der Herstellung des Ragout fin die Champignons erhitzt habe. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte, wenn sie sich ihre Gewährleistungsansprüche erhalten wollte, zur Mängelrüge verpflichtet war (§377 HGB). 205
1.137 Die von der Beklagten vertretene Ansicht, eine Mängelrüge sei hier deswegen entbehrlich gewesen, weil angesichts der Schwere der Mängel die gelieferten Konserven von der Bestellung so erheblich abgewichen seien, daß die Klägerin die Genehmigung durch die Beklagte als ausgeschlossen betrachten mußte (§378 HGB), findet weder in dem Wortlaut noch in dem gesetzgeberischen Ziel dieser Ausnahmevorschrift eine Rechtfertigung. Die Lieferung verdorbener Lebensmittel, mögen sie auch für den menschlichen Verzehr schlechthin ungeeignet sein, stellt vielmehr gerade einen der typischen Fälle dar, in denen es später zu einem Streit über Art, Entstehungszeitpunkt und Umfang der Mängel kommen kann - einen Streit mithin, dessen Entstehen die in §377 HGB normierte Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge gerade im Interesse der Rechtssicherheit nach Möglichkeit verhindern soll. Das gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als die genaue Anzahl der mit dem Mangel behafteten Konserven bisher nicht festgestellt ist und der Anteil der mangelhaften Lieferung an der Gesamtlieferung für die Frage von Bedeutung sein kann, ob die Beklagte gegebenenfalls im Wege der ihr nach den Verkaufs- und Lieferungsbedingungen allein zustehenden Befugnis zur Kaufpreisminderung den gesamten Kaufpreis verweigern kann. Untersuchungsobliegenheit bei Kauf nach Probe
Inhalt der Untersuchungsobliegenheit Erkennbare Mängel (§ 377 II HGB) 206
2. Der von der Revision in den Vordergrund gestellte Umstand, daß es sich um einen Kauf nach Probe gehandelt hat (§494 BGB), ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Auch bei einem Kauf nach Probe, bei dem die Eigenschaft der Probelieferung für die Hauptlieferung als zugesichert gelten (§459 Abs. 2 BGB), unterliegt der Käufer der Verpflichtung, etwaige Mängel bei Entgegennahme der Hauptlieferung zu rügen (BGH, Betr 1970/2165; Würdinger-Röhricht in Großkommentar HGB, 3.Aufl., vor §373 Anm.117; Brüggemann, ebd., §377 Anm.24). 3. Dagegen hält die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe bei der in Stichproben durchgeführten Prüfung der Konserven den Doseninhalt alsbald nach Entgegennahme der Ware erhitzen müssen, den Angriffen der Revision nicht stand. a) Sog. „offene" Mängel muß der Käufer, wenn er sich die Gewährleistungsansprüche erhalten will, unverzüglich nach
1.137
Abhängigkeit der Untersuchungsobliegenheit vom Kostenund/oder Zeitaufwand bzw. den Untersuchungsmöglichkeiten Stichprobenprüfung
der Ablieferung rügen. Zu diesen offenen Mängeln gehören neben denjenigen, die bei der Ablieferung offen zutage treten, auch die Mängel, die der Käufer bei einer nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlichen Überprüfung alsbald nach der Ablieferung erkennen kann (BGH, Betr 1970/2165 = 1.105). Im Interesse des Verkäufers, der durch die Rügepflicht nach Möglichkeit davor bewahrt werden soll, sich noch längere Zeit nach der Ablieferung etwaigen, dann infolge des Zeitablaufes nur noch schwer feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen, die er überdies möglicherweise nicht mehr auf seine Vorlieferanten abwälzen kann, hat die Rechtsprechung von jeher an die Prüfungs- und Untersuchungspflicht nicht unerhebliche Anforderungen gestellt. Das trägt auch den Belangen der Allgemeinheit, den Rechtsfrieden im Handelsverkehr möglichst rasch wiederherzustellen, Rechnung. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß der Verkäufer, aus dessen Einflußbereich der Mangel kommt, durch zu weitgehende Anforderungen an eine alsbaldige Untersuchung der Kaufsache durch den Käufer in die Lage versetzt wird, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko auf dem Wege über die Mängelrüge weitgehend auf den Käufer abzuwälzen. Die Anforderungen an die Obliegenheit des Käufers zur alsbaldigen Prüfung der Ware dürfen daher nicht überspannt werden. Anhaltspunkte für die Grenzen der Untersuchungsverpflichtung bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand sowie die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten für eine Prüfung (vgl. dazu BGH, BB 1956/1166 Betr 1977/953). In keinem Fall darf dabei von dem Käufer mehr an Überprüfung verlangt werden, als zur Feststellung von Mängeln dieser Art notwendig ist. b) Handelt es sich bei der Kaufsache um gleichartige Massengüter, so genügt der Käufer in der Regel seiner Obliegenheit zur Untersuchung durch Entnahme von Stichproben, sofern diese repräsentativ sind, d.h. sinnvoll auf die Gesamtmenge verteilt werden (BGH, Betr. 1977/935). Die Frage, wie viele Stichproben zu ziehen sind, läßt sich nicht generell, sondern nur unter dem Blickwinkel des Einzelfalles entscheiden. Führt die Entnahme von Stichproben dazu, daß 207
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Zerstörende Prüfung
ProbeVerarbeitung
208
der geprüfte Warenteil wertloswird, so werden in aller Regel wenige Stichproben genügen. Das war hier der Fall, weil nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten das zur Herstellung des Ragout fin benötigte Kalbfleisch erst einige Tage nach dem 21.Jauar 1974 angeliefert wurde, bei der Verarbeitung am 28. Januar 1974 der Inhalt der mehrere Tage zuvor geöffneten Champignon-Dosen daher nicht mehr verwertet werden konnte und auch eine anderweite Verwendung ausschied. Bei einer solchen Sachlage muß der Verkäufer die Möglichkeit, daß bei der Untersuchung einer nur teilweise mangelhaften Sendung die Mängel nicht zutagetreten, hinnehmen. Das Reichsgericht hat in einem vergleichbaren Fall bei der Lieferung von 5000 Konservendosen mit Apfelmus die Prüfung von 10 Dosen für ausreichend erachtet (RGZ 106/359, 362). Berücksichtigt man im vorliegenden Fall, daß jede Dose ein Nettogewicht von knapp 2 kg hatte, so erscheint bei einem Lieferungsumfang von 2400 äußerlich gleichen Dosen mit vertragsgemäß gleichem Inhalt die Entnahme von 5 bis 6 Stichproben für eine Prüfung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang ausreichend. c) Dagegen hat das Berufungsgericht mit der Feststellung, die Beklagte habe zur Prüfung auf etwaige Mängel den Inhalt der stichprobenweise geöffneten Dosen - und zwar unabhängig von der ohnehin eine Woche später vorgenommenen Verarbeitung - bereits bei Anlieferung erhitzen müssen, die Anforderungen an das im ordnungsgemäßen Geschäftsgang für die Beklagte Gebotene überspannt. In denjenigen Fällen, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Probeverarbeitung (RGZ Seuff. Arch. Band 44 Nr. 124) oder die Vornahme einfacher chemischer bzw. technischer Proben (BGH, Betr 1970/2165; NJW 1976/625) für erforderlich gehalten hat, war die Mangelfreiheit auf anderem Wege nicht festzustellen (vgl. dazu Brüggemann, aaO., §377 Anm.13; Baumbach-Duden, HGB, 22.Aufl., §§377f. Anm. 5G). Bei einer solchen Sachlage erscheint es dem Käufer allerdings u. U. zumutbar, über die Prüfung nach Aussehen, Geschmack und Geruch hinaus eine weitergehende Überprüfung vorzunehmen. Welche Maßnahmen dabei von ihm verlangt werden können, richtet sich nach der Interessenabwägung im Einzelfall, wobei vor allem Zeit- und Ko-
1.137
Untersuchungsobliegenheit bei Gefahr erheblicher Mangelfolgeschäden
stenaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Mittel sowie die etwaige Gefahr eines erheblichen Mangelfolgeschadens eine maßgebliche Rolle spielen können (vgl. dazu BGH 16.3. 1977, Betr 1977/953 = 1.135). Hier war es jedoch anders. Die Verseuchung des Doseninhalts mit Urin oder Jauche war bereits durch eine einfache Geruchs- oder Geschmacksprobe festzustellen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage nach der Zumutbarkeit von Proben und Analysen gar nicht. Die Beklagte genügte vielmehr ihrer Obliegenheit durch eine - zur Feststellung der streitigen Mängel geeignete - Prüfung nach Aussehen, Geruch und Geschmack, ohne daß es darauf ankommt, ob ein zusätzliches Erhitzen mit einem nennenswerten Mehraufwand verbunden gewesen wäre.
Verpflichtung zur sorgfältigen Untersuchung
d) Konnte mithin von der Beklagten lediglich eine alsbaldige stichprobenartige Prüfung nach Aussehen, Geruch und Geschmackverlangt werden, so mußte andererseits diese Prüfung sorgfältig sein. Insbesondere hatte die Beklagte - abgesehen von einer möglichst repräsentativen Auswahl der Stichproben aus der Gesamtlieferung- bei der in erster Linie in Betracht kommenden Überprüfung des Geruchs dem Umstand Rechnung zu tragen, daß sich erfahrungsgemäß der Geruch von verdorbenem Konserveninhalt nach öffnen der Dosen oft rasch verflüchtigt. Ob der von der Beklagten mit der Entnahme der Stichproben betraute kaufmännische Angestellte hier die den Umständen nach gebotene Sorgfalt hatwalten lassen, mag nicht zweifelsfrei sein. Diese Prüfung und Würdigung nachzuholen ist jedoch Sache des Berufungsgerichts.
Rechtslage bei ordnungsgemäßer Stichprobe und dabei nicht erkannter Mangelhaftigkeit
e) Sollte das Berufungsgericht bei der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung zu der Feststellung kommen, daß die Beklagte die 5 bzw. 6 Dosen sorgfältig überprüft hat, ohne daß der Mangel hierbei zutage getreten ist, so würde ihr der Umstand, daß die Sendung gleichwohl teilweise mangelhaft war, nicht zum Nachteil gereichen (vgl. dazu auch Brüggemann, aaO., §377 Anm.14). Für diesen Fall könnte sich die Klägerin auch auf die in Nr.3 ihrer Verkaufs- und Lieferungsbedingungen normierte Rügefrist von 3 Tagen nach der Ablieferung schon deswegen nicht berufen, weil diese Bestimmung - und zwar unter Her-
Formularmäßige Abänderung der §§ 377f. HGB
209
1.138 anziehung der für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltenden sog. Unklarheitenregel - nicht hinreichend deutlich erkennen läßt, daß sie sich auch auf verborgene Mängel bezieht, die bei einer dem Käufer zumutbaren Untersuchung nicht hätten festgestellt werden können (vgl. BGH, NJW 1959/1081).
1.138: BGH, 14. 6. 1977, VI ZR 247/75 (Autokran)
Deliktshaftung
210
Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der Firma W, die bei der Beklagten im Jahre 1962 einen A utokran erworben hatte. Der Versicherungsnehmer der Klägerin hatte diesen Kran im Dezember 1967 eingesetzt. Während der Montage eines 28 t schweren, am Kranausleger frei hängenden Blech-Schornsteins brach am Kranausleger eine Vorgelegewelle. Der Ausleger stürzte mit dem Schornstein auf ein Kesselhaus. 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Kranoberbau sei von der britischen Muttergesellschaft der Beklagten - einem SpezialUnternehmen für derartige Fahrzeuge mit internationalem Ruf-entwickelt worden. Die Beklagte habe den bereits fertigen Kranaufbau, in den die Vorgelegewelle eingebaut war, mit zahlreichen Teilen von einem Schwesterunternehmen aus Großbritannien bezogen, dabei aber zumindest teilweise noch vervollständigt. Es unterstellt, daß sich die Beklagte nur noch den Dieselmotor für den Kranoberbau beschafft und diesen sowie Seile, den Ausleger und andere Teile eingebaut hat. Ursache für den Bruch der Vorgelegewelle und damit für das Schadenereignis war nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts eine fehlerhafte Ausbildung des Querschnittsübergangs unmittelbar vor dem Ritzel. Die fehlerhafte Ausbildung der Vorgelegewelle beruhe auf einem Konstruktionsfehler: bei der Welle sei der Aufwindungsradius zu klein gewählt worden. Darüber hinaus sei der in der Konstruktionszeichnung angegebene Wert noch deutlich unterschritten worden. Außerdem sei die Welle in dem kritischen Bereich „scharfkantig" ausgeführt
1.138
Quasi-Herstellerhaftung
gewesen, so daß sich zusätzlich Spannungsspitzen ergeben hätten. Das Berufungsgericht bejaht die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß §§67 VVG, 426 BGB, jedenfalls gemäß §812 BGB. Es ist auch der Auffassung, die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen des Krans eine Ursache für die Verletzung des Eigentums am Kesselhaus gesetzt. Die Beklagte habe aber nicht schuldhaft gehandelt. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten jedenfalls im Ergebnis der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand. Rechtlich einwandfrei ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach dem Umstand allein keine haftungsrechtlich maßgebliche Bedeutung zukomme, daß die Beklagte gegenüber ihrer Abnehmerin als Kranherstellerin auftrat. Es ist schon zweifelhaft, ob ein Unternehmen schon dadurch, daß es durch Anbringen von Handelsmarken oder sonstige Beschriftungen nur den Eindruck erweckt, Hersteller einer Ware zu sein, nach geltendem deutschen Deliktsrecht zu einem sog. „Quasi-Hersteller" werden kann (anders allerdings nach USA-Recht - vgl. dazu Diederichsen, Die Haftung des Warenherstellers, S. 256 - und nach dem neuesten Entwurf einer EG-Richtlinie). Eine derartige uneingeschränkte Quasi-Herstellerhaftung aus §823 BGB läßt sich mit der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nicht begründen (a.A. Fikentscher, Schuldrecht, 5. Aufl., §103 IV 5, S.652, der sich nur auf Diederichsen, aaO., mit dessen Hinweisen auf die amerikanische Rechtsprechung bezieht; Marschall von Biberstein, ZfRV 1976/241,249; Palandt/Thomas, BGB, 36. Aufl., §823 Anm. 16, bc, aa; Kuchinke in: Festschrift für Laufke, S.113,121). Gefahrabwendungspflichten entstehen nämlich im allgemeinen nicht schon dadurch, daß der Unternehmer seinen Namen an einem fremd hergestellten Industrieprodukt anbringt. Dies könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn er damit rechnen müßte, daß der Benutzer im Hinblick auf das von diesem dem Namen entgegengebrachte Vertrauen Vorsichtsmaßregeln unterläßt, die er andernfalls beachten würde. Deliktsrechtlich ohne Bedeutung muß der auf solche Weise von dem Vertriebsunternehmen erweckte Anschein jedenfalls dann sein, 211
1.138 wenn er ohne jegliche Bedeutung für den Produktbenutzer und den Geschädigten war. Eine solche Einschränkung von Rechtsscheintatbeständen kennt auch sonst das Haftungsrecht(z. B. bei§5HGB: vgl. Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 3.Aufl., §5 Anm.5 und bei §15 Abs.1 HGB: RGZ93/238, 240). Ob im vertraglichen Bereich gegenüber dem Vertragspartner etwas anderes gelten kann, mag hier dahinstehen (vgl. insoweit Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware, S.40). Entgegen der Auffassung von Schmidt-Salzer (Entscheidungssammlung Produkthaftung, S.426) hat der Senat in seinem Urteil vom 3. Juni 1975 (VersR 1975,922 = 1.86) nicht die reine Quasi-Herstellerhaftung bejaht. Er hat in dem damals zur Entscheidung stehenden Sachverhalt die Haftung des Unternehmers nicht damit begründet, dieser habe sich durch die Prospektangaben mit einem Fremdprodukt identifiziert. Vielmehr war dieser nach tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich der Hersteller des Endproduktes Spann kupplung. Lediglich die Spann hülse war ein zugeliefertes Teil der Kupplung, das sogar in seinem Auftrag und nach seinen eigenen Konstruktionszeichnungen gefertigt war. Nur unterstützend hat der Senat darauf hingewiesen, die damalige Erstbeklagte habe die Spannkupplung in ihren Prospekten als eigene Produkte angeboten.
Untersuchungspflichten von Vertriebshändlern
212
2. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht im übrigen eine Haftpflicht der Beklagten gegenüber(dem Inhaber des Kesselhauses) aus §823 BGB verneint. a) Die vom Berufungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen getroffene rechtliche Würdigung, die Beklagte treffe keine Verantwortung für die an der Vorgelegewelle vorhandenen Mängel, ist frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß sich die Tätigkeit der Beklagten von der eines bloßen Kraftfahrzeughändlers unterscheidet, da sie den Kranwagen nicht nur fahrbereit zu machen hatte. Wer allerdings fremde Erzeugnisse lediglich vertreibt, ist nur dann verpflichtet, die Ware vor ihrem Verkauf auf eine gefahrenfreie Beschaffenheit zu untersuchen, wenn aus besonderen Gründen Anlaß zu einer
1.138
Untersuchungspflichten eines Vertriebshändlers mit Endmontagefunktionen
Konstruktionsfehler
solchen Überprüfung besteht oder die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen (Senatsurteil vom 5.7. 1960, VersR 1960/855, 856 = 1.41). Der Beklagten oblag zum Teil aber noch die Endmontage. Damit hatte sie weitergehende Verkehrspflichten zu erfüllen als ein Fahrzeughändler. Im Streitfall gehen diese Pflichten aber nicht so weit, die Beklagte den strengen Pflichten zu unterwerfen, die Gesetz und Rechtsprechung einem Hersteller auferlegen. Ein Unternehmer, dessen Tätigkeit sich im wesentlichen darauf beschränkt, ein Fahrzeug, eine Maschine oder dergleichen auf den ihm von einem anderen Unternehmer gelieferten Teilen nach den ihm gleichfalls von diesem zur Verfügung gestellten Plänen lediglich zu montieren, hat geringere Schadensabwendungspflichten zu erfüllen als ein Fabrikant, der ein Erzeugnis selbst konstruiert und es aus ihm zugelieferten Teilen zusammensetzt. Die vom erkennenden Senat den Warenherstellern im allgemeinen auferlegten Pflichten zur Prüfung zugelieferter Einbauteile auf Fabrikationsfehler (vgl. z.B. Senatsurteile vom 5.7.1960, aaO.; vom 16.2.1972, VersR 1972/559 = I.69 und vom 3.6.1975, aaO.). können auf Montagebetriebe kaum übertragen werden. Diese haben auch bezüglich der Untersuchung solcher Teile auf Konstruktionsfehler geringere Pflichten als der Unternehmer, der Einbauteile für ein Endprodukt verwendet, das er selbst konstruierte. Mit Recht führt das Berufungsgericht daher aus, von dem nur noch mit Montageleistungen befaßten Unternehmen könne nicht verlangt werden, die Konstruktion des Geräts in seinen Einzelteilen anhand von Zeichnungen und konstruktiven Erläuterungen nachzuvollziehen und die einzelnen Teile eingehend auf etwaige Fertigungsfehler zu untersuchen. Etwas anderes kann bezüglich der Konstruktion zwar dann gelten, wenn die Endmontage ein eingehendes Erfassen der Konstruktion und der ihr zugrunde liegenden Berechnungen voraussetzt (RG, DR 1940/1293,1294 = 1.17). Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so können Pflichten zur Überprüfung der Konstruktion einem Montagebetrieb jedenfalls dann nicht obliegen, wenn diese wie hiervon einem SpezialUnternehmen mit internationalem Ruf stammt. Auf Fertigungsfehler haben die Bediensteten eines Montagebe213
.138 Fabrikationsfehler der zu montierenden Einzelteile
Funktionsprüfung
triebes allerdings dann zu achten und etwaige fehlerhafte Werkstücke auszusondern, soweit sie diese Fehler bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beim Einbau erkennen können. b) Dies gilt vor allem im Streitfall, da die Beklagte nach den getroffenen Feststellungen nicht einmal den gesamten Kran zu montieren hatte, sondern bereits den fertigen Kranaufbau mit der eingebauten fehlerhaften Vorgelegewelle aus England erhielt und nur noch mit der Endmontage des für den Schiffstransport teilverlegten Krans betraut war. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Fallgestaltung zu der Auffassung gelangt, die Beklagte habe nicht jedes Teil in fertigungstechnischer Hinsicht überprüfen müssen, vor allem aber nicht die bereits eingebaute Vorgelegewelle, und habe sich auch darauf verlassen dürfen, daß der von ihrer Muttergesellschaft für eine Serienfabrikation entwickelte Kranoberbau in konstruktiver Hinsicht den damals anerkannten Regeln der Technik entsprach, dann ist darin kein Rechtsfehler zu sehen. Das Berufungsgericht mußte auch nicht deshalb zu einem anderen Ergebnis kommen, weil die Beklagte auf Wunsch des Käufers einen deutschen Dieselmotor beschaffte und in den Kran einbaute. Denn der Motor diente nicht dem unmittelbaren Antrieb der Vorgelegewelle, sondern der Stromerzeugung für den schon eingebauten Elektromotor und hatte deshalb keinen Einfluß auf den Schadenseintritt. Die Beklagte durfte sich daher darauf beschränken, den fertig montierten Autokran einer sorgfältigen Funktionsprüfung zu unterziehen. Dabei konnte sie aber die fehlerhafte Konstruktion und Fertigung der Vorgelegewelle nicht entdecken, wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt.
Anmerkung:
1. Zur deliktsrechtlichen Erfassung tatsächlicher Arbeitsteilungen (a) innerhalb des Herstellerbereichs und (b) hinsichtlich des Vertriebs zwischen Hersteller und Vertriebshändler 214
(Anm.) 1.138
Haftung von Vertriebshändlern mit Endmontagefunktionen
Vertriebshändler mit Endmontagefunktionen und Assembler: Abgrenzung
Qualifikation als Vertriebshändler
Qualifikation als Hersteller
und insbesondere Importeur vgl. die Anmerkungen zu Nr. 1.101 und 1.151 sowie 11.39. Der Bundesgerichtshof hält ausdrücklich fest, daß einem Vertriebshändler mit Endmontagefunktionen keine Hersteller-Gefahrabwendungspflichten obliegen. Vielmehr bestünden lediglich im Vergleich zu den normalen Vertriebshändler-Gefahrabwendungspflichten intensivere Untersuchungspflichten. Dieser Rechtssatz ist vor allem für die Kfz-Neuwagenhändler wichtig, die vertraglich den sog. make ready-Service übernommen haben, d.h. die Verpflichtung zur fahrfertigen Übergabe der Kraftfahrzeuge an Käufer. Ist der Vertriebshändler zugleich auch Importeur, d. h. handelt es sich um ein im Ausland hergestelltes Produkt, ist allein aufgrund der Importeurfunktion eine weitere Pflichtenverschärfung nicht gerechtfertigt. 2. Für die Praxis wird die Unterscheidung wichtig zwischen (a) Vertriebshändlern mit Endmontagefunktionen und (b) Endherstellern, deren Tätigkeit sich auf die Montage angelieferter Teile begrenzt und die nicht der intensivierten Vertriebshändler-Haftung, sondern der Hersteller-Haftung unterliegen. Die Grenzziehung ergibt sich m.E. aus der Ausstattung des Produkts bzw. der Art des Vertriebs. Variiert man den Sachverhalt beispielshalber, läßt sich folgende Alternative bilden: (a) Ist im obigen Fall das Produkt mit dem Warenzeichen der britischen Muttergesellschaft versehen und firmiert die deutsche Beklagte erkennbar nur als Vertriebshändler (z. B. Deutsche ABC-GmbH), wird erkennbar, daß es sich hier um den Vertrieb eines Fremdprodukts handelt, so daß die Beklagte nur den für einen Vertriebshändler mit Endmontagefunktionen festgelegten Gefahrenabwendungspflichten unterliegt. b) Tritt dagegen das die Endmontage bzw. das Assembling durchführende Unternehmen im Verkehr nicht als deutlich erkennbarer Vertriebshändler auf, sondern bringt es das montierte Produkt unter einem eigenen Warenzeichen in den Verkehr, liegt aus der Sicht des Käufers bzw. dritter Geschädigter ein Fall der Endherstellung unter weitgehender Verwendung fremdproduzierter Einzelteile vor. Das gleiche 215
1.138 (Anm.)
Quasi-Hersteller
Montage und Assembling: Abgrenzung
Qualifikation als Assembler 216
gilt, wenn z. B. kein Warenzeichen verwendet, sondern das Produkt mit dem eigenen Firmenzeichen ausgestattet wird oder wenn das Produkt z. B. in Prospekten als Eigenkonstruktion herausgestellt wird. Die haftungsrechtliche Frage ist hier, ob das funktionell an sich nur die Endmontage ausübende Unternehmen wegen dieses äußeren Erscheinungsbildes wie ein Hersteller behandelt wird oder ob demgegenüber auf die tatsächliche Sachlage abgestelt und das Unternehmen lediglich als Vertriebshändler behandelt wird. In die erste Richtung gehtz. B. die US-amerikanische Rechtsprechung und jetzt auch der Entwurf der EG-Kommission für die Einführung einer Produktgefährdungshaftung. Dort heißt es in Art. 2 Abs. 2: ,,,Hersteller' ist der Hersteller des Endprodukts, der Hersteller von Grundstoffen oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf der Sache anbringt." M.E. kann dieses Problem nicht mit den im Bereich der Rechtsscheinhaftung entwickelten Kategorien gelöst werden. Entgegen den Andeutungen in der obigen Entscheidung handelt es sich hier nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Nichthersteller ein von ihm gesetzter Hersteller-Rechtsschein zugerechnet werden kann. Es handelt sich vielmehr um die Frage, welche haftungsrechtlichen Konsequenzen mit tatsächlichen Arbeitsteilungen verbunden sind bzw. welche Gefahrabwendungspflichten bei Aufteilung der Herstellungstätigkeiten auf mehrere Unternehmen den einzelnen Beteiligten obliegen. 3. In tatsächlicher Sicht ist zunächst einmal zwischen Montage und Assembling, d. h. Zusammenbau von Einzelteilen, zu unterscheiden. Funktionell besteht kein Unterschied. Die sprachliche Differenzierung zielt vielmehr auf den wirtschaftlichen Kontext. Von einem Montagebetrieb kann man im engen Wortsinn nur sprechen, wenn das Unternehmen aufgrund der Übernahme entsprechender Aufträge die angelieferten Einzelteile im Drittinteresse zusammenbaut und dann an den Auftraggeber oder von diesem benannte Dritte ausliefert. Stellt sich demgegenüber der wirtschaftliche Sachverhalt so dar, daß ein Unternehmen Produkte auf ei-
(Anm.) 1.138 gene Rechnung verkauft, bei der Herstellung aber darauf verzichtet, die Einzelteile selbst zu fertigen, sondern sie von Zulieferern ankauft, dann liegt ein Assembling vor. Die Entscheidung, welche Einzelteile benutzt werden, muß hier von dem Assembler bzw. „Zusammenbauer" getroffen werden, so daß ihm z. B. die volle Konstruktionshaftung obliegen muß. Im Fall eines reinen Montageunternehmens dagegen werden dem Montageunternehmen sowohl die Konstruktionspläne als auch die zu verwendenden Einzelteile vorgegeben. Selbst wenn das Montageunternehmen nicht ausschließlich beigestellte Teile benutzt, sondern in gewissem Umfang die ihm vorgeschriebenen Teile erst beschafft, werden zumindest die Konstruktionsentscheidungen vom Auftraggeber getroffen. Fertigung nach Kundenzeichnung
Beauftragung (a) eines Konstruktionsbüros und (b) eines Lohnfertigers Ausstattung eines Fremdprodukts mit eigenem Warenzeichen
Wenn also ein Unternehmer X aufgrund der von ihm entwikkelten Konstruktionszeichnungen die zur Ausführung des Produkts benötigten Einzelteile bei den Zulieferern A, B und C bestellt, den Zusammenbau der Einzelteile vom Montagebetrieb D durchführen läßt und dann diese Produkte unter Verwendung des eigenen Warenzeichens in den Verkehr bringt, ist m. E. zweifelsfrei, daß hier dem X die generelle Herstellerhaftung für den Konstruktions-, den Instruktionsund den Produkbeobachtungsbereich obliegt und daß lediglich im Bereich der Fabrikation eine DrittunternehmerEinschaltungshaftung hinsichtlich der mit unterschiedlichen Funktionen beauftragten A, B, C und D besteht. Das gleiche muß gelten, wenn X die Konstruktionszeichnungen nicht selbst entwirft, sondern auf Auftragsbasis von einem spezialisierten Konstruktionsbüro anfertigen läßt. Hier ist auch im Bereich der Konstruktionshaftung eine Drittunternehmer-Einschaltungshaftung gegeben. Verzichtet X sogar auf die Entwicklung eigener Konstruktionszeichnungen (z. B. weil festgestellt wird, daß die Firma M genau das Produkt vertreibt, das dem X zur Abrundung seiner eigenen Produktpalette vorschwebt) und wird mit M eine Vereinbarung getroffen, daß im Wege des sog. gespaltenen Vertriebs ein Teil der Produktion des M mit einer besonderen, nicht mehr auf M hinweisenden, sondern ausschließlich das Warenzeichen oder die Firmenbezeichnung von X tragenden Ausstattung versehen und X angeliefert 217
1.138 (Anm.) wird, dann ist funktionell X nicht mehr als Hersteller, sondern nur noch als Vertriebshändler tätig geworden. Würde man in der 3. Beispielvariation X haftungsrechtlich nicht mehr als Hersteller, sondern nur noch als Vertriebshändler behandeln, müßte man tatbestandlich den Punkt ermitteln, an dem der Bereich der Herstellerhaftung verlassen und der der Vertriebshändlerhaftung beschritten wird. Die Beispielvariation zeigt aber, daß in der Praxis diese Übergänge fließendsind. Hinsichtlich der grundlegenden Weichenstellung zwischen Hersteller- und Vertriebshändlerhaftung ist ein Abstellen auf die tatsächliche Funktionsverteilung sehr schwierig. Rechtlich gibt es hier eine für die Praxis relativ sehr viel einfacher zu handhabende und auch sachgerechte Lösung, indem man an die äußere Sachlage anknüpft: X geriertsich in allen drei Fällen wie ein Hersteller. Es kann nicht Sache des Produktgeschädigten sein, mehr oder minder mühselig zu ermitteln, obXauch tatsächlich wie ein Hersteller oder aber nur wie ein Vertriebshändler gehandelt hat. Es ist vertretbar und angemessen, X unter Anknüpfung an sein Auftreten im Geschäftsverkehr der Herstellerhaftung zu unterwerfen.
Vertrieb von Fremdprodukten durch Handelsbetriebe unter eigenem Warenzeichen
218
In der 1. und der 2. Beispielvariation handelt es sich dann jeweils um eine echte Herstellerhaftung und konkret um die Auslotung, welche Gefahrabwendungspflichten dem X im Hinblick auf Schadenursachen obliegen, die von Drittunternehmern gesetzt wurden. Im Fall der 3. Beispielsvariation dagegen handelt es sich an sich um die Behandlung eines Nichthersteliers wie einen Hersteller. Wie gesagt, ergibt die Grundlage dafür aber das eigene Auftreten des X im Geschäftsverkehr. 4. Die Beispielvariation ging von einem Herstellerbetrieb aus, der sich zur Abrundung seiner Produktpalette ein einzelnes Produkt mittels (im einzelnen variierter) Einschaltung von Drittunternehmen beschafft. Die gleiche Sachlage wie im Fall der 3. Beispielvariation ergibt sich aber heutzutage in den vielen Fällen, in denen Handelshäuser eigene Handelsmarken entwickelt und durch jahrelange und intensive Marketingtätigkeit aufgebaut haben. Wenn z. B. ein Handelshaus K von einem Hersteller elektrischer, unter einer bekannten Marke vertriebener Geräte
(Anm.) 1.138 dessen Produkte mit einer Sonderausstattung erwirbt, die nicht mehr auf den Hersteller hinweist, sondern lediglich das Warenzeichen K aufweist, hat das Handelshaus in tatsächlicher Sicht ein Fremdprodukt abzeptiert: lediglich aus Vertriebsgründen wurde dieses Fremdprodukt mit der eigenen Handelsmarke versehen. Meist ist vertriebspolitischer Sinn einer derartigen Handelsmarke, daß unabhängig von den einzelnen Produkten ein allgemeines Vertrauen der Kundschaft in die Handelsmarke des Handelshauses geschaffen und aufrechterhalten werden soll. Die Praxis zeigt, daß die Handelshäuser in derartigen Fällen mehr oder minder nachdrücklich damit werben, daß es sich bei den durch die eigene Handelsmarke gekennzeichneten Produkten um besonders gute Erzeugnisse handelt, ,.hinter denen das Haus steht". Damit wird der Eindruck erweckt, daß hier eine besonders sorgfältige Prüfung des Produkts erfolgt ist. Die rechtlichen Alternativen sind hier: - Behandlung des Handelshauses als bloßen Vertriebshändler (was angesichts des in Anspruch genommenen besonderen Vertrauens nicht gerechtfertigt erscheint) - Behandlung des Handelshauses als Vertriebshändler, aber zugleich Intensivierung der bei derartigen Produkten auferlegten Gefahrabwendungspflichten: dies kann vor allem dann wichtig werden, wenn sich bei der Bearbeitung von Gewährleistungs- und Schadenfällen eine Fehlerhaftigkeit der betreffenden Produkte zeigt. Für einen Vertriebshändler bestehen normalerweise hinsichtlich von Herstellungsfehlern keine Rückrufpflichten: werden aber wegen der Kennzeichnung des Fremdprodukts mit dem eigenen Warenzeichen des Handelshauses die Vertriebshändler-Gefahrabwendungspflichten intensiviert, könnte dies anders gesehen werden. In diesem Sinn sind die in der Praxis bereits vorgekommenen Rückrufaktionen von Handelshäusern hinsichtlich von Fremdprodukten, die unter dem Warenzeichen des Handelshauses vertrieben wurden, nicht nur ein Kundenservice, sondern eventuell auch Erfüllung einer deliktsrechtlichen Verpflichtung gewesen. - Behandlung des Warenhauses wie ein Hersteller: obwohl hier auch für den durchschnittlichen nichtkaufmänni219
1.138 (Anm.) sehen Kunden Otto Normalverbraucher erkennbar ist, daß das Handelshaus nicht als Hersteller tätig wurde, sondern lediglich Fremdprodukte durch die Ausstattung mit der eigenen Handelsmarke kennzeichnet und qualifiziert, würde diese Kennzeichnung die Grundlage für die Haftungsausweitung ergeben. Die Rechtfertigung dafür ist die Überlegung, daß das Handelshaus den tatsächlichen Herstellerin der Anonymität beläßt und stattdessen durch die Ausstattung des Fremdprodukts mit der eigenen Handelsmarke selbst eine Art Produktverantwortung übernimmt: die Ausstattung des Fremdproduktes mit der eigenen Handelsmarke ist in der Sache eine Identifikation eines Nichthersteliers mit einem Fremdprodukt, so daß es m. E. gerechtfertigt ist, das Handelshaus hier wie einen Hersteller zu behandeln und der Hersteller-Haftung zu unterwerfen. Für diese Lösung spricht unter rein pragmatischen Gesichtspunkten u.a., daß die Handelshäuser mehr und mehr aufgrund der eigenen Marktbeobachtung dazu übergehen, nicht nur bestehende Fremdprodukte anzukaufen, sondern von vornherein neue Produkte in Auftrag zu geben. Die Palette reicht in diesen Fällen von der bloßen Anregung bis zur Beauftragung von Konstruktions- bzw. Herstellerunternehmen damit, speziell für das Handelshaus unter Einräumung von Ausschließlichkeitsrechten genau angegebene neue Produkte zu entwickeln und zu fertigen. Selbst wenn man also grundsätzlich Handelshäuser hinsichtlich von Fremdprodukten, die mit der eigenen Handelsmarke versehen werden, nicht wie Hersteller, sondern lediglich als Vertriebshändler behandelt, können sich hier in der Praxis gewissermaßen von der anderen Seite her ähnliche Abgrenzungsfragen stellen, wie sie bereits für den Bereich der Herstellerhaftung behandelt wurden. Auch hier ergibt sich eine für die Praxis relativ einfach zu handhabende und sachgerechte Lösung, indem Nichthersteller in den Fällen wie Hersteller behandelt werden, in denen eine Identifikation mit einem Fremdprodukt erfolgt. Die klassischen Beispiele dafür sind die Ausstattung eines Fremdprodukts mit dem eigenen Warenzeichen oder der eigenen Firmenbezeichnung. Die Ausstattung ist aber nicht allein entscheidend. Es 220
(Anm.) 1.138
Mitverantwortung des Montagebetriebes für Konstruktionsfehler
Beigestellte Teile
Vom Montagebetrieb beschaffte Teile
kommt auf die gesamten Umstände an. Z. B. kann es genügen, daß ein anonym gehaltenes, d. h. keine Herstellerbezeichnung aufweisendes Produkt in Prospekten oder in Vertragsverhandlungen als eigene Konstruktion bezeichnet wird. 5. Hinsichtlich der Mitverantwortung des Montagebetriebes für Konstruktionsfehler entspricht die Entscheidung der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. 1.16 und 1.17). 6. Hinsichtlich der Mitverantwortung des Montagebetriebes für Fabrikationsfehler der bei der Montage benutzten Einzelteile dagegen gibt der Sachverhalt Anlaß zum Hinweis auf einen wichtigen Unterschied: a) Handelt es sich um die vom Auftraggeber für die Montage angelieferten Einzelteile, kann das Montageunternehmen grundsätzlich davon ausgehen, daß die Einzelteile fehlerfrei sind, und müssen nur ersichtliche Fehler berücksichtigt werden. Eine Auferlegung der Verpflichtung zur Wareneingangskontrolle ist nicht gerechtfertigt. b) Hat dagegen das Montageunternehmen außer der Montage zugleich auch die Beschaffung von einzelnen Teilen übernommen, kann es nicht davon ausgehen, daß die Prüfung der Einzelteile bereits erfolgt ist und kommen hier die Drittunternehmer-Einschaltungsverpflichtungen zur Anwendung, die einem Weiterverarbeiter, einem Assembler, usw. obliegen (vgl. Anm. zu 1.121). Dies ist kein Widerspruch zu der Qualifikation des Unternehmens als bloßen Montagebetrieb: in diesem begrenzten Bereich hat das Montageunternehmen mit der Beschaffung der betreffenden Teile besondere, über die bloße Montage hinausgehende Funktionen übernommen, deren haftungsrechtliches Spiegelbild diese Gefahrabwendungspflichten sind.
221
1.139 1.139; BGH, 29. 6. 1977, VIII ZR 309/75 (Pflanzenschutzmittel)
Vertragliche Beratungshaftung
222
Die Klägerin baut auf mehreren großen Plantagen Erdbeeren für den Verkauf an Selbstpflücker an. Die Beklagte stellt Pflanzenschutzmittel (Pestizide) her, u.a. das seit 1958 auf dem Markt befindliche Insektizid F. In den 1966 herausgegebenen Werbeschriften und Gebrauchsanweisungen hat die Beklagte das Präparat, das mit bestimmten Mitteln zur Bekämpfung pilzlicher Krankheiten (Fungiziden) gemischt werden könne, auch für die Anwendung im Erdbeerbau empfohlen. Zur Kundenberatung und Verkaufsförderung unterhält die Beklagte ein Netz von Beratungsstellen für den Pflanzenschutz. Aufgrundeines Gesprächs des Leiters der örtlich zuständigen Beratungsstelle München, Dr. Sch, mit dem Sohn der Klägerin am 3. März 1966 bestellte diese noch am selben Tag 15 Behälter. Am 18.4. 1966 spritzte sie ihre Anpflanzungen mit dem F-Öl, das sie im Tank mit einem von einer anderen Firma hergestellten und gelieferten Fungizid gemischt hatte, nachdem sie zuvor in einem gesonderten Arbeitsgang die Plantagen mit dem seit 1963 im Handel befindlichen, von der Firma C hergestellten und vertriebenen Unkrautvertilgungsmittel (Herbizid) T gespritzt hatte. Am 22V23.4. 1966 traten an den Erdbeerpflanzen „Verbrennungen" auf, die zu Wachstumsstörungen und einem Minderertrag führten. 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führt das Spritzen von Erdbeerpflanzen mit F-Öl weder allein noch in Verbindung mit nachfolgendem Frost zu einer anhaltenden Schädigung oder zu einem nennenswerten Ertragsausfall. Den geringfügigen und lediglich vorübergehenden Wachstumsschock unmittelbar im Anschluß an die Spritzung nehmen die Käufer im Interesse der Wirksamkeit des Mittels hin. Dagegen könne die gleichzeitige Anwendung des Insektizids F-Öl und des Herbizids T schwere irreparable und mit einem Ernteausfall verbundene Schäden zur Folge haben, die durch nachfolgenden Frost noch verstärkt würden. Gleichwohl sei die Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil weder sie noch den Leiter der Beratungsstelle
1.139 München als ihren Erfüllungsgehilfen im Rahmen ihrer Beratungspflicht-gleichgültig ob aufgrund eines besonderen Beratungsvertrages oder einer entsprechenden kaufvertraglichen Nebenpflicht-ein Verschulden treffe. Die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung von T sei der Beklagten nicht bekannt gewesen. Dr. Sch habe auch nicht damit rechnen müssen, daß die Klägerin überhaupt chemische Unkrautvertilgungsmittel und sogar das damals noch ungebräuchliche T verwenden würde. Überdies sei sie zu einer Warnung vorder gleichzeitigen Verwendung von T und F-Öl deswegen nicht verpflichtet gewesen, weil nach dem damaligen Erkenntnisstand von Wissenschaft und Praxis die Unverträglichkeit beider Mittel unbekannt gewesen sei und sie zur Durchführung von etwaigen Versuchen keine Veranlassung gehabt habe.
Fehlernachweis
Fehlerbegriff: Inkaufnahme von Nebenwirkungendurch die Produktbenutzer
Fehlernachweis
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand. 2. Ohne Rechtsfehler stellt das Berufungsgericht fest, daß das von der Beklagten gelieferte F-Öl ein für die Bekämpfung von überwinternden Insekten wirksames Mittel ist und weder allein noch im Zusammenwirken mit nachfolgendem Frost im Normalfall zu Dauerschäden an den Erdbeerpflanzen führt. Soweit die Spritzung mit Pestiziden ganz allgemein - und so auch die Behandlung mit F-Öl - einen Wachstumsschock der behandelten Pflanzen zur Folge hat, handelt es sich nach der übereinstimmenden Ansicht beider Sachverständiger um eine vorübergehende Wachstumshemmung, die den Ertrag nicht nachhaltig beeinflußt und von den Verwendern derartiger Pflanzenschutzmittel im Interesse eine wirksamen Schädlingsbekämpfung hingenommen wird. Bei dieser Sachlage scheidet eine auf das Inverkehrbringen eines gefährlichen Mittels gestützte - vertragliche oder deliktische- „Produzentenhaftung" der Beklagten jedenfalls unter diesem Blickwinkel aus. 3. Andererseits stellt das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei fest, daß T- und F-Öle aus Gründen, über die auch heute noch keine wissenschaftlich gesicherte Klarheit besteht, unverträglich sind und bei etwa gleichzeitiger Anwendung Dauerschäden auslösen können, die durch nachfolgenden Frost möglicherweise noch verstärkt werden. So war 223
1.139
Instruktionshaftung
Beratungshaftung
Vertragliche Beratungshaftung
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es auch hier. Wenn das Berufungsgericht gleichwohl eine Haftung der Beklagten schlechthin verneint hat, so beruht dies darauf, daß es an die dem Hersteller von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen einer vertraglich übernommenen Beratung obliegende Aufklärungspflicht zu geringe Anforderungen gestellt hat. a) Dabei geht es nicht so sehr um die allgemeine Frage, ob und unterweichen Voraussetzungen Hersteller-diese unter dem Gesichtspunkt einer sog. Instruktionshaftung - und Verkäufereines gefährlichen Mittels- diese aus kaufrechtlicher Nebenpflicht - auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung gehalten sind, den Endverbraucher bzw. Käufer auf das mit der Verwendung des Mittels verbundene Risiko hinzuweisen (BGH, 14.4. 1959, VersR 1959/523 = I.36 und vom 20.10. 1959, VersR 1960/342 = I.39; Senatsurteil vom 19.2.1975, BGHZ 64/46 = I.85). Andererseits trifft aber auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5.11. 1955 (VersR 1955/765 = BB 1955/1109 = I.22), nach der der Hersteller eines Insektenvernichtungsmittels nicht verpflichtet ist, den Verwender auf die von diesem Mittel auch den nützlichen Insekten drohenden Gefahren hinzuweisen, nicht den vorliegenden Fall. Hier hatte die Beklagte zwar unentgeltlich, aber doch ersichtlich im Interesse einer wirksamen Werbung und Verkaufsförderung durch Einrichtung eines Netzes von Beratungsstellen eine umfassende Beratung über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln angeboten-ein Angebot, das die an einer Umstellung ihres Pflanzenschutzes ausschließlich auf Präparate der Beklagten interessierte Klägerin angenommen hatte. Es war daher zwischen den Parteien zu vertraglichen Beziehungen gekommen, die die Verpflichtung der Beklagten zu einer umfassenden, über die Grenzen der allgemeinen Warnungspflicht im Rahmen der Produzentenhaftung weit hinausgehende Beratung und Aufklärung zum Gegenstand hat. Im Rahmen dieser Beratungspflichten hatte die Beklagte durch den für sie als Erfüllungsgehilfen tätig gewordenen Dr. Sch (§278 BGB) der Klägerin nicht nur das Für und Wider und die Rentabilität des Einsatzes der einzelnen Mittel, sondern auch die Risiken ihrer Anwendung - e t w a im Hinblick auf die Robustheit der zu behandelnden Pflanzen, die zu erwartenden Witterungsein-
1.139
Informationsbzw. Ermittlungspflichten des Beratenden
Verschulden
Stand der Technik bzw. Wissenschaft Entwicklungsgefahr; Fachliteratur; Produkt beobachtungshaftung
flüsse oder das Zusammentreffen mit anderen Pflanzenschutzmitteln eigener und fremder Herstellung - darzulegen. b) Auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Erörterungen gestellte Frage, ob Dr. Sch die gleichzeitige Verwendung von T bekannt war, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Daß die Häufung mehrerer chemischer Mittel beim Pflanzenschutz - im vorliegenden Fall wurde die Fläche zunächst mit einem Herbizid und kurze Zeit später mit einem Insektizid, in der Tankfüllung vermischt mit einem Fungizid, behandelt - zu Unverträglichkeiten und damit zu Schädigungen an den Pflanzen führen kann, zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Dann aber wäre Dr. Sch verpflichtet gewesen, sich bei der Beratung zunächst Gewißheit über den von der Klägerin in Aussicht genommenen sonstigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verschaffen. Ob sich diese Verpflichtung aus einem selbständigen Beratungsvertrag (§§305, 676 BGB) oder als Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag ergab, kann jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, denn für den Umfang der Sorgfaltspflicht und damit die Frage des Verschuldens ist die rechtliche Einordnung dieser vertraglichen Verpflichtung nicht von Bedeutung. c) Gleichzeitig kann der Beklagten die Verletzung einer konkreten Hinweispflicht deswegen nicht angelastet werden, weil sie, auch wenn ihr die gleichzeitige Verwendung des Herbizids T durch die Klägerin bekannt gewesen wäre, keine Veranlassung gehabt hätte, von der Anwendung des F-Öls abzuraten, sie insoweit also kein Verschulden trifft. Daß die Beklagte im März 1966 die Unverträglichkeit beider Mittel gekannt hätte, behauptet die Klägerin selbst nicht. Das Berufungsgericht stellt aber auch rechtsfehlerfrei fest, daß im damaligen Zeitpunkt weder in der Wissenschaft noch in der Praxis Bedenken gegen die gleichzeitige Verwendung beider Mittel bestanden. Erst Mitte 1966 erschienen in Fachzeitschriften erstmals Vorbehalte, die dann allerdings der Beklagten bzw. Dr. Sch Veranlassung zu einer Warnung gegeben hätten (vgl. BGH, 18.10. 1960, VersR 1960/1095 = I.43).
225
1.139 Sorgfaltspflichten des Herstellers hinsichtlich der Verträglichkeit mit anderen Mitteln Zumutbarkeit
Erfordernis eines besonderen Anlasses Verträglichkeit mit allgemein gebräuchlichen Mitteln Verträglichkeit mit wenig bzw. selten benutzten Mitteln Besonderer Anlaß
226
Die Frage, ob ein Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, wenn er vertraglich eine Beratung über ihren zweckmäßigen Einsatz übernimmt, allgemein sich zuvor durch eigene Versuche über die Verträglichkeit mit anderen, gleichzeitig zu verwendenden Mitteln anderer Hersteller Gewißheit verschaffen muß, bedarf hier keiner abschließenden Prüfung und entzieht sich angesichts der Vielfältigkeit der in Betracht kommenden Sachverhalte wohl auch weitgehend eine generalisierenden Beantwortung. Berücksichtigt man die - sinnfällig sich aus dem amtlichen Pflanzenschutzverzeichnis 1966 ergebende - Vielzahl der auf dem Markt befindlichen und ständig neu in den Handel kommenden Pflanzenschutzmittel verschiedenartiger chemischer Zusammensetzung und Zweckbestimmung und berücksichtigt man weiterhin, daß diese Pflanzenschutzmittel in ihrer jeweiligen Kombination ganz unterschiedlich nicht nur auf die einzelnen Pflanzengattungen, sondern innerhalb dieser Gattungen auch auf die einzelnen Sorten wirken können und diese Wirkung schließlich vom jeweiligen Anbaugebiet und insbesondere den dort bestehenden klimatischen Bedingungen abhängen kann, so leuchtet ein, daß der Hersteller eines Pflanzenschutzmittels nicht verpflichtet sein kann, ohne besonderen Anlaß jedes Mittel eines anderen Herstellers durch Versuche auf die Verträglichkeit mit den eigenen Mitteln zu überprüfen. Etwas anderes mag dann gelten, wenn die Verwendung des anderen Pflanzenschutzmittels so allgemein gebräuchlich ist, daß eine etwaige Unverträglichkeit einen risikolosen Einsatz des eigenen Mittels weitgehend ausschließen würde. Einer weiteren Vertiefung bedarf diese Frage hier jedoch nicht. Das Herbizid T - erst seit 1963 auf dem Markt - spielte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor Mitte 1966 nur eine unbedeutende, untergeordnete Rolle. Jedenfalls bei einer solchen Sachlage stellt es keinen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten der Beklagten dar, wenn diese, solange sich keinerlei Anhaltspunkte für eine etwaige Unverträglichkeit zeigten, keine eigenen Versuche über das Zusammenwirken der gleichzeitig oder in geringem zeitlichen Abstand bei denselben Pflanzen verwendeten Mittel T und F-Öl durchführte.
1.139 Verschuldensnachweis
4. Da das Berufungsgericht ausdrücklich feststellt, daß die Unverträglichkeit beider Präparate im März 1966 nicht vorhersehbar war und damit ein Verschulden der Beklagten entfiel, kommt es in diesem Zsammenhang auf die Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich des Verschuldens (§282 BGB) nicht an. Aus den gleichen Gründen kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Unverträglichkeit des Föls gegenüber T um einen Mangel im Sinn des §459 Abs. 1 BGB und damit bei dem Ertragsausfall um einen unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung erstattungsfähigen Mangelfolgeschaden gehandelt hat. Für die Annahme schließlich, daß die Beklagte der Klägerin die Verträglichkeit zugesichert habe (§§459 Abs.2, 463BGB), fehlt es nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt an jedem Anhaltspunkt.
Vertragliche Beratungshaftung
5. Kann es mithin der Beklagten nicht als Verletzung der von ihr übernommenen Beratungspflicht angelastet werden, daß Dr. Sch die Klägerin nicht auf die Unverträglichkeit zwischen T und F-Öl hingewiesen hat, so ergibt sich gleichwohl eine Haftung der Beklagten u.U. daraus, daß Dr. Sch den Sohn der Klägerin nicht ganz allgemein über die Risiken unterrichtet hat, die eine gleichzeitige Verwendung mehrerer Pflanzenschutzmittel mit sich bringt. Daß das kombinierte wie auch das nahezu gleichzeitige Spritzen mit unterschiedlichen Mitteln die Gefahr einer wenn auch u. U. nicht voraussehbaren - Schädigung durch Unverträglichkeiten (sog. synergistische Wirkung) mit sich bringen kann, zeigt nicht nur der vorliegende Fall. Auch die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß sie sich gerade im Hinblick auf diese Möglichkeiten darauf beschränkt und beschränken muß, in den Gebrauchsanweisungen die Verträglichkeit mit anderen Mitteln jeweils positiv anzugeben. Es gehört aber zum Inhalt einer umfassenden Beratung, wie sie die Klägerin hier bei der Beklagten in Anspruch genommen hat, daß der Verwen-
Allgemeine Unterrichtung über Risikomöglichkeiten
Umfang der Beratungshaftung Risikowahrscheinlichkeit
der auch über die - nicht nur theoretisch bestehenden - Risiken aufgeklärt wird. Erst wenn er sie kennt, kann er sachgerecht darüber entscheiden, ob er sie im Interesse einer möglichst wirksamen und umfassenden Schädlingsbekämpfung oder aus Gründen der Zeit- und Arbeitsersparnis 227
1.139 auf sich nehmen will. Ob diese Hinweispflicht ganz allgemein beim Inverkehrbringen und Verkauf derartiger Mittel gilt, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist sie Inhalt einer vertraglich übernommenen besonderen Beratung, in der sich der Verwender gerade umfassend über das Für und Wider eines Pflanzenschutzes nach den verschiedenen Richtungen hin unterrichten lassen will. Im vorliegenden Fall hätte daher Dr. Sch - wäre er sich von der beabsichtigten gleichzeitigen Anwendung von T bewußt gewesen-den Sohn der Klägerin darauf hinweisen müssen, daß zwar keine Anhaltspunkte für eine Unverträglichkeit dieses Mittels mit F-Öl vorlagen, daß die Beklagte aber in dieser Richtung bisher auch keine eigenen Versuche durchgeführt hatte, und daß die gleichzeitige Verwendung unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel - gleichgültig, ob in gemischtem Zustand oder nacheinander in kurzem zeitlichen Abstand - u. U. zu Schädigungen führen könne. Diesen Hinweis hat er versäumt. Ob für dieses Unterlassen die Beklagte selbst verantwortlich ist, weil sie ihre Beratungsstellen nicht hinreichend deutlich auf die Verpflichtung aufmerksam gemacht hat, sich jeweils nach der beabsichtigten gleichzeitigen Verwendung anderer Pflanzenschutzmittel zu erkundigen und den Verwender auf das allgemeine Risiko einer gleichzeitigen Verwendung hinzuweisen oder ob Dr. Sch als Erfüllungsgehilfe der Beklagten (§278 BGB) eine an ihn ergangene Weisung unbeachtet gelassen hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtlich entscheidende Bedeutung. Benutzerverhaiten und Beratungspflicht
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6. Eine etwaige Haftung der Beklagten für den unterlassenen Hinweis setzt allerdings voraus, daß Dr. Sch bei einer den Gebrauchsanweisungen beider Mittel entsprechenden Anwendung damit rechnen mußte, die Klägerin könne u.U. beide Mittel gleichzeitig oder jedenfalls in nur geringem zeitlichen Abstand spritzen. Von der Möglichkeit, daß die Klägerin eines der Mittel außerhalb der empfohlenen Zeit anwenden würde, brauchte er dagegen nicht auszugehen. Es würde auch die Sorgfaltspflicht überspannen, wollte man von der Beratungsstelle des Herstellers eines Pflanzenschutzmittels verlangen, daß er den von ihm zu beratenden Verwender ausdrücklich auf die Notwendigkeit hinweist, das
1.139
Kausal itätsnachweis: Beweislastumkehr
Verjährung
von einem fremden Hersteller in Verkehr gebrachte Mittel nur entsprechnd der diesem Mittel beigegebenen Gebrauchsanweisung zu verwenden. Während die Beklagte in ihrer Gebrauchsanweisung für F-Öl u.a.-und nur diese Möglichkeit der Anwendung kommt hier in Betracht-eine „kurz vor Blüte-Spritzung" von Erdbeeren vorschlägt, ist in der bei den Gerichtsakten befindlichen Verwendungsanleitung für T als Behandlungszeitraum angegeben: „Bestehende Kulturen im Frühjahr bei Wachstumsbeginn behandeln. Spritzung muß beendet sein, wenn die Blütenknospen aus der Rosette in die Höhe schießen." Der Senat vermag nicht aus eigener Sachkunde zu entscheiden, ob sich beide Behandlungszeiträume überschneiden und demgemäß Dr. Sch mit der gleichzeitigen Verwendung der Mittel rechnen mußte. Das Berufungsgericht, an das die Sache aus diesem Grunde zurückverwiesen werden muß, wird diese Prüfung nachzuholen haben. 7. Sollte sich ergeben, daß Dr. Sch zu einem Hinweis auf das allgemeine Risiko verpflichtet war, so käme es auf die vom Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidungsgründe angeschnittene, aber nicht abschließend geprüfte Frage an, ob die Klägerin trotz eines solchen Hinweises das Risiko auf sich genommen hätte. Bliebe diese - nur hypothetisch zu beantwortende- Frage offen, so würde die Beweislast dafür, daß die Klägerin einen Hinweis des Dr. Sch auf das allgemeine Risiko unbeachtet gelassen hätte, die Beklagte treffen (BGHZ64, 46, 51 = I.85). 8. Eine Verjährung der hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche, auf die sich die Beklagte hilfsweise beruft, scheidet schon deswegen aus, weil die Hinweispflicht, auch wenn es sich um eine kaufvertragliche Nebenpflicht handeln würde, sich nicht auf einen Mangel (§459 BGB) bezieht und damit die normale Verjährungsfrist von 30 Jahren (§195 BGB) maßgebend wäre (vgl. Senatsurteil vom 19.10. 1964, NJW 1965/148).
229
.139 (Anm.) Anmerkung:
Instruktionshaftung
Beratungshaftung und Eigenschaftszusicherungshaftung
230
1. Die Entscheidung ist für alle Unternehmen wichtig, deren Vertriebskonzept die sog. Anwenderberatung umfaßt. Der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen (a) konkreten Hinweispflichten auf bestimmte Risiken und die zu ihrer Vermeidung bzw. Verringerung in Betracht kommenden Maßnahmen und(b) „ganz allgemeiner Unterrichtung" über Risikomöglichkeiten. Der zweite Bereich ist vor allem bei dem Vertrieb von neuen Produkten, Materialien, usw. wichtig, deren Risiken (insbesondere bei Zusammentreffen, Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung mit anderen Produkten) mangels Erfahrung noch nicht abschließend überschaubar ist. Der vorliegende Fall zeigt, welche Bedeutung diese allgemeine Unterrichtungspflicht gewinnen kann: die konkrete Schadenursache war im Zeitpunkt der Beratung noch nicht Stand der Erkenntnisse, so daß eine schuldhafte Verletzung einer konkreten Hinweispflicht verneint wurde (Nr. 3 des Urteils). Die Haftung wurde dann aber mit der Verletzung dieser allgemeinen Unterrichtungspflicht begründet. Dies stellt an den Vertrieb sehr hohe Anforderungen oder umgekehrt formuliert: Die Haftungsrisiken von Unternehmen, deren Vertriebskonzept auch eine Anwenderberatung umfaßt, werden durch dieses Urteil wesentlich erhöht. Letztlich muß man aber einräumen, daß eine derartige allgemeine Unterrichtung im berechtigten Interesse des Beratenen liegt. Er kann legitimerweise in Anspruch nehmen, daß er bei einer ganz allgemein bestehenden, wenn auch nach dem Stand der Erkenntnisse noch nicht greifbaren Gefahr die Entscheidung über die Verwendung des den Gegenstand der Beratung bildenden Mittels nicht bzw. anders getroffen hätte. 2. Im obigen Fall trafen Beratung und Kauf zeitlich zusammen. Hier war es klar, daß eine Beratung über die Verwendbarkeit des betreffenden Mittels für bestimmte Verwendungszwecke entweder die Grundlage einer EigenschaftsZusicherung oder aber die Grundlage einer nebenvertraglichen Beratungshaftung ergibt. In einer älteren Entschei-
(Anm.) 1.139 dung (1.30) hat der Bundesgerichtshof die Erklärung über die Verwendbarkeit eines Produkts für einen bestimmten Verwendungszweck als Gegenstand einer nebenvertraglichen Beratungshaftung qualifiziert. Seit dem Kleber-Urteil (1.56) ist davon auszugehen, daß unabhängig davon eine Eigenschaftszusicherung vorliegen kann. Der praktische Unterschied besteht darin, daß die Verletzung einer nebenvertraglichen Beratungshaftung nur bei Verschulden zum Schadensersatz verpflichtet (1.30), während im Fall einer bei Kaufverträgen oder Werklieferungsverträgen über vertretbare Sachen abgegebenen Verwendbarkeitserklärung eine Eigenschaftszusicherung mit der Folge einer verschuldensunabhängigen Haftung vorliegt (1.72). Der obige Fall zeigt aber, daß es Fälle gibt, in denen die Beratung nicht zugleich auch zu einer Eigenschaftszusicherung führt. Es handelt sich um die Fälle der nicht vollständigen Beratung.
Beratung über Verwendungsmöglichkeiten als Bestandteil späterer Bestellungen
Hätte Dr. Sch positiv erklärt, daß das F-Öl auch bei gleichzeitiger Verwendung mehrerer Pflanzenschutzmittel keine Schäden an den behandelten Pflanzen auslöst, hätte eine Eigenschaftszusicherung vorgelegen. Hier lag aber die Verletzung der Beratungspflicht gerade darin, daß Dr. Sch über die Frage der Verträglichkeit mehrerer Pflanzenschutzmittel überhaupt keine Erklärung abgegeben, sondern nach Ansicht des Bundesgerichtshofs pflichtwidrig den Hinweis auf die allgemein bei gleichzeitiger Verwendung mehrerer Pflanzenschutzmittel bestehenden Risiken unterlassen hatte. 3. Fallen dagegen die Beratung und der Kaufvertrag zeitlich auseinander, wie es in der Praxis bei anwendungstechnischen Beratungen sehr häufig der Fall ist, stellt sich die Frage nach der haftungsrechtlichen Relevanz der Beratung. Im Ergebnis ist dies zweifellos zu bejahen. Wenn z. B. im Februar ein Beratungsgespräch mit einem Interessenten erfolgt und dieser dann im April aufgrund der erhaltenen Informationen die betreffende Ware bestellt, ist die Beratung für den Kaufentschluß kausal gewesen und ist m. E. mit Sicherheit damit zu rechnen, daß im Streitfall ein Gericht die Beratung als Bestandteil des Kaufvertrages (sei es im Sinn einer Eigenschaftszusicherung, sei es im Sinn einer zwar vor 231
1.139 (Anm.)
Versicherungsrechtliche Sachlage
232
Vertragsabschluß erfolgten, aber zum Inhalt des Kaufvertrages gehörenden Beratungspflicht) anerkennen würde. Im Einzelfall können sich hier Beweisprobleme ergeben. Auch dann, wenn die Allgemeinen Verkaufsbedingungen des Veräußerers eine Nebenabreden-, Beratungs- bzw. Schriftform-Klausel enthalten, ist es vom Ergebnis her doch m. E. unwahrscheinlich, daß die Gerichte dies anerkennen. Wenn der Verkäufer ein Vertriebskonzept gewählt hat, das die allgemeine anwendungstechnische Beratung seiner Kunden umfaßt, dann ist Sinn und Zweck dieses Vertriebskonzeptes die Motivierung der Beratenen zum Kauf: kommt es aufgrund der Beratung zum Kaufvertrag, muß die Beratung auch innerhalb des Kaufvertrages relevant sein. Dies gilt nicht nur für den ersten Vertrag. Wenn z. B. ein Landwirt aufgrund der 1966 vom Außendienst des Herstellers erfolgten grundsätzlichen Beratung über die Verwendbarkeit von Pflanzenschutzmitteln in der Folgezeit laufend das entsprechende Pflanzenschutzmittel kauft, ist sowohl vom Vertriebskonzept des Herstellers als auch von der Kaufentscheidung des Landwirts her die Beratung die Grundlage der einzelnen Verträge. Werden die im Lauf der Jahre geschlossenen Einzelverträge jeweils ausdrücklich unter Bezugnahmeauf die 1966 erfolgte Beratung abgeschlossen, ist dieser Zusammenhang auch vertragsrechtlich in einer unangreifbaren Weise gesichert. Ist beweismäßig die Kausalität der anwendungstechnischen Beratung gesichert, kann m. E. die Entscheidung bei Fehlen eine ausdrücklichen Bezugnahme nicht anders lauten (vgl. dazu auch die vergleichbare Entscheidung III. 14). 4. Auch versicherungstechnisch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen der Verletzung einer Beratungspflicht, die Mangelfolgeschäden auslöst und dem Eintritt von Mangelfolgeschäden wegen des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft. Im zweiten Fall ist Inhalt der Eigenschaftszusicherung die Übernahme einer Einstandspflicht für die Mangelfolgeschäden, so daß die Schadensersatzhaftung i. S. des §416 Abs. 3 AHB die „Erfüllung" ist und keine Dekkung besteht, sofern nicht gemäß Nr. 4.1 des sog. Verbandsmodells über die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung eine Mitversicherung auch dieses Risikos erfolgt.
1.140 In den Fällen, in denen die Beratung keine positive Aussage über die Eigenschaften eines Produkts enthält, sondern nur deshalb eine Verletzung einer nebenvertraglichen Beratungspflicht vorliegt, weil auf bestimmte Risiken nicht hingewiesen wurde, liegt dagegen keine Einstandspflicht für das Ausbleiben von Mangelfolgeschäden, sondern eine Haftung für die pflichtwidrige Verletzung der Beratungspflicht vor. Die dadurch ausgelösten Mangelfolgeschäden werden also nicht von dem in §4 I 6 Abs. 3 AHB enthaltenen Dekkungsausschluß erfaßt. Verjährung
5. Sehr fraglich ist die Entscheidung der Verjährungsfrage (Nr. 8 des Urteils). Es handelte sich hier um die unter bestimmten Umständen bestehende Gefährlichkeit des Pflanzenschutzmittels für die damit behandelten Pflanzen und damit um das Produkt selbst, so daß m. E. eine „Beziehung der Nebenpflicht auf einen Mangel der gelieferten Ware" vorlag und deshalb nicht die normale Verjährungsfrist, sondern die in §477 BGB für Kaufverträge normierte kürzere Verjährungsfrist anwendbar sein müßte.
1.140: BGH, 11.10.1977, VI Z R 1 1 0 / 7 5 ( N a r k o s e g e r ä t )
Mitarbeiterhaftung (§ 831 BGB)
Im Rahmen der deliktischen Haftung des Krankenhauses nach §831 BGB kommt es auf ein persönliches Verschulden des Narkosearztes nicht an. Es muß vielmehr genügen, daß ihm eine objektive Versäumnis zur Last fällt (fehlende Kenntnis über Funktionsweise und -Voraussetzungen eines Narkosegeräts). Der Haftung für die Versäumnisse des Narkosearztes könnte das beklagte Land nur entgehen, wenn es darlegte und bewiese, daß der Narkosearzt ordnungsmäßig angewiesen und überwacht worden ist. Dazu hätte aber auch gehört, daß der Narkosearzt über die Funktionsweise des von ihm zu bedienenden Geräts wenigstens in groben Zügen belehrt war. Zwar bringt es die zunehmende Technisierung der moder233
1.141 Benutzerverantwortung bei maschinellem Gerät
nen Medizin mit sich, daß der Arzt nicht mehr alle technischen Einzelheiten der ihm verfügbaren Geräte zu erfassen und gegenwärtig zu haben vermag (VersR 75/952, 953). Das befreit ihn aber nicht von der Pflicht, sich mit der Funktionsweise insbesondere von Geräten, deren Einsatz für den Patienten vitale Bedeutung hat, wenigstens insoweit vertraut zu machen, wie dies einem naturwissenschaftlich und technisch aufgeschlossenen Menschen (diese Fähigkeiten müssen vor allem bei einem Anästhesisten vorausgesetzt werden) möglich und zumutbar ist. Dies legt es nahe, daß schon aus Rechtsgründen die (tatsächlich offenbar nicht gegebene) Vertrautheit des Narkosearztes L mit der Gasführung durch den als solchen nicht eingesetzten Vapor gefordert werden mußte. Ist das aber so, dann könnte sich das beklagte Land der Verantwortung für das Versäumnis des Narkosearztes nur entziehen durch den Nachweis, daß er eine geeignete Belehrung wider Erwarten in den Wind geschlagen hat oder daß seine technische Unkenntnis für den Schaden nicht ursächlich geworden ist.
1.141: BGH, 11. 1. 1978, VIII ZR 1/77 (Sand)
Die Beklagte betreibt eine Sandgrube. Der Kläger bezog am 1. Februar 1973 Sand, der für die Herstellung des Außenputzes an seinem Wohnhaus bestimmt war. Nachdem die Verputzung im Frühjahr 1973 erfolgte, zeigten sich in der Folgezeit Schäden an diesem Putz, die auf mineralische Verunreinigungen des von der Beklagten gelieferten Sandes zurückzuführen waren. Dies ergibt sich aus einem vom Kläger am 17. September 1973 in A uftrag gegebenen und am 29. November 1973 erstellten Gutachten.
Vertragshaftung: Verjährung
234
1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der kaufrechtlichen Gewährleistung Schadensersatzansprüche wegen der Lieferung des verunreinigten und damit mangelhaften Lot-
1.141
Geltung des
sandes nicht oder doch jedenfalls angesichts der inzwischen eingetretenen Verjährung (§477 BGB) nicht mehr zustehen. a) Das gilt zunächst für den auf ein arglistiges Verschweigen des Mangels gestützten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§480 Abs.2 BGB). Zwar wäre ein solcher, nicht der kurzen gewährleistungsrechtlichen Verjährungsfrist des §477 BGB unterliegender Anspruch bei Eingang der Klage am 8. Januar 1974 noch nicht verjährt gewesen. Das Berufungsgericht stellt jedoch ohne Rechtsfehler fest, daß der insoweit beweispflichtige Kläger ein arglistiges Verschweigen durch die Beklagte nicht dargetan hat. Die vom Berufungsgericht gehörten Zeugen haben nicht bestätigt, daßderBeklagtenvorAnlieferungdesSandesanden Kläger Reklamationen von anderer Seite über die Verunreinigung des Lotsandes zugegangen sind. b) Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers aus positiver Vertragsverletzung sind verjährt. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die Beklagte den Lotsand aus einer neu abgebauten Sandgrube gewonnen hat, ohne ihn vor der Anlieferung an den Kläger, wozu sie verpflichtet gewesen wäre, auf etwaige mineralische Verunreinigungen zu untersuchen. Es ist auch richtig, daß neben den Gewährleistungsansprüchen im engeren Sinn (§§459ff., 463, 480 Abs.2 BGB) dem Käufer bei schuldhafter Lieferung einer mit Mängeln behafteten Kaufsache unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung Schadensersatzansprüche insoweit zustehen können, als der Schaden nicht im Kaufgegenstand selbst begründet ist, sondern sich an anderen Rechtsgütern des Käufers auswirkt (sog. Mangelfolgeschaden; vgl. Mezger, WM 1973, Sonderbeilage 1, S.29; stdg. Rspr.). Ein solcher Mangelfolgeschaden ist dem Kläger zumindest dadurch entstanden, daß die von ihm zur Herstellung des Außenputzes neben dem Lotsand verwendeten sonstigen Baustoffe (Kalk und Zement) unbrauchbar geworden sind. Die dem Kläger aus positiver Vertragsverletzung etwa zustehenden Ansprüche sind jedoch verjährt. Daß derartige Ansprüche, sofern sie aus einem Sachmangel hergeleitet werden, unter
§ 477 BGB für
die kurze Verjährungsfrist des §477 Abs. 1 BGB fallen, ent-
Präventive Dimension der Schadenregulierung
235
1.141 mit Mängeln der Kaufsache begründete Schadensersatzansprüche Beginn des Fristenablaufs
spricht der gefestigten Rechtsprechung insbesondere des erkennendenSenats(vgl.BGHZ66/315,317 = 1.126). Dagegen bestehen in Rechtssprechung und im Schrifttum unterschiedliche Ansichten zu der Frage, ob die in §477 BGB getroffene Regelung auf die aus Gewährleistung (§§463, 480 Abs.2 BGB) oder positiver Vertragsverletzung hergeleitete Haftung für mittelbare Schäden (Mangelfolgeschäden) auch insoweit uneingeschränkt Anwendung findet, als die sechsmonatige Verjährungsfrist unabhängig von der Kenntnis des Käufers von dem Schaden und der Schadensursache immer bereits mit der Übergabe der Kaufsache beginnt (vgl. dazu Larenz, Schuldrecht, lO.Aufl., Bandll, S.60 Fn.2; Mezger, BGB RGRK, 12Aufl., §477 Rn.14; Schmitz, NJW1973/2081). Auch der Senat hat in mehreren Entscheidungen, ohne daß es allerdings auf diesen Punkt letztlich angekommen wäre, die Frage aufgeworfen, ob zur Vermeidung grober Unbilligkeiten und einer Rechtsverkürzung auf Seiten des Käufers die Verjährung der Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden nicht zu einem späteren Zeitpunkt - etwa dem Entstehen des Schadens, seiner Erkennbarkeit durch den Käufer oder ganz allgemein der Möglichkeit, den Anspruch in einer Verjährungsunterbrechenden Weise geltend zu machen - beginnt (Senatsurteile vom 1.12. 1971, NJW 1972/ 246, vom 29.11.1972, BGHZ60/9,13f. sowie vom 14.3.1973, NJW 1973/843 = I.75). Diese Fragen bedürfen jedoch auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach den Feststellungendes Berufungsgerichts waren dem Kläger bereits im Juni 1973 nicht nur die Schäden selbst, sondern auch deren Ursachen und damit die Beklagte als die gegebenenfalls in Anspruch zu nehmende Schädigerin bekannt. Soweit das Berufungsgericht etwas mißverständlich davon spricht, die Schädigung sei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen, lassen der Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe, die Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts und insbesondere der Hinweis auf die wiederholten fernmündlichen Rügen des Klägers gerade gegenüber der Beklagten seit Juni 1973 zweifelsfrei erkennen, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Kläger den Grund für den Schadenseintritt-wenn auch möglicherweise nicht
236
1.141
Verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis
das Ausmaß des Schadens und den vollen Umfang der für seine Beseitigung notwendigen Kosten - tatsächlich gekannt hat. Da es sich bei Erlangen dieser Kenntnis um den letztmöglichen Zeitpunkt handelt, an dem die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz dieser mittelbaren Schäden beginnen könnte, waren die aus Vertrag hergeleiteten Ansprüche mithin - gleichgültig, welcher der vorgenannten Ansichten zum Fristbeginn man sich anschließt - bereits verjährt, als der Kläger mit Einrichtung seiner Klageschrift am 8. Januar 1974 die erste zu einer etwaigen Unterbrechung der Verjährung geeignete Maßnahme ergriff. Der Ansicht der Revision, angesichts des Bestreitens einer Schadensersatzpflicht durch die Beklagte habe sich der Kläger, bevor die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt worden sei, zunächst durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Gewißheit über die Berechtigung seiner Forderung und damit über die Erfolgsaussicht seiner Klage verschaffen können, vermag der Senat nicht zu folgen. Es ist schon nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Kläger dieses Gutachten erst am 17. September 1973 in Auftrag gegeben hat, obwohl der Schaden ihm bereits seit Monaten bekannt war. Davon abgesehen verfolgen aber die vorgenannten, in Rechtsprechung und Schrifttum angestellten Erwägungen, den Beginn der Verjährungsfrist für die Haftung bei Mangelfolgeschäden gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt als den der Übergabe zu verschieben, nicht den Zweck, dem Käufer Gelegenheit zu geben, vor Fristbeginn auch seine Beweislage zu verbessern. Selbst der Beginn der für Ansprüche aus unerlaubter Handlung maßgeblichen dreijährigen Verjährungsfrist (§852 BGB) setzt - bei eine mit der vorliegenden Problematik in etwa vergleichbaren Interessenlage - nicht voraus, daß der Geschädigte in der Lage ist, die Verjährungsunterbrechende Klage völlig risikolos zu begründen (BGH, 27.10.1970, VersR 1971/154); es reicht vielmehr aus, daß der Geschädigte seine Klage erfolgversprechend erheben kann. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe auch kein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des §208 BGB abgegeben. Nach gefestigter Rechtsprechung 237
1.141
Anspruchs-
setzt ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis des Schädigers (§208 BGB), das andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen (§209) entbehrlich macht, voraus, daß der Schädiger nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits eine Leistung anbietet, sondern daß in dem Verhalten des Schädigers das Bewußtsein von dem Bestehen des gegen ihn erhobenen Anspruchs klar und unzweideutig zum Ausdruck kommt. Dabei ist Zurückhaltung insbesondere bei der Auslegung und Würdigung von Erklärungen geboten, die der Schädiger im Rahmen von Vergleichsbemühungen - und erkennbar auf diese beschränkt - abgibt (BGH, 23.1. 1970, W M 1979/548, 549). 2. Schließlich stehen dem Kläger auch Ansprüche aus schuldhafter Eigentumsverletzung (§823 Abs.1 BGB), die allerdings nicht der kurzen Verjährung unterliegen würden und damit auch nicht verjährt wären (§852 BGB; BGHZ 66/ 315 = 1.126), nicht zu. Die im Schrifttum umstrittene und
konkurrenz
auch von der Revision in den Vordergrund ihrer Erörterun-
Deliktshaftung des Verkäufers
gen gestellte Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Bauherrn gegen den Bauunternehmer Ansprüche auf Eigentumsverletzung wegen mangelhafter Bauleistung zustehen, stellt sich in dieser Allgemeinheit hier schon deswegen nicht, weil die Beklagte nicht als Bauunternehmer tätig geworden ist, sondern lediglich aufgrund eines Kaufvertrags den mangelhaften Lotsand geliefert hat, den der Kläger dann nach Vermischung und Verarbeitung mit anderen Baustoffen für den Verputz seines bisher nicht verputzten Hauses verwendet hat (vgl. dazu BGHZ39/366,367; BGH, 14.3.1957, L M Nr.4 zu §830 BGB; OLG Karlsruhe, NJW 1956/913; OLG Stuttgart, NJW 1967/572; Wilts, VersR 1967/817; FreundBarthelmess, NJW 1975/281 ff.). Auch das Senatsurteil vom 24. November 1976 (BGHZ 67/359,363 = 1.130) und die dort aufgeworfene Frage, ob ein Käufer, dem der Verkäufer eine mit einem schadhaften Sicherheitsschalter versehene, sonst aber einwandfreie technische Anlage zu Eigentum übertragen hat, letzteren auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn das Versagen des Schalters später zu einem Schaden an der Anlage selbst geführt hat, betrifft einen anderen, mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt.
238
1.141 Sachschaden bei Herstellung einer neuen Sache durch Verbindung, Vermischung, bzw. Verarbeitung der verkauften Ware mit weiteren?
Hier ist vielmehr entscheidend, daß nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts das bisher nicht verputzte Wohnhaus des Klägers durch das Aufbringen des mangelhaften Putzes weder in seiner Substanz noch in seiner Gebrauchsfähigkeit (Benutzbarkeit) eine Wertminderung gegenüber seinem bisherigen Zustand erfahren hat. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend auch von dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6.11.1963 (Betr 64/65) zugrunde liegenden Sachverhalt; denn dort war ein bereits verputztes, mithin fertiggestelltes Haus nachträglich durch Rauch- und Rußzuführungen von einem Nachbargrundstück in seinem Wert beeinträchtigt worden. Die finanzielle Belastung, die dem Kläger durch das nach seiner Darstellung notwendige Abschlagen des Verputzes entsteht, stellt nur einen Vermögensschaden dar, betrifft mithin ein Rechtsgut, das in §823 Abs.1 BGB gerade nicht geschützt ist. Da im übrigen die bloße Lieferung des von vornherein mangelhaften Sandes ebenfalls keine Eigentumsverletzung an diesem Baustoff darstellt, fragt es sich daher nur, ob der Kläger dadurch in seinem Eigentum geschädigt worden ist, daß die ursprünglich ihm gehörigen und mit dem gelieferten mangelhaften Zement zu Außenputz verarbeiteten sonstigen Baustoffe (Kalk, Zement) infolge der Verarbeitung wertlos geworden sind. Das hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Der Kläger übersieht, daß mit der Herstellung des Außenputzes sein ursprüngliches Eigentum an den von ihm beigesteuerten Baustoffen durch Vermischung (§948 BGB) und Verarbeitung (§950 BGB) untergegangen war und er neues, wenn auch mit Mängeln behaftetes Eigentum an dem Verputzmaterial erworben hatte. Insoweit fehlt es aber ebenfalls an einem Schaden, der durch Eingriff des Beklagten in das Eigentum des Klägers entstanden ist und dessen Ersatz der Kläger gemäß §823 Abs.1 BGB verlangen könnte (RG JW 1905/367, 368 = 1.1).
239
1.141 (Anm.) Anmerkung: Verjährungsfragen Gewährleistungshaftung
Vertragliche Mangelfolgeschadenhaftung
Kaufvertragsrecht
Werkvertragsrecht
240
1. Für die Frage nach der Verjährung von Produkthaftungsansprächen kommen drei unterschiedlich konzipierte Verjährungsregelungen in Betracht: a) Soweit es sich um Kauf-, Werk- und Werklieterungsverträge handelt, sind für die Gewährleistungshaftung in §§477, 638 BGB kurze Verjährungsfristen festgelegt. Bei beweglichen Sachen betragen die Verjährungsfristen in beiden Fällen sechs Monate. Im Kaufrecht und bei Werklieferungsverträgen über vertretbare Sachen, die gemäß §651 BGB wie Kaufverträge zu behandeln sind, läuft die Frist ab Gefahrübergang. Im Werkvertragsrecht und bei Werklieferungsverträgen über unvertretbare Sachen, die gemäß §651 BGB wie Werkverträge zu behandeln sind, läuft die Frist ab der Abnahme des Werkes. b) Soweit es sich um die vertragsrechtliche Haftung des Verkäufers, Werkherstellers bzw. Werklieferanten für Mangelfolgeschäden handelt, findet diese Haftung nach der heutigen Rechtsauffassung ihre Rechtsgrundlage nicht im gesetzlich geregelten Gewährleistungsrecht (§§459ff., 633ff. BGB), sondern in dem von der Rechtsprechung entwickelten Institut der Haftung für positive Vertragsverletzungen. Dies hat zur Konsequenz, daß die §§477 und 638 BGB jedenfalls nicht unmittelbar für diese Haftung gelten. Im Kaufrecht und damit zugleich auch für das Recht der Werklieferungsverträge über vertretbare Sachen geht der BGH aber in ständiger Rechtssprechung davon aus, daß auch die Haftung des Verkäufers bzw. Werklieferanten für durch Mängel der gelieferten Sache ausgelöste Mangelfolgeschäden entsprechend §477 BGB verjährt (BGH, NJW 1971/654; 1.126; 1.130; 1.141; 1.151). Im Werkvertragsrecht und damit zugleich auch im Recht der Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen geht der BGH allerdings in ebenso ständiger Rechtssprechung davon aus, daß die sich aus Mängeln des hergestellten Werks bzw. der gelieferten unvertretbaren Sache ergebende Schadenersatzhaftung für Mangelfolgeschäden nicht den in §638 BGB normierten kurzen Fristen unterliegt (BGHZ 35/130).
(Anm.) 1.141 Vielmehr sollen Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in diesem Fall §195 BGB und damit der dort normierten 30jährigen Verjährungsfrist unterliegen. Diese Rechtssprechung hat zur Folge gehabt, daß die Abgrenzung zwischen dem in §635 BGB als Bestandteil der gewährleistungsrechtlichen Normen geregelten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung einerseits, der Mangelfolgeschaden-Haftung aufgrund positiver Vertragsverletzung andererseits von entscheidender Bedeutung für die Bemessung der Verjährungsfrist geworden ist (vgl. dazu 1.127). Deliktsrechtliche Haftung
Zusammentreffen mehrerer Anspruchsgrundlagen
c) Deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche wiederum verjähren gemäß §852 BGB in einer Frist von drei Jahren „ab Kenntnis von Tat und Täter", d.h. ab Kenntnis aller Umstände des Schadenfalles, die dem Geschädigten die Möglichkeit zur Einreichung einer erfolgversprechenden Schadenersatz- bzw. Feststellungsklage geben. Spätestens aber verjähren deliktsrechtliche Ansprüche 30 Jahre nach Schadensverursachung. d) Zusammenfassend ergeben sich also sowohl hinsichtlich des Beginns der Gewährleistungs- bzw. Verjährungsfrist als auch hinsichtlich des zeitlichen Umfangs unterschiedliche Rechtslagen. In den Fällen, in denen ein Schadensersatzanspruch tatbestandlich die Voraussetzungen von zwei oder sogar drei der vorgenannten Anspruchsgrundlagen erfüllt, kann sich also die Verjährungsfrage je nach Anspruchsgrundlage völlig unterschiedlich darstellen. 2. Der letztgenannte Fall, daß ein Schadensersatzanspruch allen drei Anspruchsgrundlagen-Bereichen unterliegt, ist durchaus denkbar. Die in §463 BGB normierte Haftung des Verkäufers und des Werklieferanten vertretbarer Sachen für Mangelfolgeschäden kann sich im Einzelfall auch auf die Absicherung gegen Mangelfolgeschäden erstrecken (1.56). Bei dieser Sachlage kann sich eine Haftung des Verkäufers bzw. des Werklieferanten für Mangelfolgeschäden, die dem Käufer aufgrund von Mängeln der gelieferten Sache entstanden sind, sowohl unter dem Gesichtspunkt des §463 BGB als auch unter dem Gesichtspunkt der Haftung für positive Vertragsverletzungen als auch weiterhin der Deliktshaftung (§823 Abs. 1 BGB) ergeben. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 463 BGB nichterfüllt 241
1.141 (Anm.)
Prinzip der Anspruchskonkurrenz
242
sind, kann sich für den Käufer und weiterhin für den Werkhersteller sowie für den Werklieferanten ein Nebeneinander der vertragsrechtlichen Haftung für positive Vertragsverletzungen und der deliktsrechtlichen Haftung ergeben. Inhaltlich unterscheiden sich diese beiden Anspruchsgrundlagen vor allem im Bereich der Gehilfenhaftung und hinsichtlich des Umfangs der geschützten Rechtsgüter. Die vertragsrechtliche Haftung für positive Vertragsverletzungen umfaßt nicht nur Personen- und Sachschäden, sondern auch unmittelbare Vermögensschäden, während die sich aus §823 Abs. 1 BGB ergebende deliktsrechtliche Haftung auf den Ersatz von Personen- und Sachschäden begrenzt ist. Eine deliktsrechtliche Haftung für unmittelbare Vermögensschäden kann sich lediglich aus §823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem entsprechenden Schutzgesetz und §826 BGB ergeben. Weiterhin hat der Schuldner im Rahmen der vertragsrechtlichen Haftung für positive Vertragsverletzungen gemäß §278 BGB für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzutreten; im Rahmen des §831 BGB dagegen haftet der Schuldner lediglich für die ordnungsgemäße Auswahl, Anleitung und Kontrolle seiner sog. Verrichtungsgehilfen. 3. Der BGH hat gegenüber gegenläufigen Tendenzen in neueren Entscheidungen klargestellt, daß bei einem Zusammentreffen mehrerer Anspruchsgrundlagen das Prinzip der Anspruchskonkurrenz gilt: können sich Schadensersatzansprüche unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten ergeben, sind die Voraussetzungen, der Inhalt und die Verwirklichung jeder Anspruchsgrundlage getrennt zu untersuchen: die Frage der Verjährung wird also nicht einheitlich für alle Anspruchsgrundlagen geklärt; vielmehr ist sie für jede Anspruchsgrundlage getrennt zu beantworten und kann sich daraus ergeben, daß ein Anspruch bereits verjährt ist, während der Schadensersatzanspruch bei Heranziehung der anderen Anspruchsgrundlage noch nicht mit der Einrede der Verjährung belastet ist (vgl. insb. BGHZ 9/301, 302f.; 1.107; 1.126). Dieses Prinzip der Anspruchskonkurrenz wird nur ausnahmsweise durchbrochen, wenn eine Ausstrahlung dereinen Haftungsnorm auf die anderen erfolgt, um den damit vom Gesetzgeber verfolgten besonderen Zweck zu sichern. Dies wurde z. B. für das Verhältnis zwischen den Ge-
(Anm.) 1.141 Währleistungsnormen des Mietvertragsrechts und den deliktsrechtlichen Normen bejaht (vgl. 1.107). Für das Verhältnis zwischen den deliktsrechtlichen Normen und den gewährleistungsrechtlichen Normen des Werkvertragsrechts (1.107) bzw. denen des Kaufvertragsrechts (1.126; 1.130; 1.141; 1.151) wurde dies dagegen verneint. Sofern die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind, kann also der Käufer unter dem Gesichtspunkt der Deliktshaftung Ersatz seines Schadens an der den Vertragsgegenstand bildenden Sache auch dann noch verlangen, wenn die Frist für die kauf- bzw. werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche abgelaufen ist.
Anwendbarkeit des § 477 BGB auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung?
4. In Bewegung geraten ist dagegen die Situation im Bereich der mit Mängeln der gelieferten Sache begründeten Haftung des Verkäufers und des Werklieferanten vertretbarer Sachen für Mangelfolgeschäden. Der BGH versucht zwar, trotz der Einwände des Schrifttums die unterschiedliche Behandlung der Fristenfrage im Kauf- und im Werkvertragsrecht zu begründen und aufrechtzuerhalten. Andererseits hat der BGH aber in mehreren obiter dicta die Möglichkeit eingeräumt, daß hinsichtlich der Mangelfolgeschaden-Haftung der Fristenlauf nicht schon entsprechend §477 BGB mit dem Gefahrübergang, sondern erst ab einem späteren Zeitpunkt, z.B. dem der Schadensentstehung, beginnt (BGH, 1.12. 1971, NJW 1972/246; BGH, 29.11. 1972, E 60/9, 13f.; 1.75; I.141;
1.151; zustimmend
Larenz,
Schuldrecht,
Band
II,
II.Aufl., 1977, S.62; Esser-Weyers, Schuldrecht, Band 11/1, 5. Aufl., 1977, S. 80f.). Hier stellt sich aber doch die Frage, ob es sich nicht bei diesen obiter dicta um die ersten Schritte in Richtung auf eine Angleichung der Rechtslage im Bereich des Kaufvertragsrechts an die des Werkvertragsrechts handelt. Eine analoge Anwendung des §477 BGB auch auf die mit Mängeln der gelieferten Sache begründete Haftung für positive Vertragsverletzungen setzt eine Vergleichbarkeit der beiden Haftungslagen voraus. Der gesetzgeberische Grund für die in §477 BGB normierte, sehr kurze Frist war, daß „die Ermittlung und Feststellung von Qualitätsmängeln nach Verlauf längerer Zeit kaum ausführbar und für den Verkehr die Zulassung des Zurückgreifens auf solche Mängel nach 243
1.141 (Anm.) längerer Zeit im höchsten Grade lästig und hemmend ist" (Motive zum BGB, Band II, S. 238). Man ging davon aus, daß der Käufer im allgemeinen innerhalb einer Frist von 6 Monaten in der Lage ist, zu ermitteln, ob die gelieferte Sache vertragsgemäß oder aber mangelbehaftet ist. Unter diesem Gesichtspunkt war die Festsetzung der kurzen Frist gerechtfertigt. Aus Gründen der Rechtssicherheit wurde dabei ausdrücklich in Kauf genommen, daß „in Einzelfällen eine Untersuchung der Sache nach der Übergabe durch besondere Umstände vielleicht auf längere Zeit verhindert ist" (aaO., S.239).
Bewertungsunterschiede zwischen Gewährleistungshaftung und Haftung aus positiver VertragsVerletzung
244
Honsell(Staudinger, BGB, 12.Aufl„ 1978, Rn. 14zu§477)ist der Auffassung, der gesetzgeberische Grund für die kurze Verjährung gelte auch für die Haftung für positive Vertragsverletzungen. Gerade dies ist aber nicht der Fall. Wenn der Käufer die Sache für einen bestimmten Verwendungszweck kauft, wird im allgemeinen innerhalb von 6 Monaten auch eine tatsächliche Benutzung für diesen Verwendungszweck möglich sein und erfolgen. Der Käufer hat jedenfalls die Möglichkeit, die Vertragsgemäßheit zu überprüfen. Bei der Mangelfolgeschaden-Haftung dagegen handelt es sich gerade nicht um die Vertragsgemäßheit, sondern um die ganz andere Frage, ob Mängel der Sache Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Käufers auslösen. Es ist durchaus möglich, daß eine Sache vertragsgemäß und insbesondere für den vom Käufer bezweckten Verwendungsbereich geeignet ist und sie trotzdem Mangelfolgeschäden auslöst. Der Käufer kann nicht wissen, welche Mangelfolgeschäden in Betracht kommen können. Deshalb kann er kaum überprüfen, ob die erhaltene Sache geeignet ist, derartige Schäden auszulösen. Abgesehen von seltenen Ausnahmefällen kann er praktisch nur abwarten, ob derartige Schäden eintreten, und dann versuchen, seinen Schaden vom Verkäufer ersetzt zu erhalten. Hier liegt also ein wesentlicher Unterschied der tatsächlichen Situation vor: Grundlage und Rechtfertigung für die in §477 BGB normierte kurze Frist ist die Überlegung, daß dem Käufer im allgemeinen die Überprüfung, ob Gewährleistungsansprüche in Betracht kommen, möglich und zumutbar ist. Gerade diese Sachlage ist aber hinsichtlich der Mangelfolgeschadengefahr nicht ge-
(Anm.) 1.141 geben. Folglich entfällt auch die sachliche Voraussetzung für eine analoge Anwendung des §477 BGB auf die Haftung. Die zitierten obiter dicta des BGH weisen in diese Richtung. Sie bleiben aber m. E. zu früh stehen. Wenn die Frist nicht schon ab Gefahrübergang, sondern erst ab Schadenseintritt läuft, besteht kein Grund, sie dann auf 6 Monate zu begrenzen. Allenfalls kann man überlegen, hier die Parallele zur deliktsrechtlichen Haftung und damit zu der in §852 BGB normierten dreijährigen Verjährungsfrist zu ziehen. Die andere Alternative ist der von der Rechtssprechung seit langem im Bereich des Werkvertragsrechts beschrittene Weg, die in § 195 BGB normierte allgemeine 30jährige Verjährungsfrist anzuwenden. Jedenfalls ist aber die sechsmonatige Frist m. E. nicht gerechtfertigt. Dagegen istm.E. der Ausgangspunkt des BGH, die Verjährungsfrist könne nicht schon vor Eintritt des Schadensfalles abgelaufen sein (1.75), zwar auf den ersten Blick naheliegend. §852 BGB zeigt aber, daß das Gesetz selbst diese Konstellation bei der Regelung von Verjährungsfragen in Kauf nimmt. Es ist die logische Folge der in §477 BGB normierten kurzen Gewährleistungsfrist, daß Ansprüche aus Mängeln, die erst nach Ablauf dieser Frist erkennbar wurden, bereits verjährt sind (so ausdrücklich Motive, aaO., D.239). Wenn also der Ausgangspunkt aufrechterhalten wird, daß §477 BGB zugleich über die Gewährleistungsansprüche hinaus auch für die mit Mängeln der gelieferten Sache begründeten Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung gilt, dann muß konsequenterweise in Kauf genommen werden, daß derartige Schadensersatzansprüche dann bereits vor ihrer Entstehung verjährt sind, wenn der Mangelfolgeschaden erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist eingetreten ist. Wenn es aber nicht auf die an den Gefahrübergang anknüpfende Sechsmonatsfrist ankommen soll, sondern auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts, dann besteht m.E. keine Rechtfertigung dafür, entgegen z. B. §§852, 195 BGB die aus besonderen rechtspolitischen Überlegungen für Gewährleistungsansprüche normierte kurze Frist zur Anwendung zu bringen. Vielmehr bleibt lediglich noch die Frage, ob die in §852 BGB normierte Dreijahresfrist im Hinblick auf 245
1.142 gewisse Parallelen zwischen vertragsrechtlicher und deliktsrechtlicher Mangelfolgeschadenhaftung herangezogen wird oder aber die allgemeine Verjährungsfrist des §195 BGB gelten soll.
1.142: BHG, 9. 2.1978, VIII ZR 84/77 (Heizungsventil)
Vertragshaftung: Zulieferer als Erfüllungsgehilfe bei Kaufvertrag mit Montageverpflichtung?
Die Beklagte hatte als Subunternehmerin von dem Kläger den Auftrag für die Installation eines Heizungsventils erhalten. Das Ventil war mangelhaft. Daraufhin leistete die Firma O als Herstellerin des Ventils Ersatz, indem ein Monteur der Firma 0 das ursprüngliche Ventil gegen ein Ersatzventil austauschte. Auch das Ersatzventil war mangelhaft und löste einen Wasserschaden aus. 1. Der Wasserschaden beruht allein auf dem Fehlen der Stopfbuchsenschraube an dem - als Ersatz für ein schadhaftes Ventil eingebauten - fabrikneuen Ventil der Firma 0, nicht aber auf fehlerhafter Montage dieses Ventils. Die Revision macht geltend, nicht nur sei der Monteur der Firma O Erfüllungsgehilfe der Beklagten bei der Montage des mangelhaften Ersatzventils gewesen, sondern auch die Firma 0 selbst (sei) Erfüllungsgehilfe der Beklagten bei der Lieferung dieses Ventils seitens der Beklagten an die Klägerin (gewesen). Das geht fehl. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine ,,Hilfsperson" tätig wird (BGHZ 13/111,113 = VersR 1954/ 303, 304; 50/32, 35; 62/119, 124 = VersR 1974/574, 576). Wenn es damit auch nicht entscheidend ist, ob der Gehilfe durch seine Handlungen eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner erfüllt (Alss, BGB RGRK, 12. Aufl., §278 Rn22, 23), so muß sich die Tätigkeit des Erfüllungsgehilfen doch als eine vom Schuldner gewollte oder gebilligte Mitwirkung bei der Vertragserfüllung darstellen (BGHZ 13/111, 113f.).
246
1.142
Zulieferer als Erfüllungsgehilfe der Verkäufers?
Rechtslage bei Austausch des mangelhaften Teils
Monteur des Zulieferers als Erfüllungsgehilfe
Das ist aber bei der Lieferung von Gegenständen, die der Unternehmer bei der Herstellung des Werks verwendet, nicht der Fall. Diese Lieferung erfolgt nämlich im Rahmen des zwischen dem Unternehmer und seinem Lieferanten geschlossenen Kaufvertrages. Sie ist damit gerade nicht in den werkvertraglichen Pflichtenkreis des Unternehmers gegenüber dem Besteller einbezogen. Insoweit besteht kein wesentlicher Unterschied gegenüber den Fällen, in denen eine Kaufsache vom Käufer weiterverkauft wird (Urteil v. 22.2. 1962, VersR 1962/480 = I.45, in welchem der Senat bereits ausgesprochen hat, daß ein Heizungsbauer nicht für den Wasserschaden haftet, der durch das Platzen eines ihm von seinem Lieferanten gelieferten unerkennbar fehlerhaften Heizkörpers entstanden ist, weil der Lieferant nicht sein Erfüllungsgehilfe ist; vgl. ferner BGHZ 48/118, 120; Glanzmann, BGB RGRK aaO., Anhang zu §§633 bis 635 Rn.2; Palandt/Thomas, BGB, 37.Aufl., Anm.2a zu §631 und Palandt/Heinrichs, BGB, Anm.4a zu §278). Demnach ist hier die Firma O nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten bei der Lieferung des Ersatzventils. 2. Daran ändert es auch nichts, daß das mangelhafte Ersatzventil durch einen Monteur der Firma 0 bei der Klägerin eingebaut wurde. Das geschah nämlich deswegen, weil das ursprünglich installierte O-Ventil mangelhaft war. Die Firma O erfüllt daher mit der Lieferung des Ersatzventils lediglich ihre Gewährleistungspflicht aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten über das erste Ventil. Auch die Lieferung des Ersatzventils beruht somit allein auf dem Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Firma O. Diese Firma wurde dadurch nicht Subunternehmerin der Beklagten (vgl. dazu BGHZ 66/43, 46) und somit auch nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten. Damit ist es der Klägerin versagt, die Beklagte über §278 BGB wegen der Lieferung des schadhaften Ventils in Anspruch zu nehmen. 3. Einen Fehler des Monteurs der Firma O bei der Montage des Ersatzventils, für den die Beklagte allerdings nach §278 BGB einzustehen hätte, hat das Berufungsgericht verneint, weil den Monteur kein Verschulden treffe. Das hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht brauchte 247
1.143
Präventive Dimension der Schadensregulierung Beurteilungszeitpunkt
nicht anzunehmen, hier lägen besondere Umstände vor, die den einbauenden Monteur zu einer Untersuchung des Ventils auf Fehlerfreiheit und einwandfreies Funktionieren hätten veranlassen müssen. Daß das erste Ventil undicht geworden war, legte noch nicht den Gedanken nahe, das als Ersatz eingebaute Ventil könnte ebenfalls fehlerhaft, z.B. im Werk unvollständig montiert worden sein. Auch daraus, daß die Produktion des hier eingebauten Ventils später eingestellt worden ist, läßt sich nichts dafür herleiten, daß die Firma O oder ihr Monteur im Zeitpunkt des Einbaus dieses Ersatzventils damit hätten rechnen müssen, Ventile dieses Typs seien allgemein fehlerhaft.
1.143: BGH, 9. 2. 1978, VIII. ZR 122/77 (Trittschallschutz)
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagten könnten die Klägerin nicht dafür verantwortlich machen, daß in den Wohnungsdielen zwischen dem Natursteinplattenbelag und den Wänden sowie unter den Sockelleisten keine Dämmstreifen zum Schallschutz eingefügt sind. Dieses Versäumnis beruhe auf einem Planungsfehler, für den die Beklagten selbst einzustehen hätten. Weder in der Ausschreibung noch in den genehmigten Ausführungszeichnungen seien Dämmstreifen vorgesehen gewesen. Für die Klägerin habe kein Anlaß bestanden, von den Zeichnungen abzuweichen oder von sich aus Bedenken anzumelden. Sie habe sich darauf verlassen können, daß der Entwurf eines Sonderfachmanns den technischen Erfordernissen Rechnung tragen werde. Stand der Technik
248
Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Klägerin hat bei dieser Art der Ausführung der Leistung anerkannte Regeln der Technik nicht beachtet (§4 Nr2 Abs.1 Satz2 VOB Teil B - 1952). Die Ausführung zu Zwecken des Schallschutzes ergab sich
1.143 damals aus der DIN4109. Danach muß an den Wänden ein besonderer Dämmstreifen angeordnet werden, um einen Übergang des als Körperschall weitergeleiteten Trittschalls in die angrenzenden Bauteile zu verhindern. Diese Regel der Technik gilt nicht nur für die Herstellung schwimmender Estriche, sondern auch für die Verlegung eines Fußbodenbelags auf dem schwimmenden Estrich, die sich für jeden Fachkundigen aus dem Zweck der DIN4109 und aus Ihrem Bild7 ergibt. Die durch das „Schwimmen" des Estrichs erreichte Schalldämmung darf weder durch einen Anstoß des Fußbodenbelags und seines Mörtelbetts an die Wand noch durch einen Aufstoß der Sockelleisten auf die Bodenplatten zunichte gemacht werden. Dementsprechende Ausweisungen an die Plattenleger enthalten auch die Richtlinien des Deutschen Naturwerksteinverbandes von 1972. Stand der Technik und DIN-Normen
Sorgfaltsmaßstab
Hinweispflichten des Bauunternehmers bei Ausschreibungsmängeln
Die Vorschriften der DIN4109 sind aber nicht erst durch die Veröffentlichung der Richtlinien des Deutschen Naturwerksteinverbandes zu einer anerkannten Regel der Technik geworden. Vielmehr fassen letztere nur das zusammen, was ohnehin bereits seit Erlaß der DIN 4109 den anerkannten Regeln der Technik entsprach. Diese DIN-Vorschrift geht alle Bauunternehmer an, die Fußböden in Hochbauten verlegen. Die Trittschallübertragung ist ein im Wohnungsbau allgemein bekanntes Problem. Jeder Bauunternehmer muß daher die einschlägigen Schallschutzbestimmungen kennen. Es kann die Klägerin (als Bauunternehmer) nicht entlasten, daß der Deutsche Naturwerksteinverband erst nach fast einem Jahrzehnt die Regeln der DIN4109 in seine Richtlinien aufgenommen hat. Diese allgemein anerkannten und angewandten DIN-Regeln mußte die Klägerin auch dann beachten, wenn die Richtlinien des Verbandes erst nach Ausführung ihrer Leistung veröffentlicht worden sein sollten. 2. Die Klägerin vermag ihren Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik nicht damit zu rechtfertigen, daß weder die Ausschreibung noch die genehmigten Ausführungszeichnungen einen Dämmstreifen zwischen Wand und Mörtelbett/Bodenplatten vorsahen. Die Klägerin mußte von sich aus für die gebotene Art der Ausführung sorgen oder bei 249
1.144 Verantwortlichkeitsverteilung bei mehreren Beteiligten
Zweifeln bei den Beklagten anfragen und sie auf die Bedenklichkeit einer Ausführung ohne Dämmstreifen hinweisen (§4 Nr.3 VOB/B). Das lag hier um so näher, als die zwisehen Wand und Estrich seitlich hochgezogene Dämmabdeckung über den Estrich hätte hinausstehen müssen und einen besonderen Dämmstreifen überflüssig gemacht hätte. Die Klägerin wurde von ihrer Pflicht, entweder von sich aus Dämmstreifen anzubringen oder bei den Beklagten rückzufragen, auch nicht dadurch befreit, daß die Beklagten einen Sonderfachmann mit der Planung der Schallschutzmaßnahmen beauftragt hatten. Eine erkennbar fehlerhafte Anordnung des Sonderfachmanns kann den Unternehmer nicht von der Pflicht befreien, den Bauherrn auf seine Bedenken hinzuweisen (vgl. für den Architekten BGH, NJW 1973/518 sowie Urteil vom 29.9.1977, VII ZR134/75). Unzureichende oder mißverständliche Ausschreibungen oder Ausführungszeichnungen des Architekten oder Sonderfachmanns geben dem Auftragnehmer sogar besonderen Anlaß, den Umfang seiner Leistungspflicht klarzustellen. Auch gemäß BAB Nr. 2 hatte der Unternehmer Angebotsund Leistungsunterlagen sowie Weisungen des Architekten soweit möglich zu prüfen und auf Irrtümer und Mängel schriftlich hinzuweisen. Er durfte somit nicht annehmen, er brauche ohne ausdrückliche Anweisung solcher Fachleute den anerkannten Regeln der Technik nicht zu folgen, nur weil entsprechende Maßnahmen in der Ausschreibung oder Zeichnung fehlten (vgl. BGH, 10.7. 1975, BauR 1975/420).
1.144: BGH, 21. 2. 1978, VI ZR 202/76 (Rutsche)
Am 20.6. 1973 erlitt die damals fast 13 Jahre alte Klägerin einen schweren Unfall in dem von der Beklagten betriebenen Schwimmbad der Stadt W. Neben der Schwimmhalle befindet sich ein Freigelände. Der Zugang von draußen nach drinnen führt im „Einbahnverkehr" durch eine sog. Zwangsdusche, wodurch eine Verschmutzung der Schwimmhalle
250
1.144
Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB): Fehlernachweis Verpflichtung zur Vorbeugung gegen unbefugtes und mißbräuchliches Verhalten
Naheliegende/ fernliegende Gefahren
verhindert werden soll. In dem Duschraum befindet sich eine Kleiderrutsche, die dazu dient, Kleider und andere Gegenstände, die die Besucher in das Freigelände mitgenommen haben, trocken durch die Zwangsdusche zu bringen. Die Klägerin kletterte auf die Aufgabeplatte der Kleiderrutsche und wollte herunterrutschen, brach dabei aber durch und erlitt schwere Personenschäden. Ob der revisionsmäßig als unfallursächlich zu behandelnde Zustand der Kleiderrutssche objektiv verkehrswidrig war, ist im wesentlichen eine anhand der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilende Rechtsfrage. Die Anlagen einer Badeanstalt müssen so beschaffen sein, daß die Benutzer vor vermeidbaren Gefahren bewahrt bleiben (vgl. für Kinderspielplatz BGH, 21.4.1977, VersR 77/817 ff.). In der Tat kann die Verkehrssicherungspflicht sogar schon gegenüber Erwachsenen (Senats-Urteil vom 19.1.1965, VersR 65/515), insbesondere aber bei Kindern auch die Vorbeugung gegenüber unbefugtem und mißbräuchlichem Verhalten umfassen (Senatsurteile vom 5.5. 1964 VersR 64/825; vom 16.6. 1970, FamRZ 70/553; vom 22.10. 1974, VersR 75/88 und VersR75/87). Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder, wie hier in dem Duschraum, sich ohne Aufsicht aufhalten können. Zwar können keine Vorkehrungen gegen jede denkbare, nur entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung verlangt werden (Senatsurteil vom 12.2.1963 VersR 63/532). Indessen bestand hier eine offenbare Gefahrenquelle, der zu begegnen war. Zwar mag der Feststellung des Berufungsgerichts gefolgt werden, daß die Kleiderrutsche nach ihrer Anlage und Beschaffenheit selbst für Kinder nicht mit einer Spielrutsche zu verwechseln war. Jedoch stellte die Abnahmeplatte der Kleiderrutsche jedenfalls für Kinder geradezu eine gewisse Aufforderung zum Niedersetzen oder Ersteigen von der Abnahmeseite her dar. Sie befand sich nur 60cm über dem Fußboden, also in einer Höhe, die auch für Kinder leicht zu überwinden war. Ein solches Verhalten lag auch nicht deshalbfern, weil die Abnahmeseite der Rutsche bestimmungsgemäß nur durch die Zwangsdusche erreicht werden sollte. Denn in einem Schwimmbad läßt sich kein Spielbereich abgrenzen, innerhalb dessen allein mit übermütigem Verhal251
1.144
Haftung des Gebäude- bzw. Anlageninhabers für gefährliche Teile bzw. Materialien
Haftung für gefährliche Materialien
Fehlernachweis
252
ten von Kindern gerechnet werden müßte. Auch wäre gerade das vorherige Passieren der Zwangsdusche nach der Lebenserfahrung nicht geeignet gewesen, ein besonders gelassenes Verhalten der Kinder im Bereich der Abnahmeseite der Rutsche zu gewährleisten, gleich ob sie sich dieser zur Abnahme aufgegebener Gegenstände oder auch nur aus spielerischer Neugier näherten. Angesichts dessen mußte die Rutsche so beschaffen sein, daß sie auch von größeren Kindern gefahrlos betreten werden konnte, selbst ,,mit Schwung". Die gleiche Anforderung an ihre Festigkeit mußte sich aus der Erwägung ergeben, daß Erwachsene bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Abnahmefläche etwa infolge Ausgleitens im nassen Milieu das Gleichgewicht verloren. Es galt also bei der Rutsche im besonderen Maße die Sicherheitsanforderungen zu beachten, die allgemein an die Bruchfestigkeit von waagerechten Glasflächen zu stellen sind, wenn die Belastung durch Menschen nicht ganz fern liegt. Die beim Unfall zerbrochene Abnahmeplatte genügte diesen Anforderungen nicht, wenn sich auch mit ihr seit langen Jahren kein Unfall ereignet hatte. Sie bestand nur aus Drahtspiegelglas, was - da dieses nicht den Anforderungen eines „Einscheiben- oder Verbundsicherheitsglases" entspricht - ohnehin schon gefährlich war. Glas als Bauelement sollte sogar an senkrechten Flächen (BGH 13.4. 1967, VersR 67/ 714) in Räumen, in denen sich Kinder aufhalten, jedenfalls in dem Bereich, in dem sich der Spiel- oder Bewegungstrieb der Kinder auswirken kann, tunlichst vermiedern werden. Im Streitfall könnten für die Verwendung dieses Materials allenfalls ästhetische Gründe sprechen, die hinter Sicherheitsforderungen gegebenenfalls zurücktreten müssen. Die Kleiderrutsche konnte nach dem Unfall ohne weiteres aus bruchfestem Material erstellt werden. Diese Art der Gestaltung war von vornherein möglich und zumutbar (vgl. BGH, 13.4. 1967, aaO.; vom 21.4. 1977, VersR 77/817). Insgesamt entsprach die Gestaltung der Kleiderrutsche somit objektiv nicht den zu stellenden Anforderungen. Das Berufungsgericht wird nunmehr nach Zurückweisung von der objektiven Verkehrswidrigkeit der Rutsche auszugehen und die Prüfung nachzuholen haben, ob dieser Zustand der Be-
1.145 klagten deliktsrechtlich oder doch vertragsrechtlich zuzurechnen ist. Dabei werden allgemein die in diesem Bereich sehr strengen Sorgfaltsanforderungen der Rechtsprechung zu beachten sein.
1.145: BGH, 29. 3.1978, VIII ZR 245/76 (Kühlschrank)
Vertragshaftung: kaufmännischeUntersuchungsobiiegenheiten (§§ 377f. HGB)
Die Klägerin lieferte der Beklagten 360 Kühlschränke, die die Beklagte an die Firma W in Holland weiterverkaufte. Die Kühlschränke wurden von der Klägerin mit der Bahn an die deutsch-holländische Grenzstation E übersandt. Dort wurden sie von einem Spediteur übernommen und zur Firma W gebracht. Die Kühlschränke waren mangelhaft, weil sie zu tief kühlten. Der Bundesgerichtshof bestätigte die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Verurteilung der Beklagten. 1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß es sich bei der Lieferung der Kühlschränke um eine Schlechtlieferung handelte. Das läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Es kann nicht angenommen werden, daß eine nicht genehmigungsfähige Falschlieferung vorliege. Beim Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache ist für die Frage, ob es sich um eine andere als die gekaufte Sache handelt, auf den dem Verkäufer bekannten Vertragszweck und die danach erforderlichen Merkmale sowie vor allem auf die Verkehrsanschauung abzustellen (BGH, Betr 1969/1056; vgl. auch BGH, BB 1970/1416; BB1975/717 mwN). Hier wurden Kühlschränke geliefert, die infolge Mangelhaftigkeit der Aggregate entweder überhaupt nicht oder zu tief kühlten. Diese Kühlschränke waren für den vorgesehenen Zweck unbrauchbar, aber nach der Verkehrsanschauung dennoch als (mangelhafte) Kühlschränke anzusehen. Es kommt also darauf an, ob die Beklagte die Mängel der Kühlschränke gemäß §377 HGB rechtzeitig anzeigte. Das war nicht der Fall. 253
1.145 Streckengeschäft
a) Es ist anerkannt, daß beim sog. Streckengeschäft der Käufer die Untersuchung seinem Abnehmer überlassen darf (BGH, NJW 1954/1841; Baumbach-Duden, HGB, 22.Aufl., §§377, 378, Anm.6A; Brüggemann, RGRK HGB, 3.Aufl., §377 Rn. 29). Daß, wie die Revision unter Hinweis auf das Senatsurteil in BGHZ60/5 meint, die Kühlschränke in E hätten untersucht werden müssen, ist nicht richtig. Diese Entscheidung betrifft einen Sonderfall (fob-Verkauf von Öl) und läßt sich nicht verallgemeinern. Überdies hat der Senat in diesem Urteil darauf abgestellt, ob nach den Umständen dem Käufer zuzumuten war, das Öl bei der Verladung zu untersuchen. Hier war indessen der Beklagten schon nach den Umständen, der Art der Ware wie deren Verpackung, eine Untersuchung der Kühlschränke im Bestimmungsbahnhof E nicht zuzumuten. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob ein Käufer, wenn er die Ware ohne Untersuchung weiterversandte oder unmittelbar seinem Abnehmer übersenden ließ, den Mangel ebenso schnell anzeigen muß, wie wenn er die Ware selbst untersucht hätte (Brüggemann, aaö.), oder ob es ausreicht, wenn der Abnehmer rechtzeitig den Mangel gegenüber dem Käufer anzeigt und dieser die Mängelanzeige unverzüglich dem Verkäufer weitergibt (so ersichtlich BGH, NJW 1954/1841). Denn hier fehlt es schon an einer rechtzeitigen Anzeige des Abnehmers. Von der Abnahme der Kühlschränke bis zur Mängelanzeige mit dem Schreiben vom 4.7. 1972 waren „einige Wochen" vergangen. Die Kühlschränke waren Ende Mai 1972 an die Firma W geliefert worden, und diese Firma hatte die Mängel nicht vordem 19.6.1972 der Beklagten angezeigt. Der Meinung des Berufungsgerichts, diese Mängelanzeige sei dennoch rechtzeitig im Sinne des §377 HGB gewesen, vermag der Senat nicht zu folgen. b) Bei den festgestellten Konstruktionsfehlern der Kühlschränke handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um versteckte Mängel. Versteckte Mängel sind nämlich nur solche, die sich bei einer im ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlichen Untersuchung nicht herausstellen. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts zeigten sich jedoch sofort bei der Ingebrauch-
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1.145 nähme der Kühlschränke die Mängel. Daraus folgt, daß sich auch bei einer stichprobenweisen Untersuchung durch die Firma W die Konstruktionsmängel gezeigt hätten. Die Firma W zeigte gleichwohl die Mängel der Beklagten nicht an, sondern versuchte, sie durch die Firma T beheben zu lassen. Die ersichtlich vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die Firma W habe angesichts ihres Versuchs, die Mängel zu beheben, nicht unverzüglich rügen müssen, ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Wurden die Konstruktionsfehler nach der Entdeckung nicht unverzüglich angezeigt, so gelten die Kühlschränke gemäß §377 HGB als genehmigt. Die Unterlassung einer Mängelanzeige läßt sich nicht damit rechtfertigen, daß die Firma W Wert darauf gelegt habe, die Kühlschränke zu behalten. c) Da demnach die Anzeige der Firma W verspätet war, ist auch die daraufhin erfolgte Mängelanzeige der Beklagten vom 4.7.1972 nicht rechtzeitig erfolgt, selbst wenn die Mängelanzeige der Firma W von der Beklagten unverzüglich an die Klägerin weitergeleitet worden wäre (RG, LZ 1917, Sp.795; vgl. auch Brüggemann, aaO.). Denn der Käufer hat dann, wenn er die Ware weiterveräußert und deren Untersuchung seinem Abnehmer überläßt, dafür Sorge zu tragen, daß dieser ihn so bald als möglich von dem Ergebnis der Untersuchung benachrichtigt (BGH, NJW 1954/1841). Er trägt in einem derartigen Falle das Risiko der rechtzeitigen Mängelanzeige. Im übrigen ist weder vorgetragen noch festgestellt, daß die Beklagte Vorkehrungen getroffen habe, um von etwaigen Mängeln der Kühlschränke unverzüglich unterrichtet zu werden. Daß selbst eine Anfrage bei der Firma W nicht zu einer Beschleunigung der Mängelanzeige geführt hätte, beruht ersichtlich auf der irrigen Ansicht des Berufungsgerichts, daß dieser Firmaeine gewisse Zeit zugebilligt werden müsse, um die Mängel selbst zu beseitigen bzw. beseitigen zu lassen. Verzicht auf den Einwand der Verspätung?
2. Ist nicht rechtzeitig gerügt worden, so ist zu erwägen, ob die Klägerin auf den Verspätungseinwand verzichtete. Es ist allgemeine Meinung, daß ein nachträglicher Verzicht auf den Einwand, die Mängelanzeige sei verspätet, zulässig ist (BGH, BB1952/330; BB 1952/902; Baumbach-Duden, aaO., Anm. IG; Brüggemann, aaO., Rn.35). Wird der Verzicht nicht 255
1.145 ausdrücklich erklärt, so müssen allerdings die Umstände des Einzelfallseindeutigauf einen Verzicht schließen lassen. Ein Verzicht auf den Verspätungseinwand könnte möglicherweise zu bejahen sein, wenn dieser Einwand nicht erhoben oder vorbehaltlos Nachbesserung angeboten worden wäre (vgl. BGH, BB 1952/902; Brüggemann, aaO.). Daß die Klägerin in dem vorprozessualen Schriftwechsel den Verspätungseinwand nicht geltend gemacht hat, kann nicht als Verzicht gedeutet werden. Ebensowenig wie darin, daß die Verjährungseinrede erst im Prozeß erhoben wird, ein Verzicht auf diese Einrede gesehen werden kann, ist ein Verzichtauf den Verspätungseinwand dann anzunehmen, wenn dieser nicht vor dem Prozeß geltend gemacht wurde. Es genügt sogar, wenn der Verspätungseinwand nicht im ersten Rechtszug, sondern erst in zweiter Instanz vorgebracht wird (BGH, BB 1952/330). Im vorliegenden Fall ist er indessen bereits in erster Instanz gebracht worden. Die Klägerin hat sich in dem Schreiben vom 8.8.1972 bereiterklärt, die für eine Reparatur der Kühlschränke erforderlichen Ersatzteile zu übersenden und in dem Telegramm vom 2.9.1972 um Rücksendung der mangelhaften Kühlschränke zur Reparatur gebeten. In beiden Mitteilungen hat sie jedoch auf unverzüglicher Bezahlung ihrer Rechnungen „insistiert". Die Klägerin war also nicht zu einer vorbehaltlosen Nachbesserung bereit, sondern verlangte sofortige Bezahlung ihrer Rechnung. Daraus ist zu schließen, daß sie nicht gewillt war, auf die Geltendmachung ihrer Forderung gegen die Beklagte zu verzichten oder sie im Hinblick auf die Mängel zu ermäßigen. Dann kann aber auch nicht angenommen werden, daß sie bereit war, ihr zustehende Einwendungen aufzugeben, und auf den Verspätungseinwand verzichtete. KulanzVerhandlungen
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Eine andere Beurteilung würde im Handelsverkehr dazu führen, daß jede Verhandlungsbereitschaft - auch aus Kulanzgründen-für den VerkäuferdieGefahr mit sich brächte, den Verspätungseinwand zu verlieren.
1.146 1.146: BGH, 19. 4.1978, VIII ZR 39/77 (Wasserversorgung)
Daseinsvorsorge: Formularmäßige Haftungsfreizeichnung
Die Wasserversorgung des Grundstücks des Klägers erfolgt durch den beklagten Wasserversorgungsverband. In den Lieferungsbedingungen des Beklagten heißt es in § 12 Abs. 2 wie folgt: „Schadensersatzansprüche aller Art, auch wegen Einschränkungen oder Unterbrechungen der Wasserlieferung, Änderungen des Druckes, der Beschaffenheit des Wassers oder aus sonstigen Gründen, gegen den Wasserversorgungsverband sind ausgeschlossen, es sei denn, daß Vorsatz vorliegt. Schadensersatzansprüche gegen Organe und Bedienstete des Wasserversorgungsverbandes sind ebenfalls ausgeschlossen." Mit der Begründung, das von dem Beklagten gelieferte Wasser sei mit Colibakterien verseucht gewesen, nimmt der Kläger den Beklagten auf ein Schmerzensgeld wegen Gesundheitsschädigungen in Anspruch. Soweit der Beklagte in erster Linie mit der Begründung, die Freizeichnungsklausel in §12 Abs. 2 der Lieferungsbedingungen habe - als umfassender Haftungsausschluß - auch den hier geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch unter jedem denkbaren tatsächlichen Gesichtspunkt erfaßt, die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, mit dem die Klage abgewiesen wurde, verlangt, konnte sein Begehren keinen Erfolg haben. Sachlich ist der Revision einzuräumen, daß die Freizeichnungsklausel in §12 Abs.2 der Lieferungsbedingungen nach ihrem Wortlaut auch den hier streitigen Anspruch erfaßt. Der Senat hat auch - für den vergleichbaren Fall der Freizeichnung eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens-wiederholt darauf hingewiesen, daß sich im Rahmen der Daseinsvorsorge die Ausschöpfung der Freizeichnung im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zur Vermeidung unübersehbarer Haftungsrisiken als notwendig erweist und daß dabei auch das Bestreben, unter sozialpolitischen Gesichtspunkten den Strom möglichst billig anbieten zu können, eine weitgehende Abwälzung des Risikos auf den Abnehmer rechtfertigen kann (BGH, 9.6. 1959, NJW 257
1.146
Rechtswirksamkeit formularmäßiger Haftungsfreizeichnungen
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1959/1423; BGH, 4.6.1975, BGHZ 64/355,356f. = BB 1975/ 937; vgl. auch Senatsurteil vom 5.6.1963, BB 1963/797). Sie erfaßt bei der gegebenen Formulierung auch etwaige Ansprüche aus einer von dem Beklagten begangenen unerlaubten Handlung (BGHZ 64/355,358), aus der der Kläger allein einen Schmerzensgeldanspruch herleiten könnte (§847 BGB). Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Beklagte dem Kläger als Abnehmer die Reinheit des Wassers stillschweigend zugesichert hätte (§459 Abs.2 BGB; vgl. dazu BGHZ 59/303, 306 = I.74) und daß aus diesem Grunde eine Freizeichnung für die Haftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft unwirksam wäre (BGHZ 50/200, 206f. = I.56). Gleichwohl findet auch im Bereich der Daseinsvorsorge die Freizeichnung nach Treu und Glauben (§242 BGB) dort ihre Grenze, wo durch sie wesentliche Pflichten des LieferungsVertrages so eingeschränkt werden, daß dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Dieser Grundsatz, der nunmehr in §9 Abs.2 Nr.2 ABG-Gesetz seinen gesetzgeberischen Niederschlag gefunden hat, trägt dem Umstand Rechnung, daß ein Gläubiger grundsätzlich zumindest auf die Möglichkeit einer Vertragserfüllung durch seinen Vertragspartner - als Äquivalent für die von ihm geschuldete Gegenleistung - vertrauen darf (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, AGB-Gesetz, §9 Rn. 29-33 mwN). Was dabei als eine für die Erreichung des Vertragszweckes wesentliche Pflicht anzusehen ist, von deren schuldhafter Verletzung sich der Leistende jedenfalls formularmäßig nicht freizeichnen kann, richtet sich nach der Ausgestaltung des einzelnen Vertrages. Hier hatte der Kläger substantiiert behauptet und unter Beweis gestellt, daß die Anlage eines Leitungssystems mit Stichleitungen ohne ständige Zirkulation notwendig zu Wasserverunreinigungen führen müsse oder diese doch zumindest begünstige und daß daher eine so angelegte Zuleitung nicht den Regeln der Wasserbaukunst entspreche. Auf eine solche Schadensursache würde aber die Freizeichnungsklausel keine Anwendung finden. Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner vorgenannten, zu der Freizeichnungsklausel in Abschnitt II Nr.5 der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit
1.146 elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz (AVB) ergangenen Entscheidung vom 4.6.1975 (BGHZ 64/355 = BB 1975/937). Abgesehen davon, daß es sich bei den AVB - anders als bei den Lieferungsbedingungen des beklagten Wasserversorgungsverbandes - um Rechtsnormen handelt und schon aus diesem Grunde der richterlichen Inhaltskontrolle insoweit wesentlich engere Grenzen gezogen sind (vgl. dazu jetzt §26 AGB-Gesetz), hatte der Senat damals nicht über einen dem jetzigen Streitstoff vergleichbaren Sachverhalt zu befinden. Wenn in der vorgenannten Entscheidung (aaO. S.357) ausgeführt ist, die Ausschlußklausel erfasse jede Unterbrechung der Stromzufuhr, gleichgültig, wie es zu ihr gekommen sei, ,,ob durch unabwendbare Zufälle im Betriebsablauf des Versorgungsunternehmens, durch vermeidbares technisches Versagen oder durch menschliches Fehlverhalten", so erstreckte sich diese extensive Auslegung der Klausel - das zeigt die beispielhafte Aufzählung der möglichen Schadensursachen - jedenfalls nicht auf Fälle, in denen die Versorgungsleitung von vornherein so unsachgemäß angelegt war, daß über sie die versprochene Leistung überhaupt nicht ordnungsgemäß zu erbringen war. Allein darum geht es aber hier. Sollte die weitere Sachaufklärung ergeben, daß zwar die Anlage derartiger Stichleitungen nicht zu beanstanden, möglicherweise sogar unvermeidbar ist, die von dem Beklagten angeordnete Spülung über den Endhydranten aber in geringeren Abständen als zweimal im Jahr erforderlich gewesen wäre, so würde sich der Beklagte hinsichtlich dieses Überwachungsverschuldens dann nicht auf die Freizeichnungsklausel berufen können, wenn seinen Organen oder leitenden Angestellten insoweit ein grobes Verschulden zur Last fallen würde (BGHZ 20/164,167f.; BGHZ 38/183,185f.). Dabei sind angesichts der Bedeutung, die der Lieferung möglichst keimfreien Wassers für die Trinkwasserversorgung zukommt, an die Sorgfaltspflicht des Versorgungsunternehmens strenge Anforderungen zu stellen.
259
1.146 (Anm.) Anmerkung:
Daseinsvorsorge
Wahlfreiheit des Staates zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Gestaltung
Zivilrechtliche Ausgestaltung
Öffentlichrechtliche Ausgestaltung
260
1. Im Rahmen der sog. Daseinsvorsorge erbringt der Staat in ständig zunehmendem Maß Leistungen im weitesten Sinn. Sowohl für den nichtgewerblichen Endverbraucher als auch für gewerbliche Abnehmer hat dabei die Energieversorgung eine wesentliche Bedeutung. Z. B. durch Stromausfall können sowohl beim privaten Endverbraucher als auch beim gewerblichen Abnehmer erhebliche Schäden auftreten (Verderben von Tiefkühlkost oder Störung von temperaturabhängigen Produktionsprozessen). Weiterhin können vor allem im Bereich der Wasserversorgung bei gewerblichen Abnehmern durch Verunreinigungen des Wassers erhebliche Schäden auftreten. Seit langem wurde dem Staat Freiheit in der Entscheidung eingeräumt, ob die Leistungen der Daseinsvorsorge auf öffentlich-rechtlicher oder aber auf zivil rechtlicher Grundlage erbracht werden (vgl. 1.128). Anfang des Jahrhunderts ist diese Entwicklung unter dem Stichwort der „Flucht des Staates in das Privatrecht" bekanntgeworden. Die erste gegenläufige Bewegung war die in den 50er Jahren entstandene Doktrin von der mittelbaren Geltung der Grundrechte in zivilrechtlich ausgestalteten Rechtsverhältnissen der Daseinsvorsorge. Inzwischen ist die Entwicklung weitergegangen. a) Weicht der Staat z. B. bei der Energie- oder der Wasserversorgung in die Gestaltungsformen des Zivilrechts aus, unterliegt er voll den zivilrechtlichen Normen. Hier ist lediglich die Frage, ob darüber hinaus auch Ausstrahlungen öffentlich-rechtlicher Normen (z.B. Grundrechtsbindung) eintreten. b) Bleibt dagegen der Staat in den Gestaltungsformen des Öffentlichen Rechts, scheint sich daraus der Umkehrschluß zu ergeben, daß die zivilrechtlichen Haftungsnormen dort nicht gelten können. Der BGH hat aber in inzwischen verfestigter Rechtsprechung ausgesprochen, daß bei besonderen Leistungsverhältnissen die zivilrechtlichen Normen im Wege der Rechtsanalogie auch im Öffentlichen Recht herangezogen werden können: „die sinngemäße Anwendung
(Anm.) 1.146 Zivilrechtsanaloge Entwicklung des öffentlichen Rechts
Anhaltspunkte für die Qualifikation des Rechtsverhältnisses
Rechtsweg
Haftungsfreizeichnungen
des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken wird auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse in solchen Fällen bejaht, in denen besonders enge Beziehungen des einzelnen zur Verwaltung begründet worden sind und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis zu einer angemessenen Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt"(1.74). 2. Liefert also der Staat Energie (Strom, Wasser, Gas, Wärme), ist zunächst zu prüfen, ob das Lieferungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder aber zivilrechtlich ausgestaltet ist. Dabei ist das Bestehen einer Satzung (also eines typisch öffentlich-rechtlichen Ordnungsinstruments) ein gewichtiges Indiz dafür, daß das Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich geregelt ist(l. 128). Umgekehrt kann aber aus dem Fehlen einer Satzung noch nicht ein Indiz für eine zivilrechtliche Regelung entnommen werden, weil eine Regelung aufgrund öffentlich-rechtlichen Vertrages vorliegen kann (1.128). Der Unterschied zwischen der Regelung per Satzung und der Regelung per öffentlich-rechtlichem Vertrag besteht darin, daß die Satzung als Instrument der einseitigen, im Rahmen der Überordnung des Staates erfolgenden Rechtsgestaltung betrachtet wird; der öffentlich-rechtliche Vertrag wird dagegen als Instrument des öffentlichen Rechts zur Regelung der Rechtsbeziehungen auf der Ebene der Gleichrangigkeit verstanden. 3. Nach §40 VwGO sind für Schadensersatzansprüche, die aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten hergeleitet werden, die ordentlichen Gerichte zuständig. Dies gilt auch für den hier behandelten Fragenbereich (1.74). In der Praxis kann deshalb die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche oder eine zivilrechtliche Gestaltung vorliegt, häufig dahingestellt bleiben. Da in derartigen Fällen das öffentliche Recht unter inhaltlicher Ausrichtung an den entsprechenden Normen des Zivilrechts weiterentwickelt wurde (vgl. 1.74; 1.91; 1.128; 1.133; 1.146; 11.58), kann das entscheidende Gericht die Frage der öffentlich-rechtlichen oder der zivilrechtlichen Einordnung letztlich dahingestellt bleiben lassen (vgl. z. B. 1.74 und 1.128). 4. Zur Zeit kann sich allerdings noch unter dem Gesichtspunkt der Haftungsfreizeichnungen ein wesentlicher Unter261
1.147 schied zwischen zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Gestaltung ergeben. Wurde eine zivilrechtliche Gestaltung gewählt, unterliegen die „Energieversorgungsbedingungen" dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auch dem AGB-Gesetz (1.146). Durch §27 AGBGesetz und die dort normierten Rechtsverordnung-Kompetenzen wird aber im Ergebnis eine inhaltliche Angleichung zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Ausgestaltung der Leistungsverhältnisse angestrebt. Solange diese Rechtslage aber noch nicht voll verwirklicht ist, können sich im Bereich der Haftungsfreizeichnungen je nach Qualifikation des Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtliches oder als zivilrechtliches unterschiedliche Rechtslagen ergeben, weil für die Auslegung und Rechtswirksamkeit unterschiedliche Kriterien gelten.
1.147: BGH, 30. 5.1978, VI ZR 113/77 (Kfz-Reparatur)
Deliktshaftung
262
Der Kläger hatte einen Pkw gebraucht erworben. Ein Monteur der Beklagten hatte anläßlich einer für den Voreigentümer durchgeführten Reparatur ein falsches Ersatzteil an der Radaufhängung vorn links verwendet: er baute ein Kugelgelenk für Doppelkeilklemmung in ein Dämpferbein für Klemmschraubverbindung ein, obwohl dies nach den Weisungen des Herstellerwerks nicht zulässig war. Der Fehler wurde weder bei der Schlußabnahme dieser Reparatur noch bei der vom Kläger ebenfalls bei der Beklagten in A uftrag gegebenen 40000-km-lnspektion festgestellt. 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Unfall ursächlich auf die bei der Beklagten unterlaufene Fehlermontage zurückzuführen ist. Im Ergebnis zutreffend bejaht das Berufungsgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die technische Betriebsleitung der Beklagten (§§823, 31 BGB). Verkehrssicherungspflichten entstanden für die Beklagte schon dadurch, daß ihre Monteure in der Kfz-Werkstatt Arbeiten zu verrichten hatten, die - wenn sie nicht ordnungsgemäß vorgenommen wurden - erhebliche Gefahren sowohl für die Kfz-Benutzer wie auch für Dritte, vor allem sonstige
1.147 Organisationshaftung
Instruktion der Mitarbeiter
Verkehrsteilnehmer, mit sich brachten. Die Pflicht, den Betrieb so zu organisieren, daß die in ihm instandgesetzten Fahrzeuge verkehrssicher waren, ergab sich bereits allgemein aus dem Betreiben der Werkstatt, in der gefahrträchtige Arbeiten ausgeführt wurden (vgl. BGH, 15.2. 1978, VersR 1978/538). Den ihr so obliegenden Pflichten genügte die Beklagte nicht schon mit der Bestellung an sich geeigneter Personen, für deren Tun und Lassen sie sich nach §831 BGB entlasten kann. Sie mußte vielmehr bei der Bedeutung, die der Verkehrssicherheit von Kraftfahrzeugen für die Allgemeinheit zukommt, durch ihre Organe oder durch sonstige Vertreter i. S. der §§30,31 BGB geeignete Anordnungen erlassen, die gewährleisteten, daß die Reparaturen ordnungsgemäß vorgenommen wurden (vgl. BGHZ 4/1,3 = 1.18 sowie Senatsurteil vom 23.10.1973, VersR 1974/243,244 = I.77). Zursachgerechten Organisation des Unternehmens gehörte es u.a. selbstverständlich, daß ihre technische Betriebsleitung die Anweisungen des Herstellerwerks zur Verwendung der Ersatzteile an ihre Angestellten und Arbeiter weitergab. Im Streitfall braucht nicht entschieden zu werden, ob die Betriebsleitung besondere Vorkehrungen auch dafür treffen mußte, daß sämtliche technischen Anweisungen des KfzHerstellers allen ihren Monteuren und Meistern bekannt wurden, und ob und in welcher Weise sie sich davon überzeugen mußte, daß ihre Hinweise beachtet wurden, oder ob es für bestimmte Bereiche auch genügen konnte, dem für die Schlußabnahme der Reparatur zuständigen Kfz-Meister die ihr zugegangenen Informationen des Herstellerwerks auszuhändigen und ihm dabei die Beachtung der erhaltenen Unterlagen aufzutragen. Bei Ersatzteilen jedenfalls, von denen die Verkehrssicherheit der Fahrzeuge abhängt und bei denen es leicht zu Verwechslungen kommen kann, hat der Inhaber einer Kfz-Werkstatt besondere Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die Herstellerweisungen im einzelnen allen Monteuren, zumindest aber den für die Schlußabnahme zuständigen Kfz-Meistern bekannt werden, und dafür zu sorgen, daß diese sie mit besonderer Sorgfalt beachten, damit die naheliegenden und so gefahrenträchtigen Verwechslungen vermieden werden. Diese Pflicht entfällt nicht etwa 263
1.147
Arbeitsanweisungen
264
schon dadurch, daß sich aus der Ersatzteilnummer bereits ergibt, daß verwechslungsfähige Teile nicht zusammengehören können. 2. Entgegen der Auffassung der Revision überspannt daher das Berufungsgericht nicht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten, wenn es von ihr fordert, an die für die Schlußabnahme zuständigen Stellen ihres Betriebes die ausdrückliche Weisung zu geben, bei Reparaturen an Dämpferbein und Kugelgelenk der Pkw auf die drohende Verwechslungsmöglichkeit besonders zu achten. Denn hier war die technische Ausbildung der Kugelgelenkbefestigung durch Schraubklemmen einerseits und durch Doppelkeilklemmung andererseits vom Herstellerwerk so gestaltet, daß eine Verwechslung durchaus möglich war. Der Einbau nicht passender Teile in diesem Bereich betrifft die Radaufhängung und damit einen für die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs äußerst wichtigen Teil. Die Beklagte hat jedoch nichts dazu vorgetragen, ob und wie sie die maßgebenden Weisungen des Herstellerwerks in ihrem Betrieb weitergegeben und für deren Beachtung gesorgt hat. 3. Dem Berufungsgericht ist ferner darin zu folgen, daß die gesetzlichen Vertreter der Beklagten ihre Organisationspflicht schuldhaft, nämlich fahrlässig, verletzt haben. Zweifelhaft könnte dies allenfalls sein, wenn in der Technischen Information Nr.4 vom 20.2.1974 erstmals auf die Verwechslungsfähigkeit der Kugelgelenke für Dämpferbeine hingewiesen worden wäre, denn der Voreigentümer hat erst am 25.2.1974 Auftrag gegeben, den Wagen reparieren zu lassen (und es ist möglich, daß die Information bei der Reparatur des Fahrzeugs, mit dem der Kläger verunglückt ist, in der Werkstatt der Beklagten noch nicht vorgelegen hatte). In der Information des Herstellerwerks heißt es aber, daß „bekanntlich" zwei unterschiedliche Klemmverbindungen für die Montage des Kugelgelenkes im Dämpferbein gültig seien. Den Werkstätten war also längere Zeit vorher, vielleicht schon ein bis zwei Jahre, die Verwechslungsfähigkeit bekannt. Das Berufungsgericht selbst weist darauf hin, daß es ursprünglich nur die Schraub-Klemmkonstruktion gab, die später durch die Doppelkeilklemmung abgelöst worden ist.
1.148 1.148: BGH, 14. 6. 1978, VIII ZR 97/77 (Lichtkuppel)
Kaufvertrag
Vertragsbezogener Fehlerbegriff (§§ 459ff. BGB)
Die Klägerin, die mit Baustoffen handelt und u. a. Lichtkuppeln der niederländischen Firma P vertreibt, lieferte für eine neu errichtete Montagehalle der Beklagten die dafür benötigten Lichtkuppeln. In der Ausschreibung, welche die Beklagte durch die Firma H durchführen ließ, war der Leistungsumfang für die Klägerin u. a. wie folgt umschrieben: Lieferung der zweischal igen Lichtkuppeln ausAcrylglas frei Baustelle ohne Montage; die Kuppel darf „an keiner Stelle gebohrt sein". Bezüglich der Aufsatzkränze heißt es: Sie sollen aus Polyester-Kunststoff bestehen, wetterfest versiegelt sein und die Befestigungslöcher sind „werksseitig zu bohren". Für den Vertrag gelten die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Beklagten, die unter Ziff. VII die Beklagte bei der Erhebung von Mängelrügen wegen erkennbarer oder verborgener Fehler von der Einhaltung gesetzlicher Fristen gänzlich freistellen. Die Beklagte hatte die Kuppeln durch die Firma T (Streithelferin) montieren lassen. 1. Dem Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung, zwischen den Parteien liege ein Kaufvertrag - nicht ein Werk oder Werklieferungsvertrag - vor, ist zuzustimmen. Das Berufungsgericht trifft keine klaren Feststellungen zu der Frage, Kuppeln von welcher Beschaffenheit die Klägerin nach den zugrunde liegenden Abmachungen zu liefern hatte. Unstreitig waren die Kuppeln schon bei ihrer Auslieferung mit Löchern versehen, in die Buchsen lose eingeklebt waren, die dann bei der späteren Montage der Kuppeln teilweise beschädigt wurden. Diese Löcher waren nach der Bekundung des Gutachters W von der Vorlieferantin der Klägerin, der Firma P durch Bohren angebracht worden. Die Tatsache, daß die Kuppeln bei ihrer Anlieferung überhaupt schon Lochungen aufwiesen und daß Hülsen in die Löcher eingeklebt waren, wurde bei der Anlieferung der Kuppeln von der Beklagten nicht beanstandet, erschien somit auch der Beklagten vertragsgemäß. Angesichts dieser Sachlage und dieses Parteiverhaltens bei der Anlieferung der Kuppeln hätte sich das Berufungsgericht mit der klaren Bekundung des gerichtlichen Sachverständigen auseinandersetzen 265
1.148
Annahme der Lieferung trotz Kenntnis des Mangels (§ 464 BGB)
Formularmäßige Abbedingung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten
266
müssen, es seien hier Kuppeln geliefert worden, die nicht etwa schon wegen des Vorhandenseins von Lochungen als solchen, sondern wegen der Art, in der die Lochungen angebracht worden waren, mit den Merkmalen der Ausschreibung in wesentlichen Punkten nicht übereinstimmten; denn nach der Ausschreibung durften die Kuppeln ,,an keiner Stelle gebohrt sein". Dies legte die Annahme nahe, daß die Kuppeln im Hinblick auf die spätere Montierung schon bei der Anlieferung zwar Lochungen am Rande aufweisen, diese indes schon beim Gießvorgang und nicht etwa durch späteres Bohren angebracht werden sollten, da im letztgenannten Falle möglicherweise Rißbildungen bei der späteren Montage zu besorgen waren. Trifft diese Annahme zu, dann waren in der Tat die Kuppeln nicht vertragsgemäß und die aus der Herstellungsweise der Lochungen (Bohrung) resultierende Gefahr wurde dann durch die in die Lochungen eingeklebten Hülsen nicht etwa behoben, sondern nur verdeckt. Mit diesen Fragen hätte sich das Berufungsgericht schon deshalb auseinandersetzen müssen, weil für die von ihm behandelte und zu Lasten der Beklagten entschiedene Frage, ob und wann die Beklagte die Kuppeln beanstanden mußte und ob und wann sie mit der Montage beginnen durfte, ohne ihre Gewährleistungsansprüche gemäß §464 BGB zu verlieren, von erheblicher Bedeutung war, ob die Kuppeln offene oder verdeckte Mängel aufwiesen. Zwar ist die vertragliche Freistellung der Beklagten von der Einhaltung jeglicher Mängelrügefristen, wie sie in Ziff.VII ihrer unstreitig zum Vertragsinhalt erhobenen Einkaufsbedingungen vereinbart war, auch als Freistellung von der kaufmännischen Untersuchungs- und Mängelanzeigepflicht nach §§377ff. HGB zu verstehen. Andererseits hindert das nicht, daß der Käufer sich seiner Gewährleistungsansprüche dadurch begibt, daß er in Kenntnis des Mangels seine Rechte bei der Annahme der Kaufsache sich nicht vorbehält (§464 BGB). Hier hätte es, weil ein verdeckter Mangel in Betracht kommt, einer Feststellung des Berufungsgerichtes bedurft, wann mit der Montage der Kuppeln begonnen wurde, wann die ersten Haarrisse festgestellt wurden und ob etwa auch nach Feststellung der ersten Haarrisse die weitere Montage fortgesetzt wurde.
1.148
Montageunternehmen kein Erfüllungsgehilfe des Käufers (§ 278 BGB)
Haftung für Mangelfolgeschäden
VertriebshändlerUntersuchungspflichten
Überdies hatte die Beklagte unter Beweisantritt behauptet, die Firma H habe in ihrem Auftrag sofort nach dem Auftreten der ersten Haarrisse diesen Mangel gegenüber der Klägerin wie auch gegenüber der Firma P gerügt. Dieser Beweis ist nicht erhoben worden. Trifft der Vortrag der Beklagten zu, so ist, selbst wenn nach dieser Beanstandung die Montage fortgesetzt wurde, für eine Anwendung des §464 BGB kein Raum. Überdies war die Streithelferin der Klägerin gegenüber weder Vertreterin der Beklagten noch deren Erfüllungsgehilfin hinsichtlich der Käuferpflichten, Hilfsweise nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagte habe auf die Geltendmachung von Mängeln stillschweigend verzichtet, weil sie in Kenntnis der Maßungenauigkeit von Kuppeln und Aufsatzgrenzen die Lieferung angenommen und mit der Montage begonnen habe. Auch insoweit kommt es jedoch entscheidend auf die Erkennbarkeit des Mangels, den Zeitpunkt der tatsächlichen Entdeckung und den Beginn der Montage an, wozu keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden sind. Das Verhalten der Streithelferin kann, wie schon ausgeführt, der Beklagten nicht zugerechnet werden. 2. Das Berufungsgericht hat erörtert, ob der Beklagten wegen der aufgetretenen Folgeschäden SchadensersatzanSprüche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zustehen können. Dabei hat das Berufungsgericht erkannt, daß aus der Schlechtlieferung der Kaufsache hergeleitete Schadensersatzansprüche nach den §§459ff. BGB ein Verschulden der Klägerin an der Schlechtlieferung voraussetzen. Unrichtig ist jedoch die in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin treffe schon deshalb kein Verschulden, weil für sie „im Hinblick auf den Spezialfirmencharakter der Firma P keine Untersuchungs- und Rügepflicht bestanden" habe; da die Klägerin von der Firma P schon wiederholt solche Lieferungen unbeanstandet erhalten habe, habe sie auch im vorliegenden Falle davon ausgehen können, daß „die Lieferung in Ordnung gehe". Diese Beurteilung ist rechtlich fehlsam, denn es gibt keinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, der „Spezialfirmencharakter" des Vorlieferanten oder die befriedigende Abwicklung von Geschäften mit ihm 267
1.148 in der Vergangenheit entbinde den Käufer von der Verpflichtung, die Ware zu untersuchen. Mit der Frage, obeine Schadensersatzpflicht wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften in Betracht kommt, hat das Berufungsgericht sich überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Anmerkung:
VertriebshändlerHaftung
268
1. Zum Fragenbereich der sog. kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten gemäß §§377, 378, 381 HGB vgl. Anm. zu 1.118; zum Verhältnis zwischen den kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten und den im Rahmen des §254 BGB zu berücksichtigenden haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten des geschädigten Abnehmers vgl. Anm. zu 1.124. 2. Die Rückverweisung an das Berufungsgericht hat der BGH zugleich mit dem Hinweis verbunden, daß das Verschulden der Beklagten nicht schon damit verneint werden könne, daß keine Untersuchungspflichten (a) wegen des Spezialfirmencharakters der Herstellerin P und (b) wegen Unbeanstandetbleibens früherer Lieferungen bestanden hätten (vgl. Nr. 2 des Urteils). Weiterhin weist der BGH darauf hin, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage der zugesicherten Eigenschaften auseinandergesetzt hat. a) In der Frage der haftungsrechtlichen Berücksichtigung tatsächlicher Arbeitsteilungen geht der VIII. Senat auch in diesem Urteil - ebenso wie im Schwimmerschalter-Urteil (vgl. 1.130) - m.E. nicht in dem der ständigen Rechtsprechung des BGH entsprechenden Umfang auf die unterschiedlichen Pflichtenbereiche ein. Wie an anderer Stelle gezeigt wurde (vgl. Anm. 1.151), ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Vertriebshändler grundsätzlich nicht für im Hersteller-Bereich gesetzte Fehlerursachen verantwortlich: Derjenige, der fremde Erzeugnisse lediglich vertreibt, ist „nur dann verpflichtet, die Ware vor ihrem Verkauf auf eine gefahrenfreie Beschaffenheit zu untersuchen, wenn aus besonderen Gründen Anlaß zu einer solchen
(Anm.) 1.148 Überprüfung besteht oder die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen" (1.138; vgl. auch 1.23, 1.41). Nach dem Sachverhalt war die Klägerin aber lediglich Vertriebshändler. Das Entfallen einer Untersuchungspflicht, ob die Lochungen bereits beim Gießvorgang selbst und nicht erst aufgrund eines späteren Bohrens angebracht wurden, kann dementsprechend nicht schon mit dem Spezialfirmencharakter der Firma P begründet werden. Insoweit ist der obigen Entscheidung zuzustimmen. Vielmehr muß es darauf ankommen, ob für die Klägerin aufgrund der gesamten Umstände des betreffenden Falles eine derartige Prüfungspflicht bestand. Ein Anhaltspunkt dafür hätte z. B. das Auftreten entsprechender Reklamationen bei früheren Fällen sein können (vgl. 1.129). Dies war hier aber gerade nicht der Fall. Im Gegenteil waren frühere Lieferungen unbeanstandet geblieben. M. E. fehlt es deshalb im obigen Fall an konkreten Anhaltspunkten, aufgrund derer ausnahmsweise eine Untersuchungspflicht bestanden hätte, b) Eine ganz andere Frage ist allerdings die vom BGH angetippte Problematik des Fehlens zugesicherter Eigenschaften. Durch das nachträgliche Bohren können Haarrisse entstehen, die zu einem Versagen des Gußteils führen. Die Frage, ob die Lochungen bereits beim Gießvorgang oder aber erst anschließend bei einer nachträglichen Bearbeitungerfolgen, stellt insoweit also eine Eigenschaft des Gußteils dar und kann Gegenstand einer Eigenschaftszusicherung sein. Sollte dies vom Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung festgestellt werden, würde § 463 BGB anwendbar sein, weil der zwischen den Parteien abgeschlossene Liefervertrag als Kaufvertrag qualifiziert wurde (vgl. Nr. 1 des Urteils). Dies hätte zur Folge, daß die Klägerin als Vertriebshändler verschuldensunabhängig (1.72) für das Vorhandensein dieser Eigenschaft haftet. Bei dieser rechtlichen Würdigung kommt es also nicht mehr auf das Bestehen und die eventuelle Verletzung einer Untersuchungspflicht an. Eine eventuelle Überprüfung durch den Vertriebshändler ist hier nur noch eine Maßnahme des eigenen Interesses zur Vermeidung unnötiger Reklamationen. Gegenüber dem Käufer hat der Vertriebshändler verschuldensunabhängig 269
1.149 dafür einzustehen, daß die Lochungen bereits beim Gießvorgang und nicht erst nachträglich mittels Bohrung angebracht wurden.
1.149: BGH, 20. 6. 1978, VI ZR 15/77
Anscheinsbeweis: UnfallverhütungsVorschriften
Widerlegung des Anscheinsbeweises
270
Der Kläger betreibt im ersten Stock eines Gebäudes ein Sportmodengeschäft. Im Erdgeschoß befand sich die vom Beklagten geführte Gaststätte. In einer Nacht entstand dort ein Brand und wurden infolge der Rauchentwicklung Waren im Geschäft des Klägers beschädigt. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach zunächst der Kläger den Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht hat, daß der Brand von dem entgegen den Unfallverhütungsvorschriften mit brennbaren Gaststättenabfällen gefüllten Plastikeimer ausgegangen ist, der in der Kellerbar unterhalb der Verteilerkästen für die elektrischen Stromleitungen aufgestellt war. Der Brandherd lag an dieser Stelle. Der Beklagte hat eine Unfallverhütungsvorschrift verletzt, die gerade den Schutz vor möglichen Brandschäden bezweckte, die durch unsachgemäße Lagerung brennbarer Gaststättenabfälle entstehen können. Diese Vorschrift, die aufgrund langjähriger Berufserfahrung den besonderen Unfallgefahren des Gewerbezweiges angepaßt ist, kann auch zur Konkretisierung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gegenüber dritten Personen, mit deren Anwesenheit zu rechnen ist, herangezogen werden (vgl. Senat, VersR 1975/812, 813). Tritt wie hier ein Schaden ein, dessen Verhütung bezweckt ist, so spricht der erste Anschein dafür, daß der Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschrift dafür ursächlich gewesen ist (vgl. Senat, VersR 1953/335; 1974/263). Allerdings greift dann, wenn der mit der Entkräftung dieses Anscheinsbeweises Belastete dargetan hat, daß der Schaden auf mehrere typische Geschehensabläufe zurückgeführt werden kann, der Anscheinsbeweis nicht durch. Dann kann es auch nicht darauf ankommen, welcher der beiden
1.149 Geschehensabläufe der wahrscheinlichere ist (BGHZ 24/ 308, 313 = NJW 1957/1230; BGH, VersR 1964/1063, 1065). Es liegt dann einer derjenigen Fälle vor, in denen gerade die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Ursachenverlaufes gegeben ist, so daß der Anscheinsbeweis entfällt (BGHZ 8/ 239,240 = NJW 1953/584). Daran, daß dies der vom Geschädigten in Anspruch genommene Beklagte dartun muß, hat die soeben erwähnte Rechtsprechung nichts geändert. Zu Unrecht meint indessen das Berufungsgericht, im Streitfall komme nach den von ihm getroffenen Feststellungen ein Kurzschluß am Verteilerkasten für den elektrischen Strom als typische und damit ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit für den Ausbruch des Brandes in Betracht. Kurzschlüsse in den elektrischen Leitungen sind zwar häufig Brandursache. Deswegen allein kann aber noch nicht angenommen werden, daß in jedem Fall dann, wenn nach einem Brand in der Nähe des Brandherdes ein Kurzschluß festgestellt wird, bereits auch ein typischer, d. h. nach der Lebenserfahrung wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen diesem Kurzschluß und dem Ausbruch des Brandes feststeht. Kurzschlüsse entstehen eben auch als Folge von Bränden. Die bloße, häufig allerdings nicht auszuschließende Denkmöglichkeit, ein Kurzschluß könne Brandursache gewesen sein, reicht dafür nicht aus (vgl. Senat, VersR 1974/750, 751). Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit nahelegen, etwa Defekte in der elektrischen Leitung, Spuren, die auf den Ort des Kurzschlusses als den ursprünglichen Brandherd hinweisen, und dergleichen. Im Streitfall hat das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen treffen können. Es nimmt im Gegenteil im Anschluß an das Gutachten des Sachverständigen an, ein Kurzschluß als Brandursache sei „äußerst unwahrscheinlich" (weil nämlich alles dafür spricht, daß er erst durch den vom Plastikeimer ausgehenden Brand entstanden ist). Ist aber eine in Betracht kommende Ursache äußerst unwahrscheinlich, kann sie gewiß nicht mehr als „typisch" angesehen werden, weil die konkreten Umstände gerade gegen einen nach der Lebenserfahrung zu erwartenden Geschehensablauf sprechen. 271
Es bleibt mithin im Streitfall dabei, daß der Beklagte die ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs hätte darlegen und beweisen müssen, um den für den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis, daß die vorschriftswidrige Verwendung des Plastikeimers zu dem Brand geführt hat, zu erschüttern. Das kann er aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Als andere Brandursache kommt allenfalls nur ein Kurzschluß in Betracht. Da diese Möglichkeit indessen „äußerst unwahrscheinlich" ist, ist sie gerade keine ernsthafte und naheliegende. Danach hat der Kläger bewiesen, daß der Beklagte den Brand und den daraus entstehenden Sachschaden dadurch verursacht hat, daß er brennbare Abfälle aus seiner Gaststätte in einem Plastikeimer aufbewahren ließ. Das verstieß gegen die Unfallverhütungsvorschriften, die der Beklagte mindestens hätte kennen müssen, so daß auch sein Verschulden feststeht. Er ist mithin dem Kläger nach §823 I BGB wegen der Verletzung seines Eigentums zum Ersatz des diesem entstandenen Schadens verpflichtet.
1.150: BGH, 21. 6. 1978, VIII ZR 91/77 (SportplatzSchlacke)
Die Parteien sind Kaufleute. Im Jahre 1974 bemühte sich die Beklagte bei der Stadt W um die Vergabe der Arbeiten für den Bau eines neuen Sportplatzes. In der Ausschreibung war eine Tragschicht aus Schlacke mit einer Korngröße von 20/40mm und einer Stärke von 15cm, darüber eine 5cm starke Zwischenschicht aus Feinschlacke (5/15mm) sowie eine 4 cm starke Spielfelddeckschicht vorgeschrieben. Sämtliche Schichten mußten standfest verdichtet sein. Wegen des zur Verarbeitung benötigten Materials wandte sich die Beklagte an die Klägerin. Diese machte der Beklagten ein entsprechendes Angebot. Die Beklagte legte die von der Klägerin mitgeteilen konkreten Angaben über die Ergiebigkeit des angebotenen Materials ihrer Kalkulation zugrunde,
1.150
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten (§ 377 HGB)
Eigenschaftszusicherung
erstellte danach ihr Angebot, erhielt von der Stadt W den Auftrag und bezog von der Klägerin das benötigte Material. Die Klägerin klagte offene Rechnungen ein. Die Beklagte hat die Bezahlung mit der Begründung abgelehnt, ihr ständen Schadensersatzansprüche in zumindest gleicher Höhe deswegen zu, weil die Ergiebigkeit des verarbeiteten Materials, die sie zur Grundlage ihrer Kalkulation gemacht habe, geringer gewesen sei, als die Klägerin ihr zugesichert habe; deshalb habe sie wesentlich mehr Material verbrauchen müssen. Zur Aufrechnung geeignete Schadensersatzansprüche wegen zu geringer Ergiebigkeit des gelieferten Materials stehen der Beklagten, auch wenn dieses Material nicht der Zusicherung durch die Klägerin entsprochen haben sollte, schon deswegen nicht zu, weil die Beklagte diesen Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt und damit die Ware als vertragsgemäß genehmigt hat (§377 Abs.3 HGB). Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es sich bei der Ergiebigkeit des Materials um eine Eigenschaft im Sinne des §459 Abs.2 BGB handelte, die Gegenstand einer Zusicherung sein konnte. Denn die Frage, welche in Gewicht auszudrückende Menge benötigt wird, um bei „standfester Verdichtung" eine bestimmte Stärke der Sportplatzdecke in ihren einzelnen Schichten zu erreichen, betrifft die Eignung des Materials für den vertragsgemäß vorausgesetzten Gebrauch (RGZ117/315). Die Beklagte hat unstreitig diese Angaben ihrer Kalkulation gegenüber der Stadt W als Bauherrn zugrunde gelegt und das Material gerade deswegen von der Klägerin bezogen, weil es ihr hinsichtlich der Ergiebigkeit besonders günstig erschien, d.h. die insgesamt benötigte Menge geringer war als bei dem von anderen Firmen angebotenen Material. Es kann ferner mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin mit ihrem auf Anfrage der Beklagten erstellten Angebot eine bestimmte Ergiebigkeit des Materials, wenn auch mit einer gewissen Toleranz, als Eigenschaft im Sinne des §459 Abs.2 BGB zugesichert hat. Eine solche Würdigung der Erklärung der Klägerin hielte sich noch im Rahmen der Grundsätze, die der Senat in seinem Urteil vom 5.7. 1972 (I.72) für derartige, von einem 273
1.150
Formularmäßige Freizeichnung von der Eigenschaftszusicherungshaftung
Beratungshaftung und Eigenschaftszusicherung
Fachmann abgegebene Erklärungen über die Brauchbarkeit für eine bestimmte, vom Käufer beabsichtigte Verwendung aufgestellt hat. Daß die Angaben der Klägerin gewisse Abweichungen von dem genannten Wert im Rahmen einer Marge beinhalteten, würde dabei der Annahme einer Eigenschaftszusicherung nicht entgegenstehen (Senatsurteil vom 25.6. 1975, NJW 1975/1693, 1695). Nur wenn man von einer solchen Zusicherung im Sinne des §459 Abs.2 BGB ausgeht, würden im übrigen der Beklagten gegebenenfalls Schadensersatzansprüche (§§463, 480 Abs. 2 BGB) zustehen, die nicht von der formularmäßigen Freizeichnungsklausel in Nr. VI Satzl der Geschäftsbedingungen der Klägerin erfaßt würden (BGHZ 50/200 = I.56; Senatsurteile vom 25.6. 1975, aaO., und vom 19.1. 1977 = WM 1977/365,366 = 1.132). Mit ihrer im Revisionsverfahren vertretenen Ansicht, neben den Gewährleistungsansprüchen im engeren Sinn - und damit möglicherweise unberührt von der Obliegenheit zur rechtzeitigen Mängelrüge (§§377f. HGB)-stehe ihr wegen der schuldhaft falschen Beratung ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß zu, verkenntdie Beklagte, daß sich diese Beratung gerade auf eine Sacheigenschaft im Sinn des §459 Abs.2 BGB bezog und nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, angesichts der abschließenden gewährleistungsrechtlichen Regelung (§§459ff. BGB) für die Haftung wegen fahrlässig falscher Angaben über Eigenschaften der Kaufsache unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragabschluß kein Raum ist (BGHZ60/319; Senatsurteil vom 12.5.1976 = WM 1976/740; BGH, 19.3.1976, WM 1976/791, 792). Ihre in den Vorinstanzen aufgestellte Behauptung, die Klägerin habe die angegebene Ergiebigkeit arglistig vorgespiegelt, hat die Beklagte im Revisionsrechtszug nicht mehr aufrechterhalten. Gleichwohl hat die Beklagte die sich aus einer etwaigen Mangelhaftigkeit des Materials ergebenden Schadensersatzansprüche deswegen verloren, weil sie diesen Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt und damit die Ware als vertragsgemäß genehmigt hat (§377 HGB). Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daß es sich
274
1.150
Allg. Verkaufsbedingungen: Festlegung einer alsbaldigen Rügepfllcht
Unzulängliche Mängelrüge
um einen sog. verdeckten Mangel (§377 Abs. 1 HGB) gehandelt hat, der nicht bereits bei Anlieferung, sondern bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang erst nach Verarbeitung aller drei Schichten und dem anschließenden, mit der Gesamtlieferungsmenge in Vergleich zu setzenden Ausmaß festgestellt werden konnte und daß demgemäß die in Nr.V, 4 der Geschäftsbedingungen bestimmte Pflicht zur alsbaldigen Beanstandung bei Empfang der Ware hier eine spätere Erhebung der Mängelrüge nicht ausschloß - sei es, daß diese Formularbedingung bei sinnvoller Auslegung verdeckte Mängel überhaupt nicht erfaßte, sei es, daß sie deswegen unwirksam war, weil sie die Beklagte andernfalls rechtlos stellen würde (Senatsurteil vom 19.1. 1977, aaO., S.366). Auch wenn man zugunsten der Beklagten von einer solchen Sach- und Rechtslage ausgeht, so hat sie doch jedenfalls, als ihr dies nach Verarbeitung und Ausmaß möglich war, den behaupteten Mangel der unzureichenden Ergiebigkeit nicht ordnungsgemäß gerügt. Unstreitig hat die Beklagte erstmalig in ihrem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 5. Dezember 1974 im Anschluß an die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen verspäteter Anlieferung des Materials ausgeführt, sie komme „auf den Gewichtsunterschied zwischen dem gelieferten und dem angebotenen Material bei dieser Gelegenheit auf Verlangen des Bauherrn gleichfalls zurück". Als die Klägerin mit Schreiben vom 14.Januar 1975 erwiderte, sie könne den von der Beklagten angeschnittenen Punkt „Gewichtsunterschied" nicht gelten lassen, dazu müsse die Beklagte nähere Angaben machen, kündigte die Beklagte unter dem 16.1. 1975 nach längeren Ausführungen über die angebliche Verzögerung der dritten Lieferung an, sie komme „auf den Punkt Gewichtsunterschied darüber hinaus noch zurück". Daß die Beklagte vor Mitte Januar 1975, obschon zu diesem Zeitpunkt das Auftragen aller drei Schichten längst abgeschlossen war, weitere Erklärungen oder ergänzende Erläuterungen zu der Frage der Ergiebigkeit abgegeben hätte, behauptet sie selbst nicht. Damit hat aber die Beklagte ihrer Obliegenheit zur Rüge (§377 Abs3 HGB) nicht genügt. Es erscheint schon sehr zweifelhaft, ob mit dem Schreiben der Beklagten vom 5. De275
1.150
Inhaltliche Anforderungen an Mängelrügen
276
zember 1974-für die Klägerin hinreichend deutlich erkennbar - gerade eine Abweichung zwischen der zugesicherten und der tatsächlichen Ergiebigkeit des gelieferten Materials gerügt werden sollte. Jedenfalls waren aber sowohl die Rüge vom 5.Dezember 1974 als auch diejenige vom 16. Januar 1975 zu unbestimmt, Welche Anforderungen an die Bestimmtheit einer Mängelrüge zu stellen sind, läßt sich nicht allgemein, sondern nur vom jeweiligen Einzelfall her beantworten. Sicherlich braucht der Käufer, will er nicht seiner Gewährleistungsansprüche verlustig gehen, nicht eine in alle Einzelheiten gehende, genaue und fachlich richtig bezeichnete Rüge zu erheben. Es genügt vielmehr, wenn ihr der Verkäufer aus seiner Sicht, ohne daß es auf die Verständnismöglichkeit eines außenstehenden Dritten ankäme, entnehmen kann, in welchem Punkt und in welchem Umfang der Käufer mit der gelieferten Ware - als nicht vertragsgemäß - nicht einverstanden ist (RGZ47/12, 14). Maßgebende Richtschnur ist dabei der Sinn der dem Käufer vom Gesetzgeber auferlegten Obliegenheit zur Mängelrüge. Der Verkäufer soll angesichts der Beweisnot, in die er mit zunehmendem Zeitablauf zu geraten droht, in die Lage versetzt werden, möglichst bald den Beanstandungen durch den Käufer nachzugehen, gegebenenfalls Beweise sicherzustellen und zudem zu prüfen, ob er - insbesondere wenn die gesetzlichen Gewährleistungsrechte zugunsten eines Nachlieferungs- oder Nachbesserungsrechts abbedungen sind - den als sicher oder möglicherweise berechtigt erkannten Beanstandungen nachkommen und damit einen etwaigen Rechtsstreit vermeiden will. Gleichzeitig soll er gegen ein Nachschieben anderer Beanstandungen durch den Käufer geschützt werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 14.10.1970 = 1.105). Dazu gehört bei Beanstandungen, dieeine Abweichung der gelieferten Ware von einer Norm zum Inhalt haben, auch das ungefähre Maß der Abweichung, und zwar insbesondere dann, wenn die versprochene Qualität von der Natur der Sache her oder ausdrücklich eine bestimmte Marge beinhaltet und der Verkäufer als Fachmann daher ein berechtigtes Interesse an der Prüfung hat, ob die behauptete Abweichung sich noch innerhalb der handelsüblichen Grenzen hält. Hat der Kaufver-
1.151 trag mehrere selbständige Lieferungen unterschiedlicher Art und Qualität zum Inhalt, so muß die Rüge erkennen lassen, auf welche sie sich beziehen soll (RG, LZ 1925, Sp.654). Von alledem kann bei den summarischen Beanstandungen in den Schreiben vom 5. Dezember 1974 und vom 16. Januar 1975 keine Rede sein. Die Klägerin konnte ihnen nicht einmal im Ansatz entnehmen, wie weit angeblich die tatsächliche Ergiebigkeit von der zugesicherten abwich, ob sich die Abweichung mithin noch im Rahmen einer handelsüblichen Toleranz hielt und welche der drei unterschiedlichen Lieferungen beanstandet werden sollte. Die Rügen waren für die Klägerin schlechthin wertlos, weil sie sie nicht in die Lage versetzten, alsbald geeignete Schritte zur Wahrung ihrer Rechte zu ergreifen. Mit beiden Schreiben ist die Beklagte daher ihrer Obliegenheit nach §377 Abs.3 HGB nicht nachgekommen, so daß die gelieferte Ware als genehmigt gilt.
1.151: BGH, 5. 7. 1978, VIII ZR 172/77 (Hinterreifen)
Der Kläger kaufte am 21.1. 1975 bei der Beklagten, einer Vertragshändlerin eines ausländischen Kfz-Herstellers, einen gebrauchten Sportwagen dieses Herstellers. Auf der „Bestellung", die formularmäßig die Übernahme des Kraftfahrzeugs „gebraucht, wie besichtigt und unter Ausschluß jeder Gewährleistung" vorsah, war u.a. handschriftlich vermerkt: „...wird in einwandfreiem technischen Zustand übergeben..." In den auf der Rückseite des Formulars abgedruckten AGB der Beklagten heißt es unter VII (Gewährleistung): ,,/. Für den Kaufgegenstand wird keine Gewähr geleistet. Dies gilt nicht, wenn und soweit der Verkäufer schriftlich in einem gesonderten Garantieschein eine Gewährleistung übernimmt. II. Ein Anspruch auf Wandlung, Minderung oder Schadensersatz besteht nicht." 277
1.151
Haftung wegen fehlender zugesicherter Eigenschaften (§ 463) Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung
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Am28.3.1975 erlitt der Kläger mit dem Pkw einen Unfall, der auf unvorschriftsmäßige Beschaffenheit eines geplatzten Hinterreifens zurückzuführen ist. Der frühere Halter hatte anstelle der vorhandenen und im Kfz-Brief vorgeschriebenen Hinterreifen 185HR13 solche des Typs 165SR13 aufziehen lassen. Der Kläger, der im September 1975 auf seine Anfrage von der Reifenherstellerin erfuhr, daß der geplatzte Reifen für die Felgen des Pkw nicht zugelassen war, macht mit der der Beklagten am 15.2. 1976 zugestellten Klage Ersatz seines Unfallschadens (Reparaturkosten, Wertminderung, Nutzungsentgang, Gutachterkosten und Unkostenpauschale) geltend. Die Beklagte hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben. 1. Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sie wendet sich allerdings zu Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte dem Kläger gemäß §463 Satzl BGB auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; denn dieser Anspruch ist verjährt. a) Ohne Rechtsfehler sieht das Berufungsgericht in der Erklärung, der Pkw werde in technisch einwandfreiem Zustand übergeben, die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von §459 Abs.2 BGB, nämlich die Übernahme der Gewähr dafür, daß das Fahrzeug bei der Übergabe technisch in Ordnung, betriebsbereit und betriebssicher sei. Ob derartige Angaben überdie Kaufsache in einem Kaufvertrag lediglich deren Beschreibung dienen (§459 Abs. 1 BGB) oder mit ihnen eine Eigenschaft zugesichert wird (§459 Abs. 2 BGB), ist, soweit es sich nicht um typische, regelmäßig bei solchen Geschäften abgegebene Erklärungen handelt, eine Frage der tatrichterlichen Auslegung im Einzelfall. Die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung ist möglich, hält sich im Rahmen der von der Rechtsprechung zur Frage der Zusicherung von Eigenschaften entwickelten Grundsätze (vgl. Senatsurteile BGHZ59/158, 160 = I.72; vom 25.6. 1975, NJW 1975/1693 und vom 17.3.1976, WM 1976/614,615) und ist mithin für das Revisionsgericht bindend. Sie ist darüber hinaus aber auch naheliegend. Wer von einem Vertragshändler einer bestimmten Herstellerfirma einen Gebrauchtwagen gerade dieses Fabrikats erwirbt, legt vor allem Wert darauf, daß der Wagen zumindest den amtlichen Zulassungsvorschriften
1.151
Erstreckung auf die Absicherung gegen Mangelfolgeschäden Inhalt der Eigenschaftszusicherung
Unwirksamkeit des formularmäßigen Haftungsausschlusses
entspricht (§§18ff. StVZO) und damit bedenkenfrei in Betrieb genommen werden kann. Bestätigt ihm der Gebrauchtwagenhändler entgegen der sonst üblichen Gepflogenheiten im Gebrauchtwagenhandel überdies, daß der Wagen sich in technisch einwandfreiem Zustand befindet, so liegt es zumindest nahe, daß er damit die Verpflichtung übernimmt, für einen etwa entstehenden Schaden einzustehen, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. b) Die Ansicht der Revision, es könne unmöglich angenommen werden, daß die Beklagte eine haftungsbegründende Gewähr für den technisch einwandfreien Zustand sämtl icher Teile des Gebrauchtwagens habe übernehmen wollen, weil damit der Kläger weitaus besser als bei einem Neuwagenkauf gestellt würde, geht ins Leere, weil das Berufungsgericht die vertragliche Erklärung der Beklagten ersichtlich nicht in einem derart umfassenden Sinn verstanden wissen will, sondern ihren maßgeblichen Sinn in der Zusicherung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit sieht und auch sehen durfte. c) Da mit dem Aufziehen von Reifen, die der Betriebserlaubnis nicht entsprechen, diese für das hier streitige Fahrzeug erloschen war (§§18Abs.1, 19Abs. 2 Satz 1, 21 StVZO) und überdies das Fahrzeug mit den von der Norm abweichenden Reifen auch nicht mehr betriebssicher war, haftet mithin die Beklagte dem Kläger auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung (§463 Satzl BGB). d) Beizutreten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß die Haftung der Beklagten für die zugesicherte Eigenschaft weder durch die Formularbestimmung „gebraucht, wie besichtigt und unter Ausschluß jeder Gewährleistung" noch durch den in ihren AGB auf der Rückseite des Formulars enthaltenen Gewährleistungsausschluß abbedungen worden ist. Der formularmäßige Gewährleistungsausschluß erfaßt die Haftung des Verkäufers für das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gerade nicht (Senatsurteile BGHZ50/ 200,206,207 = I.56; vom 5.7.1972, WM 1972/969 = I.72 und vom17.3.1976, aaO.;vgl. jetzt auch§11 Nr.11 AGB-Gesetz). Hat der Verkäufer nicht den Willen, das Haftungsrisiko entsprechend der gesetzlichen Regelung zu behalten, so muß er dies unverständlich sowie für den Käufer deutlich - und 279
1.151
Formerfordernis für Eigenschaftszusicherung
Verjährung
Abgrenzung NichterfülIungs-/Mangelfolgeschaden 280
zwar bezogen gerade auf die abgegebene Zusicherung - im Vertragstext oder sonst bei Vertragsabschluß zum Ausdruck bringen (Senatsurteil vom 10.10. 1977, WM 1977/1351). Das ist hier nicht geschehen. Die Beklagte kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, ihre als Zusicherung zu wertende Erklärung sei nicht in der gemäß VII Nr.1 ihrer AGB vorgeschriebenen Form ( in einem gesonderten Garantieschein...") abgegeben worden (vgl. Senatsurteile vom 26.6. 1975, aaO., und vom 17.3. 1976, aaO.). 2. Die dem Kläger mithin gemäß §463 Satzl BGB an sich zustehenden Schadensersatzansprüche sind jedoch verjährt. Zwar meint das Berufungsgericht, die sechsmonatige Verjährungsfrist des §477 Abs.1 BGB habe erst begonnen, als der Kläger aus der schriftlichen Auskunft des Reifenherstellers vom 23.September 1975 mit der erforderlichen Sicherheit die Unfallursache habe erkennen können. Diese Ansicht ist jedoch rechtsirrig. Allerdings hat der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen - ohne daß es allerdings letztlich darauf angekommen wäre - die Frage aufgeworfen, ob zur Vermeidung grober Unbilligkeiten und einer Rechtsverkürzung auf Seiten des Käufers die Verjährung von gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen im weitesten Sinn unter Umständen nicht schon mit der Ablieferung der Kaufsache, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt - etwa dem Entstehen des Schadens, seiner Erkennbarkeit durch den Käufer oder ganz allgemein der Möglichkeit, derartige Ansprüche im Einzelfall in verjährungsunterbrechender Weise geltend zu machen-beginnt (Senatsurteile vom 1.12.1971, WM 1972/161; BGHZ 60/9,13; vom 14.31973, NJW1973/843 = I.75 und vom 11.1.1978, WM 1978/328; vgl. auch Larenz, Schuldrecht II, 11.Aufl., §41 II e, S.62). Diese Erwägungen betrafen jedoch ausnahmslos die Haftung für sog. Mangelfolgeschäden, die typischerweise häufig erst längere Zeit nach der Ablieferung der Kaufsache an anderen Rechtsgütern des Käufers sichtbar werden oder gar erst zu diesem Zeitpunkt entstehen. Hier handelt es sich dagegen ausschließlich um den Ersatz des reinen Nichterfüllungsschadens. Das bedarf hinsichtlich der Reparaturkosten, des Mindertwertes und des Nutzungs-
1.151 ausfalls keiner näheren Darlegung; aber auch die Gutachterkosten zur Feststellung der Mängel gehören hierzu, denn sie sind zwangsläufig die Folge des Mangels, stehen in unmittelbarem Z u s a m m e n h a n g mit der Mangelbeseitigung und vermindern - letztlich nicht anders als der infolge der Mangelhaftigkeit entgangene Gewinn (dazu Senatsurteil vom 2 . 2 . 1 9 7 2 , W M 1972/558, 560) - den Nutzwert der vom Käufer für seinen Kaufpreis in Empfang g e n o m m e n e n G e genleistung ( B G H Z 5 4 / 3 5 2 , 3 5 8 ; Peters, NJW 1978/665, 668; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses vom negativen Vertragsinteresse und vom Integritätsinteresse, S.83; Schlechtriem, VersR 1973/581, 593; Todt, BB 1 9 7 1 / 680, 683 Fn.69). O b auch bei derartigen Mängeln trotz des insoweit eindeutig e n Wortlauts des § 4 7 7 Abs. 1 BGB unter Umständen für eine Verschiebung des Beginns der Verjährungsfrist auf einen späteren Zeitpunkt als den der Ablieferung der Kaufsache Raum ist, m a g hier dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 2 1 . 1 2 . 1 9 6 0 , L M Nr.4 zu §477 BGB; Schubert, JR 1 9 7 7 / 458, 460; Rengier, JZ 1977/346, 347). Denn auch w e n n man das zugunsten des Klägers a n n e h m e n wollte, so wäre doch jedenfalls im vorliegenden Fall die Verjährung eingetreten. Dem Kläger war kurze Zeit nach d e m Unfall vom 28.3. 1975 der Umfang des Schadens bekannt. Der Kfz-Sachverständige hatte ihm im Z u s a m m e n h a n g mit der Erstattung des Gutachtens vom 2 5 . 6 . 1 9 7 5 d e n „allgemeinen Hinweis" gegeben, der Unfall könne etwas mit der Bereifung zu tun haben. Der Kläger hatte also in e n g e m zeitlichem Z u s a m m e n hang mit d e m Unfall hinreichende Kenntnis von allen Umständen, die eine Inanspruchnahme der Beklagten nahelegen. Das Erlangen dieser Kenntnis war aber der letztmögliche Zeitpunkt, an d e m die Verjährungsfrist für den Anspruch auf S c h a d e n s e r s a t z - w e n n überhaupt erst später als mit der Ablieferung des Pkw - zu laufen begann. Spätestens im Juni/Juli 1975 begann mithin hier der Lauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist und nicht etwa erst mit d e m Z u g a n g des Schreibens des Reifenherstellers vom 23.9. 1975. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 1 1 . 1 . 1 9 7 8 (aaO.) klargestellt hat, verfolgen die erwähnten Erwägungen in Rechtsprechung und Schrifttum, d e n Beginn der Verjährungsfrist 281
1.151
Deliktshaftung des Verkäufers
Anspruchskonkurrenz Vorliegen eines Sachschadens bei Wartungsfehlern
Vorliegen eines Sachschadens bei Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache?
Funktionelle Begrenzbarkelt des Mangels der neuen Sache 282
für die Haftung bei bestimmten Schäden gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt als den der Übergabe zu verschieben, nicht den Zweck, dem Käufer Gelegenheit zu geben, vor Fristbeginn auch seine Beweislage zu verbessern. 3. Damit sind vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte verjährt. Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Der Klageanspruch ist nämlich aus unerlaubter Handlung (§823 Abs. 1 BGB) begründet; insoweit greift, da der Deliktsanspruch nicht der kurzen Verjährung unterliegt (§852 BGB; BGHZ66/315 = 1.126), auch die Verjährungseinrede nicht durch, a) Das Berufungsgericht äußert gegen einen Anspruch aus unerlaubter Handlung Bedenken, weil der Kläger den Pkw bereits in mangelhaftem Zustand erworben habe. Sein Eigentum sei von Anfang an mit der Gefahr weiterer Schäden durch einen Unfall belastet gewesen. Die Verwirklichung dieser Gefahr sei keine selbständige Eigentumsverletzung. Dem kann nicht gefolgt werden. In der Entscheidung BGHZ39/366 hat der Bundesgerichtshof allerdings den auf die mangelhafte Erstellung eines Bauwerks gerichteten Anspruch eines Bauherrn auf Eigentumsverletzung (§823 Abs.1 BGB) gerade hinsichtlich dieses Bauwerks verneint, wenn die im Bau verwendeten Materialien mangelhaft waren und mit fortschreitenden Bauarbeiten jeweils ein weiterer mangelhaft erstellter Teil in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergeht (zu diesem Fragenkreis vgl. auch RG, JW1905/367 = 1.1; BGH, LM Nr.4 zu §830 BGB; BGHZ55/392, 398; OLG Karlsruhe, NJW 1956/913 = II.22; OLG Stuttgart, NJW 1967/572; OLG München, NJW 1977/438; Wilts, VersR 1967/817; Freund/Barthelmess, NJW 1975/281; Kotz, Deliktsrecht, S.41, S.42). In diesen Fällen ist wesentlich, daß der Mangel der übereigneten Sache von vornherein insgesamt anhaftete, diese damit für den Eigentümer von Anfang an schlechthin unbrauchbar war und sich der Mangel mit dem geltend gemachten Schaden deckt (vgl. dazu Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware, 1969, S.66). Hiervon hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24.11.1976 (BGHZ 67/359 = 1.130) einen Fall abgegrenzt, in dem der Verkäufer dem Käufer Eigentum an einer Anlage
1.151 verschaffte, die im übrigen einwandfrei war und lediglich ein - funktionell begrenztes - schadhaftes Steuergerät (Sicherheitsschalter) enthielt, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen hatte. Der Senat hat eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung bejaht. Er hat dabei entscheidend darauf abgestellt, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert habe und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt worden sei. Rengier (JZ 1977/346) und Schubert (JR 1977/458) halten dies der Entscheidung entgegen, auch kleine, begrenzte Fehler machten die gesamte Kaufsache von Anfang an mangelhaft und wegen der damit verbundenen Gefahr einer Zerstörung unbrauchbar. Weitnauer (Arztrecht 1978/38) bezweifelt nicht die - tatbestandsmäßig rechtswidrige - Eigentumsverletzung, meint jedoch, es fehle an einem Schaden bei späterer Zerstörung der Anlage; dieses Ereignis habe nämlich lediglich einen bereits vorher eingetretenen Schaden sichtbar gemacht. Der Wert einer Anlage, mit deren Selbstzerstörung infolge eines Fehlers gerechnet werden müsse, sei von vornherein „Null". b) Diese-im Grunde auf das gleiche hinauslaufenden - Einwände vermögen nach Ansicht des Senats nicht zu überzeugen und geben keinen Anlaß, von der in BGHZ67/359 ( = 1.130) vertretenen Auffassung abzugeben. Es ist vor allem nicht richtig, daß im Verkehr einer gefahrbehafteten Anlage kein Wert beigemessen werde. Davon könnte allenfalls die Rede sein, wenn der in Frage stehende Mangel schlechthin unentdeckbar ist und in jedem Fall zu einer Zerstörung der Gesamtanlage führen muß. Um solche Fälle geht es hier aber nicht. Daß, wie Rengier und Schubert (aaO.) hervorheben, im Einzelfall die Abgrenzung zwischen einem die übereignete Sache von vornherein insgesamt umfassenden Mangel und einem begrenzten Fehler, der erst später einen zusätzlichen Schaden an der sonst mangelfreien Sache hervorgerufen hat, auf Schwierigkeiten stoßen kann, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.11. 1976 (aaO.) herausgestellt; die 283
1.151
Anspruchskonkurrenz
Vorliegen eines Sachschadens bei Erwerb einer durch einen Wartungsfehler von der Gefahr der Selbstzerstörung betroffenen Sache und Verwirklichung dieser Gefahr
284
dortige eindeutige Fallgestaltung nötigte jedoch nicht dazu, nähere Abgrenzungskriterien aufzustellen. Nicht zu überzeugen vermag auch die von Rengier und Schubert (aaO.) vertretene Ansicht, mit der Gewährung eines deliktischen Anspruchs unterlaufe der Bundesgerichtshof die kaufrechtlichen Bestimmungen über Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§463 BGB) bzw. die Verjährungsregelung des §477 BGB. Zwischen dem Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung und demjenigen aus unerlaubter Handlung, bei dem - sieht man von den Besonderheiten der Produzentenhaftung a b - d e r Geschädigte im Gegensatz zur vertraglichen Haftung (§282 BGB) für das Verschulden des Schädigers beweispflichtig ist, besteht eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, daß jeder Anspruch der ihm eigenen gesetzlichen Regelung folgt (Senatsurteil BGHZ66/315 = 1.126). Es ist in Fällen, wie der Senat ihn in BGHZ67/359 ( = 1.130) zu entscheiden hatte, kein Grund ersichtlich, dem Geschädigten das Zurückgreifen auf deliktische Ansprüche abzuschneiden und den Schädiger damit besser zu stellen als einen Dritten, der in die gekaufte Sache nach deren Übergabe an den Käufer ein mangelhaftes, zu ihrer Zerstörung führendes Einzelteil eingebaut hat. c) Der jetzt zu entscheidende Teil - die Beschädigung eines gekauften Kraftfahrzeugs infolge eines Unfalls, der auf eine unzulässige Bereifung zurückzuführen ist - muß nach Auffassung des Senats im Ergebnis genauso behandelt werden. Zwar war der Pkw, den der Kläger bei der Beklagten erwarb, im Hinblick auf die hintere Bereifung mangelhaft. Der Wagen blieb aber als Ganzes ein wertvolles Vermögensstück. Erst nach Eigentumsübergang hat sich eine aus diesem Mangel entspringende Gefahrenursache zu einem im Vergleich zu diesem Mangel anderen und ungleich höheren Schaden infolge eines Unfalls in einer konkreten Verkehrssituation realisiert. Bei anderweitigem Verlauf, insbesondere bei rechtzeitigem Auswechseln der Reifen, wäre dieser, mit den unvorschriftmäßigen Reifen nicht stoffgleiche Schaden vermieden worden. Eine rechtswidrige Verletzung des Eigentums des Klägers durch die Beklagte ist also zu bejahen (Dunz/Kraus, aaO., S.66; vgl. auch Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S.299, der in einer
1.151
Nichterkennen des Wartungsfehlers als Vertriebsfehler Sorgfaltspflichtenvon Vertragshändlern
Mitverschulden
Erstreckung des Haftungsausschlusses auf deliktsrechtliche Ansprüche?
durch Unfall verursachten Zerstörung eines Kraftfahrzeugs, sofern dieser Unfall auf den Defekt einer Radfelge zurückzuführen ist, eine Sachbeschädigung sieht; einschränkend allerdings derselbe in VersR 1973/581, 589). Ersichtlich ist auch der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 30.5. 1978 (1.147) von der vorgenannten Rechtsauffassung cies Senats ausgegangen. 4. Ob ein Verschulden der Beklagten vorliegt, hat das Berufungsgericht offengelassen. Der Senat kann diese Frage jedoch, da insoweit keine Feststellungen mehr zu treffen sind, selbst abschließend beantworten. Sie ist in Übereinstimmung mit der Ansicht des Landgerichts zu bejahen, weil die Beklagte als Vertragshändlerin (des betreffenden Kfz-Herstellers) zumindest verpflichtet war, den Gebrauchtwagen daraufhin zu überprüfen, ob er den Zulassungsvorschriften entsprach und insbesondere in Einzelteilen nicht so verändert war, daß die Betriebserlaubnis erloschen war. Bei einer solchen, auch nurflüchtigen Prüfung hätte ihr aber auffallen müssen, daß die durch Beschriftung deutlich gekennzeichneten Hinterreifen nicht den Angaben im Kraftfahrzeugbrief entsprachen. 5. Ein Mitverschulden des Klägers hat das Berufungsgericht, wenn auch in anderem Zusammenhang deswegen verneint, weil er sich auf eine sorgfältige Untersuchung durch die Beklagte habe verlassen können. Auch das läßt im Hinblick darauf, daß der Kläger sich an die Beklagte gerade als Vertragshändlerinfür Fahrzeuge (des betreffenden Kfz-Herstellers) gewandt und diese ihm den technisch einwandfreien Zustand des gebrauchten Fahrzeugs noch ausdrücklich zugesichert hatte, keinen Rechtsfehler erkennen. 6. Schließlich kann sich die Beklagte gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung (§823 Abs. 1 BGB) auch nicht auf den formularmäßigen Haftungsausschluß (Abschnitt VII der AGB der Beklagten) und den Umstand berufen, daß der Kläger das Fahrzeug ,,wie besichtigt" gekauft hatte. Zwar entspricht im Gebrauchtwagenhandel ein möglichst weitgehender Haftungsausschluß den üblichen Gepflogenheiten dieses Geschäftszweiges. Der Senat hat ihn bereits früher als „geradezu ein Gebot der 285
1.151
Unklarheitenregel
wirtschaftlichen Vernunft" bezeichnet (Senatsurteil vom 21.3. 1966, WM 1966/473, 474). Andererseits hatte die Beklagte hier durch Individualerklärung den „einwandfreien technischen Zustand" des Gebrauchtwagens ausdrücklich zugesichert. Wollte sie gleichwohl sich auch gegenüber derartigen Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung freizeichnen und damit ihre Zusicherung auch in diesem Haftungsbereich weitgehend gegenstandslos und damit für den Käufer wertlos machen, so hätte sie dies unmißverständlich klarstellen müssen. Der bloße, im Rahmen der Regelung über die vertragliche Gewährleistung gemachte formularmäßige Hinweis, daß ein „Anspruch auf Schadensersatz" nicht bestehe, reichte jedenfalls bei den Besonderheiten des vorliegenden Falles für einen derart umfassenden Haftungsausschluß nicht aus. Die weitere Frage, ob allgemein, auch ohne daß eine besondere Zusicherung vorliegt, Haftungsfreizeichnungsklauseln der hier verwendeten Art im Gebrauchtwagenhandel auch deliktische Schadensersatzansprüche umfassen, kann daher auf sich beruhen (vgl. dazu auch BGHZ67/359, 366 = 1.130).
Anmerkung: SachschadenBegriff
286
1. In der Frage des Sachschadens (Nr. 3) bestätigt der VIII. Senat zwar die Schwimmerschalter-Entscheidung (1.130). Der Sachverhalt der beiden Entscheidungen ist aber nicht vergleichbar. Im Schwimmerschalter-Fall handelte es sich um die Herstellung einer neuen, wegen eines mangelhaften Einzelteils von der Selbstbeschädigung bedrohten und deshalb mangelhaften Sache. Hier aber handelte es sich um die nachträgliche Ausstattung einer vom Hersteller bereits in den Verkehr gebrachten Sache (Sportwagen) mit anderen Teilen: der frühere Halter hatte anstelle der zunächst vorhandenen vorgeschriebenen Hinterreifen unzulässige andere Reifen aufziehen lassen. Die deliktsrechtlich relevante Frage war also, obein Vertriebshändler für die nachträgliche Ausstattung eines Produktes mit unzulässigen Einzelteilen, die dann zu einer Beschädigung der Sache führen, haftet.
(Anm.) 1.151 Deliktshaftung für Schäden an der gelieferten Sache
Bei der Frage einer deliktsrechtlichen Haftung für SelbstzerStörungen bzw. Selbstbeschädigungen von Sachen aufgrund von eingebauten bzw. montierten mangelhaften Einzelteilen sind also mindestens drei Fragenbereiche zu unterscheiden: - Haftung des Herstellers, wenn das mangelhafte Einzelteil bei der Herstellung eingebaut wurde - Haftung desjenigen, der ein in den Verkehr gebrachtes Produkt mangelhaft repariert bzw. mit Ersatzteilen versieht, die die Gefahr der Selbstzerstörung bzw. Selbstbeschädigung enthalten - Haftung Dritter in Fällen, in denen die Mangelhaftigkeit des Einzelteils und die dadurch bedingte Gefahr der Selbstbeschädigung bzw. Selbstzerstörung für sie erkennbar ist: wird eine derartige Haftung bejaht, bleibt dann noch zu prüfen, ob für eine derartige deliktsrechtliche Schadensersatzhaftung des Dritten (z. B. Vertriebshändler) zu unterscheiden ist zwischen (a) bereits von Anfang an mangelhaften und (b) erst später durch die Reparatur bzw. den Austausch mangelhaft gewordenen Sachen.
Vertriebshändlerhaftung
2. Der BGH erkennt in der obigen Entscheidung ausdrücklieh eine deliktsrechtliche Produkthaftung des Vertriebshändlers für in seinem Bereich erfolgte Vertriebsfehler an. Der Vertriebsfehler wird vom BGH darin gesehen, daß die Beklagte als Vertragshändlerin des ausländischen Herstellers zu einer Überprüfung verpflichtet gewesen sei, ob der Gebrauchtwagen den Zulassungsvorschriften entsprach (Nr. 4). Rechtsgrundlage auch der deliktsrechtlichen Vertribbshändler-Haftung ist die aus §823Abs. 1 BGB abgeleitete allgemeine Verkehrssicherungspflicht: „Jedermann muß sich so verhalten, daß nicht in seinem Herrschaftsbereich widerrechtlich Ursachen für eine Verletzung der Person oder von Sachen Dritter gesetzt werden. Er muß im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren die erforderlichen und ausreichenden Maßnahmen treffen, um Gefahren für jene Rechtsgüter zu vermeiden. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung dieser Pflicht haftet er dem Geschädigten auf Schadensersatz" (vgl. Eint. Bd. I).
RechtsgrundI age
287
1.151 (Anm.) Keine Eigenverantwortung des Vertriebshändlers für den Herstellerbereich
a) Aufgabenbereich des Vertriebshändlers ist definitionsgemäß lediglich der Vertrieb fremdproduzierter Erzeugnisse. Anders als der Endhersteller, der fremdproduzierte Einzelteile bei der Herstellung seines Endprodukts benutzt oder aber Auftragsnehmer mit der Vornahme bestimmter Tätigkeiten beauftragt, hat der Vertriebshändler keine Tätigkeiten Dritter in sein eigenes „Arbeitsergebnis" eingebaut. Vielmehr handelt es sich im Verhältnis zum Hersteller um eine andersartige Wirtschaftsstufe. Eine „Hersteller-Einschaltungshaftung" von Vertriebshändlern ähnlich der Drittunternehmer-Einschaltungshaftung von Herstellern (vgl. dazu Anm. 1.101) ist nicht vertretbar. Folglich besteht grundsätzlich keine Verpflichtung eines Vertriebshändlers zur ordnungsgemäßen Auswahl der Hersteller, deren Produkte vertrieben werden, und erst recht nicht zur vertraglichen Festschreibung der von diesen Herstellern zu treffenden Qualitätssicherungsmaßnahmen oder zur laufenden Überwachung. Dies gilt sowohl für Detaillisten als auch für Zwischen- und Großhändler.
Haftung des Vertriebshändlers für Vertriebsfehler
b) Das bedeutet aber keineswegs, daß Vertriebshändler keiner Produkthaftung unterlägen. Damit ist lediglich gesagt, daß Vertriebshändlern grundsätzlich keine vom Hersteller gesetzten Schadenursachen zugerechnet werden können. Es bleibt aber die Haftung der Vertriebshändler für den eigenen Herrschaftsbereich. Besagt die allgemeine deliktsrechtliche Generalklausel, daß jedermann dafür verantwortlich ist, daß nicht in seinem Herrschaftsbereich Ursachen für die Verletzung deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter Dritter gesetzt werden, dann haftet der Vertriebshändler für Vertriebsfehler.
VertragshändlerHaftung
Dieser Rechtssatz wird in der obigen Entscheidung ausdrücklich bestätigt. Den Vertriebs fehler sieht der BGH darin, daß der Beklagte eine von ihm zu verlangende Überprüfung, ob der Gebrauchtwagen den Zulassungsvorschriften entspricht, nicht vorgenommen hat. Diese Verpflichtung wird entscheidend damit begründet (Nr. 4 und Nr. 5 des Urteils), daß der Beklagte Vertragshändler des ausländischen PkwHerstellers sei. c)Aus Nrn. 4 und 5 des obigen Urteils ergibt sich, daß einem sog. Vertragshändler relativ intensivere Gefahrabwen-
288
(Anm.) 1.151 VertragshändlerHaftung
dungspflichten obliegen können als einem normalen Vertriebshändler. Die Grundlage dafür ergibt die Überlegung, daß der Vertragshändler im allgemeinen eine besonders intensive Beziehung zu dem betreffenden Hersteller und dessen Produkten hat(z. B. ausdrückliche Übernahme von Service-, Reparatur-, Wartungs- und ähnlichen Funktionen) und in der Regel - so auch im obigen Fall - ausdrücklich mit diesem besonderen Status wirbt. Im einzelnen bleibt dies in der Praxis auszuloten. Der Ausgangspunkt muß aber immer sein, daß einem Vertriebshändler grundsätzlich keine Haftung für im Herstellerbereich verursachte Fehler obliegt, sondern daß eine Mitverantwortung des Vertriebshändlers für derartige Fehler das Vorliegen eines Vertriebsfehlers voraussetzt.
Beispiele für Vertriebsfehler
3. Läßt man das Sonderproblem der Vertragshändler heraus, sind folgende klassische Beispiele für Vertriebsfehler anzuführen:
Nichtberücksichtigung von Herstellerfehlern als Vertriebsfehler Berücksichtigung von Reklamationen und Schadenmeldungen
- Verkauf von Produkten für Verwendungszwecke, für die sie nicht geeignet sind - unzulängliche Beratung über die Verwendbarkeit der verkauften fremdproduzierten Erzeugnisse - Versandfehler (z. B. Materialverwechslung: vgl. 1.51) - Lagerungsfehler Werden durch derartige Vertriebsfehler Schäden Dritter ausgelöst, liegt kein Herstellungsfehler, sondern ausschließlichein Vertriebsfehler vor, für den ausschließlich der Vertriebshändler verantwortlich ist. 4. Hat der Vertriebshändler selbst einen „ aktiven" Vertriebsfehler im Sinn der gegebenen Beispiele verursacht, ist die Vertriebshändlerhaftung unproblematisch. Schwieriger sind die Fälle, in denen zwar ein im Herstellungsbereich gesetzter Fehler vorliegt, dieser Herstellungsfehler aber für den Vertriebshändler erkennbar war. Handeltes sich z. B. um den Konstruktionsfehler eines Serienproduktes und hat ein Vertriebshändler im Lauf der Zeit Hunderte dieser Produkte veräußert, die zu Dutzenden von Reklamationen wegen eines bestimmten Fehlers geführt haben, dann ist die durch diesen Konstruktionsfehler bedingte Mangelhaftigkeit des Produkts dem Vertriebshändler bekanntgeworden. Verkauft 289
1.151 (Anm.)
Personelle Verflechtung mit dem HerstellerBetrieb
Gesamtschuldnerische Haftung des Hersteller- und des VertriebshändlerUnternehmens
290
er weiterhin das betreffende Erzeugnis ohne nähere Überprüfung oder z. B. ohne Warnung der Kunden, so begeht er seinerseits einen Vertriebsfehler, indem er ein Fremdprodukt, dessen Mangelhaftigkeit ihm bekannt ist, veräußert (vgl. 1.129). Das gleiche gilt z. B., wenn Mitglieder der Geschäftsleitung des Vertriebs-Unternehmens zugleich auch Mitglieder der Geschäftsleitung des kapitalmäßig verbundenen Hersteller-Unternehmens sind, wenn aufgrund dieser personellen Verflechtung dem Vertrieb-Unternehmen bekannt ist, daß die Fertigungsverhältnisse nicht ausreichend sind und deshalb das Vertrieb-Unternehmen mit der Mangelhaftigkeit der von diesem Hersteller-Unternehmen gelieferten Produkte rechnen muß (vgl. BGH, 1.41 - Kondenstopf). Wenn praktisch ein einheitlich geführter Betrieb gegeben ist wie im Fall der zitierten Entscheidung, kann sich aus diesem Informationsfluß je nach Lage des Einzelfalles eine haftungsrechtliche Mitverantwortung des Vertrieb-Unternehmens für vom Hersteller-Unternehmen gesetzte Schadenursachen ergeben. Dies setzt aber ein genaues Eingehen auf die Umstände des Einzelfalles voraus. Es handelt sich hier nicht um eine haftungsrechtliche Lösung, die die Selbständigkeit juristischer Personen in Frage stellt (so Graf von Westphalen, BB 1977/ 213), sondern um eine Eigenhaftung des Vertrieb-Unternehmens für die im Bereich des Hersteller-Unternehmens gesetzten Ursachen aufgrund der dem Vertrieb-Unternehmen erkennbaren Umstände. Hier liegt dann ein „besonderer Fall" vor, der das Vertrieb-Unternehmen ausnahmsweise (1.138) zu besonderen Maßnahmen verpflichtet. Neben die Konstruktions- bzw. Fabrikationshaftung des Herstellers tritt in den gegebenen Beispielen also eine Haftung des Vertriebshändlers für den von ihm begangenen Vertriebsfehler. Wird ein Kunde des Vertriebshändlers oder aber ein außenstehender Dritter geschädigt (z. B. Absplittern von Teilen einer Bohrmaschine, deren Gefährlichkeit dem Vertriebshändler aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalles erkennbar war), kann der Geschädigte sowohl den Hersteller (wegen des Konstruktions- bzw. Fabrikationsfehlers) als auch den Vertriebshändler (wegen des Vertriebsfehlers) in Anspruch nehmen. Beide haften gesamtschuld-
(Anm.) 1.151
Untersuchungspflichten des Vertriebshändlers
Keine Verpflichtung zur herstellerähnlichen Untersuchung bzw. Prüfung
nerisch (§840 BGB) auf vollen Schadensersatz. Die Eigenhaftung des Vertriebshändlers für den von ihm begangenen Vertriebsfehler kann für den Vertriebshändler von erheblicher Bedeutung werden, wenn z. B. der Hersteller in der Zwischenzeit in Konkurs gegangen ist und der Geschädigte lediglich noch die Möglichkeit hat, gegen den Vertriebshändler vorzugehen. 5. Der Vertriebshändler muß also jedenfalls die tatsächlich bekanntgewordenen Fehler berücksichtigen. Die für die Praxis eminent wichtige weitere Frage ist, welche Untersuchungspflichten einem Vertriebshändler obliegen, d. h. unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Vertriebshändlers für fahrlässiges Nichterkennen eines im Herstellungsbereich gesetzten Fehlers besteht. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach klargestellt, daß derjenige, der fremde Erzeugnisse lediglich vertreibt, „nur dann verpflichtet ist, die Ware vor ihrem Verkauf auf eine gefahren freie Beschaffenheit zu untersuchen, wenn aus besonderen Gründen Anlaß zu einer solchen Überprüfung besteht oder die Umstände des Falles eine Überprüfung nahelegen" (1.138; vgl. auch 1.23,1.41). Der Vertriebshändler ist also grundsätzlich nicht zur Vornahme von herstellerähnlichen Prüfungen verpflichtet (1.23,1.41). Die Grundlage dafür ergibt die Überlegung, daß im Rahmen einer Verschuldenshaftung Herstellerprüfungen nur von einem Hersteller, nicht aber von einem Vertriebshändler verlangt werden können. Andererseits ist der Vertriebshändler aber verpflichtet, die ihm möglichen Untersuchungen bzw. Prüfungen vorzunehmen. Jedenfalls eine Sichtkontrolle ist dem Vertriebshändler möglich, so daß in jedem Fall die Nichtvornahme einer Sichtkontrolle einen Vertriebsfehler darstellt.1 Ob und in-
1
Diese Händler-Untersuchungspflichten sind völlig unabhängig von den kaufmännischen Untersuchungsobliegenheiten (I.23). Es handelt sich hier nicht um die Aufrechterhaltung von Gewährleistungsansprüchen gegen das Lieferwerk, sondern um die eigene Schadensersatzhaftung des Händlers gegenüber Dritten (I.23; vgl. auch Anm. zu 1.124 zur vergleichbaren Problematik des Verhältnisses zwischen kaufmännischen und haftungsrechtlichen Untersuchungspfli&titen).
291
1.151 (Anm.)
Haftung für fahrlässiges Nichterkennen von Herstellungsfehlern
292
wieweit darüber hinaus z. B. auch eine Funktionskontrolle erforderlich ist, kann jeweils nur nach Sachlage des Einzelfalles entschieden werden. Maßgeblich ist dabei, daß vom Vertriebshändler z. B. in technischer Sicht auch nur ein Vertriebshändler-Wissen verlangt werden kann. Dabei ist also zu berücksichtigen, ob es sich um einen spezialisierten Vertriebshändler handelt oder aber um einen nicht spezialisierten Handelsbetrieb. Zum Beispiel von einem -BauzubehörHändler wird ein höheres technisches Wissen verlangt werden als von einem Kaufhaus. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß eine Haftung von Vertriebshändlern auch in den Fällen bestehen kann, in denen ein fahrlässiges Nichterkennen von im Herstellerbereich gesetzten Schadenursachen vorlag. Die obige Entscheidung ergibt dafür ein Musterbeispiel. Aufgrund des besonderen Status' als Vertragshändler wurde der Beklagten eine besondere Untersuchungspflicht auferlegt, deren Verletzung die Grundlage für die Schadensersatzhaftung ergab. Eine derartige Haftung des Vertriebshändlers für fahrlässiges Nichterkennen von Herstellungsfehlern oder sonstigen außerhalb seines Bereiches gesetzten Schadensursachen ist nur konsequent: wenn für den Vertriebshändler bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt der Mangel des Produkts tatsächlich erkennbar war, liegt eine fahrlässige Verletzung des Satzes vor, daß niemand in seinem Herrschaftsbereich Ursachen für die Verletzung deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter Dritter setzen darf.
11.21
II. Teil: Entscheidungen der Oberlandesgerichte 11.21: OLG Karlsruhe, 8.7.1953,1 U 316/52 (Anhydritmörtel) Die Beklagte hatte von der Klägerin hergestellten Anhydritmörtel bei Bauten zur Verlegung von Fußböden verwendet. Die Beklagte erhob die Mängelrüge mit der Begründung, überall dort hätten sich Löcher gebildet, wo der Fußboden einer Wassereinwirkung ausgesetzt war. Die Klägerin bestreitet dies mit dem Hinweis darauf, daß nach DIN 4208 der Anhydritbinder ausdrücklich als „kein hydraulisches Bindemittel" bezeichnet sei: er dürfe nur für Bauteile verwendet werden, die keiner dauernden oder auch nur langwährenden Einwirkung von Wasser ausgesetzt sind. Die Werbeschrift der Klägerin weise allerdings insofern einen gewissen Widerspruch auf, als darin außer dem Hinweis auf die Wasserunbeständigkeit zugleich gesagt werde, der Binder eigne sich auch für Außenputz und Fensterbänke, die in der Regel Witterungseinflüssen ausgesetzt sind. Die Einwirkung von Regenwasser sei aber keine ständige, weil das Wasser alsbaldablaufe, so daß auch Bauteile, die nur vorübergehender Wassereinwirkung ausgesetzt sind, unter Verwendung des Anhydritmörtels haltbar hergestellt werden können. DIN-Normen
Mit Recht hat das Landgericht angenommen, daß es einem allgemeinen Handelsbrauch entspricht, daß im Baugewerbe der Käufer die DIN-Vorschriften des gekauften Materials gegen sich gelten lassen muß. Hierzu ist das Landgericht durchaus begründet aufgrund des Gutachtens derlndustrieund Handelskammer Mannheim gekommen. Es spielt dabei keine Rolle, daß die Beklagte im Baugewerbe keinen wirkli293
11.21 chen Großbetrieb hat. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob sie im Sinne des §2 HBG als Sollkaufmann zu betrachten ist oder nicht, denn da die Normvorschriften im Baugewerbe allgemein bekannt und jedem Interessenten zugänglich sind, müßte die Beklagte auch ohne Eintragung im Handelsregister diesen allgemeinen Handelsbrauch gegen sich gelten lassen, da sie immerhin ein Baugewerbe größeren Umfangs mit zahlreichen Angestellten betreibt. Im übrigen mag darauf hingewiesen werden, daß die Klägerin gar nicht wissen konnte, zu welchem Zweck sie - ohne besondereweitere Aufklärung - sich mit den erfolgten Hinweisen auf die Werbeschrift und die DIN-Vorschrift begnügen konnte. Bezugnahme auf DIN-Norm in Werbeschrift
Werbeangaben und DIN-Norm
294
Die Beklagte hat im übrigen nicht nur die Möglichkeit gehabt, sich über den Inhalt der DIN-Norm zu vergewissern. Sie hatte auch die Werbeschrift der Klägerin im Besitz, die selbst geradezu auf die Norm verwiesen hat. Deshalb kommt es somit bezüglich der Kenntnis und des Kennenmüssens der Käuferin vom Inhalt der Norm nicht auf eine Handelsüblichkeit an. Vielmehr ist die Norm zum Vertragsinhalt geworden und (ist es Sache) der Beklagten, wenn sie sich nicht genauer über den Inhalt vergewissert hat. Es sind keine für den Streitpunkt wesentlichen Widersprüche zwischen der Werbeschrift und der DIN-Vorschrift festzustellen. Danach ist die Verwendung auszuschließen unter Erde und unter Wasser. Über Erde ist bei Wassereinwirkung nur die Verwendung auszuschließen, die eine dauernde Wassereinwirkung voraussetzt. Es ist ein Unterschied, ob Flächen von Wasser zwar beansprucht, aber nicht dauernd diesem ausgesetzt sind, was dort, wo das Wasser alsbald abfließen kann, ohne weiteres gegeben wäre. Auch die Verwendung der Fliesen und Wandplatte für gekachelte fugenlose Wände widerspricht dem nicht. In der Regel sind Fliesen und Kacheln keiner dauernden Wassereinwirkung ausgesetzt. Auch der Hinweis in der Werbeschrift, daß Anhydrit nicht als „hydraulisches Bindemittel" bezeichnet werden könne, sagt jedem Fachmann, daß eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme durch Wasser, eine langandauernde Aussetzung demselben, ausgeschlossen sein soll. Ein anderes hat auch die Werbeschrift nicht gesagt.
11.22 Mündliche Erläuterungen und DIN-Norm
Wenn die Berufung hervorhebt, daß in der Werbeschrift Chemikalienfestigkeit, also mehr als Wasserfestigkeit zugesagt sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß Chemikalienfestigkeit nicht einer Wasserfestigkeit gleichzuachten ist. Die erstere bedeutet nicht etwa eine umfassendere Festigkeit, sondern ist etwas ganz anderes. Daran ändert auch die Auffassung des Zeugen G nichts. Einer nochmaligen Vernehmung des genannten Zeugen oder einer Gegenüberstellung mit dem Zeugen R bedarf es nicht. Denn selbst wenn der blonde Mann, von dem der Zeuge G spricht, eine Wasserund Säurefestigkeit zugesichert haben sollte und wenn die Klägerin für diese Erklärung haftbar zu machen wäre, weil es ihr Vertreter gewesen sein sollte, dann kann eine solche Erklärung im Zusammenhang mit der Werbeschrift und der mit ihr in bezug genommenen DIN-Vorschrift nicht anders verstanden werden, als wie es die Werbeschrift und das DINBlatt 4208 erläuterte. Ohne daß es auf weitere Beweise, insbesondere die Erhebung eines Obergutachtens ankommen konnte, ist daher die Mängelrüge der Beklagten als unbegründet festzustellen.
11.22: OLG Karlsruhe, 7. 3. 1956, 5 W 226/55
Sachschaden bei Herstellung einer mangelhaften neuen Sache?
In der unzureichenden Bauweise lag nicht die Zerstörung oder Beschädigung eines bestehenden Gebäudes. Vielmehr ist das Gebäude dadurch erst, allerdings mit Fehlern behaftet, geschaffen worden. Die Errichtung eines zwar mangelhaften, aber nicht unbrauchbaren Gebäudes kann auch nicht als Beschädigung des Grundstücks angesehen werden. Eine Eigentumsverletzung ist daher bei der Erstellung eines mangelhaften Gebäudes begrifflich zu verneinen.
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11.23 11.23: OLG Karlsruhe, 27. 6. 1958, 7 U 186/57 (Klebstoff)
Instruktionshaftung
Verpflichtung zum konkreten Hinweis auf Gefahr und Gefahrabwendungsmöglichkeiten
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1. Das Landgericht hat zu Recht die Haftbarkeit der Beklagten für die Schäden der Klägerin bejaht. Der von ihr hergestellte und in den Handelsverkehr gebrachte Klebestoff T2115 konnte angesichts der in ihm enthaltenen, beim Aufstreichen verdunstenden und sich rasch verbreitenden entzündlichen Lösungsmittel ohne Feuergefahr nur bei Meiden jeden offenen Feuers oder Lichts auch an entfernteren Stellen des Verarbeitungsraumes und offengehaltenen Fenstern, durch welche die Dämpfe sofort abzuströmen vermögen, verarbeitet werden. Das Inverkehrbringen des Mittels eröffnet eine Gefahrenquelle im Verkehr und begründet damit für die Beklagte als die die Gefährdungsmöglichkeit Schaffende die Rechtspflicht, zugleich mit dem Vertrieb des Erzeugnisses Vorkehrungen für die sichere Abwehr möglieher Gefahren zu treffen. Das hatte in Form eines der Verpackung untrennbar beigefügten Hinweises zu geschehen, in dem u.a. auch das Entstehen entzündbarer Dämpfe bei der Verarbeitung ausdrücklich erwähnt und die zur Vermeidung von daraus hervorgehenden Gefahren erforderlichen Vorsichtsmaßregeln deutlich und nachdrücklich angegeben wurden. Die von der Beklagten gegebenen Hinweise, insbesondere die Bezeichnung des Erzeugnisses als „feuergefährlich" ohne weiteren Hinweis stellt keine angemessene Belehrung dar. Das Unterbleiben der nach der Sachlage rechtlich gebotenen angemessenen Belehrung ist der Beklagten als Außerachtlassen der von ihr zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt zur Last zu legen. Sie hatte als Herstellerin des Mittels genaue Kenntnis von den sich bei seiner Verarbeitung vollziehenden chemischen Vorgängen und den sich daraus ergebenden Gefahren, konnte und mußte daher die Notwendigkeit einer Belehrung, die den möglichen Gefahren und dem Denk- und Vorstellungsvermögen der mit dem Mittel in Berührung Kommenden entsprach, in Betracht ziehen und war somit bei pflichtgemäßer Prüfung in der Lage, zu überschauen, daß die von ihr gegebene Belehrung zu all-
11.23 gemein gehalten und ungenau war, um dem Benutzer des Klebemittels die erforderliche deutliche Vorstellung von den möglichen Gefahren und ihrer Abwehr zu geben. Es war von ihrem Blickpunkt aus bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt auch durchaus vorauszusehen, daß es angesichts der unzureichenden Belehrung zu Unfällen kommen konnte, die ihre Ursache darin hatten, daß die Benutzer des Klebemittels zwar mit der unmittelbaren Feuergefährlichkeit des Stoffes, aber nicht mit der Entwicklung entzündlicher und im ganzen Raum sich verbreitender Dämpfe rechneten. Kenntnis von der Instruktionsverpflichtung
Vorhersehbarkeit des Schadens als Grundlage der Instruktionshaftung Erforderlichkeit von Gefahrabwendungsmaßnahmen
Kausalitätsnachweis
3. Die Beklagte kann zu ihrer Entlastung nicht geltend machen, angenommen zu haben, zu einer so umfassenden Belehrung, wie sie nunmehr als geboten erachtet wird, gesetzlich nicht verpflichtet zu sein. Sie verkennt dabei, daß die hier in Betracht kommende Belehrungspflicht ihre Grundlage allein in dem - unabhängig von einer besonderen gesetzlichen Regelung bestehenden - allgemeinen Rechtsgrundsatz der Pflicht zur Gefahrenabwehr durch den eine Gefahrenquelle im Verkehr Eröffnenden hat. 4. Der Hinweis auf das Fehlen von Weisungen und Richtlinien der zuständigen Berufsgenossenschaft und des Fachverbandes sowie das bisherige Nichtvorkommen eines Unfalls wie des hier zur Erörterung Stehenden vermögen die Beklagte gleichfalls nicht zu entlasten. Denn sie hatte unabhängig von dem Bestehen oder Nichtvorhandensein solcher Weisungen und Richtlinien in eigener Verantwortlichkeit zu prüfen, was notwendig war, um die mit der Benutzung ihres Erzeugnisses verbundenen Gefahren nach bester Möglichkeit zu unterbinden. Der Mangel von Erfahrungen mit Unfällen der hier in Frage stehenden Art ist ebenfalls kein Entschuldigungsgrund. Es kommtfürdie Beurteilung der Frage des Vorliegens eines fahrlässigen Verhaltens allein darauf an, obein solcher Unfall bei pflichtgemäßer Prüfung voraussehbar war. Das ist aber zu bejahen. 5. Das von der Beklagten als schuldhafte Unterlassung gebotenen Handelns zu vertretende Unterbleiben einer angemessenen Belehrung der Benutzer ist ursächlich für die Entstehung des Unfalls gewesen. Der Beklagte S. hat zwar bei der Entstehung des Unfalls durch Unterlassen der von ihm nach den Umständen zu erwartenden Vorsichtsmaßregeln 297
11.23 Adäquanz-Test
Mitverschulden
298
fahrlässig mitgewirkt. Diese Mitwirkung war jedoch nicht der Art, daß der Unfall nicht mehr als adäquate Folge der der Beklagten zur Last zu legenden Unterlassung angesprochen werden könnte. Der Beitrag des Beklagten S. zur Entstehung des Unfalls könnte nur dann als ein die Kausalität der Beklagten ausschließender Faktor erachtet werden, wenn das durch das Verhalten des Zweitbeklagten ausgelöste Geschehen gänzlich außerhalb des von der Erstbeklagten voraussehbaren Ablaufs der Dinge gelegen hätte. Das war jedoch nicht der Fall. Es ist davon auszugehen, daß der Zweitbeklagte keine Kenntnis von der Entstehung entzündlicher Dämpfe bei der Verarbeitung des Mittels hatte. Denn es ist glaubhaft, daß er im Fall einer solchen Kenntnis schon im Hinblick auf die Gefährdung seiner eigenen Person sorgfältiger vorgegangen wäre, als er es tatsächlich getan hat. Die Kennzeichnung des Klebstoffs als „feuergefährlich" war auch für ihn als Schreiner kein zwingender Hinweis auf die aus der Bildung brennbarer Dämpfe drohenden Gefahren. Der Zweitbeklagte hat zwar die von ihm angesichts der Kenntnis von der „Feuergefährlichkeit" des Mittels zu erwartende Sorgfalt außer acht gelassen. Sein den Unfall auslösendes Verhalten ist jedoch zum Teil auf sein mangelndes Unterrichtetsein von den möglichen Gefahren infolge unzureichender Belehrung durch die Erstbeklagte zurückzuführen und lag insoweit durchaus im Rahmen des von dieser voraussehbaren Geschehens. Die Bedenken der Erstbeklagten gegen ihre Inanspruchnahme auf Schadenersatz wegen fahrlässiger Herbeiführung des die Schädigung der Klägerin auslösenden Unfalls sind somit nicht begründet. 6. Die gegen die Feststellung des Landgerichts gerichtete Berufung der Klägerin, daß sie in einem mit 1A anzunehmenden Ausmaß den Unfall selbst mit herbeigeführt habe und daher insoweit von den Beklagten Schadenersatz nicht verlangen könne, ist begründet. Auch wenn man mit den Beklagten davon ausgeht, die Klägerin sei von ihrem Ehemann zuvor gewarnt worden, so könnte darin noch kein hinreichender Ausgangspunkt für die Feststellung eines Mitverschuldens der Klägerin an dem Unfall erblickt werden. Es müßte dabei in Betracht gezogen werden, daß die Warnung des Ehemannes in diesem Fall angesichts der unzureichen-
11.24 den Belehrung auf der Verpackung nur aus einem allgemeinen Hinweis auf die Feuergefährlichkeit des Klebstoffes bestehen, die Klägerin also dadurch keinesfalls eine Vorstellung von der dem Mittel innewohnenden eigentlichen Gefährlichkeit - der Entstehung entzündlicher Dämpfe - erlangen konnte. Ein im Rahmen des §254 BGB beachtliches Mitverschulden der Klägerin könnte nur dann angenommen werden, wenn festzustellen wäre, daß die Klägerin in ihrer eigenen Angelegenheit die Sorgfalt außer acht gelassen habe, welche ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Das Vorliegen eines solchen Mangels an der gebotenen Sorgfalt ist jedoch unter den gegebenen Umständen bei der Klägerin nicht festzustellen. Es ist insbesondere in Betracht zu ziehen, daß sie angesichts des Verhaltens des mit der Aufstreicharbeit befaßten Zweitbeklagten keinen Anlaß zu irgendwelchen Befürchtungen hatte. Die Feststellung, daß die Klägerin an der Entstehung des Unfalls schuldhaft mitgewirkt habe, läßt sich hiernach nicht aufrechterhalten.
11.24: OLG Bremen, 14. 6. 1960, 3 U 296/1959 (Röntgengerät)
Vertragshaftung
Fehler- und Kausalitätsnachweis
Die geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche sind jedenfalls dem Grunde nach durch die Gesundheitsschäden verursacht, die dem Ehemann der Klägerin durch die Röntgen-Tiefenbestrahlungen im Strahlenhaus der Erstbeklagten zugefügt worden sind. Zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Erstbeklagten ist unstreitig ein Behandlungsvertrag abgeschlossen worden, in dessen Erfüllung Dr. B. als behandelnder Arzt gegenüber dem Ehemann der Klägerin tätig geworden ist. 1. Diese Überdosis von Röntgenstrahlen hat auch im Körper des Ehemanns der Klägerin starke Verbrennungen verursacht, die zu einem tiefgreifenden Ulkus geführt haben, von dem der Mastdarm und das Kreuzbein in Mitleidenschaft ge299
11.24
Anscheinsbeweis
Fehlernachweis Beurteilungszeitpunkt
300
zogen worden sind. Bei diesem Sachverhalt rechtfertigte sich zunächst der Schluß, daß die Überbestrahlung, die bei einer ordnungsgemäßen Behandlung nicht eintreten durfte, durch ein Verschulden der mit der Bestrahlung im Auftrag der Erstbeklagten befaßten Personen verursacht worden war. Da ein Verschulden des medizinisch-technischen und des technischen Personals nach dem inzwischen unstreitig gewordenen Sachverhalt aus dem Rahmen der Betrachtungen ausscheiden mußte, blieb nur ein mögliches Verschulden des ärztlichen Personals, d. h. des behandelnden Arztes Dr. B., das als Ursache hätte in Betracht gezogen werden können. Bei einer derartigen Sachlage mußten die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zur Anwendung kommen. 2. Die Beklagten haben aber gegenüber diesem Anscheinsbeweis die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufes nachgewiesen, der ein Verschulden der Beklagten oder auch ihrer Erfüllungsgehilfen ausschließt (BGHZ 6/ 169; 8/239). Dies folgt aus dem Inhalt des Sachverständigengutachtens. Der Senat hat keine Veranlassung, diesem Gutachten nicht in allen Punkten zu folgen. a) Die hier entscheidend wirkenden Fehler liegen in der Berechnungsanleitung, die das Herstellerwerk dem Pendelgerät mitgegeben hat. Diese Richtlinien weisen nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis höchst bedenkliche Mängel auf, die geeignet waren, die Ärzte in verhängnisvoller Weise irrezuführen. Einer dieser Mängel liegt darin begründet, daß bei der Oberflächendosisberechnung die vorher errechnete Herddosis als Ausgangspunkt angesehen werden konnte, von der dann auf die Stärke des Dosismaximums auf der Hautoberfläche zurückzuschließen war. Hierbei konnte sich insoweit ein Fehler einschleichen, als bei der Berechnung der Herddosis berücksichtigt werden mußte, daß die einzustrahlende Energie auch an verschiedenen Stellen durch Knochenmaterie hindurchtreten müßte, die den Röntgenstrahlen gegenüber stärker absorbierend wirkten als das übrige Gewebe des menschlichen Körpers. Die dadurch bedingte Energieverstärkung hatte aber nur ihre Berechtigung, wenn es darum ging, die Dosis zu bemessen, die nach Durchtritt der Bestrahlung durch die
11.24
Fehlernachweis
Stand der Wissenschaft
Fehlernachweis und spätere Produktverbesserung
Knochenmaterie das dahinterliegende Herdziel erreichen sollte. Bei dem Rückschluß von der Herddosis auf das Dosismaximum auf der Hautoberfläche hatte der energieerhöhende „Knochenfaktor" seine Berechtigung verloren. Er mußte sich vielmehr als irreführend auswirken, weil die unter Berücksichtigung der für den Herd maßgeblichen Faktoren berechnete Oberflächendosis tatsächlich stärker ausfallen mußte, als dies nach der aus den „Richtlinien" ersichtlichen Berechnungsanleitung den Anschein hatte. b) Zu diesem einen Mangel in den Richtlinien kommt ein zweiter Fehler, der sich wohl als der am schwersten wiegende im vorliegenden Fall ausgewirkt hat. In den Richtlinien ist eine Anweisung enthalten, wie bei wechselnder Fahrstrahllänge die Tiefendosis und davon rückschließend auch das Oberflächendosismaximum zu berechnen ist. Diese Anweisung stellt nach dem heutigen Stande der Wissenschaft eine zu grobe Vereinfachung des Verfahrens dar, die jetzt als fehlerhaft bezeichnet werden muß. Dieser Fehler liegt darin begründet, daß der rechnerisch ermittelte Mittelwert den tatsächlichen Verhältnissen nur in den Fällen gerecht wird, in denen es sich um Bestrahlungsobjekte mit zylindrischem Querschnitt handelt und bei denen die Pendelachse dem Zentrum des Objekts naheliegt. In den Fällen, in denen aber das Bestrahlungsobjekt einen elliptischen Querschnitt aufweist und in denen ferner die Pendelachse erheblich exzentrisch angeordnet werden muß, ist die Fahrstrahlvariationsbreite so groß, daß die Verwendung eines Mittelwertes den extremen Fahrstrahlwerten nicht mehr genügend Rechnung tragen kann. Dieser Fehler mußte sich im Falle des Ehemannes der Klägerin deshalb besonders stark auswirken, weil der Körperquerschnitt des Patienten nicht nur wie immer in solchen Fällen ellipsenähnlich, sondern auch noch so groß war, daß die Pendelachse erheblich exzentrisch lag. c) Im übrigen ergibt auch die Tatsache der späteren Ersetzung der zur Zeit der Behandlung des Ehemannes der Klägerin verwandten Richtlinien durch neue Richtlinien, daß die früheren Richtlinien auch nach Ansicht des Herstellerwerkes nicht mehr dem späteren Stand der Wissenschaft entsprachen. 301
11.24 Fehlernachweis bei äußerst seltenem Auftreten der Gefahr
Organisationshaftung
302
d) Die Klägerin meint zu Unrecht, daß diese generellen Fehler in den Richtlinien im Gegensatz zu der Seltenheit der auftretenden Verbrennungen stehen. Es ist zwar richtig, daß man auf den ersten Blick annehmen sollte, ein derart schwerwiegender Berechnungsfehler hätte sich bei einer viel größeren Anzahl von Behandlungsfällen durch zahlreiche auftretende Verbrennungen auswirken müssen. Diese Auffassung wird aber den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht. Denn die zu grobe Vereinfachung des Berechnungsverfahrens bei wechselnder Fahrstrahllänge kann sich nach der Natur der Sache nur dann verhängnisvoll auswirken, wenn der Querschnitt des bestrahlten Körpers erheblich von einem Zylinderquerschnitt abweicht und wenn dann auch noch der Herd besonders exzentrisch gelagert ist. Nur wenn alle diese Voraussetzungen in besonders ausgeprägtem Maß gegeben sind, können sich die Fehler in den Richtlinien erst in dem Umfange gesundheitsschädigend auswirken, wie es hier geschehen ist. Derartige extreme Bedingungen sind aber im Verhältnis zu der Vielzahl der täglich vorkommenden Behandlungsfälle so selten, daß sie sei bst den Verfassern der Richtlinien trotz nahezu 20jähriger Beschäftigung mit der Methode offenbar noch nicht vorgekommen und jedenfalls in ihren Auswirkungen noch nicht klar geworden waren. Aus diesen Gründen spricht die Seltenheit der tatsächlich auftretenden Auswirkungen der Fehler in den Richtlinien nicht gegen das Vorhandensein der Fehler selbst und auch nicht gegen deren Ursächlichkeit im vorliegenden Falle. e) Für diese Ursachenkette, die nach dem Gutachten erwiesenermaßen die Gesundheitsbeschädigungen des Ehemanns der Klägerin herbeigeführt haben kann, ist weder die Erstbeklagte selbst noch ihr Erfüllungsgehilfe Dr. W. im Rahmen des geschlossenen Behandlungsvertrages verantwortlich zu machen. Der zunächst für ein Verschulden der Erfüllungsgehilfen der Erstbeklagten sprechende Anscheinsbeweis ist deshalb erschüttert (BGH, VersR 1957/ 445). f) Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 6. November 1957 ausgeführt hat, ist die Erstbeklagte aufgrund des Behandlungsvertrages an sich verpflichtet, sachkundiges und ver-
11.24
Verschuldungsnachweis: Stand der Anwendungstechnik
Entwicklungsgefahr
Stand der Wissenschaften Vertrauen des Benutzers in Herstellerangaben
trauenswürdiges Personal und ein technisch einwandfrei arbeitendes Pendelgerät zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte hat auch ein Verschulden der behandelnden Ärzte zu vertreten. Indessen kann bei dem oben erörterten Kausalverlauf weder den behandelnden Ärzten noch dem Bedienungspersonal ein Verschulden angelastet werden. Der Mangel ist vielmehr in den zu Fehler bei der Oberflächendosisberechnung Anlaß gebenden Richtlinien des Herstellerwerkes zu erblicken, die von diesem dem Pendelgerät beigegeben worden sind. Für diesen Fehler kann der behandelnde Arzt nicht verantwortlich gemacht werden. Es kann nicht schon davon ausgegangen werden, daß die Mängel der Richtlinien schon zur Zeit der damaligen Behandlung aus der damals vorliegenden medizinischen Literatur über die Pendelbestrahlung erkennbar waren. Der Sachverständige hat dargelegt, daß die Richtlinien dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprachen. Es konnte von dem behandelnden Arzt weder erwartet noch verlangt werden, daß er in jedem Einzelfalle Oberflächendosismessungen vornahm, um die Auswirkungen der in den Richtlinien vorgesehenen Berechnungsmethoden zu kontrollieren. Denn einerseits durfte er sich auf die Zuverlässigkeit der in 20jähriger wissenschaftlicher Tätigkeit erarbeiteten Richtlinien verlassen und andererseits hätten sich tatsächliche Abweichungen von den errechneten Ergebnissen nur in den extrem gelagerten Fällen ergeben können, so daß bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Behandlungsfälle die schadenstiftenden Fehler gar nicht zu Tage getreten wären und der behandelnde Arzt damals von der Zuverlässigkeit der Berechnungsmethode ausgehen durfte. Im übrigen hat der Zweitbeklagte die Oberflächendosis nicht außer acht gelassen, sondern nach den von ihm entschuldbar für richtig gehaltenen Richtlinien zutreffend errechnet. Von dem praktisch tätigen Radiologen konnte damals noch nicht die Erkenntnis der vom Sachverständigen aufgezeigten komplizierten Verhältnisse verlangt werden, wonach beim Ehemann der Klägerin ein gefährlich extrem gelagerter Sonderfall gegeben war, bei dem eine Kontrollmessung am Platz gewesen wäre. 3. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, daß der Zweit303
11.24 Stand der Wissenschaft bei Streit zwischen mehreren Lehrmeinungen
Aufklärungsbzw. Instruktionspflicht Organisationshaftung Stand der Wissenschaft
304
beklagte als behandelnder Arzt ihrem Ehemann gegenüber vor Durchführung der Pendelbestrahlung seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Die Klägerin meint in diesem Zusammenhang, aus dem Sachverständigengutachten folge, daß es zwei verschiedene wissenschaftliche Richtungen auf dem Gebiet der Bewegungsbestrahlung gebe. Darüber sei ihr Ehemann nie aufgeklärt worden. Diese Auffassung der Klägerin wird dem Charakter der Unterscheidung der beiden vom Sachverständigen in seinen Gutachten erwähnten „Parteien" nicht gerecht. Es handelte sich demnach nicht etwa um zwei Lehrmeinungen, die sich gegenseitig ausschließen oder bekämpfen oder die sich gegenseitig Fehler aufzeigen. Die beiden „Parteien" sind vielmehr zwei Richtungen, die unter verschiedenen Gesichtswinkeln die an sich gleichartige Bewegungsbestrahlung betrachten. Dabei ist bislang jede der beiden Richtungen für sich ihren eigenen Weg gegangen, ohne in jedem Falle auf die auch für sie wichtigen Erkenntnisse der anderen Richtung im einzelnen Rücksicht zu nehmen. Auf diese Weise war es möglich, daß Erkenntnisse, die bei der Anwendung der Rotationsbestrahlung schon vorhanden waren, den Anhängern der Pendelbestrahlung für ihre Behandlungsmethode noch nicht bekannt waren. Insbesondere war der zwischen beiden Richtungen bestehende Unterschied deshalb keineswegs ein Anlaß, anzunehmen, daß die eine oder andere Methode mit Fehlern behaftet sein könnte, die ihre praktische Anwendung mit einem Risiko für den Patienten belasten könnte. Diese Konsequenz ließ sich beim Stand der Wissenschaft im Jahre 1955 noch gar nicht übersehen. Es bestand deshalb insoweit keine Aufklärungspflicht für den behandelnden Arzt Dr. B., die er hätte verletzt haben können. 4. Die Erstbeklagte trifft auch kein Verschulden daran, daß sie das Röntgengerät überhaupt hat anschaffen lassen. Wie das Sachverständigengutachten ergibt, entsprach das Gerät zurZeit der Anschaffung und Verwendung im Fall des Ehemannes der Klägerin dem damaligen Stand der Wissenschaft. Es kann der Erstbeklagten nicht vorgeworfen werden, daß sie im Interesse der Patienten von den Behandlungsmethoden und -einrichtungen, die dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprachen und von einem
11.25 anerkannten Herstellerwerk angeboten wurden, Gebrauch machte, da sie damals Bedenken insoweit nicht zu haben brauchte. Die Klägerin mußte die daraus ergebenden Nachteile hinnehmen, weil sie insofern die Beweislast trägt. Ihre Klage ist deshalb insoweit unbegründet.
11.25: OLG Karlsruhe, 30. 4. 1969, 7 U 118/68
Verantwortlichkeitsverteilung bei mehreren Beteiligten
Vertrauen auf den Lieferanten und Zumutbarkeit der eigenen Prüfung
Übernahmeverschulden
Der beklagte Architekt hat unter den gegebenen Umständen nicht gegen seine Überwachungspflicht während der Bauausführung verstoßen. Nach dem Gutachten der Universität Karlsruhe beruht der Mangel an den Fenstern darauf, daß die von der Firma X in die Betonwaben eingebauten Kupferbleche, die als Halterung der Scheiben dienen sollten, zu schwach sind, um die auf die Scheiben wirkenden Druckkräfte aufzunehmen. Zum anderen versprödete der vom Glasermeister Y verwendete Kitt in kurzer Zeit, so daß er seine dichtende Wirkung verlor. Bei der Firma X handelt es sich um ein Unternehmen, das auf den Bau von Beton-Waben-Fenstern spezialisiert ist. Der Beklagte konnte sich darauf verlassen, daß die von dieser Firma mitgelieferten Halterungen (Kupferbleche) ausreichend sind. Er brauchte keine eigenen Versuche oder Berechnungen anzustellen. Ähnliches gilt hinsichtlich des Kitts. Seine Mangelhaftigkeit hätte er nur dadurch feststellen können, daß er ihn hätte chemisch untersuchen lassen oder einen darauf spezialisierten Sachverständigen beigezogen hätte. Auch dies war ihm nicht zuzumuten. Der Beklagte durfte sich in diesem Fall auf die Erfahrungen derauf Betonwaben-Fenster spezialisierten Firma X verlassen, ohne seinerseits einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen (vgl. BGH, NJW 1956/787). Wenn der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24.5.1962 dem Architekten eine weitergehende Prüfungspflicht, u.U. auch die Zuziehung eines Sachverständigen auferlegt, dann war in dieser Entscheidung die besondere Fallgestaltung dafür 305
11.26 maßgebend. Dort hatte nämlich der Architekt zur Verwendung eines bestimmten Materials unter Hinweis auf seine eigenen Erfahrungen hingewiesen. Deshalb konnte der Bauherr sich auf spezielle Kenntnisse gerade des Architekten verlassen. Ein solcher Sachverhalt ist im vorliegenden Fall indessen nicht gegeben.
11.26: OLG Koblenz, 14. 7. 1969, 1 U 323/65 (Holzschutzmittel)
Deliktshaftung
Werbeschrift des Herstellers als Grundlage für Vertrags306
Die Beklagte ist Herstellerin des Holzschutzmittels X. Die Kläger verlangen von ihr Ersatz von angeblich bei ihnen durch die Verwendung dieses Holzschutzmittels eingetretenen Schäden. Die Erstklägerin hat das Holzschutzmittel im Dachgebälk ihres Einfamilienhauses verarbeiten lassen. Die Erstklägerin hatte das Mittel bei der Firma M. gekauft, die es ihrerseits von einem Auslieferungslager der Beklagten bezog. Der von der Erstklägerin beauftragte Zimmermeister W. fragte bei der Firma M. fernmündlich an, wie das Mittel zu verwenden sei. Es wurde ihm gesagt, er solle es versprühen. Daraufhin imprägnierte er den vom Hausbock befallenen Dachstuhl mittels des Originalschutzmittels, ohne es mit irgendwelchen anderen Substanzen zu verschneiden. Bei Beginn dieser Arbeit fuhren die Kläger zwei Wochen in Urlaub, um einer Geruchsbelästigung auszuweichen. Nach Rückkehr stellten sie Geruchsbelästigungen fest, denen sie aber zunächst keine Bedeutung beimaßen. Später stellten sich bei den Klägern gesundheitliche Schäden heraus. 1. Die Beklagte haftet den Klägern dem Grunde nach aus §823 Abs. 1 BGB und Abs. 2 BGB i. V. mit §230 StGB. Der Senat sieht sich deshalb einer näheren Prüfung sonstiger Anspruchsgrundlagen entzogen. Dazu sei daher lediglich folgendes ausgeführt: a) Einen Kaufvertrag über die Lieferung des Holzschutzmittels X hat allein die Erstklägerin abgeschlossen und diese wiederum nur mit der Firma M. Auch wenn man diesen Vertrag als einen solchen mit „Schutzwirkung für Dritte" - in
11.26 beziehung zwischen Hersteller und Endkäufer?
HerstellerGarantiescheine als Grundlage für Vertragsbeziehung? Schutzwirkung des Liefervertrags zwischen Hersteller und Vertriebshändler zugunsten des Endkäufers?
diesem Fall für die Angehörigen der Erstklägerin - ansieht, könnten sich derartige Ansprüche der Klägerin gegen die Firma M, nicht aber gegen die Beklagte ergeben. In den Werbeschriften der Beklagten ein - von der Erstklägerin akzeptiertes - Angebot zu einem Garantievertrag zu erblicken, erscheint schon deshalb nicht möglich, weil Werbeschriften jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, nicht aber schon als Angebot selbst verstanden werden können. Sinn der Werbeprospekte der Beklagten war (und ist) es, einen unbestimmten Personenkreis auf Existenz und Anwendungsmöglichkeiten der von ihr hergestellten Produkte hinzuweisen, nicht aber, mit sog. Endverbrauchern vertragliche Beziehungen herzustellen. Das Zustandekommen eines Garantievertrages zwischen der Erstklägerin und der Beklagten wäre zwar auch in der Weise möglich, daß die Firma M. als Bote oder Bevollmächtigter der Beklagten aufgetreten wäre. Für irgendwelche Zusagen der Firma M. haben jedoch die Kläger nichts vorgebracht. Auch wenn die Firma M. beim Kaufabschluß mit der Erstklägerin Werbeschriften der Beklagten übergeben haben sollte, könnte darin noch keine Garantiezusage erblickt werden. Insofern ist der Fall nicht vergleichbar mit dem Verkaufen gewisser anderer Waren - Kühlschränke, Rasierapparate, Kraftfahrzeuge wobei der Händler dem Erwerbereinen vom Hersteller ausgestellten Garantieschein übergibt, der dann allerdings einen Garantievertrag zwischen Hersteller und Erwerber zustande zu bringen geeignet sein kann. Der Senat hält es auch nicht für vertretbar, den (in seiner Existenz nur zu mußmaßenden, auch im einzelnen nicht bekannten) Vertrag zwischen der Firma M. und der Beklagten als ein Rechtsverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten der Kläger anzusehen. Die Rechtsprechung hat solche „Schutzbereiche" des Gläubigers nur in engen, überschaubaren Grenzen anerkannt und die Ausdehnung auf einen unübersehbaren Personenkreis nicht zugelassen (vgl. dazu im einzelnen Larenz, Schuldrecht 1,9. Aufl., § 11 III). Überdies würde es sich im vorliegenden Fall um Schutzpflichten handeln, die nur im Hinblick auf die Benutzung der Ware durch den Endverbraucher bestehen könnten, gegenüber dem Abnehmer 307
11.26
Gefährdungshaftung des Warenherstellers?
Deliktshaftung
308
und Wiederverkäufer dagegen noch nicht in Erscheinung treten. Eine Schutzwirkung zugunsten Dritter wird man aber nur im Sinne einer Ausdehnung der vertraglichen Sorgfaltspflichten über den „eigentlichen" Vertragspartner hinaus, nicht als Begründung zusätzlicher Pflichten gegenüber einem weiteren, praktisch unbegrenzten Personenkreis gelten lassen können. c) Die Beklagte haftet auch nicht aufgrund eines verschuldensunabhängigen Gefährdungstatbestandes. Zwar liegt jeder Gefährdungshaftung der Gedanke zugrunde, daß derjenige, der im eigenen Interesse durch den Einsatz gefährlicher Geräte, Anlagen, usw. Gefahren für andere schafft und aufrechterhält, für den typischerweise aus solcher Gefährdung entstehenden Schaden Dritter aufkommen muß. Indessen gibt es keinen allgemeinen Gefährdungstatbestand, vielmehr - im Rahmen des das deutsche Haftungsrecht beherrschenden Verschuldensprinzips - nur ausdrückliche, auf jeweils bestimmte Bereiche beschränkte Sonderregelungen, von denen keine auf die Tätigkeit der Beklagten zutrifft. 2. Der Beklagte hat die Gesundheit der Zweit-und Drittkläger rechtswidrig und fahrlässig verletzt. Sie schuldet ihnen daher Ersatz des daraus entstandenen Schadens, a) Das rechtswidrige Handeln besteht allerdings nicht schon in der Herstellung und im Vertrieb des Holzschutzmittels X, auch wenn die Gesundheit des Zweit- und des Drittklägers durch die in diesem Mittel enthaltenen Giftstoffe beeinträchtigt worden ist. Anderenfalls würde jede Produktion ihrer Natur nach nicht „ungefährlicher" Waren, Werkzeuge (wie etwa von Schlaftabletten, Rasierklingen, Haarfärbemitteln, Waffen) als solche schon den Tatbestand einer unerlaubten Handlung darstellen, was zweifellos nicht angenommen werden kann. Rechtswidrig wird ein Tun dieser Art vielmehr erst dann, wenn der Handelnde (also derjenige, der solche Waren erzeugt und in den Verkehr bringt) die ihm möglichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen vernachlässigt, mithin objektiv unsorgsam zu Werke geht (Larenz, aaO., §19IV 3). Die Rechtswidrigkeit läßt sich in diesen Fällen einer nur mittelbaren Rechtsgutverletzung - denn erst der Gebrauch des Holzschutzmittels durch einen Endab-
11.26
Instruktionshaftung
nehmer, die Erstklägerin bzw. deren Beauftragten, den Zimmermeister W., führte den Verletzungserfolg herbei - nur von den Vorkehrungen her bestimmen, die der Produzent hätte treffen müssen, um derartige Gefährdungen zu verhindern (Simitis, Grundfragen der Produzentenhaftung, 1965, S.75f. sowie Gutachten C zum 47. Deutschen Juristentag 1968, S.35; Esser, Schuldrecht, 2.Aufl., §204 5 und Weitnauer, NJW 1968/1593, 1598 sehen in der Verkehrssicherungspflicht den Ansatzpunkt der Herstellerhaftung), b) Gegen diese (objektiven) Sorgfaltspflichten hat die Beklagte hier verstoßen. Die Beklagte (ihre leitenden „Organe") wußte, daß sich in ihrem Holzschutzmittel gesundheitsschädliche Substanzen befanden, die bei seiner Anwendung zu Erkrankungen der Benutzerführen konnten. Unstreitig hat sie im Juli-Heft 1956 der von ihr herausgegebenen Zeitschrift X-Nachrichten selbst ausgeführt, daß Gesundheitsbeschädigungen von Menschen bei Daueraufenthalt in Baracken und Dachgeschossen zwar nicht zu erwarten sein „dürften", wenn die Imprägnierung „ausgereift" sei, daß es aber bei empfindlichen Menschen im Einzelfalle doch zu stärkeren Hautreizungen und anderen Reaktionen kommen könne. Waren derartige Schäden aber voraussehbar und wurden sie sogar als möglich vorausgesehen, so hatte der Hersteller dafür Sorge zu tragen, daß ein Käufer über die möglichen Gefahrenquellen und die Gren-
Eintrittswahr-
zen der Anwendung des Mittels ausreichend belehrt wurde (BGH, VersR 1955/765, 766 = I.22). Eine Gebrauchsanweisung allein kann in solchem Falle wenig nützen, denn sie erleichtert nur die Verwendung des Mittels, ohne auf die Gefahren hinzuweisen, die sich aus seiner besonderen chemischen Zusammensetzung ergeben. Vor diesen Gefahren schützt nur eine eindringliche, unmißverständlich auf die gefährliche Eigenschaft der Ware bezogene Warnung (Simitis, Grundfragen aaO., S.64; Gutachten, aaO., S.13f., 46). Die Beklagte hätte daher, da sie von der Gefährlichkeit des Holzschutzmittels wußte, ihrem Präparat eine Gebrauchsanweisung mit deutlichen Warnungen beifügen müssen.
scheinlichkeit der betr. Gefahr
c) Die Warnpflicht entfiel nicht schon deshalb, weil Gesundheitsschädigungen bei der Anwendung des Mittels mögli309
11.26
Inhaltliche Anforderungen
310
tung des Warenherstellers, 1966, S.9). Hier mußte die Beklagte nicht nur damit rechnen, sondern sie wußte, wie sich aus der Juli-Ausgabe 1956 ihrer ,,X-Nachrichten" ergibt, daß bei empfindlichen Menschen mit allergischer Disposition stärkere Hautreizungen oder andere Reaktionen durch die Verwendung ihres Holzschutzmittels hervorgerufen werden konnten. d) Der Beklagten war ferner die Gefahr von GesundheitsbeSchädigungen beim Daueraufenthalt in mit dem Holzschutzmittel X behandelten Baracken oder Dachgeschossen bekannt, wenn die Imprägnierung noch nicht „ausgereift" war. Auch auf diese Gefahr wurde der Benutzer nicht hingewiesen. Nicht einmal in ihrem Werbeprospekt. Dort ist auch nicht die Rede davon, wann eine Imprägnierung „ausgereift", d. h. wann „die Imprägnierungsmittel völlig in das Holz eingedrungen und als Substanz von der Oberfläche verschwunden sind". Im Juli-Heft 1956 der X-Nachrichten heißt es, daß unter normalen Umständen nach etwa 60 Tagen die flüchtigen Bestandteile des Holzschutzmittels „weitgehend" verdunstet seien. Hinweise darauf, daß zur Vermeidung von Gesundheitsschäden für eine möglichst schnelle Verdunstung zu sorgen sei und die behandelten Stellen einer besonders guten Durchlüftung bedürfen, sind jedoch in der Werbung der Beklagten nicht zu finden und auch aus Gebrauchsanweisungen nicht ersichtlich. Ähnlich verhält es sich mit der Erklärung der Beklagten in ihrem Werbeprospekt, die mit den X-Präparaten behandelten Hölzer seien „nach Trocknung für Mensch und Tier ungefährlich". Es fehlt jeder Hinweis darauf, wann Trocknung angenommen werden könne. Zwar fährt der Prospekt fort, daß bei der Verarbeitung im Sprühverfahren ein Atemschutz zu empfehlen sei. Damit wird aber der vorangegangene Hinweis auf die Ungefährlichkeit des Präparates nicht abgeschwächt, denn es leuchtet ohne weiteres ein, daß ein Schädlingsbekämpfungsmittel bei der direkten Anwendung neben den Schädlingen auch den Menschen gefährlich werden kann. Überdies bezieht sich der Rat ausdrücklich nur auf das Sprühverfahren, während für andere (Tränk- oder Streich-)Verfahren solche Sicherheitsmaßnahmen nicht angeraten werden.
11.26 Die Beklagte ließ es auch an Hinweisen auf die Gefahren einer Verwendung des Mittels unter schwierigen oder besonders ungünstigen räumlichen Verhältnissen vermissen, auf die sie nunmehr wesentlich abhebt. Ein Jahr nach der Imprägnierung wurde nämlich im Haus der Erstklägerin die Geschoßdecke vom Speicher her mit Glaswolle isoliert und mit einem Bretterboden versehen. Wenn die Anwendung des Holzschutzmittels sich unter solchen Umständen, sei es sogleich, sei es nachträglich zu einer Gefahr entwickelte, mußte die Beklagte darauf hinweisen. Dazu genügte es nicht, daß es in ihrem Werbeprospekt abschließend heißt: ,,ln diesem Prospekt können nicht alle Möglichkeiten der praktischen Anwendung erfaßt werden. In Sonderfällen bitten wir deshalb, unsere Technische Beratung in Anspruch zu nehmen." Denn zunächst geht aus diesen Sätzen in keiner Weise hervor, daß bei den angesprochenen Sonderfällen etwa mit Gesundheitsschäden zu rechnen sei. Sie beziehen sich vielmehr, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, offenbar auf die technische Seite der Anwendung des Mittels. Eine Warnung oder gar etwa eine Art der Freizeichnung von der Haftung für möglicherweise auftretende Schäden in Sonderfällen kann darin nicht gesehen werden. Fehlernachweis bei späteren Produktverbesserungen
Erforderlich keit der Instruktion und Zumutbarkeit der finanziellen Auswirkungen
e) Eine Auf klärungs- und Warnpflicht der Beklagten bestand hier schließlich auch mit Rücksicht auf den Umstand, daß diese in der Zeit nach der Herstellung des an die Erstklägerin verkauften Holzschutzmittels X, aber noch vor dem Verkauf, die chemische Zusammensetzung des Mittels gerade zwecks Erhöhung seiner Unschädlichkeit geändert hatte. Unstreitig hat die Erstklägerin im Jahre 1956 das Holzschutzmittel X aus der Fertigungszeit zwischen dem I.Januar und dem I.April 1955 erhalten. Noch im Jahre 1955 hatte die Beklagte ihr Mittel neu konzipiert. U.a. ließ sie Chlornaphthalin als Zusatz entfallen. Damit entsprach das im Jahre 1956 an die Erstklägerin verkaufte Mittel nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft. Um so mehr hätte von der Beklagten verlangt werden müssen, daß sie auf mögliche Gefahren bei der Benutzung des Mittels hinweist, auch wenn dies ihre Absatzmöglichkeiten erschwert haben würde. f) Die Beklagte hat nach all dem nicht nur gegen ihre ,,ln311
11.27 Werbung
struktionspflichten" verstoßen (zur sog. Instruktionspflicht des Warenproduzenten vgl. Simitis, Gutachten a.a.O., S.13; Lorenz aaO., S. 8), sondern auch durch ihre Werbung von der Gefährlichkeit ihres Produktes, die sie kannte, abgelenkt. Darin liegt ein - rechtswidriger - Verstoß gegen die der Beklagten aus der Art ihrer gewerblichen Tätigkeiten erwachsenden Verkehrrsicherungspflicht.
11.27: OLG Düsseldorf, 18.11.1969, 4 U 74/69 (Kreissäge)
ArbeitgeberRegress der Berufsgenossenschaft Unfallverhütungsvorschriften: Organisationspflichten des Arbeitgebers
312
Der Beklagte war als Inhaber eines Holzverarbeitungsbetriebs Mitglied der klagenden Berufsgenossenschaft. Am 26.11. 1966 verletzte sich der 16jährige Hilfsarbeiter O bei seinem ersten selbständigen Einsatz an einer Kreissäge, als er regelwidrig die linke Hand dazu benutzte, um die Lage eines Holzstücks am Sägeblatt zu verändern. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht den Beklagten zum Ersatz der Aufwendungen verurteilt, welche die Klägerin nach dem Gesetz oder nach ihrer Satzung anläßlich des Unfalls hat machen müssen. Der Beklagte haftet der Klägerin nach §640 RVO, weil er den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt hat, (indem er) die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften grob mißachtet (hat). Die Gefahren, die von einer Kreissäge ausgehen, sind erheblich und eine genaue Kenntnis der Wirkungsweise der Maschine sowie der bei der Bedienung unzulässigen Handgriffe ist unbedingt erforderlich, um schwere Unfälle zu vermeiden. Hinzu kommt, daß die Kreissäge jedem Betriebsangehörigen zugänglich war und der Beklagte nach allgemeiner Erfahrung mit dem Bestreben des Minderjährigen rechnen mußte, sich im selbständigen Betrieb der ihm zugänglichen Maschine auch tatsächlich zu üben. Diese Umstände verpflichteten den Beklagten zu äußerster Sorgfalt. Er hat jedoch nicht nur versäumt, die erforderlichen Verbote zu erteilen, die notwendigen Hinweise zu geben oder zu veranlassen, sondern er hat sich cherweise nur bei Menschen mit einer außergewöhnlichen Empfindlichkeit, „mit allergischer Disposition" (X-Nach-
11.27 richten, Juli 1956, S.15), eintreten konnten. Allerdings braucht der Produzent einer Ware nicht sämtlichen, auch den unwahrscheinlichsten, Komplikationen nachzugehen, doch muß er bestrebt sein, bei der Erprobung seiner Erzeugnisse auch allergische Reaktionen aufzudecken und muß er auf diese hinweisen (Simitis, Grundfragen, aaO., S.65 Anm.43; Gutachten aaO. S.46, Anm.181; Lorenz, Die Hafnicht ausreichend um das Alter und die Einzelheiten der beruflichen Vorbildung des Minderjährigen bekümmert. Bis zum Unfalltage ist ihm nicht bekannt geworden, daß der Verletzte das 17. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Es ist im übrigen noch am Unfalltage möglich gewesen, daß der Beklagte ein Dutzend Mal durch den Werkstattraum gegangen ist, ohne die Tätigkeit des Minderjährigen an der Kreissäge zu bemerken. Dadurch, daß er also dem Schutz des O keine Sorgfalt gewidmet hat, hat der Beklagte in besonders schwerem Maße gegen die UVV verstoßen und sich damit grobfahrlässig verhalten.
Kausalitätsnachweis
Der Beklagte kann sich auch nicht mit dem Hinweis entlasten, die UVV hätten in der Werkstatt ausgehangen und an den Maschinen sei durch bildliche Darstellungen auf die Gefahren des Betriebes hingewiesen worden. Es erscheint zwar unerläßlich, solche Möglichkeiten der Unterrichtung zu schaffen. Bildliche und schriftliche Hinweise dieser Art reichen aber nicht aus, sondern müssen durch die praktische Unterweisung ergänzt werden, wie das die UVV vorsehen. Auf einen Irrtum über den Inhalt der UVV kann sich der Beklagte zu seiner Entlastung nicht berufen. Wenn er wirklich angenommen haben wollte, daß das Verbot des §1 des genannten Abschnitts nur für Lehrlinge gelte, beruhte auch dieser Irrtum auf grober Fahrlässigkeit. Als Unternehmer, in dessen Betrieb derartig gefährliche Maschinen wie eine Kreissäge eingesetzt werden, mußte sich der Beklagte in besonderem Maß um den Schutz des von ihm eingestellten minderjährigen O bemühen und auf peinlichste Einhaltung der Schutzbestimmungen bedacht sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Mißachtung der UVV durch den Beklagten und dem Unfall wird vermutet (BGH, VersR 60/614). Umstände, die diese Vermutung entkräften könnten, sind nicht ersichtlich. 313
11.28 11.28: OLG Saarbrücken, 17.3.1970,2 U193/66 (Glasfliesen)
Die Klägerin erteilte durch ihren bevollmächtigten Architekten dem Beklagten den Auftrag, die Außenwände eines Hauses mit Glasfliesen zu verkleiden. Dem Auftrag wurde die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) zugrunde gelegt. Einige Monate nach der Verlegung lösten sich die ersten Fliesen, die der Beklagte wieder anbrachte. In der Folgezeit fielen jedoch immer mehr Platten ab. Die Klägerin verlangte Rückzahlung der Vergütung. Der Beklagte machte geltend, er habe ordnungsgemäß gearbeitet; es sei ihm ein untauglicher Kleber vorgeschrieben worden.
VOB Haftung für vorgeschriebene Materialien
314
(Der Klägerin steht gemäß §13 Ziff.6 VOB ein Minderungsrecht zu, das im Ergebnis auf Rückerstattung der gesamten Vergütung gerichtet ist, weil eine Behebung des Mangels von vornherein sowohl dem Beklagten als auch einem Dritten nicht möglich war.) Dieser Anspruch erfährt jedoch eine Einschränkung auf die Hälfte nach Maßgabe der §§13 Ziff. 3 VOB, 242,254 BGB. Hiernach ist der Auftragnehmer von der Gewährleistung für solche Mängel frei, die auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen sind, es sei denn, daß er die ihm nach §4 Ziff.3 VOB obliegende Mitteilung über die zu befürchtenden Mängel unterlassen hat. Die Baustoffe (Glasfliesen und Klebstoff) sind dem Beklagten von der Klägerin, vertreten durch deren Architekten, vorgeschrieben worden. Der Zweck der Vorschrift des § 13 Abs. 3 VOB geht dahin, den Auftragnehmer von der Verantwortung für solche Leistungsmängel zu entlasten und sie dem Auftraggeber zuzuweisen, die auf Ursachen aus dem Bereiche des Auftraggebers stammen; insoweit besteht kein rechtfertigender Grund, den Auftragnehmer mit dem Risiko einer mangelfreien Leistungsausführung zu belasten. Der Beklagte hat nicht seiner nach §4 Ziff.3 VOB bestehenden Mitteilungspflicht zuwider gehandelt. Der Umstand al-
11.28
Prüfungspflicht eines Fachmannes hinsichtlich vorgeschriebener Materialien
HerstellerEmpfehlungen
Möglichkeit der Überprüfung
HerstellerEmpfehlungen
lein, daß seitens des Architekten der Klägerin im Wege der Ausschreibung eine bindende Anordnung bezüglich Fliesen und Kleber getroffen worden war, hätte zwar den Wegfall einer Prüfungs- und Mittellungspflicht (soweit sich aus der Prüfung Bedenken ergaben) nicht zu rechtfertigen vermocht. Denn grundsätzlich oblag es, ungeachtet der ergangenen Anweisung, dem Beklagten als Fachmann auf dem einschlägigen Gebiet der Wandverkleidung, die Geeignetheit der vorgesehenen Baustoffe selbständig zu überprüfen, und zwar dies insbesondere mit Rücksicht auf die normalerweise bei einem Architekten nur im allgemeinen vorhandenen Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie die unstreitige Tatsache, daß dem Beklagten weder der vorgesehene Kleber bekannt war noch er bisher größere Aufträge unter Verwendung von Glasfliesen für Außenwände, wie sie vorliegend verlangt wurde, ausgeführt hatte. Die Besonderheiten des Falles gebieten jedoch eine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung. Fliesen und Kleber waren als eine unmittelbar aufeinander bezogene Baustoffeinheit zu betrachten. Die Auswahl der Fliesen war aufgrund direkter Empfehlung des Herstellers - e i n e s auf diesem Gebiet erfahrenen, allgemein bekannten Unternehmens mit erheblichen Umsätzen - getroffen worden. Diese Firma hatte ausdrücklich den Kleber E der Firma G als geeignet erklärt, was durch die Aufnahme dieses Klebers in die Verlegeanleitung eine zusätzliche Bestätigung erfuhr. Die Firma G versicherte darüber hinaus, daß ihr Kleber ohne Risiko für das Projekt verwandtwerden könne. Aus diesem Tatbestand ergibt sich folgendes: Die Brauchbarkeit eines Klebers kann nur durch längerdauernde, eingehende Versuche sowie - in noch stärkerem Maße - durch die praktische Erprobung festgestellt werden, welche naturgemäß gleichfalls einen längeren Zeitraum erfordert. Ein Unternehmen, das sich nicht ausschließlich mit Verlegearbeiten befaßt, ist hierzu nicht in der Lage und vermag sich, insbesondere wenn keine praktischen Erfahrungen vorliegen, zur Frage der Brauchbarkeit von Fliesen und Kleber nicht verbindlich zu äußern. Andererseits konnte und durfte der Beklagte davon ausgehen, daß ein Herstellerwerk wie die Firma D nicht nur Glasfliesen von einwandfreier Beschaffenheit liefern würde, sondern daß dieser 315
11.28
Berücksichtigung des Mitverschuldens bei der Berechnung des Minderungsanspruchs
316
Hersteller - im Interesse der Käufer und damit auch unmittelbar im eigenen Interesse- sich vor Empfehlung eines Klebers auch eingehend und zuverlässig über dessen Eignung Gewißheit verschafft und sich erst nach gründlicher Überprüfung - wie sie dem Beklagten offensichtlich nicht möglich gewesen wäre - dazu entschlossen habe, den Kleber in die Verlegeanleitung aufzunehmen und ihn auch für Projekte der in Frage stehenden Größenordnung als geeignet zu erklären. Unter diesen Umständen entfiel für den Beklagten eine Prüfungs- und Mitteilungspflicht, da für eine solche Prüfung sowie für die Mitteilung von Bedenken kein Raum blieb. Der Beklagte hat ferner den Beweis dafür erbracht, daß der Kleber E nicht die für eine ordnungsgemäße Verlegung erforderlichen Eigenschaften besaß und daß diese fehlerhafte Beschaffenheit für den Werkmangel (das Abfallen der Fliesen) ursächlich war. Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang dem Material fehlerrechtliche Bedeutung zukommt. Einerseits obliegt es dem Auftragnehmer, die Ursächlichkeit der Anordnung des Auftraggebers gemäß §13 Ziff.3 VOB darzutun und zu beweisen. Andererseits sind auch im Rahmen der Bemessung eines Minderungsanspruchs gemäß §13 Ziff.5 Ursachen, die außer der Anordnung des Auftraggebers den Mangel herbeigeführt haben und dem Auftraggeber zu Last fallen, zu berücksichtigen und ist unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§242 BGB) sowie des in §254 BGB enthaltenen Grundgedankens eine Haftungsverteilung vorzunehmen (vgl. BGH, Betr 1961 /569). In Anwendung der zu §254 BGB entwickelten Regeln ist in diesem Zusammenhang für die Abgrenzung der Haftung maßgebend darauf abzustellen, wie hoch der Grad der Gefährlichkeit, der Schadensgeneigtheit der in Frage stehenden Ursachen nach allgemeiner Erfahrung sowie unter Berücksichtigung der konkreten Umstände einzuschätzen ist. Unter diesem Gesichtswinkel kann davon ausgegangen werden, daß nur ein Kleber von ausgesuchter Qualität (Dauerelastizität) vorliegend den zu stellenden Anforderungen entsprochen hätte, während durch den Kleber E auch bei sachgemäßer Verlegung über kurz oder lang das Ablösen der Fliesen bewirkt worden wäre. Andererseits muß dem
11.28 Gebot einer exakten Ausführung der Verlegearbeiten offensichtlich eine annähernd gleich große Bedeutung zugemessen werden und führen Verlegefehler der festgestellten Art auch bei Verwendung eines ordnungsgemäßen Klebers erfahrungsgemäß nach einiger Zeit zu Ablösungsschäden. Im Rahmen des nach §287 ZPO zustehenden Ermessens schätzt das Gericht den Grad der Verursachung der Schadensfaktoren auf je 50%, so daß dem Zahlungsantrag der Klägerin in Höhe der Hälfte des gezahlten Betrages stattzugeben war. Anmerkung: Ebenso wie im Fall der Entscheidung des BGH vom 11.4. 1957 (1.95) handelt es sich auch hier nicht um die Mangelfolgeschäden-Haftung des Werkunternehmers, sonder um die Mangelhaftung für das gelieferte Werk selbst (§633 BGB). An sich kommt es im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistungshaftung für Mängel des gelieferten Werks nicht auf ein Verschulden an. Auch hier handelte es sich aber um eine Sonderproblematik, nämlich um die Frage der Untersuchungs- und Hinweispflichten des Unternehmers hinsichtlich der ihm vorgeschriebenen Materialien. Das Gericht hat das Problem mit Kriterien des Verschuldensrechts gelöst. Hätte es sich nicht um den Mangel selbst, sondern um einen Mangelfolgeschaden gehandelt, für den der Unternehmer nur bei Verschulden haftet, wären mit Sicherheit die gleichen Überlegungen angestellt worden. Ebenso wie im Fall der genannten BGH-Entscheidung ist es also auch hier mehr zufälliger Art, daß Streitgegenstand des obigen Verfahrens lediglich die Mangelhaftung, nicht aber die Mangelfolgeschaden-Haftung war. Im einzelnen vgl. zur Haftung für beigestellte bzw. vorgeschriebene Teile, Materialien, usw. Anm. zu 1.95.
317
11.29 11.29: OLG Karlsruhe, 3. 6.1970, 9 U 43/69 (Lüftungsrohr) Haftung für positive Vertragsverletzung
Haftung für Mängel, die erst von nachgeschalteten Unternehmern verursacht wurden? Verpflichtung zu Hinweisen an nachfolgende Unternehmer?
Mitverantwortung für Bereiche Dritter
318
Der Beklagte kann nicht deshalb weitere Schadenersatzansprüche geltend machen, weil die Kupferrohre mehrfach rissen. Der Fehler der Heizungsanlage in den Fluren beruht auf nach Anweisung des Architekten K erfolgten Arbeiten der Estrichlegerund lag im Verantwortungsbereich des Beklagten als Bauherrn. Die Leistungen des Klägers genügten nach dem Gutachten des Sachverständigen ihrem vertraglichen Zweck. Der Kläger haftet nur für die Mangelfreiheit seiner Werkleistung und nicht dafür, daß auf die Lüftungsrohre Estrich aufgebracht wurde, was nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach, und daß dadurch die Heizungsanlage im Bereich der Flure unbrauchbar wurde. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, daß es Aufgabe des Klägers gewesen sei, die Estrichleger anzuweisen, einen Dehnungsspielraum für die Kupferrohre freizulassen, stellt eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der vertraglichen Leistungspflicht eines Auftragnehmers dar. Eine solche Ausnahme könnte nur gelten, wenn der Kläger Anhaltspunkte dafür hatte, daß der nachfolgende Estrichleger und der Architekt K fachlich nicht zu erkennen vermochten, wie der Estrich auf die Kupferrohre aufzubringen war und daß Kanäle auszusparen seien. Nur dann konnte es als eine Pflicht des Klägers aus dem Bauvertrag, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren, angesehen werden, den Beklagten als seinen Auftraggeber auf solche Tatbestände hinzuweisen. Da jedoch bekannt ist, daß Kupfer einen sehr großen Ausdehnungsgrad hat und es den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, daß Kupferrohre entweder in die Dämmschicht oder in Aussparungen verlegt werden, konnte der Kläger davon ausgehen, daß entsprechend bei den Nachfolgearbeiten verfahren werde. Ein Hinweis des Klägers an den Beklagten oder seinen Architekten oder an den Estrichleger war nicht erforderlich. Anmerkung: Grundgedanke der obigen Entscheidung ist, daß grundsätzlich keine Verantwortung für Mängel bzw. Fehler besteht, die auf einer nachfolgenden Herstellungs-, Vertriebsoder Benutzungsstufe verursacht wurden.
11.30 Jedermann ist grundsätzlich nur für seinen Herrschaftsbereich verantwortlich. Dies kann allerdings auch eine Mitverantwortung für auf vorgeschalteten Herstellungs-, Vertriebs- oder Benutzungsstufen verursachte Fehler bzw. Mängel beinhalten (vgl. Anm. zu 1.95 sowie Anm. zu 1.151). Darüber hinaus kann sich aber auch unter dem Gesichtspunkt der sog. Instruktionshaftung eine Mitverantwortung für Fehler bzw. Mängel ergeben, die auf nachfolgenden Herstellungs-, Vertriebs- oder Benutzungsstufen verursacht wurden (vgl. insbes. 1.22,1.36,1.73, 1.85, 11.29). Die entscheidende Frage dabei ist jeweils, ob für den Betreffenden erkennbarwar, daß mit der Verwendung des Produkts gewisse Gefahren verbunden sind, zu deren Vermeidung gewisse Gefahrabwendungsmaßnahmen getroffen werden müssen: wird dies bejaht, ist die nächste Frage, ob der Betreffende die Kenntnis (a) von diesen Gefahren und (b) den adäquaten Gefahrenabwendungsmaßnahmen bei dem durchschnittlichen Benutzer voraussetzen kann. Ist dies der Fall, besteht keine Hinweispflicht (vgl. insbes. 1.36 und 1.73). Im obigen Fall hat das Gericht wegen der berechtigtermaßen beim Nach-Unternehmer vorauszusetzenden Kenntnis der Gefahr und der adäquaten Gefahrenabwendungsmaßnahmen das Bestehen einer Instruktionspflicht verneint.
11.30: OLG Köln, 20.1.1972,10 U 26/71 (Speiseeisbereiter)
Der Erstkläger war der Ehegatte der am 3.6. 1963 tödlich verunglückten Frau O. Frau O. starb, als sie sich unter zwischen den Parteien im einzelnen strittigen Umständen während ihrer hauswirtschaftlichen Tätigkeit mit einem von der Beklagten vertriebenen Speiseeisbereiter befaßte. Zum Vertrieb des Speiseeisbereiters im Verkaufsprogramm der Beklagten war es auf folgende Weise gekommen: In den Jahren 1956/58 konstruierte der freiberuflich tätige Ingenieur H. ein elektrisches Küchengerät zur Zubereitung von 319
11.30 Speiseeis. Durch Vermittlung der Firma P. gelangte die Beklagte im Jahr 1957 erstmals in den Besitz eines zu Prüfzwecken gefertigten Musters. Auf Veranlassung ihrer Verkaufsdirektion wurde das Musterstück in der Folgezeit in den technischen Versuchsabteilungen der Beklagten auf Funktionstüchtigkeit und elektrotechnische Sicherheit hin eingehend untersucht. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen ergab sich zunächst eine Reihe von Beanstandungen. Der Prüfbericht vom 10.5. 1957 bezeichnet insoweit hinsichtlich der Übereinstimmung der Gerätekonstruktion mit den Normen des VDE in erster Linie sachliche Mängel der am Eisbereiter selbst befindlichen elektrischen Anschlußvorrichtung (Gerätesteckvorrichtung). Die technische Abteilung der Beklagten empfahl neben der Abstellung dieser Mängel vor allen Dingen die Mitlieferung einer Gebrauchsanweisung, in der vermerkt ist, daß das Gerät 1. nur an Steckdosen angeschlossen werden darf, die mit Schutzkontakt versehen sind 2. mit dem Netz nur bei geschlossenem Deckel und nach Einbringen in das Gefrierfach des Kühlschranks verbunden und 3. bei Ende der Eiszubereitung nur nach vorheriger Trennung vom Netz aus dem Kühlschrank herausgenommen werden darf. Die Firma P. lieferte daraufhin ein in verschiedener Hinsicht abgeändertes Versuchsmodell. Entgegen einer ausdrücklichen Empfehlung der Beklagten vom 2.9. 1957 war jedoch auch dieses abgeänderte Gerät mit einer am oberen Teil des Motors befindlichen Gerätesteckvorrichtung ausgerüstet. Nach weiteren Überprüfungen wurde der Eisbereiter seitens der Beklagten schließlich zur Serienfertigung freigegeben. Vereinbarungsgemäß übernahm die Firma P. daraufhin die Serienproduktion. Seit 1959 war der Speiseeisbereiter unter dem Firmenzeichen der Beklagten im Handel. Die Beklagte fügte jedem zum Verkauf bereitgestellten Gerät eine Bedienungsanleitung und eine Garantiekarte hinzu. Die Bedienungsanleitung hat folgenden auszugsweisen Wortlaut: „Wichtige Hinweise für die Pflege des X-Eisbereiters: 1.
320
...
11.30 2. Achten Sie bitte auch darauf, daß beim Eisbereiten nichts auf den Motorteil verschüttet wird; insbesondere muß die Steckdosenöffnung - in der Mitte des Motorteils - von jeder Feuchtigkeit freigehalten werden." Der Garantieschein enthält bezeichnung der Beklagten. auszugsweise wie folgt:
auf der Vorderseite die Der rückseitige Aufdruck
„Haftung für Mängel der Lieferung und sonstige I. Der Lieferer leistet für Mängel der Lieferung, auch das Fehlen zugesicherter Eigenschaften folgt Gewähr... II. Alle sonstigen sprüche sind
Firmenlautet
Ansprüche zu denen zählt, wie
vertraglichen und außervertraglichen ausgeschlossen."
An-
Der Kläger hatte im Jahre 1961 den Speiseeisbereiter bei der Firma S. erworben. Seitdem benutzte seine Frau dieses Gerät regelmäßig im Haushalt zum Bereiten von Speiseeis für die Familie.
Deliktshaftung
Fehlernachweis
1. Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, daß die Beklagte aufgrund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§823ff. BGB) verpflichtet ist, die durch den tödlichen Unfall vom 3.6.1963 verursachten Schäden zu ersetzen. Denn die Konstruktion des von Frau O. benutzten Speiseeisbereiters war technisch fehlerhaft; diese Fehlerhaftigkeit hat den Tod von Frau 0 . ursächlich herbeigeführt; die Beklagte hat nach den Rechtsvorschriften über den Schadensersatz bei unerlaubten Handlungen dafür einzustehen. 2. Die Gesamtkonstruktion des Speiseeisbereiters war technisch fehlerhaft. Diese konstruktive Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer durch die Bauart des Speiseeisbereiters bedingten elektrotechnischen Gefährlichkeit, die über die gleichsam „normale" Gefährlichkeit des Umgangs mit elektrischen Energieverbrauchsgeräten hinausreichte und die sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren in jedem Benutzungsfalle ergab. a) Wie insbesondere die Untersuchungen und Ausführungen des Gutachtens S. überzeugend ergeben, konnte bei dem Unfallgerät während der Eiszubereitung flüssige oder halbfeste Masse in die Gerätesteckvorrichtung vordringen und von dort aus die Isolation innerhalb der Gerätesteckdose nachhaltig beeinträchtigen. 321
11.30
Instruktion
Stand der Technik
Maßstabdes durchschnittl. Benutzers 322
Möglicherweise war das allerdings nur dann der Fall, wenn das Gerät über die obere Füllmarke des Rührbehälters hinaus, also mit mehr als 0,51 flüssiger Rohmasse befüllt wurde und deshalb aus objektiver Sicht bereits „überfüllt" war. Von der Konstruktion des Gerätes her wurde aber eine solche „Überfüllung" begünstigt und sogar nahegelegt, ohne daß das daraus resultierende Sicherheitsrisiko für den Benutzer des Gerätes auch bei Heranziehung aller mitgelieferten Instruktionen ausreichend deutlich erkennbar gewesen wäre. Weder die Markierung am Rührbehälter noch auch die mitgelieferten Bedienungs- und Benutzungshinweise für den Speiseeisbereiter enthalten einen Hinweis auf die schon mit verhältnismäßig geringfügiger Überfüllung zwangsläufig verbundene Beeinträchtigung der elektrotechnischen Sicherheit oder eine unmißverständliche Warnung vor der Überschreitung der oberen Füllmarke. Die in der Rezeptanleitung in Kleindruck neben den technischen Daten aufgenommene, fast beiläufige Bemerkung „Füllmenge: V2 Liter Eismasse" bedeutet keine solche Warnung, b) Davon abgesehen war die Konstruktion der Gerätesteckdose auch insofern für den elektrotechnisch ungeübten und uneingeweihten Benutzer des Geräts gefährlich, weil die Gerätesteckdose nach oben offen und ungeschützt war. Weil sich die Steckdose in der Mitte des Behälters befand, in den die Eis-Rohmasse einzufüllen war, konnten bei dem Füllen des Geräts leicht einige Tropfen der flüssigen Masse versehentlich in die Steckdose gelangen und deren Elektroisolierung überbrücken. Die Gefahr einer derartigen Verschmutzung der isolierten Teile der elektrischen Einrichtung des Geräts hätte vermieden werden müssen. Wenn das nach dem damaligen Stand der technischen Entwicklung nicht möglich war, hätte das Gerät nicht in den Handel gebracht werden dürfen, wie nachfolgend näher ausgeführt ist. Das so ermöglichte Eindringen von Eismasse in den Gerätestecker brachte im Zusammenwirken der Eiscremeverschmutzung mit der dadurch bedingten Isolationsminderung für den durchschnittlichen handelnden, d.h. nicht übertrieben vorsichtigen Benutzer eine ernsthafte Gefahrdung mit sich. Für sich allein gesehen konnte die Eismasse
11.30
Unnötig gefährliche Konstruktion
Überforderung des durchschnittlichen Benutzers
in der Gerätesteckvorrichtung zwar zunächst allenfalls zu Funktionsstörungen (Kurzschlüssen) führen. Eine unmittelbare Gefahr für den Benutzer ergab sich aber aus der weiteren Tatsache, daß das Unfallgerät in einer beweglichen Gerätesteckvorrichtung und nicht mit einem festen Leitungsanschluß ausgerüstet war. c) Auffällig und für sich bereits konstruktiv bedenklich ist zunächst, daß die Gerätesteckverbindung selbst für jede einzelne In- und Außerbetriebnahme des Unfallgerätes getrennt werden mußte, weil anders das Gerät nicht zu öffnen, also weder Rohmasse einzufüllen noch fertiges Speiseeis zu entnehmen war. Das bedeutete eine Abweichung von der sonst bereits damals bei Küchengeräten üblichen Bauweise, soweit bei derartigen Geräten Steckverbindungen zulässig und gebräuchlich waren. Bügeleisen, Brotröster, Waffeleisen, Mixgeräte und sonstige technische Gebrauchsgegenstände konnten und können in Betrieb genommen und außer Betrieb gesetzt werden, ohne daß eine Trennung der Gerätesteckverbindung erforderlich wäre. Üblicherweise erfolgt vielmehr bei allen diesen Geräten regelmäßig die Verbindung zum und die Trennung der Zuleitung vom Netz in der Steckdose an der Wand. Die Verbindung zwischen Gerätesteckdose und Gerätestecker kann dabei bestehen bleiben und nimmt so in der täglichen Praxis vielfach den Charakter einer festen Leitungsverbindung an. Eine derartige, vom Standpunkt elektrotechnischer Sicherheit naturgemäß begrüßenswerte Handhabung ließ das Unfallgerät aus konstruktiven Gründen nicht zu. Ein Benutzer, der jede Gefährdung vermeiden wollte, mußte zum Außerbetriebsetzen des Gerätes in jedem einzelnen Falle zwei Trennungsvorgänge ausführen. In erster Linie mußte die Trennung der Zuleitung vom Netz erfolgen, um das Gerät außer Strom zu setzen. Für das weitere Vorgehen war dann zusätzlich die Trennung der Gerätesteckverbindung unumgänglich, damit das Gerät geöffnet und der Inhalt entnommen werden konnte. Der Senat ist der Auffassung, daß dieses Verfahren den durchschnittlichen Benutzer überforderte. Die insgesamt konstruktiv bedingte, außergewöhnlich hohe Beweglichkeit des eigentlichen Geräteanschlusses förderte zwangsläufig 323
11.30
Berücksichtigung naheliegender Benutzungsfehler
eine „vereinfachte" Handhabung im Hinblick auf die für die Sicherheit vordringliche Trennung der Anschlußleitung vom Netz. So lag es durchaus nahe, mit Rücksicht darauf, wenn ohne die Trennung von der Gerätesteckverbindung der gesamte Benutzungsvorgang nicht abgeschlossen und mit der Entnahme des fertigen Speiseeises nicht einmal begonnen werden konnte, daß die Benutzer des Gerätes die Trennung der Zuleitung vom Netz zunächst zurückstellten oder auch aus Vergeßlichkeit oder Bequemlichkeit ganz unterließen. Dann bliebdie Anschlußleitung mit dem Netz verbunden, der Gerätestecker stand weiter unter Strom und bildete eine Gefahrenquelle für den Benutzer, der ihn später wieder zur Hand nahm und dabei mit einer durch Eismasse verschmutzten Stelle in Berührung kam.
Bedienungsanleitungen; Instruktionshaftung
d) Einem derartigen Verhalten wurde auch durch die mitgelieferten Bedienungshinweise nicht mit einer der Gefahr angemessenen Deutlichkeit entgegengewirkt. In der Rezeptanleitung findet sich im Zusammenhang mit der einleitenden Erläuterung des Zubereitungsvorgangs unter der Überschrift „Und so leicht läßt sich das Eis zubereiten" lediglich die in die Form einer Bitte gekleidete Anregung, der Stecker möge im Anschluß an die Fertigstellung der Eismasse, d.h. nach dem Verstummen des Motorgeräusches „gleich aus der Steckdose gezogen werden". Die aus Gründen der Sicherheit nach allem Vorstehenden absolute Notwendigkeit dieser Maßnahme ist weder hier noch an anderer Stelle unmittelbar oder mittelbar angesprochen worden.
Stand der Technik
e) Dies alles steht und stand mit den bereits damals anerkannten Regeln der Elektrotechnik nicht in Einklang. Denn danach stellt jeder durch die Konstruktion von Energieverbrauchsgeräten begünstigte Isolationsverlust im Bereich des Geräteanschlusses als sachlicher Ursprung von Fehlerströmen und Funktionsstörungen ein zusätzliches, die gleichsam „normale" Gefährlichkeit derartiger Geräte überschreitendes Sicherheitsrisiko dar. Ein solches Risiko muß jedenfalls stets dann vermieden werden, wenn die Gesamtbauweise im übrigen für jede In- und Außerbetriebnahme des Gerätes in erster Linie die Trennung der Gerätesteckvorrichtung erforderlich macht. Dabei ist von einem nur durchschnittlich vorsichtigen und elektrotechnisch nicht
324
11.30 Maßstab des durchschnittl. Benutzers Benutzungsfehler
Kausalitätsnachweis
Indiziennachweis
übermäßig erfahrenen Benutzer jedenfalls dann auszugehen, wenn es sich um Güter der Massenproduktion handelt. Fehlerhafte und ungeschickte Handhabungen, die sich als die maßgebenden Ursachen für die Beeinträchtigung der elektrotechnischen Sicherheit im Ergebnis ansehen ließen, die aber als solche dem durchschnittlichen Benutzer weder von selbst erkennbar noch instruktiv erkennbar gemacht worden sind, mußten deshalb bei der Beurteilung der elektrotechnischen Ordnungsmäßigkeit von vornherein mit einbezogen werden. Dies aber ist hier nicht erfolgt; vielmehr wurde das Unfallgerät in technisch fehlerhaftem, für den ahnungslosen Benutzer gefährlichem Zustand vertrieben. Dabei wurde durch das angebrachte VDE-Zeichen noch vorgetäuscht, daß das Gerät unfallsicher sei. 3. Der Tod von Frau O. ist durch die technische Fehlerhaftigkeit des Unfallgeräts hervorgerufen worden. Nach der Überzeugung des Senats ist Frau O. an einem elektrischen Schlag verstorben, den der von einer Hand zur anderen Hand über das Herz fließenden Strom mit sich brachte. Zu diesem tödlichen elektrischen Schlag ist es gekommen, nachdem Frau O. zuvor einen nicht tödlichen, mit erheblichen Verbrennungen in der linken Handfläche verbundenen Schlag erlitten hatte, als sie den noch mit dem Stromnetz verbundenen und durch Eismasse verschmutzten Gerätestecker in die Hand nahm. Daß es zu dem zweiten tödlichen Stromkontakt von Hand zu Hand kam, war die Folge der von FrauO. auf den ersten Stromschlag hin mit der rechten Hand unternommenen Bewegungen. a) Auch bei der sog. Produzentenhaftung hat der Unfallgeschädigte zu beweisen, daß der eingetretene Schaden durch die Fehlerhaftigkeit des Produkts verursacht worden ist (BGH, NJW1969/274 = I.58). Hier nun kann in Ermangelung von Unfallzeugen nur auf der Grundlage der sichergestellten Beweisanzeichen beurteilt werden, wie der Unfall im einzelnen verlaufen ist. Bei sinnvoller Zuordnung und Würdigung der vorhandenen Beweisanzeichen und einschlägigen Erfahrungssätze ergibt sich im Ergebnis der sichere Schluß auf einen solchen Unfallverlauf, bei dem die unstreitig vorhandene und nach allem Vorstehenden konstruktiv gefahrbringende Verschmutzung der Gerätesteckdose ausschlagge325
11.30 bend ursächlich war. Danach steht fest, daß der tödliche Unfall auf die konstruktive Fehlerhaftigkeit des Speiseeisbereiters zurückging. Aus den Feststellungen am Unfallort und dem sichtbaren medizinischen Befund ergibt sich als Ausgangspunkt des Unfallgeschehens zunächst die Existenz einer auf den Verbrennungsbereich der linken Handfläche beschränkten Fehlerstromverbindung. Die damit verbundene Verkrampfung der linken Hand war von Beginn an offenbar so stark, daß Frau O. die Gerätesteckdose nicht mehr aus der Hand zu Boden fallen lassen konnte. Ihr weiteres Verhalten stellte sich danach nur noch als vom Willen weitgehend ungesteuerte Reaktion auf das mit der Verkrampfung und Verbrennung verbundene Schmerzempfinden dar. Die im Ergebnis tödliche Einbeziehung der Körperbahn Hand-Hand in den Fehlerstromfluß erfolgte deshalb entweder, als Frau O. ihre I inke Hand mit der rechten von der Gerätesteckdose zu lösen versuchte; öderes kam dazu, als sie in reaktivem Zugriff einen in der Nähe befindlichen, zur Ableitung von elektrischem Strom geeigneten („genullten") Gegenstand der Kücheneinrichtung mit der rechten Hand bzw. dem damit gehaltenen Messer berührte. Als solche Gegenstände kommen das Kühlschrankgehäuse oder die emaillierten Teile des mit elektrischer Zündung versehenen und deshalb gleichfalls erdpotentiellen Gasherdes in Betracht, b) Die Darlegungen der Beklagten haben diesen Beweis nicht zu entkräften vermocht; denn gegenüber den oben gekennzeichneten, sich angesichts der gesamten Umstände, besonders des konstruktiven Mangels, der zur Unfallzeit unstreitig vorhandenen Gerätesteckdosenverschmutzung sowie der örtlichen Verhältnisse aufdrängenden Überzeugung von dem Unfallverlauf ist die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehens nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst für die Erwägung, die Verunglückte könne infolge Schocks oder Aufschlagen des Kopfes beim Sturz zu Tode gekommen sein. Nach den Feststellungen des Arztes Dr. R. liegt ein derartiger Verlauf ersichtlich außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Darüber hinaus wäre selbst eine solche Fallgestaltung nach den Grundsätzen der adäquaten Verursachung immer noch der konstruktiven Fehlerhaftigkeit des 326
11.30
Verschuldensnachweis
Beweislastumkehr
Bestimmungsgemäße Verwendung
Unfallgerätes zuzurechnen. Denn einem solchen Schock oder Sturz wäre auch dann als der auslösende Faktor der erste elektrische Schlag und die Verbrennung in der linken Hand von Frau O. vorausgegangen; diese aber ging auf die konstruktiv bedingte Verschmutzung der Gerätesteckdose und jene damit unmittelbar zusammenhängende Fehlerstrombrücke zurück, die die linke Hand der Verunglückten in Mitleidenschaft zog. 4. Für die Folgen des so verursachten Todes von Frau O. hat die Beklagte nach den Rechtsgrundsätzen über die Haftung für unerlaubte Handlung einzustehen. Die Voraussetzung des §823 BGB sind erfüllt, weil Frau O. bei und wegen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Speiseeisbereiters, eines von der Beklagten hergestellten und technisch fehlerhaften Industrieerzeugnisses, ihr Leben, ein durch §823 Abs.1 BGB geschütztes Rechtsgut, verloren hat. Die Beklagte hat den unter diesen Umständen ihr als Herstellerin obliegenden Beweis nicht zu erbringen vermocht, daß sie an der Verursachung des technischen Fehlers kein Verschulden traf (BGHZ 51/91 ff. = I.58). a) Frau O. hat das Gerät vor dem Unfall, soweit sich dessen näherer Hergang hat aufklären lassen, bestimmungsgemäß verwendet. Sie hat es, wie der Zustand der Füllung und der Zeitpunkt des Unfalls beweisen, zur Herstellung von Speiseeis benutzen wollen; gerade das entsprach seiner Bestimmung. Dieser bestimmungsgemäßen Verwendung widerspricht es nicht, daß Frau O. das Gerät möglicherweise mit nassen oder sogar feuchten Händen in Benutzung nehmen wollte. Auch falls darin schon eine Überschreitung von allgemeinen Vorsichtigkeitsgrenzen lag, bedeutete das noch nicht eine bestimmungswidrige Verwendung, weil das eigentliche Handlungsziel hier mit der Zweckbindung des jeweiligen Gerätes durchaus noch in Einklang stand. Es ist deshalb auch ebensowenig den Klägern nachteilig, daß Frau 0 . die Gerätesteckdose ergriffen hat, obwohl zuvor die Verbindung zum Netz nicht beseitigt worden war. Selbst ein hier nicht erwiesenes Ergreifen der Gerätesteckdose zum Zweck der Reinigung wäre noch nicht als bestimmungswidrige Verwendung anzusehen. Denn zum sachlichen Bereich der durch die 327
11.30
Herstellerhaftung bei arbeitsteiliger Konstruktion und Fabrikation
Vertrieb unter eigenem Namen
Deliktsrechtliche Relevanz einer vertraglichen Abwälzung der Konstruktionshaftung?
328
Zweckbestimmung gedeckten Handlungen zählten nicht nurdie unmittelbaren In- bzw. Außerbetriebnahmen des Gerätes, sondern auch die Vorbereitung dazu; als solche müßte auch das In-die-Hand-Nehmen der Steckdose noch gelten. b) Die Beklagte ist auch Herstellerin des Unfallgerätes. Sie hat zwar das Unfallgerät weder erfunden noch in eigenen Fertigungsstätten hergestellt; gleichwohl war sie Trägerin der Warenverkehrssicherungspflicht und im Rechtssinne auch Herstellerin. Die maßgebenden Entwicklungskontrollen sind in ihren technischen Abteilungen durchgeführt worden. Danach war die Beklagte am ehesten in der Lage, die von der Konstruktion ausgehende Gefährlichkeit zu beherrschen, also für die notwendigen Abhilfemaßnahmen Sorge zu tragen oder jedenfalls von einem Absatz der Produktion im eigenen Namen abzusehen. Der spätere Vertrieb des Gerätes durch die Beklagte und unter ihrem Namen hat die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten im Verhältnis zu dritten Benutzern des Gerätes ausgelöst, weil gerade dies der in bezug auf die aktuelle Gefährdung der Öffentlichkeit maßgebliche Vorgang war. Es kann dahin stehen, ob auch im Falle einer strengen Arbeitsteilung zwischen Entwicklung und Produktion einerseits und Vertrieb andererseits dem Vertrieb das ausschlaggebende Gewicht beizumessen und (jedenfalls auch) der bloß vertreibende Unternehmer als warenverkehrssicherungspflichtig anzusehen ist; denn eine solche strenge Arbeitsteilung lag hier schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte die maßgeblichen Entwicklungskontrollen selbst übernommen hatte. c) Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung auch nicht etwa dadurch frei geworden, daß die vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Firma P. die Produktionsfirma ausdrücklich verpflichteten, alle Geräte mit den gesetzlich vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen gegen Unfall zu versehen. Auch diese Regelung konnte keine abschließende und die Beklagte im Ergebnis entlastende Übertragung der Erfüllung der Warenverkehrssicherungspflicht (BGH, NJW 1970/1963 = I.60; „Druckfehler") mehr bedeuten, nachdem die Beklagte die Entwicklungskontrollen zuvor unter eigener Verantwortung durchgeführt, also
11.30
Haftung für Konstruktionsfehler elektrischer Geräte trotz fehlender VDE-Sicherheitsvorschriften?
nicht lediglich ihre Handelsmarke zur Verfügung gestellt und den Absatz organisiert hat. d) Die Beklagte ist nicht etwa deshalb von der Verschuldenshaftung frei, weil zur Zeit der Herstellung des Unfallgerätes dessen technische Beschaffenheit nicht gegen eine ausdrückliche VDE-Sicherheitsvorschrift unmittelbar und unfallursächlich verstieß. Zutreffend ist das Landgericht für die objektive Beurteilung der Konstruktionsfehlerfrage im Streitfall von der besonderen normativen Regelung des §1 der 2. Durchführungsverordnung zum Energiewirtschaftsgesetz ausgegangen. Nach dieser Vorschrift müssen alle Energieverbrauchsgeräte, also auch alle elektrisch motorisierten Haushaltsgeräte, hinsichtlich ihrer gesamten Einrichtung den anerkannten Regeln der Elektrotechnik entsprechen. Ergänzend ergibt sich aus § 1 Abs. 2, daß diese Voraussetzung jedenfalls stets dann als erfüllt anzusehen ist, wenn die Einrichtung des betreffenden Gerätes mit den Bestimmungen des Verbandes Deutscher Elektrotechniker (VDE) in Einklang steht. Im Streitfall kann jedoch auf die Regelung des §1 Abs.2 der 2.DVO weder zugunsten noch zu Lasten der Beklagten abschließend zurückgegriffen werden. Denn eine nur nach Maßgabe der damals gültigen Vorschriften durchgeführte Überprüfung des Speiseeisbereiters konnte die eigentlichen elektrotechnischen Fehlerquellen nicht aufzeigen. Der Regelung VDE 0730/11.55 („Vorschriften für elektrische Geräte mit elektromotorischem Antrieb für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke") kann ein ausdrückliches Verbot nicht entnommen werden. Ein derartiges Verbot (,,An Speiseeisbereitern zum Einsetzen in Verdampfer von Haushaltskühlgeräten dürfen nur feste Anschlußleitungen verwendet werden") findet sich erstmals in der ab 1.2. 1971 gültigen Fassung (VDE 0730/2.70). Andererseits ist gerade die Gefährlichkeit des abtrennbaren Geräteanschlusses des Speiseeisbereiters nicht nur aufgrund der oben zu I. niedergelegten Erwägungen erkennbar gegeben, sondern auch schon von der Versuchsabteilung der Beklagten im Rahmen der technischen Vorkontrolle erkannt und eindringlich beanstandet worden. Diese Beanstandung war nicht etwa lediglich darauf zurückzuführen, daß die spannungsführen329
11.30
Verpflichtung zur ausreichenden Typenprüfung
330
den Teile (Kontaktringe) der Gerätesteckdose wegen einer zu großen Öffnung des Isolierstoffkörpers mit dem genormten Prüfgerät erreichbar und somit gegen auffällige Berührung nicht ausreichend geschützt waren. Deshalb ließ sich auch nicht etwa in diesem konkreten Neuentwicklungsfall allein auf der Grundlage von VDE 0730 entscheiden, ob die Ausstattung des Speiseeisbereiters mit einer Gerätesteckvorrichtung allen sicherheitstechnischen Anforderungen zu genügen vermochte. e) Ebensowenig ergab sich dies schon aus dem positiven Ergebnis der ebenfalls in VDE 0730/11.55 (§15) vorgesehenen sog. Feuchtigkeitskontrolle. Geräte, die während ihres normalen Gebrauchs überlaufenden Flüssigkeiten ausgesetzt sind, müssen danach daraufhin überprüft werden, ob die Isolierung durch überlaufende Flüssigkeiten beeinträchtigt werden kann. Die Prüfung wurde hier so durchgeführt, daß im Verlauf von einer Minute ein Körper mit einem Volumen von 15% des Behälterinhalts in den gefüllten Rührbehälter allmählich eingetaucht wurde. Noch im Anschluß an den tödlichen Unfall vom 3.6.1963 ist die mit der Begutachtung des Unfallgerätes beauftragte Prüfstelle des VDE in Frankfurt so vorgegangen. Das Ergebnis dieser Kontrolle war zwar positiv; es betraf aber nicht die gerade diesem Gerät innewohnende spezifische Gefahr aus dem Überquellen von Flüssigkeit während des Gebrauchs. Denn beim Betrieb des Unfallgerätes mußte der Rührbehälter geschlossen sein; die aus dem Überquellen drohende Gefahr entstand nicht durch ein Überlaufen von Eismasse über den Behälterrand, sondern durch ein Eindringen von Eismasse vom Rührbehälter aus in das Innere des Gerätesteckers. Dafür aber konnte die geschilderte Feuchtigkeitskontrolle bei geöffnetem Gerät keinen Aufschluß ergeben. Auch sie beantwortete die Frage nach der Gebrauchssicherheit und Vertriebsreife des Unfallgerätes nicht zureichend. Insbesondere berücksichtigte diese Kontrollmethode nicht, daß die flüssige Eisrohmasse beim Einfüllen in den Behälter tropfenweise leicht in die nach oben ungeschützte, offene Gerätesteckdose gelangen konnte, falls nicht eine besondere Vorsicht beim Einfüllen angewandt wurde. Deshalb vermittelte die Feuchtigkeitskontrolle mit Rücksicht auf die besonderen Eigenarten des
11.30
Herstellerpflichten bei Neukonstruktionen
Bestehende Sicherheitsvorschriften
Produktbezogene Funktionsprüfung
normalen Gebrauchszustandes beim Unfallgerät keine abschließende Erkenntnis zu der Frage, ob der Speiseeisbereiter aus sicherheitstechnischen Gründen wie geschehen konstruiert und serienmäßig produziert werden durfte. f) Die Frage nach dem Vorliegen eines Konstruktionsfehlers kann deshalb im Ergebnis nur nach Maßgabe des §1 Abs.1 der 2. DVO beantwortet werden. Nur auf diese Weise kann im übrigen auch der Besonderheit des Falles Rechnung getragen werden. Diese Besonderheit liegt darin, daß die neuartige Entwicklung des Speiseeisbereiters sicherheitstechnisch abschließend nur beurteilt werden kann, wenn der gesamte Funktionsablauf als ein vom Endzweck her integrierter Vorgang gesehen und in seiner Gesamtheit auf bestimmte Anfälligkeiten hin untersucht worden ist. Für diese Untersuchung kann bei Neuentwicklungen naturgemäß immer nur in begrenztem Rahmen auf die Bestimmungen vorhandener Vorschriften zurückgegriffen werden. So mögen bestimmte einzelne Bauelemente oder einzelne Teile des gesamten Funktionsablaufs regelmäßig noch auf Vorbilder zurückzuführen sein, die ihrerseits bereits bekannt, auf Sicherheit hin geprüft und mit konkreten Anweisungen und Anforderungen versehen in die Bestimmungen aufgenommen worden sind. Entscheidend ist im Rahmen der Sicherheitsfrage aber nicht dies, sondern das bisher nicht untersuchte und nicht geprüfte Zusammenwirken der einzelnen Teile und Funktionsabläufe, das auf die Errichtung eines neuartigen Endziels gerichtet war und das deshalb gerade als solches auf seine sicherheitstechnische Ordnungsmäßigkeit hin besonders kontrolliert werden mußte. Der Senat ist der Auffassung, daß gerade auch in diesem Sinn jener Teil des auf die Auslegung des § 1 der 2. DVO bezogenen Rundschreibens des Reichswirtschaftsministers vom 11.12. 1937 zu verstehen ist, in dem zum Ausdruck kommt, daß es ,,in erster Linie Aufgabe der Hersteller (ist), unter eigener Verantwortung zu prüfen, ob den Bestimmungen des §1 Abs.1 Genüge getan ist, soweit bestimmte Gebiete von den Bestimmungen des VDE nicht erfaßt werden". Danach bemaß sich die Sicherungspflicht der Beklagten, deren Verletzung den Unfall verursacht hat. 5. Für die Verschuldenshaftung der Beklagten kommt es 331
11.30 Fehlende technische Realisierbarkeit einer ausreichenden Konstruktion
Verpflichtung, den Vertrieb eines nach dem Stand der Technik nicht ausreichend sicher konstruierbaren Produkts zu unterlassen
Erkennbarkeit/ Nichterkennbarkeit der Gefährlichkeit für den durchschnittlichen Benutzer
332
schließlich auch nicht darauf an, ob zur Zeit der Herstellung des Unfallgerätes eine andere als die gewählte, gefahrbringende Konstruktion in Ermangelung eines ausreichend kältebeständigen Isolationsmaterials technisch nicht möglich war. Die dem Schutze eines Gerätebenutzers vor der Gefahr schwerer Unfälle dienenden anerkannten Regeln der Technik müssen bei der Güterproduktion von Haushaltsgeräten auch dann maßgebend bleiben, wenn der konkrete technische Entwicklungsstand ersichtlich nicht ausreicht, diesen Regeln im Einzelfall in jeder Hinsicht zu genügen. In derartigen Fällen muß das Ergebnis der technischen Fortentwicklung abgewartet werden, wenn ein bestimmtes Produktoder Vorhaben in andererWeise ohne Sicherheitsrisiko nicht verwirklicht werden kann. Ein mit schweren Gefahren für den Gerätebenutzer verbundener Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik ist nicht etwa allein deshalb in Kauf zu nehmen, weil die technische Entwicklung sonst auf Einzelgebieten zeitweise hinter den sich aus dem abstrakten Gesamterkenntnisstand ergebenden Anforderungen noch zurückbleibt. Dem steht auch die von vornherein andersgelagerte Problematik der sog. Entwicklungsgefahren nicht entgegen (Weitnauer, NJW 1968/1595). Die von der Berufungsbegründung geführte Polemik gegen die Schlußfolgerung, daß die Herstellung des erkennbar technisch seinerzeit nur unter Gefahren für den Benutzer zu verwirklichenden Geräts deshalb bis zur Verbesserung der technischen Voraussetzungen zu unterbleiben hat, trifft nicht die Besonderheiten des hier zu entscheidenden Falles. Die durch Erfindung und Herstellung von Kraftfahrzeugen geschaffene Unfallgefahr beruht im wesentlichen auf der Möglichkeit, dieses technische Mittel auch bestimmungswidrig unter Verstoß gegen Verkehrsordnung und Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme einzusetzen; zudem war und ist diese Gefahr in der Regel für den Benutzer erkennbar. Der von der Beklagten vertriebene Speiseeisbereiter aber wurde gerade auch dem bestimmungsgemäß sich verhaltenden Benutzer gefährlich; und diese Gefährlichkeit war weder ersichtlich noch wurde auch nur in der Gebrauchsanleitung darauf hingewiesen. Das gleiche ist gegenüber dem weiteren Argument der Beklagten zu sagen, daß der Gesetz-
11.30
Erforderlicher Benutzerschutz und Herstellungskosten
Erkennbarkeit der Gefährlichkeit für den durchschnittlichen Benutzer
VDE-Regelwerk und typbezogene Herstellerpflichten
Konstruktionshaftung:
geber die Herstellung gefährlicher Gifte, Sprengstoffe und Feuerwaffen nicht schlechthin verboten hat; auch hier entstehen diese Gefahren regelmäßig aus einer ersichtlichen Gefährlichkeit dieser Gegenstände im Zusammenhang mit der Übertretung einschlägiger Schutzvorschriften durch den Benutzer. 6. Auch soweit das von der Beklagten überreichte Privatgutachten die Herstellung des Unfallgerätes als einen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschlossenen technischen Kompromiß zu rechtfertigen sucht, wird die Besonderheit des hier zu entscheidenden Falles nicht genügend im Blick gehalten. Es kann dahin stehen, ob und inwieweit das Bestreben nach Herstellung von preislich absetzbaren Haushaltsgeräten es erlaubt machen kann, von der Forderung einer absoluten Sicherheit der Betriebsmittel abzugehen. Denn hier hat dem Unfallgerät nicht etwa nur absolute Sicherheit oder auch nur ein optimaler Benutzerschutz gefehlt; vielmehr hat es eine gravierende, gerade in ihrer für den Normalbenutzer fehlenden Erkennbarkeit besonders heimtückische Gefährdung schon von der Konstruktion her mit sich gebracht, die den bestimmungsmäßigen Benutzer ungewarnt in Todesgefahr zu bringen vermochte. Ein solches Verhalten wird weder durch wirtschaftliche noch durch technische Entwicklungsabsichten entschuldigt oder gerechtfertigt. 7. Der Senat hält schließlich auch bezüglich des der Beklagten zurechenbaren Verschuldens die Haftungsvoraussetzungen für bewiesen. Für das rechtliche Ergebnis kann dabei dahin stehen, ob im Zuge der Entwicklung des Unfallgerätes jene Gesamtfunktionsüberprüfung, die bei der Beurteilung der Konstruktionsfehlerfrage hier als notwendig zugrunde gelegt worden ist und die sich nicht nur an den Normen des VDE-Regelwerkes ausrichten durfte, durchgeführt und die im einzelnen dargestellte Fehlerhaftigkeit des Unfallgerätes dabei nicht zutreffend anerkannt wurde, oder ob die Kontrollen sich streng auf die Einhaltung der VDE-Bestimmungen beschränkt haben. Als technisch einschlägig ausgebildeter und erfahrener Ingenieur mußte aber jedenfalls der mit der Organisation und 333
11.30 Auswertung der Ergebnisse der Typenprüfungen
Wirksamkeit der im Garantieschein enthaltenen Freizeichnungsklausel?
334
praktischen Durchführung der Entwicklungsarbeiten als Organ der Beklagten (§31 BGB) tätige Bedienstete erkennen, daß die schon in den einzelnen Prüfberichten enthaltenen Beanstandungen im Ergebnis auch bei dem schließlich zur Serienproduktion freigegebenen Muster nicht beseitigt worden waren. Angesichts der objektivierten Anforderungen, die gemäß §276 Abs. 1 BGB an die Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Drittinteresse gestellt werden, durften die bereits erkannten Mängel der Konstruktion und die sie betreffenden Hinweise der technischen Abteilung nicht außer Betracht bleiben. Nach der Überzeugung des Senats ist hier entweder die Leitung der Verkaufsdirektion in ihrer Gewissenhaftigkeit hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückgeblieben oder sie hat den Besonderheiten technischer Neuentwicklungen betriebsorganisatorisch nicht im ausreichenden Maße Rechnung getragen. Beides hat im Ergebnis die Beklagte zu vertreten. 8. Aus dieser Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung rechtfertigt sich die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung. Der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz steht nicht entgegen, daß sich auf der Rückseite des Garantiescheins eine Freizeichnungsklausel befand. Eine solche pauschale Haftungsfreizeichnung kann jedenfalls gegenüber einem Schadensersatzanspruch der hier in Rede stehenden Art keine Verbindlichkeit beanspruchen. Dazu wäre Voraussetzung, daß sie auf einer prinzipiell berechtigten Interessenwahrnehmung beruhte (Schmidt-Salzer, NJW 1969/289 ff. mwN.). Hier jedoch erweist sich die formularmäßige Haftungsfreizeichnung als unbillig, weil sie den berechtigten Belangen des Gerätebenutzers widerspricht (BGH, NJW 1968/1720). Käufer und Benutzer industriell gefertigter Produkte wären den nachteiligen Folgen konstruktiver Fehlleistungen schutzlos ausgeliefert, wenn es dem Hersteller freistünde, die Haftung im Rahmen des §276 Abs.2 BGB formularmäßig für Unfälle der hier in Rede stehenden Art auszuschließen; denn auf die Inanspruchnahme der Waren aus industrieller Massenproduktion kann unter den heutigen Verhältnissen schlechthin niemand vollständig verzichten.
11.31
Mitverschulden
Eine Haftungsfreizeichnung durch Formulare, Garantiescheine und Allgemeine Geschäftsbedingungen kann daher die verschuldensabhängige Einstandspflicht des Herstellers für die schadenstiftenden Auswirkungen des technisch fehlerhaften Geräts nicht ausschließen und daher die Kläger nicht rechtlos stellen (BGH, NJW 1971/1795). 9. Eine Minderung der die Beklagte treffenden Haftpflicht gemäß §§846, 254 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für ein Mitverschulden der Getöteten müßten dazu entweder unstreitig oder bewiesen sein (BGH, MDR 1968/492). Im Streitfall ist das jedoch nicht der Fall. Insbesondere begründet es keinen Vorwurf des Mitverschuldens, daß Frau O. die Gerätesteckdose ergriffen hat, obwohl diese zum Unfallzeitpunkt noch unter Spannung stand. Gerade dies war nämlich entscheidend darauf zurückzuführen, daß die gewählte Konstruktion des Unfallgerätes ein solches Verhalten nahelegte und daß die Beklagte die insoweit notwendige Instruktion nicht in ausreichendem Maß vermittelt hatte. Frau O. durfte danach mit Recht davon ausgehen, das Bestehenbleiben der Verbindung zum Netz werde auch bei der Benutzung dieses Gerätes nicht mit besonderen, über das Normalmaß bei sog. Verlängerungsschnüren hinausgehenden Gefahren verbunden sein. Nur wegen der nicht erkennbaren Mängel der Gesamtkonstruktion aber war in diesem besonderen Fall gerade der Fortbestand der Verbindung zwischen Anschlußkabel und Netz erheblich gefährlicher, als dies unter normalen Umständen bei Steckdosen an Verlängerungskabeln der Fall ist.
11.31: OLG Düsseldorf, 8. 11. 1972,19 U 54/72
Vertragshaftung
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Mögliche Schadensersatzansprüche der Klägerin sind durch die Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam ausgeschlossen. 335
11.31 Werklieferungsvertrag über unvertretbare Sachen (§ 651) Haftungsfreizeichnung
Eigenschaftszusicherung
Haftungsfreizeichnung
336
1. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist ein Werklieferungsvertrag über eine nicht vertretbare Sache i.S. des §651 BGB, auf den Werkvertragsrecht Anwendung findet. Die Beklagte sollte aus dem von ihr zu beschaffenden Material eine Anlage herstellen und montieren, die auf die besonderen Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten war. 2. Grundlage des von der Klägerin verfolgten Schadensersatzanspruches kann demnach §325 Abs.1 BGB oder §635 BGB sein, je nachdem, ob das Werk der Beklagten von der Klägerin abgenommen worden ist oder nicht (vgl. BGH, NJW 1969/838). Auf diese Unterscheidung kommt es hier jedoch deshalb nicht entscheidend an, weil sich der in den Geschäftsbedingungen der Beklagten vorgesehene Ausschluß von Schadensersatzansprüchen auf beide möglichen Anspruchsgrundlagen erstreckt. Für das Werksvertragsrecht istdie ZulässigkeiteinerVereinbarung bejaht worden, durch die für den Fall schuldhafter Nichterfüllung der eingeschränkten Gewährleistungsansprüche ein Rücktrittsrecht des Bestellers unter Ausschluß weitergehender Schadensersatzansprüche begründet worden ist (vgl. BGHZ 50/200 = I.56 und BGH, NJW 1968/44). Der Beklagten kann auch bei der Haftung des §242 BGB nicht versagt werden, sich auf den Ausschluß von Schadensersatzansprüchen zu berufen. Ein Fall grober Fahrlässigkeit als Ursache für die Nichterfüllung der Gewährleistungsrechte (vgl. BGHZ 50/200 = I.56) ist nicht dargetan. Die Entscheidung des BGH in NJW 1968/ 1622 ( = I.56), auf die sich das angefochtene Urteil stützt, trifft die Fragestellung des zur Entscheidung stehenden Falles gleichfalls nicht. 3. Zwar muß die von der Beklagten in ihrem Angebot angegebene Leistung der Anlage innerhalb von 24 Stunden als eine zugesicherte Eigenschaft i.S. der Gewähr für eine bestimmte Leistungsfähigkeit angesprochen werden. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß die Berufung auf eine Freizeichnungsklausel generell als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden muß, wenn mit ihrer Hilfe Schadensersatzansprüchewegen Fehlens dieser zugesicherten Eigenschaft abgewehrt werden sollen. Denn die zum Kaufrecht ergangene Entscheidung des BGH (aaO.) stellt darauf ab, daß der Sinn der Zusicherung gerade darin bestanden hat, den
11.32
Abgrenzung zwischen Mangelfolge- und Nichterfüllungsschäden
Käufer vor den in den Geschäftsbedingungen ausgeschlossenen Mangelfolgeschäden zu bewahren. Ihr kann jedoch nicht der Grundsatz entnommen werden, daß Schäden von der Haftung des Lieferanten ohne Rücksicht auf die Zweckrichtung der Zusicherung allein deshalb nicht ausgenommenwerden können, weil sie ihren Ursprung im Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft haben. Eine so weit gehende Einschränkung der Freizeichnungsklausel erscheint nicht gerechfertigt. Sie würde nämlich darauf hinauslaufen, das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft haftungsmäßig strenger zu behandeln als Mängel der Tauglichkeit des Werkes zu dem vertraglich vorauszusetzenden Gebrauch, obwohl beide Mängelursprünge nach Werkvertragsrecht in den Rechtsfolgen gleich ausgestaltet sind. Erst wenn der Besteller trotz gegebener Zusicherungen durch die Freizeichnung praktisch rechtlos gestellt wurde, müßte ihm die Berufung auf seine Geschäftsbedingungen versagt werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Klägerin behält die Möglichkeit, sich von dem infolge der Mangelhaftigkeit der Anlagefürsie wertlosen Vertragzu lösen. Darin liegt kein Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild des Werkvertrages. Die von der Klägerin geltend gemachten Schäden sind überdies keine Mangelfolgeschäden, die von der gegebenen Zusicherung gedeckt sein sollten. Sowohl der Aufwand für die Zusatzinvestitionen als auch der entgangene Gewinn i.S. des §252 BGB gehören vielmehr zu demjenigen Schaden, der eng und unmittelbar mit dem Mangel des Werkes zusammenhängt (vgl. BGH, NJW 1961/1256 und NJW 1972/ 625). Unter diesen Umständen ist es ihr deshalb nicht verwehrt, von der Freizeichnungsklausel in ihren Lieferungsund Zahlungsbedingungen Gebrauch zu machen.
II.32: OLG Köln, 2. 5. 1973, 16 U 169/72 (PKW) Der Kläger kaufte von einem Vertragshändler eines PkwHerstellers einen fabrikneuen Pkw. Der Pkw erlitt infolge eines Fabrikationsfehlers im Lenksystem einen Totalschaden. Der Kläger verlangte von dem beklagten Herstellerwerk den Kaufpreis für den neuen Pkw. 337
11.32
Vertragshaftung
„GarantieHaftung" de§ Herstellers bei Weiterverweisung in VertriebshändlerAGB?
1. Ein vertraglicher Anspruch scheitert daran, daß der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Vertragshändler der Beklagten geschlossen worden ist. 2. Dem Kläger stehen aber auch keine unmittelbaren Gewährleistungsansprüche aus einem Garantievertrag der Parteien zu, weil es auch an einer derartigen vertraglichen Bindung fehlt. Eine unmittelbare Garantiehaftung der Beklagten läßt sich insbesondere nicht aus dem Inhalt der Geschäftsbedingungen herleiten. a) Da der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Vertragshändler abgeschlossen worden ist, ist nur dieser zur Gewährleistung verpflichtet. Diese Gewährleistungspflicht ist in den Geschäftsbedingungen näher ausgestaltet worden. Dort heißt es: „Der Verkäufer übernimmt dem Käufer gegenüber die nachstehende Gewährleistung... entsprechend der (dem Vertragshändler) von (dem Pkw-Hersteller) gegebenen Garantie einer Fehlerfreiheit..." Dieser Satz zeigt, daß nur im Innenverhältnis zwischen dem Händler und dem Pkw-Hersteller eine verbindliche Garantiezusage der Beklagten besteht. Für die alleinige vertragliche Gewährleistungspflicht des Verkäufers spricht noch, daß die für den Fall des Unvermögens mögliche Wandlung, die hier geltend gemacht wird, sich nur im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer durchführen ließe. Denn nur der Verkäufer kann den ihm gezahlten Kaufpreis auch zurückgewähren. b) Die alleinige Garantieverpflichtung des Verkäufers entspricht auch dem Sinn und Zweck der Geschäftsbedingungen. Die unmittelbare Garantiezusage des Herstellerwerks könnte zu einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand für das Werk führen. Zu Unrecht meint der Kläger, daß eine selbständige Garantiehaftung der Beklagten daraus herzuleiten sei, daß ersetzte Teile nach den AGB unmittelbar in das Eigentum der Beklagten übergehen sollen. Diese Regelung erklärt sich zwanglos daraus, daß das Hersteller-Werk im Innenverhältnis zu den Händlern verpflichtet ist, die schadhaften Teile zu ersetzen. Um zu erreichen, daß dieser im Innenverhältnis bestehende Anspruch auf die schadhaften Teile dinglich gesichert ist, ist dieser Passus in die AGB aufgenommen worden.
338
11.32 c) Aus Ziff. VI Nr. 2 läßt sich ebenfalls nicht herleiten, daß die Beklagte selbst eine Garantie gegenüber dem Käufer abgegeben hat. Nach dieser Vorschrift kann jeder Vertragshändler die Garantieansprüche erfüllen. Darin liegt eine zugunsten der Kunden getroffene Organisationsmaßnahme, die keine selbständigen Verpflichtungen der Beklagten gegenüber den Käufern schafft. Allerdings kann nur die Beklagte garantieren, daß Angehörige ihres Vertragshändlernetzes den Käufer befriedigen werden. Jedoch ist auch der Verkäufer dazu in der Lage, eine solche Zusicherung rechtlich wirksam abzugeben, weil er seinerseits von der Beklagten entsprechend ermächtigt worden ist. Eine solche Ermächtigung liegt darin, daß die Beklagte die Gewährleistungsbedingungen an ihre Händler verteilt hat. Deliktshaftung
3. Aber auch eine Produzentenhaftung der Beklagten gemäß §823 Abs.1 BGB besteht nicht. Die Haftung des Warenherstellers ist von der Rechtsprechung für Folgeschäden entwickelt worden, d.h. für Sach- oder Vermögensschäden außerhalb der Fehlerhaftigkeit des Produkts selbst (vgl. BGH, MDFt 1969/209 = I.58; BGH, VersR 1960/1095 = I.43; Diederichsen in: Die Haftung des Warenherstellers, 1967, S.5ff. und S. 184ff.). Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Die Grundsätze der Produzentenhaftung sind letztlich auf die Lehre von den Verkehrssicherungspflichten zurückzuführen, die im Zusammenhang mit der „rechtswidrigen Verletzung" der in §823 Abs.1 BGB genannten Lebensgüter und Rechte entstand. Verkehrssicherungspflichten sollten auch dort bestehen, wo kein „Verkehr" im üblichen Sinn vorliegt, weil es sich nicht um Fortbewegungs- und Beförderungsvorgänge handelt (vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, 1969, S.258). Wer ein Produkt herstellt und anderen überläßt („es in den Verkehr bringt"), muß die aus der Sache drohenden Gefahren so gering wie möglich halten. Ihn trifft eine „Gefahrenabwendungspflicht" (vgl. Schmidt-Salzer, BB 1972/1430, 1433). Im Gegensatz zur vertraglichen Pflicht kann sich auf die Verletzung dieser allgemeinen Pflicht jeder berufen, der befugtermaßen in den Gefahrenkreis dieser Sache gekommen ist. Die so verstandene dogmatische Einordnung des Instituts der Produzentenhaftung bringt es mit sich, daß der Herstel339
11.33
Sachschaden bei Herstellung einer neuen, aber mangelhaften Sache?
ler von „gefährlicher" Ware wie der verkehrssicherungspflichtige Hauseigentümer nur für Schäden aufzukommen hat, die durch den von ihm gesetzten und zuzurechnenden Gefahrenherd (hier: fehlerhaftes Kraftfahrzeug) entstanden sind, also für Folgeschäden. Die Haftung des Herstellers selbst setzt demgemäß immer erst dort ein, wo Schäden entstanden sind, die entweder durch die Vorschriften der §§459ff. BGB nicht erfaßt werden, weil dort Schadensersatzansprüche grundsätzlich ausgeschlossen sind, oder wo das Sachmängelrecht des BGB mangels vertraglicher Beziehung überhaupt nicht zur Anwendung kommt. In allen Fällen stehen nur Folgeschäden zur Frage. 4. Der Kläger meint, Folgeschaden sei alles, was über die Zerstörung des fehlerhaften Lenkhebels hinausgegangen sei. Diese Auffassung ist rechtsirrig. Wollte man ihr folgen, so müßte der einheitlich gekaufte Warengegenstand „Pkw" alseine Summe verschiedener Produkte angesehen werden. In Wahrheit ist aber der Pkw für den Kläger ein aus Zulieferteilen und selbstgefertigten Teilen hergestelltes einheitliches Produkt.
11.33: OLG München, 31. 1. 1974, 1 U 3104/73 (KfzWaschanlage)
Haftung für positive Vertragsverletzung Fehlernachweis
340
Die Beklagte war aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Werkvertrages (§631 BGB) verpflichtet, bei der Abwicklung des Vertrages (nämlich dem Waschen ihres Fahrzeugs) ihr Eigentum nicht zu beschädigen. Bei Ansprüchen aus dem Rechtsgrund der positiven Forderungsverletzung obliegt es in der Regel dem Kläger, eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten nachzuweisen. Dabei verkürzt sich aber seine Beweislast insofern, als die Tatsache einer Schädigung bei Abwicklung des Vertrages (etwaeines dem vorliegenden Waschverfahren vergleichbaren Beförderungsvorgangs: BGHZ 8/239, 242) als ausreichender Beweis für eine objektive Pflichtverletzung angese-
11.33
Verpflichtung zur Berücksichtigung auch des Fehlverhaltens Dritter
hen werden kann, wenn nämlich die Schadensursache aus dem Gefahrenkreis oder Verantwortungsbereich des Unternehmers hervorgegangen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Unfallursache aber nur darin liegen, daß das Fahrzeug der Klägerin gegen einen Teil der Waschanlage gestoßen ist und dies (im Zusammenwirken mit einem Fehlverhalten eines Dritten) insoweit auf die Konstruktion der Anlage zurückzuführen ist, als diese keine genügenden Vorrichtungen zur Vermeidung eines Auffahrens zweier sich in der Waschanlage befindender Fahrzeuge enthält und auch keine ausreichenden Vorrichtungen gegen die Gefahreines Anstoßes an den Dachdüsenbalken des Gebläsebogens getroffen sind. In beiden Fällen handelt es sich aber um Schadensursachen aus dem Gefahrenkreis der Beklagten, so daß sich der Schluß auf eine Verletzung der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht rechtfertigt (vgl. auch BGHZ 23/288, 290 = NJW 57/746). Entgegen der Meinung der Beklagten hat sie für einen derartigen Geschehensablauf und insbesondere für den „Eingriff" des Zeugen Z vorzusorgen, da dieser nicht außerhalb ihrer Einwirkungsmöglichkeiten lag. Abgesehen davon, daß gegen ein Versagen des Gebläsebogens (das darin liegt, daß sich der Dachbogenbalken nicht gehoben hat) nur für den Fall eines Defekts der Lichtschranke, nicht aber für den Fall einer zu schnellen Annäherung der Fahrzeuge vorgesorgt war, hätten auch Vorkehrungen gegen ein Auffahren zweier Fahrzeuge getroffen werden müssen. Daß ein solches nach Meinung der Beklagten ohne ein „aktives Tun" eines Dritten nicht möglich ist, entlastet sie jedenfalls insoweit nicht, als die Ursache eines Auffahrens in einem Bremsen eines Fahrzeugs liegt. Mit einem derartigen Verhalten, mag es auch nicht sachgemäß oder sogar unsinnig sein, muß aber gerechnet werden. Es gilt hier nichts anderes als im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht, wo der Pflichtige mit einem Fehlverhalten des Verkehrsteilnehmers rechnen muß, weil die Erfahrung lehrt, daß gelegentlich auch schuldhafte Verstöße geradezu unvermeidbar sind. Mag auch ein Zurückfahren innerhalb der Waschstraße derart fehlerhaft sein, daß mit einem solchen Verhalten nicht gerechnet werden muß, so kann dies für ein Bremsen nicht gelten. Dabei muß vor al341
11.34
Haftung des Anlagenbenutzers für erkennbare Konstruktionsfehler
lern berücksichtigt werden, daß schon ein kurzes Bremsen genügt, um den angesichts der durchschnittlichen Länge gängigerWarentypenvon4,5bis5,5mnichtgeradereichlich bemessenen Abstand zweier Fahrzeuge (deren jeweilige Vorderräder voneinander 5,76m - nämlich den doppelten Abstand zweier Rollen - entfernt sind) gefährlich zu verringern oder ganz aufzuheben. Die Hinweise auf ein Unterlassen des Bremsens (die immerhin zeigen, daß mit einem derartigen Verhalten gerechnet wird) reichen nicht aus. Für derartige Verstöße der Benutzer einer komplizierten Anlage muß deren Inhaber jedenfalls dann einstehen, wenn diese nicht völlig ungefährlich und grobfahrlässig sind, was bei einem - auch versehentlich möglichen - Bremsen nicht gesagt werden kann. Es geht nicht an, den Geschädigten auf etwaige Ansprüche gegen den in solcher Weise fehlerhaft Handelnden zu verweisen, da er einen Nachweis hierfür in der Regel kaum erbringen kann. Derartige Schadensursachen liegen vielmehr in dem Gefahrenkreis des Unternehmers. Auf welche Weise der Beklagte derartigen Gefahren begegnen muß, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Möglichkeiten hierzu bestehen einmal in der Einhaltung größerer Abstände oder in einer Sicherung, welche die Anlage dann ausschaltet, wenn Rollen der Schleppkette unter den Rädern durchlaufen. Da somit eine objektive Pflichtverletzung erwiesen ist, wäre es Sache des Beklagten, in analoger Anwendung von §282 BGB nachzuweisen, daß er diese nicht zu vertreten hat. Schon aus der Tatsache aber, daß der Beklagten die oben dargelegten Gefahrenquellen bekannt waren und sie diese nicht abgestellt hat, ergibt sich aber der Vorwurf der Fahrlässigkeit (§276 BGB).
11.34: OLG München, 22. 2. 1974, 1 U 2490/73
Ein Grundstückseigentümer (Kläger) hatte die Erstbeklagte beauftragt, einen in seinem Garten befindlichen unterirdischen Heizöltank zu reinigen und zu beschichten. In dem
342
11.34 Tank befanden sich noch etwa 65001 öl. Da der Tank zur Reinigung entleert werden mußte, pumpten die Arbeiter der Erstbeklagten 60001 in eine Kunststoffblase, um es später wieder in den Tank zurückzupumpen. Die Kunststoffblase, die laut Aufdruck 75001 öl fassen sollte und keinen Auffangbehälter besaß, platzte; das öl floß in den Garten und Keller des klägerischen Grundstücks. Der Kläger forderte von der Erstbeklagten und deren Geschäftsführer, dem Zweitbeklagten, der die Anweisung über Art und Weise der Zwischenlagerung des Heizöls gegeben hatte, Ersatz der ihm zur Beseitigung des Ölschadens entstandenen Kosten. Die Klage hatte Erfolg.
Anwendungsbereich von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 BGB)
1. Die Verletzung des §6 Abs. 2 der Bayerischen Verordnung über das Lagern wassergefährdender Flüssigkeiten (LagerVO), wonach ein oberirdischer Lagerbehälter für Heizöl mit einem Fassungsvermögen von 10001 aufwärts im Freien mit einem Auffangraum versehen sein muß, wenn er nicht die Voraussetzung des §6 Abs.4 (doppelwandiger Behälter) erfüllt, beinhaltet im vorliegenden Fall allerdings noch nicht einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz i.S. des §823 Abs.2 BGB. Die LagerVO dient der Reinhaltung der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers. Vorschriften des Wasserrechts, die grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur sind, erweisen sich nicht ohne weiteres als Schutzgesetze i.S. des §823 Abs.2 BGB, die nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch dem des einzelnen dienen (BGH, NJW 1970/1875,1876, Nr. II). Ob hier das Vorliegen eines Schutzgesetzes zu bejahen gewesen wäre, wenn es um Ersatzansprüche wegen eingetretener Wasserschäden ginge, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall werden nämlich nicht Schäden aufgrund einer Verunreinigung des Grundwassers geltend gemacht.
Heranziehung begrenzt anwendbarer Schutzgesetze zur inhaltlichen Präzisierung der allgemeinen Verkehrs-
2. Damit ist aber noch nicht gesagt, es könne bei der Prüfung der Frage, ob dem Zweitbeklagten als dem Geschäftsführer der Erstbeklagten eine Fahrlässigkeit zur Last fällt, nicht auch berücksichtigt werden, daß er bei seiner Handlungsweise gegen diese an sich dem Gewässer- und Grundwasserschutz dienenden Rechtsvorschriften verstoßen hat, die ihm als verantwortlichem Vertreter einer Spezialfirma für Tankreinigungen hätten bekannt sein müssen. 343
11.34 sicherungspflicht
Verantwortlichkeitsverteilung bei mehreren Beteiligten
344
Das Maß an Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises von dem in seinem Rahmen Handelnden zu verlangen ist, richtet sich auch insbesondere danach, welche Risiken die betreffenden Tätigkeiten mit sich bringen. Dem Zweitbeklagten mußte als dem Geschäftsführer der Spezialfirma bekannt sein, daß bei Pannen anläßlich der Lagerung von Öl außergewöhnlich hohe Schäden nicht nur infolge einer Grundwasserverseuchung, sondern auch am Grundstück eintreten können. Angesichts der hohen Schadenserwartung war er verpflichtet, in weitgehendem Umfang für die Vermeidung auch entfernterer Schadensursachen Sorge zu tragen, als dies bei weniger risikoträchtigen Tätigkeiten der Fall gewesen wäre. Auf Anpreisungen einer Herstellerfirma über die Qualität eines Kunststofftanks und dessen Verwendungsmöglichkeit durfte er sich deshalb ohnehin nicht verlassen. Außerdem durfte die Möglichkeit, daß ein solcher Behälter wegen eines Material- oder Fertigungsfehlers oder infolge von Verschleißerscheinungen platzen konnte - wiederum im Hinblick auf die Größe der dann eintretenden Gefahren - , nicht als so entfernt angesehen werden, daß sie hätte unberücksichtigt bleiben dürfen. Das hätte der Zweitbeklagte aufgrund seiner Erfahrungen und auch aufgrund der LagerVO, von deren Inhalt er sich hätte Kenntnis verschaffen müssen, erkennen müssen. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der LagerVO für den Gewässer- und Grundwasserschutz zeigen, wie der Verordnungsgeber die Gefahrträchtigkeit der Lagerung derartiger Flüssigkeiten eingeschätzt hat und was er zur Vermeidung solcher Gefahren für geboten gehalten hat. Es sind dabei keine überspannten Sicherheitsvorkehrungen verlangt worden. Die Vorschriften entsprechen vielmehr nicht nur dem, was in dem durch diese Verordnung geregelten Schutzbereich, sondern auch dem, was zum Schutz vor den großen Gefahren für Grundstück und Gebäude bereits aufgrund der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht im Rahmen des §823 Abs.1 BGB und auch aufgrund der einem Fachunternehmen der Tankreinigung obliegenden werkvertraglichen Verpflichtung ohnehin gefordert werden muß. Die Beklagten können angesichts des bestehenden großen Schadenrisikos
11.35 auch nicht einwenden, daß eine mittels eines Auffangraums oder eines (hier wohl eher in Betracht kommenden) doppelwandigen Lagerbehälters zu treffende Vorsorge zu kostspielig gewesen wäre. Sie wären überdies aufgrund der für den Gewässer- und Grundwasserschutz erlassenen öffentlich-rechtlichen Vorschrift des §6 LagerVO ohnehin verpflichtet gewesen, entsprechend zu verfahren.
11.35: OLG Köln, 10. 6. 1974, 7 U 207/73 (bestätigt durch Beschluß des BGH vom 16.3.1976 (VI ZR 214/74) nach dem BGH-Entlastungsgesetz)
Der Beklagte führte im Februar 1971 als selbständiger Maler die Anstreicherarbeiten in dem kurz vor der Eröffnung stehenden Friseurgeschäft der Eheleute M aus. Am 9.2. 1971 übernahm er auf Bitte des Ehemannes M anstelle des verhinderten Fußbodenlegers auch die Verlegung des im Geschäft vorgesehenen Kunststoff-Bodens. Erkaufte nachmittags das Material und begann abends mit zwei Gehilfen den Boden zu verkleben. In dem Geschäft arbeiteten gleichzeitig noch andere Handwerker an der Einrichtung, weil die Zeit bis zur Eröffnung drängte. Nach Mitternacht kam es noch während der Arbeiten an einem in dem Raum hängenden Elektrospeichergerät zu einer Verpuffung, die das Geschäft in Brand setzte. Dadurch wurde das benachbarte Textilgeschäft S in Mitleidenschaft gezogen. Die Kägerin verlangte als Versicherer der Inhaber des Textilgeschäfts gemäß §67 VVG Ersatz ihrer für das Textilgeschäft erbrachten Aufwendungen. Deliktshaftung
1. Der Beklagte ist verpflichtet, die im Textilgeschäft der Zeugin F entstandenen Schäden zu ersetzen und der Klägerin die zum Ausgleich der Schäden erforderlichen Zahlungen zu erstatten, soweit diese als Versicherer Ersatz geleistet hat (§67 VVG). Der Beklagte hat für die infolge des Brandes entstandenen Sachschäden nach §823 Abs.1 BGB Ersatz zu leisten, weil er das Feuer und die damit verbundenen Schäden fahrlässig verursacht hat. 345
11.35 Fehler- und Kausalitätsnachweis
Fehlernachweis
Deliktshaftung bei Gefälligkeitsarbeiten
Das Feuer ist durch brennbare Gase entstanden, die von dem Fußbodenkleber aufgestiegen sind und sich in dem Heißwassergerät entzündet haben. Infolge der Feuergefährlichkeit hätte der Kleber nur bei geöffneten Fenstern und nach Abschalten der im Raum befindlichen Elektrogeräte verarbeitet werden dürfen. Zu der Entzündung der Gase ist es kommen, weil der Beklagte dies leichtfertig jedenfalls insofern unbeachtet gelassen hat, als er bei eingeschalteten Elektrogeräten gearbeitet hat. Der Umstand, daß der Heißwasserspeicher und die Elektroheizung nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten an den früheren Tagen noch nicht angeliefert waren, diese Geräte aber angebracht gewesen sind, als er mit dem Verlegen des Fußbodens begonnen hat, mußte ihn zur Überprüfung veranlassen, ob die Geräte bereits unter Strom standen. Der Beklagte behauptet indessen nicht, Erkundigungen darüber angestellt zu haben. Er hat sich entgegen seiner Ansicht auch nicht darauf verlassen dürfen, daß der anwesende Ehemann der Ladeninhaberin und der ebenfalls anwesende Elektrikergeselle darauf achten würden. Als ausführender Handwerker hat er selbst für die Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen sorgen müssen. Auch wenn er die Arbeit nur aus Gefälligkeit übernommen hatte und M ihm Weisungen für die Ausführung erteilt haben sollte, wäre der Beklagte dadurch nicht aus der eigenen Verantwortung entlassen gewesen. Das gilt besonders, weil er selbst das Material für seine Arbeiten eingekauft hatte und nicht einmal wissen konnte, ob den Zeugen M und F die Feuergefährlichkeit des Klebers überhaupt bekannt gewesen ist. Auch wenn die Bodenplatte des Heißwassergerätes nicht angeschraubt war, konnte dieser Umstand allein nicht das Vertrauen begründen, daß das Gerät noch nicht angeschlossen oder eingeschaltet war. Gerade um die Zeit der Montage und der Erprobung eines Gerätes ist es nicht selten, daß die der Montage dienenden Öffnungen nicht stets sofort wieder geschlossen werden. Schließlich kann der Beklagte auch nicht mit der Behauptung durchdringen, der Heißwasserbereiter sei von den Zeugen F fehlerhaft angeschlossen worden. Der Sachverständige L hat dazu festgestellt, daß der elektrische Anschluß
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11.36 ordnungsgemäß gewesen sei und es keiner besonderen Abnahme des Geräts bedurft habe. Zur Entzündung der Gase mit den am Gerät noch deutlich sichtbaren Spuren einer Verpuffung müsse es durch den Funken gekommen sein, der beim automatischen Einschalten des Gerätes entstehe. Zweifel könne nach der Beweisaufnahme nur daran bestehen, ob die Bodenplatte des Gerätes vor der Entzündung der Gase montiert war. Auch wenn die Bodenplatte nicht angeschraubt gewesen sein sollte, würde das die Haftung des Beklagten für die Entzündung der Gase nicht ausschließen. Es Ist zwar wahrscheinlich, daß die Konzentration der Gase in der Verkleidung des Heißwasserbereiters besonders ansteigen konnte, wenn das Geräte hinten offen gewesen ist. Derartige Möglichkeiten, daß sich Gase in bestimmten Bereichen eines Raumes oder an einzelnen Stellen von Elektrogeräten fangen und verstärkt konzentrieren, liegen aber auch bei vollständig installierten Geräten nicht außerhalb der Erfahrung. Gerade deshalb sollen Elektrogeräte auch bei geöffneten Fenstern vor Verwendung des Klebers abgeschaltet werden. Solche Geräte sind häufig nicht luftdicht abgeschlossen und es besteht immer die Möglichkeit, daß ein beim automatischen Anschalten entstehender Funke zur Explosion führt, wenn in einem Raum brennbare Gase entstehen. Insofern hat der Sachverständige zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Fehlen der Bodenplatte ohne Einfluß gewesen sei. Liegt aber die Möglichkeit der Entzündung von Gasen bei eingeschalteten Geräten nicht außerhalb der Erfahrung, dann ist es unerheblich, ob jemand, der bei den Geräten mit Gasen oder gasbildenden Stoffen hantiert, mit der konkreten Art der Entstehung des Schadens rechnen mußte.
11.36: K G , 2 9 . 1 0 . 1 9 7 4 , 9 W 1 2 7 0 / 7 4 ( K o n t r a s t m i t t e l )
Deliktshaftung: Verjährung (§ 852)
1. Dem LG ist darin beizupflichten, daß die Antragsgegner gem. §222 Abs.1 BGB dazu berechtigt sind, die geforderte Leistung schon deshalb zu verweigern, weil die Verjährung 347
11.36
Lauf der 3 Jahresfrist
Lauf der 30-Jahresfrist
Deliktshaftung bei Vertrieb als Markenware
vollendet ist. Soweit der Anspruch darauf begründet werden könnte, daß der Schaden aus einer unerlaubten Handlung entstanden ist, tritt nach §852 Abs. 1 BGB die Verjährung bereits nach3 Jahrenein. Zwar rechnet diese Fristerstvon dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, doch genügt die Kenntnis im allgemeinen und umfaßt alle als möglich vorauszusehenden Folgen. Die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen muß nur soweit reichen, daß der Verletzte aufgrund seiner Unterlagen gegen eine bestimmte Person Klage erheben kann. Daß ihr Leiden durch eineThorotrast-Speicherung im inneren Bindegewebe hervorgerufen war, wußte die Antragstellerin nach eigener Darstellung schon seit 1963. Weshalb es noch eine Reihe von Jahren bedurfte, bis die Antragsstellerin die Klinik ermittelte, wo die Injektion stattgefunden hatte, ist nicht zu erkennen. Auf jeden Fall war der Hersteller des genannten Kontrastmittels ohne Schwierigkeiten zu ermitteln. Zudem kommt es auf die Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen nicht an, wenn 30 Jahre von der Begehung der Handlung an verstrichen sind. Für diesen Zeitablauf ist nicht der Eintritt des Schadens, sondern allein das Setzen der Schadenursache bedeutsam (BGH, VersR 1973/617 = NJW 1973/1077). Die Verjährungsfrist von 30 Jahren begann für den Hersteller des Kontrastmittels spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Mittel an die betreffende Klinik absandte, für den Leiter der Klinik, als er die Verwendung des Mittels anordnete oder gestattete. Das geschah spätestens Mitte April 1943. Dementsprechend lief die Frist spätestens Mitte April 1973 ab. 2. Auch abgesehen von der in der Entscheidung des LG allein behandelten Fragen der Verjährung erscheint die Verfolgung der erhobenen Ansprüche nicht erfolgversprechend. Vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehen nicht. In dem Anbieten und Vertreiben einer Ware unter einer Markenbezeichnung liegt in der Regel keine rechtsgeschäftliche Garantieübernahme bezüglich der Unschädlichkeit gegenüber jedem Endverbraucher. Ebensowenig entfaltet der Kaufvertrag zwischen dem Hersteller eines Medikaments und der Klinik, in der es verwendet werden
348
11.36 Schutzwirkung des Verkaufsvertrages? Drittschadensliquidation
Herstellerpflichten bei Human-Arzneimitteln
Stand der Wissenschaft
Präparatentwicklung durch anerkannte Wissenschaftler Zulässigkeit des Inverkehrbringens trotz
soll, eine Schutzwirkung zugunsten der in der Klinik behandelten Patienten. Auch von einer Schadensverlagerung kann hier nicht gesprochen werden (vgl. BGHZ 40/91 = VersR 1963/1172). Schließlich scheidet auch die Haftung aus einem besonderen Vertrauen aus, um das der Hersteller geworben und daß ihm der Endverbraucher geschenkt hat. Die Antragstellerin hat seinerzeit nicht gewußt, welches Mittel ihrverabreicht wurde, sondern ist erst viel später darüber unterrichtet worden. 3. Allerdings trifft den Hersteller einer Ware eine Verkehrssicherungspflicht. Der Umfang dieser Pflicht wird je nach der Art der Ware verschieden sein. Für Mittel, die in der Heilkunde verwendet werden sollen, wird grundsätzlich ein strenger Maßstab zu gelten haben. Der Hersteller muß entweder für einen gefahrlosen Zustand sorgen oder, wo dies nicht zu erreichen ist, auf das Bestehen der möglichen Gefahren hinweisen. Daß die Anwendung des Kontrastmittels T Gefahren für den damit behandelten Patienten mit sich bringt, beruht zum Teil schon in der Anwendung. Es muß, um seinen Zweck in der Artériographie zu erfüllen, in die Schlagader eingebracht werden. Die erstrebte kontrastbildende Wirkung verlangte die Anwendung eines dazu geeigneten Stoffes, den die Wissenschaft seinerzeit im streitigen Mittel T gefunden zu haben meinte. Es galt, wenn es auch nicht an einzelnen warnenden Hinweisen fehlte, noch bis in die Zeit nach dem Ende des 2. Weltkrieges hinein als verträgliches Kontrastmittel (BGH, VersR 1961/810). So, wie dem Arzt nicht zum Verschulden gereichen kann, wenn er ein allgemein angewendetes und empfohlenes Mittel seinerseits verwendet, kann einem Hersteller nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er ein Präparat herstellt und verkauft, das von anerkannten Wissenschaftlern des Faches entdeckt und entwickelt wurde. Daß die Möglichkeit nachteiliger Spätfolgen verkannt oder zu gering eingeschätzt wurde, lag ersichtlich zunächst an mangelnder Erfahrung und zu kurzer Zeit der Erprobung. Darin kann hier jedoch kein Verschulden gesehen werden. In den Fällen, in denen dem Verdacht eines Gehirntumors nachgegangen werden mußte, war - solange kein besseres Mittel zur Verfügung stand - die Anwendung geboten und die Ge349
11.37 geringer Erfahrung: soziale Nützlichkeit
Stand der Wissenschaften
fahr noch ungewisser Spätfolgen in Kauf zu nehmen, um der Gefahr einer unmittelbar gegebenen Lebensbedrohung zu begegnen. Solange die Ärzte das Mittel nicht zu entbehren können vermeinten, durfte der Hersteller es zur Verfügung halten. Es war sichergestellt, daß es ausschließlich in die Hände der Ärzte gelangte, die es anzuwenden wünschten. Ein Anhalt für ein Verschulden der ersten Antragsgegnerin, sei es bei der Erprobung, sei es bei der Auslieferung des Mittels, besteht hiernach nicht. 4. Der Vorwurf, nicht hinreichend für die gute Organisation des Klinikbetriebes in der Zeit seiner Abwesenheit gesorgt zu haben, kann den zweiten Antragsgegner nicht treffen, weil er nach dem damaligen Stand der Wissenschaft keine Veranlassung haben konnte, den Bezug und die kunstgerechte Anwendung des Kontrastmittels T zu untersagen oder auch nur davor zu warnen. Es kommt deswegen nicht darauf an, wann erstmalig in verstärktem Maße Stimmen laut wurden, die in den medizinischen Fachblättern die Möglichkeit schädlicher Spätfolgen bei der Verwendung vonT in der Angiographie hervorhoben.
11.37: OLG Hamburg, 4 . 1 2 . 1 9 7 4 , 5 U 79/1974 (Konservierungsmittel)
Vertragshaftung Verjährung (§477)
350
Die Klägerin bezog von der Beklagten Konservierungsmittel (Primer), mit denen sie für Werften bestimmte Schiffsbleche bearbeitete, um das Material gegen Rost zu schützen. Sie wirft der Beklagten vor, diese habe in drei Fällen mangelhaften Primer geliefert und ihr dadurch großen Schaden zugefügt. 1. Die Einrede der Verjährung greift durch. Schadensersatzansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung verjähren gemäß §477 Abs. 1 BGB für bewegliche Sachen in 6 Monaten von der Ablieferung an. Die Frist des §477 Abs. 1 BGB gilt anders als die entsprechende Regelung für das Werkvertragsrecht (BGHZ 46/238) auch für Schadensersatzansprü-
11.37
Beginn des Laufs der Frist
che aus positiver Vertragsverletzung, soweit sie aus Mängeln der Kaufsache hergeleitet werden, also für sog. Mangelfolgeschäden (BGH, NJW 1973/843 = I.75). Es kann deshalb unentschieden bleiben, wie die von der Klägerin erhobenen Schadensersatzansprüche rechtlich einzuordnen sind, weil sie jedenfalls mit Mängeln der Ware begründet werden. Die Anwendbarkeit des §477 Abs.1 BGB entfällt schließlich auch dann nicht, wenn die Gewährleistungspflicht durch Geschäftsbedingungen abweichend von der gesetzlichen Regelung ausgestaltet ist (BGH, NJW 1971/ 654). 2. Zweifelhaft ist allerdings, ob die Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Käufers wegen mangelhafter Ware mit der Ablieferung der Ware beginnt, wie es dem Wortlaut des §477 Abs.1 BGB entsprechen würde. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wäre es nicht annehmbar, die Verjährung schon vor Eintritt des Schadenbeginnes und damit möglicherweise vor Entstehung eines Schadensersatzanspruchs ablaufen zu lassen (BGH, NJW 1973/843, 845 = I.75). Der Bundesgerichtshof (aaO.) hat es als naheliegend bezeichnet, die Verjährung zu dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in dem der Schaden dem Käufer erkennbar wird und der Ersatzanspruch sinngemäß in einer zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Form gerichtlich geltend gemacht werden kann. Dieser Ansicht ist jedenfalls insoweit zu folgen, als angesichts des Gesetzeswortlautes keinesfalls ein späterer Zeitpunkt zugrunde gelegt werden darf. Die Rechtslage wäre dann für einen Käufer ähnlich wie für den Deliktsgläubiger nach §852 BGB, wo schon das Gesetz auf die Kenntnis des Verletzten vom Eintritt des Schadens abstellt. Hier wie dort würde es dann für den Beginn der Verjährung ausreichen, daß jedenfalls eine Feststellungsklage erhoben werden konnte (vgl. BGH, BB 1966/141; Betr. 1959/232; OLG Köln, VersR 1970/49). Keinesfalls käme es darauf an, ob der Schaden bereits seinem gesamten Umfang nach erkennbar, insbesondere bezifferbar war. b) Im Streitfall wäre der späteste, nach diesen Grundsätzen für den Beginn der Verjährung in Betracht kommende Zeitpunkt der 20. Dezember 1972. 351
11.37 Die Ware war aufgrund der hier behandelten beiden ersten Bestellungen bis Oktober 1972 geliefert und in der Folge verarbeitet worden. Bald darauf kam es zu den Reklamationen der Werften und zu verschiedenen Besprechungen der Parteien über Ursachen und Umfang der reklamierten Schäden. Es war nicht mehr verkennbar, daß erhebliche Ersatzansprüche der Werften gegen die Klägerin begründet waren, die sich daraus ergaben, daß der von der Beklagen gelieferte und von der Klägerin verarbeitete Primer zu keinem nachhaltigen Korrosionsschutz geführt hatte. Am 20. Dezember 1972 schrieb die Klägerin der Beklagten sinngemäß: „Unsere Überprüfungen sind abgeschlossen." Nach dem „Abschluß" ihrer Untersuchungen hat die Klägerin keine wesentlichen neuen Kenntnisse über den Grund der Verantwortlichkeit der Beklagten mehr erlangt. Nach ihrer schon damals gewonnenen Überzeugung hatte die Beklagte vertragswidrig geliefert und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht. Lediglich der genaue Umfang des Schadens stand noch nicht fest. Das kann am Beginn der Verjährungsfrist spätestens mit dem 20. Dezember 1972 nichts ändern. Die Klägerin hätte mindestens auf Feststellung der Vertragspflicht der Beklagten klagen können, c) Von dieser Feststellungsklage wären auch diejenigen Schäden erfaßt worden, die erst im Februar 1973 eintraten und die nach dem Vorbringen der Klägerin zum Teil die auf die Bestellung vom Oktober 1972 gelieferte Ware betragen. Sämtliche Schäden ergaben sich nach dem Vorbringen der Klägerin aus der mangelhaften Eignung des Primers, trotz günstiger Einstellung der Verarbeitungsanlage einen nachhaltigen Korrosionsschutz zu bewirken. Da die Verjährungsfrist demnach spätestens am 20. Dezember 1972 begann, war sie bei Einreichung der Klage am 4.Juli 1973 verstrichen. Verlust der Verjährungseinrede? Anerkenntnis?
352
3. Die Klägerin kann sich gegenüber der Verjährungsfrist nicht darauf berufen, daß die Beklagte an den Verhandlungen mit den Werften teilgenommen hat. Ein Anerkenntnis i. S. des §208 BGB kann aus der bloßen Tatsache der Mitwirkung der Beklagten bei Verhandlungen mit den Kunden der Klägerin nicht entnommen werden. Abgesehen davon, daß jene Verhandlungen zum guten Teil der Aufklärung der
11.37
Regulierungsverhandlungen
Scheitern der Verhandlungen
Obliegenheit zur Klageerhebung innerhalb einer angemessenen Frist
Schadensursachen dienten und sich die Frage einer rechtlichen Verantwortung für die Schäden vor einem insoweit gewonnenen Ergebnis gar nicht stellte, konnte die Beklagte auch dann allen Anlaß sehen, sich an Besprechungen über den Umfang des Schadens und seine möglichst einfache Behebung zu beteiligen, wenn sie sich für die Schäden nicht verantwortlich fühlte. Es konnte ihr nämlich darum gehen, der Klägerin zu helfen, um sie als Kunden zu behalten. Die Klägerin hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine andere Beurteilung auch nur nahelegen könnten. Auch damit kann die Klägerin nicht gehört werden, daß die Erhebung der Verjährungseinrede arglistig sei, weil die Parteien sich zunächst längere Zeit gemeinsam um die Feststellung der Regulierung des Schadens bemüht hätten und die Beklagte vor ihrem Schreiben vom 28. März 1973 nicht habe erkennen lassen, daß sie jede Verantwortung ablehnen wolle. Allerdings ist anerkannt, daß der Schuldner bei Erhebung der Verjährungseinrede treuwidrig handeln kann, wenn er den Gläubiger geflissentlich oder auch unabsichtlich veranlaßt hat, von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzusehen (vgl. RGZ 153 101; BGH, NJW 1955/1834; 1959/ 96; VersR 1971/440). Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß das Verhalten der Beklagten bis zu ihrem Schreiben vom 28. März 1973 geeignet war, die Klägerin bei vernünftiger Beurteilung ihrer Interessen von einer Klageerhebung zur Unterbrechung der Verjährung abzuhalten. Auch dann wäre der Gegeneinwand der Arglist unbegründet. Nach dem Wegfall der die Arglist des Schuldners begründenden Umstände beginnt nämlich die Verjährungsfrist nicht etwa neu zu laufen. Vielmehr ändert sich am Ablauf der Verjährungsfrist überhaupt nichts. Dem Gläubiger verbleibt lediglich eine nach den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs und den Umständen des Falles zu bemessene Frist, innerhalb derer er die Klage auch noch nach Ablauf der Verjährungsfrist erheben kann, falls das oben gekennzeichnete Verhalten des Schuldners über den Ablauf der Verjährungsfrist hinaus fortdauert oder erst kurz vor ihrem Ablauf endet (vgl. RGZ 115/139; 157/22; BGH, NJW 1955/1834; 1959/96; 1973/843, 845; BAG, NDR 1959/339). Endet das genannte Verhalten des Schuldners so geraume 353
11.37
Dauer der Überlegungsfrist
Zeit vor Ablauf der Verjährungsfrist, daß dem Gläubiger jener Zeitraum noch innerhalb der Verjährungsfrist zur Verfügung steht, so muß der Gläubiger folglich die Verjährungsfristeinhalten und er hat keinen Grund mehr, dem Schuldner arglistiges Verhalten vorzuwerfen, wenn er die Frist versäumt und der Schuldner sich sodann auf Verjährung beruft. Im vorliegenden Fall endete ein die Klägerin an alsbaldiger Klageerhebung hinderndes Verhalten der Beklagten nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin spätestens (bei Empfang des Schreibens, also) am 30. März 1973. Damals lehnte die Beklagte jede rechtl ¡che Verantwortung für den Schaden eindeutig ab und bot lediglich aus Kulanz die später geleistete Zahlung von 14000 DM an. Unter solchen Umständen war die Einreichung der Klage erst am 4. Juli 1973 verspätet. Auch bei weitherziger Berücksichtigung der Interessen der Klägerin läßt sich nicht sagen, der Klägerin habe nach Treu und Glauben ein Zeitraum von mehr als einen Vierteljahr zugebilligt werden müssen, bevor sie sich zur Klageerhebung entschließen brauchte. In der Rechtsprechung ist stets anerkannt worden, daß die Überlegungsfrist des Gläubigers - wenn auch in jedem Fall von besonderen Umständen abhängig - kurz zu bemessen ist. Das Reichsgericht (RGZ 128/211, 214) hat eine Frist von weniger als 3 Monaten, der Bundesgerichtshof (NJW 1959/ 96) eine solche von 3 Monaten als zu lang angesehen. Nur in ganz außergewöhnlichen Ausnahmefällen, namentlich bei außergerichtlichen Schwierigkeiten des Gläubigers, sind von der Rechtsprechung längere Fristen zugebilligt worden. Von einem solchen Ausnahmefall kann hier keine Rede sein. Die Klägerin hatte der Beklagten schon im Dezember 1972 mitgeteilt, ihre Untersuchungen seien abgeschlossen. Es ist auch nicht ersichtlich, welche weitere Aufklärung im Jahre 1973 überhaupt noch nötig gewesen sein sollte, wenn man von der Höhe der schädlichen Auswirkungen des Mangels absieht, die bei der Frage der Unterbrechung der Verjährung keine Rolle spielt. Der Umstand, daß die Rechtslage der Klägerin zweifelhaft erschienen sein mag, kann am Ergebnis nichts ändern. 4. Auch hinsichtlich der Ersatzansprüche, die die Klägerin aus dem angeblichen Mangel der aufgrund ihrer letzten Be-
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11.37
Schaden an der gelieferten Sache und positive Vertragsverletzung
Nichterfüllungsschaden
Stellung vom 7. Februar 1973 gelieferten Ware herleitet, ist die Klage auch hinsichtlich dieser Ersatzansprüche unbegründet. a) In Betracht zu ziehen wären vor allem Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung oder aus Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß §480 Abs.2 BGB. Die Klägerin hat aber die Voraussetzungen dieser beiden Ansprüche nicht ausreichend dargelegt. Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung steht der Klägerin, auch wenn man ihrem Vorbringen über die Untauglichkeit des Primers folgt, nicht zu, weil ein solcher Anspruch für die hier geltend gemachten Schäden durch die gesetzliche Sonderregelung über die Gewährleistung beim Kauf ausgeschlossen ist. In Rechtsprechung und Schrifttum ist nicht zweifelhaft, daß die Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung versagen, soweit kauf rechtliche Gewährleistungsvorschriften die Voraussetzungen der Haftung des Verkäufers für Mängel der Ware besonders regeln, vor allem von qualifizierten Voraussetzungen abhängig machen (vgl. BGH, NJW 1965/532, 533; Todt, BB 1971/680, soweit dort die Ersatzpflicht des Verkäufers für das Nichterfüllungsinteresse des Käufers geregelt ist). Dieses Interesse umfaßt alle Schäden, die ohne Verletzung anderweitiger Rechtsgüter des Käufers allein aufgrund des Mangels der Ware entstehen, die sich also ohne weiteres schon aus deren Minderwertigkeit oder Gebrauchsuntauglichkeit ergeben oder die ihrer Art nach auch bei gänzlicher Nichterfüllung hätten eintreten können (BGH, LM Nr.5 zu §459 Abs.1 BGB). Um solche Schäden geht es im Streitfall. Die Klägerin begehrt für die hier behandelte dritte Lieferung den Ersatz von Kosten, die sie aufzuwenden hatte, um schließlich nach einer Reihe mißlungener Versuche doch noch einen ordnungsgemäßen Korrosionsschutz für die von ihr hergestellten Bleche zu erreichen. Diesen Schutz hat sie erreicht. Der behauptete Mangel hat sich also nicht im Sinne einer weitergehenden Schädigung, etwa einer Rostbildung an den Blechen oder einer Beschädigung der Anlagen der Klägerin ausgewirkt. Er führte im Betrieb der Klägerin lediglich zu gewissen zusätzlichen Unkosten, die ihrer Art nach auch dann hätten entstehen können, wenn die Beklagte die Klägerin im 355
11.37 Stich gelassen und überhaupt nicht geliefert hätte. Auch dann hätte die Klägerin bis zum Eintreffen ordnungsgemäßer Ersatzware Standgelder für die bereitgehaltenen Waggonsaufwenden und ihre Fertigung kurzfristig mit der Folge vergeblicher Lohnaufwendungen und entgangenem Gewinn unterbrechen, schließlich auch Kosten für den anderweitig zu beschaffenden Primer aufwenden müssen. Es geht im Streitfall also insgesamt um das Nichterfüllungsinteresse der Klägerin im Sinn des §480 Abs.2 BGB. Nur dieses Interessewird verletzt, wenn der Mangel der Kaufsache zu einer Verzögerung der beabsichtigten Verwendung führt und der Käufer durch diese Verzögerung Vermögenseinbußen erleidet (BGH, NJW1965/532). Die streitigen Kosten der Klägerin können nicht anders beurteilt werden als Aufwendungen, die erforderlich werden, um eine mangelhafte Ware in gebrauchstauglichen Zustand zu versetzen. Auch für solche Aufwendungen ist allgemein anerkannt, daß sie zu dem nach §463 oder 480 Abs. 2 BGB zu leistenden Schadensersatz wegen Nichterfüllung gehören (vgl. BGH, NJW 1965/34; Todt, BB 1971/680, 684). Daraus ergibt sich, daß die Klägerin Ersatz der hier streitigen Schäden nur unter den Voraussetzungen des §480 Abs.2 BGB, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung fordern kann. Der oben angeführte Grundsatz, daß Ansprüche des Käufers aus §480 Abs.2 oder 463 BGB und aus positiver Vertragsverletzung sich gegenseitig ausschließen, wird nach neuerer Auffassung allerdings in gewissen Fällen durchbrochen. Soweit nämlich die Zusicherung einer Eigenschaft der verkauften Ware in Frage steht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu fragen, ob die Zusicherung den Zweck verfolgte, den Käufer auch gegen sog. Mangelfolgeschäden zu schützen, die grundsätzlich nur bei positiver Vertragsverletzung, also bei Verschulden des Verkäufers, zu ersetzen sind. Ist das der Fall, dann ergreift der Anspruch aus §463oder §480 Abs.2 BGB auch die genannten Mangelfolgeschäden und kann es insoweit zu einer echten Konkurrenz mit Ansprüchen aus positiver Vertragsverletzung kommen (vgl. dazu BGHZ 50/200 = NJW 1968/1622 = I.56; BGH NJW 1968/2238; 1972/251, 253). Diese Besonderheit ist indessen für den vorliegenden Fall 356
11.37 ohne Bedeutung. Hier geht es nicht um Mangelfolgeschäden, sondern um den Nichterfüllungsschaden der Klägerin im eigentlichen Sinn. Diesen Schaden soll der Verkäufer nach dem in §§463 und 480 Abs.2 BGB zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzes nur unter den dort umschriebenen Voraussetzungen, also nur dann ersetzen müssen, wenn ihm entweder Arglist zur Last fällt oder er eine Eigenschaft der Ware zugesichert hatte, durch deren Fehlen der Käufer geschädigt wurde. Das Gesetz macht also deutlich, daß bloße Fahrlässigkeit des Verkäufers in bezug auf Mängel der Ware ihn nicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichten soll, wenn das Fehlen des Mangels nicht vertraglich zugesichert war. Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung
b) Die Klägerin hätte mithin die Voraussetzungen des §480 Abs. 2 BGB darlegen müssen. Daran fehlt es. Es kommt darauf an, ob dargelegt ist, daß die Beklagte vertraglich zugesichert hatte, ihr Primer werde im Rahmen des Fertigungsprozesses der Klägerin nicht zu Farbabrissen führen. Diese Frage ist zu verneinen. Eine stillschweigende Eigenschaftszusicherung ist in Ausnahmefällen möglich. Sie wäre z. B. in Betracht zu ziehen, wenn der Primer nur für eine ganz bestimmte Verwendungsweise hergestellt und angeboten worden wäre. Ein Käufer dürfte dann gegebenenfalls die Tauglichkeit der Ware zu diesem einzig in Betracht kommenden Zweck als zugesichert ansehen (vgl. etwa BGHZ 50/200 = 1.56; ferner auch BGH, VersR 1966/241 = I.49). So lag es indessen im Streitfall nicht.
Eigenschaftszusicherung bei von den konkreten Einsatzbedingungen abhängigen Waren?
ba) Dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist deutlich zu entnehmen, daß eine erfolgreiche Verwendung des Primers nicht nur von dessen Beschaffenheit, sondern weitgehend auch von den Einzelheiten seiner Verwendung abhängt, so etwa von der Temperatur der Bleche zur Zeit der Aufbringung des Primers, von der Geschwindigkeit des Transportbandes, von der Getriebebewegung der Spritzpistolen, von der Art der verwendeten Spritzdüsen und noch von weiteren Voraussetzungen. Bei einer derartigen Sachlage konnte keine Rede davon sein, daß der Primer nur schlechthin geeignet oder ungeeignet sein konnte, einen zuverlässigen Korrosionsschutz zu bewirken. Deshalb konnte die Klägerin die Eignung der Ware für die gerade von ihr beabsichtigte 357
11.37
Eigenschaftszusicherung aufgrund von Schadenermittlungsverhandlungen?
Art der Verwendung nicht als stillschweigend zugesichert ansehen. bb) Dies gilt um so mehr, als die Parteien zum Zeitpunkt der Bestellung vom 7. Februar 1973 bereits erkannt hatten, daß der Primer im Betrieb der Klägerin zu Verarbeitungsschwierigkeiten führen konnte. Die Beanstandungen der Werften, die sich auf die Behandlung von Blechen mit dem von der Klägerin früher bestellten Primer bezogen, lagen damals seit Monaten vor, waren von beiden Parteien untersucht und jeweils verschieden beurteilt worden. Die Klägerin kannte den Standpunkt der Beklagten, daß die eingetretenen Schwierigkeiten auf dem Verarbeitungsvorgang in ihrem Betrieb beruhten. Wenn die Klägerin vorträgt, der Mitarbeiter F der Beklagten habe ihr am 5. Dezember 1972 bestätigt, daß sie die Anregungen der Beklagten über die beim Bearbeitungsvorgang zu beachtenden Einzelheiten befolgt habe und auch ganz allgemein hätten die Vertreter der Beklagten „in sämtlichen Gesprächen" eingeräumt, daß bei der Verwendung des Primers Verarbeitungsschwierigkeiten aufgetreten seien, so hatte sie gerade danach keinen berechtigten Anlaß zu der Annahme, die Beklagte wolle ihr bei der neuen Bestellung vom 7. Februar 1973 im Wege vertraglicher Zusicherung das Risiko abnehmen, daß künftig keine Schäden mehr auftreten würden, obwohl sie sich zuvor trotz günstiger Verarbeitungsbedingungen nicht hatten vermeiden lassen. Dies wird noch deutlicher, wenn man das Vorbringen der Klägerin über den Besuch des Mitarbeiters F der Beklagten am 19. Dezember 1972 berücksichtigt. Die Klägerin behauptete, er habe damals bestimmte Werte angegeben, die bei der in seiner Gegenwart begonnenen Verarbeitung auch eingehalten worden seien; trotzdem hätten sich Farbabrisse an den Blechen ergeben, die trotz von F veranlaßter Variationen der Einstellwerte nicht hätten beseitigt werden können. c) Der letzte gemeinsame Versuch der Parteien vor Erteilung des hier streitigen Auftrages hatte mithin kein befriedigendes Ergebnis gehabt. Unter solchen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, die Klägerin hätte annehmen dürfen, die Beklagte wolle eine Eignung ihrer Ware vertrag-
358
11.37 lieh zusichern, deren Fehlen sich am 19.Dezember 1972 praktisch schon erwiesen hatte. Umgekehrt stellte sich die kommentarlose neue Bestellung der Klägerin aus der Sicht der Beklagten so dar, daß die Klägerin hoffte, ihren Verarbeitungsvorgang künftig so einrichten zu können, daß ein brauchbares Ergebnis erzielt wurde.
Anmerkung:
Eigenschaftszusicherung EigenschaftsZusicherungen bei verwendungsabhängigen Produkten
Schadenermittlungsverhandlungen als Grundlage
1. Die Entscheidung behandelt in fast schon exemplarischer und übersichtlicher Weise die Fragen, die sich bei laufenden Schadenregulierungsverhandlungen im Hinblick auf Verjährungs- bzw. Gewährleistungsfristen für beide Parteien ergeben. 2. In der Frage nach dem Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung ist dagegen die Entscheidung abzulehnen. a) Bereits der Ausgangspunkt des Gerichts Nr. 4b, ba) ist m. E. nicht zutreffend. Das Gericht geht davon aus, daß bei Produkten, deren Verwendung nicht nur von ihrer eigenen Beschaffenheit, sondern weitgehend auch von den Einzelheiten des Be- oder Verarbeitungsvorgangs abhängig ist, die Annahme einer Eigenschaftszusicherung nicht in Betracht komme. In dieser generellen Aussage kann dies nicht anerkannt werden. Wenn der Verkäufer die Verwendungsvoraussetzungen, also z. B. die bei der Verarbeitung zu berücksichtigenden Faktoren usw., präzise umschreibt, kann sehr wohl eine Eigenschaftszusicherung in dem Sinn vorliegen, daß bei Einhaltung der betreffenden Voraussetzungen bestimmte Eigenschaften gegeben seien (vgl. 1.72). Deshalb wird es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles ankommen. Es kann aber nicht generell gesagt werden, daß bei verwendungsabhängigen Produkteigenschaften von vornherein die Möglichkeit von Eigenschaftszusicherungen entfalle. b) Weiterhin können auch Schadenermittlungs- und -regulierungsverhandlungen im Hinblick auf künftige Lieferungen eine Grundlage für die Annahme konkludenter Eigenschaftszusicherungen ergeben. 359
11.37 (Anm.) zukünftiger Eigenschaftszusicherungen
Gemäß Nr. 4b, bb des obigen Urteils hatte die Beklagte die Verarbeitungsvorgänge im Betrieb der Klägerin kennengelernt und konkrete Anregungen über die bei der Bearbeitung des gelieferten Primers zu beachtenden Einzelheiten gegeben. Wenn der Mitarbeiter S der Beklagten in Kenntnis der konkreten Bearbeitungsvorgänge präzise Werte nannte, die bei der Verarbeitung einzuhalten seien, konnte dies m. E. von dem Käufer als konkludente Erklärung verstanden werden, daß der Primer (a) bei der vom Käufer praktizierten Art und Weise der Benutzung und (b) bei Einhaltung der angegebenen Werte für den beabsichtigten Verwendungszweck geeignet sei. Sinn und Zweck von Schadenermittlungsverhandlungen der im obigen Urteil beschriebenen Art ist neben der Regulierung der aufgetretenen Schäden zugleich auch im Hinblick auf weitere Käufe der betreffenden Ware eine Klarstellung, daß die den Gegenstand der Schadenermittlung bildenden Mängel in Zukunft nicht mehr auftreten werden.
Verkäuferinteresse
Das Gericht hat m. E. das Verkäuferinteresse überbewertet. Es geht davon aus, die Klägerin habe keinen berechtigten Anlaß zu der Annahme gehabt, die Beklagte wolle ihr bei der neuen Bestellung vom 7. Februar 1973 das Risiko künftiger Schäden abnehmen. Dabei wird m. E. das berechtigte Käuferinteresse vernachlässigt: wenn in der Vergangenheit Schäden aufgetreten sind und der Verkäufer bei ausführlichen Erörterungen der Schadenursachen konkrete Hinweise über die künftig bei der Bearbeitung zu berücksichtigenden Faktoren gibt, dann kann m. E. der Käufer berechtigtermaßen davon ausgehen, daß die gelieferte Ware bei Einhaltung dieser Instruktionen für den betreffenden Verwendungszweck geeignet ist.
Käuferinteresse
Die Sachlage ist also m. E. genau umgekehrt zu bewerten. Der Käufer wird normalerweise eine Ware, die zu einer Vielzahl von Schäden geführt hat, nur dann weiterbestellen, wenn er aufgrund der Schadenermittlungsbesprechung davon ausgehen kann, daß wenigstens in Zukunft derartige Schäden vermieden werden. Das aber bedeutet, daß man sehr nahe am Bereich einer Eigenschaftszusicherung ist. Ob eine derartige stillschweigende Eigenschaftszusicherung tatsächlich gegeben ist, wird vom konkreten Verlauf der
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(Anm.) 11.37
Beurteilungsmaßstäbe
Schadenermittlungsverhandlungen abhängen. Von seinem Standpunkt aus hat das Gericht diesen Aspekt nicht überprüft, obwohl der wiedergegebene Sachverhalt diese rechtliche Beurteilung nahelegt. M.E. ist also die rechtlich entscheidende Frage, ob die Schadenermittlungsbesprechungen zugleich auch im Hinblickaufzukünftige Bestellungen des Käufers in dem Sinn zu interpretieren sind, daß der Verkäufer auf die Einhaltung bestimmter Verwendungsmodalitäten hinweist und daß seine Erklärung im Sinn einer von der Einhaltung dieser Modalitäten abhängigen Eigenschaftszusicherung zu verstehen ist. Kommt es im erkennbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit derartigen Schadenermittlungsbesprechungen zu neuen Bestellungen, ist das Ergebnis der Schadenermittlungsbesprechung die Grundlage der späteren Bestellung und kann sich aus der Besprechung im Hinblick auf die späteren Kaufverträge eine Eigenschaftszusicherung ergeben. Kommt es bei dauernder Geschäftsverbindung zu mehreren Neubestellungen, gilt dies für jede einzelne Bestellung, sofern der sachliche Zusammenhang erkennbar gegeben ist. Faktisch wirkt also eine derartige Schadenermittlungsbesprechung ähnlich wie eine Rahmenvereinbarung, indem die Ergebnisse dieser Schadenermittlungsbesprechung zugleich konkludenter Inhalt der künftigen Neubestellungen sind. Ob dies konkret der Fall ist, muß aber jeweils sorgfältig unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles geprüft werden.
361
11.38 11.38: Nürnberg, 11.12.1974, 4 U 180/72 (Wasserversorgung II): im Anschluß an die Entscheidung des BGH vom 4.10. 1972 (I.74) aufgrund der Zurückverweisung ergangen.
Verschuldenshaftung
Verschuldensnachweis
1. Durch das Urteil des BGH vom 4.10.1972 ist bindend festgestellt, daß die Beklagte für den geltend gemachten Schaden nur aufgrund der §§823,831 BGB oder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung auf Schadensersatzleistung in Anspruch genommen werden kann. Beide Anspruchsgrundlagen setzen auf seiten der Beklagten Verschulden voraus. 2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Klägerin am 28. November 1967 aus ihrem Anschluß an die städtische Wasserleitung Wasser erhalten hat, das nicht einwandfrei war und daß es sich bei dem Schmutz, der bei der Klägerin beim Waschen der Butter aufgetreten war, um Eisenoxyd gehandelt hat, das sich im Lauf der Zeit in einem Rohrnetz in Form von Inkrustierungen gebildet und festgesetzt hatte und daß es dann deshalb zur Verschmutzung des von der Klägerin entnommenen Wassers gekommen war, weil sich die Inkrustierungen gelöst hatten und fortgespült wurden. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat der Überzeugung, daß es sich bei den Wasserverschmutzungen um nichts anderes als um Inkrustierungen aus Eisenoxyd gehandelt hat, die sich im Rohrnetz der städtischen Wasserleitung gebildet und später gelöst haben. 3. Für den geltend gemachten Schaden haftet die Beklagte nur dann, wenn die Wasserverschmutzung auf einem Ver-
Beweislastumkehr
schulden beruht, das sie zu vertreten hat. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs, denen sich der Senat anschließt, würde die Beklagte für den eingetretenen Schaden nur dann nicht aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung haften, wenn sie dartun kann, weshalb es zu der Lieferung des verschmutzten Wassers gekommen ist und daß sie, sowie ihre Erfüllungsgehilfen, hieran kein Verschulden trifft. Soweit auch eine Haftung aus den §§823,831 in Frage steht, kann die Beklagte ihrer Haftung nur dann ent-
Fehler- und Kausalitätsnachweis
362
11.38
Entlastungsnachweis
gehen, wenn sie nach der hier obliegenden Aufklärung des Sachverhalts nachweist, daß ihre gesetzlichen Vertreter kein Verschulden trifft, und wenn sie sich ihrer in Frage kommenden Verrichtungsgehilfen entlasten kann. Auf Antrag der Beklagten wurde zu den hiernach zu klärenden Fragen eine umfangreiche Beweiserhebung durchgeführt. Eine Klärung, was tatsächlich zur Auslösung des Schadens geführt hat, konnte hierbei jedoch nicht erzielt werden. Insoweit räumt die Beklagte selbst ein, daß ihr eine vollständige Aufklärung des Vorgangs nicht möglich sei. Es bleibe nur die Möglichkeit, daß sich die Inkrustierung gelöst habe als beispielsweise Schwerverkehr (vielleicht Panzer) über die Wasserleitungsrohre gefahren seien. Möglich sei auch, daß an irgendeiner Stelle in der Stadt im Bereich der Wasserleitungsrohre (d. h. nicht an den Rohren selbst) Bauarbeiten durchgeführt und die Rohre hierdurch erschüttert worden seien, so daß sich Inkrustierungen gelöst hätten. Eine weitere Aufklärung, weshalb die Inkrustierungen sich nun wirklich gelöst hätten, sei nicht möglich und nicht denkbar. Dies könne auch vom Bundesgerichtshof nicht verlangt werden. Der Beklagten ist zuzugeben, daß eine weitere Aufklärung des Geschehens durch sie nicht möglich ist, wenn für die Ablösung der Inkrustierungen tatsächlich nur Umstände in Frage kommen können (z. B. Schwerverkehr oder Bauarbeiten in Rohrnähe), die nicht sie zu vertreten hat und von denen sie auch keine Kenntnisse haben kann. Dem ist jedoch nicht so. Denn in der Beweisaufnahme hat sich ergeben, daß als eine der naheliegenden Möglichkeiten für die Lösung von Inkrustierungen auch die Reinigung der Wasserleitungsrohre durch Arbeiter der Beklagten in Betracht kommt. Da die Beklagte bis zu dem Vorfall, der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, keine Aufzeichnungen über Ort und Zeit der jeweiligen Spülungen gefertigt hat, erscheint es dem Senat nicht ausgeschlossen, daß auch noch unmittelbar nach dem 24. November 1967, d.h. der wahrscheinlichen letzten Spülung, Spülungen durchgeführt wurden, von denen eine zur Lösung von Inkrustierungen geführt haben kann. Da die Beklagte nicht mehr klären kann, worauf die Wasserverschmutzung nun wirklich zurückzuführen ist, ist 363
11.39
Hinweispflicht gegenüber betroffenen Benutzern bei Wartungsarbeiten
es ihr selbstverständlich auch nicht möglich, darzutun, daß ihre gesetzlichen Vertreter und ihre Erfüllungsgehilfen keine Schuld an diesem Schadenseintritt trifft. Sollte die Wasserverschmutzung auf Spülungen der Endhydranten zurückzuführen sein, so könnte sie die Beklagte grundsätzlich schon deshalb nicht entlasten, weil einerseits bei Rohrspülungen durchaus mit der Lösung von Inkrustierungen gerechnet werden muß, andererseits bei turnusmäßigen Spülungen niemand unterrichtet wird. Würde nämlich auf bevorstehende Rohrspülungen aufmerksam gemacht, so hätten diejenigen Wasserbezieher, die ganz besonders auf Reinheit des Wassers angewiesen sind, die Möglichkeit, von sich Vorsorge dafür zu treffen, daß Rohrspülungen bei ihnen keine Schäden verursachen können. Diese Vorsorge kann nicht getroffen werden, wenn nicht bekannt ist, daß Rohrspülungen bevorstehen.
11.39: OLG Oldenburg, 19. 2. 1975, 2 U 140/74 (Pkw) Bestätigt durch Beschluß des BGH vom 8.2. 1977 (VI ZR 86/75) nach dem BGH-Entlastungsgesetz
Deliktshaftung
364
Die Beklagte ist die rechtliche selbständige Vertriebsgesellschaft eines ausländischen Pkw-Herstellers. Der Kläger hatte bei einem Vertragshändler der Beklagten einen Pkw erworben, mit dem der Kläger und die Zweitklägerin einen Unfall und schwere Verletzungen erlitten. 1. Den Klägern können aus Anlaß des Schadenfalles Ansprüche nur auf der Grundlage der §§823 ff. BGB erwachsen sein und zwar entweder aus dem Gesichtspunkt der sog. Produzentenhaftung (vgl. BGH, NJW 1969/269ff. = I.58), sofern die Beklagte Herstellerin des Unfallwagens gewesen oder wenigstens anstelle des Herstellers oder neben diesem für einen von dem Unfallwagen herrührenden Schaden verantwortlich zu machen wäre oder aber wenn die Beklagte als Vertriebsgesellschaft allgemein und damit auch den Klägern gegenüber die Rechtspflicht hatte, jedes neue Fahrzeug vor
11.39
Passivlegitimation des Vertriebshändlers für auf Herstellungsfehler gestützte Klagen
der Auslieferung an die Vertragshändler eigenverantwortlich auf seine Sicherheit und technische Mängelfreiheit, d.h. also auf Herstellungsmängel zu überprüfen und wenn sie diese Verpflichtung in einer für den Schadensfall ursächlichen Art und Weise schuldhaft verletzt hat. 2. Daß die Beklagte nicht die Herstellerin des Unfallfahrzeuges war, ist unstreitig. Die Beklagte ist vielmehr eine reine Vertriebsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Nun vertreten die Kläger jedoch die Ansicht, daß die Passivlegitimation der Beklagten sich schon aus ihrer Stellung als Zweigniederlassung der Automobilfabrik X in Paris herleiten lasse. Als eine selbständige Rechtspersönlichkeit ist die Beklagte indessen nicht passiv legitimiert in bezug auf Ansprüche, die von dem - möglicherweise - fehlerhaften Erzeugnis einer anderen Rechtspersönlichkeit, der Automobilfabrik X in Paris, ausgelöst worden sein soll. Der Hinweis der Kläger, daß nach deutschem Recht ein Unternehmen unter der Firma seiner selbständigen Zweigniederlassung verklagt werden könne, hilft hier ebenfalls nicht weiter, weil das zur Voraussetzung hat, daß es sich dabei um eine Angelegenheit aus dem Geschäftsbereich der Zweigniederlassung handelt. Bei der hier in erster Linie geltend gemachten Produzentenhaftung handelt es sich aber gerade nicht um eine Angelegenheit aus dem Geschäftsbereich der Beklagten, sondern allenfalls um eine solche aus dem Geschäftsbereich der Automobilfabrik X in Paris. Zum anderen halten die Kläger es für gerechtfertigt, die Passivlegitimation der Beklagten aus dem Rechtsinstitut der gewillkürten Prozeßstandschaft herzuleiten, wofür sie den maßgeblichen Ansatzpunkt in der Korrespondenz mit der Automobilfabrik in Paris und der Beklagten sehen. Aus der an sich selbstverständlichen Tatsache, daß die Beklagte als Vertriebsgesellschaft sich im Verhältnis zu ihrer produzierenden Muttergesellschaft in Paris um alle Kundendienstvorgänge innerhalb Deutschlands zu kümmern hat und sich deshalb auch um den hier in Streit befindlichen Schadensfall kümmern sollte, folgt noch nicht, daß die mit der Herstellung und folglich mit der Herstellerin verknüpfte Produzentenhaftung von der Automobilfabrik X in Paris auf die Beklagte übertragen sein sollte. Vielmehr beschränkte de365
11.39
Keine Haftung des Vertriebshändlers für die Untersuchung wegen verborgener technischer Mängel
366
ren Aufgabe sich insoweit darin, stellvertretend für die Muttergesellschaft in Paris sich aller Kundendienstangelegenheiten in Deutschland anzunehmen. Ein Übergang der Passivlegitimation auf die Beklagte war damit nicht verbunden. 3. Soweit die Kläger in ihrer Berufungsbegründung schließlich noch mit der Behauptung, die Beklagte sei Inhaberin der nach §20 StVZO erforderlichen Allgemeinen Betriebserlaubnis und habe dazu alle von ihr vertriebenen Fahrzeuge eigenverantwortlich auf technische Sicherheit und Mängelfreiheit zu überprüfen gehabt, die passive Sachbefugnis der Beklagten begründen wollen, können sie auch damit nicht zum Ziel kommen. Auch wenn die Beklagte Inhaberin der Allgemeinen Betriebserlaubnis ist und war, traf sie deswegen nicht die Verpflichtung, die über sie nach Deutschland zum Vertrieb gelangenden X-Fahrzeuge von Grund auf dahin zu überprüfen, ob sie werksseitig frei von womöglich verborgenen technischen Fehlern und Mängeln geliefert worden waren. Die erteilte Allgemeine Betriebserlaubnis begründet lediglich eine tatsächliche Vermutung, daß die Beschaffenheit des Fahrzeuges den gesetzlichen Anforderungen entspricht, d. h. über die nach dem Gesetz vorgeschriebenen technischen Einrichtungen - wie beispielsweise Bremsen, Licht, Warnanlagen usw.-verfügen, ist aber keine Anerkennung verkehrssicherer Bauart und Einrichtung. Die im Besitz der Allgemeinen Betriebserlaubnis sich befindenden Firmen übernehmen aufgrund des ihnen geschenkten Vertrauens die Gewähr, daß die in der Allgemeinen Betriebserlaubnis angegebenen Eigenschaften dem Fahrzeug wirklich zukommen, d.h. daß es den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. hierzu Müller, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., §20 StVZO, Rz3). Damit ist dem Inhaber der Allgemeinen Betriebserlaubnis aber nicht die Gewähr dafür aufgebürdet, daß das von ihm vertriebene Fahrzeug auch frei von jeglichen herstellungsbedingten Mängeln sei. Und daß die Beklagte etwa die Fertigteile vom Werk in Paris bezieht, an ihrem Firmensitz zusammenbaut und deshalb als Herstellerin gelten muß (vgl. Müller aaO., Rz5), behaupten die Kläger selbst nicht.
(Anm.) 11.39 Anmerkung
Vertriebshändlerhaftung: Vertragshändler; Importeur
Verschärfung der Vertriebshändlerhaftung bei Konzernbindung und/ oder Importeurfunktionen?
Konzerngebundenes Vertriebsunternehmen ohne Importeurfunktionen
1. Im Rahmen einer Verschuldenshaftung können Vertriebshändlern die im Hersteller-Bereich gesetzten Fehler nicht per se zugerechnet werden. Zwar kann eine Mitverantwortung des Vertriebshändlers für Schäden bestehen, die durch im Hersteller-Bereich gesetzte Fehler entstanden (vgl. Anm. 1.151). Dies setzt aber das Vorliegen eines Vertriebsfehlers voraus. Die obige, vom BGH bestätigte Entscheidung beruht auf diesem Rechtssatz. Die einem Vertriebshändler obliegenden Gefahrabwendungspflichten werden in dem Sinn präzisiert, daß keine Verpflichtung des Vertriebshändlers bestehe, die über den Vertriebshändler „nach Deutschland zum Vertrieb gelangenden Fahrzeuge von Grund auf dahin zu überprüfen, ob sie werksseitig frei von womöglich verborgenen technischen Fehlern und Mängeln geliefert worden waren". 2. Über diesen generellen, für die Vertriebshändler-Haftung wichtigen Satz hinaus liegt die besondere Bedeutung der Entscheidung darin, daß es sich bei der Beklagten um eine rechtlich selbständige Vertriebsgesellschaft eines ausländischen Pkw-Herstellers handelt, die im Binnenmarkt als Vertragshändler und Generalimporteur auftrat. Wie an anderer Stelle ausgeführt ist, gelten für Vertragshändler im Vergleich zu den normalen Vertriebshändler-Gefahrabwendungspflichten relativ schärfere Maßstäbe. Hier kommt noch hinzu, daß es sich in doppelter Sicht um einen Vertragshändler besonderer Art handelte, nämlich (a) um ein konzerngebundenes Vertriebsunternehmen, das (b) für den Binnenmarkt die Generalimporteur-Funktion erfüllt. Theoretisch wäre diskutierbar, bei Hinzutreten eines oder erst recht beider zusätzlichen Gesichtspunkte eine weitere Verschärfung der Gefahrabwendungspflichten vorzunehmen. Hier ist aber m. E zu unterscheiden: a) Handeltes sich nicht um einen rechtlich und kapitalmäßig selbständigen, sondern um einen konzerngebundenen Vertragshändler, besteht m. E. jedenfalls dann kein Anlaß zu einer Verschärfung der Gefahrabwendungspflichten, wenn Vertriebshändler und Hersteller ihren Sitz im gleichen Land 367
11.39 (Anm.)
Konzerngebundenes Vertriebsunternehmen mit Importeurfunktionen
368
haben. Es ist m. E. nicht vertretbar, einem konzerngebundenen Vertriebsunternehmen eines inländischen Herstellers allein wegen dieser Konzernbindung schärfere Gefahrabwendungspflichten aufzuerlegen. Die Konzernbindung und die daraus in der Praxis häufig resultierende umfassendere Kenntnis von Umständen aus der Herstellersphäre schlägt sich auch ohne generelle Pflichtenvorverlagerung über den Begriff des Vertriebsfehlers je nach den Umständen des Einzelfalles in intensiveren Gefahrabwendungspflichten nieder. Die Kondenstopf-Entscheidung des BGH (1.41) ergibt dafür ein prägnantes Beispiel. Darüber hinaus ist zu beachten, daß das Herstellerunternehmen seinerseits den binnenländischen Gefahrabwendungspflichten unterliegt. Man kann also davon ausgehen, daß bereits ein Haftungsschuldner für die Berücksichtigung der inländischen deliktsrechtlichen Gefahrabwendungspflichten besteht, b) Handelt es sich dagegen um ein konzerngebundenes Vertriebsunternehmen mit Importeurfunktionen, d.h. dessen Stammhaus ein ausländischer Hersteller ist, entfällt zwar der bei einem inländischen Hersteller gegebene Gesichtspunkt, daß bereits ein Haftungsschuldner für die Berücksichtigung der inländischen deliktsrechtlichen Gefahrabwendungspflichten besteht. Es bleibt aber der zweite Gesichtspunkt, daß im Rahmen einer Verschuldenshaftung nicht schon allein wegen der Konzernbindung schärfere Gefahrabwendungspflichten auferlegt werden können und daß sich die Konzernbindung und die daraus in der Praxis häufig resultierende umfassendere Kenntnis von Umständen aus der Herstellersphäre je nach den Umständen des Einzelfalles in intensiveren Gefahrabwendungspflichten niederschlagen kann. Auch in den Fällen, in denen es sich bei dem Stammhaus nicht um einen inländischen, sondern um einen ausländischen Hersteller handelt, ist also allein wegen der Konzernbindung eine Sonderbehandlung nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist auch ein an einen ausländischen HerstellerKonzern gebundenes Vertriebsunternehmen wie ein normaler Importeur zu behandeln (dazu im folgenden). Es können sich lediglich im Einzelfall aus seiner vergleichsweise intensiveren Tatsachenkenntnis besondere Gefahrabwendungspflichten ergeben.
(Anm.) 11.39 Importeur
Quasi-Herstellerhaftung oder Verschärfung der Vertriebshändlerpflichten?
c) Im Vergleich zu Vertriebshändlern, deren Aufgaben sich auf den Vertrieb von Produkten beschränkt, die von anderen Unternehmen im Binnenland in den Verkehr gebracht wurden, stellt sich die Sachlage bei Importeuren anders dar. Werden im Ausland hergestellte Produkte importiert, steht kein inländischer Haftungsschuldner zur Verfügung. Der Importeur kann nicht davon ausgehen, daß bereits auf der vorgeschalteten Stufe der Warenherstellung für die Einhaltung der zu berücksichtigenden binnenländischen Gefahrabwendungspflichten Sorge getragen wurde. Würde auch für den Importeur der Satz gelten, daß ihn als Vertriebshändler keine „Hersteller-Einschaltungspflichten" treffen, könnte aus der Sicht des Inlandschutzes eine Haftungslücke entstehen, weil es fraglich und oft sehr schwierig ist, ob ein ausländischer Hersteller von Inlandsgeschädigten erreicht werden kann. Deshalb ist es durchaus diskutierbar, für den Importeur eine Sonderregel zu formulieren. Auch dabei muß aber beachtet werden, daß der Importeur gerade kein Hersteller, sondern nur ein Vertriebshändler ist. Also kann es sich nicht darum handeln, ihm herstellerähnliche Pflichten aufzuerlegen. Vielmehr kann es sich nur darum handeln, dem Importeur im Vergleich zu den normalen Vertriebshändler-Sorgfaltspflichten intensivere Pflichten aufzuerlegen, deren Grundlage der Gesichtspunkt des Schutzes inländischer Geschädigter bei fehlerhaften, im Ausland hergestellten Produkten sein muß. Ansätze in diese Richtung enthält §3 Abs. 1 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel (MaschinenschutzG), wonach „der Hersteller oder Einführer von technischen Arbeitsmitteln" besonderen Verpflichtungen unterworfen wird. Weiterhin ist im Entwurf der EG-Kommission über die Einführung einer Produkt-Gefährdungshaftung eine derartige Regelung vorgesehen: „Wer eine Sache zum Wiederverkauf oder zu einem ähnlichen Zweck in die Europäische Gemeinschaft einführt, wird als deren Hersteller behandelt (Art.2 Abs.3)." Besonders prägnant ist dieser Gesichtspunkt in der kanadischen Entscheidung Philipps v. Ford Motor Co. (12 DomLR 3d [1970] 28, 55) zum Ausdruck gebracht: „If the Canadian consumer is to receive any degree of pro-
369
11.39 (Anm.)
Verschärfung der Vertriebshändlerpflichten
Bewertungskriterien
Gelegentliche Importe
GeneralvertreterImporteur
370
tection from negligently designed products, Ford/Canada must be held liable not only for importing, distributing and supplying such vehicle but must also share in the responsability for the design." Eine Gleichsetzung des Importeurs mit einem hypothetischen inländischen Hersteller geht aber im Rahmen einer Verschuldenshaftung aus den obigen Gründen zu weit. Es kann sich lediglich darum handeln, die an den Importeur als Vertriebshändler zu richtenden Sorgfaltsanforderungen sachgemäß unter Berücksichtigung auch der berechtigten Interessen des Importeurs zu verschärfen. Die Ausgangsfrage muß also im Rahmen der allgemeinen deliktsrechtlichen Generalklausel sein, welche Maßnahmen dem Importeur (a) möglich und (b) zumutbar sind. ca) Dabei wird es ganz entscheidend darauf ankommen, ob es sich um gelegentliche Importe handelt oder aber um einen sog. inländischen Generalvertreter, der als Eigenhändler planmäßig im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung zum ausländischen Hersteller dessen Erzeugnisse in das Inland bringt. Im Fall der gelegentlichen Importe wird es ganz entscheidend auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommen. Hier wird - ähnlich der normalerweise für Vertriebshändler bestehenden Fragestellung (vgl. Anm. 1.151)-das Kriterium sein, ob der Importeur nach Lage der Dinge ohne besondere Nachprüfung davon ausgehen konnte, daß die betreffenden zu importierenden Produkte fehlerfrei sind. Diese Haftung wird also mehr negativer Natur sein in dem Sinn, daß bei auf der Hand liegenden Bedenken gegen die Qualifikation und/oder Zuverlässigkeit des ausländischen Herstellers ein Vertriebsfehler vorliegt. Positive Nachforschungspflichten dürften aber im Normalfall kaum präzisierbar sein. cb) Anders stellt sich dagegen die Situation beim sog. Generalvertreter-lmporteur dar. Da sein Geschäft darauf basiert, daß er nicht nur gelegentlich, sondern planmäßig die Erzeugnisse des ausländischen Herstellers als Eigenhändler in das Inland verbringt und dort auf eigene Rechnung absetzt, kann von ihm eine intensivere Überprüfung der Sachlage verlangt werden. Fast immer wird der Begründung einer derartigen Geschäftsverbindung zwischen ausländischem
(Anm.) 11.39 Hersteller und Importeur eine Analyse der vom ausländischen Hersteller angebotenen Produktpalette und deren Absatzmöglichkeiten im Inland vorausgehen. Weiterhin wird der Generalvertreter-Importeur sich verpflichten müssen, im Inland einen adäquaten Service einschließlich Wartung, Reparatur und Werbung aufzubauen. In tatsächlicher Sicht wird er deshalb im allgemeinen sehr intensive Kenntnisse über die Eigenschaften der Produkte und deren Bewährung erhalten. Anknüpfend an diese tatsächliche Sachlage liegt es deshalb auf der Hand, vom Generalvertreter-Importeur die sorgfältige Überprüfung der Sachlage und vor allem auch die sorgfältige Beobachtung zu verlangen, wie sich das ausländische Erzeugnis im Inland bewährt. Konkret können sich daraus z. B. Pflichten zur Abfassung besonderer, auf den inländischen Verbraucher zugeschnittener Gebrauchsanleitungen und Warnungen ergeben. Weiterhin kann z. B. eine Verpflichtung des GeneralvertreterImporteurs zur Durchführung einer Warnkampagne und/ oder einer Rückrufaktion entstehen, wenn er bei der Bearbeitung von Beanstandungs- bzw. Schadensfällen feststellen kann, daß aufgrund von Mängeln der von ihm importierten Erzeugnisse die Gefahr von wesentlichen Personen und/oder Sachschäden besteht. Gerade hier zeigt sich der Unterschied zwischen einem normalen Vertriebshändler und einem Generalvertreter-Importeur. Der normale Vertriebshändler kann davon ausgehen, daß jedenfalls nicht er, sondern derjenige, der die Erzeugnisse im Inland in den Verkehr gebracht hat, gegebenenfalls verpflichtet ist, eine Warn-bzw. Rückrufkampagne durchzuführen. Der Generalvertreter-Importeur weiß dagegen, daß im Inland kein entsprechender Haftungsadressat vorhanden ist. cb) Im einzelnen ist dieser Fragenbereich noch weitgehend ungeklärt, so daß die vorstehenden Ausführungen nur den Versucheines konsequenten Fortdenkens des vorliegenden Entscheidungsmaterials im Hinblick auf die Lösung der behandelten Fragestellungen darstellen. Jedenfalls wäre aber m. E. eine Quasi-Herstellerhaftung von Importeuren ausländischer Erzeugnisse unter der Geltung des VerschuldenPrinzips nicht gerechtfertigt, weil jede Verschuldenshaftung den Vorwurf voraussetzt, daß erforderliche und mögliche 371
11.40 sowie zumutbare Sorgfaltsmaßnahmen unterblieben sind. Bei der Prüfung der Möglichkeit und der Zumutbarkeit der an sich erforderlichen Maßnahmen muß aber berücksichtigt werden, daß der Importeur gerade kein Warenhersteller ist. Erst recht ist eine auf alle Arten von Importeuren angewandte undifferenzierte Problemlösung nicht gerechtfertigt. Vielmehr muß zumindest zwischen Einzelstück-Importeuren und Generalvertreter-Importeuren unterschieden werden. Dabei sind selbstverständlich die gegebenen Beispiele nur symbolhaft als Fallgruppen-Katalog zu verstehen, anhand dessen versucht wurde, die Bewertungskriterien herauszuarbeiten, die dann wieder zur Lösung weiterer Fallgestaltungen herangezogen werden können.
11.40: OLG M ü n c h e n , 13. 3. 1975, 1 U 4134/74
Deliktshaftung: Sachschaden bei Herstellung einer neuen, mangelhaften Sache?
Ansprüche aus unerlaubter Handlung entfallen. Das bebaute Grundstück stand nie in mangelfreiem Zustand im Eigentum der Klägerin. Ihr Eigentum erstreckte sich mit dem Fortschreiten der Stützmauern auf den jeweils vollendeten Bauteil so, wie er erstellt wurde, mit seinen durch die unzureichende Stahlbewehrung erzeugten Eigenschaften und Mängeln. Die Verschaffung eines mit Mängeln behafteten Bauwerks zu Eigentum ist keine Verletzung schon bestehenden Eigentums (vgl. BGHZ 39/366, 367 = VersR 1963/ 933,934). Gegen die Zweitbeklagten sind der Klägerin keine Ansprüche erwachsen. Die Klägerin macht die Zweitbeklagten namentlich deshalb für die mangelhafte Errichtung der Stützmauern mitverantwortlich, weil ihr Bauleiter M es unterlassen habe, zumindest oberflächlich zu prüfen, ob die im Bewehrungsplan Nr.42 angegebene Stahlmenge richtig sein könne.
Verantwortungsverteilung bei mehreren Beteiligten
Eine entsprechende Verpflichtung bestand aber nicht. Hat der Bauherr mit dem Architekten und dem Statiker selbständige Verträge abgeschlossen, so hat der Architekt grundsätzlich den Statiker nicht dahin zu beaufsichtigen, ob die-
372
11.41 ser die ihm gestellte Aufgabe richtig gelöst hat. Jeder von beiden haftet nur für die Erfüllung der von ihm im Vertrag übernommenen Verpflichtungen. Der Statiker ist dem Architekten neben-, nicht untergeordnet. Vom Architekten sind die zur Überprüfung einer statischen Bewehrung erforderlichen Spezialkenntnisse nicht zu erwarten. Er ist deshalb hierzu auch seinem Auftraggeber nicht verpflichtet. Der Architekt muß jedoch die statische Berechnung einsehen und sich vergewissern, ob der Statiker von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen ist (BGH, WM 1970/129; 1971/667, 668). Ein solcher Verstoß hiergegen liegt nicht vor. Die Fehlerhaftigkeit des geänderten Bewehrungsplans wäre nur aufgrund einer statischen Nachrechnung unter Berücksichtigung derfür die Statik entscheidenden Komponenten erkennbar gewesen. Zu einer solchen Nachberechnung war M bzw. waren die Zweitbeklagten aber nicht verpflichtet.
11.41: OLG Bamberg, 7.7.1975,4 U 177/74 (Industriethermometer) Vertragsbezogener Fehlerbegriff (§ 459 BGB)
Kaufmännische Untersuchungsund Rügeobliegenheiten
Die Klägerin kann den Kaufpreis der beanstandeten Sendung zurückfordern, denn sie hat mit Recht die Wandlung erklärt, weil die Ware mit Fehlern behaftet war, welche die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch gemindert, wenn nicht aufgehoben haben (§§459,462,465, 346 BGB). 1. Die Wandlung ist nicht aus förmlichen Gründen deshalb ausgeschlossen, weil die Rügefrist versäumt sei. Der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist ein Handelsgeschäft i.S. des §343 Abs.1 HGB, weil beide Kaufleute sind. Nr.9 Satzl der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen des Beklagten ist nichts anderes als die inhaltliche Ausgestaltung des §377 Abs. 1 HGB, wonach „die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unver373
11.41 (§ 377 HGB): Anforderungen
Unzumutbarkeit der Untersuchung Stichprobenprüfung bei Einzelfertigung
züglich Anzeige zu machen" ist. Indessen schied hier eine „unverzügliche", d.h. ohne schuldhaftes Verzögern nach Eingang der Ware durchgeführte Untersuchung nach Art der Ware aus. Die Prüfung des Auftrags, der über die Lieferung von weit mehr als 1000 Thermometer ging, hätte eines außer Verhältnisses stehenden Prüfaufwands bedurft. Der Sachverständige hat als Mindesteinsatz 64 Stunden eines qualifizierten Mitarbeiters geschätzt. Eine solche Prüfung ist angesichts der Stückpreise, die sich zwischen 2,18 und 3,30 DM (ohne MWSt.) bewegen, nicht zumutbar. Stichprobenweise Prüfung aber, die an sich zu verlangen ist, wenn die Gesamtprüfung nicht gefordert werden kann, scheidet hier aus dem Grund aus, weil die Thermometereinsätze nicht in industrieller Serienfertigung, sondern im Handbetrieb hergestellt werden und deshalb Abweichungen von Stück zu Stück aufweisen können. 2. Die Rüge ist aber auch sachlich berechtigt. Dabei berücksichtigt der Senat nur Mängel, welche den Durchmesser, die Teilungslänge und die Sauberkeit der Teilung betreffen (und die der Sachverständige ermittelt hat). Der Sachverständige hat knapp 73%, nämlich 1077Thermometereinsätze geprüft. Das ist bei der Masse der Thermometer genügend, um die Güte der Gesamtsendung beurteilen zu können. 13,4% der geprüften Thermometer wiesen eine unsaubere Teilung auf. Dies ist durch visuelle Prüfung feststellbar. Der Sachverständige hat dies durch Lichtbilder verdeutlicht. Es ist selbstverständlich, daß bei einem fabrikneuen Thermometer weder die Teilungszeichnung abgeplatzt noch schief aufgesetztsein darf. Mängel dieser Art brauchen nicht hingenommen zu werden.
DIN-Norm und vertraglicher Fehlerbegriff
374
Ob der genannte Von-Hundert-Satz ausreicht, die gesamte Sendung zurückzuweisen, braucht nicht entschieden zu werden, weil zwei weitere Fehler hinzukommen, die in noch größerem Umfang aufgetreten sind. Denn bei 39,8% war der größtzulässige Durchmesser überschritten, bei 37,4% die Teilungslänge nicht eingehalten. Grundlage für die Feststellung der Fehlerhaftigkeit sind die DIN 16184 für „kurze" sowie die DIN 16188 für „mittlere" Einsätze (Teilungslängen 60 und 90mm). Die Toleranzen für beide Einsätze liegen für die Teilungslänge bei ±3mm, der höchstzulässige Durchmes-
11.41
Vertragliche Bezugnahme auf DIN-Norm
ser beträgt je 7mm. Diese Toleranzen sind nach den Feststellungen des Sachverständigen in den genannten VonHundert-Sätzen nicht eingehalten. Ohne Erfolg beruft der Beklagte sich darauf, daß die Klägerin keine ,,DIN"-Thermometer einsetze, sondern „bloße Handelsware" bestellt habe. Dies kann auf sich beruhen. Unstreitig hat die Klägerin die Einsätze mit dem Aufdruck der DIN-Nummer 16181 oder 16185 (jeweils ergänzt um das Gewindemaß) bestellt. Diese DIN-Normen beziehen sich auf „Maschinen-Glasthermometer", beschreiben das gesamte Thermometer, von dem der Einsatz nur ein Teil ist, und nehmen für die Normierung des Einsatzes Bezug auf die DIN 16184 oder 16188. Der Senat läßt die Frage unbeantwortet, ob dieser Bezugnahme wegen, die dem Beklagten als Fachmann bekannt sein muß, der Kaufvertrag der Parteien dahin auszulegen ist, daß die vom Beklagten zu liefernden Thermometereinsätze in allen Punkten der für den betreffenden Einsatz gültigen Norm zu entsprechen haben. Denn jedenfalls ist es Inhaltdieses Kaufvertrages geworden, daß Durchmesser und Teilungslängen sich in den Grenzen der Norm halten müssen. Dies ergibt sich zwingend aus der Übereinkunft der Parteien, daß die Einsätze mit der DIN-Norm des Thermometers, in der sich die detaillierte Beschreibung der Fassung befindet, zu versehen sind. Denn damit ist klargestellt, daß die Einsätze in den entsprechend genormten Fassungen Verwendung finden sollen oder jedenfalls können. Die Einsätze müssen deshalb der Norm jedenfalls insoweit entsprechen, als dies für das Zusammenpassen von Einsatz und Fassung wichtig ist. Dazu zählen Durchmesser und Teilungslänge des Einsatzes. Bei einem Überschreiten des Durchmessers kann es zu Schwierigkeiten beim Einpassen in die - größenmäßig genormte - Fassung kommen. Wenn die Länge der Gradeinteilung überschritten wird, ragt diese nicht vollständig, wie nötig, aus dem Ablesefenster des Thermometergehäuses heraus. Wenn bei der Lieferung einer Ware in großer Stückzahl nahezu 40%, also rund zwei Fünftel, mit den erörterten Mängeln behaftet sind, so ist die (Massen-)Sendung insgesamt als fehlerhaft im Sinne der §§459, 462 BGB anzusehen mit der Folge, daß die Gewährleistungsansprüche des Käufers 375
11.42 entstehen. Es kann sogar von einer Bestellung ,,bloßer Handelsware" zugunsten des Beklagten ausgegangen werden. Mit Rücksicht auf den Aufdruck der DIN-Nummer, in welcher die Fassung genormt ist, sind aber die Mindestanforderungen an die Einsätze wie dargetan zu stellen. Die Beklagte behauptet selbst nicht, daß die Parteien trotz dieser Kennzeichnung vereinbart hätten, daß die Thermometereinsätze nicht so beschaffen sein mußten, um zuverlässig in genormte Fassungen eingefügt werden zu können und darin ein vollständiges Erkennen der Gradeinteilung zu ermöglichen.
11.42: OLG Bamberg, 14. 7.1975, 4 U 7/74 (Kraftfahrzeug-Felge) Bestätigt durch Beschluß des BGH vom 29.3. 1977 (VI ZR 251/75) nach dem BGH-EntlastungsG
Kausalitätsnachweis
376
Es kann dahinstehen, ob die bestrittene Klagebehauptung zutrifft, die Beklagte sei Herstellerin bzw. alleinvertreibende Firma der in England hergestellten X-Felgen in der Bundesrepublik. Weiterhin kann ungeklärt bleiben, ob eine alleinvertreibende Firma im Rahmen der „erweiterten Produzentenhaftung" auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann. Selbst wenn die Beklagte Herstellerin bzw. alleinvertreibende Firmader Felge gewesen wäre, ist die Klage mangels Unfallursächlichkeit der Felge nicht begründet. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die am Unfallfahrzeug vorne links montierte Felge für den Unfall vom 23.5. 1971 objektiv nicht ursächlich war. Auf die Felge durfte nach dem Sachverständigengutachten ein Gürtelreifen mit Schlauch aufgezogen werden. Würde, wie die Gutachter G + H meinen, der Unfallschlauch seinen Abmessungen im einzelnen nach nicht auf die Felge gepaßt haben, hätte insbesondere der Ventilschaft nicht mit dem Ventilloch korrespondiert, wäre dieser UrfTstand allein der von der Beklagten nicht zu
11.43 vertretenden Reifen/Schlauchmontage, die von der Firma P ausgeführt worden ist, zuzuordnen. Daß letztgenannte Firma nur einen in seinen Abmessungen zur Felge passenden Schlauch hätte aufziehen dürfen, versteht sich von selbst und bedürfte nicht etwa eines besonderen Hinweises des Herstellers bzw. der vertreibenden Firma der Felge, wer immer dies im einzelnen gewesen sein mag. Da somit die Unfallursache nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt, ist das Klagebegehren unbegründet.
11.43: OLG Köln, 23. 2.1976, 5 U 67/75 (Skibindung)
Fehlernachweis
Die Klägerin kaufte am 4.11.1972 in der Zweigniederlassung der Beklagten von dieser ein Paar Skier. Zugleich ließ sie auf diese gebrauchte Sicherheits-Skibindungen anbringen, die sie schon seit 1969 im Gebrauch hatte. Die Skibindungen sollten dabei auch auf ordnungsmäßiges Funktionieren überprüft und auf die für die Klägerin richtigen Auslösewerte eingestellt werden. Die Klägerin benutzte die Skier während eines Winterurlaubs ab 26.12.1972. Am 4.1. 1973 erlitt sie einen schweren Skiunfall, bei dem sie einen Unterschenkelbruch rechts und einen Knöchelbruch links davontrug. Die Klägerin machte geltend, an beiden Skiern hätten sich beim Sturz die Sicherheitsbindungen nicht gelöst. Sie führt dies auf eine fehlerhafte Montage oder Einstellung der Bindungen zurück. Das LG hat zutreffend darauf abgestellt, daß die Klägerin nicht dargetan hat, welche Pflichtverletzung dem Angestellten der Beklagten konkret zur Last zu legen ist. Die Darlegungslast insofern trifft die Klägerin. Gleichgültig, ob diese ihren Anspruch auf positive Vertragsverletzung (§§276, 278 BGB)oder auf unerlaubte Handlung(§831 BGB) stützt, ist es ihre Sache, darzulegen, daß die Beklagten oder ihre ErfülI ungs- oder Verrichtungsgehilfen den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung verwirklicht haben. Da in einem Fall 377
11.43 wie dem vorliegenden hinsichtlich der positiven Vertragsverletzung, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beweislast bei Dienst- oder Werkverträgen anzuwenden sind (vgl. BGH, VersR 1969/470), brauchen die Beklagten sich nur zu entlasten, wenn feststeht, daß sie oder ihre Erfüllungsgehilfen eine ihrer vertraglichen Verpflichtungen objektiv verletzt haben und wenn diese Schadensursache aus ihrem Gefahrenbereich hervorgegangen ist. Soweit der Anspruch auf unerlaubte Handlung gestützt ist, hat die Klägerin ebenfalls widerrechtliche Schadenszufügung durch die Angestellten der Erstbeklagten zu beweisen. Die Klägerin hat als Ursache des Versagens der Sicherheitsbindungen bei dem Sturz „nicht ordnungsgemäße Montage der Bindungen" angegeben. Weiterhin hat sie ausgeführt, es gebe keine andere Möglichkeit als unrichtige Handhabung der Prüfung, Anmessung und Montage. Die Berufung ist damit begründet, aus dem vorgelegten statistischen Material ergebe sich bei richtiger Auswertung dem ersten Anschein nach, daß die Bindungen, weil sie sich trotz des schweren Sturzes nicht geöffnet hätten, „falsch, insbesondere zu hart" eingestellt gewesen seien. Dieser Vortrag enthält nicht die konkrete Behauptung einer Pflichtverletzung der Angestellten der Erstbeklagten. Vielmehr bringt sie nur eine Schlußfolgerung vor. Im Kern bedeutet das Vorbringen der Klägerin nichts anderes als dies: weil sich die Bindungen beim Sturz nicht geöffnet haben, müssen die Leute der Erstbeklagten etwas falsch gemacht haben. Mit dieser allgemeinen Schlußfolgerung sind die anspruchbegründenden Tatsachen nicht dargetan. Daß die Bindungen sich nicht gelöst haben, kann z.B. auf der besonderen Art des Sturzes beruhen. Es kann aber auch ein Versagen des Auslösemechanismus in Betracht kommen, dessen Ursache nicht in einem Fehler der Angestellten der Erstbeklagten, sondern in einem vor oder während des Ski-Urlaubs der Klägerin eingetretenen Umstand zu suchen ist. Denkbare Ursachen sind hier Materialverschleiß, Korrosion oder Veränderung der Einstellung und Beschaffenheit des Schuhwerks. Wie aus der Vielzahl und der unterschiedlichen Art der 378
11.44 denkbaren Schadenursachen zu ersehen ist, kann es einen Erfahrungssatz nicht geben, der es erlaubte, aus einem derartigen Unfall ohne weiteres auf einen Fehler bei der Einstellung der Sicherheitsbindungen zu schließen. Fehlerhafte Bindungseinstellung ist bei Unfällen der vorliegenden Art nicht eine derart typische Schadensursache, daß es gerechtfertigtwäre, den Beklagten nunmehr die Last der Darlegung eines anderen Geschehensablaufs aufzubürden. Mag falsche Einstellung der Bindungen auch eine sehr häufige, ja sogar überwiegende Ursache des Versagens des Auslösemechanismus sein, so wird doch die hier vorgenommene Bewertung auch durch den von der Klägerin selbst vorgelegten Artikel aus „Test" gestützt. Dort wird nämlich ausgeführt, daß 60% der in die Untersuchung einbezogenen Ski-Unfälle auf falsch eingestellte Bindungen zurückzuführen gewesen seien. Bei 40% der Unfälle war dies also nicht der Fall. Ein Anteil von 60% mag zwar einen gewissen Grad der Wahrscheinlichkeit andeuten, keinesfalls spiegelt er aber einen typischen Geschehensablauf wider. Bereits durch den Hinweis auf diese Zahlen ist die auf den genannten Artikel gestützte Berufungsbegründung widerlegt, bei der im übrigen verkannt ist, daß in dem Artikel nicht mitgeteilt ist, bei wie vielen der Bindungen, die sich nicht geöffnet hatten, die Ursache dafür in falscher Einstellung der Auslösehärte lag.
11.44: OLG Köln, 10.3.1976,13 U 32/75 (Fonduegerät)
Die Kläger gebrauchten Silvester 1972 erstmals ein um den 20.12. 1972 erworbenes Fonduegerät, welches von der Beklagten hergestellt worden war. Es handelte sich um einen mit Butangas betriebenen Rechaud. Nach einiger Brenndauer explodierte der Rechaud. Auf demselben Tisch, auf dem der Rechaud betrieben wurde, stand zusätzlich noch ein Spiritusrechaud mit offener Flamme. 379
11.44
Fehlernachweis: Deliktshaftung
Bestimmungsgemäßer Gebrauch
380
Neben dieser Explosion in der Wohnung der Kläger fanden in Süddeutschland am 12.3. und am 5.1. 1973 noch je eine weitere Explosion derartiger Gasbrenner statt. Jeweils wurde der Dichtring zwischen Tankober- und Tankunterteil des Gasrechauds herausgepreßt. In dem einen Fall bestand nach einem Gutachten des Bayerischen Kriminalamtes ein Fabrikationsfehler. In der Schweiz zog man die Rechauds der Beklagten aus dem Verkauf zurück. Die Kläger behaupten, der Dichtring am Rechaud sei schadhaftgewesen, so daß das Gas aus dem Rechaud ausgetreten sei und sich entzündet habe. Hierbei handle es sich um einen Konstruktionsfehler, mindestens um einen Fabrikationsfehler, den die Beklagte zu vertreten habe. Im übrigen enthalte die Gebrauchsanweisung des Rechauds kein Verbot, ihn in der Nähe einer offenen Flamme zu betreiben. Die Beklagte behauptete, bei dem Rechaud sei ihr kein Konstruktionsfehler unterlaufen; bei der großen Anzahl von etwa 15000 verkaufter Geräte dürfe angesichts jener einen Explosion, deren Ursache völlig ungeklärt sei, nicht von einem Konstruktionsmangel geredet werden. Bei zahlreichen Brennversuchen an Rechauds mit künstlichen Undichtigkeiten sei es nie zu einer Explosion gekommen. Wegen dieser Versuche und der ständigen Produktionskontrollen scheide auch ein Fabrikationsfehler aus. 1. Mit Recht hat das LG die Klage dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt. Die Voraussetzungen der sog. Produzentenhaftung sind zu Lasten der Beklagten erfüllt. Entsteht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Produkts ein Personen- oder Sachschaden, weil das Produkt fehlerhaft hergestellt war, hat der Hersteller zu beweisen, daß ihn hinsichtlich des Fehlers kein Verschulden trifft. Wird dies nicht bewiesen, so haftet der Hersteller nach dem Recht der unerlaubten Handlung (vgl. BGHZ 51/91 = VersR 1969/155 = I.58). Es ist davon auszugehen, daß der Rechaud bestimmungsgemäß gebraucht worden ist. Ein solcher Gebrauch ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil ein zweiter Rechaud mit offener Spiritusflamme auf der Festtagstafel in Betrieb gewesen sein könnte. Ein Rechaud muß auch in der Nähe offener Flammen verwendet werden können. In der Gebrauchs-
11.44
Instruktionshaftung
Fehlernachweis
Anscheinsbeweis
Unaufklärbarkeit des Schadenvorgangs und Fehlernachweis
anweisung ist keine Rede davon, daß ein solcher Gebrauch ausgeschlossen wäre. Sollte es anders sein, obgleich im Rahmen der im Prospekt der Beklagten hervorgehobenen gemütlichen Gastlichkeit die Nähe von brennenden Kerzen oder auch das Anzünden von Zigarren und dergleichen auf der Hand liegt, so würde die Beklagte schon unter dem Gesichtspunkt mangelnder Instruktion haften, ohne sich überhaupt entlasten zu können. In der Gebrauchsanweisung heißt es zwar, man dürfe den Brenner nicht in der Nähe einer offenen Flamme füllen oder lagern. Um letzteres geht es hier nicht. Unter „Lagern" ist nicht der Gebrauch auf einer z.B. mit brennenden Kerzen geschmückten Tafel zu verstehen. Ein unsachgemäßes Füllen wird von der Beklagten nicht behauptet. Die Berufung hat zwar darin recht, daß die Klägerin darzulegen und zu beweisen habe, daß der Schaden durch einen Fehler des Brenners verursacht worden ist. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist hier dieser weiteren Voraussetzung Genüge getan. Ein Rechaud darf nicht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch explodieren, soll er nicht als mangelhaft angesehen werden. Nichts spricht dafür, daß der Rechaud durch andere Umstände als durch einen in ihm selbst aufgetretenen Vorgang zur Explosion gekommen ist. Im übrigen vermag auch der Sachverständige S das Austreten von Gas infolge teilweisen Herausdrückens des zwischen den Rändern der beiden Schalenhälften eingelegten Ringes nur als Folge einer Dehnung eines Schalenteiles oder als Folge des Nachgebens der Verbindungsschrauben zu erklären. Tritt derartiges aber beim Betrieb eines Rechaud ein, ist das Gerät in sich mangelhaft. Solcher Mangel war auch im Bereich der beklagten Herstellerfirma bereits angelegt. Es fehlt jeder Anhalt dafür, daß der Rechaud nach dem Verlassen des Bereichs der Beklagten einer Veränderung, die zu dem hier interessierenden Mangel geführt haben könnte, unterworfen gewesen ist. Dies gilt insbesondere für die Inbetriebnahme des Rechauds durch die Kläger. Ist somit eine aus dem Bereich der Kläger stammende Schadenursache auszuschließen, ist als wahrscheinliche oder zumindest mögliche Ursache für das Austreten von Gas aus dem Tank die, daß das Gerät einer in ihm entstandenen Deh381
11.44 nung oder einem in ihm entstandenen Druck nicht standgehalten hat. Dabei wurde der Ring nach außen herausgedrückt und gab dem aus dem Tank austretenden Gas erst recht den Weg frei. Wenn dann zwischen den Tankhälften, wie dies nicht anders zu erwarten, Gas austrat und sich entzündend den gesamten Tankinhalt zur Explosion brachte, so ist dies zumindest eine mögliche Ursache für den Schadenfall. Derartiges genügt, um auszusprechen, daß der Mangel dem Herstellerbereich entstammt, mag auch der genaue Hergang nicht wieder herstellbar sein. Die Beklagte vermißt hier zu Unrecht eine Feststellung über den genauen Hergang des Explosionsvorganges. Derartiges ist indessen nicht erforderlich. Es genügt, wenn hinreichend dargelegt ist, daß die Ursache für die Explosion nur aus dem Bereich des Herstellers stammen kann, ohne daß die technischen Einzelheiten geklärt wären (vgl. BGH, NJW 1973/1602 = VersR 1973/872 = I.76). Irgendwelche Einzelheiten, die insbesondere die Ursache für die Explosion in einen anderen Bereich als den des Herstellers legen sollten, müßte die Beklagte darlegen. Verschuldensnachweis: Beweislastumkehr
2. Stammt nach alledem der Mangel aus dem Bereich der Herstellung, ist es Sache der Beklagten, darzutun und zu beweisen, daß ihr ein Organisationsverschulden nicht zur Last fällt. Ihre Sache wäre es darzulegen, daß die technische Fertigung in jeder Hinsicht einwandfrei, technisch überwacht und so organisiert war, daß menschliches Versagen nicht zu einer Fehlerquelle werden konnte. Der organisierte Produktionsablauf durfte keiner Störung durch eine individuelle Fehlleistung eines Menschen ausgesetzt sein. Die Beklagte behauptet zwar, die einzelnen Teile des Rechauds würden maschinell zusammengesetzt. In Wahrheit wurde der Rechaud nicht ausschließlich in maschineller Fertigung hergestellt.
Qualitätskontrolle
a) Um sich hierzu entlasten, beruft sich die Beklagte vergeblich auf das Zeugnis ihrer Fertigungsingenieure und ihrer Kontrolleure. Die Beklagte läßt vortragen, jedes Gerät werde im Wasserbad geprüft. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Wasserbadprobe ergeben sich aus der Darstellung der Prüferin D. Diese berichtet, daß ihr immer wieder undichte Geräte vorgelegt worden sind und dies, obgleich diese Ge-
382
11.44
Stichprobenprüfung
Mitarbeiterhaftung
rate schon die von der Beklagten für geeignet gehaltene Wasserbadprüfung hinter sich hatten. Die Prüferin berichtet nämlich, daß die Geräte nach dem Durchgang bei Ihr nicht mehr-abgesehen von vielleicht stichprobenartigen Prüfungen durch den aufsichtsführenden Meister oder Prüfingenieur - auf Dichtigkeit überprüft wurden. Damit liegt aber weiter auf der Hand, daß eine individuelle Fehlleistung bei dieser oder anderen Prüfungen durch Prüfer und Prüferinnen nicht ausgeschlossen war. Erst recht gilt dies bei den Prüfungen durch die aufsichtsführenden Meister und Ingenieure. b) Die Beklagte beruft sich weiter auf Sicherheitstests nach Maßgabe ihres Organisationshandbuches. Die dafür vorgelegten Unterlagen lassen aber ersehen, daß nur eine gewisse Anzahl Geräte je Auftrag geprüft wurde. Außerdem Ist die Größe des auf dem Brenner aufzusetzenden Wassergefäßes nicht bezeichnet. Dies, obgleich es einleuchtend und vom Sachverständigen S bestätigt wird, daß die von der Größe des Wassertopfes abhängige Wärmewiderstrahlung von nicht zu unterschätzender Bedeutung Ist. Gerade wegen der Frage der Abdichtung zwischen den Schalen des Brennertanks - das Problem des gegenwärtigen Rechsstreites - ist menschliches Fehlverhalten nicht ausgeschlossen. Nach dem Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes waren in dem ihm vorgelegten Fall die beiden Schalenhälften nicht einwandfrei zusammenmontiert worden. Die Prüferin D behauptet zwar, daß derartiges sofort bemerkt worden wäre. Es ist aber offensichtlich nicht bemerkt worden, was dann nichts anderes heißt, als daß die Wasserbadprüfung und die Prüfung durch die Inspektorinnen bzw. Inspektoren und schließlich die Kontrollen durch die Endkontrolleure und Fertigungsingenieure menschliche Fehlleistungen nicht ausschlössen. c) Für diesen Fall wäre eine Haftung der Beklagten aber ganz allgemein nur dann zu verneinen, wenn sie sich hinsichtlich aller an der Herstellung des hier betroffenen Brenners beschäftigten Personen entlasten könnte (BGH, VersR 1973/ 872 = NJW 1973/1602 = I.76). Es wird zwar behauptet, daß das hier betroffene Gerät ohne Fehler zusammengebaut wurde und als fehlerlos alle Prüfungen durchlaufen habe. 383
11.44 Wollte sich die Beklagte hier entlasten, müßte aber jeder einzelne Mitarbeiter der Beklagten, der sich damals mit dem Schadengerät bis zur Auslieferung an den Handel befaßt hat, benannt werden und feststellbar sein. Die Behauptungen über die Prüfung des Schadengerätes sind indessen nur dahin zu verstehen, daß die angeführte Prüfung mit allen Geräten gemeinhin angestellt werde, das Schadengerät also auch mit Erfolg durchlaufen haben müsse. Aber schon hinsichtlich der Angestellten, die die Prüfnummer angebracht hat, vermag die Beklagte sich nicht zu entlasten, da Prüfer auch schon einmal die Prüfnummern anderer Prüfer verwenden. Es ist nicht sicher feststellbar, wer wirklich ein Gerät geprüft hat. Das gleiche gilt für die eigentliche Herstellung. In den Akten haben dann die Ingenieure M und B angegeben, daß das Personal auch am Fließband wechselte. Wer das Schadengerät zusammengebaut und damit möglicherweiseeinen in der Kontrolle übersehenden Mangel hervorgerufen hat, läßt sich nicht sagen, was wiederum eine Entlastung unmöglich macht. Ausreisser
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d) Scheidet auch ein Entlastungsbeweis aus, ist zwar noch in Erwägung zu ziehen, ob es sich bei dem Schadengerät nicht um einen sog. Ausreißer gehandelt hat, d.h. um ein Stück, welches trotz bester Kontrolle immer einmal als fehlerhaftes Stück durchlaufen kann. Weiter oben ist indessen bereits dargelegt, daß von bester Kontrolle nicht die Rede sein darf. Wie die Akten ergeben, haben sich die Fälle, die die Dichtung zwischen den Tankschalenhälften betrafen, gehäuft. In der letzten mündlichen Verhandlung hat die Beklagte sogar vortragen lassen, daß die Testbogen gerade aufgrund der drei Explosionsfälle, die die Behörden beschäftigt haben, angelegt worden sind. Die daraufhin durchgeführten Tests haben aber ganz offensichtlich ergeben, daß das Problem der Dichtung nicht befriedigend zu lösen ist. Der hier den Geräten anhaftende Mangel hat sich nicht endgültig und wirksam beheben lassen. Hier hat sich die schwache Stelle der Geräte gezeigt. Unstreitig hat nämlich die Beklagte die Herstellung von Geräten nach Art des Schadengerätes alsbald eingestellt und die Restbestände verschrottet. Diesen eindeutig auf die Mangelhaftigkeit der Geräte hinweisenden Umständen ge-
11.45 genüber vermag man nicht mit Erfolg ins Feld zu führen, daß 15000 der Geräte verkauft worden seien.
11.45: OLG Hamm, 1. 6.1976, 9 U 81/76 (Heimdusche)
Deliktshaftung des Mieters gegenüber Mitmieterin
Sorgfaltspflichten des privaten Mieters: Fehlernachweis
Verschulden
Der Klägerin steht gemäß §§67 VVG, 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 Satz2,831 BGB ein Anspruch auf Ersatz des ihrem Versicherungsnehmer D entstandenen Schadens zu. Der Beklagte hat unterlassen, den Haupthahn geschlossen zu halten, wenn die Heimdusche nicht benutzt wurde. Dadurch ist das Eigentum des Versicherungsnehmers der Klägerin widerrechtlich verletzt worden. Denn so konnte der hohe Leitungsdruck der öffentlichen Versorgungsleitung den Schlauch von der Anschlußtülle abdrücken und das Leitungswasser sich durch den Fußboden in die Wohnung D ergießen und dort Schäden anrichten. Der Beklagte hat fahrlässig gehandelt. Er war verpflichtet, den Haupthahn geschlossen zu halten. Als Mieter hatte er die Mieträume in seiner Obhut. Aus der allgemeinen Rechtspflicht im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen, war er, wenn in den Mieträumen eine Gefahrenlage bestand, die Dritten einen Schaden verursachen konnte, verpflichtet, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sich der drohende Schaden nicht verwirklichte. Hier drohte die Gefahr, daß der Zuleitungsschlauch zur Heimdusche aufgrund des hohen Wasserdruckes der allgemeinen Wasserleitung sich von dem Anschl ußstück oder auf der anderen Seite von der Dusche löste oder - wenn diese Verbindungen hielten - platzte, da ein einfacher Wasserschlauch nicht geeignet ist, dem hohen Leitungsdruck der öffentlichen Versorgungsleitungen standzuhalten. Diese Gefahr war dem Beklagten auch entgegen der Ansicht des Landgerichts bei Anwendung der üblichen Sorgfaltspflicht erkennbar. Es ist von Waschmaschinen und Spülmaschinen her bekannt, daß selbst die dort benutzten verstärk385
11.46 ten Zuleitungsschläuche häufig dem hohen Wasserdruck nicht standhalten und platzen und sich von ihrer Befestigung lösen. Bei der Heimdusche bestand eindeutig erkennbar der Anschluß des Gerätes an die öffentliche Wasserleitung ebenfalls aus einem Schlauch, bei dem es sich sogar um einen einfachen, mit Klemmen befestigten Wasserschlauch handelte. Es herrschte also auf den ersten Blick sichtbar die gleiche Gefahrensituation. Daß diese nicht durch einen hinter dem Schlauchanschluß am Gerät befindlichen Bedienungshahn in irgendeiner Form beseitigt werden konnte, war auch einem technisch völlig unerfahrenen Laien ohne weiteres klar, denn dieser Hahn lag hinter dem Schlauch und konnte ihn daher nicht entlasten. Der Beklagte war deshalb verpflichtet, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter, insbesondere der unter ihm wohnenden Mieter und des Hauseigentümers zu treffen und den Haupthahn bei Nichtbenutzung der Dusche zu schließen. Dies hat er nach eigenen Angaben nicht getan und deshalbfahrlässig den Schaden des Versicherungsnehmers der Klägerin verursacht.
11.46: OLG Hamm, 12. 7. 1976, 3 U 60/76 (Schrankwand)
Der Vater der Klägerin kaufte bei der Erstbeklagten eine von deren Streithelferin hergestellte Schrankwand mit eingebautem Klappbett. Damit sollte das Zimmer der 1949 geborenen, im Haushalt der Eltern lebenden Klägerin eingerichtet werden. Vertragsgemäß hatte die Erstbeklagte die Schrankwand auch anzuliefern und an Ort und Stelle zu montieren. Derartige Arbeiten ließ sie schon seit längerem durch die Zweitbeklagte ausführen. Die Zweitbeklagte lieferte die Möbel am 12.3. 1974 an und ließ Schrankwand nebst Klappbett durch den bei ihr beschäftigten Drittbeklagten aufstellen. Der Drittbeklagte befestigte das Klappbett mit nur zwei Stahlwinkeln an der Wand. Beim Herunterklappen des Bet386
11.46 tes am 15.4.1974 lösten sich Bett und Schrank aus der Befestigung und stürzten auf die Klägerin, die schwere Personenschäden erlitt.
Deliktshaftung Fehlernachweis MitarbeiterEigenhaftung (§ 823 BGB)
1. Die Zweit- und der Drittbeklagte haften der Klägerin gemäß den §§823 Abs.1, 847 BGB bzw. 831, 823, 847 BGB. a) Unfallursache war die mangelhafte Befestigung der querverbundenen Klappbett-Schrankkombination an der Wand. Diese mangelhafte Befestigung geht auf rechts- und pflichtwidrige fahrlässige Handlungen bzw. Unterlassungen des Drittbeklagten zurück. Dabei hat der Drittbeklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt(§276 BGB) in vielfältiger und erheblicherWeise außer acht gelassen. Wenn er nicht fähig war, die Festigkeit einer Wand und damit eine der Grundvoraussetzungen für eine sachgemäße Aufstellung und Verankerung der Möbel zu beurteilen, hätte er die Befestigung der Möbel von einer entsprechenden sachverständigen Vorprüfung und Beratung abhängig machen müssen. Wenn er sich dieses Urteil aber zutraute und wenn ihm die Wand „schlecht", weil weich und wenig Halt bietend, erschien, hätte er darauf bedacht sein müssen, die Befestigung besonders sicher zu machen. Dazu hätte ihm auffallen müssen, daß er eine querverbundene Klappbett-Schrankkombination aufzustellen hatte, ihm aber nur eine Aufstellungsanleitung allein für das Klappbett mitgegeben war. Bei der auf der Hand liegenden, auch ihm erkennbaren Möglichkeit, daß sich die beim Herunterklappen des Bettes entstehenden Kippkräfte auch auf den querverbundenen Schrank auswirken könnten mit möglichen Rückwirkungen wiederum auf die Verankerung des Bettes, hätte er Rückfrage halten müssen, wenn ihm die zur Beurteilung der dafür bestehenden Befestigungsanforderungen nötige Sachkunde gefehlt haben sollte. Sich die entsprechende Sachkunde zuzutrauen und/oder den beiden von ihm erkannten Gefahrenmomenten („schlechte" Wand und festverbundene Möbelreihe) nur dadurch Rechnung zu tragen, daß er den Schrank auch mit einem Winkel an der Wand befestigte und die beiden Wandschenkel der am Bett befestigten Winkel mit je drei Schrauben in je drei Dübel befestigte, war fahrlässig. Einmal entzog er damit - trotz der aufgezeigten, zu besonderer Vorsicht und Sicherheit mahnenden Momente - dem Klappbett einen 387
11.46
Haftung für Mitarbeiter (§ 831 BGB) Auswahlverschulden
Vertragshaftung: Schutzwirkung des Kaufvertrags zugunsten der Klägerin
388
der vorgesehenen Befestigungswinkel, und zum anderen durfte ihm die Befestigung des Schrankes mit einem Winkel und einer eingedübelten Schraube nach seiner eigenen Befestigung der Winkel des Klappbettes keinesfalls zureichend erscheinen. Die Möglichkeit, daß dem Klappbett so die vorgeschriebene Standfestigkeit entzogen war, ohne sie - vielleicht ausgleichend - beim Schrank zu erreichen, drängte sich auf. b) Die Zweitbeklagte haftet für die durch den Drittbeklagten als ihren Verrichtungsgehilfen der Klägerin zugefügte widerrechtliche Schädigung nach §831 Abs.1 Satzl BGB. Sie hat sich nicht entlastet nach Abs. 1 Satz2 dieser Bestimmung. Gerade wenn der Drittbeklagte nicht den notwendigen Sachverstand zur selbständigen Beurteilung der sich aus Wand und Bett-Schrankkombination ergebenden Besonderheiten hatte, hätte die Zweitbeklagte ihn mit der Aufstellung und der Verankerung der Möbel nicht allein betrauen dürfen oder jedenfalls dafür sorgen müssen, daß er zur Prüfung der Wandfestigkeit sachkundig beraten und zur Verankerung der Möbelreihe durch die passende Anleitung angehalten wurde. Tatsächlich ist der Drittbeklagte für diesen Fall ohne sachkundige Unterstützung und ohne zureichende Anleitung sich selbst überlassen worden, hat er sich nicht einmal an die Befestigungsanweisung für das Klappbett gehalten und den Anweisungen der Zweitbeklagten an ihren Verrichtungsgehilfen, wie er sich bei auftretenden Zweifeln zu verhalten habe, nicht einmal dargetan. Das Verschulden der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten wiegt auch nach der Bewertung des Senats gleich schwer. 2. Auch die Erstbeklagte haftet schließlich für den entstandenen und noch entstehenden materiellen Unfallschaden der Klägerin aus dem Grund der fahrlässigen Verletzung einer aus dem Kaufvertrag mit dem Vater der Klägerin fließenden Nebenpflicht. Zutreffend ist im angefochtenen Urteil dargelegt, daß für die Verkäuferin eigentlich selbstverständlich in den Schutzbereich dieses Vertrages jedenfalls das Familienmitglied des Käufers einbezogen ist, für welches das Bett bestimmt war, auch wenn darüber nicht ausdrücklich gesprochen worden ist. Die Verkäuferin war gerade für das „Wohl und Wehe" dieses Familienmitglieds verantwort-
11.47 lieh; denn unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben war sie gerade ihm gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet. Zwar ist in der Entscheidung BGH, NJW 1969/269, 272 = VersR69/155,157 angeführt, daß das Innenverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Dritten - durchweg gekennzeichnet durch einen personenrechtlichen Einschlag zu der Schutzwirkung zugunsten des Dritten führe und daß ein solches Verhältnis bei einem Kauf- oder Werkvertrag in aller Regel nicht gegeben sei; diese Grundsatzaussage trifft jedoch gerade den vorliegenden Fall nicht. Verantwortlich ist die Erstbeklagte für die Schädigung, weil sie für die Fahrlässigkeit der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten als ihre Erfüllungsgehilfen gemäß §278 BGB einzutreten hat.
11.47: OLG Stuttgart, 26. 8. 1976, 10 U 35/76 (Schablone)
Mangelbegriff i. S. des § 633 I BGB und DINNormen
1. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, daß die Tauglichkeit der beiden Schablonen zu dem gewöhnlichen Gebrauch nicht aufgehoben oder gemindert ist, weil sie sich innerhalb der Maßabweichungen halten, die nach der für Schweißkonstruktionen geltenden DIN-Norm 8570 zulässig sind. Die Frage, ob die Tauglichkeit der beiden Schablonen zu dem gewöhnlichen Gebrauch i.S. §633 I BGB aufgehoben oder gemindert ist, bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten. Daraus ergibt sich, daß für die Frage der Aufhebung bzw. Minderung der Tauglichkeit zum gewöhnlichen Gebrauch der natürliche Zustand des Werkstückes als solcher nach der allgemeinen Beurteilung im Verkehr ins Auge zu fassen ist. Danach ist fehlerhaft ein Gegenstand, der nicht die Eigenschaften hat, die objektiv seiner Natur nach und nach den allgemeinen Anschauungen Gegenständen dieser Art und Gattung zukommen. Welche allgemeinen Anschauungen gelten, ergibt sich aus den in den entsprechenden Branchen allgemein als gültig anerkannten Regeln der Technik. Hierbei ist von Bedeutung, daß DIN-Normen nicht 389
11.47
DIN-Normen und Stand der Technik
Heranziehung der DIN-Normen zur inhaltlichen Präzisierung des Mangelbegriffs
Tauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch
390
aus sich heraus die allgemein als gültig anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Vielmehr geht der Begriff der anerkannten Regeln der Technik über die allgemeinen technischen Vorschriften (DIN-Normen) hinaus, indem letztere den ersteren unterzuordnen sind. Es besteht aber eine tatsächliche, jedoch jederzeit widerlegbare Vermutung, daß sie die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst wiedergeben. Im vorliegenden Fall spricht daher eine Vermutung dafür, daß die DIN-Norm 8570 allgemein anerkannte Regeln der Technikfür Schweißkonstruktion wiedergibt. Sache des Beklagten wäre es demnach gewesen, diese Vermutung zu erschüttern. Hierzu hätte er im einzelnen dartun müssen, welche - geringeren - Maßabweichungen nach den allgemeinen Regeln der Technik bei Schweißkonstruktionen höchstens zulässig sind. Daer dies nicht getan hat, ist für die Beurteilung der zulässigen Maßtoleranz für Schweißkonstruktionen von der genannten DIN-Norm 8570 auszugehen. Im Hinblick darauf, daß die vorhandenen Maßabweichungen unstreitig innerhalb der Maßtoleranz dieser Norm liegen, kann nicht festgestellt werden, daß die beiden Schablonen objektiv fehlerhaft sind. Es kann deshalb auch nicht festgestellt werden, daß die Tauglichkeit der beiden Schablonen zu dem gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist. 2. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Beklagten, die Klägerin könne sich nicht auf die fragliche DINNorm berufen, da deren Anwendung nicht vereinbart wurde, greift nicht durch. Für die Frage, ob die Tauglichkeit der Schablonen zu dem gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist, kommt es nicht darauf an, ob die genannte DIN-Norm von den Parteien vereinbart wurde, da sich die Beurteilung dieser Frage schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nach objektiven Kriterien richtet. 3. Es ist auch nicht bewiesen, daß die Tauglichkeit der beiden Schablonen zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist. Die Frage, ob die Tauglichkeit eines Werks zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist, bestimmt sich danach, welche Beschaffenheit die Parteien im Vertrag festgelegt haben. Die Parteien können demnach
11.47
Zweck des individuellen Vertrages und DINgemäße Maßtoleranzen
subjektiv bestimmen, welche Beschaffenheit eine für einen besonderen Gebrauchszweck herzustellende Sache nach den Wünschen und Bedürfnissen oder Vorstellungen des Käufers im einzelnen haben soll. Eine solche Beschaffenheit kann entweder aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung festgelegt werden oder sich aus dem Vertragszweck ergeben. Beide Voraussetzungen für einen Gewährleistungsanspruch hat das Landgericht mit Recht verneint, a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe nicht beweisen können, daß er bei den Auftragserteilungen mit der Klägerin eine höhere Maßgenauigkeit als die der DINNorm entsprechende zum Vertragsinhalt gemacht hat. Die Begründung ist angesichts der widersprechenden Aussagen der Zeugen überzeugend. b) Der Senat schließt sich auch der Auffassung des Landgerichts an, daß die Klägerin auch aufgrund des Vertragszwecks nicht verpflichtet war, die vom Beklagten geforderten Maßgenauigkeiten von ±0,5 bis 1mm einzuhalten. Vertragszweck war die Fertigung von Schablonen für die Herstellung von Betonfertigteilen. Dagegen kann nicht angenommen werden, daß auch Maßtoleranzen von höchstens ± 0,5 bis 1 mm Vertragsgrundlage sein sollten. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Klägerin aufgrund des Verwendungszwecks der Betonfertigteile hätte erkennen müssen, daß allein bei der vom Beklagten jetzt mit ± 0,5 bis 1 mm bezeichneten Maximalabweichung die Schablonen geeignet waren, ihm die Herstellung von werkgerechten Betonfertigteilen zu ermöglichen. Das Landgericht bemißt die Erkennbarkeit dieses Erfordernisses mit Recht an den erforderlichen Fachkenntnissen der Klägerin. Von der Klägerin kann nicht gefordert werden, daß sie über Sachkenntnisse auf dem Gebiet verfügt, in dem das Produkt eingesetzt werden soll, weil sie nicht Spezialistin für die Herstellung von Formsteinen ist. Darüber hinaus hat der Beklagte keine tatsächlichen Umstände dargetan, aus denen sich Spezialkenntnisse der Klägerin ergeben, nach denen bei solchen Formsteinen nur Maßabweichungen von ±0,5 bis 1 mm zulässig sind. Mußte aber die Klägerin nicht über die Sachkenntnisse verfügen, die für das Erkennen der vom Beklagten als höchstzulässig behaupteten Maßabwei391
11.47 chungen notwendig waren, kann auch nicht angenommen werden, daß die vom Beklagten als höchstzulässig genannten Maßabweichungen Grundlage der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge geworden sind. Wenn beide Schablonen ein sachgerechtes Arbeiten ausschließen, so fällt dies unter den gegebenen Umständen in den Risikobereich des Beklagten. Er hat zu beweisen, daß er ein präziseres Werk bestellt hat. Als Fachmann für die Herstellung von Formsteinen wäre es seine Sache gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, welche Maßabweichungen er äußerstenfalls zu tolerieren bereit war.
Anmerkung:
DIN-Normen als Erkenntnismittel zur inhaltlichen Präzisierung des Vertragsgegenstandes
392
1. Zur Frage des Verhältnisses zwischen DIN-Normen bzw. sonstigen überbetrieblichen Regelwerken und dem Stand der Technik vgl. Anm. zu 1.101; zur Frage der Bedeutung von DIN-Normen für das Vorliegen zugesicherter Eigenschaften vgl. Anm. zu 1.72. 2. Im obigen Fall war die DIN 8570 nicht ausdrücklich als Vertragsinhalt festgelegt worden. Damit stellte sich die Frage, (a) ob sich der Lieferant überhaupt auf eine gewisse Maßtoleranz, innerhalb derer der Besteller Maßschwankungen hinzunehmen hat, berufen konnte und (b) welchen Umfang diese Maßtoleranz gegebenenfalls hat. Rechtlicher Ausgangspunkt ist, ob die gelieferten Schablonen nach objektiven Gesichtspunkten trotz gewisser Maßschwankungen noch für den gewöhnlichen Gebrauch geeignetsind oder nicht (vgl. Nr. 1 des Urteils). Zur inhaltlichen Präzisierung dieser objektiven Beurteilung zog der Sena t die einschlägige DIN-Norm heran: die tatsächlichen Maßschwankungen hielten sich innerhalb der in der DIN 8570 festgelegten Grenzen, so daß die gelieferten Schablonen insoweit als vertragsgemäß anerkannt wurden, d. h. das Vorliegen eines Mangels i.S. des §633 I BGB verneint wurde, a) Mit anderen Worten: Obwohl die Parteien keine Geltung der DIN 8570 vereinbart hatten, zog das Gericht diese DIN-
(Anm.) 11.47
Rechtslage bei Auslandslieferungen
Erfordernis einer Zurechenbarkeit der Dl N-Norm
Norm als Erkenntnis- bzw. Ausfüllungsmittel heran, um anhand der DIN-Norm zu beurteilen, ob die Ware vertragsgemäß war oder nicht. Diese Technik wurde ebenfalls vom BGH im Dieselöl- und im Wasserversorgung-Urteil (1.57 bzw. 1.74) angewandt für die Entscheidung, ob die in den beiden Fällen gelieferten Flüssigkeiten als „Dieselöl" bzw. als „Trinkwasser" anzusehen waren oder nicht (DIN 51601 bzw. 2000). b) Im Hinblick auf die ständig zunehmende Bedeutung von Auslandlieferungen ist demgegenüber aber darauf hinzuweisen, daß diese Rechtsanwendungstechnik eine Zurechenbarkeit der DIN-Normen voraussetzt. Bei innerdeutschen Verträgen ist dies zu bejahen: wenn zwei in Deutschland ansässige Parteien einen Vertrag z. B. über die Belieferung mit „Trinkwasser" abschließen, kann man jedenfalls bei gewerblichen Vertragspartnern davon ausgehen, daß dann „Trinkwasser" i. S. der DIN 2000 gemeint ist, sofern sich nicht im Einzelfall etwas anderes aus dem Vertrag ergibt. Erfolgt aber eine Lieferung ins Ausland, kann m. E. nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß auch der ausländische Vertragspartner Gattungsbegriffe, für die es in Deutschland DIN-Normen gibt, im Sinn dieser DIN-Normen zu verstehen hat. Dies zeigt sich besonders klar dann, wenn auch das Sitzland des ausländischen Partners überbetriebliche Regelwerke kennt (z.B. in den USA die ASA), die ebenfalls das betreffende Produkt normieren: wenn die beiden Normungen gerade in dem entscheidungserheblichen Punkt voneinander abweichen, muß entschieden werden, ob überhaupt eines der beiden Regelwerke bei der Vertragsauslegung bzw. -anwendung zu berücksichtigen ist und gegebenenfalls welches. c) Generell formuliert: Überbetriebliche Regelwerke (wie z. B. DIN- oder VDE-Normen) können nur dann zur inhaltlichen Präzisierung des gewährleistungsrechtlichen Fehlerbegriffs herangezogen werden, wenn sie dem anderen Partner zurechenbar sind, d. h. wenn dieser nach Lage der Dinge damit rechnen mußte, daß der Kontrahent die Kennzeichnung des Vertragsgegenstandes mittels eines Gattungsbegriffs wie z.B. „Trinkwasser" usw. im Sinn dieses Regelwerks verstehen würde. d) Für den Binnenverkehr dürften DIN-Normen gewerbli393
11.47 (Anm.) Rechtslage im inländischen Vertragsverkehr
Rechtslage bei Auslandlieferungen
Vertraglich vorausgesetzter Gebrauch
394
chen und sonstigen professionellen Vertragsparteien (z. B. Körperschaften des öffentlichen Rechts) zuzurechnen sein (vgl. 11.21), während dies bei privaten Endverbrauchern m. E. zu verneinen ist. Während gegenüber dem erstgenannten Personenkreis DIN-Normen und sonstige überbetriebliche Regelwerke auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung als Mittel zur inhaltlichen Präzisierung der vertraglich geschuldeten Leistung herangezogen werden können, wäre dies also gegenüber privaten Endverbrauchern zu verneinen: diesen gegenüber bedarf es einer ausdrücklichen Erwähnung der einschlägigen Norm, e) Für den grenzüberschreitenden Verkehr dagegen muß jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob der ausländische Vertragspartner damit rechnen mußte, daß seine Vertragserklärung im Sinn der deutschen Norm verstanden wird. Insoweit kommt es also auf die Kenntnis bzw. die zu verlangende Kenntnis von dem inländischen Regelwerk an. Diese Frage ist von der kollisionsrechtlichen Problematik des anwendbaren Rechts scharf zu trennen. Es ist- weil es sich um zwei völlig verschiedenwertige Problemkreise handelt - durchaus möglich, daß für einen Vertrag mit Auslandsberührung zwar deutsches Recht gilt, aber doch die deutsche überbetriebliche Norm dem ausländischen Vertragspartner nicht zurechenbar ist. Ein Beispiel dafür wäre die obige Hypothese, daß es im Land des ausländischen Partners ebenfalls ein überbetriebliches Regelwerk für den betreffenden Bereich gibt und daß wegen dieses Aufeinandertreffens zweier jeweils inländischer Regelwerke für den betreffenden grenzüberschreitenden Vertrag keines der beiden Regelwerke gilt. Im Dieselöl-Fall (1.57) handelte es sich zwar um eine Importware: für den Käufer lag aber ein Binnengeschäft vor, weil der Verkäufer ein in Deutschland ansässiger Importeur war. Der Gesichtspunkt des Streckengeschäfts betraf lediglich das Vertragsverhältnis zwischen dem Importeur und seinem ausländischen Lieferanten. 3. Im Anschluß an diese Prüfung der E i g n u n g z u m g e w ö h n I ichen Gebrauch prüfte das Gericht, ob die gelieferten Schablonen eventuell unter dem Gesichtspunkt des nach d e m Vertrag vorausgesetzten Gebrauchs mangelhaft waren, d. h.
11.48 ob für den konkreten Vertrag in Abweichung von der allgemeinen, objektiven Begriffsbestimmung besondere Kriterien festgelegt waren. Dieses Vorgehen entspricht dem sog. subjektiven Fehlerbegriff (vgl. Nr. 3). Voraussetzung für die Annahme einer subjektiven, atypischen Festlegung des Vertragsgegenstandes ist, daß es sich nicht nur um einseitige Leistungserwartungen des Bestellers, sondern um zum Vertragsinhalt gewordene Merkmale handelt. Dies wurde in casu verneint. Für die Praxis wichtig ist dabei der Satz, daß es im Risikobereich des Bestellers (bzw. Käufers) liegt, die von ihm bestellte Wareso klar zu definieren, daß alle von ihm hinsichtlich der Verwendbarkeit erwarteten Eigenschaften auch tatsächlich Bestandteil der Liefer- bzw. Leistungsverpflichtung geworden sind. Der rechtliche Grundgedanke ist, daß die Eignung der bestellten bzw. gekauften Ware für den vom Besteller bzw. Käufer vorausgesetzten Verwendungszweck grundsätzlich Sache des Bestellers bzw. Käufers ist (caveat emptor). Es ist seine Sache, mittels präziser Festlegung des Vertragsgegenstandes dieses Risiko dem Lieferanten aufzubürden.
11.48: OLG Zweibrücken, 20. 9.1976, 2 U 217/75 (Gittermast)
Deliktshaftung
Im April 1974 erkletterte der damals 91A Jahre alte Kläger einen von der beklagten Gemeinde errichteten eisernen Hochspannungsgittermast von 12 m Höhe. Dabei kam er mit dem rechten Unterarm der Starkstromleitung zu nahe und stürzte vom Mast. Hierbei zog er sich sehr schwere Verletzungen zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die beklagte Gemeinde verpflichtet, dem Kläger gemäß den §§823 I, 31, 89, 847, 276 BGB ein Schmerzensgeld zu zahlen. Die beklagte Gemeinde hat bei der Errichtung des Gittermastes schuldhaft die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht 395
11.48
VDE-Vorschriften
Verpflichtung zur Beurteilung des konkreten Sachverhalts
verletzt und dadurch die Gesundheit des Klägers beschädigt (§§8231,276 BGB). Ihre Organe haben es schuldhaft unterlassen, geeignete Vorkehrungen gegen ein Besteigen des starkstromführenden Gittermastes zu treffen. Dieses Verschulden ist der Beklagten zuzurechnen (§§31,89 BGB). Jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, hat die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu veranlassen (vgl. BGH, VersR 1955/21; NJW1966/1457). Es mag dahinstehen, ob Mäste, die vom Erdboden aus zu besteigen sind und starkstromführende Leitungen tragen, in jedem Falle solche Gefahrenquellen darstellen und daher stets Schutzvorkehrungen zu treffen sind, die ein Besteigen verhindern. Das ist jedenfalls der Fall, wenn sie wegen der besonderen Umstände eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Solche Umstände liegen hier vor (vgl. im einzelnen Urteilsabdruck in NJW 1977/111). Unerheblich ist nach Auffassung des Senats, daß die im Zeitpunkt des Unfalls geltenden VDE-Vorschriften weder Warnzeichen noch Kletterabwehrvorrichtungen vorsahen. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Anordnungen für Maßnahmen, die im Interesse der Allgemeinheit erforderlich sind und in der Regel auch für genügend gehalten werden (RG, JW1932/745). Damit ist aber schon festgestellt, daß besondere Sachlagen im Einzelfall zu berücksichtigen sind und die Verantwortlichen derartigen Lagen in zumutbarer Weise Rechnung tragen müssen (vgl. für einen ähnlichen Fall RG, JW 1935/2628). Die Organe der Beklagten haben die ihnen hiernach obliegende Verkehrssicherungspflicht auch schuldhaft verletzt (§276 BGB). Sie haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht schon damit beachtet, daß sie den Gittermast entsprechend den anerkannten VDE-Vorschriften errichten ließen. Denn die Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht liegt gerade darin, daß sie den besonderen Umständen, die nur ihnen und nicht der ausführenden Firma bekannt sein mußten, in ungenügender Weise Rechnung getragen haben. Den verantwortlichen Vertretern der Gemeinde hätte bei genügender Aufmerksamkeit nicht entgehen dürfen, daß das Gelände in der Nähe des Gittermastes auch von Kindern aufgesucht wird. Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Standpunkt stel-
396
11.49 len, daß sie nicht selbst den Mast errichtet, sondern damit eine Fachfirma beauftragt habe. Das befreite sie nicht von ihrer Pflicht, für die Sicherung der Gefahrenquelle das Erforderliche zu tun.
11.49: OLG München, 6. 10. 1976, 15 U 4854/75
Deliktshaftung: Sachschaden bei Herstellung einer neuen, mangelhaften Sache?
Entgegen der Auffassung des LG kann der Anspruch nicht auf eine durch fehlerhafte Planung oder unzulängliche Bauaufsieht der Beklagten eingetretene Verletzung des Eigentums i.S. von §823 Abs.1 BGB geschützt werden. Der Senat schließt sich in vollem Umfang der Auffassung des BGH an. Dessen Darlegungen im NJW 1963/1827, ausdrücklich aufrechterhalten und bestätigt in NJW 1971/1131, 1133, ist nichts hinzuzufügen. Auch die Ausführungen von Freund und Barthelmess (NJW 1975/281), auf die sich das LG stützt, können keine andere Beurteilung des Falles herbeiführen. Die dort vertretene extensive Auslegung des Eigentumsbegriffs scheint nicht gerechtfertigt, darüber hinaus könnte sie zu einer wesentlichen Rechtsunsicherheit führen. Die Folge einer derart weitgehenden Ansicht wäre eine Ausweitung der Eigentumsverletzung und Haftung aus unerlaubter Handlung ins Uferlose. Das „Eigentum" i.S. von §823 I BGB muß daher, bevor es verletzt werden kann, bereits vorhanden sein und nicht erst geschaffen werden. Damit sind Ansprüchewegen Eigentumsverletzung gem. §8231 BGB nicht gegeben. Diese bestehen auch nicht insoweit, als schließlich über den „Dachschaden" selbst hinaus später durch Wassereintritt ein behaupteter, wenn auch wesentlich geringerer Schaden in den Wohnungen selbst eingetreten ist. Die von den Klägern in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung BGH, MDFt 1972/316 trifft einen anderen Sachverhalt. Nämlich den, daß sich „die mangelhafte Werkleistung auch auf schon vorhandene, bis dahin unversehrt gewesene Teile des zu behandelnden Gegenstandes auswirkt und diese dadurch geschädigt worden sind". Sämtliche zu Schaden ge397
11.50 kommenen weiteren „Gegenstände" waren jedoch unstreitig zum Zeitpunkt des behaupteten schadenstiftenden Ereignisses, der fehlerhaften Planung und unzulänglichen Bauaufsicht seitens der Beklagten weder vorhanden noch wurden diese Gegenstände zu diesem Zeitpunkt geschädigt. Der hier in Frage weiterstehende Schaden ist vielmehr durch spätere zusätzliche Umstände eingetreten, für die eine Haftung aus den angeführten Gründen nicht gegeben ist.
11.50: OLG Karlsruhe, 7. 10. 1976, 4 U 16/75
Regress der Berufsgenossenschaft
Unfallverhütungsvorschriften
Verschuldensnachweis
398
Dem LG ist darin beizutreten, daß die klagende Berufsgenossenschaft gegen die Beklagte keine Ersatzansprüche nach §640 Abs.1 RVO geltend machen kann, weil sie nicht nachweisen kann, daß die Beklagte den Arbeitsunfall ihrer Tochter grobfahrlässig herbeigeführt habe. Zwar besteht kein Zweifel daran, daß die Beklagte die Unfallverhütungsvorschriften verletzt hat. Für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschrift war die Beklagte als Unternehmerin des landwirtschaftlichen Betriebs nach Abschnittl §2 verantwortlich. Tatsächlich ist sie ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen. Die Vermutung spricht dafür, daß die Unterlassung der nach den Unfallverhütungsvorschriften gebotenen Sicherheitsvorkehrungen eine Bedingung für den Unfall gesetzt hat (BGH, VersR 1961/160,161). Diese Vermutung ist nicht ausgeräumt worden. Die Beklagte hat jedoch nicht nachweisbar grobfahrlässig den Unfall verursacht. Grobfahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich hohen Grad verletzt und dasjenige unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müßte. Nur besonders krasse und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzungen, die das gewöhnliche, in §276 Abs.1 Satz2 BGB bestimmte Maß erheblich übersteigen, können den schwerwiegenden Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigen. Die Unternehmer, die grundsätzlich
11.50 wegen der an die Berufsgenossenschaft geleisteten Beiträge von der Haftung freigestellt sind, sollen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn es angesichts ihres für den Arbeitsunfall ursächlichen Verhaltens nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Folgen des Unfalls auf die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossene Unternehmerschaft abzuwälzen (BGH, VersR 1972/144,145). Dies entspricht einhelliger Rechtsmeinung. Auch die Oberlandesgerichte Oldenburg (VersR 1969/183) und Celle (VersR 1974/1177) gehen vom gleichen Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit aus. Auch sie haben nicht in der bloßen Tatsache des Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften bereits eine grobe Fahrlässigkeit gesehen, was unzulässig wäre (BGH, VersR 1968/64,66), sondern haben den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit jeweils aus den konkreten objektiven und subjektiven Tatumständen begründet. Legt man diesen Maßstab an das Verhalten der Beklagten an, so muß sie sich zwar vorwerfen lassen, daß sie fahrlässig, nicht aber, daß sie grobfahrlässig gehandelt hat (vgl. im einzelnen VersR 1978 S.246f.).
Anmerkung:
1. In den USA ist das Arbeitsunfallrecht eine treibende Kraft für die Entwicklung des Produkthaftungsrechts gewesen. Der Arbeitsunfallschutz ist dort in der Form einer obligatorischen Versicherung des Arbeitgebers durchgeführt, der die Arbeitnehmer gegen Arbeitsunfälle zu versichern hat. Eine Vielzahl von US-amerikanischen Produkthaftungsentscheidungen beruht auf derartigen gegenüber den Versicherungsgesellschaften geltend gemachten Ansprüchen. In der Bundesrepublik ist die Situation anders. Der Arbeitgeber hat der zuständigen Berufsgenossenschaft zugunsten des Arbeitnehmers die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu überweisen. Dafür erwirbt der Arbeitnehmer einen Direktanspruch gegen die Berufsgenossenschaft. Der Arbeitgeber dagegen erwirbt im Verhältnis zum Arbeitneh399
11.50 (Anm.) mer eine Haftungsfreistellung. Die Berufsgenossenschaft kann nur dann Regreß beim Arbeitgeber nehmen, wenn dieser den Schadenfall vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht hat (§640 RVO). 2. Die Unfallverhütungsvorschriften stellen zwar keine Rechtsnormen dar. Sie begründen aber nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung, daß die Unterlassung einer nach der Unfallverhütungsvorschrift gebotenen Sicherheitsvorkehrung eine Ursache für den Unfall gesetzt hat. Hinsichtlich des Fehler- und des Kausalitätsnachweises tritt also eine Beweislastumkehr ein.
Verschuldensnachweis: keine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen
3. Dagegen muß dem Arbeitgeber das Verschulden voll nachgewiesen werden. Hier besteht keine Beweislastumkehr. Auf den ersten Blick könnte man zwar überlegen, auch hier den Gesichtspunkt der Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen (vgl. 1.58)anzuwenden. Angesichts der Tatsache, daß die Berufsgenossenschaft bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitgebers keinen Regreßanspruch hat, wäre es aber ungerechtfertigt, dem Arbeitgeber das Entlastungsrisiko aufzubürden. Der Regreßanspruch der Berufsgenossenschaft stellt die Ausnahme zur Regel dar, daß dem Arbeitgeber aufgrund der von ihm zur Hälfte geleisteten Beiträge das Privileg der Haftungsfreistellung zusteht. Dieses Regel/Ausnahme-Verhältnis rechtfertigt es, den Grundsatz von der Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen nicht auch auf die Regreßansprüche der Berufsgenossenschaft anzuwenden. 4. Zum Produkthaftungsregreß von Berufsgenossenschaften gegen Maschinenbzw. Anlagenhersteller, deren Maschinen Personenschäden von Arbeitnehmern der Maschinen- bzw. Anlagenbenutzer auslösten vgl. 1.66, 1.69, 1.86, 11.61, 11.66.
400
11.51 11.51: OLG Braunschweig, 4. 11. 1976, 1 U 23/76 (Sicherheitsgurt)
Mitverschulden (§ 254 BGB)
Es ist nicht auszuschließen, daß der Kläger Verletzungen erlitten hat, die durch Benutzung eines Sicherheitsgurtes verringert oder vermieden worden wären. Ein Kraftfahrzeughalter, der es unterläßt, sein Fahrzeug mit Sicherheitsgurten auszurüsten und diese bei jeder Fahrt anzulegen, läßt die Sorgfalt außer acht, die ein ordentlicher und verständiger Kraftfahrer anwendet, um sich vor Schaden zu bewahren (§254 I11 BGB). Diese Bestimmung hat zwei Voraussetzungen. Einmal muß die objektive Möglichkeit eines Schadens von der Art des eingetretenen durch die Unterlassung allgemein erhöht oder begünstigt sein (Staudinger, BGB, 11. Aufl., §249, Anm.28, §254, Anm.56) oder die Sachlage muß für einen sie nach menschlichem Maßstabe -soweit denkbar -übersehenden Beurteiler infolge der Unterlassung in Richtung auf den eingetretenen Schaden gefährlicher erscheinen (RGZ 81 /361; BGHZ 7/198, 205 = NJW 1953/700). Zum anderen muß sich ein allgemeines Bewußtsein gebildet haben, daß die unterlassene Maßnahme zur Vermeidung von Verletzungen erforderlich ist. Beide Voraussetzungen sind für die Unfallzeit gegeben. Daß Gurte das Verletzungsrisiko für die Insassen von Personenkraftwagen erheblich herabsetzen, wird nicht mehr bestritten (vgl. im einzelnen den Urteilsabdruck NJW 1977/ 299). Demgegenüber kann es nach der oben erörterten herrschenden Meinung zu §254 BGB entgegen der Auffassung des Urteils des BGH vom 10. 3.1970 (NJW 1970/944 = 1.103) nicht darauf ankommen, ob der Gurt im Einzelfall auch einmal schaden kann. Schlund (DAR 1976/58) weist unter Berufung auf Hiemer (DAR 1968/127) darauf hin, man dürfe die Frage, ob das Unterlassen einer Sicherungsmaßnahme ein Verschulden gegen sich selbst begründe, nicht danach beantworten, ob sie unter allen Umständen völlig ungefährlich sei. Damit befindet er sich im Einklang mit der herrschenden Meinung zu §254 BGB. Im übrigen ist die Annahme des BGH, die Zahl der Fälle, in denen sich Gurte als nachteilig erweisen, sei nicht so gering, 401
11.51 daß sie nicht ins Gewicht falle (NJW 1970/944, 946), durch die Statistik nicht zu rechtfertigen. Dem hat schon Händel (NJW 1970/945) entgegengehalten, man könne nicht von Verletzungen durch, sondern nur von Verletzungen trotz des Gurtes sprechen, weil, wenn z.B. Rippenbrüche unter den günstigsten Bedingungen der Gurtsicherung entstehen, es sicher sei, daß dann ohne Gurt wesentlich schwerere Verletzungen entstanden wären. Es kommt hinzu, daß solche Brustkorbverletzungen, wie jeder Unfallchirurg bestätigen wird, weitaus leichter zu heilen sind als die ohne Gurt fast stets unvermeidlichen Kopfverletzungen. Fiala (12.Deutscher Verkehrsgerichtstag 1974/50ff.) meint, aufgrund der verkehrsmedizinischen und -technischen Forschungsergebnisse könnten die Bedenken des BGH als nicht mehr stichhaltig angesehen werden, es sei vielmehr festzustellen, daß Zahl und Schwere der Fälle von nachteiliger Wirkung von Gurten nicht ins Gewicht fielen. Nach einer Mitteilung des ADAC München ist nach Auswertung von rund 40000 Verkehrsunfällen kein Fall bekanntgeworden, bei welchem das Tragen von Gurten eine Verletzung verursacht habe. Die Veröffentlichung der Forschungsgemeinschaft „Der Mensch im Verkehr" berichtet (S.18), es sei keine Untersuchung gefunden worden, die nachweise, daß sich durch die Benutzung von Gurten das Verletzungsrisiko erhöhe. Nach Jagusch (NJW 1976/137) hat zwar eine neuere Untersuchung mit nur 106 verletzten Gurtträgern 1-2% wahrscheinlicher Verschlimmerung der Verletzungen durch Gurttragen ergeben. Mit Recht hält er aber diesen Prozentsatz wegen der geringen Fallzahl möglicherweise zu losen Gurttragens für statistisch nicht signifikant. Die vom BGH genannten Fälle des Überschlagens des Fahrzeugs, des Herausgeschleudertwerdens der Insassen und des Fahrzeugbrandes sind nach der genannten Untersuchung des HUK-Verbandes sämtlich Beispiele nicht gegen, sondern für eine Schutzwirkung des Gurtes. So erhöht sich das Todesrisiko beim Herausgeschleudertwerden ohne Überschlag auf das Neunfache, mit Überschlag sogar auf das Zwanzigfache. Gurte verhindern aber das Herausgeschleudertwerden. Eine allgemeine Überzeugung von der Notwendigkeit, auf Vordersitzen von Personenkraftwagen Gurte zu benutzen, 402
11.51 hatte sich zur Unfallzeit, am 1.12.1974, bereits gebildet. Hier ist gemäß §276 BGB von der „erforderlichen Sorgfalt" auszugehen, nicht von der tatsächlichen Anlegequote und damit der „üblichen Sorgfalt". Nach einer Umfrage (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.8. 1972) bejahten bereits im Sommer 1972 72% der Befragten eine gesetzliche Pflicht zum Einbau von Gurten. Da Gurte nur dann einen Sinn haben, wenn sie nicht unbenutzt im Fahrzeug hängen, sondern angelegt werden, muß man unterstellen, daß schon damals über 7 /io der Bevölkerung in der Nichtbenutzung von Gurten eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt i.S. der §§276 und 254 BGB sahen. Zur Unfallzeit, Ende 1974, hielten 9 0 % der Befragten Gurte für ein notwendiges, da sinnvolles Rückhaltesystem (Der Spiegel 1975, Nr. 50, S.43). Die weiter ausgebreitete Rechtsüberzeugung ist offenbar eine Folge der Breitenaufklärung über den Nutzen von Gurten durch Bundesregierung, Presse, Rundfunk, Fernsehen, Automobilclubs und den Deutschen Verkehrssicherheitsrat, vor allem aber des Erlasses der Ausrüstungsvorschrift §35a VII StVZO am 10.6. 1973, also 1 1 /2 Jahre vor der Unfallzeit. Diese Vorschrift liefert eine weitere Begründung für die Feststellung eines Verstoßes gegen §254 BGB. Denn der Kraftfahrer ist nach einem Urteil des BGH grundsätzlich verpflichtet, alle Sicherheitseinrichtungen seines Fahrzeugs zu gebrauchen, auch wenn er deren Wirksamkeit nicht durchschaut (BGHSt 15/386 = NJW1961 /886). In dem Urteil heißt es weiter, die Hersteller von Kraftfahrzeugen bauten Sicherheitseinrichtungen im allgemeinen nur im dem Umfang serienmäßig ein, wie es die Verkehrssicherheit erfordere. Solche Vorrichtungen besagten im allgemeinen schon durch ihr Vorhandensein, daß sie erforderlich seien, ihre Nichtbenutzung begründe den Vorwurf der Fahrlässigkeit (BGHSt, aaO.). Die Erwägungen, die der BGH dem Hersteller zubilligt, müssen erst recht für den Gesetzgeber gelten, der mit der Ausrüstungsvorschrift eine weit höhere Verantwortung übernommen hat als der Hersteller mit dem Einbau eines serienmäßigen Teils. Es kommt hier nicht auf den für die strafrechtliche Verantwortlichkeit erheblichen Umstand an, daß das Unfallfahrzeug nicht serienmäßig mit Gurten ausgerüstet war und eine 403
11.51 Pflicht zum Anbringen von Gurten (§35a VII StVZO) nicht bestand, weil das Fahrzeug im Jahre 1970 erstmalig zugelassen worden ist. Für die Beurteilung nach §254 BGB ist maßgebend, daß der Kläger aus der Ausrüstungsvorschrift den Hinweis des Gesetzgebers hätte entnehmen müssen, die Benutzung seines Fahrzeugs ohne Gurte sei nach §254 BGB erhebliches Verschulden gegen sich selbst. Die Feststellung eines solchen Verschuldens hängt nach der herrschenden Meinung zu §254 BGB nicht von einer Weisung des Gesetzgebers ab. Das Schutzhelm-Urteil des BGH (NJW1965/1075 = I.99) hat §254 BGB zu Lasten eines Motorradfahrers angewandt, der keinen Schutzhelm trug, obwohl ein solcher damals nicht vorgeschrieben war. Alle veröffentlichten Urteile zur Haftung wegen Nichtbenutzung von Sicherheitsgurten betrafen Unfälle aus der Zeit vor Geltung der Ausrüstungsfrist, lehnen aber die Anwendung von §254 BGB nicht etwa aus diesem Grunde grundsätzlich ab. Jeder Kraftfahrzeughalter muß sich, auch ohne vom Gesetzgeber dazu angehalten zu werden, zum eigenen Schutz um Ausrüstung seines Fahrzeugs mit Gurten bemühen. Die Ausrüstungsvorschrift hat nicht etwa ältere Fahrzeuge deshalb von der Ausrüstungspflicht zunächst ausgenommen, weil für diese Gurte nicht in gleichem Maß erforderlich wären wie bei neu zugelassenen Kraftwagen. Auch die älteren Fahrzeuge wachsen allmählich, nach den Überwachungsterminen durch den Technischen Überwachungs-Verein, in die Ausrüstungspflicht hinein. Vor allem macht die obengenannte Aufklärung über den Nutzen von Gurten nirgends einen Unterschied zwischen alten und neuen Fahrzeugen. Eine unterschiedliche Rechtsüberzeugung über die Notwendigkeit, Kraftwagen mit Gurten auszurüsten, hat sich nicht herausgebildet. Dem Kläger war es zuzumuten, auch ohne gesetzliche Vorschriftfürsein FahrzeugselbstGurtezu beschaffen. Er hätte an der weit überwiegenden Überzeugung der Bevölkerung von der Notwendigkeit von Gurten nicht vorbeigehen dürfen. Der Kauf von Gurten ist im Verhältnis zu den sonstigen Kosten des Betriebs eines Personenkraftwagens nicht teuer. Nach einer im Auftrage des Verbandes der Automobilindustrie gefertigten Nutzen/Kosten-Analyse von Niklas (Frank-
404
11.52 furter Allgemeine Zeitung vom 26.8. 1970) haben die Aufwendungen für Gurte unter allen Sicherheitsmaßnahmen einen besonders hohen Nutzeffekt, z. B. fast zwölfmal soviel wie für Kopfstützen. Es kann zwar nicht erwartet werden, daß der Kläger das wußte. Aber für jeden verantwortungsbewußten Kraftfahrzeughalter mußte sich aufgrund der breiten Aufklärung bis zur Unfallzeit die Überzeugung aufgedrängt haben, daß er mit vergleichsweise geringen Kosten sich und die übrigen Insassen seines Fahrzeugs u.U. vor schweren Verletzungen, lebenslangem Siechtum und Tod bewahren konnte. Auch die Klägerin zu 2. hätte, obwohl sie auf dem Rücksitz saß, von einem Gurt Gebrauch machen sollen, um sich vor Verletzungen zu schützen. Die Bewegungsenergie aus einer Aufprallgeschwindigkeit von nur 20 km/h kann nicht mehr mit Muskelkraft abgefangen werden. Das gilt natürlich genauso für einen Insassen auf einem Rücksitz. Er ist also darauf angewiesen, sich beim Aufprall durch einen Gurt abfangen zu lassen.
11.52: OLG Stuttgart, 24. 11. 1976, 6 U 27/76 (Schallschutz)
Vertragshaftung: ,,Mangel" i. S. des § 633 BGB und DIN-Norm
Unstreitig erfüllt der Luftschallschutz zwischen dem Wohnzimmer der Kläger und dem der darunter liegenden Wohnung gerade die Mindestanforderungen nach DIN 4109; der Trittschallschutz zwischen der Terrasse der Kläger und der darunter liegenden Wohnung liegt mit + 6 d B zwischen der Mindestanforderung nach DIN 4109 mit +3dB und den Anforderungen an den gehobenen Schallschutz mit +10dB bzw. +13dB. Nun trifft zwar zu, daß die Anforderungen an den gehobenen Schallschutz nach DIN 4109 lediglich Empfehlungen darstellen und daß die Beklagte damit, da die Mindestwerte nach DIN 4109 nicht unterschritten sind und „Schallschutz nach DIN" vereinbart war, den zwischen den Parteien ge405
11.52
werbung: Zeitschrifteninserate
Individualvertrag und DIN-Norm
406
schlossenen Vertrag dem Buchstaben nach erfüllt hat. Wie stets, so kann jedoch auch diese Vertragsklausel nicht isoliert nur nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden. Vielmehr ist sie danach zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach dem Gesamtinhalt der Erklärungen der Beklagten verstehen mußte. Danach konnte aber nicht fraglich sein, daß die Wohnung auch hinsichtlich des Schallschutzes gehobenen AnSprüchen genügen solle. Die Beklagte hatte in Zeitungsinseraten ein „erstklassiges Niveau des Bauvorhabens" angepriesen und damit bei den Klägern entsprechende Erwartungen geweckt. Diesen Erwartungen entsprach die „Allgemeine Beschreibung", die den Klägern als Grundlage für die Vertragsverhandlungen überlassen wurde und nach denen eine Bauausführung, die modernen Wohnansprüchen genüge, versprochen wurde. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entsprechen jedoch die Mindestanforderungen von DIN 4109 keineswegs auch nur entfernt modernen Wohnansprüchen. Bereits 1962, als diese DIN-Norm festgesetzt wurde, handelte es sich dabei um die unterste, noch tolerierbare Grenze des Schallschutzes. In den Jahren bis 1970 haben sich jedoch sowohl die technische Entwicklung wie die Anforderungen an den Schallschutz weit über die Mindestanforderungen der DIN 4109 aus dem Jahr 1962 weiterentwickelt. So erfüllten bereits in den Jahren 1965 bis 1967 die Mehrzahl der in dieser Zeit fertiggestellten Wohnungen den erhöhten Tritt- und Luftschallschutz bei Massivdecken. Mit den Ausführungen des Sachverständigen, wonach der Schallschutz subjektiv stets als eindeutig unzureichend empfunden wird, wenn nur die Mindestanforderungen nach DIN 4109 erfüllt sind, stimmen auch die Feststellungen des weiteren Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten und die Feststellungen der Zivilkammer beim Augenschein überein, wonach eine deutlich über das als normal empfundene Maß hinaus gesteigerte Geräuschübertragung festzustellen war. Daraus ergibt sich, daß der Hinweis in der Baubeschreibung „Schallschutz nach DIN", soweit die Beklagte damit nur die Mindestanforderungen nach DIN 4109 gemeint hätte, eine Einschränkung dahingehend gewesen wäre, daß zwar die übrige Bauausführung, nicht aber der Schallschutz moder-
11.52 nen Wohnansprüchen entsprechen solle. Hätte dies die Beklagte tatsächlich mit dem Kläger vereinbaren wollen, so hätte es eines deutlicheren Hinweises als der bloßen Bezugnahme auf die DIN-Vorschrift bedurft. Denn im Zusammenhang mit den weiteren Äußerungen der Beklagten konnten die Kläger diesen Hinweis nur so verstehen, daß wegen der gehobenen Ansprüche, denen der versprochene Wohnkomfort gerecht werden sollte, auch die hierfür empfohlenen DIN-Werte eingehalten würden.
Anmerkung:
DIN-Normen als Mittel zur Präzisierung des Vertragsgegenstandes
DIN-Normen als Auslegungsinstrument DIN-Normen als Kurzformel zur Leistungsbeschreibung
Verhältnis Individualvertrag/DINNorm
1. DIN-Normen und vergleichbare überbetriebliche Regelwerke (z. B. VDE-Normen) können das Mittel zur Präzisierung des Vertragsgegenstandes sein, indem die Eigenschaften der zu liefernden Ware anhand der DIN-Norm bestimmt werden. Dabei ergeben sich zwei völlig unterschiedliche Wirkungsweisen der DIN-Normen und sonstigen überbetrieblichen Regelwerke: a) Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung, aber Heranziehung der DIN-Norm im Prozeß fall zur Klarstellung, was im einzelnen Gegenstand der Lieferungs- bzw. Leistungspflicht war (vgl. dazu Anm. zu 11.45). b) Ausdrückliche Festlegung der DIN-Norm als Vertragsin>halt: hier dient die DIN-Norm als Kurzformel zur Leistungsbeschreibung. Bestellt jemand z.B. „Dieselkraftstoff gemäß DIN 51601", dann ist damit zum Ausdruck gebracht, daß die einzelnen Eigenschaften der zu liefernden Ware (z. B. Viskosität) durch die in dieser DIN-Norm festgelegten Merkmale bestimmt werden (zur Frage, ob sich aus einer derartigen ausdrücklichen Verweisung auf DIN-Normen zugleich auch stillschweigende Eigenschaftszusicherungen i.S. der §§463, 480, 635 BGB ergeben, vgl. Anm. zu 1.72). In der Praxis werden DIN-Normen und sonstige überbetriebliche Regelwerke sehr häufig in diesem Sinn verwandt. Vielfach wird dabei aber in Einzelpunkten in Abweichung von der DIN-Norm eine Sonderregelung getroffen. 407
11.52 (Anm.) Werks- bzw. Hausnormen
ba) Die sog. Werksnormen sind dafür das klassische Beispiel: z.B. Kfz-Hersteller formulieren entsprechend ihren Bedürfnissen sog. Werksnormen, die wie DIN-Normen aufgezogen sind, aber in Einzelpunkten davon abweichende, meist höhere Leistungsanforderungen enthaltende Regelungen aufweisen; lediglich „im übrigen" wird dann auf die einschlägige DIN-Norm verwiesen. Bei Vertragsabschlüssen werden dann diese Werksnormen zugrunde gelegt: da die Werksnormen ihrerseits auf die einschlägige DIN-Norm verweisen, ist damit zugleich auch die DIN-Norm Vertragsinhalt, wenn auch mit dem Vorbehalt, daß sie nur soweit gilt, wie nicht mittels der Werksnorm eine abweichende Regelung vereinbart wurde.
Von der DINNorm abweichende Individualvereinbarung
bb) Das gleiche gilt selbstverständlich erst recht, wenn individualvertragliche Sonderregelungen getroffen wurden, d. h. in einer konkreten Einzelfrage ausdrücklich im Einzelvertrag festgelegt wurde, daß z. B. eine bestimmte Toleranz gelten soll, die enger ist als die in der einschlägigen DINNorm festgelegte: auch wenn hier die DIN-Norm ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht wurde, geht die individualvertragliche Regelung vor, d.h. gilt die DIN-Norm nur „im übrigen".
Mittelbare Unvereinbarkeit der DIN-Norm mit dem Individuaivertrag 408
Insoweit ist also die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 8.7. 1953 (11.21) nicht zutreffend: behauptet der Käufer, ein Mitarbeiter des Verkäufers habe eine Wasserfestigkeit zugesichert, dann würde eine derartige Erklärung auch einer ausdrücklich in Bezug genommenen DIN-Norm vorgehen, selbst wenn sich aus der DIN-Norm ergibt, daß keine Wasserfestigkeit gegeben ist: die Begründung dafür ist, daß die ausdrücklichen oder stillschweigenden individualvertraglichen Erklärungen als konkret-individueller Vertragsbestandteil den generellen Regelungen der DIN-Norm als speziellere Regelung vorgehen müssen. Die Dinge liegen hier also ähnlich wie bei dem Vorrang von Individualabreden gegenüber AGB. bc) Die obige Entscheidung weist auf einen dritten Unterfall hin, der in der Praxis von erheblicher Bedeutung ist. DINNormen und überbetriebliche Regelwerke sind in der Praxis oft nur die untere Grenze des an sich nach dem Stand der Technik Möglichen. Die Erklärung dafür ist, daß bei der Ver-
(Anm.) 11.52 abschiedung von überbetrieblichen Regelwerken ein komplizierter Abstimmungsmodus einzuhalten ist und dabei konkurrierende wirtschaftliche Interessen vieler Beteiligter zu berücksichtigen sind. Dies wirkt sich häufig darin aus, daß die DIN-Norm keineswegs den Stand der Technik zum Ausdruck bringt, der an sich bei gut ausgestatteten Unternehmen bereits im Zeitpunkt der Aufstellung und Verabschiedung realisierbar ist. Diese Sachlage war im Fall der obigen Entscheidung gegeben. Der Grundgedanke des Urteils ist, daß Inhalt des Individualvertrages ein „erstklassiges Niveau des Bauvorhabens" war: die DIN-Norm (DIN 4109) entsprach inhaltlich aber nicht diesen Anforderungen. Das Gericht legte deshalb als Prüfungsmaßstab nicht die DIN 4109 zugrunde, sondern stellte höhere Anforderungen. Mit Recht: wären die Anforderungen der DIN 4109 zugrunde gelegt worden, wäre dies eine indirekte Einschränkung des Inhalts des Individualvertrages gewesen in dem Sinn, daß „zwar die übrige Bauausführung, nicht aber der Schallschutz modernen Wohnansprüchen entsprechen solle: hätte dies die Beklagte tatsächlich mit den Klägern vereinbaren wollen, so hätte es eines deutlicheren Hinweises als der bloßen Bezugnahme auf die DIN-Vorschrift bedurft; denn im Zusammenhang mit den weiteren Äußerungen der Beklagten konnten die Kläger diesen Hinweis nur so verstehen, daß wegen der gehobenen Ansprüche, denen der versprochene Wohnkomfort gerecht werden sollte, auch die hierfür empfohlenen DIN-Werte eingehalten würden", wie ausdrücklich im Urteil herausgestellt wurde. Es handelt sich also auch hier um einen Fall der Kollision zwischen der DIN-Norm und dem Individualvertrag. Der Unterschied zu den vorstehenden Fallgruppen ist, daß es sich hier nicht um eine unmittelbare Kollision handelt, d. h. um eine ausdrückliche individualvertragliche Regelung, die von einem Punkt der DIN-Norm abweicht. Es handelt sich vielmehr nur um eine mittelbare Kollision in dem Sinn, daß die DIN-Norm in der entscheidungserheblichen Frage nicht mit dem Gesamtkonzept des Individualvertrages vereinbar war. Das Gericht hat auch hier - mit Recht - einen Vorrang des Individualvertrages gegenüber der DIN-Norm ausgesprochen. Wie gezeigt, ergibt die Grundlage dafür die Überle409
11.53 gung, daß es sich bei den DIN-Normen um generelle, nicht auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Regelungen handelt. Wenn sich aber bei der Auslegung eines Individualvertrages ein bestimmter Vertragsinhalt ergibt, der mit der DIN-Norm nicht vereinbar ist, dann muß diese individualvertragliche Regelung vorgehen (zur vergleichbaren Problematik im Verhältnis zwischen Individualabreden und Allgemeinen Geschäftsbedingungen vgl. Schmidt-Salzer, AGB, 2.Aufl., Rn. E. 4ff., S. 118ff.).
II.53: OLG München, 21.12.1976, 4 U 186/76 (Sauna)
Organisationshaftung: Personalauswähl (§§ 823, 831 BGB) Auswahlverschulden
410
Der von der Beklagten mit der Beseitigung von Störungen beim Betrieb der Sauna des Klägers beauftragte Elektromechaniker W hat den Klägern widerrechtlich einen Schaden zugefügt, denn er hat durch die Verursachung des Brandes und seiner Folgen unmittelbar in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Kläger (Sauna, Massagepraxis, Getränkevertrieb) eingegriffen. Der Beklagte hat bei der Einstellung des W nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Der Beklagte ist Industriekaufmann. Er verfügt nicht über die zur technischen Leitung seines Betriebes (Unternehmen der Saunatechnik) erforderliche Sachkunde und muß sich sachkundiger Hilfskräfte bedienen. So hat er einen Schreinermeister, einen Schlossermeister und den Zeugen W als Elektrotechniker und Elektronikfachmann beschäftigt. Der Beklagte ist naturgemäß auch nicht in der Lage, die technische Arbeit seiner Angestellten zu überwachen und zu leiten. Er hätte deshalb Mitarbeiter einstellen müssen, die zu einer selbständigen Arbeit fähig sind und einer Leitung und Beaufsichtigung nicht mehr bedürfen. Der Beklagte hat diesem Erfordernis auch insoweit entsprochen, als er einen Schreinerme/sfer und einen Schlossermeister eingestellt hat.
11.54 Dies trifft jedoch nicht auf die Einstellung des Zeugen W zu. W hat das Elektromechanikerhandwerk erlernt und die Facharbeiterprüfung mit der Note „gut" bestanden. Er hat aber über seine anschließenden Berufstätigkeiten nur durchschnittliche bis mäßige Zeugnisse vorlegen können und auch die staatliche Technikerprüfung ohne Prädikat bestanden. Insbesondere aber läßt sich kein Zeugnis darüber aus, ob der Zeuge zu einer selbständigen Arbeit in der Lage ist und einer fachlichen Leitung und Aufsicht nicht mehr bedarf. Der Beklagte durfte deshalb nicht erwarten, daß W über die erforderliche Qualifikation zu einer selbständigen Tätigkeit verfügt (vgl. dazu Staudinger/Schäfer, BGB, 10./ 11.Aufl., §831, Rz. 156, 160). Dies gilt um so mehr, als die Einrichtung einer öffentlichen Sauna mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit verbunden ist. Der Beklagte ist deshalb gemäß §§823 Abs. 1, 831 Abs.1 Satzl BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
11.54: OLG Düsseldorf, 7. 2. 1977, 5 U 206/76 (Kraftfahrzeug-Inspektion)
Beratungshaftung als Nebenpflicht eines WerkVertrages
1. Die Beklagte hat schuldhaft die ihr nach dem Werkvertrag (über die Durchführung einer Inspektion bei einem OpelManta)obliegendeNebenpflichtzurfachkundigen Beratung verletzt, indem sie es unstreitig unterließ, den Kläger auf den zu geringen Getriebeölstand, die daraus sich ergebende Wahrscheinlichkeit einer Undichtigkeit des Getriebegehäuses und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Abwendung durch Ölverlust drohender Schäden hinzuweisen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen und seinen Erläuterungen deutet ein zu geringer Getriebeölstand bei einem Opel-Manta zwingend auf eine Undichtigkeit des Getriebegehäuses hin, weil bei einem Fahrzeug dieses Typs das Getriebeöl sich nicht verbraucht und infolgedessen ein Auffüllen oder Wechseln des Öles in bestimmten Zeitabständen nicht erforderlich ist. Die Beklagte kann dem nicht mit dem 411
11.54
Hinweisverpflichtung
Sorgfaltsanforderungen bei einer spezialisierten Fachwerkstatt
Kausalitätsnachweis
412
Hinweis darauf begegnen, daß der Getriebeölstand möglicherweise bereits bei der Lieferung des Fahrzeugs zu gering gewesen sei. Abgesehen davon, daß die Beklagte unstreitig sämtliche bis zum Kilometerstand von 35000km fälligen Inspektionen an dem Fahrzeug ausgeführt hatte, so daß eine werksseits zu geringe Ölauffüllung bei entsprechender Sorgfalt schon früher hätte festgestellt und behoben werden müssen, durfte die Beklagte es mit einer solchen Mutmaßung nicht bewenden lassen, denn damit war keineswegs die nahe Möglichkeit, daß der Ölverlust durch eine undichte Stelle des Getriebegehäuses eingetreten war, ausgeräumt. Angesichts der schwerwiegenden Schäden, die erfahrungsgemäß bei Ölverlust am Getriebe eintreten können, war die Beklagte gehalten, den Kläger auf den festgestellten Ölmangel aufmerksam zu machen, auf die hierfür in Betracht kommenden Ursachen und mögliche Schadenfolgen hinzuweisen und ihn über die erforderlichen Maßnahmen fachkundig zu beraten. Daß dies in den Arbeitsanweisungen der Firma Adam Opel nicht vorgesehen ist, vermag die Beklagte ebensowenig zu entlasten wie mangelnde Sachkenntnis. Für die Rechtsbeziehungen der Beklagten zu ihren Kunden ist allein ausschlaggebend, daß die Kunden von der Beklagten als anerkannter Opel-Dienst-Werkstatt die erforderlichen Sachkenntnisse und neben der reinen Inspektions- bzw. Reparaturleistung jedenfalls dann fachlichen Rat erwarten dürfen, wenn bestimmte Tatsachen - wie der festgestellte Ölmangel - zwingend auf Mängel hinweisen, die die Gefahr umfangreicher Folgeschäden in sich bergen, wenn ihnen nicht nachgegangen wird. Eine solche Beratung ist demgemäß gerade auch in Fällen, in denen Ölmangel im Getriebe festgestellt worden ist, in den einschlägigen Fachwerkstätten üblich. 2. Die schuldhaft unterlassene Aufklärung des Klägers ist ursächlich für den eingetretenen Schaden geworden. Es ist davon auszugehen, daß der Kläger bei entsprechender Beratung durch die Beklagte vernünftigerweise geeignete Schritte unternommen hätte, um dem drohenden Schaden wirksam zu begegnen, etwa durch eine sorgfältige Überprüfung in einer größeren Fachwerkstatt, durch zurückhaltenderes Fahren sowie durch fortlaufende Kontrollen des Ge-
11.55 triebeölstandes. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger den pflichtgemäß erteilten Rat der Beklagten in den Wind geschlagen und nichts unternommen hätte, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten, die dafür darlegungsund beweispflichtig ist (BGH, NJW 1973/1388), nicht vorgetragen. Es muß ferner angenommen werden, daß zweckentsprechende Maßnahmen zur Aufdeckung der für den Schadeneintritt maßgebenden Ursachen - sei es Ölverlust infolge von Undichtigkeit, sei es ein Material- oder ein Konstruktionsfehler - und zu deren Behebung geführt hätten, so daß es nicht zu dem Schadenfall gekommen wäre.
11.55: OLG Bremen, 30. 3. 1977, 3 U 132/75 (Pkw-Reparatur)
Deliktshaftung: Organisationshaftung
Ersatzteil-
Der Klageanspruch findet seine Rechtfertigung in den §§823, 249ff. BGB. Denn der im Eigentum des Klägers stehende Pkw ist bei einem Tachometerstand von 51164 km durch einen Verkehrsunfall stark beschädigt worden. Diese unfallbedingte Beschädigung des zur Unfallzeit im Eigentum des Klägers stehenden Pkw ist ursächlich auf die Handlungsweise der Beklagten zurückzuführen. Die Beklagte ist aus den Gesichtspunkten der Bestimmungen über unerlaubte Handlungen dem Kläger für diese Schadenverursachung haftungsmäßig verantwortlich. Denn die fehlerhafte Ersatzteilmontage und die Herausgabe des Kraftfahrzeuges aus der Werkstatt in den Verkehr fällt insoweit in den eigenen Verantwortungsbereich der Beklagten. Nach ihrer eigenen Darstellung ist die fragliche Fehlmontage durch den Monteur durchgeführt und von dem Kraftfahrzeugmeister S abgenommen worden, ohne daß seitens der Technischen Betriebsleitung der Beklagten an die Schlußabnahme die ausdrückliche Weisung gegeben war, bei Reparaturen an Dämpferbein und Kugelgelenk der betreffenden Pkw auf die
Verwechslung
drohende Verwechslungsmöglichkeit zwischen Schraub413
11.55 klemmung und Doppelkeilklemmung hinzuweisen. Durch den infolge Verwechslung der Ersatzteile möglichen fehlerhaften Einbau nicht passender Teile im Bereich von Dämpferbein und Kugelgelenk wird die Gewährleistung des sicheren Lenkens des Fahrzeuges nach Zurücklegen einer Fahrtleistung von 20000km entscheidend in Frage gestellt. Nach alledem steht für den Senat fest, daß im technischen Bereich des Betriebs der Beklagten durch die fehlende, ausdrückliche Anweisung an die Schlußabnahme, bei entsprechenden Fahrzeugtypen und entsprechenden Reparaturarbeiten besonders auf die „Technische Information Nr.4/4" zu achten, ein Zustand entstanden ist, in dem Ersatzteilverwechslungen vorkommen könnten, die dazu führen konnten, durch Einbau nicht zusammenpassender Dämpferbeine und Kugelgelenke einen Zustand zu schaffen, (der die Verkehrssicherheit beeinträchtigt). Dies löst die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gem. §823 BGB aus, ohne daß es noch darauf ankommt, ob sich die Beklagte gemäß. §831 BGB in bezug auf die Überwachung ihres Monteurs M und ihres Kraftfahrzeugmeisters S entlasten kann oder nicht. Verkehrssicherungspflicht
Organisationshaftung
414
Die Verkehrssicherungspflicht, die im vorliegenden Fall die Beklagte traf und die von der Beklagten in der oben erörterten Weise schuldhaft verletzt worden ist, beruht auf der allgemeinen Rechtspflicht, im Verkehr allgemein Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen. Das heißt, daß jeder, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen hat (vgl. BGH, VersR 1966/782, 784 = NJW 1966/1456, 1457). Diese allgemeine Verpflichtung, Gefahren, die von einer Sache drohen, tunlichst abzuwenden, trifft nicht nur den Eigentümer, sondern jeden, der in der Lage ist, über die Sache zu verfügen (vgl. Palandt-Thomas, BGB, §823 Anm.8b). Zu den Verkehrssicherungspflichten gehört (nach allgemeiner Meinung: vgl. Palandt, aaO. Anm.8c) ferner die allgemeine Aufsichtspflicht, die den trifft, der die zur Erfüllung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht notwendigen Maßnahmen einem Dritten überläßt. Sie besteht in allgemeiner fortlaufender Überwachung und darf nicht erst einsetzen, wenn schon Zweifel an der Zuverlässigkeit des Dritten
11.56
VertragsWerkstatt
auftauchen. Der Betrieb ist so einzurichten, daß die Aufsicht gewährleistet ist, wobei sich der Umfang der Aufsichtspflicht nach den besonderen Umständen jenes Falles zu bestimmen hat. Hier hatte es die Beklagte als eine vom Kfz-Herstellerwerk autorisierte Vertragswerkstatt übernommen, Reparaturarbeiten vorzunehmen, die der Lenkung des Kraftfahrzeuges zuzurechnen sind. Dabei zog die Beklagte kraft ihrer Stellung als eine vom Herstellerwerk autorisierte Vertragswerkstatt das Vertrauen der Kunden auf sich, daß das Fahrzeug so repariert werde, daß jedenfalls nicht durch Fehlleistungen bei der Reparatur ein Zustand geschaffen werde, der eine Beanstandung nach §29 StVZO rechtfertige. Aus der in dieser Weise auf sich gezogenen Vertrauenslage erwächst für die Beklagte die allgemeine Verpflichtung, bei Reparaturen jedenfalls dafür Sorge zu tragen, daß die allgemeinen Weisungendes Herstellerwerkes beachtet werden, um einer Entwicklung entgegenzuwirken, bei der ein Fahrzeugzustand geschaffen wird, der nach §29 StVZO hätte beanstandet werden müssen.
11.56: OLG Frankfurt, 6 . 5 . 1 9 7 7 , 2 2 U 1 5 5 / 7 5 (Heizwasser)
Vertragshaftung
Aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, daß die Stahlheizkörper im Hause des Beklagten durch Rostfraß undicht geworden sind und daß dies nur darauf zurückgeführt werden kann, daß das Heizungswasser nicht immer frei von Sauerstoff gewesen ist. Der Sachverständige konnte die Frage, wie der Sauerstoff in die Heizungsanlage eingedrungen ist, nicht abschließend beantworten. Jedenfalls ist der positive Beweis, daß die Stadtwerke zeitweise sauerstoffhaltiges Heizwasser angeliefert haben, nicht geführt. Nach Lage der Dinge kann dieser Beweis auch heute kaum mehr geführt werden. Hätten die Stadtwerke nachweislich mangelhaftes Heizwas415
11.56
Fehler- und Kausalitätsnachweis
Indiziennachweis
416
ser geliefert, das zu Schäden an der Heizung ihrer Kunden geführt hätte, so hätte die Klägerin hierfür nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung einzustehen. Dabei ist anerkannt, daß auch die Beweislastvorschrift des §282 BGB entsprechend anzuwenden ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 36. Aufl. § 282, Anm. 2). Das bedeutet zunächst, daß hier der Beklagte die Verletzung der Nebenpflicht zu beweisen hätte, während die Klägerin dartun müßte, daß sie die festgestellte Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Hiernach würde die Klägerin nicht haften, weil dem Beklagten schon der Nachweis einer Pflichtverletzung nicht gelungen ist. Darüber hinaus gilt aber ein weiteres. Ist nachgewiesen, daß die im einzelnen nicht zu ermittelnde Schadensursache aus der Sphäre des Schuldners hervorgegangen ist, so trifft diesen das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts (vgl. Prölls, VersR 1964/901; Palandt-Heinrichs, aaO.). Auch hier ist davon auszugehen, daß die Schadensursache aus dem Gefahrenkreis der Stadtwerke hervorgegangen ist. Zwar ist nicht gänzlich auszuschließen, daß die Ursache der Schäden auch in der Sphäre des Beklagten liegen könnte. Nach Lage der Dinge ist dies jedoch so unwahrscheinlich, daß diese Möglichkeit zu vernachlässigen ist und nur von eine^Schadensursache in der Sphäre der Kläger ausgegangen werden kann. Dafür, daß die Schäden auf mangelhaftes Heizungswasser zurückzuführen sind, spricht vor allem, daß gleiche Schäden bei einer ganzen Reihe von Kunden der Stadtwerke in der unmittelbaren Nachbarschaft der Beklagten aufgetreten sind. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, daß bei all diesen 30 Kunden Fehler in den eigenen Heizungsanlagen zu den Korrosionen geführt haben. Als weiteres Indiz spricht dafür, daß die Schadensursache aus dem Gefahrenkreis der Stadtwerke herrührt, die Häufigkeit der Reparaturen am Fernheizungsnetz. Gerade bei solchen Reparaturen können, wie der Sachverständige klargestellt hat, Sauerstoffeinbrüche entstehen.
11.57 11.57: OLG Karlsruhe, 26. 5. 1977, 9 U 67/75 (Fugenverputzmasse)
Anwendbares Recht: Deliktshaftung
Verjährung (§ 852)
Die Klägerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines schweizerischen Herstellers. Sie vertrieb dessen Produkte. Die Muttergesellschaft der Klägerin geriet infolge gehäuft auftretender Beanstandungen ihres Produktes C und entsprechender Schadensersatzforderungen in Zahlungsschwierigkeiten. Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus unerlaubter Handlung von der Beklagten mit der Begründung, das von der Beklagten an die schweizerische Muttergesellschaft gelieferte, von dieser zur Herstellung der Fugenverputzmasse benutzte Produkt E871 sei entgegen den Angaben der Beklagten in einem Prospekt kein Epoxyharz. Daraus erkläre sich der Mangel der Alkalibeständigkeit des von der schweizerischen Muttergesellschaft hergestellten, von ihr vertriebenen Produktes C. Die Berufung ist nicht begründet. 1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Begründetheit des Klageanspruchs nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Zwischen den Parteien bestehen keine vertraglichen Rechtsbeziehungen. Die Klägerin leitet ihren Schadensersatzanspruch aus einer unerlaubten Handlung der Beklagten her. Für die internationalprivatrechtliche Behandlung einer unerlaubten Handlung ist das Recht des Tatortes maßgebend. Tatort ist neben dem in der Schweiz gelegenen Handlungsort auch der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, hier Konstanz. Das dem Verletzten günstigere Recht - hier das deutsche Recht - entscheidet. 2. Es brauchte nicht geklärt werden, ob §823 II oder §826 BGB als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch herangezogen werden kann, denn in beiden Fällen steht der Klage die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen, §852 BGB. Die Klägerin hat spätestens im Jahre 1970 die für die Klageerhebung erforderlichen Kenntnisse von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen gehabt. Sie hat ihre Klage erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingereicht. Die Klägerin, die nach ihrer eigenen Darstellung dieselben 417
11.58 Kenntnisse wie ihre Muttergesellschaft gehabt hat, war spätestens im Jahre 1970 zu der Überzeugung gelangt, daß die mangelnde Alkalibeständigkeit der Fugenvergußmasse C50.01 nicht nur auf einer von der Beklagten vorgeschlagenen fehlerhaften Verwendung des Grundstoffes E871, sondern in erster Linie darauf zurückzuführen sei, daß E871 nicht die übl ichen Eigenschaften eines Epoxyharzes besitze. Die Klägerin hat mit der Kenntnis der angeblichen Schadensursache zugleich Kenntnis von der Person des Schädigers gehabt, denn sie hat gewußt, daß die schweizerische Muttergesellschaft den Grundstoff von der Beklagten bezogen hatte. Der Klägerin sind auch die Umstände bekannt gewesen, die für ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten sprechen sollen.
11.58: OLG Stuttgart, 31. 5 . 1 9 7 7 , 1 1 U 10/77 (Wasserzufuhr)
Daseinsvorsorge:
Benachrichtigungspflicht
418
Die Kläger verlangten von der Beklagten Schadensersatz wegen unvorangekündigter Unterbrechung der gemeindlichen Wasserzufuhr. Am Freitag, dem 12.9. 1975 stellte ein städtischer Arbeiter des Bereitschaftsdienstes der Beklagten wegen eines im Anwesen H aufgetretenen Haarrisses den Hauptschieber der R-Straße ab, um den Hauptabstellhahn im Anwesen H auswechseln zu können. Während der Wasserabstellung geriet das in Betrieb befindliche Brenngerät der Klägerin infolge Überhitzung in Brand. 1. Im Gegensatz zum LG ist der Senat der Auffassung, daß die Beklagten wegen des Schadenereignisses weder für ein Verschulden ihrer verfassungsmäßigen Vertreter noch ihrer Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen einzustehen hat. Die Unterbrechung der Wasserzufuhr war rechtens. Eine Pflicht zur vorherigen Benachrichtigung von der Wasserabstellung bestand weder allgemein noch war die Beklagte im konkreten Fall zu einer Benachrichtigung vertraglich oder aufgrund besonderer Umstände verpflichtet. Damit entfällt eine
11.58 vertragsähnliche Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung. Auch kann dahinstehen, ob die Beklagte für unerlaubte Handlungen nach §§823, 831 BGB (so BGH, VersR 73/33 = NJW 72/2300) oder nach den Bestimmungen üläer die Amtspflichtverletzung (BGH, VersR 73/ 1025 = NJW 73/1741; Schwabe, NJW 73/455) einzutreten hat. Recht zur Unterbrechung der Wasserbelieferung
2. Die Unterbrechung der Wasserlieferung am 12.9.1975 ist nicht zu beanstanden. Nach § 7 Abs.2 der Wasserabgabesatzung der Stadt E, gegen deren Gültigkeit Bedenken nicht bestehen, ist die Beklagte bei Betriebsstörungen, insbesondere zur Vornahme betriebsnotwendiger Arbeiten berechtigt, die Wasserlieferung zu unterbrechen. Rechtliche Bedenken gegen eine solche Beschränkung der Lieferpflicht bestehen nicht, da eine geordnete Wasserversorgung nur möglich ist, wenn das Leitungsnetz instand gehalten wird. Die Wasserwerke müssen daher in der Lage sein, die Wasserlieferung einzustellen, wenn eine notwendige Reparatur dies erfordert (BGH, NJW 71/2267 für Elektrizitätsversorgungsunternehmen). Die Kläger bestreiten selbst nicht, daß im Anwesen H ein Leitungsschaden aufgetreten war, dessen Beseitigung notwendig war und eine Unterbrechung der Wasserzufuhr erforderte.
Benachrichtigungspflicht
Die Beklagte hat auch nicht gegen eine Benachrichtigungspflicht verstoßen. Aus dem zwischen den Parteien bestehenden Anstalts-Benutzungsverhältnis folgt keine allgemeine Benachrichtigungspflicht für kurzzeitige Wasserabstellungen. In einem gleichgelagerten Fall hat der BGH (NJW 71/ 2267) für Stromabnahmeverträge entschieden, eine allgemeine Benachrichtigungspflicht lasse sich, sofern sie nicht vertraglich übernommen sei, selbst aus dem Grundsatz von Treu und Glauben zur Zeit nicht herleiten. Zwar seien die Elektrizitätsversorgungsunternehmen gehalten, auf die berechtigten Belange ihrer Abnehmer Rücksicht zu nehmen. Daher sei grundsätzlich zu verlangen, daß sie von beabsichtigten, länger dauernden Abschaltungen ihre Abnehmer in dem betroffenen Gebiet benachrichtigen, damit diese sich auf eine Stromunterbrechung einstellen könnten. Insbesondere sei es in einem solchen Falle notwendig, den Inhabern gewerblicher Betriebe in dem betroffenen Gebiet Mitteilung
Stromabnahmeverträge
419
11.58
Wasserversorgung
Inhaltsgleichheit des öffentlichund deszivilrechtlichen Haftungsrechts
zu machen, damit sie die erforderlichen Anordnungen treffen könnten. Dagegen könne jedenfalls derzeit bei kurzen Abschaltungen eine generelle Benachrichtigungspflicht nicht anerkannt werden, da kurze Abschaltungen zwar eine erhebliche Belästigung bedeuteten, jedoch gewöhnlich nicht zu schwerwiegenden Schäden bei den Abnehmern führten. Nach dem heutigen Stand der Technik gelte dies auch für gewerbliche Betriebe (BGH, aaO.). Diese vom BGH zur Benachrichtigung bei Stromunterbrechungen vertretene Auffassung gilt nach Ansicht des Senats gleichermaßen für Unternehmen der Wasserversorgung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Wasserversorgung fiskalisch betrieben oder das Nutzungsverhältnis - wie im vorliegenden Fall - öffentlich-rechtlich mit Anschluß- und Benutzungszwang ausgestaltet ist. Die Rechtsprechung hat seit langem anerkannt, daß auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Wasserlieferanten und den Abnehmern die Vorschriften des BGB (§§276, 278, 31, 89) auch bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen entsprechend anzuwenden sind. So hat der BGH (VersR 73/33 = NJW 72/2300) z.B. die Rechtsbeziehungen zwischen einer Gemeinde und dem Wasserabnehmer bei Lieferung verunreinigten Wassers auch dann nach Kaufvertragsrecht beurteilt, wenn die Gemeinde die Wasserversorgung kraft autonomer Satzung als öffentlichrechtliche Einrichtung betreibt. Diese rechtliche Gleichstellung, die auch in der Zulässigkeit von Freizeichnungsklauseln ihren Niederschlag gefunden hat (BGH, VersR 73/1025 = NJW 73/1741), rechtfertigt es, die Frage der Benachrichtigungspflicht bei Lieferunterbrechungen unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Versorgungsunternehmens gleich zu behandeln. Nach Auffassung des Senats besteht auch von der Sache her kein Anlaß, zwischen Strom- und Wasserabschaltungen zu differenzieren. Strom und Wasser werden für den gewerblichen und privaten Bedarf gleichermaßen benötigt, ihr längerfristiger Ausfall kannzu erheblichen Schäden führen, die durch geeignete Vorkehrungen vermieden oder gemindert werden können. Andererseits ist bei kurzfristigen Wasserabstellungen nach dem heutigen Stand der Technik ebenso
420
11.58
Benachrichtigungspflicht
wie bei Stromabschaltungen nicht ersichtlich, daß dies zu schwerwiegenden Schäden führen würde. Trotz der fortschreitenden Entwicklung und der Absicherung des täglichen Lebens gegenüber Schäden aller Art kann nach Auffassung des Senats die Frage der Benachrichtigungspflicht heute nicht anders gesehen werden als im Zeitpunkt der Entscheidung des BGH. Damit bestand vorwiegend keine Benachrichtigungspflicht aufgrund des Anstaltsbenutzungsverhältnisses. Die Abschaltung hat dreißig Minuten nicht überstiegen. Dies muß jedoch als kurzfristige Abstellung angesehen werden. 3. Die Beklagte hat sich in §7 Abs. 3 Wasserabgabesatzung1 nicht verpflichtet, Wasserabstellungen in jedem Falle vorher öffentlich bekanntzugeben. Aufgrund der Formulierung ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt eine rechtliche Verpflichtung zur Benachrichtigung übernehmen wollte, deren schuldhafte Nichteinhaltung schadensersatzpflichtig macht oderobessich nicht um eine bloße Ankündigung der Beklagten handelt. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen. Auch wenn zugunsten der Klägerin ersteres angenommen wird, so war die Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, jede Abstellung vorher anzukündigen, sofern dies technisch möglich war. Unterbrechungen der Wasserlieferung sollten vielmehr nach §7 Abs.3, „soweit sie voraussehbar sind, nach Möglichkeit vorher öffentlich bekanntgegeben" werden. Eine etwaige Benachrichtigungspflicht der Beklagten unterliegt daher der doppelten Einschränkung, daß die Unterbrechung voraussehbar und die öffentliche Bekanntgabe möglich war. Da die Beklagte Unvorhersehba-
1
Wortlaut des §7 Abs.3 der Wasserabgabesatzung: „Unterbrechungen und Einschränkungen der Wasserlieferung sowie Änderungen des Drucks und der Beschaffenheit des Wassers werden, soweit sie voraussehbar sind, nach Möglichkeit vorher öffentlich bekanntgegeben." Abs.4: „Bei Einschränkung oder Unterbrechung der Wasserlieferung sowie bei einer Änderung des Druckes oder der Beschaffenheit des Wassers steht den Wasserabnehmern kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Dies gilt nicht bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit."
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11.58
Möglichkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen
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res nicht bekanntgeben kann, ist diese Einschränkung nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, daß eine Verpflichtung allenfalls dahin ging, längerfristig voraussehbare, sozusagen vorgeplante Abschaltungen infolge von Reparaturen, Leistungserweiterungen usw. vorher in der Zeitung, über Funk, durch Handzettel usw. öffentlich bekanntzumachen. Dagegen besteht eine solche Verpf I ichtung nicht auch bei unvorhergesehen auftretenden Leitungsrissen, die alsbaldiger Reparatur durch den Bereitschaftsdienst bedürfen. Eine etwaige Benachrichtigungspflicht ist weiter dadurch eingeschränkt, daß eine öffentliche Bekanntgabe „nach Möglichkeit" zu erfolgen hat. Daraus kann nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, Vorsorge zu treffen, daß eine Benachrichtigung unter Ausnutzung aller technischen Mittel auch außerhalb des allgemeinen Geschäftsgangs und der üblichen Betriebsstunden jederzeit möglich ist. Gegen eine solchermaßen eingeschränkte Benachrichtigungspflicht haben die Organe bzw. die Bediensteten der Beklagten nicht verstoßen. Die Notwendigkeit der Wasserabstellung infolge eines Haarrisses trat für die Beklagte überraschend und unvorhergesehen auf, was sich darin zeigt, daß der Bereitschaftsdienst eingesetzt werden mußte. Diesem war eine Benachrichtigung von der kurzfristigen Abstellung im üblichen Geschäftsgang nicht möglich, da die Ortsrufanlage nicht zugänglich war. Es würde eine Überspannung der Sorgfaltspflichten der Beklagten darstellen, die jederzeitige Benutzbarkeit der Anlage für Versorgungsunternehmen auch außerhalb des üblichen Geschäftsganges sicherzustellen. Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, daß eine Benachrichtigung über die Ortsrufanlage nicht alsbald bei Eingang der Schadenmeldung erfolgt ist. Selbst wenn diese Meldung unmittelbar vor Dienstschluß erfolgt und die Rufanlage in diesem Zeitpunkt noch zugänglich gewesen sein sollte, so war doch nicht sicherabzusehen, ob, wann, in welchem Umfang und aufweiche Dauer eine Abschaltung erforderlich sein wird. Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, daß ihr Arbeiter M nicht an Ort und Stelle sämtliche von der Wasserabstellung betroffenen zwölf Anlieger z. B. durch Megaphon verständigt, sondern sich vorrangig um die Schadenbeseiti-
11.59
Haftungsfreizeichnung
gung bemüht hat. Wie bereits dargelegt, bestand eine Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntgabe der kurzfristigen Abstellung durch den Bereitschaftsdienst nicht. Die Beklagten bzw. ihr Arbeiter hatte auch keinen Anlaß, Vorsorge zu treffen, daß gerade die Kläger von einer sie betreffenden Wasserabstellung vorher benachrichtigt werden, weil die Beklagte weder wußte noch wissen mußte, daß die Kläger einen besonders empfindlichen Betrieb führen, in dem auch bei kurzzeitigen Unterbrechungen der Wasserzufuhr erhebliche Schäden entstehen können. 4. Mangels schuldhafter Verletzung einer Benachrichtigungspflicht durch die Beklagte bedarf es keiner Entscheidung, ob die Klage nicht auch deshalb hätte abgewiesen werden müssen, weil dem Schadensersatzanspruch der Klägerin die Freizeichnungsklausel der Beklagten in §7 Abs.4 Ortssatzung entgegenstand. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Haftungsbeschränkung bestehen keine Bedenken (BGH, VersR 73/1025 = NJW 73/1741). Auch liegt, selbst wenn man ein Verschulden eines Bediensteten der Beklagten bejahen wollte, jedenfalls ein grobfahrlässiges Verhalten nicht vor, da das Zusammenwirken von zwei fahrlässigen Verhaltensweisen noch keine grobe Fahrlässigkeit begründet.
II.59: OLG Hamm, 8. 6. 1977, 19 U 119/73 (Frostschutzmittel II) (Entscheidung des Berufungsgerichts nach Rückverweisung durch BGH 1.126)
Deliktshaftung
Kausalitätsnachweis
Ein Schadensersatzanspruch nach §823 BGB entfällt, weil der Kläger nicht beweisen kann, daß für die eingetretenen Motorschäden das Frostschutzmittel E ursächlich war. Diesen Beweis muß der Kläger führen, auch wenn es um Produzentenhaftung geht (BGH, NJW 1969/269, 274 = I.58). Wie auch sonst können ihm dabei allenfalls die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu Hilfe kommen. 423
11.59 Es steht zwar fest, daß das Frostschutzmittel E in seiner Zusammensetzung nicht dem Standard BS3151 entsprach und daß die X-GmbH die Auffassung vertritt, nur Frostschutzmittel nach BS3151 seien in der Lage, die im Kühlsystem eines Dieselmotors vorkommenden Korrosionstypen wirksam zu bekämpfen. Andererseits hat die Beklagte (mehrere Schreiben von Mineralöl-Herstellern vorgelegt: keines dieser Schreiben besagt aber), das Frostschutzmittel E sei für wassergekühlte Dieselmotoren ungeeignet. Die Verfasser dieser Schreiben haben sich mit dieser Frage überhaupt nicht befaßt. Ein Vergleich der verschiedenen Schreiben läßt nicht einmal erkennen, welche Zusammensetzung das Frostschutzmittel E genau gehabt hat. Der Natriumbenzoat-Gehalt ist einmal mit0,115%,weitermit0,12%und in einem dritten Schreiben mit 2,16% angegeben, der Natriumnitrit-Gehalt mit 0,09%, 0,05% und 0,24%. Ob diese unterschiedlichen Werte eine Folge von Fehlern bei den Analysen sind oder ob den verschiedenen Instituten verschiedene Proben zur Verfügung gestellt worden sind, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Die Firma X hat, wie der Zeuge Z bekundet hat, nicht etwa eine Originalpackung des zu prüfenden Frostschutzmittels eingeschickt, sondern den Inhalt einer neutralen Flasche, der ihr vom Kläger ausgehändigt worden ist. Heute sieht sich der Kläger nicht mehr in der Lage, eine Probe dieses Mittels zur Verfügung zu stellen. Die beschädigten Motorteile sind ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Nichtbeachtung von Bedienungsanleitungen
424
Das staatliche Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen hat daher eine Aussage über die Ursächlichkeit des Frostschutzmittels E für den geltend gemachten Schaden abgelehnt. Schließlich ist die Feststellung der Ursächlichkeit noch dadurch erschwert, daß der Kläger sich an die Empfehlung der Bedienungsanleitungen, ein Frostschutzmittel nur im Winter zu verwenden, nicht gehalten hat. Das Werk empfiehlt im Sommer die Verwendung von Bohröl als Zusatz im Kühlwasser, der Kläger hat aber ganzjährig das Frostschutzmittel E benutzt.
11.60 11.60: OLG Karlsruhe, 22. 6. 1977, 7 U 123/76 (CocaCola-Flasche) bestätigt durch Beschluß des BGH vom 7.3. 1978, VI ZR143/77 nach dem BGH-EntlastungsG (im Anschluß an das Urteil des OLG Karlsruhe abgedruckt)
1. Urteil des OLG Karlsruhe:
Deliktshaftung
Getränkeabfüller als Hersteller
Fehlernachweis
Voraussehbare Umstände der Produktverwendung
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil dieser den Unfall vom 28.7. 1972 nicht zu verantworten hat. 1. Zwar läßt die Aussage des Zeugen S keine Zweifel daran, daß die Coca-Cola-Flasche, deren Splitter das linke Auge des Klägers verletzte, aus dem Abfüllbetrieb der Beklagten stammte. Der Beklagte war also Hersteller des schadenverursachenden Produkts. Die Tatsache, daß der Beklagte sowohl die Flaschen als auch den zur Herstellung von CocaCola notwendigen Zusatzstoff von dritter Seite bezieht, ändert an seiner Eigenschaft als Hersteller nichts. Hersteller i.S. der Produzentenhaftung (BGH 51/91 = I.56; Weitnauer, NJW 1968/1598) ist auch, wer das Endprodukt aus zugelieferten Teilen zusammensetzt (vgl. Palandt, BGB, 34.Aufl., 1975, Anm. 16B zu §823 BGB; BGH, NJW 1975/1828). 2. Zutreffend hat das Landgericht auch aufgrund der Aussage des Zeugen S und der im Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung festgehaltenen Untersuchungsergebnisse für erwiesen angesehen, daß die vom Kläger gekaufte Literflasche Coca-Cola weder von selbst noch bereits infolge der leichten Berührung durch den Fuß des Zeugen S, sondern erst dadurch explosionsartig zerbarst, daß sie auf dem zementierten Boden des Firmengeländes umfiel. 3. Schließlich ist dem Kläger darin beizupflichten, daß der Hersteller eines kohlensäurehaltigen Getränks, das nicht nur für den Ausschank in Gaststätten bestimmt ist, sondern das überwiegend flaschenweise verkauft und unter Hinweis auf seine erfrischende Wirkung gerade bei einer Verwendung im Haushalt, am Arbeitsplatz, bei Spiel, Sport, Parties, 425
11.60
Fehlernachweis: Kenntnis des Abfüllbetriebes von der Schadensursache; Verantwortung für beigestellte Waren
426
Ausflügen und sonstiger Freizeitgestaltung angepriesen wird, damit rechnen muß und kann, daß ungeöffnete Flaschen versehentlich umgestoßen werden können und auf festem Untergrund zerbrechen. Dies gilt um so mehr, als ein Großteil der Abnehmer des Getränks Kinder und Jugendliche sind, deren Betätigungsdrang und naturgemäß lebhaftes Wesen das versehentliche Umstoßen einer gefüllten Flasche nicht nur zu einem alltäglichen, sondern zu einem besonders häufigen Ereignis machen. Die Ansicht des Landgerichts, es handele sich bei dem versehentlichen Umstoßen einer mit kohlensäurehaltigem Getränk gefüllten Flasche um die Folge eines nicht bestimmungsgemäßen Umganges mit der Ware, vermag der Senat nicht zu teilen. Ein sachwidriger Umgang mit einem mit Kohlensäure versetzten Getränk hätte vielmehr erst dann vorgelegen, wenn die Flasche beispielsweise extremen Temperaturen ausgesetzt oder (und) geschüttelt worden wäre, wenn man sie auf den Boden geschlagen oder mit ihr geworfen hätte. Derartiges war hier jedoch unstreitig nicht der Fall. Daß Literflaschen des Getränks C o c a - C o l a dennoch - zumindest wenn sie mit Schraubverschluß ausgestattet sind auch bei ordnungsgemäßer Abfüllung mit auffallender Häufigkeit und unter gefährlicher Splitterwirkung schon beim Umfallen auf hartem Untergrund bersten, hat die Versuchsreihe der Bundesanstalt für Materialprüfung in eindrucksvoller Weise gezeigt. V o n 27 ungeöffneten 1-Liter-Flaschen Coca-Cola barsten auf Zementboden 20 beim ersten Versuch, 5 beim zweiten und 2 beim dritten, die Splitter flogen bis zu 2 m hoch und bis zu 8,5m weit. 4. Das alles würde jedoch einer Haftung des Beklagten für den eingetretenen Schaden nur dann begründen, wenn nachgewiesen wäre, daß der Beklagte die Gefährlichkeit des von ihm vertriebenen Produktes kannte oder bei Beachtung der ihm gebotenen Sorgfalt hätte kennen müssen. Den ihm obliegenden Beweis dafür, daß der Beklagte die Gefährlichkeit des von ihm vertriebenen Erzeugnisses kannte, hat der Kläger nicht erbracht. Die von ihm geschilderten weiteren Schadensfälle beruhten ersichtlich auf anderen Gründen als dem Unfall einer gefüllten Coca-Cola-Flasche auf festem Untergrund. Dies bedarf schon deshalb keiner Erörterung,
11.60
Ausreißer
Produktbeobachtungshaftung auf Konstruktionsbzw. Material auswahlfehler
weil weder dargetan noch ersichtlich ist, daß der Beklagte von den Schadensfällen und ihrer Ursache Kenntnis erlangt hat. Ferner hat der Kläger nicht bestritten, daß die Abfüllung der Coca-Cola-Flaschen unter Beobachtung sämtlicher im Schriftsatz des Beklagten vom 27.8.1973 näher beschriebener Kontroll maß nahmen vorgenommen wurde. Im übrigen spricht das Resultat der von der Bundesanstalt für Materialprüfung durchgeführten Untersuchung eindeutig gegen das Vorliegen eines sog. Ausreißerfalles. 5. Auch eine schadensursächliche Vernachlässigung seiner Pflicht zur Produktbeobachtung kann dem Beklagten nicht angelastet werden. Die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers für seine Erzeugnisse endet zwar nicht schon mit dem Inverkehrbringen des Produktes. Vielmehr muß der Hersteller grundsätzlich auch die tatsächliche Bewährung seiner Erzeugnisse im Auge behalten. Es obliegt ihm nach dem Inverkehrbringen eine Pflicht zur Produktbeobachtung sowie zur Berücksichtigung der Ergebnisse der Produktbeobachtung. Eine deliktsrechtliche Pflicht zur Produktbeobachtung besteht allerdings nur in den Fällen, in denen ein begründeter Anlaß vorliegt, d.h. in denen es nicht auszuschließen ist, daß die Produkte Konstruktionsfehler aufweisen. Aus dem technischen Bereich kommen hier vor allem Neukonstruktionen in Betracht. Da deliktsrechtlich von dem Hersteller nur ausreichende, nicht aber optimale Testversuche verlangt werden können, ist es durchaus möglich, daß sich in der Praxis bei längerer Benutzung Fehler zeigen, die die Testreihen nicht offenbarten. Deswegen muß der Hersteller bei Neukonstruktionen die Bewährung seiner Produkte beobachten, was konkret bedeutet, daß er Vorsorge treffen muß, um über seine Außenstellen oder Vertragshändler schnellstmöglich über etwaige auf Konstruktionsfehler hindeutende Fälle unterrichtet zu werden. Das gleiche gilt für die Umstellung laufender Produkte auf neuen Materialien. Hier muß der Hersteller die Bewährung des abgeänderten Produkts beobachten und gegebenenfalls erhaltenen Hinweisen, Beschwerden usw. nachgehen. Bei eingeführten Produkten hingegen, bei denen keine Fehler aufgetreten sind, die auf Konstruktions- oder Planungsmängel hindeuteten, kann der Hersteller davon ausgehen, 427
11.60
Verschuldenshaftung
daß sie konstruktionsmäßig fehlerfrei sind. Infolgedessen entfällt nach einer gewissen Zeit die Pflicht zur Produktbeobachtung. Selbst wenn es sich nachträglich herausstellt, daß es sich doch um einen Konstruktionsfehler handelt, liegt hier ein Verschulden des Herstellers nicht vor, wenn ihm darauf beruhende Schadensfälle nicht mitgeteilt wurden; denn er konnte angesichts der offensichtlichen Bewährung seines Erzeugnisses davon ausgehen, daß es sich bei etwaigen, an Einzelstücken auftretenden Fehlern nur um Fabrikationsfehler handelte. Wurde die der Fabrikationsaufnahme vorausgehende generelle Produktprüfung zulässigerweise abgeschlossen, muß ein begründeter Anlaß vorliegen, um eine deliktsrechtliche Pflicht zur Wiederaufnahme der generellen Produktprüfung zu begründen (vgl. zu all dem Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1972, S.84f.). 6. Ein solcher Anlaß ist für den Zeitraum vor dem hier streitbefangenen Schadensfall nicht dargetan. Damit fehlt es aber auch an der haftungsbegründenden Voraussetzung dafür, daß der Unfall vom 28.7. 1972 vom Beklagten verschuldet wurde. Alle Erwägungen, die das Einstehenmüssen eines Produzentenfür Fehler der von ihm vertriebenen Ware ohne Rücksicht auf den Nachweis seines Verschuldens - etwa durch Einführung einer Haftung auf das „Vertrauen", „sozialem Kontakt", „Gefährdung" bejahen möchten, mögen bei der Erörterung von Reformfragen ihre Bedeutung haben, verlassen aber den Boden geltenden Rechts (vgl. BGH, NJW 1969/269 = I.58; Dunz-Kraus, Haftung für schädliche Ware 1969, S. 18, 19, 64)
2. Beschluß des Bundesgerichtshofs:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 22.6.1977 wird nicht angenommen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Annahme der Revision zur Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit geboten. Die Ausführungen des Berufsgerichts 428
11.61
entsprechen zwar nicht durchweg der Rechtsprechung des Senats zur Produzentenhaftung. Im Ergebnis kann die Revision hier schon deshalb keinen Erfolg haben, weil den Beklagten keine Verantwortlichkeit für Konstruktion und Verwendung der Coca-Cola-Flaschen trifft; denn er ist lediglich Inhaber eines der zahlreichen in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Coca-Cola-Abfüllbetriebe, verwendet somit nur die zentral von der Coca-Cola-GmbH bei den Flaschenproduzenten bestellten, geprüften und abgenommenen und von dieser in Verkehr gebrachten Flaschen.
11.61: OLG Karlsruhe, 20.7.1977,7 U16/77 (Betonbereitungsanlage)
ProdukthaftungRegreß der Berufsgenossenschaft: Deliktshaftung Durchschnittlicher Benutzer
Die Beklagten lieferten 1968 an die H-Werke eine vollautomatische Betonbereitungsanlage. Seither befand sich die Anlage in Betrieb. Sie wurde mindestens 5 Jahre lang durch den Arbeiters bedient. Am 5.6.1974 zog sich dieser schwere Quetschverletzungen zu, als er eine Störung im Aufzugsbereich der Anlage beseitigen wollte. Die beklagte Berufsgenossenschaft erbrachte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für den verletzten Arbeiter Sach- und Geldleistungen, deren Erstattung sie mit der Behauptung verlangt, der Unfall habe sich ereignet, weil die Anlage mangelhaft gesichert gewesen sei. Die Klage ist abzuweisen. Bei Maschinen muß zwar der Hersteller auch mit Unvorsichtigkeiten des Bedienungspersonals rechnen und muß deshalb unter Umständen Schutzvorrichtungen anbringen (BGH, VersR 1957/584; BGH, BB1972/13,14 = I.66; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Rn. 56). Eine Verpflichtung hierzu ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend. Die von der Erstbeklagten hergestellte Betonbereitungsanlage wird nur von Fachleuten bedient. So war es auch unstreitig bei der Abnehmerin der Anlage, den H-Werken. Der Bedienungs429
11.61
Unfallverhütungsvorschriften
Hersteller- und Arbeitgeberpflichten UnfallverhütungsVorschriften
UnfallverhütungsVorschriften und Herstellerhaftung
430
mann der Anlage, der Arbeiter S, wurde von Monteuren der Beklagten eingewiesen. Er bediente die Betonbereitungsanlage seit mindestens 5 Jahren und wußte Bescheid, wie er mit dieser umzugehen hatte. Das stellt die Klägerin nicht in Abrede. Der Aufenthalt unter der Anlage im Bereich der bewegten Teile ist gefährlich. Deshalb dürfen Arbeiten an der Maschine während des Ganges nicht ausgeführt werden. Dies besagen die Unfallverhütungsvorschriften der Klägerin (§5Abs.1)und istfür jeden vernünftigen Bediener einer Maschine offensichtlich. Ob nach den Unfallverhütungsvorschriften der Klägerin überhaupt Sicherungsmaßnahmen im Aufzugsbereich der Betonbereitungsanlage notwendig sind, ist nicht eindeutig. Unter § 3 Abs.5 dieser Vorschriften heißt es nur allgemein, daß Quetsch- und Scherstellen zu vermeiden und, falls das nicht möglich ist, zu sichern sind. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob bei der konstruktiv bedingten Abschrankung des Aufzugsbereichs noch eine weitere Sicherheit anzubringen ist. Diese Frage bedarf jedoch keiner Vertiefung. Anerkannt ist nämlich, daß die dem Hersteller obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht ohne weiteres dem Umfang jener Pflichten gleichgesetzt werden kann, die dem Betriebsunternehmer nach den für ihn jeweils geltenden Unfallverhütungsvorschriften obliegen (BGH, BB1972/13, 14). Diese sollen und wollen durch ins einzelne gehende Bestimmungen allen denkbaren Gefahren, die in einem Betrieb auftauchen können, vorbeugen. Sie sollen den Unternehmer mahnen, daß er auch mit leichtsinnigem Verhalten seiner durch die Gewöhnung an die Gefahren abgestumpften Arbeiterzu rechnen hat. Deshalb mag sein, daß Schutzvorrichtungen nach den Unfallverhütungsvorschriften der Klägerin geboten waren und daß die Bauberufsgenossenschaft bei der Erstbeklagten das Fehlen eines Schutzholms am Chassis zur Absicherung der Beschickerfahrbahn beanstandet hat. Dieser strenge Maßstab gilt nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht für die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers. Deshalb brauchte die Erstbeklagte nicht dafür Sorge zu tragen, daß eine dermaßen unsachgemäße Bedienung der Anlage, wie sie der Arbeiter S vorgenommen hat, nicht möglich ist.
11.62 11.62: OLG Köln, 21. 9.1977,13 U 28/77 (Sicherheitsgurt)
Mitverschulden ( § 2 5 4 BGB)
In Übereinstimmung mit dem LG wertet es der Senat unter Anwendung von §254 BGB anspruchsmindernd, daß die Klägerin den Sicherheitsgurt nicht getragen hat. In der älteren Rechtsprechung bzw. für Unfälle aus länger vergangener Zeit ist die Annahme eines Mitverschuldens durch Nichtanlegung des Gurtes überwiegend verneint worden. Hierzu bedarf es keiner Stellungnahme. Denn der vorliegende Unfall hat sich nachdem Inkrafttreten der Neufassung von §21a StVO ereignet, durch den das Anlegen der vorgeschriebenen Sicherheitsgurte für die Vordersitze von Kraftfahrzeugen gesetzlich vorgeschrieben wird. Wenn auch die Verletzung dieser Bestimmung nicht mit Bußgeld geahndet wird, so enthält sie dennoch eine verbindliche Regelung der im Straßenverkehr von dem Kraftfahrer und seinem Beifahrer gegen sich selbst üblicherweise zu beachtenden Sorgfalt und kann daher im Rahmen von §254 BGB herangezogen werden, zumal die Zweckmäßigkeit des Gurttragens aus unfallmedizinischer Sicht außer Frage steht und mittlerweile auch von der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung anerkannt wird (vgl. OLG Braunschweig 11.51). Die Klägerin befand sich im Unfallzeitpunkt nicht in einer besonderen Situation, die für sie das Anlegen des Gurtes als unzumutbar erscheinen ließ. Ihre Erklärung, sie fühle sich durch das Anschnallen beengt, findet keine objektivierbare Grundlage, weil sie nur mittelgroß und geradezu von zierlicher Gestalt ist. Die Nichtbeachtung der Anschnallpflicht gereicht ihr mithin zum Schuldvorwurf. Das berührt allerdings den Schadensersatzanspruch nur insoweit, als das Nichtanlegen des Gurtes für die eingetretene Verletzung ursächlich geworden ist.
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11.63 11.63: OLG Karlsruhe, 28. 10. 1977, 10 U 89/77
Deliktsrechtliehe (Amts-) Haftung
DIN-Normen
Mitverschulden
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Die Ehefrau des Klägers wendete bei einer Fahrt mit dem Pkw auf einem mit Waschbetonplatten belegten Vorplatz einer Kirche im Stadtgebiet der Beklagten. Dabei wurde das Fahrzeug durch eine Randplatte, die seinem Gewicht nachgab, an der Unterseite beschädigt. Der Kläger nahm die beklagte Stadt auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte bei der Anlage des Vorplatzes ihreAmtspflichtverletzt hat, den Plattenbelag des Vorplatzes in einem verkehrssicheren Zustand herzustellen. Die ungenügende Befestigung der Randplatten beeinträchtigte die Verkehrssicherheit des Vorplatzes. Für die Beurteilung der Haftung der Beklagten genügt die Feststellung, daß die Randplatten dem Gewicht eines Pkw nicht standhalten und die Anlage des Vorplatzes deshalb nicht den Erfordernissen der Verkehrssicherheit entspricht. Die Beklagte kann ihre Verantwortlichkeit für den Schaden des Klägers nicht mit dem Hinweis darauf ablehnen, daß die Platten nach der VOB Teil C DIN 18318 verlegt sind. Die VOB enthält die Vertragsbedingungen für die Vergabe und die Ausführung von Bauleistungen. Die genannte DIN 18318 gilt für die Befestigung von Flächen mit ganz verschiedenen Anforderungen an die Tragfähigkeit. Abschnitt3.10 der Norm enthält die technischen Ausführungsvorschriften dafür, wie Platten in Sand, Kiessand oder Mörtel zu verlegen sind, wenn der Auftraggeber eine solche Verlegeweise bestellt hat. Ob sie den Anforderungen an die Verkehrssicherheit der befestigten Fläche genügt, kann nicht mit Hilfe der technischen Regeln der VOB beurteilt werden. Das hängt von den Anforderungen an die Tragfähigkeit der befestigten Fläche ab. Der Auftraggeber muß entscheiden, welche Art der Befestigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit vorgenommen werden muß. Der Einwand der Beklagten, die Ehefrau des Klägers habe den Schaden am Pkw mitverschuldet, ist ebenfalls unbegründet. Ein etwaiges Mitverschulden entlastet die Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht, denn es kann dem Kläger
11.64 nicht zugerechnet werden. Aus §254 BGB kann eine Mitverantwortung des Klägers für das Schadenereignis nicht abgeleitet werden. Die Vorschrift ist auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nicht anwendbar. Sie setzt voraus, daß zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vertragliche Beziehungen oder rechtliche Sonderverbindungen bestehen. Haftet der Schädiger allein aus unerlaubter Handlung oder einem gesetzlichen Gefährdungstatbestand, so muß sich der Geschädigte das Verschulden eines anderen nur in den Fällen des §831 BGB anrechnen lassen (allgemeine Meinung; vgl. Palandt, BGB 36.Aufl., §254 Anm.5a, aaO). Da die Beklagte dem Kläger allein aus unerlaubter Handlung nach §839 BGB in Verbindung mit Art.34 GG ersatzpflichtig ist, kommt eine Beteiligung des Klägers an seinem Schaden (wegen des Verhaltens der Ehefrau) nach §254 BGB nicht in Betracht.
II.64: OLG Celle, 28. 11. 1977, 9 U 83/77 (Hocker)
Deliktshaftung
Assemblerhaftung
Der Kläger erlitt einen Personenschaden durch das Zusammenstürzen eines von ihm benutzten Hockers. Die Erstbeklagte wurde als Herstellerin, die Zweitbeklagte als deren Gesellschafterin wegen des Konstruktionsfehlers des Hokkers verklagt. Der Kläger hat gegen die Erstbeklagte aus §§823, 847, 31 BGB, gegen die Zweitbeklagte aus §§823, 847 BGB in Verbindung mit §§161 Abs. 2,128 HGB einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in der geforderten Höhe. Denn die Verantwortlichen der Erstbeklagten haben als Hersteller des fraglichen Hockers eine mit einem Konstruktionsfehler behaftete und zudem gefährliche Sache in den Verkehr gebracht und somit gegen die ihnen als Produzenten obliegenden Pflichten verstoßen. Es steht in diesem Zusammenhang außer Frage, daß die Erstbeklagte als Herstellerin anzusehen ist. Denn auch derjenige, der das Endprodukt aus zugelieferten Teilen ledig433
11.64
Fehlernachweis
Konstruktionshaftung
Zumutbarkeit: finanzieller Aufwand
Konstruktionshaftung
Allgemeine Verkehrssicherungspflicht 434
lieh zusammensetzt, kommt als Hersteller in Betracht (BGH, VersR 1975/922). In dieser Weise ist die Erstbeklagte bei der Produktion des Hockers unstreitig tätig geworden. Es steht nach der Überzeugung des Senats auch eindeutig fest, daß dieser Hocker ein gefährliches Möbelstück ist, das ohne entsprechende Arretierung nicht in den Verkehr hätte gebracht werden dürfen. Denn bei diesem Hocker handelte es sich um ein Möbel, das zur Benutzung durch Menschen geschaffen ist und jedenfalls auch Verwendung als Sitzmöbel finden kann. Dabei macht es keinen Unterschied, ob dieser Hocker auch als Sitzmöbel Verwendung finden sollte, denn ein so konstruiertes Möbelstück in diesen Abmessungen übt eine geradezu einladende Anziehungskraft auf einen Sitzplatzsuchenden aus, zumal wenn es noch wie hier mit einem dazugehörenden Sitzkissen verbunden ist. Ein so geschaffenes Möbelstück muß dann aber auch von der Konstruktion her ein Mindestmaß an Sicherheit aufweisen, das es dem Benutzer bei sachgemäßem und typischem Gebrauch ermöglicht, die Sache gefahrlos zu verwenden. Dieser Grundsatz darf aus Kostengründen und -gesichtspunkten nicht durchbrochen werden. Der Senat ist der Überzeugung, daß dieses Mindestmaß an Sicherheit bei dem betreffenden Unfallhocker nicht eingehalten worden ist. Denn bei einer Sache, die immer dann zur höchstgefährlichen wird, wenn sie ihrer Typik entsprechend verwandt wird und dabei in Augenblicken natürlichster menschlicher Reaktion („Heranziehen eines Hockers, auf dem ich sitze") versagt, ist das Mindestmaß an Sicherheit unterschritten. Hier wäre eine Feststellvorrichtung nötig, aber auch ausreichend gewesen, wie sie an etwas teureren Klapphockern dieser Art durchaus üblich ist und die dann auch ein ungewolltes Zusammenklappen verhindert. Für den Fehler in der Konstruktion des Hockers muß die Erstbeklagte unter dem Gesichtspunkt der Produzentenhaftung einstehen. Denn die Rechtsprechung hat in Ausformung und Weiterentwicklung des Gedankens der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht den Grundsatz anerkannt, daß auch dem Hersteller von Wirtschaftsgütern Sicherungspflichten gegenüber der Allgemeinheit obliegen. Er hat überall da, wo durch fehlerhafte Herstellung eine Gefahren-
11.65 quelle entsteht, dafür zu sorgen, daß sie nicht zur Entfaltung gelangt, was haftungsrechtlich die Konsequenz hat, daß er für die Personen- und Sachschäden verantwortlich ist, die ein späterer Abnehmer, Verbraucher oder Benutzer des Erzeugnisses dadurch erleidet, daß das Erzeugnis nicht die mögliche und von der Verkehrsanschauung geforderte Gefahrlosigkeit besitzt (RGZ 163/21 = 1.16; BGH, VersR 1967/ 1199). Die gleiche Verantwortlichkeit trifft die Zweitbeklagte. Sie ist persönlich haftende Gesellschafterin.
11.65: O L G D ü s s e l d o r f , 2 4 . 1 . 1 9 7 8 , 4 U 1 5 4 / 7 7 ( M e i ß e l )
Am 26.3. 1973 wurde im T-Hospital bei dem Kläger eine Nasenscheidewand-Operation durchgeführt. Bei dem Eingriff wurde ein Meißel benutzt, den die Beklagte am 31.8.1972 an das Krankenhaus geliefert hatte. Während der Operation brach die Spitze des Meißels ab und gelangte in die Lunge des Klägers. Eine Entfernung der Meißelspitze aus der Lunge des Klägers war nur operativ durch Eröffnung des Brustkorbs möglich. Der Kläger leidet noch unter den Folgen der Operation. Deliktshaftung
Fehlernachweis
Anscheinsbeweis
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm in Zukunft aus der durch den Bruch des Meißels verursachten Körperverletzung entsteht und das vom LG zuerkannte Schmerzensgeld zu zahlen. Die Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§823 I, 31, 847 BGB. Als Herstellerin i.S. der Produzentenhaftung hat die Beklagte ein fehlerhaftes Operationsinstrument in den Verkehr gebracht und dadurch adäquat kausal die Körperverletzung des Klägers (operative Eröffnung des Brustkorbs und Entfernung der Meißelspitze aus der Lunge) verursacht. Zu Recht hat das LG als erwiesen angesehen, daß die Beklagte den Meißel mit einem Herstellungsfehler an das T435
11.65
Langzeitverhalten
Kausalitätsnachweis
Verschuldensnachweis: Beweislastumkehr 436
Hospital ausgeliefert hat. Wenn ein Operationsinstrument 7 Monate nach der Lieferung bei einer Operation bestimmungsgemäß eingesetzt wird, der Beanspruchung nicht standhält und ein Teil des Instrumentes abbricht, ist es nach den Regeln des Anscheinsbeweises als erwiesen anzusehen, daß das Instrument fehlerhaft hergestellt worden ist. Fürdiese nach den Regeln des Anscheinsbeweises gerechtfertigte Schlußfolgerung ist es ohne Bedeutung, ob der Meißel bei der Operation des Klägers zum ersten Mal Verwendung gefunden hat. Ein Operationsinstrument muß so hergestellt werden, daß es während eines Zeitraums von 7 Monaten bei operativen Eingriffen Verwendung finden kann, ohne daß ein Teil des Instrumentes wegen einer Mehrfachbenutzung abbricht. Nach den von der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis entwickelten Grundsätzen muß die Beklagte, um dem gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis den Boden zu entziehen, darlegen und im Fall des Bestreitens beweisen, daß Umstände vorliegen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, daß der Meißel ordnungsgemäß und fehlerfrei hergestellt und ausgeliefert worden ist und der zum Bruch führende Mangel nach der Auslieferung aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen entstanden sein kann. Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Der bei der Herstellung des Meißels entstandene Fehler hat die Körperverletzung des Klägers in haftungsbegründender Weise verursacht. Es ist ohne Bedeutung, ob der Arzt, der die Operation durchführte, bei sachgemäßer Arbeitsweise hätte verhindern können und müssen, daß die abgebrochene Meißelspitze in die Lunge des Klägers gelangte. Erleidet ein Patient eine Körperverletzung, weil ein bestimmungsgemäß verwandtes Operationsinstrument infolge eines Herstellungsfehlers bricht, dann ist der Schaden adäquat kausal vom Herstellungsfehler verursacht. Hat ein Kunstfehler des Arztes den Schaden mitverursacht oder vergrößert, so haftet der Arzt allenfalls den Patienten neben dem Produzenten des Instrumentes. Da der Schaden des Klägers bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines objektiv fehlerhaften Operationsinstrumentes entstanden ist, hätte es der Beklagten als Herstellerin des Instrumentes obgelegen, Tatsachen
11.65
Weiterverarbeiterhaftung
Wareneingangskontrolle
Verlagerung der Qualitätskontrolle auf Lieferanten
Qualitätskontrolle
vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich ergibt, daß ihre satzungsmäßigen Vertreter hinsichtlich des Mangels kein Verschulden trifft (BGHZ 51/91 = NJW1969/269 = I.56) u n d - u m eine Haftung nach §831 BGB auszuschließen-daß die mit der Fertigung des Meißels befaßten Bediensteten mit der gebotenen Sorgfalt ausgesucht und überwacht wurden. Der Vortrag der Beklagten reicht zu dieser ihr obliegenden Entlastung nicht aus. Die Beklagte ist als Herstellerin von medizinischen Operationsinstrumenten verpflichtet, mit größter Sorgfalt sicherzustellen, daß die von ihr in Verkehr gebrachten Instrumente fehlerfrei sind. Materialfehler, die die Tauglichkeit eines Instrumentes beeinträchtigen, führen stets zu einer erheblichen Gefährdung des Patienten, können seinen Tod zur Folge haben und müßten darum, soweit dies überhaupt möglich ist, ausgeschlossen werden. Mit diesen Sorgfaltspflichten der Beklagten war es unvereinbar, wenn die satzungsmäßigen Vertreter der Beklagten darauf verzichtet haben, durch entsprechende Anordnungen und Beschaffung technischer Hilfsmittel dafür Sorge zu tragen, daß die ihr von der Firma B zur Weiterbearbeitung gelieferten Werkstücke so eingehend geprüft wurden, daß ein Materialfehler nicht verborgen blieb. Die Beklagte durfte sich nicht darauf verlassen, daß die Werkstücke bereits in der Ausgangskontrolle der Firma B hinreichend auf Materialfehler geprüft worden war. Etwas anderes hätte allenfalls dann gelten können, wenn die Firma B es in einer besonderen Vereinbarung mit der Beklagten übernommen hätte, bestimmte Prüfungen zur Entlastung der Beklagten durchzuführen und wenn die Beklagte sich vergewissert hätte, daß diese Prüfungen von ordnungsgemäß ausgewählten und kontrollierten Bediensteten der Firma B durchgeführt wurden. Zu einer derartigen Vereinbarung mit der Firma B trägt die Beklagte jedoch nichts vor. Sie beschreibt nicht einmal, welche Prüfungen von der Firma B im Rahmen der Ausgangskontrolle durchgeführt wurden. Die von satzungsgemäßen Vertretern der Beklagten angeordneten und im Betrieb der Beklagten durchgeführten Prüfungen und Kontrollen reichen nicht aus, um im Rahmen des Möglichen die Auslieferung fehlerhafter Operationsin437
11.66
Prüfmethoden und Kostenaufwand
Übliche Qualitätskontrollmethoden
strumente zu verhindern. Das folgt schon aus dem eigenen Vortrag der Beklagten. Sie behauptet, der fehlerhafte Meißel, dessen Spitze bei der Operation des Klägers abgebrochen ist, sei vor Auslieferung an das Krankenhaus mit den in ihrem Betrieb üblichen Methoden geprüft worden; der zum Bruch führende Materialfehler sei nicht zu erkennen gewesen; er müsse sich in dem von der Firma B hergestellten Rohling befunden haben; solche Fehler könnten nur durch eine weitere Kontrolle mit Röntgenstrahlen oder Ultraschall sichtbar gemacht werden. Der Ansicht der Beklagten, eine zusätzliche Röntgenkontrolle sei wegen der damit verbundenen Kosten unzumutbar, kann nicht gefolgt werden. Es ist auch ohne Bedeutung, ob bei den Produzenten medizinischer Instrumente Röntgenkontrollen nicht üblich sind. Mit Rücksicht auf die großen Gefahren, die von einem fehlerhaften Operationsinstrument für den Patienten ausgehen, können und dürfen die Kontrollen zur Vermeidung von Produktionsfehlern nicht unterbleiben, um die Produktionskosten möglichst gering zu halten. Daß die mit einer zusätzlichen Kontrolle des Stahls durch Röntgenstrahlen oder Ultraschall verbundenen Kosten unzumutbar hoch sind, wird von der Beklagten nicht überzeugend dargelegt.
11.66: OLG Frankfurt, 24t 6. 1978, 4 U 56/74
Die Drittbeklagte, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen für Maschinenbau, konstruiert und liefert u. a. Anlagen für die Fertigung von Wand- oder Deckenelementen aus Beton. Der Zweitbeklagte ist Leiter ihrer Konstruktionsabteilung, der Erstbeklagte Ingenieur und ebenfalls bei der Drittbeklagten beschäftigt. Am 1. März 1972 bestellte die Firma X fernmündlich bei der Drittbeklagten einen Wandfertiger. Am 10. März 1972 fand ein von der Firma X mit Schreiben vom 14. März 1972 bestätigtes Gespräch zwischen dem Zweitbeklagten und dem technischen Leiter der Bestellerin statt, in welchem die
11.66 Firma X die Forderung erhob, die Größe des Wandfertigers um 1,20-1,50m zu verringern. Die von der Drittbeklagten zu liefernde Anlage sollte nämlich in einer Halle montiert werden, in welcher sich zwei nur 6 m hohe Brückenkrane befanden. In einem weiteren Gespräch einigten sich die Beteiligten darauf, daß die verfahrbare und mit Sicherheitsvorkehrungen vorgesehene Betonier- und Bedienungsbühne entfallen und statt dessen die Schalttafeln lediglich an Querträgern befestigt werden sollten. In ihrem Schreiben vom 4. April 1972 gab die Drittbeklagte die durch den Fortfall der Betonierbühne erzielten Einsparungen an und fuhr fort: „Ordnungshalber möchten wir noch festhalten, daß wir für die Arbeitssicherheit beim Betonieren in diesem Zustande keine Haftung übernehmen können." Die Drittbeklagte stellte während der folgenden Monate den Wandfertiger unter Berücksichtigung der von der Firma X gewünschten Abänderungen her. Wegen des Fortfalls der Betonier- und Bedienungsbühne wurden die hydraulische Pumpstation und der Umformer, die die Drittbeklagte sonst in die Betonierbühne einbezieht, auf einer etwa 5m über dem Erdboden befindliche und 3,22 x 1,20m großen, zwar mit Riffelblech versehenen, jedoch nicht durch Gitter geschützten Plattform montiert, die ihrerseits auf einem über den Fertigungselementen (Stahlwänden und Schalttafeln) angebrachten Querträger ruhte. Die Drittbeklagte beendete die Errichtung der Anlage im Werk der Firma X am 27. Mai 1972. Bei der Aufstellung des Wandfertigers führte der Zweitbeklagte die Aufsicht. Am 14. Juni 1972 traten Störungen an einem Steuerungsventil der hydraulischen Pumpstation auf. Aus diesem Grunde kam der Zweitbeklagte am 28. Juni 1972, um das Ventil auszuwechseln. Da die Firma X Wert darauf legte, daß einer ihrer Betriebsangehörigen mit den anfallenden Reparaturarbeiten vertraut gemacht werde, wurde ein Vorarbeiter, der damals 61jährige Betriebsschlosser B, mit dem Auswechseln des Ventils beauftragt. Gemeinsam mit B stieg der Zweitbeklagte auf die Plattform, um ihn anzuleiten. Der Zweitbeklagte wies dabei den B ausdrücklich auf die Gefahren hin, die von den niedrigen Brückenkranen drohte. Während der Reparaturarbeiten wurde der Zweitbeklagte zu ei439
11.66
Deliktshaftung: Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte; anwendbares Recht
ProdukthaftungRegreß der Berufsgenossenschaft
Gesetzlicher Anspruchsübergang auf die Berufsgenossenschaft Deliktshaftung: Betriebssicherheit der Anlage
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ner Besprechung abgerufen, und B verblieb allein auf der Plattform. Kurz darauf stürzte er herab und verstarb noch am selben Tage. Die Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung begehrt gemäß § 154211 RVO einen Ausgleich für ihre Zahlungen an die Witwe des Verunglückten. 1. Das Landgericht ist zur Entscheidung zuständig gewesen. Die Klägerin macht gegen den Zweitbeklagten, einen Schweizer Staatsangehörigen, und gegen die Drittbeklagte, eine juristische Person nach schweizerischem Recht, einen - kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangenen - Anspruch aus unerlaubter Handlung geltend, weil der B verunglückt ist. Aus der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts folgt zugleich seine internationale Zuständigkeit. Deutsches Recht findet gemäß Art. 12 EGBGB Anwendung, denn die unerlaubte Handlung, aus der die Klägerin Ansprüche ableitet, hat sich im Bundesgebiet ereignet. 2. Der Klägerin steht nach § 154211 RVO, §§823,844111,840 I 421 Satzl BGB gegen den Zweitbeklagten und die Drittbeklagte ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Diese Forderung ist auch nicht durch §3 II des Maschinenschutzgesetzes ausgeschlossen. Die Klägerin kann indessen nur für ein Viertel der hier erwachsenen Nachteile von den Beklagten einen Ausgleich verlangen, denn die Klägerin muß sich das Verhalten der Firma X sowie ein mitwirkendes Verschulden des Verunglückten entgegenhalten lassen (§254 I BGB), a) Die Klägerin ist als T .» ;erin der gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet, an die Witwe des alsbald nach dem Tod vom 28.6. 1972 verstorbenen B eine Unfallrente zu zahlen. Gemäß § 154211 RVO ist der Anspruch der Witwe auf Schadensersatz gegen Dritte insoweit auf die Klägerin übergegangen, als letztere Leistungen erbringt. Nach §8231 BGB muß die Drittbeklagte für den Schaden aufkommen, der dadurch entstanden ist, daß sich der Wandfertiger nicht in einem verkehrssicheren Zustand befunden hat. Die von der Drittbeklagten gelieferte und montierte Anlage war mit einer in 5m Höhe befindlichen Plattform versehen, die dazu bestimmt war, zumindest gelegentlich Wartungsarbeiten zu ermöglichen. Deshalb hätte die Plattform mit Sicherungsvorkehrungen ausgestattet werden müssen, die
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Möglichkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen
Späterer Zustand als Indiz für die Fehlerhaftigkeit
MaschinenschutzG: Begriff der Sonderanfertigung
verhinderten, daß Menschen von der verhältnismäßig großen Höhe herabstürzen oder durch die in einem Abstand von nur etwa 1 m oberhalb der Plattform verlaufenden Brückenkrane erfaßt werden konnten. Daran fehlte es bis zu dem Eintritt des Unfalls vom 28.6.1972. Ein Hersteller darf nicht eine Anlage ausliefern, hinsichtlich derer auf der Hand liegt, daß bei deren Benutzung Dritten Gefahren drohen und zu dem Gebrauch einer Maschine usw. gehören auch Unterhalts- oder Instandsetzungsarbeiten (vgl. hierzu SchmidtSalzer, Produkthaftung, 1973, Anm.41aE, Anm.60aE; ders. in Anm.2 zu BGH, NJW 72/2217; Palandt, 34.Aufl., 1975, Anm.16 zu §823 BGB). Wenn die Anbringung eines Geländers an der Plattform nicht möglich war, weil alsdann die Gefahr bestanden hätte, daß eine auf der Wartungsbühne befindliche Person von dem nur etwa 1 m höheren Brückenkran erfaßt und zwischen Geländer und Kran eingeklemmt worden wäre, dann hätte die Drittbeklagte andere, einen ausreichenden Schutz gegen ein Herabstürzen bietende Maßnahmen ergreifen müssen. Die Montage von Schutzgittern an der Plattform und die Anbringung eines weiteren Arbeitspodestes etwas unterhalb der ursprünglichen Wartungsbühne wäre, wie der jetzige Zustand der Anlage zeigt, ohne nennenswerten Aufwand durchführbar gewesen. Diese unterlassene Anbringung der gebotenen und möglichen Schutzeinrichtungen ist rechtswidrig, da die Drittbeklagte als Herstellerin der Anlage verpflichtet war, möglichst Schädigungen Dritter in dem Umgang mit ihrem Produkt zu verhindern (vgl. hierzu Palandt aaO, Anm.8a, 16 De zu §823 BGB). b) Die aus den allgemeinen Vorschriften entspringende Verkehrssicherungspflicht der Drittbeklagten wird nicht durch die Bestimmung des §3 II MaschinenschutzG eingeschränkt. Zwar ist die Gestaltung der Plattform des Wandfertigers, nicht dieser selbst, als Sonderanfertigung im Sinne des §3 II anzusehen, weil der Wegfall der - mit Gittern umgebenen - Betonierbühne und deren Ersetzung durch eine 3,22 x 1,20m große Plattform auf ausdrücklichen Wunsch der Firma B erfolgt ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben der Firma X vom 14. und vom 28. März 1972 verwiesen. Die Firma X hat auch den Einsatz der nicht mit den 441
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Kausalitätsnachweis
Konstruktionshaftung und Berücksichtigungvon Bestellerwünschen
HaftungsausSchluß gegenüber dem Besteller und Haftung gegenüber Dritten
ursprünglichen Sicherungsvorkehrungen ausgerüsteten Anlage vorgenommen. Bei der Einzelanfertigung greift das MaschinenschutzG nicht Platz. Vielmehr obliegt hier die Verantwortung dem, nach dessen Weisung das Arbeitsgerät erstellt und benutzt wird (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache V, 834, 6; Schmatz-Nöthlich, Sammlung Sicherheitstechnik B a n d l , Anm.VI zu § 3 MaschinenschutzG). Es entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck des MaschinenschutzG, die ansonsten bestehende Haftung des Herstellers durch § 3 II MaschinenschutzG einzuengen, sondern jene wird lediglich in einzelnen Punkten näher umrissen (vgl. hierzu Lukes in Jus 68/345; 351; Schmatz-Nöthlich, aaO, Anm.lX zu §3). c)DurchdiefehlendenSchutzmaßnahmen ist der Unfall eingetreten. Infolge der mangelnden Sicherungsvorkehrungen ist es möglich gewesen, daß B am 28. Juni 1972, als er auf der Plattform arbeitete, herabstürzen konnte. Durch den Aufprall auf den Boden erlitt der B sehr schwere Verletzungen, denen er wenige Stunden später erlag. Ein solcher Schadensverlauf war, was keiner Vertiefung bedarf, keineswegs außerhalb aller Wahrscheinlichkeit. d) Die Organe der Drittbeklagten haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, indem sie eine in 5 m Höhe befindliehe Plattform an dem Wandfertiger anbringen ließen, ohne sogleich für die gebotenen Sicherungsvorkehrungen zu sorgen. Die Organe der Drittbeklagten werden nicht durch das Drängen der Firma X nach Weglassung der Betonierbühne und baldmöglichste Fertigstellung der Anlage entlastet. Sie hätten nicht einen Bandfertiger ausliefern dürfen, bei dem in einzelnen Punkten, hier bezüglich der Plattform, jedwede Sicherheitsvorkehrungen fehlten. Die Drittbeklagte kann ferner nicht der Klägerin einen etwaigen im Verhältnis zur Firma X gegebenen Haftungsausschluß entgegenhalten. Die Beteiligten eines schuldrechtlichen Vertrages vermögen nicht mit Wirkung gegen Dritte über deren gesetzliche An-
Mitarbeiter-
Sprüche zu verfügen, denn ein Vertrag zu Lasten Dritter ist im deutschen Recht fremd (vgl. BGHZ 58/210, 220). 3. Der. Zweitbeklagte haftet als Gesamtschuldner neben der Drittbeklagten, denn er hat die konstruktiven Veränderungen des Wandfertigers, durch welche die Betonierbühne
Eigenhaftung
fortgefallen und an deren Stelle lediglich eine schmale War-
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11.66
Mitverschulden desArbeitgebers bei Produkthaftung-Regreß der Berufsgenossenschaft
tungsplattform getreten ist, im einzelnen ausgeführt. Er war ebenso wie die Drittbeklagte verpflichtet, den Wandfertiger in einem verkehrssicheren Zustand zu erstellen. Der Zweitbeklagte hätte hierbei erkennen können, daß im Hinblick auf die Lage der Plattform (5 m über dem Erdboden) Menschen zu Schaden kommen könnten, wenn keine Sicherungsvorkehrungen gegen einen Absturz vorhanden waren. 4. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte brauchen indessen nicht in vollem Umfang für den entstandenen Schaden aufzukommen, denn die Klägerin muß sich im Verhältnis zu den Beklagten das der Firma X zur Last fallende Verschulden anrechnen lassen. Der außenstehende Ersatzpflichtige, nämlich derjenige, der nicht in das Rechtsverhältnis, welches zwischen dem Versicherten, dem Arbeitgeber und dem Sozialversicherungsträger besteht, einbezogen ist, kann im Hinblick auf die Vorschrift des §636 RVO nicht gemäß §426 I B G B vom Arbeitgeber des Verunglückten im Innenverhältnis einen Ausgleich verlangen, soweit ersterer von einer Haftung freigestellt ist. Aus §636 RVO folgt indessen nicht, daß der außenstehende Zweitschädiger in seinen Rechten beschnitten und auch den auf den Arbeitgeber des Verunglückten entfallenden Anteil am Schaden endgültig tragen muß (sog. hinkendes Gesamtschuldnerverhältnis, vgl. hierzu B G H Z 61/51 = NJW 73/684; Palandt, aaO. Anm.5b, aa zu §426 BGB). Den auf die Firma X entfallenden Anteil an der Verursachung des eingetretenen Schadens veranschlagt der Senat mit 50%. Der Senat hat hierbei die von den Beklagten eingeleitete, oben im einzelnen ausgeführte Ursachenkette mit den Umständen, welche auf einem Verhalten der Firma X beruhen, abgewogen. Die Firma X war unabhängig von der Frage, o b der Wandfertiger bereits abgenommen war, als Betreiberin der Anlage gemäß §1611 GewO verpflichtet, vor Benutzung der Anlage eine Genehmigung einzuholen. Eine hiernach erforderliche Erlaubnis zum Betrieb des Wandfertigers lag am Tage des Unglücksfalls nicht vor. Im Hinblick auf die keineswegs fernliegenden Gefahren bei einer Tätigkeit auf einer 5 m hohen, schmalen und nicht irgendwie gesicherten Plattform ist davon auszugehen, daß die Gewerbeaufsicht bereits vor Erteilung der Genehmigung von der 443
11.66 Firma X verlangt hätte, in bezug auf die Plattform diejenigen Sicherungsvorkehrungen anbringen zu lassen, die im Schreiben des Gewerbeaufsichtsamts vom I.August 1972 unter Ziff. 5 nach dem Unfall gefordert worden sind. Wäre am Tage des Unfalls die Plattform mit einem Gitter abgesichert gewesen, dann hätte der B nicht herabstürzen können. Zu solchen Sicherungsvorkehrungen war die Firma X schon deshalb gehalten, weil sie nicht §22 S a t z l der allgemeinen Unfallverhütungsvorschrift beachtet und nicht an der Plattform ein Gitter hatte anbringen lassen. Nach der genannten Bestimmung müssen Galerien, Bühnen usw., die höher als 1 m über dem Fußboden liegen, sichere Geländer und Fußleisten zum Schutz gegen Abstürzen usw. haben. Des weiteren hat die Firma X die einen ihrer Betriebsangehörigen mit der Reparatur betraute, keinerlei Vorsorge zu dessen Schutz voreinem etwaigen Sturz, z. B. durch Anseilen getroffen. Die Organe der Firma X hätten bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, daß die Benutzung des Wandfertigers genehmigungspflichtig war und daß ferner bei Arbeiten auf der 5m hohen Plattform Sicherheitsmaßnahmen für den B getroffen werden mußten. Dagegen waren der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte nicht mehr zu Schutzvorkehrungen bei der Reparatur der Anlage verpflichtet. Die Montage des Wandfertigers war am 27. Mai 1972 beendet, und von diesem Tag bis zum Eintritt des Unfalls hat die Firma X selbständig etwa 50 Platten hergestellt, ohne sich von irgendwelchen Weisungen des Zweitbeklagten oder von sonstigen Betriebsangehörigen der Drittbeklagten leiten zu lassen. Die Angabe des Zeugen C, die Anlage habe sich noch im Probelauf befunden, ändert an der Verantwortlichkeit der Firma X für die Betriebssicherheit nichts. Zudem hat unstreitig der Zweitbeklagte, zugleich für die Drittbeklagte handelnd, den B auf die Gefährlichkeit von Arbeiten auf der Plattform hingewiesen. Im Hinblick auf die seitens der Firma X unterlassene Einholung der Betriebserlaubnis und der damit verbundenen vorherigen Prüfung der Anlage auf etwaige Unfallgefahren durch die Gewerbeaufsicht sowie die mangelnden Sicherungsvorkehrungen bei der Ausführung der Arbeiten auf der Plattform entfällt zwar nicht jeglicher Anteil des Zweitbe444
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Eigenes Mitverschulden des geschädigten Arbeitnehmers
klagten und der Drittbeklagten an der Verursachung des Unglücks. Er tritt jedoch in den Hintergrund und erscheint mit 25% angemessen bewertet. 5. Ferner muß sich die Klägerin ein Mitverschulden des Verunglückten in Höhe von 25% des Schadens entgegenhalten lassen. Der B ist ohne Sicherungsvorkehrungen auf die Plattform gestiegen. Hierauf hätte er bestehen müssen. Als Vorarbeiter und Betriebsschlosser verfügte B über genügend fachliche Kenntnisse und besaß außerdem aufgrund seines Alters hinreichende Lebenserfahrung, um die Gefährlichkeit einer Arbeit auf einer 5m hohen, schmalen und ungesicherten Plattform erkennen zu können.
11.67: OLG Celle, 1 3 . 7 . 1 9 7 8 , 7 U 163/77 (Apfelschorf)
Die Beklagte ist ein US-amerikanisches, international tätiges Unternehmen und stellt das Spritzpulver X her, das in Deutschland von der Firma Y vertrieben wird. Die Kläger, die auf ihrem Hof u. a. Kernobst anbauten, verwendeten seit 1970 zur Bekämpfung des Apfelschorf-Spaltpilzes das Spritzpulver X. Die Beklagte hatte dieses Spritzpulver in den 60er Jahren entwickelt und 1969 auf den Markt gebracht. Die Originalpackungen des Mittels enthielten entsprechend § 12Abs. 1 PflanzenschutzG die Bezeichnung des Mittels, die Zulassungsnummer, die Firmen der Beklagten, ihrer deutschen Tochter sowie der Firma Yals des Vertriebsunternehmens, die Art und Menge der wirksamen Bestandteile und eine Gebrauchsanweisung. Diese Hinweise lauteten in der Fassung vom Dezember 1972: „Wir garantieren, daß die Zusammensetzung des Produktes den auf dem Etikett gemachten Angaben entspricht. Das Produkt ist wirksam, wenn es entsprechend der Empfehlung unter normalen Anwendungsbedingungen eingesetzt wird. Bei einer Anwendung entgegen unseren Empfehlungen oder unter anomalen Anwendungsbedingungen oder unter
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11.67 Voraussetzungen, die für uns nicht vorhersehbar sind, trägt der Käufer das volle Risiko. Weitergehende Garantien werden nicht gegeben und sind aus dem Gesagten nicht abzuleiten." Im Jahre 1972 traten in einigen Weinbaugebieten der Bundesrepublik Deutschland bei dem sog. Grauschimmelpilz gegenüber X Resistenzen (im Sinne vererblicher Widerstandsfähigkeit) auf. Deshalb gaben die Beklagte, ihr Tochterunternehmen sowie die Firma Y den ,.Hinweisen für den Käufer" ab Mai 1973 eine neue Fassung, in der auf diese Möglichkeit der Resistenz hingewiesen wird. Im November 1973 wurden die „Hinweise für den Käufer" erneut geändert. Die Toleranzmöglichkeitwurde nunmehr allgemein erwähnt und nicht auf den Grauschimmelpilz beschränkt. Als die Kläger das Mittel X im Jahre 1974 spritzten, zeigte es nicht die erwartete Wirkung. Trotz sach- und bestimmungsgemäßer Verwendung ergab sich schon frühzeitig ein übermäßig starker Befall mit dem Pilz. In ähnlichem Umfang versagte X in jenem Jahr auch in den Betrieben vieler anderer Obstbauern.
Vertragshaftung aufgrund der Gebrauchshinweise?
Fehlen einer konkreten Wirkungsaussage 446
Die Berufung ist nicht begründet. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. 1. Vertragliche Beziehungen haben zwischen den Parteien nicht bestanden. Den Kaufvertrag über das von den Klägern in dem Jahr 1974 verwendete X haben diese mit dem Drogenhaus H abgeschlossen. Die Beklagte ist ihnen auch nicht aus einem - selbständigen - Garantieversprechen zum Ersatz des geltend gemachten Schadens verpflichtet. Durch eine derartige einseitig verpflichtende Vereinbarung übernimmt der Garant gegenüber dem Versprechungsempfänger die von der Verpflichtung des Hauptschuldners unabhängige Verbindlichkeit, dem Gläubiger gegenüber für einen bestimmten Fall, insbesondere für das Eintreten eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges in der Weise einzustehen, daß er ihm andernfalls Ersatz zu leisten verspricht. Die Beklagte hat aber mit ihren Hinweisen auf den Gebinden in der Fassung vom Dezember 1972 oder Mai 1973 eine derartige Verpflichtung nicht übernommen. Die darin enthaltene Garantieerklärung erstreckt sich nur auf die Zusammenset-
11.67 zung des Produktes, also auf die Anteile der verschiedenen chemischen Substanzen und Füllstoffe. Sie bezieht sich nicht auf die Wirkung des Mittels. Die Beklagte hat insbesondere nicht versprochen, für die Wirksamkeit von X gegenüber Apfelschorf für jeden erdenklichen Fall, also auch bei dem Auftreten resistenter Pilzstämme einstehen zu wollen mit der Folge, für einen etwaigen Minderertrag oder andere Verluste in der Obsterzeugung Ersatz zu leisten. Ein selbständiges Garantieversprechen liegt in der Regel schon nicht vor, wenn sich die Zusage des Garanten auf die im Zeitpunkt des Kaufabschlusses vorhandenen Eigenschaften erstreckt und nicht deren dauerhaften Bestand und den Eintritt künftiger Umstände mit einbeziehen. Es setzt vielmehr voraus, daß der mit ihm gewährleistete Erfolg ein anderer und weitergehender sein muß als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistung. Es darf also nicht nur die Zusicherung von Eigenschaften betreffen, sondern die Erklärung muß auf einen darüber hinausgehenden wirtschaftlichen Erfolg gerichtet sein.
Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1
Diesen Voraussetzungen genügen die Hinweise an die Käufer nicht. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus einer am Sinngehalt des Hinweises orientierten Auslegung. Die Voraussetzungen, unter denen das Präparat wirken soll, sind so unbestimmt gefaßt, daß der objektive und verständige Leser nicht davon ausgeht, der Hersteller garantiere die Vernichtung des Apfelschorfs. Gerade die Erwähnung der vom Hersteller nicht vorhersehbaren Voraussetzungen, zu denen auch das Auftreten resistenter Pilzstämme gehört, macht deutlich, daß die Beklagte eine solche unbedingte Einstandspflicht nicht hat übernehmen wollen. Der Hinweis enthält vielmehr nur die Aussage, daß nach den bisherigen Erfahrungen mit einer wirksamen Bekämpfung und Eindämmung des Apfelschorfes zu rechnen sei. Dies wird auch durch den Wortlaut der Hinweise in der Fassung vom November 1973 unterstrichen. In ihr ist die Garantieerklärung von den Aussagen über die Wirksamkeit des Produktes deutlich räumlich getrennt. 2. Der Anspruch ist auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Produzentenhaftung gerechtfertigt. Der Se-
BGB)
nat vertritt in Übereinstimmung mit dem BGH die Ansicht, 447
11.67
Anwendbares Recht
Vorliegen einer Eigentumsverletzung
Fehlen einer Gefahrabwendungspflicht
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daß sich eine Haftung des Warenherstellers gegenüber dem Benutzer allein aus den Grundsätzen der unerlaubten Handlung herleiten läßt, soweit keine vertraglichen Beziehungen bestehen (vgl. BGHZ 51/91 = I.58). Insoweit ist aber auf das Rechtsverhältnis der Parteien gemäß Art. 12 EGBGB deutsches Recht anzuwenden, weil die der Beklagten angelastete Tat mit dem Eintritt ihres Erfolges, der Schädigung der Obstbäume und ihrer Früchte, nach dem Vorbringen der Kläger auch an deren Wohnsitz erfolgt ist. Es entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen, daß jeder, der schuldhaft einen gefährlichen Zustand herbeigeführt hat oder andauern läßt, eine Gefahrenlage schafft, für die er wegen Verletzung einer sog. Verkehrssicherungspflicht einzustehen hat, falls dadurch Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum oder ein sonstiges Recht i.S. des §823 Abs.1 BGB verletzt wird. Hier haben die Kläger dargetan, daß sie Schaden an ihrem Eigentum erlitten haben. Das Spritzmittel X hat in ihrem Obstgarten 1977 nicht die Beseitigung des Apfelschorfes bewirkt, so daß ihre Obstbäume von dem Pilz befallen wurden und Schaden nahmen. Der Pilzbefall und die damit verbundene beschränkte Verwertbarkeit der Äpfel stellen sowohl in der Form des Minderertrages als auch der Qualitätsverschlechterung die Folge einer zuvor eingetretenen Eigentumsbeschädigung dar. Die Kläger haben aber nicht dargetan, daß die Beklagte eine ihr als Produzent obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Das Spritzmittel X selbst ist - jedenfalls in dem hier erörterten Zusammenhang - nicht schädlich. Es ruft keinen Apfelschorf hervor. Der von den Klägern geltend gemachte Schaden beruht also nicht auf einer Nebenwirkung dieses Mittels. Deshalb können die Grundsätze der Produzentenhaftung und die Bestimmung des §823 BGB nicht unmittelbar angewandt werden. Die Haftung für die Wirksamkeit eines Pflanzenschutzmittels bei Nichteintritt des erstrebten Erfolges entspräche der aus einer Garantie, nicht aber der aus unerlaubter Handlung. Denn diese ergibt sich nur aus einer vom Täter selbst geschaffenen Gefahrensituation, nicht aber aufgrund einer Pflicht, von den Rechtsgütern Dritter Gefahren fernzuhalten, die der Handelnde nicht selbst geschaffen hat.
11.67 Instruktionshaftung
Produktbeobachtungshaftung
3. Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß die Beklagte als Herstellerin eines Pflanzenschutzmittels wie das X verpflichtet war und ist, auf dessen teilweise Wirkungslosigkeit hinzuweisen, wenn ihr dies nachträglich bekannt wird oder sie zumindest damit rechnen muß. Das gilt wenigstens dann, wenn diese Folge möglicherweise auf eine durch den wiederholten Gebrauch des Mittels hervorgerufene Resistenz von Pilzstämmen gegenüber X zurückzuführen ist. Denn die Beklagte hat mit dem Inverkehrbringen des Mittels und dessen umfassendem Erfolg auch bei der Bekämpfung des Apfelschorfes - was sie gerade zum Anlaß genommen hat, seine Vorzüge durch die Werbung herauszustellen - bei den Verbrauchern ein besonderes Vertrauen erweckt. Durch ihre Werbung hat sie die Vorstellung hervorgerufen, die Verwendung des Mittels sei problemlos, habe keine Nebenwirkungen und führe in der Regel zum Erfolg. Der Verbraucher übersieht dabei nicht die spezifischen, chemischen, physiologischen und genetischen Vorgänge, auf denen der Erfolg des Mittels beruht. Er kann daher auch nicht abschätzen, ob und unter welchen Voraussetzungen durch besondere genetische Veränderungen in den Pflanzen- und Pilzzellen eine Wirkung des Mittels nicht mehr eintritt. Dessen Wirkungslosigkeit wird er deshalb regelmäßig auf andere Faktoren, wie z. B. Fehler in der Mischung, auf das Wetter oder ähnliches zurückführen und das Mittel selbst zunächst weiterhin verwenden, ohne aber einen Erfolg erzielen zu können. Damit sind erhebliche Gefahren verbunden, denn der Verbraucher ergreift zunächst keine anderen Abwehrmaßnahmen, so daß die Schadpilze infolge ihrer Resistenz sich ausbreiten und weitere Obstbäume und Früchte befallen können. Dabei ist dieser Befall nicht auf das Grundstück des Verbrauchers beschränkt, sondern greift in die Nachbarschaft über. Da die Resistenz aber auch als solche vererblich ist, besteht die Gefahr, daß sich der Apfelschorf generell in den Anbaugebieten ausbreitet und Schäden für die Volkswirtschaft hervorruft. Diese möglichen Auswirkungen rechtfertigen es, dem Hersteller derartiger Produkte die Verpflichtung aufzuerlegen, bei erkannter ernsthafter Möglichkeit von Resistenzen den Verbraucher auf diese hinzuweisen, wenn diesem auch noch andere Mittel zur Bekämpfung 449
11.67
Entwicklungsgefahr
des Schädlings zur Verfügung stehen. Hier konnten die Kläger den Apfelschorf auch noch mit den herkömmlichen Fungiziden bekämpfen. Die Kläger haben aber nicht dargetan, daß die Beklagte bis Anfang 1974 Kenntnis von einer teilweisen Unwirksamkeit des Mittels infolge Ausbildung X-resistenter Pilzpopulationen hatte oder mit dieser Möglichkeit ernsthaft rechnen mußte. a) Der Beklagten kann nicht als Fehler angelastet werden, sie habe schon bei der Entwicklung von X damit rechnen müssen, daß gegenüber diesem Mittel resistente Pilzstämme des Apfelschorfes vorhanden seien oder sich herausbilden würden. Sie hat unwidersprochen vorgetragen, sie habe X in einer vieljährigen Experimentierphase erprobt und untersucht, ohne daß sie irgendwelche Hinweise auf schädliche Auswirkungen oder auf eine fehlende Wirksamkeit gegenüber Apfelschorf erhalten habe. Die Kläger haben nicht dargetan, daß schon im Jahre 1972 wissenschaftliche Erkenntnisse über eine Unwirksamkeit von X gegenüber Apfelschorf vorgelegen haben. Die spätere Unwirksamkeit ist allein auf eine infolge Mutation entstandene Resistenz zurückzuführen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, aus denen entnommen werden könnte, derartige resistente Stämme habe es stets gegeben. Da die Wirkungsmechanismen der systemischen Fungizide wissenschaftlich weitgehend nicht aufgeklärt sind und genetische Untersuchungen hinsichtlich der Schadpilze nur im einzelnen vorliegen, liegen keine Anhaltspunkte vor, daß die Beklagte den Eintritt einer derartigen Resistenz von Apfelschorfstämmen gegenüber X mit einiger Sicherheit hat voraussehen können. Das gilt um so mehr, als nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag alle Versuche, in Labortests eine derartige Resistenz zu entwickeln, gescheitert sind. Zu Recht durfte sie aber die fehlende Möglichkeit einer Reproduktion resistenter Apfelschorfstämme als einen zuverlässigen Hinweis für das Ausbleiben einer derartigen Resistenz ansehen, nachdem hinsichtlich anderer Schadpilze wie des Mehltaus eine derartige Reproduktion möglich war. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, welche die An-
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11.67
Umfang und Voraussetzungen der Instruktionshaftung
Produktbeobachtungshaftung
nähme rechtfertigen könnten, X sei fehlerhaft hergestellt. Insbesondere liegt kein Hinweis für einen Konstruktionsfehler vor. Es ist weiterhin in weitem Umfange gegen Apfelschorf wirksam. Auch einen Instruktionsfehler haben die Kläger nicht hinreichend dargetan. Das Spritzmittel X hatte zunächst keine Nebenwirkungen und insbesondere begünstigte es nicht bei der Bekämpfung des Apfelschorfes die Ausbreitung anderer Pilzschädlinge. Eine Pflicht der Beklagten zum Hinweis auf Resistenzmöglichkeiten kann auch nicht aus anderen Umständen gefolgert werden. Zwar konnte die Beklagte nicht mit einer an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gemessenen Sicherheit das Auftreten von Resistenzen generell und für alle Zeiten ausschließen. Andererseits lagen für sie zunächst keine Anzeichen vor, die auf derartige Resistenzmöglichkeiten hinwiesen. Aber nicht jede naturwissenschaftlich denkbare, theoretische Möglichkeit einer Resistenzbildung mußte die Beklagte veranlassen, schon in ihren Hinweisen an den Käufer diesen zu warnen. b) Eine derartige Verpflichtung ergab sich auch nicht aufgrund der seit 1969 zunehmend bekanntgewordenen Veröffentlichungen über Resistenzen bei einer Vielzahl von Schadpilzen gegenüber X und ähnlichen Produkten. Die Schadpilze weisen, wie sich nicht nur aus ihrer unterschiedlichen wissenschaftlichen Bezeichnung ergibt, spezifische Merkmale in ihrem Zellaufbau aus, auf die sich die systemischen Fungizide auch verschieden auswirken. Zwar spricht zunächst der Umstand, daß X in seiner gleichförmigen Zusammensetzung gegenüber verschiedenen Pilzarten trotz deren spezifischer Unterschiede wirkt, für die Annahme, diese Pilze könnten deshalb auch in gleicher Weise Resistenzen ausbilden. Ein derartiger Schluß ist aber schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil nicht geklärt ist, ob das Mittel nicht in den einzelnen Pilzarten eine unterschiedliche Anzahl verschiedener Gene blockiert oder zerstört. Hierfür spricht zum einen, daß sich die Resistenz des Apfelschorfs nur vereinzelt und allein in der freien Natur herausgestellt hat, sich aber im Labor nicht hat reproduzieren lassen, während das hinsichtlich anderer Schadpilze der Fall war. Dafür 451
11.67
Verpflichtung zur Verfolgung der Fachliteratur
spricht insbesondere aber auch, daß X unverändert gegenüber anderen Schadpilzen wie dem der Lagerfäule wirksam ist und angewendet wird, ohne daß sich nach nunmehr achtjährigem Einsatz auch nur Anzeichen auf eine nachlassende Wirkung oder gar auf eine Resistenz herausgebildet hätten. ba) Schließlich ist auch der Vorwurf unbegründet, die Beklagte habe das von ihr hergestellte Mittel und seine Wirkungen bei der Bekämpfung des Apfelschorfes nicht im Auge behalten, die wissenschaftliche Literatur insoweit nicht ausreichend beachtet und daher eine ihr obliegende Produktbeobachtungspflicht verletzt, bei deren sachgerechter Wahrnehmung sie die Verwender auf die Resistenzmöglichkeit hätte hinweisen müssen. Weder die Veröffentlichung von W im Juli 1973 noch der Aufsatz der sowjetrussischen Forscher noch die Beobachtungen über eine nachlassende Wirkung systemischer Fungizide in Japan im Sommer 1973 boten hinreichende Anhaltspunkte, die die Beklagte hätten veranlassen müssen, die Hinweise an den Käufer auf den Gebinden der Originalverpackungen zu ändern oder sogar die Verwender besonders über Resistenzmöglichkeiten zu unterrichten. Die Untersuchungen von W vom Sommer 1973 waren nicht geeignet, ernsthafte Bedenken gegen die Wirksamkeit von X zur Bekämpfung des Apfelschorfes hervorzurufen. Zu Recht führt die Beklagte aus, daß W lediglich eine Erhöhung der Wirksamkeit durch den Zusatz von ö l herbeiführen wollte und auch beobachtet hat. Sein Hinweis auf den Befall von Blättern mit Apfelschorf, die zuvor mit X und Wasser, ohne Öl, behandelt worden waren, rechtfertigte nicht den Schluß auf eine Resistenzmöglichkeit. Da die Daten der Spritzungen nicht aufgezeichnet waren, konnte der hohe Befall auch auf eine unsachgemäße Anwendung zurückgeführt werden. Der Aufsatz des Verfassers bot im übrigen auch schon nach seinem Titel und der summarischen Zusammenstellungen seines Inhalts keine Anhaltspunkte, die dem unbefangenen wissenschaftlichen Leser den Verdacht aufdrängen mußten, in ihm Hinweise auf eine Resistenzmöglichkeit zu finden. bb) Die sowjetrussischen Forscher A und G haben zwar einen nicht völlig unerheblichen Anstieg der Widerstandsfähigkeit des Apfelschorfes gegenüber X ermittelt. Dieser An-
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Verpflichtung zur Verfolgung fachwissenschaftlicher Kongresse o. ä.
stieg beruhte aber nicht auf einer Resistenz im Sinne einer vererblichen Widerstandsfähigkeit, sondern allein auf einer Adaption durch eine vorübergehende physiologische Veränderung, die nach kurzer Zeit wieder nachließ. Wenn die Beklagte aus der Gegenüberstellung des Verhaltens des Grauschimmelpilzes und des Apfelschorfes in dieser Untersuchung sowie der unterschiedlichen Auswirkungen mehrfacher Anwendung von X daraus den Schluß zog, nur beim Grauschimmelpilz hätten sich Resistenzen herausgebildet, dagegen beim Apfelschorf nicht, so war dies vertretbar. bc) Schließlich hat die Beklagte auch nicht aus der nachlassenden Wirkung systemischer Fungizide in den Obstgärten von Hokkaido bei der Bekämpfung des Apfelschorfes eine Resistenz dieses Pilzes gegenüber X entnommen oder entnehmen müssen. Ein Nachweis, daß diese nachlassende Wirkung auf Resistenzerscheinungen zurückzuführen sind, ist erst aufgrund der Untersuchungen erfolgt, die der Professor S im Lauf des Jahres 1974 durchgeführt hat und über deren Ergebnis er erstmals am 23. November 1974 berichtet hat. Für eine frühere Veröffentlichung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Umstand, daß der Wirkungsabfall systemischer Fungizide auf einem Treffen am 25.11.1973 diskutiert worden ist, gab der Beklagten aber keinen Anlaß, weltweit die Verbraucher von X auf Resistenzmöglichkeiten hinzuweisen. Dabei kann dahingestellt bleiben, welcher Art dieses Treffen vom 25. November 1973 war. Die Angaben der Kläger hierzu sind wenig substantiiert und lassen den Kreis der Teilnehmer nicht erkennen. Der Umstand des Wirkungsabfalls war im übrigen auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Sie konnte auf Witterungseinflüsse, auf besondere Dosierungen, auf Fehler in der Anwendung oder auf vorübergehende Toleranzen zurückgeführt werden. Für derartige vorübergehende Toleranzen bot die kurz zuvor veröffentlichte Arbeit der sowjetrussischen Forscher sowie die Tatsache Anlaß, daß die Mittel T, B und C 54mal hintereinander in drei Jahren gespritzt worden waren, also in einem Umfang, wie er üblicherweise in der Praxis nicht stattfindet. Sofern die Beklagte daher Kenntnis von der Diskussion auf dem Treffen am 25. November 1973 hatte oder hätte haben können, hätten die damali453
11.67 gen Berichte und Mitteilungen ihr möglicherweise Anlaß geben müssen, den Erscheinungen Aufmerksamkeit zu widmen und sich nachfolgend über den Inhalt und das Ergebnis der Untersuchungen des Professors S zu unterrichten. Jedoch drängte sich damit noch nicht die Annahme auf, die beobachteten Erscheinungen seien auf eine Resistenz einzelner Apfelschorfstämme gegenüber diesen Präparaten zurückzuführen. Die Beklagte war deshalb auch nicht verpflichtet, schon aus diesem Grunde die Verbraucher ihres Mittels auf derartige Möglichkeiten einer Resistenz hinzuweisen.
Recht zur Überprüfung erhaltener Gefährlichkeitshinweise
Kausalitätsnachweis
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bd) Das gilt insbesondere auch deshalb, weil sie das Mittel X weltweit vertreibt, so daß aus wissenschaftlich ungeklärten Vorgängen in Japan nichteine Hinweispflicht gegenüber den Verbrauchern in Europa herzuleiten ist und weil zuvor X sich als absolut wirksam gegenüber Apfelschorf erwiesen hatte und keineAnzeichengegeben waren, die auf ein Nachlassen dieser Wirkung hinwiesen. Nach der Überzeugung des Senats würden die an den Hersteller eines PflanzenSchutzmittels zu stellenden Sorgfaltspflichten überspannt werden, müßte er die Nachricht von einem Versagen des Mittels schon dann zu Warnungen gegenüber dem Verbraucher benutzen, bevor die Ursache für dieses Versagen wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen ist. Damit wäre auch eine nicht gerechtfertigte Verunsicherung des Verbrauchers verbunden, der durch die notwendige Vielzahl der dann erforderlichen Warnungen und Hinweise davon abgehalten würde, die zweckentsprechenden Schritte zu unternehmen. be) Die späteren Untersuchungen des australischen Forschers W über die Resistenz des Apfelschorfes gegenüber X vom Dezember 1973 bis Februar 1974 müssen bei der Beurteilung dieses Sachverhalts außer Betracht bleiben. W hat das Ergebnis seiner Forschung erst 1974 im Oktober veröffentlicht, also lange Zeit nach dem Auftreten des Apfelschorfes in den Obstgärten der Kläger. Es läßt sich auch nicht feststellen, daß er dem Mitarbeiter des australischen Tochterunternehmens der Beklagten seine Feststellungen zu einem Zeitpunkt mitgeteilt hat, zu welchem die Beklagten noch in der Lage gewesen wären, die Kläger oder die ande-
11.67 ren Obstbauern im Alten Land auf das mögliche Auftreten von Resistenzen des Apfelschorfes auch an diesem Orte hinzuweisen. W hat den Mitarbeiter M des australischen Tochterunternehmens der Beklagten Ende März oder Anfang April 1974 getroffen. Es war daher ausgeschlossen, daß die Beklagte durch eine Warnung die Kläger von dem Ankauf von X am 5. April 1974 und dessen Anwendung im Mai 1974 hätten hindern können. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, daß M das australische Tochterunternehmen der Beklagten, dieses die Muttergesellschaft und diese wiederum die Vertriebsorganisationen in der Bundesrepublik hätten informieren müssen. Da außerdem sowohl die Forschungsabteilung wie auch die Vertriebsabteilung und die Rechtsabteilung des Unternehmens zu beteiligen waren, war auch bei einer schnellen Bearbeitung des Vorgangs ein warnender Hinweis an die Käufer und Verwender im Alten Land bis Mai 1974 nicht möglich. Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte nicht berechtigt war, die Stichhaltigkeit der von W gefundenen Ergebnisse durch ihre eigenen Forscher nachprüfen zu lassen, bevor sie sich zu einer Mitteilung an die Allgemeinheit entschloß. Die Kläger haben somit keine Verletzung der der Beklagten obliegenden Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Beobachtung des von ihr hergestellten Pflanzenschutzmittels X dargetan. Insoweit obliegt ihnen aber die Darlegungsund Beweislast; denn der von ihnen geltend gemachte Schaden ist nicht auf einen Fehler des Produkts zurückzuführen, sondern allenfalls auf eine Verletzung der sonstigen der Beklagten obliegenden Sorgfaltspflichten. Daher müssen sie zunächst einen derartigen objektiven Pflichtverstoß der Beklagten nachweisen. Dieser Pflicht sind sie nicht durch Umstände enthoben, die eine Umkehr der Beweislast rechtfertigen. Das würde voraussetzen, daß Vorgänge aufzuklären wären, die allein in der Sphäre der Beklagten liegen und die deshalb die Klägerin nicht im einzelnen aufklären und dartun können. Die Frage, ob und mit welchem Inhalt Hinweise über ein Versagen des Spritzmittels X bei der Bekämpfung des Apfelschorfes bekanntgeworden sind, kann aber auch von den Klägern - zumal angesichts ihrer Unterstützung im Prozeß 455
11.67 durch die Obstbauversuchsanstalt N - ohne unzumutbare Erschwernisse, schon anhand der in Deutschland veröffentlichten Literatur beantwortet werden. Erst wenn die Klägerin einen objektiven Verstoß der Beklagten gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten im Rahmen der Produktbeobachtungs- und Instruktionspflicht dargetan haben, hätte sich diese zu entlasten und nachzuweisen, aus welchen besonderen Umständen sie den Hinweisen nicht nachgegangen ist und keine Maßnahmen ergriffen hat, die die Verwender von X vor Gefahren schützen konnten. Den Klägern stehen Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung auch sonst nicht zu. Zwar dürfte es sich bei den Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes, insbesondere seines §12 Abs. 1, um ein Schutzgesetz i.S. des §823 Abs.2 BGB handeln; denn nach §1 Abs.1 Nr.3 dient das Gesetz auch dem Zweck, Schäden abzuwenden, die bei Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier, entstehen können. Jedoch erfordert eine Haftung aufgrund dieser Vorschriften auch einen objektiven Verstoß gegen die dem Hersteller des Pflanzenschutzmittels obliegenden Sorgfaltspflichten. Ein Verstoß gegen §12 Abs.1 Nr.5 des PflanzenschutzG i.d.F. vom 10.5. 1968 wäre aber nur dann gegeben, wenn die Beklagte in dem Zeitpunkt, als die Kläger das Spritzmittel X am 5.4. 1974 kauften, die teilweise Unwirksamkeit des Mittels zur Bekämpfung des Apfelschorfes kannte oder damit hätte rechnen müssen und gleichwohl keine Hinweise erteilte. Diese Voraussetzungen lagen aber in diesem Zeitpunkt nicht vor. Alle späteren Vorgänge und Ereignisse haben aber bei der Beurteilung des vorliegenden Falles außer Betracht zu bleiben.
456
11.68 11.68: O L G Celle, 26.10.1978, 7 U 64/78 (Apfelschorf)
Es handelt sich um ein weiteres Verfahren aus dem in der Entscheidung 11.67 wiedergegebenen Komplex. Ergänzend zu dem dortigen Sachverhalt ist noch auf folgendes hinzuweisen: Beklagte des vorliegenden Verfahrens waren - die US-amerikanische Herstellerfirma (Erstbeklagte) - deren deutsche Tochtergesellschaft (Zweitbeklagte) - die deutsche Firma Y, die vertraglich für Norddeutschland den Alleinvertrieb übernommen hatte (Drittbeklagte). Im Februar 1971 suchte ein Mitarbeiter der Drittbeklagten, Herr W, den Kläger auf seinem Hofaufund beriet ihn in Fragen der Schädlingsbekämpfung. Dabei empfahl er ihm auch das Mittel X gegen Apfelschorf. Diese Hinweise veranlaßten den Kläger, das Mittel zu kaufen und in der Folgezeit zu verwenden. Entwickelt hatte das Mittel die Erstbeklagte, die es auch herstellt. Die Erst- und die Zeitbeklagte sind gemeinschaftlich Inhaber der nach dem PflanzenschutzG erforderlichen Zulassung. In Norddeutschland erfolgt der Alleinvertrieb durch die Drittbeklagte, die den Großhandel beliefert. Diese kauft das Mittel von der schweizerischen Tochtergesellschaft der Erstbeklagten und erhält es unmittelbar von der Erstbeklagten geliefert. Die Drittbeklagte betreibt in Norddeutschland eine mit Fachkräften besetzte Beratungsstelle. Im Winter 1973/74 führte die Drittbeklagte durch ihre Beratungsstelle unter Beteiligung der Zweitbeklagten mehrere Werbeveranstaltungen im Alten Land durch, so auch am 7. Februar 1974 in Jork. An der Veranstaltung nahmen verschiedene Mitarbeiter der Zweitbeklagten und der Drittbeklagten teil, darunter auch der damals bei der Zweitbeklagten angestellte Dr. N. Sie stellten das Präparat den Zuhörern vor, berichteten über ihre Erfahrungen und beantworteten Einzelfragen über die Anwendung, die Einsatzmöglichkeiten sowie die Dosierung des Mittels. Auf die Möglichkeit, daß gegenüber dem Mittel resistente Pilze, insbesondere solche des Apfelschorfs auftreten könnten, wurde nicht hingewie457
11.68 sen. Vielmehr warb die Drittbeklagte auch im Jahre 1974 für das Mittel mit einem Werbespruch, aus dem sich ergab, daß es sich um ein Mittel der Erstbeklagten handelt, das von ihr lediglich vertrieben wird. Im übrigen heißt es: „X, damit es wieder ein erfolgreiches Obstjahr wird. Ein Jahr ohne Schorf, ohne Mehltau und Lagerkrankheiten." Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Vertragshaftung
Haftung eines Alleinvertriebsunternehmens für sog. Herstellergarantien?
Vorliegen einer sog. Herstellergarantie?
458
1. Die Beklagten haften nicht aufgrund eines Garantievertrages. Ein solcher könnte allenfalls mit der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten zustande gekommen sein. Der Kläger hat nicht dargetan, daß die Drittbeklagte eine etwa in den Hinweisen für den Käufer enthaltene Garantie mit übernommen hat. Allein durch die Erwähnung der Drittbeklagten auf den Gebinden ist nicht festzustellen, daß sie für deren Inhalt verantwortlich zeichnet. Durch den Aufdruck „Vertrieb durch X" wird auch für den unbefangenen Leser hinreichend deutlich herausgestellt, daß die Drittbeklagte allein beim Absatz des Mittels mitwirkt, keineswegs aber die Gewähr für die Zusammensetzung des Produktes übernommen hat, erst recht nicht eine etwa darüber hinausgehende Haftung für dessen Erfolg. Der Kläger hat auch nicht unter Beweis gestellt, daß die Drittbeklagte bei der Ausarbeitung der Hinweise für den Käufer mitgewirkt hat. Dieser hat eine entsprechende Tätigkeit in Abrede genommen. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind ebenfalls nicht aus einem - selbständigen - Garantieversprechen zum Ersatz des geltend gemachten Schadens verpflichtet. Denn die Hinweise für den Käufer enthalten - über die Zusammensetzung des Produktes hinaus - keine derartige Verpflichtungserklärung. Durch sie soll der Garant gegenüber dem Versprechensempfänger eine von der Verpflichtung des Hauptschuldners unabhängige Verbindlichkeit übernehmen, dem Gläubiger für einen bestimmten Fall, insbesondere für das Eintreten eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges in der Weise einzustehen, daß er ihm anderenfalls Ersatz zu leisten verspricht. Die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte haben aber mit ihren Hinweisen auf den Gebinden in der Fassung vom Dezember 1972 eine derartige Verpflichtung nicht übernommen. Die darin enthaltene Garantieer-
11.68
Abgrenzung zwischen Garantie und EigenschaftsZusicherung
Beratungsvertrag aufgrund individueller Beratung?
klärung erstreckt sich allein auf die Zusammensetzung des Produktes, also auf die Anteile der verschiedenen chemischen Substanzen und Füllstoffe. Sie bezieht sich nicht auf die Wirkung des Mittels. Die Beklagten haben insbesondere nicht versprochen, für die Wirksamkeit von X gegenüber Apfelschorf für jeden erdenklichen Fall, also auch bei dem Auftreten resistenter Pilzstämme einstehen zu wollen mit der Folge, füreinen etwaigen Minderertrag oder andere Verluste in der Obsterzeugung Ersatz zu leisten. Ein selbständiges Garantieversprechen liegt in der Regel schon dann nicht vor, wenn sich die Zusage des Garanten auf die im Zeitpunkt des Kaufabschlusses vorhandenen Eigenschaften erstreckt und nicht deren dauerhaften Bestand oder den Eintritt künftiger Umstände mit einbezieht. Es setzt vielmehr voraus, daß der mit ihm gewährleistete Erfolg ein anderer und weitergehender sein muß als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistung. Die Zusage darf also nicht nur die Zusicherung von Eigenschaften betreffen, sondern die Erklärung muß auf einen darüber hinausgehenden wirtschaftlichen Erfolg gerichtet sein. Diesen Voraussetzungen genügen die Hinweisefür den Käufer nicht. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus einer am Sinngehalt des Hinweises orientierten Auslegung. Die Voraussetzungen, unter denen das Präparat wirken soll, sind so unbestimmt gefaßt, daß der objektive und verständige Leser nicht davon ausgeht, der Hersteller garantiere die Vernichtung des Apfelschorfes. Gerade die Erwähnung der vom Hersteller nicht vorhersehbaren Voraussetzungen, zu denen auch das Auftreten resistenter Pilzstämme gehört, macht deutlich, daß die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte eine solche unbedingte Einstandspflicht nicht haben übernehmen wollen. Der Hinweis für den Käufer enthält vielmehr nur die Aussage, daß nach den bisherigen Erfahrungen mit einer wirksamen Bekämpfung und Eindämmung des Apfelschorfes zu rechnen sei. 2. Die Beklagten haften auch nicht wegen Verletzung eines Beratungs- oder Auskunftsverhältnisses. Insoweit käme eine Verpflichtung der Erstbeklagten ohnehin nicht in Betracht, weil sie in diesem Zusammenhang unstreitig mit dem Kläger nicht in vertragliche Beziehungen getreten ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen dem Kläger und 459
11.68 Fehlernachweis
der Drittbeklagten im Februar 1971 ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Der Kläger hat den Inhalt der Hinweise und Ratschläge, die ihm der Mitarbeiter W (der Drittbeklagten) erteilt haben soll, nicht näher beschrieben. Insbesondere hat er nicht ausgeführt, in welcher Art und in welcher Beziehung die Beratung durch W gerade auf seinen Hof zugeschnitten gewesen sein soll. Die Anwendung von X zur Bekämpfung des Apfelschorfes empfahl sich nach dem damaligen Wissensstand für alle Obstbauern im Alten Land gleichermaßen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, welche Angaben W gemacht hat, die über eine allgemeine Anpreisung des Mittels im Rahmen der Werbung hinausgegangen sind. Ohne die Angabe bestimmter Tatsachen kann aber nicht festgestellt werden, daß W im Rahmen eines unentgeltlichen Beratungsverhältnisses sich hat rechtsgeschäftlich binden wollen. Dafür könnte allein sprechen, daß die Angaben von W den Kläger unwidersprochen zum Ankauf und zur Verwendung von X angeregt haben, W als Mitarbeiter der Drittbeklagten über eine besondere Fachkunde verfügt haben dürfte und seine Tätigkeit auch von wirtschaftlichen Interessen, nämlich nach einem vermehrten Absatz des Mittels, geprägt war. Jedoch hat W nicht selbst X verkauft. Er wurde auch nicht über dessen spätere Verwendung durch den Kläger unterrichtet. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Kläger die Sachkunde von W über das Maß, wie es sich aus der Gebrauchsanweisung für den Leser ergibt, hinaus in Anspruch genommen hat.
Fehlernachweis: falsche Beratung
Jedenfalls hat der Kläger nicht dargetan, daß die Drittbeklagte selbst oder W als ihr Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Beratungsvertrages bereits 1971 objektiv gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen oder sogar schuldhaft gehandelt hätten. Zwar ist der Ratgeber verpflichtet, seine Auskünfte nach bestem Wissen richtig und vollständig zu erteilen. Diese lautete damals, daß X ein gegenüber Apfelschorf hundertprozentig wirkendes Mittel sei. Diese Auskunft war aber nach dem damaligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse richtig. Der Kläger hat nicht dargetan, daß die Drittbeklagte oder W seinerzeit eine positive Kenntnis von einer möglichen teilweisen Unwirksamkeit des Mittels hatten oder daß ihnen irgendwelche Ge-
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11.68
Fehlernachweis: nachträgliche Hinweispflichten?
Beratungsvertrag aufgrund öffentlicher Werbeveranstaltung?
fahren im Zusammenhang mit der Anwendung von X zur Kenntnis gebracht worden waren. Insbesondere liegen aus jenen Jahren keine wissenschaftl ichen Erkenntnisse vor, die auch nur die Möglichkeit eines Versagens von X gegenüber dem Apfelschorf andeuten. Vielmehr stellte sich die Richtigkeit des Rates im Jahr 1971 auch auf dem Apfelhof des Klägers unter Beweis. Der Kläger verhinderte mit X den Befall seiner Apfelbäume durch Schorf mit einem derartigen Erfolg, daß er auch in den Folgejahren das Mittel benutzte. Die Behauptung des Klägers, die Drittbeklagte habe im Jahre 1973 bereits Kenntnis von der Unwirksamkeit von X gegenüber Apfelschorf oder von einer ernsthaften Resistenzmöglichkeit in diesem Zusammenhang erlangt, ist nicht geeignet, einen objektiven Verstoß der Drittbeklagten gegen ihre Pflichten aus einem Beratungsvertrag zu begründen. Vielmehr gilt insoweit der Grundsatz, daß der Ratgeber nach Erteilung der Auskunft nur unter ganz besonderen Umständen Tatsachen dem Ratsuchenden mitteilen muß, aus denen sich die Unrichtigkeit des erteilten Rates ergibt oder die zu Zweifeln in dieser Richtung Anlaß geben (BGHZ 61/176f.). Derartige besondere Umstände hat der Kläger nicht dargetan. Außerdem kann nicht erwartet werden, daß die Drittbeklagte Jahre später alle ihre noch aktiven und alle ihre ehemaligen Mitarbeiter dazu anhält, sämtliche Adressen all der Personen zu überprüfen, niederzuschreiben und vorzulegen, die sie in den Jahren voraus aufgesucht und möglicherweise auch im Hinblick auf die Anwendung von X beraten haben. 3. Schließlich scheidet die Verletzung eines etwa im Jahre 1971 geschlossenen Beratungsvertrages auch deshalb aus, weil die Drittbeklagte nicht vor Sommer 1974 Kenntnis von einer unter bestimmten Voraussetzungen nur eingeschränkten Wirksamkeit von X zur Bekämpfung des Apfelschorfes hatte. Auch am 7. Februar 1974 ist aus Anlaß der Veranstaltung in Jork ein Beratungsvertrag zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten und der Drittbeklagten nicht zustande gekommen. Die Abendveranstaltungen stellten reine Werbemaßnahmen dar, anläßlich derer die Zweit- und die Drittbeklagte hinsichtlich ihrer Angaben über X keine rechtsge461
11.68 schäftlichen Verpflichtungen gegenüber allen Teilnehmern oder einzelnen Besuchern eingegangen sind. Das ergibt sich bereits aus dem vom Kläger geschilderten Verlauf dieser Veranstaltungen. In ihnen ist vielmehr das Präparat vorgestellt und seine Zusammensetzung und Wirkung erläutert worden. Daran schlössen sich Berichte über die Erfahrungen mit X an. Bei all diesen Erklärungen handelte es sich offenkundig um Anpreisungen eines Mittels in der üblichen Form. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, daß bei der späteren Beantwortung von Einzelfragen aus dem Kreise der Zuhörer Antworten erteilt worden sind, die sich speziell mit den jeweils besonderen Verhältnissen im Betrieb des die Frage stellenden Landwirts befaßten und über eine allgemeine Werbeaussage für X hinausgegangen sind. Es entspricht aber einhelliger Auffassung, daß ein Beratungsvertrag dann nicht vorliegt, wenn derjenige, der die Hinweise gibt, allein im Sinne einer Werbung potentielle Käufer für das von ihm vertriebene Produkt gewinnen will (BGHZ 12/105). Demgegenüber trägt der Kläger keine Umstände vor, die eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnten. Er weist in seiner Beruf ungsbegründung vielmehr selbst darauf hin, daß es sich bei jener Zusammenkunft um eine Werbeveranstaltung gehandelt habe, der schon nach ihrem reinen Wortsinn ein rechtsgeschäftlicher Charakter abzusprechen ist. Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB)
Anwendbares Recht
4. Die Beklagten schulden schließlich auch nicht Schadensersatz unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Produzentenhaftung. Der Senat vertritt in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof die Ansicht, daß sich eine Haftung des Warenherstellers gegenüber dem Benutzer allein aus den Grundsätzen der unerlaubten Handlung herleiten läßt, soweit keine vertraglichen Beziehungen bestehen (vgl. BGHZ 51/91 = I.58 und 55/229, 232). Insoweit ist auch auf das Rechtsverhältnis des Klägers zur Erstbeklagten gemäß Art. 12 EGBGB deutsches Recht anzuwenden, weil die der Erstbeklagten angelastete Tat mit dem Eintritt ihres Erfolges, der Schädigung der Obstbäume und ihrer Früchte, nach dem Vorbringen des Klägers auch an dessen Wohnsitz erfolgt ist. a) Eine Haftung als Hersteller kommt allerdings nur für die
462
11.68 Herstellerhaftung der Zweit- und der Dritt beklagten?
Keine Herstellerhaftung von Vertriebshändlern
Herstellerhaftung des inländischen Alleinvertriebhändlers? Umgehungskonstruktion?
VertriebshändlerWerbung und Herstellerhaftung
Quasi-Herstellerhaftung der inländischen Vertriebstochter?
Erstbeklagte, nichtjedochfürdieZweit- und Drittbeklagte in Betracht. Denn diese sind nicht Produzenten im Sinne der hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze. Sie stellen X nicht her. Auf den Gebinden ist die Erstbeklagte eindeutig als alleiniger Hersteller ausgewiesen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, daß X außerhalb der USA, insbesondere in Europa oder gar in Deutschland durch die Zweit- und Drittbeklagte hergestellt wird. Diese können auch mit einem Hersteller nicht gleichgesetzt werden. Sie sind insbesondere nicht als ausgegliederte Vertriebsgesellschaften der Erstbeklagten anzusehen, die das Produkt in den Verkehr gebracht haben und deshalb wie ein Hersteller haften (vgl. dazu BGHZ 67/359, 363 = 1.138). aa) Zwar hat die Drittbeklagte in Norddeutschland das ausschließliche Vertriebsrecht für X. Sie ist aber weder wirtschaftlich noch rechtlich von der Erstbeklagten abhängig, sondern allein aus Kostengründen und zum Zwecke der Rationalisierung in den Absatz eingeschaltet. Damit ist aber nicht eine Umgehung der Haftung der Erstbeklagten als Produzentin beabsichtigt oder tatsächlich eingetreten, wie sie möglicherweise bei einer wirtschaftlich abhängigen Tochtergesellschaft gegeben sein könnte. Dementsprechend wird die Drittbeklagte auf den Gebinden auch deutlich nur als Vertriebsfirma bezeichnet. Auch der von ihr im Jahre 1974 benutzte Werbespruch rechtfertigt eine derartige Gleichstellung nicht. Denn sie ist lediglich als Lieferant für den Großhandel unter ausdrücklicher Nennung des Herstellers aufgetreten, hat also das Produkt nicht als eigenes vertrieben. Ihre Haftung kommt schließlich auch nicht aus dem Grunde in Betracht, daß sie die Gebrauchsanweisungen mit den Hinweisen für den Käufer mitentworfen hat. Eine derartige Mitgestaltung bestreitet die Drittbeklagte, ohne daß der Kläger seine anderslautende Behauptung unter Beweis gestellt hat. ab) Die Zweitbeklagte kann ebenfalls nicht mit einem Hersteller gleichgesetzt werden. Sie ist zwar Mitinhaberin der Zulassung nach dem PflanzenschutzG bei der Bundesanstalt. Unbeschadet der Frage, wie sie diese Rechtsstellung abweichend von der Vorschrift des §7 Abs. 2 PflanzenschutzG erlangen konnte, da sie weder Hersteller noch Im463
11.68
Haftung des Herstellers Nichtanwendbarkeit der deliktsrechtlichen Verkehrssicherheitsbzw. Gefahrabwendungspflicht
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porteur noch Vertriebsunternehmerin ist, beschränkt sich die rechtliche Wirkung dieser Zulassung allein auf die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen der Anstalt und der Zweitbeklagten (vgl. so auch Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1972, S. 67). Die Zweitbeklagte erlangt aber dadurch nicht im Verhältnis zum Kläger die Position eines Quasi-Herstellers. Im übrigen beschränkt sich ihre Mitwirkung beim Absatz von X auf eine forschende und beratende Tätigkeit durch ihre Abteilung Landwirtschaftliche Chemikalien. Zu Recht hat das Landgericht es abgelehnt, diesen Umstand als ausreichend anzusehen, die Zweitbeklagte einem Hersteller gleichzusetzen. Zwar hat der Kläger sich auch in dem Zusammenhang mit Nichtwissen erklärt. Es liegen aber wiederum keine Umstände vor, die Anlaß zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Beklagten geben könnten. Insbesondere ist die Zweitbeklagte kein Zulieferer für die Erstbeklagte. Eine herstellerähnliche Position ist ihr auch nicht deshalbzuzusprechen, weil sie auf den Gebinden mit aufgeführt ist. Denn jener Aufdruck läßt einen deutlichen Unterschied zwischen dem Hinweis auf die Erstbeklagte als Herstellerin und dem Teil erkennen, für den die Zweitbeklagte verantwortlich zeichnet, nämlich für die Gebrauchsanweisung. Da die Zweitbeklagte auch im übrigen nicht in die Absatzkette eingeschaltet ist, also keinen Einfluß auf die Entwicklung, die Produktion und die Überwachung des Mittels hat, treffen sie nicht die Pflichten eines Herstellers, somit auch nicht dessen Verantwortung und Haftung, b) Aber auch die Erstbeklagte schuldet dem Kläger keinen Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Pflichten als Herstellerin von X. ba) Es entspricht allerdings allgemeinen Grundsätzen, daß jeder, der schuldhaft einen gefährlichen Zustand herbeigeführt hat oder andauern läßt, eine Gefahrenlage schafft, für die er wegen Verletzung einer sog. Verkehrssicherungspflicht einzustehen hat, falls dadurch Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum oder ein sonstiges Recht im Sinne des §823 Abs.1 BGB verletzt wird. Der Kläger hat auch dargetan, daß er Schaden in seinem Eigentum erlitten hat, nämlich an den Früchten seines Apfelgartens, die als Erzeugnisse zu den wesentlichen Bestandteilen des Obst-
11.68
Instruktionshaftung: Warnverpflichtung bei Erlangung der Kenntnis von der Gefährlichkeit
ProblemlosWerbung als Voraussetzung?
hofes gehörten (§99 Abs.1 BGB). Jedoch hat der Kläger nicht dargetan, daß die Erstbeklagte eine ihr als Produzent obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. X selbst ist-jedenfalls indem hier erörterten Zusammenhang - nicht schädlich. Es ruft keinen Apfelschorf hervor. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden beruht auch nicht auf einer Nebenwirkung dieses Mittels. Daher können die Grundsätze der Produzentenhaftung und die Bestimmungen des §823 BGB nicht unmittelbar angewendet werden. Sollte die Erstbeklagte für die Wirksamkeit ihres Pflanzenschutzmittels schon bei Nichteintritt des erstrebten Erfolges haften, entspräche das einem Garantievertrag, nicht aber der Rechtsgrundlage einer unerlaubten Handlung. Diese kann sich nur aus einer vom Täter selbst geschaffenen Gefahrensituation ergeben, nicht aber aufgrund einer Pflicht, von den Rechtsgütern Dritter Gefahren fernzuhalten, die der Handelnde nicht selbst geschaffen hat. bb) Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß die Erstbeklagte als Herstellerin eines Pflanzenschutzmittels wie des X verpflichtet war und ist, auf dessen teilweise Wirkungslosigkeit hinzuweisen, wenn ihr diese bekannt wird oder sie zumindest damit rechnen muß. Das gilt wenigstens dann, wenn diese Folge möglicherweise auf eine durch den wiederholten Gebrauch des Mittels hervorgerufene Resistenz von Pilzstämmen zurückzuführen ist. Die Beklagte hat mit dem Inverkehrbringen des Mittels und dessen umfassendem Erfolg auch bei der Bekämpfung des Apfelschorfes - was sie gerade zum Anlaß genommen hat, seine Vorzüge durch die Werbung herauszustellen - bei den Verbrauchern ein besonderes Vertrauen erweckt. Durch ihre Werbung hat sie die Vorstellung hervorgerufen, die Verwendung des Mittels sei problemlos, habe keine Nebenwirkungen und führe in der Regel zum Erfolg. Der Verbraucher übersieht dabei nicht die spezifischen, chemischen, physiologischen und genetischen Vorgänge, auf denen der Erfolg beruht. Er kann daher auch nicht abschätzen, ob und unter welchen Voraussetzungen durch besondere genetische Veränderungen in den Pflanzen- und Pilzzellen eine Wirkung des Mittels nicht mehr eintritt. Dessen - teilweise - Wirkungslosigkeit würde er deshalb regelmäßig auf andere Faktoren wie Fehler in der 465
11.68
Hinweisverpflichtung bereits bei ernsthafter Möglichkeit der Gefahr
Nachweis der Kenntniserlangung
Konstruktionsbzw. Konzeptionshaftung
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Mischung, auf das Wetter oder ähnliches zurückführen und das Mittel selbst zunächst weiterhin verwenden, ohne aber einen Erfolg erzielen zu können. Damit sind jedoch erhebliche Gefahren verbunden. Denn der Verbraucher ergreift zunächst keine anderen Abwehrmaßnahmen, so daß die Schadpilze infolge ihrer Resistenz sich ausbreiten und weitere Obstbäume und Früchte befallen können. Dabei ist der Befall nicht mehr auf das Grundstück des Verwenders beschränkt, sondern greift auf die Nachbarschaft über. Da die Resistenz aber auch als solche vererblich ist, besteht die Gefahr, daß sich der Apfelschorf generell in den Anbaugebieten ausbreitet und Schäden für die Volkswirtschaft hervorruft. Diese möglichen Auswirkungen rechtfertigen es, dem Hersteller derartiger Produkte die Verpflichtung aufzuerlegen, bei erkannter Resistenz oder bei Erkennen einer ernsthaften Möglichkeit von Resistenzen den Verbraucher auf diese hinzuweisen, wenn diesem auch noch andere Mittel zur Bekämpfung des Schädlings zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger Apfelschorf auch noch mit den herkömmlichen Fungiziden bekämpfen. 5. Jedoch hat der Kläger nicht dargetan, daß insbesondere die Erstbeklagte - die Feststellungen gelten aber auch für dieZweit- und die Drittbeklagte - vor Mai 1974 Kenntnis von einer teilweisen Unwirksamkeit des Mittels infolge Ausbildung resistenter Pilzpopulationen hatte oder mit dieser Möglichkeit ernsthaft rechnen mußte, a) Die Erstbeklagte hat X nicht fehlerhaft entwickelt. Insbesondere kann ihr nicht angelastet werden, sie habe schon bei der Entwicklung des Mittels damit rechnen müssen, daß resistente Pilzstämme des Apfelschorfes vorhanden seien oder sich herausbilden würden. Die Erstbeklagte hat vielmehr vorgetragen, sie habe X in einer vieljährigen Experimentierphase erprobt und untersucht, ohne daß sie irgendwelche Hinweise auf schädliche Auswirkungen oder auf eine fehlende Wirksamkeit gegenüber Apfelschorf erhalten habe. Das Mittel ist von der Bundesanstalt ohne irgendwelche Einschränkungen oder Hinweise zugelassen worden und auch noch heute zugelassen. Die Bundesanstalt ist aber kraft Gesetzes verpflichtet, ein Pflanzenschutzmittel vor seiner Zulassung auf seine Wirksamkeit und auf etwaige schädliche
11.68 Nebenfolgen hin zu untersuchen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sie zum Nachweis dieser Voraussetzungen sich von der Erstbeklagten die Forschungsnachweise hat vorlegen lassen und selbst entsprechende Untersuchungen angestellt hat. Es liegen aus keinem Land der Welt Tatsachenberichte oder wissenschaftliche Veröffentlichungen vor, daß X bei seinem erstmaligen Einsatz zur Bekämpfung des Apfelschorfes nicht zugleich einen vollkommenen Erfolg erzielt hat und sich irgendwelche Schorfstämme als tolerant erwiesen hätten. Vielmehr hat X überall einen umfassenden Erfolg gegenüber Apfelschorf erzielt und aufgrund seiner anderen Wirkungsmechanismen die herkömmlichen Oberflächenfungizide in der Wirkung übertroffen. Soweit nach der Veröffentlichung des australischen Forschers W südaustralische Farmer in den Jahren 1970/71 Schwierigkeiten hatten, den Apfelschorf durch die Anwendung von Benzinidazolen unter Kontrolle zu bringen, kann dem nicht entnommen werden, daß es sich dabei um ein Versagen dieser Mittel bei ihrem erstmaligen Einsatz gegen Apfelschorf gehandelt hat. Vielmehr bleibt offen, ob nicht besondere Witterungsbedingungen oder Mängel in der Anwendung mitgewirkt haben, worin die Schwierigkeiten bestanden haben sollen und wie schließlich die Farmer ihrer Herr wurden. Außerdem ist zu bemerken, daß nach dem Aufsatz von W das Mittel X in Südaustralien schon seit 1968 als Spritzmittel versuchsweise im Einsatz war, die Schwierigkeiten also einen ähnlichen Grund gehabt haben könnten, wie er im Jahre 1974 in Norddeutschland vorlag. Die spätere Unwirksamkeit von X ist nach der Überzeugung des Senats allein auf eine infolge Mutation entstandene Resistenz zurückzuführen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, aus denen entnommen werden könnte, resistente Stämme habe es schon stets gegeben. Insbesondere findet sich für diese Möglichkeit in der von den Parteien vorgelegten wissenschaftlichen Literatur keine Stütze. Nach einem Sammelbericht von Hoffmann in der Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, Bd.83/368ff., ist die Resistenzbildung vielmehr auf eine Mutation zurückzuführen. Denn für die Empfindlichkeit des Apfelschorfes gegen-
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11.68
Verpflichtung zur ausreichenden Erprobung vor dem Inverkehrbringen
über X sind vermutlich nur ein oder wenige Gene verantwortlich, die sich nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit eher ändern als eine Vielzahl von Genen, die durch andere Mittel angegriffen werden. Da die Wirkungsmechanismen der systemischen Fungizide wissenschaftlich weitgehend nicht aufgeklärt sind und genetische Untersuchungen hinsichtlich der Schadpilze nur im einzelnen vorliegen, liegen keine Anhaltspunkte vor, daß die Erstbeklagte den Eintritt einer derartigen Resistenz von Apfelschorfstämmen gegenüber X mit einiger Sicherheit hat voraussehen können. Zwar läge ein Konstruktionsfehler auch dann vor, wenn die Erstbeklagte das Pflanzenschutzmittel nicht hinreichend getestet hätte, um die Ausbildung resistenter Stämme zu erforschen. Sie hat jedoch unwidersprochen vorgetragen und wird insoweit durch die bei den Akten befindliche wissenschaftliche Literatur g e s t ü t z t - , daß es noch nirgends gelungen sei, eine Resistenz des Apfelschorfes gegenüber dem Mittel X durch Labortests künstlich hervorzurufen. Das ist insbesondere auch nicht den russischen Forschern gelungen. Vielmehr hat sich bei deren Untersuchungen die Sensibilität einzelner Apfelschorfpopulationen d u r c h eine wiederholte Behandlung mit X erhöht. Diese größere Toleranz war aber nicht auf Dauer angelegt und insbesondere nicht vererblich. Zu Recht deutet die Erstbeklagte die fehlende Möglichkeit einer Reproduktion resistenter Apfelschorfstämme als zuverlässigen Hinweis für das Ausbleiben einer derartigen Resistenz, nachdem bei anderen Schadpilzen wie z. B. dem Mehltau eine derartige Reproduktion möglich war.
Produktbeobachtungshaftung
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b) Der Kläger hat auch nicht dargetan, daß die Erstbeklagte ihre Pflicht zur Beobachtung des von ihr hergestellten Produkts und zur Information des Verwenders über etwa bei der Anwendung entstehende Gefahren verletzt hat. X war und ist zur Bekämpfung des Apfelschorfes wirksam. Es hatte keine schädlichen Nebenwirkungen. Insbesondere begünstigte es nicht bei der Bekämpfung des Apfelschorfes die Ausweitung anderer Pilzschädlinge. Eine Hinweispflicht der Erstbeklagten auf Resistenzmöglichkeiten bestand bis zum Sommer 1974 nicht. Zwar konnte die Erstbeklagte nicht mit einer an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gemessenen Si-
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Keine Warnpflicht bei nur entfernter Möglichkeit des Gefahreintritts Warnpflicht nur bei hinreichend verläßlicher Tatsachengrundlage Keine Warnpflicht wegen nur abstrakter, d. h. konkret nicht vorhersehbarer Gefahr
Warnpflicht nur bei produktbezogener konkret vorhersehbarer Gefahr
cherheit das Auftreten von Resistenz generell und für alle Zeiten ausschließen. Andererseits lagen für sie zunächst keine Anzeichen vor, die auf derartige Resistenzmöglichkeiten hinwiesen. Nicht jede naturwissenschaftlich denkbare, theoretische Möglichkeit einer Resistenzbildung mußte die Erstbeklagte veranlassen, schon in ihren Hinweisen für den Käufer diese zu warnen. Eine Pflicht zu warnenden Hinweisen auf Gefahren, die möglicherweise aus der wiederholten Anwendung des Mittels erwachsen könnten, bestand für die Erstbeklagte erst zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr hinreichend verläßliche wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zur Verfügung standen, daß insbesondere Risiken gegeben waren, die nicht unerheblich waren, und ein Befall mit Apfelschorf über das bei der Anwendung herkömmlicher Fungizide noch hinzunehmende Maß zu befürchten war. Dagegen war die Erstbeklagte, die das Mittel vor seiner praktischen Anwendung ausreichend geprüft hatte, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für ein zukünftiges Versagen erlangt zu haben, nicht gehalten, trotzdem auf die nicht auszuschließenden Entwicklungsgefahren hinzuweisen und es dabei offenzulassen, ob ein Schadfall in 5,10, 20 oder noch mehr Jahren eintreten könnte. Ein derartig allgemein gehaltener Hinweis wäre zum einen nicht geeignet, den Verwenderauf bestimmte spezifische Gefahren aufmerksam zu machen, zum anderen würde er an den Hersteller unzumutbare Anforderungen stellen. Eine Verpflichtung zu warnenden Hinweisen ergab sich für die Erstbeklagte nicht aufgrund der seit 1969 zunehmend bekanntgewordenen Veröffentlichungen über Toleranzen und Resistenzen bei einer Vielzahl von Schadpilzen gegenüber X und ähnlichen Produkten. Die Schadpilze weisen spezifische Merkmale in ihrem Zellaufbau auf, auf die sich die systemischen Fungizide auch verschieden auswirken. Zwar spricht zunächst der Umstand, daß X in seiner gleichförmigen Zusammensetzung gegenüber verschiedenen Pilzarten trotz deren spezifischer Unterschiede wirkt, für die Annahme, diese Pilze könnten deshalb auch in gleicher Weise Resistenzen auslösen. Ein derartiger Schluß ist aber schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil nicht geklärt ist, ob das Mittel nicht in den einzelnen Pilzarten eine unterschied469
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Produktbeobachtungshaftung
Auswertung der Fach Veröffentlichungen
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liehe Anzahl verschiedener Gene blockiert oder zerstört. Hierfür spricht zum einen, daß sich die Resistenz des Apfelschorfes nur vereinzelt und allein in der freien Natur herausgestellt hat, sich im Labor hat aber nicht reproduzieren lassen, während das hinsichtlich anderer Schadpilze der Fall war. Dafür spricht insbesondere aber auch, daß X unverändert gegenüber anderen Schadpilzen wie dem der Lagefäule und Monilia wirksam ist und angewendet wird, ohne daß sich nach nunmehr achtjährigem Einsatz auch nur Anzeichen auf eine nachlassende Wirkung oder gar auf eine Resistenz herausgebildet hätten. Der Vorwurf des Klägers, die Erstbeklagte habe das von ihr hergestellte Mittel und seine Wirkungen bei der Bekämpfung des Apfelschorfes nicht im Auge behalten, die wissenschaftliche Literatur insoweit nicht ausreichend beachtet und daher eine ihr obliegende Produktbeobachtungspflicht verletzt, bei deren sachgerechter Wahrnehmung sie die Verwender auf die Resistenzmöglichkeit hätte hinweisen müssen, ist ebenfalls unbegründet. Weder die Veröffentlichung von W im Juli 1973 noch der Aufsatz der sowjetrussischen Forscher noch die Beobachtungen über eine nachlassende Wirkung systemischer Fungizide in Japan im Sommer 1974 boten hinreichende Anhaltspunkte, die die Erstbeklagte hätten veranlassen müssen, die Hinweise an den Käufer auf den Gebinden der Originalpackungen zu ändern oder sogar die Verwender besonders über die Resistenzmöglichkeiten zu unterrichten. Die Untersuchungen von W vom Sommer 1973 waren nicht geeignet, ernsthafte Bedenken gegen die Wirksamkeit von X zur Bekämpfung des Apfelschorfes hervorzurufen. Zu Recht führt die Erstbeklagte aus, daß W lediglich eine Erhöhung der Wirksamkeit durch den Zusatz von ö l herbeiführen wollte und auch beobachtet hat. Sein Hinweis auf den Befall von Blättern mit Apfelschorf, die zuvor mit X und Wasser, ohne öl, behandelt worden waren, rechtfertigte nicht den Schluß auf eine Resistenzmöglichkeit. Da die Daten der Spritzungen nicht aufgezeichnet waren, konnte der Befall auch auf eine unsachgemäße Anwendung zurückgeführt werden. Der Aufsatz des Verfassers bot im übrigen schon nach seinem Titel und der summarischen Zusammenstellung seines Inhalts keine Anhaltspunkte, die
11.68
Auswertung regional begrenzter Daten bei weltweitem Vertrieb
Recht des Herstellers zur angemessenen Überprüfung bekannt gewordener Fakten
dem unbefangenen wissenschaftlichen Leser den Verdacht aufdrängen mußten, in ihm Hinweise auf eine Resistenzmöglichkeit zu finden. (Zu dem Aufsatz der sowjetrussischen Forscher und den Beobachtungen über eine nachlassende Wirkung systemischer Fungizide in Japan im Sommer 1973 vgl. die gleichlautenden Ausführungen II.67.) Aus den Untersuchungen des Professors Dr. S in Japan drängte sich noch nicht die Annahme auf, die beobachteten Erscheinungen seien auf eine Resistenz einzelner Apfelschorfstämme gegenüber diesen Präparaten zurückzuführen. Die Erstbeklagte war deshalb nicht verpflichtet, schon aus diesem Grunde die Verbraucher ihres Mittels auf derartige Möglichkeiten einer Resistenz hinzuweisen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil sie das Mittel X weltweit vertreibt, so daß aus wissenschaftlich ungeklärten Vorgängen in Japan nicht eine Hinweispflicht gegenüber den Verbrauchern in Europa herzuleiten ist und weil zuvor X sich als wirksam gegenüber Apfelschorf erwiesen hatte und keine Anzeichen gegeben waren, die auf ein Nachlassen dieser Wirkung hinwiesen. Nach der Überzeugung des Senats würden die an den Hersteller eines Pflanzenschutzmittels zu stellenden Sorgfaltspflichten überspannt, müßte er die Nachricht von einem Versagen des Mittels zu Warnungen gegenüber dem Verbraucher benutzen, bevor die Ursache für dieses Versagen wissenschaftlich untersucht ist. Damit wäre auch eine nicht gerechtfertigte Verunsicherung des Verbrauchers verbunden, der durch die notwendige Vielzahl der dann erforderlichen Warnungen und Hinweise davon abgehalten würde, die zweckentsprechenden Schritte zu unternehmen. Die Untersuchungen des australischen Forschers W über die Resistenz des Apfelschorfes gegenüber X von Dezember 1973 bis Februar 1974 müssen bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts außer Betracht bleiben. W hat das Ergebnis seiner Forschung erst 1974 im Oktoberheft des Plant Disease Reporter veröffentlicht, also lange Zeit nach dem Auftreten des Apfelschorfes in dem Obstgarten des Klägers. Es läßt sich nicht feststellen, daß er einem Mitarbeiter des australischen Tochterunternehmens der Erstbeklagten namens Ma. das Ergebnis seiner Untersuchungen zu einem 471
11.68
Recht des Herstellers zur
Zeitpunkt mitgeteilt hat, zu welchem die Erstbeklagte noch in der Lage gewesen wäre, im Frühjahr 1974 die Obstbauern im Alten Land auf das mögliche Auftreten von Resistenzen des Apfelschorfes an diesem Orte hinzuweisen. W hat Ma. vier bis sechs Wochen nach Abschluß seiner Experimente, also Ende März oder Anfang April 1974 getroffen. Es war von daher ausgeschlossen, daß die Erstbeklagte den Kläger vor einem Ankauf des X im April 1974 und vor dessen Anwendung im Mai 1974 hätte warnen können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Ma. das australische Tochterunternehmen der Erstbeklagten, dieses die Muttergesellschaft und diese wiederum die Vertriebsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland hätte informieren müssen. Dabei waren sowohl die Forschungsabteilung als auch die Vertriebsabteilung als auch die Rechtsabteilung der Erstbeklagten zu beteiligen. Vor einer Warnung war im übrigen auch die Erstbeklagte berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, die Stichhaltigkeit der von W gefundenen Ergebnisse anhand dessen Untersuchungsmaterials in ihren eigenen Labors
angemessenen Überprüfung bekannt gewordener Fakten
und durch ihre eigenen Forscher nochmals zu überprüfen, solange W nicht seinen Aufsatz veröffentlicht hatte oder zumindest in allen Einzelheiten der Erstbeklagten bekanntgegeben hatte. Es hieße auch insoweit die Sorgfaltspflichten des Herstellers eines weltweit verwendeten Pflanzenschutzmittels zu überspannen, wenn ihm nur das Ergebnis, nicht aber auch die wissenschaftliche Begründung in Gestalt entsprechender Tabellen oder Untersuchungsbefunde zur Verfügung stand. Eine derartige umfassende Unterrichtung der Erstbeklagten lag aber erst Ende Mai 1974 vor. Insgesamt war deshalb der Erstbeklagten aufgrund dieser Untersuchungen ein warnender Hinweis an den Kläger und die anderen Obstbauern im Alten Land bis Mai 1974 nicht möglich.
Produktbeobachtungshaftung: Beweislastverteilung
Der Kläger hat somit keine Verletzung der der Erstbeklagten obliegenden Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Beobachtung des von ihr hergestellten Pflanzenschutzmittels X dargetan. Insoweit obliegt ihm aber die Darlegungsund Beweislast. Denn der von ihm geltend gemachte Schaden ist nicht auf einen Fehler des Produkts zurückzuführen, sondern allenfalls auf eine Verletzung der sonstigen der
472
11.68 Fehlernachweis
Verschuldensnachweis
Erstbeklagten obliegenden Sorgfaltspflichten. Daher muß er zunächst einen derartigen objektiven Pflichtverstoß der Erstbeklagten nachweisen. Dieser Pflicht ist er nicht durch Umstände enthoben, die eine Umkehr der Beweislast rechtfertigten. Das würde nämlich voraussetzen, daß Vorgänge aufzuklären wären, die allein in der Sphäre der Erstbeklagten lägen und die deshalb der Kläger nicht im einzelnen aufklären und dartun kann. Die Frage, ob und mit welchem Inhalt Hinweise über ein Versagen des X bei der Bekämpfung des Apfelschorfes bekanntgeworden sind, kann aber auch von dem Kläger - zumal angesichts seiner Unterstützung im Prozeß durch die Obstbauversuchsanstalt in Jork - ohne unzumutbare Erschwernisse schon anhand der in Deutschland veröffentlichten Literatur beantwortet werden. Erst wenn er einen objektiven Verstoß der Erstbeklagten gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten im Rahmen der Produktbeobachtungs- und Instruktionspflicht dargetan hat, hätte sich diese zu entlasten und nachzuweisen, aus welchen besonderen Umständen sie den Hinweisen nicht nachgegangen ist und keine Maßnahmen ergriffen hat, die die Verwender von X vor Gefahren schützen könnten. Für die Zweit- und die Drittbeklagte gelten die gleichen Erwägungen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang sie die wissenschaftliche Literatur über Benzinidazole, deren Anwendung und Wirkung selbständig auswerten und ob sie sich auf die Informationen der Erstbeklagten verlassen durften. Ein etwa damit im Zusammenhang stehendes Unterlassen - abgesehen von der Frage ihrer Haftung als Produzent - wäre für den vom Kläger behaupteten Schaden nicht ursächlich. Ihnen kann schließlich auch nicht ein Fehlverhalten aus dem Grunde angelastet werden, weil auf der Versammlung in Jork am 7. Februar 1974 einige der Obstbauern über eine unzureichende Wirkung des X bei der Bekämpfung des Apfelschorfes berichtet haben sollen. Da diese Hinweise nur allgemein gehalten waren, konnte die unzureichende Wirkung auch auf andere Faktoren wie Witterung oder falsche Anwendungshinweise zurückgeführt werden. Sie boten jedenfalls keinen ausreichenden Anhaltspunkt für die Annahme, es hätten sich resistente Pilzstämme gezeigt. 473
11.68 (Anm.) Anmerkung:
Haftung für Verwendbarkeitsangaben usw. in Produktverpackungen und -beilagen
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1. Produktverpackungen und -beilagen enthalten oft Angaben über die Verwendbarkeit des Produkts für bestimmte Zwecke. In den Fällen des Direkterwerbs vom Hersteller sind diese Erklärungen im Normalfall Bestandteil des Verkaufsvertrages. Daraus können sich Eigenschaftszusicherungen 1. S. des §463 BGB ergeben. Vertreibt der Hersteller dagegen seine Produkte nicht direkt, sondern sind zwischen den Hersteller und den Endverbraucher bzw. -benutzer Vertriebsunternehmen eingeschaltet, ist die eine Frage, ob die vom Hersteller der Ware beigegebenen Hinweise innerhalb des zwischen dem Detaillisten und dem Endverbraucher abgeschlossenen Kaufvertrages vertragswirksam sind. Die andere Frage ist, ob unabhängig von der Vertragsbeziehung zwischen Detaillist und Endverbraucher zugleich auch aufgrund derartiger Hersteller-Erklärungeneine vertragsrechtliche Beziehung zwischen Hersteller und Endverbraucher eintritt. Die gleiche Problematik ergibt sich in den Fällen der direkt an den Endverbraucher gerichteten Hersteller-Werbung (z. B. per Fernsehen- oder Zeitschriftenwerbung). Zur rechtlichen Situation vgl. Anm. zu 1.48, Nr. 2. Unabhängig vom Vertragsrecht stellt sich die weitere Frage, ob bei fehlendem vertraglichen Kontakt zwischen Hersteller und Endverbraucher eine deliktsrechtliche Haftung des Herstellers für den Produkten beigefügte Verwendbarkeitserklärungen, Werbeaussagen, o. ä. besteht. Dies ist zu bejahen (vgl. Anm. zu 1.48, Nr. 3). Voraussetzung sowohl für eine vertragsrechtliche als auch für eine deliktsrechtliche Haftung ist aber immer, daß es sich um konkrete Aussagen handelt. Dies wurde im obigen Fall verneint. Es wurde also nicht etwa grundsätzlich die Möglichkeiteiner vertragsrechtlichen Hersteller-Haftung gegenüber dem Endbenutzer verneint. Vielmehr wurde lediglich aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles mangels einer konkreten Sachaussage eine derartige Haftung abgelehnt. 2. Abgesehen von dem Sonderfall der Eigenschaftszusiche-
(Anm.) 11.68 Beratungshaftung
Fehlernachweis: Beurteilungszeitpunkt
„Hersteller"Haftung der Zweitbeklagten
rung gemäß §463 BGB setzt das Vorliegen einer Schadensersatzhaftung für Beratungsfehler (z. B. über die Verwendbarkeit eines Produktes für bestimmte Einsatzzwecke) - einen Beratungsfehler - die Kausalität dieses Beratungsfehlers für den Schaden - ein Verschulden des Beratenden voraus. Wie an anderer Stelle ausgeführt wurde (Anm. zu 1.101, Nr. 1), kommt es für das Vorliegen eines Fehlers auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Dies gilt aber nur grundsätzlich. Bei Beratungs fehlern ergibt sich eine andere Sachlage. Eine Beratungsverpflichtung z.B. zum Hinweis auf bestimmte, bei der Verwendung eines Produktes bestehende Gefahren kann von vornherein nur bestehen, wenn diese Gefahren im Zeitpunkt der Beratung bekannt sind. Aufgrund der Besonderheiten der Beratungshaftung muß es in diesem Zusammenhang also auf den Stand der Technik bzw. der einschlägigen Fachkenntnisse (vgl. zur Terminologie Anm. zu 1.101, Nr. 5) im Zeitpunkt der Beratung ankommen. Warnach dem im Beratungszeitpunkt maßgeblichen Stand der Fachkenntnisse die Gefahr noch nicht bekannt, bestand von vornherein keine Beratungshaftung. Zählte dagegen die Kenntnis von der Gefahr bereits zum Stand der einschlägigen Fachkenntnisse, bestand eine Beratungsverpflichtung. Die nächste Frage ist dann, ob bei Kausalität der Pflichtverletzung ein Verschulden des Beratenden gegeben war. 3. Das Gericht unterscheidet sehr scharf zwischen - der Herstellerhaftung der erstbeklagten US-amerikanischen Herstellerfirma - der Vertriebshändlerhaftung der drittbeklagten deutschen Firma Y, die vertraglich für Norddeutschland den Alleinvertrieb übernommen hatte (zur Vertriebshändlerhaftung vgl. Anm. zu 1.151, zur Importeurhaftung vgl. Anm. zu 11.39). Dagegen wird m.E. die Rechtsstellung der zweitbeklagten deutschen Vertriebstochter der US-amerikanischen Herstellerfirma nicht richtig gesehen. Das OLG verneint eine Herstellerhaftung mit der Begründung, die Zweitbeklagte sei lediglich für die Gebrauchsanweisung verantwortlich. Hier handelt es sich aber gerade um Fragen aus dem Bereich der 475
11.68 (Anm.) Gebrauchsanweisungen. Eine der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist, daß die Zweitbeklagte in den Vertrieb der einzelnen Chargen des streitigen Mittels nicht eingeschaltet war; Vertragspartner des deutschen Alleinvertriebshändlers war die schweizerische Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Herstellerfirma; die Herstellerfirma lieferte im Wege des Streckengeschäftes direkt an das deutsche Alleinvertriebsunternehmen. Andererseits hatte aber die Zweitbeklagte in dem Vertriebskonzept des USamerikanischen Herstellers eine bestimmte Rolle übernommen, nämlich die Formulierung der den Chargen beizugebenden Gebrauchsanleitungen im Hinblick auf die deutschen Verhältnisse (einerseits tatsächlicher Art, andererseits z. B. im Hinblick auf das PflanzenschutzG rechtlicher Art). Praktisch war hier also im Bereich der US-amerikanischen Herstellerfirma eine Arbeitsteilung erfolgt. Die an sich der Herstellerfirma obliegende Instruktionsverpflichtung hatte die deutsche Tochterfirma übernommen. Angesichts dieser Sachlage ist m. E. entgegen dem OLG Celle davon auszugehen, daß die Zweitbeklagte für Fehler der Gebrauchsanleitungen haftet. Nach dem der obigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde diese Frage allerdings nichtaktuell, weil die Gefährlichkeit des Mittels in dem für die Abfassung der Gebrauchsanleitungen maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Dies betrifft aber nur die konkrete Entscheidung. Von der grundsätzlichen Problematik her ist m. E. davon auszugehen, daß die Zweitbeklagte deliktsrechtlich den durch Fehler der deutschen Gebrauchsanleitungen Geschädigten auf Schadensersatz haftet. „Hersteller"Haftung und deliktrechtliche Gefahrabwendungspflichten
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Die Sachverhaltskonstellation der Entscheidung zeigt, wie gefährlich es ist, wenn in Fragen der deliktsrechtlichen Produkthaftung allein an die Hersteller-Rolle angeknüpft wird. Dies kann eine Perspektivenverengung zur Folge haben. Die deliktsrechtlich entscheidende Frage ist, ob der Schädiger einen Fehler verursacht hat, der den streitigen Schaden an deliktsrechtlich geschützten Rechtsgütern ausgelöst hat. Stellt man die Frage in diesem Sinne, ist klar, daß bei Fehlern der Gebrauchsanleitung eine unmittelbare deliktsrechtliche Haftung der Zweitbeklagten gegeben ist. Subsumiert man
(Anm.) 11.68
x
Allgemeine deliktsrechtliche Haftung und Instruktionshaftung
dagegen diese Haftung unter eine gedachte ,,HerstellerHaftung", muß zunächst einmal die Frage gestellt werden, ob die Zweitbeklagte ,.Hersteller" ist. Das Urteil zeigt, daß sich dadurch eine falsche Weichenstellung ergeben kann. Wenn man schon in dieser Kategorie denkt, muß die Antwort lauten, daß die Zweitbeklagte einen bestimmten Bereich der Hersteller-Verpflichtungen übernommen hatte und Dritten für die ordnungsgemäße Durchführung haftet. Es ist anerkannten Rechts, daß die vertragliche Übernahme einer deliktsrechtlich gebotenen schadenverhütenden Handlung den Übernehmenden gegenüber geschädigten Dritten deliktsrechtlich haften läßt (1.54). Konstruktiv wäre also auch der obige Sachverhalt mit den Kategorien einer gedachten „Produzenten'-Haftung zu bewältigen. Da es aber im deutschen Recht abgesehen von einigen wenigen Spezialnormen keine selbständige Rechtsfigur einer Produzentenhaftung gibt (vgl. Schmidt-Salzer, BB 1979/1 f.), handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen Hersteller- und Vertriebshändlerhaftung im Prinzip nur um typologisch abgegrenzte Bereiche der deliktsrechtlichen Generalklausel. Die typologische, dem sachlichen Überblick und der Orientierung dienende Erfassung darf nicht den Blick auf den größeren Zusammenhang verstellen. 4. Das OLG verneint zunächst die Anwendbarkeit der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung (§823 Abs. 1 BGB), kommt dann aber über den Umweg einer grundsätzlich bejahten, lediglich im konkreten Einzelfall aus tatsächlichen Gründen verneinten Hinweispflicht doch noch zu einer grundsätzlichen Verantwortung der erstbeklagten Herstellerfirma für die Warnung der Produktbenutzer vor der Resistenzgefahr. Die Instruktionshaftung ist aber nur ein Anwendungsfall der allgemeinen Gefahrabwendungspflicht: wenn voraussehbar ist, daß bei Benutzung des Mittels bestimmte Gefahren auftreten können, muß der Hersteller die Benutzer darauf hinweisen, um diesen die Möglichkeit zu geben, den Eintritt der Gefahr zu vermeiden. Es entspricht zwar dem normalen Erscheinungsbild der Verkehrssicherungspflichten, daß der Verkehrssicherungspflichtige zunächst eine Gefahr geschaffen hat: Gegenstand der Verkehrssicherungspflichten ist dann die Verpflichtung zur Verhinderung 477
11.68 (Anm.)
Entwicklungsgefahr
Produktbeobachtungshaftu ng
Anwendungsprinzipien der Produktbeobachtungshaftung
478
des Gefahreintritts. Im Anwendungsbereich der Produkthaftung fallen aber Gefahrverursachung und Gefahrverhinderungspflicht zusammen: der Vertriebeines Produkts, dessen Anwendung in bestimmten Situationen gefährlich ist, stellt die Gefahr dar, deren Verhinderung Gegenstand der Instruktionshaftung ist. 5. Das Gericht verneint zunächst eine Konstruktions- bzw. Konzeptionshaftung. Mangels Bekanntseins der Resistenzbildung lag eine sog. Entwicklungsgefahr (dazu vgl. Anm. zu 1.101, Nr.2) vor. Rückblickend gesehen, d. h. aufgrund des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegebenen Tatsachenwissens, war zwar der Vertrieb des Mittels ohne Hinweis auf die Gefahr der Resistenzbildung ein Produktfehler. Mangels Bekanntseins der Resistenzbildung entfiel aber das Verschulden. Dies bedeutet aber nicht, daß deshalb die Herstellerfirma gewissermaßen auf Ewigkeit von der Verantwortung für das ohne Verschulden in den Verkehr gebrachte Produkt befreit war. Unter dem Stichwort der Produktbeobachtungshaftung prüft das Gericht, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt sich für die Herstellerfirma eine Verpflichtung zum Hinweis der Benutzerauf die Gefahr der Resistenzbildung ergeben hat. In diesem Zusammenhang werden aufgrund des konkreten Sachverhalts einige für die Produktbeobachtunghaftung wichtige Anwendungsprinzipien formuliert: a) Im Rahmen der Produktbeobachtungshaftung entsteht eine Warnverpflichtung nicht schon bei einer nur entfernten Möglichkeit des Gefahreintritts; vielmehr muß es sich um eine konkret vorhersehbare, produktbezogene Gefahr handein. Die mehr oder minder abstrakte, konkret (noch) nicht greifbare Gefahr genügt nicht. b) Die Warnpflicht entsteht nur, wenn eine hinreichend verläßliche Tatsachengrundlage vorliegt. Ein unfundierter, (noch) nicht konkret greifbarer Verdacht des Produktfehlers genügt nicht. c) Der Hersteller muß die Fachveröffentlichungen verfolgen, alsoz. B. die Fachliteratur und die Fachkongresse. Deren Ergebnisse sind auszuwerten (wenn und soweit sich daraus konkrete Hinweise ergeben). Voraussetzung ist aber dafür, daß es sich um einschlägige Fachveröffentlichungen han-
(Anm.) 11.68 delt. Der Hinweis darauf, daß „der Aufsatz des Verfassers im übrigen schon nach seinem Titel und der summarischen Zusammenstellung des Inhalts keine Anhaltspunkte bot, die dem unbefangenen wissenschaftlichen Leser den Verdacht aufdrängen mußten, in ihm Hinweise auf eine Resistenzmöglichkeit zu finden", gibt insoweit einen für die Praxis wichtigen Anhaltspunkt: es muß sich um Fachveröffentlichungen, Kongresse, usw. handeln, bei denen der Hersteller aufgrund der gesamten Umstände davon auszugehen hat, daß für seinen Produktbereich einschlägige Fragen behandelt werden. d) Bei weltweitem bzw. überregionalem Vertrieb von Produkten genügen regional begrenzte Daten nicht unbedingt zur Auslösung einer den ganzen Vertriebsbereich umfassenden Warnpflicht: vielmehr kann der Hersteller zulässigerweise zunächst überprüfen, ob es sich um regional begrenzte Erscheinungen handelt. e) Der Hersteller hat das Recht zur angemessenen Überprüfung bekanntgewordener Fakten. Das Gericht weist zu Recht darauf hin, daß dies auch im wohlverstandenen Interesse des Verbrauchers ist: erst wenn der Hersteller im einzelnen überblickt, ob und inwieweit bekanntgewordene Fakten tatsächlich auf bestimmte Gefahren hinweisen, kann er entscheiden, welche Gefahrabwendungsmaßnahmen in Betracht kommen. Eine Übersteigerung der Warnverpflichtungen würde bedeuten, daß zu viel und zu früh in zu weitem Umfang vor der Benutzung von Produkten gewarnt wird und damit derartige Warnhinweise binnen kurzem kaum noch beachtet werden, weil die Fälle der UnVerhältnismäßigkeit zwischen Anlaß und Umfang bekanntwerden. Rückrufhaftung
8. Das Gericht behandelt nur die Frage der Warnverpflichtung. Dies ist aber im Rahmen der Produktbeobachtungshaftung nur paradigmatisch zu verstehen. Es richtet sich je nach den Umständen des Einzelfalles, ob eine Warnung der Benutzer genügt oder aber z. B. ein Produktrückruf erforderlich ist. Insoweit ist also zu unterscheiden zwischen der Frage, ob überhaupt im Rahmen der Produktbeobachtungshaftung eine Handlungsverpflichtung des Herstellers besteht, und der weiteren Frage, welche konkreten Maßnahmen erforderlich sind. 479
11.68 (Anm.) Beweislastverteilung
Präventive Dimension der Schadenregulierung: Haftung für die ordnungsgemäße Erfassung und Auswertung von Schaden- bzw. Beanstandungsfällen
480
9. Zuzustimmen ist auch den Ausführungen zur Frage der Beweislastverteilung. Zur Frage der Produktbeobachtungshaftung kommt man in den Fällen der Entwicklungsgefahren erst dann, wenn eine auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens anknüpfende Verschuldenshaftung verneint wurde. Da der industrielle Hersteller den Nachweis zu führen hat, daß ihn kein Verschulden trifft, muß er in diesem Zusammenhang nachweisen, daß z. B. nach dem Stand der einschlägigen Fachkenntnisse im Zeitpunkt des Inverkehrbringens die betreffende Gefahr (noch) nicht bekannt war. Ist dieser Nachweis erbracht und daraufhin die Konstruktions- bzw. Konzeptionshaftung zu verneinen, muß im Rahmen der Produktbeobachtungshaftung der Fehlernachweis geführt werden. Der. Geschädigte muß also nachweisen, daß der Hersteller die ihm erkennbaren erst nach dem Inverkehrbringen des Produktes bekanntgewordenen Gefahren nicht berücksichtigt hat. In der vorstehenden Entscheidung wird dies unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob die Gefahr der Resistenzbildung tatsächlich in einem bestimmten Zeitpunkt mit ausreichender Gewißheit erkennbar war. Dies wurde verneint. Zur Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, daß der Hersteller organisatorisch verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß ihm die mit der Verwendung seines Produktes verbundenen Gefahren bekanntwerden und daß entsprechende Meldungen auch tatsächlich ausgewertet sowie gegebenenfalls mit den erforderlichen Maßnahmen berücksichtigt werden (vgl. 1.62). Damit ist die präventive Dimension der Schadenregulierung angesprochen. Der Hersteller kann sich nicht damit begnügen, die ihm bekanntgewordenen Beanstandungs-, Gewährleistungs- und Schadenfälle zu regulieren. Vielmehr muß dieses Material auch präventiv im Sinn der Ursachenermittlung ausgewertet werden. Im Hinblick auf diese Organisationspflicht kann sich der Hersteller nicht schon darauf berufen, daß er tatsächlich nicht bzw. nicht rechtzeitig Kenntnis von diesen Informationen erlangt hat. Trotz tatsächlich fehlender Kenntnis kann sich aus der Verletzung dieser organisatorischen Pflicht zur präventiven Auswertung von Beanstandungs- und Schadenfällen eine Fahrlässigkeitshaftung ergeben.
111.15
III. Teil: Entscheidungen der Land- und Amtsgerichte 111.15: LG Aachen, 18.12.1970,4 KMs 1/68,15-115/67 (Contergan: Beschluß über die Einstellung des Strafverfahrens)
Tatbestandsmäßigkeit: strafrechtlicher Schutz der Leibesfrucht
1. Die Verursachung von Nervenschäden Erwachsener ist tatbestandsmäßig als Körperverletzung zu werten. Die Kammer bejaht darüber hinaus die Frage, ob die fahrlässige Verursachung von Mißbildungen durch Einwirkung auf die Leibesfrucht den Tatbestand der Körperverletzung (§230 StGB), gegebenenfalls der Tötung (§222 StGB) erfüllt. a) Allerdings ist die Leibesfrucht als solche nicht durch die Strafbestimmungen der §§230, 222 StGB geschützt, weil Gegenstand dieser Tatbestände nur der Mensch ist. Durch die Bestimmung des § 218 StGB hat der Gesetzgeber die Leibesfrucht als eigenständiges Rechtsobjekt anerkannt, ihr einen selbständigen strafrechtlichen Schutz zukommen lassen und sie dadurch aus den auf den Menschen bezogenen Strafbestimmungen herausgenommen. Nur so ist der mit der Schaffung des §218 StGB zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers zu verstehen. Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Leibesfrucht dem Menschen gleichstellen, so wäre die Vorschrift des §218 StGB gänzlich überflüssig, weil dann jede vorsätzliche Abtötung der Leibesfrucht schon als vorsätzliche Tötung im Sinne der §§211 ff. StGB strafbar wäre. b) Ein strafrechtlicher Schutz der Leibesfrucht vor fahrlässiger Verletzung oder Abtötung ist auch nicht in der Weise möglich, daß man einen entsprechenden Angriff auf die Leibesfruchtais Körperverletzung der Mutter wertet. Das würde 481
111.15
Störung des Entwicklungsplanes als Körperletzung i. S. des § 230 StGB
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voraussetzen, daß die Leibesfrucht als Teil der Mutter anzusehen wäre. Die gynäkologischen Erkenntnisse entsprechen der juristischen Vorstellung, daß die Leibesfrucht nicht als Teil der Mutter angesehen werden kann. Wenn auch die Frucht vom mütterlichen Organismus abhängig ist, so stellt sie doch einen von diesem völlig verschiedenen und selbständigen Organismus dar. c) Die Verursachung von Mißbildungen ist nach alledem (vgl. den ausführlicheren Abdruck des Beschlusses in JZ 1971 507-509) unter den vorliegend gegebenen Umständen nur dann strafbar, wenn man hierin eine Körperverletzung des mißgebildet geborenen Kindes sieht. Maurach bejaht die Strafbarkeit der fahrlässigen Verursachung von Mißbildungen. Die Kammer schließt sich der Auffassung von Maurach an. Sie geht dabei von folgenden Erwägungen aus: Nach Rechtsprechung und Rechtslehre ist unter Gesundheitsbeschädigung eine Störung der ordnungsmäßigen körperlichen oder seelischen Funktionen oder - falls diese schon vorher krankhaft waren - eine Steigerung ihrer Krankhaftigkeit zu verstehen. In diesem Sinne sind Mißbildungen - zumindest auch - als Gesundheitsbeschädigung eines Menschen anzusehen. Sie sind bei der Leibesfrucht allenfalls angelegt, aber nicht abschließend verursacht und treffen endgültig erst das von §230 StGB geforderte Handlungsobjekt „Mensch". Denn eine Störung der ordnungsgemäßen körperlichen oder seelischen Funktionen mit Krankheitswert kann naturgemäß frühestens in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem eine einer Störung zugängliche körperliche Funktion vorhanden ist. Die Fähigkeiten, mit den äußeren Gliedmaßen zielgerichtete Bewegungen auszuführen, zu laufen, mit den Händen zu arbeiten, zu hören, usw. besitzt die Leibesfrucht noch nicht. Lediglich die Anlagen zu diesen Funktionen sind bei der Leibesfrucht schon existent. Die Funktionen selbst treten aber erst zu einem nachgeburtlichen Zeitpunkt auf, der durch den die Gesamtentwicklung steuernden naturgesetzlichen Entwicklungsplan bestimmt ist. Erst mit dem Einsetzen der entsprechenden Funktionen setzt auch deren Störung ein. In diesem Augenblick kann daher erst die krankhafte Störung der genannten körperlichen Funktionen und folglich das Vorliegen einer Gesund-
111.15
Erweiterungen bzw. Vertiefungen von im Zeitpunkt der Einwirkung bereits vorhandenen Funktionsstörungen Störung des Entwicklungsplanes
heitsbeschädigung bejaht werden. Die Mißbildung erweist sich damit als eine einen Menschen treffende Körperverletzung. Daran ändert sich nichts dadurch, daß sowohl die intakte Anlage zu der erst später auftretenden körperlichen Funktion als auch die Anlage zu deren Störung schon in der Leibesfrucht vorhanden waren. Es ist nämlich insoweit unschädlich, daß die Störanlage gleichzeitig eine Störung schon bestehender körperlicher Funktionen der Frucht (etwa zu ungestörter Entwicklung ihrer Anlagen) darstellt: denn jedenfalls wirktsich die Anlage später zusätzlich als eigenständige Störung der später einsetzenden körperlichen Funktionen des Kindes aus, die von denen der Leibesfrucht verschieden sind. Auch wer wegen der schon der Leibesfrucht zugefügten Anlagestörung die Selbständigkeit der das Kind treffenden Körperverletzung leugnen wollte, müßte jedenfalls in der Störung der später beim Kind auftretenden Funktionen (wie Gehen, Sprechen und Hören) zumindest eine Erweiterung und Vertiefung der in der Anlagestörung bereits gesetzten Verletzung erblicken, die einen lebenden Menschen und damit das Handlungsobjekt des §230 StGB trifft. Eine derartige Erweiterung und Vertiefung einer bereits vorhandenen Funktionsstörung hat aber die Rechtsprechung mit Recht von jeher ebenfalls als Gesundheitsbeschädigung und damit als Körperverletzung anerkannt. Das gleiche gilt, wenn eine schon in der zuvor intakten Leibesfrucht aufgetretene Mißbildung zugleich die Anlage zu der erst später beim Menschen auftretenden Körperfunktion vollständig zerstört. Denn der Ausfall einer nach dem Gesamtentwicklungsplan vorgesehenen körperlichen Funktion muß ebenso wie die Störung dieser Funktion als eine Gesundheitsbeschädigung angesehen werden. Diese Gesundheitsbeschädigung trifft auch einen Menschen; denn nach dem von der Natur vorgegebenen Entwicklungsplan sollte die Funktion erst beim Menschen eintreten. Dem steht nicht entgegen, daß behauptet wird, an einer Körperverletzung fehle es deswegen, weil diese mit logischer Notwendigkeit einen unverletzten Vorzustand voraussetze; da aber das Kind bei der Geburt schon mit einer Gesundheitsbeschädigung behaftet sei, könne es insoweit gar nicht 483
111.15 mehr verletzt werden. Auszugehen ist von der Überlegung, daß bei Erfolgsdelikten wie dem des § 2 3 0 StGB das Handlungsobjekt im Zeitpunkt des Erfolgseintritts vorhanden sein muß; denn lediglich der tatbestandsmäßige Erfolg setzt logisch und tatbestandsmäßig ein Objekt voraus, an d e m er eintreten kann. Die Existenz des Handlungsobjekts schon z u m Zeitpunkt der z u m Erfolg führenden Handlung ist dagegen nicht erforderlich. Richtig ist allerdings, daß bei Mißbildungsfällen der Mensch als solcher zu keiner Zeit unverletzt war. Das ist indes für die Verwirklichung des Tatbestandes der Körperverletzung unbeachtlich; denn die Präexistenz eines unverletzten Vorzustandes ist keine tatbestandliche Voraussetzung der K ö r p e r v e r l e t z u n g - s i e ist im Tatbestand auch nicht e r w ä h n t s o n d e r n lediglich eine logische Voraussetzung, und zwar insofern, als jemand, der bereits verletzt ist, insoweit nicht erneut verletzt w e r d e n kann. Eine Körperverletzung darf zwar nicht d e n Geboten der Logik zuwider a n g e n o m m e n werden. Dem logischen Erfordernis der vorherigen Unverletztheit wird aber genügt, w e n n ein unverletzter Vorzustand im natürlichen Sinn bestanden hat, und sei es in vortatbestandlicher Zeit. Das ist hier der Fall, wie folgende Überlegungen verdeutlichen: Die Begriffe der Körperverletzung und der Gesundheitsbeschädigung sind ebenso wie der Begriff des Menschen Rechtsbegriffe, die hier auf in der Entwicklung befindliche V o r g ä n g e anzuwenden sind. Ein wichtiges Glied in der zur Mißbildung des Kindes führenden Ursachenkette ist die erste Einwirkung des Medikamentes auf die Leibesfrucht. Diese Einwirkung ist zwar keine nach § 2 3 0 StGB tatbestandliche Körperverletzung, weil keine körperlichen Funktionen des Menschen gestört werden, zudem die konkret gestörten Funktionen noch gar nicht eingesetzt haben. In dieser Einwirkung kann aber w e g e n der darin liegenden Anlage zur Störung späterer körperlicher Funktionen beim M e n s c h e n sowie w e g e n der schon bei der Leibesfrucht sich zeigenden äußerlichen Mißgestalt eine tatbestandslose natürliche Verletzung erblickt werden. Jedoch erschöpft sich die Einwirkung in dieser Verletzungswirkung nicht. W i e die Leibesfrucht ein in der Entwicklung befindliches W e s e n ist, so entwickelt sich auch die natürliche Verletzung fort. Jedes 484
111.15
Kausalitätsnachweis
Beweisrechtliche Anforderungen an die Erbringung des Kausalitätsnachweises: Unterschiede zwischen naturwissenschaftlichem und strafprozessualem Beweis
nach der Verletzung auftretende Entwicklungsstadium dieser Verletzung beruht auf dem vorherigen Stadium und damit auf der erstmaligen Einwirkung auf die Leibesfrucht. Die im Zeitpunkt der Menschwerdung bestehende und sich danach weiter entwickelnde natürliche Verletzung ist folglich ebenfalls als eine Weiterentwicklung der vorherigen Entwicklungsstadien anzusehen und also auf die erstmalige Einwirkung auf die Leibesfrucht zurückzuführen. Da aber die Leibesfrucht vor der Einwirkung unverletzt war, zeigt sich, daß innerhalb des natürlichen Entwicklungsverlaufes ein unverletzter Vorzustand durchaus vorlag. 2. Einschränkend ist hinzuzufügen, daß die von der Kammer vertretene Auffassung naturgemäß nur unter der Voraussetzung gilt, daß Thalidomid für die Entstehung von Mißbildungen ursächlich ist. Das ist von Verteidigern und Angeklagten bezweifelt worden. Diese haben vorgetragen, die Wirkung des Thalidomids könne auch darin bestehen, daß ein Embryo, der auf Grund von Schädigungen oder schädlichen Anlagen, die bereits vor der Einnahme des Medikaments vorhanden waren, vorzeitig abgegangen wäre, also nicht die Menschwerdung erlebt hätte, durch Thalidomid am Leben erhalten worden sei. Indes I iegen keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Hypothese vor. Vielmehr steht - wie noch darzulegen sein wird - eindeutig fest, daß Thalidomid Mißbildungen verursacht. a) Zunächst ist festzustellen, daß nach dem bisherigen Beweisergebnis ein Kausalzusammenhang zwischen längerer Thalidomideinnahme und Nervenschäden nachgewiesen ist. Dabei ist unter dem Nachweis im Rechtssinne keineswegs der sogenannte naturwissenschaftliche Nachweis zu verstehen, der eine mathematische, jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewißheit, also ein absolut sicheres Wissen (vgl. BGH in VRS39,103ff.), voraussetzt. Der für die strafrechtliche Beurteilung allein maßgebliche Beweis ist erst und schon - erbracht, wenn das Gericht von den zu beweisenden Tatsachen nach dem Inbegriff der Hauptverhandlung voll überzeugt ist. Dementsprechend beruht der strafrechtliche Beweis, der Eigenart geisteswissenschaftlichen Erkennens gemäß, nicht auf einem unmittelbar ein485
111.15
Unterschied zwischen realen und nur theoretischen Zweifeln
Indiziennachweis bei fehlender klinischer Reproduzierbarkeit
486
sichtigen Denken, sondern auf dem Gewicht eines die Gründe abwägenden Urteils über den Gesamtzusammenhang des Geschehens (vgl. u.a. BGH, NJW1951/122). Da bei einem solchen Urteil eine jeden auch nur theoretischen Zweifel ausschließende Sicherheit-jedenfalls in aller Regel - undenkbar ist, kommt es nicht auf die für den naturwissenschaftlichen Nachweis gebotene objektive, sondern nur auf die subjektive Gewißheit an. Nun müssen gewiß schon die leisesten Zweifel des Richters den Beweis im Rechtssinne ausschließen (BGHSt10/208ff.; BGH, VRS39/103ff.). Dabei muß es sich aber immer um reale Zweifel handeln, während abstrakte, nur theoretische Zweifel nicht berücksichtigt werden dürfen. So verkennt nach der Rechtsprechung des BGH der Tatrichter, der glaubt, nur rein theoretisch gegebene Möglichkeiten nicht mit Sicherheit ausschließen zu können, daß die prozessuale Feststellung einer zu beweisenden Tatsache nur den Ausschluß des Zweifels eines besonnenen, gewissenhaften und lebenserfahrenen Beurteilers, nicht aber auch eine von niemandem anzweifelbare absolute Gewißheit erfordert (vgl. BGH, NJW 1951/83 und VRS39/105). Für den sogenannten Sachverständigenbeweis gelten insoweit keine Besonderheiten. Der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Thalidomideinnahme und dem Auftreten von Nervenschäden ist unter Zugrundelegung dieser von Rechtsprechung und Rechtslehre für die Beweisanforderungen im Rechtssinne anerkannten Voraussetzungen zur Überzeugung der Kammer geführt... Die Kammer ist auf Grund der Erkenntnisse der klinischen Neurologen von der Ursächlichkeit des Thalidomids für Nervenschäden überzeugt, b) Bestärkend kommt hinzu, daß die Ursächlichkeit des Thalidomids von mehreren Experten unabhängig voneinander vermutet und sodann mit wissenschaftlichen Methoden gesichert worden ist... Auch vermag die von allen hierzu gehörten Sachverständigen getroffene Feststellung, daß eine Polyneuritis nach Thalidomid nie unter klinisch kontrollierten Bedingungen entstanden, sondern nur an ambulant behandelten Patienten beobachtet worden ist, an der Überzeugung der Kammer nichts zu ändern. Zwar verlangt heute die
111.15
Unterschiede zwischen naturwissenschaftlichen und strafprozessualen Beweisanforderungen
Abhängigkeit der Schädigung
klinische Pharmakologie, daß die Wirkungen von Arzneimitteln und auch etwaige schädigende Eigenschaften unter bestimmten, sorgfältig erarbeiteten Versuchsbedingungen überprüft werden. Diese Forderung ist, soweit es sich um neu auf den Markt zu bringende Medikamente handelt, auch durchaus zu begrüßen. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb der Beweis eines Ursachenzusammenhanges, wie es die Sachverständigen Professoren Preissig, Chain und offenbar auch Welte verlangen, nur dann anzuerkennen sein soll, wenn er in einem klinisch kontrollierten Experiment erbracht worden ist. Wie schon ausgeführt, vermag die klinische Neurologie auf Grund ihrer eigenen anerkannten wissenschaftlichen Methoden durchaus Nervenschäden zu erkennen und bestimmten Ursachen zuzuordnen. Dies ist im vorliegenden Fall mit Erfolg in sachgerechter Weise geschehen. Nachträglich derartige systematische Versuche, wie sie die genannten Sachverständigen fordern, durchzuführen, verstieße - schon bei Vorliegen eines Verdachts schwerer Nebenwirkungen - gegen ethische und strafrechtliche Normen. Im übrigen würde die Ansicht, daß pharmakologische oder toxikologische Wirkungen eines Medikamentes nur im klinisch kontrollierten Versuch nachgewiesen werden können, die Anforderungen an eine Beweisführung im Rechtssinne - nur hierauf kommt es an - erheblich überspannen. Aus diesem Grund vermag die Kammer auch dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Chain im Ergebnis nicht zu folgen. Wie seine Darlegungen zweifelsfrei ergeben, versteht er nämlich unter „Nachweis" im Sinne seiner Ausführungen geeignete Beweismittel seien nur Prüfungen unter systematischen klinischen Bedingungen - einen Beweis im sogenannten naturwissenschaftlichen Sinne, das heißt eine jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewißheit, die wie schon im einzelnen dargelegt - für einen Nachweis im strafrechtlichen Sinne nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, daß das Gericht von dem Kausalzusammenhang nach dem Inbegriff der Hauptverhandlung - wie hier - überzeugt ist. Auch der Umstand, daß nicht in allen Fällen nach mehr oder weniger langer Thalidomideinnahme eine Nervenschädi487
111.15 vom Vorliegen einer individuellen konstitutionellen Bereitschaft und Indiziennachweis
Strafrechtlicher Kausalitätsbegriff: sog. Äquivalenztheorie
Fehlende Kenntnis des Wirkungsmechanismus
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gung oder gar eine Polyneuritis aufgetreten ist, läßt Zweifel an der Ursächlichkeit des Thalidomids nicht aufkommmen. Diese Feststellung beweist lediglich, daß Thalidomid kein obligates Nervengift ist und beim einzelnen Menschen eine - so Prof. Hoff- „konstitutionelle Bereitschaft" vorliegen muß, um ein solches multifaktorielles Geschehen in Gang zu setzen. Es müssen also im Einzelfall noch weitere Faktoren hinzukommen, wenn eine Thalidomid-Polyneuritis entstehen soll. Zu denken ist etwa an vorgegebene Störungen der Leberfunktion oder des Zuckerstoffwechsels, an Resorptionsstörungen des Magen-Darm-Kanals, an Enzymanomalien oder Folgen bestimmter anderer Medikamente. Die Frage der Pathogenese, die hiermit angesprochen wird, ist jedoch nur von medizinisch-wissenschaftlichem Interesse. Für die Entscheidung über die Kausalität im Rechtssinne ist sie bedeutungslos, weil es insoweit nur auf die Frage ankommt, ob Thalidomid als Faktor hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg - hier die Nervenschädigung entfiele. Das ist indes nicht der Fall. Denn daß Thalidomid seine schädliche Wirkung nur bei Vorliegen besonderer prädisponierender Faktoren entfaltet, ändert an seiner Ursächlichkeit nichts. Daß einer dieser Faktoren allein imstande ist, eine Polyneuritis des hier fraglichen Typs auszulösen, ist nicht anzunehmen. Keine der angegebenen, als konstitutionelle Faktoren in Betracht kommenden Störungen und auch kein anderer Faktor sind nämlich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Lage, eine Polyneuritis mit dem typischen Bild und Verlauf hervorzurufen, wie sie nach Thalidomid beobachtet worden ist. Aus den genannten Gründen ist es für den Nachweis der Kausalität auch ohne Einfluß, daß der Wirkungsmechanismus des Thalidomids, auf dessen Klärung der Sachverständige Prof. Rauen als Biochemiker in seinem Gutachten Wert legte, im einzelnen nicht bekannt ist. Auch negative Ergebnisse in Tierversuchen vermögen die Ursächlichkeit des Thalidomids für Nervenschäden nicht in Frage zu stellen. Es ist zwar richtig, daß Versuche mit Thalidomid an verschiedenen Tierarten, wie zum Beispiel Ratten, Mäusen, Kaninchen, Hunden und Rhesusaffen, keinen Anhaltspunkt für eine auf Thalidomid zurückzuführende Ner-
111.15
Generelle Kausalität
venschädigung ergeben haben. Dennoch widersprechen diese Ergebnisse nicht der Annahme eines Kausalzusammenhangs... Schließlich geht die Kammer davon aus, daß sich die Kausalität grundsätzlich auch im Einzelfall nachweisen läßt. Sie glaubt jedoch darauf hinweisen zu müssen, daß dieser Nachweis - vor allem im Zivilprozeß wegen der dort für den Geschädigten schwierigen Beweislage - mitunter nicht leicht, in einigen Fällen vielleicht überhaupt nicht zu führen sein wird. c) Die Kammer ist nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, daß Thalidomid generell geeignet ist, Mißbildungen der Art zu verursachen, wie sie in Fachkreisen allgemein als Wiedemann- oder Dysmeliesyndrom beschrieben werden. Wie bereits dargelegt, bedarf es zum Nachweis im Rechtssinne keines naturwissenschaftlichen Beweises, das heißt einer jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließenden Gewißheit. Es genügt vielmehr, daß die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände voll von dem Kausalzusammenhang überzeugt ist. Das ist auch im Mißbildungsbereich der Fall. Die Überzeugung der Kammer beruht in erster Linie auf den in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Darlegungen der Sachverständigen Professoren Hövels, Thomas, Schönenberg und Vivell. Diese Sachverständigen halten auch für einen Laien nachvollziehbar - einen Kausalzusammenhang zwischen Thalidomideinnahme und Mißbildungen auf Grund ihrer eigenen wissenschaftlichen Forschungen in Verbindung mit den Erkenntnissen anderer Experten der einschlägigen medizinischen Fachrichtungen für erwiesen. Ihre Gutachten sind in sich und in ihrer Übereinstimmung überzeugend. Folgende, von ihnen vorgetragene Tatsachen sprechen für einen Kausalzusammenhang und haben zur Überzeugungsbildung der Kammer geführt: Das sogenannte Wiedemann- oder Dysmeliesyndrom ist ein eigenständiges, morphologisches Mißbildungssyndrom, dessen Bild in besonderem Maße von Extremitätenmißbildungen geprägt wird. Es umfaßt Mißbildungsformen verschiedener Schweregrade, die von Amelie über schwere 489
111.15
Indiziennachweis: Häufigkeit vergleichbarer Schädigungen
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Phokomelie bis zu geringeren Schädigungen, etwa Hypoplasie des Daumenstrahls oder Triphalangie, reichen. Auffallend ist dabei einmal, daß doppelseitige und symmetrische Erscheidungsbilder überwiegen. Charakteristisch ist ferner, daß die phylogenetisch jüngeren Strahlen - nämlich Radius und Daumen bzw. Tibia und Großzehe - bevorzugt betroffen werden. Wie Professor Thomas in seinem eingehenden, durch eindrucksvolle Bilder belegten Gutachten ausgeführt hat, ist kein Thalidomidfall bekannt, in dem etwa Elle und Kleinfingerstrahl beziehungsweise Wadenbein und Kleinzehenstrahl betroffen sind, ohne daß auch die Daumenbzw. Großzehenseite beschädigt ist. Selbst relativ geringe Schädigungen wie Hypoplasie des Daumenstrahls oder Triphalangie sind häufig mit einer gleichzeitigen Unterentwicklung des knöchernen Daumenstrahls verknüpft. Neben den besonders charakteristischen Extremitätenmißbildungen sind für das Wiedemannsyndrom einzelne Begleitmißbildungen typisch, so Ohrmißbildungen, verschiedene innere Mißbildungen und Facialisparesen. Schließlich treten bei diesem Syndrom auch gehäuft Hämangiome auf, besonders im Gesicht in Verbindung mit Sattelnase, so daß sogar schon die Bezeichnung „Thalidomidgesicht" geprägt wurde. Trotz der Vielzahl der möglichen Einzelmißbildungen bietet das Wiedemannsyndrom ein selbständiges und von anderen Mißbildungssyndromen deutlich abgrenzbares Bild. Das zeigt sich neben den erwähnten typischen Besonderheiten, insbesondere den Extremitätenmißbildungen, vor allem in einer auffallenden und bisher in dieser Häufung und Ausprägung noch nie beobachteten Kombination der genannten Einzelmißbildungen, die sich von allen bisher bekannten, mit Dysmelie einhergehenden Syndromen unterscheidet. Gerade die - gemessen an der statistischen Zufallserwartung eines gemeinsamen Vorkommens von bestimmten Einzelmerkmalen - ungewöhnliche oder ungewöhnlich häufige Kombination derartiger Merkmale ist für die Anerkennung eines eigenständigen morphologischen Syndroms entscheidend. Dem steht nicht entgegen, daß die Einzelkomponenten des Wiedemannsyndroms schon vor der Thalidomidaera bekannt gewesen und beschrieben, sie auch
111.15
Häufigkeit des Auftretens im relevanten Zeitraum
Einnahme des Mittels in der sensiblen Phase der Organentwicklung
schon damals gelegentlich in Kombination gemeinsam gesehen worden sind. In dem Ausmaß, wie es während des Vertriebs von Thalidomid festgestellt wurde, sind vergleichbare Syndrome vorher niemals beobachtet worden... Außerdem besteht nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Hövels eine bemerkenswert enge Korrelation zwischen der Häufung des Wiedemannsyndroms in bestimmten, eng begrenzten Zeitabschnitten und geographischen Gebieten und dem Verbrauch von Thalidomid. Bei epidemiologischer Prüfung wurde erkannt, daß der begrenzten räumlichen und zeitlichen Häufung des Syndroms eine zeitlich, räumlich und quantitativ ähnliche Verteilung des Thalidomidverbrauchs entsprach. Das gehäufte Auftreten des Wiedemannsyndroms im fraglichen Zeitraum ist eindeutig auf die Länder beschränkt, in denen thalidomidhaltige Präparate vertrieben wurden. Für die Beweisführung ist schließlich von Bedeutung, daß bei Müttern, deren Kinder Mißbildungen vom Typ des Wiedemannsyndroms aufwiesen, in der Anamnese überzufällig häufig gerade für die Zeit eine Thalidomideinnahme vermerkt war, in der die Mißbildungen entstanden sein müssen. Daß sich der Zeitpunkt des Entstehens einer Mißbildung im Normalfall ziemlich sicher angeben läßt, entspricht wissenschaftlicher Erkenntnis. Es ist anerkannt, daß die Art der Fehlbildung eines Organs in vielen Fällen Rückschlüsse auf den Zeitraum der Entstehung und auf die formale Genese der Mißbildungen erlaubt. Das ist deshalb möglich, weil der formale zeitliche Ablauf der normalen Entwicklung weitgehend bekannt ist. Zwar kann das Alter menschlicher Früchte meist nicht mit letzter Exaktheit bestimmt werden, jedoch läßt sich der zeitliche Ablauf der menschlichen Entwicklung so annähernd genau angeben, daß eine zeitl iche Zuordnung von Mißbildungen auf bestimmte Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen werden kann. Insbesondere läßt sich ein Endzeitpunkt festlegen, vor dessen Ablauf die Mißbildung entstanden sein muß - sogenannte teratogenetischeTerminationsperiode-. Die Zeitspanne bis zu diesem Zeitpunkt - allgemein als teratogenetische Determinationsperiode bezeichnet - fällt, wie Untersuchungen ergeben ha491
111.15 ben und in Analogie zu Ergebnissen der experimentellen Entwicklungsphysiologie auch zu erwarten ist, mit der sogenannten sensiblen Phase der Organentwicklung, das heißt mit der Phase besonderer Anfälligkeit gegenüber äußeren und inneren Störungen, zusammen. Für Mißbildungen vom Typ des Wiedemannsyndroms liegt diese „kritische Phase" nach Prof. Thomas etwa zwischen dem 27. und 40. Tag p. c. - nach der Konzeption - und entsprechend etwa zwischen dem 34. und 50.Tag p.m. - nach Beginn der Menstruation wobei sich diese Zeiträume allerdings wegen der Variabilität des Menstruationszeitpunktes und der Fruchtentwicklung um einige Tage verschieben können. In den weitaus meisten Fällen, in denen sich der Zeitpunkt derThalidomideinnahme durch die Mutter noch hat feststellen lassen, hat sich nun - wie die Kammer den Ausführungen von Prof. Hövels entnimmt- inderTat gezeigt,daßdie Mutter genau in dem Zeitpunkt Thalidomid eingenommen hat, der der sensiblen Entwicklungsphase der mißgebildeten Organe entspricht. Von Prof. Schönenberg und Prof. Vivell durchgeführte Erhebungen bestätigen diese Feststellungen. Die Kammer verkennt bei ihren Überlegungen nicht, daß wie Prof. Hopf zu bedenken gibt - Häufigkeitsverschiebungen nach der einen oder anderen Seite keinen absolut sicheren Bescheid für eine bestimmte Ursache erbringen können, zumal bei Statistiken Unsicherheiten und Ungenauigkeiten kaum völlig auszuschließen sind. Entsprechend hat auch Prof. Kloos die Ansicht vertreten, ein epidemieartiges Auftreten von Mißbildungen kann nur den Verdacht nahelegen, daß ein exogener Faktor hierfür verantwortlich sei; es könne durchaus endogene Ursache geben, so daß sogar das Verschwinden der angeschuldigten Noxe und das gleichzeitige Abflauen der Mißbildungswelle kein sicherer Beweis für die Ursächlichkeit zu sein brauche. Allerdings fällt auf, daß Prof. Kloos im Jahre 1962 in einem Aufsatz selbst die Meinung geäußert hat, von einer Thalidomid-Embryopathie könne man sprechen, wenn die Mißbildungswelle 9 Monate nach dem Einziehen des Thalidomids abklinge. Hiervon abgesehen vermögen die Einwände der genannten Sachverständigen die Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern. Denn im vorliegenden Fall treten - wie 492
111.15 Indiziennachweis: Gesamtbewertung der Sachlage
Indiziennachweis
ausgeführt-zu der epidemischen Häufung des beschriebenen typischen und genau abgrenzbaren Syndroms weitere Gesichtspunkte hinzu, die den Verdacht zu einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit verdichten, nämlich die Tatsache, daß das Syndrom gerade in der Zeit des Thalidomidvertriebs und noch dazu in zeitlich und örtlich enger Korrelation zum Thalidomidvertrieb in epidemischer Häufung aufgetreten ist und überdies die Mütter der mißgebildeten Kinder, so weit sich das nachträglich noch feststellen ließ, gerade in dem für die Entstehung der Mißbildungen maßgeblichen Zeitraum Thalidomid eingenommen haben. Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Zusammentreffens angesichts der aufgezeigten Umstände so außerordentlich gering, daß sie aus dem Bereich vernünftiger Überlegungen ausgeschieden werden muß. Eine sachgerechte und vernünftige Würdigung der genannten Tatsachen läßt zur Überzeugung der Kammer nur den Schluß zu, daß Thalidomid die Ursache dieser Mißbildungen ist... Für den schon hiernach festgestellten Kausalzusammenhang spricht ferner die Tatsache, daß es möglich ist, unter bestimmten Bedingungen bei gewissen Stämmen von Tierarten Mißbildungen, die mit dem Wiedemannsyndrom formal zu vergleichen sind, durch Thalidomid experimentell zu erzeugen. Prof. Wilson hat über durch Thalidomid erzeugte Mißbildungen bei Affenföten berichtet, die vorher noch niemals bei Affen oder anderen nichtmenschlichen Primaten gesehen worden und in auffallender Weise den beim menschlichen Embryo beobachteten, vergleichbaren Fällen ähnlich sind. Dieser Sachverständige hat bei seinen tierexperimentellen Untersuchungen aus dem Jahre 1964 außerdem festgestellt, daß die Reihenfolge, in der verschiedene Organe durch Thalidomideinwirkung betroffen werden, beim Affenembryo derjenigen beim menschlichen Embryo entspricht, wobei nur die naturbedingte Besonderheit besteht, daß sich der Affenembryo schneller entwickelt und dementsprechend eher als der menschliche Embryo gegen Thalidomid unempfindlich wird. Positive Ergebnisse hatten unter anderem auch die Affenversuche von Delahunt und Lassen, während Prof. Coulsten nicht die gleichen Mißbildungen wie Prof. Wilson gesehen hat. 493
111.15
Nur relative Beweiskraft v o n Tierversuchen
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A u c h an anderen Tierarten ist inzwischen von zahlreichen Wissenschaftlern in der ganzen Welt die teratogene W i r k u n g von T h a l i d o m i d experimentell geprüft worden. In einer Reihe von Experimenten k o n n t e n dabei allerdings Mißbild u n g e n an den Jungtieren nicht oder nur ausnahmsweise erzeugt werden. Negative Ergebnisse liegen vor bei Ratten, Mäusen, bestimmten Stämmen von Kaninchen, H ü h n e r n und Hamstern. Doch w u r d e n auch bei diesen Versuchen vermehrt intrauterine Resorptionen beziehungsweise eine V e r m i n d e r u n g der Wurfzahl beobachtet. V o n einer erheblichen Anzahl von Forschern w u r d e n demgegenüber auch bei Ratten, Mäusen, Kaninchen, H ü h n e r n u n d S c h w e i n e n nach T h a l i d o m i d Mißbildungen g e f u n d e n (vgl. Willert-Henkel, Klinik u n d Pathologie der Dysmelie, 1969, S.82-83). A u c h der in der Hauptverhandlung v e r n o m m e n e Sachverständige Prof. Coulsten hat hierzu ausgeführt, daß seine Versuche bei Kaninchen die teratogene W i r k u n g von T h a l i d o m i d gezeigt hätten. Prof. Kirchmair weist in seiner A b h a n d l u n g „ A n g e borene Stoffwechselkrankheiten - T h a l i d o m i d - E m b r y o p a t h i e " (Med. Monatsschrift 1968, S.114ff.) ebenfalls darauf hin, daß in Versuchen mit mischrassigen und hybriden Kan i n c h e n die teratogene W i r k u n g u n d der ganz spezifische Effekt des T h a l i d o m i d s habe nachgewiesen w e r d e n können; dabei hätten sich sehr große Ähnlichkeiten u n d Analogien zwischen den T h a l i d o m i d s y n d r o m e n beim Menschen und Kaninchen ergeben. Es bedarf keiner näheren Darlegung, wie diese teilweise unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären sind. Die Kammer verweist insoweit auf die ohne weiteres einleuchtenden A u s f ü h r u n g e n von Prof. Coulsten, w o n a c h die Erzeugung von congenitalen Mißbildungen nicht nur von der Verabreic h u n g eines spezifischen Medikaments in einer besonderen Dosierung an ein genetisch empfängliches Tier zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Embryo in einem e m p f i n d l i c h e n Entwicklungsstadium befindet, abhängt, sondern darüber hinaus s c h o n eine geringe A b ä n d e r u n g der Versuchsanordn u n g zur Ä n d e r u n g des Ergebnisses führen kann. Eine eingehende Analyse der unterschiedlichen Ergebnisse der Tierexperimente ist im übrigen auch deshalb nicht erforderlich, weil die Kammer dem Tierexperiment keine absolut si-
111.15
Indiziennachweis
Indiziennachweis
chere Beweiskraft beimißt. Sie folgt insoweit der Ansicht insbesondere der Professoren Wilson und Coulsten, wonach tierexperimentelle Ergebnisse die teratogene Wirkung beim Menschen nicht sicher beweisen. Immerhin legen aber - das ist unbestritten - positive Tierergebnisse - und seien es nur wenige - die Wahrscheinlichkeit nahe, daß das Mittel auch beim Menschen teratogen ist. Insoweit ist die trotz nicht restlos übereinstimmender Ergebnisse in zahlreichen Tierversuchen gewonnene, insgesamt recht eindeutige Feststellung, daß Thalidomid auch beim Tier teratogen ist, für die Beweisführung doch bedeutsam, weil sie die Überzeugung der Kammer, daß Thalidomid eine teratogene Substanz ist, nicht unerheblich stützt. Eine gewisse Bedeutung kommt bestärkend auch der Tatsache zu, daß Familien bekannt sind, in denen neben dem betroffenen Kind sowohl vor als auch nach derThalidomidära bis zu drei gesunde Kinder zur Welt kamen, umgekehrt aber keine Fälle beobachtet wurden, in denen ein Elternteil oder - von den während derThalidomidära geborenen Zwillingsfällen abgesehen-ein Geschwisterteil ebenfalls Mißbildungen vom Typ des Wiedemannsyndroms aufweist. Gesichtspunkte, die gegen den hiernach festgestellten Ursachenzusammenhang vorgebracht wurden, insbesondere von den Sachverständigen Professoren Blechschmidt, Hopf und Kloos sowie Dr. Püschel, sind nicht geeignet, dieses Ergebnis zu erschüttern: Es kommt nicht darauf an, daß die Einzelkomponenten des Wiedemannsyndroms vor dem Vertrieb von Thalidomid schon bekannt gewesen und beschrieben worden sind und daß sie damals schon ganz vereinzelt in Kombinationen gemeinsam beobachtet wurden... Die Kammer geht davon aus, daß es tatsächlich formal ähnliche Mißbildungen schon immer gegeben hat. Wie Prof. Hövels ausgeführt hat, ist das nach den Ergebnissen der experimentellen Teratologie sogar zu erwarten. Die Beweisführung wird dadurch indes nicht beeinflußt, denn dafür ist entscheidend, daß-wie ausgeführt-die im Zusammenhang mit Thalidomid beobachteten Kombinationen innerer und äußerer Fehlbildungen in dieser epidemischen Häufung vor 1957 und nach 1962 unbestreitbar nicht aufgetreten sind. 495
111.15 Indiziennachweis: Bedeutung der subjektiven konstitutionellen Bereitschaft
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Unbegründet ist ferner der Einwand, der aus der Tatsache hergeleitet wurde, daß nicht alle Mütter, die in der sensiblen Phase Thalidomid eingenommen haben, ein mißgebildetes Kind geboren haben. Es entspricht nämlich biologischer Erfahrung - und gilt auch für die Teratologie - , daß nicht alle Individuen auf die gleiche Noxe gleichartig reagieren. In diesem Sinne haben sich übereinstimmend die Sachverständigen Professoren Thomas, Hövels und Schönenberg geäußert und hieran die Schlußfolgerung geknüpft, daß teratogene Folgen nicht immer auftreten müssen. Das sei nach den vorliegenden Ergebnissen der experimentellen Teratologie auch gar nicht zu erwarten. Im Tierexperiment ist, so entnimmt die Kammer den Gutachten der Sachverständigen weiter, sogar im Gegenteil sicher erwiesen, daß die Frucht auf Applikation eines chemischen Teratogens an die Mutter verschiedenartig reagieren kann. So kann es zu intrauterinem Fruchttod mit der Folge einer Resorption der Frucht oder zu einer Ausstoßung der abgestorbenen Frucht oder zu einer Schädigung mehr oder weniger ausgedehnter Körperregionen oder schließlich auch zu keinerlei Schädigungen kommen. Das ergibt sich daraus, daß für die Wirkung entscheidend nicht die applizierte Menge des Stoffes, sondern seine Konzentration am Ort der Wirkung ist. Diese Konzentration am Wirkungsort ist aber von einer Fülle qualitativ bekannter, quantitativ aber kaum je gleichzeitig erfaßbarer Faktoren abhängig, nämlich mütterlichen, placentaren und fetalen Faktoren. Dabei spielt besonders die Konstitution eine erhebliche Rolle. Das gleiche gilt auch für den Menschen. Auch bei ihm ist es nicht erstaunlich und sogar zu erwarten, daß Mütter, die in der sensiblen Phase Thalidomid genommen haben, trotzdem gesunde Kinder geboren haben. Es ist nicht verwunderlich, wenn eine genetisch so inhomogene Population wie der Mensch auf die gleiche teratogene Noxe im einen Fall mit Mißbildungen unterschiedlicher Expressivität und unterschiedlicher Penetranz, im anderen Fall überhaupt nicht reagiert. Man kann sogar sagen, daß die Entdeckung eines chemischen Stoffes, der bei niedriger Dosierung beim Menschen mit 100%iger Durchschlagskraft Mißbildungen erzeugt, eine - wie Prof. Hövels meint - teratologische Sensation bedeuten würde.
111.15
Indiziennachweis: nach Zurückziehung des Mittels vom Markt ausbleibendes Auftreten der betreffenden Schadenbilder Indiziennachweis und fehlende Kenntnis des Wirkungsmechanismus
Strafrechtlicher Kausalitätsbegriff
DieTatsache, daß in einer gegebenen Beobachtungsgruppe bestimmte Mißbildungen nicht immer oder gar nur sporadisch auftreten, spricht demnach nicht gegen die kausale Verknüpfung zwischen einer Häufung eben dieser Mißbildungen und einer exogenen teratogenen Noxe. Der insoweit vorgebrachte Einwand ist somit nach den gesicherten Erkenntnissen der experimentellen Teratologie entkräftet, er wurde im übrigen auch durch das Verschwinden des Wiedemannsyndroms nach Beendigung der Thalidomidära wesentlich relativiert. Soweit die Sachverständigen Professoren Blechschmidt, Coulsten und Kloos ausgeführt haben, so lange die Art und Weise der Entwicklung des menschlichen Embryos nicht genau bekannt sei und noch vollkommene Unklarheit über den Wirkungsmechanismus des Thalidomids und das Stoffwechselschicksal dieser Substanz beim Embryo bestehe, seien Theorien über teratogene Eigenschaften von Thalidomid verfrüht, sei über die Ätiologie keine verbindliche Aussage zu machen und damit der Nachweis des Kausalzusammenhangs nicht zu führen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es besteht keinerlei Veranlassung, alle Schlußfolgerungen in Richtung auf einen Ursachenzusammenhang ohne Kenntnis der genauen Vorgänge im Mutterleib für hypothetisch, für reine Spekulation zu halten, wie das die genannten Sachverständigen getan haben. Die Kammer räumt zwar durchaus ein, daß die Kenntnis der menschlichen Entwicklung oder der Wirkungsweise des Thalidomids eine Möglichkeit zur Klärung der Frage des Ursachenzusammenhangs bieten kann, sicher ist sie jedoch nicht die einzige. Bei einer Vielzahl von chemischen Stoffen, insbesondere auch bei Arzneimitteln, ist der Wirkungsmechanismus ganz oder weitgehend unbekannt. Trotzdem wird nicht bezweifelt, daß diese Stoffe bestimmte Wirkungen, sei es erwünschter oder unerwünschter Art, haben. Es spräche ferner nicht gegen den festgestellten Ursachenzusammenhang, wenn das Auftreten des Wiedemannsyndroms neben Thalidomid noch mit einem dritten - bisher allerdings unbekannten - Phänomen verknüpft sein sollte. Das gilt zum Beispiel für die Möglichkeit eines zusätzlichen Einflusses genetischer oder sonstiger konstitutioneller Fak497
toren, wie etwa der Zahl der vorausgegangenen Geburten und Schwangerschaften, Krankheiten der Mutter, Schwangerschaftsunterbrechungen oder sonstiger Eingriffe und Störungen während der Schwangerschaft. Zwar läßt sich die Möglichkeit einer mitursächlichen Beteiligung solcher Faktoren nicht sicher ausschließen. Sie würde aber-abgesehen davon, daß es sich nach den vorliegenden Beobachtungen über die Häufung des Wiedemannsyndroms um eine weitverbreitete Eigentümlichkeit des Stoffwechsels handeln müßte, für deren Vorliegen in den meisten Fällen aber keine Anhaltspunkte bestehen - der festgestellten kausalen Verknüpfung des Syndroms mit Thalidomid - und das ist für die rechtliche Beurteilung entscheidend - nicht entgegenstehen. Die Ursächlichkeit des Thalidomids würde nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß es seine schädliche Wirkung nur bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer Faktoren - gleich welcher Art - entfalten kann. Die Möglichkeit, daß ein solcher Drittfaktor in gleicher Weise mit dem Auftreten des Wiedemannsyndroms verknüpft ist wie Thalidomid, gleichwohl aber allein und ohne Mitwirkung von Thalidomid zu den Mißbildungen geführt hat, ist nach allen bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen so außerordentlich unwahrscheinlich, daß sie außer acht gelassen werden kann. Die gleichen Überlegungen gelten auch für sogenannte peristatische Faktoren, das heißt Faktoren in der Umwelt, mit denen die Mutter beziehungsweise ihre Leibesfrucht in Berührung kommen kann. Zu denken ist insoweit etwa an Haushaltsmittel, Nahrungsmittel, Alkoholgenuß, Rauchgewohnheiten, Unfälle, Operationen, Narkosen, Röntgenbestrahlung in der Frühschwangerschaft, Pflanzenschutzmittel und sonstige Chemikalien oder Strahlenbelastung (Fernsehen, Leuchtzifferblätter und anderes). Hier kommt als zusätzliches Argument hinzu, daß kein Faktor unter den genannten und sonst noch denkbaren Faktoren ersichtlich ist, der lediglich während der Zeit der epidemischen Häufung des Dysmeliesyndroms existent war. Alle aufgeführten Faktoren gab es vor dieser Zeit und - wie z. B. Röntgenbestrahlungen - heute zum Teil in noch größerem Umfange. In gleicher Weise ist die Vermutung entkräftet, daß andere Medikamente diese Art von Mißbildungen ausgelöst haben.
111.15 Es ist neben den thalidomidhaltigen Präparaten kein Mittel bekannt, das während der Dysmeliewelle einen deren Ansteigen und Abklingen entsprechenden Umsatz hatte und nicht auch vorher oder nachher rezeptiert wurde. Das gilt auch für die Meclizine, die in dieser Richtung besonders angeschuldigt wurden, aber heute offenbar in noch viel größerem Umfange als vor 1958 in der Frühschwangerschaft zur Anwendung kommen. Für die schon kurz erwähnte, von Hellmann entwickelte und von Prof. Kloos in der Hauptverhandlung vorgetragene Hypothese, es sei denkbar, daß Thalidomid lebenserhaltend wirke, also die Abstoßung mißgebildeter Früchte d u r c h Unterdrückung einer Immunreaktion verhindere, hat die bisherige Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Gegen ihre Richtigkeit sprechen einmal Tierversuche, die wie Prof. Hövels unter Hinweis auf Oettel und Frohberger berichtet h a t - sogar zu dem gegenteiligen Ergebnis geführt haben, daß Thalidomid die Absterbe- und Resorptionsrate nicht verringert, sondern erhöht. A u c h der sachverständige Zeuge Prof. Staemmler hat bekundet, daß er bei Tierversuchen eine Erhöhung der Resorptionsrate festgestellt habe. Außerdem ist die von Hellmann entwickelte Hypothese mit den vor und nach der Thalidomidära gemachten Erfahrungen nicht vereinbar. Es wäre nämlich - diese Hypothese einmal als richtig unterstellt - mit Sicherheit zu erwarten, daß vor und nach dieser Zeit vermehrt Aborte mit typischen Fehlbildungen festgestellt worden wären. Dies hat jedoch nicht einmal Prof. Kloos behauptet, der - mit diesem Vorhalt konfrontiert - hierfür keine Erklärung abgeben konnte. Die Kammer vermag daher dieser Theorie keine Beweiserheblichkeit beizumessen...
Verschulden: vorsätzliches
Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, daß wegen des typischen Erscheinungsbildes und der extremen Seltenheit vergleichbarer Syndrome auch im Einzelfall der Kausalzusammenhang zwischen Thalidomideinnahme und Mißbild u n g e n nachweisbar ist, falls die Mutter in der sensiblen Phase Thalidomid eingenommen hat. 3. Was das Verschulden im Bereich der Nervenschäden angeht, so ist nach dem bisherigen Sachstand der Nachweis vorsätzlichen Handelns, sowohl was den Tatbestand der 499
111.15 bzw. bedingt vorsätzliches Handeln
Fahrlässigkeit
Fahrlässigkeit beim Inverkehrbringen
vorsätzlichen Körperverletzung als auch die insoweit in Frage kommenden Tatbestände des Arzneimittelgesetzes betrifft, nicht erbracht und nicht wahrscheinlich. Die Bejahung des Vorsatzes - auch in der Form des dolus eventualis - w ü r d e voraussetzen, daß die Angeklagten mit der Möglichkeit, nach Contergan-Einnahme könnten trotz der von ihnen getroffenen Maßnahmen weiterhin Polyneuritiden entstehen, positiv gerechnet haben. Demgegenüber ist fahrlässiges Verhalten im Sinne des §230 StGB - für das Arzneimittelgesetz gilt unbeschadet der besonderen Voraussetzungen der insoweit angeklagten Tatbestände Entsprechendes-insofern zu bejahen, als das Gesamtverhalten, wie es aus der Firma C. nach außen in Erscheinung getreten ist, nicht den Anforderungen entspricht, wie sie an einen ordentlichen und gewissenhaften Arzneimittelhersteller zu stellen sind. Was von einem gewissenhaften und ordentlichen Arzneimittelhersteller zu fordern ist, bedarf, soweit es für die Beurteilung des vorliegenden Falles notwendig ist, einer näheren Darlegung. a) Die Kammer setzt voraus, daß der Arzneimittelhersteller jedes Arzneimittel, bei dem nicht schon ausreichende Erfahrungen vorliegen, eingehend pharmakologisch und klinisch prüft, bevor er es in den Handel bringt. Der zu beurteilende Sachverhalt bietet jedoch keine Veranlassung, im einzelnen zu erörtern, wie eine ordnungsgemäße pharmakologische und klinische Prüfung auszusehen hat. Selbst wenn nämlich Thalidomid nicht ausreichend pharmakologisch und klinisch geprüft worden wäre, so wäre ein hierin zu erblickendes schuldhaftes Verhalten für das spätere Auftreten von Nervenschäden nicht als ursächlich anzusehen. Wie die Sachverständigen Prof. Herken, Kuschinsky und Lendle ausgeführt haben, hätte im Falle desThalidomids auch eine ordentliche und gewissenhafte pharmakologische Prüfung das Auftreten von Polyneuritiden nicht notwendigerweise erkennen lassen. Entsprechendes gilt von der klinischen Prüfung, wie schon daraus erhellt, daß auch später unter klinisch kontrollierten Bedingungen bei Langzeitmedikation soweit bisher in der Hauptverhandlung festgestellt - keine Polyneuritis entstanden ist... b) Einer näheren Erörterung bedarf die Frage, wie sich ein
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111.15 Produktbeobachtungshaftung: Fahrlässigkeit bei der Analyse und Auswertung von Schadenmeldungen Verhaltenspflichten bei Kenntnis der Schädlichkeit
Verhaltenspflichten bei Verdacht der Schädlichkeit
ordentlicher und gewissenhafter Arzneimittelhersteller zu verhalten hat, wenn bei ihm Meldungen eingehen, in denen ein von ihm vertriebenes Präparat verdächtigt wird, schädliche Nebenwirkungen zu haben. Dabei ist einmal festzustellen, wann der Arzneimittelhersteller bei Eingehen solcher Meldungen tätig werden muß; sodann ist zu klären, welche Maßnahmen er in diesem Fall zu treffen hat. ba)Es ist selbstverständlich und bedarf keiner eingehenderen Darlegung, daß dem Arzneimittelhersteller grundsätzlich dann eine Offenbarungspflicht obliegt, wenn die schädliche Wirkung seines Präparates feststeht. Ebenso wie nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Arzt bei Eingriffen in die körperliche Integrität des Patienten offenbarungspflichtig ist, ist es auch der Arzneimittelhersteller, weil er durch den Vertrieb eines Gesundheitsschäden verursachenden Medikamentes ebenfalls in die körperliche Integrität des Verbrauchers eingreift. Während sich die Offenbarungspflicht des Arztes in erster Linie daraus ergibt, daß jeder Mensch wegen des ihm zustehenden Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit in die Lage versetzt werden muß, selbst entscheiden zu können, ob er einen Eingriff in seine körperliche Integrität gestatten will, kommt bei der Offenbarungspflicht des Arzneimittelherstellers noch eine weitere Erwägung hinzu: Im Gegensatz zu dem Eingriff des Arztes, der der Gesundheit des Patienten nutzen soll, ist der Eingriff des Arzneimittelherstellers, soweit er durch die unerwünschten Nebenwirkungen eines Arzneimittels verursacht wird, nutzlos und sogar gesundheitsschädlich. Hat aber der Patient nach anerkannter und durchaus richtiger Auffassung schon dann das alleinige Entscheidungsrecht über seine körperliche Unversehrtheit, wenn ihm der Eingriff nützt, so gilt das erst recht, wenn ihm der Eingriff schadet. bb) Das Recht des Patienten oder Arzneimittelverbrauchers, über Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit zu entscheiden, wird aber nicht erst dann berührt, wenn die schädliche Nebenwirkung eines Arzneimittels nachgewiesen ist. Schon wenn auf Grund eines ernst zu nehmenden Verdachts zu befürchten ist, daß ein Medikament auch zu Gesundheitsschäden führt, sieht sich der Verbraucher vor die Entscheidung gestellt, ob er eine Verletzung seiner kör501
111.15
Grundsätzliches Ausreichen eines bloßen Verdachts
502
perlichen Unversehrtheit riskieren will oder nicht. Dieses Entscheidungsrecht des Verbrauchers hat eine entsprechende Offenbarungspflicht des Arzneimittelherstellers zur Folge. Eine Offenbarungspflicht hat der Arzneimittelhersteller aber auch gegenüber dem Arzt, weil dieser mit der Verordnung eines Medikamentes Verantwortung übernimmt und außerdem seinerseits gegenüber seinem Patienten offenbarungspflichtig ist. Dem Arzneimittelhersteller obliegt daneben eine allgemeine Schutzpflicht gegenüber dem Verbraucher, die sich aus folgenden Überlegungen herleitet: Es gibt, wie sämtliche Sachverständige nahezu übereinstimmend dargelegt haben, kein Arzneimittel, das nicht irgendwelche unerwünschte schädliche Nebenwirkungen hat. Der Arzneimittelhersteller, der ein Arzneimittel auf den Markt bringt, schafft daher neben dem Nutzen, den sein Präparat hat, auch eine gewisse Gefahrenquelle. Es ist anerkanntes Recht, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, auch die Pflicht hat, den Eintritt von Schäden zu verhindern. Dem entspricht, daß die deutschen Arzneimittelhersteller immer wieder ihre Eigenverantwortlichkeit hervorgehoben haben und diese Vorstellung auch Eingang in das Arzneimittelgesetz von 1961 gefunden hat. Ein ausreichender Schutz des Verbrauchers ist nicht gewährleistet, wenn der Arzneimittelhersteller erst beim Nachweis der schädlichen Nebenwirkungen seines Präparates Schutzmaßnahmen ergreift. Die Kammer entnimmt den Ausführungen zahlreicher, in der Hauptverhandlung als Sachverständige gehörter Wissenschaftler, daß der Nachweis einer schädlichen Eigenschaft eines Arzneimittels mitunter erst nach geraumer Zeit, manchmal sogar überhaupt nicht zu führen ist. Ist das aber so, dann würde der Schutz des Arzneimittel Verbrauchers allein davon abhängen, ob und wie schnell sich der Nachweis der schädlichen Wirkung führen läßt. Daß dies kein brauchbares Kriterium für die Beantwortung der Frage sein kann, wann der Arzneimittelhersteller zur Verhinderung von Schäden tätig werden muß, liegt auf der Hand, zumal das Erbringen des Nachweises durchaus von Zufälligkeiten abhängen kann.
111.15 Anforderungen an den Grad des Verdachts
Risikoabwägung zwischen Hersteller und Verbraucherinteressen
Die Kammer ist darüber hinaus auch der Auffassung, daß der Arzneimittel hersteller nicht erst dann Schutzmaßnahmen zu treffen hat, wenn der gegen sein Präparat erhobene Verdacht schädlicher Wirkungen wissenschaftlich begründet ist. Dieser von Prof. Läupp/'-und in ähnlicher Form von Prof. Kreienberg - vorgetragenen Ansicht vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn wenn auch Prof. Läuppi keinen Wissenschaft! ichen Nachweis verlangt, so fordert er doch generell eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der fraglichen Nebenwirkungen. Eine derartige, für alle Fälle gleichermaßen Gültigkeit beanspruchende Forderung läßt indes ohne zwingende Notwendigkeit die zu schützenden Interessen des Arzneimittel Verbrauchers unberücksichtigt und bevorzugt in unangemessener Weise die Interessen des Arzneimittelherstellers. Ehe ein Verdacht wissenschaftlich begründet ist, vergeht nämlich, wie sich auch aus dem Gutachten von Prof. Läuppi ergibt, mitunter geraume Zeit. Während dieser Zeit ist das Bestehen der Nebenwirkungen in der Schwebe: Es kann sein, daß sich der Verdacht als unbegründet erweist; es ist aber auch möglich, daß das Präparat die behauptete Nebenwirkung hat und entsprechend zu Schäden bei den Verbrauchern führt. In einem derartigen Schwebezustand muß bei gegensätzlichen Interessen das Risiko naturgemäß auf einer Seite liegen, wenn es sich nur schwer oder gar nicht teilen läßt: Der Arzneimittelhersteller, der den Vertrieb seines Präparates einstellt oder durch Einführung der Rezeptpflicht oder durch Warnhinweise möglicherweise einschränkt, geht für den Fall, daß sich der Verdacht nicht bestätigen sollte, das Risiko eines finanziellen Verlustes ein; der Verbraucher hingegen, der über die Nebenwirkung eines Präparates nicht unterrichtet und auch durch eine wirksame Kontrolle des Arztes nicht geschützt ist, riskiert die Schädigung seiner Gesundheit, unter Umständen sogar sein Leben für den Fall, daß sich der Verdacht bestätigen sollte. Es kann nach Auffassung der Kammer keinem Zweifel unterliegen, daß das Interesse des Verbrauchers, sich durch die Einnahme eines Arzneimittels keiner Schädigung seiner Gesundheit auszusetzen, dem Interesse des Arzneimittelherstellers an einem uneingeschränkten Vertrieb seines Präpa503
111.15 rates vorzugehen hat. Die Gesundheit ist das höherwertige Rechtsgut. Der Arzneimittelhersteller kann das Risiko auch viel besser übersehen als der Verbraucher. Der Verbraucher, der über etwaige Nebenwirkungen eines Präparates nicht unterrichtet ist, kennt die Gefahr, indie ersieh möglicherweise mit der Einnahme eines Arzneimittels begibt, überhaupt nicht. Er hat deshalb keine Möglichkeit, sich vor etwaigen Gesundheitsschäden zu schützen. Der Arzneimittelhersteller hingegen kann durch eingehende Prüfung der Substanz vor der Ausbietung schon einen erheblichen Teil der Nebenwirkungen erkennen und den Einsatz des Mittels von vornherein so einschränken, daß er normalerweise später keinen besonderen Gefahren ausgesetzt ist. Die Kammer verkennt nicht, daß es auch Arzneimittel geben mag, deren Nebenwirkungen nicht schon in der experimentellen und klinischen Prüfung erkannt werden können, weil sie sich erst nach breiter Anwendung des Mittels beim Menschen zeigen. Aber auch in diesem Fall ist das Risiko des Arzneimittelherstellers geringer als das des Verbrauchers. Der Arzneimittelhersteller, der bei Auftauchen des Verdachts von Nebenwirkungen die für die Abwehr etwaiger Gefahren geeigneten Maßnahmen trifft, riskiert zunächst nur die Einschränkung des Vertriebs seines Mittels. Falls sich der Verdacht später bestätigt, ist diese Einschränkung naturgemäß zu Recht erfolgt. Aber auch wenn sich der Verdacht nicht als richtig erweisen sollte, braucht der Hersteller normalerweise nur mit vorübergehenden Einbußen zu rechnen. Beim Verbraucher hingegen können, falls das Mittel die behauptete Nebenwirkung tatsächlich hat, bereits bleibende gesundheitliche Schäden eingetreten sein, ehe der Verdacht als wissenschaftlich begründet angesehen werden kann. Alle diese Gründe lassen es nach Auffassung der Kammer zwingend geboten erscheinen, während des aufgezeigten Schwebezustandes das Risiko dem Arzneimittelhersteller aufzuerlegen. Handeln bei bloßem Verdacht und Verunsicherung 504
Die Kammer übersieht dabei nicht, daß dem Verbraucher gegebene Warnhinweise - worauf insbesondere Prof. Kreienöerghingewiesenhat-auchzueinerVerunsicherungdes Verbrauchers führen können. Doch ist diese Gefahr zumin-
111.15 des Verbrauchers
Adressat von Warnhinweisen: Arzt/ Verbraucher
Rezeptpflichtige freiverkäufliche Präparate
Verhaltenspflichten bei bloßem Verdacht
Erfordernis der Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalles: Bewertungsgewichte
dest bei ersetzbaren Arzneimitteln nicht sehr hoch zu veranschlagen, weil der Verbraucher, falls er infolge gegebener Warnhinweise Bedenken hat, ein bestimmtes Mittel weiter zu nehmen, auf therapeutische gleichwertige, aber unschädliche Präparate ausweichen kann. Auch die Gefahr, daß wegen etwaiger, durch Warnhinweise verursachter Bedenken des Verbrauchers gegen ein Präparat die Therapie des Arztes beeinträchtigt werden könnte auch hierauf hat Prof. Kreienberg hingewiesen - schätzt die Kammer nicht als so hoch ein, daß sie es für vertretbar halten würde, den Verbraucher über etwaige Nebenwirkungen eines Präparates generell in Unkenntnis zu lassen. Esmagzwar Fälle geben, in denen sich die gegenüber dem Verbraucher gebotenen Maßnahmen auf den Hinweis, die Verordnung des Arztes zu beachten, beschränken müssen und können. Doch ist dies nur denkbar, wenn die Kontrolle des Arztes gewährleistet ist, also das Präparat unter Rezeptpflicht steht und der Arzt seinerseits über den bestehenden Verdacht und alle damit zusammenhängenden Fragen umfassend unterrichtet ist. Hieraus folgt, daß zumindest bei freiverkäuflichen Präparaten, die auch ohne ärztliche Empfehlung und Kontrolleeingenommen werden können, auf eine Unterrichtung des Verbrauchers nicht verzichtet werden kann. Eine Risikoverteilung zu Lasten des Arzneimittelherstellers, wie sie die Kammer nach den vorstehenden Ausführungen für geboten hält, hat zwingend zur Folge, daß der Arzneimittelhersteller immer dann tätig werden muß, wenn es der Schutz des Verbrauchers erfordert. Das wird aus den genannten Gründen in der Regel nicht erst dann der Fall sein, wenn der gegen sein Präparat erhobene Verdacht wissenschaftlich begründet ist. Vielmehr wird grundsätzlich schon bei einem geringeren Grad an Verdacht ein Handeln des Arzneimittelherstellers notwendig sein. Im allgemeinen wird man hierfür einen durch mehrere ernst zu nehmende Meldungen verstärkten Verdacht fordern, aber auch ausreichen lassen müssen. Doch liegt es in der Natur der Sache, daß sich ein generell gültiger Maßstab, an dem der Grad des Verdachtes im Einzelfall gemessen werden könnte, nicht angeben läßt, weil von Fall zu Fall unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden müssen. 505
111.15 Schwere des Gesundheitsschadens
Dauer des Gesundheitsschadens
So ist die Schwere des behaupteten Gesundheitsschadens von wesentlicher Bedeutung. Der Arzneimittelhersteller muß um so eher handeln, je schwerer die Schäden sind, die sein Präparat möglicherweise verursacht. Bei leichten Schäden mag es im Einzelfall vertretbar sein, daß der Arzneimittelhersteller zunächst versucht, den Verdacht durch gezielte Prüfungen zu widerlegen, und erst dann Maßnahmen ergreift, wenn ihm das nicht gelingt und auf Grund zahlreicher Meldungen eine größere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Verdacht zutreffend ist. Bei schweren Schäden müssen Schutzmaßnahmen schon bei vergleichsweise geringen Verdachtsmomenten getroffen werden. Besonders schwere Schäden, wie zum Beispiel Mißbildungen, zwingen den Arzneimittelhersteller schon dann zum Handeln, wenn nur die - mitunter sogar entfernte - Möglichkeit besteht, daß sich der geäußerte Verdacht als richtig erweist. Bedeutsam kann im Einzelfall auch sein, ob die aufgetretenen Schäden schnell oder langsam wieder abklingen oder als therapieresistent oder irreversibel bezeichnet werden. Bei langwierigen Beschwerden oder sogar irreparablen Schäden muß der Arzneimittelhersteller naturgemäß eher eingreifen als bei flüchtigen, rasch abklingenden Störungen.
Häufigkeit des Auftretens derartiger Schäden
Von Bedeutung ist ferner die Häufigkeit der Schäden. Treten diese mit Regelmäßigkeit oder doch in zahlreichen Fällen auf, so ist der Arzneimittelhersteller bei einem geringeren Grad an Verdacht zum Handeln verpflichtet, als wenn die Schäden nur vereinzelt oder nur in besonderen Ausnahmefällen beobachtet werden.
Therapeutischer Wert des Präparates
Wesentlich ist schließlich auch der therapeutische Wert des Präparates. Bei therapeutisch wertvollen oder sogar lebensnotwendigen und unersetzbaren Arzneimitteln können schwerere Schäden in Kauf genommen werden, als bei weniger wichtigen und leicht ersetzbaren Medikamenten. Entsprechend wird der Arzneimittelhersteller bei den zuerst genannten Präparaten einschneidende Maßnahmen erst zu treffen haben, wenn ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der bestehende Verdacht richtig ist. Mitunter mag es das Interesse des Patienten, das immer im Vordergrund zu stehen hat, sogar verlangen, daß ein Mittel we-
506
111.15
Zusammentreffen mehrerer Faktoren Erfordernis der Bewertung sämtlicher Einzelfallumstände
Normalfallbeurteilung: Handlungspflicht bei verstärktem Verdacht Art der zu treffenden Maßnahmen
gen seines besonderen therapeutischen Wertes trotz nachgewiesener schwerer Nebenwirkungen - wenn auch unter strengen Vorsichtsmaßnahmen - weiter vertrieben wird. Demgegenüber ist bei weniger wichtigen und leicht ersetzbaren Medikamenten ein vergleichsweise geringeres Maß an Wahrscheinlichkeit zu fordern. Auch eine unterschiedliche Kombination der aufgezeigten Gesichtspunkte kann i. Einzelfall den Grad des Verdachtes i. Sinne geringerer oder höherer Anforderungen beeinflussen. Läßt sich nach alledem nicht generell verbindlich festlegen, wann ein Arzneimittel hersteller bei Eingehen von Nebenwirkungsmeldungen tätig werden muß, so kann das von einem ordentlichen und gewissenhaften Arzneimittelhersteller zu fordernde Verhalten nur dahingehend umrissen werden, daß er jeweils von Fall zu Fall unter Beachtung der genannten Kriterien und unter besonderer Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Verbrauchers eingehend prüfen muß, wann ihn ein gegen sein Präparat erhobener Verdacht zwingt, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Im Normalfall wird das - wie gesagt - bei einem verstärkten Verdacht der Fall sein. Immer hat bei der Prüfung der Gedanke im Vordergrund zu stehen, daß der Arzneimittelhersteller, wenn es sich um Nebenwirkungen eines Arzneimittels handelt, besonders sorgfältig und gewissenhaft sein muß, um Schäden abzuwenden. Auch die Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen der Arzneimittelhersteller zu treffen hat, hängt entscheidend davon ab, wie sich der Schutz des Verbrauchers am besten verwirklichen läßt. Demzufolge sind Maßnahmen mehr interner Art, wie etwa die Einleitung oder Durchführung von Tierversuchen oder die Beauftragung einer als sorgfältig bekannten Klinik mit gezielten Untersuchungen, bei der Beurteilung der hier interessierenden Problemstellung nur von untergeordneter Bedeutung, weil sie in erster Linie auf die Klärung der Ursachenfrage abzielen und keine unmittelbare Sofortwirkung nach außen haben. Als Maßnahmen, die unmittelbar dem Schutz des Verbrauchers dienen, sind im wesentlichen zu nennen: eine ausreichende Unterrichtung von Ärzten und Verbrauchern, die Einführung der Rezeptpflicht und die Zurückziehung des Mittels vom Markt. Welche die-
507
111.15 Abhängigkeit von den Einzelfallumständen Verbraucherwarnung bei rezeptfreien Präparaten
Arztwarnung bei rezeptpflichtigen Präparaten Ergänzende Arztwarnung bei rezeptfreien Präparaten
Inhalt und Form von Warnhinweisen
508
ser Maßnahmen im Einzelfall in Betracht kommen, läßt sich ebenfalls nicht generell beantworten, weil die Entscheidung auch insoweit durch von Fall zu Fall unterschiedliche Faktoren bestimmt wird... Die Unterrichtung des Verbrauchers ist zumindest bei rezeptfreien Arzneimitteln unerläßlich, weil hier die Kontrolle des Arztes fehlt oder fehlen kann und deshalb der notwendige Schutz des Verbrauchers und sein Entscheidungsrecht nur bei einer selbständigen Unterrichtung des Verbrauchers gewährleistet sind... Selbstverständliche Voraussetzung hierfür ist, daß der Arzt, wie es im Falle der Rezeptpflicht ohnehin generell unentbehrlich ist, seinerseits ausreichend unterrichtet ist. Der Zweck der Rezeptpflicht, die durch Einschaltung der ärztlichen Kontrolle einen erhöhten Schutz des Verbrauchers erreichen will, wäre gefährdet oder überhaupt nicht verwirklicht, wenn der Arzt über die Schädlichkeit eines Arzneimittels nicht informiert wäre. Aber auch bei rezeptfreien Präparaten kann auf eine Unterrichtung des Arztes nicht verzichtet werden, und zwar selbst dann nicht, wenn schon Warnhinweise für den Verbraucher gegeben werden. Zwar vermag der Arzt hier eine Kontrollfunktion nur dann auszuüben, wenn sich der Verbraucher an ihn wendet und er - der Arzt - die Einnahme des Mittels überwachen kann. Ist er indes in diesem Fall über Nebenwirkungen nicht unterrichtet, so kann dies für den Verbraucher durchaus zu einem zusätzlichen Gefahrenmoment werden. Denn es ist denkbar, daß der Verbraucher der Empfehlung oder Anweisung des ihm möglicherweise vertrauten Arztes folgt und den Warnhinweis des für ihn anonymen Arzneimittelherstellers unberücksichtigt läßt. Beachtet der Verbraucher demgegenüber die Warnung des Herstellers und handelt er demzufolge dem Rat des Arztes zuwider, so ist in der Tat die Therapie des Arztes gefährdet. All das läßt sich vermeiden, wenn der Arzt auch bei rezeptfreien Präparaten ausreichend über Nebenwirkungen informiert wird. Die danach unter Berücksichtigung der genannten Einschränkung unerläßliche Unterrichtung sowohl des Arztes als auch des Verbrauchers muß nach Inhalt und Form ausreichend sein.
111.15 Klarer und deutlicher Gefahren- und Gefahrabwendungshinweis
So muß der Arzneimittelhersteller vor allem klar und deutlich und für den Laien verständlich die Gefahren aufzeigen, welche die Einnahme des Medikamentes mit sich bringen kann, damit Arzt und Verbraucher entscheiden können, ob und wie lange sie die Anwendung des Mittels wagen wollen. Auch muß, falls der Arzneimittel hersteller nichtdie Zurückziehung des Mittels vom Markt vorzieht, bei rezeptpflichtigen ebenso wie bei frei verkäuflichen Mitteln, eine sichere Möglichkeit zur Vermeidung der Schäden angegeben werden, wobei die Kammer auf die schon weiter oben erwähnte Einschränkung bei leichten, in Kauf zu nehmenden Störungen verweist. Schließlich muß die Information frei von irreführenden oder bagatellisierenden Angaben und Zusätzen sein, weil sonst ihr Schutzzweck gefährdet ist.
Ins Auge fallende Aufmachung
Was die Form der Unterrichtung angeht, so ist zu fordern, daß die Warnung im Beipackzettel in einer auffallenden Weise kenntlich gemacht wird. Außerdem muß durch eine besondere Gestaltung der Verpackung - etwa durch Änderung der Farbe, besser noch durch ausdrücklichen Hinweis - sichergestellt werden, daß die Beipackzetteländerung auch zur Kenntnis genommen wird. Das ist insbesondere nötig, wenn es sich um ein Medikament handelt, bei dem ein Dauerverbrauch in Frage kommt, weil gerade die besonders gefährdeten Dauerverbraucher erfahrungsgemäß nicht bei jeder neu gekauften Packung den Beipackzettel neu durchlesen. Die Ärzte, die bei der Fülle der ihnen zur Verfügung stehenden Arzneimittel ohnehin nicht jede Änderung von Beipackzetteln verfolgen können, müssen außerdem durch deutlich zu kennzeichnende Neufassung des Basisprospektes und durch ein oder notfalls mehrere Informationsschreiben unterrichtet werden. Diese Informationsschreiben müssen sich eindeutig von Werbeaussendungen unterscheiden, weil sonst die Gefahr besteht, daß sie ungelesen weggeworfen werden. Wie diese Unterscheidung am zweckmäßigsten vorzunehmen ist, läßt sich nicht abschließend beantworten. Zu denken wäre etwa an einen verschlossenen Brief, der durch besondere Farbe oder durch einen besonderen Aufdruck - zum Beispiel: „Wichtige Information über Nebenwirkungen! Bitte beachten!" - v o n sonstigen Aussendungen absticht.
Besonderer Hinweis für Ärzte
Unterscheidung von Werbematerialien
509
111.15 Wendet man die vorstehend skizzierten Gesichtspunkte auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich, daß Ärzte und Verbraucher über den gegen Contergan geäußerten Verdacht, das Mittel könne bei längerer Medikation zu Polyneuritiden führen, und die sich hieraus ergebenden Bedenken und Konsequenzen nicht rechtzeitig und nach Form und Inhalt nicht ausreichend informiert worden sind [wird im einzelnen ausgeführt]. Das Gesamtverhalten, wie es aus der Firma C. nach außen hin in Erscheinung getreten ist, entsprach nach alledem nicht den an einen ordentlichen und gewissenhaften Arzneimittelhersteller zu stellenden Anforderungen, wobei allerdings in der Hauptverhandlung noch nicht geprüft worden ist, ob dies in jedem Einzelfall für die Entstehung einer Polyneuritis ursächlich war.
Anmerkung
Kausalitätsnachweis: Zivilprozessuale Aspekte
510
1. Zu den strafrechtlichen Fragen im Bereich der Tatbestandsmäßigkeit und der Verursachung, die der obige Beschluß aufwirft, vgl. Kaufmann, JZ 1971/569ff. 2. In zivilrechtlicher Sicht sind zunächst die Ausführungen zur Frage des Kausalzusammenhangs zwischen dem Wirkstoff Thalidomid und dem Entstehen von Mißbildungen wichtig. Der Unterschied zwischen strafrechtlichem und Zivi¡rechtlichem Kausalitätsbegriff wirkt sich hier m. E. nicht aus. Die im Rahmen der strafrechtlichen Entscheidung erfolgten Ausführungen können voll auf die vergleichbare zivilrechtliche Fragestellung übertragen werden. Im Arzneimittel-Haftungsrecht muß zwischen genereller Kausalität und individueller Kausalität unterschieden werden. Die Ausführungen des obigen Beschlusses beschäftigen sich ausschließlich mit der Frage der generellen Kausalität, d.h. dem Problem, ob der Wirkstoff Thalidomid allgemein geeignet war, Mißbildungen der fraglichen Art zu verursachen. Zwar lag der direkte Beweis nicht vor, weil unter klinisch kontrollierten Bedingungen ein Entstehen von Polyneuritis auf-
(Anm.) 111.15
Generelle Kausal ität Individuelle Kausalität
grund der Einnahme des Wirkstoffs Thaiidomid nicht nachweisbarwar. Die Kausalitätsfrage wurde aber auf grund einer Wertung von Indizien bejaht, indem mehrere unter unterschiedlichen Aspekten erfolgte Beobachtungen zusammenfassend als das Gericht überzeugenden Hinweis auf das Bestehen dieses Kausalzusammenhangs bewertet wurden. Im Rahmen der generellen Kausalität handelt es sich also um die Frage, ob der Wirkstoff überhaupt fähig ist, die fraglichen Mißbildungen auszulösen. Erst wenn diese Frage bejaht ist, stellt sich die anschließende Frage der individuellen Kausalität, ob die betreffende Mißbildung auch tatsächlich im individuellen Fall durch den betreffenden Wirkstoff ausgelöst wurde. Dazu muß man sich vor Augen halten, daß in der Medizin häufig bestimmte Symptome eine Fülle von Ursachen haben können. Selbst wenn die generelle Kausalität eines Wirkstoffs für bestimmte Mißbildungen nachgewiesen ist, kann es durchaus sein, daß trotz Vorliegens dieser Symptome die individuelle Kausalität zu verneinen ist: diese Sachlage ist gegeben, wenn im Einzelfall einer der anderen für die Auslösung derartiger Mißbildungen in Betracht kommenden Faktoren gegeben war. Im Hinblick auf die häufig gegebene Erklärbarkeit eines bestimmten Symptoms mit mehreren Ursachen muß also zunächst auf der Stufe der generellen Kausalität bei den zur Verfügung stehenden Beobachtungs fällen jeweils die ernsthafte Möglichkeit ausgeschaltet werden, daß bei den Beobachtungspersonen die betreffenden Symptome durch andere Ursachen ausgelöst wurden. Ist dies auf der Stufe der generellen Kausalität gelungen, muß anschließend auf der Ebene der individuellen Kausalität ebenfalls der Nachweis geführt werden, daß bei dem betreffenden Arzneimittelgeschädigten die übrigen an sich denkbaren Verursachungsfaktoren entfallen.
Verschulden: zivilrechtliche Aspekte
3. Der Verschuldensbegriff des Strafrechts unterscheidet sich fundamental von dem des Zivilrechts, indem es im Strafrecht nicht auf die typisierende Bewertung (§276 BGB: „im Verkehr erforderliche Sorgfalt"), sondern auf das individuelle Verschulden ankommt. Prozessual kommt hinzu, daß im Zivilrecht sowohl gegenüber dem industriellen Hersteller-Unternehmen (1.58) als auch gegenüber den leitenden 511
111.15 (Anm.) Angestellten (1.86) das Verschulden vermutet wird, es also Sache der Beklagten ist, den Entlastungsnachweis anzutreten, daß sie kein Verschulden trifft: im Rahmen eines Strafverfahrens muß dagegen die Schuld des Angeklagten bzw. Beschuldigten voll nachgewiesen werden. Im obigen Fall haben diese Unterschiede aber m. E. keine Rolle gespielt. Die das strafrechtliche Verschulden betreffenden Ausführungen können unmittelbar übertragen werden auf die zivilrechtliche Verschuldenfrage. Läßt man die Frage der Beweislastverteilung heraus, hätte m. E. ein Zivilgericht im Fall einer Schadensersatzklage auf der Grundlage des vom LG Aachen festgehaltenen Sachverhalts ein im Sinn des Zivilrechts fahrlässiges Verhalten mit genau den gleichen Überlegungen bejaht. Im folgenden werden deshalb die Ausführungen des LG Aachen unter zivil rechtlichen Aspekten gewürdigt:
Verschulden beim Inverkehrbringen?
Entwicklungsgefahr
Produktbeobachtungshaftung
a)ln dem Zeitpunkt, in dem das Mittel Contergan in den Verkehr gebracht wurde, lag ein Verschulden nicht vor. Das Gericht betont ausdrücklich, daß nach dem im Zeitpunkt der Konzeption und des Inverkehrbringens maßgeblichen Stand der Fachkenntnisse das Auftreten von Polyneuritiden auch bei einer ordentlichen und gewissenhaften pharmakologischen Prüfung nicht notwendigerweise erkennbar gewesen wäre. Zivilrechtlich handelte es sich also um eine sog. Entwicklungsgefahr: rückblickend gesehen, d. h. aufgrund des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegebenen Tatsachenwissen war zwar der Vertrieb des Mittels ohne Hinweis auf die Gefahr von Nervenschäden bzw. Mißbildungen ein Produktfehler; mangels Bekanntseins dieser Gefahr entfiel aber das Verschulden. b) Trotzdem bejaht das Gericht die (strafrechtliche) Fahrlässigkeit mit Überlegungen, die zivilrechtlich als Produktbeobachtungshaftung zu qualifizieren wären (vgl. auch Anm. zu 11.68). Wie gesagt sind m.E. die strafrechtsorientierten Ausführungen des Gerichts voll übertragbar auf die entsprechende zivilrechtliche Problematik. Danach ist auch für die Frage der zivilrechtlich im Rahmen der Produktbeobachtungshaftung bestehenden Hersteller-Gefahrabwendungspflichten folgendes festzuhalten: ba) Nicht
512
erst bei nachgewiesener
Gefährlichkeit
des
Medi-
(Anm.) 111.15 Handlungspflicht des Arzneimittelherstellers bereits bei bloßem Verdacht Anforderungen an die Begründetheit des Verdachts
kaments besteht eine Offenbarungsbzw. Warnverpflichtung des Arzneimittel-Herstellers; dies ist vielmehr bereits dann der Fall, wenn ein ernstzunehmender Verdacht besteht, daß das Medikament zu Gesundheitsschäden führt. bb) Ob bereits bei einem ernsthaften Verdacht eine derartige Warnverpflichtung entsteht, hängt wesentlich von der Schwere des behaupteten Gesundheitsschadens ab: der Arzneimittelhersteller muß um so eher handeln, je schwerer die Schäden sind, die sein Präparat möglicherweise verursacht. Das Gericht betont ausdrücklich, daß bei besonders schweren Schäden wie z.B. Mißbildungen schon die „mitunter sogar entfernte Möglichkeit, daß sich der geäußerte Verdacht als richtig erweist", genügen kann.
Relevanz der Dauer der Gesundheitsschädigung
bc) Weiterhin bedeutsam ist, ob es sich um vorübergehende oder therapieresistente bzw. irreversible Auswirkungen handelt: bei langwierigen Beschwerden oder erst recht bei irreparablen Schäden muß der Arzneimittelhersteller eher eingreifen als bei flüchtigen, rasch abklingenden Störungen.
Relevanz der Häufigkeit des Auftretens derartiger Schäden
bd) Ebenfalls wichtig ist die Häufigkeit der Schäden: treten die Schäden nur vereinzelt oder nur in besonderen Ausnahmefällen auf, muß der Verdacht relativ fundiert sein, während bei zahlreichem Auftreten der Schäden bereits ein geringerer Verdachtsgrad genügt.
Therapeutischer Wert des Präparates
Erfordernis der Bewertung sämtlicher Einzelfallumstände
be) Von wesentlicher Bedeutung ist weiterhin der therapeutische Wert des Präparates: bei therapeutisch wertvollen oder sogar lebensnotwendigen und unersetzbaren Arzneimitteln können schwerere Schäden in Kauf genommen werden als bei weniger wichtigen und leicht ersetzbaren Medikamenten, so daß bei letzteren bereits ein geringeres Maß an Wahrscheinlichkeit genügt, um eine Warnpflicht auszulösen. bf) Die vorstehenden Faktoren dürfen nicht isoliert betrachtetwerden. Vielmehr hat eine Gesamtbewertung zu erfolgen, bei der alle vorstehenden Faktoren zusammenfassend berücksichtigt werden.
513
111.16
111.16: LG Augsburg, 17. 9.1974, 2 O 354/72 (Gasverpuffung)
Beim Einschalten einer Taschenlampe durch den Kläger in einem Kellerraum hatte sich eine mit einer Stichflamme verbundene Gasverpuffung ereignet. Der Kläger forderte von der Beklagten Schadensersatz wegen erlittener Brandverletzungen.
Stand der Technik
Überbetriebliche Regelwerke (DVGW-Regeln)
514
Ursache f ür dieZündung der Gasverpuffung waren undichte Stellen in der städtischen Gasleitung. Die Beklagte trifft die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der von ihr betriebenen Gasanlage samt dem dazugehörigen Rohrleitungsnetz. Die bei der Umstellung von feuchtem Stadtgas auf trockenes Erdgas akut werdende Gefährlichkeit der Stemmuffenverbindung ist auch in der einschlägigen Literatur ein immer wieder behandeltes Thema. Dieser Fragenkreis hätte der Beklagten bis in die Einzelheiten bekannt sein können. Die Beklagte hat es unterlassen, in der Anschlußleitung, nämlich der Verbindung von der Hauptversorgungsleitung zum Endverbraucher die vorhandenen Stemmuffen zu sichern. Damit hat die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügt. Denn damit beließ sie in der Anlage zur Fortleitung des Gases bis zum Endverbraucher ein Glied, das mit als das schwächste bekannt gewesen ist und das durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen hätte abgesichert werden können. Dem Problem der Austrocknung der Stemmuffenverbindung im Fall der Umstellung von Stadtgas auf Erdgas muß vor der Umstellung durch entsprechende Präparierung der Leitung oder sonstige Maßnahmen begegnet werden. Diese Forderung ist im Arbeitsblatt G 580 (Januar 1967) „Empfehlungen und Hinweise für die Umstellung der Gasverteilungsanlagen und der Gas-Straßenbeleuchtung von Stadt- und Ferngas auf Erdgas", herausgegeben vom Deutschen Verein von Gas- und Wasserfachmännern e.V., zu entnehmen. Wenn auch diese im Regelwerk des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern e.V. zusammengefaßten technischen Normen keine Rechtsnormen sind und sie deshalb auch keine rechtlichen Sorgfaltsgebote enthalten (vgl. Lenckner in: Festschrift für Engisch, 1969, S.490, 494) die-
111.16
Verhältnis zwischen Stand der Technik und Regelwerk
Sorgfaltsanforderungen: Stand der Technik
Grundsatz der Verhältnismäßig-
nen sie dennoch auch - und darin liegt in besonderer Weise ihr juristischer Gehalt - dem Bedürfnis nach Sicherheit vor Gefahren, denen der Mensch gerade durch die Technik in erhöhtem Maße ausgesetzt ist. Wegen der hohen Qualität der gebräuchlichen Regelwerke spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, daß die in den Regelwerken enthaltenen Normen zugleich den rechtlichen Sorgfaltsanforderungen gerecht werden (Lenckner, aaO. S.498). Inhalt des gesamten Arbeitsblattes ist kurz gefaßt, den Stemmuffenverbindungen besonderes Augenmerk zuzuwenden und bei der Umstellung von feuchtem Stadtgas auf trockenes Erdgas wegen der Austrocknung der Stemmuffen-Dichtungen für einen Übergangszeitraum Befeuchtungseinrichtungen zu betreiben. Auf weite Sicht werden besondere Dichtungsmaßnahmen an Stemmuffen empfohlen. Damit entsprechen die Sorgfaltsanforderungen dem üblichen rechtlichen Sorgfaltsmaßstab, der über die objektive Voraussehbarkeit und die Vermeidbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolges bestimmt wird. Gleichzeitig läßt sich über die Kriterien der objektiven Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit unter Berücksichtigung der zu meisternden Gefahr und eines maßvoll erlaubten Risikos feststellen, daß den Verkehrssicherungspflichten, die bei der Umstellung eines noch Stemmuffenverbindungen aufweisenden Gasrohrnetzes von feuchtem Stadtgas auf trockenes Erdgas zu beachten sind, nur derjenige eine solche Gasanlage Betreibende nachkommt, der die Stemmuffenverbindungen durch besondere Dichtungsmaßnahmen sichert oder eine neue Leitung ohne Stemmuffenverbindungen verlegt. Zum Zeitpunkt der Umstellung - Oktober 1970 - und der Vorbereitung für diese Umstellung war die Problematik der Umstellung von feuchtem Stadtgas auf trockenes Erdgas im Hinblick auf die Stemmuffenverbindung bekannt. Bekannt waren auch die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, die im Befeuchten und Benetzen des Gases und der Absicherung der Muffenverbindungen bestehen. Von diesen Möglichkeiten hätte auch die Beklagte Bescheid wissen müssen. Die Beklagte hätte wegen der durch ausströmendes Gas drohenden Gefahr zu einem der Absicherung der Stemmuf515
111.17 keit zwischen Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahmen
fenverbindung dienenden Verfahren greifen müssen. Dabei war es gerade wegen der Gefährlichkeit ausströmenden Gases notwendig, das sicherste Mittel zu wählen. Als das sicherste Mittel stellt sich abgesehen von der Neuverlegung einer Leitung die Sicherung der Stemmuffen mit Zusatzdichtungen dar. Hätte die Beklagte zu derartigen Mitteln gegriffen, wäre der Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.
111.17: LG XY2, 1. 1. 1975, 33 O 21/73 (Ventil)
Vorbemerkung: Das Landgericht existiert nicht. Datum und Aktenzeichen sind fingiert. Der Sachverhalt wurde abgeändert, indem ein anderes Produkt und eine andere Fehlerquelle gewählt wurden. Das Originalurteil liegt mir vor. Der Grund für diese Bearbeitung ist, daß auf Wunsch des beklagten Herstellers nicht erkennbar sein soll, um welches Gericht und um welches Produkt es sich gehandelt hat. Andererseits betrifft die Entscheidung eine grundsätzliche Problematik, die in der letzten Zeit immer wichtiger geworden ist. Deshalb erfolgt der Abdruck in der folgenden Sonderbearbeitung, der ein rechtlich gleichwertiger fingierter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Die Rechtsausführungen sind original übernommen, so daß das Urteil präjudiziell verwertbar ist. Sachverhalt: Durch das Bersten eines Warmwasserboilers wurde das Haus der Kläger am 5.10. 1971 von erheblichen Wasserschäden betroffen. Ursache war ein von der Beklagten hergestelltes Druckminderventil, das der Regulierung des Wasserdrucks hinter dem Hauptabsperrschieber der Wasserleitung dient. Durch Verschleißerscheinungen war es zu einem unzulässigen Überdruck in dem Warmwasserboiler gekommen. Der Einbau des Druckminderventils erfolgte durch einen örtlichen Handwerker. Die Beklagte hatte die Produktion des Ventils im März 1961 eingestellt. Ab 1965, insbesondere im Jahre 1969, hatte die 516
111.17 Beklagte in einer Großaktion die in Betracht kommenden Handwerker mittels Rundschreibens auf die durch die Verschleißerscheinungen bedingte, nur beschränkte Lebensdauer der vor 1960 hergestellten Ventile hingewiesen. Diese Rundschreiben wurden allerdings weder an Endabnehmer versandt noch den Handwerkern direkt zugestellt. Vielmehr bediente sich die Beklagte der Mithilfe der Firma X. Diese vertreibt Warmwasserbehälter und versieht ihre Vertriebsstellen mit Kundendienstzeitschriften. Die von der Beklagten abgefaßten Rundschreiben wurden diesen Kundendienstzeitschriften beigegeben. Auch der Handwerker, der seinerzeit das Ventil bei den Klägern installiert hatte, gehört zu den Vertriebsstellen der Firma X. Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB)
Warnverpflichtung des Herstellers bei späterer Erkenntnis der Gefährlichkeit des Produkts
Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern den aus dem Unfall vom 5.10.1971 entstandenen Sachschaden zu erstatten. Sie hat fahrlässig Eigentum beider Kläger verletzt (§§823, 278 BGB). Die Beklagte haftet aus dem Gesichtspunkt der sog. Produzentenhaftung in Anwendung über die Vorschriften über die unerlaubte Handlung. Mangelnde Testversuche bzw. eine ungenügende Erprobung des hier strittigen Ventils können der Beklagten (allerdings) nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das fragliche Ventil war infolge im Zeitpunkt der Produktion nicht bekannter Verschleißerscheinungen in seiner Lebensdauer beschränkt und deshalb nach Ingebrauchnahme - abhängig von der Beanspruchung - gefahrenträchtig. Die Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, im Rahmen ihrer sog. „Warnpflicht" die Benutzer - soweit möglich durch geeignete Maßnahmen auf die bestehende Gefahrenquelle hinzuweisen. Unstrittig ist, daß als Folge der spezischen Gefahrenträchtigkeit des hier verwendeten Ventils (Undichtigkeit) die schadensauslösende Explosion veranlaßt worden ist.
Inhaltliche und formale Anforderungen an Warnhinweise
Zu entscheiden ist, ob die Beklagte geeignete Maßnahmen zur Vermeidung des Unfalls getroffen hat und ob ihr aus einem etwaigen Unterlassen der Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden kann (§276 BGB). Die von der Beklagten in Umlauf gebrachten Rundschreiben sind nach Ansicht des Gerichts sowohl nach dem Inhalt als auch nach der Art ihrer Verbreitung nicht geeignet gewesen,
Konstruktionshaftung?
Entwicklungsgefahr
517
111.17
Unzulässigkeit der Einbettung in Werbematerial bzw. werbeorientierte Hinweise
Art der Verteilung
Inhaltliche Anforderungen
518
eine wirksame Beseitigung der Gefahrenquelle zu erreichen. Zwar ist das Gericht nicht der Auffassung, daß von einer „Berstgefahr" der Wasserbehälter ausdrücklich hätte gesprochen werden müssen. Die Hinweise richten sich an Fachleute, und diesen ist bekannt, daß das Bersten von Wasserbehältern die notwendige Folge eines Überdrucks ist. Jeder der Rundbriefe enthält aber neben der sachlichen Information Formulierungen, die der Werbung dienen und auch so verstanden werden müssen, sei es, daß auf die Anzahl der zwischenzeitlich vertriebenen Ventile hingewiesen wird, sei es, daß die Vorteile eines neuen Systems oder die internationale Bedeutung der Beklagten überhaupt angepriesen wird. Diese Sendungen müssen notwendig die Beachtung des sachlichen Inhalts beeinträchtigen und bei dem Empfänger zumindest beim schnellen Lesen den Eindruck einer Werbung hinterlassen. Die Beachtung ist deshalb überaus fraglich. Wird ein solches Schriftstück darüber hinaus nur als Beilage einer sog. Hauszeitschrift vertrieben, die ihrerseits im Ergebnis dem Absatz der eigenen Ware und damit der Werbung dient, so ist die ernstliche Beachtung so stark in Zweifel gezogen, daß auch die Beklagte nicht damit rechnen konnte, die angesprochenen Installateure würden wirksame Maßnahmen ergreifen. Dies zeigt im übrigen deutlich die Aussage des Zeugen Z. Auf Frage hat dieser Zeuge erklärt, daß er die Zeitschrift „durchblättere"! Die allgemeine Lebenserfahrung lehrt- auch für die Beklagte erkennbar-, daß der Zeuge Z kein Ausnahmefall ist, sondern daß auch andere einschlägige kleine Handwerksbetriebe bei der Vielzahl der in Umlauf befindlichen Werbesprospekte in ähnlicher Weise verfahren. Der Inhalt der strittigen Rundschreiben begegnet insoweit auch weiteren Bedenken, als hier tatsächlich eine ausdrückliche Weisung an die Fachhändler, ihre Kunden auch aufzusuchen, nicht enthalten ist. Es kann aber auch nicht angenommenwerden, daß eine derartige Weisung mit Sicherheit von den sog. Verteilerstellen befolgt worden wäre. Gerade die hier angesprochenen kleineren (Familien-)Handwerksbetriebe würden in der Regel Zeit- und Arbeitsaufwand
111.17
Unerheblichkeit eines tatsächlichen Erhaltens der Warnhinweise bei inhaltlichen Mängeln
Verschulden
Mitverschulden (§ 254 BGB)
scheuen, um derartigen Ersuchen eines Herstellerbetriebes, für dessen Produkte sie sich nicht verantwortlich fühlen, Folge zu leisten. Es hätte von der Beklagten deshalb erwartet werden müssen, daß sie in ihren „Belehrungen" sich ausdrücklich zur Übernahme der anfallenden Kosten für Kundenbesuche usw. bereiterklärt hätte. Nur ein den obigen Anforderungen entsprechendes individuelles Schreiben an die in Betracht kommenden und bekannten Auslieferfirmen - sei es als Einschreibebrief oder normaler Brief - hätte der Verpflichtung der Beklagten zur Warnung der ihr gefährliches Produkt verwendenden Abnehmer entsprochen. Dies ist unstrittig nicht erfolgt. Auf den tatsächlichen Empfang der hier versandten Rundschreiben durch die Verteilerstelle kommt es daher nicht an. Die Beklagte wäre über die Firma X auch in der Lage gewesen, sich eine Liste der Verteilerstellen zu verschaffen. Der von der Beklagten ins Feld geführte hohe Kostenaufwand im Verhältnis zum Verkaufspreis der Ventile kann nicht ausschlaggebend sein. Die Beklagte handelte auch schuldhaft, d.h. fahrlässig. Die Gefahrenträchtigkeit ihres Gerätes war ihr bekannt. Dies ergibt sich bereits aus der Versendung der mehrfach zitierten Rundschreiben. Wie bereits weiterhin dargelegt, hätte die Beklagte darüber hinaus erkennen können, daß die von ihr gewählte Verbreitungsmethode nicht geeignet war, einen Unfall der geschilderten Art zu verhindern. Auch ein etwaiges mitwirkendes Verschulden der Kläger ist nicht nachweisbar. Die Kläger haben unwiderlegt vorgetragen, ein etwaiges Kopfwackeln des Ventils selbst nicht wahrgenommen zu haben. Den Klägern kann auch nicht angelastet werden, daß sie keine Überprüfung ihrer Anlage haben vornehmen lassen. Soweit bekannt ist, besteht eine solche regelmäßige Prüfpflicht nicht. Die Kläger mußten sich auch nicht veranlaßt sehen, sich freiwillig derartigen Prüfungen zu unterziehen. Es handelt sich bei dem (hier aufgetretenen) Schaden um einen solchen, der auf nicht bekannte und nicht erwartete Verschleißerscheinungen zurückgeht.
519
111.17 (Anm.) Anmerkung:
Produktbeobachtungshaftung
1. Das Urteil ist von grundlegender Bedeutung für den in den letzten Jahren immer wichtiger werdenden Fragenbereich der sog. Rückruf pflichten. Diese Thematik gehört in den größeren Zusammenhang der sog. Produktbeobachtungshaftung (dazu siehe Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1973, S.83ff.). Hat der Hersteller ein Produkt in den Verkehr gebracht, das zwar objektiv fehlerhaft war, d. h. zur Ursache von Personen- oder Sachschäden Dritter werden konnte, so besteht trotzdem keine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung, wenn hinsichtlich dieses Produktfehlers ein Verschulden entfällt (vgl. 11.67; 11.68 sowie die strafrechtliche Entscheidung 111.15). Dies bedeutet aber noch nicht, daß deswegen der Hersteller gewissermaßen auf Ewigkeit von der Verantwortung für das ohne Verschulden in den Verkehr gebrachte Produkt befreit wäre (vgl. im einzelnen Anm. zu 11.68, Nr. 5 sowie die strafrechtliche Entscheidung 111.15). Wenn sich aus der präventiv orientierten Analyse von Gewährleistungs-, Beanstandungs- und Schadensfällen die Erkenntnis des Produktfehlers, seines Gefahrenpotentials, der Eintrittswahrscheinlichkeit, der voraussehbaren Schadensarten, des voraussehbaren Schadenumfangs, der Zahl der betroffenen Produkte und damit auch der potentiell gefährdeten Personen, usw. ergibt, muß der Hersteller die nach Lage des Einzelfalls erforderlichen Maßnahmen treffen (vgl. dazu insbes. die strafrechtliche, in diesem Teil auch für die zivilrechtliche Problematik richtungsweisende Entscheidung 111.15).
Langzeitverhalten als Entwicklungsgefahr
2. Im obigen Fall war eine derartige Sachlage gegeben. Es handelte sich um eine den Bereich des Langzeitverhaltens betreffende Fehlerursache, die im Zeitpunkt der Produktion bzw. des Inverkehrbringens der Ventile noch nicht bekannt war, sondern erst später - offensichtlich aufgrund der Analyse von Schadenfällen - erkannt wurde. Das Gericht bejahte zunächst einmal das Bestehen einer Warnpflicht. Demgegenüber konnte die Beklagte aber daraufhinweisen, daß derartige Warnungen auch erfolgt waren. Damit stellte sich die nächste Frage, ob die Warnung in aus-
520
(Anm.) 111.17
Inhalt der Warnung
Form der Warnung
reichender Form erfolgt war. Diese zweite Frage wurde unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten verneint. a) Der eine Gesichtspunkt betraf den Inhalt der Warnung. Das Landgericht geht davon aus, daß die Einbettung der Sachinformation in Werbeaussagen, die vom durchschnittlichen Leser wegen ihres sichtlich werbeorientierten Charakters nicht sorgfältig gelesen werden, keine ausreichende Erfüllung der Warnpflicht darstellt (ebenso III. 15). Die Argumentation ist m. E. zutreffend. Wenn im Hinblick auf Größe und Umfang der erkannten Gefahr eine Verpflichtung des Herstellers zur Warnung der potentiell Gefährdeten bzw. zum Hinweis sonstiger Personen auf die Notwendigkeit von Vorsorgemaßnahmen besteht, dann muß die Warnung auch in einer inhaltlichen Form erfolgen, die der Gefahr angemessen ist. Eine Einbettung in Werbeaussagen, die z. B. auf eine neue Produktgruppe hinweisen, lenkt genaugenommen nur von dem gefährlichen Produkt ab. b) Der zweite Gesichtspunkt betrifft die Form der Warnung. Der Hersteller hatte weder die Endverbraucher (Hausinhaber) noch die Handwerker, die derartige Ventile verbaut hatten, informiert, sondern es einem zwischengeschalteten Vertriebsunternehmen überlassen, die Warninformation mittels Beilegung der dafür zur Verfügung gestellten Rundschreiben in der Kundendienst-Zeitschrift des Vertriebsunternehmens zu übermitteln. Gegenüber dieser Argumentation ist zunächst klarzustellen, daß diese Form des Warnhinweises je nach Lage des Einzelfalles auch ausreichen kann. Wenn nämlich der Absatz der gefährlichen Produkte (z. B. aufgrund eines Alleinvertriebsvertrages) über ein einziges Vertriebsunternehmen erfolgt, ist sichergestellt, daß über die Weitergabe der HerstellerWarnung durch dieses Vertriebsunternehmen an seine Kunden die Warnung die potentiell Gefährdeten bzw. sonstige Personen, die für die Veranlassung von Vorsorgemaßnahmen in Betracht kommen, erreicht wird. Auch in diesem Fall muß aber dafür gesorgt sein, daß die Hersteller-Information auch tatsächlich die in Betracht kommenden Adressaten erreicht. Im obigen Fall stellte sich die Frage, ob die lose Beilage zu einer Kundendienstzeitschrift genügt oder ob nicht in einem derartigen Fall die Her521
111.18 steller-Warnung an einer für den durchschnittlichen Leser der Kundendienstzeitschrift auffallenden Stelle in einer ausreichenden Form zu erfolgen hat. Auch dabei ist die Frage des Verhältnisses zwischen der abzuwehrenden Gefahr und Inhalt und Form der Warnung zu beachten. Je größer die Gefahr ist, um so höher sind aufgrund des deliktsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahme (vgl. dazu Entscheidungssammlung Band I, S.8f.) die Anforderungen an Inhalt und äußere Form der Warnung. Diesen Anforderungen ist im obigen Fall nach Auffassung des Gerichts die vom Hersteller gewählte Form der Warnung nicht gerecht geworden.
111.18: LG Berlin, 7. 2. 1975, 56 S 128/74
EigenschaftsZusicherung
522
Die Beklagte betreibt einen Autohandel. Aufgrund ihrer Anzeige in einer Tageszeitung wandte sich der Kläger unter Vorlage des Zeitungsausschnitts an die Beklagte und kaufte einen Pkw. In dem schriftlichen Kaufvertrag heißt es u.a.: „Nebenabreden, nachträgliche Änderungen und etwaige Zusicherungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit schriftlicher Bestätigung des Verkäufers." Der Kläger hat gemäß §§463, 459 BGB gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung. 1. Die Bezeichnung eines Kraftfahrzeugs als Ersthandbesitz bei Kaufverhandlungen ist als Zusicherung einer Eigenschaft anzusehen. Als Eigenschaft kommen alle Verhältnisse in Betracht, die nach ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung Einfluß auf Wertschätzung oder Brauchbarkeit in der Sache zu üben pflegen (Palandt/Putzo, BGB, 34. Aufl., §459 Anm.7). Als Eigenschaft sind insbesondere auch anerkannt die sog. wertbildenden Faktoren, d. h. tatsächliche oder rechtliche Beziehungen der Sache zur Umwelt, sofern sie in der Sache selbst ihren Grund haben und ihr für gewisse Dauer anhaften (Palandt/Putzo, aaO ). Das AG hat daher zu Recht angenommen, daß der Umstand ei-
111.18 nen erheblichen Einfluß auf die Wertschätzung und die Brauchbarkeit eines Fahrzeugs zu haben pflegt; denn diese Tatsache bietet in aller Regel die Gewähr dafür, daß ein Fahrzeug ausschließlich von dem Vorbesitzer gefahren und demgemäß auch entsprechend gewartet und gepflegt wurde. Die Bezeichnung eines Kraftfahrzeugs als Ersthandwagen kann auch nur dahin verstanden werden, daß es sich hier nicht um einen Mietwagen handelt, der in der Regel viele Benutzer und damit Vorbesitzer hat. Die Bezeichnung als Ersthandwagen bezieht sich auf den Vorbesitz, nicht aber auf das Voreigentum. Zeitungsinserat als Grundlage einer EigenEigenschaftszusicherung
2. Dem AG ist auch darin zuzustimmen, daß dies auch bei Kaufverhandlungen, die Bezug nehmen auf eine Annonce, in der der Wagen als Ersthandwagen bezeichnet wurde, und bei darauf folgendem Kaufvertragsabschluß zu gelten hat. Das AG verweist zu Recht darauf, daß der Verkäufer, der mit Hilfe einer Annonce das Kaufinteresse etwaiger Erwerber erregt, die in der Anzeige enthaltenen Erklärungen so lange aufrechterhält, bis sie von ihm klar und erkennbar widerrufenwerden. Erwirbt ein durch die Anzeige gewonnener Käufer von dem Händler ein Kraftfahrzeug, so wird die in der Anzeigeenthaltene Zusicherung Inhalt des Kaufvertrags, wenn sie nicht im Verlauf der Verhandlungen widerrufen wird. Die Anzeige genügt einer vertraglich vereinbarten Schriftform (OLG Köln, NJW1972/162 = 11.13). Daher geht auch der Hinweis der Beklagten fehl, nach den Vertragsbedingungen bedürften Zusicherungen der schriftlichen Bestätigung, und diese sei nicht erfolgt. Die vorerwähnten Punkte, die grundsätzlich nur beachtlich sind, wenn das in der Anzeige erwähnte Kraftfahrzeug Gegenstand des Kaufvertrags ist, haben auch im vorliegenden Rechtsstreit zu gelten, selbst wenn entsprechend der Behauptung der Beklagten das vom Kläger gekaufte Kraftfahrzeug nicht mit dem in der Anzeige Genannten übereinstimmt. Mit dem Vortrag des Klägers ist davon auszugehen, daß das in Rede stehende Fahrzeug ihm als identisch mit dem in der Anzeige beschriebenen verkauft worden ist. Die Beklagte hat nicht bestritten, daß sich der Kläger aufgrund der Anzeige zu ihr begeben hat; sie hat auch nicht bestritten, daß der Kläger sich an sie unter Vorlage der Anzeige ge523
111.19 wandt hat. Bei dieser Sachlage reicht es nicht, daß die Beklagte vorträgt, es sei nicht bewiesen, daß die Verkaufsverhandlungen sich tatsächlich mit dem in der Anzeige genannten Fahrzeug beschäftigt hätten. Die Beklagte hätte bei den Verkaufsverhandlungen den Käufer darauf hinweisen müssen, daß er den annoncierten Wagen nicht haben könne, daß man ihm aber ein anderes Fahrzeug anbieten könne und anbiete.
111.19: LG Hamburg, 11.6.1975, 65 O 285/74 (Plattenaufteilungsanlage)
Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen
Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung
Haftungsfreizeichnung
524
Die Klägerin kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht verlangen. Sie hat zwar einen Gewährleistungsanspruch wegen Mängeln bzw. Fehlens zugesicherter Eigenschaften der Plattenaufteilungsanlage. Gewährleistung aufgrund der §§651 Abs.1 Satz2 Halbsatz 1, 480 Abs.2 BGB im Wege des Schadensersatzes ist aber aufgrund der Lieferbedingungen der Beklagten ausgeschlossen. Um einen Werklieferungsvertrag über eine vertretbare Sache gemäß §651 BGB handelt es sich, weil die Maschine nicht ausschließlich auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten ist, sondern von der Erstbeklagten unter einer Typenbezeichnung auf dem Markt eingeführt werden soll. Sie ist demgemäß auch an anderer Stelle einsetzbar. Jedenfalls die Funktionsgarantie bedeutet die Zusicherung von Eigenschaften im Sinne der §§459 Abs.2, 480 Abs.2 BGB. Der nach dem Gesetz bestehende Schadensersatzanspruch wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften ist in zulässiger Weise durch die Lieferungsbedingungen der Erstbeklagten ausgeschlossen. Der Ausschluß der Haftung für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften in AGB verstößt im allgemeinen nicht gegen §242 BGB (BGH, NJW1974/272 = I.78). Der Ausschluß von Schadensersatzansprüchen entspringt dem Bestreben, sich vor Ansprüchen unübersehbaren Ausmaßes, etwa aus entgangenem Gewinn oder mittelbarem Schaden zu schützen. Daran hat der Werkunternehmer ein berechtigtes Interesse, während die Interessen des
111.19
Erstreckung der Eigenschaftszusicherung auf die Absicherung gegen Mangelfolgeschäden?
Bestellers in der Regel durch das Recht zum Rücktritt vom Vertrag noch ausreichend gewahrt sind (BGH, aaO.). Wenn allerdings eine Zusicherung bestimmter Eigenschaften und die sich daraus ergebende besondere Haftung des Unternehmers gerade die Bedeutung hat, den Besteller gegen Mangelfolgeschäden abzusichern, so würde eine formularmäßige Freizeichnung die Zusicherung praktisch bedeutungslos machen. Der Unternehmer kann nicht durch eine solche Klausel in seinen Lieferbedingungen das zunichte machen, was er im Vertragsangebot versprochen hat. Die Ausschlußklausel hat dann keine Wirksamkeit (BGH, aaO.). Die Zusicherung der Erstbeklagten hatte nicht die Bedeutung, die Klägerin gegen Mangelfolgeschäden abzusichern. Sie ist nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, der durch den Zusammenhang mit dem sonstigen Vertragsinhalt mitbestimmt wird. Anhaltspunkte dafür, welche Schäden von der Erstbeklagten getragen werden sollten, ergeben sich daraus, welche wesentlichen Schäden vorhersehbar waren und ob die Zusicherung eine sinnvolle Regelung getroffen haben könnte, wenn sie die Mangelfolgeschäden nicht abdeckte. Mängel der Anlage konnten wegen ihrer komplizierten Technik unmittelbar zu Schäden an der Maschine selbst führen. Allerdings konnten auch bei den Kunden Schäden auftreten, die bei der Klägerin Mangelfolgeschäden wären. Dieses Schadensrisiko war aber für die Beklagte insbesondere bei einer Neuentwicklung einer solchen Maschine verhältnismäßig groß und unberechenbar. Das spricht dagegen, daß die Zusicherung der Beklagten das Eintreten für derartige Schäden bedeuten sollte. Der hohe Wert der Maschine spricht für einen anderen Sinn der Zusicherung. Wenn nämlich ein Schaden an der Maschine möglich sein kann, liegt die Annahme nahe, daß dieser Schaden und nicht ein Folgeschaden an sonstigen Vermögenswerten durch die Zusicherung abgedeckt sein sollte. Demgegenübersind Gesichtspunkte, die entscheidend für eine Bedeutung der Zusicherung, gegen Mangelfolgeschäden abzusichern, ins Gewicht fallen, nicht vorhanden. Die Garantie stellt auch so eine sinnvolle Regelung dar. Sie erleichtert dem Besteller die Möglichkeit, sich von dem Vertrag unter Rückgabe der Maschine zu lösen. 525
111.20
111.20: LG Hamburg, 2. 7. 1976, 74 O 584/75 (Apfelschorf)
Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB)
526
Zum Sachverhalt vgl. 11.67 und 11.68; beklagt waren die deutsche Vertriebstochter des US-amerikanischen Herstellers und das in Norddeutschland eingesetzte, rechtlich und wirtschaftlich nicht konzerngebundene Vertriebsunternehmen. 1. Die Klage ist unbegründet. Mit ProduktenhaftungsgrundSätzen kann der Kläger eine Inanspruchnahme der Beklagten nicht begründen. Produzentenhaftung oder Haftung des Warenherstellers bedeutet, daß der Hersteller einer Ware für Schäden aufzukommen hat, die durch seine Waren entstehen. Der vorliegende Fall liegt indessen vollkommen anders. X ist - jedenfalls in dem hier erörterten Zusammenhang nicht schädlich. Durch X ist der Apfelschorf nicht hervorgerufen worden. X ist (lediglich unter gewissen Voraussetzungen) nicht wirksam. Der Schaden ist allein dadurch entstanden, daß sich Pilzstämme gegenüber X als resistent erwiesen haben und daß diese von X nicht bekämpft werden konnten. Dies ist aber ein ganz anderer Sachverhalt als bei den normalen Fällen der Produzentenhaftung. Zutreffend verweisen die Beklagten darauf, daß der Kläger an sich so gestellt werden will, als sei ihm eine Garantie hinsichtlich der Wirksamkeit von X gegeben oder dies sei als Eigenschaft zugesichert worden. Dieses Ergebnis läßt sich indes unter dem Gesichtspunkt der Produzentenhaftung, die ja nach der hier vertretenen Ansicht eine (deliktische) Haftung aus unerlaubter Handlung ist, nicht begründen. §823 Abs. 1 BGB begründet als zentrale Haftungsnorm des Deliktsrechts nur eine allgemeine, d.h. jeden Rechtsgenossen treffende Pflicht, Dritte nicht in den zu ihren Gunsten absolut geschützten Rechten - sei es durch aktives Tun, sei es durch geschafUntätigkeit, nachdem man eine Gefahrensituation fen hat - zu verletzen. Deswegen ist es auch gerechtfertigt, den Herstellereiner „gefährlichen" Ware für Schäden haften zu lassen, die durch eine durch ihn in den Verkehr gebrachte Ware entstehen. Dagegen besteht keine allgemeine Pflicht, die das Wesen der deliktischen Haftung ausmachen würde,
111.20 Gefahren, die nicht von einem selbst ausgehen, von den Rechtsgütern Dritter fernzuhalten. Dieses Einstehen(müssen) für fremde Gefahren läßt sich nur im Rahmen vertraglicher Beziehungen, insbesondere im Rahmen eines Garantievertrages, begründen. An einem solchen Garantievertrag zwischen den Parteien fehlt es indes. Bei den Gefahren, die sich beim Auftreten des Apfelschorfes bei den Äpfeln des Klägers verwirklicht haben, handelt es sich nicht um von den Beklagten ausgehende, sondern um solche aus der Sphäre des Klägers. Eine Haftung der Beklagten „aus Produzentenhaftung" (genauer: §823 Abs.1 BGB) kommt mithin schon aus rechtsdogmatischen Erwägungen an sich nicht in Betracht.
Produkt beobachtungshaftung: Warnhinweis
Entfallen einer Warnverpflchtung bei fehlender Konkretisierbarkeit der Gefahr
2. Dies hat die Kammer nicht daran gehindert, gleichwohl Überlegungen darüber anzustellen, ob eine Haftung der Beklagten (wenn man sie einmal als „Hersteller" ansieht) nicht aus produzentenhaftungsähn//c/?en Gedanken heraus zu bejahen sein könnte. So könnte z. B. - als Parallele zum vorliegenden Fall - eine Haftung des Herstellers eines lebensrettenden Arzneimittels aus dem Bereich der Humanmedizin durchaus ernsthaft in Erwägung gezogen werden, wenn er dieses nicht sofort aus dem Verkehr zieht, nachdem sich Toleranzerscheinungen gezeigt haben (jedenfalls wenn andere gleichwertige Medikamente - sei es auch solche der Konkurrenz - auf dem Markt sind), oder wenn er auf die Toleranzerscheinungen nicht unmißverständlich hinweist. In diesem Bereich wird eine Haftung des Herstellers sogar dann zu erwägen sein, wenn er nicht auf geringste Anzeichen für die Möglichkeit von Toleranzen reagiert. Näher und abschließend hat die Kammer sich mit diesen Fragen indes nicht zu befassen brauchen. Denn das Vorbringen des Klägers reicht in keinem Falle für eine Haftungsbegründung. Ganz ausgeschlossen werden konnte eine Toleranzgefahr allerdings nicht. Nur hätte sich ein etwaiger Hinweis der Beklagten auf die Äußerung beschränken können, daß Toleranzerscheinungen niemals auszuschließen seien. Diese Kenntnis durfte man aber bei den angesprochenen Obstbauern voraussetzen. Es handelt sich, wie auch die sonst aufgetretenen Toleranzerscheinungen zeigen, um ein allgemeines Problem der Krankheitsbekämpfung. Zudem wäre so 527
111.21
Entwicklungsgefahr
ein allgemeiner Hinweis auf eine - abstrakte - Gefahr kaum geeignet gewesen, die angesprochenen Obstbauern von der Anwendung von X abzuhalten oder überhaupt nur das ständig vorhandene Risiko bei der Anwendung von Fungiziden oder anderen Chemikalien konkret greifbar zu machen. Für die Beklagten (oder den Hersteller) bestand Anfang 1974 kein Anlaß, auf Toleranzrisiken besonders hinzuweisen. Solche Risiken waren einstweilen nur abstrakt vorhanden. Konkrete Anhaltspunkte für Resistenzen beim Apfelschorf bestanden Anfang 1974 (wenn überhaupt schon) lediglich in Japan. Diese Anhaltspunkte waren nach dem Sachstand des vorliegenden Verfahrens den Beklagten oder der amerikanischen Herstellerin Anfang 1974 aber noch nicht bekannt. Anfang 1974 können Toleranzen bestenfalls als eine mögliche Ursache des vermehrten Auftretens von Apfelschorf mit in den Kreis der Überlegungen einbezogen worden sein. Solche allgemeinen Überlegungen - ohne auch nur etwas verläßliche Anhaltspunkte - können aber im Bereich des Pflanzenschutzes noch keine Warnungspflichten des Herstellers auslösen. Zumindest bedarf es in diesem Bereich konkreter Hinweise. Diese lagen aber Anfang 1974 noch nicht vor.
111.21: AG Frankfurt, 7.4.1977,31 C 8396/75 (Vollkornbrot)
Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB) 528
Die Beklagte war Herstellerin eines Vollkornbrotes. Das zur Herstellung des Brotes erforderliche Schrot bezog sie von der Getreidemühle K. Am 24.9. 1974 biß die Klägerin beim Verzehr vom Schrotbrot unvermutet auf einen kleinen, etwa erbsengroßen Stein. Der Fremdkörper war so in die Brotscheibe eingebacken, daß er beim Brotbestreichen nicht bemerkt werden konnte. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu. Eine Haftung der Beklagten aus §823 BGB für das Inverkehrbringen eines
111.21 fehlerhaften Produktes entfällt. Zwar hat die Beweisaufnahmeergeben, daß die Klägerin beim Verzehr des von der Beklagten hergestellten Brotes eine Zahnverletzung erlitten hat. Die Klägerin kann jedoch die Beklagte für diesen Schaden nicht verantwortlich machen, dadie Beklagtefürden die Schadensursache bildenden Fabrikationsfehler kein Verschulden trifft. Organisationshaftung
Die Beklagte hat gerade, um die Verunreinigung des Brotes durch Fremdkörper zu verhindern, alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen. Die gerichtliche Inaugenscheinnahme des Betriebes der Beklagten hat ergeben, daß die von der Beklagten für die Brotherstellung verwendeten Gefäße, - verzinkte Teigschalen und Schwarzblechformen - infolge ihrer glatten Oberfläche nicht geeignet sind, den beanstandeten Fremdkörper abzugeben und daß der bauliche Zustand der Fabrikationshallen selbst einwandfrei ist. Die Wände sind teilweise verfugt (Teigmacherei) und im übrigen die Decken glatt verputzt. Der Fußboden ist teils mit Stahl- oder Kunststoffplatten ausgelegt, teils mit PVC-Anstrich versehen. Dieser Farbanstrich ist allerdings an verschiedenen Stellen, insbesondere in Nähe des Backofens abgetreten, so daß ein hoher Betonfußboden mit sichtbarer Körnung zum Vorschein kommt.
Fehlernachweis
Drittunter-
Dieser Umstand genügt jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, den der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis im vorliegenden Fall als gescheitert anzusehen. Die von der Klägerin aufgezeigte Möglichkeit, daß hier beim Hinfallen des Teiges und dessen Wiederverwendung Fremdkörper aus dem Betonabrieb - kleine Steine - in den Brotteig gelangen können, stellt eine rein theoretische Überlegung dar, für deren praktische Verwirklichung der Arbeitsablauf bei der Beklagten keine Anhaltspunkte bietet. Die Beweisaufnahme hat aufgrund der gerichtlichen Inau-
nehmer-Einschaltungshaftung
genscheinnahme des Betriebes der Schrotlieferanten der Beklagten in Verbindung mit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen K ergeben, daß die Streitverkündete mit dem Aspirateur, welcher Steine, die größer als Getreide sind, absiebt und den Sand (kleiner als Getreide) entfernt, dem Steinauslöser für Steine gleicher Größe und dem zusätzlichen, kostenaufwendigen, deshalb kaum noch
529
111.22
Antreten des Entlastungsnachweises
üblichen Einsatz der Waschschnecke in der GetreideWaschmaschine, die eine eigene Stein-Sammelschnecke und eine Steinüberhebung mit Wasserstrahl hat, bei der Absonderung von Steinen aus dem Getreide ein Gesamtsystem anwendet, das sowohl 1974 als auch heute noch das beste Verfahren seiner Art darstellt. In Anbetracht dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Prüfungen von der Beklagten verwandt werden sollten. Da somit die Beklagte den Nachweis erbracht hat, daß sie ihre Herstellerpflichten mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllt hat, war die Klage abzuweisen,
durch den Hersteller
111.22: LG Köln, 26. 4.1978,13 S 301/77 (Schwimmbad-Desinfektionsmittel)
Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB)
Die Klägerin hat die Eigentumsrechte der Beklagten an ihrem Schwimmbad und dem zum Betrieb dienenden Wasser im Sinn des §823 BGB geschädigt. Sie schuldet Ersatz, da sie es pflichtwidrig unterlassen hat, auf ihrem Produkt P den Verfalltag oder einen gleichwertigen Hinweis auf mangelnde Haltbarkeit anzugeben und der von der Beklagten erlittene Schaden hierauf beruht.
Langzeitverhalten
Zutreffend geht das amtsgerichtliche Urteil davon aus, daß P nach einiger Lagerzeit die hinreichende Wirkung verliert und daß der Schaden der Beklagten auf dem Einsatz überalterten und verfallenen P's beruht. Daß dieses Mittel einem Verfall unterliegt, steht zur Überzeugung der Kammer fest. Die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat im übrigen ergeben, daß Anwendungsfehler seitens der Beklagten nicht vorlagen. Die hierzu vernommenen Zeugen haben übereinstimmend angegeben, sie hätten das Schwimmbad der Beklagten häufiger, teilweise sogar regelmäßig aufgesucht. Die Dosieranlage für P sei stets in Betrieb und ordentlich beschickt gewesen.
Fehlernachweis
Fehler- und Kausalitätsnachweis
530
Hätte die Klägerin auf ihrem Produkt entweder einen Verfalltag angegeben oder das Herstellungsdatum sowie einen
111.22
Verpflichtung zur Angabe des Verfalldatums
Sorgfaltspflichten des Produktbenutzers
Instruktionspflichten des Herstellers
Hinweis auf beschränkte Haltbarkeit, wären die betreffenden Schäden vermieden worden. Dies stellt das amtsgerichtliche Urteil zutreffend fest und bejaht auch unter Verwertung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme richtigerweise die Entstehung eines Schadens bei der Beklagten in der geltend gemachten Höhe. Die Klägerin war verpflichtet, den Verfalltag auf dem Produkt mitzuteilen oder einen gleichwertigen Hinweis zu geben. Die Verpflichtung, den Verfalltag anzugeben, ist zwar für P nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Sie folgt jedoch aus allgemeinen Grundsätzen der Produkthaftung. Die bisher vorhandenen gesetzlichen Vorschriften über die Angabe von Verfallzeiten erfassen das (für Schwimmbäder bestimmte chlorfreie Desinfektions-)Mittel P nicht. Insbesondere die Regelung über die Nennung von Verfalldaten im ArzneimittelG war stets auf die eigentlichen Arzneimittel beschränkt und galt nicht für die sog. fiktiven Arzneimittel, wie Desinfektionsstoffe (vgl. §10 ArzneimittelG 1976 und § 9 ArzneimittelG 1961). Die Verpflichtung folgt jedoch aus den allgemeinen von der Rechtsprechung zur Produkthaftung entwickelten Grundsätzen, deren Anwendung durch keine spezielle gesetzliche Regelung ausgeschlossen ist. Das Arzneimittelrecht stellt insoweit keine abschließende Regelung dar (vgl. die amtliche Begründung: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 3. Aufl. bei §12). Die Klägerin wäre hiernach verpflichtet gewesen, auf den Gebinden ein Verfalldatum anzugeben und hierdurch der Anwendung überalterter (Packungen) entgegenzuwirken. Grundsätzlich muß sich zwar derjenige, der eine Maschine, ein Werkzeug, ein Gerät oder einen anderen Stoff erwirbt, selbst darum kümmern, wie er damit umzugehen hat. Es ist seine Sache, sich darüber zu unterrichten, wie der Gegenstand in der rechten Weise einzusetzen oder zu handhaben ist (vgl. BGH, NJW1975/1827). Auch muß nicht zum Gegenstand einer Gebrauchsbelehrung gemacht werden, was auf dem Gebiet allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt. Jedoch muß ein Hinweis erfolgen, wenn und soweit aufgrund der Besonderheiten der Ware sowie bei den durchschnittlichen Benutzern vorauszusetzenden Kenntnis damit gerechnet werden muß, daß 531
111.22
Verpflichtung zum Hinweis auf Verfalldatum
Herstellerverantwortung/ Benutzerverantwortung
532
bestimmte konkrete Gefahren entstehen können (vgl. Palandt, 37. Aufl., §823 Anm. 16 D)c)bb) unter „Instruktionsfehler"; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Rn.125, 127). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Klägerin entweder ein Verfall- oder das Herstellungsdatum nebst einem Hinweis auf begrenzte Haltbarkeit hätte angeben müssen. Das Mittel nämlich wird keineswegs nur an Chemiker oder Techniker abgegeben, die sich durch ihr Fachwissen selbst Aufschluß darüber verschaffen könnten, daß nur eine begrenzte Haltbarkeit vorliegt. Zudem ist weder aus den Aufklebern auf den Gebinden noch aus der technischen Beschreibung ersichtlich, woraus das Mittel besteht. Selbst einem Käufer mit Grundwissen in chemischen Dingen wäre es daher nicht möglich, die Haltbarkeit selbst zu bestimmen. Es muß daher auf die Fähigkeit und Erwartung von Laien abgestellt werden. Der durchschnittliche, auf chemisch-pharmazeutischem Gebiet nicht vorgebildete Kunde vertraut darauf, ein erworbenes Produkt werde - ohne anderslautenden Hinweis - auch noch nach längerer Zeit voll tauglich sein. Der Hersteller eines allgemein vertriebenen Produkts, das diese Haltbarkeit nicht besitzt, muß den Kunden entsprechend hinweisen. Jedenfalls muß dies für Waren gelten, deren Benutzung nach Verderb oder Verfall eine über den Produktverlust hinausgehende Gefahr innewohnt. So ist es bei Desinfektionsmitteln zur Wasseraufbereitung. Der Kunde, der ein durch Zeitablauf wirkungsloses Mittel verwendet, geht dann die Gefahr ein, Gesundheitsschäden durch Keime zu erleiden oder - wie im vorliegenden Fall Vermögensschäden durch Entstehung unerwünschter Wasserverunreinigungen. Die Klägerin mußte auch damit rechnen, daß Käufer ihres Produkts dieses noch über ein Jahr nach Herstellung und Verkauf anwenden würden. Einmal ergibt sich das leicht bei der Benutzung des Mittels in einem offenen Schwimmbekken, das im Winter nicht betrieben wird. Restmengen, die zu Sommerende nicht verbraucht sind, werden dann sicherlich im nächsten Jahr weiter verbraucht. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß Kunden mit günstiger Bezugsquelle sofort eine größere Menge erwerben und einlagern. Die Kammer ist sich bewußt, daß die Angabe eines Verfallda-
111.23 tums für den Hersteller gewisse Erschwerungen im Absatz mit sich bringt. Sie ist jedoch der Auffassung, ihm damit nichts Unzumutbares aufzuerlegen, mißt man seine Belastung am erstrebten Ziel des Verbraucherschutzes gegen Gesundheits- und Vermögensschäden.
111.23: LG Duisburg, 27. 4.1978, 8 0 206/76 (Gießpulver) Der Kläger war Angestellter der Transportunternehmerin P, die am 7.5. 1976 als Spediteurin eine Ladung Gießpulver transportierte. Dieses Produkt wurde von der Erstbeklagten hergestellt und von der Firma S verkauft und vertrieben, wobei der Erstbeklagten neben der Herstellung auch die Verpackung oblag. Während des Transports kam es zu einem Unfall, bei dem das Transportfahrzeug umstürzte. Dabei platzte ein Teil der Säcke. Die Firma P entsandte ein Hilfskommando, zu dem auch der Kläger gehörte, zur Unfallstelle. Dort wurde das freigewordene Gießpulver u. a. vom Kläger mit Schaufeln aufgenommen, wobei der Kläger einfache Schuhe trug. Anschließend zeigte sich an den Füßen des Klägers eine Entzündung, die dadurch verursacht worden war, daß Gießpulver zwischen Strümpfe und Haut eingedrungen war und die Haut verätzt hatte. Infolgedessen war der Kläger zeitweise arbeitsunfähig und mußte in einer längeren stationären Behandlung Hauttransplantationen durchführen lassen. Für die Verletzung verlangt der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld. Deliktshaftung (§ 823 Abs. 1 BGB) Fehlernachweis
Der Kläger kann von dem Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3000 DM verlangen. Die Erstbeklagte haftet aus §§823, 847 BGB, weil sie die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Die Erstbeklagte hat durch Herstellung des Gießpulvers eine Gefahrenquelle geschaffen. Wie die Beklagte selbst vorträgt, enthält das Gießpulver Kalk und Natrium, also Substanzen, die bei Berührung mit Händen oder Füßen zu Gesundheitsschäden führen. 533
111.23 Voraussehbarkeit der Gefahrensituation
Möglichkeit und Zumutbarkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen
Instruktionshaftung
Form des Warnhinweises
Verhältnis zwischen Spezialnormen und allgemeiner Verkehrssicherungspflicht 534
Aufgrund der Eröffnung dieser Gefahrenquelle war die Beklagte verpflichtet, dafür zu sorgen, daß Dritte an ihren Rechtsgütern keinen Schaden nahmen. Diese Verkehrssicherungspflicht bestand auch gegenüber dem Kläger, wobei nicht entscheidend ist, daß der Kläger den Schaden bei einer nicht bestimmungsgemäßen Verwendung des Gießpulvers erlitt. Denn die Erstbeklagte mußte auch damit rechnen, daß die Papiersäcke mit dem Gießpulver insbesondere auf dem Transport platzen konnten und daß das Transportpersonal dann mit dem Pulver unmittelbar in Berührung kam. Die Erstbeklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Zwar war ihr nicht zuzumuten, das Pulver absolut bruchsicher zu verpacken. Eine solche Möglichkeit ist technisch und in Anbetracht der Art der Gefahr durch das Gießpulver nicht praktikabel. Jedoch war die Erstbeklagte zumindest verpflichtet, die aus der Ätzwirkung des Gießpulvers resultierende Gefahr in der Weise zu entschärfen, daß eine entsprechende Warnung wie z. B. „ätzend" auf die Papiersäcke, in denen das Pulver verpackt war, aufgedruckt wurde. Diese Pflicht ergibt sich schon daraus, daß ein Hersteller, der schon nicht gefahrlose Produkte herstellen kann, den Gefahrenbereich wenigstens durch ausreichende Instruktionen abzudecken hat. Nicht ausreichend war es, den Begleitpapieren der Ladung ein Papier mit der chemischen Formel des Gießpulvers beizufügen. Denn zum einen kommt es nicht selten vor, daß Begleitpapiere nicht der Ladung unmittelbar beiliegen, so daß zu befürchten ist, daß in Notfällen ein solches lediglich beigefügtes Papier nicht zur Hand ist. Zum anderen ist die komplizierte chemische Formel des Gießpulvers lediglich für fachlich geschulte Personen zu verstehen, jedoch nicht für chemisch Unausgebildete, zu denen ebenso wie der Kläger der überwiegende Anteil der Personen gehört, die mit dem Gießpulver in Berührung kommen. Die Erstbeklagte entlastet es auch nicht, daß in dem Gießpulver keine Stoffe enthalten sind, die unter die gefährlichen Arbeitsstoffe nach den Anhängen I und II zur VO über gefährliche Arbeitsstoffe vom 17.9.1971 (BGBl I Nr. 100) fallen und infolgedessen eine Kennzeichnungspflicht nach dieser VO nicht besteht. Auch eine VO, in der eine Kennzeich-
111.23
Kausalitätsnachweis
Mitverschulden (§ 254 BGB)
nungspflicht nur für bestimmte Stoffe festgelegt ist, kann einen Hersteller von sonstigen gefährlichen Stoffen nicht von seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht befreien. Sinn einer solchen VO wie der über gefährliche Arbeitsstoffe ist nämlich die Konkretisierung von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten, nicht deren Einschränkung, zu der es kommen würde, wenn man aus der Aufzählung von bestimmten Stoffen in der VO den Gegenschluß ziehen würde, das das Inverkehrbringen von anderen gefährlichen Stoffen ohne Beachtung sonst bestehender allgemeiner Rechtspflichten möglich wäre. Die .Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Erstbeklagte ist kausal für die Verletzung des Klägers gewesen. Wenn die Erstbeklagte auf den Säcken eine Warnung vor der ätzenden Wirkung des Gießpulvers aufgedruckt gehabt hätte, wäre der Eintritt des schädigenden Erfolges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes ist davon auszugehen, daß den Kläger eine Mitverantwortlichkeit bei der Entstehung des Schadens gemäß §254 BGB nicht trifft. Es ist nämlich als erwiesen anzusehen, daß sich der Kläger, bevor er Maßnahmen bezüglich des freigewordenen Gießpulvers ergriff, erkundigt hat, obdas Ladegut gefährlich sei.
535
Gesamt-Stichwortverzeichnis für Band I und Band II In Band I sind die Entscheidungen bis einschließlich 1.86/11.20/111.14 abgedruckt. Abfälle: Entsorgung von Industrieabfällen 1.121 Abfüllbetrieb: deliktsrechtliche Haftung Anm. 1.95,11.60, III.l Abnehmerverantwortung: siehe Benutzerverantwortung Absatzinteressen und Zumutbarkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen: siehe Zumutbarkeit Adäquanztheorie: siehe Kausalitätsnachweis Allergie 1.85, II.6a, 11.26 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) 1.27 (Anm.), 1.50, 1.61, 1.63, 1.65, 1.67, 1.72,1.78,1.83,1.84 - Auslegung von Haftungsbegrenzungsklauseln 1.117,1.130,1.151 - Beschränkung der Gewährleistungsrechte auf ein Rücktrittsrecht bei Unterbleiben der Nachbesserung bzw. Ersatzlieferung 1.47,1.78,1.83,1.84 - Ersetzen der Gewährleistungsansprüche durch einen Nachbesserungs- bzw. Ersatzlieferungsanspruch 1.27,1.59,1.63,1.65,1.78 - Haftung für Eigenschaftszusicherungen 1.38,1.56,1.65,1.67,1.72,1.78,1.84,11.31, III.19 - Haftungsfreizeichnungsklausein Anm. zu 1.27,1.46,1.47,1.67,1.78,1.81,1.84,11.30, 11.31 zu den durch das AGB-Gesetz bewirkten Änderungen vgl. Fußn. 1 und 2 zum „Gesamtverzeichnis und Inhaltsübersicht der in Band I und Band II abgedruckten Urteilsanmerkungen' ' - Inhaltsgrenzen 1.27,1.83,1.84 - siehe auch Daseinsvorsorge - Verbot der Freizeichnung von der Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Inhabers bzw. der leitenden Angestellten 1.61,1.84,1.146 - Verbot der Rechtlosstellung des Kunden 1.46,1.56,1.61,1.63,1.83,1.84 - Wiederaufleben der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche 1.27,1.46,1.59, 1.63, 1.83 Anscheinsbeweis 1.16,1.20,1.21,1.62,1.66,1.96,1.149,11.12,11.24,11.43,11.59,11.65 - behördlich vorgeschriebene Maßnahmen 11.12 - Fehlernachweis 1.21,1.58,1.62,1.96,11.44,11.65 537
- Händler-Verschulden 1.2,1.9,11.12 - Produktbenutzerverschulden 11.23 - Unfallverhütungsvorschriften: siehe dort - Vertriebsfehler 1.2,1.4 Anspruchskonkurrenz - Deliktshaftung/Gewährleistungshaftung - - Werkvertragsrecht 1.107,1.117,1.136,1.138 - - Kaufvertragsrecht 1.126,1.130,1.141,1.151,11.32 - Deliktshaftung/Vertragshaftung 1.6,1.92,1.117,1.130,11.32 - Verhältnis zwischen allgemeiner Verkehrssicherungspflicht und Spezialnormen 11.34,111.23 - Verjährung: siehe Anm. 1.141 sowie unter Verjährung Anwendbares Recht 11.57,11.66,11.67,11.68, Anm. 11.13 Anwenderverantwortung: siehe Benutzerverantwortung Anwendungsberatung 1.72, Anm. 1.139 Anwendungsempfehlungen des Herstellers 1.48,1.86, II.3, II.9 - Werbung II.3 Anwendungsfehler: Verpflichtung des Herstellers zur Berücksichtigung voraussehbarer Anwendungsfehler 1.48; siehe auch Konstruktionshaftung Arbeitgeber - Organisationshaftung 11.27 - Regreß der Berufsgenossenschaft 11.27,11.50 Arbeitsgemeinschaft: Haftung der Mitglieder gegenüber dem Auftraggeber 1.131 Arbeitsteilung, haftungsrechtliche Bewertung Anm. 1.95 - Drittunternehmer-Bindungshaftung Anm. 1.121 - Drittunternehmer-Überwachungshaftung Anm. 1.121 - siehe Arbeitsteilung und Deliktsrecht sowie Arbeitsteilung und Vertragsrecht - siehe auch Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten - siehe Einschaltung Dritter Arbeitsteilung und Deliktsrecht 1.17,1.19,1.26,1.34,1.41,1.54,1.60,1.69,1.86, Anm. 1.121,1.138, II.2,11.30, III.3, III.4, III.6, III. 13 (Anm.), Anm. 1.95 - Beauftragung eines Konstruktionsbüros 11.30,11.36, III.3 - Drittunternehmer-Auswahlhaftung 1.69, III.3; siehe auch Einschaltung Dritter - Mitverantwortung des Assemblers für fremdproduzierte Einzelteile 1.41, 1.69, 1.86 (Anm.), III.6 des Auftragsfertigers für Konstruktionsfehler 1.26,1.34, Anm. 1.95 des Händlers für Herstellungsfehler: siehe Händler-Haftung des Montageunternehmens für Konstruktionsfehler 1.16,1.17, Anm. 1.95,1.138 (Anm.) des Weiterverarbeiters für Vorprodukte: siehe Mitverantwortung des Assemblers 538
- personelle Verflechtung Händler/Hersteller-Unternehmen 1.41, Anm. 1.151 - Quasi-Herstellerhaftung 1.86,11.30, III.3 - siehe Einschaltung Dritter - siehe Zulieferer - vertragliche Abwälzung der Haftung 1.60,11.30,11.65 Arbeitsteilung und Vertragsrecht 1.23,1.33,1.45,1.52,1.53,1.55,1.57,1.95, II.5,11.16, 11.18,11.29, Anm. 1.95 - Haftung des Nach-Unternehmers für Vorarbeiten Dritter 1.95 (Anm.) - Haftung des Vor-Unternehmers für Hinweise auf vom Nach-Unternehmer zu berücksichtigende Faktoren 11.29 - Hinweispflichten des Auftragfertigers Anm. 1.95 - siehe auch Erfüllungsgehilfe sowie Händler-Haftung Architektenhaftung 1.93, Anm. 1.95,1.97,1.98,1.100,1.101,1.106,1.110,1.117,1.122, 11.25 - berechtigtes Vertrauen auf spezialisierte Lieferanten bzw. Handwerker 1.93,1.97, 1.98,1.122,11.25 - Haftung des Handwerkers für Mängel des Architektenwerkes Anm. 1.93,1.95,1.97 - Hinweispflichten 1.100,1.110,1.122 Arzneimittel Anm. 1.101,1.139,11.36,111.15 - Kausalitätsnachweis III. 15 (Anm.) generelle Kausalität III. 15 individuelle Kausalität III. 15 Indiziennachweis III. 15 konstitutionelle Bereitschaft des Geschädigten 1.85, II.6a, III.7, III.15 Unterschied zwischen naturwissenschaftlichem und prozessualem Beweis III. 15 - Produktbeobachtungshaftung III. 15 (Anm.) - siehe auch Entwicklungslücken - strafrechtliche Verantwortung III. 15 - Verschuldensnachweis III.15 (Anm.) Arzthaftung 1.60,1.113,1.119,1.134,1.140 - Aufklärungspflichten 1.113 - Benutzung von maschinellem Gerät 1.140 - Verpflichtung zur Wahl der sichersten Methode 1.134 - Verwendung von Hilfspersonen 1.119 Assemblerhaftung - Abgrenzung zum Händler mit Endmontagefunktionen 1.138 - Deliktsrecht 1.41,1.69,1.86,1.130 (Anm.), II.6 (Anm.), 11.64,11.65 Untersuchungspflicht des Assemblers bei fremdproduzierten Einzelteilen 1.41, 1.86,11.65 - Vertragsrecht 1.12,1.41,1.50 539
Aufbewahrung von Schadenteilen 1.62 (Anm.), III.3 Aufklärungspflichten: siehe Hinweispflichten Auftraggeberverantwortung 11.48 Auftragsfertigung 1 . 2 6 , 1 . 3 4 , 1 . 4 1 , 1 . 8 6 , Anm. 1.95, Anm. 1.138 - deliktsrechtliche Haftung des Auftragsfertigers gegenüber Dritten 1.26,1.34 - Haftung für beigestellte Teile Anm. 1.95 - keine Haftung des Auftragfertigers für Konstruktionsmängel 1.34 - Mitverantwortung für Konstruktionsfehler 1.26,1.34, Anm. 1.95 Auslandlieferungen und DIN-Normen Anm. 11.47 Ausreißer 1.58,1.86,11.44,11.60, III.2 Baustoffe - neue Baustoffe 1.97 - noch nicht erprobte Baustoffe 1.104,1.122 Bauunternehmer-Haftung 1.93, Anm. 1.95,1.143, II.9,11.17 - Hinweispflichten II.9,11.17 - Verantwortungsabgrenzung gegenüber dem Architekten 1.93, Anm. 1.95 Bedienungsanleitungen 11.59 Bedienungserschwerungen 1.19 Bedienungsfehler 1.19 Behördliche Prüfung und Produkthaftung - Einzelprüfung 1.26 - Typenprüfung 1.16,1.19 Beigestellte Teile Anm. 1.95,1.112, Anm. 1.138,11.60 - Anlieferung durch Auftraggeber Anm. 1.95,11.60 - Anlieferung durch vom Auftraggeber angewiesenen Dritten Anm. 1.95,11.60 - Mangelfolgeschadenhaftung des Montagebetriebs Anm. 1.95 - Mangel- bzw. Gewährleistungshaftung des Montagebetriebs 1.112 (Anm.) Benutzerverantwortung 1 . 1 9 , 1 . 2 2 , 1 . 3 6 , 1 . 4 0 , 1 . 4 2 , 1 . 4 8 , 1 . 6 0 , 1 . 6 6 , 1 . 8 6 , 1 . 1 3 9 , 1 . 1 4 0 , II.9,11.12,11.20,11.24,11.45 - Beratungshaftung gegenüber fachmännischem, aber nicht einschlägig spezialisiertem Kunden 1.110 - berechtigtes Vertrauen des Herstellers darauf, daß der einzelne Benutzer die vom durchschnittlichen Benutzer zu erwartenden Maßnahmen trifft 1 . 3 6 , 1 . 6 6 , 1 . 1 3 9 - besondere Verhältnisse, Qualifikationen usw. des einzelnen Benutzers und Herstellerhaftung 1.66, 1.110 - Einverständnis des Abnehmers mit dem Produktmangel und Haftung des Herstellers gegenüber Dritten 1.69,11.15 - Endverbraucher 11.20,11.45 - erkennbare Konstruktionsfehler 11.33
540
- Grenzen des berechtigten Benutzervertrauens III.7 - Haftung des Benutzers gegenüber Dritten gewerbliche Benutzer 1.40,1.116,11.24,11.33 private Benutzer 11.45,111.20 - haftungsrechtliche Untersuchungspflichten II.7 - Langzeitverhalten 1.86 - medizinische Geräte 1.140,11.24 - Mitverantwortung des Herstellers für sachwidrige Benutzung des Produkts durch den Abnehmer 1.42 - nach Stand der Technik ordnungsgemäßes Gerät 11.24 - ordnungsgemäße Benutzung 11.45 - Probeverarbeitung III. 8 - professioneller Benutzer 1.40,1.66 Unvorsichtigkeit wegen Gewöhnung an die Gefahr 1.66 - siehe Kunden Verantwortung - Unfallverhütungsvorschriften 1.66 - Verpflichtung des Herstellers, auch außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs liegende Verhaltensweisen, Vorkommnisse usw. zu berücksichtigen 11.60 - Verpflichtung, sich das erforderliche Anwendungswissen zu verschaffen 1.36,1.40, 1.86, III.22 - Verpflichtung, sich mit der Funktionsweise des Produkts vertraut zu machen 1.36, 1.86,1.140 - Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Prüfung der konkreten Anwendungssituation 1.36, II.9 - Vertrauen auf Herstellerangaben 1.40,1.48, II.9,11.24,11.34 Beratungshaftung 1.30, 1.52, 1.63, 1.72, 1.75, 1.100, 1.139 (Anm.), II.3,11.54,11.68 (Anm.) - als Grundlage bzw. Bestandteil späterer Bestellungen Anm. 1.139 - als Nebenpflicht 1.30,1.100,11.54 - Beurteilungszeitpunkt Anm. 11.68 - Fehlernachweis 11.68 - Sachverhaltsaufklärungspflichten des Beratenden 1.139 - siehe auch Hinweispflichten - und Eigenschaftszusicherung Anm. 1.139,1.150 - Verschuldenshaftung 1.139 - Versicherungsdeckung Anm. 1.139 - Werbeveranstaltung 1.139,11.68 Berufsgenossenschaft - Arbeitgeberregreß 11.27,11.50 (Anm.) - Produkthaftungsregreß 1.65,1.86, II.l, 11.61,11.66 541
Mitverschulden des Arbeitgebers 11.66 Bestellerverantwortung 11.48 Bestimmungsgemäßer Gebrauch: siehe Konstruktionshaftung Betriebssicherheit 1.19, 1.21, 1.25, 1.26, 1.36,1.41,1.42,1.43,1.48,1.63,1.66,11.11, 11.66 Beurteilungszeitpunkt - Beratungshaftung 11.68 (Anm.) - Drittunternehmer-Einschaltungshaftung 1.121 (Anm.) - Fehler 1.101 (Anm.) - Verschulden Anm. 1.101,1.114,11.68 (Anm.), 11.67,111.15 (Anm.) Beweis: siehe Anscheinsbeweis, Fehlernachweis, Kausalitätsnachweis, Verschuldensnachweis - Unterschied zwischen naturwissenschaftlichem und prozessualem Beweis III.15 Beweislastumkehr - Arzthaftung 1.113 - deliktsrechtliche Organisationshaftung 1.54 - deliktsrechtliches Verschulden des industriellen Herstellers 1.58, 1.62, 1.66, 1.86, I.130,111.10 - Endhersteller hinsichtlich von fremdproduzierten Teilen 1.86,1.130, Anm. III.6 - Händlerverschulden 1.2,1.4,1.9, Anm. 1.86, II.5 - Kausalität von Instruktionsfehlern 1.85,1.86,1.91,1.113,1.139 - keine Geltung bei Regreß der Berufsgenossenschaft gegen den Arbeitgeber Anm. II.50 - Mitarbeiter-Eigenverschulden 1.86 - Organisationshaftung 1.54 - Produktbeobachtungshaftung: siehe dort - Verrichtungsgehilfenhaftung: siehe dort - Verschulden des Hersteller-Verkäufers bei positiver Vertragsverletzung 1.58,1.62, 1.67,1.74,1.85 - Verschulden des Werkherstellers bei positiver Vertragsverletzung 1.40, 1.58,1.94, 1.101,1.102,1.110,1.116,11.33,11.40 - Verschulden des Werkherstellers hinsichtlich des Fehlens zugesicherter Eigenschaften (§ 635 B G B ) 1.94,1.101,1.110 Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen 1.2,1.4,1.20,1.40,1.58,1.86,1.94,1.101, 1.102,11.18,11.33,11.43,11.56 Beweisvereitelung 1.62 (Anm.), III.3 Branchenüblichkeit und Erforderlichkeit der Maßnahmen 1.71 Brandverhütungsvorschriften 1.120 Caveat emptor: siehe Käuferverantwortung
542
Daseinsvorsorge 1.74,1.91,1.128,1.133,1.146 (Anm.), 11.38,11.58 - analoge Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Haftungsrechts 1.74,11.58 - Beweislastumkehr bei Wasserversorgung 11.38 - deliktsrechtliche Haftung 1.133 - formularmäßige Haftungsfreizeichnung 1.130,1.146 (Anm.) - Haftungsfreizeichnung in für allgemeinverbindlich erklärten AGB 1.130 - Inhaltsgleichheit zwischen öffentlich-rechtlichem und zivilrechtlichem Haftungsrecht 1.128,1.133 - öffentlich-rechtliche Ausgestaltung 1.91,1.128,1.133, Anm. 1.146 - Qualifikation als öffentlich-rechtliche bzw. zivilrechtliche Ausgestaltung Anm. 1.146 - Rechtsweg 1.74,1.91, Anm. 1.146 - satzungsmäßige Haftungsfreizeichnung 1.133,11.58 - Wahlrecht des Staates zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Ausgestaltung 1.128, Anm. 1.146 DIN-Normen Anm. 1.72, 1.74, 1.100,1.101,1.104,1.106,1.127,1.133,1.143,11.21, 11.41,11.47 (Anm.), 11.52 (Anm.), 11.63 (Anm.), III.6 - abweichende Spezialliteratur 1.106 - Abweichungen zwischen DIN-Norm und Werbeschrift 11.21,11.41 - Abweichungen zwischen Vertragsinhalt und DIN 11.47,11.52 (Anm.) - ausdrückliche Bezugnahme Anm. 1.72,11.21,11.41, Anm. 11.52 - Auslandlieferungen 11.47 - fehlende ausdrückliche Bezugnahme 1.57, Anm. 1.72,1.74,11.47 (Anm.) - Heranziehung zur Präzisierung des Vertragsgegenstandes 1.57,1.47,11.47 (Anm.) - Maßtoleranzen 11.47 - Mitverschulden des Geschädigten bei Nichtberücksichtigung von DIN-Normen 1.31 - mündliche Erläuterungen und DIN-Norm 11.21, Anm. 11.52 - Prüfungspflichten des Anwenders von DIN-Normen Anm. 1.101 - siehe überbetriebliche Regelwerke - siehe VDE-Vorschriften - siehe VDGW-Regeln - und Eigenschaftszusicherung 1.57, Anm. 1.72,1.74,1.115,1.133 - und Kauf nach Probe III. 14 - Verhältnis DIN-Norm/Individualvertrag 11.52 (Anm.) - Verhältnis DIN-Norm/Stand der Technik 1.101 (Anm.) 1.143,11.17,11.47 - Vermutung für Übereinstimmung zwischen DIN-Norm und Stand der Technik 1.104,1.106,11.47 - Verpflichtung zur Beurteilung des konkreten Einzelfalles, ob weitere Vorsichtsmaßregeln erforderlich sind 1.101,11.63 - Verschulden bei Nichtberücksichtigung von DIN-Normen 1.143 - Zurechenbarkeit von DIN-Normen 11.21, Anm. 11.47 543
Drittschadensliquidation 1.25,1.58,1.82 Drittunternehmer-Einschaltungshaftung: siehe Einschaltung Dritter Druckfehler 1.60 Drucksachen und Herstellerhaftung 1.36,1.41,1.48 Durchschnittlicher Benutzer 1.19,1.28,1.36,1.39,1.60,1.66,1.73,1.85,1.86,1.88, II.l, II.6a, 11.30 - als Maßstab für die Instruktionshaftung 1.28,1.36,1.39,1.66,1.73,1.86, II.3, II.6a, III.22 - als Maßstab für die Konstruktionshaftung 1.19,1.66,11.30,11.61 - Erfahrungswissen der durchschnittlichen Benutzer 1.36,1.39,1.66,1.73,1.85,1.86, 1.88, II.l, II.6a - Gewöhnung an die Gefahr 1.28,1.66 - individueller Kunde als erfahrener Fachmann 1.66 DVGW-Regeln Anm. 1.101,1.109,111.16; siehe auch DIN-Normen DVGW-Zeichen 1.82 Eigenhaftung von Mitarbeitern: siehe Mitarbeiter-Eigenhaftung Eigenschaftszusicherung - Absicherungsfunktion 1.56 - DIN-Normen 1.57, Anm. 1.72,1.74, III. 14 - Erstreckung auf Mangelfolgeschäden 1.49,1.56,1.67,1.72,1.75,1.84,1.132,1.151, ILIO, III.8, I I I . l l , III. 12, III. 19 Angaben über die Leistung einer Maschine I I I . l l inhaltliche Richtigkeit eines Anleitungsbuches 1.75 - Fachhändler 1.3,1.30 - fachkundiger Rat 1.72 - Garantie: rechtliche Einordnung einer vom Verkäufer abgegebenen Garantie 1.132 - Gütezeichen 1.82 - Haftungsbeschränkungen in AGB bzw. Formularverträgen 1.38, 1.56, 1.61, 1.65, 1.72,1.78,1.84, 1.132,1.150,1.151, ILIO, 11.13,11.19,11.31, I I I . l l , 111.12,111.19; zu den durch das AGB-Gesetz bewirkten Änderungen vgl. Fußn. 1 und 3 zum „Gesamtverzeichnis und Inhaltsübersicht der in Band I und Band II abgedruckten Urteilsanmerkungen" - Kauf nach Probe 111.14 - Käuferberatung 1.30,1.72 - Markenartikel 1.58, III. 10 - Sukzessivlieferungsvertrag 1.72 - technisch nicht mögliche Herbeiführung der zugesicherten Eigenschaften 1.61 - Umfang der Eigenschaftszusicherung 1.53,1.56,1.72, I I I . l l Auslegungsfähigkeit 1.53,1.56, I I I . l l 544
Begrenzbarkeit des Haftungsumfangs 1.72 Erstreckung auf Mangelfolgeschäden 1.38,1.49,1.56,1.72,1.75, III. 11 Kongruenz zwischen inhaltlicher Aussage der Eigenschaftszusicherung und Haftungsumfang 1.53 - und Beratungshaftung 1.30,1.52,1.57,1.72,1.75 - Verschuldensunabhängigkeit der Haftung für Eigenschaftszusicherungen 1.53,1.56, 1.72 - Vorliegen einer Eigenschaftszusicherung 1.3, Anm. 1.48,1.49,1.53,1.56,1.57,1.64, I.67,1.72,1.74,1.75,1.84,1.87,1.108,1.115, Anm. 1.148,1.150,1.151, II.5, ILIO, II.13,11.16,11.19,11.31,11.37, III.8,111.10, I I I . l l , 111.12,111.17, III. 19 des Händler-Verkäufers aufgrund von Hersteller-Informationsmaterial 1.3, Anm. I.48,1.53 - - DIN-Norm 1.57, Anm. 1.72,1.74,1.115,11.47 (Anm.) Erfordernis der Schriftform 1.151 Folgeaufträge: Geltung einer Eigenschaftszusicherung auch für Folgeaufträge III. 14 gesetzlich normierte Eigenschaftszusicherung 1.67, III.14 kraft Handelsbrauchs II.5 Leistungsangaben einer Maschine Anm. 1.72,1.84, I I I . l l Prospekte 1.56 Schadenermittlungsverhandlungen als Grundlage 11.37 (Anm.) - - Verwendungszweck 1.3,1.49,1.56,1.64,1.72,1.74,1.75,1.87,1.108,1.115,1.150, II.5,11.37 (Anm.), III.8 (Anm.) - - Warenbezeichnung 1.53,1.57, Anm. 1.72,1.74,11.16, III. 10 Warenzeichen Anm. 1.48,1.53,1.58, III.7 - - Werbematerialien 1.3, Anm. 1.48,1.53,1.56,1.72,1.75, ILIO, 11.13 Zeitungsanzeige Anm. 1.48,11.13, III.18 Eigentumsverletzung: siehe Sachschaden Eigentum Eignungstest: Mitwirkung des Kunden bei Eignungstests 1.30 Einschaltung Dritter 1.41,1.119,1.121 (Anm.), 1.125, Anm. 1.130, Anm. 1.138; siehe auch Arbeitsteilung - Auswahlpflichten des Einschaltenden 1.119,1.121 (Anm.), 1.125 - deliktsrechtliche Bewertung von Arbeitsteilungen 1.41, Anm. 1.121 - Einschaltung rechtlich selbständiger, nicht weisungsgebundener Unternehmen 1.121 (Anm.), 1.125,1.130 (Anm.), Anm. 1.138 - Einschaltung und Beaufsichtigung von Fachunternehmen 1.121,1.125 - Einschaltung von Hilfspersonen durch Arzt 1.119 - Mitverantwortung des eingeschalteten Unternehmens für Fehler des einschaltenden Betriebes Anm. 1.138 545
- Organisation des eingeschalteten Unternehmens 1.121 - Überprüfungspflichten des Einschaltenden 1.41,1.119,1.121 (Anm.) - Überwachungspflichten 1.121,1.125 - Verbot einer Überspannung der Sorgfaltsanforderungen 1.121 - vertragsrechtliche Bewertung Anm. 1.121 - Zuverlässigkeit des eingeschalteten Unternehmens 1.121,1.125 Eintrittswahrscheinlichkeit: siehe Wahrscheinlichkeit 1.73,1.85,1.103 Elektrizitätsversorgung 1.130,1.146 Empfängnisverhütungsmittel III.7 Endherstellerhaftung: siehe Assembler Endverbraucher-Produkthaftung: siehe Benutzerverantwortung Energieversorgung: siehe Elektrizitätsversorgung, Wasserversorgung, Daseinsvorsorge Entlastungsnachweis - Ausbleiben von Beanstandungen in der Vergangenheit 1.34,1.40 - des Händlers bei Verschuldensvermutung 1.4,1.9 - des Herstellers hinsichtlich der allgemeinen Oberaufsicht 1.5,1.18 - des Herstellers hinsichtlich der Mitarbeiterhaftung (§ 831 BGB) 1.5,1.18,1.96 Anleitungsverschulden 1.140,11.46 - - Auswahlverschulden 1.5,1.18,1.19,1.24,1.25,1.34,1.54,1.96,11.53 - - Beaufsichtigungsverschulden 1.5,1.18,1.19,1.24,1.25,1.34,1.54,1.96,1.140 Nachweis aller in Betracht kommenden Personen 1.5,1.20,1.34,1.54,1.74,1.76, 1.96,11.44 Nachweis des einzelnen Mitarbeiters 1.5,1.19,1.20,1.34,1.54,1.76 Überwachungsverschulden: siehe oben unter Beaufsichtigungsverschulden - des Herstellers hinsichtlich eines Organisationsverschuldens 1.5, 1.20, 1.54, 1.58, 11.38, III.21 - des Werkunternehmers bei Verschuldensvermutung 1.40 - dezentralisierter Entlastungsnachweis 1.18,1.34 - Verbot der Überspannung der Anforderungen an den Entlastungsnachweis 1.34, 1.40 Entsorgung von Industrieabfällen 1.121 Entwicklungsgefahr 1.58, 1.62, Anm. 1.101, 1.104, 1.114, 1.122, 1.139, II.6a, 11.24, 11.36,11.67,11.68 (Anm.), 111.15 (Anm.), 111.17 (Anm.) - Beurteilungszeitpunkt Anm. 1.101,1.139,11.36, Anm. 11.68 Entwicklungslücke Anm. 1.101,11.30 - Berechtigung zum Inverkehrbringen, aber Bestehen einer Warnpflicht Anm. 1.101 - Verpflichtung zum Unterlassen des Inverkehrbringens Anm. 1.101, 11.30, III.15 Entwicklungsplan - siehe auch Schutzmittel 546
- Störung des Entwicklungsplans als Körperverletzung III. 15 Erforderliche Maßnahmen 1.42,1.88,1.89,1.105,1.121,1.123,11.23,11.30 - Nichtausreichen der üblichen Maßnahmen 1.71,1.94,1.99,1.120,1.121,11.65 Erfüllungsgehilfe 1.12,1.13 (Anm.), 1.23,1.51,1.52,1.53,1.55,1.57,1.64,1.79,1.80, 1.124,1.142, II.5, II.6a, 11.18 - Einzelteil-Lieferant Erfüllungsgehilfe des Werkherstellers bzw. Werklieferanten unvertretbarer Sachen Anm. zu 1.13 - Einzelteil-Lieferant kein Erfüllungsgehilfe des Hersteller-Verkäufers bei Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen 1.12, Anm. zu 1.13,1.53,1.55,1.142 - Hersteller als Erfüllungsgehilfe des Händlers bei dessen Instruktionsverpflichtungen 1.52 - Lieferant Erfüllungsgehilfe des Händler-Verkäufers bei Streckengeschäft 1.13 (Anm.) - Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Händler-Verkäufers 1.13, 1.23, 1.53, 1.57, 1.129.1.133 - Subunternehmer Erfüllungsgehilfe des Werkherstellers 11.18 Ersatzteil: Einbau eines mangelhaften Ersatzteils als Sachbeschädigung II.2,11.12 Fabrikationshaftung 1.21,1.24,1.34,1.41,1.86 - Ausreißer 1.86 - Qualitätskontrolle 1.10,1.34,1.41,1.54,1.69, Anm. III.2 Fachfirma - Benutzervertrauen auf Fachfirma 1.122,11.25 - Sorgfaltspflichten 1.93,1.97 Fachhändler 1.4,1.52,1.63 - Einstehenmüssen für Herstellerfehler bei Übernahme von Hersteller-Gebrauchsanleitungen und Herausgabe unter eigener Bezeichnung 1.52 - Instruktionspflichten 1.52 Fachkongresse: Verpflichtung zur Verfolgung von Fachkongressen 11.67,11.68 (Anm.) Fachliteratur 1.43,1.73,1.106,1.134,1.139,11.17,11.67,11.68 (Anm.) - kein Verschulden bei Unkenntnis von Schriften, die im Kreis der betreffenden Fachleute noch nicht bekannt waren 1.106 - Verpflichtung zum Verfolgen 1.134,11.17,11.67,11.68 Fachmann, Sorgfaltspflichten des Fachmanns 1.30,1.40,1.93,1.97,1.100,1.101,1.106, 1.120
- Beratungshaftung wegen unterlassener Aufklärung, wenn volle Durchführung der Aufgabe Spezialkenntnisse erfordert 1.100 - Beratungshaftung, wenn gesicherte Aussage über die Bewährung einer Konstruktion noch nicht möglich ist 1.110 - Einstehenmüssen für die Beherrschung der „Regeln seiner Kunst" 1.30,1.40,1.93, 1.120.1.134 547
- Haftung bei erkennbarem Fehler eines vom Auftraggeber ebenfalls eingeschalteten Sonderfachmanns 1.143; siehe auch Bauunternehmerhaftung - Hinweispflichten 1.93, Anm. 1.95,1.97,1.122 - Intensivierung der Sorgfaltspflichten bei konkretem Anlaß 1.134 - keine Haftung für Spezialkenntnisse anderer Fachleute 1.93,1.97,1.98,1.114,1.122 - siehe Übernahmeverschulden - siehe Überspannung der Sorgfaltspflichten - SpezialWissen 1.101,1.114,11.25 Fachwerkstatt 11.54 Fehler - Beurteilungszeitpunkt 1.101 (Anm.) - deliktsrechtlicher Fehlerbegriff 1.60,1.66,1.139,11.1,11.15,11.26, Anm. 111.2,111.10 getrennte Prüfung für jeden Beteiligten, ob ihm ein Fehler zur Last fällt Anm. 1.101,11.42,11.43,11.60 - subjektiver Fehlerbegriff Anm. 1.148 - vertragsbezogener Fehlerbegriff 1.139,1.148 (Anm.), 11.17, III. 10 Fehlernachweis 1.13, 1.54, 1.58, 1.62, 1.66, 1.67, 1.71, 1.76, 1.86, 1.96, 1.133, 1.139, I.144, 11.24, 11.26, 11.28, 11.30,11.32,11.38,11.42,11.43,11.44,11.46,11.56,11.59, II.60,11.64, III.l, III.3, III. 10, III.22,111.23 - alternativer Fehlernachweis 1.13,1.76,1.86 - aufgrund von Kundenreklamationen in Einzelfällen erfolgte Produktverbesserung 1.16
- äußerst seltenes Auftreten der Gefahr 11.24,11.26 - Ausschaltung möglicher weiterer, außerhalb des Herstellungsbereichs liegender Fehler 1.54,1.62,1.67,1.86,11.14,11.43,11.44,11.56, III.l, III.3 - bestimmungsgemäßer Gebrauch 11.30,11.44 - Beurteilungszeitpunkt 1.101,11.24 (Anm.), 11.24 - Endverbraucher-Produkthaftung 11.45 - Erfordernis des Vollbeweises 1.58,1.62,1.76 - Fehlverhalten Dritter 11.33 - Indiziennachweis bei Zusammentreffen mehrerer gleicher Schadenfälle 1.58,1.67 - keine Beweislastumkehr 1.58,1.62,1.76,11.14 - mehrere in Betracht kommende, dem Herstellerbereich zuzuordnende Fehler: siehe alternativer Fehlernachweis - mehrere Schadenverursacher Anm. 1.92, Anm. 1.101 - Möglichkeit der Fehlererkenntnis 11.28 - nach Schadenfall erfolgte typenmäßige Produktverbesserung 11.24,11.26,11.66 - nach Verlassen des Herstellerbereichs erfolgte Veränderung des Produkts 11.44 - Nachweis, daß der Fehler in den Verantwortungbereich des Beklagten fällt Anm. 1.101,11.42,11.43,11.60 548
- Nachweis eines bestimmten schadenursächlichen Mangels nicht erforderlich 1.76, 11.44 - Offenbleiben technischer Einzelheiten 11.44, III. 15 - Produkt-Verbesserungsmöglichkeiten und Fehlernachweis 1.16,1.62 - siehe Fabrikationshaftung - siehe Konstruktionshaftung - siehe Produktbeobachtungshaftung Fehlerzuordnungsnachweis 1.76,1.86 (Anm.) Fertigung nach Kundenzeichnung: siehe Kundenzeichnung Fertigungsplanung Anm. III.2 Fertigungssicherheit Anm. III.2 Finanzielle Auswirkungen der erforderlichen Gefahrabwendungsmaßnahmen 11.26, 11.30,11.34,11.64,11.65 Freistellung: Anspruch auf Freistellung von Regreßansprüchen 1.31 Funktionsprüfung 11.30 Futtermittelgesetz 1.67 Garantie: Rechtliche Wertung als Eigenschaftszusicherung 1.132,11.68 Garantiekarte 1.16, Anm. 1.48 Garantiescheine - Abgrenzung zur Eigenschaftszusicherung 1.132,11.68 - Herstellergarantie 11.30,11.68 Gas als bewegliche Sache i. S. des Kaufrechts 1.71 Gebrauchshinweise als Grundlage einer vertraglichen Herstellerhaftung 11.67,11.68 (Anm.) Geeignete Maßnahme 1.42 Gefahrabwendungspflichten 11.32 - Berücksichtigung der besonderen Kenntnisse, Qualifikationen usw. des konkreten Abnehmers 1.66 - Bezogenheit auf den durchschnittlichen Benutzer: siehe dort - Entstehung aus besonderem Anlaß 1.21,1.31,1.41,1.70 - siehe Schadenfälle Gefährdungshaftung 1.56,11.26,11.60 Gefälligkeitsarbeiten: Deliktshaftung 11.35 Gemeinde 11.48 - Elektrizitätsversorgung 1.130,1.146 - Haftungsfreizeichnung 11.58 - siehe Daseinsvorsorge - Wasserversorgung 11.38,11.58 Gesamtschuldnerische Haftung 1.92 (Anm.), 1.131, III.3 549
- interner Schadensausgleich zwischen mehreren Gesamtschuldnern 1.92 (Anm.) Getränkeabfüllbetrieb Anm. 1.95,11.60 Gewerbebetrieb, deliktsrechtliche Haftung bei Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 1.16,1.82 Gewöhnung des durchschnittlichen Benutzers an die Gefahr 1.28 Grenzmaß: siehe Toleranz Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahme 1.42,1.121,1.125, III. 15, III. 16 - Erfordernis der Gesamtbeurteilung aller Einzelfallumstände III. 15 Gütezeichen 1.82 Gütesicherung: siehe Gütezeichen Händlerhaftung: allgemein (siehe weiterhin im folgenden unter „Händlerhaftung in deliktsrechtlicher/vertragsrechtlicher Sicht") - Abgrenzung zwischen Vertriebshändler mit Endmontagefunktionen und Assemblern Anm. 1.138,11.39 - Alleinvertrieb 11.68 - Beweislastumkehr 1.2,1.4,1.9, Anm. 1.86, II.5 - Endmontageverpflichtung 1.138 (Anm.), 11.39 - Händlerhaftung für Hersteller-Informationsmaterial 1.3,1.52 - Händlerwerbung und Herstellerhaftung 11.68 - keine Passivlegitimation für gegen ausländische Hersteller gerichtete Klagen 11.39 - konzernzugehöriges Vertriebsunternehmen 11.38 (Anm.), 11.68 - Mitverantwortung für Herstellerfehler Anm. 1.151 - Rückrufhaftung Anm. 11.39 - Untersuchungspflichten - Vertragshändler Anm. 1.151 - Vertriebsfehler 1.151 (Anm.) - Vertriebshändler-AGB und Weiterverweisung auf Herstellergarantie 11.32 - Verwechslung 1.9 Händler-Haftung in deliktsrechtlicher Sicht 1.7,1.41,1.138,1.151 (Anm.), 11.12, III. 13 - Händler als Tochterunternehmen des Herstellers 11.39 - Haftung bei Übernahme von Endmontagefunktionen 1.138 (Anm.) - Importeurhaftung III. 13 - keine Passivlegitimation einer inländischen Vertrieb-Tochtergesellschaft für Klagen gegen den ausländischen Hersteller 11.39 - Untersuchungspflichten 1.7,1.41 grundsätzlich keine Untersuchungspflichten 1.41, 1.138, Anm. 1.151, 11.39 (Anm.) Hersteller als Tochterunternehmen des Händlers 1.41 550
Untersuchungspflicht bei besonderem Anlaß 1.41,1.138, Anm. 1.151 - Vertriebsfehler 1.41,1.151 (Anm.), 11.12,11.42 Händler-Haftung in vertragsrechtlicher Sicht - Beratungshaftung 1.52 - Fachhändler 1.3,1.52 - Falschlieferung 1.51 - gerechtfertigtes Vertrauen auf das Lieferwerk 1.23, II.5 - grundsätzlich keine Untersuchungspflichten 1.3, 1.14, 1.23, 1.57,1.64, 1.129, II.5, 11.16
- Hersteller als Erfüllungsgehilfe des Händlers 1.52, II.5,11.16 - Importeur 1.57 - keine generelle Entbindung von Untersuchungspflichten wegen befriedigender Abwicklung früherer Verträge mit dem Lieferanten 1.148 (Anm.) - keine Qualitätskontrollhaftung des Händlers II.5 - Organisationshaftung 1.2,1.4,1.133 - Prüfungspflicht bei Übernahme einer Verpflichtung zur Erteilung eines sachverständigen Rates 1.3,1.57 - siehe Anwendungsberatung - siehe Beweislastumkehr - Unerheblichkeit von Untersuchungspflichten des Abnehmers für die Untersuchungspflichten des Händlers 1.3,1.14 - Untersuchungspflicht aufgrund der besonderen Umstände des Falles 1.14, 1.57, 1.129,1.133 - Untersuchungspflicht bei Anlaß zum Mißtrauen gegenüber dem Vorlieferanten I.129 - Untersuchungspflicht bei konkretem Anlaß bzw. Verdacht 1.14,1.57,1.129,1.133, II.5,11.16 - Verpflichtung zur Prüfung auf oberflächlich erkennbare Mängel 1.23, II.5 - Verschuldensnachweis: siehe Beweislast Häufigkeit voraussehbarer Schadenfälle: siehe Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts Haftung für positive Vertragsverletzungen 1.2, 1.3, 1.12, 1.13, 1.14, 1.23, 1.25,1.33, 1.40,1.44,1.51,1.57,1.62,1.71,1.85, II.5, II.6a - Instruktionshaftung 1.85 - keine Geltung für Schaden an der gelieferten Sache selbst 1.37 - Konstruktionshaftung 1.59,1.63,1.65, II.6a, II.8 - Produktbeobachtungshaftung 1.33 - Verjährung: siehe dort - Verschuldenshaftung 1.116 - wegen Herstellung eines aufgrund von Mängeln der vom Verkäufer gelieferten Sache mangelhaften Werks 1.51 551
Haftungsausschluß: keine Drittwirkung eines zwischen Hersteller und Abnehmer vereinbarten Haftungsausschlusses gegenüber Drittgeschädigten 11.66 Haftungsbegrenzungsklauseln - Auslegung 1.104,1.117,1.130 Haftungsfreizeichnungsklauseln: siehe Haftungsbegrenzungsklauseln Handelsmarke 1.138 (Anm.); siehe auch Quasi-Hersteller Handelsunternehmen: siehe Händlerhaftung Handwerker: siehe Bauunternehmer Herstellerangaben - Benutzervertrauen auf Herstellerangaben 1.48,11.24,11.28 - Verfalldatum 111.23 Herstellererwartungen: berechtigte Herstellererwartungen hinsichtlich des Verhaltens der potentiell Gefährdeten 1.88 - siehe auch durchschnittlicher Benutzer Hersteller-Garantie 1.17,11.25,11.30,11.68 - Vertriebshändler-AGB und Weiterverweisung auf Hersteller-Garantie 11.32 Herstellerhaftung 11.30,11.44 - Abfassung von Gebrauchsanleitungen durch Händler 11.68 (Anm.) - aufgrund des Erwerbs in der Originalverpackung 1.5 - Begriff des Herstellers 1.17,1.41,1.86,1.138,11.14,11.30,11.39,11.60,11.64,11.65, 11.68 (Anm.), III. 13 - bei Versagen von Schutzmittel 11.67,11.68 - Berücksichtigung von Bestellerwünschen 11.66 - besondere Verhältnisse, Qualifikationen usw. des einzelnen Abnehmers 1.66 - Einverständnis des Abnehmers mit dem Produktmangel und Haftung des Herstellers gegenüber Dritten 11.15 - Garantiehaftung des Herstellers bei auf den Hersteller weiterverweisenden Vertriebshändler-AGB 11.32 - Gebrauchshinweise als Grundlage einer Vertragshaftung 11.67,11.68 - Händlerwerbung und Herstellerhaftung 11.68 - Herstellererwartungen hinsichtlich des Produktbenutzerverhaltens 1.88 Verpflichtung zur Berücksichtigung von Anwendungsfehlern 1.48,1.73 Verpflichtung zur Berücksichtigung von unbefugtem und mißbräuchlichem Verhalten 1.66,1.144 - keine warenbegleitende vertragsrechtliche Haftung gegenüber dem Endverbraucher 1.5,1.16,1.58,1.71,1.75,1.82 - Neukonstruktion 11.30 - siehe Quasi-Herstellerhaftung - und Unfallverhütungsvorschriften: siehe Unfallverhütungsvorschriften - Verfalldatum, Verpflichtung zur Angabe III.23 552
- Verpackung 1.124 - Verträglichkeit mit anderen Mitteln: siehe dort - Vertrieb von Fremdprodukten unter eigener Firmenbezeichnung bzw. eigenem Warenzeichen: siehe Quasi-Herstellerhaftung sowie 11.30 Herstellungsverpflichtung: keine Herstellungsverpflichtung des Verkäufers sowie des Werklieferanten vertretbarer Sachen 1.53,1.55 Hinweisverpflichtungen 1.63,1.113,1.122,1.142,11.17 - Architektenhaftung 1.122 - Aufklärungspflichten des Verkäufers 1.63 - Aufklärungspflichten des Werkherstellers 1.112, II.9,11.17 - Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalitätsnachweises: siehe Beweislastumkehr - des Bauunternehmers nach der VOB 1.112, II.9,11.17 - nachträgliche Hinweisverpflichtung bei späterer Erkenntnis der Gefährlichkeit des Produkts 1.104 deliktsrechtliche Verpflichtung 1.104 (Anm.) nachvertragliche Verpflichtung 1.104 (Anm.) - Pflanzenschutzmittel-Hersteller 1.139 - siehe Beratungshaftung - Unterbrechung der Wasserversorgung 11.58 - Verwendung neuer, noch nicht erprobter Baustoffe 1.104 Importeur 1.57,11.39 (Anm.), III. 13 (Anm.) - inländische Vertriebsunternehmen eines ausländischen Herstellers 11.39 (Anm.), III.13 (Anm.) - keine Passivlegitimation für gegen ausländische Hersteller gerichtete Klage 11.39 Individuelle Disposition des Geschädigten 1.85, II.6a, III.7, III.15 Indiziennachweis 1.16,1.21,1.58,11.30,11.56, III. 15 - fehlende klinische Reproduzierbarkeit von Arzneimittelschäden III. 15 - generelle Kausalität von Arzneimitteln für Personenschäden III. 15 - Häufung gleichartiger Schadenfälle 1.21,11.56 - nach Auftreten von Schadenfällen erfolgende Produktverbesserungen 1.16,1.17 Industrieabfälle: Entsorgung 1.121 Inkaufnahme einzelner Schadenfälle 1.73 Instruktionshaftung 1.22, 1.28, 1.36, 1.52, 1.85 (Anm.), 1.104, 1.139 (Anm.), 11.23, 11.24,11.26,11.29,11.30,11.36,11.38,11.67,11.68 (Anm.), III. 15,111.24 - Abfassung von Gebrauchsanleitungen durch Händler 1.52,11.68 (Anm.) - Allergie 1.85, II.4, II.6a, 11.26 - angemessene Belehrung 11.23 - Benennung eines fachkundigen Spezialisten anstelle von Instruktionen 1.33 - besondere, dem durchschnittlichen Benutzer nicht bekannte Gefahr 1.73, 1.86, II.6a, 111.22 553
-
gespaltener Vertrieb teils an Fachleute, teils an Endverbraucher II.6a Vertrieb nicht nur für Fachleute 1.39 Vertrieb nur für Fachleute 1.36,1.66 Beweislast: siehe unten unter Kausalitätsnachweis deutliche und nachdrückliche Instruktion 1.39, 1.124, 11.23, 11.26, 11.30, 111.15, 111.23 ernsthafte Möglichkeit der Gefahr 11.68, III. 15 (Anm.) erteilte, aber falsche bzw. gefährliche Hinweise 1.48,1.86, II.9 finanzielle Auswirkungen der eventuell erforderlichen Maßnahmen 1.73,11.26 Gefährlichkeit des Produkts in voraussehbaren Anwendungssituationen 1.22,1.39, 1.85, II.3 gegenüber nachgeschaltetem Unternehmer 11.29 Händler-Instruktionspflichten 1.52 Hinweis auf dem Produkt selbst 1.36,1.39 Hinweis auf die konkreten Gefahrabwendungsmöglichkeiten 1.22,1.36,1.39,1.43, I.85,11.23 Hinweis auf die konkreten Gefahren 1.22,1.39,1.43,1.73,1.85,11.23,11.26 Hinweis auf eine allgemeine bzw. generelle, aber konkret nicht vorhersehbare Gefahr 1.139 Hinweis auf Gefahren und Gefahrabwendungsmöglichkeiten 1.22,1.39,1.73,11.23, II.26, III. 15 Hinweis für vorhersehbare Verwendungsfälle 1.22, II.3,11.26 Hinweispflicht bei Wartungsarbeiten gegenüber betroffenen Benutzern 11.38 Intensivierung bei konkretem Anlaß 1.134 irreführende Angaben 1.22,1.48,1.86 irreführende Werbung 1.22,1.86 Kausalitätsnachweis 1.22,1.28,1.39, 1.48,1.73,1.85,1.86,1.91,1.113, II.3,111.23, 111.24 keine Instruktionspflicht bei Erkennbarkeit der Gefahr für den durchschnittlichen Benutzer 1.28,1.36,1.86, II.3,111.22 Kenntnis des Verwendungszwecks und Voraussehbarkeit des Schadens 1.91 lediglich allgemeiner Hinweis bei Vielfalt von Anwendungsvoraussetzungen 1.139 (Anm.), II.5 nachvertragliche Hinweispflicht: siehe dort Nebenpflicht bei Kaufverträgen 1.52,1.63,1.85,1.91, Anm. 1.95, II.6a, 11.54 neues Produkt und geringes Anwendungswissen der Benutzer 1.33 Rechtsgrundlage der Instruktionshaftung 11.68 (Anm.), 111.20 Streit mehrerer Lehrmeinungen und Instruktionshaftung 11.24 Unterscheidung von Werbeaussagen III. 15, III. 17 untrennbar der Verpackung beigefügter Hinweis 1.39,11.23,111.24
554
- Verhältnis zu den Sorgfaltspflichten des Produktbenutzers III.23 - Verhältnis zur Konstruktionshaftung Anm. 1.85 - Verpflichtung zu einer Belehrung, die dem Denk- und Vorstellungsvermögen der durchschnittlichen Benutzer entspricht 11.23 - Verpflichtung zum konkreten Hinweis 1.39,1.139 (Anm.), II.5,11.23,11.30,11.67, 11.68 - Verpflichtung zur allgemeinen Unterrichtung über Risikomöglichkeiten 1.139 (Anm.), 11.68 - Voraussetzungen für Bestehen 11.67,11.68, III. 15 - Vorhersehbarkeit der Gefahr 1.22,1.91 Internationales Deliktsrecht: siehe anwendbares Recht Inverkehrbringen - Berechtigung zum Inverkehrbringen bei technisch nicht vermeidbarer Gefährlichkeit, aber Bestehen einer Warnpflicht Anm. 1.101,11.36 - Verpflichtung zum Verzicht auf Inverkehrbringen bei technisch nicht vermeidbarer Gefährlichkeit Anm. 1.101,11.30,111.15 Kauf nach Probe 1.105, III. 14 Käuferverantwortung - für die Eignung der gekauften Sache für den vorgesehenen Verwendungszweck 11.47 (Anm.) - siehe auch Benutzerverantwortung Kausalitätsnachweis 1.5,1.21,1.22,1.28,1.39,1.58,1.66,1.67,1.92,1.113,1.139, II.3, 11.30,11.35,11.38,11.42,11.54,11.59,11.65,11.66,11.67,11.68,111.24 - Adäquanztheorie 1.34,1.39,1.92,1.120, II.l, II.6a, 11.23,11.35,11.65 Hinzutreten weiterer Bedingungen II.6a, 11.23 Mitverschulden des Geschädigten 1.39 Seltenheit des betreffenden Kausalverlaufs II.6a - - Verschulden Dritter 1.26,1.70,1.73,1.92, II.l, 11.23,11.33,11.65 - Anscheinsbeweis 1.58,1.66, II.6a, 11.11,11.12 - Beweislastumkehr bei Instruktionsfehlern 1.85,1.113,11.54 - Erfordernis des Vollbeweises 1.28,1.58 - Indiziennachweis III. 15 - Instruktionshaftung 1.113,1.139,11.23, III.24 - siehe Arzneimittel - strafrechtlicher Kausalitätsbegriff III. 15 - und Pflichtverletzung Dritter 1.92 - Unterschied zwischen naturwissenschaftlichem und prozessualem Beweis III. 15 Kollisionsrecht: siehe anwendbares Recht Konstruktionsbüro Anm. 1.110, Anm. 1.138, III.3; siehe auch 11.30,11.36 555
Konstruktionshaftung 1.16,1.17,1.19,1.28,1.34,1.36,1.59,1.66,1.69,1.130, II.8,11.30, 11.64,11.66,11.67,11.68 (Anm.), III.3, III.4, III. 17 - Auswertung des Ergebnisses von Typenprüfungen 1.85 (Anm.), II.6a, II.8,11.30, 11.68, III. 15 - Berücksichtigung im Einzelfall gegebener Gefahren 1.16,1.17,1.21,1.31,1.66 Kenntniserlangung von den örtlichen Verhältnissen während der Montage am Verwendungsort 1.66 rechtswidriges Handeln des Abnehmers 1.42 - Berücksichtigung naheliegender Benutzungsfehler 1.19,1.25,1.28,1.39,1.48,1.66, 1.69,1.73, II.l, 11.30,11.61 - Berücksichtigung von Bestellerwünschen 11.66 - durchschnittlicher Benutzer 1.19,1.66,11.30 Kunde als erfahrener Fachmann 1.66 - Eignung für den vorgesehenen Verwendungszweck 1.15,11.17 - Eignung für die voraussehbaren Einsatzbedingungen 1.19,1.22,1.28,1.31,1.39,1.43, 1.44,1.48,1.66,1.69,1.73, II.4,11.15,11.60, III.l, III.3, III.4 keine Haftung für anormale Anwendungsverhältnisse II.3 - Eignung für normale Einsatzbedingungen 1.22,1.43, II.4, III.3, III.4 - Einschaltung eines Konstruktionsbüros III.3 - Erprobung ohne Typenprüfungen erst in der Praxis II. 8 - fehlende überbetriebliche Sicherheitsvorschriften 11.30 - Funktionsprüfung 11.30 - Gefährdung mit verkehrsüblicher Sorgfalt handelnder Benutzer 1.66 - Gefährdung sachunkundiger Dritter 1.28 - keine Verpflichtung zur Berücksichtigung völlig unsachgemäßen Verhaltens 1.66 - keine Verpflichtung zur Realisierung aller denkmöglichen Sicherheitsmaßnahmen 1.69 - konstruktiv bedingter Bedienungsfehler 1.19 - Mitverantwortung des Auftragsfertigers 1.26 - Mitverantwortung des Montageunternehmens 1.17 - Neukonstruktion 1.58,1.101, II.8,11.30,11.60 Verpflichtung zur Entwicklung adäquater Qualitätskontroll-Geräte 1.58 - Produktbezeichnung und damit verbundene Produkteigenschaften III. 10 - Schutzvorrichtungen bei Maschinen 1.66,11.61 - Sicherheitsspielraum 1.69 - siehe Betriebssicherheit - soziale Nützlichkeit des Produkts als Bewertungsfaktor 11.30, III. 15 - Überbeanspruchung 1.69 - unnötige Bedienungserschwerung 1.19 - unnötig gefährliche Konstruktion 1.19,11.30 556
- Unzulässigkeit des Inverkehrbringens 11.30 - Verhältnis zur Instruktionshaftung Anm. 1.85 - Verpflichtung zur Ausnutzung der technischen Möglichkeiten 1.19,1.28,1.43 Sonderanfertigungen als Zusatzteile für Serienprodukte 1.28,1.66 - Verpflichtung zur ausreichenden Erprobung vor dem Inverkehrbringen 11.68, III. 15, III. 17 - Verpflichtung zur Berücksichtigung von Anwendungsfehlern 1.48,1.144,11.60 - Zulässigkeit des Inverkehrbringens trotz bekannter relativer Gefährlichkeit 1.85, III.15 Kundenberatung, unentgeltliche 1.139 (Anm.) Kundenbeschwerden als Grundlage von Gefahrabwendungspflichten 1.16,1.17,1.31 Kundenverantwortung: Mitwirkung bei vom Hersteller durchgeführten Eignungstests 1.30 Kundenzeichnung, Fertigung nach Kundenzeichnung Anm. 1.138 Langzeitverhalten 1.17,1.41,1.86,11.65, III. 17,111.22 - als Entwicklungsgefahr III. 17 (Anm.) lege artis: siehe Stand der Technik Leibesfrucht - Störung des Entwicklungsplans III. 15 - strafrechtlicher Schutz III. 15 Lieferantenbeurteilung Anm. 1.121; siehe auch Einschaltung Dritter Lohnfertigung: siehe Kundenzeichnung Mangel: siehe Fehler Mangelfolgeschaden: Abgrenzung zum Nichterfüllungsschaden - Kaufrecht 1.141,1.151,11.31,11.37 - Werkvertragsrecht 1.84,1.107,1.117,1.127,1.151,11.31 Mangelhaftung Anm. 1.95 MaschinenschutzG 1.66,11.66, Anm. III. 13 Materialien - Haftung des Gebäude- bzw. Anlageninhabers für gefährliche Materialien 1.144 - siehe auch Baustoffe Mehrere Verursacher - Fehlernachweis Anm. 1.92, Am. 1.101 - siehe gesamtschuldnerische Haftung - siehe Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten Mehrstufige Warenherstellung: siehe Arbeitsteilung Meßtoleranzen 11.47 Mitarbeiter-Eigenhaftung 1.2,1.19,1.21,1.29,1.80,1.86 (Anm.), 1.119 (Anm.), 1.120, Anm. 1.126,11.46,11.66 557
- Berücksichtigung einer besonderen Gefahrensituation 1.21 - Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens 1.2,1.86 (Anm.), 1.119 (Anm.) - Notwendigkeit des Fehlernachweises gegenüber dem betreffenden Mitarbeiter 1.86 (Anm.), Anm. 1.119 Mitarbeiter-Fremdhaftung: siehe Entlastungsnachweis - Überlassung von Mitarbeitern an Dritte 1.77 Mitursächlichkeit fremder Unrechtshandlungen 1.73 Mitverantwortung für im Herrschaftsbereich Dritter verursachte Produktfehler Anm. 1.138, Anm. 1.151 - Gebrauchtwagenverkäufer für vom Voreigentümer verursachte Fehler 1.151 - gesamtschuldnerische Haftung Anm. 1.151 - Händler für Herstellerfehler 1.129, Anm. 1.151 - Montagebetrieb für Konstruktionsfehler Anm. 1.138 Mitverschulden 1.19,1.20,1.29,1.31,1.39,1.51,1.52,1.60,1.92,1.97,1.99,1.103,1.117, 1.124,1.127,1.151, II.7,11.11,11.12,11.23,11.28,11.30,11.51,11.61,11.63,11.66, III.l, III.17 - Abwägung bei bedingtem Vorsatz des Schädigers und leichter Fahrlässigkeit des Geschädigten 1.31 - allgemeines Bewußtsein der Notwendigkeit der Vorsorgemaßnahme 1.99, 1.103, Anm. 1.124 - Bekanntsein der Gefahr 1.128 - Bekanntsein der Schadenminderungsmöglichkeiten 1.99 - Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Geschädigten bei der Beurteilung der Sorgfaltsanforderungen 1.124 (Anm.) - des Arbeitgebers bei Produkthaftungsregreß der Berufsgenossenschaft 1.69,11.66 - Eigeninteresse eines verständigen Menschen-Test 1.39 - Erfüllungsgehilfen 11.12, III.l - fachmännischer, aber nicht einschlägig spezialisierter Kunde 1.110 - formularmäßige Abbedingung der haftungsrechtlichen Untersuchungspflichten Anm. 1.124 - formularmäßige Abbedingung der handelsrechtlichen Untersuchungsobliegenheiten Anm. 1.124 - Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit des gefährlichen Unfallverlaufs 1.103 - Haftungseinheit 1.60 - Mitverschulden bei fehlender Kenntnis von der Gefährlichkeit des Produkts 1.43, 11.23,11.30, III. 17 - mitverschuldensneutrale Freiheit zur Risikoabwägung 1.103 - Möglichkeit der Vorsorgemaßnahme Anm. 1.124 - Nichtanwendbarkeit des § 254 BGB bei deliktsrechtlichen Ansprüchen 11.63 - Nichtbeachtung von DIN-Vorschriften als Mitverschulden 1.31,1.128 558
- Prüfung der Kausalität des Mitverschuldens für jeden einzelnen Schadenposten 1.51 - sozialpsychologischer Präventiveffekt einer Bejahung des Mitverschuldens Anm. 1.124 - teils nützliche, teils gefährliche Vorsorgemaßnahmen 1.103, Anm. 1.124 - typisierende Beurteilung des Verschuldens 1.39,1.124 (Anm.) - übliches Verhalten unerheblich, wenn es nicht dem rechtlich erforderlichen Verhalten entspricht 1.99, Anm. 1.124 - Untersuchungspflichten des Abnehmers Anm. 1.14,1.124 - Untersuchungspflichten des Abnehmers bei formularmäßiger Abbedingung der kaufmännischen Untersuchungspflichten Anm. 1.124 - Untersuchungspflichten vor einer Verarbeitung 1.31,1.51 - Verhältnis des § 254 BGB zu den kaufmännischen Untersuchungspflichten (§§ 3111. HGB) Anm. 1.124 - Zumutbarkeit der Vorsorgemaßnahme Anm. 1.124 Möglichkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen 1.119,11.58,11.64,11.66,111.23 Montage am Einsatzort und dadurch ausgelöste Kenntnis der konkreten Verhältnisse 1.66
Montagebetrieb 1.17, Anm. 1.95,1.138 (Anm.) - Abgrenzung zu Vertriebshändlern mit Endmontagefunktionen Anm. 1.138 - Endmontage durch Händler 1.138 - Funktionsprüfung 1.138 - keine Verpflichtung zur erneuten Typenprüfung trotz Mitverantwortung für Konstruktionsfehler 1.17 - Mitverantwortung für Konstruktionsfehler 1.17, Anm. 1.95,1.138 (Anm.) Montageverpflichtung - als Hauptpflicht 1.83 - als Nebenverpflichtung 1.132,1.142 Nachgeschaltete Unternehmer - Haftung für durch nachgeschaltete Unternehmer verursachte Mängel 11.29 - Hinweispflicht gegenüber Nachunternehmer 11.29,11.42 Nachvertragliche Hinweispflicht 1.104,11.68 Naturprodukt 1.21,1.74, II.6a, 11.14 - industrielle Aufbereitung 1.74 Neukonstruktionen 1.101,1.110, II.8,11.30,11.60 - „Erprobung- in der Praxis" unter Verzicht auf Typenprüfungen II.8 - noch nicht erprobte Konstruktion 1.110 - siehe auch Baustoffe Normung Anm. 1.101 Nützlichkeit der Schadenverhütungsmaßnahmen Anm. 1.124 559
Organisationshaftung 1.2, 1.4, 1.5,1.8,1.10,1.11,1.16,1.18 (Anm.), 1.20,1.21,1.34, I.54,1.58,1.71,1.76,1.77,1.81,1.92,1.109,1.147, II.7,11.11,11.24,11.30,11.36,11.44, II.53,11.55, Anm. III.l, III.3,111.21 - allgemeine Oberaufsicht 1.5,1.54 - Arbeitgeberhaftung 11.27 - Arbeitsabläufe 1.10,1.11,1.34,1.71,1.77, II.7, III.l - Arbeitsanweisungen 1.18,1.54,1.71,1.77,1.81,1.91,1.92,1.109,1.147, II.7,11.11, 11.55,111.1 (Anm.) Einsatz von Ersatzleuten 1.54, III.l Fehlen ausreichender Arbeitsanweisungen als grobfahrlässiges Organisationsverschulden 1.81 in besonderer Gefahrensituation 1.21 - Arbeitsverfahren 1.21,1.58,1.76,11.36 - Ausführungskontrolle 1.11 - ausreichende Gestaltung der Fabrikationsräume 111.22 - ausreichende Kontrolle der Ausführung bzw. Einhaltung von Organisationsanweisungen 1.11 - ausreichende Materialien 11.36,11.65 - ausreichende Qualitätskontrolle 1.10,11.44 - ausreichende Überwachung der betrieblichen Tätigkeit 1.11,11.55 - Auswertung von Typenprüfungen 11.30 - Betriebsausstattung 1.58,1.62,11.36, III.l - dem Stand der Technik entsprechende Materialien 11.36, III.22 - Einrichtung einer Qualitätskontrolle 1.10 - Entscheidung unvorhergesehener wichtiger Fragen durch die Geschäftsleitung Anm. 1.18,1.21 - Handelsunternehmen 1.2,1.4 - Personalauswahl 1.8 - sachkundiges Personal 1.8,1.54,11.24 - technisch einwandfrei arbeitende Geräte 11.24, III.l - und Einzelfall: Anweisung bei konkreter Gefahr 1.21 - und Überprüfung von Schadenfällen III.3, III.4 - Veranlassung einer Rückruf- bzw. Warnaktion III.3 - Vermutung eines Organisationsverschuldens 1.54,1.58,1.76,11.44 - Verschaffung der ausreichenden Kenntnis von den örtlichen Gegebenheiten 1.109 Originalverpackung 1.5 Passivlegitimation des Vertriebshändlers für gegen ausländische Hersteller gerichtete Klage 11.39 Patentierung und Produkthaftung 1.19, II.6a 560
Personalorganisation Anm. 1.18 - Beweislast Anm. 1.18 - Eigenhaftung für eigenes Handeln 1.18 (Anm.) - Eigenhaftung für fremdes Handeln Anm. 1.18 Pflanzenschutzmittel: siehe Verträglichkeit 1.139,11.67,11.68,111.20 Planungshaftung 1.110,1.122 - noch nicht erprobte Neukonstruktion 1.110 - riskante Planung 1.122 - siehe auch Baustoffe Produktbenutzer - Sorgfaltspflichten 1.3,1.116,111.23 - Verhaltenserwartungen des Herstellers 1.88 Produktbeobachtungshaftung 1.16, 1.17, 1.31, 1.62, Anm. 1.101, 1.104, 11.60, 11.67, 11.68 (Anm.), III.3, III.4, III.5, III.20 -
-
Auswertung regional begrenzter Daten bei weltweitem Vertrieb 11.68 (Anm.) Beweislastverteilung 11.68 (Anm.) des Getränkeabfüllbetriebs für Flaschenfehler Anm. 1.95 Fehlernachweis 1.16,11.68 (Anm.), III. 17 begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit des Produkts 1.17 Kundenreklamationen 1.16,1.17 Produktverbesserungen 1.16,1.17 Inhalt der Produktbeobachtungshaftung 1.104 (Anm.), 11.68, III.3,111.15,111.17 keine Warnpflicht bei nur abstrakter, d. h. konkret nicht vorhersehbarer Gefahr II.68 (Anm.), 111.20 keine Warnpflicht bei nur entfernter Möglichkeit 11.68 (Anm.), III. 15 (Anm.) Kundenbeschwerden 1.16,1.17 Organisationspflichten des Herstellers im Bereich der Produktbeobachtungshaftung Anm. 1.18,1.62,11.60, Anm. 11.68, III.4 Pflicht zur Ermittlung der Ursachen für ein Versagen des Produkts 1.17, III.3 (Anm.), III.4, III.6, III. 15 Pflicht zur Vornahme der zumutbaren Gefahrabwendungsmaßnahmen nach Erkennung der Gefahr 1.16 präventive Dimension der Schadenbearbeitung 1.16,1.17,1.31,1.43, III.3 (Anm.), III.4, III.6 Recht zur Überprüfung erhaltener Hinweise auf Produktfehler 11.67,11.68 (Anm.) Rückrufhaftung III.3 (Anm.), III.4 Verdacht der Gefährlichkeit 11.68 (Anm.), III. 15 (Anm.) Verpflichtung zur Erfassung und Auswertung der Fachliteratur 1.139,11.67,11.68 Verpflichtung zur Mangelbehebung? Anm. 1.104 Verpflichtung zur möglichen und zumutbaren Reaktion auf bekanntgewordene Produktfehler 1.16,1.17 561
- Verpflichtung zur Warnung der gefährdeten Personen bei nachträglicher Erkennung der Gefährlichkeit 1.104 (Anm.) Ausreichen der Warnung Anm. 1.104, III.17 deliktsrechtliche Verpflichtung 1.104 (Anm.), 111.17 keine Verpflichtung zur Mangelbehebung Anm. 1.104 nachvertragliche Verpflichtung 1.104 (Anm.) - Verschuldensnachweis 11.68 (Anm.) Produktverbesserungen - siehe Fehlernachweis - und Produktbeobachtungshaftung 1.16,1.17 Produzentenhaftung - Grenzen der Rechtsfortbildungskompetenz der Gerichte 1.58,1.82 - rechtspolitischer Sinn 1.75,11.32, III. 10 - und System des geltenden Haftungsrechts 1.58,1.82 Prospekte 1.36,1.41,1.56,11.10 Provisorium 1.26,1.42,1.70,1.111 Prozeßrecht - Aktivlegitimation bei Sicherungsübereignung II.2 - Beweisrecht: siehe Beweis - Rügeobliegenheit (§ 377 HGB): siehe Untersuchungsobliegenheit - unbezifferter Klageantrag 1.85 Prüfungspflicht 1.3 Qualitätskontrolle 1.10,1.34,1.41,1.62,11.44,11.65, III.l - Unterschied zwischen Auftragsfertiger- und Weiterverarbeiterprüfungen 1.41 - Verpflichtung zum Einsatz ausreichender Prüfgeräte 1.62 Quasi-Hersteller 1.86,1.138 (Anm.), 11.30, Anm. 11.39, III.3 (Anm.) - Handelsmarke Anm. 1.138 - Importeur als Quasi-Hersteller 11.39 (Anm.) - Verschuldensmaßstab 1.52 - Vertrieb von Hersteller-Gebrauchsanleitungen durch Händler unter der eigenen Bezeichnung 1.52 Raterteilung über die Verwendbarkeit 1.30,1.72 Regelwerke: siehe überbetriebliche Regelwerke Regreßansprüche: Anspruch auf Freistellung 1.31 Regulierungsverhandlungen: siehe Verjährung Reparaturfehler 11.55 Risikowahrscheinlichkeit: siehe Wahrscheinlichkeit Riskante Architektenplanung 1.97,1.122 562
Riskante Neukonstruktion II.8 Rückrufhaftung - Importeur Anm. 11.39 - Vertriebshändler Anm. 11.39 Sachschaden 1.1 (Anm.), 1.68, 1.107 (Anm.), 1.130 (Anm.), 1.136 (Anm.), 1.151 (Anm.), II.2, II.6,11.22,11.32,11.67,11.68 - Bearbeitung von Halbfabrikaten 1.136 - Einbau eines Ersatzteils 1.107 (Anm.), 1.147,1.151, II.2 - Einbau eines Zusatzteils in vorhandene Anlage 1.68 - Herstellung einer neuen, mangelhaften Sache 1.107 (Anm.), 1.130 (Anm.), 1.141, 1.151 (Anm.), 11.22,11.32,11.40,11.49 - Reparatur bestehender Sachen Anm. 1.130 - Versagen eines sachschützenden Mittels 11.67,11.68 Schaden-Begriff 1.136 (Anm.) Schadenfälle - allgemein bekanntgewordene Schadenfälle als Grundlage von Gefahrabwendungspflichten 1.101 - frühere Schadenfälle aus dem eigenen Bereich als Grundlage von Gefahrabwendungspflichten 1.16,1.17,1.31,1.33,1.43 Schadenregulierung: präventive Dimension 1.16,1.17, 1.31, 1.33,1.43,1.129,1.141, 1.142, Anm. 1.151 Schutzgesetze 1.7,1.16,1.20,1.28,1.58,11.34 - Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldensnachweises 1.58 - tatbestandlich nicht anwendbare Schutzgesetze als Mittel zur Konkretisierung der deliktsrechtlichen Generalklausel 1.21,11.34 - Verschulden bei der Verletzung von Schutzgesetzen 1.20,1.58 Schutzmittel - Haftung bei Nichteintritt der Schutzwirkung 1.25,1.37,1.58,1.82,11.67,11.68 - siehe auch Entwicklungsplan Schutzwirkung eines Vertrages zugunsten Dritter 1.25,1.37,1.58,11.26,11.36,11.46 - eigener Anspruch des Dritten 1.25 - keine Erstreckung des Händler/Hersteller-Vertrages auf den Händler-Kunden 1.58, 1.82,11.26,11.36 - Kreis der einbezogenen Dritten 1.25,1.37,1.58,1.82,11.26,11.36,11.46 - Verjährung 1.37 Seltenheit voraussehbarer Schadenfälle: siehe Wahrscheinlichkeit Sicherheitsspielraum 1.50,1.69 Sicherungsübereignung II.2 Sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) 1.15 (Anm.), 1.16,1.31, III.6 563
Sonderanfertigungen 1.28 Sorgfaltspflichten: siehe Gefahrabwendungspflichten Soziale Nützlichkeit III. 15 (Anm.) Spezialist, Haftung von Spezialisten - Hinweispflichten 1.93,1.97 - siehe auch Fachmann Spezialwissen 1.101,11.44 Staatliche Unternehmen - als Käufer 1.75,1.82 - als Verkäufer 1.74 Stand der Technik (generell) 1.19, 1.21, 1.26, 1.27, 1.28, 1.30, 1.36,1.43,1.71,1.97, 1.101,1.114,1.122,1.134,1.139,1.143,11.17,11.24,11.26,11.30,11.36, III.2, III. 16 - Begriff Anm. 1.101 - Hinweispflicht bei Abweichungen 1.30 - konstruktionelle Ausweichmöglichkeiten 1.19 - nach Stand der Technik nicht bekannte Gefährlichkeit, Schadenursächlichkeit usw.: siehe Entwicklungsgefahr - nach Stand der Technik nicht mögliche Gefahrabwendung und Inverkehrbringen 11.30,11.36 - Relativität des Standes der Technik Anm. 1.101,1.114 - siehe auch Fachmann - Stand der Technik und Stand der Wissenschaft Anm. 1.101 - Streit zwischen mehreren Lehrmeinungen 11.24 - und DIN-Normen 1.101 (Anm.), 11.17 - und VDE-Normen 1.88 - Unfallverhütungsvorschriften und Stand der Technik 1.66 - Verhältnis zwischen Stand der Technik und überbetrieblichen Regelwerken, DINNormen usw. Anm. 1.88,1.101,11.17 - Verpflichtung zur Ausnutzung der technischen Möglichkeiten 1.19,1.36,1.43,11.11 - Verpflichtung zur Vornahme von nach dem Stand der Technik sinnvollen und erfolgversprechenden Maßnahmen 1.71 - Verschulden bei Abweichen vom Stand der Technik aufgrund eigener Versuche I.30 - Verschuldensmaßstab des durchschnittlichen Fachmanns 1.101 (Anm.), 1.114,11.24, II.28, III.16 - Verwertung des allgemein verfügbaren technischen Wissens 1.114 - Weiterentwicklungen des Standes der Technik 1.101 (Anm.) Stand der Wissenschaft: siehe Stand der Technik Stichprobenprüfung - haftungsrechtliche Bedeutung Anm. 1.130 564
- handelsrechtliche Untersuchungsobliegenheiten 1.135,1.137,11.41,11.44 Strafrechtliche Verantwortung 1.35, III. 15 (Anm.) Streckengeschäft 1.1,1.13 (Anm.), 1.57,1.64,1.124,1.145 System des deutschen Haftungsrechts 1.58,1.82 Technik: siehe Stand der Technik Transportbehälter 1.50 Typenprüfung 1.17,1.85,11.30 - Auswertung der Ergebnisse 11.30 - keine Prüfungspflicht des Montagebetriebs 1.17 - Prüfungspflicht des Herstellers 1.17,111.15 - siehe auch behördliche Prüfung Uberbetriebliche Regelwerke Anm. 1.101 - abweichende Spezialliteratur 1.106 - als Grundlage von Situationserwartungen 1.109 - Haftung trotz Erfüllung einschlägiger Regelwerke Anm. 1.101 - Haftung trotz Fehlens einschlägiger Regelwerke 11.23,11.30 - keine inhaltliche Identität mit den rechtlichen Sorgfaltspflichten Anm. 1.101,11.47, III.16 - keine Rechtsnormen Anm. 1.101,111.16 - mittelbare rechtliche Bedeutung Anm. 1.101, III.16 - Neukonstruktionen und fehlende Sicherheitsvorschriften 11.30 - Prüfungspflichten des Regelwerk-Anwenders 1.88,1.101 - siehe weiterhin unter DIN-Normen; VDE-Vorschriften; Unfallverhütungsvorschriften, DVGW-Regeln - Verhältnis zum „Stand der Technik" Anm. 1.101 - vermutete Gleichheit mit den rechtlichen Sorgfaltsanforderungen 1.88, III. 16 - Verpflichtung zur Prüfung der konkreten Sachlage 1.88,1.89,1.90,1.101 (Anm.), 11.30,11.48,11.63 - Verpflichtung zur Prüfung, ob aus besonderen Gründen ein höherer Grad von Vorsicht geboten ist 1.88,1.89,1.90,1.101 (Anm.), 11.30,11.48 - Verpflichtung zur Prüfung, ob frühere Regeln der Technik inzwischen überholt sind 1.101 (Anm.) Übernahmeverschulden 1.8,1.48,1.93,1.95,1.100,1.111,11.25,11.46 Überobligationsmäßiges Handeln, Haftung 1.119 Überspannung der Sorgfaltspflichten - siehe Einschaltung Dritter - siehe Verschulden Üblichkeit der vom Beklagten getroffenen Maßnahmen: siehe erforderliche Maßnahmen 565
Umweltrisiken: Entsorgung von Industrieabfällen 1.121,11.34 Unfallverhütungsvorschriften 1.28,1.66,1.149,11.11,11.27,11.50 (Anm.), 11.61 - als Grundlage eines Anscheinsbeweises für das Vorliegen eines Herstellungsfehlers 1.66,11.11 - Kausalitätsnachweis 11.27,11.50 - keine Schutzgesetze 1.28 - Organisationspflichten des Arbeitgebers 11.27,11.50,11.61 - und Herstellerhaftung 1.66, II.l, 11.11,11.61 Untersuchungspflichten, kaufmännische (§§ 377f. HGB)I.51,1.55,1.105,1.115,1.118 (Anm.), 1.123,1.124 (Anm.), 1.132,1.135,1.137,1.145,1.150, II.7,11.41 - Abbedingung in Allgemeinen Einkaufsbedingungen Anm. 1.118, Anm. 1.124,1.148 - Abgrenzung Schlechtlieferung/Falschlieferung 1.51,1.105,1.118 (Anm.) - Abnahme in Kenntnis des Mangels 1.124,1.148 - Erkennbarkeit des Mangels 1.118 - Erstreckung des § 377 HGB auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung 1.115, 1.118 (Anm.) - fachmännischer/nichtfachmännischer Abnehmer 1.123 - formularmäßige Abbedingung in Allgemeinen Einkaufsbedingungen Anm. 1.118, 1.137,1.148 - formularmäßige Festlegung einer Rügepflicht in Allgemeinen Verkaufsbedingungen 1.150 - Gefahr von Mangelfolgeschäden 1.105,1.115,1.123 - inhaltliche Anforderungen an Mängelrügen 1.150 - Kosten und Zeitaufwand 1.105,1.115,1.123,1.137 - Möglichkeit der Untersuchung 1.115,1.137 - offener Mangel 1.105 - Probebenutzung 1.135 - Probeverarbeitung 1.51,1.137 - Stichprobenprüfung 1.135,1.137,11.41 - Üblichkeit der Untersuchung 1.105,1.123 - Unzulässigkeit einer Uberspannung der Untersuchungspflichten 1.51 - Verhältnis der kaufmännischen Untersuchungspflichten zu § 254 BGB 1.51, Anm. 1.124 - Vertrauen des Abnehmers auf Unwahrscheinlichkeit eines Mangels 1.51 - zerstörende Prüfung 1.137 - Zumutbarkeit der Untersuchung 1.105,1.115,1.135,1.137,11.41 Untersuchungspflichten, im Rahmen des Mitverschuldens (§ 254 BGB) zu berücksichtigende Untersuchungspflichten II.7 VDE-Vorschriften 1.35,1.88,1.89,1.90 566
- Haftung trotz fehlender VDE-Sicherheitsvorschrift 11.30 - Haftung trotz Nichtberücksichtigung des betreffenden Falles in an sich einschlägigen VDE-Vorschriften 1.90,11.89 - siehe auch überbetriebliche Regelwerke - Verpflichtung zur Beurteilung des konkreten Sachverhalts 1.88,1.89,1.90,11.48 VDE-Zeichen 1.35,11.30 Verantwortungsabgrenzung bei mehreren Beteiligten 1.93, 1.95, 1.97, 1.98, 1.100, 1.101,1.119,1.122,1.143,11.25,11.34,11.40; siehe auch Einschaltung Dritter Verarbeitungsvorkontrolle Anm. 1.124 Verbesserungsmöglichkeiten für ein an sich ordnungsgemäßes Produkt 1.16 Verdacht eines Produktfehlers 1.21,11.67,11.68,111.15 (Anm.) Verfalldatum, Verpflichtung zur Angabe des Verfalldatums 111.23 Verhältnismäßigkeit von Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahme: siehe Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Verharmlosung des Produkts 1.48 Verjährung Anm. 1.141 - Arglistigkeit von Erfüllungsgehilfen 1.79 - Deliktshaftung (§ 852 BGB) 1.32,1.120,1.130,11.36,11.57 - Falschlieferung: Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen positiver Vertragsverletzung 1.51 - Kaufvertragshaftung: Geltung des § 477 BGB für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung, soweit diese mit Produktmängeln begründet sind 1.37,1.51,1.55, 1.75,1.79,1.126,1.130, Anm. 1.139,1.141 (Anm.), 1.151, II.8,11.37 Beginn des Laufs der in § 477 BGB normierten Verjährungsfrist 1.75, 1.141, 1.151,11.37 - Regulierungs- bzw. Vergleichsverhandlungen 1.32,1.37,1.126,1.132,1.141,11.37 (Anm.) - siehe auch Anspruchskonkurrenz - Unbeachtlichkeit kürzerer deliktsrechtlicher Verjährungsfristen für vertragsrechtliche Ansprüche 1.120 - Unbeachtlichkeit kürzerer vertraglicher Verjährungsfristen für deliktsrechtliche Ansprüche - - Kaufrecht (§ 477 BGB) 1.126,1.130,1.141,1.151 - - Mietrecht (§ 538 BGB) 1.107,1.126 - - Werkvertragsrecht (§ 638 BGB) 1.107,1.136 - Verkäufer-Verantwortung 1.3,1.52,1.63, II.8,11.17 - vertragliche Verkürzung der Verjährungsfristen 1.104,1.107 - Werkvertragsrecht Abgrenzung zwischen Gewährleistungshaftung und Haftung aus positiver Vertragsverletzung 1.127 567
Nichtgeltung des § 638 BGB für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung 1.130, Anm. 1.141 Verkäuferhaftung: keine Herstellungsverpflichtung 1.53,1.55 Verkehrssicherungspflicht als Grundlage der deliktsrechtlichen Produkthaftung 1.25, I.36,1.39,1.41,1.42,1.48,1.58,1.66,1.82,11.23,11.26,11.30,11.32,11.36,11.64,11.67, II.68 (Anm.), III. 17,111.24 Verkehrssicherungspflicht: Schutzgesetze als Mittel zur Konkretisierung der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht 11.34 Verlegerhaftung für Druckfehler 1.60 Verpackung 1.50,1.124 - Gewährleistungshaftung 1.124 - Verpackung-Folgeschadenhaftung 1.50,1.124 Verpackung: Angaben auf der Verpackung III. 10 Verrichtungsgehilfenhaftung (§ 831 BGB) Anm. 1.18, Anm. III.l - Anforderungen an den Entlastungsnachweis 1.5, 1.18, 1.19, 1.20, 1.25,1.29,1.34, 1.54,1.140,11.11,11.44, III.9 - Anweisungsverschulden 1.140,11.11,11.46 - Auswahlverschulden 1.24,1.54,1.96,11.46,11.53, III.l, III.9 - dezentralisierter Entlastungsnachweis 1.18 (Anm.), 1.34,1.54,1.57 - Parallelen zur deliktsrechtlichen Haftung bei Einschaltung Dritter Anm. 1.121 - Überwachungsverschulden 1.24,1.54,1.96,1.140, III.9 Verschulden - Pflicht zur Berücksichtigung bekanntgewordener Schadenfälle 1.101 - siehe auch Kausalitätsnachweis unter Adäquanztheorie - Voraussehbarkeit der Pflichtensituation, nicht aber der konkreten Schädigung 1.120 Verschuldenshaftung - Beurteilungszeitpunkt 1.26,1.28,1.34, Anm. 1.101,1.142 - Einhaltung von überbetrieblichen Regelwerken (VDE-Vorschriften, DIN-Normen usw.) 1.35,1.88,1.89,1.120 - Einstehenmüssen für das erforderliche Fachwissen 1.40,1.70, III.l - siehe Stand der Technik - typisierter Pflichtenmaßstab 1.26,1.40,1.70,11.20, III.l - Unzulässigkeit einer Uberspannung der Sorgfaltspflichten 1.40,1.42,1.48,1.86,1.89, 1.93,1.98,1.121,1.146,11.14,11.58,11.68 Verschuldensnachweis - Anforderungen an Entlastungsnachweis 11.38,11.44 - Anscheinsbeweis 1.20,1.58 - Benutzervertrauen auf Herstellerangaben 11.24 - bestimmungsgemäße Verwendung 11.30 - Beurteilungszeitpunkt Anm. 1.101,1.114,1.122,1.139,11.24, II.36/II.67,11.68 568
- Beweislastumkehr: siehe dort - Entlastungsnachweis III.22 - Händlerhaftung: siehe Beweislastumkehr - Haftung für Spezialwissen 1.114,11.24,11.40,11.47 - Haftung für Verwertung des allgemein verfügbaren technischen Wissens 1.114 - Herstellerhaftung: Beweislastumkehr 11.30,11.44 - Maßstab des durchschnittlichen Fachmanns 1.120,1.122,1.142,11.24 - Mitarbeiterhaftung (§ 831) 11.44 - nach Stand der Technik unbekannte Gefahr: siehe Entwicklungsgefahr - Wasserversorgung durch Gemeinde, Beweislastumkehr 11.38 - Werkvertrag (Montage von Skibindungen), Beweislastumkehr 11.33,11.43 Verträglichkeit von Pflanzenschutzmitteln, Pharmazeutika usw. mit anderen Mitteln 1.139 Vertragliche Haftungsübertragung 11.30 Vertragswerkstatt, Haftung 11.55 Vertriebsfehler Anm. 1.151 Vertriebshändlerhaftung: siehe Händlerhaftung VOB 1.95,1.112 (Anm.), 1.131,11.28 Vorarbeiten eines Dritten 1.95 (Anm.) - Prüfungspflicht 1.95 Voraussehbare Einsatzbedingungen: Verpflichtung des Herstellers zur Berücksichtigung der voraussehbaren Einsatzbedingungen 1.39,1.43,1.48,1.50,1.139,1.144,11.60 - berechtigte Erwartungen des Herstellers hinsichtlich des Benutzerverhaltens 1.36, I.139 - Berücksichtigung unbefugten und mißbräuchlichen Verhaltens 1.48,1.144 - Berücksichtigung einer Gewöhnung des Benutzers an die Gefahr 1.28 - Berücksichtigung häufiger Vorkommnisse 11.60 - Berücksichtigung nicht nur der idealen Einsatzbedingungen 1.43,1.44,1.48,1.50 - Berücksichtigung von Anwendungsfehlern 1.48 - Verträglichkeit von Pflanzenschutzmitteln mit anderen Mitteln 1.139 Vorgeschriebene Materialien bzw. Teile 1.112 (Anm.), 1.131,11.28 - Gewährleistungshaftung des Verarbeiters 1.112 (Anm.) - Prüfungspflicht des Auftragnehmers 1.112,11.28 - Verantwortungsüberbürdung auf Auftragnehmer in AGB 1.131 Vorhersehbarkeit des Schadens als Grundlage für das Entstehen von Gefahrabwendungspflichten 1.22,1.26,1.28,1.35,1.39,1.43,1.48,1.91,1.92,1.120,1.133, II. 1,11.12, II.23,11.35,11.60, III.23 - äußerst seltenes Auftreten der Gefahr 11.24; siehe auch „Produktbeobachtungshaftung" unter Verdacht sowie „Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts" - Fehlen von Weisungen und Richtlinien der Berufsgenossenschaft bzw. des Fachverbandes 11.23 569
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Gewöhnung der Benutzer an die Gefahr 1.28 Instruktionshaftung 1.22,1.91,11.23,11.26,111.24 Nichtvorgekommensein derartiger Unfälle 1.34,1.40,11.23 rechtswidriges Handeln des Abnehmers 1.42 rechtswidriges Handeln Dritter 1.26 siehe „Kausalitätsnachweis" unter Adäquanztheorie Vorhersehbarkeit nicht des konkreten Schadenverlaufs, sondern von Schäden dieser Art 1.133,11.92 Vorsätzliches Inverkehrbringen mangelhafter Produkte 1.15,1.31 - Abwägung gegenüber Mitverschulden des Geschädigten 1.31 - Beweislast Anm. 1.15,1.16 - vorsätzliches Handeln von Mitarbeitern Anm. 1.15 - vorsätzliches Handeln von Organpersonen Anm. 1.15,1.16 Wahl zwischen mehreren Gefahrabwendungsmaßnahmen, -methoden usw. 1.134 Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts bzw. der Gefahrensituation 1.11,1.21 (Anm.), 1.70,1.73,1.85,1.124,1.134,1.139,1.144, II.6a, 11.26,11.60 - Häufigkeit von Vorkommnissen der betreffenden Art 11.60, III.15 - Naheliegen/Fernliegen der Gefahr 1.144 - Provisorium und Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts 1.70 - Verdacht einer Gefahr für Dritte 11.67,11.68,111.15 - Verpflichtung zur Wahl der relativ sichersten Methode 1.134 - Zahl der gefährlichen Produkte 1.121 Warenbezeichnung als Grundlage von berechtigten Benutzererwartungen III.8, III.10 Wareneingangskontrolle 1.69,1.86, Anm. 1.121, Anm. 1.124,11.65, III.6 - beigestellte Ware Anm. 1.95 - vertragliche Verlagerung der Qualitätskontrolle auf Lieferanten 11.65, III.6 Warenzeichen - Deliktshaftung 11.36 - Vertragshaftung 1.82, III.7 Warnpflicht: siehe Hinweispflicht und weiterhin Instruktionshaftung Wartungsfehler 1.151 Wasserversorgung 1.74,1.91,1.133,1.146,11.58 - Benachrichtigungspflicht bei Unterbrechung 11.58 Weiterverarbeiter: Qualitätskontrollpflichten hinsichtlich der fremdproduzierten Teile 1.41 Werbeschrift - und Herstellerhaftung gegenüber Endkäufer 11.26 - vertragliche Relevanz 11.21 Werbeveranstaltung 570
- Beratungshaftung 11.68 Werbung 1.22, Anm. 1.48,1.53,1.55,1.73,1.75,1.82,1.86, II.3,11.10,11.21,11.26,11.52, II.68 (Anm.), III.7,111.10 - als Vertragsbestandteil 1.48,1.56, II.9,11.26, III. 12 - Aussagegehalt für den Fachmann 11.21 - deliktsrechtliche Haftung II.3, Anm. 11.68 - deliktsrechtliche Relevanz der Werbung 1.22, Anm. 1.48, II.3 - Erfordernis der konkreten Aussage Anm. 1.48, Anm. 11.68 - Garantie karten 1.16 - Hersteller-Drucksachen und Händler-Haftung 1.3, Anm. 1.48,1.52,1.53 - irreführende Angaben 1.86 - Kausalitätsnachweis 1.22, Anm. 1.48 - Originalverpackung 1.5 - Prospekte 1.36,1.41,1.56 - unentgeltliche Kundenberatung 1.139 (Anm.) - Verharmlosung des Produkts 1.48,11.26 - vertragsrechtliche Relevanz der Werbung Anm. 1.48,1.56, II.3 - von der Gefährlichkeit ablenkende Werbung 1.48,11.26,11.68 Werklieferungsvertrag 1.53,1.84,1.130,11.31, III. 19 - unvertretbare Sachen 1.84,11.31 - vertretbare Sachen 1.12,1.130,1.132,111.19 Werkstoffe: siehe Baustoffe Wirtschaftlichkeitserwägungen: siehe Zumutbarkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen Wissenschaft, Stand der Wissenschaft: siehe Stand der Technik Zeitungsanzeige II.3,11.13, III. 18 - als Grundlage für Eigenschaftszusicherungen 11.13, III.18 - deliktsrechtliche Haftung II.3 Zerstörende Prüfung 1.137 Zulieferer - deliktsrechtliche Haftung des Zulieferers gegenüber Dritten 1.54, II.2 - Haftung bei Einschaltung von Zulieferern Anm. 1.121; siehe auch Arbeitsteilung und Deliktsrecht sowie Einschaltung Dritter Zumutbarkeit der Gefahrabwendungsmaßnahmen 1.28, 1.42, 1.50, 1.58, 1.70, 1.71, 1.73,1.92,1.111,1.121,1.122,1.134, II.l, 11.14,11.26,11.30,11.64,11.65, III.2 (Anm.), III.3,111.4,111.15,111.23 - Absatzinteressen des Herstellers 1.73,1.122,1.139,11.26, III.4, III. 15 - bei nachträglicher Erlangung der Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit bereits ausgelieferter Produkte 1.16 571
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Beratung durch vertrauenswürdige Dritte 1.122 finanzielle Anforderungen 1.50,1.58, II.7,11.64,11.65 Gebot, mit der eigenen Leistung auf der Höhe der Zeit zu bleiben 1.134 gefährliches Handeln des Kunden 1.42 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Gefahr und Gefahrabwendungsmaßnahme 1.42 - Provisorium, Wirtschaftlichkeitsabwägungen und Sorgfaltspflichten 1.111 - Prüfung der Verträglichkeit von Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln usw. mit anderen Mitteln 1.139 - seltenes Auftreten der Gefahr 1.73,1.85, II.6a - Sonderanfertigungen bzw. -anpassungen bei Serienprodukten: technische und vertriebsmäßige Schwierigkeiten 1.28 Zumutbarkeit von Schadenverhütungsmaßnahmen des Benutzers II.8
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Produkthaftung J. Schweitzer Verlag • Berlin
SCHMIDT-SALZER
Entscheidungssammlung Produkthaftung Mit einer Einführung und Urteilsanmerkungen Band I Von Dr. Joachim Schmidt-Salzer, Rechtsanwalt in Braunschweig Oktav. XXVIII, 428 Seiten. 1976. Gebunden DM 160,- ISBN 3 8059 0377 4 „Der Wert der Sammlung liegt darin, daß die einschlägige Judikatur sorgfältig zusammengestellt wird, so daß der Praktiker die ihn jeweils besonders interessierende Entscheidung leicht auffinden kann, zumal das Buch ein sehr genaues Sachregister hat. Herstellungsaufwand und Preis sind dafür allerdings hoch. Ungeachtet dessen sollten Bibliotheken das Werk einstellen, damit die sorgfältige, sachkundige und problemerhellende Arbeit des Verfassers weitgehend genutzt werden kann." ( D r E g o n Schneider, Richter am OLG Köln, MDR1976, 614
Bei der Verlagsges&lschaft Recht und Wirtschaft, Heidelberg, Ende 1979 folgende Neuauflage in Vorbereitung:
befindet sich für
SCHMIDT-SALZER
Produkthaftung Die Haftung der an der Warenherstellung und am Warenvertrieb beteiligten Personen und Unternehmen. Von Dr. Joachim Schmidt-Salzer, Rechtsanwalt in Braunschweig 2. Auflage. Ca. 450 Seiten. ISBN 3 8005 6103 4