Empirie im Mönchsgewand: Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts [1 ed.] 9783666311420, 9783525311424


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Empirie im Mönchsgewand: Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783666311420, 9783525311424

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Julia Bloemer

Empirie im Mönchsgewand Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts

Religiöse Kulturen im Europa der Neuzeit Herausgegeben von Miloš Havelka, Friedrich Wilhelm Graf, Przemysław Matusik und Martin Schulze Wessel

Band 22

Julia Bloemer

Empirie im Mönchsgewand Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts

Vandenhoeck & Ruprecht

Der Druck dieses Buches wurde ermöglicht durch einen Druckkostenzuschuss des Historischen Seminars der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Oestreich-Stiftung. Zugl. Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2021.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Zeichnung des Okulars mit Mikrometerfäden und Positionen der Sonnenscheibe für die Beobachtung des Venustransits von Prosper Goldhofer. Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Briefe 1763 Nr. 22/3. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik GmbH & Co. KG, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0955 ISBN 978-3-666-31142-0

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Der Geist des Klosterlebens. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.1.1 Naturforschung im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 12 1.1.2 Naturforschung im Kloster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.3 Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Naturforschung im Kollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.1 Akademien: Gelehrsamkeit organisieren . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.1.1 Süddeutsche Akademien bis 1759 . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1.1.1 Akademieprojekte der Benediktiner . . . . . . . . . 45 2.1.1.2 Der Augustiner-Chorherr Eusebius Amort . . . . . 50 2.1.1.3 Weltliche Akademiebewegung . . . . . . . . . . . . . 56 2.1.2 Die Benediktiner-Akademie von 1779 . . . . . . . . . . . . . 60 2.2 Meteorologie: Das Wetter vermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.2.1 Die Suche nach dem idealen Wetterbeobachter . . . . . . . . 65 2.2.2 Messnetze in Mannheim und München . . . . . . . . . . . . 69 2.2.2.1 Erste Pläne bis 1780 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.2.2.2 Societas Meteorologica Palatina . . . . . . . . . . . . 74 2.2.2.3 Messnetz der Bayerischen Akademie . . . . . . . . . 77 2.2.3 Wetterbeobachtung im Kloster . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.2.3.1 Wetterbeobachtung in Klöstern vor 1700 . . . . . . . 85 2.2.3.2 Meteorologie in Klöstern im 18. Jahrhundert . . . . 87 2.2.3.3 27 Jahre Wettertagebücher in Fürstenfeld . . . . . . 92 2.2.3.4 Luftdruck-Diagramme von Gerard Führer . . . . . . 101 2.2.4 Konflikte in der Zeiteinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Naturforschung im Observatorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.1 Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten . . . . . . . . . . 119 3.1.1 Beobachtungen verteilt auf der Erde . . . . . . . . . . . . . . 120 3.1.2 Sextant und Pendeluhr für Polling . . . . . . . . . . . . . . . 122 3.1.3 Vermessung des Venustransits in Polling . . . . . . . . . . . 131

6 Inhalt 3.2 Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren . . . . . . . . . . 139 3.2.1 Das Pollinger Armarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3.2.2 Monastische Instrumentensammlungen . . . . . . . . . . . 144 3.3 Sternwarten: Räume errichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.3.1 Die Pollinger Sternwarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.3.2 Klostersternwarten: Monumente der Prälaten . . . . . . . . 151 3.3.3 Die Sternwarte des Kurfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3.4 Korrespondenzen: Wissen austauschen . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.4.1 Das Pollinger Commercium litterarium astronomicum . . . 162 3.4.1.1 Korrespondenz mit Alexandre-Guy Pingré . . . . . 165 3.4.1.2 Korrespondenz mit Eugen Dobler . . . . . . . . . . . 167 3.4.2 Monastischer Kommunikationsradius . . . . . . . . . . . . . 169 3.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Naturforschung vor Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.1 Gewitterschutz: Läuten und schießen . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4.1.1 Woher kommt das Gewitter und wie kann man sich schützen? 181 4.1.2 Benedikt Arbuthnot und das Gewitterläuten . . . . . . . . . 186 4.1.3 Akademische Gutachten und physikalisch-theologische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.1.4 Placidus Heinrich und das Gewitterschießen . . . . . . . . . 195 4.2 Elektrizität: Wissen vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4.2.1 Lehrbücher und Abhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4.2.2 Experimentalvorführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.2.3 Die Indersdorfer Elektrisiermaschine . . . . . . . . . . . . . 212 4.2.4 Blitzableiter und Donnerhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 4.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5. Abschließende Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5.1 Rollenpluralität hinter Klostermauern . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5.1.1 Armarium und Sternwarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5.1.2 Kloster und Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 5.2 Die Binnen-Gelehrtenrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Januar 2021 an der Fakultät für Geschichtsund Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation im Fach Wissenschaftsgeschichte eingereicht und am 11. Mai 2021 verteidigt. Neues Wissen braucht sozialen Austausch. So ist auch diese Arbeit keine Einzelleistung, sondern innerhalb eines Kollektivs entstanden. Das ganze Projekt meiner Promotion wäre ohne meine Erstbetreuerin Kärin Nickelsen nicht denkbar gewesen. Sie ebnete mir den Weg von der Physik in die Wissenschaftsgeschichte und begleitet mich seitdem beständig und ermutigend. Als Mentorin und exzellente Wissenschaftlerin war und ist sie mir ein leuchtendes Vorbild in der akademischen Welt. Ein nicht weniger herzlicher Dank gilt meinem Zweitbetreuer Christoph Meinel. Durch seine umfassende Kenntnis auch der süddeutschen Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts bereicherte er meine Arbeit enorm. Seine uneingeschränkte Förderung bildet nach wie vor eine sehr wichtige Stütze. Ich hatte das Glück, zwei Betreuer:innen zu haben, die in mir nicht nur die Doktorandin, sondern immer den ganzen Menschen gesehen haben. Dieses Privileg lässt sich nicht hoch genug wertschätzen. Zwei Arbeitsumgebungen haben mir sowohl meinen Disziplinenwechsel als auch die Promotionszeit selbst besonders erleichtert. Das war zum einen der Münchener Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte von Kärin Nickelsen, dessen reiche Diskussionskultur und familiäre Atmosphäre ihresgleichen sucht. Zum anderen bedeutete die Aufnahme in das Internationale Graduiertenkolleg »Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts« einen wertvollen und anregenden Austausch auf methodischer, inhaltlicher und persönlicher Ebene. Allen Mitgliedern, insbesondere aber seinem Sprecher Martin Schulze Wessel und meinem Drittprüfer Franz Xaver Bischof sei hier ein herzlicher Dank ausgesprochen. Darüber hinaus haben viele Kolleg:innen meine Arbeit durch Diskussionen, kritische Lektüren und bereichernde Anregungen begleitet; es sei an dieser Stelle erlaubt, einigen Personen namentlich zu danken: Caterina Schürch, Julia Böttcher und Fabian Poetke. Eine Dissertation ist eine geistige Anstrengung, aber vor allem ist sie auch eine emotionale Herausforderung. Die Tatsache, dass mir die Freude an meiner Arbeit nie verloren ging, verdanke ich meiner Familie. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. München, April 2022

Julia Bloemer

1.

Der Geist des Klosterlebens. Einleitung

Kann ein Religiose Mitglied einer Akademie der Wissenschaften seyn? So lautete der Titel einer kurzen Schrift, die der Direktor des Botanischen Gartens in München Franz von Paula Schrank (1747–1835) im Jahr 1818 herausgab. Es stand die Frage im Raum, ob ehemalige oder gegenwärtige Ordensmitglieder in eine Akademie, hier in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, aufgenommen werden dürften. Das Thema war nicht zufällig gewählt, zumal die Aufhebung aller Klöster in Bayern bereits 15 Jahre zurücklag. Schrank reagierte damit auf eine kurz zuvor erschienene antiklerikale Abhandlung, in der Ordensmitgliedern grundsätzlich die Fähigkeit abgesprochen wurde, vorurteilsfreie und objektive Wissenschaft zu betreiben.1 Die Bindung eines Gelehrten an einen Orden halte ihn davon ab, seinen Studien angemessen nachzugehen, so der Vorwurf. Aus wissenschaftlichen Vereinigungen müssten Religiose daher ausgeschlossen werden. Schrank trat dieser Argumentation entschieden entgegen. Die Teilnehmer der Debatte waren keineswegs neutral in dieser Frage. Der Gartendirektor war selbst Mitglied des Jesuitenordens gewesen, was eine nicht unerhebliche Rolle beim Verfassen seiner Publikation gespielt haben mag. Er arbeitete in seiner Replik die Fragestellung systematisch ab, indem er nach Orden und Fachgebieten differenzierte. Das Ergebnis seiner Untersuchung fiel positiv aus, denn sein Blick in die Wissenschaftspraxis der Jahrzehnte vor den Klosteraufhebungen offenbarte eine große Spannweite an Gelehrsamkeit. So stellte er für die Dominikaner eine hohe Kompetenz in Theologie, Kirchengeschichte und Patristik fest, aber im Bereich der Physik sei »durch die Gewohnheit seines Ordens […] nicht viel zu erwarten.«2 Ganz anders lag der Fall für die Benediktiner, Zisterzienser und regulierten Chorherren, denn diese hätten »nicht einzelne Werke, sondern ganze Bibliotheken, und Bibliotheken von Meisterwerken geliefert« und man träfe in den Klöstern »vielfältig beträchtliche naturhistorische Sammlungen, physikalische Cabinette, und Sternwarten an.«3 Insgesamt resümierte er für die Naturforschung: 1 Klöckel, Franz Josef von: Einige Rückblicke auf die Geschichtschreibung von Bayern. Aus Anlaß des Urtheile über Heinrich Zschokke’s sechs Bücher bayerischer Geschichten. München 1818. 2 Schrank, Franz von Paula: Kann ein Religiose Mitglied einer Akademie der Wissenschaften seyn? München 1818, 6–7. 3 Ebd. 10–11.

10  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung Die Klöster haben in der Physik berühmte Namen aufzuweisen, die Chemie scheint ihnen fremd geblieben zu seyn, und obschon ganz artige Naturalien-Sammlungen in ihnen vorkommen, so scheint es doch, daß die eigentliche Naturgeschichte, welche den Forscher nothwendig sehr zerstreuet, und im Freyen allenthalben herumzustreifen nöthiget, mit dem Geiste des Kloster-Lebens nicht ganz verträglich seyn dürfte.4

Schrank sah keinen Grund, Ordensmitgliedern wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen Institution die Wissenschaftlichkeit abzusprechen. Ganz im Gegenteil war es der »Geiste des Kloster-Lebens«, der für Schrank in besonderem Maße zur Wissenschaft befähigte: Gerade die Ordensleute, welche in ihrer Jugend sich von den Zerstreuungen entwöhnt haben, welchen Arbeitsamkeit sogar zur Gewohnheit geworden ist, welche Genügsamkeit gelernet haben, und weder durch Habsucht, noch durch den Andrang einer hungernden Familie gezwungen werden, die Regierungen um Erhöhungen ihre Besoldungen zu behelligen, […], gerade sie sind für eine Akademie der Wissenschaften, wie sie seyn soll, die geeignetsten.5

In der Diskussion des Jahres  1818 fällten die Beteiligten ein Urteil über eine ganze Gruppe von Gelehrten. Ihr Gruppenmerkmal, der Grund für ihre Sonderstellung, war ihr Kloster-Leben. Ordensgelehrte unterschieden sich damit von allen anderen Gelehrten, unabhängig in welchem Fachbereich und zu welchem Thema sie arbeiteten, durch die Wahl ihrer Lebensweise. Dabei unterlag die Debatte einem zeitlichen Verzug, da der Reichsdeputationshauptschluss im Jahr 1803 das aktive Klosterleben für einige Jahrzehnte beendet hatte. Grundlage der Argumentation Schranks waren daher die Verhältnisse des vorangegangenen Jahrhunderts. Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts war für den Botaniker ein eindrucksvoller Beleg für die Eignung von Religiosen zur Wissenschaft. Diesem Zusammenhang nachzugehen ist Ziel der vorliegenden Arbeit.

1.1 Gegenstand der Arbeit Hinter der zu Beginn des 19. Jahrhunderts stattfindenden Diskussion um die Aufnahme von Ordensgelehrten in Akademien stand die Annahme, dass Naturforschung durch den soziokulturellen Kontext ihrer Akteure beeinflusst wird. Die Entscheidung für den Eintritt in einen Orden legte eine bestimmte Lebensführung fest, die sich auf alle Aspekte des Lebens erstreckte. Dazu gehörten Fragen des Alltags von Kleidung, Zeiteinteilung und Wohnort über die Berufs-



4 Ebd. 16. 5 Ebd. 49.

Gegenstand der Arbeit  11

wahl und die Freizeitgestaltung bis hin zu sozialen Kontakten. Eine spezifische Lebensweise konnte sich aber auch auf inhaltliche und ideelle Fragen beziehen: die Ausbildung in bestimmten Arbeitsweisen, das Selbstverständnis als Gelehrter und die Auswahl von Forschungsthemen. Schon Zeitgenossen nahmen hier offenbar wahr, dass Mönchtum und Gelehrsamkeit zu Rollenkonflikten führen könnten oder sogar mussten. Wie interagierten Mönchtum und Naturforschung im Kontext süddeutscher Klöster des 18. Jahrhunderts? Klostergelehrte bewegten sich nicht zwischen zwei völlig voneinander getrennten Sphären und waren nicht zu mancher Zeit Mönch und zu anderer Naturforscher, sondern sie bildeten eine spezifische Lebensweise aus, die durch Naturforschung und Mönchtum gleichermaßen geformt wurde. Die Arbeitshypothese der vorliegenden Studie lautet demnach, dass monastische Naturforscher in ihren verschiedenen Rollen die Anforderungen aus der Kloster- und der Gelehrtenwelt miteinander kombinierten und dadurch modifizierten. Immer dort, wo sich die Bedürfnisse der verschiedenen Tätigkeiten – Beobachtung und Seelsorge, Vermessung und Stundengebet  – besonders gut und pragmatisch vereinbaren ließen, bildete sich eine sehr stabile Wissenschaftspraxis heraus. Monastische Naturforschung war ein Binnen-Raum innerhalb der Gelehrtenrepublik, der diese Interaktion ermöglichte. Genau diese spezifische Lebensform und ihre institutionelle Stabilisierung nimmt die vorliegende Studie in den Blick. Sie untersucht die Frage, in welchen Bereichen die verschiedenen Anforderungen aufeinandertrafen, sich gegenseitig unterstützten oder in Konflikt miteinander gerieten. Dabei steht der regelmäßig wiederkehrende Gesamtzusammenhang aus Verhaltensweisen, Interaktionen und Wissensbeständen im Fokus, der sich aus einem bestimmten Lebensstil ergibt. Die Studie strebt nach Klärung der Frage, welche Funktion die religiöse Verfasstheit des Lebensumfelds bei der Naturforschung spielte und auf welchen Ebenen sie sich bemerkbar machte. Es ist das Anliegen dieser Arbeit, die Kontextgebundenheit von Naturforschung aufzuzeigen und zu charakterisieren. In der konkreten historischen Situation der süddeutschen Wissenschaftslandschaft vor 1800 lässt sich diese ideal studieren: Gerade wegen seiner spezifischen Kombination aus Rollenerwartungen und -anpassungen war der monastische Naturforscher dort eine prägende Figur. Die vorliegende Studie präsentiert Klostergelehrte jedoch nicht als aufgeklärte Reformer einer rückständigen Kulturlandschaft, die bisher unbeachtet geblieben sind und nun auf die Bühne geholt und nachträglich wegen ihrer wissenschaftlichen Leistung rehabilitiert werden sollen. Stattdessen zeigt diese Arbeit gänzlich in ihrem Lebenskontext verwurzelte Akteure und erlaubt dadurch Aussagen über spezifische Bedingungen von Wissensproduktion jenseits von Erkenntnisfortschritt. Monastische Naturforscher betrieben ihre Arbeit nicht trotz ihres Mönchtums, sondern gerade in enger Verbindung mit ihrer klösterlichen Lebensweise.

12  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung Erste Ansätze monastischer Naturforschung finden sich bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei Eusebius Amort  (1692–1775) in Polling und Anselm Desing (1699–1772) in Ensdorf. Der Augustiner-Chorherr Amort hatte einen wesentlichen Anteil an der süddeutschen Akademiebewegung und gründete die erste bayerische Zeitschrift mit astronomischen und medizinischen Inhalten. Dem gegenüber machte sich der Benediktiner Desing um eine Studienreform an der Salzburger Universität und später um den Bau der ersten Klostersternwarte in Kremsmünster verdient. Abgesehen von diesen vereinzelten Bestrebungen finden sich erst ab den 1750er Jahren eine umfangreichere Sammeltätigkeit in süddeutschen Klöstern, ein Bau von Sternwarten und eine Integration von Experimenten in den klosterinternen Ausbildungsbetrieb. In den folgenden Jahrzehnten erweiterten sich die naturwissenschaftlichen Tätigkeiten, nicht zuletzt durch die Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und besonders durch die meteorologischen Beobachtungsnetze auch der Pfälzischen Akademie. Mit der Aufhebung der Klöster zu Beginn des 19. Jahrhunderts endet der Untersuchungszeitraum. Auch wenn sich vereinzelt ehemalige Ordensleute weiterhin mit Naturforschung beschäftigten, so war ihr Lebenskontext ab dann ein anderer. 1.1.1 Naturforschung im 18. Jahrhundert Der Botaniker Schrank sah besonders in der Physik eine geeignete Betätigung des Klostergelehrten. Hier hatten sich Benediktiner, Zisterzienser und Chorherren im vergangenen Jahrhundert besonders verdient gemacht, wohingegen seiner Meinung nach Chemie und Naturgeschichte nicht zu ihren Stärken gehörten. Damit erscheint die Fächerzuweisung eindeutig und abgeschlossen. Vor Ende des 18. Jahrhunderts kann jedoch in den später die Naturwissenschaften bildenden Wissenszweigen weder von einem professionellen noch einem disziplinären Selbstverständnis gesprochen werden. Physik bezeichnete kein eindeutig festgelegtes Wissensgebiet und konnte als Oberbegriff für Naturlehre, Naturgeschichte, Chemie und angewandte Mathematik gelten. Es wurde aber auch synonymisch für Naturlehre verwendet und bildete damit ein Einzelfach neben Naturgeschichte und Chemie.6 Welche Bezeichnung erscheint für Klostergelehrte also passend? Die Einteilung von Wissensgebieten fand bis etwa 1800 im Wesentlichen auf zwei Ebenen statt: der Klassifikation von Fachgebieten und einer kommunikativen Wirklichkeit, die die individuellen Bahnen der Akteure durch die Menge möglicher Fragestellungen beschreibt und damit die 6 Stichweh, Rudolf: Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen. Physik in Deutschland 1740–1890. Frankfurt am Main 1984; Frercks, Jan: Rezeption und Selbstverständnis: Naturlehre / Physik um 1800. In: Jahrbuch für Europäische Wissenschaftskultur 1 (2005) 153–185.

Gegenstand der Arbeit  13

Biographie als Ordnungsprinzip favorisiert.7 Eine für den deutschsprachigen Raum prägende Wissenschaftsklassifikation beruhte auf der Trias von Mathesis, Philosophia naturalis und Historia naturalis durch den Aufklärer Christian Wolff  (1679–1754) und seine Schüler. Diese Hierarchie von Wissensformen unterschied nicht nach Erkenntnisobjekt, sondern nach Methode und ordnete die Historie als Faktenerkenntnis unter die Philosophie als Ursachenerkenntnis. Ganz oben stand die Mathematik als vollkommene Erkenntnis, da sie den höchsten Grad der Gewissheit ermöglichte.8 Umfasste Naturlehre bei Wolff noch alle drei Wissensklassifikationen, so finden sich in der Fächerstruktur um 1800 Naturlehre und Physik als Synonyme. Ihr Verhältnis zu Chemie und Naturgeschichte war ambivalent, konnte Naturlehre einerseits alle Fächer umfassen oder selbst ein Einzelfach bilden.9 Ähnlich schwierig gestaltete sich das Verhältnis von Physik und Mathematik. Die quantitativen Anteile der aristotelischen Physik gehörten seit dem 17. Jahrhundert zur angewandten Mathematik, wie Optik, Astronomie und Architektur. Gleichzeitig erfuhr die Physik selbst eine Mathematisierung, gerade durch Wolff. Bis 1800 war neben Hydrostatik und geometrischer Optik auch die Quantifizierung von Elektrostatik, Magnetismus und Thermodynamik weit fortgeschritten. Die Ausarbeitung von Gesetzen aus experimentellen Daten oder deren Ableitung aus allgemeinen Prinzipien war die Domäne der mathematischen oder theoretischen Physik.10 Als Professor für Naturlehre und Mathematik hielt der Benediktiner Placidus Heinrich  (1758–1825) ab 1793 an der Universität Ingolstadt Vorlesungen über »Besondere Lehre der Kegelschnitte«, Theoretische Physik, Experimentalphysik, Meteorologie und »Astronomie mit trigonometrischen Hilfswissenschaften.«11 Wie können Akteure wie Heinrich begrifflich gefasst werden? Ein möglicher Zugang ist der Ansatz des Wissenschaftshistorikers Gerhard Wiesenfeldt, die Entwicklung der experimentellen Naturlehre an den Einsatz von Instrumenten zu knüpfen. Während Wiesenfeldt damit die Standardisierung und Institutionalisierung des Fachs um 1700 beschreibt, kann diese Vorgehensweise auch für das 18. Jahrhundert fruchtbar gemacht werden.12 Experimentalvorlesungen mit Vorführungen der Luftpumpe, Thermometer, Mikroskope und anderer Apparate finden sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an euro-

7 Stichweh: Entstehung 11. 8 Ebd. 16–17. 9 Frercks: Rezeption. 10 Heilbron, John: Elements of Early Modern Physics. Berkeley u. a. 1982. 11 Verzeichniß der Vorlesungen auf der hohen Schule zu Ingolstadt vom 1. Novbr. 1793 bis lezten August 1794. Universitätsbibliothek der LMU. 12 Wiesenfeldt, Gerhard: Leerer Raum in Minervas Haus. Experimentelle Naturlehre an der Universität Leiden, 1675–1715. Amsterdam, Berlin 2002.

14  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung päischen Universitäten, besonders an protestantischen.13 Vor der Einrich­tung eigenständiger Professuren übernahmen diese Vorführungen meist Vertreter aus anderen Fächern, sodass sich der naturphilosophische Kontext und die gezeigten Experimente von Universität zu Universität stark unterscheiden konnten. Mit der Schaffung von Lehrstühlen für Experimentalphilosophie oder Experimentalphysik ging die Ausstattung von Universitätskabinetten einher, die oft parallel oder gemeinsam mit den Privatsammlungen der Dozenten geführt wurden. Diese Kabinette begründeten wesentlich die Standardisierung des Fachs, indem einige wenige Lehrbücher die Durchführung grundlegender Experimente mit einem Satz von Apparaten beschrieben.14 Inhalte und Instrumente waren hierbei eng miteinander verbunden: Mit der Erfindung der Luftpumpe fand die Pneumatik Einzug in die Vorlesungen, während Leidener Flaschen und Elek­ trisiermaschinen der Reibungselektrizität ihren Weg an die Universität ebneten. Gerade um die Verbindung von Experimentalphysik oder experimenteller Naturlehre mit Astronomie als angewandter Mathematik zu greifen, wird in dieser Arbeit der Begriff des Naturforschers verwendet. Damit werden diejenigen Mönche und Chorherren bezeichnet, die als Hauslehrer in Philosophie sowohl die Vorlesungen in Experimentalphysik übernahmen und Leiter der Instrumentensammlungen waren als auch in vielen Fällen Astronomie betrieben und für die Sternwarte verantwortlich waren. Das geschlossene System des monastischen Hausstudiums machte diese Einheit deutlich einfacher als an Universitäten, wo die Zugehörigkeit der Kabinette zu einem bestimmten Lehrstuhl zu Konkurrenz und Streitigkeiten führen konnte.15 Ganz bewusst ist in dem oben beschriebenen fachlichen Zuschnitt die Naturgeschichte ausgeklammert. Schrank bewertete dieses Wissensgebiet als ungeeignet für Mönche, denn »so scheint es doch, daß die eigentliche Naturgeschichte […] mit dem Geiste des Kloster-Lebens nicht ganz verträglich seyn dürfte.«16 Tatsächlich werden uns im Laufe der Studie immer wieder auch andere Sammlungsarten als nur die instrumentellen begegnen. In einer Übersicht zu naturkundlichen Aktivitäten süddeutscher Klöster dürften sie auch nicht fehlen, so zum Beispiel die Holzbibliothek aus Rott am Inn und die Naturalienkabinette aus St. Emmeram oder aus St. Göttweig.17 In den einzelnen Fallstudien prüft 13 Zur Entstehung der Experimentalvorlesungen siehe Stichweh: Entstehung; Wiesenfeldt: Minervas Haus. 14 Weber, Cornelia: Zur Bedeutung von universitären Sammlungen bei der Herausbildung wissenschaftlicher Disziplinen. In: Hassler, Uta (Hg.): Kategorien des Wissens. Die Sammlung als Epistemisches Objekt. Zürich 2014, 178–191. 15 Die Probleme um die Instrumentensammlung an der Universität Ingolstadt beschreibt Schaff, Josef: Geschichte der Physik an der Universität Ingolstadt (1472–1800). Auf Grund archivalischer Quellen und der Originalschriften. Erlangen 1912, 194–220. 16 Schrank: Religiose 16. 17 Schrott, Georg: Splendori simul utilitatique. Naturkundliche Sammlungen in den Klöstern der Oberen Pfalz. In: Knedlik, Manfred (Hg.): Res naturae. Die Oberpfälzer Klöster

Gegenstand der Arbeit  15

diese Arbeit, ob die Vermutung des Botanikers zutrifft und es einen Unterschied zwischen instrumenteller Naturforschung und Naturgeschichte gab, der sich auf eine Verflechtung mit der monastischen Lebensweise zurückführen ließ. Mit instrumenteller Naturforschung stehen mathematisch-physikalische Instrumente im Zentrum dieser Arbeit. Wo ließen sich diese Sammlungen finden? An den katholischen Universitäten des deutschen Reiches hatte mit einigen wenigen Ausnahmen der Jesuitenorden die Lehre in Philosophie und Mathematik übernommen. Hier begannen experimentelle Aktivitäten meist mit Verzögerung zu den protestantischen Hochschulen, was zu einem großen Teil an den Finanzierungsunterschieden lag. Jesuiten konnten sich ihre Investitionen in Instrumente nicht durch Hörergelder zurückholen.18 So führte der Jesuit Anton Kleinbrodt (1668–1718) im Jahr 1704 erste Experimentalvorlesungen an der bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt durch, wobei eine Luftpumpe 1729 angeschafft wurde.19 Bekannter wurden die Ingolstädter Mathematiker in der Tradition von Christoph Scheiner (1573–1650), die auch im 18. Jahrhundert an der Sternwarte ihre Beobachtungen durchführten und publizierten.20 Eine Besonderheit stellte dagegen die Universität Salzburg dar.21 Sie war keine durch Jesuiten initiierte Lehranstalt, sondern eine benediktinische Gründung. Mönche und die Gaben der Schöpfung. Kallmünz 2006, 57–89; Schrott, Georg: Naturkundliche Sammlungen und Aktivitäten im Kloster Prüfening zur Zeit Rupert Kornmanns. In: Knedlik, Manfred / Schrott, Georg (Hg.): Abt Rupert Kornmann von Prüfening (1757–1817). Ein Benediktinischer Gelehrter zwischen Aufklärung und Restauration. Regensburg 2007, 207–234; Schrott, Georg: Eine berühmte Naturaliensammlung. Exemplarische Beobachtungen zur Sankt Emmeramer Sammelkultur unter den Äbten Frobenius Forster und Cölestin Steiglehner. In: Löffler, Bernhard / Rottler, Maria (Hg.): Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung. München 2015, 243–281; Rameder, Bernhard: Sammelleidenschaft im Kloster – Die ehemalige Naturalien- und Kunstkammer des Stiftes Göttweig. Zum Fund eines unbekannten Inventars der Barockzeit. In: Wallnig, Thomas / Heinrich, Tobias (Hg.): Vergnügen Pleasure Plaisir. Bochum 2018, 135–156. 18 Zur Entwicklung der experimentellen Naturlehre an den Jesuiten-Universitäten siehe Feingold, Mordechai (Hg.): Jesuit Science and the Republic of Letters. Cambridge, Massachussets 2003; Hellyer, Marcus: Catholic Physics. Jesuit Natural Philosophy in Early Modern Germany. Notre Dame 2005 19 Wiesenfeldt: Minervas Haus 323. 20 Zur philosophischen Fakultät der Universität Ingolstadt siehe Schaff: Ingolstadt; Stötter, Peter: Vom Barock zur Aufklärung. Die Philosophische Fakultät der Universität Ingolstadt in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert. In: Boehm, Laetitia / Spörl, Johannes (Hg.): Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihren Fakultäten. 2. Band. Berlin 1980, 91–124. 21 Zur Geschichte der Experimentalphysik an der Universität Salzburg siehe Redlich, Virgil: Die Salzburger Benediktiner-Universität als Kulturerscheinung. In: Tausch, Hildebert (Hg.): Benediktinisches Mönchtum in Österreich. Wien 1949, 79–97 Hammermayer, Ludwig: Salzburg und Bayern im 18. Jahrhundert. Prolegomena zu einer Geschichte ihrer Wissenschafts- und Geistesbeziehungen im Spätbarock und in der Aufklärung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 120/121 (1981) 129–218 Lehner, Ulrich: Enlightened Monks. The German Benedictines, 1740–1803. Oxford 2011, 175–203.

16  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung aus österreichischen, schweizerischen und süddeutschen Benediktinerklöstern lernten und lehrten seit 1623 in Salzburg. Im Jahr 1741 führte hier eine Studienreform neben der thomistischen offiziell die experimentelle Philosophie ein, die bereits seit drei Jahren mit Vorlesungen in Experimentalphysik durch den späteren Ensdorfer Abt Desing praktiziert wurde. Auch wenn die deutsche Wissenschaftskultur im 18. Jahrhundert stärker »akademisch« geprägt war als in England oder Frankreich und sich ein großer Teil der Gelehrten an den Universitäten fanden, so gibt das doch nur ein halbes Bild ab.22 Ein breites Spektrum an beteiligten Akteuren und Schauplätzen, an denen diese sich begegneten, charakterisierte die Situation. Elektrisiermaschinen in den Salons des aufgeklärten Adels und selbstbewusster Bürger, öffentliche Vorträge über Fossilienfunde und das Vakuum, Naturaliensammlungen von Apothekern und physikalische Kabinette am kurfürstlichen Hof sind nur einige Beispiele für diese Diversität. Welche Personengruppen waren für den süddeutschen Raum besonders relevant? Für die Reichsstadt Regensburg konnte der Wissenschaftshistoriker Christoph Meinel zwei Milieus von Wissenschaftsstilen identifizieren, die sich durch Themenwahl, Akteure und Kommunikationsmittel unterschieden. Das adelige Milieu der Mönche und Aristokraten beschäftigte sich mit Astronomie und Experimentalphysik und bildete in Disputationen und akademischen Abhandlungen einen Binnendiskurs. Demgegenüber stand das bürgerliche Milieu der Pastoren, Verwaltungsbeamten, Ärzte und Apotheker, die sich der Naturgeschichte und besonders der Botanik zuwandten und in Monografien und Fachzeitschriften den gelehrten Austausch suchten.23 In Augsburg hingegen lässt sich nur ein loser Verbund von an der Naturkunde Interessierten finden, der sich um die Werkstatt des Instrumentenbauers Georg Friedrich Brander  (1713–1783) und das Gymnasium St.  Anna bildete und vornehmlich der Experimentalphysik und dem Instrumentenbau zuwandte.24 In München gab es neben den Lehrern der Kadettenanstalt und aktiven Ärzten kaum naturkundliche Aktivitäten bis zur Gründung der Bayerischen Akademie im Jahr 1759.25 Instrumentelle Naturforschung vereinte die didaktische Demonstrationskultur der Salonphysik und die aristokratische Repräsentation der Sternenkunde 22 Aktuell zu den wissenschaftlichen Sammlungen der Professoren siehe Müller, Miriam: Der sammelnde Professor. Wissensdinge an Universitäten des Alten Reichs im 18. Jahrhundert. Stuttgart 2020. 23 Meinel, Christoph: Das Licht der Natur und seine Brechungen. Naturforschung in Regensburg um 1800. In: Schmid, Peter / Unger, Klemens (Hg.): 1803 Wende in Europas Mitte. Vom feudalen zum bürgerlichen Zeitalter. Regensburg 2003, 209–225. 24 Zur Augsburger Wissenschaftskultur siehe Hochadel, Oliver: Öffentliche Wissenschaft. Elektrizität in der deutschen Aufklärung. Göttingen 2003. 25 Kraus, Andreas: Die naturwissenschaftliche Forschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. München 1978, 11–12.

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mit der sich aus der Öffentlichkeit zurückziehenden, messenden Meteorologie. Repräsentieren, Inszenieren und Amüsieren umfasste das Portfolio der Naturkundigen ebenso wie Demonstrieren, Experimentieren, Sammeln und Kommunizieren. Akademien und gelehrte Gesellschaften organisierten kollektive Großprojekte zur vollständigen Erfassung von Pflanzen, Tieren, Wetterereignissen und Sternen. Zeitschriftenartikel und Preisaufgaben stellten sich neben die älteren Publikationsformen der Disputationen und Lehrbücher. Gleichzeitig trat Naturforschung an die Öffentlichkeit und wurde Teil einer sich herausbildenden bürgerlichen Gesellschaft. Die Elektrisiermaschine als Parade-Instrument der Aufklärung war gleichermaßen eingebunden in die volkstümliche Unterhaltungskultur der Wanderelektrisierer wie in das barocke Repräsentationsbedürfnis oder die universitäre Vorlesungspraxis. Unter kundiger Hand führten die Experimente an der Elektrisiermaschine zur Erfindung des Blitzableiters und befriedigten damit vermeintlich den Nützlichkeitsanspruch der Beteiligten. Klostergelehrte mussten hier ihren eigenen Platz finden. 1.1.2 Naturforschung im Kloster Gelehrsamkeit und Mönchtum waren schon lange vor dem 18. Jahrhundert eng miteinander verbunden. Welche Stellung die geistige Arbeit im Klosterleben einnehmen sollte, war jedoch fast genauso lange umstritten und musste immer wieder neu ausgelotet werden.26 Die Antwort auf die Frage zum Verhältnis von Handarbeit und Kopfarbeit, oder von sancta simplicitas zur sancta doctrina, hing direkt mit dem Selbstverständnis der monastischen Berufung zusammen. Dabei konnte das Studium zentraler Bestandteil des Mönchtums sein, um für den Kampf gegen Aberglauben oder Irrlehren gerüstet zu sein. Es konnte aber auch der persönlichen Erbauung und Charakterformung oder nur zum Schutz vor geistiger Zerstreuung dienen. Nicht nur ob, sondern auch welche Studien ein Mönch betreiben sollte, unterlag einer ständigen Diskussion. Wesentliche Bedeutung für das wissenschaftliche Selbstverständnis der Mönche und Chorherren ab 1700 kam der französischen Benediktiner-Kongre­ gation des heiligen Maurus, den sogenannten Maurinern, zu. Die für ihre Quelleneditionen berühmten Mönche wurden zum wegweisenden Vorbild nicht nur für monastische Geschichtsschreibung, sondern auch für ihre kollek-

26 Zum Verhältnis von Mönchtum und Gelehrsamkeit vor 1700 siehe Boehm, Laetitia: Meditation – Wissenschaft – Arbeit. Zu einer historischen Kontroverse um das Verhältnis von Wissenschaft und monastischer Lebensform. In: Langer, Michael / Lechner, Odilo (Hg.): Weite des Herzens, Weite des Lebens. Beiträge zum Christsein in moderner Gesellschaft. Regensburg 1989, 39–62; Beriger, Andreas: Der Typus des ›Monastischen Privatgelehrten‹. In: Schwinges, Rainer Christoph (Hg.): Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts. Berlin 1996, 375–410.

18  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung tive und gleichzeitig zentralisierte Organisationsstruktur.27 Dies sollte besonders die benediktinischen Akademiebestrebungen inspirieren. Die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts wies dementsprechend in Süddeutschland einige wegweisende Historiographen auf, wovon hier nur Carl Meichelbeck (1669–1734) aus Benediktbeuern, Gottfried Bessel (1672–1749) aus Göttweig, die Brüder Bernhard (1683–1735) und Hieronymus Pez (1685–1762) aus Melk sowie Roman Zirngibl (1740–1816) aus St. Emmeram in Regensburg erwähnt werden sollen.28 Ein Unterschied zwischen den französischen und den süddeutschen Benediktinern war die Voraussetzung für die vorliegende Untersuchung: Während die Mauriner die Philosophie und speziell die Naturforschung der Theologie unterordneten und nicht über die Grundlagen hinaus betrieben, führte die Hinwendung zur Natur die süddeutschen Klöster zu einer wissenschaftlichen Blüte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Naturforschung im Kloster war jedoch keine völlig neuartige Erscheinung. Ordensgelehrte nahmen besonders für die Entwicklung der mittelalterlichen Astronomie eine wichtige Rolle ein, die sich jedoch an innermonastischen Bedürfnissen wie der Kalenderrechnung und der Zeitmessung für das Stundengebet ausrichtete.29 Aber erst Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu einer breiteren, alle Fachgebiete umfassenden Integration der Naturphilosophie in die süddeutschen Klöster. Als wichtigster Impulsgeber kann die bereits erwähnte Stärkung der Experimentalphysik an den Universitäten gesehen werden. Durch das interne Bildungswesen der Klöster sowie ihre ländlichen und städtischen Klosterschulen begann eine Beschäftigung mit Experimentalphysik und Naturkunde. Auch räumlich fand die Naturforschung in mathematisch 27 Hammermayer, Ludwig: Zum deutschen Maurinismus des frühen 18. Jahrhundert. Briefe der Benediktiner P.  Bernhard Pez (Melk) und P.  Anselm Desing (Ensdorf)  aus den Jahren 1709 bis 1725. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 40 (1977) 391–444; Weitlauff, Manfred: Die Mauriner und ihr historisch-kritisches Werk. In: Schwaiger, Georg (Hg.): Historische Kritik in der Theologie. Beiträge zu ihrer Geschichte. Göttingen 1980, 153–209; Stockinger, Thomas: Die Maurinerkongregation. In: Faustmann, Cornelia / Glaßner, Gottfried / Wallnig, Thomas (Hg.): Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke. Melk 2014, 85–91. Weitere Literatur siehe Kapitel 2.1.1. 28 Koch, Laurentius: Der Typus des ›monachus eruditus historicus‹ der Barockzeit und der Frühaufklärung im süddeutsch-katholischen Raum am Beispiel des Benediktiner-Historikers P. Carl Meichelbeck. In: Keck, Rudolf / Wiersing, Erhard / Wittstadt, Klaus (Hg.): Literaten-Kleriker-Gelehrte. Zur Geschichte der Gebildeten im vormodernen Europa. Köln u. a. 1996, 289–302. 29 Zur Bedeutung der astronomischen Zeitmessung in mittelalterlichen Klöstern siehe Park, Katherine: Observation in the Margins, 500–1500. In: Daston, Lorraine / Lunbeck, Elisa­ beth (Hg.): Histories of Scientific Observation. Chicago, London 2011, 15–44; McCluskey, Stephen C.: Natural Knowledge in the Early Middle Ages. In: Lindberg, David / Shank, Michael H. (Hg.): The Cambridge History of Science. 2. Medieval Science. Cambridge 2013, 286–301. Zur Verbesserung astronomischer Instrumente und Bestimmung von Planetenbahnen in Kloster Reichenbach im 15. Jahrhundert siehe Kaunzner, Wolfgang: Zum Stand von Astronomie und Naturwissenschaften im Kloster Reichenbach. In: 875 Jahre Kloster Reichenbach am Regen 1118–1993, 24–45.

Gegenstand der Arbeit  19

physikalischen Instrumentensammlungen und Sternwarten ihren Weg in das Klosterareal, und die Mönche und Chorherren beschäftigten sich mit den drängenden Fragen der Zeit wie Wettervorhersage und Gewitterschutz. Benediktiner, Augustiner-Chorherren, Zisterzienser und Prämonstratenser bildeten die sogenannten Prälatenorden, die im Gegensatz zu den Mendikantenorden, also den dominikanischen und franziskanischen Bettelorden, zusammen mit dem Adel sowie den Städten und Märkten die Landstände bildeten.30 Bis 1700 waren die Orden mit den Auswirkungen des 30jährigen Krieges belastet und standen vor Nachwuchs-Schwierigkeiten. Es folgte eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs, und Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Prälatenklöster zu ökonomischen und kulturellen Zentren im Alpenvorland geworden.31 Teilweise noch bis heute sichtbar sind die Zeugnisse intensiver Bautätigkeit der »Barock-Prälaten«, die Künstler nach Bayern holten und wichtige Arbeitgeber für die Region waren. Klöster verfügten über eigene Wirtschaftsbetriebe und Ländereien, besaßen über viele Bauern der Region die Grundherrschaft und in ihren Gerichtsbezirken die Niedergerichtsbarkeit. Gleichzeitig unterhielten sie öffentliche Klosterschulen, waren der Haupt-Kreditgeber für die Landbevölkerung und sicherten deren medizinische Versorgung. Das Benediktinerkloster Benediktbeuern verfügte um 1800 über ein Hoheitsgebiet von 8 ¹∕₅  Quadratmeilen32 und etwa 4000 Einwohnern. Allein die selbst bewirtschaftete Fläche mit Meierhof, Schweigen, Teichen, Jagdgebieten und Weingütern in Südtirol umfasste 700  Hektar.33 Klöster bildeten wirtschaftlich-kulturelle Zentren, die in den ländlichen Regionen das Pendant zur frühbürgerlichen arbeitsteiligen Organisationsform städtischer Kontexte bildeten.34 30 Streng genommen galt dies nur für die altbayerischen und nicht die oberpfälzischen Prälatenklöster. Zu den Landständen siehe Albrecht, Dieter: Staat und Gesellschaft. Zweiter Teil: 1500–1745. In: Spindler, Max / Kraus, Andreas / Albrecht, Dieter (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Band  2. Das alte Bayern: Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1988, 625–665; Lanzinner, Maximilian: Landstände. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historischeslexikon-bayerns.de/Lexikon/Landst%C3%A4nde (am 04.09.2020) 31 Zur Rolle der Klöster in Süddeutschland siehe Kirmeier, Josef: Leben in der Klosterlandschaft. In: Kirmeier, Josef / Treml, Manfred (Hg.): Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. München 1991, 231–251; Quarthal, Franz: Unterm Krummstab ist’s gut leben. Prälaten, Mönche und Bauern im Zeitalter des Barock. In: Blickle, Peter (Hg.): Politische Kultur in Oberschwaben. Tübingen 1993, 269–286; Herzog, Markwart / Kießling, Rolf / Roeck, Bernd (Hg.): Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock. Konstanz 2002. 32 Eine bayerische Meile entsprach bis 1811 einer Länge von 7,414 Kilometern. Eine Fläche von 8,2 Quadratmeilen umfasste daher um 1800 etwa 450 Quadratkilometer. 33 Kirmeier: Klosterlandschaft 234. 34 Zur Konkurrenz zwischen den städtischen, in Zünften organisierten Handwerkern und den ländlichen, von Klöstern abhängigen Handwerkern siehe Brachner, Alto: Das Kloster Ochsenhausen. Sternwarte und Armarium aus der Aufklärungszeit. Stuttgart 1989.

20  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung Die Region, in der die Klöster im 18. Jahrhundert eine so wichtige Funktion für die gesellschaftliche Struktur einnahmen, wurde von Zeitgenossen und wird auch heute noch als Süddeutschland oder Oberdeutschland bezeichnet, teilweise jedoch mit sehr unterschiedlichen Grenzverläufen. So beschrieb der Publizist Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739–1792) 1778 in seiner Reisebeschreibung »durch Oberdeutschland« seine Stationen in Österreich – Linz, St. Pölten und Wien –, Niederbayern, Oberschwaben, Württemberg und Baden.35 Die Historiographie des 18. Jahrhunderts beschreibt hingegen mit »süddeutsch« den territorialpolitischen Süden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, während »oberdeutsch« im kulturgeschichtlichen Sinne auch Böhmen, Tirol und Teile der Schweiz inkludiert.36 Oberdeutschland definiert sich sprachwissenschaftlich als die Menge an Gebieten mit oberdeutschen Dialekten, von Ostfränkisch im Norden bis Hochalemannisch im Süden. Ein geographischer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den kurbayerischen Klöstern mit den umliegenden Hochstiften Regensburg, Augsburg und Würzburg. Diese Auswahl ergibt sich durch die Frage nach der Beteiligung von Ordensgelehrten an den Aktivitäten der bayerischen und pfälzischen Akademie sowie an der Akademiebewegung insgesamt. Entsprechend wird im Folgenden die Bezeichnung »süddeutsch« als regionale Zuschreibung verwendet. Die für diese Arbeit und die Ausbildung monastischer Naturforschung wichtigste Aufgabe der Klöster war ihre Bildungsfunktion. Alle monastischen Naturforscher waren intensiv in das klösterliche Bildungssystem eingebunden.37 Im sogenannten Hausstudium unterrichteten die Mönche und Chorherren ihren Ordensnachwuchs in Philosophie und Theologie, wofür jedes Haus eigene Lehrer benötigte. Nur die bayerischen Benediktiner unterhielten bis 1769 ein Kommunstudium, indem die Ausbildung aller Novizen für einen gewissen Zeitabschnitt einem einzelnen Kloster oblag. Neben diesem internen Ausbildungsbetrieb unterhielten viele Klöster öffentliche Schulen oder Seminare für Laien. Fast jedes Kloster verfügte über eine Elementarschule, viele auch über Lateinschulen 35 Wekhrlin, Wilhelm Ludwig: Anselm Rabiosus Reise durch Oberdeutschland. Herausgegeben, erläutert und mit einem Nachwort versehen von Jean Mondot. München 1988. 36 Schmid, Alois / Herzog, Markwart: Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. In: Herzog, Markwart / Schmid, Alois (Hg.): Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. Konstanz, München 2018, 15–46, hier 16–17. 37 Zum süddeutschen Bildungssystem und der Rolle der Klöster siehe Milisterfer, Roland /  Jahn, Wolfgang: Wissenschaft und Bildungswesen. In: Kirmeier, Josef / Treml, Manfred (Hg.): Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. München 1991, 252–279; Hierdeis, Helmwart: Die männlichen Schulorden. In: Liedtke, Max (Hg.): Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens. Erster Band. Geschichte der Schule in Bayern von den Anfängen bis 1800. Bad Heilbrunn 1991, 622–631; Sepp, Florian: Das Schulwesen der Augustiner-Chorherren in Oberbayern. In: Melville, Gert / Schmid, Alois (Hg.): Studien zum Bildungswesen der bayerischen Augustiner-Chorherren in Mittelalter und früher Neuzeit. Paring 2008, 111–151.

Gegenstand der Arbeit  21

oder die unteren Klassen des Gymnasiums. Die Statuten der oberschwäbischen Benediktinerkongregation schrieben sogar vor, dass jedes Kloster eine Lateinschule unterhalten musste.38 Einige Abteien wie Ettal und Kremsmünster hatten zusätzlich eine Ritterakademie eingerichtet, die adelige und großbürgerliche Söhne für den höheren Staats- und Kirchendienst vorbereitete. Angehörige des Benediktinerordens unterrichteten nicht nur in ihren eigenen Klöstern, sondern übernahmen auch Lehrstühle an der ordenseigenen Universität Salzburg, sowie am Gymnasium in Freising. Den Schottenbenediktinern aus St.  Jakob in Regensburg war seit 1696 ein Lehrstuhl an der Erfurter Universität übertragen.39 Neben den ländlichen Klosterschulen hatte seit Ende des 16. Jahrhunderts der Jesuitenorden das höhere Schulwesen übernommen und in Verträgen mit den Landesherren, Bischöfen oder Städten ein Gymnasium, Lyzeum oder eine Universität eingerichtet. Um 1700 bestanden im kurbayerischen Raum neben dem Benediktiner-Gymnasium in Freising zehn weitere Jesuitengymnasien, unter denen das größte in München mehr als 1000 Schüler unterrichtete.40 Mit dem Verbot des Jesuitenordens im Jahr 1773 durch Papst Clemens XIV. war eine völlige Umstrukturierung des höheren Bildungswesens nötig. Nach einer Phase der staatlichen Schulaufsicht übertrug der bayerische Kurfürst 1781 das gesamte höhere Bildungswesen den Prälatenorden. Diese Umstrukturierung bedeutete nicht nur eine Stärkung der sozialen Rolle der Klöster, sondern auch erhebliche personelle und finanzielle Belastungen. Lehrkörper, Ausstattung und Unterhalt wurden nun vollständig von den Orden übernommen. Ein Fokus der Prälatenorden lag dabei auf den Gymnasien und Lyzeen und weniger auf den Realschulen, die sie vernachlässigten.41 Ein erneuter, radikaler Wechsel in der Stellung der Klöster innerhalb des Bildungssystems erfolgte im Jahr 1799, als der pfalzbayerische Kurfürst Karl Theodor alle Klosterseminare aufhob und durch Realschulen ersetzen ließ. Die seit den 1770er Jahren stattfindenden Schulreformen waren eingebettet in eine Kirchen- und Klosterpolitik, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche neu ausrichten sollte.42 Dazu gehörten Eingriffe in die Frömmigkeit wie Reduzierung 38 Quarthal: Krummstab 282. 39 Klein, Michael: Das Schottenkloster St. Jakob. In: Lorenz, Martina (Hg.): Im Turm – im Kabinett – im Labor. Streifzüge durch die Regensburger Wissenschaftsgeschichte. Regensburg 1995, 29–44, hier 33. 40 Hierdeis: Schulorden. 41 Fürnrohr, Walter: Aufklärerische Reformbemühungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Gesamtdarstellung. In: Liedtke, Max (Hg.): Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens. Erster Band. Geschichte der Schule in Bayern von den Anfängen bis 1800. Bad Heilbrunn 1991, 633–656, hier 650. 42 Zum bayerischen Staatskirchentum siehe Prinz, Friedrich: Kurfürst Maximilian III. Joseph. Bayerische Politik im Zeichen der Aufklärung. In: Prinz, Friedrich (Hg.): Bayerische Miniaturen. Ludwig der Bayer, Max III. Joseph, Ludwig II., Franz von Lenbach und andere. München 1988, 124–141; Hammermayer, Ludwig: Landesherr und Kirche. In: Spindler,

22  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung von Feiertagen und Wallfahrten, Pläne zur Errichtung eines bayerischen Landesbistums zur Reduzierung der bischöflichen Einflüsse und eben auch Eingriffe in die Selbstständigkeit der Orden. Die Beweggründe für diese Maßnahmen waren vielschichtig und setzten sich unter anderem aus finanzpolitischen, ideellen und bildungspolitischen Aspekten zusammen. Gerade medial und publizistisch stand das Klosterleben grundsätzlich in der Kritik. Dem Vorwurf der Nutzlosigkeit versuchten viele Klostervorsteher aktiv entgegenzutreten, indem sie ihre Konvente zu fortschrittlichen Wissenschaftszentren und Unterrichtsorten umbauten und entsprechend nach außen hin darstellten.43 Aber auch aus den Klöstern selbst machten sich Stimmen bemerkbar, die Reformen forderten.44 Das Mönchtum stand zwar unter enormen Druck, dennoch ist monastische Naturforschung nicht allein als eine letztlich erfolglose Reaktion auf diese Kritik zu verstehen. Der Wunsch nach Erneuerung förderte die Auseinandersetzung mit Reformen innerhalb der Philosophie, machte sich aber vor allem im Unterricht und weniger in den darüberhinausgehenden Forschungen einzelner Klostergelehrter bemerkbar. Erste Pläne zur Auflösung der Klöster konnten die Prälaten durch die Übernahme des höheren Bildungssystems abwenden, aber es sollte nur eine kurzfristige Verschiebung sein. Kaiser Josef II. hob bereits in den 1780er Jahren in seinen habsburgischen Erblanden alle Klöster ohne Schulen oder Krankenpflege auf. Ein bayerisches Dekret von 1802 löste die Klöster der Bettelorden auf, und 1803 folgte mit dem Reichsdeputationshauptschluss die Aufhebung der übrigen ständischen Klöster und Kollegiatstifte. Allein in Kurbayern verloren in diesen beiden Jahren über 160 Klöster ihre Existenzberechtigung. Die Bewertung der Folgen der Säkularisation ist bis heute sehr divers und reicht von »geistig-kultureller Verödung der Provinz« bis hin zu notwendiger Modernisierung.45 Tatsache Max / Kraus, Andreas / Albrecht, Dieter (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Band 2. Das alte Bayern: Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1988, 1090–1102; Müller, Winfried: Max  III. Joseph. Absolutismus oder Aufklärung? In: Schmid, Alois (Hg.): Die Herrscher Bayerns. 25 historische Portraits von Tassilo III. bis Ludwig III. München 2006, 264–278: Stein, Claudius: Staatskirchentum, Reformkatholizismus und Orthodoxie im Kurfürstentum Bayern der Spätaufklärung. Der Erdinger Landrichter Joseph von Widnmann und sein Umfeld (1781–1803). München 2007. 43 Zur Kritik am Mönchtum bis zur Säkularisation 1803 siehe Schreiber, Cornelia: Politische Rahmenbedingungen. In: Kirmeier, Josef / Treml, Manfred (Hg.): Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. München 1991, 280–298; Müller, Winfried: Die Säkularisation von 1803. Voraussetzungen und Vorgeschichte der Säkularisation. In: Brandmüller, Walter (Hg.): Handbuch der Bayerischen Kirchengeschichte. Dritter Band. Vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. St. Otti­ lien 1991, 1–30; Schmid, Alois (Hg.): Die Säkularisation in Bayern 1803. Kulturbruch oder Modernisierung? München 2003. 44 Zur klosterinternen Kritik siehe Müller: Säkularisation; Lehner: Monks. 45 Schmid, Alois: Säkularisation in Bayern.

Forschungsstand  23

ist, dass sich gerade durch die Verteilung der wissenschaftlichen Ausstattung aus den Klöstern an Universität, Akademie und Schulen die Spuren monastischer Naturforschung bis heute überall verteilt finden lassen.

1.2 Forschungsstand Über die Geschichte der Klöster existiert eine Fülle an Literatur, gerade auch für den süddeutschen Raum im 18. Jahrhundert. Schon zeitgenössische Chronisten dokumentierten die Ereignisse und Entwicklungen ihrer Konvente und werteten dafür hauseigene Archive aus. Nachfolgende Generationen haben diese Arbeit bis heute ergänzt und erweitert. Noch relevanter für die Thematik dieser Studie ist die Tradition der Ordenshistoriographie, gelehrte Arbeiten der Mönche und Chorherren zusammenzustellen und zu sortieren.46 So sollte es die Aufgabe einer 1776 geplanten bayerischen Benediktiner-Akademie sein, eine Sammlung verdienstvoller Ordensmitglieder zu erstellen. Mit diesen Werken liegen bis heute teilweise einmalige biographische Informationen über Personen vor, denen kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Klöster sind darüber hinaus schon lange Gegenstand der Geschichtswissenschaft, besonders der Landes- und Ordens­ geschichte, der Kunstgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und der Volkskunde. Im Folgenden werden daher die verschiedenen bisherigen Forschungsstränge zusammengeführt und der Beitrag dieser Arbeit ausgelotet. Wegen ihrer prägenden Funktion als Kulturträger im süddeutschen Raum nehmen Klöster eine wichtige Rolle in der Landesgeschichtsschreibung ein. Im Vordergrund standen dabei bisher meist Einzelstudien, entweder institutionell zu Abteien und Propsteien oder biographisch zu prägenden Klostervorstehern und Reformpädagogen.47 Gerade wegen der oft sehr detailreichen Untersu 46 Propst Franziskus Töpsl aus Polling erstellte eine solche Sammlung zu den gelehrten Augustiner-Chorherren, die ungedruckt blieb. Das Manuskript findet sich in BSB Clm 26400– 26428. Für die Benediktiner siehe u. a. Lindner, August: Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Bayern vom Jahre 1750 bis zur Gegenwart. Bd. 1. Regensburg 1880; Lindner, August: Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Bayern vom Jahre 1750 bis zur Gegenwart. Bd. 2. Regensburg 1880. 47 Aus der Fülle der vorhandenen Literatur seien hier nur die neueren Arbeiten genannt: Baldauf, Ingrid (Hg.): Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf. Katalog anläßlich der Ausstellung ›Die Augustinerchorherren in Bayern‹ im Kreuzgang des ehemaligen Stifts Indersdorf vom 29. April bis 4. Juni 2000. Indersdorf 2000; Precht-Nußbaum, Karin: Zwischen Augsburg und Rom. Der Pollinger Augustiner-Chorherr Eusebius Amort (1692–1775); ein bedeutender Repräsentant katholischer Aufklärung in Bayern. Paring 2007; Schmid, Alois: Propst Franziskus Töpsl von Polling. Klostervorstand – Standespolitiker – Wissenschaftler. Polling 2013; Kasch-Schäfer, Brigitte: P. Placidus Scharl OSB von Andechs. Mönch – Pädagoge – Gelehrter.

24  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung chungen aller architektonischen, ökonomischen und sozialen Aspekte eines Klosters bieten diese Arbeiten eine wichtige Grundlage für die vorliegende Studie. Hinsichtlich der in den Klöstern stattfindenden Gelehrsamkeit lag der Schwerpunkt traditionell auf Theologie und Geschichtsschreibung, da gerade über die Quellenkunde im Bereich der Historiographie wichtige Beiträge durch Ordensgelehrte geleistet wurden.48 Naturforschung in Klöstern rückte zunächst über mathematisch-physika­ lische und naturhistorische Sammlungen in den Blick. Diese traten bisher hauptsächlich durch ihre Existenz in Erscheinung und fanden in Forschungen zur Säkularisation oder zur süddeutschen Aufklärung Beachtung.49 In Einzelfällen liegen bereits Studien zur Einrichtung und Entwicklung mathematisch-physikalischer Instrumentensammlungen vor.50 Für die beiden Regensburger Klöster St. Emmeram und St. Jakob leistete der Wissenschaftshistoriker Christoph Meinel eine Einordnung und Bewertung der Klostergelehrsamkeit innerhalb des städtischen Kontextes, was vergleichbar bisher noch für kein anderes Kloster erfolgte.51 Den wichtigsten Beitrag, um Klostersammlungen als Teil einer süddeutschen Wissenschaftskultur ernst zu nehmen, hat der Ordenshistoriker München 2014; Löffler, Bernhard / Rottler, Maria (Hg.): Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung. München 2015; Herzog, Markwart / Schmid, Alois (Hg.): Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. Konstanz, München 2018. 48 Kraus, Andreas: Die benediktinische Geschichtsschreibung im neuzeitlichen Bayern. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 80 (1969) 205–229; Hammermayer: Maurinismus; Benz, Stefan: Zwischen Tradition und Kritik. Katholische Geschichtsschreibung im barocken Heiligen Römischen Reich. Husum 2003; Pavelková, Jindra: Wissenschaftliche Arbeit hinter Klostermauern. In: Pavelková, Jindra (Hg.): Liebhaber und Mäzene von Wissenschaften und Kunst im Mönchsgewand. Brno 2014, 98–118. 49 Vergleiche hierzu beispielsweise Heilingsetzer, Georg: Wissenschaftspflege und Aufklärung in Klöstern der Augustiner Chorherren und Benediktiner im bayerisch-österreichischen Raum. In: Arnold, Werner (Hg.): Bibliotheken und Aufklärung. Wiesbaden 1988, 83–101. Der Autor sieht in einer zunehmenden Wissenschaftspflege in allen Bereichen der Mönche eine Auseinandersetzung mit der Aufklärung und damit einhergehend eine Veränderung des Lehrangebots und der Einführung von Experimentalphysik in den Studienplan. Als logische Konsequenz dieser Lehrplanänderungen folgte die Einrichtung physikalischer Sammlungen. Der Fokus der Studie liegt jedoch auf der Existenz und Ausstattung der Bibliotheken und nicht auf den Sammlungen. 50 Dorner, Peter: Die physikalische Sammlung des Klosters Indersdorf. In: Amperland 14 (1978) 296‐299, 318‐321; Brachner: Ochsenhausen; Rabenalt, Ansgar: Die Sonnenuhrensammlung der Sternwarte Kremsmünster. Kremsmünster 1996; Kraml, Amand / Doberschiz, Laurenz: Specula Cremifanensis. 1. Beschreibung der in dem Mathematischen Thurne zu Cremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten, und Seltenheiten. Kremsmünster 1999. Einen Überblick zur Ausstattung der österreichischen Klöster gibt Pärr, Nora: Maximilian Hell und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts. Dissertation. Universität Wien 2011. 51 Mehrere Beiträge in Reich, Angelika (Hg.): Gelehrtes Regensburg – Stadt der Wissenschaft. Stätten der Forschung im Wandel der Zeit. Regensburg 1995; Meinel: Licht der Natur.

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Georg Schrott geleistet.52 Ihm ist es in seinen Publikationen gelungen, Sammlungen und Kabinette in der Landesgeschichtsschreibung zu verankern. Durch Berücksichtigung auch anderer Quellengattungen wie Leichenpredigten und Disputationsdrucken erarbeitete Schrott erste Hinweise zur Nutzung und Funktion der Instrumente und Naturalien. Diese Untersuchungen zu Rott, Prüfening und einigen oberpfälzischen Klöstern werden nun mit Material zur tatsächlichen Forschungspraxis, d. h. Beobachtungsdaten und Publikationen, verbunden. Ein entsprechender umfassender Ansatz ist bisher nur durch den ehemaligen Leiter des Meteorologischen Observatoriums Hohenpeißenberg Peter Winkler für das Chorherrenstift Rottenbuch verfolgt worden.53 Auf der übergeordneten Ebene der Ordensgeschichte ergibt sich ein ähnliches Bild wie das zuvor beschriebene der Landesgeschichte. Die Überblickswerke zu allen Klöstern eines bestimmten Ordens in einem konkreten geographischen Zuschnitt liefern wichtige Informationen als Grundlage weiterführender Recherchen.54 Aber auch die Untersuchungen speziell zum Wissenschaftsbetrieb der Orden fokussierten bisher vornehmlich auf Geschichtsschreibung und Theologie.55 Zwei Ausnahmen sind der Historiker Tom McInally und der Theologe und Kirchenhistoriker Ulrich Lehner. In seiner Arbeit über die deutschen 52 Schrott, Georg / Knedlik, Manfred: Die Oberpfälzer Klöster und die Gaben der Schöpfung. Einführung zum Thema ›Klösterliche Naturbezüge‹. In: Knedlik, Manfred (Hg.): Res naturae. Die Oberpfälzer Klöster und die Gaben der Schöpfung. Kallmünz 2006, 9–18; Schrott: Schrott 2006 – Splendori simul utilitatique; Schrott, Georg: Blitzfang und Electricier-Machinen. Zur klösterlichen Sach- und Wissenskultur in der Zeit der Aufklärung. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 118 (2007) 283–337; Schrott, Georg: ›Belustigungen und Experimente‹. Naturkundliche Aktivitäten in der Abtei Rott im späten 18. Jahrhundert. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 119 (2008) 221–256; Schrott, Georg: Prüfeninger Naturkunde und monastisches Selbstverständnis in der Spätaufklärung. In: Baumann, Maria Elisabeth (Hg.): Mönche, Künstler und Fürsten. 900 Jahre Gründung Kloster Prüfening. Regensburg 2009, 114–129. 53 Winkler, Peter: Early Observations of and Knowledge on Air Electricity and Magnetism at Hohenpeissenberg Observatory. In: Emeis, Stefan / Lüdecke, Cornelia (Hg.): From Beaufort to Bjerknes and Beyond. Critical Perspectives on Observing, Analyzing, and Predicting Weather and Climate. Augsburg 2005, 55–68; Winkler, Peter: Quellen-Sammlung zur Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg überwiegend vom 18. und 19. Jahrhundert. Weilheim 2010; Winkler, Peter: Frühgeschichte des Bergobservatoriums Hohenpeißenberg. Neue Erkenntnisse und Präzisierungen. Offenbach am Main 2015. 54 Backmund, P. Norbert: Die Chorherrenorden und ihre Stifte in Bayern. Augustinerchorherren, Prämonstratenser, Chorherren vom Hl. Geist, Antoniter. Passau 1966; Kaufmann, Michael / Faust, Ulrich (Hg.): Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Bayern. Band 2. St. Ottilien 2014. 55 Heilingsetzer: Wissenschaftspflege; Pavelková: Klostermauern. Auch Derek Beales sieht in der Altertumskunde, Geschichtsschreibung und Musik den hauptsächlichen Beitrag der Klostergelehrten, siehe Beales, Derek: Prosperity and Plunder. European Catholic Monasteries in the Age of Revolution, 1650–1815. Cambridge 2003.

26  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung Schottenklöster betrachtet McInally die Geschichte der Schottenbenediktiner im Alten Reich über drei Jahrhunderte hinweg und behandelt auch die Natur­ forschung am Beispiel der zwei Mönche Bernhard Stuart (1706–1755) und Andreas Gordon (1712–1751).56 Klostergelehrsamkeit umfassender zu betrachten ist das Ziel Lehners in seinen Arbeiten zum Benediktinerorden.57 In systematischer Detailarbeit löst sich Lehner von einzelnen Individuen und identifiziert strukturelle Voraussetzungen und Gründe für die Offenheit der Benediktiner gegenüber Reformen, die sich besonders in der Gelehrsamkeit bemerkbar machten. Lehner betrachtet die benediktinische Reformbewegung des 18. Jahrhunderts als Veränderung des ganzen Mönchstums mit Fokus auf Theologie und Philosophie. Damit gehören nicht nur die Reform der Liturgie und der Kampf gegen Aberglauben, sondern auch die Integration der Naturforschung in die katholische Ausbildung zum benediktinischen Erneuerungsprogramm. Trotz der Thematisierung der Einführung der Experimentalphilosophie an der Universität Salzburg, der elektrischen Studien des Schottenbenediktiners Gordon oder der naturwissenschaftlichen Arbeiten Regensburger Mönche liegt der Fokus Lehners’ auf den im heutigen Sinne philosophischen Teilgebieten und der Integration von Wolff, Descartes und Emmanuel Kant in die Arbeiten der deutschen Benediktiner. Lehner zieht jedoch auch allgemeinere Verbindungen zwischen der monastischen bzw. benediktinischen Lebensweise und der gelehrten Praxis, auf denen diese Arbeit aufbaut. Wie stark Klostergelehrte in die Institutionen außerhalb ihrer Ordens­ gemeinschaften eingebunden waren, zeigt ein Blick in die Akademie- und Universitätsgeschichtsschreibung. Sobald Mönche und Chorherren ein Amt als Professor an den Universitäten in Ingolstadt, Salzburg oder Dillingen übernahmen, erscheinen sie in den entsprechenden Überblickswerken.58 Ein Bezug zur Wissenschaftstätigkeit in den Klöstern wird jedoch nicht hergestellt. Die Beteiligung der Benediktiner und Augustiner-Chorherren an der Gründung und Entwicklung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften haben die beiden Landeshistoriker Ludwig Hammermayer und Andreas Kraus detailliert herausgearbeitet.59 Obwohl beide die Beteiligung der Religiosen als Voraussetzung für 56 McInally, Thomas: A Saltire in the German Lands. Scottish Benedictine Monasteries in Germany 1575–1862. Aberdeen 2016. 57 Lehner: Monks; Lehner, Ulrich: How Enlightened Can  a Monk Be? The Efforts of Eighteenth-Century German Benedictines to Reform Monastery and Church. In: Journal of Religious History 37/1 (2013) 64–79; Lehner, Ulrich: Benediktiner und Aufklärung. Beobachtungen aus dem südeutschen Raum. In: Löffler, Bernhard / Rottler, Maria (Hg.): Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung. München 2015, 327–351. 58 Zu Ingolstadt siehe Schaff: Ingolstadt; Stötter: Vom Barock zur Aufklärung. 59 Hammermayer, Ludwig: Gründungs- und Frühgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Kallmünz 1959; Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung; Hammermayer, Ludwig: Geschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Band 2. Zwischen Stagnation, Aufschwung und Illuminatenkrise. 1769–1786. München 1983.

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das Fortbestehen der Akademie bis zur Jahrhundertwende bewerten, beurteilen sie die naturwissenschaftlichen »Leistungen« der Mönche und Chorherren als mittelmäßig: Eigene wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung hat […] die Bayerische Akademie der Wissenschaften für Mathematik, Astronomie und Naturwissenschaften im 18. Jahrhundert tatsächlich nicht zu gewinnen vermocht, diese ihre Epoche stellt deshalb nicht mehr dar als eine Vorstufe der kommenden.60

Eine Reduzierung der Erforschung von Klostergelehrsamkeit auf eine vermeintliche Beitragsbewertung kann jedoch nicht das Ziel sein. In diesem Kontext hat der bayerische Landeshistoriker Stephan Deutinger auf die »charakteristische Engführung des Wissenschaftsbegriffs« hingewiesen, der diesen Arbeiten meist zugrunde liegt.61 Die vorliegende Untersuchung greift diesen Faden auf und versucht ein tieferes Verständnis zum Wesen von Naturforschung im 18. Jahrhundert anhand der monastischen Naturforschung. Zentral für die Analyse monastischer Naturforschung ist ihre Einbindung in den Kommunikationsraum der sogenannten Gelehrtenrepublik. Die Definitions- und Abgrenzungsversuche der frühneuzeitlichen Gelehrtenrepublik sind unüberschaubar, sowohl als Bezeichnung für eine Gruppe von Personen (die »Bürger der Gelehrtenrepublik«) als auch für ihre Prozesse und Produkte (Korrespondenzen, Publikationen).62 Bei allen Unterschieden auch hinsichtlich der Periodisierung herrscht Konsens über die Tatsache, dass die Zirkulation von Material und Praktiken einen Kommunikationsraum der Gelehrtenrepublik konstituierte. Diesen Wissensaustausch zu fördern und zu organisieren sollte Aufgabe der Akademien und Gesellschaften sein, die seit dem 17. Jahrhundert Orte gelehrter Kultur bildeten.63 Die Tatsache, dass sich Benediktiner und Augustiner-Chorherren intensiv an der süddeutschen Akademiebewegung beteiligten, ist durch den Landeshistoriker Ludwig Hammermayer ausführlich aufbereitet worden.64 Hingegen fehlt es bisher an Studien darüber, inwiefern 60 Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 14.  61 Deutinger, Stephan: … in his scientiis admodum barbari? Naturwissenschaft im Bayern der Aufklärungszeit. In: Herzog, Markwart / Schmid, Alois (Hg.): Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. Konstanz, München 2018, 63–83, hier 63. 62 Zur Gelehrtenrepublik siehe Daston, Lorraine: The Ideal and Reality of the Republic of Letters in the Enlightenment. In: Science in Context 4/2 (1991) 367–386; Goodman, Dena: The Republic of Letters. A Cultural History of the French Enlightenment. Ithaca 1994; Grafton, Anthony: A Sketch Map of a Lost Continent. The Republic of Letters. In: Grafton, Anthony (Hg.): Worlds Made by Words. Scholarship and Community in the Modern West. Cambridge, Massachussets 2009, 9–34; Füssel, Marian / Mulsow, Martin (Hg.): Gelehrtenrepublik. Hamburg 2015. 63 Zur Literatur über Akademien siehe Kap. 2.1 in dieser Arbeit. 64 Hammermayer, Ludwig: Die Benediktiner und die Akademiebewegung im katho­ lischen Deutschland 1720–1770. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benedikti-

28  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung die institutionelle Struktur und die Art der Forschung im gegenseitigen Zusammenhang standen. Hier kann die vorliegende Arbeit die Lücke zwischen Organisation und Inhalt schließen. Dem Ideal einer universalistischen und egalitären gelehrten Gemeinschaft standen Momente der Teilung und Spaltung gegenüber. Als relevante Faktoren dieser Grenzziehung gelten vor allem Religion und Konfession, und so schließt diese Arbeit an die These des Historikers Marian Füssel an, dass katholische Orden eine »Art Gelehrtenrepublik in der Gelehrtenrepublik« bildeten.65 Wie stark diese Parzellierung vom Lebenszusammenhang abhing, wurde vereinzelt an den Rollendoppelungen der Figur des gelehrten Diplomaten untersucht. Hier zeigt sich eine Verflechtung von gelehrter und diplomatischer Praxis sowie eine Überlappung von Kommunikationsnetzwerken.66 Die Analyse monastischer Naturforschung kann nun dabei helfen, die Teilung der Gelehrtenrepublik nicht nur konfessionell oder regional, sondern auch durch die Umstände verschiedener Lebensweisen zu erklären. Die Gelehrtenrepublik konstituierte sich jedoch nicht nur durch die beteiligten Personen und die damit verbundenen Praktiken, sondern auch durch die Orte, an denen Wissen produziert wurde. Neben den typischen Plätzen von Wissensgenese im 18. Jahrhundert an Universitäten und Akademien, Sternwarten, Botanischen Gärten und Sammlungen rücken in der Wissenschaftsgeschichte zunehmend auch alternative Räume in den Blick.67 Dazu gehören die Forschungsreise genauso wie die Öffentlichkeit in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen.68 Dabei geht es nicht nur um die Identifikation als Orte nerordens und seiner Zweige 70 (1959) 45–146; Hammermayer, Ludwig: Akademiebewegung und Wissenschaftsorganisation. Formen, Tendenzen und Wandel in Europa während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Amburger, Erik (Hg.): Wissenschaftspolitik in Mittelund Osteuropa. Berlin 1976, 1–84; Hammermayer, Ludwig: Das Augustiner-Chorherrenstift Polling und sein Anteil an Entstehung und Entfaltung von Aufklärung und Akademie- und Sozietätsbewegung im süddeutsch-katholischen Raum. Paring 1997. 65 Füssel bezieht diese Aussage zwar auf alle Orden, meint aber besonders das Kommunikationssystem der Jesuiten, siehe Füssel, Marian: Einleitung. In: Füssel, Marian / Mulsow, Martin (Hg.): Gelehrtenrepublik. Hamburg 2015, 5–16, hier 11.  66 Externbrink, Sven: Humanismus, Gelehrtenrepublik und Diplomatie. Überlegungen zu ihren Beziehungen in der Frühen Neuzeit. In: Thiessen, Hillard von / Windler, Christian (Hg.): Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln u. a. 2010, 133–149. 67 David Livingstone nennt neben Labor, Museum, Feld, Garten und Krankenhaus auch einige spezielle Orte naturwissenschaftlicher Praxis wie Kathedrale, Schiff, Zelt oder Kaffee­ haus, siehe Livingstone, David N.: Putting Science in its Place. Geographies of Scientific Knowledge. Chicago, London 2003. Die Cambridge History of Science widmet den Orten von Naturforschung einen eigenen Teil mit acht Beiträgen, siehe Park, Katherine / Daston, Lorraine (Hg.): The Cambridge History of Science. Volume 3. Early Modern Science. Cambridge 2006. 68 Zu Forschungsreisen siehe Böttcher, Julia Carina: Beobachtung als Lebensart. Praktiken der Wissensproduktion bei Forschungsreisen im 18. Jahrhundert. Stuttgart 2020. Zur Bedeutung der Öffentlichkeit siehe Hochadel: Öffentliche Wissenschaft.

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der Wissenschaft selbst, sondern auch um Fragen von An- und Abwesenheit, Zugangsbeschränkungen und Wissenstransfer.69 Der Ort kann den in ihm erzeugten Wissensbestand legitimieren, Objektivität erhöhen und den Rahmen für Zusammenarbeit bieten. Das Kloster selbst hat als Ort der Wissenschaft bisher jedoch keinen Eingang in diese Forschungen gefunden. Im Gegenteil spricht der Historiker David Livingstone dem Kloster seine Eignung als Ort für naturwissenschaftliche Studien sogar grundsätzlich ab: »But the monastery and the hermitage, not to mention the wilderness and mountaintop – all classical sites of medieval spiritual knowledge – were not suited to experimental pursuits.«70 Die vorliegende Arbeit stellt das Kloster als einen Ort der empirischen Wissensproduktion vor, für die es in den Augen der Zeitgenossen sogar besonders gut geeignet war. Das Kloster ist jedoch nicht nur ein funktionaler Raum der Wissenschafts­ praxis wie das Museum, das Labor oder die Bibliothek, sondern auch ein geographischer Ort. Durch seine großräumigen Strukturen ist das Kloster hier in zweifacher Hinsicht interessant: die geographische Lage des Klosters in der Landschaft und die Räume der Naturforschung innerhalb der Klosteranlage. Vertreter einer urban history of science gehen bisher davon aus, dass nur ein städtischer Kontext die für Naturforschung notwendigen Bedingungen wie Öffentlichkeit, Pressewesen und Infrastruktur bereitstellen konnte.71 Süddeutsche Prälatenklöster besaßen jedoch selbst Bildungseinrichtungen, Werkstätten, oftmals auch Druckereien genauso wie Bibliotheken, Sternwarten und Sammlungen. Monastische Naturforschung kann daher genau diese zwangsläufige Verbindung von Stadt und Naturforschung in Frage stellen und macht stattdessen das Angebot, das Verhältnis von Stadt und Peripherie differenzierter zu betrachten. Das Kloster war zwar auch die Summe seiner Gebäude, aber zuallererst diente es als Rahmen für eine religiöse Lebensweise. Die zu Beginn skizzierte Diskussion um die Aufnahme von ehemaligen Klostergelehrten in Akademien beruhte wesentlich auf der Annahme, dass es für Mönche einen unauflösbaren Konflikt zwischen ihrer religiösen Berufung und ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit geben 69 Shapin, Steven: Never Pure. Historical Studies of Science as if It Was Produced by People with Bodies, Situated in Time, Space, Culture, and Society, and Struggling for Credibility and Authority. Baltimore 2010. 70 Livingstone: Geographies 21.  71 Dierig, Sven / Lachmund, Jens / Mendelsohn, Andrew: Introduction: Toward an Urban History of Science. In: Osiris 18 (2003) 1–19. Zur Verflechtung von Stadt und Wissenschaft im 18. Jahrhundert siehe Basalla, George: Science and the City before the Nineteenth Century. In: Mendelsohn, Everett (Hg.): Transformation and Tradition in the Sciences. Essays in Honor of I. Bernhard Cohen. Cambridge 1984, 513–529; Meinel, Christoph: Wissenschaft und Stadt. In: Reich, Angelika (Hg.): Gelehrtes Regensburg – Stadt der Wissenschaft. Stätten der Forschung im Wandel der Zeit. Regensburg 1995, 10–18.

30  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung musste. Das mag von der Grundidee her an die »Konflikt-These« erinnern, die seit William Drapers History of the Conflict between Religion and Science von 1874 die Diskussion um das Verhältnis von Wissenschaft und Religion prägte. Obwohl mittlerweile eine Vielzahl von Untersuchungen vorliegt, die einen andauernden Kampf zwischen Wissenschaft und Religion bzw. Theologie widerlegt haben, hält sich diese Erzählung hartnäckig.72 Der seitdem stattfindende Diskurs kann in seiner Komplexität und Vielschichtigkeit hier nicht in adäquater Weise wiedergegeben werden und muss es auch nicht.73 Relevant für die Untersuchung monastischer Naturforschung ist vor allem die Erkenntnis, dass »Naturwissenschaft« und »Religion« keine überzeitlichen Kategorien bilden und nicht klar gegeneinander in Beziehung gesetzt werden können.74 Um die historische Situation der süddeutschen Klostergelehrten im 18. Jahrhundert zu beschreiben, sollte nicht in Deutungsmodellen mit »Mönch« auf der einen Seite und »Naturforscher« auf der anderen gearbeitet werden. Statt um konfligierende Wissensbestände geht es um eine spezifische Lebensweise, die sich durch die Interaktion von Mönchtum und Naturforschung ergab und vielmehr praktische Fragen von Zeiteinteilung, Infrastruktur und Rollenverteilung betraf. Eine weit verbreitete Antwort auf die Frage nach der Beziehung von Religiosität und Naturforschung im 18. Jahrhundert bietet das Konzept der Naturtheologie bzw. Physikotheologie und einer damit verbundenen Naturreligiosität. Erstere beschreibt eine Gotteserkenntnis über die Natur und das Bemühen, durch Wissen über die geschaffene Welt den Glauben an den Schöpfergott zu stärken und Vernunft und Offenbarung in Einklang zu bringen. Gleichzeitig gab es Bestrebungen, die Beschäftigung mit der Natur selbst als religiöse Praxis zu betrachten und sich meditativ in die Natur zu versenken. Praxisorientierte Studien konnten zeigen, wie religiöse Vorstellungen mit bestimmten Haltungen gegenüber der Natur korrespondierten und wie sich Frömmigkeits- und Forschungspraktiken gegenseitig bedingten.75 Naturforschung selbst als eine Form des Gottesdienstes zu betrachten erscheint zunächst als passende Antwort für

72 Eine aktuelle Analyse und erneute Widerlegung dieses Narratives bietet Hardin, Jeff / Numbers, Ronald L. / Binzley, Ronald A. (Hg.): The Warfare between Science and Religion. The Idea That Wouldn’t Die. Baltimore 2018. 73 Eine kompakte Übersicht zum Forschungsstand bietet Nickelsen, Kärin / Alfieri, Fernanda: Introduction 1. In: Science and Religion. Revisiting a Complex Relationship, 9–15. Nach wie vor einschlägig sind Clayton, Philip / Simpson, Zachary (Hg.): The Oxford Handbook of Religion and Science. Oxford 2006; Harrison, Peter (Hg.): The Cambridge Companion to Science and Religion. Cambridge 2010. 74 Harrison, Peter: The Territories of Science and Religion. Chicago, London 2015. 75 Daston, Lorraine: Attention and the Values of Nature in the Enlightenment. In: Daston, Lorraine / Vidal, Fernando (Hg.): The Moral Authority of Nature. Chicago, London 2004, 100–126; Trepp, Anne-Charlott: Von der Glückseligkeit alles zu wissen. Die Erforschung der Natur als religiöse Praxis in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main 2009.

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Klostergelehrte, deren Observatorien und Kirchen direkt nebeneinander lagen. Die Forschung ist sich jedoch bisher einig, dass es sich bei der Physikotheologie um ein Phänomen innerhalb des englischen Puritanismus bzw. der reformierten Theologie handelte, das mit Ausnahme des Halleschen Pietismus auch kaum auf den lutherischen Raum ausgestrahlt hat und im Katholizismus keine Entsprechung findet.76 Die Fallstudien der vorliegenden Arbeit ermöglichen es, diese Aussagen zu überprüfen und die Stellung der Naturforschung für das Selbstverständnis der Mönche und Chorherren zu verorten.

1.3 Vorgehensweise Die Materialbasis dieser Arbeit bilden vier Quellentypen, die in besonders prägnanter Weise die Situation monastischer Naturforschung zwischen Individuum und Institution widerspiegeln.77 Zum Ersten haben sich verschiedenste Dokumente aus den Klöstern selbst erhalten, die deren organisatorische Eigenschaften als Gemeinschaft von Personen deutlich machen. Rechnungsbücher geben Aufschluss über Anschaffungen von mathematisch-physikalischen Instrumenten und Ausgaben für Reparaturen; Manuskripte und gedruckte Exemplare der Lehrbücher aus dem Hausstudium verdeutlichen die Verbindung von Lehre und Forschung innerhalb der Klostermauern. Eine Besonderheit sind die Akten der Bayerischen Benediktinerkongregation, die als klosterübergreifendes Organ Entscheidungen traf und Richtungen vorgab. Da über die Kapitelsitzungen in den einzelnen Klöstern keine Protokolle erstellt wurden, bieten die Kongregationsakten oft die einzige Möglichkeit, etwas über die diskutierten Themen und die dazugehörigen Argumente in den Debatten zu erfahren. Die zweite Gruppe an Quellen entstand im Zuge der Säkularisation. Regierungsbeamte erstellten für alle aufgehobenen Klöster Inventare von Mobilien und Immobilien und damit auch Listen der mathematisch-physikalischen Instrumente und der Bücher. Diese Inventare bieten einen einmaligen und ungewöhnlich detaillierten Blick auf den Bestand zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Korrespondenzen zwischen den Kommissaren und der Landesdirektion liefern zusätzliche Informationen, besonders zu den Besitzverhältnissen. Eine externe Perspektive bieten die Akten der Bayerischen Akademie sowie der Stadt- und Landesverwaltungen. Das Akademiearchiv beinhaltet den Briefverkehr ihrer Mitglieder mit dem Sekretär und den Klassendirektoren, der zu 76 Aktuell etwa Wehry, Matthias: Das Buch der Natur als Bibliothek der Naturwissenschaft. Methodik und Typologie der speziellen Physikotheologie des 18. Jahrhunderts. In: Förschler, Silke / Hahne, Nina (Hg.): Methoden der Aufklärung Ordnungen der Wissensvermittlung und Erkenntnisgenerierung im langen 18. Jahrhundert. München 2013, 179–193. 77 Siehe dazu auch das Quellenverzeichnis am Ende dieser Arbeit.

32  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung mindest für die Gründungszeit 1759–1761 ediert vorliegt. Die Sitzungsprotokolle der Akademie und ihrer Klassen sind ab 1779 vorhanden und erschlossen. Hinzu kommen die zumeist gedruckten Akademiereden. Für die vorliegende Studie waren darüber hinaus Quellenbestände des Geistlichen Rats sowie Sitzungs­ protokolle der Oberen Landesregierung und des Regensburger Stadtrats von Interesse. Als oberste Kirchen- und Schulbehörde befasste sich der Geistliche Rat mit allen Fragen zur katholischen Lehre, Glaubenspraxis und der Verwaltung kirchlichen Vermögens, aber auch des Unterrichts und der Bücherzensur. Gerade Themen wie die Errichtung von Blitzableitern und das Gewitterläuten in Kirchen, die sich zwischen wissenschaftlichen, religiösen und bürokratischen Zuständigkeiten befanden, haben viel Aktenmaterial erzeugt. Den größten und wichtigsten Beitrag für diese Studie liefern schriftliche und materielle Quellen aus der Naturforschungspraxis der Akteure. Hierunter fallen vor allem astronomische und meteorologische Beobachtungsdaten, die sich leider nur in einigen wenigen Fällen als Manuskripte erhalten haben. Vier Bände von Wetteraufzeichnungen von Gerard Führer (1745–1820) aus Fürstenfeld und 40 Bände aus St. Emmeram in Regensburg bilden eine unschätzbare Ergänzung zu den gedruckten Ephemeriden der Bayerischen Akademie, da diese nicht die Originaldaten herausgab und andere Originaltabellen nicht mehr vorhanden sind. Ein überraschender Zufallsfund war der Anhang eines Briefes des Augustiner-Chorherren Prosper Goldhofer  (1709–1782), der dessen vollständige Beobachtungsdaten des Venustransits 1761 enthielt. Diese Daten sind auch deshalb so bedeutsam, da Goldhofer nie über seine Messungen publizierte. Im Gegensatz zu diesem Pollinger Gelehrten bilden naturwissenschaftliche Publikationen bei vielen anderen Akteuren das einzige Zeugnis ihrer Studien, da sich oft keine anderen Quellen erhalten haben. Wenn jedoch darüber hinaus Briefe existieren, verdeutlichen diese meist am stärksten die Einbindung monastischer Naturforscher in die verschiedensten Strukturen. Erhalten haben sich Briefe nur dann, wenn sie an die Bayerische Akademie gingen und im dortigen Archiv landeten, wenn die Akteure einen Lehrstuhl an einer Universität erhielten und dort einen Nachlass erzeugten oder wenn bei der Säkularisation der Briefverkehr einer Klostergemeinschaft als Ganzes archiviert wurde. Neben Beobachtungsdaten, Publikationen und Korrespondenzen liegt eine Besonderheit dieser Arbeit darin, auch die Instrumente selbst als materielle Quellen zu berücksichtigen und in die Untersuchungen mit einzubeziehen. Der bereits vorher angesprochene geographische Zuschnitt dieser Arbeit auf Süddeutschland kennzeichnete sich im 18. Jahrhundert durch eine im europäischen Vergleich einzigartig hohe Dichte an Klöstern aus. Es stellt sich daher die Frage nach der Auswahl der hier behandelten Konvente. Neun Bistümer fanden sich im süddeutschen Raum: Augsburg, Bamberg, Eichstätt, Freising, Konstanz, Passau, Regensburg, Salzburg und Würzburg. Um 1750 ließen sich darin 437 Männerklöster finden, wobei die Kollegiatstifte und Jesuitenniederlassungen

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hier nicht mitgezählt sind.78 Ein Großteil dieser Klöster war für die Fragestellung dieser Arbeit irrelevant, da ihre Religiosen keine gelehrten Studien durchführten und keine entsprechenden Ausstattungen ankauften. Interessant sind vor allem die Klöster der Prälatenorden, also der Benediktiner, Augustiner-Chorherren, Zisterzienser und Prämonstratenser. Daraus ergibt sich eine Anzahl von 209 Klöstern. Die weitere Auswahl wurde durch die Aktivitäten ihrer Mitglieder selbst bestimmt: die Beteiligung der Mönche und Chorherren an den Preisfragen und Abhandlungen der Bayerischen Akademie, der Mitarbeit an den Wetternetzen der Pfälzischen und der Bayerischen Akademie sowie den philosophischen Lehrtätigkeiten an den Universitäten in Ingolstadt, Erfurt und Salzburg. Die Detailstudien der drei inhaltlichen Kapitel schließlich beruhen auf dem vorhandenen Quellenmaterial, das für Polling, Fürstenfeld und die Regensburger Klöster St. Emmeram und St. Jakob außergewöhnlich umfangreiche Beobachtungs- und Messdaten hergab. Obwohl vor allem der Jesuitenorden für die wissenschaftliche Entwicklung genauso wie für das Bildungswesen Deutschlands seit Mitte des 16. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielte, steht er in dieser Arbeit nicht im Mittelpunkt der Betrachtung.79 An der bayerischen Landesuniversität Ingolstadt prägten Ordensmitglieder besonders die philosophische Fakultät bis zu ihrem Verbot im Jahr 1773. Die Universität Dillingen oblag seit 1564 dem Jesuitenorden. Gerade der süddeutsche Raum war im 18. Jahrhundert aber auch von einem kulturell bedeutenden Prälatenstand geprägt, der sich ebenfalls durch gelehrte Studien auszeichnete. Monastische Naturforschung verlief meist in parallelen Strukturen zu den Aktivitäten der Jesuiten, auch wenn es vereinzelte Kontakte zwischen den Ordensastronomen gab. Da Jesuiten eine andere Lebensweise pflegen als die benediktinischen und augustinischen Orden und insbesondere weder über eine Klostergemeinschaft noch über eine darauf abgestimmte Organisationsstruktur verfügen, war die Verbindung aus Naturforschung und Lebensweise eine ganze andere. Die Besonderheit der Akteure dieser Arbeit zeichnet sich hingegen gerade durch ihre spezifische Lebensart aus, über die Jesuiten in diesem Maße nicht verfügten. Die Binnen-Gelehrtenrepublik der monastischen Naturforscher beinhaltete daher so gut wie keine Jesuiten. Was machte monastische Naturforschung so anders? Dem Botaniker Schrank nach grenzten sich Ordensgelehrte gegenüber ihren Kollegen durch ihr »Kloster-Leben« ab, also nicht oder nicht nur durch eine spezifische Arbeitsweise. Diesem Gedanken folgend betrachtet diese Studie monastische Naturforschung 78 Eine vollständige Übersicht aller Klöster findet sich in der Datenbank der Germania Sacra. URL: https://adw-goe.de/forschung/forschungsprojekte-akademienprogramm/germaniasacra/klosterdatenbank/datenbankabfrage/ (am 19.09.2020). 79 Zur Rolle der Jesuiten in beispielsweise Bayern siehe Wild, Joachim / Schwarz, Andrea / ​ Oswald, Julius (Hg.): Die Jesuiten in Bayern 1549–1773. Weißenhorn 1991.

34  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung als Lebens- und Arbeitszusammenhang, d. h. als eine Lebensweise, die gleichermaßen von den Kategorien Mönchtum und Naturforschung geformt wurde. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich die verschiedenen Bereiche bzw. Rollen der Akteure gegenseitig beeinflussten und in einen Zusammenhang gebracht werden müssen. Während eine bestimmte Lebensweise in der Wissenschaftsgeschichte lange hauptsächlich als biographisches Detail Beachtung fand, gehen neuere Studien vermehrt auf die Verflechtungen von Wissensproduktion und Lebensstilen ein.80 Das beinhaltet zum einen die Betrachtung der Beobachtungspraxis selbst als Lebensweise, die die tägliche Zeiteinteilung vorgibt und mit anderen sozialen oder religiösen Verpflichtungen in Konflikt steht. Eine Widmung des gesamten Lebens der Beobachtung der Natur und die Unterordnung aller anderen Aspekte verursacht Unverständnis bei den Nicht-Beobachtern, aber auch ein Gefühl der Gemeinschaft unter Gleichgesinnten.81 Zum anderen umfasst dieser Ansatz die Berücksichtigung von Naturforschung als Teil eines Gesamtlebens, in dem soziale Kategorien wie das Beziehungsgefüge eines Haushalts oder gesellschaftliches Prestige als Ressource zur Etablierung innerhalb einer Gelehrtengemeinschaft dienen können.82 Ein Gelehrtenleben oder eine gelehrte Lebensweise umfasst daher neben der Arbeitsweise auch den gesamten sozialen Kontext inklusive gegenseitiger Beeinflussung.83 Die verschiedenen Aspekte des Gelehrtenlebens monastischer Naturforscher ergaben sich aus den unterschiedlichen Rollen, die die Akteure sowohl im klösterlichen als auch im gelehrten Kontext einnahmen. Gerade weil monastische Naturforscher nicht nur Akademiemitglieder oder Astronomen, Meteorologen und Physiker waren, sondern gleichzeitig auch Lehrer im Klosterseminar, Mitbrüder innerhalb einer Klostergemeinschaft und in Gehorsam einem Abt 80 Einen Aufruf, das Leben eines Wissenschaftlers als Einheit zu betrachten, macht Porter, Theodore M.: Is the Life of the Scientist a Scientific Unit? In: Isis 97/2 (2006) 314–321. 81 Daston, Lorraine: Observation as a Way of Life. Time, Attention, Allegory. Uppsala 2011; Terral, Mary: Frogs on the Mantelpiece. The Practice of Observation in Daily Life. In: Daston, Lorraine / Lunbeck, Elisabeth (Hg.): Histories of Scientific Observation. Chicago, London 2011, 185–205; Böttcher: Beobachtung als Lebensart. 82 Bergwik, Staffan: An Assemblage of Science and Home. The Gendered Lifestyle of Svante Arrhenius and Early Twentieth-Century Physical Chemistry. In: Isis 105/2 (2014) ­265–291; Opitz, Donald L. / Bergwik, Staffan / van Tiggelen, Brigitte: Introduction. Domesticity and the Historiography of Science. In: Opitz, Donald L. / Bergwik, Staffan / van Tiggelen, Brigitte (Hg.): Domesticity in the Making of Modern Science. Basingstoke 2016, 1–15. Besonders interessant ist die Studie von Elisabeth Harding zur Bedeutung des Ehestands und der Leitidee des christlichen Hausvaters für den Gelehrtenhabitus des protestantischen Universitäts­ gelehrten zwischen Reformation und Aufklärung, siehe dazu Harding, Elisabeth: Der Gelehrte im Haus. Ehe, Familie und Haushalt in der Standeskultur der frühneuzeitlichen Universität Helmstedt. Wiesbaden 2014. 83 Kühn, Sebastian: Wissen, Arbeit, Freundschaft. Ökonomien und soziale Beziehungen an den Akademien in London, Paris und Berlin um 1700. Göttingen 2011.

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unterstellt, unterschied sich die daraus resultierende Lebensweise von derjenigen laikaler Naturforscher. Die soziologische Rollentheorie bietet ein hilfreiches Gerüst, um diese Situation analysieren zu können.84 Daran anlehnend verstehe ich eine Rolle als Menge von Verhaltensnormen, die an eine Position gestellt wird. Verschiedene Rollen existieren unabhängig vom jeweiligen Rollenträger, der die Rolle aber individuell gestalten kann.85 Da eine Rolle immer innerhalb eines sozialen Gefüges eingenommen wird, erhält die Analyse der Bezugsgruppen und ihrer spezifischen Erwartungen an die Rollenträger eine große Bedeutung. Aus den verschiedenen Rollen ergaben sich Erwartungen hinsichtlich Fähigkeiten und Verhaltensweisen, aber eben auch pragmatische Konsequenzen des Ausbildungswegs, der täglichen Zeiteinteilung und der finanziellen Situation. Im Zusammenspiel der vielen Rollen wird die Lebensweise der Akteure und damit das Spezifikum monastischer Naturforschung erklärbar und verständlich. Die Gelehrtenrepublik des 18. Jahrhunderts beinhaltete eine Vielzahl von Lebensentwürfen, deren Fülle erst in Ansätzen herausgearbeitet ist. Natur­ forschung zu praktizieren geschah innerhalb sehr verschiedener Rollen wie der des Universitätsprofessors, des Chirurgen, des Höflings, des Staatsdieners oder des Dorfpfarrers.86 Die meisten bisherigen Untersuchungen verfolgen duale Rollenbetrachtungen, wie es beispielsweise Per Pippin Aspaas für den Jesuiten und Hofastronomen Maximilian Hell  (1720–1792), Sven Externbrink für die Beeinflussung von Humanisten und Diplomaten oder Elisabeth Harding für Gelehrte und Hausväter geleistet haben.87 Diese Liste könnte man um die Rolle des Mönchs ergänzen. Es geht jedoch nicht darum, Mönche lediglich als eine weitere Gruppe von Akteuren innerhalb der Gelehrtenrepublik darzustellen. Vielmehr lenkt diese Arbeit den Blick auf die Rollenpluralität innerhalb einer Person, der bloße Beschreibungen wie »Mönch« oder »Naturforscher« nicht gerecht werden. Hier wird die Stärke des Rollenkonzepts deutlich, das beliebig tief differenzieren kann. Im Laufe eines Lebens werden Rollen gewechselt, gleichzeitig eingenommen oder hybridisiert und können sich dabei gegenseitig 84 Goffmann, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 1959; Gerhardt, Uta: Rollenanalyse als kritische Soziologie. Ein konzeptueller Rahmen zur empirischen und methodologischen Begründung einer Theorie der Vergesellschaftung. Berlin 1971; Linton, Ralph: Mensch, Kultur, Gesellschaft. The Study of Man. Stuttgart 1979; Fitzgerald, Kathryn (Hg.): Social Roles and Social Norms. New York 2016. 85 Daston, Lorraine / Sibum, Otto H.: Introduction: Scientific Personae and Their Histories. In: Science in Context 16/1–2 (2003) 1–8, hier 3–4. 86 Shapin, Steven: The Image of the Man of Science. In: Porter, Roy (Hg.): The Cambridge History of Science. 4. Eighteenth-Century Science. Cambridge 2003, 159–183; Shapin, Steven: The Man of Science. In: Park, Katherine / Daston, Lorraine (Hg.): The Cambridge History of Science. Volume 3. Early Modern Science. Cambridge 2006, 179–191. 87 Aspaas, Per Pippin: Maximilianus Hell (1720–1792) and the Eighteenth-Century Transits of Venus. A Study of Jesuit Science in Nordic and Central European Contexts. Tromsø 2012; Externbrink: Humanismus; Harding: Der Gelehrte im Haus.

36  Der Geist des Klosterlebens. Einleitung beeinflussen. Gerade sehr unterschiedliche Bezugsgruppen aus verschiedenen sozialen Sphären können zu Rollenkonflikten führen, in der sich eine Person mit konkurrierenden Rollenerwartungen befindet. Der Umgang mit Rollenkonflikten macht deutlich, bis zu welchem Grad diese Lebensweise flexibel auf Veränderungen eingehen konnte. Monastische Naturforscher nahmen viele verschiedene Rollen ein, aber alle standen immer im Zusammenhang mit dem Mönchtum, mal stärker und mal schwächer. Der Mönch bildete daher in gewissem Maße die »Trägerrolle«. Dieses Konzept verwendet der Wissenschaftshistoriker Steven Shapin zur Beschreibung von Naturforschern im England des 17. und 18. Jahrhunderts, deren Charakterologie sich aus der Übertragung von Normen anderer Rollen ergaben: Universitätsprofessor, Gentleman oder Kleriker.88 Auf die Situation monastischer Naturforscher lässt es sich insofern übertragen, als dass am Grundmodus der klösterlichen Lebensweise alle anderen Rollen und Aktivitäten hingen, die überhaupt eingenommen und praktiziert werden konnten. Mit den verschiedenen Rollen, die ein monastischer Naturforscher einnahm, waren nicht nur unterschiedliche Aufgaben verbunden, sondern auch andere Interaktionspartner und -formen.89 So beschäftigte sich der Hauslehrer mit seinen Schülern in den Unterrichtsräumen und bemühte sich vor allem um die Herausgabe aktueller Lehrund Unterrichtswerke. Als Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften korrespondierte ein Mönch oder Chorherr mit dem Akademiesekretär und verfasste kürzere Abhandlungen. Doch nicht jeder monastische Naturforscher nahm jede der möglichen Rollen ein. Das Gesamtgebilde monastischer Naturforschung ergibt sich vielmehr aus der Summe der möglichen Rollen, der damit verbundenen Erwartungen sowie der Kommunikationsräume. Ziel dieser Arbeit ist die Charakterisierung monastischer Naturforschung als eine spezifische Wissenschaftskultur, die sich durch die Lebens- und Arbeitsweise der Akteure ausbildete. Durch die Identifikation der beteiligten Rollen gelingt die Beschreibung der damit verbundenen Handlungs- und Kommunikationsräume. Dieses Ziel erarbeite ich in drei Schritten. Der erste Teil thematisiert das Arbeiten im Kollektiv und schaut in zwei Kapiteln auf die süddeutsche Akademiebewegung und anschließend auf die Wetterbeobachtung. In lockerer chronologischer Folge geht es zunächst um die Organisation von Gelehrsamkeit, speziell in Sozietäten und gelehrten Gesellschaften, und die Veränderung der Klosterstudien durch kollaboratives Arbeiten. Diese Frage wird anschließend am Beispiel der Meteorologie und der Funktion von Klöstern als Beobachterstationen in den Wetternetzen der Pfälzischen und Bayerischen Akademie ab 1780 88 Shapin: Image. 89 Beate Ceranski entwickelt dazu ein Sphärenmodell, um den verschiedenen Beziehungsgefügen eines Menschen gerecht zu werden. Siehe Ceranski, Beate: ›Und sie fürchtet sich vor niemandem‹. Die Physikerin Laura Bassi (1711–1778). Frankfurt, New York 1996.

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vertieft. Wie wichtig war die Lebensweise der einzelnen Datensammler innerhalb eines zentral koordinierten Beobachtungsnetzes? Der zweite Teil widmet sich anhand eines astronomischen Fallbeispiels der konkreten Infrastruktur innerhalb des Klosterareals, die die Voraussetzung für monastische Naturforschung bildete. Ausgehend von den Ereignissen um den Venustransit im Jahr 1761 und dessen Beobachtung im Augustiner-Chorherrenstift Polling finden hier das Observatorium als Arbeitsplatz, die Instrumentensammlung mit ihrer Herstellung und Nutzung sowie die Briefkorrespondenz Beachtung. Im Gegensatz zur Himmelskunde mit einer langen monastischen Tradition führt der dritte und letzte Teil mit der Elektrizität zur Einführung eines neuen Wissensgebietes in die Klosterareale. Beobachten und Messen werden hier um die Praktiken des Experimentierens und des Demonstrierens ergänzt. Die von Klausur geprägte monastische Lebensweise traf mit der experimentellen Naturforschung auf die Erwartungen eines Publikums, das unterhalten, unterrichtet und informiert werden wollte. Anhand der Debatten um verschiedene Maßnahmen zum Gewitterschutz, vor allem auch um den Blitz als elektrischen Funken, stellt dieses Kapitel die Frage nach dem Publikum des Klostergelehrten. Die abschließende Synthese führt die vorangehenden Fallbeispiele zusammen und konstruiert monastische Naturforschung in ihren Möglichkeiten, Grenzen und vor allem in ihrer Binnen-Zentrierung.

2. Naturforschung im Kollektiv Bis zu elfmal am Tag stieg der Benediktinerpater hoch in sein Observatoriumszimmer, jeden Tag möglichst zu denselben Uhrzeiten. Die Regelmäßigkeit war zentral beim Führen eines Wettertagebuches. So hatte sein Lehrer es ihm erklärt, und so gab er es auch seinen jüngeren Mitbrüdern mit. Er schlug das Buch auf dem Tisch auf und notierte die Uhrzeit in der zehnten Zeile. Es war acht Uhr am Abend des 2. Januar im Jahr 1788. Wie jedes Mal mussten sechs Werte eingetragen werden: der Luftdruck, die Temperatur innen und außen, die Luftfeuchtigkeit, die Windrichtung und -stärke sowie die Magnetstärke am Deklinatorium. Nacheinander ging er zu den Messinstrumenten und trug anschließend die Zahlen in die Tabelle. Vierzehn Bände voller Wetterdaten standen bereits im Regal. In die letzte Spalte notierte der Mönch »nebula densissima«, denn der Nebel hatte sich verdichtet. Dann schlug er das Buch zu und verließ den Raum. In zwei Stunden würde er wiederkommen.

Aus dem Benediktinerkloster St. Emmeram in Regensburg haben sich bis heute 40 Bände meteorologischer Beobachtungsaufzeichnungen erhalten, die den Zeitraum von 1774 bis 1827 abdecken. Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt zum eben beschriebenen 2. Januar 1788. Acht Namen der Patres sind überliefert, die sich an den Wettertagebüchern beteiligten und damit nahezu durchgehende Messreihen erstellten.1 So oder ähnlich entstand an vielen Orten in und außerhalb Europas seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine große Menge an Daten, die die Wettervorhersage verbessern sollten. Die Datensammler waren davon überzeugt, dass diese Informationen allgemeine Aussagen über Zusammenhänge, ein Verständnis der Kausalitäten und schließlich die Vorhersage von Ereignissen

1 »Observationes Meteorologicae in Museo Mathematico ad St. Emmeramum factae«, Handschriftenabteilung der Universität Regensburg. Die Tagebücher enthalten Daten aus der Zeit vom 1.1.1774 bis zum 31.12.1827 ohne die Jahre 1791, 1792, 1795, 1798, 1799, 1812, 1816, 1817 und 1822. Als Beobachter werden genannt: Coelestin Steiglehner, Placidus Heinrich seit 22.12.1778 mit Unterstützung durch jüngere Kapitulare ab 1790, Ferdinand von Schmöger ab 08.01.1825; außerdem: Emmeram Salomon, Beda Schellerer, Cölestin Weinzierl, Bonifatius Cranzberger, Wendelin Caligari und Wilhelmus Schröck. Siehe auch Rocznik, Karl: Geschichte und Ergebnisse der meteorologischen Forschung in Regensburg. In: Preuss, Ekkehard (Hg.): Kepler Festschrift 1971. Zur Erinnerung an seinen Geburtstag vor 400 Jahren. Regensburg 1971, 191–243; Wilde, Sandra: Coelestin Steiglehner, genannt Vater der Meteorologie. In: Baumann, Maria Elisabeth (Hg.): 1803 – die gelehrten Mönche und das Ende einer 1000-jährigen Tradition. Regensburg 2003, 26–29.

40  Naturforschung im Kollektiv

Abb. 1: Linksseitige Eintragungen aus den Observationes Meteorologicae aus St. Emmeram in Regensburg für den 2. Januar  1788. UB Regensburg 223/N10005–1788, fol. 2r.

ermöglichen könnten. Eine Methode zur Auswertung der Daten, also ein Weg von den Einzelmessungen zur zuverlässigen Wetterprognose, existierte jedoch noch nicht. Nicht nur die Arbeitsweise der Meteorologie, sondern auch die der Astronomie, Anatomie oder der Naturgeschichte mit ihrer zeitlichen und räumlichen Dimension lassen sich mit dem Begriff des »kollektiven Empirismus« beschreiben. Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston prägte für diese Fächer den Begriff der Archivwissenschaften (»sciences of the archive«), um der gemein­ samen Datensammlung für eine zukünftige Auswertung gerecht zu werden.2 Die Zusammenarbeit war gerade deshalb notwendig, weil die Projekte zu groß für eine einzelne Person waren. Quelleneditionen, botanische Herbarien oder große Datenmengen zur Verbesserung der Wettervorhersage waren nicht durch einen einzigen Archivar oder einen einzelnen Meteorologen zu bewerkstelligen. In der Wetterkunde kam die Überzeugung dazu, dass eine Datenreihe von einem einzigen Ort nicht ausreichte, um die Zusammenhänge am Himmel verstehen und erklären zu können. Der Vergleich, die Meteorologia parallela, war ein erster Ansatz des 18. Jahrhunderts, um Korrelationen zwischen den Beobachtungen 2 Daston, Lorraine: The Sciences of the Archive. In: Osiris 27/1 (2012) 156–187; Daston, Lorraine (Hg.): Science in the Archives. Pasts, Presents, Futures. Chicago, London 2017.

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herzustellen.3 Gleichzeitig war dem fleißigen Wetterbeobachter bewusst, dass seine Aufzeichnungen für die Zukunft gedacht waren und er ihren Nutzen möglicherweise nie selbst erleben würde. Dadurch fühlte sich der Einzelne als Teil einer Gemeinschaft, verbunden mit seinen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Mitstreitern.4 Obwohl diese Gemeinschaft nicht zwangsläufig institutionalisiert sein musste, benötigte sie dennoch eine zentralisierte Koordination. Geographisch verteilte Beobachter sammelten Daten und sandten diese an einen Ort, wo sie archiviert und für zukünftige Generationen aufbewahrt wurden. Die Geschichte des kollektiven Empirismus ist daher untrennbar mit der Entwicklung von Akademien und Gelehrten Gesellschaften verbunden. Sie ermöglichten große Forschungsprojekte, die für den einzelnen Gelehrten nicht realisierbar waren: Expeditionen, Landvermessung, Klima- und Wetterkunde, Bevölkerungsstatistik genauso wie Urkundeneditionen und archäologische Kampagnen.5 Eine klare Aufgabentrennung charakterisierte diese Form des Wissenschaftsbetriebs: ein Koordinator beauftragte, motivierte und instruierte eine große Anzahl an Datensammlern, die ihrerseits ihr Material zur Weiterverarbeitung (Redaktion) zurücksandten. Verschiedene Akteure übernahmen unterschiedliche Aufgaben und Funktionen, die mit eigenen Vorgaben, Erwartungen und Verantwortlichkeiten verbunden waren.6 Jeder einzelne Beobachter verfügte mit seinem geographischen Standort über eine Einzigartigkeit im Netzwerk, die ihn gegenüber anderen Beobachtern auszeichnete. Aber erst die Regulierung von Beobachtung, Messung, Sammlung und Notiz machte die einzelnen Objekte der Naturforschung vergleichbar. Die Koordinatoren verschickten daher Anleitungen, Regeln und Tabellen an die Stationen und versuchten damit Einheitlichkeit und Standardisierung innerhalb des Kollektivs herzustellen. Nur so waren Vergleich und Verallgemeinerung überhaupt möglich. Barometerwerte waren erst dann zu verwerten, wenn das Instrument kalibriert war, wenn der Aufhängungsort berücksichtigt wurde, wenn eine bekannte Einheit verwendet wurde, wenn die Werte mit Hilfe eines zusätzlichen Thermometers reduziert wurden usw. Diese Vereinheitlichung war essenziell für die Zusammenarbeit mehrerer Personen, galt aber auch bereits innerhalb einer einzelnen Datenreihe.7

3 Feldman, Theodore S.: Late Enlightenment Meteorology. In: Frangsmar, Tore / Heilbron, John / Rider, Robin (Hg.): The Quantifiying Spirit in the Eighteenth Century. Berkeley 1990, 144–179, hier 150–151. 4 Golinski, Jan: British Weather and the Climate of Enlightenment. Chicago, London 2007. 5 Hammermayer: Hammermayer 1976 – Akademiebewegung und Wissenschaftsorga­ nisation. 6 Anderson, Katharine: Predicting the Weather. Victorians and the Science of Meteoro­ logy. Chicago, London 2005. 7 Daston, Lorraine / Galison, Peter: Objectivity. New York 2010, 22.

42  Naturforschung im Kollektiv Das Konzept des kollektiven Empirismus erweist sich als hilfreich, um die Praktiken des Sammelns, Vergleichens und Aufbewahrens in der Meteorologie, Astronomie und Naturgeschichte herauszuarbeiten und zu systematisieren. Dabei konnten schon die Studien von Lorraine Daston auf detaillierten Arbeiten zur Übernahme humanistischer Textbearbeitungsmethoden in die Naturphilosophie aufbauen.8 Es ging um ähnliche Arbeitsweisen im Umgang mit Texten und mit Dingen aus der Natur. Dieses Phänomen begegnet uns auch in der süddeutschen Klostergelehrsamkeit des 18. Jahrhunderts. Kollektiver Empirismus prägte die Arbeit in den monastischen Textarchiven: Großangelegte Quelleneditionen oder biographische Sammlungen der Benediktiner waren nicht nur Ausdruck eines starken Gemeinschaftsgefühls, sondern auch angelegt als kollaborative Großprojekte, die Raum und Zeit überspannten. Die monastische Lebensweise selbst beinhaltete die Einbindung des Einzelnen in ein großes Ganzes  – der Mönch in der Klostergemeinschaft, das Kloster in einer Kongregation  – und eine damit verbundene Vereinheitlichung von Tagesablauf oder Lehrinhalten in einem sogenannten Generalstudium. Das vorliegende Kapitel weist auf dieses besondere Spezifikum des monastischen Arbeitens hin: die strukturelle Übereinstimmung von Leben und Arbeiten im Kollektiv. Zu diesem Zweck beleuchte ich nachfolgend die Beteiligung süddeutscher Klostergelehrter an der Akademiebewegung und später in meteo­ rologischen Messnetzen. Obwohl sich der zeitliche Rahmen und die inhaltliche Ausrichtung dieser beiden Episoden unterscheiden, sind sie über die Arbeitsweise des kollektiven Empirismus eng miteinander verbunden.

2.1 Akademien: Gelehrsamkeit organisieren Fast ein halbes Jahrhundert lang prägte der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz  (1646–1716) die europäische Akademiebewegung wie kein anderer.9 Unermüdlich verfolgte er das Ziel, das Heilige Römische Reich, später Europa und am Ende die ganze Welt mit einem Netz gelehrter Sozietäten zu überziehen. Leibniz plante eine Reform des bereits bestehenden Akademiewesens und distanzierte sich von den Organisationsformen wie in London und Paris. Unerwartet für einen Protestanten wünschte er sich stattdessen eine Gesellschaft mit einem »den Klöstern der römischen Kirche ähnliche[n] 8 Siehe dazu die Literaturangaben in Daston: Sciences of the Archive. Außerdem Krämer, Fabian: Ein Zentaur in London. Lektüre und Beobachtung in der frühneuzeitlichen Naturforschung. Affalterbach 2014. 9 Böger, Ines: Ein seculum … da man zu Societäten Lust hat. Darstellung und Analyse der Leibnizschen Sozietätspläne vor dem Hintergrund der europäischen Akademiebewegung im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Band 1: Darstellung und Analyse. München 1997.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  43

Local.«10 Der Dienst der katholischen Orden an der Welt läge vor allem in ihrer Gelehrsamkeit und diesem könnten sie am besten in einer übergeordneten Weltakademie, einer Societas Philadelphica, nachkommen.11 Seiner Vorstellung nach könnte man die geistlichen Orden noch nutzbringender einsetzen, wenn man die verschiedenen Gebiete unter den Orden aufteilte: naturwissenschaftliche Studien den Benediktinern oder Zisterziensern, das Unterrichtswesen den Dominikanern und Jesuiten, die Sprachforschung den Missionsorden und die abstrakten Wissenschaften wie Mathematik und Metaphysik den Einsiedlerorden. Leibniz war davon überzeugt, dass die Menschen vermittels derartiger monastischer Wissenschaftszentren »größere Fortschritte machen würden in zehn Jahren, als ohne dieselbe in mehreren Jahrhunderten.« Der Ordensgedanke prägte Leibniz’ Sozietätspläne in vielerlei Hinsicht. Er sah in ihnen das Vorbild organisierter wissenschaftlicher Zusammenarbeit, die von Arbeitsteilung unter den Mitgliedern, von finanzieller Absicherung und von einer Infrastruktur mit Laboratorien, Sternwarten und Bibliotheken geprägt war. Als Protestant hatte er die Vision eines Akademieordens, der sich um religiöse Mission und weltlichen Nutzen gleichermaßen kümmern sollte. Diese Ideen entsprangen unter anderem seinen Kontakten zu französischen Reformbenediktinern und zu österreichischen Benediktinern während seiner Zeit in Wien. Welche Vorstellungen von Organisation und Förderung der Gelehrsamkeit herrschte in den Klöstern selbst? Um dieser Frage nachzugehen, widmet sich das folgende Kapitel der monastischen Akademiebewegung in Süddeutschland im 18. Jahrhundert. Die Struktur folgt dabei der zeitlichen Entwicklung: zunächst skizziere ich die Bemühungen von Benediktinern und Augustiner-Chorherren von 1720 bis 1759 und wende mich anschließend der Akademie der Bayerischen Benediktinerkongregation ab 1779 zu. An welche Vorbilder wollten die Gelehrten anknüpfen, welche Form der Arbeitsteilung unter den Mitgliedern sollte gewählt werden und welche Themen und Fragestellungen ließen sich damit bearbeiten? Diese erste Untersuchung legt eine wichtige Grundlage für die nachfolgenden: Form und Inhalt gelehrter Studien hingen im Kloster eng miteinander zusammen, geprägt von der monastischen Lebensweise. Mit den wissenschaftlichen Akademien und gelehrten Gesellschaften erfuhr Gelehrsamkeit der frühen Neuzeit eine fundamentale Veränderung in sozialer, praktischer und organisatorischer Hinsicht. Der Historiker André Holenstein bezeichnet sie sogar als »neues Milieu der Gelehrtenkultur.«12 Dabei erneuer 10 Alle Zitate in diesem Abschnitt stammen aus zwei Briefen von Leibniz an Tschirnhaus 1693, teilweise abgedruckt in Lamey, Mayeul: Leibniz und das Studium der Wissenschaften in einem Kloster. In: Natur und Offenbarung. Organ zur Vermittlung zwischen Naturforschung und Glauben 25 (1879) 417‐427, 481‐491, 548‐556, 603‐612, 555–556. 11 Böger: Sozietätspläne 220–223. 12 Holenstein, André / Steinke, Hubert / Stuber, Martin: Introduction: Practices of Knowledge and the Figure of the Scholar in the Eighteenth Century. In: Holenstein, André / Steinke,

44  Naturforschung im Kollektiv ten sich die alt-ehrwürdigen Akademien im 18. Jahrhundert, und eine Welle an Neugründungen erhöhte ihre Anzahl derart, dass sie die Universitäten in ihrer Bedeutung für die Teilhabe an der Gelehrtenrepublik überholten. Allein im mitteldeutschen Raum macht Holger Zaunstöck in seinen Strukturuntersuchungen zu Aufklärungsgesellschaften 78 Gründungen fest, wobei diese nur einen unter vielen Gesellschaftstypen ausmachten. Staatliche Akademiegründungen lassen sich genauso finden wie Freimaurerlogen, Literarische Gesellschaften, Patriotisch-gemeinnützige Gesellschaften (worunter auch die Ökonomischen Gesellschaften zu zählen sind), Lesegesellschaften, Geheimbünde und die politischen Klubs der Revolution.13 Der Hauptzweck einer Akademie war und ist die Bündelung wissenschaftlicher Kräfte zur Förderung der Erkenntnis und zur Beschleunigung des wissenschaftlichen Fortschritts. Um die Erwartungen hinsichtlich nützlicher Erfindungen und Entdeckungen zu erfüllen, entwickelten Akademien eine ganze Reihe an neuen Medien und Formaten. Die kürzere Form der Abhandlung und Rezensionen als Teile einer periodisch erscheinenden Zeitschrift erleichterten den Wissenstransfer auch über Landesgrenzen hinweg, und so fanden sich in der Pollinger Klosterbibliothek in Oberbayern die Bände der Philosophical Transactions aus London genauso wie die Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen.14 Besonders durch ihre öffentlichen Vorträge und Vorführungen von Maschinen und Demonstrationsexperimenten begründeten die Akademien eine wissenschaftlich interessierte Öffentlichkeit mit.15 Hinzu kamen die Preisfragen, mit denen Forschungen gezielt in bestimmte Richtungen gelenkt werden konnten. Ob man dem deutschsprachigen Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts tatsächlich einen »Minderwertigkeitskomplex« hinsichtlich ihrer Akademien attestieren kann, bleibt dahingestellt.16 Tatsache ist, dass die Gründung gelehrter Gesellschaften und staatlicher Wissenschaftsakademien deutlich später als in den Nachbarländern einsetzte und zusätzlich ein Nord-Süd-Gefälle aufwies. Der zu Beginn zitierte Leibniz erlebte in seiner Jugend 1660 die Gründung der Royal Society als eine der ersten Akademien mit einem Schwerpunkt auf Naturforschung. Bis zu seinem Tod 1716 entwarf er Pläne für Akademien in Mainz, Hubert / Stuber, Martin (Hg.): Scholars in Action. The Practice of Knowledge and the Figure of the Savant in the 18th Century. Volume 1. Leiden, Boston 2013, 1–41, hier 9. 13 Zaunstöck, Holger: Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen. Die mitteldeutschen Aufklärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert. Tübingen 1999. 14 van Dülmen, Richard: Propst Franziskus Töpsl (1711–1796) und das Augustiner-Chorherrenstift Polling. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Aufklärung in Bayern. Kallmünz 1967, 67. 15 Hochadel: Öffentliche Wissenschaft. Weitere Literaturangaben zur Öffentlichkeit in der Naturforschung finden sich in Kapitel 4. 16 Im Hof, Ulrich: Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufkärung. München 1982, 193.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  45

Berlin, Petersburg, Dresden und Wien und konnte doch nur die Errichtung der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften in Berlin 1700 verwirklichen. In Kurbayern lassen sich vor der intensiven, in diesem Kapitel näher untersuchten Akademiephase nur zwei vergleichbare Projekte finden: um 1516 von Johannes Aventinus  (1477–1534) und zwei Jahrhunderte später die Nutz- und Lust-erweckende Gesellschaft der Vertrauten Nachbarn am Isarstrom. Letztere wurde 1702 gegründet und musste ihre Arbeit bereits 1705 wegen des Spanischen Erbfolgekriegs wieder einstellen. Die Kurbayerische Akademie der Wissenschaften wurde 1759 gegründet, und Wien erhielt erst 1847 seine Kaiserliche Akademie der Wissenschaften. 2.1.1 Süddeutsche Akademien bis 1759 O daß doch in unserer Kongregation Mittel und Wege ausfindig gemacht würden, wodurch so viele vorzügliche Talente für Studien, die unserem Stande und Berufe entsprechen, gewonnen werden könnten […].17

Mit diesen Worten leitete der Benediktiner Frobenius Forster (1709–1791) seine Bitte an seinen Mitbruder Anselm Desing (1699–1772) ein, zu Beginn der 1750er Jahre erneut den Versuch zu starten, eine Benediktinerakademie zu gründen. Es war nicht das erste Projekt dieser Art, und es sollte auch nicht das letzte bleiben. Die folgenden Abschnitte sind ein Gang durch die Geschichte der süddeutschen Akademiebewegung im 18. Jahrhundert. Obwohl wegen der Übersichtlichkeit eine Einteilung in drei Gruppen – Benediktiner, der Augustiner-Chorherr Eusebius Amort (1692–1775) und weltliche Bemühungen – vorgenommen wurde, handelte es sich zu keinem Zeitpunkt um völlig voneinander isolierte Aktivitäten. Ganz im Gegenteil kennzeichnet den süddeutschen Raum gerade ein enges Beziehungsgeflecht der klerikalen und laikalen Akteure. Die Historiografie der Akademieprojekte ist bereits detailliert ausgearbeitet worden und muss hier nicht in aller Ausführlichkeit wiedergegeben werden.18 Bisher noch offen geblieben ist die Frage nach den strukturellen Zielen der Akademieprojekte: wie wollten Ordensgelehrte arbeiten? 2.1.1.1 Akademieprojekte der Benediktiner Insgesamt zwölf Akademieprojekte lassen sich im Laufe des 18. Jahrhunderts identifizieren (siehe Tabelle 1), bei denen süddeutsche Benediktinergelehrte die Initiative ergriffen, wissenschaftliche Programme ausarbeiteten und Mitglieder 17 Brief Frobenius Forster an Anselm Desing vom 17.04.1751, UBM Cod. Ms. 2° 703 fol. 45s. 18 Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte; Hammermayer: Akademiebewegung; Precht-Nußbaum: Amort.

46  Naturforschung im Kollektiv warben. Die benediktinische Akademiebewegung selbst zerfiel in mehrere parallele Stränge, da es bis zur eigentlichen Benediktinerakademie von 1779 nur Pläne einzelner Patres gab. Als über die Grenzen Kurbayerns hinaus bekannte und geschätzte Gelehrte verfügte jeder von ihnen über ein weitreichendes Korrespondenznetzwerk und war an der Förderung wissenschaftlicher Studien innerhalb des Ordens rege beteiligt. Über die inhaltliche Ausrichtung und die konkrete Form waren die Benediktiner jedoch sehr unterschiedlicher Auffassung. Diese mangelnde Geschlossenheit ist ein Hauptgrund für das Scheitern der meisten Vorhaben. Die wichtigsten Impulse für die organisierte Zusammenarbeit kamen aus Frankreich. Dort machte sich die Reformkongregation des heiligen Maurus, die sogenannten Mauriner, einen Namen durch die Erstellung von großangelegten kirchen- und ordensgeschichtlichen Werken. Nicht nur ihre Geschichtsschreibung, sondern auch ihre kollektive und gleichzeitig zentralisierte Organisationsstruktur wurde schnell zum Erfolgsmodell.19 Errichtet 1621, organisierte bereits der erste Generalobere die geistige Arbeit in den Klöstern neu und stellte das Studium der Geschichte in den Vordergrund. Zusammen mit einem Schwerpunkt auf kollektiver Arbeitsweise und der Nutzung der eigenen Netzwerke waren ideale Voraussetzungen geschaffen, um Großprojekte in bisher unerreichter Breite und Tiefe zu realisieren. Im Vordergrund standen kritische Ausgaben der Schriften lateinischer Kirchenväter, eine »acta sanctorum« als biographische Sammlung benediktinischer Heiliger und eine umfassende Ordensgeschichte, die »Annales ordinis sancti Benedicti.«20 Die maurinischen Gelehrten nutzten dafür gezielt die großen Bestände mittelalterlicher Handschriften in den Klosterarchiven, optimierten die Sammlung und Sichtung der Texte und verfügten so über eine ungleich bessere Datengrundlage als ihre zeitgenössischen Kollegen. Der Erfolg rief zur Nachahmung auf, und schon die ersten Versuche zur Errichtung einer österreichischen Benediktinerakademie durch die Brüder Hieronymus (1685–1762) und Bernhard Pez (1683–1735) im Jahr 1729 waren die Folge eines sechsmonatigen Aufenthalts von Bernhard Pez im maurinischen Kloster Saint-Germain-des-Prés in Paris.21 In seinem ersten Statutenentwurf formulierte er das Programm mit den Worten: »Die Studia dieses Collegii sind eben diejenigen, welche von den PP Benedictinis e Congregatione S. Mauri in Gallia

19 Zur Bedeutung der Mauriner für die Historiographie des 18. Jahrhunderts siehe Hammermayer: Maurinismus; Weitlauff: Weitlauff 1980 – Die Mauriner und ihr historisch-kritisches; Stockinger: Maurinerkongregation. 20 Ebd. 86. 21 Glaßner, Christine: Bernhard Pez und die Pläne zur Gründung einer Benediktinerakademie. In: Faustmann, Cornelia / Glaßner, Gottfried / Wallnig, Thomas (Hg.): Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke. Melk 2014, 147–150.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  47

mit einem so grossen applausu getriben werden.«22 Noch 20 Jahre später sollte die bereits oben erwähnte Benediktinerakademie von Forster ein Weg sein, »wenigstens einigermaßen unseren Ordensgenossen von St. Maur nachzueifern.«23 Die Mauriner hatten deutlich gemacht, dass die Qualität der Forschung auch mit ihrer Struktur und Organisation zusammenhing. Tabelle 1: Übersicht zu benediktinischen Akademieprojekten in Süddeutschland circa 1720–1760. Jahr

Initiator(en)

Forschungsprofil

Realisierung

1721

Bernhard und Hieronymus Pez

Urkunden- und Quellenedition zur Geschichte des Benediktinerordens

[keine Konsti­ tuierung]

1729

Bernhard Pez

Kirchengeschichte, Editionen der Kirchenväter und anderer theologischer Werke, Studium der biblischen Sprachen, Bibelkritik

[keine Konsti­ tuierung]

1731

Anselm Desing

Erstellung eines theologischen Lexikons und eines Benediktinermarty­ rologiums

[keine Konsti­ tuierung]

1743

Philipp Kinsky, Anselm Desing

Herausgabe der Quelleneditionen von Ziegelbauer und Legipont, vermutlich auch von Desing und Weiß

[keine Konsti­ tuierung]

1746

Josef von Petrasch, Magnoald Ziegel­ bauer

Ausschluss konfessioneller und politischer Themen; Veröffentlichung einer Zeitschrift seit Januar

1747

1747

Oliver Legipont

Polemik, öffentliches Recht und Geschichte

[keine Konsti­ tuierung]

1747

Anselm Desing

Deutsche Bistumsgeschichte

[keine Konsti­ tuierung]

1750

Frobenius Forster

Theologie, Kirchen- und bayerische Landesgeschichte

[keine Konsti­ tuierung]

1752

Oliver Legipont

Benediktinische Ordensgeschichte, Kirchen- und Profangeschichte sowie Zivilrecht; Publikation von 4 ­Bänden von Ziegelbauers »Historia rei litterariae OSB«

1753

Anselm Desing

Theologie mit Unterstützung durch Philosophie, alte Sprachen, Natur­ forschung, Mathematik, Geographie und Geschichte

[keine Konsti­ tuierung]

22 Statutenentwurf von Bernhard Pez vom April 1729, teilweise abgedruckt in ebd. 148–149. 23 Brief Frobenius Forster an Anselm Desing vom 17.04.1751, UBM Cod. Ms. 2° 703 fol. 45s.

48  Naturforschung im Kollektiv Bei welchen Studien sollte eine Vereinigung der süddeutschen Benediktinergelehrten hilfreich sein? In Anlehnung an die maurinischen Arbeiten dachten sie vornehmlich an historische und theologische Forschungen. Dies ist zunächst nicht weiter verwunderlich, da es besonders die mit Quellen- und Urkundeneditionen betreuten Mönche waren, die mit ihren französischen Mitbrüdern in Kontakt traten und Ideen über kollektives Arbeiten entwickelten. Ein Blick auf die in Tabelle 1 aufgeführten Forschungsprofile der Akademieprojekte zeigt die Ausrichtung auf Theologie, Kirchen- und Landesgeschichte. Sie spiegeln damit vor allem die eigenen Studien der Initiatoren wider. Oliver Legipont (1698–1758) aus Groß St. Martin in Köln war als Bibliothekar in mehreren Klöstern tätig und verfasste u. a. eine Chronik von Sponheim.24 Der Kontakt zwischen den Akademieplänen der Brüder Pez und Legipont kam über die »Bibliotheca Benedictina Generalis« von Bernhard Pez zustande, einem Lexikon aller Autoren des Benediktinerordens. Dieses Monumentalwerk wurde nie veröffentlicht, aber durch den Historiker Magnoald Ziegelbauer (1688–1750) aus dem Kloster Zwiefalten fortgeführt.25 Legipont half Ziegelbauer bei seinem Werk, biographische und bibliographische Informationen über alle Benediktinergelehrte zusammenzutragen, und gab schließlich vier Bände dieser Literaturgeschichte nach Ziegelbauers Tod heraus. Der spätere Fürstabt von St. Emmeram in Regensburg Forster war seit 1750 Bibliothekar seines Klosters und machte sich mit einer Edition der Werke Alkuins26 einen Namen als Gelehrter.27 In maurinischer Tradition bemühten sich diese Gelehrten um Sammlung, Vergleich und Zusammenstellung von Informationen und Texten. Die meisten Vorhaben der benediktinischen Akademiebewegung wurden nicht realisiert. Das langfristige Scheitern hat viele Gründe, aber eine zusätzliche Hürde war die Ordensstruktur: die mangelnde Unterstützung durch Äbte und das Generalkapitel. Nur der Regensburger Fürstabt Johann Baptist Kraus (1700–1762) und der Abt von Scheyern, der Legipont bei seinen Akademieprojekten immer wieder behilflich war, betrachteten eine gelehrte Gesellschaft als hilfreich und erstrebenswert. Abt Kraus änderte seine Einstellung gegenüber dem Akademiegedanken jedoch grundsätzlich, als einer seiner vielversprechendsten Gelehrten zum Protestantismus konvertierte.28 Neuerungen im Bereich der Klostergelehr 24 Zur Biographie von Oliver Legipont siehe Grünwald, Michael: Forschen. P. Oliver Legipont (1698–1758) aus Groß St. Martin und seine Beziehungen zur Abtei Göttweig. In: Albert, Marcel (Hg.): Benediktinisches Leben in Köln. Siegburg 2010, 119–143. 25 Ebd. 121–124. 26 Alkuin (735–804) war ein frühmittelalterlicher Gelehrter und der einflussreichste Ratgeber Karls des Großen. 27 Zur Biographie von Frobenius Forster siehe Endres, Joseph Anton: Frobenius Forster – Fürstabt von St. Emmeram. Ein Beitrag zur Literatur- und Ordensgeschichte des 18. Jahr­ hunderts. Freiburg im Breisgau 1900. 28 Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte 22.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  49

samkeit hielt er für die Ursache dieses Ereignisses, und so lehnte er im Dezember 1751 das Präsidium von Legiponts Societas Litteraria Germano-Benedictina ab, das anzunehmen er vorher nicht abgeneigt gewesen war. Da die verschiedenen benediktinischen Akademieprojekte über kein einigendes Band verfügten, behinderten sie sich teilweise auch gegenseitig. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist der Konflikt zwischen Legipont und dem Pädagogen und Historiker Desing aus Ensdorf. Bereits 1731 lud Legipont Desing ein, mit ihm und Ziegelbauer eine literarische Gesellschaft zu gründen.29 Auch bei seinen späteren Projekten bat Legipont seinen Mitbruder um Unterstützung, der dessen Pläne jedoch für unrealistisch hielt und ihre Forschungsausrichtung kritisierte. Die beiden Benediktiner hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Form einer gelehrten Gesellschaft: während Legipont an eine gesamtdeutsche Institution dachte, suchte Desing nach Mitarbeitern nur innerhalb der bayerischen Benediktinerkongregation. Desing war bekannt innerhalb der Akademiebewegung: Für die Errichtung einer Ritterakademie in Kremsmünster hatte er den Lehrplan entwickelt und die Lehrbücher ausgewählt, für eine Prager Ritterakademie war ihm sogar die Leitung übertragen worden.30 Auch Forster wandte sich 1751 an Desing, um von ihm die Ausarbeitung eines wissenschaftlichen Programms für seine Akademie zu erhalten, denn »ein solches Programm wird niemand besser entwerfen können als Du, weshalb ich wünschte, Du möchtest, wenn Du meine Gedanken billigst, die Ausarbeitung auf Dich nehmen.«31 Legipont erhoffte sich viel aus einer Zusammenarbeit mit Desing, wurde diesbezüglich jedoch enttäuscht. Desing lehnte seine Bitten entweder strikt ab (im Falle der Pläne 1747), übte umfangreiche Kritik (an den Statuten der Societas Litteraria Germano-Benedictina) oder antwortete gar nicht. So ließ er das ihm zugesandte Aufnahmediplom in die Societas Litteraria Germano-Benedictina völlig unerwidert. Desing fürchtete besonders, dass durch die in seinen Augen unverhältnismäßigen Pläne Legiponts seine eigenen Akademieprojekte unter den Äbten und im Generalkapitel ebenfalls auf Ablehnung stoßen würden. So hielt er es für äußerst problematisch, dass »das Ansehen des ältesten Ordens, dessen Gemeinschaft groß genug ist, in Gefahr gebracht wird, falls so viele neue

29 Brief Oliver Legipont an Anselm Desing vom 23.01.1731, UBM Cod. Ms. 2° 701 fol. 172s. 30 Kraml, Amand: Anselm Desing und das Benediktinerstift Kremsmünster. In: Knedlik, Manfred / Schrott, Georg (Hg.): Anselm Desing (1699–1772). Ein benediktinischer Universalgelehrter im Zeitalter der Aufklärung. Kallmünz 1999, 64–79; Hemmerle, Josef: Die Olmützer Gelehrtenakademie und der Benediktinerorden. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 67 (1956) 298–305, hier 301. 31 Brief Frobenius Forster an Anselm Desing 1751, zitiert nach Stegmann, Ildephons: Anselm Desing, Abt von Ensdorf 1699–1772. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung in Bayern. München 1929, 277–278.

50  Naturforschung im Kollektiv Sachen nicht heimlich, sondern öffentlich […] entwickelt werden.«32 Sollten Legiponts Projekte scheitern, würde das dem Ruf des Ordens in der gelehrten Welt sehr schaden, so Desings Sorge. Der Regensburger Benediktiner Forster war zwischen den beiden Plänen für eine deutsche und eine bayerische Benediktinerakademie der verbindende Pol. Er unterstützte Legiponts Projekte und versuchte gleichzeitig, die beiden Gelehrten Legipont und Desing in ihren Bestrebungen zu vereinen. So schlug er Legipont für dessen Societas Litteraria Germano-Benedictina eine stärker föderalistische Struktur vor, um das Projekt für Desing attraktiver zu machen: »Es ist wirklich das Beste, wenn einzelne Gesellschaften in Regionen oder bestimmten Einteilungen begonnen werden und ebenso besser für die Pflege der Wissenschaften.«33 Legipont ließ diese Bitte jedoch unbeantwortet und der Kontakt zwischen ihm und Desing brach ab. Süddeutsche Benediktinergelehrte bemühten sich seit den 1720er Jahren um die Gründung von Akademien, um ihre historischen Großprojekte zu unterstützen. Nach maurinischem Vorbild erstellten sie umfangreiche Sammlungsund Editionswerke, die kollektives und kollaboratives Arbeiten benötigten. Entsprechend waren die Patres auf der Suche nach einer Organisationsform, die diese Arbeitsweise unterstützen konnte, und sie fanden sie in der Sozietät. Die konkreten Vorstellungen für die Umsetzung solcher Institutionen unterschieden sich jedoch stark, und es gab kein einigendes Band um die klerikalen Akademiebestrebungen. Die Bayerische Benediktinerkongregation als übergeordnete Struktur wirkte hier mehr hemmend als fördernd. Bis zur Gründung einer Benediktinerakademie 1779 blieben die Pläne auf Geschichtsschreibung ausgerichtet. Die Idee, dass sich kollektiver Empirismus und akademische Organisation nicht nur für historische Großprojekte, sondern auch für astronomische nutzen ließen, setzte ein anderer Klostergelehrte um: Eusebius Amort . 2.1.1.2 Der Augustiner-Chorherr Eusebius Amort Als die Brüder Pez 1717 auf einer ihrer Reisen durch Bayern und Schwaben auch ins Augustiner-Chorherrenstift Polling kamen, machten sie Bekanntschaft mit dem jungen Chorherrn Eusebius Amort.34 Dieser hatte im selben Jahr den Unterricht in Philosophie, Theologie und Kirchenrecht im Hausstudium übernommen

32 Original: »ordinis antiquissimi, cujus satis magna societas est, honor discrimini exponitur si toties res novae nec clam sed palam magnis nixibus parturiuntur,« Brief Anselm Desing an Oliver Legipont vom 09.07.1752, zitiert nach Hammermayer: Akademiebewegung 75. 33 Original: »Optimum sane est, si in Regionibus, aut divisionibus particularibus particulares quoque pro colendis melioribus litteris ineantur societates,« Brief Frobenius Forster an Oliver Legipont vom 27.09.1753, zitiert nach ebd. 85. 34 Hammermayer: Maurinismus 400.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  51

und begann gerade eine gelehrte Karriere, die ihn europaweit bekannt machen sollte. Amort kannte bereits die Acta Eruditorum und das Journal des Scavants, und er wünschte sich eine entsprechende Publikationsform auch für den süddeutschen Raum. Bernhard Pez machte Amort auch mit der österreichischen Akademiebewegung in Wien bekannt. Wenig später konkretisierten sich die ersten Ideen im Gründungsplan einer Academia Carola-Albertina unter Vorsitz des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht.35 Das wissenschaftliche Programm war kaum eingegrenzt, denn die Mitglieder kamen aus den Bereichen »Sacra Scriptura, Controversiis, & Theologia Dogmatica, Theologia speculativa, & Ascesi, Jure Canonico, Publico, Civili, Medicina, Philosophia, Mathesi, Historia humanioribus, auch mechanicis, & oeconomicis scientiis.«36 Oberstes Ziel war die Erhaltung des Glaubens und die Nutzbarmachung von Wissenschaft und Künsten. Dazu sollten ketzerische Schriften in eigenständigen Abhandlungen widerlegt werden und Rezensionen in einer eigenen Zeitschrift auf Bucherscheinungen im deutschsprachigen Raum aufmerksam machen. Berichte über bemerkenswerte Ereignisse im Kurfürstentum Bayern würden das Programm ergänzen. Eine endgültige offizielle Bestätigung durch den Kurfürsten Maximilian II. Emanuel blieb jedoch aus, und noch im selben Jahr lehnte die kurfürstliche Regierung eine Genehmigung der Akademiesatzung ab. Der Grund dafür lässt sich nicht zufriedenstellend belegen, aber Bedenken wegen der geplanten Zensurausnahme für die Akademiemitglieder erscheinen der Forschungsliteratur als wahrscheinlich. Nach diesem erfolglosen Akademieprojekt bemühten sich Amort und seine Mitarbeiter stattdessen um die Herausgabe einer Zeitschrift ohne sozietäre Anbindung. Im Jahr 1722 erschien der erste Band des Parnassus Boicus oder Neu-eröffneter Musen-Berg, worauff verschiedene Denck- und Leßwürdigkeiten aus der gelehrten Welt, zumahlen aber auß denen Landen zu Baiern abgehandelt werden.37 Es sollten zunächst die für die Academia Carola-Albertina geplanten Abhandlungen gedruckt und der Anteil der Rezensionen reduziert werden. Die Zeitschrift richtete sich weniger an die Gelehrtenwelt, sondern mehr an das gebildete Publikum und wollte daher bewusst keine Fachliteratur sein. Die Mitarbeiter, neben Amort auch Laien und Jesuiten, publizierten aus drei Bereichen: der Geschichte (Profan- und Kirchengeschichte), der Naturforschung (Physik, Astronomie und Chemie / A lchemie) und der Literatur. Besonders die Jesuitenpatres vermittelten Kontakte zu jesuitischen Astronomen aus Europa 35 Zur Academia Carola-Albertina siehe Hammermayer: Polling; Precht-Nußbaum: Amort 193–199. 36 Aus der Satzung der Academia Carola-Albertina, abgedruckt in Lippert, Johann Caspar: Fortsetzung der Nachricht von den ehemaligen gelehrten Gesellschaften in Baiern. München 1764, 33. 37 Zum Parnassus Boicus siehe Precht-Nußbaum: Amort 199–222.

52  Naturforschung im Kollektiv und Übersee, welche Beobachtungsdaten lieferten. Nach dem Erscheinen des vierten Bandes im Jahr 1727 starben in kurzer Zeit die wichtigsten Mitarbeiter, und es gab keine Nachfolger. Amort selbst war mit der Erstellung eines neuen Lehrbuchs für den Philosophie-Unterricht beschäftigt, das 1730 als Philosophia Pollingana erschien. Erst ab 1736 setzten die Autoren den Parnassus Boicus fort und gaben bis 1740 sechs weitere Bände heraus. In den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens erschienen insgesamt 233 Abhandlungen, von denen sich 67 in den Bereich der Naturforschung, Medizin und Technik einordnen lassen. Die Artikel behandelten u. a. Themen aus der Astronomie, Kalenderrechnung, Meteorologie, Chemie bzw. Alchemie und Landvermessung.38 Die astronomischen Abhandlungen verdienen an dieser Stelle eine besondere Beachtung, da sie den Gedanken des kollaborativen Arbeitens vorantrieben. In insgesamt 18 Berichten werden Beobachtungsdaten von astronomischen Ereignissen aufgeführt und die Natur von Kometen39 und des Polarlichts40 sowie die elliptische Form von Erde und Mond diskutiert.41 Hinsichtlich kollektiver Naturforschung sind besonders vier Phänomene interessant, die in Tabelle 2 aufgeführt sind. Hier drucken die Autoren die Beobachtungsdaten von mindestens zwei Standorten ab und nutzen sie für weiterführende Auswertungen. Ausgiebig findet die Mond-Finsternis am 29. Juni 1722 Beachtung, und in den Abhandlungen kommen die Beobachtungen aus Ingolstadt, Dillingen, Rom, Genua, Paris und Prag zur Sprache. Dem Autor geht es nicht nur um die Mondfinsternis als astronomisch interessantem Ereignis, sondern er will einen Nutzen aus den gleichzeitig an verschiedenen Orten angestellten Vermessungen ziehen. So berechnet er die Längengrad-Unterschiede zwischen Paris und den Städten Genua, Rom, Bologna und Prag und vergleicht seine Werte mit denen in den gängigen »Tabulae Parisienses« mit dem Ergebnis, dass man dieses Standard-Werk »in einigen Puncten verbesseren kann.«42 Es konnte also ein Mehrwert durch Zusammenarbeit entstehen, der durch die Zusammenführung der Einzelarbeiten im Parnassus Boicus ermöglicht wurde.

38 Buntz, Herwig: Alchemie und Aufklärung. Die Diskussion in der Zeitschrift Parnassus Boicus (1722–1740). In: Meinel, Christoph (Hg.): Die Alchemie in der europäischen Kulturund Wissenschaftsgeschichte. Wiesbaden 1986, 327–344, hier 328–330. 39 Auß der Meteorologia, Von deme dises lauffende 1723.ste Jahr neu-erscheinenden Cometstern. Parnassus Boicus Band 2/7 (1723), S. 76–82. 40 Historisch- und Philosophische Abhandlung von dem sogenannten Nord-Liecht, oder Lumine Boreali. Parnassus Boicus Band 6/5 (1740), S. 289–304. 41 Von astronomischen Neuigkeiten. Parnassus Boicus Band 5/4 (1736), S. 56–64. 42 Fernere Observationes auß Rom / Genua / Pariß / ec. Offt erwehnte Monds-Finsternuß/ Anno 1722. den 29. Junii betreffend. Parnassus Boicus Band 2/7 (1723), hier S. 459.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  53

Tabelle 2: Übersicht astronomischer Ereignisse, zu denen im Parnassus Boicus Beobachtungsdaten von mehr als zwei Standorten abgedruckt und miteinander verglichen wurden. Astronom. Ereignis

Beobachtungsdaten

Mondfinsternis 29.06.1722

Bologna, Dillingen, Genua, Ingolstadt, Paris, Prag und Rom43

Komet 1723

Berlin, London, zweimal in Paris44

Merkurtransit 1723

Biburg, Bologna, Innsbruck, Padua, Paris und Rom45

Jupiterfinsternis 1725

Biburg und Ingolstadt 46

Die Autorenschaft zu den Berichten im Parnassus Boicus ist nicht ganz einfach zuzuordnen, da keine Namen genannt wurden. Anlässlich der Errichtung der Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften verfasste Amort einen Bericht Von Ursprung, Fortgang und Erneyerung des Emaligen Parnassi Boici und bezeichnete sich selbst als zuständig für »die zur Weltweisheit und Mathematik geherigen Wissenschaften.«47 In ihrer Amort-Biographie listet die Historikerin Karin Precht-Nußbaum weitere Mitglieder und Gast-Mitarbeiter des Parnassus auf, die aus Amorts Korrespondenzen zugeordnet werden können.48 Daraus ergibt sich eine Gruppe von neun Augustiner-Chorherren und AugustinerEremiten, vier Jesuiten und vier Laien.49 Interessant ist besonders, dass die astronomischen Beobachtungen ausschließlich von Amort selbst erstellt oder von den Jesuiten vermittelt wurden. Dadurch waren nicht nur Beobachtungen aus Europa, sondern auch zu einer »Monds-Finsternuß in denen Ost-Indien betreffende« und aus Peking abgedruckt.50 Außer Autoren gibt es auch noch Beobachtungen von Briefpartnern und Amorts Kontakte bei Reisen. Während 43 Parnassus Boicus 1/1 (1722), S. 60–64; 1/2 (1722), S. 140–152; 1/5 (1723), S. 452–462; 2/7 (1723), S. 57–62. 44 Parnassus Boicus 2/7 (1723), S. 76–82; 2/8 (1724), S. 159–165. 45 Parnassus Boicus 2/8 (1724), S. 159–165. 46 Parnassus Boicus 4/19 (1726), S. 63–67. 47 Anhang zum Brief Eusebius Amort an Johann G. Lori vom 20.12.1759, abgedruckt in Spindler, Max: Electoralis Adademiae Scientiarum Boicae Primordia. Briefe aus der Gründungszeit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1959, 14–16. 48 Precht-Nußbaum: Amort 217–221. 49 Die Namen der Mitarbeiter lauten Eusebius Amort CRSA, Prosper Goldhofer CRSA, Philipp Saller CRSA, Herculan Vogl CRSA, Benno Zaissberger CRSA, Gelasius Hieber OESA, Agnellus Kandler OESA, Johann Baptist Inninger OESA, Corbinian Mauerer ORSA, Joseph Falck SJ, Nicasius Grammatici SJ, Ignatius Kögler SJ, Theodor Smackker SJ, Franz Joseph Grünwaldt, Johann Adam von Speth, Wolfgang Bergbauer und Johannes Joseph Polck. Ebd. 214–221. 50 Parnassus Boicus 2/7 (1723), S. 57–62; PB 4/21 (1726), S. 235–237.

54  Naturforschung im Kollektiv seines Studienaufenthaltes in Rom kam er auch nach Bologna und lernte dort das Accademia delle scienze dell’ Istituto Bolognese kennen, wie er in einem Brief an seinen Prälaten berichtet: »Der äußerst bekannte Markgraf von Bologna, D. Jos. Bolsi, hat mich für würdig erachtet mir das Observatorium zu zeigen […] und das Institut der Wissenschaften.«51 Nach dem Einstellen des Parnassus Boicus trug sich Amort ab 1746 mit neuen Plänen für eine Academia ecclesiastica, die er nun sehr vorsichtig vorantrieb.52 Seit zwei Jahren war er Hoftheologe des Fürstbischofs in Augsburg und dachte nun an eine kirchenhistorisch orientierte Akademie in Anlehnung an die päpstliche Accademia di storia ecclesiastica. Eine klare Aufgabenteilung sollte schnellen Erfolg erzielen: ein Präses verteilte an insgesamt nur zwölf Akademiemitglieder bestimmte Themen, zu denen diese in Bibliotheken forschen sollten. Dabei wurde jedem Mitglied eine bestimmte Gruppe von Bibliotheken zugeordnet, für die er zuständig war. Beim Exzerpieren der vorhandenen Literatur mussten daher auch Notizen für die Themen der anderen Mitglieder gesammelt werden. Die Akademiesitzungen dienten dann dem Austausch der so erreichten Ergebnisse. Seine Ideen skizzierte Amort detailliert in Briefen an seine Freunde, aber zu einer Verwirklichung dieser Pläne kam es nie. Die Academia Carola-Albertina sowie der Parnassus Boicus waren noch wissenschaftlich weit ausgerichtet und behandelten neben Theologie auch Literatur sowie Naturforschung. Amorts Pläne ab der Academia ecclesiastica dienten dagegen nur noch der Glaubensförderung und der Bekämpfung jesuitischer Lehrmethoden. Tabelle 3 gibt dazu einen kurzen Überblick. Dieser Sinneswandel wird von Karin Precht-Nussbaum sogar als »Rückschritt innerhalb Amorts geistlicher Entwicklung«53 bezeichnet und verdient eine genauere Untersuchung. Die Erhaltung des katholischen Glaubens und die Reform der Theologenausbildung standen bei Amort stets im Mittelpunkt seiner Bemühungen. Das zeigt auch seine Beteiligung bei der Errichtung eines Priesterseminars für den Augsburger Klerus in Pfaffenhausen in Konkurrenz zum jesuitischen Seminar in Dillingen. Entsprechend diesem Ziel waren Protestanten von allen Mitgliedschaften ausgeschlossen und bei der Academia ecclesiastica sogar alle Laien unabhängig der Konfession. Zwei Begebenheiten sollten Amort von einer wissenschaftlichen Breite stärker auf dieses Thema fokussieren: seine Italienreise 1733–1735 und

51 Original: »Bononiae illustrissimus D. Jos. Bolsi, Marchio, ipsemet dignatus est monstrare mihi observatorium, […], et Institutum scientiarum,« Brief von Eusebius Amort an Albert Oswald 1734, Zitat abgedruckt in Friedrich, Johann: Beiträge zur Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts. Aus dem handschriftlichen Nachlaß des regul. Chorherrn Eusebius Amort. München 1876. 52 Zur Geschichte von Amorts Academia ecclesiastica siehe Precht-Nußbaum: Amort 590–594. 53 Ebd. 593.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  55

seine theologischen Grundsatzkontroversen ab 1744. Seine kritischen Publikationen u. a. über die Verfasserschaft der De imitatione Christi54 und über die Privatoffenbarungen der spanischen Klarissin Maria de Agreda55 führten zu offener Gegnerschaft in kirchlichen Kreisen, besonders von Seiten der Benediktiner. Ob er durch die Gründung einer theologisch ausgerichteten Sozietät seine Treue zur katholischen Lehrmeinung unter Beweis stellen wollte, ist daher naheliegend, jedoch in seinen eigenen Aussagen nicht belegt. Es ist außerdem zu vermuten, dass er die – auch eigene – naturwissenschaftliche Betätigung in der Errichtung der Bayerischen Gelehrten Gesellschaft untergebracht sah, an der er sich bereits 1749 intensiv beteiligte.56 Amorts Rollen als Theologe und als Reformpädagoge für die Klerikerausbildung prägten in diesen Jahren alle seine Aktivitäten. Tabelle 3: Akademieprojekte von Eusebius Amort. Jahr

Titel

Forschungsprofil

1720

Academia CarolaAlbertina

Vierteljährlicher Druck von Abhandlungen, Widerlegung ketzerischer Veröffentlichungen, Nutz­barmachung der Wissenschaften und Künste

1722

Parnassus Boicus

Abhandlungen aus 3 Themenbereichen: Geschichte (Profan- und Kirchengeschichte), Naturforschung (Physik, Astronomie und Chemie / A lchemie) und Literatur; Schwerpunkt auf Historie

1746

Academia ­ecclesiastica

Kirchen- und Profangeschichte, v. a. Geschichte des ­Bistums Augsburg

1749

Augusta Academia Eruditorum Polemica

Theologie, deutsche Kirchengeschichte

54 Die Kontroverse um die Verfasserschaft der Frömmigkeitsschrift De imitatione Christi, anonym veröffentlicht um 1420, verlief im Wesentlichen zwischen Benediktiner- und Augustiner-Chorherren-Gelehrten. Beide Gruppen beanspruchten die Autorschaft für einen ihrer Vorfahren (Johannes Gersen OSB und Thomas von Kempen CRSA), zwischenzeitlich wurden jedoch um die 40 verschiedene Personen als Autoren betrachtet. Eine genaue Analyse der Beteiligung Amorts an dieser Diskussion findet sich in ebd. 262–287. 55 María de Jesús de Agréda (1602–1665) war eine spanische Mystikerin und Franziskanerin, die durch ihre als Mistica Ciudad de Dios veröffentlichten Visionen über das Leben der Gottesmutter Bekanntheit erlangte. Amort beteiligte sich intensiv an den Diskussionen über den Wahrheitsgehalt ihrer Privatoffenbarungen. So publizierte er 125 Unterscheidungsregeln zwischen wahren und falschen göttlichen Offenbarungen. Einen genauen Hergang der Auseinandersetzungen schildert ebd. 308–357. 56 Hiervon zeugen ein Besuch der Gründer der Bayerischen Gelehrten Gesellschaft bei Amort in Polling im Juli 1749 sowie ein intensiver Briefwechsel über die Akademiestatuten und eine Mitarbeit durch weitere Benediktinergelehrte wie Frobenius Forster, Gregor Rothfischer oder Fürstabt Kraus, vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte 54–55.

56  Naturforschung im Kollektiv Nach dem Scheitern seiner Academia ecclesiastica versuchte Amort drei Jahre später, eine abgewandelte Gesellschaft ins Leben zu rufen. Die neue Academia Eruditorum Polemica besaß weiterhin ihren Schwerpunkt in Aufarbeitung der Kirchengeschichte, insbesondere der Augsburger Bistumsgeschichte.57 Die Leitung sollte in der Hand Augsburger Geistlicher liegen und die Präsidentschaft beim Augsburger Bischof. Mitglieder mussten ihren Status als Theologen durch einen akademischen Abschluss oder eine Professur belegen und waren zur jährlichen Einsendung eines Beitrags verpflichtet. Diese Neufassung einer theologischen und kirchenhistorischen Akademie fand zwar schriftlichen Niederschlag in den von Amort formulierten Idea et Leges Sociorum Academiae Eruditorum Polemicae, aber darüber hinaus blieb es eine Idee. Stattdessen beteiligte sich Amort an der Gründung einer Bayerischen Gelehrten Gesellschaft, wovon später noch die Rede sein wird. Unter den süddeutschen Augustinern war Amort der einzige mit konkreten Akademieplänen. Seine Ideen waren eng mit seinen biographischen Stationen verknüpft, und auch die benediktinische Akademiebewegung war geprägt von einigen wenigen Akteuren mit starken Kontinuitäten. Was in dieser Darstellung noch fehlt, sind die sogenannten weltlichen Projekte. Die Initiative ging hier von Laien aus, und zwischen den Akademien bestanden sehr viel losere Verbindungen als bei den geistlichen Plänen. Die Beteiligung der Ordensgelehrten fiel zwar jeweils sehr unterschiedlich aus, fehlte aber nie und wurde nicht explizit ausgeschlossen. 2.1.1.3 Weltliche Akademiebewegung Die Laien innerhalb der süddeutschen Akademiebewegung bildeten keine geschlossene Gruppe, sondern sind hier nur aus analytischen Gründen zusammengefasst. Fünf Projekte mit teilweise sehr unterschiedlichen Ausrichtungen werden im Folgenden kurz skizziert, die in Tabelle 4 aufgelistet sind. Hier beteiligten sich viele der bereits eingeführten Mönche und Chorherren wie Desing, Ziegelbauer, Forster oder Amort und nahmen in einigen Fällen sogar Schlüsselpositionen ein. Dennoch verschob sich die Rolle der Klostergelehrten im Laufe der fünf Projekte von Mitgründern zu Mitarbeitern, und dieser Aspekt wird auch für die Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, insbesondere in den meteorologischen Beobachtungsnetzen, von Bedeutung sein. Nach den gescheiterten Akademieplänen von Leibniz und den Benediktinerbrüdern Pez in Wien tauchten die nächsten Ideen im Habsburgerreich erst wieder mit Philipp Kinsky (1700–1749), dem böhmischen Erzkanzler auf. Kinsky wollte 1743 eine Academia Nobilium zur Ausbildung des Adels errichten, die sich 57 Zur Geschichte von Amorts Academia Eruditorum Polemica siehe ebd. 45–46; Hammermayer: Polling 16; Precht-Nußbaum: Amort 594–595.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  57

Tabelle 4: Übersicht zu weltlichen Akademieprojekten in Süddeutschland. Jahr

Titel

Initiatoren

Forschungsprofil

1743

Societas eruditorum

Philipp Kinsky, Anselm Desing

Herausgabe von Quelleneditionen der Mitglieder

1746

Societas eruditorum incognitorum

Josef von Petrasch, ­Magnoald Ziegelbauer

Ausschluss konfessioneller und politischer Themen

1749

Bayerische Gelehrte Gesellschaft

Johann A. Freiherr von Ickstatt, Andreas F. Oefele, Johann G. Lori

Bayerische Geschichte, realistische Wissenschaften

1758

Bayerische Gelehrte Gesellschaft

Johann G. Lori, Johann G. Linprun, Franz X. von Stubenrauch

Wie bei der späteren Kurbayerischen Akademie

1759

Kurbayerische Akademie der Wissenschaften

Nachfolgerin der Baye­ rischen Gelehrten Gesellschaft von 1758

Historische und philosophische Klasse, Ausschluss konfessioneller und politischer Themen

an den Ritterakademien in den Klöstern Ettal und Kremsmünster orientierte.58 Damit verbunden war eine Gelehrtenakademie geplant, deren Führung durch die Professoren der Ritterakademie gestellt werden sollte. Zunächst bot Kinsky den Prager Jesuiten die Leitung an, die jedoch ablehnten. Unterstützung erhielt er stattdessen vom Abt des Benediktinerklosters Brevnov (Braunau), der den zu dieser Zeit in Salzburg tätigen Desing nach Prag holte und mit der wissenschaftlichen Leitung des Projekts betraute. Desing hatte sich an der Universität einen Namen als Reformpädagoge gemacht und begab sich nun auf eine Werbereise, um weitere Benediktiner als Lehrer für die Adeligenakademie und als Gelehrte für die angeschlossene Sozietät zu gewinnen. Diese Rollendoppelung war entscheidend für die Beteiligung der Mönche an den Prager Akademieplänen. Das Lehrprogramm sollte neben Reiten, Jagen, Fechten und Tanzen einen Schwerpunkt auf die allgemeine Geschichte und die Philosophie legen und für die Publikation neuer Lehrbücher hätte eine eigene Druckerei zur Verfügung gestanden. Für Desing war das Projekt auch deswegen besonders reizvoll, weil er an einem Ort von ihm ausgewählte Benediktinergelehrte versammelt hätte und die Finanzierung gleichzeitig durch die Ritterakademie geregelt worden wäre. Aus Geldmangel kam es jedoch nie zu ihrer Errichtung. Der Ausbruch des öster 58 Zum Plan einer Academia Nobilium in Prag Tolde, Notger: Der Gründungsversuch einer Academia Nobilium in Prag durch die böhmische Benediktinerkongregation. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932) 564–594; Hammermayer: Akademiebewegung 55–56; Precht-Nußbaum: Amort 596–597; Grünwald: Forschen 125–126.

58  Naturforschung im Kollektiv reichischen Erbfolgekrieges und damit verbunden der Zweite Schlesische Krieg 1744 bis 1745 belasteten die böhmische Benediktinerkongregation so stark, dass an die Finanzierung einer Ritterakademie nicht mehr zu denken war. Das Projekt hatte zudem von Anfang an kaum Unterstützung im böhmischen Adel selbst gefunden, sodass dieser nicht helfend beisprang und das Projekt sich schließlich verlief. Desing verließ Prag noch im Frühjahr 1745. Eine andere Ausrichtung nahm wenig später ein Akademieprojekt im mährischen Olmütz.59 Joseph Freiherr von Petrasch (1714–1772) unterhielt dort einen Diskussionskreis von Geistlichen und Offizieren, die sich über wissenschaftliche Fragen austauschten. Petrasch war selbst Mitglied der gelehrten Gesellschaften von Florenz und Cortona, und so entstand noch 1746 die Idee, diese lose Gruppe zu einer Akademie auszuweiten. Eine besondere Stellung nimmt diese Societas eruditorum incognitorum in terris Austriacis innerhalb der Akademiebewegung deshalb ein, weil sie von vornherein katholischen und protestantischen Mitgliedern gleichermaßen offenstand und ihre Statuten konfessionelle und politische Themen ausschlossen. Unter den Mitgliedern fanden sich Benediktiner wie Desing, Legipont oder der Abt des Regensburger Klosters St. Emmeram ebenso wie Beamte der böhmischen Hofkanzlei, der kaiserliche Leibarzt und protestantische Gelehrte. Ab Januar 1747 gab die Gesellschaft eine Zeitschrift heraus, die jedoch von Anfang an im Konflikt mit der jesuitischen Zensur stand. Trotz Verlegung des Druckortes von Olmütz nach Frankfurt und Leipzig musste die Veröffentlichung wenig später eingestellt werden. Petrasch zog sich aus der Unternehmung zurück, und die Mitglieder zerstreuten sich. Während Legipont vergeblich versuchte, die Societas eruditorum noch zu retten, gingen drei bayerische Gelehrte einen ähnlichen Weg. Sowohl der Rechtslehrer Johann Georg Lori (1723–1787) als auch der Historiker und Hofbibliothekar Andreas Felix Oefele (1706–1780) unterhielten in Ingolstadt bzw. in München Diskussionsrunden zu aktuellen philosophischen und politischen Themen. Gemeinsam mit Johann Adam Freiherr von Ickstatt  (1702–1776), der mit der Universitätsreform in Ingolstadt beauftragt war, planten sie die Gründung einer Bayerischen Gelehrten Gesellschaft.60 Die eigene Landesgeschichte, die Pflege der deutschen Sprache und ganz besonders die sogenannten realistischen Wissenschaften sollten in dieser Gesellschaft im Vordergrund stehen. Über Oefele hatte Lori auch den Pollinger Chorherrn Amort kennen gelernt, dessen Akademie-Ideen integriert wurden und der bei Klostervorstehern und Gelehrten für 59 Hemmerle: Olmützer Gelehrtenakademie; Grünwald: Forschen 127–129. 60 Boehm, Laetitia: Bayerns Beitrag zu Akademiebewegung. Die neue Universitas Doctorum. In: Spindler, Max / Kraus, Andreas / Albrecht, Dieter (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Band 2. Das alte Bayern: Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1988, 835–838, hier 837; Precht-Nußbaum: Amort 598–600, 602–603.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  59

das neue Projekt werben sollte. Auch die schon erwähnten Benediktiner Legipont und Forster hatten ihre Mitarbeit bereits zugesagt, als Lori in Ingolstadt wegen Aufklärertums und Luthertums angeklagt und von der Universität verbannt wurde. Seine Versetzung 1752 an das Münchener Münz- und Bergkollegium und die damit verbundenen Reisen brachten Lori in Kontakt mit der ausländischen Akademiebewegung besonders in Italien und der Schweiz, sodass die Aufnahme seiner Ideen zehn Jahre später von Erfolg gekrönt war. Die Zusammenführung der bayerischen und der monastischen Akademiebewegung gelang durch die Gründung der Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1759. Lori und seine Mitstreiter hatten ein Jahr zuvor zunächst eine private Gelehrte Gesellschaft gegründet, die schließlich mit der Übernahme der Protektion durch Kurfürst Max III. Josef an die Öffentlichkeit trat. Amort galt »als Senior und erstes Mitglied.«61 * * * Einzelne Ordensgelehrte bemühten sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts um die Errichtung einer wissenschaftlichen Vereinigung im süddeutschen Raum, wobei sich deutliche Unterschiede zwischen den Orden zeigen. Die benediktinische Akademiebewegung orientierte sich am französischen Vorbild der Mauriner und war zuvorderst eine inner-monastische Reformbewegung. Organisationsstruktur und inhaltliche Profile waren an die Bedürfnisse des eigenen Ordens angepasst. Hingegen hatte der Augustiner-Chorherr Amort zwar über Pez Kontakte zur österreichischen Akademiebewegung, nahm sich aber auch die italienischen und weltlichen französischen Gesellschaften und Zeitschriften zum Vorbild. Immer waren die Akademiepläne eng an die Situationen ihrer Gründer gekoppelt, was bei Amort zu einer thematischen Eingrenzung auf Theologie und Kirchengeschichte führte und die Naturforschung in den Hintergrund treten ließ. Besonders bei den Benediktinern fehlte die Unterstützung durch Äbte und Generalkapitel, sodass die Einzelinitiativen selten mehr als Ideen blieben. Mit der Beteiligung der gelehrten Patres an den weltlichen Akademieprojekten verschob sich das Ziel zur Organisation von Forschung. Die Bayerische Gelehrte Gesellschaft von 1749, insbesondere ihre Nachfolgerin von 1758 und anschließend die Bayerische Akademie der Wissenschaften dienten nicht mehr der Realisierung einzelner bestimmter Forschungsprojekte wie die Ordensakademien, sondern Themen und Fragestellungen aus allen wissenschaftlichen Gebieten. Doch die benediktinischen Gelehrten verloren ihr Ziel nicht aus den Augen. Zum Ende des Jahrhunderts nahm sich die bayerische Benediktinerkongregation

61 Brief Johann G.  Lori an Franziskus Töpsl vom 21.10.1758, abgedruckt in Spindler: Briefe 3–5.

60  Naturforschung im Kollektiv ein letztes Mal des Themas an, die Ordensstudien gezielt zu organisieren. Dies wird nachfolgend beleuchtet. Den Augustiner-Chorherren fehlte bis zuletzt eine vergleichbare Struktur, die sich mit diesem Anliegen hätte beschäftigen können. 2.1.2 Die Benediktiner-Akademie von 1779 Die Protokolle der Generalkapitel der Bayerischen Benediktinerkongregation geben einen ersten Eindruck von den Bemühungen, die Ende der 1770er Jahre den Akademiegedanken wiederaufleben ließen.62 Auf dem 30. Generalkapitel in Tegernsee wurde der Vorschlag gemacht, eine schriftliche Sammlung verdienstvoller Benediktiner zu erstellen, »einen Syllabus der Männer […], die an Heiligkeit und anderen Verdiensten hervorragten in den Klöstern.«63 Die anwesenden Äbte nahmen die Idee auf und entschieden, dass jeder Klostervorsteher in seinem Haus einen Mönch zur Bearbeitung dieser Aufgabe abstellen und dessen Ergebnisse an den Präses weiterleiten sollte.64 Dieser wiederum bestimmte einen Benediktiner, »der aus den in schriftlicher Form eingereichten Untersuchungen ein Werk verfaßt, das würdig ist, die Geschichte der Kongregation, ja des Vaterlandes, zu erhellen.«65 Die Akteure dieses Plans bleiben unbekannt. Wichtig an dieser Initiative waren zwei Aspekte: der Schwerpunkt monastischer Gelehrsamkeit lag weiterhin auf der Ordensgeschichte, der Blick ging nach innen. Gleichzeit lag ihr die Idee von kollaborativem Arbeiten zugrunde. Die Kongregation sollte die Organisation eines großen Werks übernehmen, zu dem jedes Kloster einen spezifischen Beitrag innerhalb eines größeren, zentralisierten Projekts beisteuerte. Die Protokolle des nachfolgenden Generalkapitels 1782 in Prüfening schweigen zu diesem Thema. Erst 1788 stand eine Anfrage zur Societas litteraria auf dem Programm, die die Äbte mit folgendem Beschluss beantworteten: »Damit aber die Wissenschaften mehr und mehr verbessert werden, wünschen wir, dass eine gelehrte Gesellschaft errichtet werde.«66 Die Ausarbeitung von Form und Programm legte das Generalkapitel unter die Direktion des Regens­burger Fürstabts Frobenius Forster und des Prüfeninger Abts Martin 62 Reichhold, Anselm: 300 Jahre Bayerische Benediktiner-Kongregation im Spiegel der wichtigsten Beschlüsse der Generalkapitel. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 95/3–4 (1984) 522–696. 63 30. Generalkapitel in Tegernsee 6.–8. Mai 1776; Siegmund, Albert: Die Bayerische Benediktiner-Akademie, ihre Vorväter und ihre Wiederbegründung. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 82 (1971) 365–378, hier 370. 64 Ebd. 370. 65 30. Generalkapitel in Tegernsee 6.–8. Mai 1776; Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 602. 66 Original: »Utque autem scientiae magis magisque excolantur, optamus, ut erigatur Societas quaedam literaria.« Siehe Hanser, Laurentius: Unsere Vorfahren. In: Jahresbericht der Academia Benedictina Bavarica 1 (1921) 3–33, hier 4.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  61

Pronath ­(1738–1790).67 Beide Äbte hatten sich in der Akademiebewegung und der Reform des Studienwesens intensiv beteiligt, aber beide waren auch schon hochbetagt. Pronath verstarb 1790, und Forster folgte ihm ein Jahr später. Auf dem nächsten Generalkapitel 1794 in Oberalteich lag damit auch kein ausgearbeiteter Plan für eine Benediktinerakademie vor. Die anwesenden Deputierten entschieden stattdessen, Preisaufgaben in drei verschiedenen Fächern zu stellen, »und zwar eine aus der Heiligen Schrift, eine aus der Geschichte der Väter und die dritte aus der Physik.«68 Mit dem dritten Themengebiet aus der Naturforschung unterschied sich dieses Projekt grundlegend von allen vorherigen. Statt einer Zusammenarbeit verschiedener Ordensgelehrten stand jedoch nun wieder die Einzelforschung ohne Verknüpfungen untereinander im Zentrum. Für die Beurteilung der Preisschriften wurden für jedes Fach drei Zensoren ausgewählt, jeweils ein Abt und zwei Konventuale. Die Bewertung der physikalischen Frage lag in den Händen des Andechser Abts Gregor Rauch (1749–1812) sowie der Patres Tassilo Beer aus Wessobrunn und Placidus Heinrich (1758–1825) aus St. Emmeram in Regensburg.69 Die erste historische Frage lautete: »Wer und von welchem Geschlechte war jener Pfalzgraf Rapatho, von welchem Cosmas Pragensis ad ann. 1073 sagt, er sei so mächtig und reich gewesen, daß er von Böhmen bis Rom durch lauter eigene Güter und Kastelle reisen konnte?« Die physikalische Frage behandelte den Ursprung des Regenbogens unter Berücksichtigung von Gen  9, 13–17.70 Am Ende des Generalkapitels 1797 in Tegernsee, welches das letzte der bayerischen Benediktiner vor der Säkularisation werden sollte, wurden die Preisträger verkündet. Der historische Preis zur Rapatho-Frage ging an Joseph Moritz (1769–1834) aus Ensdorf und Sebastian Günthner (1773–1820) aus Tegernsee. Günthner erhielt außerdem zwei weitere Sonderpreise für seine genealogischen Arbeiten. Den physikalischen Preis teilten sich Thaddäus Siber (1774–1854) aus Scheyern und Ildephons Holzwart (1761–1829) aus Reichenbach.71 Von den Preisschriften sind weder Drucke noch Manuskripte erhalten. Es muss also völlig unklar bleiben, zu welchen Ergebnissen die Preisträger kamen. 67 Siegmund: Benediktiner-Akademie 370–371. 68 33. Generalkapitel in Oberalteich 1794, Zitat aus Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 611–612. 69 Hanser: Vorfahren 5. 70 Gen 9, 13–17: »Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Zeichen des Bundes werden zwischen mir und der Erde. Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch verdirbt. Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde. Und Gott sprach zu Noach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet habe.« 71 Siegmund: Benediktiner-Akademie 372.

62  Naturforschung im Kollektiv Die neue Benediktinerakademie sollte jedoch nicht nur innerhalb des Ordens bekannt sein, sondern auch in engem Austausch mit der Bayerischen Akademie stehen. Ein Entschluss auf dem letzten Generalkapitel 1797 lautete, dass eine entsprechende Mitteilung nach München gehen solle.72 Auf ein Schreiben von Präses Karl Klocker (1748–1854) reagierte der Sekretär der Bayerischen Akademie mit einer Gratulation zur Gründung und der Zusicherung, »die von dieser Gesellschaft gekrönten historischen und philosophischen Preisschriften ihren akademischen Druckschriften einverleiben zu können.«73 Tatsächlich gedruckt wurde nur die historische Abhandlung von Moritz über Pfalzgraf Rapatho, für die er ein Honorar von 60 Dukaten erhielt.74 In Tegernsee hatte man 1797 das nächste Generalkapitel für das Jahr 1803 in Prüfening festgelegt. Wegen der bereits 1802 einsetzenden Klosteraufhebungen fand es jedoch nie statt. Noch im Januar notierte Präses Klocker in sein Rechnungsbuch: Seitdeme aber wirklich einige mit sonderbarem Fleiße ausgearbeitete, vortreffliche Abhandlungen ad Praesidium eingesendet worden, deren Belohnung bis auf das nächste Generalkapitel, wie letzthin, verschoben worden wäre: Zumalen aber nach der­ malig mißlicher Lage der Klöster kaum mehr ein derley Kapitel zu hoffen seyn wird, so habe ich, […] folgende honoraria für die eingesendeten Preisschriften ausgetheilet.75

Anschließend notierte Klocker Ausgaben von 17 Dukaten für vier Preisträger, von denen der physikalische Preis für eine Abhandlung über Blitzableiter an Anselm Ellinger  (1758–1816) aus Wessobrunn ging.76 Auch diese Preisschrift ist nicht erhalten. Ellinger war seit 1792 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie und hatte sich in einer früheren Abhandlung bereits mit elektrischen Therapien bei Augenkrankheiten auseinandergesetzt.77 Neben geodätischen Arbeiten beschäftigte er sich auch nach 1803 mit dem Gewitterschutz,

72 34. Generalkapitel in Tegernsee 1797, siehe dazu Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 613. 73 Brief Ildephons Kennedy an Karl Klocker vom 21.11.1797, abgedruckt in Hanser: Vorfahren 7–8. 74 Moritz, Joseph: Beantwortung der historischen Preisfrage: Wer, und von welchem Geschlechte war jener Pfalzgraf Rapotho von welchem vom Cosmas Pragensis ad annum 1073 gesagt wird, daß er so mächtig und reich war, daß er von Böhmen bis nach Rom durch lauter eigenthümliche Güter und Kastelle reisen konnte? In: Neue historische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 5 (1798) 507–639; Siegmund: Benediktiner-Akademie 373. 75 Zitiert nach Hanser: Vorfahren 8–9. 76 Siegmund: Benediktiner-Akademie 373. 77 Ellinger, Anselm: Von den bisherigen Versuchen über längere Voraussicht der Witterung. Eine geschichtliche Skitze mit Bemerkungen, vorgelesen in der öffentlichen Versammlung der königl. baier. Akademie der Wissenschaften. München 1815.

Akademien: Gelehrsamkeit organisieren  63

beispielsweise in seinen 1806 erschienen Beyträgen zur Erläuterung der Vorstellung von Wetterwolken und Blitzen. Der letzten süddeutschen Benediktinerakademie des 18. Jahrhunderts war nur ein sehr kurzes Bestehen gegönnt, bevor ihr mit den Klosteraufhebungen die Existenzgrundlage entzogen wurde. Gleichzeitig zeigt sie auf, wie viel leichter die Errichtung einer solchen Gesellschaft mit der Unterstützung übergeordneter Organisationsstrukturen verlaufen konnte im Gegensatz zu den Einzelinitiativen der 1740er und 50er Jahre. Mit dem Generationenwechsel beim Generalkapitel 1794 verschob sich der bisherige Schwerpunkt von Ordensgeschichte hin auch auf Fragen aus der Physik. Thematisch war dieses Projekt damit zwar breiter aufgestellt, aber von der Organisationsform her knüpfte es in keiner Weise an die Erfolge der französischen Mauriner an. Statt das Potential der Ordensgemeinschaft zu nutzen und kollektives Arbeiten zu unterstützen, förderte die Kongregation mit ihren Preisfragen kleinteilige Studien von Einzelpersonen. * * * Der Benediktiner Forster brachte 1751 seinen Wunsch zum Ausdruck, »Studien, die unserem Stande und Berufe entsprechen,« zu fördern und dachte damit vor allem an die Gründung einer Akademie oder Gelehrten Gesellschaft. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts bemühten sich süddeutsche Ordensgelehrte um eine Vernetzung und wissenschaftliche Zusammenarbeit. Mit den Projekten der französischen Benediktiner von St. Maur gab es ein Vorbild, das die bayerischen und österreichischen Mönche übernahmen und adaptierten. Die Benediktiner Desing, Legipont und Forster strebten daran anknüpfend nach einer innermonastischen Gelehrten Gesellschaft, in der die Gelehrten in erster Linie die Geschichte ihres Klosters, ihres Ordens und ihres Bistums im Blick hatten. Dementsprechend waren die Akademien darauf ausgerichtet, diese Studien zu unterstützen und voranzutreiben. Wegen dieser Binnen-Zentrierung, aber auch wegen der Uneinigkeit zwischen den benediktinischen Gelehrten und der fehlenden Unterstützung durch die Ordensoberen realisierten sich die Pläne nicht oder nur für kurze Zeit. Die Geschichte der süddeutschen benediktinischen Akademiebewegung ist jedoch weniger eine Geschichte des Scheiterns als eine der verpassten Chancen. Mit dem Augustiner-Chorherren Amort besaß die bayerische Akademiebewegung Impulse für eine ganz andere Form der Akademie. Amort orientierte sich stärker an den weltlichen Akademien und Zeitschriften in Frankreich, Italien und England und bezog auch experimentalphilosophische und astronomische Themen mit ein. Mitarbeiter für die Sternenkunde fand er aber nur außerhalb der Klöster, hauptsächlich bei Jesuiten; in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es noch keine weiter verbreitete monastische Naturforschung. Ab 1740 richtete Amort seine Tätigkeiten verstärkt auf seine Rollen als

64  Naturforschung im Kollektiv Theologe und Kirchenhistoriker aus, was sich unmittelbar in seinen Akademieprojekten widerspiegelte. Unabhängiger von den Umständen einzelner Gelehrter war die 1779 von der Bayerischen Benediktinerkongregation initiierte Akademie. Ihr Blick war nach innen gerichtet: ausgehend vom Plan zur Erstellung einer Sammlung verdienstvoller Patres sollte die später initiierte Form vor allem dazu dienen, »denjenigen, die sich ernstlich den Studien widmen, einen neuen Ansporn [zu] geben.«78 Es ging weniger um einen Beitrag zum gelehrten Diskurs als um einen Antrieb für Studien, und eigene Publikationen waren nicht geplant. Die Benediktinerakademie wollte Einzelarbeiten in Form von Preisschriften fördern und übernahm keine übergeordnete Koordinationsfunktion. Kollektiver Empirismus brauchte einen Organisator und Mitarbeiter, die Material sammelten. Für die historischen Großprojekte war das eine Arbeitsweise, die den Klostergelehrten sehr entgegen kam. Forschungsinhalt und -organisation gingen hier Hand in Hand. Quellen-Editionen und Biographie-Sammlungen verbanden Kloster-Archive miteinander und konnten auf diese Weise vergleichend und ergänzend ausgewertet werden. Die Arbeitsweise des kollektiven Empirismus war den Klostergelehrten in der Mitte des 18. Jahrhunderts sehr vertraut. Es erscheint daher zunächst wenig überraschend, dass die Klöster eine wichtige Funktion in der Sammlung von Wetterdaten einnahmen, wie zu Beginn des Kapitels angedeutet. Das Wesen der Arbeit des Zusammentragens von biographischen Informationen aus den Archiven an einem Ort scheint ähnlich zum Zusammenführen von meteorologischen Messdaten aus verschiedenen Stationen. Dennoch war die Rolle monastischer Naturforscher hier eine ganz andere als in den oben beschriebenen Projekten. Es ist nun an der Zeit, die monastische Meteorologie näher zu untersuchen.

2.2 Meteorologie: Das Wetter vermessen Und wer sind die vielen, unter welche sie [die Witterungsbeobachtung] soll getheilet werden? […] Alles […] verspreche ich mir von jenen würdigen, in ganz Baiern ausgebreiteten Männern, welchen ihre ruhige Lebensart, ihr thätiger Geist, und ihre dankbare Liebe gegen den Staat, der sie unterhält, alle jene Mittel an die Hand giebt, mit welchen mein Witterungsbeobachter versehen seyn soll. Ordensleute verstehe ich, vorzüglich diejenigen, welche nach ihrer Verfassung den gewählten Berufsort, wenigst die Gegend nie verwechseln.79 [eigene Hervorhebung] 78 33. Generalkapitel 1794 in Oberalteich; siehe Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 611–612. 79 Epp, Franz Xaver: Ueber die Wetterbeobachtungen. Eine Rede abgelesen an dem höchsten Namensfest Seiner Churfürstlichen Durchläucht zu Pfalzbaiern etc. Karl Theodor. München 1780, 37–38.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  65

Ende des 18. Jahrhunderts gerieten Klöster in den Fokus eines Großprojekts: der Errichtung eines meteorologischen Messnetzes. In seiner Rede vor den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften in München skizzierte der Geistliche Rat Franz Xaver Epp (1744–1789) am 4. November des Jahres 1780 seine Ideen für ein Vorhaben, Informationen wie Lufttemperatur, Luftdruck oder Windstärke in Tabellen zu sammeln und damit die Grundlage für die in der Landwirtschaft so dringend benötigten Wettervorhersagen zu bilden. Epp hatte dabei genaue Vorstellungen davon, welche Daten wie zusammengetragen werden sollten – und auch von wem. Wetterbeobachtung war zwar schon seit Jahrhunderten Teil der monastischen Chronik-Tradition, aber bis zu Epps Akademierede in Klöstern nicht systematisch betrieben worden. Mit der Organisation von Beobachtungsnetzen durch wissenschaftliche Akademien veränderte sich die Situation, denn nun wurde eine große Menge von Datensammlern gebraucht. Am Beispiel der zwei süddeutschen meteorologischen Projekte durch die pfälzische und die bayerische Akademie untersuche ich, welche Erwartungen die Organisatoren an ihre Beobachter stellten. Wie diese Regularien auch in Form von Anleitungen in die Praxis umgesetzt wurden, zeigen anschließend die Wettertagebücher aus dem Kloster Fürstenfeld. Viele Klöster griffen die akademischen Initiativen auf, die in einigen Fällen bereits selbst mit Wetterbeobachtungen beschäftigt waren. Gerade die geforderte Regelmäßigkeit der Datensammlung war mit der Zeiteinteilung im Klosteralltag direkt verknüpft: galt sie Außenstehenden als Garant für Zuverlässigkeit, führte sie innerhalb des Konvents zu Konflikten wegen zeitlicher Überlastung. Im letzten Abschnitt untersuche ich daher, mit welchen Maßnahmen die Mönche und Chorherren selbst auf die Anforderungen eines zunehmenden Wissenschaftsbetriebs reagierten. 2.2.1 Die Suche nach dem idealen Wetterbeobachter Die Erforschung des Wetters und das Bemühen um seine zuverlässige Vorhersage gehören seit jeher zu den Grundanliegen menschlicher Naturbeobachtung. Einen vielversprechenden Ansatz bot die gemeinsame Betrachtung der Wolken und der Planeten, und so ist die Geschichte der Meteorologie untrennbar mit derjenigen der Astrologie und der Astronomie verbunden. Die Frage nach der Beeinflussung der Witterung durch die Bewegung von Mond, Sonne und Planeten beschäftigte auch noch die Akademien des 18. Jahrhunderts. Ihren Höhepunkt erlangte die sogenannte Astrometeorologie zwei Jahrhunderte zuvor, als Astrologen wie Johannes Stöffler ihre Ephemeriden80 mit Wettervorhersa 80 Als Ephemeriden bezeichnet man Tafelwerke mit täglichen Eintragungen zur zukünftigen oder vergangenen Position von Himmelskörpern; in Anlehnung an diese astronomische Tradition bezeichnen meteorologische Ephemeriden Tabellen mit Witterungsbeobachtungen.

66  Naturforschung im Kollektiv gen versahen, die von der Position der Planeten zueinander und innerhalb des Zodiak abhingen.81 Bereits seit dem 16. Jahrhundert überprüften Astrometeo­ rologen ihre Prognosen anhand eigener regelmäßiger Wetteraufzeichnungen, die sie meist direkt in die gedruckten Almanache eintrugen. Wetteraufzeichnungen finden sich jedoch auch bei anderen Personengruppen.82 Besonders die aus dem Alltagsgeschehen herausragenden Wetter- und Himmelsereignisse, wie Blitzeinschläge oder sintflutartige Regenfälle, erhielten Aufmerksamkeit, zumal sie eine Verbindung zu höheren Mächten herzustellen schienen. Neben Priestern waren Landwirte, Seeleute und Chronisten über die Jahrhunderte mit der Beobachtung des Wetters betraut. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen variierte der Betrachtungsfokus: während sich der Schiffskapitän für Windstärke und Windrichtung entlang seiner Reiseroute interessierte, war der Bauer durch Temperatur und Feuchtigkeit in seiner eigenen Umgebung beeinflusst. Persönliche Tagebücher mit Eintragungen zum Wetter konnten medizinischem oder landwirtschaftlichem Interesse entspringen – oder der Autor war auf der Suche nach einer Beeinflussung seiner eigenen Gemütslage durch die Witterung.83 Schließlich blickte der Chronist auf alles Erwähnens­ werte, das in seinem Betrachtungsraum stattfand  – inklusive Stürmen und Wetterkatastrophen. Die Einführung quantitativer Wetterbeobachtung und die Entwicklung von Messinstrumenten hängen eng miteinander zusammen. Das älteste meteo­ rologische Instrument, die Windfahne, diente der Bestimmung der Windrichtung und konnte durch einen geübten Beobachter ersetzt werden. Die für den weiteren Gang der Meteorologiegeschichte wichtigsten Instrumente bildeten das Thermometer und das Barometer, deren Entwicklung den Mitgliedern der Florentiner Accademia del Cimento zugeschrieben wird.84 Das eigentliche Problem war jedoch die Instrumentenvereinheitlichung. Parallel zum Instrumentenbau verlief daher die Ausarbeitung von Einheitensystemen, um der an einem Messgerät abgelesenen Zahl durch Vergleich mit einer Norm auch Bedeutung verleihen zu können. Für die Nutzung von Messdaten durch unterschiedliche Instrumente musste außerdem eine einheitliche Kalibrierung gewährleistet sein.

81 Zur Geschichte der Astrometeorologie siehe Hellmann, Gustav: Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. In: Meteorologische Zeitschrift 18 (1901) 145–157; Klemm, Fritz: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Franken und Bayern bis 1700. Offenbach am Main 1973; Golinski: Climate of Enlightenment. 82 Zu Wetterbeobachtungen vor 1700 siehe Frisinger, Howard H.: The History of Mete­ orology to 1800. New York 1977. 83 Golinski: Climate of Enlightenment 81. 84 Zur Entwicklung meteorologischer Instrumente siehe Weigl, Engelhard: Instrumente der Neuzeit. Die Entdeckung der modernen Wirklichkeit. Stuttgart 1990, 86–100.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  67

Mit der Zunahme langer Wetter-Beobachtungsreihen an festen Orten stellte sich zunehmend auch die Frage nach ihrer Auswertung und Nutzung. Mit der Entwicklung von Instrumenten vergrößerte sich die Datenmenge, mit deren Hilfe nach periodischen Regelmäßigkeiten gesucht werden konnte. Dies geschah zunächst durch eine »Meteorologia parallela,« durch Vergleiche innerhalb der Reihen einer Station, aber auch zwischen verschiedenen Standorten.85 Das erste koordinierte Netz von Beobachtungen entstand 1654 unter dem Großherzog Ferdinand II. von Toscana, der seinen Hofgeistlichen Luigi Antinori (geb. 1679) damit beauftragte, Instrumente und vorgefertigte Formulare an seine jesuitischen Ordensbrüder zu verteilen.86 Aus ganz Europa gelangten daraufhin Aufzeichnungen von Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und Himmelsschau nach Italien. Ähnliche Anstöße kamen von der Royal Society in London und der Russischen Akademie in St. Petersburg. Robert Hooke ­(1635–1702) erstellte für die Londoner Akademie 1667 eine Method for Making a History of the Weather, in der er bereits auf die Verwendung der charakteristischen Tabellen mit acht Spalten – ein Monat auf einer Seite – bestand.87 Erst fünfzig Jahre später lassen sich zwei weitere Versuche finden, Wetternetze zu errichten. Der Breslauer Arzt Johann Kanold (1679–1729) publizierte ab 1717 vierteljährlich seine Breslauer Sammlung, eine Zusammenstellung von Beobachtungsdaten aus einem Dutzend europäischer Standorte.88 Die Beobachter waren Mitglieder von »Societäten, Medicis und Theologis« und mussten sich ihre Messinstrumente selbst besorgen.89 Da Kanold keine genauen Vorschriften für die Beobachtungszeiten gemacht hatte, unterschieden sich die Zeitpunkte zwischen den Messreihen stark. Über die verwendeten Messgeräte machten die Beobachter so gut wie keine Angaben. Bereits ab 1720 musste Kanold aus finanziellen Gründen den Druck der Wetterreihen zurückfahren und konnte nur noch Zusammenfassungen von Witterungsbeschreibungen drucken. Diese 85 Feldman: Meteorology 150–151. 86 Zum Florentiner Wetternetz siehe Schneider-Carius, Karl: Wetterkunde  – Wetter­ forschung. Geschichte ihrer Probleme und Erkenntnisse in Dokumenten aus drei Jahrtausenden. Freiburg im Breisgau, München 1955, 71; Klemm: Entwicklung 8. 87 Zu den Beobachtungsanleitungen der Royal Society siehe Schneider-Carius: Wetter­ kunde 71. 88 Feldman: Meteorology 147. 89 Lüdecke, Cornelia: Von der Kanoldsammlung (1717–1726) zu den Ephemeriden der Societas Meteorologica Palatina (1781–1792). Meteorologische Quellen zur Umweltgeschichte des 18. Jahrhunderts. In: Popplow, Marcus (Hg.): Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts. Münster u. a. 2010, 97–119, hier 98. Namentlich bekannt sind Kanold selbst als Beobachter in Breslau, der Bürgermeister Christian Trautmann in Löbau in Sachsen und der Astronom Johann Leonhard Rost in Nürnberg, vgl. Hellmann, Gustav: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Deutschland von den ersten Anfängen bis zur Einrichtung staatlicher Beobachtungsnetze. Berlin 1926, 15.

68  Naturforschung im Kollektiv erschienen noch bis zu seinem Tod im Jahr 1729. In London wiederholte die Royal Society ab 1723 ihre meteorologischen Bemühungen, indem ihr Sekretär James Jurin (1684–1750) eine Invitatio ad observationes meteorologicas veröffentlichte und zur Aufnahme von Wetterbeobachtungen aufrief. Sehr unregelmäßig erreichten die Society im Laufe des folgenden Jahrzehnts die Register, die zumeist von Ärzten in Großbritannien, Kontinentaleuropa und Nordamerika erstellt wurden. Das Akademiemitglied William Derham (1657–1735) edierte die eingehenden Daten für die Publikation in den Philosophical Transactions. Mangelnde Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der meteorologischen Instrumente erschwerten seine Arbeit.90 Hinzu kam die Tatsache, dass sich die Beobachter selten an die Anweisungen von Jurin hielten, und Derham beklagte ihre Unzuverlässigkeit mit den Worten: »[T]hese investigations require not only industry and inclination, but also leisure and means and opportunity, which you seldom find together.«91 Auf die Projekte in Breslau und London folgte ein Rückgang meteorologischer Tätigkeiten. Erst nach Ende einer kriegsintensiven Phase nahm die Anzahl von Beobachterstationen und Publikationen ab den 1770er Jahren wieder rapide zu.92 Zwei Entwicklungen hatten daran besonderen Anteil: das kameralistische Interesse an der Wetterkunde mit ihren Verknüpfungen zu Landwirtschaft und Gesundheitswesen sowie eine Weiterentwicklung der Messinstrumente durch die exakte Experimentalphysik. Die Veränderungen waren insbesondere in der Festlegung der verwendeten Einheiten und in der Betonung von Disziplin bei den Beobachtern spürbar. Jurin hatte für die Royal Society nur einmal tägliche Messungen gefordert; die nachfolgenden Projekte verlangten bereits, die Werte mindestens dreimal am Tag zu notieren. Dem Anspruch des aufgeklärten Absolutismus nach einer vollständigen Erfassung von Land und Bevölkerung konnten nur gemeinsame Datensammlungen zu Wetter, Hygiene, Landwirtschaft und Krankheiten gerecht werden. Entsprechend intensiv waren die Bemühungen nicht nur der Akademien, sondern auch gerade der Patriotischen Gesellschaften zum kollektiven Sammeln. In Schlesien organisierte Abt Ignaz Felbiger (1724–1788) aus dem AugustinerChorherrenstift Sagan zusammen mit der Patriotischen Gesellschaft in Breslau ein Wetternetz, das Felbiger selbst als Nachfolger der Kanold-Sammlung betrachtete. In seiner Anleitung beschrieb er drei Beobachtungszeiten  – kurz nach Dämmerung, mittags und am Abend etwa um 22 Uhr – und machte genaue Vorgaben hinsichtlich Notation und Genauigkeit. Der Erfolg blieb jedoch aus: Felbiger erreichten nur wenige Einsendungen mit sporadischen Messungen

90 Feldman: Meteorology 147–149; Golinski: Climate of Enlightenment 55, 142. 91 Zitiert nach Feldman: Meteorology 149. 92 Ebd. 153.

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und oftmals sogar ganz ohne Instrumente.93 Ähnlich erging es dem Aufruf der Prager Patriotischen Gesellschaft, dem überhaupt keine Einsendungen folgten.94 Die Verbindung von Wetter, Landwirtschaft und Gesundheit lässt sich in den Projekten der Oekonomischen Gesellschaft in Bern sowie der Société d’agriculture und der Société royale de médecine in Frankreich besonders gut erkennen. Ihre Abhandlungen enthielten neben Wetterdaten auch Informationen über Ernte-Entwicklungen oder Krankheitsverläufe bei Tieren und Menschen.95 Die Leitung des Messnetzes der Societé royale de médecine lag in den Händen von Louis Cotte  (1740–1815), der sich 1774 bereits einen Namen als Meteorologe durch die Publikation seines Traité de Météorologie gemacht hatte. Er redigierte und veröffentlichte die Einsendungen ab 1776, die hauptsächlich von Landärzten erstellt wurden. Die Anzahl der Stationen betrug zu Beginn 31 und stieg bis 1786 auf 65 an.96 Die wichtigste Voraussetzung für die Mitarbeit waren Kenntnisse im Umgang mit meteorologischen Messinstrumenten, besonders einem Quecksilber-Thermometer und einem Barometer. Darüber hinaus beschrieb Cotte die Anforderungen an die Wetterbeobachter mit den Worten »une grande exactitude & un esprit d’ordre.«97 Die Organisation kollektiven Sammelns stand vor zwei grundlegenden Herausforderungen: die Auswahl und Motivation der Beobachter sowie die Garantie von Qualität und Vergleichbarkeit der Daten. Nicht jede Person war für diese Aufgabe gleichermaßen gut geeignet, denn das Ausfüllen der Tabellen erforderte Disziplin, Zuverlässigkeit und Genauigkeit. Der Beobachter sollte im besten Fall ein ruhiges und geregeltes Leben führen. Lücken in den Beobachtungsreihen waren in jedem Fall zu vermeiden. Die bisher vorgestellten europäischen Initiativen begegneten diesen Problemen auf unterschiedliche Weise. Der Blick richtet sich im folgenden Kapitel auf die Projekte und Initiativen im süddeutschen Raum, die sich parallel entwickelten. Bot Klostergelehrsamkeit vielleicht die Antwort auf alle diese Probleme? 2.2.2 Messnetze in Mannheim und München Der kurfürstlich-geistliche Rat Epp nannte in seiner anfangs zitierten Akademierede von 1780 den Ordensgelehrten als Wunschbeobachter für ein meteorologisches Messnetz. Für Epp stellte die monastische Lebensweise die Grundlage für ein funktionierendes Sammlerkollektiv dar. Gleichzeitig mit diesem bayerischen Plan startete in Mannheim ein viel ehrgeizigeres Projekt für ein Wetternetz, 93 Ebd. 159–160. 94 Ebd. 160. 95 Ebd. 160–161. 96 Hellmann, Gustav: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Berlin 1927, 13. 97 Cotte, Louis: Traité De Météorologie. Paris 1774, 518.

70  Naturforschung im Kollektiv das auf Institutionen statt auf Einzelbeobachter setzte. Auch hier waren Klöster prominent vertreten. Beide Initiativen versuchten damit die Fehler und Schwächen vorangegangener Pläne zu vermeiden. Dieses Kapitel nimmt diesen Teil der süddeutschen Meteorologiegeschichte in drei Schritten unter die Lupe: 1. mit den erfolglosen Aktionen der frühen Bayerischen Akademie der Wissenschaften und in Karlsruhe, 2. mit der Societas Meteorologica Palatina in Mannheim und 3. mit dem Messnetz der Bayerischen Akademie ab 1780. Immer steht die Frage im Mittelpunkt: Welche Erwartungen stellten die Organisatoren an ihre Datensammler und inwiefern konnte die monastische Lebensweise darauf eine Antwort bieten? 2.2.2.1 Erste Pläne bis 1780 Die erste Forderung nach einem koordinierten meteorologischen Beobachtungsnetz im süddeutschen Raum stellte der aus Jena stammende Georg ­A lbrecht Hamberger (1662–1716) im Jahr 1701 in seiner Dissertatio academica de baro­metris. Darin betonte er, dass nur die gleichzeitige Wetterbeobachtung an mehreren Stationen die Witterungskunde verbessern könnte. Gleiche Beobachtungs­zeiten und die Verwendung möglichst baugleicher Barometer waren für Hamberger die Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Netzes. Der Vorschlag wurde jedoch nicht in die Tat umgesetzt.98 Für die mit der Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften beschäftigten Männer spielte die Meteorologie von Anfang an eine wichtige Rolle. Schon in einer der Sitzungen der Bayerischen Gelehrten Gesellschaft, dem Vorläufer der späteren kurfürstlichen Akademie, beschlossen die anwesenden Mitglieder, dass »[d]ie P. P.  Augustiner, […] wegen Bequemlichkeit des Ortes die Versuche mit dem Regenmesser zu machen, ersuchet werden« sollten.99 Die Bedeutung einheitlicher Maßsysteme für die Instrumente zum Austausch der Daten war den Beteiligten wohl bewusst. Bei der Vorführung eines Regenmessers einigten sie sich daher darauf, »die Beobachtungen nach dem bayer. Landschuch zu machen, doch aber in öffentlichen Schriften das Pariser Maas, zum Besten der Ausländer, beyzusetzen.«100 Der spätere Akademiesekretär Lori versuchte in den anschließenden Wochen, weitere Wetterbeobachter für die bis 98 Zu Hambergers Projekt siehe Lang, Carl: Die Bestrebungen Bayerns auf meteorologischem Gebiet im 18. Jahrhundert. In: Sitzungsberichte der mathematisch-physikalischen Classe der k.b. Akademie der Wissenschaften zu München 20 (1890) 11–33, hier 12; Lingelbach, E.: Vom Messnetz der Societas Meteorologica Palatina zu den weltweiten Messnetzen heute. In: Deutscher Wetterdienst (Hg.): Societas Meteorologica Palatina 1780–1795. Offenbach am Main 1980, 1–9, hier 2. 99 Rudhart, Georg Thomas: Erinnerungen an Johann Georg von Lori. Eine Rede, vorgetragen in d. öffentl. Sitzung zur Feier d. akadem. Saecularfestes am 29. März 1859. München 1859, 27–28. 100 Ebd. 27–28.

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her noch private Gesellschaft zu finden. Stolz berichtete er an den Benediktiner Michael Lory  (1728–1787) in Tegernsee: »Dann wir haben in verschiedenen Klöstern schon die gute Köpfe für Spione der Natur aufgestellet, um die Wärme, die Hoche der Lage etc. zu bestimmen.«101 Lori hoffte auch auf die Mitarbeit aus Tegernsee und bat den Benediktiner, ebenfalls »das fallen und steigen auf dem Thermometer und Barometer, samt der Witterung, und Winden, wo es möglich ist, Tägl[ich]« aufzuschreiben. Michael Lory nahm diese Idee nicht weiter auf; als er bereits im darauffolgenden Jahr an die Universität Salzburg wechselte, ermunterte ihn Lori nicht weiter. In den ersten Wochen nach der Gründung der Bayerischen Gelehrten Gesellschaft 1758 reisten Lori und einer seiner Mitstreiter, der spätere Münz- und Bergrat Johann Dominikus von Linprun (1714–1787), zur Wallfahrtskirche auf dem Hohenpeißenberg. Die Augustiner-Chorherren des nahen Stifts Rottenbuch versahen ihre Betreuung, und Loris Besuch galt dem Chorherren Anton Wittner (1726–1792), der dort die Wallfahrtsseelsorge versah. Lori und Linprun konnten Wittner offenbar zur Aufnahme von Wetterbeobachtungen ermuntern, denn im nachfolgenden Jahr erreichte die Akademie ein Brief mit »Observationes Barometri in Hochen-Peißenberg Bavar. Super« aus der Zeit von November 1758 bis Februar 1759. Es blieb jedoch bei dieser einmaligen Übersendung, und der Kontakt zwischen Lori und dem Chorherren Wittner brach anschließend ab.102 Außer den Beobachtungsaufzeichnungen von Wittner erreichten die Bayerische Akademie in den nachfolgenden zwei Jahrzehnten kaum meteorologische Einsendungen. Albrecht Euler (1734–1800) schickte seine Tabellen aus den Jahren 1762 bis 1765, genauso wie der Stuttgarter Professor Johann Christian Volz für 1761.103 Im selben Jahr begann der Leiter des Münchener Kadettenkorps Oberst Klingberg mit seinen Schülern Wetterbeobachtungen zu notieren, die jedoch bereits ein Jahr später mit dem Tod des Obersts ihr Ende fanden.104 In der Frühphase der Bayerischen Akademie stand vor allem der Druck eines astronomisch-physikalischen Kalenders im Fokus der Philosophischen Klasse, mit dessen Bearbeitung ab 1760 der schweizerische Mathematiker Johann Heinrich Lambert (1728–1777) beauftragt wurde. In diesem Zusammenhang erarbeitete Lambert auch einen Entwurf des gesamten Wissenschaftssystems und einen Vorschlag zur Erstellung eines meteorologischen Tagregisters. Mit diesen Plänen entstanden erstmals im kurbayerischen Raum präzise Beobachteranleitungen, die an Stationen hätten verschickt werden können. Über eine Charakterisierung 101 Brief Johann G. Lori an Michael Lory vom 29.12.1758, abgedruckt in Spindler: Briefe 21. 102 Zu Anton Wittner und den ersten Wetterbeobachtungen auf dem Hohenpeißenberg siehe auch Kapitel 2.2.3.2. 103 Westenrieder, Lorenz von: Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften. Erster Theil von 1759–1777. München 1784, 71, 108, 129, 147–148, 159. 104 Ebd. 77; Winkler, Peter: Die Anfänge der Meteorologie in Oberbayern. In: Oberbayerisches Archiv 140 (2016) 118–204, hier 125.

72  Naturforschung im Kollektiv der Meteorologen äußerte sich Lambert in seinen Schriften nur insoweit, als dass das Führen eines Wettertagebuchs »solchen Mitgliedern übergeben [werden soll], die Gelegenheit, Zeit und Beruf dazu haben. Ist die Einrichtung davon einmal getroffen, so braucht ihre Vollziehung kein weiteres Kopfbrechen, welches zu schwerern Arbeiten gespart werden kann.«105 Lamberts Ideen fanden in den Folgejahren jedoch keine Anwendung durch Akademiemitglieder. Nach dem Rücktritt Loris als Sekretär der Bayerischen Akademie im Jahr 1761 und dem Umzug Lamberts ein Jahr später nach Berlin griff niemand in der Akademie das Thema eines meteorologischen Messnetzes für die nächsten 20 Jahre auf. Konkrete Pläne entstanden dann zunächst auch nicht in München, sondern in Karlsruhe in der Markgrafschaft Baden.106 Der Gymnasialprofessor Lorenz Böckmann  (1741–1802) rief 1778 eine Badische Witterungsanstalt ins Leben und kontaktierte Akademien und Gelehrte im badischen Raum, um sie um die Aufnahme von regelmäßigen Wetteraufzeichnungen zu bitten.107 Böckmann war Hofrat am Karlsruher Hof und hatte zuvor ein markgräfliches physikalisches Kabinett eingerichtet. Die Unterstützung seines Landesherrn holte er sich zuerst ein, bevor er seine Ideen in die Tat umsetzte. Grundlage für die Vergleich­barkeit der Daten sollte die Verwendung derselben Einheiten und Kalibrierungen für Messinstrumente sowie feste Beobachtungszeiten sein. Die dafür be­nötigten Thermometer und Barometer stellte der Straßburger Mechaniker Carl Artaria (Lebensdaten unbekannt) her und wurden durch die Badische Witterungs­ anstalt bezahlt. 1779 konnte Böckmann die ersten Beobachtungen veröffentlichen; aus Geldmangel musste er die Publikation der Daten jedoch wenige Jahre später wieder einstellen.108 Böckmann hatte an eine überschaubare Anzahl von Beobachterstationen gedacht, die ihre Daten zu ihm nach Karlsruhe schicken sollten. Da es ihm nur gelang, seine eigenen Messwerte zu publizieren, sind die Namen und Standorte der Badischen Witterungsanstalt bis heute unbekannt geblieben. Die Kriterien für die Auswahl der Beobachter können daher nur erahnt werden. In seiner ersten Publikation über Wünsche und Ansichten zur Erweiterung und Ver­vollkommnung der Witterungslehre spricht Böckmann von »12–16 Orten, die ihrer besonderen Lage wegen den mehrsten und merklichsten Veränderungen in der Witterung ausge 105 Westenrieder: Geschichte 1 499. 106 Seit 1771 waren die Markgrafschaft Baden-Durlach und die Markgrafschaft Baden-Baden vereinigt zur Markgrafschaft Baden unter Markgraf Karl Friedrich und der Residenzstadt Carlsruhe. 1806 entstand daraus das Großherzogtum Baden. 107 Zur Badischen Witterungsanstalt siehe Hellmann: Beobachtungsnetze 18–19; Kistner, Adolf: Die Pflege der Naturwissenschaften in Mannheim zur Zeit Karl Theodors. Mannheim 1930, 96–97; Lüdecke: Kanoldsammlung 108–109; Richter, Linda: Semiotik, Physik, Organik. Eine Geschichte des Wissens vom Wetter (1750–1850). Frankfurt, New York 2019, 312–216. 108 Böckmann, Johann Lorenz: Carlsruher meteorologische Ephemeriden vom Jahr 1779. Karlsruhe 1780.

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setzt sind.«109 Tatsächlich waren eine Mehrzahl der Witterungsbeobachter wohl Pfarrer gewesen, denn im ersten und einzigen Band Carlsruher meteorologischer Ephemeriden aus dem Jahr 1780 verkündet Böckmann: »Das meteorologische Institut, welches ich damals als werdend ankündigte, ist nun würklich da. An 16 dazu besonders ausgesuchten Orten, […] wetteifern fleißige und aufmerksame Beobachter, die größtentheils würdige Mitglieder des Predigtamts sind, in Bemerkung der Veränderungen der Witterung und deren Folgen.«110 In diesem badischen Wetterprojekt spielten Klostergelehrte keine Rolle. Hätte es monastische Naturforscher in dem Gebiet gegeben, das Böckmann für seine Witterungsanstalt vorgesehen hatte? Böckmann beschreibt die Lage der Standorte als Menge von »Orten, die von Basel bis Pforzheim ein ordentliches Zickzack machen.«111 Damit deckt die Fläche das Bistum Speyer und den nördlichen Teil des Bistums Konstanz ab. Im Bistum Speyer gab es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keine Klöster, die Gelehrsamkeit allgemein oder speziell Naturforschung betrieben.112 Hingegen befanden sich im Konstanzer Bistum eine Vielzahl an Benediktinerklöstern, die über umfangreiche Instrumentensammlungen verfügten und theoretisch für ein derartiges Wetternetz herangezogen hätten werden können. Darunter zählten beispielsweise die Klöster Ochsenhausen, Weingarten, Einsiedeln oder Engelberg.113 Böckmanns Wahl fiel stattdessen auf Pfarrer und gelehrte Staatsdiener in Mannheim, die selbst Wetterbeobachtungen durchführten. Die Idee eines zentral organisierten meteorologischen Beobachtungsnetzes war in Süddeutschland seit Anfang des Jahrhunderts vorhanden, aber die Projekte konnten sich nicht etablieren. Es fehlte entweder an personeller Kontinuität oder an einer stabilen Finanzierung. Ganz anders sah das bei dem ambitionierten Plan eines Mannheimer Hofkaplans aus, der nichts Geringeres als ein weltweites Beobachtungsnetz im Sinn hatte. Die bereits von Lori angedachten Messstationen auf dem Hohenpeißenberg und im Kloster Tegernsee sollten nun wieder eine wichtige Funktion übernehmen.

109 Böckmann, Johann Lorenz: Wünsche und Ansichten zur Erweiterung und Vervollkommnung der Witterungslehre. Einsichtsvollen Naturforschern zur Prüfung und Theilnehmung dargestellt. Karlsruhe 1778, 24–25. 110 Böckmann: Ephemeriden 4–5. 111 Ebd. 4. 112 Im Bistum Speyer existierten über den Zeitraum 1710 bis 1800 49 Ordensniederlassungen, davon 42 männliche. Es finden sich 11 Kapuzinerklöster, 4 Jesuitenkollegien, 8 Kolle­ giatstifte (Kanoniker), 5 Johanniterkommenden, je 4 Franziskanerklöster und Augustiner­ eremitenklöster, 2 Deutschordenskommenden und jeweils ein Kloster der Barmherzigen Brüder, der Piaristen, der Dominikaner und der Karmeliten. Siehe dazu die Klosterdatenbank der Germania Sacra, aufgerufen am 24.04.2020. 113 Brachner: Ochsenhausen.

74  Naturforschung im Kollektiv 2.2.2.2 Societas Meteorologica Palatina Unter den Männern, die ihre Zustimmung zu Böckmanns Plan gegeben hatten, befanden sich auch der Direktor der Kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften und der kurfürstliche Hofkaplan Johann Jakob Hemmer (1733–1790). Beide waren von der Notwendigkeit eines meteorologischen Beobachtungsnetzes überzeugt und konnten auch ihren Dienstherrn Kurfürst Karl Theodor für diese Idee begeistern. Am 15. September 1780 unterzeichnete der Kurfürst das Stiftungsprivileg für eine Societas Meteorologica Palatina, die als dritte Klasse der Kurpfälzischen Akademie integriert wurde.114 Hemmer wurde zum Sekretär ernannt, während die beiden Astronomen Christian Mayer (1719–1783) und Karl König (geb. 1761) die Gruppe der ordentlichen Mitglieder bildeten. Dieses Projekt nimmt in der Geschichte der Witterungskunde einen herausragenden Platz ein: Das erste Mal gelang es, ein Beobachtungsnetz mit globaler Ausdehnung auf der Grundlage von einheitlichen Beobachtungsanleitungen und standardisierten Messinstrumenten aufzubauen. Eine europa- oder gar weltweite Ausdehnung stand zu Beginn der Planungen gar nicht fest, denn Hemmer ging zunächst nur von einem rein pfalzbayerischen Messnetz aus. Der Grund für die geographische Ausweitung ist unbekannt, erfolgte aber noch vor Ausarbeitung des Stiftungsbriefes. Dennoch war die Dichte der Beobachterstationen in Pfalzbayern von Anfang an deutlich höher als in den restlichen Teilen des Wetternetzes. Die Auswahl der Stationen übernahm hier der Sohn des Pfälzischen Akademiedirektors Stephan von Stengel (1750–1822). Als Geheimer Kabinettssekretär zog er 1778 mit Kurfürst Karl Theodor von Mannheim nach München. Von seinem Vater hatte er die Durchführung von Wetterbeobachtungen übernommen und diese in Mannheim und später in München fleißig fortgesetzt. Über die Anfänge der Societas Meteorologica Palatina erinnerte er sich: »in bayern besorgte ich die Errichtung folgender Beobachtungspunkte 1 Ingolstadt, 2 St. Emeram, 3 München (Augustiner), 4 St. Zeno, 5 Heiligenberg, 6 Tegernsee.«115 Was hatte es mit diesen Orten auf sich? Im Regensburger Benediktinerkloster St. Emmeram stellte Coelestin Steiglehner (1738–1819) seit fast zehn Jahren tägliche Wetterbeobachtungen an und war auch in Baden bei Böckmann bekannt 114 Zur Geschichte der Societas Meteorologica Palatina siehe Cassidy, David C.: Meteorology in Mannheim: The Palatine Meteorological Society, 1780–1795. In: Sudhoffs Archiv 69/1 (1985) 8–25; Cappel, Albert: Societas Meteorologica Palatina (1780–1795). In: Deutscher Wetterdienst (Hg.): Societas Meteorologica Palatina 1780–1795. Offenbach am Main 1980, 10–27; Budde, Kai: Johann Jakob Hemmer (1733–1790). Geistlicher, Sprachforscher, Physiker und Meteorologe. In: Kreutz, Jörg / Kreutz, Wilhelm / Wiegand, Hermann (Hg.): In omnibus veritas. 250 Jahre Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften in Mannheim 1763–1806. Mannheim 2014, 151–176. 115 ABAdW NL Martius 15 Nr. 30/7.

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gewesen. Als die Societas ihre meteorologische Arbeit aufnahm, übernahm Steiglehner im selben Jahr Vorlesungen an der Universität Ingolstadt. Es ergab sich damit, dass Steiglehner seine Messreihen dort fortsetzte und nach Mannheim sandte, während sein Mitbruder Placidus Heinrich die Regensburger Beobachtungen übernahm. Zusätzlich zu den von Stengel genannten Stationen kam noch der Hohenpeißenberg mit den Rottenbucher Augustiner-Chorherren hinzu. Hier befand sich seit 1775 ein kurfürstliches Observatorium im Aufbau, das die fehlende akademische Sternwarte in München ersetzen sollte.116 Die Namen der Beobachter für München lauten in den Ephemeriden Huebpauer und ab 1788 Imhof. Dabei handelt es sich nicht um zwei Mitglieder der Bayerischen Akademie, sondern um die Augustiner-Eremiten Theophil Huebpauer (1749–1825) und Maximus Imhof (1758–1817).117 Damit waren alle bayerischen Beobachter Ordensgelehrte. Mit der offiziellen Anerkennung durch Kurfürst Karl Theodor im Herbst 1780 nahm das Projekt eine ganz neue Ausformung an. Im darauffolgenden Januar verschickte Hemmer Einladungen zur Mitarbeit an Personen in ganz Europa. Dabei handelte es sich um die Akademien in Berlin, Bologna, Brüssel, Genf, Göttingen, Kopenhagen, La Rochelle, Petersburg, Stockholm, Turin, Paris, London, Lemberg, Lissabon, Madrid und Montpellier, die Universitäten in Ofen (Buda), Prag, Rom, Dublin, Edinburgh, Franeker, Münster und Wien sowie die beiden pfalzbayerischen Stationen Düsseldorf und München und drei Gelehrte in Padua, Sagan und Montmorency.118 Damit sollten mit drei Ausnahmen vor allem wissenschaftliche Institutionen wie Akademien und Universitäten die Knotenpunkte in Hemmers Wetternetz bilden. Hinzu kamen drei für die Witterungskunde bereits verdiente Gelehrte: Johann Felbiger, Propst zu Sagen, beobachtete seit 1771 regelmäßig das Wetter und hatte gemeinsam mit der Patriotischen Gesellschaft in Breslau ab 1773 Pläne für ein schlesisches Wetternetz erarbeitet; Giuseppe Toaldo (1719–1797) war Professor für Astronomie an der Universität Padua und hatte ein Lehrbuch über die Witterungslehre für die Landwirtschaft geschrieben; und der Franzose Louis Cotte gab 1774 in seinem Traité de Météorologie unter anderem Regentafeln für zehn französische Orte heraus. Der Fokus Hemmers auf Institutionen statt auf Einzelpersonen stellte europaweit eine neue Strategie der Rekrutierung dar; Hemmer lagerte das Pro­­ blem der personellen Kontinuität dadurch gewissermaßen aus.119 Nicht aus allen Orten kamen positive Antworten nach Mannheim zurück. Im Laufe der Jahre kamen noch andere Standorte dazu, sodass schließlich Messdaten aus 39 ver 116 Zur Errichtung einer Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg siehe Kapitel 3.3.3. 117 Huebpauer war nie Mitglied der Bayerischen Akademie und Imhof wurde erst 1791 aufgenommen. 118 Ebd. 119 Feldman: Meteorology 170.

76  Naturforschung im Kollektiv schiedenen Stationen zusammengetragen werden konnten. Alle Beobachter wurden als auswärtige Mitglieder der Meteorologischen Klasse der Pfälzischen Akademie aufgenommen.120 Auf kurfürstliche Kosten wurde die Grundausstattung jeder Station (Baro­ meter, zwei Thermometer, Hygrometer und Deklinationsnadel) durch die Instru­mentenbauer Artaria und Georg Friedrich Brander (1713–1783) in Augsburg gefertigt, geeicht und anschließend per Diplomatenpost verschickt. Zusammen mit den Instrumenten erhielten die Beobachter eine genaue Anleitung sowie vorgedruckte Tabellen, in die die Ergebnisse nur noch eingetragen werden mussten.121 Anschließend sandten sie die Daten nach Mannheim zurück. Dort übersetze Hemmer alle Texte ins Lateinische und veröffentlichte die Messreihen als Ephemerides Societatis Meteorologicae Palatinae. Zwölf Bände kamen auf diese Weise zustande. Neben dem sehr weitmaschigen, weltweiten meteorologischen Messnetz errichtete die Gesellschaft ein weiteres, nur die Kurpfalz umfassendes phänologisches Netz.122 Fast 100 Beobachter beteiligten sich an der Aufzeichnung von wichtigen Vegetationsmerkmalen wie Blüte, Reife und Ernte in wildwachsenden und landwirtschaftlichen Kulturen ebenso wie den Befall der Pflanzen durch Schädlinge. Da Hemmer die Instrumente den Beobachtern kostenlos überließ, musste er aus finanziellen Gründen eine Selektion der Wetterstationen vornehmen und manche Orte zurückweisen. Nach der Ausweitung des Messnetzes auf außer-pfalzbayerische Gebiete stand weniger eine hohe Dichte als vielmehr eine große Ausdehnung im Vordergrund. So lehnte Hemmer auch den Vorschlag des Markgrafen Christian Friedrich von Ansbach ab, die in seinem Land bereits stattfindenden Wetterbeobachtungen in die Mannheimer Ephemeriden aufzunehmen.123 Mit dem Tod ihres Sekretärs Hemmer im Jahr 1790 beendete die Societas Meteorologica zwar nicht ihre Arbeit, verlor aber zunehmend ihre hohe Reputation.124 Hemmers Nachfolger, Medizinalrat Johann Melchior Güthe (1753–1812), publizierte noch vier weitere Bände der Ephemeriden, die jedoch keine zusätzlichen meteorologischen Abhandlungen mehr enthielten. Außerdem reduzierte sich mit jedem Jahrgang die Anzahl der beteiligten Beobachterstationen, sodass der letzte Band für das Jahr 1792 nur noch Tabellen aus 16 Orten vorweisen konnte. Unter Hemmers Redaktion umfassten die Ephemeriden Beobachtungs 120 Budde: Hemmer 168. 121 Lüdecke, Cornelia: … zur Erhaltung der nöthigen Gleichförmigkeit. Das weitsichtige meteorologische Netzwerk der Societas Meteorologica Palatina (1780–1792). In: Kästner, Ingrid / Kiefer, Jürgen (Hg.): Von Kometen, Windhosen, Hagelschlag und Wetterballons. Beiträge zur Geschichte der Meteorologie. Aachen 2014, 123–130, hier 124. 122 Lingelbach: Messnetz 4. 123 Lang: Bestrebungen 18–19. 124 Cappel: Palatina 23.

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daten von bis zu 32 Standorten. 1795 zerstörte österreichischer Kanonenbeschuss das physikalische und meteorologische Kabinett im Mannheimer Schlosspavillon, was das Ende der Pfälzischen Meteorologischen Gesellschaft markierte.125 Mit ihrem meteorologischen Beobachtungsnetz war der Mannheimer Akademie für mehr als ein Jahrzehnt gelungen, woran viele andere europäische Akademien davor gescheitert waren. Zeitgleich mit Hemmer und von Stengel starteten auch die Münchener Gelehrten ein ähnliches Projekt, das jedoch immer im Schatten ihrer pfälzischen Schwester stand. Ein Spezifikum der süddeutschen Wissenschaftslandschaft trat hier offen zutage: die Klöster standen im Mittelpunkt des Geschehens. 2.2.2.3 Messnetz der Bayerischen Akademie In seiner Akademierede vom November 1780 forderte der kurfürstlich-geistliche Rat Epp ein dichtes Netz von Beobachtungsstationen, die sowohl meteorologische als auch landwirtschaftliche und bevölkerungsstatistische Informationen sammeln sollten. Wenig später druckte die Akademie eine Anzeige an das Pu­ blikum von den Gegenständen der Witterungslehre, und von der Art und Weise die Witterung zu beobachten.126 Darin wurden die Freiwilligen dazu aufgefordert, Wetterbeobachtungen einzusenden, für die sie genaue Instruktionen bezüglich der Art der Messung, der Instrumente und der Notation erhielten. In der Akademiesitzung vom 20. Februar 1781 verlas Epp zusätzlich einen Brief, in dem er die Prälaten und »andere Obrigkeiten« um Unterstützung beim Aufbau dieses meteorologischen Messnetzes bat.127 Epps Anzeige entsprach der Beobachteranleitung, die auch Hemmer aus Mannheim an seine Stationen verschickte. Aus Kostengründen übernahm die Bayerische Akademie die Herstellung der Instrumente nicht, sondern überließ die Anschaffung den Wetterbeobachtern selbst. Bereits im April sandte ein Benediktiner vom Kloster Andechs die ersten Beobachtertabellen an die Akademie.128 Neun Jahrgänge an meteorologischen Ephemeriden gab die Bayerische Akademie ab 1781 heraus, zunächst unter der Bearbeitung von Epp, später durch den Regensburger Benediktiner Heinrich. Im Gegensatz zu den Publikationen der Mannheimer Akademie umfassten die Münchner Ephemeriden jedoch nicht die vollständigen Datenreihen, sondern bereits bearbeitete Zusammenfassungen mit Mittelwerten. 125 Budde: Hemmer 172. 126 Epp, Franz Xaver: Der kurpfalzbaierischen Akademie der Wissenschaften in München Anzeige an das Publikum von den Gegenständen der Witterungslehre, und von der Art und Weise die Witterung zu beobachten. München 1781. 127 Sitzungsprotokoll vom 20.02.1781, Archiv der BAdW Protokolle 6, S. 94r-95v. 128 Sitzungsprotokoll vom 10.04.1781, Archiv der BAdW Protokolle 6, fol. 99v-100r.

78  Naturforschung im Kollektiv Epp hatte sehr genaue Vorstellungen von den Personen, die die Wetterdaten für ihn sammeln sollten: Ordensgelehrte, Landpfarrer und Ärzte. Dabei waren die Landpfarrer und Ärzte vor allem für die Einsendung von Listen zur Bevölkerungsentwicklung zuständig, da sie direkten Zugang zu Informationen über Geburten, Sterbefälle und Krankheiten hatten. Ganz explizit adressierte Epp in seiner Akademierede die Ordensgelehrten als »mein[e] Witterungsbeobachter,« die in seinen Augen über alle gewünschten Eigenschaften verfügten: Ihre »ruhige Lebensart, ihr thätiger Geist« und ihr »gewählte[r] Berufsort, [den sie] nie verwechseln.«129 Der monastische Lebensstil machte die Ordensgelehrten zu idealen Wetterbeobachtern. Eine ganze Reihe von »Hindernissen« sah Epp durch die Mitarbeit von Ordensleuten ausgeräumt. Das erste war die »Bezahlung des Wetterbeobachters, da eines jeden ökonomische Umstände kaum zulassen, daß er immerdar gegenwärtig ist.« Die Struktur eines Klosters als Wirtschaftsbetrieb sorgte jedoch für eine finanzielle Absicherung der Konventualen. Diese wirtschaftliche Unabhängigkeit sollte Mönche und Chorherren eigentlich für ihre religiösen Aufgaben freistellen, ließ ihnen in den Augen ihrer Zeitgenossen aber auch Freiräume für andere Tätigkeiten wie Wetterbeobachtungen. Ein Wetternetz konnte nur dann erfolgreich sein, wenn die einzelnen Messreihen kontinuierlich und lückenlos geführt wurden. Epp war genauso wie seinen Mannheimer Kollegen bewusst, dass der Ortswechsel eines Beobachters genau diese Kontinuität in Gefahr brachte. Stephan von Stengel erlebte das über viele Jahrzehnte, als er zunächst in Mannheim die Messreihen seines Vaters während dessen Abwesenheit fortführte. Mit dem Umzug des Kurfürsten 1778 von Mannheim nach München verließ auch Stengel die Pfalz, setzte seine eigenen Beobachtungen in München fort und musste für den Standort Mannheim nun nach einem Ersatz suchen. Diesen fand er in einem Mannheimer Hauptmann, mit dem er die Beobachtungen austauschte und verglich.130 Aber nicht immer ließ sich so leicht ein neuer Beobachter finden. Während der Glashüttenmeister Ignaz von Poschinger (1747–1803) zunächst drei Jahre in Wald in Niederbayern seine Wetterbeobachtungen durchgeführt hatte und sie zu Epp nach München sandte, wurde er ab 1786 als Beobachter in Frauenau genannt. Durch seinen Ortswechsel existierte nach 1784 in Wald keine Messstation mehr. Im Gegensatz dazu waren die klösterlichen Stationen weniger an eine einzelne Person und mehr an den Ort gebunden. Idealerweise bestand eine Beobachterstation nicht nur aus einer einzelnen Person, denn »auch Krankheiten [konnten] grosse Lücken in dem Tagebuch verursachen, wenn nicht dieser Mann von einem Gehilfen unterstützet wird, 129 Dieses und die folgenden Zitate siehe Epp: Wetterbeobachtungen 37–40. 130 Stengel, Stephan von: Denkwürdigkeiten. Herausgegeben von Günther Ebersold. Mannheim 1993, 132–143.

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welchen wenige auf eigne Kösten halten können oder wollen.«131 Auch diese Schwierigkeit sah Epp durch die monastischen Naturforscher gelöst, denn sie würden die Arbeit »gemeinschäftlich treiben.« Er war sicher: »[S]o können wir uns eine zugesicherte Fortdauer der Beobachtungen versprechen: ihre Reihe wird nie unterbrochen werden.«132 In Tabelle 5 sind die Stationen aufgeführt, deren Daten in den Ephemeriden der Bayerischen Akademie gedruckt wurden. Allein von den offiziellen Namensnennungen in den Ephemeriden her gab es einige Klöster, bei denen innerhalb der neun Jahre von Epps Messnetz vier oder mehr Patres die Beobachtungen übernahmen, z. B. Oberalteich133 oder Rott am Inn.134 Die Klostergemeinschaft garantierte aber nicht nur die Vollständigkeit der meteorologischen Beobachtungsreihen, sondern konnte für Epp zusätzlich eine umfängliche Datenfülle liefern. Er nannte dies eine »schickliche Abtheilung der Arbeit unter viele.«135 So notierte der Philosophieprofessor die instrumentellen Messungen und übertrug seinen Schülern die nicht-instrumentellen. Die Klosterökonomen lieferten »eine ausführliche Anzeige von dem guten oder schlechten Fortkommen des sämmtlichen Pflanzenbaues in demselben Jahre« und schließlich konnten diejenigen Mönche oder Chorherren, die in inkorporierten Pfarreien die Seelsorge übernommen hatten, eine Liste der Verstorbenen mit Angabe von »Alter, Geschlecht, […] auch die Krankheit, und den Monath, vielleicht den Tag des Verstorbenen« beitragen. Die letztgenannte Gruppe müsste durch Statistiken »sämmtliche[r] Pfarrherren des ganzen Landes« ergänzt werden.136 In der oftmals jahrhundertealten Tradition des Hauschronisten war die Kombination aus Wetter-, Pflanzen- und Krankheitsbeobachtungen bereits angelegt. Für Epp standen damit weniger die Einzelbeobachter im Vordergrund, sondern die Beobachterstation als Gemeinschaft aus verschiedenen Rollen konnte die ganze Bandbreite von gewünschten Informationen zur Verfügung stellen. Das Kloster als Ort in seiner geographischen Lage lieferte eine zusätzliche Informationsebene. Epp beschrieb die Auswahl mit den Worten: Uebrigens wählen wir nur solche Beobachtungsorte, die wegen ihrer Lage was besonders haben: Orte, die mitten in dem Lande, und an den Gränzen von Voigtland, Barent, Anspach, Schwaben, Tyrol, Salzburg, Oesterreich, und Böhmen liegen. Orte, die sich wegen hohen Gebirgen, tiefen Thälern, dichten Waldungen, Moosen, weitschichtigen Flächen, Flüssen und Seen vor anderen auszeichnen.137 [eigene Hervorhebungen] 131 Epp: Wetterbeobachtungen 37. 132 Ebd. 41. 133 Für Oberalteich werden in den Ephemeriden als Beobachter genannt: Joseph Maria Mayr, Bernhard Stöger, Bonifazius Stelzl und Gerard Stöger. 134 Für Rott am Inn werden in den Ephemeriden als Beobachter genannt: Rupert Weigl, Emmeram Sutor, Anselm Brugger, Paulinus Schuster. 135 Ebd. 37. 136 Ebd. 39–40. 137 Epp: Anzeige 23.

80  Naturforschung im Kollektiv Den ersten Teil der Ephemeriden nahm daher oft eine Stationsbeschreibung ein, die die Beobachter lieferten. Im ersten Band forderte Epp die Mitarbeiter auf, »daß ein jeder nebst der Wetteranzeige eine kurze Beschreibung seines Observationsortes […] beysetzt.«138 Nicht die Person, sondern der Beobachtungsort besaß die Aufmerksamkeit der Koordinatoren. Kloster Andechs auf dem Heiligen Berg am Ammersee oder das Observatorium Hohenpeißenberg von Stift Rottenbuch erhielten als »Bergstationen« eine zusätzliche, herausragende Eignung und Bedeutung für meteorologische Beobachtungen. Die Aufgabenteilung betraf nicht nur die verschiedenen Formen des Sammelns, sondern auch den Unterschied zwischen dem Sammeln und Aus­werten der Daten. Im Schlusswort seiner Akademierede betonte Epp die bereits stattfindende meteorologische Tätigkeit anderer europäischer Akademien und beschrieb das Vorgehen der Badischen Witterungsanstalt von Böckmann. Nachdem »alle Oberämter, Pfarrer, und Landphisici« ihre Daten nach Karlsruhe geschickt hätten, bearbeitete eine Gruppe »von geschickten Männern« diese und wäre zukünftig in der Lage, Witterungsvorhersagen zu erstellen.139 Wichtig ist die personelle Trennung zwischen den über das ganze Land verteilten Sammlern und den zentral lokalisierten Gelehrten. Epp sah die bayerischen Akademiemitglieder vor allem in der auswertenden Funktion, die Fachkenntnisse voraussetzte und die die tatsächlich nutzbringenden Analysen leisteten. Die Datenerhebung war keine wissenschaftliche Tätigkeit und konnte und sollte daher – im Unterschied zum Entwurf von Lambert 1761 – von Nicht-Akademiemitgliedern vor­ genommen werden, wie es die meisten Ordensgelehrten im bayerischen Messnetz waren. Epp versprach sich von den Klöstern viel für sein meteorologisches Großprojekt, und die Geschichte erfüllte seine Hoffnungen. Tatsächlich stellten Mönche und Chorherren einen Großteil der Beobachter des Bayerischen Messnetzes: 27 der insgesamt 35 Stationen waren Klöster der Benediktiner, Augustiner-Chorherren, Zisterzienser, Augustiner-Eremiten, Franziskaner und Karmeliten (siehe Tabelle 5). Von den wenigsten Orte wurden Messreihen regelmäßig über den gesamten Zeitraum von 1781 bis 1789 eingesandt, einige – wie Kloster Thierhaupten oder Weyarn  – beschränkten sich auf einen einzigen Jahrgang. Die durchgängigsten Aufzeichnungen kamen aus Fürstenfeld, Hohenpeißenberg (Kloster Rottenbuch), Niederaltaich und Andechs. In den Sitzungsprotokollen der Akademie wurden außerdem noch Beobachtungen aus dem niederösterreichischen Kloster Heiligenkreuz, Kloster Biburg und Prüfening genannt, welche jedoch nicht in den Ephemeriden abgedruckt wurden. Es beteiligten sich jedoch

138 Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1781. Erster Jahrgang 1782, 6. 139 Epp: Wetterbeobachtungen 42–43.

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nicht nur die Klostergelehrten an diesem Unterfangen, sondern auch Laien wie Matthias König aus Deggendorf und ein dortiger Schullehrer.140 Mit Blick auf die Stationen des Bayerischen Messnetzes fällt das Fehlen von Daten aus dem Regensburger Kloster St. Emmeram besonders auf. Hier führte der Benediktiner Steiglehner seit 1771 regelmäßige Wetterbeobachtungen durch, die sowohl in Karlsruhe bei Böckmann als auch in Mannheim bei Stephan von Stengel bekannt waren. Erst im letzten Band der Münchener Ephemeriden sind Messdaten aus St. Emmeram integriert. Aus welchem Grund die bis dahin älteste und längste bayerische Beobachtungsreihe durch die Bayerische Akademie zunächst überhaupt keine Beachtung fand, ist bis heute unklar. Möglicherweise hatten Steiglehner und Epp so unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ein meteorologisches Messnetz durchgeführt werden sollte, dass diese Differenzen zu Lebzeiten von Epp nicht beigelegt werden konnten. Epp gab acht Bände der Ephemeriden heraus, den letzten noch im Jahr seines Todes 1789. Danach übertrugen die Akademiemitglieder Steiglehner die weitere Leitung des Wetternetzes, für das er einen Entwurf für eine vollständige Neuausrichtung formulierte.141 Im nachfolgenden Jahr wählten ihn seine Mitbrüder jedoch zu ihrem Abt und sein Schüler Heinrich übernahm die Neuordnung der akademischen Meteorologie. Heinrich gab fünf Jahre später den neunten und letzten Band der Münchener Ephemeriden heraus, nun in einer völlig neuen Form und inklusive der Emmeramer Wetterdaten. Der wichtigste Unterschied bestand darin, dass nicht wie bisher Mittelwerte der Daten, sondern die Beobachtungsdaten selbst wie in Mannheim gedruckt wurden. Erst mit Epps Tod beteiligten sich auch die Emmeramer Naturforscher an den Arbeiten der Münchener Akademie. Der Abbruch der durch die Bayerische Akademie koordinierten Wetterbeobachtungen erfolgte in einer Sitzung am 4. Februar 1800, in der beschlossen [wurde], das Fach der Meteorologie ganz aufzugeben […]; theils weil die dazu nöthigen Instrumente nicht vorhanden sind, theils weil die bisherige Verfasser derselben in 12 Jahren nur eine Sammlung davon geliefert haben.142

Das Ende der bayerischen vernetzten Wetterbeobachtung ist daher nicht unmittelbar auf die Säkularisation der Klöster zurückzuführen, wie es in der Historiografie der akademischen Meteorologie bisher beschrieben wurde.143 Stattdessen 140 »Dem Geographen [Matthias] König aus Deggendorf wurden für seine 50-jährigen Beobachtungen des Wetters und anderer ›Begebenheiten‹ die silberne bene merentibus Medaille im Wert von 5 fl. als Aufmunterung verehrt.« Sitzungsprotokoll vom 10.05.1796, Archiv der BAdW Protokolle 7, S. 48r-v. Sitzungsprotokoll vom 04.02.1800, Archiv der BAdW Protokolle 7, S. 110r-v. 141 Wilde: Steiglehner. 142 Sitzungsprotokoll vom 04.02.1800, Archiv der BAdW Protokolle 7, S. 110r-v. 143 Geiger, Rudolf: Meteorologie. In: Thürauf, Ulrich (Hg.): Geist und Gestalt. Biogra­ phische Beiträge zur Geschichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften vornehmlich

82  Naturforschung im Kollektiv Tabelle 5: Übersicht der Beobachterstationen, deren Daten in den Ephemeriden der Bayerischen Akademie gedruckt wurden. Grau hinterlegt sind die Jahrgänge mit Einsendungen. Ort Abensberg Amberg Andechs Aufkirchen Augsburg Baierberg Banz Benediktbeuern Bogenberg Constein Diessen a. ­A mmers. Ettal Frauenau Freising Fürstenfeld Großaiting Indersdorf Mallersdorf München Neuburg a.d.D. Neumarkt i.d. Oberpf. Niederaltaich Oberalteich Peißenberg Raitenhaslach Rott Scheyarn Schönthal Straubing Tegernsee Thierhaupten Wald in Nbay. Weihenstephan Weyarn Regensburg

Orden OCC OFM OSB OESA CRSA OSB OSB OSB CRSA OSB

Ocist CRSA OSB OFM

OSB OSB CRSA Ocist OSB OSB OESA OESA OSB OSB OSB CRSA OSB

1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789

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musste Heinrich explizit dazu aufgefordert werden, seine Beobachtungen nicht mehr einzusenden: »Placidus Heinrich zu St. Emmeran soll mitgeteilt werden, dass er die meteorologischen Observationen der Akademie in Zukunft nicht mehr einsenden müsse.«144 In manchen Klöstern lief die Wetterbeobachtung dennoch weiter, und auch ein Jahr nach Auflösung des bayerischen Wetternetzes erreichten die Akademie noch Einsendungen von Messreihen.145 Am Ende des Jahrhunderts war die Wetterbeobachtung jedoch auch inhaltlich in eine Krise geraten, denn es gab immer noch keine überzeugende Methode zur Auswertung der Datenmengen. Davon wird später noch einmal die Rede sein. Bereits ab 1790 stellte die Bayerische Akademie eigentlich keine zufriedenstellende Anlaufstelle für die Klostermeteorologen mehr da, denn im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts erschien nur noch ein einziger Band mit Ephemeriden mit einem Versatz von acht Jahren. Welche und wie viele der monastischen Beobachter trotz mangelnder Verarbeitung durch die Akademie und später dann sogar nach dem offiziellen Abbruch weiterhin Messdaten sammelten, kann nicht mehr vollständig nachvollzogen werden. Nur in wenigen Fällen wie in St. Emmeram in Regensburg oder in Fürstenfeld sind die Wettertagebücher erhalten geblieben; die meisten Beobachter sandten ihre Daten in ihrer Urfassung nach München, und diese wurden dort nicht aufbewahrt.146 Einige Mönche bemühten sich jedoch um die Veröffentlichung ihrer Beobachtungsreihen an anderen Stellen, wie es Paulinus Schuster (1767–1809) aus Rott tat. Seine astronomischen Daten erschienen in der Monatlichen Correspondenz, die als erste rein fachwissenschaftliche Zeitschrift für Astronomie von Franz Xaver Zach in Gotha im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens. Zweiter Band. Naturwissenschaften. München 1959, 127–132, hier 129; Folkerts, Menso: Von den Attributen zu den Kommissionen. Die Naturwissenschaften. In: Willoweit, Dietmar (Hg.): Wissenswelten. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die wissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. München 2009, 76–118, hier 78. 144 Sitzungsprotokoll vom 18.03.1800, Archiv der BAdW Protokolle 7, fol. 115r-116v. 145 »Westenrieder legt die Wetterbeobachtungen von 1800 von Augustin Sedelmayr, Regularkanoniker zu Beuerberg, vor.« Sitzungsprotokoll vom 24.02.1801, Archiv der BAdW Protokolle 7, fol. 136r. 146 Der Direktor der Bogenhausener Sternwarte und Professor für Astronomie Johann von Lamont (1805–1879) fand Mitte des 19. Jahrhunderts die Aufzeichnungen von 17 Stationen, von denen er die des Hohenpeißenbergs näher untersuchte, siehe dazu Lamont, Johann von: Über die neuerlich aufgefundenen meteorologischen Beobachtungen vom Hohenpeissenberg und einigen anderen zur Societas palatina gehörigen Stationen in Bayern. In: Gelehrte Anzeigen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 31 (1850) 757‐760, 766‐768, 758. Über den weiteren Verbleib dieser Tabellen ist nichts bekannt; weder das Archiv der Bayerischen Akademie noch die Sternwarte Bogenhausen oder das Universitätsarchiv sind im Besitz derartiger Witterungsaufzeichnungen. Zur Übergabe der Tabellen an die Sternwarte Bogenhausen siehe Lüdecke, Cornelia: Das meteorologische Messnetz der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München (1781–1789). In: Lüdecke, Cornelia (Hg.): Das Wetter festhalten. 225. Jubiläum des Meßnetzes der Societas Meteorologica Palatina 1781–1792. Mannheim 2006, 27–31, hier 31.

84  Naturforschung im Kollektiv herausgegeben wurde.147 Über einen Ottobeurener Benediktiner hatte er zwei Jahre zuvor von dieser Zeitschrift erfahren. Schuster ließ seinen astronomischen Ausführungen einen Abschnitt zur Wetterkunde folgen, in dem er fast flehent­ lich seine Bitte aussprach, Verwendung für seine Daten zu finden: Was endlich meine meteorologischen Beobachtungen betrifft, so muss ich noch folgendes bemerken: Obwol die churfürstliche Academie zu München schon über 10 Jahre diese Resultate nicht mehr herausgibt, so fahre ich doch fort, diese Beobachtungen anzustellen. […] Sollte jemand von diesen Beobachtungen Gebrauch machen wollen: so bin ich mit dem grössten Vergnügen bereit, sie mitzutheilen.148

Seit 22 Jahren führten die Benediktiner in Rott ein Wettertagebuch, in das Schuster auch weiterhin dreimal täglich die Werte von »Barometer, an zwey Thermometern, einem im Zimmer, und dem andern in der freyen Luft, an der Abweichung der Magnetnadel, am Regenmass, Winden und Witterung« eintrug.149 Einen anderen Weg ging Otto Enhuber  (1738–1808) aus Scheyern, der Ende der 90er Jahre seine Wetterbeobachtungen gemacht in Scheyern selbst veröffentlichte. Hinter uns liegt ein Gang durch 50 Jahre süddeutsche Meteorologie-Geschichte, die nicht ohne die Klöster geschrieben werden kann. Einzelne erste Projektideen in der frühen Bayerischen Akademie und später von Lambert, aber auch in Baden mit Böckmann, kamen nicht wirklich in Gang, denn es fehlte an übergeordneten Konzepten und an stabiler Finanzierung. Mit der Pfälzischen Meteorologischen Gesellschaft änderte sich die Situation, und bayerische Klöster standen gleichberechtigt neben den anderen europäischen Stationen in Akademien und Universitäten. Der Mannheimer Koordinator erwartete von ihnen allen die Garantie von Kontinuität und Kompetenz im Umgang mit Messinstrumenten. Für das parallel entstandene Messnetz der Bayerischen Akademie existiert mit Epps Rede und anschließender Publikation eine detaillierte Einsicht in die Erwartungen an meteorologische Datensammler, die wie maßgeschneidert an die Lebensweise der monastischen Naturforscher angepasst war. Tagesablauf, Einbindung in einen unterstützenden Personenkreis und der Standort des Arbeits- und Wohnortes waren Kriterien, die den eigentlichen Beobachtungsvorgang garantieren und unterstützen konnten. Es waren die Ämter des Hauslehrers, Klosterökonomen und exponierten Pfarrers innerhalb des Klosterlebens, die gemeinsam mit der geographischen Lage das Kloster zur idealen Wetterstation machten. 147 Schuster, Paulinus: Astronomische Nachrichten und Beobachtungen aus dem Kloster Rot am Inn in Bayern. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 6 (1802) 441–456. 148 Ebd. 455–456. 149 Ebd. 455.

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2.2.3 Wetterbeobachtung im Kloster Als der Geistliche Rat Epp in seiner Akademierede 1780 den Ordensgelehrten als Idealtypus eines meteorologischen Beobachters beschrieb, war damit noch keine real-existierende Praxis beschrieben. Die Erwartungen an die Klöster und Mönche für ihre Rolle innerhalb der Wetternetze waren hoch. Nach der Analyse externer Anforderungen geht im Folgenden die Perspektive nach innen, in die Klöster selbst hinein. Das Kapitel beginnt mit einem kurzen Abstecher in die klösterliche Wetterbeobachtung vor 1700 und widmet sich dann anschließend den Beobachtungsreihen des 18. Jahrhunderts, die außerhalb der akademischen Messnetze entstanden. Diese vereinzelten Initiativen bündelten sich ab 1780 und wurden nun explizit zu Teilen eines Großprojekts. Am Beispiel des Fürstenfelder Zisterziensers Gerard Führer  (1745–1820) beleuchte ich die sich damit verändernden Rahmenbedingungen für die Rolle als Wetternetz-Beobachter. 2.2.3.1 Wetterbeobachtung in Klöstern vor 1700 Mit der Erstellung von Annalen existierte eine Verbindung von Wetter-, Pflanzen- und Krankheitsbeobachtung, die in den Wetteraufzeichnungen für die Akademien ihre Fortsetzung fand. Während Bauernregeln vor allem der Prognose dienen sollten und eine klare Korrelation zwischen Bedingung und Ereignis herstellten, fungierte die Beschreibung auffälliger Wetterphänomene in Chroniken als möglichst genauer Bericht der Vergangenheit. Sie sollten im Gedächtnis zukünftiger Generationen erhalten bleiben. Ein Beispiel aus der Chronik des Klosters Andechs mag hier repräsentativ für diese Praxis stehen, wenn der Autor die schlechte Ernte 1776 durch ein Gewitter erklärte: Die Weinlese fiel deßwegen so unglücklich aus, weil während derselben ein schreckliches Ungewitter Alles verwüstete, welches unter Blitz und Donner und wolkenbruchartigen Regengüssen den 27. September begann und bis zum 29. September desselben Monats abends um 4 Uhr andauerte.150

Nur besonders ungewöhnliche Wetterereignisse mit deutlichen Konsequenzen für Pflanzen, Tiere und Gebäude waren der schriftlichen Fixierung wert. Kontinuierliche Beobachtungsreihen hingegen suchen nach Regelmäßigkeiten und periodischen Zusammenhängen. Aus süddeutschen Klöstern sind drei Witterungsbeobachtungen aus der Zeit vor 1700 bekannt, deren Aufzeichnungen erhalten sind. Sie haben ihren Ursprung in persönlichen Initiativen der Beobachter selbst und erfolgten einmal täglich ohne Instrumente. Kilian Leib (1471–1553) machte als Prior des Augustiner-Chorherrenstiftes Rebdorf bei Eichstätt für die Zeit von 1513 bis 1531 tägliche Eintragungen zur 150 Sattler, Magnus: Chronik von Andechs. Donauwörth 1877, 704.

86  Naturforschung im Kollektiv Witterung.151 Auf der Suche nach Gesetzmäßigkeiten interessierte er sich vor allem für die Folgen des Wetters auf die klostereigene Landwirtschaft und Viehzucht; er war aber auch von der Möglichkeit fasziniert, aus dem Tierverhalten Wetterprognosen erstellen zu können. Wegen der Dauer seiner Aufzeichnungen von 28 Jahren war Leib außerdem in der Lage, Bauernregeln und auf Volksglauben beruhende Vorhersagen auf ihre Zuverlässigkeit hin zu überprüfen. Diese lehnte er genauso ab wie einen Einfluss der Planeten auf die Witterung. Bemerkenswert ist außerdem, dass Leib an denjenigen Tagen, an denen er sich nicht im Kloster befand, einen seiner Mitbrüder mit der Beobachtung beauftragte und diese Aufzeichnungen später um seine eigenen Informationen vom Reiseziel ergänzte. Die Klostergemeinschaft garantierte Kontinuität. Die Motivation für die siebenjährigen Witterungsaufzeichnungen des Abtes von Kloster Fürstenfeld, Leonhard Treuttwein  (1529–1595), für die Zeit von 1587 bis 1593 lässt sich nachträglich nicht mehr rekonstruieren. Der Meteorologiehistoriker Fritz Klemm hält sowohl eine Überprüfung der Theorie zum Jahresregiment der Planeten für möglich als auch Pläne für die Abfassung eines »kalendarischen Handbuches.«152 200 Jahre später verwendete der Prior von Fürstenfeld die wiedergefundenen Schreibkalender für seine eigenen meteorologischen Beobachtungen, von denen im nachfolgenden Kapitel die Rede sein wird. Im Gegensatz zu Treuttwein ließ Mauritius Knauer  (1613–1664), Abt des Zisterzienser-Klosters Langheim, keinen Zweifel am Beweggrund für seine Wetteruntersuchungen: überzeugt vom vorherrschenden Einfluss der sieben Planeten müsste die genaue Beobachtung der Witterung über eine Zeitspanne von sieben Jahren einen abgeschlossenen Zyklus darstellen. Zu den Planeten gehörten Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn. Deren Einfluss beschrieb Knauer selbst mit den Worten: »Diese sieben Planeten also, die durch ihren Einfluß wie gesagt die Erde beherrschen, wechseln einander im Regiment ab, und jeder, einer nach dem anderen, verändert die Witterung gemäß seiner Natur und seiner ihm von Gott gegebenen Einschaften.«153 Entsprechend könnte die Kombination aus Witterungsvorhersagen auf der Grundlage des Jahresregenten mit der sogenannten »Particular-Witterung« einen ewigen Witterungskalender ergeben. Die Particular-Witterung entsprach den tatsächlichen Beobachtungen von Knauer, die dieser in den Jahren 1652 bis 1659 durchführte. Diese Aufzeichnungen wurden Anfang des 18. Jahrhunderts für die Erstellung des auflagenreichen »Hundertjährigen Kalenders« verwendet.154 151 Klemm: Entwicklung 29–32. 152 Klemm, Fritz: Über die meteorologischen Beobachtungen des Abtes Leonhard III. Treuttwein im Zisterzienserkloster Fürstenfeld von 1587–1593. In: Meteorologische Rundschau 17/5 (1964) 139–143; Klemm: Entwicklung 36–38. 153 Aus dem Manuskript Calendarium Oeconomicum Practicum Perpetuum von Mauritius Knauer, zitiert nach ebd. 39. 154 Klemm: Treuttwein 142–143; Rocznik: Ergebnisse 195.

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Kilian Leib, Leonhard Treuttwein und Mauritius Knauer waren drei Einzelbeobachter, die sich mit dem Wetter und seiner Vorhersagbarkeit beschäftigten. Wetteraufzeichnung war keine in allen Klöstern stattfindende Tätigkeit. Ein Merkmal der späteren monastischen Naturforschung zeigte sich aber schon hier: Die Klostergemeinschaft garantierte kontinuierliche Beobachtungsreihen. Auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden sich einige Mönche und Chorherren, die sich gezielt der Meteorologie zuwandten. Statt einmal täglich griffen sie mehrmals am Tag zu Barometer und Thermometer, um bücherweise Zahlenkolonnen zu produzieren. 2.2.3.2 Meteorologie in Klöstern im 18. Jahrhundert Mit den Beobachtungsnetzen der Pfälzischen und der Bayerischen Akademie beteiligte sich ab 1780 eine ansehnliche Anzahl von Klöstern an der Wetterkunde. Aus den zwei Jahrzehnten davor sind drei Messreihen aus Klöstern im bayerischen Raum bekannt: Rottenbuch, Polling und St. Emmeram in Regensburg. Was bewog diese Männer dazu, diese zeitraubende und monotone Arbeit auf sich zu nehmen? Eine besondere Stellung unter den klösterlichen Wetterstationen nimmt der Hohenpeißenberg ein, denn er kann auf eine von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart führende Beobachtungsgeschichte zurückblicken.155 Als Wallfahrtsort stand er unter der Betreuung der Augustiner-Chorherren aus Rottenbuch und weckte bereits im Gründungsjahr der Bayerischen Akademie das Interesse ihres Sekretärs Lori für die meteorologische Beobachtung. Der bereits erwähnte Besuch des Sekretärs auf dem Hohenpeißenberg im Herbst 1758 hatte zur Folge, dass der Chorherr Wittner Luftdruckmessungen aufnahm. Bis Ende Februar 1759 verwendete er dafür ein Barometer aus Polling und schickte seine Aufzeichnungen an die Akademie nach München.156 Lori verwendete die Daten für Höhenberechnungen und kam auf einen Unterschied zwischen München und dem Hohenpeißenberg von etwa 300 französischen Klaftern.157 Obwohl er Wittner in seinem Schreiben zu weiteren Messungen ermunterte, brach der Kontakt ab. Der Meteorologie-Historiker Peter Winkler vermutet als Ursache für das Ende dieser Beobachtungsreihe, dass Wittners Barometer eine Leihgabe 155 Zur Geschichte des Bergobservatoriums Hohenpeißenberg siehe Winkler, Peter: Bergwetter im Wandel. Das Meteorologische Observatorium Hohenpeißenberg 1781–2009. In: Willoweit, Dietmar (Hg.): Wissenswelten. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die wissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. München 2009, 192–206; Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg; Winkler: Frühgeschichte. 156 Brief Anton Wittner an Johann G. Lori, 16.05.1759. Ediert in Spindler: Briefe 37. 157 Das bayerische und das französische Klafter unterschieden sich um knapp 20 Zentimeter. Ein frz. Klafter (Toise) entsprach in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 1,949 Metern. Damit waren 300 frz. Klafter ein Höhenunterschied von 584,7 Metern.

88  Naturforschung im Kollektiv aus dem Chorherrenstift Polling gewesen war und von dort wegen Eigenbedarf zurückgefordert wurde. Ein Neukauf für den Hohenpeißenberg genehmigte der damalige Rottenbucher Propst nicht.158 Erst sein Nachfolger begründete ab 1780 die bis heute andauernde Wetterbeobachtung auf dem Hohenpeißenberg. Wittner selbst wurde drei Jahre später als Vikar nach Wildsteig versetzt und verließ den Hohenpeißenberg.159 Bei dem initiierenden Besuch des Akademiesekretärs auf dem Hohenpeißenberg war auch der Chorherr Prosper Goldhofer  (1709–1782) aus dem Kloster Polling dabei gewesen. Dieser brachte das Barometer mit, mit dem Wittner seine Messungen durchführte. In einem Brief wenige Tage später schickte Wittner bereits erste Werte nach Polling und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, den Mitbruder »mit den von ihm begonnenen Beobachtungen ringsum das Barometer zufrieden zu stellen.«160 Wittner hatte zwischen 8 und 10 Uhr vormittags und zwischen 14 und 16 Uhr am Nachmittag das Instrument abgelesen. In den Tabellen, die er später an die Bayerische Akademie sandte, nannte er nur jeweils einen einzigen Wert für vormittags »circa horam 9« und nachmittags »circa horam 3.«161 Ob er dafür einen Mittelwert berechnete, einen Datenpunkt aus seiner Reihe herausgriff oder in dem zweistündigen Zeitraum nur einen Wert abgelesen hatte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Lori hatte ihm wohl keinerlei Beobachtungsanleitung überreicht, denn Wittner hatte selbst versucht, »die beygelegte[n] Verzeichnisse auf eine solche Art einzurichten, die mir geschienen, ihnen die angenehmste und zugleich die bequemste zu seyn.« Goldhofer war Wittner Vorbild und Lehrer für seine Wetteraufzeichnungen, und er bat ihn um Rat bei seinen Plänen, zukünftig auch Werte für den Wind aufzuschreiben: Ich »übersende zugleich dieses gewisse Schema, nach dessen Regel ich demnächst die Winde aufschreiben werde. Wenn Ihr es als gut gemacht betrachten werdet,« könnte dieser Vorschlag auch dem Akademiesekretär Lori unterbreitet werden.162 Wittner plante wohl außerdem, seine Barometermessungen mit denen aus Polling zu vergleichen, denn er bat Goldhofer um entsprechende Zusendungen.163 Mit dem Abbruch der Beobachtungen im Februar 1759 wurden diese Ideen nie in die Tat umgesetzt. 158 Winkler: Frühgeschichte 10. 159 Zur Biographie von Anton Wittner siehe ebd. 9. 160 Original: »a me instituendis observationibus circa Parometri mutationes satisfacere«. Brief Anton Wittner an Prosper Goldhofer vom 19.11.1758, BSB Handschriften Clm 26449 fol. 151–153. 161 Dieses und das folgende Zitat aus dem Brief Anton Wittner an Johann G. Lori 16.05.1759, ABAdW Briefe 1759. Ediert in Spindler: Briefe 37. 162 Original: »transmitto hic simul schema quoddam, ad eujus [=eius] norma deinceps Ventos adscribam. Si bonum facta videbitis.« Brief Anton Wittner an Prosper Goldhofer 19.11.1758, BSB Clm 26449 fol. 151–153. 163 Original: »Rogo ut observationes Pollinganas circa Barometrum etiam suo tempore mihi communicare placeat.«

Meteorologie: Das Wetter vermessen  89

Goldhofer selbst führte über mehr als zwei Jahrzehnte ein Wetterjournal, in das er Angaben zum Thermometer, Barometer und Hydrometer eintrug.164 Abgesehen von dieser regelmäßigen Beobachtungstätigkeit befassten sich weder Goldhofer noch seine Pollinger Mitbrüder mit Fragen der Witterungskunde.165 Goldhofer gab zwar drei Jahrgänge des akademischen Kalenders heraus, aber die monatlichen Tabellen enthielten lediglich astronomische und religiöse Hinweise, keine meteorologischen Angaben.166 Ein Jahr nach seinem Tod versuchte ein Mitbruder, Goldhofers lange Beobachtungsreihen durch die Mannheimer oder die Münchener Akademie drucken zu lassen, was sich jedoch nie verwirklichte.167 Etwas später, aber mit deutlich stärkerer Außenwirkung begann die Wetterbeobachtung im Regensburger Benediktinerkloster St.  Emmeram. Die Quellenlage ist hier mehr als günstig: 40 Bände von Observationes Meteorologicae in Museo Mathematico ad St. Emmeramum factae haben sich erhalten, die mit Lücken die Zeit von 1774 bis 1827 abdecken.168 Eine Seite aus dem Band von 1788 findet sich in Abbildung 1 in der Einleitung; die ersten drei Jahrgänge sind nicht mehr erhalten. Mit den Wetteraufzeichnungen begann der Benediktinerpater Steiglehner am 5. Mai 1771. In den folgenden Jahrzehnten wechselten die Beobachter; nach Steiglehner übernahm 1778 zunächst sein Schüler Heinrich, der ab 1790 durch weitere jüngere Kapitulare unterstützt wurde.169 Von Anfang an gehörte St. Emmeram zum Netz der Societas Meteorologica Palatina in Mannheim, die die Regensburger Daten zehn Jahre lang vollständig in ihren Ephemeriden abdruckte. Bereits vor 1780 publizierte Steiglehner einen ersten Band mit Beobachtungstabellen aus den Jahren 1771 bis 1775.170 Jede Seite bildete eine Monatszusammenfassung, die nacheinander Minimum, Maximum und Mittel 164 Die Wetteraufzeichnungen selbst sind nicht erhalten. In der biographischen Skizze Goldhofers von Propst Franziskus Töpsl listet dieser unter 22 Manuskripten auch ein Journal meteorologique für die Jahre 1759 bis 1766 auf sowie Aufzeichnungen mit dem Titel Taeglicher Stand des Thermometers und Barometers über den Zeitraum 1766–1782. BSB Clm 26406, fol. 333. 165 Neben Prosper Goldhofer waren aus Polling noch Aldobrand Gebhard, Herkulan Vogl, Vicelin Schlögl und Gerhard Burckhart mit astronomischen Beobachtungen beschäftigt. Von keinem dieser Chorherren ist jedoch eine Betätigung in der Meteorologie überliefert. 166 Prosper Goldhofer: Astronomischer Kalender, oder Ephemeriden auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburth unsers Herrn und Heylandes Jesu Christi. 3 Bände 1765–1767. 167 Hammermayer: Geschichte 2 215. 168 Meteorologicae in Museo Mathematico ad St. Emmeramum factae, Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Regensburg. Erhalten sind die Messwerte 1.1.1774–31.12.1827 ohne die Jahre 1791, 1792, 1795, 1798, 1799, 1812, 1816, 1817 und 1822. 169 Genannt werden die Namen Emmeram Salomon, Beda Schellerer, Coelestin Weinzierl, Bonifatius Cranzberger, Wendelin Caligari und Wilhelmus Schröck. 170 Ein Druck befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek. Es fehlen sowohl Titelblatt als auch Vorwort, daher könnte es auch noch einen vorhergehenden Band gegeben haben. BSB Phys.sp. 51.

90  Naturforschung im Kollektiv

Abb. 2: Erste Seite aus den gedruckten Emmeramer Wetterbeobachtungen, hier mit Werten für den Luftdruck vom Mai 1771. BSB Phys.sp. 51, S. 1.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  91

wert des Luftdrucks, die Windrichtung und für 1775 auch Werte für Temperatur und Luftfeuchtigkeit angibt. Aufschlussreich ist die in Abbildung 2 zu sehende vorletzte Spalte mit »Zahl der Beob.[achtungen].« Bis zu 16 mal täglich wurden in St.  Emmeram Wetterbeobachtungen notiert, was einmalig in Europa zu dieser Zeit war. Zum Wetternetz der Bayerischen Akademie trug St. Emmeram erst zu dessen letzten Band bei, denn nach dem Tod des bisherigen Redakteurs Epp übernahm nun Heinrich die Leitung des Projekts und die Herausgabe der Ephemeriden. Auch nach dem Ende der akademischen Wetternetze setzten die Emmeramer Benediktiner ihre Wetteraufzeichnungen fort. Steiglehner ist eine der wichtigsten Personen für die Geschichte der Meteorologie in Süddeutschland des 18. Jahrhunderts.171 Er führte über Jahrzehnte nicht nur das ausführlichste Wettertagebuch, sondern hielt auch die ersten Vorlesungen in Meteorologie an einer deutschen Universität. Die Grundlagen der Astronomie und Experimentalphysik eignete er sich im Selbststudium an und unterrichtete anschließend auch seine Mitbrüder im Hausstudium darin. Steiglehner verfasste Publikationen über die Atmosphäre und das Barometerverhalten, Beiträge zu den Preisfragen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und einen Plan für ein »Meteorologisches Tagebuch des Landes.«172 Diese vollständige Übersicht aller Wetter- und Himmelsereignisse sollte als Abhandlung der Philosophischen Klasse der Bayerischen Akademie gedruckt werden, kam aber aus finanziellen Gründen nie zustande. Dennoch wurde Steiglehner 1790 als ordentliches Mitglied in die Akademie aufgenommen und zusätzlich zum offiziellen »Meteorologisten« ernannt.173 Vor 1780 nahmen die Klostergelehrten nur sehr vereinzelt regelmäßige Wetterbeobachtungen auf, die darüber hinaus von der Unterstützung des Abtes oder Propstes abhingen. Die Messreihen waren in hohem Maße kumulativ, aber nur in Ansätzen kooperativ. Zwischen den Chorherren Wittner und Goldhofer bestand die Absicht zum Austausch der Daten, und Steiglehner plante mit seinem »Tagebuch des Landes« Ähnliches. Verwirklicht wurde nichts davon. Auch sonst trat monastische Meteorologie vor 1780 nicht an die Öffentlichkeit und blieb hinter den Klostermauern verborgen. Erst mit den Initiativen der Pfälzischen und der Bayerischen Akademie zu koordinierten Messnetzen änderte sich diese Situation. Die Klöster Rottenbuch, Andechs, St. Emmeram in Regensburg, Tegernsee und St. Zeno schickten ihre Tabellen sowohl nach Mannheim als auch 171 Zur Biographie von Coelestin Steiglehner siehe Baader, Clemens Alois: Lexikon verstorbener Baierischer Schriftsteller des achtzehenten und neunzehenten Jahrhunderts. Des zweyten Bandes Zweiter Theil. R-Z. Augsburg 1825, 182–185; Pongratz, Ludwig: Naturforscher im Regensburger und ostbayerischen Raum. Regensburg 1963, 44–47; Dallmeier, Martin: Coelestin Steiglehner (1738–1819). Erzieher, Gelehrter und Fürstabt von St. Emmeram. In: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 23/24 (1989) 392–403; Wilde: Steiglehner. 172 Dallmeier: Coelestin Steiglehner 395. 173 Sitzungsprotokoll vom 02.03.1790, Archiv der BAdW Protokolle 6, S. 300r-301r.

92  Naturforschung im Kollektiv nach München. Darüber hinaus wurden in 27 weiteren Abteien und Propsteien meteorologische Beobachtungen durchgeführt, deren Ergebnisse an die Bayerische Akademie gesandt wurden. Das folgende Kapitel widmet sich daher den klösterlichen Wetterstationen als Teile einer übergeordneten Struktur, die Regeln vorschrieb und Arbeitsteilung erwartete. 2.2.3.3 27 Jahre Wettertagebücher in Fürstenfeld Die Teilnahme an akademischen Wetternetzen lenkt die Aufmerksamkeit auf monastische Naturforschung in solchen Klöstern, die nicht wie Polling oder St. Emmeram weit bekannt waren. Das gilt auch für das westlich von München gelegene Kloster Fürstenfeld, das sich zwar keinen Namen für seine gelehrten Studien machte, dessen Prior und späterer Abt Gerard Führer aber über 27 Jahre lang Wetterbeobachtungen durchführte. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, die Durchsetzung von Notationsanweisungungen zur Standardisierung der Abläufe und die Selbstständigkeit eines Beobachters hinsichtlich seiner Rolle innerhalb eines Messnetzes zu erarbeiten. Dazu stelle ich zunächst kurz die Vorgaben der Bayerischen Akademie vor, um dann anschließend die Fürstenfelder Tabellen mit der Frage auszuwerten, welche Bedeutung diese Regeln für die Beobachter selbst hatten. Sollten Messreihen nicht nur lokal gesammelt, sondern auch untereinander verglichen werden, mussten diese eine einheitliche Darstellungsform besitzen. In den Beobachteranleitungen der Royal Society in London, der Pariser Akademie aber auch der Bayerischen Akademie in den 1780er Jahren erfolgte daher nicht nur eine genaue Beschreibung der äußeren Form (Tabelle mit genauer Charakteristik der einzelnen Spalten), sondern auch eine Fixierung der zu verwendenden Einheiten (Temperatur, Längeneinheit für das Barometer), der Klassifikationen für Windstärken und Wolkenformen sowie der Symbole und Abkürzungen. Neben der Verwendung gleichartiger Instrumente war diese Standardisierung einer der wichtigsten Schritte für die Koordination von Messnetzen. In ihrer Anzeige an das Publikum aus dem Jahr 1781 unterschied die Bayerische Akademie drei Tabellen: die erste für die instrumentellen Messungen mit Barometer, Thermometer, Hygrometer, Niederschlagsmesser (Hyetometer), Magnetnadel und Elektrometer. Die zweite Tabelle sollte alle nicht-instrumentellen Beobachtungen zum Wind, Lufterscheinungen und besonderen Begebenheiten enthalten. Eine »Aufzeichung [sic] der Gebohrnen und Verstorbenen« mit Todesursache ergänzte die Wetterbeobachtungen.174 Hintergrund dieser Trennung war die von Epp in seiner Akademierede vorgeschlagene Aufteilung der Arbeiten auf Professoren der Philosophie für den Umgang mit Instrumenten, auf ihre Schüler für die übrigen Witterungsbeobachtungen sowie auf Landpfarrer und 174 Epp: Anzeige.

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Ärzte für Bevölkerungslisten. Für Epp war Arbeitsteilung der Schlüssel für einen lückenlosen Informationsfluss. Für alle instrumentellen Messungen stellte die Akademie genaue Forderungen bezüglich Einheiten und Genauigkeit auf. Der Luftdruck sollte in Zoll, Linien und Punkte (Zehntel Linie)  Quecksilbersäule aufgeschrieben werden und die Abweichung der Magnetnadel vom geographischen Nordpol, die sogenannte Missweisung, in Grad und Minuten. Eine Ausnahme bildete das Elektrometer, für das nur eine Einteilung in »stark, mittelmäßig oder gering« vorgesehen war. Für die Vergleichbarkeit von Ergebnissen war vor allem die Wahl einer Temperatureinheit wichtig, die von der Bayerischen Akademie allerdings nicht explizit getroffen wurde. Stattdessen fand sich eine Erklärung im ersten Band der Ephemeriden, in dem auf die Herstellung der meteorologischen Geräte durch den Instrumentenbauer Brander hingewiesen wird.175 Dessen Thermometer wurden grundsätzlich in der Einheit Réaumur hergestellt.176 Die Tabelle für nicht-instrumentelle Beobachtungen sollte ebenfalls sechs Spalten enthalten: Mondphasen (z. B.  Voll- und Neumond), Winde, Art der Witterung, Lufterscheinungen, Pflanzenstand sowie die Rubrik »Besondere Begebenheiten.« Für die Angabe der Windrichtung galt die Orientierung an einer in der Anzeige abgedruckten Windrose mit Himmelsrichtungen, und für die Bestimmung der Windstärke sollte die Einteilung des schwedischen Naturforschers Anders Celsius (1701–1744) mit einer Eiche als Stärkemaß verwendet werden.177 Dazu beobachtete der Meteorologe die Bewegung von Blättern, Zweigen und Ästen und notierte davon abhängig die Windstärke in vier Graden: Wenn die sanfte und gelinde Bewegung der Luft die Blätter, und die kleinsten Zweige am Gipfel des Baums erschütterte, so nannte er [der Beobachter] diesen Zustand der Luft einen gelinden Wind, oder 1 Grad. Wenn größere Aeste über den ganzen Baum aus ihrer Stelle getrieben, und die schwerere Windfahne bewegt wurden: so gab er dem Winde 2 Grade. Wenn aber der Stamm selbst gewaltig wankte, und die Aeste brechen wollten, so nannte er diesen Zustand der Luft 4 Grad, oder Sturm.178

Eine Beschreibung der Windstärke 3 fehlt in der Anzeige der Bayerischen Akademie; es handelte sich dabei um einen stärkeren Wind, der dickere Äste schwanken ließ. Für die Beschreibung der allgemeinen Wetterlage nutzte man die Einteilung des wittenbergischen Professors Johann Daniel Titius (1729–1796), der jeweils vier verschiedene Grade für klare und trübe Tage vorsah. Diese Ein 175 Epp: Epp 1782 – Der kurfürstlich baierischen Akademie 11. 176 Die Réaumur-Skala wurde 1730 durch den französischen Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur zur Messung der Temperatur eingeführt. Kalibrierungspunkte sind der Schmelzpunkt von Eis (0 ° Réaumur) und der Siedepunkt von Wasser (80 ° Réaumur) bei Normaldruck. 177 Epp: Anzeige 8–9. 178 Ebd. 8.

94  Naturforschung im Kollektiv teilung, die Titius 1768 im Wittenbergischen Wochenblatt veröffentlicht hatte, wurde von den meisten europäischen Witterungsbeobachtern verwendet.179 Um die Umsetzung der oben beschriebenen Vorgaben verfolgen zu können, benötigt man die am Ort der Beobachterstation erstellten Aufzeichnungen. Im Gegensatz zum Sekretär der Mannheimer Societas Meteorologica Palatina veröffentlichte Epp keine originalen Datenreihen, sondern nur die von ihm daraus berechneten Mittelwerte. Die ursprünglichen Aufzeichnungen hob er nicht auf. Es ist daher eine der wenigen Ausnahmen, dass sich aus dem Kloster Fürstenfeld vier Bände meteorologischer Beobachtungen erhalten haben.180 Diese decken den Zeitraum von 1787 bis 1814 mit Ausnahme der Jahre 1792 bis 1796 ab. Da in den Ephemeriden der Bayerischen Akademie durchgehend Tabellen ab 1781 eingingen, kann davon ausgegangen werden, dass ursprünglich mindestens noch ein weiteres Wettertagebuch für die Jahre 1781–1786 existierte. Ein Schriftvergleich mit dem Manuskript einer Chronik des Klosters von Abt Führer identifiziert diesen als Verfasser des ersten und der letzten beiden Bände. Der zweite Band wurde von mehreren, unbekannten Personen geführt. In den Ephemeriden der Bayerischen Akademie wird »Gerhard Führer, Prior in Fürstenfeld« als Autor der eingegangenen Tabellen in allen Jahrgängen genannt, also ab 1781 durchgängig bis 1789. Gerard Führer wurde als Sebastian Maximilian Führer im Jahre 1745 in Erding geboren. Seine Ausbildung erhielt er im Fürstenfelder Seminar und 1761/62 im Münchner Wilhelmsgymnasium. 1765 trat er in das Zisterzienser-Kloster Fürstenfeld ein und wurde fünf Jahre später zum Priester geweiht.181 Es folgte zunächst eine dreijährige Seelsorgetätigkeit in der dem Kloster inkorporierten Pfarrei Schöngeising, bevor er 1773 zum Novizenmeister und Bibliothekar des Klosters ernannt wurde. Führer gab von diesem Zeitpunkt an Unterricht in Philosophie und Theologie im Fürstenfelder Knabenseminar und bemühte sich um eine Verbesserung der wissenschaftlichen Ausstattung seines Klosters. Auf seine Initiative gehen der Aufbau eines Naturalienkabinetts, einer physikalischen und numismatischen Sammlung sowie eine Erweiterung der Klosterbibliothek zurück. Führers Plan zur Erstellung eines gesamtbayerischen Klosterbibliothekskatalogs musste ab 1796 ruhen, als seine Mitbrüder ihn zum Abt wählten. Nach der Aufhebung Kloster Fürstenfelds am 17. März 1803 durfte Führer mit einigen Mitbrüdern in den Gebäuden wohnen bleiben. In seinen letzten beiden Lebens­ 179 Wittenbergisches Wochenblatt zum Aufnehmen der Naturkunde und des ökonomischen Gewerbes 1 (1768) Heft 4, 29–31. 180 Vier Bände mit dem Titel Meteorologische Tabellen aus dem Kloster Fürstenfeld bzw. Fürstenfeldbruck, BSB Cgm 9512 (1) bis (4). Im Folgenden bezeichnet als Meteorologische Tabellen Fürstenfeld. 181 Zur Biographie von Gerard Führer siehe Klemenz, Birgitta: Abt Gerard Führer (reg. 1796–1803). In: Altmann, Lothar / Schiedermair, Werner (Hg.): Kloster Fürstenfeld. Lindenberg im Allgäu 2006, 395–400.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  95

jahrzehnten arbeitete er vor allem an einer Chronik seines ehemaligen Klosters, für die er das hauseigene Archiv nutzen konnte.182 Kloster Fürstenfeld war 1263 als Hauskloster der Wittelsbacher gegründet worden und hatte im 16. Jahrhundert einen wesentlichen Anteil an der Reform des Zisterzienserordens gehabt. Als Führer seine Profess ablegte, bestand der Konvent aus circa 40 Mitbrüdern. Fürstenfeld unterhielt eine Novizenschule, in der die eigenen Novizen Unterricht in Philosophie und die Anfänge der Theologie erhielten. Führers Chronik gibt Auskunft über den Studienbetrieb innerhalb des Klosters, über den bisher kaum etwas bekannt ist. Nur zwei Patres bekamen die Gelegenheit, nach Abschluss des hauseigenen Unterrichts an die Universität Ingolstadt zu gehen. Der damalige Abt, der 1779 starb, war jedoch »der letzte Abt gewesen, bei welcher diese sehr nützliche Verfügung ist veranstaltet worden.«183 Für das Hausstudium existierten auch in Fürstenfeld verschiedene naturwissenschaftliche Sammlungen, deren Einrichtung wesentlich auf Führer zurückzuführen sind. Als der Bibliograph Georg Wilhelm Zapf (1747–1810) dem Kloster im Jahr 1801 einen Besuch abstattete, urteilte er jedoch über den Sammlungsbestand: »In einem andern Zimmer befindet sich das NaturalienKabinet, das aber noch nicht von Belang ist, da es erst angelegt wurde. Doch findet man schöne und große Gold- und SilberStufen. Auch eine Sammlung von MedaillenAbgüssen ist vorhanden, aber noch nicht in der gehörigen Ordnung. Die Münz- KupferStichund HolzSchnittSammlung liegt noch in der Wiege.«184 Ob es darüber hinaus eine umfangreichere mathematisch-physikalische Instrumentensammlung gab, lässt sich schwer abschätzen. Führer selbst nennt das Jahr 1767 für die erste Anschaffung einiger »zur Experimentalphysick unentbehrliche[r] Instrumente,« die vorher völlig gefehlt hätten.185 Zu diesem Zweck hatte Abt Martin Instrumente aus einem benachbarten Kloster ausgeliehen und durch einen eigenen Mitbruder kopieren lassen. Später kamen noch meteorologische Apparate vom Augsburger Instrumentenbauer Brander dazu. Ein besonderes Ereignis stellte der Besuch eines Mechanikers im Jahre 1788 dar, der elektrische Vorführungen veranstaltete und mittels Elektrotherapie die Heilung verschiedener Gebrechen versprach. Der medizinische Erfolg blieb jedoch aus, denn er konnte »des Abts Tecelin schwaches Gehör nicht stärken.«186 Dennoch kaufte ihm der Abt eine Elektrisiermaschine mit Zubehör für das Armarium ab. Außer diesen einzelnen Hinweisen

182 »Gerard Führers, letzten Abtes von Fürstenfeld Chronik dieses Klosters von seiner Entstehung bis zu seiner Auflösung im Jahre 1802«, BSB Cgm 3929. Ab jetzt zitiert Führers Chronik. 183 Führers Chronik, § 307. 184 Zapf, Georg Wilhelm: Reise von Augsburg in das Kloster Fürstenfeld. In: Allgemeiner Litterarischer Anzeiger (1801) 1218–1232, hier 1231. 185 Führers Chronik, § 308. 186 Führers Chronik, § 326.

96  Naturforschung im Kollektiv

Abb. 3: Linksseitige Tabelle aus den Fürstenfelder Wetterjournalen für den 1.–16. Januar 1787. BSB Cgm 9512 (1), fol. 1r.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  97

Abb. 4: Rechtsseitige Tabelle aus den Fürstenfelder Wetterjournalen für den 1.–16. Januar 1787. BSB Cgm 9512 (1), fol. 2v. Die erste Spalte listet tägliche Anmerkungen, die die linksseitigen Beobachtungswerte ergänzen. Die zweite Spalte enthält die zu diesem Monat passenden Witterungsaufzeichnungen von Leonhard Treuttwein aus dem 16. Jahrhundert.

98  Naturforschung im Kollektiv fehlt eine Gesamtübersicht zur Sammlung, denn es existieren keine Inventare, und bei der Klosteraufhebung 1803 konfiszierte der Schulrat des Münchener Lyzeums »[z]um physikalischen und naturhistorischen Unterricht« lediglich zwei Globen. Alle anderen Instrumente waren Eigentum des Abtes und wurden behalten, wozu wohl auch die meteorologischen Instrumente gehörten.187 Zwei Jahre vor der Ernennung zum Prior begann Führer mit detaillierten Wetterbeobachtungen. Alle vier Bände der Fürstenfelder Wetterjournale sind nach demselben strengen Muster aufgeteilt, das zwei Doppelseiten pro Monat vorsieht. Jede Doppelseite besteht dabei aus einer siebenspaltigen Tabelle links (Abbildung 3) und einer zweispaltigen Liste von Kommentaren rechts für jeweils circa 15 Tage (Abbildung 4). Die Messtabelle enthält je eine Spalte für Eintragungen zum Datum mit astronomischen Symbolen für die Wochentage und die Mondphasen, des Barometers, Thermometers, Hygrometers, der Winde und der Witterung sowie für »Besondere Anmerkung.« Für die ersten vier Monate des Jahres 1787 führte Führer noch eine zusätzliche Spalte für die von der Bayerischen Akademie vorgesehenen »Lufterscheinungen«, die ab Mai jedoch mit der vorangehenden Spalte zusammengelegt wurde. Die Daten- und Klassifikationseintragungen entsprechen den Vorgaben der Bayerischen Akademie bezüglich Einheiten, Genauigkeit und Messhäufigkeit (siehe  Tabelle 6). Führer nahm in seinen Tagebüchern dennoch einige Änderungen vor, die der Praktikabilität und den gegebenen Umständen geschuldet waren. Anstelle einer eigenen Spalte für die abgelesenen Daten des Regenmessers führte er diese in der letzten Spalte – für »Besondere Anmerkung« – auf, und zwar immer nur im Fall eines Regenschauers. Da ein Regenmesser in allen anderen Wetterlagen kein hilfreiches Instrument war, hielt Führer eine wiederholte Eintragung von Querstrichen für unnötig. Ebenso fehlen Spalten für magnetische und elektrische Beobachtungen, die mangels Instrumente nicht vorgenommen werden konnten. Führers sorgfältige Tabellen waren nicht selbstverständlich: die Bayerische Akademie erhielt auch meteorologische Einsendungen, in denen Barometer- oder Thermometerangaben vollständig fehlten.188 Während die Bayerische Akademie die Vermessung von Luftdruck und Temperatur noch recht genau vorgegeben hatte, spiegelt die Spalte zur Luftfeuchtigkeit in besonderer Weise das Problem der Vereinheitlichung wider. Epp gab hier weder eine spezielle Bauweise der Instrumente noch die Verwendung einer bestimmten Skala vor. Hygrometer bestanden im Wesentlichen aus einem hygroskopischen Material, das Feuchtigkeit aus der Umgebung binden kann und dabei seine Eigenschaften wie die Länge verändert. Gängige Bauweisen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert nutzten Darmsaiten oder Haare, seltener 187 Notiz von Schulrat Schubauer vom 22.05.1803. BayHStA Kurbayern Landesdirektion von Bayern in Klostersachen Nr. 3486. 188 Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 185.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  99

Tabelle 6: Vergleich der Notations- und Messvorgaben der Bayerischen Akademie (BAdW) mit der Praxis in Fürstenfeld. Vorgaben der BAdW

Fürstenfelder Tabellen

Barometer

3 × täglich, [Zoll, Linien, ¹⁄₁₀ Linien]

3 × täglich, [Zoll, Linien, ¹⁄₁₀ Linien]

Thermometer

3 × täglich, [Reaumur, ¹⁄₁₀ Reaumur]

3 × täglich, [Reaumur, ¹⁄₁₀ Reaumur]

Hygrometer

3 × täglich, keine Angaben zur Skala

3 × täglich

Regen- und Schneemesser

situativ, z. B. nach Ende eines Regenfalls; Höhe oder Gewicht

In der Spalte »Besondere Anmerkungen«, nur bei ­Bedarf; Höhe [Zoll, Linien]

Magnetnadel

1 × täglich, in Grad und Minute

Spalte nicht aufgeführt, da Instrument nicht vor­ handen

Elektrometer

1 × täglich, »stark, mittel­ mäßig oder gering«

Spalte nicht aufgeführt, da Instrument nicht vor­ handen

Winde

Richtung: entsprechend abgebildeter Windrose, Stärke: gemäß Celsius Eiche, Notation: 2. NW

Notation »W 1«

»Art der Witterung«

3 × täglich, gemäß Titius (klar / trübe 1–4, trocken / nass)

3 × täglich, Notation gemäß Titius

Mondsveränderungen

Lufterscheinungen

Spalte entfällt ab Mai 1787

auch Fischbein.189 Zur Eichung der Instrumente dienten zwei Fixpunkte, nämlich die größte und die geringste Luftfeuchtigkeit. Über die Definition der beiden Werte gab es jedoch keine Übereinstimmung; Lambert schlug beispielsweise als oberen Fixpunkt die Luftfeuchtigkeit des nebligsten Tages des Jahres vor. In Abhängigkeit der Bauweise variierten auch die Skalen auf den Instrumenten, die von 0 bis 100 oder bis 360 Grad reichen konnten. In Fürstenfeld benutzte Führer offenbar ein Hygrometer mit einer Kreis-Skala von 360 Grad. Über das feuchtigkeitsabhängige Material dieses Instruments ist nichts bekannt. Damit waren diese Werte praktisch nicht mit Daten anderer Beobachtungsstandorte vergleichbar.

189 Daumas, Maurice: Scientific Instruments of the Seventeenth and Eighteenth Centuries and their Makers. London 1972, 215–216.

100  Naturforschung im Kollektiv Neben den täglichen Eintragungen zeigen die rechtsseitigen Kommentarseiten vielfältige Notizen zur Tier- und Pflanzenwelt, die sogenannten »Besonderen Begebenheiten.« Führer notierte dabei Datum und Qualität der Ernten sowie Beobachtungen zu Vögeln, Insekten und Tierkrankheiten: [D]en 17. das Heu zu mähen angefangen. Den 18.–19. sehr gut eingebracht.190 Die Maien-Käfer sind sehr zahlreich.191 Die Monate September, November, Oktober und December herschte dieses, wie voriges Jahr eine starke Viehe-Seuche.192

Dabei blieb sein Blick nicht in der nahen Umgebung von Kloster Fürstenfeld stehen, sondern er verzeichnete bei besonderen Ereignissen auch die Informationen anderer Standorte, wie das Beispiel eines Erdbebens am 26. August 1781 zeigt. Hier notierte er Uhrzeit und Dauer der Erschütterung aus München, Landshut, Tölz, Benediktbeuern und anderen Orten.193 Die Beschreibung endet mit der Zusammenfassung: »Auch in der Schweiz, Tirol, Salzburg durch ganz Baiern und Schwaben doch überall ohne Schaden.« Die Informationen holte sich Führer aus ihm zugesandten Berichten und Zeitungsartikeln. Über das Sammeln dieser Daten ging er jedoch nicht hinaus. Eine Besonderheit zeichnet den ersten Band der Fürstenfelder Wettertage­ bücher aus: die zweite Spalte der rechtsseitigen Kommentare ist den Witterungsaufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert vorbehalten. Auf der ersten Seite für Januar 1787 werden diese betitelt mit »Witterung von Tag zu Tag im Jahr 1587. Herangezogen aus dem Kalender des H. Abts Leonhard.«194 Genau 200 Jahre vor Führer hatte der damalige Abt des Klosters Fürstenfeld Treuttwein eine Beobachtungsreihe in der Zeit von 1587 bis 1593 geführt.195 Dessen tägliche Beschreibungen übertrug Führer in seine eigenen Aufzeichnungen. Kommentare oder Vergleiche der beiden meteorologischen Reihen machte Führer nicht; Ziel dieser Parallelität sollte jedoch das Auffinden von Periodizitäten sein. Im siebten Jahrgang der Münchner Ephemeriden wurden diese zusätzlichen Beobachtungen aus dem Fürstenfelder Kloster mit der folgenden Ankündigung erwähnt: »Der Herr Verfasser verspricht die Resultate davon herauszuziehen, wenn er noch ein paar Jahre mit gleichnämigen Jahren dieses Jahrhunderts wird verglichen haben.«196 Ein derartiger Vergleich ist jedoch nicht überliefert.

190 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 1, fol. 68r. 191 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 1, fol. 94r. 192 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 1, fol. 139r. 193 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 1, fol. 17r. 194 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 1, fol. 2r. 195 Zu den Wetterbeobachtungen von Leonhard Treuttwein siehe Kapitel 2.2.3.1. 196 Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1787. Siebenter Jahrgang 1788, 49.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  101

Für die Bayerische Akademie hatte der Beobachtungsstandort Fürstenfeld eine durchgehende Datenreihe über neun Jahrgänge hinweg geliefert. In den Ephemeriden wird immer Führer als Beobachter genannt, was sich bis 1786 wegen fehlender Originalaufzeichnungen nicht mehr kontrollieren lässt. Definitiv lässt sich Führer als Beobachter ab 1787 identifizieren. Spätestens nach seiner Wahl zum Abt im Jahr 1796 übertrug er die Erstellung von Wettertabellen mehreren seiner Mitbrüder, deren Namen heute nicht mehr bekannt sind. Ab 1801 beobachtete Führer wieder selbst. Einerseits sorgte hier also die Klostergemeinschaft für eine kontinuierliche Aufzeichnung, andererseits war Führer selbst durch seine konstante Präsenz ein Garant für Regelmäßigkeit. Im Kloster Fürstenfeld entstanden über 27 Jahre lang Wettertagebücher, die durch die KIostergemeinschaft und ihre Ortsstabilität möglich waren. Anlass war der Aufruf der Bayerischen Akademie im Jahr 1780, an deren Vorgaben sich der Hauptbeobachter Führer mit kleinen pragmatischen Anpassungen über den gesamten Zeitraum hielt. Die Journale sind Ausdruck des Bemühens, die Natur zu vermessen und Daten als Grundlage für spätere Erkenntnis zu sammeln. Die Fürstenfelder Beobachtungsreihen sind eine solche Datensammlung, die so viele Informationen wie möglich zusammenträgt: Instrumentenmessungen aus dem Armarium der Abtei, Beschreibungen aus dem Umland und über Zeitungsberichte auch aus der Ferne, aber auch Eintragungen von vor 200 Jahren. In den Tabellen selbst stehen die Daten nebeneinander, ohne ihren ursächlichen Zusammenhang preis zu geben. Auswertung und anschließende Nutzanwendung waren jedoch das eigentliche Ziel der Sammlung; Aufgaben, die in der Hand des Netz-Koordinators lagen. Aber auch Führer bemühte sich darum. Im Jahre 1795 erstellte er detaillierte Punktdiagramme zum Verlauf des Luftdrucks und wurde für diese Arbeiten als Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Zur Beurteilung von Führers Rolle innerhalb des bayerischen Messnetzes lohnt sich ein genauerer Blick auf diese Arbeit. 2.2.3.4 Luftdruck-Diagramme von Gerard Führer Bisher traten die Klostergelehrten hauptsächlich in ihrer Rolle als Datensammler in Erscheinung, um die empirische Grundlage für das Auffinden von Gesetzmäßigkeiten zu bilden. In allen von Lorraine Daston beschriebenen Archivwissenschaften geht es nicht nur darum, Informationen zu sammeln und zu lagern, sondern auch zu benutzen.197 Für die historischen Großprojekte der französischen Mauriner sollte aus den vielen verschiedenen zusammengetragenen Textpassagen die ursprüngliche Fassung herausgearbeitet werden und Meteorologen wollten ihre Messdaten auch auswerten. Epp setzte das von ihm eingerichtete Bayerische Messnetz unter das Ziel, »diese Veränderungen unter 197 Daston: Sciences of the Archive 175.

102  Naturforschung im Kollektiv ein Gesetz [zu] bringen, [… und] aus dem Chaos anscheinender Widersprüche eine allgemeine periodische Regel heraus [zu] heben.«198 An dieser Suche nach periodischen Regeln beteiligte sich auch der Fürstenfelder Abt Führer und erstellte dazu großformatige Luftdruck-Diagramme. Seine Handschriften stehen im Mittelpunkt der nun folgenden Untersuchung. Wie versuchte Führer seine umfangreichen Wetterdaten auszuwerten, auf welche Methoden griff er zurück und welchen Beitrag konnte er damit leisten? Die Entwicklung der Meteorologie bis etwa 1800 war wesentlich davon geprägt, methodisch und epistemisch die Astronomie imitieren zu wollen.199 Obwohl die Naturforscher mit immer präziseren Instrumenten und einer zunehmenden Arbeitsteilung in der Lage waren, zusammenhängende und geordnete Datensammlungen zu erzeugen, gab es im 18. Jahrhundert noch keine geeignete Hypothese über ihren Zusammenhang. Genau hier setzte der Versuch an, sich an der Astronomie zu orientieren. Das vermeintliche Erfolgsrezept der Newtonschen Himmelsmechanik führte von langen Beobachtungsreihen zu der Formulierung eines allgemeinen Gesetzes, das durch neue Beobachtungen bestätigt und angepasst wurde und das Ereignisse korrekt vorhersagen konnte. Diese Vorgehensweise sollte auf die Wetterkunde übertragen werden. Für die Meteorologen verband sich damit nicht nur die Hoffnung, aus einer irgendwann ausreichenden Datenmenge Gesetzmäßigkeiten ableiten zu können, sondern auch die Suche nach Periodizitäten. So formulierte Epp in seiner Akademierede: »Es ist gewiß, sagt der selige Professor Lambert, daß die Meteorologie allgemeine Gesetze habe, und eine große Menge periodischer Phänomene bey ihr vorkommen. Die bisher gemachten einzelne Beobachtungen helfen wenig, weil keine Verbindung unter ihnen ist. O daß wir ihre Verkettung wüßten!«200 Mit der Astrometeorologie existierte bereits eine jahrhundertealte Tradition, die die Wettervorhersage auf astrologische Basis stellte und das Atmosphärengeschehen mit der Stellung der Planeten verband. Auch im 18. Jahrhundert war der Glaube an den Einfluss des Mondes auf das Wetter noch sehr wirkmächtig und wurde erst nach der Jahrhundertwende durch die Sonneneinstrahlung abgelöst.201 Die Grundfrage für die Meteorologen bis etwa 1800 aber blieb zunächst: War ein wiederkehrendes Verhalten zu beobachten, gab es dann auch eine Korrelation mit der Bewegung der Himmelskörper und wenn ja, was sagte das über eine Kausalität aus? Zwischen 1793 und 1796 übertrug Führer seine Barometer-Messwerte von Januar 1784 bis Dezember 1793 in eine grafische Darstellung. Die Ergebnisse wa 198 Epp: Wetterbeobachtungen 6. 199 Richter: Semiotik 202. 200 Epp: Wetterbeobachtungen 21. 201 Linda Richter bezeichnet dies als »solare Wende« in der Geschichte der Meteorologie, der ein Scheitern der Orientierung an der Astronomie vorangegangen war; siehe Richter: Semiotik 234.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  103

ren vier große und zwei kleinere Papierbahnen im Format 164 × 95 cm.202 Jeder Monat besteht aus einem Liniensystem mit 30 roten Linien, die den Barometerstand in Pariser Zoll angeben. Auf diesen sind die Luftdruckwerte mit schwarzen Punkten eingetragen, sodass drei Punkte einen Tag bilden und durch feine Striche voneinander abgetrennt sind (siehe Abbildung 5 und eine Detailansicht in Abbildung 6). Zusätzlich sind oberhalb und unterhalb der Messreihen weitere Angaben notiert: die Markierung der Sonntage, die Mondphasen, Winde und Lufterscheinungen wie Regen, Schnee, Gewitter oder Nordlichter. Für letztere verwendete Führer eine eigene Symbolik, für die er auf der hintersten Papierbahn eine Legende aufführte (siehe Abbildung 7). Was versuchte Führer mit diesen Diagrammen zu ergründen? Eine Publikation des Italieners Toaldo im Jahr 1775 stellte das Verhalten des Luftdrucks in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen.203 Er fand in seinen Wetterbeobachtungen ein periodisches Verhalten der Barometerwerte und erklärte dieses durch sogenannte atmosphärische Gezeiten. Analog zu den Bewegungen der Meere würde der Mond auch die Atmosphäre beeinflussen und zu regelmäßigen »Gezeiten« führen, die ähnlich genau vorhergesagt werden könnten wie beim Wasser.204 Dafür definierte er sogenannte »Monds-Puncte«, also besondere Stellungen von Mond, Erde und Sonne, an denen sich das Wetter stark verändern sollte. Sowohl die Länge der Wetterperioden als auch der eigentliche Mechanismus für den Einfluss des Mondes auf die Atmosphäre blieben bei Toaldo ungeklärt und sollten durch weitere Beobachtungen herausgefunden werden. Die Frage nach dem Mondeinfluss auf das Wettergeschehen blieb in den folgenden Jahrzehnten das zentrale Thema: Noch vor der Veröffentlichung einer deutschen Übersetzung von Toaldos Werk zwei Jahre später griff die Pfälzische Akademie das Thema in einer Preisfrage auf.205 Der Sekretär der Royal Society Samuel Horsley (1733–1806) lehnte den Mondeinfluss auf den Luftdruck ab und konnte stattdessen in seinen Daten Zusammenhänge zwischen Luftdruck und Wind erkennen.206

202 Die Diagramme befinden sich heute in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, Cgm 8283. 203 Toaldo, Giuseppe: La Meteorologia Applicata All’Agricoltura. Venedig 1775. Im deutschsprachigen Raum fanden Toaldos Ideen Verbreitung durch die zwei Jahre später erschienen Übersetzung von Johann Gottlieb Steudel mit dem Titel Witterungslehre für den Feldbau. 204 Cassidy: Meteorology in Mannheim 15–16; Lüdecke, Cornelia: Astrometeorological Weather Prediction at the Time of the Societas Meteorologica Palatina. In: Emeis, Stefan / Lüdecke, Cornelia (Hg.): From Beaufort to Bjerknes and Beyond. Critical Perspectives on Observing, Analyzing, and Predicting Weather and Climate. Augsburg 2005, 69–80, hier 71–72; Richter: Semiotik 218–220. 205 Cassidy: Meteorology in Mannheim 16. 206 Feldman: Meteorology 163.

104  Naturforschung im Kollektiv

Abb. 5: Erstes Blatt der Luftdruck-Diagramme von Gerard Führer. BSB Cgm 8283.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  105

Abb. 6: Ausschnitt aus den Luftdruck-Diagrammen von Gerard Führer, hier für den Monat Februar 1786. BSB Cgm 8283.

Abb. 7: Ausschnitt aus den Luftdruck-Diagrammen von Gerard Führer, hier für die Zeichenerklärungen. BSB Cgm 8283.

In Bayern hatte sich Epp bei der Errichtung eines Wetternetzes 1780 schon in der Akademierede auf Toaldo bezogen und deutlich gemacht, dass er davon ausging, dass die gesammelten Beobachtungen den Mondeinfluss deutlich machen würden: »Das Luftmeer, welches unsre Erde umgiebt, leidet die nämliche Fluth und Ebbe, wie der Ocean, und andre Meere.«207 Die nächste Preisfrage griff das Thema der Luftgezeiten ebenfalls auf und fragte: Hängt das Steigen und Fallen des Quecksilbers in dem Barometer von zufälligen oder periodisch wirkenden Ursachen ab? Ist letztes: welche ist die wahre Ursache? Trägt die allgemeine Schwere der Weltkörper, besonders des Mondes und der Sonne nichts bei? Und ist es wohl möglich, diese Veränderungen mit der Zuversicht vorherzusagen, mit welcher die Finsternissen der erde und des Mondes, Ebbe und Flut bestimmet werden? Die Akademie ersucht den Erfinder der wahren periodischen Ursache (wenn es je eine gibt), vor dem Ende des Jahres 1781 eine Tabelle verschlossen einzusenden, auf welcher für das Jahr 1781 das periodische Steigen und Fallen des Quecksilbers aufgezeichnet ist.

Mit den eingelaufenen Antworten war die Akademie nicht zufrieden und der Rotter Benediktiner Emmeram Sutor  (1759–1787) erhielt für seine Arbeit le 207 Epp: Wetterbeobachtungen 21.

106  Naturforschung im Kollektiv diglich eine Auszeichnung. Die Arbeit selbst blieb ungedruckt und die Frage wurde wiederholt.208 Auch beim zweiten Mal gab es keinen Preisträger, sondern wieder nur Auszeichnungen für drei Arbeiten. Eberhard Schröter (1725–1790) aus St. Petersburg und Kaspar Steer (1744–1844) aus Neuburg an der Donau bestätigten Epps Ansicht vom Einfluss von Mond und Sonne und erhielten jeweils eine Goldmedaille. Schröters Arbeit beinhaltete sogar eine Anleitung zur Erstellung eines astronomisch-meteorologischen Kalenders auf der Grundlage der Wetterbeobachtungen zu bestimmten Uhrzeiten und den Planeten-Aspekten. Eine Überprüfung dieser Methode durch Epp für den Februar 1783 führte unter bestimmten Bedingungen zu Übereinstimmung von Vorhersage und Wettergeschehen, in anderen Fällen allerdings auch nicht.209 Der dritte ausgezeichnete Einsender Joseph Stark (Lebensdaten unbekannt) aus Straubing verneinte einen Einfluss von Sonne, Mond und Planeten und erhielt dafür eine Silbermedaille. Innerhalb der Bayerischen Akademie war die Frage nach den Luftgezeiten das bestimmende Thema, und auch nach der Preisfrage nicht eindeutig geklärt. Als Epp im Jahr 1789 starb, sollte zunächst der Regensburger Benediktiner Coelestin Steiglehner dessen Aufgaben als »akademischer Meteorologe« übernehmen. Wenig später wählten ihn seine Mitbrüder jedoch zum Abt von St. Emmeram, und sein Schüler Placidus Heinrich übernahm die Stelle. Heinrich hielt sich an die Vorschläge Steiglehners und gab den letzten Band der Ephemeriden mit völlig anderem Aufbau heraus. Welchen Diskurs rezipierte Führer in Fürstenfeld und von welchen Entwicklungen wusste er? Anlässlich der Säkularisation erstellte der für dieses Zisterzienserkloster zuständige Bücherkommissar eine Liste mit Handschriften, Inkunabeln und Drucken aus der Bibliothek. Für die Universität wurden 573 Bände und für die Schulen 339 Bände ausgewählt; der Rest wanderte in die Papier­ mühle.210 Die dafür erstellten Inventarlisten geben eine erste Einschätzung davon, welche Bücher Führer in der Klosterbibliothek zur Verfügung standen.211 Insgesamt enthält die Liste etwas mehr als 1000 Nummern, wobei im Themengebiet »Philosophie« 83 Titel aufgeführt sind. Aus dieser Gruppe stammen 23  Bände aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die in Tabelle 7 aufgeführt sind. Darunter finden sich hauptsächlich Lehrbücher bayerischer und monastischer Auto­ ren wie den Prüfeninger Benediktiner Veremund Gufl (1705–1761), Ildephons Kennedy aus St. Jakob (1722–1804) und den Andechser Abt Rauch sowie den Jesuitenprofessoren in Ingolstadt und Dillingen Berthold Hauser (1713–1762), Maximus Mangold  (1722–1797), Benedikt Stattler  (1728–1797), Jakob Anton Zallinger (1735–1813), Johann Evangelist Helfenzrieder (1724–1803) und Joseph 208 Lüdecke: Astrometeorological Weather Prediction 71–72. 209 Ebd. 77. 210 Kellner, Stephan / Spethmann, Annemarie: Historische Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek München. Münchner Hofbibliothek und andere Provenienzen. Wiesbaden 1996, 213. 211 BayHStA Kurbayern Landesdirektion von Bayern in Klostersachen Nr. 3486.

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W ­ eber (1753–1831). Das einzige ausländische Werk sind die Dissertationes Physicae Experimentales von Pieter van Musschenbroek. Speziell zur Meteorologie findet sich nur eine Anleitung zur Reduktion des Barometerstandes des Rottenbucher Chorherren Guarin Schlögl  (1752–1788). Es ist davon auszugehen, dass Führer zusätzlich zum Bestand der Klosterbibliothek auch noch über einen Privatbestand an Literatur verfügte, über den es bisher keine Kenntnis gibt. Dennoch gibt diese Liste einen ersten Eindruck von der Gedankenwelt, in der sich Führer wohl hauptsächlich bewegte. Tabelle 7: Übersicht des Bibliotheksbestands im Kloster Fürstenfeld gemäß Bücherkommission im Themenbereich »Philosophie«, Werke aus dem 18. Jahrhundert. Veremund Gufl: Philosophia scholastica universa. 4 Bände, Regensburg 1750–1753 Berthold Hauser: Elementa philosophiae ad rationis. 8 Bände, Augsburg 1755–1764 Friedrich A. von Zindt: Tractatus de fato hominis. 1762 Maximus Mangold: Philosophia Recentior. 2 Bände, Craetz, München und Ingolstadt 1763–1764 Paul Mako: Compendiaria physicae institutio. Wien 1763 Benedikt Stattler: Theses ex universa philosophia, München 1763 Joseph Widmann: Theses ex universa philosophia. München 1762 Jakob A. Zallinger zum Thurn: Interpretatio Naturæ, Seu Philosophia Newtoniana Meth­odo Exposita, Et Academicis Usibus Adcommodata. 3 Bände. Augsburg 1773–1775 Johann H. G. von Justi: Moralische und Philsophische Schriften. 3 Bände, Berlin, Stettin und Leipzig 1760–1761. Guarini Schlögl: Tabulo pro Reductione quorumas statuum Parometri ad Normalem quedam laboris Gradem. Ingolstadt 1787 Petrus van Musschenbroek: Dissertationes Physicae Experimentales De Tubis Capillaribus Et Attractione Speculorum Planorum. Wien 1753 Jakob A. Zallinger zum Thurn: Lex Gravitatis Universalis Ac Mutuae Cum Theoria De Sectione Coni. München 1769 Johann Ev. Helfenzrieder: Abhandlung von Verbesserung der Feuerspritzen. Ingolstadt 1778 Theodor Sedlmayr: Die Logik zum allgemeinen Gebrauche. Ein Versuch für die Weltweisheit in Baiern. München 1773 Franz X. Epp: Problemata electrica. München 1773 Gregor Rauch: Naturlehre mit Vorbereitung, und Anwendung in Sätzen. Ingolstadt 1786 Gregor Rauch: Entwurf der Körperlehre. Neuburg 1785 Joseph Weber: Theorie der Elektrizität. Salzburg 1785 Anfangsgründe der Naturgeschichte zum Gebrauch der Schulen in den Churbayrischen Landen. München 1777 Ildephons Kennedy: Hauptsätze und Erklärungen jener physikalischen Versuche, welche auf dem akademischen Saale in München öffentlich angestellt werden. München 1763

108  Naturforschung im Kollektiv Gemeinsam mit seinen Beobachtungsreihen schickte Führer Anfang des Jahres 1796 seine Luftdruck-Diagramme an die Bayerische Akademie und fand Anerkennung für seine »schöne und wohlausgearbeitete Tabelle.«212 In den Sitzungsprotokollen hieß es dazu: »Für diese mühsame und nützliche Arbeit ernennt ihn [Gerard Führer] die Akademie zum außerordentlichen Mitglied der philosoph. Klasse. Er erhält zur Aufmunterung außerdem noch die goldene Medaille im Wert von 6 Dukaten.« Als Heinrich ein Jahr später den neunten Band der akademischen meteorologischen Ephemeriden herausgab, fanden Führers Aufzeichnungen jedoch keine Erwähnung.213 Hatte er einen Beitrag geleistet zu einer Frage, die gar nicht mehr aktuell war? Als Anhang zum neuen Band der Ephemeriden hatte Heinrich eine kurze Abhandlung zum Luftdruck herausgegeben, die ein erster Anhaltspunkt für diese Frage sein kann.214 Darin verglich er den Verlauf der Barometerwerte der drei Standorte Raitenhaslach, Tegernsee und Hohenpeißenberg im Jahr 1789 und stellte sie grafisch in Diagrammen dar (siehe Abbildung 8 und eine Detailansicht in Abbildung 9). Zusätzlich zu den Luftdruckdaten markierte er sechs »Mondspuncte« – Perigäum, Apogäum und die vier Phasen Neumond, Vollmond und zwei Halbmonde  – sowie das Auftreten von Gewittern mit ♂. Dabei fiel der »parallele Gang des Barometers« auf, den Heinrich genauer in Abhängigkeit von Längen- und Breitengraden untersuchte: Minima wandern von Norden nach Süden und von Wesen nach Osten.215 Zur Korrelation mit den Mondbahnen bemerkte er lediglich: »In wie fern die Minima mit gewissen Mondspuncten […] zusammentreffen, überlassen wir dem Leser der Beurtheilung.«216 Stattdessen las er einen Zusammenhang zwischen Sommergewittern und abfallendem Druck aus den Daten heraus, da »die Donnerwetter gewöhnlich an solchen Tagen entstehen, wo sich das Barometer einem Minimum nähert.«217 Führers Diagramme ähneln denen von Heinrich in vielerlei Hinsicht. Der Fürstenfelder Abt hatte jedoch zusätzlich zu den Werten für den Luftdruck, den Mondphasen und den Gewittern auch noch Winde und Lufterscheinungen wie Regen, Schnee, Nordlichter etc. eingefügt. Möglicherweise referenzierte Heinrich darauf, als er bemerkte: Man sieht leicht, daß man diesen Gedanken [Vergleich von Luftdruck mit Mond­ phasen] verfolgen, und für jeden Ort auch den herrschenden Wind; das Wetter, den 212 Dieses und das folgende Zitat aus dem Sitzungsprotokoll vom 23.02.1796, ABAdW Protokolle 7, fol. 44v-45r. 213 Heinrich, Placidus: Anhang zu den Wetterbeobachtungen von 1789. In: Der KurfürstlichBaierischen Akademie der Wissenschaften in München meteorologische Ephemeriden 9 (1797) 236–242. 214 Ebd. 215 Ebd. 240. 216 Ebd. 238. 217 Ebd. 238.

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Abb. 8: Luftdruckdiagramme von Placidus Heinrich für Januar bis Juni 1797 zur Veränderung des Luftdrucks in a) Raitenhaslach, b) Tegernsee und c) auf dem Hohenpeißenberg. Heinrich: Anhang 241.

Abb. 9: Ausschnitt aus den Luftdruck­ diagram­men von Placidus Heinrich für Januar 1797 zur Veränderung des Luftdrucks in a) Raitenhaslach, b) Tegern­ see und c) auf dem Hohenpeißenberg. Aus Heinrich: Anhang 241. Regen u. dergl. hätte beyfügen können. Allein dadurch würde die Zeichnung nur verwirrt geworden seyn.218

Der große Unterschied zwischen den beiden Arbeiten liegt in der Tatsache, dass Heinrich über eine Vielzahl von Datenreihen verfügte, während Führer nur die eigenen aus Fürstenfeld vorliegen hatte. Heinrichs Auswertung bezog sich daher hauptsächlich auf den Vergleich mehrerer Luftdruck-Reihen, weniger auf die Veränderungen innerhalb einer einzelnen Reihe. So wie Heinrich in seine Kupfertafeln auch die eigenen Luftdruckwerte aus St. Emmeram nicht inte­grierte,

218 Ebd. 237.

110  Naturforschung im Kollektiv wurden vermutlich auch Führers Werte nicht aufgenommen. Führers LuftdruckDiagramme waren noch weniger von Interesse und blieben daher unveröffentlicht. Ob, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen Führer selbst aus seinen Diagrammen zog, ist nicht überliefert. Dem letzten Band seiner Wetterjournale fügte er 1814 auf dem Deckblatt die Zusammenfassung seiner Beobachtungsreihen bei: »Nach 32 jährigen, des Tagens dreimal angestellten Beobachtungen, und Anmerkungen könnte für Witterungsvorhersagen nichts Bestim[m]tes von mir herausgezogen werden.«219 Zwei Jahre zuvor sandte er erneut ein Manuskript an die Bayerische Akademie, diesmal mit dem Titel Bemerkungen über meteorologische Gegenstände aus 30jährigen Beobachtungen. Eine Abhandlung wurde dazu nie publiziert, und auch die Handschrift selbst ist nicht überliefert. Der Physiker Ellinger bezog sich aber in seiner Akademierede Von den bisherigen Versuchen über längere Voraussicht der Witterung drei Jahre später auf Führers Abhandlung und führte dessen Arbeiten als empirischen Beweis für das Nichtvorhandensein eines periodischen Einflusses des Mondes auf die Witterung heran: »Eben so wenige Uebereinstimmung fanden auch Hr. Gerard Führer, ich und andere bey den Vergleichungen der Witterung nach anderen dergleichen 18- bis 19jährigen Perioden.«220 Von einer ähnlichen Einschätzung durch Führer kann wohl ausgegangen werden. Wie viele andere Klostermeteorologen war der Fürstenfelder Abt ein Beobachter des Wetternetzes der Bayerischen Akademie und erstellte ausführliche Beobachtungsreihen zum Wettergeschehen. Führer wollte die Daten jedoch nicht nur sammeln, sondern auch auswerten. Mit seinen Luftdruck-Diagrammen suchte er nach einem periodischen Verhalten des Luftdrucks und nach Korrelationen nicht nur mit den Mondphasen, sondern auch mit Winden und Gewittern. Damit bewegte er sich im Rahmen des Diskurses an der Akademie, die mindestens bis zum Tode Epps einen astrometeorologischen Ansatz verfolgte. Führers Diagramme wurden zwar durch die Vergabe einer Denkmünze belohnt, aber weder für die weitere Verarbeitung in den Ephemeriden genutzt noch überhaupt erwähnt. Nur mit dem Vergleich von Daten untereinander aus seiner eigenen Beobachtungsreihe und der Suche nach einem periodischen Verhalten war ihm kein anderer Zugang möglich. Im Gegensatz dazu befand sich Heinrich in der Rolle des Netz-Koordinators und machte Gebrauch vom Kollektiv der Datensammler. Damit war es ihm möglich, Luftdruckveränderungen in ihrer geographischen Ausdehnung als solche zu bemerken und zu untersuchen. Erst mit der Abkehr der Meteorologen von dem Versuch, Newtonsche Mechanik nachzuahmen, und der Transformation des Fachs in eine Physik der Atmosphäre in der ersten Hälfte

219 Meteorologische Tabellen Fürstenfeld Band 4, Deckblatt. 220 Ellinger: Voraussicht 38.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  111

des 19. Jahrhundert gelang es jedoch wirklich, aus der Krise der Datensammlung herauszukommen. * * * Obwohl die Klöster über ihren Wirtschaftsbetrieb eng mit der Landwirtschaft verbunden waren, finden sich vor dem Beginn der süddeutschen Wetternetze 1780 nur sehr vereinzelte monastische Initiativen zur regelmäßigen Wetterbeobachtung. Im Gegensatz zum Rebdorfer Prior Leib im 16. Jahrhundert stand nicht die Anwendung im Vordergrund, sondern der Wunsch nach einer Vermessung der Natur. Die dafür erstellten großen Datenmengen traten erst mit den akademischen Publikationsorganen an die Öffentlichkeit und wurden untereinander in Beziehung gesetzt. Auch weniger bekannte Klöster wie Fürstenfeld konnten dadurch einen Beitrag für die Gelehrsamkeit leisten, den Abt Führer mit Unterstützung seines Konvents in großer Zuverlässigkeit erstellte. Die Auswertung dieser Daten sollte jedoch in der Hand der Koordinatoren liegen, deren Amt für das bayerische Wetternetz ab 1791 Heinrich innehatte. 2.2.4 Konflikte in der Zeiteinteilung Als Franz Xaver Epp in seiner Akademierede 1780 den Ordensgelehrten als idealen Wetterbeobachter beschrieb, formulierte er damit nicht nur einen Wunsch, sondern auch eine Forderung. Die Klöster sollten die Rahmenbedingungen für Wetterbeobachtung schaffen, besonders hinsichtlich der Lebensweise. Der Grundpfeiler regelmäßiger Beobachtung war der monastische Tagesplan, der Garant für Kontinuität. Die Strukturierung des Tages in Zeiten des Gebets, der Lesung und der Arbeit gehört zu den Grundprinzipien des Mönchtums seit den Anfängen.221 Die Festlegung der Tätigkeiten soll dem inneren Gleichgewicht dienen und vor Müßiggang schützen. Äußere Ordnung hilft der inneren. Am zeitintensivsten gestalteten sich zuallererst die Gebets- und Messzeiten. Anzahl und Zeitpunkte der sogenannten Horen, der Stundengebete, veränderten sich im Laufe der Zeit und wurden insbesondere äußeren Rahmenbedingungen angepasst. Grundlage war jedoch von Anfang an der Spruch des Psalmisten »Mitten in der Nacht stehe ich auf, um Dir zu danken« sowie »Siebenmal am Tag lobe ich Dich, Herr.«222 Der Hl. Benedikt gab in seiner Ordensregel der Tageszeitenliturgie die übliche Form: »Zu diesen Zeiten lasst uns also unserem Schöpfer den Lobpreis darbringen wegen seiner gerechten Entscheide, nämlich in Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet. Auch in der Nacht lasst uns aufstehen,

221 Puzicha, Michaela: Kommentar zur Benediktusregel. St. Ottilien 2002, 404–411. 222 Psalm 119, 62.164.

112  Naturforschung im Kollektiv um ihn zu preisen.«223 Daraus ergab sich die folgende, grundsätzliche Struktur: Vigil um Mitternacht, Laudes (auch Matutin genannt) zum Morgenanbruch, die kleinen Horen Prim, Terz, Sext und Non im drei-Stunden-Abstand, Vesper im Übergang zur Nacht und Komplet als Nachtgebet. Die kleinteilige Struktur des Tages erschwerte ein konzentriertes Studium, wenn es über die geistlichen Lesungen hinausgehen sollte.224 Besonders intensiv sind die Beschwerden des St. Emmeramer Benediktiners Roman Zirngibl (1740–1816) über seinen Tagesablauf überliefert, die er seinen Briefpartnern übermittelte: »Denken Sie nur: Sommer und Winter gehen wir um 5 Uhr abends zum Disch: und alsdann hat das Studieren, und Arbeiten wegen den langen Chorgesange ein End.«225 In Konsequenz musste er feststellen, »da wir die widersinnigste Tagordnung haben, so bleibt mir den Tag hinüber kaum eine Stunde über, die ich den […] Nachsuchungen widmen kann.«226 Dennoch versicherte er: »Das Studieren, so wenig Zeit ich nur immer habe, habe ich noch nicht an Nagel aufgehangen. Alle zersplitterte Stunde, die mir unsre unordentliche Tagordnung überläßt, widme ich demselben.«227 Dabei konnte es durchaus Ausnahmeregelungen für einzelne Ordensgelehrte geben. Das Generalkapitel der Bayerischen Benediktinerkongregation legte dafür 1794 fest, dass Äbte besonders für die Professoren »nach Bedürfnis und Verdienst, ›wohlüberlegte Ausnahmen‹ (discretas exemtiones)« festlegen durften.228 Im Augustiner-Chorherrenstift Polling erlaubte der Propst seinem Konventualen Goldhofer im Dezember 1761, von den Gebetszeiten fernzubleiben und stattdessen seinen Beobachtungen nachzugehen. Statt einer stützenden Ordnung empfand Goldhofer seinen klösterlichen Tagesplan als Hindernis für seine Forschung, von der er nun entbunden war. In einem Brief an den Sekretär der Bayerischen Akademie drückte er seine Hoffnung aus, zukünftig nun mehr studieren zu können: Aber es ist so (freut Euch mit mir & gratuliert), dank sei Gott!, seit den letzten Tagen des vergangenen Jahres, dass schlussendlich der Herr mein Abt mich befreite und entband von allen normalen und außergewöhnlichen Hauspflichten, sodass ich mich nun im Stande finde mich vollständig der Angelegenheit zu widmen, zu der er mich bestimmt hat.229 223 Regula Benedicti 16, 5; siehe Nursia, Benedikt von: Die Regel des heiligen Benedikt. Herausgegeben im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz. Beuron 2013, 67. 224 Lehner: Monks 30–31. 225 Brief Roman Zirngibl an Lorenz von Westenrieder vom 03.09.1787, abgedruckt in Kraus, Andreas: Die Briefe Roman Zirngibls von St. Emmeram in Regensburg. Kallmünz 1966, 26. 226 Brief Roman Zirngibl an Lorenz von Westenrieder vom 15.01.1795, abgedruckt in ebd. 63. 227 Brief Roman Zirngibl an Sterzinger vom 10.04.1785, abgedruckt in ebd. 375. 228 5. Beschluss im 33. Generalkapitel 1794 in Oberalteich, siehe Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 611. 229 Original: »[M]ais (congaudete mecum & congratulamini) c’est, graces à Dieu! depuis les derniers jours de l’année passée, qu’enfin Mrs. mon abbé me dispensa & exempta de toutes les charges tant ordinaires qu’ extraordinaires de la maison, de forte, que je me trouve à pré-

Meteorologie: Das Wetter vermessen  113

Die Antwort kam umwendend: »Ich gratuliere Ihnen […] von ganzem Herzen, dass Sie nun in der Lage sind sich einer Tätigkeit zu widmen, […] zu der die Musen Sie schon seit so langer Zeit bestimmt haben.«230 Für den Propst von Rottenbuch Ambrosius Mösmer (1721–1798) waren einzelne Ausnahmen nicht genug, und so strebte er 1782 eine grundsätzliche Reform des Tagesplans an. Es ging vor allem um die Zusammenlegung einiger Gebetszeiten, sodass sich die Zeiten dazwischen verlängerten. Da er für eine derartige Änderung die Zustimmung des Kapitels, also aller Rottenbucher Chorherren, benötigte, schrieb er auch an die Konventualen in den Außenstellen und bat um deren Zustimmung. Er griff dabei zu drastischen Worten: Wir leben nun in solchen Zeiten, daß der Erhalt und das Wohlergehen des Stifts und des (Hohen-)Peißenbergs ganz allein von der Pflege gelehrter Studien abhängt. Diese erfordert viel Zeit, und zwar solche, die sich dafür eignet. Die bisher übliche Tagesordnung gewährt, wie es offenkundig ist, entsprechende Zeiten überhaupt nicht oder jedenfalls nur sehr beschränkt. Daher wird es erforderlich sein, die Tagesordnung zum Besseren zu verändern oder uns selbst einem höchst betrüblichen Schicksal auszusetzen.231

Der Propst hatte konkret meteorologische und astronomische Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg im Sinn, die seine Konventualen seit einigen Jahren in ihrem Observatorium durchführten. Um sein Kloster also vor einem »höchst betrüblichen Schicksal,« nämlich der Aufhebung, zu bewahren, sollte Naturforschung betrieben werden. Mösmer reagierte damit auf die zeitgenössische Kritik am monastischen Bildungssystem und auf die staatliche Klosterpolitik, die seit den 1760er Jahren in die Selbstständigkeit der Klöster eingriff. Im Zuge der josefinischen Reformpläne wurden in den österreichischen Erblanden seit 1780 bereits alle Klöster ohne Schulen oder Krankenpflege aufgehoben, was mehr als 700 Konvente betraf. Die Sorge vor weiteren Aufhebungen war nicht unbegründet. Der Vorschlag des Propstes wurde nicht nur von den Chorherren selbst, sondern auch vom Geistlichen Rat der Diözese Freising approbiert.232

sent en état de me livrer tout entierement [=entièrement] à l’objet auquel il m’avoit destiné.« Brief Prosper Goldhofer an Ildephons Kennedy vom 21.01.1762, Archiv der BadW Briefe 1762 Nr. 19–2. 230 Original: »Je vous felicite [=félicite], Mon Rvd. Pere! de tout mon cœur, que vous estes à cette heure en état de vous livrer à un Metier [=Métier] tenus, et auquel les Muses vous ont destiné depuis si long temps.« Brief Ildephons Kennedy an Prosper Goldhofer vom 12.02.1762, Archiv der BAdW Briefe 1762 Nr. 19–3. 231 Ambrosius Mösmer an die auswärtigen Konventualen vom 15.01.1782, ediert in Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg 25–26. 232 Winkler: Frühgeschichte 33.

114  Naturforschung im Kollektiv Für Mösmer ging es bei dieser Angelegenheit um das grundsätzliche Selbstverständnis des Mönchtums, dessen Verschiebung in dieser Reform seinen Ausdruck fand. In seiner Kapitelrede verknüpfte er beides miteinander: Wozu nämlich bevölkern die Mönche die Erde, wozu verzehren sie das Mark des Staates, wenn sie nicht durch Studien, durch Bildung und durch die Wissenschaften der Allgemeinheit dienen? […] Mit einem Wort: es ist nunmehr unwiderruflich so beschlossen, daß es Ordensgemeinschaften entweder nicht gibt oder sie ebenso Übungsstätten der höheren Bildung wie der Frömmigkeit sind; nicht zu reden vom Peißenberg, der nur solange uns gehören wird, als wir dort meteorologische Beobachtungen usw. fachkundig durchführen.233

Für Mösmer war das Kloster ein Ort von Bildung, Wissenschaft und Frömmigkeit, und die neuen Anforderungen mussten alle integriert werden. Dabei sollte die Naturforschung nicht nur ein vorgeschobenes Argument zur Betonung der Nützlichkeit sein, sondern als Teil der monastischen Aufgabe in der Welt gelten: Aber angenommen, die Klöster sind sicher und den Mönchen ist es von Seiten der Fürsten und der Minister des Staates freigestellt, die neueren Studien zu pflegen oder zu vernachlässigen: verlangt nicht das Wohl der Kirche und der unserer Fürsorge anvertrauten Seelen, daß wir mit jeglichem uns möglichen Eifer den zur heutigen Zeit betriebenen Wissenschaften obliegen? […] Wie sollen wir Hilfe leisten, solange die Bildung der Gegner in allem unsere Unwissenheit übertreffen und durcheinanderbringen kann? […] Das Bemühen um die neuen Studien ist also für uns in höchstem Maß notwendig, ob wir nur unser eigenes Wohlergehen und Weiterbestehen im Auge haben oder auch das der anderen.234

Die süddeutschen Augustiner-Chorherren waren in ihrer Organisation selbstständiger als die Benediktiner, die in Kongregationen zusammengeschlossen waren. Die Generalkapitel der Bayerischen Benediktinerkongregation traten alle drei bis sechs Jahre zusammen und berieten übergeordnete Themen. Dazu zählte auch die Festlegung der Tagesstruktur. Im Jahr 1788 legten die versammelten Äbte dazu fest: Damit die Liebhaber der Wissenschaften mehr Zeit für ihre Studien gewinnen, und die Einheitlichkeit in unserer Kongregation gewahrt bleibe, ordnen wir folgendes an: In allen Klöstern werde nach der kanonischen Sext sogleich die Non angeschlossen, und täglich um 11 Uhr das Mittagessen eingenommen.235

233 Kapitelrede von Propst Ambrosius Mösmer 1782, abgedruckt in ebd. 32–33. 234 Kapitelrede von Propst Ambrosius Mösmer 1782, abgedruckt in ebd. 32–33. 235 7. Beschluss des 32. Generalkapitels 1788 in Wessobrunn, siehe Reichhold: Beschlüsse der Generalkapitel 606.

Meteorologie: Das Wetter vermessen  115

Der Beschluss des Generalkapitels hatte explizit den Äbten eigene Veränderungen zugesprochen: »Andere Ausnahmen werden nicht festgelegt, aber sie bleiben dem klugen Ermessen (prudentiae et discretioni) der Oberen überlassen, die die Fähigkeiten und Bedürfnisse ihrer Untergebenen kennen.« Bei einer Visitation im Regensburger Stift St. Emmeram legte der Präses dem neu gewählten Abt Steiglehner besonders ans Herz, den Mitternachtschor auf die frühen Morgenstunden zu verlegen.236 Steiglehner war jedoch unentschlossen, da sich besonders seine älteren Konventualen gegen eine Änderung des Tagesplans aussprachen. Schließlich übertrug der Abt die Entscheidung dem Kapitel, das per Mehrheitsbeschluss die Verlegung der Matutin von Mitternacht auf 4 Uhr morgens, die Zusammenlegung der übrigen Chorzeiten und die Änderung der Zeiten für die Mahlzeiten festlegte.237 Steiglehners Nachfolger in seinen meteorologischen Beobachtungen Heinrich betrachtete diese Maßnahme als eine »weise Abänderung in der seit Jahrhunderten eingeführten, allein mit unseren dermaligen Beschäftigungen nicht mehr wohl vereinbaren Tagesordnung.«238 Sein Abt »verschaffte [dem Konvent] dadurch Gelegenheit, den Amtsgeschäften und Studien mit mehr Musse und ununterbrochner Zeitdauer abzuwarten, ohne den geistlichen Verrichtungen Abbruch zu thun.«239 Zunächst waren diese Veränderungen mit Ausnahmen im Sinne der Senioren verbunden, die Heinrich belächelte: »Zwar haben sich die guten Herrn verstanden, zur Advent- und Fastenzeit noch ferner die Metten um Mitternacht zu betten; allein ich glaube nicht, daß dießes pium propositum [frommer Vorschlag, JB] lange erhalten wird.«240 Tatsächlich hob die nachfolgende Visitation sie auf.241 Die Einteilung des Tages in Zeiten des Gebets und der Arbeit prägte den monastischen Alltag wie kaum etwas anderes. Es verwundert daher nicht, dass regelmäßige Wetterbeobachtungen zu bestimmten Uhrzeiten und der monastische Tagesplan in direktem Zusammenhang standen. Für sein bayerisches Wetternetz betrachtete Epp die Mitarbeit von Ordensgelehrten als unabdingbar und machte an verschiedenen Punkten kleinere Zugeständnisse an ihre Lebensform. Dies betraf auch die Wahl der Uhrzeiten für die Messungen. Hemmer forderte für die Societas Meteorologica Palatina die Einhaltung von drei Messzeiten: morgens um 7 Uhr, mittags um 14 Uhr und abends um 21 Uhr. Ähnlich sahen die Vorgaben 236 Kraus, Andreas: P. Roman Zirngibl von St. Emmeram in Regensburg. Ein Historiker der Alten Akademie (1740–1816). In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 67 (1956) 39–203, hier 39–40. 237 Heinrich, Placidus: Kurze Lebensgeschichte des letzten Fürst-Abtes zu St. Emmeram in Regensburg Cölestin Steiglehner. Regensburg 1819, 59–60. 238 Ebd. 59–60. 239 Ebd. 59–60. 240 Brief Placidus Heinrich an Maximus Imhof vom 14.03.1795, ABAdW Briefe 1795 Nr. 2/2. 241 Kraus: Zirngibl 40.

116  Naturforschung im Kollektiv der Bayerischen Akademie aus – mit einem Unterschied: die letzte Beobachtung sollte bereits um 20 Uhr stattfinden.242 Die von der Mannheimer Gesellschaft abweichende Uhrzeit führte der Meteorologiehistoriker Carl Lang auf eine »minder stramme Disciplin in dem churbayerischen Beobachtungsnetze« zurück.243 Dieser Vorwurf widerspricht jedoch der Tatsache, dass es sich hierbei um eine Festlegung in der für alle Stationen geltenden Beobachteranweisung handelte. Stattdessen ist anzunehmen, dass Epp damit eine wohl überlegte Angleichung an den monastischen Tagesablauf vornehmen wollte. So endete ein Tag im Augustiner-Chorherrenstift Polling um 19:50 Uhr mit einer Zeit der Stille, der die Nachtruhe folgte.244 Epp fürchtete wohl, dass eine Messzeit um 21 Uhr wie im Mannheimer Wetternetz entweder ignoriert oder selbstständig angepasst werden würde. Durch die Festlegung der letzten Messzeit auf 20 Uhr konnte er eine Einheitlichkeit innerhalb des Bayerischen Messnetzes gewährleisten.

2.3 Zwischenfazit Monastische Naturforschung charakterisiert sich wesentlich durch die Herausbildung einer spezifischen Lebensweise, die auf dem Klosterleben aufsetzte und kollektiven Empirismus begünstigte. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts beteiligten sich süddeutsche Klostergelehrte an der Akademiebewegung, um ihren historischen und theologischen Großprojekten einen organisatorischen Rahmen zu geben. Arbeitsweise und -inhalte förderten sich gegenseitig. Auch wenn es sich bei diesen Arbeiten nicht um naturwissenschaftliche Studien handelte, legte der Zusammenhang von Lebens- und Arbeitsweise die Grundlage für die spätere Rolle der Klöster in den Wetternetzen. Die Zeitschrift Parnassus Boicus betrat hier hinsichtlich Naturforschung Neuland, indem sie v. a. für astronomische Fragestellungen die Zusammenführung und Auswertung verschiedener Beobachtungen vorantrieb. Mit der Einrichtung von Wetternetzen ab den 1780er Jahren traten die Vorteile der monastischen Lebensweise für die regelmäßige Datensammlung deutlich hervor. Der Klostergelehrte als idealer Wetterbeobachter kombinierte die Anforderungen aus Mönchtum und Naturforschung in seinem täglichen Tun miteinander. Die mit der kollektiven Arbeitsweise verbundene Aufteilung unterschied in erster Linie zwischen zentralen Koordinatoren und verteilten Sammlern. Die an die Wetterbeobachter gestellten Erwartungen ließen sich für Epp besonders durch die monastische Lebensweise garantieren: finanzielle Absicherung, Ortsstabilität sowie Kontinuität und Datenfülle durch die Klostergemein 242 Epp: Anzeige 23. 243 Lang: Bestrebungen 21. 244 Milisterfer, Roland: Das Kloster Polling im 18. Jahrhundert. Polling 2004, 7

Zwischenfazit  117

schaft. Schon beim Rebdorfer Prior Leib ermöglichte die Unterstützung durch seine Mitbrüder im 16. Jahrhundert eine durchgehende Beobachtungsreihe, die 18 Jahre überspannte. Auch in Fürstenfeld zwei Jahrhunderte später waren es Führers eigene Ortsstabilität und die Klostergemeinschaft, die für einen vollständigen Datenkorpus sorgten. Einheitlichkeit zwischen den unterschiedlichen Beteiligten sollten genaue Anleitungen und Vorgaben garantieren. Das konnte gelingen, wenn sich die Beobachter wie Führer auch tatsächlich daran hielten und ihre Rolle als Bestandteil des Messnetzes erfüllten. Seine Wettertagebücher dienten dem Sammeln von Informationen von verschiedenen Orten und aus unterschiedlichen Zeiten, ohne diese jedoch miteinander in Beziehung zu setzen. Obwohl die Aufgabe des Auswertens prinzipiell am zentralen Ort des Netzes erfolgte, bemühte sich auch Führer selbst darum. Seine Luftdiagramme fanden jedoch kaum Aufmerksamkeit. Stattdessen oblag es dem Redakteur Heinrich, die ihm durch das Kollektiv zur Verfügung stehenden Daten zusammenzuführen und zu vergleichen. Gerade die Beteiligung an übergeordneten Organisationsstrukturen brachte die Lebensweise der Klostergelehrten jedoch in ständige Spannung. Regelmäßige Beobachtung hing zentral mit der Lebensweise des Beobachtenden zusammen, dessen »ruhige Lebensart« nach Epps Vorstellungen diese erst gewährleisten konnte. Gerade die monastische Tagesstruktur stellte sich aber als Belastung für die Gelehrten heraus, weil sie zu wenig Freiräume ließ. Mit der Reform ihrer Tagesordnung wollten Mönche und Chorherren den wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig die Einheit innerhalb der Orden aufrechterhalten. Damit stand monastische Naturforschung zwischen der wissenschaftlichen Einheit innerhalb eines meteorologischen Messnetzes einerseits und der monastischen Einheit innerhalb eines Ordens andererseits. Gleichzeitig zeigen Epps eigene Anpassungen der Messzeiten die Bedeutung der Klöster für das Bayerische Messnetz und die Bedeutung der Lebensweise für Naturforschung. Das ganze Wetternetz wurde auf die Tagesstruktur der Mönche und Chorherren ausgerichtet. Die Reformen des Tagesplans waren Ausdruck einer Bedeutungsverschiebung von Gelehrsamkeit gegenüber Gebet im Mönchtum. Es ging nicht nur um einen unbedeutenden Aspekt der Zeiteinteilung, sondern um eine grundsätzliche Revision des klösterlichen Selbstverständnisses. Die Akteure versuchten sich damit gegen die massive zeitgenössische Kritik an ihrer Lebensweise zu behaupten und mussten dafür ihre Werteordnung neu justieren: Gottesdienst trat zurück hinter Gelehrsamkeit. Unter den europäischen Stationen der Societas Meteorologica Palatina standen bayerische Klöster gleichberechtigt neben Akademien und Universitäten, die ihre Aufgaben als gelehrte Institutionen innerhalb eines Netzes übernehmen sollten. Die Initiativen für solche organisierten Datensammlungen gingen von Gelehrten wie Hemmer, Epp oder Böckmann aus. In der Koordination und Zentralisierung von Naturforschung übernahmen die Klöster keine Führungsrolle.

118  Naturforschung im Kollektiv Mit den Ordensakademien sollte es Strukturen für eine bessere Zusammenarbeit der Klostergelehrten geben, die jedoch meist nur auf die Unterstützung von Theologie und Geschichtsschreibung abzielten. Unter dem Dach der Bayerischen Benediktinerkongregation konnte zwar 1779 erfolgreich eine Akademie gegründet werden, aber die am Ende gewählte Form über Preisfragen förderte nur Einzelstudien und keine Kooperationen. Ohne die Vorstöße der Bayerischen und der Pfälzischen Akademie gab es nur sehr vereinzelte Wetterbeobachtung in Klöstern, und nur die Regensburger Benediktiner scheinen überhaupt eigeninitiativ mit regelmäßiger Wetterbeobachtung begonnen zu haben. Das Kapitel hat aber auch gezeigt, dass monastische Wetterbeobachtung hauptsächlich ein bayerisches Phänomen gewesen ist. Innerhalb der Bayerischen Akademie wurden Klöster von Anfang an als Wetterstationen gedacht, sei es bei den Münchener Augustinereremiten, den Benediktinern in Tegernsee oder den Augustiner-Chorherren auf dem Hohenpeißenberg. Böckmann hatte bei seiner Badischen Witterungsanstalt keine Klöster dabei und sah die Wetterstationen eher in den Händen von Pfarrern. Auch innerhalb der Societas Meteorologica Palatina finden sich keine Klosterstationen außerhalb von Bayern. Als Epp 1780 seine Wunschvorstellungen eines idealen Witterungsbeobachters formulierte, nahm der »ehemalige oder wirkliche Professor der Philosophie« eine besondere Rolle ein. Er war zuständig für die instrumentellen Beobachtungen und die Unterweisung seiner Schüler in den nicht-instrumentellen. Epp setzte damit sowohl die Existenz als auch die Kompetenz im Umgang mit meteorologischen Instrumenten in den Klöstern voraus. Es ist nun an der Zeit, sich mit der wissenschaftlichen Infrastruktur in den Klöstern selbst zu beschäftigen: Instrumentensammlungen und Observatorien.

3.

Naturforschung im Observatorium Voller Spannung und freudiger Erwartung hatte der Chorherr auf diesen Tag hingearbeitet. Ungeduldig wartete er auf den Sonnenaufgang und prüfte immer wieder die Ausrichtung seines Sextanten. Mehrere Jahre an Vorbereitung sollten sich in den kommenden Stunden auszahlen, wenn er den Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe beobachten würde. Er fühlte sich verbunden mit den vielen anderen Astronomen auf der ganzen Welt, die wie er Teleskope und Pendeluhren angeschafft und viel Zeit in die Bestimmung der geographischen Länge ihrer Standorte gesteckt hatten. Sein Mitbruder stand in einiger Entfernung mit einer weiteren Pendeluhr bereit, um die gemessenen Zeiten zu kontrollieren. So warteten sie auf das Erscheinen der Venus.

Die Beobachtung des Venustransits im Jahr 1761 war ein bedeutendes astronomisches Ereignis, das mit viel Aufwand vorbereitet und durchgeführt wurde. Das Augustiner-Chorherrenstift Polling beteiligte sich als einziges bayerisches Kloster daran. Die Detailstudie zum Venustransit folgt den Chorherren in ihren Vorbereitungen, dem Ankauf der Messinstrumente und der Einrichtung eines Observatoriums, sowie dem schriftlichen Austausch mit Kollegen. Wegen der ungewöhnlich guten Quellenlage im Fall Pollings dient dieses Kloster als Ausgangspunkt, um Beobachtungen über die Interaktion monastischer Naturforscher mit der Gelehrtenrepublik aufzustellen: die instrumentelle Ausstattung, die räumlichen Bedingungen einer Sternwarte und der Kommunikationsraum der Gelehrtenkorrespondenz. In jeweils anschließenden breiteren Analysen werden die Pollinger Ergebnisse im Vergleich mit weiteren Klöstern verallgemeinert und erweitert.

3.1 Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten Am 6. Juni 1761 richteten Astronomen auf der ganzen Welt ihre Teleskope gen Himmel, um den Durchgang der Venus zwischen Erde und Sonne beobachten zu können. Auch die Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München wollten ihren Beitrag zu diesem Ereignis leisten; noch am selben Tag berichtete der Akademiesekretär: Wir bedauern sehr, daß Euer Hochwürden der Observation hier nicht beywohnen können, die eben mit dem glücklichsten Erfolg zu Ende gegangen. […] Die Observa­ tionen selbst wurden nach den […] von Euer Hochwürden begutachteten, Methoden

120  Naturforschung im Observatorium mit einer solchen Genauigkeit vorgenohmen [sic!], daß meine Herrn Sternseher sich schmeicheln, bey der Venus selbsten sich Ehre erworben zuhaben.1

Der Empfänger dieses Schreibens, der die Beobachtung in München eigentlich hätte durchführen sollen und nach dessen Vorschriften die Münchner Akademiemitglieder observierten, war Prosper Goldhofer (1709–1782) aus Polling. Trotz der abgelegenen Lage des Klosters waren Goldhofers astronomische Kenntnisse in der Residenzstadt wohl bekannt. Weder einen der Professoren der Landesuniversität Ingolstadt noch eines der Akademiemitglieder in München, sondern diesen oberbayerischen Chorherren betrachtete man als Autorität in der Sternkunde. 3.1.1 Beobachtungen verteilt auf der Erde Venustransite sind seltene astronomische Ereignisse, die paarweise nur etwa alle hundert Jahre geschehen. Dabei stehen die Sonne und die Planeten Venus und Erde in einer Linie, was von der Erde aus als Wanderung eines schwarzen Punktes vor der Sonnenscheibe zu beobachten ist. Dem Venustransit im Jahr 1761 folgte ein zweiter nur acht Jahre später und der nächste dann erst wieder 1874. Während der Venusdurchgang im Jahr 1639 von nicht mehr als zwei englischen Astronomen überhaupt wahrgenommen wurde, erzielten die Durchgänge im nachfolgenden Jahrhundert bereits globale Aufmerksamkeit.2 Der Grund: Venusdurchgänge wurden als einmalige Möglichkeit betrachtet, den Abstand zwischen Erde und Sonne und damit die Größe des Sonnensystems zu bestimmen. Das dritte Kepler-Gesetz stellt einen Zusammenhang zwischen den Umlaufzeiten und den großen Halbachsen der elliptischen Planetenbahnen her. Bei bekannten Umlaufzeiten der Planeten um die Sonne konnte der relative Sonnenabstand aller Planeten bestimmt werden. Mit der Kenntnis auch nur einer einzigen absoluten Distanz zwischen irgendeinem Planeten und der Sonne konnte die Größe des gesamten Systems auf Grundlage des Kepler-Gesetzes errechnet werden. Noch im 19. Jahrhundert nannte der britische königliche Astronom in Greenwich die Bestimmung dieses Abstands »the noblest problem in astronomy.«3 Das Messprinzip beruht auf der sogenannten Parallaxe, also der Tatsache, dass sich die Position eines Objektes von zwei verschiedenen Standorten aus 1 Brief Johann Georg Lori an Prosper Goldhofer vom 06.06.1761, abgedruckt in Spindler: Briefe 411–412. 2 Der Venusdurchgang im Jahr 1639 wurde von dem Engländer Jeremiah Horrocks (1618–1641) und dem Tuchhändler William Crabtree (1610–1644) in der Nähe von Liverpool bzw. Manchester beobachtet, vgl. hierzu Bucher, Gudrun: Die Spur des Abendsterns. Die abenteuerliche Erforschung des Venustransits. Darmstadt 2011, 51–55. 3 Lomb, Nick: Transit of Venus. 1631 to the Present. New York 2012, 19.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  121

betrachtet scheinbar verändert.4 Um also die Sonnenparallaxe aus einem Venusdurchgang bestimmen zu können, bedurfte es Beobachtungsstandorte mit möglichst großem Unterschied in ihrer geographischen Länge. Es war die Idee des englischen Astronomen Edmund Halley (1693–1762) – bekannt durch den später nach ihm benannten Halley’schen Kometen – den Venusdurchgang im Jahr 1761 als eine globale Anstrengung zu betrachten, auch wenn er ihn selbst nicht mehr erleben konnte. Halleys Aufruf wurde geradezu enthusiastisch von den nachfolgenden Generationen aufgenommen, und an über 120 Orten auf der Erde vermaßen Astronomen die Zeitpunkte des Durchgangs.5 Seit fünf Jahren standen sich die europäischen Mächte im später als Siebenjährigen Krieg bezeichneten Kampf gegenüber, was ihre Gelehrten nicht von ausgedehnten Expeditionen an günstig gelegene Orte abhielt – wohl aber in manchen Fällen von einem erfolgreichen Ausgang.6 Die Royal Society in London finanzierte zwei Reisen, eine nach Sumatra im heutigen Indonesien und eine auf die Insel St. Helena im Südatlantik. Die französische Akademie sandte ihre Beobachter in ihre Kolonie im Südosten von Indien und nach Tobolsk in Sibirien. Der Venustransit von 1761 gilt daher auch als das erste globale wissenschaftliche Ereignis. Halleys Aufruf sah die Beobachtung des vollständigen Durchgangs vor, d. h. Eintritt, Passage und Austritt. Wegen der Bewegung der Erde um die Sonne und ihrer Eigenrotation war die Beobachtung jedoch nicht an allen Orten auf dem Globus möglich. Der französische Astronom und Kartograph Joseph-Nicolas Delisle  (1688–1768) erstellte zu diesem Zweck seine berühmte mappemonde, eine Weltkarte mit dem genauen Verlauf des Venustransits.7 Außerdem entwickelte er eine Methode, die Sonnenparallaxe aus der Beobachtung entweder nur des Eintritts oder nur des Austritts zu berechnen. Seine mappemonde zeigte auf einen Blick, welcher Teil des Venusdurchgangs an welchen Orten zu sehen sein würde. Damit hatte Delisle die Anzahl der möglichen Beobachterstandorte vervielfacht, die Erfolgschancen des gesamten Projekts enorm gesteigert und vor allem die Teilnahme auch europäischer Astronomen an ihrem Heimatort über 4 Die Parallaxe eines Sterns ist definiert als der Winkel, unter dem der Erdbahnradius vom Stern aus erscheint. Er entspricht damit dem Winkel oder dem Halbmesser der ellip­ tischen scheinbaren Bahn eines Sterns von der Erde aus betrachtet. 5 Zum Venustransit im Jahr 1761 siehe Woolf, Harry: The Transits of Venus. A Study of Eighteenth-Century Science. Princeton 1959; Ratcliff, Jessica: The Transit of Venus Enterprise in Victorian Britain. London 2008; Aspaas: Maximilianus Hell; Wulf, Andrea: Die Jagd auf die Venus. Und die Vermessung des Sonnensystems. München 2012. 6 Der Franzose Guillaume Le Gentil war von der Pariser Akademie nach Pondicherry an der Ostküste Indiens geschickt worden, um von dort den Venusdurchgang 1761 zu beobachten. Zum Zeitpunkt seiner Abfahrt war Pondicherry französisches Kolonialgebiet, wurde aber noch während seiner Reise von den Engländern besetzt. Le Gentil war schließlich gezwungen, den Venusdurchgang vom Schiff aus zu beobachten, und es war ihm nicht möglich, brauchbare Ergebnisse zu erhalten; vgl. Bucher: Spur des Abendsterns 73–76. 7 Abgedruckt als Abbildung 8 in Woolf: Transits of Venus.

122  Naturforschung im Observatorium haupt erst ermöglicht. Der größte Teil des Kontinents lag nämlich in einer Zone, in der nur ein Teil der Passage und der Austritt sichtbar sein sollten. Zu diesen Gebieten gehörte auch das Kurfürstentum Bayern, in dem der Transit von drei Stationen aus beobachtet wurde: Ingolstadt, München und Polling. In Ingolstadt befand sich seit 1472 die Landesuniversität, deren Lehrkörper stark vom Jesuitenorden geprägt war. Hier hatte Georg Kratz (1713/14–1766) den Lehrstuhl für Mathematik und Astronomie inne und beobachtete mit zwei Mitarbeitern von der Universitätssternwarte aus den Venusdurchgang.8 In München trafen sich die Mitglieder der noch jungen Bayerischen Akademie, die erst zwei Jahre zuvor gegründet worden war. Von der Beteiligung gerade an diesem astronomischen Großereignis erhofften sie sich, ihrer Institution einen festen Platz innerhalb der Gelehrtengemeinschaft sichern zu können. Dabei sollte sie ursprünglich auch der Augustiner-Chorherr Goldhofer unterstützen, der die Venus­passage aber am Ende von seinem Heimatkloster Polling aus verfolgte. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Beobachter an der Universität Würzburg, an der Universität Dillingen sowie in den Reichsstädten Nürnberg und Regensburg.9 Aber kehren wir nun ins oberbayerische Polling zurück. 3.1.2 Sextant und Pendeluhr für Polling Die prägende Figur für die Astronomie in Polling in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war neben Eusebius Amort (1692–1775) dessen Schüler Goldhofer. Obwohl er den Venustransit nicht im Namen der Bayerischen Akademie in München beobachten konnte, war er in den folgenden zwei Jahrzehnten einer ihrer wichtigsten Mitglieder für die Sternenkunde. Geboren im Jahr 1709 in München als Sohn eines Tuchmachers, trat er mit 19 Jahren in das Kloster Polling ein.10 Nach der Priesterweihe übernahm er im Hausstudium die Vorlesungen für Astronomie und Mathematik und wurde bereits im Gründungsjahr als Mitglied der Bayerischen Akademie aufgenommen. Er beherrschte neben Latein, Hebräisch, Griechisch, Italienisch und Französisch als einer der wenigen in Polling auch Englisch.11 Er war vor allem als fähiger Astronom bekannt und führte als solcher einen regen Briefverkehr über seine Beobachtungen von Kometen, Jupitermonden, Mond- und Sonnenfinsternissen – und eben auch über den Venustransit im Jahr 1761.12

8 Schaff: Ingolstadt 174–177. 9 Woolf: Transits of Venus 143. 10 Biographische Informationen zu Prosper Goldhofer finden sich in Winkler, Peter: Georg Friedrich Branders Briefe an das Kloster Polling 1754–1780. Augsburg 2017, 19–20. 11 Brief Prosper Goldhofer an Ildephons Kennedy vom 24.03.1774, ABAdW Briefe 1774 Nr. 6, mit Bericht über Goldhofers Fortschritte in der englischen Sprache. 12 Zu Goldhofers Korrespondenz siehe Kapitel 3.4.1.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  123

Kloster Polling nimmt im Vergleich mit anderen bayerischen Konventen eine besondere Stellung hinsichtlich gelehrter Studien ein. Die kulturelle Blüte in Polling ist nicht nur, aber in besonders starkem Maß mit Propst Franziskus Töpsl  (1711–1796) verbunden, der dem Kloster ab 1744 bis zu seinem Tod im Jahr 1796 vorstand.13 Er war auch ein Schüler Amorts und bemühte sich um den Ausbau Pollings in allen wissenschaftlichen Bereichen. Dazu ließ er naturwissenschaftliche Kabinette und eine Sternwarte errichten und vergrößerte die Bibliothek auf 80.000 Bände.14 Nur die Münchner Hofbibliothek hatte mit 100.000 Büchern um 1800 in Bayern mehr Bände zu verzeichnen. Im Jahr 1721 war die Konventsschule bereits zum öffentlichen Studienseminar ausgebaut worden, das rasch ein derartiges Ansehen genoss, dass Adelige und Bürger aus Schwaben und Bayern ihre Söhne nach Polling sandten.15 Ab 1760 zählte das Studienseminar zeitweise an die 100 Studenten, während sich die Zahl der Chorherren selbst auf ungefähr 25 belief. Eine der wichtigsten Vorbereitungen für die Beobachtung des Venustransit war die Beschaffung der Instrumente. Der Direktor des Royal Greenwich Obser­ vatory hatte im Auftrag der Royal Academy eine Instrumentenliste für die geplanten Expeditionen aufgestellt: zwei Teleskope, einen Quadranten und eine (Pendel-)Uhr.16 Egal ob sich die Astronomen in Sibirien, auf der Insel Rodriguez oder auf dem europäischen Festland befanden, diese vier Instrumente bildeten die Minimalausrüstung zur Beobachtung des Venusdurchgangs. Mit Delisles Methode zur Berechnung der Sonnenparallaxe verringerte sich der Instrumentenbedarf. Statt der Vermessung der Zeitdauer des gesamten Transits wie bei Halley schlug Delisle die Vermessung des Zeitpunkts von Ingress oder Egress vor (siehe Abbildung 10). Dazu benötigte man ein Teleskop mit Mikrometer sowie eine Pendeluhr. Der Nachteil dieses Vorgehens war die Tatsache, dass die genaue Kenntnis der geographischen Länge nötig war. Deren Bestimmung stellte eine große Herausforderung dar und erforderte eine aufwendige Vorbereitung des Beobachtungsstandortes. So erging aus dem Kloster Polling drei Jahre vor dem astronomischen Ereignis eine besondere Instrumentenbestellung nach Paris: Jacques Canivet (gest. 1774), der Instrumentenbauer der Académie Royale des Sciences, sollte einen Sextan 13 Zur Biographie von Franziskus Töpsl siehe van Dülmen, Richard: Die Prälaten Franziskus Töpsl und Johann Ignaz Felbiger von Sagan. Zwei Repräsentanten der katholischen Aufklärung. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 30 (1967) 731–823; van Dülmen: Franziskus Töpsl; Rabenalt, Ansgar: Anselm Desing an H. Probst Franciscus in Polling mit Beschreibung und Plan des Observatoriums zu Kremsmünster worin die Geschichte desselben angegeben. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 101 (1990) 103–120; Schmid: Propst Franziskus Töpsl. 14 Ebd. 15 Angelosanti, Brigitte: Pollinger Pröpste als Bauherren. Die Stiftsanlage im Wandel der Zeit. Polling 2003, 67–68. 16 Ratcliff: Transit of Venus 14.

124  Naturforschung im Observatorium

Abb. 10: Schema zum Verlauf eines Venustransits. Ein Venustransit besteht aus drei Phasen: dem Ingress (1. und 2. Kontakt), der Wanderung über die Sonnenscheibe und dem Egress (3. und 4. Kontakt).

ten17 nach dem neuesten Stand der Technik herstellen. Nicht nur Goldhofer und sein Propst sahen dessen Ankunft mit Spannung entgegen; auch andere Astronomen im In- und Ausland erwarteten jegliche Neuigkeiten über dieses französische Instrument. Mehrfach bat der Benediktiner Eugen Dobler ­(1714–1796), der sich gerade in Kremsmünster in Österreich aufhielt, um Details, »ob er gelungen ist oder nicht, [… und], wie viel Sie Ihr parallaktisches Instrument gekostet hat.«18 Goldhofers Kollegen versprachen sich viel von seinen Venusbeobachtungen, so wie »von wegen eben dieses sextanten die Herren Del’Isle und le Monnier [… aus] Paris sich viele hoffnung auf Polling machen.«19 Allein durch die Anschaffung dieses Winkelmessers hatte Propst Töpsl gewährleistet,

17 Ein Sextant ist ein optisches Messgerät, mit dem der Winkelabstand zwischen zwei weit entfernten Objekten, zum Beispiel zwischen Gestirn und Horizont, bestimmt werden kann. Der Name leitet sich von der Skala ab, die einen Kreissektor von 60 Grad einnimmt. 18 Original: »principalment de ce qui regard votre grand et nouvau quart de cercle ou Sextans, S’ il a bien reussi, ou non, […]. de même faites moi le plaisir de m’ ecrire combien vous a couté votre Instrument Parallactique.« Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 09.09.1759, BSB Cgm 2939 fol. 119 f. Weitere Nachfragen finden sich in Briefen von Dobler vom 12.10.1759 (BSB Cgm 2939 fol. 121f), 18.11.1759 (BSB Cgm 2939 fol. 123f) und 29.07.1762 (BSB Cgm 2939 fol. 129f). Auch der Instrumentenbauer Georg F. Brander fragte um eine genaue Beschreibung des Sextanten, vergleiche dazu seine Briefe in BSB Cgm 2939. 19 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 28.05.1761, abgedruckt in Winkler, Peter: Quellensammlung zu Branderbriefen und Meteorologische Netze in Bayern 2016, 4–5.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  125

dass die Beobachtung des Venustransits durch seinen Chorherren Goldhofer nicht unbeachtet bleiben würde. Warum war es für Goldhofer und Töpsl so wichtig, für den Venustransit ein französisches Instrument zu benutzen? Neben London war Paris das astronomische Zentrum im 18. Jahrhundert. Schon mit der Gründung der Académie Royale des Sciences 1666 und der Aufnahme von Christian Huygens (1629–1695) als Mitglied begann eine sehr fruchtbare und erfolgreiche Zeit französischer Astronomie. Die Ernennung des Bologneser Professors Giovanni Domenico Cassini (1625–1712) als Observatoriumsleiter begründete eine bedeutende Astro­ nomendynastie, die sich besonders um die Erforschung der Fixsterne verdient machte. Bereits 1679 begründete Jean Picard (1620–1682) die Connaissance des temps und legte damit den Grundstein für die nachfolgenden Jahrbücher der Londoner und Berliner Akademie. Auch auf theoretischem Gebiet leisteten französische Astronomen wesentliche Beiträge zur Erweiterung der Newtonschen Himmelsmechanik: Lagrange, Clairaut, d’Alembert und Laplace sind nur die glanzvollsten Namen unter ihnen. Der von Halley 1679 herausgegebene Sternenkatalog wurde durch Nicolas-Louis de Lacaille  (1713–1762) gründlich erweitert; dieser war es auch, der die meisten südlichen Sternbilder einführte. So überrascht es wenig, dass sich Paris als Zentrum für die Beobachtungen des Venustransits 1761 darstellte.20 Der bereits erwähnte Delisle erarbeitete die methodischen und geographischen Grundlagen und ermutigte mit seiner mappe­ monde die Astronomen zur Beteiligung an diesem Ereignis. Gemeinsam mit seinen Kollegen bildete er den Kommunikations- und Organisationsmittelpunkt des Großereignisses; im Anschluss an die Venuspassage sandten die Beobachter ihre Daten u. a. an die Pariser Akademie, um veröffentlicht und ausgewertet zu werden. Der Kontakt Goldhofers nach Paris verlief einerseits über das französische Augustiner-Chorherrenstift St. Geneviève und zusätzlich noch über den oben erwähnten Benediktiner Dobler, der sich bis Anfang 1757 in der französischen Hauptstadt aufhielt. Dobler organisierte kurz vor seiner Abreise noch eine Instrumentenbezahlung aus Polling an einen Mechaniker und initiierte weitere Bestellungen.21 Die Abwicklung der Herstellung des Sextanten für den Venustransit übernahm dann wenig später der französische Chorherr Alexandre-Guy Pingré (1711–1796), mit dem Goldhofer seit Februar 1757 in brieflichem Kontakt stand.22 Pingré beaufsichtigte die Produktion des Sextanten in der Werkstatt von Canivet, kümmerte sich um den Transport nach Polling und organisierte die Bezahlung.23

20 Aspaas: Maximilianus Hell 202–203. 21 Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 17.01.1757, BSB Cgm 2939 fol. 117 f. 22 Zur Aufnahme der Korrespondenz siehe Kapitel 3.4.1. 23 Briefe von Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer 1758–1760, BSB Cgm 2939.

126  Naturforschung im Observatorium Kein anderer Transitbeobachter in Bayern kaufte seine Instrumente in Frankreich. Der Geistliche Rat Peter von Osterwald  (1718–1778) bestellte für die Münchner Beobachter der Akademie einen Azimutalquadranten in der Werkstatt des Augsburgers Georg Friedrich Brander (1713–1783) – ein Modell, das dieser eigentlich auch nach Polling hatte verkaufen wollen.24 Dieser Winkelmesser fand durchaus große Anerkennung und könnte der Akademie laut Goldhofer »sich respect auch bey denen ausländern« verschaffen.25 Als Quadrant verfügte dieser Winkelmesser über einen Viertelkreisbogen mit einer Skala zur Messung der Höhe eines Himmelskörpers (siehe Abbildung 11). Zusätzlich ließ sich der Azimutwinkel bestimmen, d. h. der Horizontalwinkel und damit die Abweichung vom Nord-Süd-Meridian, was den Namen des Gerätes erklärt. Im Gegensatz zu fest installierten Mauerquadranten konnte dieser Quadrant für jede Himmelsrichtung eingestellt werden. Ein ähnliches Instrument hatte Brander einige Jahre zuvor bereits für die Sternwarte im Kloster Kremsmünster gebaut.26 An der Ingolstädter Universität arbeitete der Jesuit Kratz mit selbst hergestellten Apparaten und nannte in seiner Publikation ein Teleskop mit Mikrometer und sechs Pariser Schuh Länge.27 Erst 1767 erhielt die Ingolstädter Sternwarte neue Instrumente aus der Werkstatt Branders.28 Mit umfangreicheren Mitteln war Kratz’ Mitbruder Franz Huberti (1715–1789) an der Universität Würzburg ausgestattet, dem zwei technische Mitarbeiter für die Herstellung astronomischer Geräte zur Verfügung standen.29 Außerdem hatte Huberti bereits kurz nach seiner Berufung 1754 eine Bildungsreise nach Paris machen dürfen, die ihn auch zum Direktor der Pariser Sternwarte führte. Kein Chorherr aus Polling hatte zu dieser Zeit eine vergleichbare Ausbildung durchlaufen können, was mit dem Kauf des Sextanten in Paris ein wenig kompensiert werden konnte. Frankreich und besonders die Werkstatt der Pariser Sternwarte galten um 1760 als eines der Zentren für Expertise im Instrumentenbau; das Kloster Polling verfügte als einzige Beobachterstation über französische Messgeräte. Als der Pariser Sextant das Kloster nach langer Reise im Jahr 1760 erreichte, war die Freude groß. Doch als Goldhofer das Instrument in Betrieb nahm, stell 24 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 31.08.1759, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 107–109. 25 Brief Prosper Goldhofer an Johann G. Lori vom 29.03.1761, abgedruckt bei Spindler: Briefe 388–392. 26 Weitere Details zum Branderschen Quadranten, der heute im Deutschen Museum in München steht, finden sich auf dem Portal zur Gründungssammlung des Deutschen Museums. URL = https://digital.deutsches-museum.de/projekte/gruendungssammlung/ (am 10.11.2020). 27 Kratz, Georg: Observatio Transitus Veneris per discum Solarem 6 Junii 1761. Ex obser­ vatorio Collegii Societatis Jesu Ingolstadii, una cum conclusionibus Astronomicis. Ingolstadt 1761. 28 Schaff: Ingolstadt 177; Stötter: Vom Barock zur Aufklärung 102. 29 Vollrath, Hans-Joachim: Würzburger Mathematiker. Aus der Geschichte der JuliusMaximilians-Universität. Würzburg 2019, 39–41.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  127

Abb. 11: Azimutalquadrant von Georg Friedrich Brander, 1760. Die Höhe beträgt 2,34 Meter und der Viertelkreisbogen hat einen Radius von 95 Zentimeter. Deutsches Museum München, Inv.-Nr. 2060.

128  Naturforschung im Observatorium ten sich erste Mängel ein. Vor allem ein sukzessives Verziehen und damit eine ständige Veränderung des Messwinkels beunruhigten den Astronomen.30 In Polling gab es weder eine Instrumentenwerkstatt noch einen Mechaniker, der das Gerät hätte reparieren können. Alle Hoffnungen lagen auf dem angekündigten Besuch des Instrumentenbauers Brander aus Augsburg, der die Werkzeuge mitbringen sollte, »diesen Fehler […] damit zu heben und abzuhelfen«31. Doch wegen anderer Geschäfte verzögerte sich sein Besuch in Polling und er bemühte sich stattdessen um eine Ferndiagnose, bat um Skizzen des Sextanten und genaue Fehlerbeschreibungen.32 Er stellte verschiedene Vermutungen an, so zur Montage, »weil die Axin nicht zu rechten Winckl auf dem Limbo aufsezt, welches leicht zu redressiren wäre.« Am Ende musste Branders Besuch in Polling vor dem Transitereignis ausbleiben und Goldhofer selbst beobachtete den Venusdurchgang mit defektem Instrument. Noch zwei Monate später mutmaßte Brander, »die Niedten seyen Locker« und versprach eine persönliche Untersuchung im Herbst. Der Pollinger Sextant selbst ist nicht mehr erhalten, genauso wenig wie die erwähnte Zeichnung von Goldhofer für Brander. Aus einem Brief ergeben sich jedoch einige technische Informationen über die Bauweise: Der Sextant besaß zwei Rohre, wobei der Haupttubus 6 ½ Pariser Schuh lang war, was ungefähr 195 Zentimetern entspricht. Damit war er fast doppelt so groß wie Branders Azimutalquadrant. Beide Rohre waren mit Mikrometern versehen. Canivet baute nicht viele Sextanten dieser Art, aber einen weiteren stellte er 1765 für das Brera Observatorium in Mailand her.33 Das Instrument besaß ebenfalls einen Radius von 195 Zentimeter und war damit genauso groß wie der Pollinger Sextant.34 Eine Zeichnung des Messgeräts in Brera fand wenige Jahre später Eingang in die Mailänder Ephemeriden, was einen Eindruck der Bauweise auch des Pollinger Instruments geben kann (siehe Abbildung 12).35 30 »[W]eil alle observirte Winckeln um 5’ 30« anzeigen auch der Senckel sich von seinem punct (wan der Sextant um die Axen geführt wird) detourniret, so muß sich im Transport der Tubus verrückt haben u die Schrauben in der Central Bewegung nach gelassen haben, welches aber wieder zu justificirn ist, wie wohl was mühsames,« Brief von Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 27.03.1761, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 126–128. 31 Brief von Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 11.03.1761, abgedruckt in ebd. 125–126. 32 Briefe Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 27.11.1759 und 07.12.1759, abgedruckt in ebd. 117–118. 33 Außerdem gab es einen Sextanten von Canivet von ca. 1765 in der Sternwarte in Vilnius, siehe dazu Howse, Derek: The Greenwich List of Observatories. A World List of Astronomical Observatories Instruments and Clocks 1670–1850. In: Jounal for the History of Astronomy 17/51 (1986) 1–100, hier 63. Für diese Hinweise danke ich Giancarlo Truffa und Ileana Chinnici in Mailand. 34 Miotto, E. / Tagliaferri, G. / Tucci, P.: La strumentazione nella storia dell’Osservatorio astronomico di Brera. Milano 1989, 36–37. 35 Cesaris, Angelo de: Ephemerides Astronomicae … Ad meridianum Medioalanensum. Mailand 1780 Tab. II.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  129

Abb. 12: Figur 1 ganz rechts zeigt den Sextanten von Jacques Canivet der Brera Sternwarte in Mailand. Der Haupttubus ist 195 Zentimeter lang. Siehe Cesaris: Ephemerides Tab. II.

Die instrumentelle Ausstattung für die Vermessung des Venusdurchgangs war etwas, das jahrelanger Vorbereitung bedurfte. Dabei stand im Mai 1761 noch kurz zur Debatte, ob Goldhofer vielleicht gar nicht in Polling, sondern bei den Akademiemitgliedern in München beobachten würde. Dazu bat der Akademiesekretär Propst Töpsl um die Freistellung des Paters: Die Venus, und die Akademie zwingen mich zum schreiben. Der neue Quadrant, und Herr Brander sind hier, man wünschet aber auch Herrn Prosper zuhaben. Im Namen der Akademie habe ich um Erlaub zu bitten, selben hieher reisen zu lassen. Es liegt uns nicht allein alles an der genauen observation, sondern auch an dem Beyfall des Hofes, der beywohnen wird.36

Die Genehmigung durch Propst Töpsl erfolgte nicht, denn in einem nächsten Brief Goldhofers an die Akademie übermittelte er bedauernd seine Absage mit den Worten: Allein (o wie schmerzlich fallet mir diess!) befinde ich mich dermahlen in solchen umbständen, das ich mich notgedrunge sehe eine so vorzügliche gnad […] abzubitten.37

Tatsächlich ist wohl anzunehmen, dass Goldhofer für den Venustransit gerne nach München gereist wäre, denn das Wetter sollte in der Hauptstadt deutlich 36 Brief Johann G. Lori an Franziskus Töpsl am 15.05.1761, abgedruckt in Spindler: Briefe 407–408. 37 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori am 28.05.1761, abgedruckt in Winkler: Quellensammlung 4–5.

130  Naturforschung im Observatorium besser sein als in Polling. Auf der anderen Seite hielt Brander es sogar für eine schlechte Idee, Goldhofer nicht in Polling beobachten zu lassen, er habe sich dort »ganz gewiß schon eine geraum Zeit hierauf zu bereitet,« während es in München noch an allen Vorbereitungen mangelte und er selbst »kein Pfeiftobacc« auf die Messergebnisse der Akademie gab.38 In jedem Fall musste Goldhofer sich der Entscheidung seines Propstes unterordnen, der für dieses besondere Ereignis nicht auf seinen Astronomen verzichten wollte. Goldhofers Rolle als Chorherr gebot Gehorsam und beeinflusste direkt seine Naturforschung. Goldhofer beobachtete den Venustransit also von Polling aus und benötigte für die Aufstellung der Instrumente einen Standort. Noch unter dem vorherigen Propst hatte es Pläne zur Errichtung einer Sternwarte gegeben, die jedoch bisher nicht verwirklicht worden waren. Bereits 1756 begann Goldhofer, ein Provisorium im Klostergarten einzurichten und die Teleskope für die Verwendung im Freien vorzubereiten. Er bestrich die Tuben mit Öl und besprach sich mit Brander, wie man Gestell und Rohr vor dem Regen schützen könnte.39 Im Winter 1759/60 waren die Pläne für den Bau eines neuen Observatoriums so weit fortgeschritten, dass die Lieferung von Bauholz bereits angekündigt war.40 Realisiert wurden diese Pläne jedoch nicht, und stattdessen suchte sich Goldhofer Anfang des Jahres 1761 erneut eine Stelle im Klostergarten am »südlichen winkel unserer garten maur.«41 Dort konnte er seine Instrumente aufstellen und mit den Vorbereitungen beginnen: dem Ziehen der Mittagslinie und der Bestimmung der Gangabweichung seiner Pendeluhr. Delisles Methode zur Beobachtung des Venustransits sah vor, dass jeder Teilnehmer seine geographische Länge bestimmen und während des Durchgangs selbst wesentliche Zeitpunkte wie Ein- oder Austritt vermessen sollte. Dabei wurden die Uhrzeiten in der Regel durch Pendeluhren bestimmt, deren genauer Gang einer ständigen Kontrolle unterlag. Entscheidend für die Genauigkeit von Pendeluhren ist das Gleichmaß der Pendelbewegung, welche sowohl durch äußere Einflüsse als auch durch die Konstruktion der Uhr bestimmt wird. Für die Astronomen war dabei weniger die Tatsache einer allmählichen Beschleunigung oder Verzögerung der Gangart selbst das Problem, sondern mehr deren Unkenntnis.42 Goldhofer hatte daher in den Tagen vor dem Venusdurchgang einen hohen Aufwand für die Bestimmung der Gangabweichung seiner Pendeluhr be-

38 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 30.05.1761, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 130–133. 39 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 24.03.1756, abgedruckt in ebd. 37–39. 40 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 29.11.1759, abgedruckt in Spindler: Briefe 217–218. 41 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 28.05.1761, abgedruckt in Winkler: Quellensammlung 4–5. 42 Lomb: Transit 61.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  131

trieben. Umso verärgerter war er, als er dann feststellen musste, dass diese Arbeit durch das Eingreifen eines Mitbruders wiederholt werden musste: Ein anderer misslicher Zufall welcher unter dem observiren dem Pariser Pendule begegnet, hat mich bestirzet, indem selbiges samt seinem Kasten […] weis nit wie oder von wem verrukhet worden, so das es schon wirklich bey 2 secunden lang gestanden, und hernach nit ohne lange mueh und Zeit verlurst hat können in rechten gang gebracht werden. ich bringe dahero noch alle täg mit beobachtung der Sonnenhöhen und anderen observationen zu, umb diese scharte auszuschleiffen.43

Entsprechend unzufrieden war Goldhofers französischer Mitbruder Pingré über die Ergebnisse aus Polling, denn »es wäre zu wünschen, dass man sicherer über den Gang der Pendeluhren wäre.«44 3.1.3 Vermessung des Venustransits in Polling Für die Beobachtung des Venusdurchgangs existiert glücklicherweise eine Abschrift von Goldhofers Daten sowie sein Bericht, die er beide an die Bayerische Akademie sandte.45 Gemäß der mappemonde von Delisle befand sich Bayern in jenem Gebiet, in dem der Transit noch vor Sonnenaufgang begann und somit nur der dritte Kontakt und der Egress vermessen werden konnten (siehe dazu Abbildung 10). Als die Sonne am 6. Juni 1761 um 4:11 Uhr in Polling aufging, hatte die Venus bereits ein gutes Stück der Finsternis hinter sich gelegt. Die Kernschattenfinsternis endete um 9:11  Uhr, und um 9:29  Uhr geschah der vierte Kontakt, sodass der Durchgang insgesamt fünf Stunden und 18 Minuten dauerte.46 Ständige Bewölkung des Himmels erschwerte Goldhofer die Beobachtungen immens. Schon bei Sonnenaufgang war es nicht möglich, sofort mit der Datenaufnahme zu beginnen, denn »[e]s gienge eine viertlstund her bis wir endlich die ganze sonne erblikhen und die observationes anfangen könnten.«47 Zwischendurch mussten Goldhofer und seine Mitbrüder immer wieder längere Pausen machen, »wan wir eben zuweilen unter dem dikhen schatten deren wolkhen müssig bey einander sizeten.«48 Am Ende schätzte er, dass circa ⅔ seiner 43 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 11.06.1761, ABAdW Briefe 1761 Nr. 21/6, teilweise abgedruckt in Spindler: Briefe 411–412. 44 Original: »Il seroit à souhaiter que l’on fut plus assuré de la marche des Pendules.« Brief Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 29.06.1762, BSB Cgm 2939 fol. 110–111. 45 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 11.06.1761, ABAdW Briefe 1761 Nr. 21/6, ab jetzt Bericht VT 1761; die Messdaten finden sich als Anhang des Briefes von Goldhoferan Ildephons Kennedy vom 15.07.1763, ABAdW Briefe 1763 Nr. 22/3, ab jetzt Daten VT 1763. 46 Die Zeitangaben wurden mit der Calsky-Software berechnet, siehe https://www.calsky. com, (am 30.05.2020). Die Uhrzeiten sind in Universalzeit UT1 angegeben. 47 Bericht VT 1761. 48 Bericht VT 1761.

132  Naturforschung im Observatorium Observationen nicht sehr präzise sein konnten, da sie »au travers des nuages müessen gemacht werden.«49 Trotzdem notierte Goldhofer insgesamt 20 Messreihen mit je acht Datenpunkten zu den Bewegungen von Sonne und Venus relativ zu den Fäden seines Mikrometers (siehe Abbildung 13). Der Beginn des Austritts – der dritte Kontakt – verlief vollständig hinter Wolken. Schon voller Verzweiflung, überhaupt noch etwas vermessen zu können, zeigte sich die Sonne kurz vor Ende des Transits noch einmal und es war ihm möglich, »den ultimum egressum, und zwar so genau als ich es nur hätte hoffen könne zu bestim[m]en.«50 Allerdings war Goldhofer auch hier nicht ganz zufrieden, denn für diesen besonderen Moment hätte er eigentlich ein leistungsstärkeres Teleskop verwenden wollen. Schon in seinen Ratschlägen an die Bayerische Akademie einige Monate zuvor hatte er betont, dass die Beobachtung des Egress, »an welchem alles gelegen,« mit einem starken Gregorianischen oder Newtonschen Teleskop erfolgen sollte.51 Kloster Polling verfügte über ein solches Teleskop, aber dieses hatte »sich Reverendmus, obschon ohne allen seinen nuzen vor seine eigene persohn vorbehalten.«52 Das Newton-Teleskop benutzte also sein Propst, um den Venustransit selbst zu verfolgen, ein weiteres Fernrohr war mit dem existierenden Gestell nicht für die Höhe des Transits über dem Horizont geeignet, und so blieb Goldhofer nichts anderes übrig, als den Höhepunkt der gesamten Venustransit-Beobachtung nur »mit dem grösseren Tubo des Sextanten« zu vermessen.53 Die in Abbildung 13 dargestellten Beobachtungsaufzeichnungen zeigen die vier Messreihen II bis V, die Goldhofer in drei Spalten notierte. In der ersten Spalte steht die Angabe der Stunde, in der zweiten die von Minute und Sekunde. Dabei benutzte er den sogenannten Sonnentag, in der ein Tag um 12 Uhr mittags seine Zählung beginnt.54 Die erste Angabe von Hora XVI 51’ 30« entspricht daher einer Uhrzeit von 4:51:30 Uhr in der Zeitspanne des sogenannten bürgerlichen Tages. Neben der Uhrzeit stand in der dritten Spalte eine Beschreibung der Position der Venus relativ zu den Mikrometerfäden des Fernrohrs und der Sonnenscheibe. Die zweite Messreihe bestand also aus folgenden Daten: Hora XVI

51.’ – 53. – 54. – 55.

30.” 49. 19. 24. 27. 51. 1.

Limb. ☉ super ad fil. horiz. Limb. ☉ proced. ad fil. vertic. Limb. proced. ♀ ad fil. vertic. Eiusd. limb. sequens ad idem vertic. Limb. super. ♀ ad fil. horiz. Limb. seq. ☉ ad fil. vertic. Limb. ☉ infer. ad fil. horiz.

49 Bericht VT 1761. 50 Bericht VT 1761. 51 Brief Prosper Goldhofer an Johann G. Lori vom 29.03.1761, ediert in ebd. 388–392. 52 Bericht VT 1761. 53 Bericht VT 1761. 54 Der Sonnentag bezeichnet die Dauer zwischen zwei Meridiandurchgängen der Sonne.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  133

Abb. 13: Beobachtungsdaten von Prosper Goldhofer zum Venustransit am 6. Juni 1761. ­ABAdW Briefe 1763 Nr. 22/3.

134  Naturforschung im Observatorium

Abb. 14: Zeichnung des Okulars mit Mikrometerfäden und Positionen der Sonnenscheibe für die Beobachtung des Venustransits von Prosper Goldhofer. ABAdW Briefe 1763 Nr. 22/3.

Wie die einzelnen Beobachtungspositionen genau zustande kamen, beschrieb Goldhofer detailliert in einer Anleitung und einer Zeichnung (siehe Abbildung 14) für die Mitglieder der Bayerischen Akademie in München: Sobald nun der ganz Sonnen disens ober dem Horizon erschienen, wichtet man den tubum des quadranten also, daß die ganze Sonne ober dem horizontal faden rechter hand zu stehen kommen, doch so daß selbe weder mit den horizontal faden A B, weder mit ihrem vorhergegebenen rand (den Vertical faden, G D so gleich berihren könne. In solcher Verfassung erwrtet man den augenblikh 1. da die Sonne mit ihrem unteren rand den horizontal faden par exemple in dem punct F accurat beriehret. Dieser augenblikh wird also gleich an der pendul bemerkhet und auffgezeichnet.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  135

2do den Augenblikh, wo die Sonne mit ihrem vorhergehenden rand V den Vertical­ faden G D in V berihret. 3tio den augenblikh, an welchem der nachfolgende rand B der Sonne eben diesen Verticalfaden in R berihret. 4to den augenblikh, an deme die Sonne mit ihrem oberen rand I den horizontal faden in I das zweyte mahl berihren wird. Mittler weil muß man alle mögliche acht auch auf die bewegung der Venus haben, nemlich man bemerkhet beede augenblikh, wo sie so wohl mit ihrem oberen, als auch unteren rand den horizontal, und dan mit ihrem vorhergehenden und nachfolgenden rand den Vertical faden berihren wird. Solcher gestalt hat man 8 determinationes appulnum Veneris & Solis.55

Die Messpunkte entsprachen daher den folgenden Positionen im Okular: 1. Unterer Rand der Sonne berührt Horizontalfaden 2. Linker Rand der Sonne berührt Vertikalfaden 3. Vorderer seitlicher Rand der Venus berührt Vertikalfaden 4. Hinterer seitlicher Rand der Venus berührt Vertikalfaden 5. Oberer / unterer Rand der Venus berührt Horizontalfaden 6. Rechter Rand der Sonne berührt Vertikalfaden 7. Oberer Rand der Sonne berührt Horizontalfaden Auf diese Weise entstanden alle 20 Messreihen, die Goldhofer während des Transits notierte. In Anschluss an das Himmelsereignis mussten die Beobachtungsdaten ausgetauscht und gesammelt werden, um als Grundlage für Berechnungen für den Abstand Sonne-Erde dienen zu können. In diesem Sinne beeilte sich auch Goldhofer, seine Werte aufzubereiten und möglichst schnell zu verschicken. So versicherte er dem Sekretär der Bayerischen Akademie fünf Tage später: »so bäld dieses [Nachbereitung] geschen, wird ich Keinen augenblikh mehr saumen das ganze resultat solcher meiner observationen Ihro gnaden einzuschikhen.«56 Erst zwei Jahre später erreichte die Akademie allerdings tatsächlich seine ausführliche, oben beschriebene Darstellung. Ebenso erhielt Pingré in Paris seine Daten.57 Trotz Goldhofers reger Bemühungen zur Verbreitung seiner Beobachtungen fanden diese kaum Beachtung. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurden die Transitmessungen in immer neuen Zusammenstellungen gesammelt und gedruckt, so 1773 durch den Wiener Hofastronomen Maximilian Hell (1720–1792), der keine Daten aus Polling nannte.58 Ähnlich sieht es bei dem Astronomen Johann Franz Encke (1791–1865) aus, der 1822 auf der Grundlage der Venus 55 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 01.06.1761, ABAdW Briefe 1761 Nr. 21/4. 56 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 11.06.1761, ABAdW Briefe 1761 Nr. 21/6, teilweise abgedruckt in (Spindler 1959, 411–12). 57 Brief Alexandre Pingré an Prosper Goldhofer vom 29.06.1762, BSB Cgm 2939 fol. 110 f. 58 Hell, Maximilian: Supplementum dissertationis De parallaxi solis. Wien 1773.

136  Naturforschung im Observatorium durchgänge 1761 und 1769 erneut die Sonnenparallaxe bestimmte und dafür alle ihm bekannten Beobachtungsstationen auflistete.59 Unter »Deutschland nebst dem übrigen Europa« finden sich auch die süddeutschen Orte München, Ingolstadt, Dillingen, Würzburg, Regensburg und Nürnberg; von Polling keine Spur. Selbst eine Aufzählung weiterer Orte, von denen zwar die Beobachtung, aber nicht die Resultate erhalten waren, beendet er mit den Worten: »Der größte Theil derselben sind englische und französische Provinzialstädte, in welchen wenigstens kein Astronom von Ruf beobachtet hat; von den deutschen dürfte keiner dieser Orte einer genauen Beobachtung sich rühmen können.«60 Auch in späteren Überblickswerken zu den Beobachterstationen fehlt das Kloster Polling.61 Erst im letzten Jahrzehnt taucht es zumindest in den Listen auf, findet aber sonst keine weitere Beachtung.62 Im Gegensatz zu Goldhofer gelang anderen süddeutschen Beobachtern die Verbreitung ihrer Transitmessungen deutlich erfolgreicher. Kratz von der Universität Ingolstadt stellte seine von ihm und zwei weiteren Mitarbeitern erstellten Werte und die daraus resultierenden Berechnungen bereits im selben Jahr in einem kleinen 20-seitigen Werk zur Verfügung.63 Der Nürnberger Arzt Georg Friedrich Kordenbusch (1713–1802) wartete mit seiner Veröffentlichung bis 1769, ohne dass er den zweiten Venusdurchgang hätte vermessen können. Neben seinen eigenen Daten orientierte sich Kordenbusch an den Veröffentlichungen des Wiener Jesuiten Hell, erweiterte dessen Tabellen aber noch um Beobachtungen aus Städten wie Regensburg und Leipzig.64 Im Gegensatz zur Mehrheit europäischer Astronomen war der Nürnberger jedoch weniger an der Sonnenparallaxe als vielmehr an einer Bewertung der bestehenden astronomischen Tafeln interessiert. Mit Hilfe der Venustransite wollte er bestimmen, welche der Tafeln die beste sei. Maximilian Hell ist durch die Herausgabe der Ephemerides Astronomicae ad Meridianum Vindobonensem verantwortlich für die Überlieferung der meisten deutschsprachigen Tranistbeobachtungen, so auch für die der Universitäten Würzburg und Dillingen. In seiner Abhandlung Observatio Transitus Veneris ante discum Solis die 5ta Juni 1761 zählte er zahlreiche Standorte auf, die nirgends sonst publiziert wurden.65 Die Verbindung zwischen den jesuitischen 59 Encke, Johann Franz: Die Entfernung der Sonne von der Erde aus dem Venusdurchgang von 1761 hergeleitet. Gotha 1822. 60 Ebd. 19. 61 Harry Woolf listet für den deutschsprachigen Raum Wien, Tyrnau, Laibach, Wetzlas, München, Ingolstadt, Leipzig, Dillingen, Göttingen, Würzburg, Schwetzingen, Nürnberg, Klosterbergen, Bayreuth und Regensburg, siehe Woolf: Transits of Venus 135–140. 62 Wulf: Jagd auf die Venus 303–309. 63 Kratz: Observatio. 64 Gaab, Hans: Georg Friedrich Kordenbusch (1731–1802) und die Astronomie in Nürnberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Regiomontanusbote 15/2, 3, 4 (2002) 27‐35; 18‐23; 35‐51, 35–38. 65 Aspaas: Maximilianus Hell 212.

Der Venustransit 1761: Den Himmel beobachten  137

Astronomen beruhte nicht zuletzt auf einem ausgedehnten Ordensnetzwerk, das die meisten europäischen und viele außereuropäische Wissenschaftsstandorte miteinander verband. Auch die Mitglieder der Bayerischen Akademie hatten durch die Beobachtung des Venustransits in München den Ruf ihrer erst zwei Jahre alten Gesellschaft stärken wollen. Der spätere Direktor der philosophischen Klasse von Osterwald schickte einen Münchner Report an die Akademien in Mannheim und Berlin.66 Der Aufgabe einer gelehrten Gesellschaft, durch Publikation in den eigenen Abhandlungen und Beteiligung am Datentransfer für eine rasche Aufarbeitung des Venusdurchgangs zu sorgen, kamen die Münchener jedoch nicht nach. Die von Goldhofer zugesandten Beobachtungen blieben unbeachtet und auch von einem anderweitigen Beitrag zum regionalen und überregionalen Datenaustausch kann keine Rede sein. In der Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften von Lorenz von Westenrieder aus dem Jahr 1784 heißt es dazu lediglich: »Jene Beobachtungen wurden an mehrern Orten, z. B. in Polling vom Prof. Goldhofer gemacht, von welchem letztere sie der Akademie mitgetheilt worden sind.«67 Die Aufgabe als Verteilzentrum von Venustransit-Beobachtungen übernahm stattdessen Kloster Polling. Propst Töpsl verschickte Kopien von Daten der Münchener Akademiemitglieder und sandte Informationen von italienischen Astronomen an die Akademie. So berichtete er dem Akademiesekretär: Unter gestrigen hat mir Sign: Daniel Avelloni68 Mathematicus in Venedig nachricht geben, daß aldaselbsten von beriehrten durchgang der Venus nichts zusehen gewesen, wohl aber hat mir derselbe andere observationes übermacht, benantlich von P. Jacquier von Rom69, von P. Mag[r]ini zu Imola70, von P. Belgrado71 zu Parma. von abbate Narducci72 und P. Sacchetti zu Lucca. von Marchione Poleni73 zu Padua etc. Und eben sub hodierno habe auch ernanten Avelloni die Münchnerische observation communicirt, also, daß nunmehro von solcher observation kein einziges exemplar mehr bey handen habe, womit iedoch einige Meiniger Correspondenten gar gern beehren möchte.74 66 Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 254–255. 67 Westenrieder: Geschichte 1 76. 68 Daniello Avelloni (geb. 1717), Mathematiker und Astronom, Chorherr in S. Salvatore in Venedig. 69 François Jacquier (1711–1788), Minorit, Lehrer für Exegese, Mathematik und Physik am päpstlichen Kolleg in Rom. Siehe Spindler: Briefe 432. 70 Giovanni Magrini (1688–1767), Weltgeistlicher, Professor der Mathematik in Imola. Siehe ebd. 432. 71 Jacopo Belgrado (1704–1789), SJ, Professor für Mathematik und Physik an der Universität Parma, später Rektor des Jesuitenkollegs in Bologna. 72 Tommaso Narducci (1680–1765). 73 Giovanni Poleni (1685–1761), Professor für Mathematik in Padua. Er war Mitglied der Royal Society, der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der Académie des sciences und Ehrenmitglied der Petersburger Akademie. 74 Brief Franziskus Töpsl an Johann G. Lori am 23.07.1761, abgedruckt in ebd. 431–432.

138  Naturforschung im Observatorium Von dem italienischen Geographen Giovanni Antonio Rizzi Zannoni  (1736– 1814) kopierte Goldhofer die Daten und schickte sie ebenfalls nach München.75 Mit den 20 ausführlichen Beobachtungsreihen endet Goldhofers Brief über den Venustransit, ohne dass er diese Daten noch weiter auswertete. Seine Beobachtungsmethode sah eine sehr detaillierte Vermessung des gesamten Wegs der Venus über die Sonnenscheibe vor, was durchaus ungewöhnlich war. Die meisten Astronomen, wie beispielsweise Hell in Wien, bestimmten nur die Uhrzeiten um die vier Kontakte herum.76 Kratz an der Universität Ingolstadt notierte etwas ausführlicher zwölf Positionen entlang des Transits und berechnete daraus eine horizontale Sonnenparallaxe von 10  Bogensekunden.77 Der französische Chorherr Pingré vermaß ebenfalls nicht nur die Kontakte, sondern den ganzen Weg der Venus über die Sonnenscheibe. Möglicherweise orientierte sich Goldhofer bei der Entwicklung seiner eigenen Beobachtungsmethode am Vorgehen Pingrés, mit dem er in intensivem brieflichem Austausch stand. Die erhaltene Korrespondenz schweigt jedoch zu diesem Thema. In der dem Transit folgenden europaweiten Debatte über die Auswertung der Daten spielte Pingré eine zentrale Rolle. Wie andere Astronomen nutzte er seine eigenen und die Beobachtungen von anderen Standorten, um daraus die Sonnenparallaxe zu berechnen. Trotz der umfangreichen Vorbereitungen konnte sich der Traum von der Bestimmung der Größe des Sonnensystems jedoch nicht erfüllen. Die verschiedenen berechneten Werte für die Parallaxe schwankten zwischen 8,82 und 10,60 Bogensekunden und brachten somit kaum eine Verbesserung zu den bereits vorher bekannten Werten. Mit umso größerer Vehemenz bemühten sich die Akademien und Astro­nomen daher, den zweiten Venustransit des Jahrhunderts 1769 umso besser nutzen zu können. Weder in Polling noch bei der Bayerischen Akademie in München beteiligte man sich jedoch daran. * * * Die Studie rund um die Beobachtung des Venustransits 1761 in Polling thematisierte eine ganze Reihe von Aspekten, die für monastische Naturforscher von Bedeutung waren: die Herausforderungen einer hochwertigen instrumentellen Ausstattung, der Einfluss der räumlichen Gegebenheiten und die Einbindung in eine Klostergemeinschaft. Der monastische Kontext bot Chancen und gleichzeitig auch Nachteile für den Naturforscher Goldhofer: er konnte einen Sextanten in Paris bestellen und hatte doch nicht die Möglichkeit für dessen Reparatur, er arbeitete ohne Sternwarte im Garten und wurde dabei zusätzlich von Mit­ 75 Brief Prosper Goldhofer an Ildephons Kennedy vom 21.01.1762, ABAdW Briefe 1762 Nr. 19/2. 76 Aspaas: Maximilianus Hell 299–301. 77 Kratz: Observatio.

Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren  139

brüdern gestört und er gelang über das Pollinger Netzwerk an Beobachtungsdaten anderer Astronomen, wertete sie aber nicht aus. Es ist nun Aufgabe der folgenden Kapitel, diese ersten Ergebnisse vom Venustransit ausgehend näher zu beleuchten und tiefergehend zu untersuchen.

3.2 Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren Der Sextant aus Paris ist nur ein Beispiel aus einer umfangreichen Instrumentensammlung, die im Kloster Polling seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand. Naturwissenschaftliche Sammlungen und besonders mathematischphysikalische Kabinette gehörten nicht zur genuin monastischen Ausstattung, finden sich aber bis zur Aufhebung der Klöster 1803 in zunehmender Anzahl und Ausstattung. Es stellt sich daher die Frage, woher die Instrumente stammten und welche handwerklichen Fähigkeiten zur Herstellung, Nutzung, Wartung und Verbesserung der mechanischen Apparate unter den Religiosen vorhanden waren. Die naturwissenschaftlichen Sammlungen süddeutscher Klöster entstanden im Kontext einer europaweiten Sammelkultur, die den Wunderkammern und Kuriositätenkabinetten der gelehrten Humanisten bereits den Rücken gekehrt hatte. Statt der Demonstration polyhistorischer Gelehrsamkeit standen im 18. Jahrhundert zunehmend Systematisierung und Spezialisierung im Vordergrund, und die Sammlungen von Mineralien, Tieren oder Baumarten sollten eine möglichst allumfassende Beschreibung und Klassifizierung der Natur ermöglichen.78 Damit verbunden ist eine Funktionsverschiebung von Sammlungen ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Neben den repräsentativen und der Naturforschung nützenden Eigenschaften sollten Sammlungen in zunehmendem Maß dem Unterricht dienen und der Öffentlichkeit zugänglich sein.79 Ein wichtiger Unterschied zwischen den Sammlungen mathematischphysikalischer Instrumente und Naturalienkabinetten jeglicher Art bestand in der Tatsache, dass diese eben gerade nicht aus einem Wunsch nach Vollständigkeit und Systematisierung heraus entstanden. Hier waren zum Einen ein sich rasch etablierender Kanon von Versuchen für den Unterricht maßgeblich, der entscheidend durch Willem Jacob ’s Gravesande und Jean-Antoine Nollet ge 78 Zur Geschichte des Sammelns im 18. Jahrhundert siehe besonders Findlen, Paula: Possessing Nature. Museums, Collecting, and Scientific Culture in Early Modern Italy. Berkeley 1994; Grote, Andreas (Hg.): Macrocosmos in microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800. Opladen 1994; Heesen, Anke te / Spary, Emma C. (Hg.): Sammeln als Wissen. Das Sammeln und seine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung. Göttingen 2001. 79 Aktuell zu den wissenschaftlichen Sammlungen an Universitäten siehe Müller: Müller 2020 – Der sammelnde Professor.

140  Naturforschung im Observatorium prägt wurde.80 Zum Anderen ergaben sich bestimmte Anforderungen aus der wissenschaftlichen Praxis, wie es bei der Bestellung des Pollinger Sextanten für die Beobachtung des Venustransits der Fall war.81 Instrumentensammlungen unterschieden sich also sowohl in ihrer Zielsetzung als auch in der zugrunde liegenden Anschaffungspolitik von anderen Sortimenten. 3.2.1 Das Pollinger Armarium Im Vergleich zu anderen Instrumentensammlungen galt die des Klosters Polling als herausragend – sowohl vom Umfang her als auch in ihrer Qualität. Den ausführlichsten Einblick in den Bestand gibt ein Inventar anlässlich der Säkularisation im Jahr 1803. Darin sind 120 Geräte aus den Bereichen Mechanik, Dynamik, Hydrostatik und Hydraulik, Optik mit Dioptrik und Katoptrik82, Elektrizität, Magnetismus sowie Astronomie verzeichnet. Diese wurden an das Gymnasium in Passau, das Lyzeum in München, die Militärakademie und an die Bayerische Akademie der Wissenschaften abgegeben.83 Damit ist das Ende des Pollinger Armariums gut dokumentiert, sein Anfang und seine Entwicklung sind deutlich schwieriger zu erfassen. Eine erste Erwähnung findet sich in einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1736, in dem die Beobachtung einer Mond­ finsternis mit einem »Eylff-Schuh langen Astronomischen Tubo« beschrieben wird.84 Innerhalb von etwa 70 Jahren bauten mehrere Generationen Pollinger Chorherren ihre Sammlung auf. Im Folgenden soll es zwar hauptsächlich um die mathematisch-physika­ lischen Instrumente gehen, aber das war nicht die einzige Sammlung dieses

80 Der Leidener Professor Willem Jacob ’s Gravesande (1688–1742) entwarf eine Vielzahl von physikalischen Experimenten für seinen Unterricht, die in den zwei Bänden seiner Physices elementa mathematica, experimentis confirmata mit Skizzen darlegte. Der Franzose JeanAntoine Nollet wurde besonders durch seine öffentlichen Vorlesungen und Vorführungen zur Elektrizitätslehre bekannt, die er in seinen Leçons de physique experimentale darlegte. Turner, Gerard L’Estrange: Eighteenth-Century Scientific Instruments and their Makers. In: Porter, Roy (Hg.): The Cambridge History of Science. 4. Eighteenth-Century Science. Cambridge 2003, 511–535. 81 Anke te Heesen und Emma C. Spary sprechen in diesem Zusammenhang von einer »angewandten Sammlungsgeschichte,« die Sammlungen nicht als abgeschlossenen Zustand, sondern als Prozess betrachtet, vgl. Heesen, Anke te / Spary, Emma C.: Sammeln als Wissen. In: Heesen, Anke te / Spary, Emma C. (Hg.): Sammeln als Wissen. Das Sammeln und seine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung. Göttingen 2001, 7–21, hier 13. 82 Katoptrik und Dioptrik bezeichnen zwei Teilgebiete der Optik, die sich mit der Reflexion bzw. Brechung von Licht beschäftigen. 83 BayHStA Kurbayern Landesdirektion in Klostersachen Nr. 479. 84 Goldhofer, Prosper: Observation der gäntzlichen Monds-Finsternuß, welche 1736. den 20. Sept. auf dem Observatorio im Closter Polling angestellet worden. In: Neu-fortgesetzter Parnassus Boicus, Oder Bayrischer Musen-Berg 5 (1736) 46–52, hier 47.

Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren  141

Klosters. Es fanden sich noch eine ganze Reihe weiterer Kabinette und Einrichtungen zur materiellen Erforschung der Natur, die hier kurz angedeutet werden sollen.85 Seit 1756 leitete der Chorherr Gerhard Burckhart (1740–1782) ein Naturalienkabinett, das über zahlreiche Marmorproben, Mineralien und Pilze verfügte. 1788 kaufte Propst Töpsl 900 Münzen von einem Münchner Juden und legte damit den Grundstein für eine Sammlung von Münzen und Medaillen, deren Verzeichnis 1794 publiziert wurde. Von besonderer Bedeutung war das von Goldhofer 1754 begonnene Herbarium sowie ein botanischer Garten, den der Religiose Gelasius Gaill (1756–1832) im Jahr 1778 anlegte. Mit den Pollinger Seminaristen unternahm Gaill später erste botanische Wanderungen in die Umgebung. Nicht unerwähnt sollte die Pollinger Pinakothek bleiben, eine Gemäldesammlung von 187 Abbildungen berühmter und gelehrter AugustinerChorherren, die Töpsl anlegte. Vor diesem Hintergrund betrieben der Probst und seine Mitbrüder großen Aufwand für die Errichtung und den Erhalt der Instrumentensammlung. Die Konstruktion feinmechanischer Instrumente benötigte handwerkliche Fähig­ keiten und den Zugang zu anspruchsvollen Materialien wie möglichst reinem Glas für Linsen oder Thermometerröhren. Auf dem Pollinger Klostergelände befand sich weder eine Instrumentenwerkstatt noch eine Glasbläserei. Ein Großteil der Instrumente kam aus der Werkstatt des Augsburger Mechanikers Brander, der auch viele andere Klöster belieferte. Auch lokale Handwerker erhielten Aufträge durch Goldhofer oder seine Mitbrüder, wie ein Uhrmacher aus Weilheim, ein Silber-Drechsler oder ein Tischler.86 Eine Besonderheit des Pollinger Armariums gegenüber anderen Klostersammlungen war die Herstellung von Instrumenten in Frankreich. Das Kloster besaß nicht nur den für den Venustransit gekauften Sextanten von Canivet, sondern auch ein parallaktisch montiertes Fernrohr und einen Quadranten des Direktors der Pariser Sternwarte Cassini.87 Während die meisten Instrumentenkäufe nur in den Rechnungsbüchern schriftlichen Niedergang gefunden haben, hat sich überraschenderweise eine umfangreiche Korrespondenz des Instrumentenbauers Brander mit verschiedenen Pollinger Chorherren erhalten.88 Sie beginnt im Jahr 1754, wobei es sich bereits im ersten Brief um ein Antwortschreiben handelt, sodass der Briefwechsel noch davor aufgenommen wurde. Branders hauptsächliche Gesprächspartner 85 Hinweise zu den Pollinger Sammlungen finden sich in van Dülmen: Franziskus Töpsl 71–72, 89 und in Schmid: Propst Franziskus Töpsl 32–34. 86 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 29.03.1761, abgedruckt in Spindler: Briefe 388–392; siehe außerdem die Pollinger Rechnungsbücher auszugsweise in Hofman, Sigfrid: Beiträge zur Bau- und Kunstgeschichte von Polling (LK . Weilheim). Auszüge aus den Kirchenrechnungen des 18. Jahrhunderts. Schongau 1954. 87 van Dülmen: Franziskus Töpsl 125; Winkler: Branders Briefe 5. 88 Die Briefe befinden sich in BSB Cgm 2939, Clm 26449, Clm 1398, Clm 26450. Eine Edition erfolgte in ebd.

142  Naturforschung im Observatorium waren Goldhofer und Amort, aber er kommunizierte auch mit Propst Töpsl selbst sowie in Goldhofers Abwesenheit mit Gerhoh Steigenberger (1741–1787). Aber wer war Brander und warum war er so wichtig für die Chorherren? Brander betrieb seit 1734 eine Werkstatt in der Reichsstadt Augsburg.89 Zunächst hatte er mit der Herstellung chirurgischer Instrumente begonnen und erweiterte dann sein Programm auf mathematische, physikalische und besonders geodätische Geräte. Über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde er durch den Bau des ersten in Deutschland gefertigten Spiegelfernrohrs. Er korrespondierte nicht nur mit dem Direktor der Pariser Sternwarte César François Cassini de Thury (1714–1784), sondern stand auch mit dem englischen Optiker und Instrumentenbauer John Dollond (1706–1761) in regem Austausch. Auch dadurch war Brander in der Lage, den ersten Achromaten auf dem Kontinent überhaupt zu bauen. Sein wichtigster Beitrag im Instrumentenbau war die Herstellung hochpräziser Teilmaschinen und Glasmikrometer ab 1755, mit denen ihm äquidistante Abstände von 0,027 Millimetern gelangen. Mit dieser Genauigkeit blieben die Branderschen Werkstätten auf dem Kontinent bis zur Jahrhundertwende völlig konkurrenzlos. Zu seinen Kunden zählten nicht nur süddeutsche Klöster wie Polling, sondern auch die Akademien in München, Mannheim und Berlin und andere europäische Sternwarten und Fürstenhöfe. Branders Bedeutung vor allem für den süddeutschen Raum lässt sich auch daran erkennen, dass er von zeitgenössischen Chronisten in einer Reihe mit englischen und französischen Instrumentenbauern gestellt wurde. Seine intensive Beschäftigung mit geodätischen Methoden wurde 1779 durch eine Preisverleihung der Dänischen Akademie belohnt, die ihm eine Goldmedaille für die Konstruktion eines Distanzmessers verlieh. Der intensive Briefverkehr zwischen Brander und Goldhofer macht vor allem deutlich, dass Goldhofer in höchstem Maße auf die Expertise des Mechanikers angewiesen war. Das galt nicht nur für die bereits erwähnten Reparaturen am Sextanten aus Paris, den Goldhofer für die Beobachtung des Venustransits 1761 bestellt hatte. Unzählige pragmatische Anregungen wie die Verwendung von gefärbten Gläsern zur Beobachtung von Sonnenflecken90 oder Anleitungen zur Konstruktion von Fernrohrstandfüßen für die Horizontalbeobachtung91 schickte Brander an Goldhofer. Im Mai 1756 lieferte der Instrumentenbauer eine Luftpumpe an das Kloster, deren Funktionsweise er bei einem nachfolgenden

89 Zur Biographie von Georg Friedrich Brander siehe Brachner, Alto: Georg Friedrich Brander. Ein fast vergessener süddeutscher Mechanicus. In: Kultur & Technik 4/4 (1980) 1–8; Brachner, Alto: G. F. Brander 1713–1783. Wissenschaftliche Instrumente aus seiner Werkstatt. München 1983. 90 Briefe Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 31.08.1759 und 28.09.1759, ediert in Winkler: Branders Briefe 107–111. 91 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 22.12.1755, ediert in ebd. 28–30.

Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren  143

Besuch erklären wollte.92 Es blieb jedoch nicht bei Erläuterungen, Fehleranalysen und Reparaturen, die Brander übernahm. Als Goldhofer im selben Jahr einen Quadranten beim Pariser Sternwartendirektor Cassini erwarb, wurde dieser zunächst statt nach Polling in Branders Augsburger Werkstatt geliefert. In Einzelteile zerlegt setzte Brander den Quadranten zusammen und stellte gleichzeitig fest, dass es sich nicht um eine Neuanfertigung, sondern um ein bereits benutztes Gerät handelte.93 Goldhofer und sein Propst Töpsl konnten daraufhin berechtigterweise Ersatz einfordern. Die Bestellung von Instrumenten bei namhaften Herstellern – wie im Falle des Sextanten beim Pariser Canivet – verlieh den Geräten ein gewisses Ansehen und gab ihnen dadurch Gewicht und Bedeutung. Die Zusammenarbeit mit Brander war nicht nur in diesem Sinne nützlich, sondern erhöhte auch auf anderem Wege die Außenwahrnehmung der Pollinger Sammlung: Brander selbst bewarb seine Apparate gegenüber der Bayerischen Akademie in Bezug auf die Pollinger Geräte, sei es für eine Luftpumpe, »eine doppelt Gravesandische nach der leztern Verbesserung, wie die Polinger ist,« auf einen Mauerquadranten »so wie der Cassinische in Pollingen« oder auf einen »paralacticum Cassiniani94 wie jenes in Polling.«95 Stets bildeten die Pollinger Instrumente den Referenzpunkt. Auf diese Weise trug Brander den hohen Standard der Pollinger Instrumente weiter, ohne dass die Chorherren selbst für diese Kommunikation aktiv werden mussten. Auch Brander profitierte von seiner Zusammenarbeit mit den Pollinger Chorherren, wobei ihre rege Beobachtungstätigkeit und ihre Vernetzung innerhalb der Gelehrtengemeinschaft die Grundlage bildeten. Zum einen erhielt der Instrumentenbauer nützliche Anregungen zur Verbesserung seiner Apparate, so beispielsweise für die Konstruktion eines beweglichen Standfußes zur Unterstützung eines sehr langen Fernrohrs.96 Der Erfolg der Branderschen Instrumente beruhte nicht zuletzt auf ihrer Anwendbarkeit, und hier war er auf Hinweise aus der Anwendung angewiesen: »auch sind die übrigen von Euer Hochwürden gemachten anmerkungen sehr gegründet u. [ich] werde mirs auch zu einer Richtschnur dienen lassen,« schrieb er an Goldhofer.97 Zum anderen versorgten ihn die Pollinger Käufe in Paris mit Einblicken in neue Entwicklungen auf dem 92 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 20.05.1756, ediert in ebd. 40. 93 van Dülmen: Franziskus Töpsl 125; Winkler: Branders Briefe 5. 94 Von Cassini gebautes Fernrohr mit parallaktischer Montierung, d. h. mit einer Achse parallel zur Erdachse. 95 Brief Georg F.  Brander an Dominikus von Linprun vom 28.07.1759, abgedruckt in Spindler: Briefe 118–121. 96 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 06.02.1756, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 37–38. 97 Brief Georg F.  Brander an Prosper Goldhofer vom 22.12.1759, abgedruckt in ebd. 115–120.

144  Naturforschung im Observatorium französischen Instrumentenmarkt, die er für seine eigenen Konstruktionen nutzen konnte. Die Chorherren dienten ihm aber auch als ein Organ zur Vermarktung und Bewerbung seiner Werkstatt, das er intensiv in Anspruch nahm. So forderte ein Schüler Goldhofers aus Ettal explizit ein Universalthermometer von Brander98, und bei der Ausstattung der Sternwarte des Augustiner-Chorherrenstifts Rottenbuch empfahl Goldhofer ebenfalls den Augsburger Instrumentenbauer.99 Was haben wir bisher über die Instrumentensammlung in Polling erfahren? Obwohl die Sammlung umfangreich war, wurden die Instrumente nicht von den Chorherren selbst hergestellt und nicht in größerem Maße repariert. Der Ankauf erfolgte hauptsächlich bei Brander, aber auch bei weniger bekannten lokalen Handwerkern genauso wie in Einzelfällen prestigeträchtig in Frankreich. Der intensive Austausch mit Brander konnte eine fehlende Werkstatt in Polling durchaus kompensieren. Das Kloster war gleichzeitig nicht nur ein wichtiger Abnehmer für Brander, sondern sorgte auch für Wissenstransfer aus Frankreich. Wie sah das für andere Klöster aus? 3.2.2 Monastische Instrumentensammlungen Nach derzeitigem Kenntnisstand besaßen 53 Klöster im süddeutschen Raum eine mathematisch-physikalische Instrumentensammlung. Hauptnachweise für deren Existenz bieten die Säkularisationsakten, die den Zustand um 1803 wiedergeben. Diese Anzahl kann um weitere Abteien ergänzt werden, deren Instrumentensammlungen heute bekannt sind und die aus verschiedenen Gründen nicht durch kurbayerische Behörden 1803 aufgelöst wurden.100 Hinzu kommen in Einzelfällen Inventare, die vorher erstellt wurden, z. B. das Verzeichniß der Instrumenten, welche dienen, die meisten Sätze der Mathematik und Physik zu beweisen aus Polling. Eher subjektive Einblicke geben Reiseberichte, wenn den Besuchern das Armarium vorgeführt wurde. Als der St. Gallener Stiftsbibliothekar Johann Nepomuk Hauntinger (1756–1823) im Jahr 1784 durch Bayern und Schwaben reiste, sah er in den verschiedenen Klöstern eine ganze Reihe von Kabinetten und Sammlungen, wie in Donauwörth, wo »die optischen Instrumente die stärksten« waren, in Salem mit einem »sehr schöne[n] neue[n] Brennspiegel von großer Stärke« oder in Weingarten die »hydrostatische[n] und

98 Brief Prosper Goldhofer an Ildephons Kennedy vom 21.01.1762, ABAdW Briefe 1762 Nr. 19/2. 99 Ebd. 6. 100 Dazu gehört die Regensburger Reichsabtei St.  Emmeram, die zunächst dem neugegründeten Fürstentum Regensburg unter Carl Theodor von Dalberg beigeordnet wurde. Das Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf wurde bereits 1782 aufgelöst; die Sammlung gelangte an das Gymnasium in Straubing.

Instrumente: Hilfsmittel kaufen und reparieren  145

mechanische[n] Maschinen.«101 Die Bewertung des Gesehenen hing stark vom Betrachtungsstandpunkt aus, und so zogen drei Benediktiner aus Kremsmünster 1779 in ihrem Bericht stets ihren eigenen Bestand als Maßstab heran.102 Die Tatsache, ob Instrumentensammlungen vorhanden waren oder nicht, lässt sich leichter feststellen als die Frage nach deren Umfang. Die Säkularisationsakten geben einen ersten Anhaltspunkt für bayerische Klöster und zeigen ein sehr heterogenes Bild. Der Umfang reicht hier von 120 Posten für Kloster Polling bis hinunter auf zwei Nummern bei Aldersbach und St.  Nikola. Wie schwierig es ist, allein aus diesen Zahlen auf die Größe der Sammlungen zu schließen, zeigt ein Beispiel aus Ettal: hier werden fünf Sonnenuhren unter einem einzigen Posten gelistet und gleichzeitig Glasstangen zur Isolierung für elektrische Versuche einzeln aufgeführt.103 Darüber hinaus sind diese Angaben nur Untergrenzen, da von den Instrumenten viele im Privatbesitz der Mönche und Chorherren waren und daher von der Lokalkommission nicht konfisziert wurden. So unterschieden die Kommissare bei der Aufhebung von Kloster Indersdorf zwischen den verschiedenen Besitzarten und die Chorherren mussten jeweils inventarisieren, »was jeder mit sich in das Kloster eingebracht, oder sich selbst beygeschaft, oder vom Kloster empfangen; hievon war weder Herr Prälat ausgenommen.«104 Placidus Scharl (1731–1814) aus Andechs kaufte im Jahr 1778 ein Dollond’sches Teleskop aus seinen Depositengeldern, »weßwegen er auch bei der Säcularisation sein Eigenthumsrecht hierauf geltend machte.«105 In Kloster Fürstenfeld konnte der Schulrat 1803 nur zwei Globen für den Unterricht konfiszieren, denn alle anderen Instrumente waren privates Eigentum des Abtes und wurden behalten.106

101 Hauntinger, Johann Nepomuk: Reise durch Schwaben und Bayern im Jahr 1784. Neu herausgegeben und bearbeitet von Gebhard Spahr OSB. Weißenhorn 1964. 102 Kellner, Altmann: Ein Besuch in süddeutschen Abteien im Jahr 1779. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 81 (1970) 219–249. Weitere Reiseberichte mit Schilderungen der Klostersammlungen sind Schrank, Franz von Paula: Reise nach den südlichen Gebirgen von Baiern, in Hinsicht auf botanische, mineralogische, und ökonomische Gegenstände nebst Nachrichten von den Sitten, der Kleidung, und andern Merkwürdigkeiten der Bewohner dieser Gegenden etc. etc.; auf Befehl der kurfürstl. Akademie der Wissenschaften unternommen im Jahre 1788. München 1793 oder Zapf: Zapf 1801 – Reise von Augsburg. 103 Kurbayern Landesdirektion in Klostersachen Nr. 479. Georg Schrott listet die Zahl der Inventarposten für die landständischen Klöster auf und errechnet daraus einen Durchschnittswert von 39. Aus den bereits oben angeführten Gründen hat dieser Wert jedoch keinerlei Aussagekraft, siehe Schrott: Naturkundliche Aktivitäten 238. 104 Anonym: Urkunden über die Klosteraufhebung zu Intersdorf in Bayern. Veranlaßt vom Frauenstifte in München; andern zum Exempel. München 1783, 43. 105 Sattler: Chronik von Andechs 655. 106 Notiz von Schulrat Schubauer vom 22.05.1803. BayHStA Kurbayern Landesdirektion von Bayern in Klostersachen Nr. 3486.

146  Naturforschung im Observatorium Von der monastischen Sammelkultur profitierten aber auch Naturforscher außerhalb der Klostermauern. Nachdem die Bayerische Akademie der Wissenschaften 1759 gegründet worden war, begannen die Mitglieder rasch mit dem Aufbau von Sammlungen, darunter auch einem Kabinett mit mathematischphysikalischen Instrumenten.107 Immer wieder jedoch fehlten wesentliche Apparate, die man sich ausleihen musste – in den meisten Fällen aus den umfangreichen Beständen des Klosters Polling. So stellte Töpsl der Akademie schon 1759 einen Quadranten für Beobachtungen zur Verfügung.108 Ebenso fehlte es an fachmännischer Expertise im Umgang mit den Instrumenten: 1765 klagte Brander über den Zustand seiner Geräte: Ich bin schon ohnmächtig worden, wie ich dieses Früh Jahr meinen Quadranten zu sehen bekommen, in welch elenden Zustand und Warthe er sich befindet, noch mehr aber daß ich erfahren mußte, daß sie ihn schon von Schlossern zerlegen u putzen lassen – wohl getroffen!109

Den größten Zuwachs an Instrumenten erhielt die Akademie tatsächlich durch die Auflösung der Klöster, als deren wissenschaftliche Ausstattung wie Sammlungen und Bücher an die Universität, die Lyzeen und Schulen sowie die Akademie verteilt wurde. Ein anderes Beispiel für den weit verbreiteten Einfluss der Klöster auf die süddeutsche Sammlungskultur stellt die Universität Ingolstadt dar.110 Als der St.  Emmeramer Benediktiner Coelestin Steiglehner  (1738–1819) hier 1781 die Vorlesungen in Mathematik und Philosophie inklusive des Amts des Sternwartendirektors übernahm, beklagte er sich bitter über den Zustand der Apparate: »Das übrige, was dermalen vorhanden ist, bestehet entweder in Maschinen, die aus alten Drümmern gesezt worden, oder es ist würklich selbst nichts anders, als Drümmer und Rest, von alten Maschinen.«111 Die Instrumente wurden durch neue aus Steiglehners Mutterkloster ersetzt; sein Abt war es auch, der die Kosten für einen Universitätsmechaniker übernahm. Ebenso wie die Bayerische Akademie erhielt auch die Universitätssammlung nach der Säkularisation eine große Anzahl der mathematisch-physikalischen Instrumente aus den aufgehobenen Klöstern zugesprochen, beispielsweise ein Newton-Teleskop aus Benediktbeuern, 107 Zur Geschichte der akademischen Instrumentensammlung siehe Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 23–24. 108 Briefe Prosper Goldhofer an Johann G. Lori vom 29.11.1759 und Franziskus Töpsl an Johann G. Lori vom 12.12.1759, abgedruckt in Spindler: Briefe 217–218, 249–250. 109 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 24.10.1765, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 185–189. 110 Zur Universitätssammlung siehe Schaff: Ingolstadt 194–220; Wilde, Sandra: … denn ohne Observatorium giebt es keine Observationen. Astronomen und Sternwarten in Regensburg, 1773–1923. Magisterarbeit. Regensburg 1999 37–41. 111 Zitiert nach Wilde: Astronomen und Sternwarten 39.

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einen Globus aus Rott, eine Camera obscura aus Ettal und eine Pendeluhr aus Raitenhaslach.112 * * * Die Klöster beteiligten sich an der Sammelkultur von Scientifica, und reihten sich somit ein in die Gruppe von Universitäten, Akademien, Gelehrten und Kurfürsten, die sich damit ausstatteten. Sie waren Teil eines Kreislaufs von Herstellung, Benutzung und Verbesserung der Instrumente und spielten dabei für den süddeutschen Raum eine zentrale Rolle. Bei dem Versuch, Anzahl und Umfang dieser Klosterarmarien zu bestimmen, wurde die enge Verbindung von übergeordneter Klosterausstattung einerseits und ganz persönlichem Engagement einzelner Naturforscher andererseits deutlich, auch in den Besitzverhältnissen. Die Bedeutung der monastischen Instrumente wird auch in ihrer Rolle für außerklösterliche Sammlungen wie die der Bayerischen Akademie oder der Universität Ingolstadt deutlich. Gerade astronomische Instrumente existierten jedoch nicht einfach für sich, sondern mussten an einem geeigneten Beobachtungsort aufgestellt werden. Im Idealfall befanden sich Teleskope und Quadranten in eigens dafür errichteten Gebäuden: den Sternwarten.

3.3 Sternwarten: Räume errichten Sternwarten waren neben Bibliotheken die stärkste räumliche Integration von Naturforschung in den Klosterkomplex und bildeten eine direkte bauliche Verbindung von Klosterleben und Gelehrsamkeit. Ihre Zeugnisse sind teilweise bis heute erhalten und ihre Existenz ist vielfach nachgewiesen. Welche Funktionen übernahmen sie? In Polling entstand erst 1779 eine Sternwarte auf dem Bibliotheksgebäude; Goldhofer musste den Venustransit 1761 aus dem Garten beobachten. Wenn er auch ohne Observatorium gute Ergebnisse produzieren konnte, welchen Zusammenhang gab es dann zwischen Sternwarte und Beobachtungspraxis? Das vorliegende Kapitel untersucht die verschiedenen Observatoriumsbauten zunächst in Polling im Detail und anschließend auch für andere Klöster und fragt nach ihrer Verwendung und ihren Vorbildern. Die Ereignisse um den Bau einer Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg zeigen anschließend die enge Verbindung mit der Entwicklung der Bayerischen Akademie auf. Die Gründungen des Observatoire royale in Paris 1668 und des Royal Observatory in Greenwich 1675 läuteten die Phase der institutionell gebundenen

112 Inventarium. welches über das astronomische Kabinet bei der königl. Universität zu Landshut verfaßt worden ist den 19. Junius 1806. BayHStA MInn 23685.

148  Naturforschung im Observatorium Sternwarten ein.113 Es folgten Berlin 1708, St. Petersburg 1725 und Stockholm 1753 sowie die eher regionalen Observatorien in Bologna 1723, Uppsala 1742, Marseilles 1749, Cádiz 1753, Mailand 1760, Padua 1767 und Mannheim 1774. Hinzu kamen die Sternwarten der Jesuitenkollegien und private Einrichtungen. Am Ende des 18. Jahrhunderts konnte man 130 Observatorien in Europa und Nordamerika zählen.114 Gerade die staatlichen Sternwarten verfolgten vornehmlich praktische Zwecke wie Nautik, das Längengradproblem oder Zeitrechnung. Dazu diente die Herausgabe astronomischer Jahrbücher. Auffällig ist die enge personelle Verknüpfung zwischen den Sternwarten und den Akademien, zwischen der Royal Society in London und dem Greenwich Observatory, dem königlichen Astronomen in Paris und der astronomischen Sektion der Académie des Sciences, ähnlich in Berlin und St. Petersburg. In Mannheim war es der Hofastronom Christian Mayer (1719–1783), der einen Sternwartenbau initiierte und den pfälzischen Kurfürsten von der Ausstattung mit teuren englischen Instrumenten überzeugte.115 Mayer war besonders für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Doppelsternforschung, der Landvermessung und der Wetterforschung bekannt und nutzte die Sternwarte als Ausgangspunkt für eine Neuvermessung der Kurpfalz. Aber wozu gab es Sternwarten in Klöstern? 3.3.1 Die Pollinger Sternwarten Die ersten Zeugnisse für eine Sternwarte in Polling stammen aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert, auf deren Überresten im Klostergarten etwa 100 Jahre später das letzte Observatorium errichtet wurde.116 In der Zwischenzeit wechselten die Standorte für astronomische Beobachtungen mehrmals. Der nächste Hinweis findet sich in einem Artikel von Amort im Parnassus Boicus aus dem Jahr 1736, in dem er die Beobachtung einer Mondfinsternis beschreibt und dabei auch auf die wohl ein Jahr zuvor errichtete Sternwarte eingeht.117 Dabei handelte es sich um einen Raum in einer Höhe von 75 Fuß und einem sich darüber befindlichen achteckigen, kupferbedeckten Turm.118 Eine »mit eine[r] kupffernen Luck versehene Oeffnung« ermöglichte es dem Beobachter, mit dem Teleskop zumindest 113 Zu den Sternwarten des 18. Jahrhunderts siehe McClellan, James, III: Scientific Institutions and the Organization of Science. In: Porter, Roy (Hg.): The Cambridge History of Science. 4. Eighteenth-Century Science. Cambridge 2003, 87–106, hier 89–99. 114 Ebd. 99. 115 Budde, Kai: Wirtschaft, Wissenschaft und Technik im Zeitalter der Aufklärung. Mannheim und die Kurpfalz unter Carl Theodor 1743–1799. Mannheim 1993, 23–24. 116 Eine detaillierte Studie zu den verschiedenen Standorten der Pollinger Sternwarte finden sich in Angelosanti: Stiftsanlage. 117 Goldhofer: Monds-Finsternuß. 118 Ein bayerischer Fuß entsprach im 18. Jahrhundert etwa 292 Millimeter. Damit war der Raum circa 22 Meter hoch.

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einen Teil des Sternhimmels nutzen zu können. Wo genau sich dieser Raum mit Turm befand, lässt sich nachträglich nicht mehr identifizieren. Ein Stich des Klosters Polling aus dem Jahr 1732 markiert das Observatorium in einem Mitteltrakt zwischen den Wohnräumen der Konventualen und der Bibliothek, aber dieser ganze Gebäudeteil wurde nie errichtet.119 Amort benutzte das Observatorium wohl häufig, plante aber gemeinsam mit dem damaligen Propst Albert Oswald (1663–1744), dem Vorgänger von Töpsl, auch einen Neubau. Es realisierten sich zunächst jedoch weder Oswalds Pläne noch die späteren seines Nachfolgers Töpsl. Bei den Vorbereitungen zur Beobachtung des Venustransits berieten sich Goldhofer und der Instrumentenbauer Brander über das Aufstellen der Teleskope im Klostergarten, weil ein angemessenes Observatorium fehlte.120 Alle rechneten aber wohl in naher Zukunft mit einem Neubau, denn Branders Vorschläge waren »nur Gedancken in so fern biß das Observatorium fertig ist.«121 Vorbilder für den geplanten Neubau war vor allem der Mathematische Turm im oberösterreichischen Benediktinerkloster Kremsmünster und die Sternwarte der Pariser Augustiner-Chorherren von St. Geneviève. Goldhofer erhielt dazu von Pingré eine detaillierte Schilderung der baulichen Gegebenheiten, und acht Jahre später bat der Propst einen seiner Chorherren, der gerade in Paris weilte, erneut um »eine Vorstellung […] des Pariser Observatoriums.«122 1759 sendete Anselm Desing (1699–1772) in einem Brief einen Abriss der Baugeschichte zum Mathematischen Turm in Kremsmünster.123 Eine passende Pollinger Sternwarte blieb jedoch weiterhin ein Wunschdenken, denn alle Projekte scheiterten vor allem aus finanziellen Gründen.124 Auch Propst Töpsl selbst bedauerte ihr Fehlen gegenüber dem Sekretär der Bayerischen Akademie, denn »ohne observatorio muß man halt von einem orth zum andern mit den Instrumentis migrieren, so sehr verdrüßlich.«125 Es vergingen weitere Jahrzehnte, bis die 1779 fertiggestellte Bibliothek auch eine neue Sternwarte aufnahm. Vom Dachboden führte nun eine Treppe zu einer Plattform für Himmelsbeobachtungen.126 Doch auch dieser Raum scheint den Vorstellungen der Pollinger Astronomen für einen passenden Beobachtungsort 119 Angelosanti: Stiftsanlage 70. 120 Zur Beobachtung des Venustransits aus dem Klostergarten siehe Kapitel 3.1.3. 121 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 24.03.1756, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 37–39. 122 Brief Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 05.05.1757, BSB Cgm 2939 fol. 86–89. Brief Franziskus Töpsl an Gerhoh Steigenberger vom 15.05.1765, teilweise abgedruckt in van Dülmen: Franziskus Töpsl 59. 123 Rabenalt: Desing. 124 van Dülmen: Franziskus Töpsl 59. 125 Brief Franziskus Töpsl an Johann G. Lori vom 07.02.1760, abgedruckt in Spindler: Briefe 263–264. 126 Angelosanti: Stiftsanlage 86.

150  Naturforschung im Observatorium nicht entsprochen zu haben, und so bat der Cellerar127 seinen Propst auf Drängen des damaligen Mathematikprofessors und seiner Schüler in einem Schreiben 1789 um den Bau eines neuen Observatoriums.128 Dieses Mal gingen die Vorbereitungen sehr schnell voran, und Ende des Jahres war der neue Bau errichtet. Die Sternwarte war ausgeschmückt mit zehn Porträts: Claudius Ptolemaeus, Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe, Giambattista Riccioli, Johannes Hevelius, Johannes Flammsteed, Johannes Kepler, Jakob Cassini, Edmund Halley und Ignaz Kögler.129 In dieser illustren Reihe bekannter Astronomen überrascht der Name Ignaz Kögler. Er war Jesuit aus Landsberg am Lech und ging 1716 als Missionar nach China. Am Hof des Kaisers in Peking erwarb Kögler sich großes Ansehen als Mathematiker und Astronom, er war Leiter der Kaiserlichen Sternwarte und auch für die chinesische Kalenderrechnung zuständig. Vor seiner Auswanderung unterrichtete er an der Universität Ingolstadt, wo Amort zu seinen Schülern gehörte.130 In den Jahrzehnten danach herrschte ein reger Briefwechsel zwischen Polling und Peking. Mit dem Porträt Köglers in der neuen Sternwarte wollte der Propst möglicherweise auf diese Verbindung zwischen seinem Konvent und China aufmerksam machen. Die späteren Realisierungen hatten jedoch wenig Ähnlichkeit mit dem Pariser oder Kremsmünsterer Bau. Auf Töpsl dürfte vor allem die Tatsache, dass der Abt von Kremsmünster ein mehrgeschossiges Gebäude allein zur Unterbringung der Sammlungen sowie eins astronomischen Observatoriums errichten ließ, Eindruck hinterlassen haben.131 In Polling gab es im Laufe des 18. Jahrhunderts eine ganze Reihe von verschiedenen Observatorien, die unterschiedlich gut für die astronomische Beobachtung geeignet waren. Amorts Turm von 1735 ermöglichte ihm durch seine hohe Lage und eine Dachöffnung einige Beobachtungen, von denen er im Parnassus Boicus berichtete. Hingegen war die Beobachtungsplattform auf der neuen Bibliothek eher ein Provisorium, und auch die letzte Sternwarte bildete vor allem einen Aufbewahrungsort für Instrumente. Wegen der baulich eher ungünstigen Situation beobachtete Goldhofer, wie oben berichtet, den Venustransit im Jahr 1761 vom Garten aus, was zwar nicht ideal war, ihn aber weit weniger behinderte als die Wolken am Himmel. Daran hätte auch eine Sternwarte nichts ändern können. Für die Baupläne orientierte sich Propst Töpsl vor allem an an-

127 Der Cellerar ist für die wirtschaftlichen Bereiche eines Klosters zuständig. 128 Brief Ollegarius Seidl an Franziskus Töpsl vom 11.01.1789, teilweise abgedruckt in ebd. 85. 129 van Dülmen: Franziskus Töpsl 59–60. 130 Ebd. 25. 131 Für die 1789 fertiggestellte Sternwarte diente schließlich das Modell in einem unbekannten mathematischen Buch als Vorbild, wie aus dem Brief des Klosterökonomen Ollegarius Seidl hervorgeht; siehe Brief Ollegarius Seidl an Franziskus Töpsl vom 11.01.1789, teilweise abgedruckt in Angelosanti: Stiftsanlage 85.

Sternwarten: Räume errichten  151

deren Klostersternwarten, an Kremsmünster und St. Geneviève in Paris, nicht an weltlichen Einrichtungen wie Universitäten und Akademien. Außer Polling gab es noch eine ganze Reihe anderer Klöster, die Sternwarten innerhalb ihrer Konventsmauern errichteten. Welcher Zusammenhang bestand dort zwischen Gebäude und astronomischer Beobachtung? 3.3.2 Klostersternwarten: Monumente der Prälaten In seiner Bedeutung für astronomische Beobachtung und als Vorbild für nachfolgende Bauten steht der Mathematische Turm des oberösterreichischen Kremsmünster unbestreitbar an der Spitze süddeutscher Klostersternwarten.132 Er wurde in den Jahren 1749 bis 1758 errichtet und gilt damit als erste benediktinische Sternwarte überhaupt.133 Oberhalb von fünf Stockwerken für die Sammlungen des Stifts, das auch eine Ritterakademie betreute, befand sich im sechsten Stockwerk der Beobachtungssaal und obenauf eine Sternwartenkuppel. Von ihren Erbauern als Pendant zu den Sternwarten in Paris, Bologna und Wien gedacht, erlebte der Mathematische Turm als Ort für Astronomie seine Glanzzeit unter Pater Placidus Fixlmillner (1721–1791). Der Benediktiner beschäftigte sich zunächst mit Kirchenrecht und wandte sich erst durch die Beobachtung des Venustransits 1761 der Sternkunde zu. Er stattete den Turm mit neuen Instrumenten aus und war in den folgenden dreißig Jahren seiner Amtszeit als Leiter der Sternwarte ein fleißiger Beobachter. Bekannt wurde er nicht nur durch eine Reihe von Publikationen, sondern auch durch die Bahnberechnung des 1781 entdeckten Planeten Uranus.134 Nach dem zweiten Venusdurchgang des Jahrhunderts im Jahr 1769 bestimmte Fixlmillner aus den weltweit gesammelten Beobachtungen einen Wert für die Astronomische Einheit (Abstand Erde-Sonne) von 154,05 Mio. Kilometern – und lag damit nur 3 % vom heute gültigen Wert entfernt. Neben Kremsmünster sind von den Klöstern Lambach, St. Emmeram in Regensburg, Prüfening, Indersdorf, Rottenbuch, Ochsenhausen und Rott am Inn Zeugnisse über die Existenz eines Observatoriums erhalten geblieben.135 Das Stift 132 Zur Geschichte der Sternwarte in Kremsmünster siehe Fellöcker, Sigmund: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster. Linz 1864; Klamt, Johann-Christian: Sternwarte und Museum im Zeitalter der Aufklärung. Der Mathematische Turm zu Krems­ münster (1749–1758). Mainz 1999; Müller, Peter: Sternwarten. Architektur und Geschichte der Astronomischen Observatorien. Frankfurt am Main 1975, 79–84. 133 Klamt: Sternwarte und Museum 390. 134 Decennium astronomicum (1776), Meridianus speculae astronomicae cremifanensis (1765) und Rei publicae sacrae origines divinae (1756). 135 Der Kunsthistoriker Peter Müller listet in seiner Arbeit über Sternwarten zwar die »Ordenssternwarten« als eigene Kategorie auf, führt unter dieser aber hauptsächlich durch den Jesuitenorden errichtete und geleitete Observatorien auf. Die einzige Ausnahme bildet die Sternwarte des Benediktinerklosters Kremsmünster, siehe hierzu Müller: Sternwarten 271.

152  Naturforschung im Observatorium Lambach war Kremsmünster benachbart und baute in den 1770ern einen Wehrturm in ähnlicher Weise zum »Mathematischen Turm« um.136 So ähnlich sah auch die Sternwarte im Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf aus, die auf einem der Klostertore errichtet worden war.137 Propst Gelasius Morhart  ­(1710–1771) ließ sie bauen, als er ab 1761 mit dem Kauf mathematisch-physikalischer Instrumente begann und seinen Konventualen Augustin Torborch (1734–1772) zum Studium nach Ingolstadt schickte. Mit seinem Werk Gedanken über eine sehr leichte Art, Anfängern die Astronomie beyzubringen gelang Torborch die Aufnahme als Mitglied in die Bayerische Akademie, das jedoch nie gedruckt wurde und nicht als Manuskript erhalten ist.138 Ob er das Observatorium für den praktischen Astronomie-Unterricht verwendete, ist daher nicht bekannt. Ein Jahr später bewarb er sich um die Stelle als Akademieastronom und verfasste dafür eine mathematische Abhandlung über Kegelschnitte.139 Er hatte sich eine ansehnliche Pension erhofft, die der Akademiesekretär jedoch genauso ablehnte wie eine Anstellung Torborchs insgesamt. Der Akademie mangelte es zu diesem Zeitpunkt selbst an einer Sternwarte und brauchte daher auch keinen festangestellten Astronomen.140 Torborchs Nachfolger als Betreuer des Indersdorfer Armariums, Ambrosius Mindl (1748–1799), erstellte drei Jahrgänge meteorologischer Beobachtungen, aber war mit den räumlichen Gegebenheiten insgesamt sehr unzufrieden: »Sehr wenig sehen wir um uns, was zur Beobachtung der Witterung vortheilhaft seyn könnte,« wie auch eine fehlende freie Sicht nach Süden, Norden und Westen.141 Genauso wie aus Indersdorf sind auch aus dem Benediktinerkloster Prüfening nur einige Wetterbeobachtungen bekannt. Im Jahr 1789 war ein zweigeschossiger Turm fertig, der Fenster in acht Richtungen besaß und mit Fernrohren und astronomischen Uhren ausgestattet war.142 Drei Jahrgänge Wetterbeobachtungen sandten die Prüfeninger Benediktiner an die Bayerische Akademie, aber von astronomischen Tätigkeiten fehlt jede Spur. Auch in Ochsenhausen wurde 1788 eine Sternwarte mit Drehkuppel in einem der Konventstürme errichtet und später mit einem großen Azimutal-Quadranten ausgestattet; astronomische 136 Klamt: Sternwarte und Museum 390. 137 Dorner: Dorner 1978 – Die physikalische Sammlung des Klosters. 138 Brief Ildephons Kennedy an Augustin Torborch vom 10.11.1769 sowie Antwortschreiben vom 16.11.1769, ABAdW Briefe 1769 Nr. 19/1 und 19/2. 139 Torborch, Augustin: Abhandlung von den Kegelschnitten. In: Abhandlungen der Chur­ fürstlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften. Philosophische Stücke 9/2 (1775) 17–54. 140 Brief Augustin Torborch an Ildephons Kennedy vom 06.01.1770 und Antwortschreiben vom 10.02.1770, ABAdW Briefe 1770 Nr. 15/1 und 15/2. 141 Beschreibung des Standorts Indersdorf durch Ambrosius Mindl in den Ephemeriden der BAdW Band 2, S. 12–13. 142 Schrott: Schrott 2009 – Prüfeninger Naturkunde und monastisches Selbstverständnis; Wilde: Astronomen und Sternwarten.

Sternwarten: Räume errichten  153

Publikationen oder eine Korrespondenz von Beobachtungen sind jedoch nicht nachweisbar.143 St. Emmeram in Regensburg war auf seine Sternwarte ganz besonders stolz, die sich in zwei Ecktürmen des Klosters befand.144 Auch sie war vermutlich eine Folge der Reise des Benediktinerpaters Steiglehner einige Jahre zuvor nach Kremsmünster, wo er sich mit Fixlmillner austauschte. Astronomische Beobachtungen oder Publikationen sind jedoch nicht bekannt. Steiglehner hielt die Pläne seines Fürstabts für unpassend, denn Sternwarten, welche diesen ehrenvollen Namen mit Recht tragen sollen, muß man nicht zwischen den Ringmauern der Städte, sondern auf Anhöhen im Freien suchen: bleibende Instrumente müssen nicht auf wankelhaften Thürmen, sondern auf Felsen ruhen: auch dürfte der nöthige Aufwand die Kräfte einer Abtey übersteigen, welche für so viele andere Bedürfnisse zu sorgen hat.145

Eine Ausnahme bildet das Benediktinerkloster Rott am Inn, dessen Sternwarte 1786 feierlich eingeweiht wurde.146 Emmeram Sutor  (1759–1787) unternahm zu diesem Zeitpunkt bereits seit fünf Jahren Wetterbeobachtungen für die Bayerische Akademie und reiste 1783 zum Unterricht an die Kremsmünsterer Sternwarte zu Fixlmillner.147 Er beobachtete eine Mondfinsternis und berechnete die geographische Länge von Rott.148 In einem Dankschreiben Sutors an Fixlmillner für den erhaltenen Unterricht berichtete er von der Einrichtung der neuen Sternwarte in Rott mit einem Gnomon und einem von ihm selbst geteilten Quadranten.149 Ebenso wie sein Nachfolger publizierte er seine astronomischen Beobachtungen in einer norddeutschen Zeitschrift.150 Schon die Art und Weise, wie die wissenschaftlichen Räume in das klösterliche Gebäudekomplex integriert waren, erlaubt bereits erste Aussagen über ihre Verwendung und Funktion. Während in Polling der Zusammenhang von Bibliothek und Sternwarte die Einheit des Studiums betonte, waren die Sammlungen und das Observatorium 143 Brachner: Ochsenhausen 32–34. 144 Wilde: Astronomen und Sternwarten; Meinel: Licht der Natur. 145 Placidus Heinrich zitiert diese Aussage Steiglehners aus seinem Gedächtnis in Heinrich: Lebensgeschichte 21. 146 Zur Sternwarte in Rott am Inn siehe Schrott: Naturkundliche Aktivitäten. 147 Ebd. 230–231. 148 Birkmaier, Willi: P. Emmeram Sutor [Schuster] + 1787. Vom Kloster aus den Sternenhimmel erforscht. In: Birkmaier, Willi (Hg.): Rott am Inn. Zweiter Band. Weißenhorn 2002, 291–294. 149 Brief Emmeram Sutor an Placidus Fixlmillner vom 01.10.1785, Archiv der Sternwarte Kremsmünster, abgedruckt in ebd. 292–293. 150 Sutor, Emmeram: Astronomische Beobachtungen in der Abtey Rott in Bayern am Innstrom. In: Bode, Johann Elert (Hg.): Astronomisches Jahrbuch nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Abhandlungen, Beobach­ tungen und Nachrichten. Berlin 1787, 186–187; Schuster: Schuster 1802  – Astronomische Nachrichten und Beobachtungen.

154  Naturforschung im Observatorium in der Abtei Rott architektonisch besonders dem Unterricht zugeordnet.151 Hinter einer extra zurückgesetzten Fassade waren Schulzimmer, vier Räume für Instrumentensammlung und Naturalienkabinett sowie eine Sternwarte auf drei Geschosse verteilt und über ein Treppenhaus direkt miteinander verbunden. Die Bibliothek hingegen befand sich in einem anderen Gebäudetrakt und war durch zwölf Gästezimmer von den Armarien getrennt.152 Besucher sollten sich offensichtlich während ihres Aufenthalts von der wissenschaftlichen Ausstattung der Abtei beeindrucken lassen. Die Aufwertung der Naturforschung als monastische Tätigkeit kam in Rott auch äußerlich zum Ausdruck, indem Kirche und Sternwarte architektonische Bezüge aufwiesen. In einer fast übereinstimmenden Mittelachse und der Krönung beider Gebäude durch zwei Türme sieht der Ordenshistoriker Georg Schrott ein »Programm […], mit dem der Bauherr seine Wertschätzung für die Wissenschaften und deren Stellenwert im monastischen Leben unterstreichen wollte.«153 Die Sternwarte war – gemeinsam mit der Bibliothek und den Sammlungen und nicht selten gleichbedeutend mit der Stiftskirche – Teil des öffentlich zugänglichen Konventes. Interessierte Besucher erhielten eine Führung durch diese Räume und berichteten darüber wiederum in ihren Reisejournalen. So beschreibt der Botaniker Franz von Paula Schrank (1747–1835) die Verhältnisse in Rott während eines Besuchs im Jahr 1793: »Von den Instrumenten stiegen wir auf die Sternwarte selbst. In der That ist nicht bald ein Ort für astronomische Observationen bequemer gelegen als dieses Kloster.«154 Die Errichtung einer Sternwarte war zuallererst eine Frage der Wissenschaftsförderung durch den Prälaten. Der Klostervorsteher entschied darüber, finanzielle Ressourcen für die Astronomie aufzuwenden und ihr Raum innerhalb der Klostermauern zu verschaffen. Gerade in den Nekrologen der Äbte und Pröpste wurde der Bau einer Sternwarte als Beleg dafür genannt, sich verantwortungsvoll und zeitgemäß um die Gelehrsamkeit gekümmert zu haben. »Er bereicherte das physikalische und mathematische Armarium mit einer astronomischen Warte und Instrumenten hergestellt in Europa durch die Hand der berühmtesten Künstler« schreibt ein ehemaliger Pollinger Chorherr 1815 über Propst Töpsl.155 Abt Martin Pronath (1738–1790) aus Prüfening baute eine Sternwarte, um die 151 Eine erste Untersuchung der mit Naturforschung verbundenen Gebäude in der Abtei Rott am Inn findet sich in Schrott: Naturkundliche Aktivitäten 224–228. 152 Diese Raumaufteilung ist einem 1800 von Paulinus Schuster entworfenen Grundrisses zu entnehmen, abgedruckt in ebd. 225. 153 Ebd. 227. 154 Schrank: Reise nach den südlichen Gebirgen 290–291. 155 »Armarium physicum et mathematicum cum Specula astronomica, instrumentis celeberrimorum in Europa artificum manu laboratis locupletavit.« Daisenberger, Nepomuk: Monumentum debitae gratitudinis et filialis amoris erga reverendissimum, perillustrem ac amplissimum Dominum Dominum Franciscum Toepsel. Walleshausen 1815, 17.

Sternwarten: Räume errichten  155

»Kenntnisse in den Wissenschaften durch Erfahrungen und Beobachtungen zu erweitern«156 und unter dem Regensburger Abt von St.  Emmeram Frobenius Forster (1709–1791) »erhob sich im majestätischen Glanze das prächtigste mathematische Musaeum, [und] entstand […] eine wohlgeordnete Sternwarte.«157 Abt Gregor Mack (gest. 1801) von Rott am Inn »richtete […] eine ansehnliche Sternwarte auf, und bereicherte sie mit den auserlehsensten und kostbarsten Instrumenten«158, den Rottenbucher Propst Ambrosius Mösmer  (1721–1798) lobte der Redner für die Errichtung einer »gemeinnützigen, und weit berühmten Sternwarte«159 und unter Propst Morhart wurde Indersdorf zum »gelehrteste[n] Denkmale der erhabenen Weltweisheit.«160 Wie in Polling wurden auch andere Klostersternwarten in verschiedenem Maße tatsächlich für astronomische Beobachtungen genutzt. Kremsmünster mit Fixlmillner sticht hervor, aber auch aus Rott sind Ergebnisse der Sternenkunde erhalten. Die Observatorien dienten zum Unterricht, für die Aufbewahrung der Instrumente sowie zur Beobachtung und waren dabei doch in erster Linie Symbolbauten. Sie dokumentierten die Gelehrsamkeit der Klöster und machten ihren Anspruch, kulturelle Zentren zu sein, äußerlich sichtbar. Der Blick richtete sich meist nach innen, die Vorbilder waren bereits existierende Klostersternwarten. Eine Ausnahme in der Geschichte der süddeutschen Klostersternwarten stellt das Observatorium auf dem Hohenpeißenberg des Augustiner-Chorherrenstifts Rottenbuch dar. Ihm ist das folgende Kapitel gewidmet. Statt eines Wunsches aus den Reihen der Konventualen oder des Propstes war es hier ein kurfürstliches Dekret, das nicht nur das Observatorium, sondern die Naturforschung in Rottenbuch überhaupt begründete.

156 Werner, Benedikt: Trauerrede auf den weiland Hochwürdigen, Hochwohlgebohrnen Herrn, Herrn Martinus, des berühmten und befreyten Stiftes und Klosters Prifling würdigsten Abt. Regensburg 1790, 12. 157 Kornmann, Rupert: Trauerrede auf den Hochwuerdigsten, Hochgebohrnen Herrn Frobenius des Heil. Röm. Reichs Fürsten, des Kaiserl. freyen Reichsstiftes zu St. Emmeram in Regensburg Abt bey dem letzten Trauergottesdienste in besagter Reichsstiftskirche den 3. Wintermonats 1791. Regensburg 1791, 9. 158 Mareis, Marian: Trauerrede auf den Hochwürdigen, Wohlgebohrnen Herrn Herrn Gregor würdigsten Abt des Hochlöblichen Benediktinerstiftes Rot. Tegernsee 1801, 32–33. 159 Hellensteiner, Virgil: Rede bey der Todesfeyer des hochwürdigen und wohlgebohrnen Herrn Herrn Ambrosius Probst und Erzdiakon an dem regulirten Chorstifte zu Rothenbuch. Kaufbeuren 1798, 13. 160 Schmelcher, Alberik: Trauer- und Lobrede auf das höchst betrübte Ableiben des Hochwürdigen Hochedelgebohrnen Herrn Herrn Gelasius, des Hochansehnlichen und berühmtesten Stüftes Undersdorf würdigst gewesenen Abbtens und Vorstehers. Augsburg 1771.

156  Naturforschung im Observatorium 3.3.3 Die Sternwarte des Kurfürsten Seit ihrer Gründung 1759 bemühten sich auch die Mitglieder der Bayerischen Akademie um eine eigene Sternwarte.161 Gebäudebau und Personalschwierigkeiten waren hier auf das engste miteinander verbunden. Ein erstes Observatorium errichtete der Direktor der Philosophischen Klasse Johann Georg Dominikus von Linprun (1714–1787) im Jahr 1760 auf dem sogenannten »Rockerl,« einer ehemaligen Bastion der Münchener Stadtbefestigung. Hier wurde 1761 mit der Unterstützung durch den Instrumentenbauer Brander der Venusdurchgang beobachtet. Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste Linprun das Gebäude jedoch 1769/70 wieder verkaufen. Die oben erwähnte Bewerbung von Torborch aus Indersdorf als besoldeter Akademieastronom wurde abgelehnt, und erst drei Jahre später baute Linpruns Nachfolger von Osterwald auf eigene Kosten eine Sternwarte auf dem Gasteig. Die Leitung sollte der ehemalige Jesuit und einstige Dillinger Professor Ignaz Pickel (1736–1818) übernehmen, der jedoch ablehnte. Stattdessen schlug der Akademiesekretär den ehemaligen Mettener Benediktiner Leonhard Gruber (1740–1810/11) vor, der sich mittlerweile einen Namen in Wien als Schulreformer gemacht hatte. Wegen dessen Unzuverlässigkeit wurde dieser Vorschlag 1774 jedoch wieder zurückgenommen. Als sich ein Jahr später ein neuer Bewerber um die Stelle eines Akademieastronomen bemühte, stand dieser Posten nicht mehr zur Disposition. Ab 1778 konnten die Akademiemitglieder in München nur noch sporadisch die Sternwarte der Münchner Kadettenakademie verwenden. Wegen der misslungenen Errichtung einer städtischen akademischen Sternwarte setzte der ehemalige Akademiesekretär Johann Georg von Lori (1723–1787) sein Augenmerk auf die Klöster; konkret hatte er zu diesem Zweck die Wallfahrtskirche auf dem Hohenpeißenberg des Klosters Rottenbuch im Sinn. Der Hohenpeißenberg war Lori nicht unbekannt, schon einige Jahre zuvor hatte er sich kurz nach der Gründung der Bayerischen Akademie um die Aufnahme von Wetterbeobachtungen dort oben bemüht.162 Die Situation in Rottenbuch war nun günstig für eine Wiederaufnahme der Pläne Loris, denn nun gab es dort personalpolitische Schwierigkeiten und Neuordnungen.163 Im Jahr 1772 war gerade der bisherige Propst gestorben, und es stand die Neuwahl eines Klostervorstehers an. Um diese abhalten zu dürfen, bedurfte es der Genehmigung sowohl vom Freisinger Bischof als auch vom Geistlichen Rat als kurfürstlicher Behörde. Wegen 161 Zur Geschichte der akademischen Sternwarten siehe Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 252; Hammermayer: Geschichte 2 22–27, 177; Häfner, Reinhold: Die Sternwarte in Bogenhausen. Von der Positionsastronomie zur modernen Astrophysik. In: Willoweit, Dietmar (Hg.): Wissenswelten. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die wissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. München 2009, 208–217, hier 208. 162 Zu den Wetterbeobachtungen auf dem Hohenpeißenberg siehe Kapitel 2.2.2.1. 163 Winkler: Frühgeschichte.

Sternwarten: Räume errichten  157

anderer Streitigkeiten zwischen Bischof und Regierung wurde die Zustimmung verweigert und die Klosterverwaltung damit zunächst in die Hände des Ordinariats gegeben. Um in dieser Situation Unterstützung durch den Kurfürsten zu erhalten, reiste der Rottenbucher Chorherr Ambrosius Mösmer nach München und bat um eine Audienz. Lori, ein Schuldfreund Mösmers, bot seine Hilfe an, erhielt selbst eine Audienz beim Kurfürsten und verband sein Anliegen zur Unterstützung der Rottenbucher Chorherren mit dem Vorschlag zur Errichtung eines Observatoriums auf dem Hohenpeißenberg. Auf dieser Erhebung befand sich eine Wallfahrtskirche, deren Seelsorge seit Beginn des 17. Jahrhunderts dem Kloster Rottenbuch oblag. Mösmer erhielt dann zwar nur eine wage Zusage zur Unterstützung der Propstwahl, zusätzlich aber noch ein Dekret mit dem Auftrag, auf dem Hohenpeißenberg eine Sternwarte zu errichten und zu betreiben: Wir haben die Lage des hohen Peißenbergs bei unserm lezten Anwesen in der dortigen Gegend zu Anstellung astronomischer Beobachtungen von der Beschaffenheit zu seyn bemerkt, daß kaum ein bequemmerer in unsern Churlanden wird aufgefunden werden können. […] so befehlen wir euch gnädigst, den Bedacht zu nehmen, mit astronomischen Beobachtungen so bald es immer möglich der Anfang gemacht werde.164

Das war ein ungewöhnlicher Auftrag, der in seiner Durchführung die Rottenbucher Chorherren vor einige Schwierigkeiten stellte. Es musste nicht nur ein Observatorium gebaut, sondern auch ein Chorherr gefunden werden, der sich in der Astronomie auskannte und Beobachtungen übernehmen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt verfügte das Kloster jedoch weder über eine eigene Instrumentensammlung noch über entsprechende Expertise unter den Konventualen. In den Kapitelsitzungen wurde also gemeinsam überlegt, was man tun könnte, um das kurfürstliche Dekret zu befolgen.165 Das Ergebnis der Verhandlungen war der Beschluss, den Chorherren Cajetan Fischer (1739–1790) für ein kurzes Studium ins benachbarte Stift Polling zu schicken, sodass dieser anschließend mit mathematischem und physikalischem Unterricht im eigenen Haus beginnen und nachfolgende Generationen von Novizen ausbilden konnte. Das kurfürstliche Dekret hatte diesen Weg selbst vorgeschlagen: Da wir aber uns leicht beigehen laßen können, daß bis zur Beschaffung der nöthigen Bücher und Instrumenten, auch von Einführung einer gründlichen Philosophie und Mathematik unter den jungen Religiosen, durch euch allein noch zur Zeit dieser Absicht nicht in das Werk gesezt werden kann, so haben wir an unsern Probst zu Polling […] um euch hirumfalls seinen Beistand zu leisten, das nöthige erlaßen.166 164 Dekret vom 10.11.1772, abgedruckt in Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg 8. 165 Ebd.; Winkler: Frühgeschichte. 166 Dekret vom 10.11.1772, abgedruckt in Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg 8.

158  Naturforschung im Observatorium Das Rottenbucher Kapitel hatte zunächst erwogen, Fischer zum Studium an die Landesuniversität in Ingolstadt oder nach Dillingen zu schicken. Ein Mitbruder war selbst in Ingolstadt Student gewesen und hatte den dortigen Unterricht in Mathematik jedoch als ungenügend empfunden. Er riet daher davon ab und holte stattdessen Rat beim Pollinger Propst Töpsl, der die Ausbildung Fischers in Polling anbot.167 In München war die Wissenschaftspflege der Pollinger Chorherren gut bekannt und der Kurfürst vertraute darauf, dass diese den Mangel an Expertise in Rottenbuch kompensieren könnten. Propst Töpsl erhielt daher noch am selben Tag ein Schreiben mit dem Auftrag, die nötigen Hilfestellungen zu leisten: [W]ir laßen euch in der abschriftl. Nebenlag unverhalten, was wir wegen Einrichtung eines Observatorii auf dem hohen Peißenberg dem Kloster Rottenbuch aufgetragen haben. Da es uns zum besonderen Wohlgefallen gereicht, daß ihr in dem euch anvertrauten Kloster die nüzlichen Wissenschaften in Aufnahm zu bringen euch alles Fleißes beeifert, und wir uns zu euch gänzlich versehen können, daß ihr selbe in unsern Churlanden, und besondern unter euren Ordens Brüdern zu verbreiten von selbst allerdings geneigt seyet, so sehen wir gern und wollen gnädigst, daß ihr dem Kloster Rottenbuch zur Erreichung des von uns selbem aufgetragenen Geschäftes und besonders beim Anfang derer auf dem hohen Peißenberg anzustellenden astronomischen Beobachtungen mit Mathematischen Instrumenten, einem Einrichten und Beirath, auch mit Hilfe eurer Mathematik verständigen Religiosen, nach Möglichkeit an Handen zu gehen.168

Der junge Rottenbucher Chorherr Fischer kam schließlich im Januar 1773 in Polling an und erhielt neun Monate Unterricht bei Steigenberger in Mathematik, Physik und Astronomie. Nachdem Fischer nach Rottenbuch zurückgekehrt war, begann er dort mit dem Unterricht in Experimentalphysik und mit meteorologischen Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg. Es wurden Instrumente und naturwissenschaftliche Bücher angeschafft und die entstandenen Messreihen an die Akademien in Mannheim und München geschickt. Wegen Uneinigkeit über die Holzkosten zum Bau des Observatoriums hatte sich dieser um einige Jahre verzögert, sodass 1775 zunächst nur eine Dachplattform am Wohnhaus neben der Wallfahrtskirche errichtet worden war.169 Bis zu diesem Jahr hatte es auch gedauert, dass eine Propstwahl in Rottenbuch genehmigt wurde und Mösmer gewählt wurde.170 Erst als weitere fünf Jahre später der Hohenpeißenberg als Station im Mannheimer Wetternetz aufgenommen wurde und von der Societas Meteorologica Palatina 167 Winkler: Frühgeschichte 14–15. 168 Schreiben des Kurfürsten Max III. Joseph an Franziskus Töpsl vom 10.11.1772, abgedruckt in Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg 8. 169 Pörnbacher, Johann: Das Kloster Rottenbuch zwischen Barock und Aufklärung (1740– 1803). München 1999, 101. 170 Winkler: Frühgeschichte 15.

Sternwarten: Räume errichten  159

mit neuen Instrumenten ausgestattet wurde, zog Fischer auf den Hohenpeißenberg und begann mit der Nutzung für Wetterbeobachtungen. Von ihm ist die Beobachtung von Sonnenflecken bekannt; davon abgesehen wurde das Observatorium nie für astronomische Tätigkeiten verwendet.171 In den folgenden zwei Jahrzehnten wechselte das Personal auf dem Hohenpeißenberg mehrmals ab. Fischer verließ seine Stelle bereits im Oktober 1781 wieder, um am Lyzeum in München zu unterrichten. Die Observatoren übernahmen gleichzeitig auch die Pflichten als Seelsorger, Prediger und Beichtväter in der Wallfahrtskirche, sodass diese Rollen immer miteinander verbunden waren. Das Observatorium auf dem Hohenpeißenberg wurde wegen seiner herausragenden Lage und der prinzipiell im Kloster vorhandenen Personalkapazitäten errichtet, nicht wegen einer Kompetenz im Bereich Astronomie und Meteorologie. Hier vertraute der Akademiesekretär Lori fest auf die Unterstützung der Pollinger Mitbrüder und seine Rechnung ging auf. Der Akademie stand damit ein Observatorium zur Verfügung, für dessen Errichtung und Unterhalt sie finan­ziell und personell nicht aufkommen musste. Für den Propst von Rotten­ buch und seine Religiosen war die Durchführung der kurfürstlichen Pläne kurzfristig eine Möglichkeit, die Schwierigkeiten bei der Propstwahl beizulegen. Obwohl es im kurfürstlichen Dekret explizit um die »Anstellung astronomischer Beobachtungen«172 ging, spielte der Hohenpeißenberg nur für die Meteorologie eine Rolle. * * * Polling verfügte bis 1789 nur über Provisorien und Zwischenlösungen für ein Observatorium, was Goldhofer zwar nicht an Beobachtungen hinderte, ihn aber dennoch deutlich einschränkte. Im süddeutschen Raum existierten neben Polling sieben weitere als Sternwarten bezeichnete Gebäude innerhalb von Klosterstrukturen, die sich mit Ausnahme derjenigen von Stift Rottenbuch auch innerhalb des Klosterkomplexes befanden. Sie waren keine Fremdkörper, sondern integraler Bestandteil monastischer Kultur, was nicht selten auch architektonisch zum Ausdruck kam. Dass dieses Selbstverständnis auch durchaus der Außenwahrnehmung entsprach, zeigt das Geschehen um die Errichtung einer Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg durch kurfürstliches Dekret. Regelmäßige und zuverlässige Beobachtung konnte durch ein Kloster gewährleistet werden, selbst wenn die fachlichen Kompetenzen (noch) nicht vorhanden waren. Rottenbuch wurde jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern als verbunden mit den anderen Stiften, besonders mit Polling. Nicht nur die Probleme von Goldhofer, sondern auch die Umstände der Himmelskunde in anderen Klöstern machen deutlich, 171 Winkler: Winkler 2009 – Bergwetter im Wandel 193–194. 172 Kurfürstliches Dekret vom 10.11.1772, abgedruckt in Winkler: Geschichte des Observatoriums Hohenpeißenberg 8.

160  Naturforschung im Observatorium dass die Errichtung einer Sternwarte vor allem eine Frage von Status war. Mit praktischer Naturforschung war sie zunächst nicht verbunden, konnte aber – wie im Fall von Kloster Rott – durch den persönlichen Einsatz einzelner Religiosen diese begünstigen. Wegen der abgeschiedenen Lage der meisten Klöster bildeten ihre Observatorien und Kabinette jedoch selten den Raum für gelehrten Austausch. Dieser geschah stattdessen hauptsächlich über Korrespondenzen.

3.4 Korrespondenzen: Wissen austauschen Prosper Goldhofer hatte eigentlich die astronomische Expertise für die Beobachtung des Venustransits 1761 nach München bringen sollen. Als sich abzeichnete, dass sein Propst ihn nicht reisen lassen würde, schickte er schriftliche Instruktionen zur Vorbereitung per Brief.173 Darin beschrieb er die nötige instrumentelle Ausstattung und die Wahl eines Beobachtungsortes, die Bestimmung der geographischen Länge mit Hilfe der Mondfinsternis sowie der Gangabweichung der Pendeluhren über die Sonnenuhren. Goldhofer konnte zur Beobachtung dieses astronomischen Ereignisses zwar nicht persönlich in München sein, versuchte aber seine Abwesenheit schriftlich zu kompensieren. Diese Briefe gehören zum umfangreichen Quellenbestand der Pollinger Chorherren, der sich bis heute mit über 1000 Briefen erhalten hat.174 Auffällig ist dabei, dass die mehr als 50 Foliobände kaum nach Adressaten oder Empfängern sortiert sind, sondern ein gesammeltes Commercium litterarium bilden. Die einzelnen Chorherren verschwinden. Was bedeutete das in der Praxis für Goldhofer? Das vorliegende Kapitel untersucht monastische Korrespondenz als Sonderform einer Gelehrtenkorrespondenz. Dazu dient die reiche Materialbasis aus Polling als Grundlage, anhand derer Ausrichtung, Inhalte und Abläufe herausgearbeitet werden. Weitere Briefnetze aus anderen Häusern erweitern die Pollinger Ergebnisse und stellen die Frage nach dem Kommunikationsradius monastischer Naturforschung. Versteht man die Gelehrtenrepublik als Kommunikationsraum der Gelehrten, so steht der Brief als Medium in ihrem Mittelpunkt. Auch noch im 18. Jahrhundert galt das vom Historiker Detlef Döring aufgestellte Postulat: »Ein Gelehrter ohne Korrespondenz […] war vom Leben der Respublica litteraria gewissermaßen ausgeschlossen, denn über Briefe lief zuerst und vor allem die Kommunikation der Zeit.«175 Auch wenn sich die Gelehrtenkorrespondenz mit dem 173 Briefe Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 29.03.1761 und 01.06.1761, BAdW Briefe 1761 Nr. 21–4, 22–1. 174 BSB Cgm 1787–1789, 2709, 2710, 2938 und 2939, Clm 26445–26450. 175 Zitat siehe Döring, Detlef: Gelehrtenkorrespondenz. In: Rasche, Ulrich (Hg.): Quellen zur frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte. Typen, Bestände, Forschungsperspektiven. Wiesbaden 2011, 315–340, hier 315–316. Zur Gelehrtenkorrespondenz siehe außerdem Wallnig, Thomas: Gelehrtenkorrespondenzen und Gelehrtenbriefe. In: Pauser, Josef (Hg.): Quel-

Korrespondenzen: Wissen austauschen  161

Aufkommen wissenschaftlicher Zeitschriften durchaus veränderte, kann trotzdem nicht von einer vollständigen Ablösung des alten Mediums durch das neue die Rede sein. Ganz im Gegenteil weisen neue Studien sogar auf eine entgegengesetzte Tendenz hin.176 Statt der Vermittlung fertiger und vollständiger wissenschaftlicher Ergebnisse ging es vermehrt um auf den Adressaten zugeschnittene Teilstücke. Im Unterschied zu anderen Typen des historischen Briefs wie dem Humanistenbrief des 16. Jahrhunderts, dem Kaufmannsbrief, dem Familienbrief oder dem freundschaftlich-empfindsamen Brief des 18. und 19. Jahrhunderts diente der sogenannte Gelehrtenbrief dem Austausch von Informationen, Wissen und besonders im 18. Jahrhundert auch von materiellen Objekten. Während Publikationen wissenschaftliche Ergebnisse und Erfolge reflektierten, dokumentierten Briefe auch den Alltag. Gelehrtenbriefe übernahmen mehrere Funktionen: im Dialog entstanden neue Gedanken, der Gelehrte wurde mit Insiderinformationen versorgt, der Briefverkehr war die Grundlage für raumübergreifende Wissensproduktion vor allem für kollektive Bereiche wie Astronomie, Botanik, Geologie, Meteorologie oder Numismatik, und der Brief war das wichtigste Mittel zur Aufrechterhaltung persönlicher Beziehungen. Nur so konnten informelle Kontakte jenseits institutioneller Verbindungen aufgebaut und aufrechterhalten werden. Berühmte Naturforscher des 18. Jahrhunderts kennzeichnen sich auch durch die Hinterlassenschaft einer umfangreichen Gelehrtenkorrespondenz aus. Der Arzt und Naturforscher Albrecht von Haller (1708–1777) hinterließ 19.000 Briefe, die Zeugnis eines umfassenden Schaffens geben.177 Der Jesuit und Hofastronom Hell beteiligte sich durch den Versand einer Beobachteranleitung an den Vorbereitungen zur Vermessung des Venustransits 1761 und die Herausgabe seiner Ephemerides astronomicae ad meridianum Vindobonensem in den Jahren von 1757 bis 1792 geben Zeugnis über ein Korrespondentennetz, das neben französisch- und deutschsprachigen Astronomen auch Gelehrte in St. Petersburg, Bologna, Padua und Stockholm umfasste.178 Auch unter den Klostergelehrten finden sich ambitionierte Briefschreiber, die ein eindrucksvolles Bild über ihre Vernetzung geben: vom Melker Benediktiner Bernhard Pez (1683–1735) über Gelehrte aus St. Blasien, Oliver Legipont (1698–1758) und Forster aus St. Emmeram.179 lenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Wien, München 2004, 813–827; Stuber, Martin (Hg.): Hallers Netz. Ein europäischer Gelehrtenbriefwechsel zur Zeit der Aufklärung. Basel 2005; Herbst, Klaus-Dieter (Hg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main 2009. 176 Stuber, Martin: Hallers Netz. 177 Stuber, Martin: Hallers Netz. 178 Aspaas: Maximilianus Hell. 179 Faustmann, Cornelia / Glaßner, Gottfried / Wallnig, Thomas (Hg.): Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke. Melk 2014; Stegmann: Stegmann 1929 – Anselm Desing; Endres: Endres 1900 – Frobenius Forster.

162  Naturforschung im Observatorium Dabei handelt es sich jedoch immer um Historiker, nie um Naturforscher. Dass auch Astronomen wie Goldhofer einen ausgiebigen Briefverkehr pflegten, soll im Folgenden näher ausgearbeitet werden. 3.4.1 Das Pollinger Commercium litterarium astronomicum Das Pollinger Commercium litterarium überspannt das gesamte 18. Jahrhundert, wobei ein Schwerpunkt in der zweiten Hälfte liegt.180 Den größten Teil nimmt der Briefwechsel von Propst Töpsl sein, aber auch der Theologe und Astronom Amort, der Historiker, Philologe und Astronom Steigenberger, der Astronom Goldhofer, der Historiker Philipp Saller (1664–1744), der Mathematiker Vicelin Schlögl (1743–1811) und der Theologe Sebastian Seemiller (1752–1798) beteiligten sich. Der große Umfang des Pollinger Commercium hängt vor allem mit dem Bestreben von Töpsl zusammen, für sein eigenes historisches Projekt Material zu sammeln. Seit 1755 arbeitete er an seinen Scriptores nostri ordinis, einer Sammlung aller gelehrten Augustiner-Chorherren in Anlehnung an maurinische Projekte über Benediktinergelehrte.181 Dafür suchte er gezielt nach Verbindungen zu den für ihre Gelehrsamkeit bekannten europäischen Chorherrenstiften, besonders zu deren Bibliothekaren. Neben Informationen für Töpsls Scriptores behandeln die Briefe auch andere gelehrte Themen zur historischen Theologie, Geschichte, Physik, Astronomie und Literaturgeschichte, aber auch politische und kirchenpolitische Angelegenheiten und vor allem pädagogische Fragen.182 Der Kreis von Töpsls Briefpartnern verlief in engen Bahnen. Es finden sich hauptsächlich Chorherren und gelehrte Laien darunter, die Professoren, Bibliothekare und Klostervorsteher waren.183 Die Verbindungen liefen nach Frankreich, Italien, Portugal und Österreich. In Bezug auf Astronomie und Physik fungierte Töpsl nur als Wissenschaftsorganisator, indem er Kontakte vermittelte, von den Tätigkeiten seiner Chorherren berichtete und über die Aktivitäten an anderen Orten informiert wurde. Die inhaltliche Korrespondenz übernahmen Amort, Goldhofer und später Steigenberger. Der für die folgende Analyse relevante Teil bezieht sich auf Goldhofers Beiträge, die sich hauptsächlich durch astronomischen Inhalt charakterisieren. Eine Übersicht seiner Briefpartner gibt Tabelle 8.

180 Eine erste Darstellung der Pollinger Korrespondenz liefert van Dülmen: Franziskus Töpsl 114–141. 181 Ebd. 178–183. 182 Ebd. 121. 183 Ebd. 121.

Korrespondenzen: Wissen austauschen  163

Tabelle 8: Astronomische Briefpartner von Prosper Goldhofer. Name

Ort

Tätigkeit

Avelloni, Daniel CRSA

Venedig

Astronom und Mathematiker in S. Salvatore, Venedig

Balassi, Felice Luigi

Rom, Reggio Emilia

Prof. für Mathematik an der Universität Reggio Emilia

Brander, Georg ­Friedrich

Augsburg

Instrumentenbauer

Carl, Joseph Anton

Paris, Ingolstadt

Prof. für Chemie, Botanik und Physik an der Universität Ingolstadt

Cassini de Thury, César Francois

Paris

Leiter der Pariser Sternwarte

Delisle, Joseph Nicolas

Paris

Astronom der Pariser Akademie

Dobler, Eugen OSB

Paris, Kremsmünster, Irsee

Astronom

Kennedy, Ildephons OSB

München

Sekretär der Bayerischen Akademie

Kratz, Georg SJ

Ingolstadt

Prof. für Mathematik an der Universität I­ ngolstadt

La Caille (Lacaille), Nicolas-Louis de

Paris

Prof. für Mathematik am Collège Mazzarin, Astronom

Lalande, Jérôme

Paris

Prof. für Astronomie am Collège Royale, Herausgeber der Connaissance des temps

Langlois, Charles Francois

Paris

Instrumentenbauer

Liesganig, Joseph SJ

Wien

Leiter der Jesuitensternwarte Wien

Lori, Johann Georg

München

Sekretär der Bayerischen Akademie

Lory, Michael OSB

Tegernsee

Prof. für Philosophie im Kloster Tegernsee, Prof. für Mathematik an der Universität Salzburg

Marinoni, Johann Jakob

Paris

Hofastronom, Leiter der Ingenieur-Akademie

Osterwald, Peter von

München

Geheimer Rat und Kabinettssekretär in Freising, Direktor der philosophischen Klasse der Bayerischen Akademie

Pingré, Alexandre-Guy CRSA

Paris

Astronom in St. Geneviève

Rizzi-Zannoni, ­Giovanni Antonio

Padua, Neapel

Kartograph, Geograph

Wagenecker, Joseph

München

Benefiziat am Liebfrauendom zu München, Mitglied der Bayerischen Akademie (philos. Klasse)

Wittner, Anton CRSA

Rottenbuch

Wetterbeobachter auf dem Hohenpeißenberg

164  Naturforschung im Observatorium Goldhofers Korrespondenzen gingen zunächst an Mitbrüder anderer Chorherrenstifte, auch in Italien (St. Salvatore Venedig) und Frankreich (St. Geneviève Paris). Seine Kontakte erstreckten sich an die beiden Wissenschaftsstätten in Kurbayern, an die Landesuniversität Ingolstadt, wo er selbst studiert hatte, und an die Bayerische Akademie in München, deren Mitglied er seit ihrer Gründung war. Außer mit Paris und Wien tauschte sich Goldhofer mit keinem Astronomen der anderen bekannten europäischen Sternwarten aus, nicht mit Greenwich, Berlin oder Stockholm. Der Briefwechsel nach Paris verlief über das dortige Augustiner-Chorherrenstift sowie über den eine Zeit dort weilenden Benediktiner Dobler. Beide Korrespondenzen werden weiter unten ausführlicher behandelt. Goldhofers Gelehrtenbriefe blieben zwar nicht ausschließlich auf sein lokales und klösterliches Umfeld beschränkt, bewegten sich aber stark innerhalb dieses Rahmens. Das Commercium litterarium astronomicum beruhte wesentlich auf den Kontakten, die Amort schon früh geknüpft hatte. Seine Briefe erreichten auch so ferne Ziele wie Peking in China, wo der Jesuit Ignaz Kögler Amorts Philosophia Pollingana erhalten hatte und auf wissenschaftliche Neuigkeiten aus Europa wartete. Den Kontakt hatte dessen Bruder Kilian hergestellt, der selbst Chorherr in Polling war184. Aber auch der Professor für Physik am römischen Kolleg Jean Baptist Faure (1702–1779) bat Amort um Unterstützung für seine Arbeiten gegen Kopernikus.185 Aus Rom, Genua, Prag, Paris, Bologna und Padua erhielt Amort astronomische Beobachtungsdaten zu Mondfinsternissen, Kometen und Merkurtransits, die er in seinen Artikeln im Parnassus Boicus weitergab. Als Amort sich aus der Naturforschung zurückzog, übernahm Goldhofer viele seiner Briefpartner. Ähnliches geschah, als Goldhofer 1765 in die bei München gelegene Pfarrei Forstenried versetzt wurde.186 Während dieser Zeit richtete der Instrumentenbauer Brander seine Briefe an den Chorherren Steigenberger, der Goldhofers Aufgaben als Klosterastronom übernahm. Branders Interesse lag in erster Linie an einem Austausch mit praktizierenden Naturforschern, die über eine Bibliothek und eine Instrumentensammlung verfügten. Während Goldhofers Aufenthalt in Forstenried wurde seine Rolle von seinem Mitbruder übernommen, inklusive der Briefpartner. In dieser Hinsicht ist es erstaunlich, wie sehr die gelehrten Korrespondenzen der Pollinger Chorherren an die Rollen und weniger an die Personen selbst gebunden waren.

184 Precht-Nußbaum: Amort 164. 185 Ebd. 164. 186 Winkler: Branders Briefe 20.

Korrespondenzen: Wissen austauschen  165

3.4.1.1 Korrespondenz mit Alexandre-Guy Pingré Einer der berühmtesten astronomischen Briefpartner Goldhofers war der französische Chorherr Alexandre-Guy Pingré aus dem Stift St. Geneviève in Paris.187 Seit 1751 stand er der klösterlichen Sternwarte vor, beschäftigte sich intensiv mit Kometenbahnen und war Mitglied der Pariser und der Göttinger Akademie.188 Im Auftrag der Pariser Akademie reiste er zur Beobachtung des Venustransits 1761 auf die Insel Rodrigues im Indischen Ozean und für den zweiten Venusdurchgang 1769 auf die Insel Haiti. Die Aufnahme des Briefwechsels zwischen Pingré und Goldhofer fand vollständig innerhalb des Ordensrahmens statt. Propst Töpsl suchte seit 1756 den Kontakt zu europäischen Chorherrenstiften, um das Briefnetz seines Klosters systematisch auszubauen. Dazu begann er mit dem Kloster in Bologna und wandte sich anschließend nach Paris. Hier bat Töpsl den Kanoniker und Historiker Joseph Barré (1692–1764), ihm die Namen gelehrter Chorherren aus St. Geneviève zu nennen, mit denen die Pollinger Konventualen einen Briefaustausch führen könnten. Barré kam der Bitte umgehend nach und führte selbst mit Töpsl eine fruchtbare Korrespondenz über geschichtliche und theologische Schriften.189 Für die Astronomie erklärte sich Pingré bereit, einen Briefaustausch mit Polling zu führen, und wurde von Töpsl an seinen Chorherren Goldhofer weitergeleitet. In Pingrés erstem Schreiben schickte er einen ausführlichen Bericht über seine derzeitigen laufenden astronomischen Arbeiten und versicherte, »ich wünsche mir in der Tat sehr, […] solch einen Austausch in Angriff zu nehmen.«190 Entsprechend der üblichen Gepflogenheiten einer gelehrten Korrespondenz nahmen Buchbeschaffungen und die eigenen Publikationsprojekte den größten Anteil ein. Pingré besorgte umfangreiche Bestellungen von Amort und Goldhofer zu astronomischen, historischen und theologischen Werken, die er meist über einen Augsburger Verleger nach Polling sandte.191 Außerdem übernahm Pingré die Organisation der Pollinger Bestellung des Sextanten bei Canivet für die Beobachtung des Venustransits. Pingré ließ Goldhofer an seinen Arbeiten zur Cométographie teilhaben sowie den in der Gelehrtenwelt laufenden Diskussionen über die Natur von Kometen und die Form ihrer Bahn.192 187 Zwölf Briefe von Pingré an Prosper Goldhofer sind erhalten und befinden sich heute in der Handschriftenabteilung der BSB unter der Signatur Cgm 2939. 188 Zur Biographie von Pingré siehe Armitage, Angus: The Pilgrimage of Pingré. An Astro­ nomer-monk of Eighteenth-century France. In: Annals of Science 9/1 (1953) 47–63. 189 van Dülmen: Franziskus Töpsl 126–127. 190 Original: »Id veró adeó mihi in votis est, […] tali commercio primum aggredi,« Brief Alexander-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom Februar 1757, BSB Cgm 2939 fol. 72–74. 191 Brief Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 05.05.1757, BSB Cgm 2939 fol. 86–89. 192 Briefe von Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 18.09.1758, 11.07.1759 und 20.01.1760, BSB Cgm 2939 fol. 92–9 7, 104–106.

166  Naturforschung im Observatorium Als Mitglied der Pariser Akademie sorgte Pingré für eine Beachtung der astronomischen Beobachtungen Goldhofers durch die Akademiemitglieder, indem er sowohl dessen Arbeit über die Jupitermonde als auch zum Venusdurchgang von 1761 in einer Sitzung vorlegte.193 Seine Bewertung der Jupitermond-Aufzeichnungen hat sich erhalten, in der Pingré sie als »mit Intelligenz gemacht« bezeichnet und der Akademie einen Druck in ihren Abhandlungen empfiehlt, wo sie noch im selben Jahr erschienen.194 Pingrés Briefe ließ Goldhofer wiederum teilweise kopieren und sandte sie an andere Mitglieder der Bayerischen Akademie, um diese an den Neuigkeiten aus Frankreich teilhaben zu lassen.195 Für den Pariser Astronomen stellte der Pollinger Chorherr eine wichtige Verbindung zur deutschsprachigen Gelehrtenwelt dar. Da Pingré selbst kein Deutsch konnte, bat er Goldhofer um Beiträge zur Astronomiegeschichte des 17. Jahrhunderts, um Kometenbeobachtungen, um deutsche Sternenkataloge sowie um die Beantwortung von Fragen bezüglich eines 1681 erschienen deutschsprachigen Werkes von Georg Samuel Dörffel (1643–1688) zur Parabelbahn von Kometen.196 Zumindest teilweise konnte Goldhofer seinen Wünschen nachkommen, jedoch nicht immer. So scheint er die Fragen zur Abhandlung von Dörffel nicht beantwortet zu haben, da Pingré sich die Informationen von anderer Stelle besorgte.197 Der Briefaustausch zwischen Pingré und Goldhofer endet mit dem letzten Brief vom Februar 1764. Zum einen weilte Goldhofer ab 1765 in der Pfarrei Forstenried und vertrat damit nicht mehr die Astronomie im Kloster Polling. Zum anderen befand sich sein Mitbruder Steigenberger seit Anfang 1763 zum Studienaufenthalt bei den Chorherren von St. Geneviève in Paris, erhielt Unterricht in Astronomie, Experimentalphysik und Literaturgeschichte u. a. von Pingré und besorgte nun selbst die Pollinger Buchkäufe.198 Da Goldhofer in Forstenried weder einen Zugriff auf Pollings Bibliothek hatte noch astronomische Beobachtungen vornahm, gab es wie für den Augsburger Mechaniker Brander auch für Pingré keinen Anlass mehr, die Korrespondenz fortzusetzen.

193 Brief von Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 14.05.1760 und 29.06.1762, BSB Cgm 2939 fol. 107–111. 194 Original: »Elles me paroissent faites avec intelligence; et je crois qu’il sera utile de leur donner place dans le recueil des Mémoires présentes a l’Académie par les Scavants étrangers«, Notiz von Pingré am 10.05.1760, auszugsweise abgedruckt in ebd. 129. Goldhofers Beobachtungen erschienen in Observations astronomiques, faites à Polling: Par M. Goldhower. Récueil des Mémoires des Savants Etrangers 1760. 195 Hammermayer: Geschichte 2 23. 196 Briefe von Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 05.05.1757, 01.01.1758, 18.09.1758 und 25.07.1759. BSB Cgm 2939 fol. 83–89, 95–100. 197 Brief von Alexandre-Guy Pingré an Prosper Goldhofer vom 26.09.1759, BSB Cgm 2939 fol. 90–9 1. 198 van Dülmen: Franziskus Töpsl 133.

Korrespondenzen: Wissen austauschen  167

3.4.1.2 Korrespondenz mit Eugen Dobler Der Briefverkehr mit Pingré fand innerhalb des Ordensrahmens statt, in dem sich zwei Chorherren in ihrer Rolle als Klosterastronomen gegenseitig mit Neuigkeiten versorgten. Ein zweites Beispiel aus dem Pollinger Commercium astronomicum hatte einen viel weniger offiziellen Charakter. Den Kontakt zu dem Irseeer Benediktinerpater Eugen Dobler stellte dieses Mal ein Laie her, nämlich der Instrumentenbauer Brander. Der Anlass war ein pragmatischer: 1755 hatte Goldhofer einen Quadranten bei Cassini in Paris bestellt, der trotz bereits geleisteter Bezahlung mit der Herstellung auf sich warten ließ. Brander empfahl Goldhofer aus diesem Grund, den zu dieser Zeit in Paris weilenden Dobler um Vermittlung zu bitten und versprach die Besorgung der Adresse.199 Doch erst ein Jahr später konnte Brander die Adresse von Dobler mitteilen.200 Im Januar 1757 dann erreichte Goldhofer der erste Brief von Dobler aus Paris, der sich jedoch bereits kurz vor seiner Rückreise befand. Mittlerweile war Cassinis Quadrant in Polling angekommen und von Brander als Nicht-Neuanfertigung identifiziert worden. Cassini und die Pollinger Chorherren einigten sich auf einen Preisnachlass von 500 Livres, die Dobler noch kurz vor seiner Abreise ausgehändigt wurden und so nach Polling kamen.201 Dobler hatte nach seiner Priesterweihe eine mechanische Ausbildung bei Brander in Augsburg erhalten und danach zunächst den mathematischen Unterricht im Hausstudium seines Mutterklosters Irsee übernommen.202 Im Jahr 1746 nahm er die Berufung als Professor für Mathematik an der Kremsmünsterer Ritterakademie an und beaufsichtigte in den folgenden Jahren den Bau des dortigen Mathematischen Turms bis zu seiner Fertigstellung im Jahr 1758. Während dieser Zeit finanzierte ihm der Abt von Kremsmünster eine zweijährige Frankreich-Reise, die ihn auch nach Paris führte. Nach einer kurzen Rückkehr nach Irsee verbrachte er weitere Jahre als Lehrer in Ettal und in Kremsmünster, bis er 1779 endgültig nach Irsee zurückkehrte. Während für den Franzosen Pingré Goldhofers Zugriff auf eine gut sortierte Bibliothek bedeutsam war, interessierte sich Dobler mehr für die Pollinger Instrumente. Besonders bezüglich des Sextanten aus Paris, den Goldhofer zur Beobachtung des Venustransits 1761 verwendete, erbat Dobler wiederholt um Angaben zu Preis und Funktionstüchtigkeit.203 Goldhofer gab bereitwillig Aus 199 Brief von Georg F.  Brander an Prosper Goldhofer vom 22.12.1755, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 34–37. 200 Brief von Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 31.11.1756, abgedruckt in ebd. 54–56. 201 Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 17.01.1757, BSB Cgm 2939 fol. 117–118. 202 Zur Biographie von Eugen Dobler siehe ebd. 271. 203 Briefe von Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 09.09.1759 und 12.10.1759, BSB Cgm 2939 fol. 119–122.

168  Naturforschung im Observatorium kunft.204 Zeichnungen und Beschreibungen waren für Dobler jedoch nicht immer ausreichend, der seine Instrumente meist selbst baute und oft auf Konstruktionsschwierigkeiten stieß. Einige Jahre später bat er Goldhofer daher darum, einen Quadranten aus Polling ausleihen zu dürfen, um ihn zu kopieren.205 Doblers großes Interesse an den Pollinger Instrumenten lag auch in seiner schwierigen Lage in seinem eigenen Kloster begründet. Trotz seiner langen Zeit in Kremsmünster gehörte Dobler eigentlich ins Benediktinerkloster Irsee, in das er 1762 für einige Jahre zurückkehrte. Der Unterschied hätte größer nicht sein können: in Kremsmünster der Mathematische Turm, dessen Bau er selbst beaufsichtigt hatte, und in Irsee nur sein eigenes Zimmer, das ihm zur Verfügung stand. Der kleine Raum diente ihm zugleich als Schlaf- und Wohnraum wie auch als Werkstätte und Observatorium.206 Hier stand ein Großteil seiner selbst gefertigten Instrumente wie ein Quadrant, eine Sekundenuhr, ein parallaktisches Fernrohr, weitere Teleskope und Projektionsschirme. Seine Kammer eignete sich jedoch kaum für astronomische Beobachtungen, das Fenster war dafür viel zu klein.207 Obwohl er in diesen Jahren in Irsee die Himmelsereignisse also weiter verfolgte, konnte er kaum eines davon selbst durchs Okular beobachten. Auf eine Nachfrage hatte ihm sein Abt nur geantwortet: »Mein lieber P. Eugen, ich würde ihnen bei Ihren mathematischen Freuden gerne helfen, wenn ich die Börse von Kremsmünster hätte; so sie mir aber fehlt, sorgen Sie selbst so gut es geht, für die Befriedigung ihrer Wünsche.«208 Nicht jeder Klostergelehrte fand in seinem Haus alle Voraussetzungen für die Durchführung astronomischer Beobachtungen vor. Die Korrespondenz zwischen Dobler und Goldhofer fand zwischen zwei praktizierenden Astronomen auf Augenhöhe statt, die sich über alltägliche Schwierigkeiten beim Beobachten und Instrumentenbauen austauschten. Einer Klage Goldhofers über die zeitaufwendige Ephemeridenerstellung begegnete der Benediktiner mit einer Methode zur Vereinfachung der Rechnungen.209 Sollte Goldhofer sie verwenden, bat er um Rückmeldungen. Ähnlich beschwerte sich Dobler über die Probleme bei der Herstellung eines Nonius oder präsentierte eine von ihm entwickelte Technik zur Verwendung der Mikrometerschraube.210 204 Dobler bedankt sich für Informationen zum Sextanten aus Paris in einem Brief an Prosper Goldhofer vom 18.11.1759, BSB Cgm 2939 fol. 123–124. 205 Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 10.06.1764, BSB Cgm 2939 fol. 133. 206 Kraml, Amand: P.  Eugen Dobler OSB. Mathematiker, Naturforscher, Tierpräparator und Gründungsmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. In: Herzog, Markwart / Schmid, Alois (Hg.): Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. Konstanz, München 2018, 171–187, hier 181. 207 Ebd. 182. 208 Brief Eugen Dobler an Placidus Fixlmillner vom 08.03.1766, Zitat abgedruckt in ebd. 181. 209 Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 25.02.1764, BSB Cgm 2939 fol. 131–132. 210 Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 24.05.1761, BSB Cgm 2939 fol. 127–128.

Korrespondenzen: Wissen austauschen  169

Im Winter 1763/64 verbrachte Dobler drei Tage in Polling und bedankte sich anschließend für die erfahrene Gastfreundschaft mit einem Werk des französischen Astronomen de Lacaille.211 Das Pollinger Briefnetz ist nicht vergleichbar mit demjenigen anderer laikaler Gelehrten, weil mehrere Chorherren daran beteiligt waren und untereinander auch Briefpartner wechselten. Zweck war der Austausch von Neuigkeiten über den Buchmarkt, den Instrumentenbau und von astronomischen Beobachtungen. Gerade die Korrespondenz mit Pingré sollte den Wissenstransfer von und nach Frankreich sicherstellen und die Pollinger Astronomie auch in Paris bekannt machen. Die Sternenkunde profitierte von den anderen Fächern wie Geschichte und Theologie, die auch in Polling betrieben wurden. Waren die Korrespondenzen anderer monastischer Naturforscher ähnlich eingebettet in das Gesamt-Kommunikationsnetz des Klosters? 3.4.2 Monastischer Kommunikationsradius Abgesehen von Polling gibt es kein anderes süddeutsches Kloster, von dem ein derart zusammenhängendes Briefkonvolut vorhanden ist. Wenn sich Korrespondenzen überhaupt erhalten haben, dann sind sie verstreut in den Säkularisationsakten, im Falle der Universitätslehrer vereinzelt in den dortigen Archiven und bei Akademiemitgliedern im Archiv der Bayerischen Akademie. Es kann daher nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die Gelehrtenkorrespondenz monastischer Naturforscher in ihrer Gesamtheit zu bearbeiten und zu bewerten. Die Beobachtungen aus Polling werden aber im Folgenden durch einzelne Funde unterstützt und erweitert. Der Briefverkehr konnte sich zwar innerhalb des Ordensrahmens bewegen, musste es aber nicht zwangsläufig. Ein Beispiel für eine Gelehrtenkorrespondenz mit anderer Ausrichtung ist die des Kremsmünsterer Astronomen Fixlmillner (siehe Tabelle 9). Der Benediktiner begegnete uns im Zusammenhang mit der Errichtung des Mathematischen Turms, der als Vorbild für viele Klostersternwarten diente. Unter Fixlmillners Briefpartnern finden sich bereits bekannte Namen wie die Benediktiner Dobler, Desing aus Ensdorf oder Placidus Heinrich (1758–1825) aus St. Emmeram in Regensburg. Genauso ist die Korrespondenz auch ein Spiegel für das geschlossene Ausbildungssystem des Ordens: Emmeram Sutor und Rupert Weigl  (1749–1801) aus Rott am Inn besuchten Fixlmillner im Jahr 1783/84, für dessen Unterricht sich Sutor in seinem Brief anschließend bedankte. Aber unter Fixlmillners Briefpartner finden sich auch der Jesuit Hell aus Wien, die Berliner Observatoriumsdirektoren Johann Elert

211 Es handelte sich dabei um die 1757 erschienenen Astronomiae Fundamenta. Brief Eugen Dobler an Prosper Goldhofer vom 25.02.1764, BSB Cgm 2939 fol. 131–132.

170  Naturforschung im Observatorium Bode (1747–1826) und Johann III. Bernoulli (1744–1807) sowie der Pariser Astronom Jérôme Lalande (1732–1807). Ein Großteil von Fixlmillners schriftlichem Austausch beruhte auf seinen astronomischen Publikationen: der 1765 erschienene Meridianus speculæ astronomicæ cremifanensis und das 1776 veröffentlichte Decennium astronomicum über zehn Jahre seiner Beobachtungen. Bernoulli, Christian Mayer, Jeaurat und Weiss besprachen mit dem Kremsmünsterer Astronomen besonders das Decennium, während sich Lalande für den Meridianus interessierte. Über Hells Wiener Ephemeriden gelangten aber auch viele darüber hinaus gehende Beobachtungen und vor allem Fixlmillners Berechnungen zur Uranus-Bahn an die Öffentlichkeit. Seine Uranus-Tabellen, die deutlich von den Angaben Berliner Astronomen abwichen, bildeten das Hauptthema seiner Korrespondenz nach 1785. In diesem Sinne war Fixlmillner kein typischer monastischer Naturforscher, denn er war als einer der wenigen auch an der Berliner und Pariser Sternwarte bekannt. Sein Briefwechsel zeigt deutlich, dass ein Klosterleben solche Kontakte zwar nicht wie die von Polling an das Augustiner-Chorherrenstift in Paris aktiv unterstützte, aber auch nicht verhinderte. Die einzelnen monastischen Gelehrtenkorrespondenzen beruhten auf dem klösterlichen Kommunikationsradius. Damit lässt sich der geographische und ideelle Bereich abstecken, mit dem ein Kloster als Institution in Verbindung stand. Der Landeshistoriker Christof Paulus hat dieses Netz für das schwäbische Reichskloster Irsee analysiert, indem er die Glückwunschschreiben zur Abtwahl im Jahr 1784 auswertete.212 Die Wahl eines neuen Abtes gab allen Personen, die mit dem Kloster Irsee in Verbindung standen, die Möglichkeit, den Kontakt zu vertiefen oder einen repräsentativen Status zu betonen. Ein Großteil der Gratulationen stammte aus Prälatenklöstern in einem Radius von etwa 200 Kilometer um Irsee herum. Dazu kamen die Bischöfe von Konstanz und Augsburg sowie einige Adelige und Bürger aus Kaufbeuren, Augsburg, Günzburg, Memmingen und Mindelheim.213 Paulus ergänzt diesen Kreis von Personen um weitere Korrespondenzen aus dem Irseer Klosteralltag: mit Benediktinern am ordenseigenen Freisinger Lyzeum, an der Ritterakademie in Kremsmünster (wie der oben genannte Dobler), an der Benediktineruniversität Salzburg und an der bayerischen Landesuniversität Ingolstadt.214 Damit ist die sogenannte »terra benedictina« beschrieben, der Kommunikationsradius eines schwäbischen Benediktinerklosters in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dieser entstand über den Austausch von gelehrten, liturgischen, pädagogischen, aber auch organisatorischen 212 Paulus, Christof: Das Reichskloster Irsee und die ›res publica litteraria‹ im späten 18. Jahrhundert. In: Herzog, Markwart / Schmid, Alois (Hg.): Katholische Aufklärung im Benediktinerreichsstift Irsee. Konstanz, München 2018, 259–285. 213 Ebd. 259–261. 214 Ebd. 263.

Korrespondenzen: Wissen austauschen  171

Tabelle 9: Astronomische Briefpartner von Placidus Fixlmillner. Name

Ort

Tätigkeit

Amman, Ignatz

Sonthofen

Fürstlich-Augsburgischer Hofkammerrat und Landesgeometer des Hochstifts Augsburg

Bernoulli, Johann III.

Berlin

Ab 1764 Leiter der königlichen Sternwarte Berlin

Bode, Johann Elert

Berlin

Ab 1786 Leiter der königlichen Sternwarte Berlin

Brander, Georg Friedrich

Augsburg

Instrumentenbauer

Cassini, Jean Dominique

Paris

Seit 1784 Direktor der Pariser Sternwarte

Dobler, Eugen

Irsee

Prof. für Mathematik in Kremsmünster, Vorgänger von Fixlmillner als Astronom

Gerstner, Franz Josef von

Prag

Seit 1784 Oberassistent bei Strnad an Prager Sternwarte; seit 1788 Prof. an der Uni Prag

Heinrich, Placidus

Regensburg

Hauslehrer für Mathematik im Kloster St. Emmeram

Hell, Maximilian

Wien

Ab 1755 Direktor der Uni-Sternwarte Wien

Jeaurat, Edme-Sébastien

Paris

Seit 1770 Astronom am Pariser Obser­ vatorium, Mitarbeiter von Lalande

Lalande, Jérôme de

Paris

Seit 1752 Direktor der Berliner Sternwarte, seit 1795 Direktor der Pariser Sternwarte

Liesganig, Joseph

Wien

1756–1773 Leiter der Jesuitensternwarte Wien (Vorgänger der Uni-Sternwarte)

Mayer, Christian

Mannheim

Hofastronom in Mannheim, Direktor der Sternwarte. Entdeckung der DoppelsternSysteme

Triesnecker, Franz de Paula

Wien

Ab 1792 Direktor der Uni-Sternwarte Wien

Pilgram, Anton

Wien

Assistent von Hell an Wiener Sternwarte, später kaiserlicher Astronom

Schlögl, Vicelin

Polling

Hauslehrer im Kloster Polling für Rhetorik und Mathematik

Strnad, Antonin

Prag

Seit 1781 Königlicher Astronom und Direktor der Sternwarte des Clementinums in Prag

Sutor, Emmeram

Rott

Seit 1784 Hauslehrer im Kloster Rott und Astronom

Weigl, Rupert

Rott

Hauslehrer im Kloster Rott für Mathematik und Physik

Weiss, Franziskus

Tyrnau (Trnava)

Direktor der Sternwarte Tyrnau

172  Naturforschung im Observatorium und juristischen Fragen. Auf diesem konnte dann die Vernetzung einzelner Gelehrter aufsetzen, wie es in Irsee für den Komponisten und Musiktheoretiker Meinrad Spieß (1683–1761), den Astronomen Dobler, den Mathematiker Ulrich Weis (1713–1763) oder den Theologen Ulrich Peutinger (1751–1817) der Fall war.215 Die Tatsache, dass sich der monastische Austausch in einem lokal begrenzten Bereich abspielte, liegt auch in dem Umstand begründet, dass Benediktiner zu dieser Zeit keine Missionsstationen betrieben. Durch Mission hätte sich die Kommunikationsstruktur grundlegend verändert, sowohl auf brieflicher als auch auf materieller Ebene. Das gilt für alle Prälatenorden, also auch für die Augustiner-Chorherren, Zisterzienser und Prämonstratenser. Die einzige Ausnahme bilden hier die Schottenbenediktiner von St. Jakob in Regensburg, die eine intensive Korrespondenz mit dem heimatlichen Schottland führten.216 Der Vorteil der Klosternetzwerke lag vor allem auch in ihrer Parallelität zu sonstigen Boten- und Transportwegen. Überregionale benediktinische Gebetszusammenschlüsse verursachten einen regen Versand von Totenroteln, einer Mitteilung über das Ableben von Mitbrüdern mit biographischen Notizen. Schon die beiden Pez-Brüder und Historiker nutzten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts diese Wege für eigene Briefe und Bücher.217 Auch Besuche von Bediensteten und Mönchen zwischen dem Mutterkloster und ihren oft weitverzweigten Besitzungen konnten für diese Zwecke verwendet werden. Die Klöster Tegernsee und Niederaltaich besaßen beispielsweise Weingüter in Niederösterreich. Das galt nicht nur für Benediktiner, auch andere Orden verfügten über eigene Transportmöglichkeiten. Aufgrund der Unzuverlässigkeit der öffentlichen Botendienste nutzte der Augsburger Instrumentenbauer Brander die Beförderung vom Münchner Pfleghaus der Pollinger Augustiner-Chorherren nach Polling.218 Ebenso sandte der Rottenbucher Chorherr Herkulan Schwaiger  (1756–1830) seine meteorologischen Tabellen vom Hohenpeißenberg über den klostereigenen Boten an einen Mitbruder, der in München als Generalschulsekretär weilte und die Aufzeichnungen an die Bayerische Akademie weitergab.219

215 Ebd. 216 Acht, Stephan / Baumann, Maria / Chrobak, Werner / Codreanu-Windauer, Silvia / Gabler, Heide / Gerl, Josef / Gruber, Johann / Mai, Paul / Mayerhofer, Josef / Meinel, Christoph / Reidel, Hermann / Schmieringer, Karl / Urban, Wolfgang: Scoti Peregrini in Sankt Jakob. 800 Jahre irisch-schottische Kultur in Regensburg. Regensburg 2005, 244. 217 Stockinger, Thomas: Die süddeutschen Benediktiner. In: Faustmann, Cornelia / Glaßner, Gottfried / Wallnig, Thomas (Hg.): Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke. Melk 2014, 75–84, hier 79. 218 Winkler: Frühgeschichte 25. 219 Ebd. 25–26

Zwischenfazit  173

3.5 Zwischenfazit Als Naturforscher bemühten sich Klostergelehrte wie Goldhofer, Dobler und Fixlmillner um ihre Instrumente, einen Ort zum Beobachten und den Austausch mit Gleichgesinnten. In allen Bereichen waren sie nicht isoliert und unabhängig, sondern eingebunden in ihr Kloster. Goldhofers Sextant und seine Uhren waren Teile einer Klostersammlung, auf die er Zugriff hatte und die er benutzen konnte. Er profitierte von den finanziellen Möglichkeiten des Klosters und konnte dadurch hochwertige und teure Geräte verwenden. Ähnliches gilt für die vielen anderen süddeutschen Klostersammlungen, die hauptsächlich durch das Kloster angeschafft wurden und ihre Konventualen in die Lage versetzten, mit den Apparaten arbeiten zu können. Mit einer jahrhundertealten Verwurzelung der Klöster in der Schrift- und besonders Buchkultur waren wissenschaftliche Räume integraler Bestandteil monastischer Anlagen. In diesem Sinne bemühte sich der Pollinger Prälat Töpsl wie schon sein Vorgänger auch um den Bau einer Sternwarte. Im Lauf der Jahrzehnte entstanden so mehrere verschiedene Räumlichkeiten, die den Anforderungen der Klosterastronomen jedoch nur in eingeschränktem Maß entsprachen. Goldhofer gelang es sogar ganz ohne entsprechendes Gebäude, den Venustransit zu vermessen. Eine ganze Reihe weiterer Klosterobservatorien lassen sich nachweisen, wie in Lambach, St. Emmeram in Regensburg, Prüfening, Indersdorf, Rottenbuch, Ochsenhausen und Rott am Inn. Die Sternwarte im Mathematischen Turm von Kremsmünster ist die berühmteste von ihnen, nicht zuletzt wegen der Bedeutung ihres Direktors Fixlmillner. Die Observatorien bedienten gleich mehrere Forderungen: hier konnte praktischer Unterricht stattfinden, die Teleskope und Pendeluhren eine angemessene Unterbringung finden und nachts waren sie im Idealfall der Arbeitsraum für den Astronomen. Letzteres ist nur in sehr wenigen Fällen bestätigt, wie in Kremsmünster und in Rott am Inn. Im Sinne barocker Repräsentation demonstrierten Klostersternwarten vor allem den hohen Bildungsstand des Konvents und die Förderung der Naturforschung durch den Prälaten. Die wichtigste Verbindung monastischer Naturforscher zur Gelehrtenwelt war ihre schriftliche Kommunikation. Der monastische Briefwechsel war dabei eine Sonderform der Gelehrtenkorrespondenz, da er in gewissem Maße nicht personen-, sondern rollenbezogen funktionierte und auf dem klösterlichen Kommunikationsradius beruhte. Die Klöster bildeten als Institution einen kommunikativen Knotenpunkt mit eigenen Boten- und Transportnetzen. Der Briefverkehr zwischen dem Pollinger Chorherren Goldhofer und seinem französischen Mitbruder Pingré begann über den Kontakt zwischen den beiden Ordenshäusern und endete mit Goldhofers Abwesenheit aus Polling. Es war die Korrespondenz zwischen den astronomischen Vertretern zweier Stifte.

174  Naturforschung im Observatorium Der Kontakt ermöglichte Goldhofer den Druck von Beobachtungsdaten in einer französischen Zeitschrift, seiner einzigen Publikation außerhalb Bayerns. Von dieser Verbindung nach Frankreich profitierten aber auch die Bayerische Akademie und der Instrumentenbauer Brander. Dabei waren es Instrumente, naturwissenschaftliche Bücher und sonstige gelehrte Nachrichten aus Frankreich, die so ihren Weg nach Kurbayern finden konnten. Neben dem Orden bildete der Instrumentenbau einen zweiten Kommunikationsrahmen, in dem sich Goldhofer bewegte. Die umfangreiche Post nach Augsburg zu Brander kompensierte nicht nur die fehlende Werkstatt in Polling, sondern brachte auch die Verbindung zum Irseer Benediktiner Dobler. Bezüglich der behandelten Themen unterschieden sich die Briefwechsel der monastischen Naturforscher nicht von denen ihren laikalen Kollegen: es ging um Empfehlungsschreiben, eigene und fremde Publikationen und Publikationsprojekte, Anschaffung und Verleih von Büchern und Sammlungen, gelehrte Diskussionen und Ratschläge. Goldhofers Korrespondenz lässt sich nicht unabhängig von seinem Kloster sehen: von seiner Rolle als Astronom und Kabinettsleiter, von den Verbindungen seiner Mitbrüder und seines Propstes und nicht zuletzt von seiner Anwesenheit im Klostergebäude. Gleichzeitig waren die Gelehrtenbriefe auch an die jeweiligen Personen geknüpft und nicht nur allein an ihre Ämter. Fixlmillner aus Kremsmünster führte wegen seiner astronomischen Publikationen einen sehr viel eigenständigeren Briefwechsel als seine Mitbrüder. Monastische Naturforscher bewegten sich besonders beim Korrespondieren zwischen Rolle und Individuum, zwischen Person und Persona.

4.

Naturforschung vor Publikum Staunend, teils sogar mit Ehrfurcht beobachtete das Publikum, wie der Benediktinerpater die Luftpumpe betätigte. Durch das Glas waren die zwei Kolben sichtbar, die sich auf und ab bewegten und die Luft aus der Glasglocke herauszogen. Die Kerze unter der Glocke flackerte noch kurz auf, und erlosch. Beifall erhob sich unter Anwesenden, während der Mönch nun den Mechanismus der Luftpumpe erklärte.

Ildephons Kennedy (1722–1804) führte seit 1761 einmal wöchentlich öffentliche Experimentalvorführungen in den Räumen der Bayerischen Akademie vor und nutzte dafür die physikalischen Apparate aus der Akademiesammlung. Mit diesen meist selbstgebauten Geräten demonstrierte er die Wurfparabel, erklärte die Funktion eines Flaschenzuges genauso wie die eines Mikroskops und einer Brille oder berichtete über aktuelle Funde von Zähnen und Skelettresten eines Ur-Elefanten.1 Es kamen aber auch Instrumente des Augsburger Mechanikers Georg Friedrich Brander  (1713–1783) zum Einsatz, wie die eingangs erwähnte Luftpumpe (siehe Abbildung 15). Kennedys Nachfolger Maximus Imhof ­(1758–1817), Augustinereremit und Physiklehrer am Münchener Lyzeum, formulierte als Zweck der Vorlesungen: die für jedem Stande eben so nothwendigen als nützlichen Kenntnisse in der Naturlehre mehr ausgebreitet, und anwendbarer zu machen, um durch so eine zugleich angenehme wissenschaftliche Unterhaltung junger Männer Talente zu reitzen, ihren Beobachtungsgeist zu schärfen, ihren Verstand in der Kenntniß natürlicher Dinge aufzuklären, zu neuen Erfindungen den Weg zu bahnen, und so das ganze Gebiet der Körpernaturlehre für jede Menschenklasse gemeinnütziger zu machen.2

Experimentalvorführungen, wie sie in fast allen größeren Städten stattfanden, dienten laut Imhof sowohl der »angenehme[n] wissenschaftliche[n] Unterhal 1 Zu den öffentlichen Vorlesungen der Bayerischen Akademie siehe Rettinger, Michael: Die öffentlichen Vorträge über Experimentalphysik des P. Ildephons Kennedy an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1762–1774). In: Hohenzollern, Johann Georg Prinz von / Liedtke, Max (Hg.): Naturwissenschaftlicher Unterricht und Wissenskumulation. Bad Heilbrunn in Oberbayern 1988, 247–259; Sichau, Christian: Physik für Bürger, Handwerker und Bauern. Die öffentlichen Vorlesungen des Akademiesekretärs Ildephons Kennedy im Zeitalter der Aufklärung. In: Willoweit, Dietmar (Hg.): Wissenswelten. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften und die wissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. München 2009, 180–191. 2 Imhof, Maximus: Grundriß der öffentlichen Vorlesungen über die Experimental-Naturlehre. 1. Theil. München 1793, unpag. Vorrede.

176  Naturforschung vor Publikum

Abb. 15: Zweistieflige Hahn-Luftpumpe von Georg Friedrich Brander, München 1760. Die Höhe beträgt 1,32 Meter. Deutsches Museum München, Inv.-Nr. 1728.

tung« als auch der Aufklärung und Belehrung. Der Anspruch des Publikums war es, unterrichtet und gleichzeitig amüsiert zu werden. Nicht genug der Erwartungen, sollte Naturforschung darüber hinaus auch noch nützlich sein und »zu neuen Erfindungen den Weg […] bahnen.«3 Zu all diesen Zielen brauchte es Instrumente, die fortlaufend neu entwickelt und verbessert wurden. Während es

3 Ebd. Unpag. Vorrede.

Naturforschung vor Publikum  177

in den beiden vorherigen Teilen dieser Arbeit zur Meteorologie und Astronomie hauptsächlich um das Messen und Beobachtungen ging, stehen nun zwei andere Praktiken im Vordergrund: das Demonstrieren und Experimentieren. Die Tatsache, dass eine experimentelle Vorführung auf Zuschauer ausgerichtet war, ergibt sich von selbst. Für physikalische Experimente im weiteren Sinne erschließt sich dies nicht unmittelbar. Doch schon die frühen Mitglieder der Royal Society im 17. Jahrhundert diskutierten die Frage, ob Versuche privat oder öffentlich durchgeführt werden sollten, also welches Publikum neue Wissens­ ansprüche legitimieren konnte.4 Der Kreis der Personen blieb dabei jedoch elitär, nur ein Gentleman hatte Zutritt zu den Räumen der Naturforscher. Ganz anders sah die Situation bei den Ballonaufstiegen der Gebrüder Montgolfier in Paris der 1780er Jahre aus oder bei denen des Benediktiners Ulrich Schiegg (1752–1810) aus Ottobeuren. Das Publikum umfasste nun alle Gesellschaftsschichten vom französischen Königspaar bis zum einfachen Bauern. Die Ausweitung des Adressaten von Naturforschung ist ein Charakteristikum des 18. Jahrhunderts und meint mehr als spektakuläre Vorführungen vor einer staunenden Menschenmenge. Sie ist auch gekennzeichnet durch neue Kommunikationsformen, die die traditionellen Mittel wissenschaftlichen Austauschs von Buchpublikation und Korrespondenz um akademische Abhandlungen und Zeitschriften ergänzten.5 So erreichte das Medienecho um den Venustransit 1761 eine bisher ungekannte Dimension, indem die sich gerade erst herausbildende bürgerliche Gesellschaft regen Anteil an den Expeditionen der Astronomen nahm. Das begrenzte Fachpublikum öffnete sich hin zur interessierten Leserschaft, der wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich und gleichzeitig unterhaltsam mitgeteilt werden sollten. Öffentliche Experimentalvorlesungen in deutscher Sprache waren ein völlig neuartiges Format der Wissenschaftspopularisierung. Der Wissenschaftshistoriker Oliver Hochadel bezeichnet die »Verflechtung von Naturwissenschaft und Öffentlichkeit« sogar als zentrales Merkmal der Wissenschaftskultur des 18. Jahrhunderts.6 Die »gelehrten Mitteilungen« oder »Nachrichten aus Naturlehre und Naturbegebenheiten« in den Wochenzeitungen dienten genauso der Volksaufklärung wie die Experimentalvorführungen der Akademie. Auch wenn Zeitgenossen diese Darbietungen meist als »öffentliche Kollegien« oder »öffentlichen Unterricht« bezeichneten, ist hier öffentlich nicht gleichbedeutend mit für alle zugänglich. Typische Grenzen verliefen weiterhin entlang gesellschaftlicher Stellung, finanzieller Möglichkeiten oder Geschlecht. Entsprechend hatte eine Vorführung in den Räumen der bayerischen Akademie ein anderes Publikum als die eines Wanderelektrisierers im Gasthaus oder auf dem Jahrmarkt. Die 4 Shapin: Shapin 2010 – Never Pure. 5 Ricken, Ulrich: Zum Thema ›Aufklärung und Wissenschaftsentwicklung‹. In: Mocek, Reinhard (Hg.): Die Wissenschaftskultur der Aufklärung. Halle (Saale) 1990, 8–17, hier 12–13. 6 Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 14.

178  Naturforschung vor Publikum Forschungsliteratur spricht daher von Teil- oder Semi-Öffentlichkeiten.7 Damit geht jedoch die Schwierigkeit einher, dass »Öffentlichkeit« alles bezeichnen kann von der repräsentativen Öffentlichkeit des Hofes oder der Akademie über die mediale Öffentlichkeit der Zeitungen und Zeitschriften bis zur geselligen Öffentlichkeit der bürgerlichen Salons und der Kaffeehäuser. Umfasst diese Kategorie schließlich auch die Dorfbewohner der Klosterpfarreien, die Schüler der Klosterschule oder die Zuhörerschaft einer Predigt, wird sie nahezu beliebig und analytisch wenig brauchbar. Der Begriff der »Öffentlichkeit« ist hilfreich, um die Entwicklung der Naturforschung gerade im 18. Jahrhundert und die damit verbundenen Phänomene der Popularisierung zu greifen, aber er kann die Unterteilung des Publikums und die damit verbundenen unterschiedlichen Themen, Fragestellungen und Kommunikationsformen nicht ausreichend beschreiben.8 In dieser Arbeit wird daher der Begriff des »Publikums« verwendet, der auch der Verwendung in den zeitgenössischen Quellen entspricht. Die Verbindung von Wissenschaft und Öffentlichkeit erfasste alle Bereiche der Naturforschung, aber als die »öffentlichste Wissenschaft« gilt unbestritten die Elektrizität.9 Bis zur Jahrhundertwende war es vor allem die Elektrostatik, die durch die Entwicklung einiger Instrumente Aufmerksamkeit erfuhr. Während die Elektrisiermaschine die Erzeugung hoher Spannungen ermöglichte, konnte die Leydener Flasche als eine Vorform des Kondensators Ladungen speichern. Der Untersuchungsgegenstand der Elektrizitätslehre wurde erst im Experiment selbst erzeugt und war daher vollständig instrumentenabhängig. Eine Ausnahme bildete der Blitz, dessen genaue Beobachtung und Beschreibung die Intelligenzblätter füllte. Die mit allen Sinnen erfahrbaren Experimente in den Vorführungen mit der Elektrisiermaschine riefen Begeisterung im Publikum hervor und verschafften der Elektrizität eine beispiellose Aufmerksamkeit. Wie von Geisterhand gespielte Glockenspiele, die Entzündung von Schwarzpulver oder brennbarer Flüssigkeiten ohne Berührung oder leichte elektrische Stöße durch den menschlichen Körper dienten nicht nur zur Unterhaltung, sondern verhalfen der Elektrizität auch zu ihrer flächendeckenden Verbreitung. In der Person des monastischen Naturforschers trifft der Anspruch von Vorführung und Unterhaltung auf eine durch Klausur geprägte Lebensweise.10 7 Ricken: Wissenschaftsentwicklung 12–13. 8 Christoph Meinel unterscheidet für Regensburg das »aristokratische« und das »bürgerliche« Milieu, wobei die Benediktiner zu ersterem gezählt werden. Siehe dazu Meinel: Licht der Natur. 9 Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 42. 10 Zur Praxis der Klausur, besonders im 18. Jahrhundert, siehe Puzicha: Puzicha 2002 – Kommentar zur Benediktusregel; Schachenmayr, Alkuin: Die Klausur in der Benediktsregel, im historischen und in geltenden Kirchenrecht. In: Analecta Cisterciensia 61 (2011) 3–8; Schrott, Georg: Der Schlüsselbund des Oberboursiers. Zum Spannungsverhältnis von Klausur und Öffentlichkeit(en) in Cistercienserklöstern des 18. Jahrhunderts. In: Analecta Cisterciensia 61 (2011) 122–144.

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Klausur ist ein wesentliches Charakteristikum des Klosterlebens und definiert die Grenzziehung zwischen Kloster und Welt. Seit den Anfängen des Mönchtums galt die Mauer um das Klosterareal herum als Symbol für die Trennung zur äußeren Welt, als Schutz der Gemeinschaft und der Zurückgezogenheit. Einsamkeit und Weltabgewandtheit scheinen jedoch so gar nicht mit der vorher beschriebenen Publikumsorientierung der Naturforschung vereinbar zu sein. Der Ordenshistoriker Georg Schrott spricht sogar von einem bisher vernachlässigten Paradoxon zwischen Bildungsarbeit bei gleichzeitiger Publikumsferne.11 Dieses Bild verstellt jedoch erstens den Blick darauf, dass das Klosterleben zwar nicht immer vollständig öffentlich, aber dennoch auf ein Publikum ausgerichtet gewesen ist. Gerade die experimentelle Naturforschung sorgte zweitens dafür, dass sich dieses Publikum noch ausweitete. Monastische Klausur hat ihren Zweck im Gebot der Beständigkeit, in der Treue zum Klosterleben und zur Gemeinschaft. Diese stabilitas ist nicht gleichzusetzen mit Ortsgebundenheit, sondern ist vielmehr an der monastischen Lebensweise ausgerichtet. Die äußere Klausur als räumliche Abgrenzung ist eine Hilfestellung für die innere Klausur, die Konzentration statt Ablenkung und Orientierung statt Zerstreuung ermöglicht. Das Verlassen des Klosterbereichs ist eine Ausnahme, die meist an einen Auftrag gebunden ist und die Erlaubnis des Abtes als »Garant für eine Einheit in der Gemeinschaft« benötigt.12 Schon die Benediktsregel kennt den Mönch außerhalb der Klausur. Da aber einige Rahmenbedingungen der klösterlichen Lebensgestaltung auf der Reise wegfallen, wie das Chorgebet und der gemeinsame Tisch, gelten außerhalb der Klausur gesonderte Verhaltensregeln. Naturforschung hatte zuallererst eine öffnende Wirkung auf das Klosterleben. Öffentliche Physikvorführungen hielten auch die Benediktiner von St. Emmeram in Regensburg. Sie fanden im physikalischen Kabinett des Klosters statt und dienten zur Ausbildung der Emmeramer Religiosen, aber auch von auswärtigen Benediktinern und adeligen Söhnen. Der Benediktinerpater Placidus Heinrich (1758–1825) hielt dazu »jährlich zur Bildung der studirenden Jugend und zum Nutzen des hiesigen Publikums unentgeltlich öffentliche Vorlesungen aus der Experimentalphysik.«13 Dafür mussten zusätzliche Instrumente angeschafft werden. In den vorherigen Kapiteln habe ich bereits gezeigt, wie intensiv Mönche und Chorherren Studien- und Bildungsreisen unternahmen und sich 11 Schrott: Blitzfang 323. 12 Schachenmayr: Klausur 6–7. 13 Brief Placidus Heinrich an das königliche General-Kommissariat des Regenkreises vom 31.08.1811, StA Amberg, RR KdI 2491 Nr. 5. Ediert in Hartmann, Ludwig: Der Physiker und Astronom P. Placidus Heinrich von St. Emmeram in Regensburg (1758–1825). Seine wissenschaftlichen Arbeiten und sein handschriftlicher Nachlaß; Briefe, Urkunden und Dokumente. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 47 (1929) 157‐182, 316‐351, hier 322–323.

180  Naturforschung vor Publikum am Publikations- und Korrespondenzwesen der gelehrten Welt beteiligten. Ihre Bibliotheken und Sammlungen standen Besuchern offen, fanden Eingang in Reiseberichten und ermöglichten das Zusammentreffen von Religiosen und Laien innerhalb der Klostermauern. Dieser dritte und letzte Teil widmet sich dem Publikum monastischer Naturforschung. An die Einführung schließt sich zunächst eine Episode über den Gewitterschutz in Kurbayern an. Vier Akteure betreten im Laufe des Geschehens die Bühne der Diskussion: zwei Benediktiner-Patres, ein ehemaliger Jesuit und ein Hofkaplan. Ausgehend von einer ersten Preisfrage der Bayerischen Akademie im Jahr 1768 zu verschiedenen Maßnahmen gegen Blitz und Hagelschlag fragt das Kapitel nach den Teilnehmern der Debatte und den relevanten Praktiken, um sich Gehör zu verschaffen. Wie sehr sich hier die Kommunikationsformen, das Publizieren und das Vorführen bzw. Unterrichten, in den verschiedenen Räumen der Naturforschung unterscheiden, zeigen die beiden nachfolgenden Kapitel. Welche Bedeutung kam einem städtischen Publikum zu und welchen Beitrag leisteten monastische Naturforscher bei der Verbreitung grundlegender naturwissenschaftlicher Zusammenhänge wie beim Blitzableiter?

4.1 Gewitterschutz: Läuten und schießen Der Bayer ist auch in den geringsten Sachen seiner Religion eifrig und gegen jede Aufhebung einer Nebensache darin unbeugsam; Verordnungen, welche nach seinem Begriffe der Religion zu nahe kämen, möchten da wohl mit Gewalt durchgesetzt werden müssen. Ein Beispiel davon ließe sich von der Abschaffung oder vielmehr Umschaffung des Wetterläutens anführen.14

Mit diesen Worten beklagte Johann Nepomuk Hauntinger (1756–1823) die Weigerung der Bayern, das Läuten der Kirchenglocken bei aufziehenden Gewittern einzustellen. Der Benediktinerpater aus St. Gallen unternahm im August 1784 mit einem Mitbruder eine Reise nach Neresheim, und kam dabei auch in die Residenzstadt München und nach Schloss Nymphenburg. Während Nymphenburg die Reisenden begeisterte und Hauntinger mit Zufriedenheit feststellte: »Die ganze Strecke dieser Gebäude ist mit Blitzableitern versehen,« konnte er sich über das Beharren auf den Brauch des Gewitterläutens nur wundern.15 Im Gegensatz zum sprichwörtlich segenbringenden Regen galten Gewitter, Hagel und Blitze seit jeher als Bedrohung und Gefahr. Die Vernichtung ganzer Ernten, vom Blitz erschlagene Menschen und Tiere, Brände und Zerstörung von Gebäuden und Explosionen in Pulvermagazinen gehörten zu den Folgen, die mit

14 Hauntinger: Hauntinger 1964 – Reise durch Schwaben und Bayern 92. 15 Ebd. 79–80.

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einem Unwetter einhergehen konnten. Die Angst vor der scheinbaren Willkür dieser Himmelsereignisse war groß. Umso verständlicher ist die Vehemenz, mit der sich die Menschen mit Schutzmaßnahmen auseinandersetzten; umso größer waren die damit verbundenen Hoffnungen und Erwartungen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich ein ganzer Katalog von unterschiedlichen Praktiken im Umgang mit Unwettern entwickelt, der von Gebeten und Andachten über Gewitterläuten und Gewitterschießen bis hin zum Blitzableiter reichte. Die publizistische Auseinandersetzung mit Gewitterschutz-Praktiken war in Kurbayern wesentlich durch zwei Preisfragen der Bayerischen Akademie 1768 und 1785 bestimmt. Das vorliegende Kapitel folgt dem Geschehen um diese Preisfragen: ihre Beantwortung durch Regensburger Benediktiner, ihre Funktion für die Erstellung von Gutachten der Akademie gegenüber der Landesregierung und ihre Wahrnehmung außerhalb der Akademie. Diese Episoden bieten einen Einblick in die Beteiligung monastischer Naturforscher an der öffentlichen Diskussion um Gewitterschutz und weisen auf die Besonderheit des städtischen Umfelds für zwei wichtige Praktiken hin: Publizieren und Vorführen. 4.1.1 Woher kommt das Gewitter und wie kann man sich schützen? Gemäß ihrer Verfassung verfolgte die Bayerische Akademie seit ihrer Gründung das Ziel, »die Wirkungen der Natur mehrers auszuhorchen« und dabei »[a]lle Theile der Weltweisheit […] von den unnützen Schulsachen und Vorurtheilen zu reinigen.«16 In diesem Sinne wandten sich die Mitglieder auch dem Gewitter zu und forderten 1768 Naturforscher dazu auf, sich mit folgender Frage zu beschäftigen: »Ob, und was für Mittel giebt es, die Hochgewitter zu zertheilen, und eine Gegend vor Schauer und Hagel zu bewahren?« Bei ihrer Wiederholung ein Jahr später ergänzte sie: »Diese Mittel soll man durch Versuche der künstlichen Elektrizität finden, damit sie der natürlichen Elektrizität oder den Donnerwolken zugeeignet werden könnten.«17 Insgesamt fielen bis 1800 drei Preisfragen in den Bereich der Elektrizität, wovon zwei explizit den Gewitterschutz thematisierten.18 Die Praxis des Gewitterschießens stand 1785 noch einmal gesondert zur Disposition, wovon später die Rede sein wird.

16 Artikel LVII und LVIII aus der »Verfassung der Akademie«, abgedruckt in Westenrieder: Geschichte 1 25–38. 17 Hammermayer: Geschichte 2 399. 18 Die Preisfrage des Jahres 1776 zur Analogie von Elektrizität und Magnetismus beschäftigte sich mit den Ideen des Arztes Franz Anton Mesmer und seinen Theorien eines »thierischen Magnetismus.« Trotz Wiederholung der Frage im darauffolgenden Jahr wurde sie nicht zur Zufriedenheit der Akademiemitglieder gelöst. Gewitterschutz wurde hier nicht thematisiert.

182  Naturforschung vor Publikum Die Bandbreite der Schutzmittel entsprach der Vielzahl möglicher Ursachen von Unwettern.19 Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gehörte der Blitz zum Werkzeugkasten eines strafenden Gottes, der die Menschen zur Umkehr bewegen wollte. Als im Jahr 1750 eine Hamburger Kirche vom Blitz getroffen wurde und vollständig niederbrannte, wurde unverzüglich ein außerordentlicher Bußund Bettag für die gesamte Stadt ausgerufen.20 An der Ursache für den Blitzeinschlag bestand kein Zweifel: das Verhalten der Stadtbevölkerung hatte Gott verärgert. Ein gängiges Mittel beider Konfessionen fand sich daher in Bußpredigten, die ihre Gemeinden zu Verhaltensänderungen und Reue aufriefen. Hatten sich die Menschen den Zorn Gottes zugezogen, dann gab es eine kurzfristige Schutzmaßnahme: die Glocken des Kirchturms zu läuten und sich zum Gebet zu versammeln. Diese Praxis war in doppelter Hinsicht wirkungsvoll, denn sie bekämpfte auch noch einen anderen möglichen Verursacher von Blitz und Donner: den Teufel persönlich oder eine seiner Dienerinnen, die Hexen. Mindestens seit dem 15. Jahrhundert galt es als allgemein bekanntes Wissen, dass das Geläut geweihter Kirchenglocken Hexen an ihrem Tun hinderte und sie vertrieb. Überhaupt diente Lärm zur Abwehr von Dämonen und bösen Geistern, und so sollten alle Gebiete, in denen das Glockengeläut zu hören war, vor Unbill geschützt sein. Besonders im Alpenraum übernahmen vielerorts auch Wetterhörner diese Funktion. Noch in einer Auseinandersetzung der historischen Klasse der bayerischen Akademie in den 1760er Jahren spielte die Wirkungskraft des Glockengeläutes gegen Hexen eine wichtige Rolle.21 Dabei war der Zweifel an der Schutzwirkung des Wetterläutens fast genauso alt wie der Brauch selbst. Protestantische Landesherren ließen diese Praxis schon im 16. Jahrhundert gegen Strafe verbieten, was jedoch zu teilweise heftigen Streitigkeiten zwischen den gehorsamen Pastoren und den um ihre Ernte besorgten Bauern führte. Wie lange sich das Wetterläuten trotz vieler Versuche zur Volksaufklärung noch hielt, zeigt ein Aufruf eines französischen Kardinals aus dem Jahr 1841, in dem der Glaube an das Wetterläuten erneut für haltlos erklärt werden musste.22 In der Diskussion um das Wetterläuten ging es nicht nur um dessen Schutzwirkung gegen heranziehende Gewitter, sondern auch um erst dadurch entstehende Gefahren. Der Franzose André-François ­Deslandes (1689–1757) veröffentlichte 1718 eine erste Statistik über Blitzeinschläge in Kirchtürmen bei gleichzeitigem Läuten, während andere Kirchen, in denen nicht geläutet wurde,

19 Einen Überblick zu Gewitterschutz bis 1900 bieten Strele, Richard von: Wetterläuten und Wetterschiessen. Eine culturgeschichtliche Studie. In: Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins 29 (1898) 123–142; Weigl: Instrumente der Neuzeit. 20 Ebd. 175–176. 21 Strele: Wetterläuten 125. 22 Ebd. 127.

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verschont blieben.23 Es folgten in den Jahrzehnten danach unzählige Berichte über verletzte oder getötete Mesner beim Wetterläuten, wie 1783 im Münchener Intelligenzblatt: Ein gewißer Naturforscher hat berechnet, daß in Zeit von 33 Jahren der Blitzstrahl in 368 Kirchthürmen in Deutschland, worinn geläutet worden, einschlagen, und 103 Personen in Glockenhäusern getödet habe. Dessen ohngeacht will in unsern Nachbarschaften die schädliche Gewohnheit, unter den Gewittern mit den Glocken zu läuten, nicht aufhören.24

Nicht so einig waren sich die Naturforscher hinsichtlich einer weiteren Schutzmaßnahme: das Gewitterschießen. So wie die Lautstärke von Glocken und Wetterhörnern Dämonen und Geister vertreiben konnte, so musste dieser Effekt durch das Schießen aus Kanonen und Böllern umso mehr verstärkt werden. Dieser Brauch konnte noch zusätzlich unterstützt werden, indem der Pfarrer Schießpulver und Projektile weihte.25 Es standen aber auch physikalische Einflüsse des Schießens auf Gewitterwolken zur Diskussion. Der Schall könnte die Luftmassen in Bewegung setzen oder das Schießpulver die Luftelektrizität verändern. In Pfalzbayern verbot 1784 die Oberlandesregierung das Gewitterschießen, was jedoch weder die Praxis noch die Diskussion darüber beendete.26 Im Jahr 1796 wurde aus München nach Paris berichtet, dass Stadtbewohner die Böller gegen ein nahendes Gewitter einsetzten. Einige Adelige in der Nähe hielten den Lärm für heranziehende Franzosen und erschraken über die scheinbare Nähe des Feindes zur Stadt.27 Eine besondere Aufmerksamkeit erfuhr der Blitz. Seine Identifikation als elektrischer Funke hatte der Leipziger Physikprofessor Johann Heinrich Winck­ ler (1703–1770) im Jahre 1746 vermutet.28 Einige Jahre später wies Benjamin Franklin  (1706–1790) in Amerika mit seinen berühmten Drachen-Versuchen die Elektrizität der Atmosphäre und des Blitzes experimentell nach und errichtete auf seinem Haus in Philadelphia den ersten Blitzableiter. Seinen Weg auf den europäischen Kontinent fand die Metallstange durch den mährischen Prä­monstratenser Prokopius Divis (1698–1765), der Franklins Versuche kannte 23 Der sehr kurze Bericht findet sich in den Histoire de l’Académie royale des sciences. Année 1719, S. 21–22; siehe auch Kistner: Mannheim 91–92. 24 Münchener Intelligenzblatt vom 11.09.1783, S. 342. Bei dem Naturforscher handelt es sich um den ehemaligen Jesuiten Johann Nepomuk Fischer, der bis 1781 außerordentlicher Professor für Mathematik und Astronomie in Ingolstadt und seitdem Hofastronom in Mannheim war. 25 Strele: Wetterläuten 140–141. 26 Schreiben der bayerischen Oberlandesregierung an die Bayerische Akademie vom 30.06.1784, ABAdW VIII 167 fol. 21. 27 Ebd. 142. 28 Zur Geschichte des Blitzableiters siehe Kistner: Mannheim 81; Winkler: Meteorologie 136.

184  Naturforschung vor Publikum und 1754 einen Blitzableiter in seinem Pfarrdorf errichtete.29 Dieser erste Wetterleiter auf Reichsgebiet stand jedoch nicht lange, da die Dorfbewohner ihn für den ausbleibenden Regen verantwortlich machten und zerstörten.30 Deutlich weniger Widerstand erfuhr der Hamburger Arzt Johann Albert Reimarus (1729–1814), der 15 Jahr später erneut auf die Franklinschen Wetterleiter hinwies, die Jakobikirche mit einem solchen versah und durch die Publikation seines Vortrags für die weitere Bekanntmachung sorgte.31 Ab den 1770er Jahren kann man dann von einer größeren Verbreitung des Blitzableiters sprechen, und auch die Zeitungen berichteten nun ununterbrochen von Blitzeinschlägen und Wetterleitern.32 Es überrascht daher nicht, dass der Blitzableiter wie kein anderes Objekt zum Symbol einer nützlichkeitsorientierten Aufklärung wurde, zur »Trophäe […] über unterdrückten Aberglauben und Vernunftlosigkeit.«33 In der zeitgenössischen Rhetorik entstand ein starker Kontrast zwischen den fortschrittlichen Befürwortern und den abergläubischen, ungebildeten Gegnern des Blitzableiters. Viele Texte berichten vom Widerstand gegen den Blitzableiter: defensiv durch eine Nicht-Errichtung und offensiv durch eine Behinderung von Leiter-Aufstellungen. Der evangelische Pfarrer Johann Friedrich Luz ­(1744–1827) beschreibt in seinem 1784 erschienenen Unterricht vom Blitz die Versuche, Schloss Nymphenburg mit Blitzableitern zu versehen: [H]ier geschahe, was man kaum denken sollte. Der Pöbel wurde von der Geistlichkeit angestiftet, sich diesem Unternehmen zu widersetzen. Es entstund also ein Tumult, und die Wetterableiter musten unter dem Schutz der Waffen aufgerichtet werden.34

Der Aufbau von Blitzableitern traf auf die Angst, dass diese das Gewitter vielleicht erst anziehen würden, und zusätzlich auf die religiös motivierte Furcht, mit dem Blitzableiter würde der Mensch in Gottes Strafgericht eingreifen und umso stärker seinen Zorn auf sich ziehen. Wie stark diese Befürchtungen und die damit verbundenen Aufruhre tatsächlich verbreitet waren, ist unklar. Möglicherweise übertrieben Autoren wie Luz den vermeintlichen Aberglauben der Bevölkerung

29 Schrott: Blitzfang 295–296. 30 Weigl: Instrumente der Neuzeit 182. 31 Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 145. 32 Zum Blitzableiter als »Paradeprodukt der Aufklärung« siehe ebd. 140–145; Hochadel, Oliver: Physiker, Volksaufklärer und Experte. Joseph Weber an der Universität Dillingen. In: Kießling, Rudolf (Hg.): Die Universität Dillingen und ihre Nachfolger. Stationen und Aspekte einer Hochschule in Schwaben. Festschrift zum 450jährigen Gründungsjubiläum. Dillingen 1999, 729–752. 33 Münchener Intelligenzblatt Nr. 25 vom 02.06.1781, S. 255. 34 Luz, Johann Friedrich: Unterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter-Ableitern. Zur Belehrung und Beruhigung sonderlich der Ungelehrten und des gemeinen Mannes. Frankfurt, Leipzig 1784, 11; vgl. auch Kistner: Mannheim 84.

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auch bewusst, um sich selbst dagegen stärker abgrenzen zu können.35 Tatsache ist jedoch, dass die Diskussion um verschiedene Gewitterschutzpraktiken jahrzehntelang geführt wurde und die Rolle Gottes als strafender Blitzewerfer oder als Schöpfer, der den Menschen Vernunft gegeben hatte, ein konstantes Thema blieb. Gewitterschutz verband Brauchtum, Volksfrömmigkeit sowie Aufklärung, und die Diskussionen fanden sowohl auf physikalischer als auch auf theologischer Ebene statt. Diese Verbindung verstärkte sich zusätzlich durch den Ort des Geschehens, denn es galt: Blitzableiter standen auf Kirchtürmen und Kirchturmglocken wurden geläutet. In den meisten Fällen hatte die Positionierung des Blitzableiters physikalische Gründe, denn er sollte möglichst auf dem höchsten Gebäude errichtet werden. In Einzelfällen standen auch Pulvertürme im Fokus, und zum Vorbild erhielten Schlösser Metallstangen auf ihren Dächern. Außer in größeren Städten besaßen jedoch zumeist die Kirchen die höchsten Türme. So ordnete der pfalzbayerische Kurfürst Karl Theodor im Jahr 1784 an, »bey Vorfallender Erbau- oder Reparirung der Kirchenthürme auf gleichmässige Anbringung der Wetterleiter jedesmal folgsamen Bedacht [zu] nehmen.«36 Wurde vorher im Glockenturm gegen heranziehende Gewitter geläutet, so erhielten nun ihre Dächer Blitzableiter. Der Ort für den Gewitterschutz blieb derselbe, die zuständigen Personen blieben die Pfarrer und Pastoren. Gewitterschutz betraf jeden und er war Gegenstand der Diskussionen von der Wirtsstube bis in das kurfürstliche Arbeitszimmer. Nutzen oder Schaden der einzelnen Maßnahmen standen bis Ende des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus immer wieder zur Disposition. Über mehrere Jahrzehnte findet sich das Thema in den Zeitungen und in Regierungsverordnungen, an der Universität und in der Akademie. Die süddeutschen Landesherren versuchten seit den 1770er Jahren, den Brauch des Wetterläutens durch Dekrete und Verordnungen abzuschaffen oder zumindest einzudämmen, da er nicht nur als nicht nützlich, sondern sogar als schädlich galt. Besonders die Regierung und der Kurfürst legten viel Wert auf Beratung durch Experten, auf deren Autorität sie sich im Zweifelsfall berufen konnten. In dieser Rolle sah sich auch die kurbayerische Akademie, die das Thema erstmals im Jahr 1768 mit der oben eingeführten Preisfrage aufgriff.

35 Zweifel am tatsächlichen Widerstand gegen Blitzableiter hegt auch Richter: Semiotik 186. 36 Schreiben von Kurfürst Karl Theodor an die Oberlandesregierung vom 20.12.1784, ABAdW VIII 167 fol. 23.

186  Naturforschung vor Publikum 4.1.2 Benedikt Arbuthnot und das Gewitterläuten Zur Preisfrage von 1768/69 ergingen Preiskrönungen an den Luxemburger Benediktiner Robert Hickmann (1720–1787), an den Hannoveraner Syndikusanwalt Peter Philipp Guden  (1722–1794) und an den Regensburger Schotten­ benediktiner Benedikt Arbuthnot (1737–1820). Nur die Arbeit Arbuthnots erschien in den Abhandlungen der Akademie.37 Hickmann erhielt 1770 den vollen Preis in Form einer Medaille von 50 Dukaten, aber seine Abhandlung ist nicht erhalten.38 Guden erhielt eine Goldmedaille im Wert von 10 Dukaten und vom Akademiesekretär auch zunächst die Zusage, dass alle Preisschriften »zu seiner Zeit [den] akademischen Memoires einverleibt und dem gelehrten Publico mitgetheilet werden,«39 wozu es jedoch nie kam. Die Korrespondenz mit Guden bricht noch im selben Jahr ab, und dieser publizierte sein Werk später selbst.40 Arbuthnot war gebürtiger Schotte und Benediktiner des Klosters St. Jakob in Regensburg.41 Der katholischen Minderheit in Schottland war der Besuch von Gymnasium und Universität verboten und so schickten ihn seine Eltern mit elf Jahren in ein nordfranzösisches Jesuitenkolleg. Auf dem Weg lernte der Junge vier gleichaltrige Schotten kennen, die auf dem Weg ins Regensburger Seminar St.  Jakob waren. Kurzerhand entschloss sich Arbuthnot, seine Reiseroute zu ändern und seinen neuen Freunden nach Bayern zu folgen. Im November des Jahres 1748 kam die Gruppe in St. Jakob an und für den wissbegierigen Charles Arbuthnot begann auch der Unterricht in Mathematik und Philosophie bei Ildephons Kennedy. Mit der Entscheidung zum Eintritt ins Kloster nahm Arbuthnot den neuen Namen Benedikt an und vertiefte seine philosophischen und theologischen Studien, auch in St. Emmeram. Als sein Lehrer Kennedy 1761 das Amt des Sekretärs der Bayerischen Akademie übernahm, folgte ihm Arbuthnot als Leiter des Studienseminars von St. Jakob und als Lehrer für Mathematik und 37 Arbuthnot, Benedikt: Abhandlung, über die Preißfrage. Ob und was für Mittel es gebe die Hochgewitter zu vertreiben, und eine Gegend von Schauer und Hagel zu bewahren. In: Abhandlungen der Churfürstlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften. Philosophische Stücke 9 (1775) 399–436. 38 Hammermayer: Geschichte 2 100. 39 Brief Ildephons Kennedy an Peter Philipp Guden vom 06.06.1771, ABAdW Briefe 1771 Nr. 6/2. 40 Guden, Peter Philipp: Von der Sicherheit wider die Donner-Stralen. Eine Abhandlung, welcher die Chur-Bayerische Akademie der Wissenschaften eine goldne Medaille zuerkannt hat. Göttingen, Gotha 1774. 41 Zur Biographie von Benedikt Arbuthnot siehe Hammermayer, Ludwig: Benedikt Arbuthnot (1737–1820). Abt des Schottenklosters St.  Jakob zu Regensburg. In: Schwaiger, Georg (Hg.): Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg. 1. Teil. Regensburg 1989, 469–487; Wilde: Astronomen und Sternwarten; Flachenecker, Helmut / Gruber, Johann: Regensburg, Schottenkloster St. Jakob. In: Kaufmann, Michael / Faust, Ulrich (Hg.): Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Bayern. Band 2. St. Ottilien 2014, 1819–1859.

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Physik nach. Hauptsächlich Kennedys Fürsprache hatte er es zu verdanken, 1776 vom Konvent zum Abt von St. Jakob gewählt zu werden.42 Kennedy unterstützte die Laufbahn seines ehemaligen Schülers, wo er nur konnte, und sei es damit, dass er dessen Schrift beim Druck der Abhandlungen bevorzugt behandelte. Bis auf die Publikation einer Disputation war Arbuthnot zum Zeitpunkt der Preisfrage als Naturforscher noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten.43 In den nachfolgenden Jahren nutzte er gezielt die Preisfragen der Akademie, um sich mit ganz unterschiedlichen Themenbereichen auseinanderzusetzen: Mechanik, Wasserbau, Akustik, Optik und Meteorologie. In einem anderen Rahmen publizierte er nicht. Auch nach seiner Wahl zum Abt setzte er seine Forschungen fort, die sich aber nicht noch einmal der Elektrizität zuwandten. Arbuthnots Lehrtätigkeiten waren jedoch nicht nur auf die Bedürfnisse seines eigenen Klosters zugeschnitten. Als Seminarlehrer unterrichtete er seit 1761 die eigenen Novizen, aber auch schottische Jungen, die wegen ihrer Konfession in ihrem Heimatland keine Bildung erhalten konnten. St. Jakob verfügte zusätzlich über eine Ritterakademie, in der Arbuthnot bayerische und österreichische Adelssöhne in Mathematik und Physik einführte.44 Nach dem Vorbild seines Lehrers Kennedy in München hielt er darüber hinaus bis 1767 öffentliche mathematische Vorträge.45 In seiner Preisschrift zum Gewitterschutz setzte sich Arbuthnot mit zwei bisher praktizierten Maßnahmen – Glockenläuten und Kanonenschießen – auseinander und versuchte anschließend, aus Experimenten mit der Elektrisiermaschine weitere Mittel abzuleiten.46 Seine Schlussfolgerungen, die er aus »Erfahrungen,« also Berichten anderer Personen, eigenen Versuchen und Analogien zog, waren klar und eindeutig formuliert: das Gewitterläuten sei schädlich und müsse verboten werden, das Gewitterschießen sehr nützlich und elektrische Experimente zeigten keine neuen Mittel auf, um Hochgewitter zu vertreiben. Die Schrift endet mit einem Plädoyer für die Errichtung von Blitzableitern nach

42 Aus den ersten Amtsjahren Arbuthnots ist ein intensiver Briefwechsel mit Kennedy erhalten, der die Jahre 1776 bis 1780 überspannt und 86 Briefe von Kennedy enthält. Die Antwortschreiben Arbuthnots sind nicht erhalten. Darin erteilt Kennedy seinem Schüler Ratschläge in schwierigen Amtsgeschäften und berichtet über Neuigkeiten vom kurfürstlichen Hof. Naturforschung ist kein Thema. OAR Schotten K II, F35, Fasc. VII, Num. 25 und Fasc. X, Num. 28, zurzeit ausgelagert ins Diözesanarchiv Passau mit der Signatur Schottenkloster St. Jakob Nr. 25 und Nr. 28. Siehe dazu auch Pohnert, Roland: P. Ildephons Kennedy, O. S.B.: Unveröffentlichte Briefe an Abt Benedikt Arbuthnot, St. Jakob, Regensburg (1776–1780). Eine kulturgeschichtliche und sprachwissenschaftliche Untersuchung. Zulassungsarbeit. Universität Regensburg 1970. 43 Arbuthnot, Benedikt: Propositiones philosophicae & mathematicae. Regensburg 1774. 44 Hammermayer: Arbuthnot 470. 45 Ebd. 481. 46 Arbuthnot: Hochgewitter.

188  Naturforschung vor Publikum den Vorgaben des Amerikaners Franklin »an den Thürmen und andern großen Gebäuden,« um Schäden durch Blitzeinschläge zu verhindern.47 Schon in der Aufgabenstellung der Akademie waren explizit »Versuche der künstlichen Elektrizität« gefordert, und ein großer Teil der Schrift Arbuthnots enthält die Beschreibungen seiner Experimente. Welche Instrumente ihm in St. Jakob dafür zur Verfügung standen, ist im Nachhinein schwer zu rekonstruieren. Im Gegensatz zu anderen süddeutschen Klöstern ist in diesem Fall kein Inventar erhalten, das eine Übersicht des Bestands geben könnte. Aus der Preisschrift geht jedoch hervor, dass Arbuthnot mindestens drei elektrische Apparate verwendete: eine Elektrisiermaschine, ein Elektrometer und eine Leidener Flasche. Die Elektrisiermaschine besaß als Reibekörper einen Zylinder aus Glas und einen aus Schwefel. Das sogenannte Reibezeug wird nicht explizit erwähnt; vermutlich verwendete Arbuthnot hier seine eigene Hand.48 Um ein Maß für die elektrische Stärke zu erhalten, nutzte er eine Art Quadrantenelektrometer.49 An einem mit der Elektrisiermaschine verbundenen Draht hing ein Faden herab, der sich wegen der gleichnamigen Aufladung vom Draht abstieß und mit diesem einen Winkel bildete. An einem Viertelkreis aus Wachs mit Gradein­ teilung konnte Arbuthnot dadurch Vergleiche zur Ladungsstärke ziehen: »Denn je stärker die Maschine angefüllet ist, desto weiter wird auch der Faden von dem Dratte abstehen, und mithin der Winkel, den der Faden mit dem Dratte macht, größer.«50 Bei der sogenannten Verstärkungsmaschine handelt es sich um eine frühe Bauform der Leidener Flasche, eines Kondensators. Arbuthnot verwendete dafür eine mit Wasser gefüllte Flasche, die mit Metall ummantelt war. Spätere Versionen der Leidener Flasche verzichteten auf die Flüssigkeit und besaßen an der Innen- und Außenseite Metallfolien. Seine Beobachtungen beziehen sich auf die Reaktion der Ladungsmenge in der Flasche auf die Veränderung der Umgebung, also Erhöhung der Luftfeuchtigkeit oder Verbrennung feuchten Holzes und Schießpulvers. Seine Experimente ergänzt Arbuthnot mit Informationen aus der Literatur, wobei er vollständig auf Quellenangaben verzichtet. Am Beispiel des Gewitterläutens lässt sich seine Argumentationsweise nachvollziehen. Das Ergebnis wird schon zu Beginn der Ausführungen vorweggenommen: »[W]enn man nicht sowohl durch die schier tägliche Erfahrung, als aus physicalischen Gründen über 47 Ebd. 435. 48 Ebd. 429. 49 Die Instrumentensammlung aus St. Emmeram in Regensburg verfügte nachweislich über ein Quadrantenelektrometer nach Henley. Dieses bestand aus einem Zeiger mit Hollundermarkkugel vor einer Skala aus Elfenbein. Diesen Bautyp gab es jedoch nicht vor 1772. Siehe dazu auch Meinel, Christoph: Schottenkloster St. Jakob. Vom Nutzen der Experimente. In: Reich, Angelika (Hg.): Gelehrtes Regensburg – Stadt der Wissenschaft. Stätten der Forschung im Wandel der Zeit. Regensburg 1995, 73–78, hier 75. 50 Arbuthnot: Hochgewitter 405.

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zeuget wäre, daß es [das Gewitterläuten] bey dem Hochgewütter sehr schädlich seyn müßte.«51 Den Beweis liefert Arbuthnot empirisch, denn allein in Bayern würden jedes Jahr viele Blitze in Kirchtürmen während des Läutens einschlagen. Dieses Argument führte auch der bereits erwähnte Franzose Deslandes in seiner Publikation von 1718 auf. Die Tatsache, dass das Gewitterläuten ein schädlicher Brauch ist, galt damit für Arbuthnot als bewiesen. Nur das »Vorurtheil des gemeinen Volkes, und anderer in der natürlichen unerfahrnen und eigensinnigen Leute« sei überhaupt dafür verantwortlich, dass eine Abschaffung des Gewitterläutens bisher verhindert worden wäre.52 Arbuthnots folgende Ausführungen zielen daher auf die Frage, warum das Glockengeläut den Blitz anziehen könnte. Zwei Phänomene waren seiner Meinung nach dafür verantwortlich: Mangel an elektrischer Materie in den Glocken selbst und die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit um die Glocken herum.53 Während des Glockengeläuts würden die kleinsten Teilchen des Metalls aneinanderstoßen, gerieben werden und die elektrische Materie heraustreiben. Damit wären die Glocken der elektrischen Teilchen beraubt. Da bei Hochgewittern die Luft von Elektrizität angefüllt sei, würden diese nun vom Mangel der elektrischen Materie in der Glocke angezogen. Gleichzeitig bewege das Glockengeläut die nahe Luft und dehne die wässrigen Dünste aus. Als Folge würden die Feuerteilchen herausgeworfen und die Luft um die Glocken herum wässriger. Da Wasser ein Konduktor, ein Leiter für elektrische Materie war, ziehe die nasse Luft den Blitzstrahl zusätzlich an. In seiner Argumentation vertritt Arbuthnot klar eine unitarische Theorie über die elektrischen Ladungsarten, wie sie auch der Amerikaner Franklin teilte.54 Stofflichkeit besteht demnach aus der eigentlichen Materie und einem elektrischen Feuer oder elektrischen Teilchen, die sich gegenseitig abstoßen. Die elektrische Ladung eines Körpers ergibt sich entsprechend aus Überschuss oder Mangel an elektrischem Feuer, und durch die Verbindung mit Leitern kann ein Ausgleich geschaffen werden. Im Normalzustand ist kein elektrischer Effekt bemerkbar, weil sich alles im Gleichgewicht befindet. Arbuthnot verwendet dazu das Bild der Waage: »Indem die electrische Materie ein Fluidum ist, so steht sie allezeit in dem Waage rechten Stande in allen Körpern.«55 Demgegenüber stand die Theorie des Franzosen Charles Dufay (1698–1739) von zwei verschiedenen 51 Ebd. 418. 52 Ebd. 418. 53 Die Begründung für Blitzeinschläge während des Glockengeläuts finden sich in ebd. 431–432. 54 Eine Übersicht zu den Theorien von Charles Dufay und Benjamin Franklin gibt Steinle, Friedrich: Wissen, Technik, Macht. Elektrizität im 18. Jahrhundert. In: Dülmen, Richard von / Rauschenbach, Sina (Hg.): Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft. Köln 2004, 515–537, hier 521–523, 529–532. 55 Arbuthnot: Hochgewitter 407.

190  Naturforschung vor Publikum Arten der Elektrizität, einer gläsernen und einer harzartigen, die verschiedenen Materialgruppen zugeordnet werden konnten. Arbuthnots Orientierung an Franklin könnte sprachliche Gründe haben, ist aber auch durch die Verknüpfung mit dem Blitzableiter zu erklären. Jean-Antoine Nollet (1700–1770) als Vorbild für öffentliche Experimentalvorführungen entwickelte einerseits Dufays Ideen weiter und war andererseits ein entschiedener Gegner des Blitzableiters. Die Befürwortung oder Ablehnung von Metallstangen zum Gewitterschutz war damit direkt verbunden mit den verschiedenen Theorien zur Natur der Elektrizität. 4.1.3 Akademische Gutachten und physikalisch-theologische Argumente Die von der Akademie gestellte Preisfrage und die dazu eingegangen Antworten dienten offiziell als Grundlage für ein Gutachten der Akademie zum Gewitterschutz, das von der kurbayerischen Oberlandesregierung 1773 angefordert wurde. Anlass war eine Anfrage aus dem Erzstift Salzburg gewesen: es erging die Bitte um ein Verbot des Gewitterschießens in den an das Bistum angrenzenden Gebieten.56 Das Anliegen hatte schon zwei Jahre zuvor die Akademie erreicht, aber musste wegen ausbleibender Antwort wiederholt werden.57 In Salzburg war das Gewitterschießen seit 1767 verboten, zwischenzeitlich wieder zugelassen und 1773 endgültig unter Strafe gestellt worden.58 Nun bestand die Sorge, dass ein solches Verbot nicht durchgesetzt werden könnte, wenn Nachbarorte weiterhin Kanonen gegen Gewitter einsetzten. Die Menschen befürchteten, falls das Schießen doch einen Einfluss auf die Wolken hätte, dass Gewitter aus anderen Gegenden auf die eigenen Felder getrieben würden und man sich selbst nicht schützen könnte. Im angrenzenden Tirol war das Wetterschießen bereits verboten, und nun wandte sich die Salzburger Regierung auch an Kurbayern. Das dafür zuständige Policey-Collegium bat daraufhin die Akademie um ein Gutachten, wie in dieser Sache zu entscheiden sei.59 Im Antwort-Schreiben der Akademie hielten die Mitglieder weder Gewitterläuten noch -schießen für eine wirksame Schutzmaßnahme. Dabei beriefen sie sich auf die Abhandlungen der Preisfrage von 1768, in denen »gründlich dar gethan worden, daß sowohl das Schiessen als auch das Glockenläuten für ein ganzes Land allezeit schädlich sey.«60 Ein vollständiges Verbot des Gewitterläutens galt jedoch als undurch­ 56 Brief Salzburger Regierung an BAdW 18.01.1773, ABAdW VIII 167 fol. 3–4. Dieser Konflikt betraf beispielsweise das Landgericht Tittmoning im heutigen Landkreis Traunstein. 57 Brief Salzburger Regierung an die bayerische Akademie 30.04.1771, ABAdW VIII 167 fol. 1–2. Ob die Salzburger Anfrage während der Akademiesitzungen diskutiert wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die Sitzungsprotokolle sind erst seit 1779 erhalten. 58 Schitter, Josef: Heimat Weißpriach. Salzburg 1979, 103–105. 59 Brief Policey-Collegio an die BAdW 06.02.1773, ABAdW VIII 167 fol. 5–6. 60 Stellungnahme der BAdW an das Policey-Kollegium vom 05.03.1773, ABAdW VIII 167 fol. 7–8.

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führbar und so plädierte der Autor des Gutachtens stattdessen für eine Abänderung des bisher praktizierten Brauches: Man ist daher der […] Meynung, daß das Schiessen bey anrückenden Hochgewitter gänzlich abgeschaft, das Läuten aber, weil der gemeine Mann davon schwehrlich und etwa nicht ohne Ärgerniß, indem er es als eine heilige Sache ansieht, abzubringen ist, ehe die Donerwolken zu nahe gekommen, ferners gestattet werden könnte, jedoch dergestalt, daß sobald die Wolke über dem Ort steht, wo geläutet wird, man asobald geläuten aufhören solte.61

Arbuthnots positive Beurteilung des Schießens wurde damit ignoriert. Gleiches gilt für die Ausführungen der Preisschrift des Hannoveraner Guden, der das Schießen aus Kanonen und Büchsen zur Entladung von Gewitterwolken ebenfalls angewandt sehen wollte.62 Das zweite zur Diskussion stehende Schutzmittel, das Gewitterläuten, bewerte Arbuthnot als schädlich und bestätigte damit die ohnehin unter den Akademiemitgliedern schon vorherrschende Meinung. Bereits 1768, also im Jahr der Ausschreibung der Preisfrage, bezeichnete der Direktor der philosophischen Klasse Johann Anton von Wolter (1709/11–1787) in seiner Akademierede das Gewitterläuten als Vorurteil und dessen Beurteilung als »mehr schädlich als nützlich« zur Genüge bewiesen.63 Das Geschehen zeigt eindrucksvoll, dass die Preisfragen der Bayerischen Akademie grundsätzlich weniger dazu gedacht waren, neue Erkenntnisse zu generieren, sondern einen »Teil des Erziehungsprogramms« bildeten.64 Sie dienten der Akademie eher der Talentsuche, der Öffentlichkeitsarbeit und der Generation von Publikationen. Im Falle Arbuthnots war diese Strategie sehr erfolgreich, da er sich an fünf Preisfragen beteiligte und sechs Abhandlungen beisteuerte. Zunächst ernannte die Akademie ihn 1771 zum Auswärtigen Mitglied und vier Jahre später zum Ordentlichen. Der Jahrhunderte alte Brauch des Gewitterläutens war nicht von heute auf morgen abzuschaffen. Arbuthnot beteiligte sich mit seiner Abhandlung an der Diskussion um Nutzen und Schaden dieser Praxis, aber seine Ausführungen hatten keine sichtbaren Auswirkungen. Anders sah das beim Mannheimer Hofkaplan Johann Jakob Hemmer (1733–1790) aus, der sich knapp 15 Jahre später mit der gleichen Fragestellung auseinandersetzte: Warum ziehen läutende Glocken den Blitz an? Immer noch starben Mesner und Pfarrer beim Läuten der Glocken, während über ihnen ein Gewitter herzog und der Blitz in den Kirchturm 61 Stellungnahme der BAdW an das Policey-Kollegium vom 05.03.1773, ABAdW VIII 167 fol. 7–8. 62 Guden: Donner-Stralen 172–174. 63 Wolter, Johann Anton von: Akademische Rede von verschiedenen Landschädlichen Vorurtheilen. München 1768, 35. 64 Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 149.

192  Naturforschung vor Publikum einschlug.65 Hemmer führte Experimente mit Hygrometern und glockenähnlichen Metallgefäßen durch und kam zu dem Ergebnis, dass die Erwärmung der metallenen Glocke durch das Läuten für eine Anziehung des Blitzes verantwortlich sei. In einem Vortrag vor der Mannheimer Akademie 1784 präsentierte er das Resultat und führte dabei auch seinen Apparat mit Metallglocken zur Erklärung vor.66 Wer war dieser Mann, der die Diskussion zum Gewitterschutz in der Kurpfalz wesentlich bestimmte? Hemmer war seit 1760 kurpfälzischer Hofkaplan in Mannheim und pflegte engen Kontakt zu Kurfürst Karl Theodor.67 Im Jahr 1767 ernannte ihn die Mannheimer Akademie der Wissenschaften zu ihrem Mitglied, zunächst außerordentlich, später ordentlich. Er hielt öffentliche PhysikVorlesungen, die er mit Experimenten und Demonstrationen anreicherte. Dafür stand ihm das physikalische Kabinett im Mannheimer Schloss zur Verfügung, dessen Leitung er seit 1776 innehatte. Mit diesem Amt war auch der Aufbau einer Instrumentensammlung in Düsseldorf verbunden, dem Verwaltungssitz des Herzogtums Jülich-Berg.68 Von Hemmers erfolgreichstem Projekt hörten wir bereits: ab 1780 beschäftigte er sich mit der Organisation eines weltweiten Wetternetzes.69 Die Societas Meteorologica Palatina wurde seit ihrer Gründung von Hemmer als ihrem Sekretär geleitet und zeichnete sich durch weit gespannte Beobachtungsstationen aus, die nach einer einheitlichen, von Hemmer entwickelten Anleitung und mit vergleichbaren Messinstrumenten Wetteraufzeichnungen durchführten. Neben seinen öffentlichen Vorlesungen machte Hemmer besonders im Jahre 1784 Eindruck auf die Mannheimer Bürger: Im Nachgang an die Ballonaufstiege der Gebrüder Montgolfier in Paris führte er Versuche mit Heißluftballonen durch. Im Februar flog im Mannheimer Schlossgarten zunächst ein Papierballon in die Höhe, und zwei Monate später folgte ein Wasserstoffballon. Als Hemmer der Mannheimer Akademie seine Versuche zum Glockenläuten vorführte, war sein Name bereits eng mit dem Thema Gewitterschutz verbunden. Seit einem Blitzeinschlag 1769 in den kurfürstlichen Marstall in Schwetzingen beschäftigte er sich intensiv mit dem Werk von Reimarus aus Hamburg und führte eigene Versuche durch.70 Im Jahr 1776 überzeugte er Kurfürst Karl Theodor davon, die Aufstellung von Blitzableitern auf allen Schlössern und Pulvertürmen seines Herrschaftsgebietes per Dekret zu verfügen. Hemmer 65 Zum ungewöhnlichen Klima im Sommer 1783, der durch einen Vulkanausbruch verursacht wurde, und den durch die häufigen Gewitter verursachten Unfällen siehe Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 148. 66 Kistner: Mannheim 91. 67 Zur Biographie von Johann J. Hemmer siehe ebd. 68 Karl Theodor war seit 1742 Kurfürst von der Pfalz und in Personalunion Herzog von Jülich-Berg. Die Residenzstadt des gesamten Gebietes war seit 1720 Mannheim. 69 Weitere Informationen zum Mannheimer Wetternetz siehe Kapitel 2.2.2.2. 70 Zu Hemmers Tätigkeiten für den Gewitterschutz siehe ebd. 81–94.

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reiste in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod 1790 in der Pfalz und in angrenzenden Gegenden umher und ließ eine Vielzahl von Blitzableitern nach seinen Vorschriften errichten. Auf Einladung des Württemberger Herzogs Karl Eugen kam Hemmer auch nach Stuttgart, versah Schloss Hohenheim mit Wetterstangen und besuchte im Anschluss weitere württembergische Orte.71 Ebenso war es Hemmer, der wegen des Verbots des Wetterläutens in Jülich-Berg befragt wurde und nach dessen Vorschlägen am 21. September 1782 eine kurfürstliche Weisung nach Düsseldorf erging, das Wetterläuten einzuschränken.72 Auch verschiedene Klöster waren das Ziel von Hemmers Blitzableiter-Reisen. Der Fürstabt aus St. Blasien beauftragte ihn 1777 mit der Errichtung einer ganzen Anlage von Wetterleitern auf der Kirche und der Abtei. Gleiches ereignete sich im Kloster Rottenbuch, dem Hemmer 1781 auf seiner Reise nach Nymphenburg einen Besuch abstattete.73 Fünf Jahre später legte Hemmer seine gesammelten Erfahrungen in einer Anleitung Wetterleiter an allen Gattungen von Gebäüden auf di sicherste art anzulegen dar, die auf Vorschlag der pfälzischen Regierung mit einer Auflage von 1200 Stück durch die kurfürstliche Kasse bezahlt und verteilt werden sollte.74 Auch bei Hemmer findet sich in seinen Schriften der Versuch, einem religiös motivierten Widerstand gegen Blitzableiter argumentativ entgegenzutreten. Im Zuge seiner Reisen zur Errichtung von Blitzableitern erschien 1782 ein Kurzer Begriff und Nutzen der Wetterleiter, in dem er den Einwand zu widerlegen versuchte, mit dem Blitzableiter würde der Mensch in das Wirken Gottes eingreifen: Es ist gewiß nicht verwegen, wenn wir den Uebeln, womit uns die Elemente hier und da bedrohen, auszuweichen oder vorzukommen suchen. Dazu hat uns der Herr selbst Vernunft und Weisheit gegeben. Oder ist es vielleicht auch verwegen, daß wir den wilden Wässern Dämme, dem Regen Dächer auf den Häusern, der Kälte Pelzkleider und warme Zimmer entgegen sezen? Und doch kommt Regen, Kälte u.s.w. eben sowohl von Gott als der Blitz.75

Ob es tatsächlich Vertreter einer hier stilisierten Gegenposition gab, die in meteo-theologischen Schriften gegen Blitzableiter vorgingen, ist nicht bekannt. Zumindest aber hinsichtlich des Wetterläutens schlug Hemmer wie schon 1773 die Bayerische Akademie in ihrer Stellungnahme einen Kompromiss vor. Statt einer vollständigen Abschaffung trennte er die Praxis in eine physikalische und eine moralische Wirkung. Ein einmaliges kurzes Läuten beim Heraufziehen eines 71 Ebd. 85. 72 Ebd. 91. 73 Hemmer, Johann Jakob: Kurzer Begriff und Nuzen der Wetterleiter, bei Gelegenheit derjenigen, die auf dem Schlosse, und den übrigen kurfürstlichen Gebäuden zu Düsseldorf errichtet worden sind. Mannheim 1783. Siehe auch Hinweis in Kistner: Mannheim 84–85. 74 Der kurpfälzische Statthalter lehnte diesen Vorschlag jedoch ab, siehe ebd. 84–85. 75 Hemmer: Wetterleiter 31.

194  Naturforschung vor Publikum Gewitters könnte weiterhin zur Andacht und zum Gebet aufrufen, aber müsste rechtzeitig enden und würde damit den Läutenden nicht in Gefahr bringen.76 Diese Umdeutung des Brauches statt seiner vollständigen Abschaffung fand in vielen Gebieten Anwendung, so in der freien Reichsstadt Nürnberg, in der Pfalz und in Regensburg.77 Die Diskussion um Gewitterschutz-Praktiken war geprägt von Argumenten aus Naturforschung und Frömmigkeit gleichermaßen. Im März 1784 trat ein Münchener Buchhändler mit einem Angebot an die Regierung heran, wegen der anhaltenden Vorurteile der Stadt- und Landbevölkerung gegen das Verbot des Wetterläutens eine Aufklärungsschrift zu verlegen.78 Diese Vorurteile müssten durch »physikalisch-theologische Beweise« genommen werden, und aus diesem Grund hielt er den Jesuiten und ehemaligen Ingolstädter Professor für Mathematik und Astronomie Johann Nepomuk Fischer (1749–1805) für einen geeigneten Kandidaten.79 Diese Schrift erfuhr zum Großteil auch Hemmers Zustimmung und fand besonders im Erzstift Salzburg Verbreitung, da der dortige Erzbischof mehr als die halbe Auflage kaufte und an Beamte und Geistliche verteilen ließ.80 Das Wetterläuten beschäftigte die Regierungen auch in den nachfolgenden Jahrzehnten. Zwischen 1782 und 1785 verboten alle süddeutschen Regierungen diesen Brauch und belegten eine Zuwiderhandlung mit Geldstrafen: 1782 in Jülich-Berg, 1783 in Pfalzbayern und in Österreich, 1784 in den Hochstiften Augsburg und Würzburg sowie im Erzstift Salzburg.81 Nicht immer waren die Landesherren vom Schaden des Gewitterläutens restlos überzeugt. Der Regensburger Bischof schränkte die Praxis 1783 zwar ein, aber nur »auf kurfürstliches Ansinnen.«82 Die Bevölkerung bestand vielerorts jedoch auf ihrer Tradition, was 76 Kistner: Mannheim 92. 77 Neubauer, Edmund: Das geistig-kulturelle Leben der Reichsstadt Regensburg (1750– 1806). München 1979; Kett, Siegfried: Der Blitz und das Wetterläuten. In: Erhellung und Beschleunigung. Vom Glasrohr zum Dynamo und Telefon. Nürnbergs Rolle in der Elektrogeschichte, 52–60. 78 Brief Joseph von Krätz an Kurfürst Karl Theodor vom 18.03.1784, BayHStA GR Fasz. 1206 Nr. 6. 79 Es ging dabei um die Schrift Fischer, Johann Nepomuck: Beweiß, daß das Glockenläuten bey Gewittern mehr schädlich als nützlich sey. Nebst einer allgemeinen Untersuchung ächter und unächter Verwahrungsmittel gegen die Gewitter. München 1784. 80 Kistner: Mannheim 92. 81 Für Pfalzbayern: Kurfürstliche Verordnung zum Verbot des Gewitterläutens vom 15.11.1782, veröffentlicht im Münchener Intelligenzblatt am 01.01.1783, S. 1; Polizeyliche Verordnung, veröffentlicht im Münchener Intelligenzblatt am 11.01.1783, S. 21–22; Kurfürstliche Verordnung vom 01.08.1783, veröffentlicht im Münchener Intelligenzblatt am 14.08.1783, S. 301; Kurfürstliche Verordnung vom 23.07.1784, veröffentlicht im Kurpfalzbayerischen Intelligenzblatt am 20.08.1784; Kurfürstliche Verordnung vom 13.10.1784, veröffentlicht im Kurpfalzbayerischen Intelligenzblatt am 29.11.1784; Anweisung des Kurfürsten an die Oberlandesregierung vom 19.01.1785, BayHStA KB Obere Landesregierung Nr. 3978. 82 Neubauer: Regensburg 146–147.

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sich nicht nur in unzähligen Gerichtsverhandlungen äußerte, sondern auch in einer Flut von Petitionen zur Rücknahme der Verbote.83 Der Salzburger Hofrat gestattete 1784 das Wetterläuten wieder, 1790 zog Kaiser Josef II. das Verbot zurück.84 In Bayern blieb es bei der Ablehnung des Brauches und Anfang des 19. Jahrhunderts folgten drei königliche Verordnungen sowie Erhöhungen des Strafmaßes.85 Obwohl die Gefahr für den Läutenden durchaus gesehen wurde, galt die gleiche Argumentationsweise auch umgekehrt: viele Male hatte sich ein heranziehendes Gewitter nach Beginn des Glockenläutens wieder aufgelöst. Also müsste das Gewitterläuten wirksam sein, so eine gängige Schlussfolgerung. Wegen der Abhängigkeit der ländlichen Bevölkerung vom Ertrag der Ernte und der immer präsenten Furcht vor Hungersnöten hielt sich der Brauch sehr lange. 4.1.4 Placidus Heinrich und das Gewitterschießen Ähnlich wie beim Gewitterläuten hielt auch die Diskussion über Nutzen und Schaden des Gewitterschießens an. Nach der bereits erwähnten Antwort der Bayerischen Akademie 1773 an das Polizey-Kollegium zur Abschaffung des Brauches tat sich einige Zeit nichts. Erst elf Jahre später, im Mai 1784, bat die bayerische Oberlandesregierung die Akademie erneut um eine Stellungnahme zum Gewitterschießen. Aus der Grafschaft Haag gab es hierzu eine Anfrage an die Regierung und die Akademie sollte sich dazu äußern, »ob man mit der Meinung dies hierin angerühmten Professors verstanden seye, oder nicht.«86 Wer war dieser in der Regierung so bekannte Experte? Das Schreiben der Oberlandesregierung bezog sich auf den Dillinger Professor Joseph Weber  (1753–1831) und seine Abhandlung mit dem Titel Untersuchung, was das Schießen mit Geschützen auf die Gewitter wirke.87 Hierin sprach der Autor dem Brauch jeden Nutzen gegen Gewitter und Blitzeinschläge ab: Wir haben aus Gründen gezeigt, daß das Schießen auf die Gewölke unkräftig, und ohne Wirkung sei: es darf daher die Zertheilung der Gewitterwolken, die gerade mit dem Schießen eintrift, keines Weges vom Schießen hergeleitet werden.88

83 BayHStA KB Obere Landesregierung Nr. 19. 84 Kieweg, Heinrich (Hg.): Steinbach an der Steyr. Steinbach an der Steyr 2005. 85 Fähnrich, Harald: Verbot des Wetterläutens (1819–1835). In: Die Oberpfalz 86/4 (1998) 219–220, hier 219–220. 86 Brief Oberlandesregierung an die BAdW 28.05.1784, ABAdW VIII 167 fol. 12–13. 87 Zur Biographie von Weber siehe Hochadel: Weber. Weber, Joseph: Untersuchung, was das Schießen mit Geschützen auf die Gewitter wirke? Dillingen 1784. 88 Weber, Joseph: Unterricht von den Verwahrungsmitteln gegen die Gewitter für den Landmann, samt der Untersuchung, was das Schießen auf die Gewitter wirke? Augsburg 1784, 32.

196  Naturforschung vor Publikum Diese Abhandlung Webers beruhte auf einem Gutachten, um das er von der fürstbischöflichen Regierung in Augsburg gebeten worden war. Weber war seit 1781 an der Universität Dillingen Professor für Physik und Philosophie, bis er 1799 einem Ruf an die bayerische Landesuniversität in Ingolstadt folgte. Ganz ähnlich wie Hemmer in Mannheim und der Pfalz war es im Hochstift Augsburg Weber, der in den 1780er Jahren Blitzableiter auf der Residenz, auf Schlössern und Kirchtürmen errichtete und dazu aufgefordert worden war, »die Aufrichtung der Blitzableiter auf allen Fürstlichen Gebäuden zu veranstalten.«89 Bereits 1778 veröffentlichte er seine Abhandlung vom Luftelektrophor, die Beschreibung einer von ihm erfundenen Urform der Influenzmaschine und Variante des Elektrophors mit Harzgemisch. Er wurde dafür als korrespon­ dierendes Mitglied in die bayerische Akademie aufgenommen und weitere Mitgliedschaften in gelehrten Gesellschaften folgten.90 Webers Luftelektrophor fand über die Grenzen des Bistums hinaus Verbreitung: nicht nur Experimentalphysiker in Augsburg und in Schwäbisch Hall, sondern auch der Göttinger Professor Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) benutzten Nachbauten dieses Instruments und verbanden es mit dem Namen des Dillinger Professors. Die Vorlesungen Webers erfreuten sich großer Beliebtheit, und besonders seine Vorführungen elektrischer Phänomene zogen wichtige Persönlichkeit an. Der Dompropst zu Augsburg genauso wie der Herzog von Württemberg kamen zu diesem Zweck nach Dillingen. Im Jahr 1784 hatte die Akademie der Oberlandesregierung geantwortet, man solle »das Schießen bey den Hochgewittern, ohne in die physikalischen Gründe einzugehen, als eine dem gemeinen Manne anstossende Handlung abschaffen.«91 Der Akademiesekretär Kennedy teilte dies entsprechend der Regierung mit und ließ dabei nicht unerwähnt, dass die Akademie das Wetterschießen bereits elf Jahre zuvor abgelehnt hatte. Die betroffenen Bürger seien »sehr übel daran […], wenn sie die von andern Gegenden mit Gewalt gegen sie getriebenen Donnerwolken mit Schiesen oder Läuten in eine neue Bewegung setzen wollten.«92 Das herannahende Gewitter würde nur umso stärker ausbrechen. Vier Jahre später äußerte sich die Akademie erneut mit einem Gutachten und berief sich auf ihre Versuche, »der Frage über die guten oder schlimmen Wirkungen des Schiessens bey Hochgewittern so nahe zu kommen, als es in einer durch Erfahrung so schwer zu ergründenden Sachen möglich iß.«93 Zu diesem Zweck hatte die Philo­ 89 Hochadel: Weber 745. 90 1780 Sittlich-ökonomische Gesellschaft in Burghausen, 1781 Hessisch-Homburgische landwirtschaftliche Gesellschaft, 1782 Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt und 1783 Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin. 91 Sitzungsprotokoll vom 15.06.1784, ABAdW Protokolle 6 fol. 198r-v. 92 Brief BAdW an die Oberlandesregierung 15.06.1784, ABAdW VIII 167 fol. 19. 93 Brief der Bayerischen Akademie an die Oberlandesregierung vom 31.04.1788, BAdW VIII 167 fol. 29–30.

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sophische Klasse zweimal eine Preisfrage gestellt mit der Formulierung: »Was für eine Wirkung hat das Abfeuern des Geschützes auf die Wetterwolken? Was lehret in Rücksicht auf die verschiedenen Lagen die Erfahrung? Ist es als Mittel gegen die Wetter- und Hagelschäden einzuführen? Oder als den eignen oder als den nachbarlichen Fluren gefährlich zu verbieten?«94 Die Arbeit des Benediktiners Placidus Heinrich aus dem Regensburger Kloster St.  Emmeram wurde preisgekrönt und erhielt den ganzen Preis in Form einer Goldmedaille im Wert von 50 Dukaten.95 In dieser bestätigte Heinrich die positive Wirkung des Schießens auf Gewitter, wobei sich diese weder auf chemischer oder elektrischer noch auf der Ebene des Schalls vollziehe, sondern nur auf mechanischer.96 Durch die beim Schießen austretenden Gase werde eine ausreichend große Menge an Luft verdrängt, sodass »das Schießen mit Kanonen fähig sey, die Wolken zu theilen, ja wohl gänzlich zu zerstreuen: fähig einen Windstoß zu verursachen, und auch bey widrigem Winde zu wirken.«97 Diese Schlussfolgerung müsse in der Praxis jedoch eingeschränkt werden: das Schießen könnte in bestimmten Fällen das Gewitter sogar verstärken und sei bei starkem Wind überhaupt nicht anwendbar. Heinrich kam zu dem Ergebnis, dass die Praxis des Gewitterschießens nur in bestimmten Gegenden erfolgreich sei und dort weiterhin beibehalten werden sollte. An allen anderen Orten müsse man es verbieten und stattdessen Blitzableiter errichten. Die Preisfrage der Akademie thematisierte eigentlich nur das Gewitterschießen, keine anderen Maßnahmen gegen Unwetter. Dennoch äußerte sich Heinrich auch zum Gewitterläuten, denn es gab eine wichtige Verbindung: die Lautstärke. Ursprünglich sollte das Läuten mit großen Kirchturmglocken das Gewitter besonders wegen des Lärms vertreiben und das Schießen aus Kanonen würde diesen Effekt verstärken. Aber wirkte ein Geräusch überhaupt auf Wolken? Arbuthnot hatte 1768 gefragt, ob das Glockenläuten mechanisch einen Windstoß erzeugen könnte, aber sich nicht mit dem Ton beschäftigt. Heinrich hingegen beantwortete diese Frage: So sehen wir täglich, daß sich der Schall auch durch feste Körper fortpflanzet, ohne daß sich dergleichen Körper merklich bewegen. Selbst durch Wasser verbreitet sich der Schall, und doch bleibt es dabey ruhig. Daraus läßt sich erklären, warum auch bey Schalle, auch beym Geraßel des Donners, eine Flamme nicht beweget werde, der Rauch nicht von seiner Richtung abweiche u.s.w.98

94 Hammermayer: Geschichte 2 400. 95 Ebd. 400. 96 Hartmann: Heinrich 159–160; Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 177–178. 97 Heinrich, Placidus: Abhandlung über die Wirkung des Geschützes auf Gewitterwolken, welche 1788 den Preis erhalten hat. In: Neue philosophische Abhandlungen der baierischen Akademie der Wissenschaften 5 (1789) 1–144, hier 111. 98 Ebd. 26.

198  Naturforschung vor Publikum Die Erklärung lag in der Ausbreitung des Schalls durch Schwingung, nicht durch fortschreitende Bewegung der »Lufttheilchen.« Außerdem verwies Heinrich genauso wie Arbuthnot vor ihm auf die Häufung von Blitzeinschlägen in Kirchtürmen, in denen gerade geläutet wurde.99 Genau diese Art der Argumentation war es, die den Unmut des Dillinger Professors Weber besonders erregte. Weber hatte schon 1784 sehr anschaulich den geringen Einfluss des Schalls auf die Bewegung von Luftmassen erläutert, der sowohl durch die Erfahrung der Schützen selbst – sie müssten direkt neben den Kanonen einen sehr starken Luftzug spüren, was sie nicht tun – als auch durch die (nicht vorhandenen) Wirkungen des Donnerknalls gezeigt werde.100 Auch wies er auf den wichtigen Umstand der Koinzidenz hin: Nur weil zwei Ereignisse zeitlich aufeinanderfolgten, kann daraus nicht ohne Weiteres auf einen ursächlichen Zusammenhang geschlossen werden. Heinrich selbst ging in seiner Preisschrift auf Weber als einen von wenigen Autoren ein, die dem Schießen jegliche Wirkung absprachen. Webers Gründe hielt Heinrich für völlig unerheblich.101 Nach der Veröffentlichung von Heinrichs Preisschrift 1789 in den Abhandlungen der Bayerischen Akademie folgte zwei Jahre später eine Entgegnung durch Weber mit dem Titel Ueber die Unwirksamkeit des Schießens auf die Gewitter. Den Naturforschern zur Prüfung vorgelegt. Dieses Werk ist nicht erhalten; im selben Jahr erschien jedoch auch der sechste Band aus Webers Reihe Vorlesungen aus der Naturlehre über die Elektrizität, in dem er ein Kapitel dem Gewitterschießen und Heinrichs Abhandlung widmete. Heinrich ist hier der einzige Autor, auf den Weber eingeht, und er wird von ihm als »Vertheidiger des Gewitterschießens« bezeichnet.102 Weber widerlegt Heinrichs Argumente nicht, sondern erklärt sie für ungültig. Der Vorwurf lautete, dass entweder Beweise fehlten oder nur zufällige Koinzidenzen aufgeführt würden: H. Pr. Heinrich beruft sich zwar auf mancherlei Facta, die den Schein der Giltigkeit haben; allein gegen alle läßt sich mit Grunde die Exception machen: »sie konnten zufällig mit dem Schiessen eingetroffen sein.«103

Weber beurteilte Heinrichs Arbeit als physikalisch beitragslos, und es bliebe seiner Meinung nach weiterhin »unerwiesen, daß das Schießen auf die Gewitter einen merklichen Einfluß habe.«104 Der Druck seiner Preisschrift innerhalb der akademischen Abhandlungen hatte Heinrich also durchaus bekannt gemacht, auch wenn die Rezeption in diesem Fall negativ ausfiel. 99 Ebd. 142. 100 Weber: Verwahrungsmitteln; Weber, Joseph: Vollständige Lehre von den Gesetzen der Elektricität und von der Anwendung derselben. Landshut 1791, 297. 101 Heinrich: Gewitterwolken 141. 102 Weber: Elektricität 297. 103 Ebd. 296. 104 Ebd. 298.

Gewitterschutz: Läuten und schießen  199

Offiziell hatte auch die zweite Preisfrage der Bayerischen Akademie zum Gewitterschutz die Grundlage für eine Stellungnahme gegenüber der Oberlandes­ regierung bilden sollen. Ähnlich wie bei Arbuthnot Anfang der 1770er Jahre stellt sich daher die Frage, ob Heinrichs Arbeit die Entscheidungen der Akademie­ mitglieder beeinflusste. Der Akademiesekretär Kennedy gratulierte Heinrich im März 1788 zur Preisverleihung mit den Worten: »[S]ie hat ihn verdienet. Sie ist treflich ausgearbeitet, und hat die Materie, soviel es die Umstände zulassen, erschöpfet.«105 Heinrich hielt das Gewitterschießen zwar nicht für ein »allgemeines Rettungsmittel« zum Einsatz in allen Situationen, aber unter den richtigen Umständen – bei anhaltendem Regen und guter Lage des Ortes – für »das einzige Mittel, wovon sich mit Wahrscheinlichkeit ein guter Erfolg hoffen läßt.«106 Dabei galt: je größer und häufiger die Kanonade war, desto besser die Wirkung auf Gewitterwolken.107 Die Akademie ließ einen Monat nach der Preisverleihung an Heinrich der Oberlandesregierung in einem Schreiben ausrichten, dass das Schiesen überhaupt gegen die Donner und Hagelwolken ein äußerst ungewißes und äußerst unsicheres Mittel sey, daß das Schiesen aus kleinen und wenigen Pöllern, […] gar keine Wirkung auf die Wolken hat, und daß […] wenigstens ein gewißer Schaden dabey seye.108

Die Akademie rate insgesamt dringend zu einem allgemeinen Verbot des Gewitterschießens, auch um für Klarheit in der Bevölkerung zu sorgen. Eine Differenzierung nach Orten, wie Heinrich sie in seiner Abhandlung vorschlug, war nicht praktikabel und schwer zu kommunizieren. Entsprechende Beispiele ließen sich viele finden: so führte fünf Jahre zuvor der Salzburger Erzbischof eine Auseinandersetzung mit dem Domkapitel genau wegen der unterschiedlichen Handhabung des Wetterschießens. Dörfer unter der Grundherrschaft des Domkapitels durften weiterhin bei heranziehendem Gewitter mit Kanonen schießen, während in allen anderen Teilen Salzburgs seit 1773 ein striktes Verbot dieser Praxis herrschte. Den unzähligen Beschwerden gegen das Schießen des Nachbarn, der damit das Gewitter auf die eigenen Felder treiben würde, wurde 1783 durch ein endgültiges Verbot der Verteilung von Schießpulver entsprochen.109 Es stand also außer Frage, dass nur eine vollständige Erlaubnis oder ein umfassendes Verbot denkbar war. Da die Sitzungsprotokolle der Bayerischen Akademie seit 1779 erhalten sind, lassen sich die an dieser Entscheidung beteiligten Personen genauer identifizie 105 Brief Ildephons Kennedy an Placidus Heinrich vom 30.03.1788, ABAdW Briefe 1788 Nr. 2/1. 106 Heinrich: Gewitterwolken 135, 137. 107 Ebd. 68. 108 Schreiben der BAdW an die Oberlandesregierung am 31.04.1788, ABAdW VIII 167 fol. 29–30. 109 Schitter: Weißpriach 105.

200  Naturforschung vor Publikum ren. In den beiden für den Gewitterschutz relevanten Sitzungen vom 15. Juni 1784 und vom 1. April 1788 tauchen neben dem Vizepräsident Graf Anton von Törring-Seefeld (1725–1812) und Mitgliedern der historischen und belletristischen Klasse drei relevante Namen auf: Der Geheime Kabinettssekretär Stephan von Stengel  (1750–1822), der Akademiesekretär Kennedy und der ehemalige Jesuit Franz Xaver Epp (1733–1789).110 Alle waren frühe Verfechter des Nutzens von Blitzableitern und schon vor den Anfragen der Oberlandesregierung an die Akademie 1784 mit den Themen vertraut. Graf Törring-Seefeld ließ bereits 1781 sein Schloss durch Epp mit einem Blitzableiter ausstatten.111 Stengel hatte mit Hemmer gemeinsam in Mannheim die meteorologische Gesellschaft gegründet, kannte dessen Theorien zum Blitz und zum Gewitterschutz und hatte nach dem Umzug von Mannheim nach München im Gefolge des Kurfürsten seine eigenen Wetterbeobachtungen fortgesetzt. Er war es gewesen, der das Schreiben zum Verbot des Gewitterschießens an die Oberlandesregierung formulierte. Auch Epp hatte sich besonders der Meteorologie verschrieben und publizierte früh seine Untersuchungen zu Blitzeinschlägen.112 Alle waren vom positiven Nutzen des Blitzableiters überzeugt. Kennedy zeigte schon 1784 seine Ungeduld zu den erneuten Anfragen der Regierung bezüglich Gewitterschießen und Gewitterläuten, denn man fände »keine weitere Antwort zu ertheilen, als was das Pro Memoria, so die Akademie an das Kurf[ürstliche] Pollicey Collegium schon den 5 Merz 1773 überreicht hat, in sich erhält.«113 Die ablehnende Haltung gegenüber Wetterläuten und Wetterschießen bestand schon vor der Ausschreibung der Preisfrage und änderte sich auch durch Heinrichs Arbeit nicht. Die Preisfrage sollte eigentlich bloß bereits Beschlossenes bestätigen. Gewitterschutz war ein öffentlich diskutiertes Thema, bei dem landesherrliche Verordnungen und akademische Stellungnahmen genauso eine Rolle spielten wie Preisfragen, Zeitschriften und Experimentalvorführungen an Universitäten. Das vergangene Kapitel begleitete vier Akteure dabei, wie sie sich an dieser Debatte auf ganz unterschiedliche Weise beteiligten. Dabei wurden zwei Aspekte besonders deutlich: Erstens beteiligten sich die Benediktiner Heinrich und Arbuthnot zwar an der Diskussion, nahmen dabei aber ganz andere Rollen ein als Hemmer und Weber. Deren Präsenz an den Höfen von Kurfürst und Bischof zusammen mit öffentlich vorgeführter Kompetenz in physikalischen Fragen machte sie zu Experten und Sachverständigen, die um Rat gefragt wurden und die von ihren Landesherren auf Blitzableiter-Reisen geschickt wurden. Diese Experten-Rollen nahmen die Klostergelehrten nicht ein. Zweitens wurden beide 110 ABAdW Protokolle 6 fol. 198r–v und 268v-269v. 111 Winkler: Meteorologie 140. 112 Epp, Franz Xaver: Problemata electrica. München 1773; Epp, Franz Xaver: Abhandlung von dem Magnetismus der natürlichen Elektricitaet. München 1777. 113 Brief der BAdW an die Kurbayerische Obere Landesregierung vom 15.06.1784, ABAdW VIII 167 fol. 19.

Elektrizität: Wissen vermitteln  201

Preisfragen der Bayerischen Akademie von den Benediktiner-Patres als Eingangstore in die Gelehrtenwelt genutzt. Arbuthnot publizierte sogar auch danach nur innerhalb der akademischen Abhandlungen. Die Bedeutung der Akademie als Publikationsorgan für monastische Naturforscher soll daher im folgenden Kapitel weiter vertieft werden. Vor allem in Hinblick auf die Bedeutung von physikalischen Vorführungen für alle hier behandelten Personen stellt sich anschließend die Frage nach dem Publikum von Experimenten hinter Klostermauern. Wie setzten sich Mönche und Chorherren mit der Elektrizität als »öffentlichster Wissenschaft« auseinander?

4.2 Elektrizität: Wissen vermitteln Für die Naturforscher des 18. Jahrhunderts boten sich verschiedene Möglichkeiten, mit einem Publikum in Kontakt oder auch in Interaktion zu treten. Experimentalvorführungen waren die für diese Zeit prägendste Form, Wissen über die Natur mit Hilfe von Demonstrationen und Experimenten zu vermitteln. Diese Vorführungen fanden nicht nur in öffentlichen Räumen wie in der Bayerischen Akademie statt, sondern auch abgeschlossener in den Unterrichtsräumen der Klosterschulen. Belehrung konnte aber auch über die direkten Zuschauer hinausgehen, wie die Errichtung von Blitzableitern zeigt. Am Beispiel des Armariums in Indersdorf wird deutlich, dass das ganze Kabinett auf die Vorführung newtonscher Physik ausgerichtet war. Für die Gelehrten zählte neben diesen Personenkreisen in besonderem Maß die Leserschaft ihrer Publikationen als imaginiertes Publikum ihrer Experimente. Der Akademiesekretär Kennedy bezeichnete das Abdrucken eines Berichts in den Abhandlungen auch als Möglichkeit, dass die Inhalte »dem gelehrten Publico mitgetheilet werden.«114 Die folgenden Abschnitte greifen ausgehend von den beiden Regensburger Benediktinerpatres Arbuthnot und Heinrich die verschiedenen Publika monastischer Naturforschung auf und fragen nach den unterschiedlichen Vermittlungsformen, die der Klosterkontext bot. 4.2.1 Lehrbücher und Abhandlungen Als Heinrich 1789 als Mitglied in die Bayerische Akademie aufgenommen wurde, bedankte er sich mit den Worten: Da ich noch durch keine öffentliche Schrift bekannt bin, und bloß durch die meteorologischen Beobachtungen, welche ich als Mitglied der Churfürstl. Witterungsgesellschaft nach Mannheim schickte, an den Arbeiten der Naturkundigen Theil nehme, 114 Brief Ildephons Kennedy an Peter Philipp Guden vom 06.06.1771, ABAdW Briefe 1771 Nr. 6/2.

202  Naturforschung vor Publikum so konnte ich mir diese vorzügliche Ehre weder versprechen, noch getraute ich mich, darum anzusuchen.115

Wissenschaftliche Publikationen trugen maßgeblich zur Bekanntheit eines Gelehrten bei. Im Jahr seiner Akademieaufnahme hatte Heinrich nur einen Disputationsdruck und seine Wetterbeobachtungen veröffentlicht. Dann beteiligte er sich erfolgreich an der vorher behandelten Preisfrage zum Gewitterschießen. Gemeinsam mit der Preisschrift wurde im selben Jahrgang der akademischen Abhandlungen auch eine Schrift Heinrichs über die Natur des Lichts gedruckt, in der er für die Materialität des Lichts und gegen die Eulersche Definition als Schwingung eines Äthers argumentierte.116 Dieses Thema beherrschte auch die Korrespondenz zwischen Heinrich und dem Akademiesekretär Kennedy in den nachfolgenden Jahren, während Gewitterschutz und Elektrizität keine Rolle spielten.117 Heinrich und Arbuthnot publizierten viel, während vom Pollinger Astronomen Prosper Goldhofer (1709–1782), dem wir im Zuge des Venustransits begegneten, kaum etwas erhalten ist. Dieses Kapitel führt Beobachtungen, die bereits zu den Veröffentlichungen gemacht wurden, aus den vorangegangenen Abschnitten zusammen und ergänzt sie um weitere Überlegungen konkret zu dieser Fragestellung. Wie sah die Publikationstätigkeit monastischer Naturforscher aus? Heinrich gehört zu den monastischen Naturforschern mit der höchsten Publikationszahl; in manchen Jahren erschienen sogar zwei Abhandlungen (siehe dazu Tabelle 10). Er wurde 1782 zum Priester geweiht und hielt seit 1785 Vorlesungen in St. Emmeram zur Experimentalphysik und Mathematik.118 Sechs Jahre später folgte er seinem ehemaligen Lehrer Coelestin Steiglehner (1738–1819) als Professor für Naturlehre und Mathematik an die Universität Ingolstadt. Mit Positiones mathematicae ac physicae steht eine Disputationsschrift von 1788 am Anfang seiner Publikationstätigkeit, eine weitere seines Schülers folgte später. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erschienen wie schon bei Arbuthnot hauptsächlich Artikel in den Abhandlungen der Bayerischen Akademie. Außerdem edierte Heinrich den neunten und damit letzten Band der Münchener meteorologischen Ephemeriden. Ab 1807 erfolgte eine deutlich internationalere Ausrichtung. Heinrich stellte Kontakt zum Astronomen Franz Xaver von Zach (1754–1832) 115 Brief Placidus Heinrich an die Mitglieder der BAdW vom 16.04.1789, ABAdW Briefe 1789 Nr. 4. 116 Hartmann: Heinrich 162. 117 Briefe zwischen Placidus Heinrich und Ildephons Kennedy 1788 und 1789, ABAdW Briefe. Ulrich Lehner schreibt Heinrich irrtümlich die Schrift Theoretisch-praktische Anweisung zur Anlegung und Erhaltung zweckmäßiger Blitzableiter von 1816 zu. Diese wurde jedoch durch den ehemaligen Augustinereremiten Maximus Imhof verfasst. Siehe Lehner: Monks 84. 118 Zur Biographie von Placidus Heinrich siehe Hartmann: Heinrich; Pongratz: Naturforscher 47–49; Neubauer: Regensburg 120–121; Wilde: Astronomen und Sternwarten.

Elektrizität: Wissen vermitteln  203

Tabelle 10: Übersicht der Publikationen von Placidus Heinrich aus St. Emmeram in Regensburg. 1788

Positiones mathematicae ac physicae. Regensburg

1789

Abhandlung über die Wirkung des Geschützes auf Gewitterwolken, welche 1788 den Preis erhalten hat. Neue Philosophische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 5, S. 1–144 Kommt das Newtonsche oder das Eulersche System vom Lichte mit den neuesten Versuchen und Erfahrungen der Physik mehr überein? Neue Philosophische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 5, S. 145–328

1794

Oscillationes Mercurii in tubo torricelliano ingruentibus procellis et tempestatibus. Observatae in museo physico Ratisbonae ad St. Emmeramum annis 1788 et 1789. Neue Philosophische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 6/2, S. 71–120

1796

De Sectionibus conicis Tractatus analyticus. Regensburg

1797

Band 9 der Kurfürstlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften in München meteorologische Ephemeriden Abhandlung über die mittlere Kraft und Richtung der Winde. Neue Philosophische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 7/6, S. 273–308

1801

De longitudine et latitudine geographica urbis Ratisbonae: tentamen primum. Regensburg

1806

Pyrometrische Versuche über die Ausdehnung des Eises und der Holzkohle. Physikalische Abhandlungen der Königlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften 2/8, S. 151–200

1807

Über Barometer-Veränderungen zur Zeit der Monds-Perigaeen und Apogaeen. Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 15, S. 337–358

1808

Von der Natur und den Eigenschaften des Lichtes. Eine physisch-chemische Abhandlung als Beantwortung der Preisfrage welche die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg für das Jahr 1806 vorgelegt hat Bestimmung der Maasse und Gewichte des Fürstenthums Regensburg

1812

Vom Gefälle der Donau. Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 25, S. 368–379

1813

Die Temperatur von St.  Petersburg aus einer Reihe zwanzigjähriger Beobachtungen hergeleitet. Journal für Chemie und Physik 8, Beilage 3, S. 1–12; Beilage 4, S. 1–14

1819

Kurze Lebensgeschichte des letzten Fürstabts zu St.  Emmeram, Coelestin Steiglehner. Regensburg

1811–1820

Die Phosphoreszenz der Körper nach allen Umständen untersucht und erläutert. 5 Bände. Nürnberg

1824

Meteorologische Übersicht des Jahres 1823. Journal für Chemie und Physik 40, S. 117–128

204  Naturforschung vor Publikum her, dem Leiter der Seeberg-Sternwarte in Gotha, und publizierte in dessen Zeitschriften. Er beteiligte sich an einer Preisfrage der Petersburger Akademie und reiste 1809 mit Fürst Karl von Dalberg nach Paris. Der Kontakt zur Akademie war zu Beginn des neuen Jahrhunderts fast vollständig abgebrochen. Neben Heinrich publizierte von den Benediktinern aus St. Emmeram nur noch Steiglehner im Bereich der Naturforschung. Er hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der bayerischen Meteorologie und begründete die sehr umfangreichen Emmeramer Wetteraufzeichnungen. Aus seiner Feder stammen ein zweibändiges Lehrbuch zur Mathematik und Philosophie, zwei Abhandlungen zur Elektrizität119 sowie eine Untersuchung zum Luftdruck.120 Mit letzterem aus dem Jahr 1783 stellte Steiglehner seine Publikationstätigkeit zwar ein, widmete sich aber noch einige Jahre der Neuordnung der Meteorologie in der Bayerischen Akademie, bis er 1791 zum letzten Fürstabt des Regensburger Klosters gewählt wurde. Im Gegensatz zur regen Publikationstätigkeit der Regensburger Benediktiner trat der Pollinger Chorherr Goldhofer kaum durch Veröffentlichungen in Erscheinung. Unter den Akademiemitgliedern in München war er als Astronom sehr bekannt und geschätzt, hauptsächlich durch die Beziehungen zwischen dem Akademiesekretär Johann Georg Lori (1723–1787) und seinem Propst Fran­ziskus Töpsl (1711–1796). Lori hatte sich viel von der Mitarbeit Goldhofers erhofft und für ihn eine herausgehobene Stellung in der akademischen Astronomie vorgesehen. Wie im vorherigen Kapitel über den Venustransit ausführlich geschildert, unterstützte Goldhofer in den ersten Jahren die Akademie nach besten Kräften. Mit einigem Aufwand war die Herausgabe des astronomisch-physikalischen Kalenders verbunden, den Goldhofer für die Bayerische Akademie fünf Jahre bis zur Einstellung des Drucks übernahm. Im Winter 1773/1774 formulierte Goldhofer zwei astronomische Abhandlungen, auf deren Einsendung er jedoch nie eine Rückmeldung erhielt: »Da ich nun bis auf gegenwärtige Stund noch nit die ehr gehabt, einige Antwort von H. v. Lori zuerhalten, so kan ich nit errathen, was für ein Schiksaal benannte Schrifften müsse getriffen haben.«121 Die Artikel blieben verloren und Goldhofer zog sich nun von der Akademie zurück. Die einzige weitere gedruckte Schrift war ein kurzer Bericht zur Beobachtung 119 Steiglehner, Coelestin: Observationes Phaenomenorum Electricorum In Hohen-Gebrachin Et Prifling Prope Ratisbonam factae et expositae. Regensburg 1773; Steiglehner, Coelestin: Beantwortung der Preisfrage über die Analogie der Elektricität und des Magnetismus. In: Neue philosophische Abhandlungen der baierischen Akademie der Wissenschaften 2/2 (1780) 227–350. 120 Steiglehner, Coelestin: Atmosphaerae pressio varia, observationibus baroscopicis propriis et alienis quaesita. Ingolstadt 1783. 121 Brief Prosper Goldhofer an Ildephons Kennedy vom 24.03.1774, Archiv der BAdW Briefe 1774 Nr. 6.

Elektrizität: Wissen vermitteln  205

einer Mondfinsternis, der schon 1736 innerhalb der Zeitschrift Parnassus Boicus seines Lehrers Eusebius Amort (1692–1775) erschienen war. Es ist jedoch eine Liste mit Manuskripten von Goldhofer erhalten, von denen eine Mehrheit mathematischen und astronomischen Inhalts sind. Bekannt sind aber nur noch deren Titel, da keines dieser Werke gedruckt wurde und die Handschriften verloren gingen.122 Es handelt sich dabei vor allem um Exzerpte und Notizen zu astronomischen Werken sowie zu den Veröffentlichungen der Pariser Akademie, um astronomische und meteorologische Beobachtungen aus den Jahren 1759–1782 und um Texte zu praktischen Problemen wie der astronomischen Positionsbestimmung (Astrometrie) im Frage-Antwort-Schema. Tabelle 11: Übersicht der Publikationen von Prosper Goldhofer aus Polling. 1736

[Kurze Beschreibung einer Mondsfinsternis innerhalb des sechsten Berichts Von verschidenen neuen Bücheren / und anderen zur Gelehrsamkeit gehörigen Sachen]. Parnassus Boicus Band 5, 1. Versammlung, S. 86–87

1760

Observations astronomiques, faites à Polling: Par M. Goldhower. Récueil des Mémoires des Savants Etrangers, Table Generale, Band 7 (1751–1760), S. 449

1763–1767

Astronomischer Kalender oder Ephemeriden. München

Wie publizierten andere Pollinger Naturforscher? Den Anfang machte Amort mit seiner Nova Philosophiae, Planetarum, et Artis criticae systemata, adumbrata von 1723, in der er zwischen dem heliozentrischen und geozentrischen Weltbild zu vermitteln versuchte. Wegweisend für den philosophischen Unterricht in Polling bis zu dessen Reform in den 1760er Jahren wurde Amorts großes Hauptwerk, seine Philosophia Pollingana. In fünf Teilen legte er eine Auseinandersetzung traditioneller scholastischer Philosophie mit Experimentalphilo­ sophie vor und entwickelte ein eigenes Weltsystem ähnlich desjenigen von Tycho Brahe (1546–1601).123 Amorts Mitbruder Herkulan Vogl (1709–1740) verfasste 1740 einen sechsten Teil, in dem den neueren Entwicklungen der Astronomie Rechnung getragen wurde.124 Den größten Anteil an Beiträgen zu astronomischen und physikalischen Themen nehmen die Berichte im Parnassus Boicus 122 Diese Auflistung ist Teil der biographischen und bibliographischen Sammlung von Augustiner-Chorherren von Franziskus Töpsl, zu finden in BSB Clm 26400–26428. Unter BSB Clm 26406 finden sich die Chorherren mit dem Anfangsbuchstaben G, so auch Prosper Goldhofer. 123 Das als Tychonische Weltbild bezeichnete System sieht eine Verbindung des ptolemäisch-geozentrischen und kopernikanisch-heliozentrischen Weltbild vor. Dabei sollte die Erde im Zentrum ruhen und Mond und Sonne sich um die Erde bewegen. Die Planetenbahnen besaßen als Zentrum jedoch die Sonne, nicht die Erde. Eine Sphäre mit Fixsternen bewegt sich dabei in 24 Stunden um die Erde herum. 124 Vogl, Herkulan: Mathesis Pollingana, seu Philosophiae Pollinganae tomulus Sextus. Venedig 1740.

206  Naturforschung vor Publikum ein, die Amort 1722–1740 herausgab.125 Hier veröffentlichte auch Goldhofer 1736 seinen Bericht über eine Mondfinsternis und Vogl 1740 eine Historisch philosophische Abhandlung vom Nordlicht. Etwa 20 Jahre nach Vogls Ergänzung der Philosophia Pollingana erstellte Aldobrand Gebhard (1726–1791) ein neues Lehrbuch für das philosophischen Hausstudium, eine dreibändige Philosophia universalis. Da Goldhofers Abhandlungen für die Bayerische Akademie verloren gingen, gab es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keine astronomischphysikalischen Publikationen von Pollinger Chorherren außerhalb des Unterrichtsbetriebs. Vicelin Schlögl (1743–1811) gab zwei Disputationen heraus und Gelasius Gaill  (1756–1832) Tabellen der Linnéischen Pflanzenklassen für den Unterricht im hauseigenen botanischen Garten. Mit Amorts Parnassus Boicus und seiner Philosophia Pollingana prägte er wesentlich die Schriftwerke der Pollinger Naturforscher, die danach sein Lehrbuch nur noch ergänzten und aktualisierten. Gebhards Philosophia universalis entstand im Zusammenhang mit einer grundlegenden Reform des Pollinger Studiensystems, mit der Propst Töpsl die beiden Chorherren Goldhofer und Gebhard ab den 1760er Jahren betraute. Aus Kostengründen wurde das Werk jedoch nie gedruckt. Es hat sich allerdings ein Exzerpt von Gerald Burckhart (1740–1782) erhalten, das einen guten Einblick in den Pollinger Philosophie-Unterricht gibt.126 Töpsl beschrieb die Veränderungen in einem Brief an einen portugiesischen Propst mit den Worten: »In Philosophie wurde früher die veröffentlichte Philosophia Pollingana unseres Amorts vorgetragen: jetzt aber, da man täglich durch Versuche Neues entdeckt, wird eine andere gelehrt, die hauptsächlich auf Grundsätzen des Engländers Newton fußt.«127 Gebhards neues Lehrbuch bestand aus drei Bänden und behandelte die Logik, die (allgemeine) Experimentalphysik der Körper sowie die (spezielle) Physik von Hydrostatik, Hydraulik und Aerometrie.128 Die Physik folgte dem System von Pieter van Musschenbroek (1692–1761), beschrieb Goldhofer seinem französischen Mitbruder Pingré in einem Brief, und orientierte sich damit an der holländischen Form der Experimentalphysik.129 Disputationen und Lehrbücher prägten die Publikationstätigkeiten aus Polling und St. Emmeram. Durch das Format der Abhandlungen der Bayerischen Akademie bot sich die Möglichkeit, noch ein anderes Publikum zu erreichen. 125 Für eine genauere Untersuchung der astronomischen Abhandlungen im Parnassus Boicus siehe Kapitel 2.1.1.2 in dieser Arbeit. 126 Zur Biographie von Gerald Burckhart siehe van Dülmen: Franziskus Töpsl 341; Daisenberger: Daisenberger 1815 – Monumentum debitae gratitudinis et filialis 59. 127 Brief Franziskus Töpsl an Igantius Fonseca vom 03.08.1768. Handschriften BSB Clm 26441, fol. 305. Zitat abgedruckt in van Dülmen: Franziskus Töpsl 162. 128 BSB Cgm 11866 a–c. 129 »Les ordres de M. mon abbé m’ont déterminé à expliquer la Physique de Pierre van Musschenbroeck.« Brief Prosper Goldhofer an Alexandre-Guy Pingré vom 08.04.1758. Handschriften BSB Cgm 2939.

Elektrizität: Wissen vermitteln  207

Außerhalb des süddeutschen Raums wurden diese jedoch kaum wahrgenommen und spielten neben den Schriftreihen der Akademien in Berlin und Göttingen praktisch keine Rolle.130 Noch stärker als Heinrich nutzte der Schottenbenediktiner Arbuthnot die Preisfragen der Akademie in München, wie wir im vorangehenden Kapitel bereits sahen. Wie gestaltete sich die schriftliche Tätigkeit anderer Klostergelehrter außerhalb von Polling und Regensburg? Im Wesentlichen lassen sich die bisherigen Beobachtungen bestätigen, nur dass die Anzahl der Werke im Vergleich zu St. Emmeram und St. Jakob deutlich geringer waren. In Prüfening schrieb Rupert Kornmann (1757–1817) Sätze aus dem Rechte der Natur als Resultat seiner Vorlesungen und aus Scheyarn publizierte Otto ­Enhuber (1738–1808) seine Wetterbeobachtungen, Frobenius Hibler (1752–1803) einen Kommentar über ein Werk des französischen Astronomen Nicolas-Louis de Lacaille und Gabriel Knogler (1759–1838) ein Lehrbuch mit dem Titel Elemente der angewandten Mathematik. Ähnliches lässt sich für die meisten Klöster fortführen. Ein interessanter Fall ist Dominikus Beck (1731/32–1791) aus Ochsenhausen, der ab 1766 bis zu seinem Tod 25 Jahre lang als Professor für Mathematik und Physik an der Universität Salzburg lehrte. Beck publizierte eine Vielzahl an Lehrbüchern, Disputationen und astronomischen Beobachtungen. Eine Besonderheit ist jedoch sein Faßlicher Unterricht Gebäude auf eine leichte und sichere Art vor dem Einschlagen des Blitzes zu bewahren aus dem Jahr 1786, in dem er die Natur des Blitzes und die richtige Bauweise eines Blitzableiters erklärt.131 Diese Schrift entstand im Rahmen von Becks Bemühungen, die Blitzableiter im Erzstift Salzburg zu verbreiten und stellt die einzige Aufklärungsschrift eines monastischen Naturforschers dar. Schon im vorherigen Kapitel über die Debatten zum Gewitterschutz an der Bayerischen Akademie fiel auf: Während sich der Dillinger Professor Weber und der Mannheimer Hofkaplan Hemmer mit mehreren leicht verständlichen und kurzen Abhandlungen um die Aufklärung der Bevölkerung bemühten, beschränkten sich Heinrich und Arbuthnot auf die akademischen Preisfragen. Aufklärungsschriften waren Klostergelehrten fremd und gehörten nicht zu ihrem Repertoire. Beck bildet eine Ausnahme, die sich durch seinen Wirkungskreis in Salzburg außerhalb seines Heimatklosters erklären lässt. Das Fehlen eines Druckwerks über den Venustransit ist symptomatisch für die Publikationstätigkeit Pollinger Naturforscher, die völlig auf die eigenen Bedürfnisse des Studienseminars beschränkt blieben. Zusätzlich zu den bisherigen Publikationsformaten traten monastische Naturforscher noch durch eine weitere Form schriftlich an die Öffentlichkeit, nämlich 130 Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung 263–267. 131 Beck, Dominikus: Faßlicher Unterricht Gebäude auf eine leichte und sichere Art vor dem Einschlagen des Blitzes zu bewahren. Zum Nutzen und Gebrauch seiner Landsleute. Salzburg 1786.

208  Naturforschung vor Publikum durch ihre Wetterbeobachtungen in den meteorologischen Ephemeriden der Bayerischen Akademie. Die Art der Autorschaft unterschied sich hier von der anderer Publikationen, denn der Name des Datensammlers wurde am Anfang eines Bandes genannt und stand damit von seinen eigentlichen Messwerten getrennt. So lautete der entsprechende Satz zu Kloster Rott am Inn: »An dem Innstromm in dem Kloster Rott, wurden die meteorologischen Beobachtungen von Hr. P.  Rupert Weigl, Prof. der Theologie, und Hr. P.  Emmeramus Sutor, beyden O. S.B. angestellt.«132 Ab dem dritten Band reduzierte sich das Vorwort auf eine Übersicht der Beobachter wie in Abbildung 16. Außerdem übernahm der Geistliche Rat Epp die Redaktion der Daten und druckte, im Gegensatz zu Hemmer in Mannheim, die Werte gar nicht im Original ab. Dadurch bestätigt sich der schon vorher gewonnene Eindruck, dass bei den meteorologischen Messnetzen weniger die Einzelpersonen als Datensammler und mehr die Orte als Beobachtungsstationen im Vordergrund standen. Der Wetterbeobachter als Individuum trat in den Hintergrund. Die Frage nach Autorschaft und Namensnennung betrifft noch einen anderen Aspekt, der für Klostergelehrte eine besondere Relevanz hatte: Demut und Stolz. Ein Mitbruder beschrieb den Emmeramer Abt Steiglehner mit den Worten: »Aber eine gewisse gar zu religiöse Demuth hält ihn von öffentlichen Erscheinungen ab. Denn ein so grosser Philosoph als er wircklich ist, ein so frommer Religios ist er auch.«133 Mönche standen vor dem Dilemma, demütig und nicht stolz sein zu sollen und sich gleichzeitig in der Gelehrtenwelt einen Namen machen zu wollen. Als Heinrich die Herausgabe der akademischen Ephemeriden von Epp übernahm, schickte er 1795 den letzten Band nach München mit dem Hinweis, sein Vorgänger hätte die bisherigen Bände mit einem Vorwort und seinem Namen beginnen lassen, aber er selbst bestehe nicht darauf: »Ich habe es nicht gethan, und überlasse es dem Gutdünken der Akademie, was hierin beliebt wird.«134 Der neunte und letzte Band der Ephemeriden erschien ohne seinen Namen. Ähnlich bat Goldhofer den Akademiesekretär, seine astronomischen Beobachtungen »bitte vor dissmahl nit unter meinem ganzen Nahmen, sondern nur mit dessen initial buchsteben zu publiciren.«135 Diese Bitten bleiben jedoch Ausnahmen. Die Mehrheit der Klostergelehrten veröffentlichte wie ihre laikalen Kollegen unter ihrem vollen Namen. Die Tatsache, dass monastische Natur-

132 Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1782. Zweyter Jahrgang 1783, 16. 133 Brief Roman Zirngibl an Karl Albrecht von Vacchiery vom 27.03.1791, abgedruckt in Kraus: Kraus 1966 – Die Briefe Roman Zirngibls 356. 134 Brief Placidus Heinrich an Maximus Imhof vom 14.03.1795, Archiv der BAdW Briefe 1795 Nr. 2–2. 135 Brief Prosper Goldhofer an Johann G.  Lori vom 29.03.1761, abgedruckt in Spindler: Briefe 388–392.

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Abb. 16: Auflistung der oberbayerischen Wetterbeobachter für den dritten Band der meteorologischen Ephemeriden der Bayerischen Akademie, 1783. Siehe Epp: Ephemeriden 3 4.

forscher kaum außerhalb Süddeutschland und oft noch nicht einmal außerhalb Kurbayerns bekannt waren, lag weniger an anonymen Veröffentlichungen als an der Publikationsform. Die Mönche und Chorherren bewegten sich mit ihren Veröffentlichungen innerhalb der lokalen und klösterlichen Strukturen: Lehrbücher und Disputa-

210  Naturforschung vor Publikum tionsdrucke kamen aus dem traditionellen Schulbetrieb und ihre Inhalte drangen kaum nach außen. Nur über die Abhandlungen der Bayerischen Akademie wurde dieses Format aufgebrochen, die aber selbst einen Binnendiskurs bildeten.136 Mit Publikationen konnten die Klostergelehrten auch ein weit entferntes Publikum erreichen und die Entfernungen überbrücken. Wer aber kam direkt in Berührung mit den Experimenten und Demonstrationen vor Ort? 4.2.2 Experimentalvorführungen Der Benediktiner Kennedy führte in München über zehn Jahre lang Experimentalvorführungen in den Räumen der Bayerischen Akademie vor, wie das Eingangsnarrativ berichtete. Kennedy war jedoch kein typischer monastischer Naturforscher, da er mehr als vierzig Jahre das Amt des Akademiesekretärs inne hatte und außerhalb seines Klosters lebte. Gehörte das Demonstrieren und Unterhalten eines Publikums zu den Aspekten, die nur außerhalb des Klosters und nur mit städtischem Publikum möglich waren? Vom Regensburger Schottenbenediktiner Arbuthnot hörten wir bereits, dass er im Klosterseminar und in der Ritterakademie Experimente durchführte und öffentliche mathematische Vorträge hielt. Ähnliches ist von Heinrich aus St. Emmeram bekannt, dem wir über seine Preisschrift 1789 zum Gewitterschießen begegneten. Heinrich war seiner Meinung nach zwar noch nicht durch eine »öffentliche Schrift bekannt,« als er in die Bayerische Akademie aufgenommen wurde, aber der städtischen Bevölkerung Regensburgs war er durchaus vertraut. Seit 1785 hielt er in St. Emmeram öffentliche Vorlesungen über Experimentalphysik »zum Besten des Regensburger Publikums,« die ununterbrochen auch während der Kriegszeiten bis 1801 fortgeführt wurden.137 Über das Publikum schreibt ein Mitbruder später: »Nicht nur seine jüngern Mitbrüder, sondern auch Religiosen aus andern Klöstern und weltliche Söhne aus angesehenen Häusern zählte er […] unter seinen Zuhörern.«138 Der Ort dieser Kurse war das physikalische Kabinett der Abtei, das Heinrich sogar als »Versammlungsort aller Naturforscher der Reichsstadt« bezeichnete.139 Auch nach der Säkularisation setzte er seine Vorlesungen fort, die von den Schülern des ehemaligen Jesuitengymnasiums und Regensburger Bürgern besucht wurden.140

136 Meinel: Licht der Natur 211. 137 Heinrich: Lebensgeschichte 14, 19, 63. 138 Schmöger, Ferdinand von: Erinnerung an Joseph Placidus Heinrich, Phil. et Ss. Theol. Dr., Kapitular der hohen Kathedralkirche zu Regensburg, königl.-baier. u. bischöfl. geistl. Rath, Mitglied der k. baier. u. mehrerer auswärtigen Akademien u. gelehrten Gesellschaften. Regensburg 1825, 5. 139 Heinrich: Lebensgeschichte 19. 140 Schmöger: Erinnerung 10.

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Das städtische Umfeld Regensburgs ermöglichte den Klostergelehrten persönliche Kontakte zu anderen, laikalen Gelehrten. Heinrich verband eine enge Freundschaft mit dem Apotheker Ernst Wilhelm Martius (1756–1849), einem der Mitstifter der Regensburger Botanischen Gesellschaft. Ebenso pflegte er Bekanntschaft mit dem Arzt Christian Gottlieb Schäffer (1718–1790).141 Heinrichs Lehrer und späterer Abt Steiglehner profitierte besonders von den Besuchen einiger Naturforscher in Regensburg, mit denen er sich über aktuelle Themen austauschen konnte. So diskutierte er mit dem Arzt Franz Anton Mesmer (1734–1815) über dessen Theorie zum animalischen Magnetismus bei seinem Besuch im Jahr 1775.142 Ein Jahr später war der Wiener Hofarzt Jan Ingenhousz (1730–1799), der sich durch Pockenschutzimpfungen und seine Arbeiten zur Photosynthese einen Namen machte, zu Besuch in Regensburg und experimentierte mit Steiglehner zur Elektrizität. In Schloss Hohengebraching, der Sommerresidenz der Emmeramer Äbte, versammelten sich alle, auch die protestantischen, Mitglieder der Lesegesellschaft »Harmonie.«143 Bisher war die Rede von öffentlichen Experimentalvorführungen, die im städtischen Umfeld, in München und Regensburg, stattfanden. Gab es diese auch auf dem Land? Nur sehr sporadisch lässt sich dazu etwas in den Quellen finden. Im Refektorium von Kloster Andechs wurden im Mai 1778 Experimente mit einer Branderschen Luftpumpe vorgeführt, so berichtet die Chronik.144 Der Augsburger Instrumentenbauer Brander stellte seinen Kunden zusätzlich zur Luftpumpe auch eine Anleitung zur Verfügung, in der er beschrieb, welche Versuche damit wie besonders gut durchgeführt werden konnten. Um beispielsweise »zu zeigen, daß die Geschwindigkeit des Falles der Körper im Vacuo einerley, wenn sie auch ihrer absoluten Schwere nach sehr voneinander unterschieden sind,« ließ man in einer leer gepumpten Glasröhre »ein Paar der leichtesten Pflaumenfedergen, und ein Stückgen Metall oder Geld« gleichzeitig fallen und wiederholte den Versuch anschließend in der luftgefüllten Röhre (siehe Figur 16 in Abbildung 17).145 Solche und ähnliche Experimente wurden wahrscheinlich auch in Andechs durchgeführt. Auswärtigen Besuch erhielt Kloster Fürstenfeld zehn Jahre später, als ein Mechaniker elektrische Vorführungen veranstaltete und elektrotherapeutische Anwendungen versprach. Obwohl er »des Abts ­Tecelin schwaches Gehör nicht stärken« konnte, kaufte ihm der Abt eine Elektrisiermaschine samt Zubehör ab.146 141 Neubauer: Regensburg 120–121. 142 Pongratz: Naturforscher 45. 143 Neubauer: Regensburg 121. 144 Sattler: Chronik von Andechs 655. 145 Brander, Georg Friedrich: Kurze Beschreibung einer kleinen Luftpumpe oder Cabinet Antlia. Augsburg 1774, 36–37. 146 Gerard Führers, letzten Abtes von Fürstenfeld Chronik dieses Klosters von seiner Entstehung bis zu seiner Auflösung im Jahre 1802. Handschriften BSB Cgm 3920, § 326.

212  Naturforschung vor Publikum

Abb. 17: Kupferstich mit Abbildungen zur Erläuterung der beschriebenen Versuche mit einer kleinen Luftpumpe. Siehe Brander: Luftpumpe Tab. II.

Städtische Klöster wie in Regensburg verfügten über ein anderes Publikum als die ländlichen. Von Weltabgeschiedenheit kann keine Rede sein. Öffentliche Vorführungen und persönliche Kontakte der Benediktinergelehrten zu nichtmonastischen Naturforschern waren die Konsequenz. Auch wenn ländliche Klöster demgegenüber deutlich isolierter lagen, so ließ sich auch hier ein Publikum für Demonstrationen finden. Von den Vorführungen im Rahmen des Unterrichts wird später noch die Rede sein; aber auch die Klostergemeinschaft selbst konnte Adressat der Experimente sein  – wenn auch ein sehr binnenzentriertes. Wie sich dieser Demonstrationscharakter gerade der Elektrizität im monastischen Armarium auch physisch niederschlug, davon berichtet das nachfolgende Kapitel. 4.2.3 Die Indersdorfer Elektrisiermaschine Das Jahr 1783 sollte den Bayern in mehrfacher Hinsicht noch lange in Erinnerung bleiben. Den ganzen Sommer herrschte ein trockener Nebel und ständig gingen heftige Gewitter nieder. Es folgte ein besonders kalter Winter mit an-

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schließenden Überschwemmungen durch Schmelzwasser.147 Ursache war der Ausbruch eines Vulkans auf Island. Ein Unwetter anderer Art braute sich in diesem Jahr über dem Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf zusammen. Wegen angeblich miserabler Haushaltsführung erfuhr das Kloster in diesem Jahr seine Auflösung mit päpstlicher Genehmigung. Die Chorherren fanden Anstellung als Pfarrer in den umliegenden Dörfern, und den Landbesitz sprach Kurfürst Karl Theodor dem Münchener Liebfrauenstift zu.148 Unter den eingezogenen Wertgegenständen befand sich auch eine Sammlung mathematisch-physikalischer Instrumente, die in einer Hinsicht einzigartig unter den Klostersammlungen war: es existierte eine bildliche Darstellung.149 Propst Gelasius Morhart (1710–1771) veröffentlichte 1767 eine Klosterchronik, für die er eine ganze Reihe von Kupferstichen in Auftrag gab. Johann Georg Dieffenbrunner (1718–1785) erstellte 15 Stiche, die vor allem Innenansichten der von Morhart selbst renovierten Räumlichkeiten wie die Kapellen und die Bibliothek zeigen und den Stolz über deren gute Ausstattung zum Ausdruck bringen. Fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Chronik erstellte Dieffenbrunner noch einen weiteren Kupferstich als Ergänzung, der nun auch eine Innenansicht des Armariums zeigte (siehe Abbildung 18). Neben der typisch barocken Schrankeinrichtung erkennt man besonders eindrücklich die sogenannte Mittagslinie auf dem Fußboden. Der durch ein Loch in der Wand fallende Sonnenstrahl zeigte darauf den Zeitpunkt der mittäglichen Kulmination an, d. h. den höchsten Sonnenstand des Tages. Von größerem Interesse ist an dieser Stelle allerdings das Objekt auf dem Podest vorne rechts: eine Elektrisiermaschine. Im Zusammenhang mit der Klosteraufhebung 1783 erschien eine anonyme Schrift mit dem Titel: Urkunden über die Klosteraufhebung zu Intersdorf in Bayern. Veranlaßt vom Frauenstifte in München; andern zum Exempel. Teil dieser Schrift war ein Inventar der Indersdorfer Instrumentensammlung, die zum Zeitpunkt der Aufhebung 92 Apparate besaß. Der Bestand war damit zumindest vom Umfang vergleichbar mit dem des Pollinger Klosters.150 Während die Schrift insgesamt auf die Unrechtmäßigkeit des Umgangs mit Indersdorf hinweisen wollte, diente das Instrumenteninventar in besonderem Maße dazu, den 147 Zum ungewöhnlichen Klima im Sommer 1783 siehe Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 148. 148 Kornprobst, Hans: Vorhut der Säkularisation. Die Aufhebung 1783. In: Baldauf, Ingrid (Hg.): Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf. Katalog anläßlich der Ausstellung ›Die Augustinerchorherren in Bayern‹ im Kreuzgang des ehemaligen Stifts Indersdorf vom 29. April bis 4. Juni 2000. Indersdorf 2000, 69–93. 149 Aus Kloster Göttweig existieren zwei Kupferstiche, die den angedachten Zustand der Naturalien- und Kunstkammer zeigen. Sie wurden um 1744 von Salomon Kleiner hergestellt. Zu sehen sind Bücher, Waffen, Kunstobjekte, Fossilien sowie trocken und nass präparierte Tiere. Die mathematischen Instrumente sind nicht abgebildet. Siehe dazu Rameder: Rameder 2018 – Sammelleidenschaft im Kloster. 150 Dorner: Dorner 1978 – Die physikalische Sammlung des Klosters hier 296.

214  Naturforschung vor Publikum

Abb. 18: Johann Georg Dieffenbrunner: Armarium Physico-Mathematicum, 1767. Kupferstich der Indersdorfer Instrumentensammlung. Archiv des Erzbistums München Graphiksammlung Nr. 10472.

Eindruck einer regen Wissenschaftspflege zu erzeugen. Es liegt daher auch die Vermutung nahe, dass der Autor ein ehemaliger Indersdorfer Chorherr war. Es schwingt ein nicht unerheblicher Stolz mit, dass diese Sammlung für das Gymnasium in Straubing bestimmt war, »weil allda besonders in Philosophicis Armuth herrscht.«151 Zumindest im Jahr der Säkularisation Indersdorfs fanden die Urkunden über die Klosteraufhebung eine weite Verbreitung, wie ein Brief von einem Unbekannten an den Pollinger Propst zeigt: »Sie [die Schrift] wird reißend abgesetzt. Ich habe gestern auf die Nacht an meine Gäste 15 Exemplare verkauft.«152 151 Anonym: Klosteraufhebung 27. 152 Brief Ignaz Streicher an Franziskus Töpsl vom 02.10.1783, ediert in Hundt, Friedrich Hector Grafen: Die Urkunden des Klosters Indersdorf. In: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 25 (1864) 1–508, hier 404. Siehe auch Dorner, Peter: Die physikalische Sammlung des Klosters Indersdorf in Straubing. In: Amperland 16 (1980) 88–92, hier 88.

Elektrizität: Wissen vermitteln  215

Die Rechnungsbücher geben Aufschluss über Entstehung und Entwicklung der Instrumentensammlung. Bereits 1761 wird darin der Kauf einer »Electricität Machine samt Zugehör« zu einem Preis von 17  Gulden und 30 Kreuzer aufgeführt.153 Zum Vergleich: der Preis für den Azimutalquadranten von Brander für die Bayerische Akademie zur Beobachtung des Venustransits im selben Jahr betrug zwischen 500 und 600 Gulden.154 Es handelte sich also eher um ein einfaches Instrument. Erstaunlich ist dabei die Tatsache, dass erst danach die sonst für eine Instrumentensammlung typischen Geräte wie eine Luftpumpe angeschafft wurden. Weitere drei Jahre sollte es dauern, bis ein gesondertes Zimmer zur Aufbewahrung der Sammlung eingerichtet wurde. Woher kam dieses besondere Interesse an der Elektrizität? Kloster Indersdorf besaß eine lange Wissenschaftstradition. 1120 als Augustinerchorherrenstift gegründet, war es nach Scheyern und Ensdorf das dritte Hauskloster der Wittelsbacher.155 Seit seiner Entstehung verfügte Indersdorf über umfangreiche Finanzmittel, die besonders durch Schenkungen der regionalen Adelsfamilien entstanden. Im 15. Jahrhundert war das Kloster Zentrum der Raudnitz-Indersdorfer Klosterreform, die zu einer Verbesserung der Seelsorge und zu einer Verstärkung von Bildung und Gelehrsamkeit führte. Es wurde eine Bibliothek mit 400 Handschriften angeschafft und zwei Schulen eröffnet: eine für die Novizen und eine für die Pfarreikinder. Unter Propst Morhart erfuhren die Studien in Indersdorf dann eine naturwissenschaftliche Ausrichtung. Er ließ eine mathematisch-physikalische Instrumentensammlung einrichten, ergänzte die Bibliothek um entsprechende Fachliteratur und baute eine Sternwarte. Für die Anschaffung der Sammlung holte sich Morhart Unterstützung aus Ingolstadt. 1762 führten die Klosterrechnungen folgenden Posten auf: 17 Gulden für »P. Kraz Mathematico zu Ingolstadt, so ich wegen einrichtung des Musoi hab hollen lassen, rais unkösten und Honoranz.«156 Der Jesuit Georg Kratz lehrte Mathematik, Astronomie und Hebräisch an der Universität Ingolstadt und war persönlich nach Indersdorf gereist, um den Propst bei der Einrichtung seiner Instrumentensammlung zu beraten.157 Propst Morhart hatte selbst in Ingolstadt studiert, ebenso wie in Innsbruck. Da er aber bereits 1748 zum Vorsteher von 153 Eine Auflistung der Posten für das Armarium aus den Indersdorfer Rechnungsbüchern 1761 bis 1767 findet sich in Paula, Georg: Die Entstehung der physikalischen Sammlung im Kloster Indersdorf. In: Amperland 22 (1986) 319–321. 154 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 28.09.1759, ediert in Winkler: Branders Briefe 109–111. 155 Zur Geschichte von Kloster Indersdorf siehe Baldauf, Ingrid: Baldauf (Hg.) 2000 – Das Augustinerchorherrenstift Indersdorf. 156 Zitat nach Paula: Sammlung 320. 157 Zur Biographie von Georg Kratz siehe Baader, Clemens Alois: Das gelehrte Baiern oder Lexikon aller Schriftsteller welche Baiern im 18. Jahrhunderte erzeugte oder ernährte. Erster Band A-K. Nürnberg, Sulzbach 1804, 626–627; Romstöck, Franz Sales: Die Astronomen, Mathematiker und Physiker der Diöcese Eichstätt. I. Serie. Eichstätt 1884, 35–36; Schaff: Ingol-

216  Naturforschung vor Publikum Indersdorf gewählt wurde und Kratz erst zwei Jahre später den mathematischen Lehrstuhl übernahm, kannten sich die beiden nicht persönlich. Seinen Konventualen Augustin Torborch (1734–1772) sandte Morhart ebenfalls zum Studium nach Ingolstadt. Dieser schrieb sich 1752 als Student der Physik ein, schloss sein Studium zwei Jahre später mit einem Magister der Philosophie ab und hatte auch Vorlesungen bei Kratz besucht.158 Als sein Propst mit der Einrichtung einer Instrumentensammlung begann, stellte Torborch vermutlich den Kontakt zu seinem ehemaligen Lehrer her. Warum holte sich Morhart den Ingolstädter Professor zur Beratung nach Indersdorf? Sieben Publikationen sind von Kratz überliefert, von denen die letzte posthum erschien. Darin beschäftigte er sich vor allem mit der Theorie der Kräfte bei festen und flüssigen Körpern wie Biegung, Dehnung und Torsion. Ein zweiter Schwerpunkt lag in der Astronomie. Mit teilweise unzulänglichen Instrumenten beobachtete er an der Ingolstädter Sternwarte den Venustransit im Jahr 1761 und veröffentlichte nur wenige Monate danach seine Beobachtungsdaten.159 Ein Jahr später wurde seine Abhandlung zur Frage über die Berechnung der Entfernung zwischen Erde und Mond von der Bayerischen Akademie mit dem zweiten Preis geehrt. Möglicherweise hat Kratz den Indersdorfer Propst auch zum Bau seiner Klostersternwarte animiert. Sein Schüler Torborch verfasste zumindest Gedanken über eine sehr leichte Art, Anfängern die Astronomie beyzubringen und gibt damit Zeugnis über astronomischen Unterricht in Indersdorf.160 Die instrumentelle Ausstattung in Ingolstadt war für Kratz alles andere als zufriedenstellend.161 Die erste Anschaffung eines wissenschaftlichen Gerätes an der Universität datiert auf das Jahr 1729 mit einer Luftpumpe nach Nollet. In den folgenden Jahrzehnten kamen neben kleineren Erwerbungen zwei größere Sammlungen durch Vermächtnisse ehemaliger Professoren an die philosophische Fakultät. Als Kratz 1750 den Lehrstuhl für Mathematik und Astronomie übernahm, fand er jedoch keine geeigneten Apparate für seine Versuche in Mechanik und Hydraulik vor. In den folgenden Jahren beantragte die philosophische Fakultät mehrmals Gelder zur Anschaffung neuer Instrumente und stellte 1754 einen Mechaniker für ihre Instandhaltung ein. Den Großteil der Instrumente baute Kratz in den 14 Jahren seiner Anstellung jedoch selbst. Wann stadt; Bosl, Karl: Bosls bayerische Biographie. 8000 Persönlichkeiten aus 15 Jahrhunderten. Regensburg 1983, 448. 158 Boehm, Laetitia / Pölnitz, Götz von: Die Matrikel der Ludwig-Maximilians-Universität. Ingolstadt  – Landshut  – München. Teil 1 Ingolstadt. Bd. III 1700–1800. HalbBand  2 1750–1800. München 1979, 411. 159 Kratz: Observatio. 160 Die Arbeit wurde 1769 an die Bayerische Akademie gesandt, blieb jedoch ungedruckt und ist heute nicht mehr erhalten. 161 Zur Entwicklung der mathematisch-physikalischen Instrumentensammlung an der Universität Ingolstadt siehe Schaff: Ingolstadt 194–220.

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die ersten Instrumente zur Elektrizität gekauft wurden, lässt sich nicht mehr eindeutig zurückverfolgen. Bemerkenswert ist jedoch in diesem Zusammenhang der Bericht über einen kurfürstlichen Besuch im Jahre 1763: als sich Max III. Joseph das Armarium der Universität zeigen ließ und einige Versuche vorgeführt bekommen wollte, konnte seinen Wünschen nicht entsprochen werden. Außer den Apparaten für Elektrizität hätten alle anderen Geräte erst repariert werden müssen. Der Kurfürst war darüber sehr ungehalten und die Fakultätsmitglieder mussten sich den Spott der anwesenden Höflinge gefallen lassen.162 Als Kratz 1762 das Kloster Indersdorf aufsuchte, um dessen Propst bei der Einrichtung einer Instrumentensammlung zu beraten, waren in Ingolstadt wohl nur die elektrischen Geräte in akzeptablem Zustand. Wie sah der Ingolstädter Bestand aus? Obwohl an der Universität seit 1649 die Inventarisierung der Sammlung vorgeschrieben war, existiert eine solche Liste erst aus dem Jahre 1781. Der Benediktiner Steiglehner aus St. Emmeram in Regensburg erstellte sie bei seinem Amtsantritt. Darin wird eine walzenförmige Elektrisiermaschine mit einer Kurbel zum Drehen aufgeführt, ohne genauere Angaben zum Anschaffungsdatum.163 Einen umfangreicheren Einblick in die Ausstattung der Universität zur Zeit Kratz bieten die Kupfertafeln im Physik-Kompendium des Jesuiten Berthold Hauser (1713–1762).164 Dieser lehrte seit 1749 an der Universität Dillingen und gab von 1755 bis 1764 ein achtbändiges Werk zur Experimentalphysik heraus, dessen Kupferstichsammlung den Titel »Armarium Physikum Ingolstadianum« trägt. Auf diesen finden sich nicht nur zwei verschiedene Elektrisiermaschinen mit Walzen, sondern auch zwei Ausführungen mit Kugeln (siehe Abbildungen 19 und 20). Eine ähnliche Kugelelektrisiermaschine fand sich auch in Indersdorf (Vergrößerung siehe Abbildung 21). Die Glaskugel ist in einem hölzernen Rahmen aufgehängt und über eine horizontale Achse mit einer seitlich eingesetzten Kurbel verbunden. Unterhalb der Kugel befindet sich ein Ständer mit dem Reibezeug, also dem die Reibung bewirkenden Isolator. Dahinter lässt sich eine Leydener Flasche erkennen, bestehend aus einer horizontalen und einer vertikalen Stange mit abschließenden Kugeln sowie einem Metallbüschel. Der Erbauer dieser Elektrisiermaschine ist unbekannt. Im Inventar von 1783 wird diese nur aufgelistet als »[e]ine Elektricität.«165 Als Propst Morhart diesen Apparat kaufte oder in Auftrag gab, entschied er sich für eine kleine und kostengünstige Variante. Elektrisiermaschinen dienten dazu, durch Reibung elektrische Spannungen zu erzeugen. Dazu wurde mittels der Kurbel die Glaskugel gedreht und durch 162 Ebd. 206. 163 Sie ist heute noch erhalten und befindet sich im Stadtmuseum Ingolstadt, siehe dazu ebd. 212–213. 164 Ebd. 205. 165 Anonym: Klosteraufhebung 27.

218  Naturforschung vor Publikum

Abb. 19: Hauser: Elementa Tab. XIV. Zwei Kugelelektrisiermaschinen finden sich auf dem Tisch und in der vorderen rechten Bildecke.

Abb. 20: Hauser: Elementa Tab. XV. Zwei Zylinderelektrisiermaschinen finden sich links und rechts auf einem Tisch.

Elektrizität: Wissen vermitteln  219

Abb. 21: Johann Georg Dieffenbrunner: Armarium Physico-Mathematicum, 1767. Detail der Kugelelektrisiermaschine. Archiv des Erzbistums München Graphiksammlung Nr. 10472.

das darunter befindliche Reibezeug Ladung getrennt. Üblicherweise waren Elektrisiermaschinen mit Ladungsspeichern, zum Beispiel Kondensatoren, oder über Metallleitungen direkt mit Demonstrationsapparaten verbunden. Die sogenannte »Salonelektrizität« hatte im Laufe des 18. Jahrhunderts eine Vielzahl an Gerätschaften entwickelt, um die leuchtenden, knallenden und explosiven Effekte der Elektrizität vorzuführen und gleichzeitig ihre Eigenschaften wie Anziehung und Abstoßung zu erklären. Die Demonstrationen sollten »ein Maximum an Staunen und Stirnrunzeln« gleichermaßen hervorrufen, wie der Wissenschaftshistoriker Oliver Hochadel die Praxis der Elektrizität beschreibt.166 Lehrbücher wie das bereits genannte von Hauser oder des Ochsenhausener Benediktiners Beck führten diese Experimente in ihren Erklärungen auf und zeigten sie anschaulich in Kupfertafeln. Was wurde davon in Indersdorf benutzt? Neben der Elektrisiermaschine listet das Inventar »3 Verstärkungen, mit Experimentstücklein« sowie zwei Kondensatoren als »ein vergoldetes Glas zur Elektricität gehörig« und »[e]in luftleerer Cylinder zur Elektricität mit Goldpapier.«167 Ein Blick auf den Kupferstich von Dieffenbrunner verrät wenigstens 166 Hochadel: Öffentliche Wissenschaft 59. 167 Anonym: Klosteraufhebung 22–24.

220  Naturforschung vor Publikum eines dieser »Experimentstücklein«: zwei elektrische Glockenspiele. Sie befinden sich an der rechten Wand zu beiden Seiten eines Rocaille-geschmückten Parabolspiegels. Dabei handelt es sich um eine Erfindung des Schottenbenediktiners Andreas Gordon  (1712–1751) zur Demonstration von elektrischer Anziehung und Abstoßung. In der gängigen Variante wie in Abbildung 22 aus dem Lehrbuch von Beck hängen drei Glocken an einer Metallstange, die beiden äußeren leitend verbunden, die mittlere isoliert und geerdet. Zwischen den Glöckchen befinden sich zwei Metallkugeln an seidenen Schnüren für den Ladungstransport. Bei Aufladung der äußeren Glocken durch eine Elektrisiermaschine »werden die Glöckchen an den Enden des Drahts elektrisirt, und die isolirten Kügelchen von ihnen angezogen, aber auch gleich wieder von ihnen gegen das mittlere abgestossen werden: und auf die Art entstehet das elektrische Glockenspiel.«168 Auf dem Indersdorfer Stich fehlen die Metallklöppel und stattdessen hängt unterhalb der mittleren Glocke noch eine weitere. In dieser Form hätte das Glockenspiel nicht funktioniert, da keine Spannungsentladung stattfinden kann. Vermutlich ist dies jedoch durch die Ungenauigkeit des Kupferstechers zu erklären und das leise Klingeln war in Indersdorf durchaus zu hören. Die Verbindung zwischen der Elektrisiermaschine und den Glockenspielen wurde durch leitende Metalldrähte hergestellt. Obwohl diese Leiterkonstruktionen ganz nebensächlich zu sein scheinen, sind sie doch die bemerkenswertesten Objekte des ganzen Indersdorfer Armariums. In der Regel bestanden diese Leiter aus Metallstangen, die über Ösen miteinander verbunden und dadurch beweglich waren. Diese Stangen führen im Kupferstich jedoch nicht nur von der Elektrisiermaschine zu den beiden Glockenspielen, sondern überziehen den gesamten Raum. Sie gehen zunächst senkrecht nach oben, nach rechts an die Wand und anschließend unterhalb der Zierleiste um den Raum herum an die andere Seite. Damit konnte die Elektrisiermaschine, die auf ihrem Sockel vermutlich nicht beweglich war, mit jedem anderen Objekt innerhalb des Kabinetts verbunden werden. Ähnliche Leiterbahnen finden sich auch auf den Kupfertafeln in Hausers Lehrbuch. Anziehung und Abstoßung als Grundkräfte der Newtonschen Physik fanden sich in allen Apparaten des Armariums. Über die Leiterbahnen wurde Newtonianismus damit gewissermaßen im gesamten Kabinett verteilt und als Theoriesystem allen Instrumenten zugrunde gelegt. Monastische Instrumentensammlungen befanden sich hinter den Klostermauern und standen nur wenigen Personen offen. Nicht nur die Apparate, sondern der ganze Raum des Armariums war mit seiner opulenten Ausstattung jedoch auf Vorführung und Repräsentation ausgerichtet. In Indersdorf bemühte sich der Propst daher darum, durch den Druck eines Kupferstichs die Bekanntheit seines Kabinetts zu steigern. Dessen Ausstattung beruhte auch auf Kontakten zur Universität Ingolstadt. Wissenstransfer geschah nicht nur 168 Beck, Dominikus: Kurzer Entwurf der Lehre von der Elektricität. Salzburg 1787, 22.

Elektrizität: Wissen vermitteln  221

Abb. 22: Elektrisches Glockenspiel in Figur 5 im Lehrbuch von Dominikus Beck. Beck: Entwurf Tafel II.

222  Naturforschung vor Publikum durch Studienaufenthalte der Chorherren an der Universität, sondern auch durch Gegenbesuche der Professoren. Von allen Bereichen der aristotelischen Physik eignete sich vor allem die Reibungselektrizität für eine Integration der neuen experimentellen Naturlehre in die traditionelle Schulgelehrsamkeit. Statt der Phänomene von Druck und Vakuum und der damit verbundenen durchaus heiklen Frage des Atomismus stand der Fokus in Indersdorf auf den Effekten von elektrischer Anziehung und Abstoßung, die das ganze Armarium durchzogen. Das Indersdorfer Kabinett sollte jedoch nur knapp 20 Jahre bestehen. Im selben Jahr, in dem Kurfürst Karl Theodor das Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf auflösen ließ und die physikalischen Instrumente in Kisten verpackt und abtransportiert wurden, untersuchten zwei Benediktinerpatres im Kloster Rott am Inn den genauen Verlauf eines Blitzeinschlags.169 Hier sollte Elektrizität über die Sammlung hinausgehen. 4.2.4 Blitzableiter und Donnerhäuser Am 2. Oktober des Jahres 1783 schlug im Kloster Rott am Inn ein Blitz ein. Er traf den mittleren von fünf Schornsteinen eines Gebäudes und verursachte sonst keinen weiteren Schaden. Zwei Patres erachteten das Ereignis interessant genug, einen Bericht darüber zu verfassen und an die Bayerische Akademie nach München zu schicken. Das nebelreiche Jahr bescherte ganz Europa viele Gewitter, und das Geschehen in Rott war keine Besonderheit. Es fand dennoch in den meteorologischen Ephemeriden der Akademie Erwähnung, denn »[d]ie sehr genauen Herren Beobachter zu Kloster Rott [hätten] den einfahrenden Blitz und den Weg, den er genommen, mit einem scharfen philosophischen Auge verfolget.«170 Kloster Rott verfügte über Elektrisiermaschinen und andere elek­trische Instrumente, aber Elektrizität fand offenbar auch außerhalb des Kabinetts Beachtung. Über das Thema Gewitterschutz diskutierten und entschieden zwar hauptsächlich Gelehrte und Beamte in den Städten, aber die Durchsetzung der Verordnungen und die Aufklärung der Bevölkerung fand auch auf dem Land statt. Welche Rolle nahmen die Klöster dabei ein? In der Beschreibung der zwei Rotter Benediktiner über den Blitzeinschlag ist noch von keinem Blitzableiter die Rede. Fast zwanzig Jahre später erhielt der damalige Abt Gregor Mack (gest. 1801) in der Trauerrede anlässlich seines Todes 1801 gerade für die Errichtung von Wetterableitern »über alle Gebäude seines Stiftes« eine besondere Würdigung.171 Die Blitzableiter werden in einem Satz genannt mit der Errichtung der Sternwarte und dem Aufbau von Münz- und 169 Zur Nachverfolgung des Indersdorfer Armarmiums nach der Klosteraufhebung 1783 siehe Dorner: Straubing. 170 Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1783. Dritter Jahrgang 1784, 48. 171 Mareis: Trauerrede 33.

Elektrizität: Wissen vermitteln  223

Naturaliensammlung, anschließend kommen Wasserleitungen und Renovierungen von Mühlhaus und Brauhaus zur Sprache.172 So wie die Sternwarte stellvertretend für die Förderung astronomischer Studien stand, ging es beim Blitzableiter um ein Symbol für die Erforschung elektrischer Erscheinungen. Aber er war noch mehr, denn auch in der Größe der Errungenschaft war der Blitzableiter vergleichbar mit einer Sternwarte. Die Benediktinerabtei Rott war jedoch nicht das einzige Kloster, auf dessen Gebäuden Blitzableiter standen. Der Mannheimer Hofkaplan Hemmer setzte auf seiner Reise 1777 eine ganze Reihe von Wetterleitern auf die Kirchen- und Klostergebäude in St. Blasien sowie 1781 im Augustiner-Chorherrenstift Rottenbuch.173 Die Zisterze Waldsassen folgte 1791.174 Beachtung im Münchener Intelligenzblatt fand die Errichtung eines Blitzableiters im schlesischen Sagan, den der Abt selbst errichtet haben soll und dessen Höhe über dem Gebäude mit 12 bis 15 Fuß als lobenswert beschrieben wird.175 Eine ähnlich vorbildhafte Funktion übernahm der Blitzableiter des Klosters Raitenhaslach. Im Jahr 1781 berichtete das Münchener Intelligenzblatt über die Bauern des Dorfes Perach, die sich »[a]ufgemuntert durch das Beyspiel des benachbarten Klosters Reitenhaslach, welches sich auch durch zwey Wetterableiter wider die Gefahr des Blitzes gesichert hat,« von ihrem Pfarrer zur Abschaffung des Wetterläutens und zur Errichtung von Blitzableitern überzeugen ließen.176 Das gesamte Kloster Raitenhaslach hatte der ehemalige Jesuit Epp mit Ableitern versehen, und schon im ersten Band der akademischen Ephemeriden von einem sichtbaren Blitzeinschlag berichtet, der keinen Schaden angerichtet hatte.177 In den höher gelegenen Ortschaften um das Kloster herum wurde bei heranziehenden Gewittern eifrig mit Böllern zur Abwehr geschossen. Entsprechend dringend war für Epp die Installation von Blitzableitern auf den Klostergebäuden, da »sich das Wetter gezwungen sieht, sich in diesen Kessel zu retiriren. Man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Wuth die Donnerwetter hier ausbrechen.«178 Kloster Andechs erhielt mehrere Blitzableiter, nachdem wegen eines Blitzeinschlags im Kirchturm das gesamte Dach neu gedeckt werden musste.179 Dazu holte sich der Abt einen Rotten­bucher Chorherren zur Unterstützung und schützte somit bei einem Gewitter 1796 erfolgreich die Gebäude, wie die Chronik berichtet: »Dagegen leistete bei einem Gewitter […] die neue Blitzableitung gute Dienste und fing einen Blitzstrahl auf, 172 Ebd. 20. 173 Kistner: Mannheim 83–84. 174 Schrott: Blitzfang 296. 175 Münchener Intelligenzblatt Nr. 31 vom 13.07.1782, S. 303. 176 Münchener Intelligenzblatt Nr. 40 vom 22.09.1781, S. 411. 177 Epp: Epp 1782 – Der kurfürstlich baierischen Akademie 83–84. 178 Ebd. 84. 179 Mathäser, Willibald: Andechser Chronik. Die Geschichte des Heiligen Berges nach alten Dokumenten und aus neueren Quellen, ergänzt durch persönliche Erinnerungen. München 1979, 153–154.

224  Naturforschung vor Publikum der dem ganzen Kloster hätte Verderben bringen können.«180 Aus dem Kloster Scheyern ist zwar nichts über einen Blitzableiter im 18. Jahrhundert bekannt, aber einer der Patres setzte als Professor in Amberg einen solchen auf die dortige Mariahilfbergkirche.181 Die Praxis des Wetterläutens hat deutlich weniger Spuren hinterlassen. Arbuthnot berichtete jedoch davon, dass zumindest auf dem Bogenberg, einer Wallfahrtskirche unter Betreuung der Benediktiner aus Oberalteich, das Gewitterläuten verboten war.182 Auch die Bayerische Akademie bemühte sich darum, die Verbreitung von Blitzableitern zu fördern. Nachdem sie sich in mehreren Stellungnahmen für deren Nützlichkeit ausgesprochen hatte, sah man die Belohnung für bereits errichtete Wetterleiter für zielführend an. Sekretär Kennedy schlug eine »schrift­ liche Belobigung« vor, um die »Beamte[n] aus ihrem tiefen Schlafe zu wecken.« Als vorbildlich wurde das Verhalten der Landgerichtsbeamten in Erding betrachtet, die in vier Jahren bereits 60 Blitzableiter aufgestellt hatten.183 Hier hatte sich der Landrichter Joseph von Widnmann (1738–1807) um den Gewitterschutz verdient gemacht.184 Im Jahr 1793 erhielten ein Münchener Landwirt sowie ein Bader und ein Bauer aus dem Landkreis Regensburg von der Akademie eine silberne Medaille für die Errichtung von Blitzableitern auf ihren Häusern.185 Sehr erfolgreich war dieses Verfahren jedoch nicht; erst neun Jahre später gab es erneut eine Medaille für die erstmalige Setzung eines Ableiters. Immerhin beschlossen die Akademiemitglieder in einer Sitzung ebenfalls, zur »Aufmunterung für andere Bauern« die Belohnung durch Publikation im Regierungsblatt bekannt zu machen.186 Dennoch beklagte sich Kennedy 1784 in einem Brief an seinen Mannheimer Amtskollegen über den zögerlichen Aufbau und verband dies mit der Hoffnung, dass »die vernunft und die Erfahrung endlich obsiegen.«187 Blitzableiter errichten zu lassen gehörte zunehmend zu den Aufgaben eines fürsorglichen Landesherrn und genauso zu denen eines wohltätigen Abts. In der oben genannten Trauerrede für den Rotter Abt Mack heißt es dazu: Wollte Er [Abt Gregor Mack] etwa in die Rechte der göttlichen Allmacht gebietherische Eingrüffe thun, und die blitzenden Waffen der Gerechtigkeit stumpf machen, Er, der fromme, und gottesfürchtige, und für die Sache Gottes aussert eifernde Abt? – O nein; 180 Sattler: Chronik von Andechs 719–720. 181 Wirth, Lukas: Katalog zur Ausstellung ›Fluctuat nec mergitur‹. In: Der Scheyerer Turm 60 (2003) 14–97, hier 81. 182 Arbuthnot: Hochgewitter 418. 183 Brief Ildephons Kennedy an die Obere Landesregierung am 31.04.1788, ABAdW  VIII 167 fol. 29–30. 184 Stein: Stein 2007 – Staatskirchentum 390–392. 185 Sitzungen vom 26.02.1793 und 17.12.1793, ABAdW Protokolle 7 fol. 3r-v, 13r-14r. 186 Sitzung vom 20.05.1806, ABAdW Protokolle 7 fol. 368r. 187 Brief Ildephons Kennedy an Andreas Lamey vom 25.07.1784, ABAdW Briefe 1784 Nr. 4/4.

Elektrizität: Wissen vermitteln  225

er sagt dadurcht laut, daß es des Allmöchtigen höchsteigener Wille sey, daß wir uns, unsre Häuser, und Vieh, gegen die erschrecklich zerstörenden Anfälle der Gewitter durch alle nur mögliche natürliche Hilfsmittel schützen, und vertheidigen sollen.188

Der Abt war in seiner Amtszeit der Pflicht nachgekommen, die ihm anvertrauten Menschen und ihre Besitztümer vor der Zerstörung durch Gewitter zu schützen. Um das tun zu können, sollten alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel angewandt werden, und dazu gehörten auch die neuesten Erkenntnisse aus der Naturforschung. Über die »Pflicht des Naturforschers« gegenüber den Menschen und gegenüber seinem Schöpfer formulierte das Münchener Intelligenzblatt: Es stehet zwar auch nicht in unsrer Macht, dem Schöpfer und der Natur Gesetze vorzuschreiben: jedoch ist es theuere Pflicht der Naturforscher, alle Vorsicht zu gebrauchen, und also aus vernünftigen Gründen zu beweisen, was für Mittel schädlich, und nützlich seyn können […]. […] Man redet mit Ableitern so wenig als mit Raketten der Allmacht Gottes ein, sondern man leitet nur die Natur durch Verstand, welchen uns Gott zu Abwendung schädlicher Wirkungen der Natur gegeben hat. Warum nehmen wir dann einen Regenschirm, wenn es regnet? Sollten wir nicht lieber bis auf die Haut naß werden, als der Allmacht Gottes einreden?189

Auch hier findet sich das bereits angesprochene, gern genutzte rhetorische Versatzstück, um vermeintliche Gegenargumente wegen ihrer Sinnlosigkeit zu entkräften. Unter den Klostergelehrten war der Gedanke, zur Nutzung der gottgegebenen Talente verpflichtet zu sein, weit verbreitet. In den meisten Fällen wurde dieses Argument nur auf die Gabe der Vernunft bezogen, doch monastische Naturforscher bezogen es auch auf viel pragmatischere Aspekte. So versprach Heinrich aus St. Emmeram, noch weiter für die Naturforschung tätig sein zu können, wenn ihm »Gott Leben, Gesundheit, und die vortheilhafte Lage, die [er] dermal genüße, noch ferner« gebe.190 Das Mönchtum selbst war eine Chance für gelehrte Studien, die genutzt werden sollte. Im Zusammenhang mit der Reform des Tagesplans im Kloster Rottenbuch hatte der dortige Propst diese Änderungen als eine notwendige Anpassung bezeichnet, um der Pflicht der Klöster nach mehr gelehrten Studien nachkommen zu können: »Wozu nämlich bevölkern die Mönche die Erde, wozu verzehren sie das Mark des Staates, wenn sie nicht durch Studien, durch Bildung und durch die Wissenschaften der Allgemeinheit dienen?«191 Thaddäus Siber (1774–1854) trat in das Benediktinerkloster Scheyern ein, weil er nur hier die Möglichkeit sah, zu lernen und seine Kenntnisse zu erweitern. In seiner Biographie erinnerte er sich daran, warum er 188 Mareis: Trauerrede 33; Erwähnung auch in Schrott: Blitzfang 296. 189 Münchener Intelligenzblatt Nr. 31 vom 13.07.1782, S. 303–304. 190 Brief Placidus Heinrich an Ildephons Kennedy vom 06.12.1801, ABAdW Briefe 1801 Nr. 2. 191 Kapitelrede von Propst Ambrosius Mösmer 1782, abgedruckt in Winkler: Frühgeschichte 32–33. Zu den Details der Rottenbucher Reform siehe Kapitel 2.2.4 in dieser Arbeit.

226  Naturforschung vor Publikum sich zu einem Leben im Kloster entschieden hatte: »Dazu wählte ich auch diese Berufsweise [der Benediktiner]. […] mein Zweck war […] rein die Erweiterung meiner Kenntnisse, als ich in den Orden trat.«192 Die monastische Lebensweise wurde als besonders geeignet angesehen, die von Gott gegebenen Talente für die Naturforschung zu nutzen. Gewitterschutz äußerte sich jedoch nicht nur in Blitzableitern, sondern fand auch Eingang ins physikalische Kabinett. Im Gegensatz zum vorher beschriebenen Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf verfügte Kloster Rott über eine deutlich umfangreichere Sammlung an elektrischen Apparaten. In Indersdorf fanden sich zum Zeitpunkt seiner Aufhebung im Bereich der Reibungselektrizität neben der erwähnten Elektrisiermaschine nur noch zwei Leydener Flaschen.193 Das Säkularisationsinventar des Benediktinerklosters Rott am Inn führt hingegen immerhin fünf Elektrisiermaschinen, Elektrophore, ein elektrisches Glockenspiel, ein Donnerhaus, voltaische Pistolen und ein elektrisches Flugrad auf.194 Besonders interessant im Zusammenhang mit Gewitterschutz ist die Existenz eines »elektrische[n] Donnerhaus[es], samt Wetterleiter.«195 Dabei handelte es sich um das Modell eines Hauses, das mit einer Metallspitze als Blitzableiter ausgestattet war. Von einer Elektrisiermaschine oder Leidener Flasche ließ der Lehrer einen Funken in den Blitzableiter einschlagen. War das Haus korrekt geschützt, d. h. der Ableiter war geerdet, so blieb das Haus ohne Schaden. Im anderen Fall verursachte der Funken im Inneren des Hauses eine kleine Explosion, meist durch Schießpulver oder Alkohol verursacht, und das Dach flog weg. Der Nutzen eines Blitzableiters und die Folgen seines Fehlens oder einer falschen Installation wurden so auf sehr eindrucksvolle Weise demonstriert. Auch der Mannheimer Hofkaplan Hemmer entwickelte ein solches Modellhaus und verteilte es über die pfalzbayerischen Grenzen hinaus.196 Die Rotter Instrumentensammlung wurde wesentlich durch den Benediktiner Emmeram Sutor  (1759–1787) geprägt.197 Mit seinem Lehrer Rupert Weigl ­(1749–1801) führte er seit 1781 Wetterbeobachtungen durch, die durchgängig in den Ephemeriden der Bayerischen Akademie veröffentlicht wurden. Sutor und Weigl waren es auch, die den eingangs erwähnten Blitzeinschlag untersuch 192 Rottmanner, Max: Mein Lernen und Lehren. Autobiographische Aufzeichnungen von Thaddäus Siber, weiland Universitätsprofessor in München. In: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 65 (1927) 83–225, hier 107–108. 193 Anonym: Klosteraufhebung 24. 194 Eine Auswertung der Rotter Instrumenteninventare bzgl. Elektrizität findet sich in Schrott: Blitzfang 286–287, 289–293. 195 Ebd. 291. 196 Kistner: Mannheim 86. 197 Zu Emmeram Sutor siehe Birkmaier: Emmeram Sutor; Birkmaier, Willi: Vom Kloster aus den Himmel erforscht. Pater Emmeram Sutor (1759–1787) aus Tittmoning als Astronom des Klosters Rott am Inn. In: Das Salzfass. Heimatkundliche Zeitschrift des Vereins Ruperti­ winkel 37/2 (2003) 92–95; Schrott: Naturkundliche Aktivitäten 230–231.

Elektrizität: Wissen vermitteln  227

Abb. 23: Kupferstich mit elektrischen Apparaten im Unterricht. Rechts explodiert gerade ein Modellhaus, dessen Blitzableiter nicht korrekt verbunden war. Aus Ziegenhagen: Menschenbeglükkung.

ten und den Bericht an die Bayerische Akademie sandten. Im Jahr 1783 erhielt Sutor gemeinsam mit Weigl die Genehmigung für eine Studienreise ins Benediktinerkloster Kremsmünster, wo er zunächst das Kabinett und die Sternwarte besichtigte und bei einem zweiten Studienaufenthalt Unterricht in Astronomie erhielt. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Leitung der neu errichteten Rotter Sternwarte und kümmerte sich um die Anschaffung von aktueller Literatur und neuen Instrumenten. Neben Kremsmünster war die Benediktineruniversität Salzburg ein wichtiger Bezugspunkt hinsichtlich Elektrizität. Sutor absolvierte dort Vorlesungen in Astronomie und Mathematik und lernte bei dem Benediktinerpater Beck aus Ochsenhausen. Beck hatte neben einer regen Publikationstätigkeit den ersten Blitzableiter im Erzstift Salzburg auf dem Schloss Mirabell errichtet und seinen Schüler entsprechend beeinflusst. Ein Blick in den Rotter Bücherbestand zeigt Becks Einfluss: neben der Abhandlung von dem Magnetismus der natürlichen Elektricitaet von Franz Xaver Epp von 1777 und dem Unterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter Ableitern von Johann Friedrich Luz aus dem Jahr 1784 lässt sich nur noch ein weiteres Werk zur Elektrizität finden, nämlich den Faßlichen Unterricht Gebäude auf eine leichte und sichere Art vor dem Einschlagen des Blitzes zu bewahren von Dominikus Beck von 1786.198 Die Existenz von Instrumenten und Büchern ist das eine, ihre tatsächliche Nutzung jedoch etwas anderes. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen zum Venustransit wurde bereits Anzahl und Umfang der Klosterarmarien er-

198 Diese Auswertung des Rotter Inventars findet sich in Schrott: Blitzfang 300.

228  Naturforschung vor Publikum arbeitet sowie die Zusammenarbeit mit Handwerkern und insbesondere mit dem Augsburger Instrumentenbauer Brander aufgezeigt. Die praktische Verwendung stellt den Historiker und die Historikerin quellentechnisch jedoch vor eine Herausforderung, wie der bayerische Landeshistoriker Stephan Deutinger feststellt: »Soweit sie [die Instrumente] zu Unterricht und Belehrung eingesetzt wurden, hat das nur wenig schriftlichen Niederschlag finden können.«199 Für das Kloster Polling existieren jedoch zwei wichtige Quellen zur Gerätebenutzung im Hausstudium: die im vorherigen Kapitel untersuchte Vorlesungsmitschrift von Gebhard aus dem Jahr 1763 und der Briefwechsel mit dem Instrumentenbauer Brander. Gebhards Lehrbuch Philosophia universalis enthält eine vollständige Auflistung der behandelten Experimente. Hier ist besonders die Beschreibung eines Versuchs mit Pyrometer interessant.200 Mit diesem Instrument konnte man die Ausdehnung von Metallstäben durch Erhitzung demonstrieren und vermessen. In der Vorlesungsmitschrift heißt es dazu: »Nimm ein Pyrometer, gleich wie aufbewahrt in unserem Museum, diesem bringe Stäbe aus verschiedenen Metallen […] an.«201 Anschließend wurden die Metallstäbe mit Hilfe eines Ölbrenners erhitzt und dehnten sich infolge der Temperaturerhöhung aus. Der verlängerte Stab übte Druck auf einen weiteren Mechanismus aus, sodass sich die Längenänderung auf einer Skala sichtbar machte. Eben genau so ein Pyrometer hatte der Instrumentenbauer Brander im Mai 1758 nach Polling liefern lassen, mit sieben Metallstäben und einem Spiritusbrenner zur Erhitzung.202 Branders Kenntnis der Vorgänge in Polling lässt zuverlässige Rückschlüsse auf die tatsächliche Verwendung der Apparate zu. Er war nicht nur am wissenschaftlichen Austausch mit den Pollinger Chorherren interessiert, sondern in hohem Maße am Verkauf seiner Instrumente. In seinen Schreiben an Goldhofer bewarb er diese daher unter Berücksichtigung der Pollinger Verhältnisse, so wie im Fall der Fernrohre zur Verwendung im Klostergarten während des Venustransits. Oft hob er aber auch die Brauchbarkeit der angebotenen Instrumente für den Unterricht hervor. Zwei Beispiele: Zur Demonstration der Reflexion schlug er Konkavspiegel vor, für die »besten Beweise zu denen Catroptischen [= Katop­ trischen] Gesetzen.«203 Seine Magnete pries er in der Art, er wolle »die samtliche Instrumenta oder erforderliche Stabe zu denen magnetischen Experimenten,

199 Deutinger: Deutinger 2018 – … in his scientiis admodum 71. 200 BSB Cgm 11866, Band 2, S. 73. 201 Original: »Accipe Pyrometrum, quale asservatus in noro [=nostro] museo, huic applica virgulas ex diversio metallis,« BSB Cgm 11866, Band 2, S. 73. 202 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 12.05.1758, abgedruckt in Winkler: Branders Briefe 100–102. 203 Brief Georg F.  Brander an Prosper Goldhofer vom 24.06.1756, abgedruckt in ebd. 51–57.

Zwischenfazit  229

so einrichten, Daß Ew Hochwürden alle Versuche auf eine Comode Art zeigen ohne das der gröste Magnet einige Verminderung an seiner Kraft leidet.«204 Aus diesen und weiteren Werbetexten kann man auf eine Verwendung physikalischer Instrumente im Pollinger Unterricht schließen. Elektrisiermaschinen und Leydener Flaschen waren nicht die einzigen elek­ trischen Objekte, die Eingang in die Klosterwelt fanden. Ähnlich wie Sternwarten waren die Blitzableiter äußerlich sichtbare Zeichen der Naturforschung im Klosterinneren, die auch in den Nekrologen der Äbte ihren Niederschlag fanden und damit als »würdigungswert« empfunden wurden. Wie im Beispiel von Kloster Raitenhaslach nahm aber auch die Bevölkerung in den Dörfern der Umgebung diese Veränderungen wahr und manchmal sogar zum Vorbild. Die Schutzwirkung von Blitzableitern wurde in den Klöstern jedoch nicht nur durch ihre Errichtung demonstriert, sondern war auch Thema im Unterricht. Die Existenz von Donnerhäusern und elektrischen Glockenspiele ist in der Forschungsliteratur schon länger bekannt, und hier konnten nun erstmals auch Hinweise auf ihre tatsächliche Verwendung in der Lehre ausgewertet werden. Lehren und Forschen lagen für monastische Naturforscher untrennbar zusammen, sie demonstrierten den künstlichen Blitzeinschlag im Armarium und untersuchten den natürlichen Blitzeinschlag im eigenen Klostergebäude. Ähnlichen Eindruck sollten auch Berichte von Einschlägen in Ableitern wie in Andechs machen. Den süddeutschen Klöstern ist damit ein wichtiger Beitrag in der Verbreitung des Blitzableiters zuzusprechen. Ihre Breitenwirkung ist aber in keiner Weise mit dem Erfolg vieler Landgerichtsbeamter wie in Erding zu vergleichen, die innerhalb von nur vier Jahren 60 und mehr Wetterleiter errichteten.

4.3 Zwischenfazit Als der eingangs zitierte Benediktiner Hauntinger im Jahr 1784 von St. Gallen nach München reiste, sah er das Nyphenburger Schloss mit Blitzableitern versehen und wunderte sich über den anhaltenden Brauch des Gewitterläutens. Er berichtete zuhause im Kloster seinen Mitbrüdern davon und veröffentlichte seine Erlebnisse in einer Reisebeschreibung. Erfahrungen mit Blitzableitern und dem Gewitterläuten fanden so ihren Weg von Bayern in die Schweiz. Dabei war Hauntinger nicht der einzige mit diesen Beobachtungen. Schon der englische Komponist und Musikhistoriker Carl Burney (1726–1814) erlebte 1772 auf seiner Reise über den Kontinent ein heftiges Gewitter in der Nähe von Freising, während das anhaltende Glockenläuten ihn noch mehr ärgerte: »Die ganze Nacht durch bimmelten die Freysinger mit ihren Glocken, mich an ihre Furcht

204 Brief Georg F. Brander an Prosper Goldhofer vom 23.02.1758, abgedruckt in ebd. 97–99.

230  Naturforschung vor Publikum zu erinnern, und an die wirkliche Gefahr, worinn ich schwebte.«205 Blitzableiter, Gewitterläuten und Gewitterschießen waren Schutzmaßnahmen gegen die Folgen von Unwettern und standen hinsichtlich ihrer Wirkung zur Diskussion. Der zurückliegende Teil dieser Studie behandelte einige der an den Debatten beteiligten Akteure, ihre Experimente, Publikationen und Vorführungen. Am Beispiel der Elektrizität und speziell des Gewitterschutzes stellte sich die Frage nach dem Publikum monastischer Naturforschung. An der Diskussion um Nutzen und Schaden der Gewitterschutzpraktiken beteiligte sich auch die Bayerische Akademie mit Preisfragen, Abhandlungen und vor allem mit Gutachten gegenüber der Landesregierung. Zwei Preisfragen sollten das Thema näher ausarbeiten, die 1768 und fast zwanzig Jahre später 1785 gestellt wurden. Preisträger waren die zwei Regensburger Benediktiner Arbuthnot aus dem Schottenkloster St. Jakob und Heinrich aus St. Emmeram. Es ging um mögliche Erklärungen für die Wirkung von Kirchengeläut und Kanonenschießen und um den Zusammenhang mit gängigen Theorien zur Elektrizität. Beiden dienten die Preisschriften als Eintritt in die Gelehrtenwelt, und durch den Druck der Texte in den akademischen Abhandlungen wurden sie wahrgenommen und rezipiert. Arbuthnot und Heinrich gehörten zu den wenigen Klostergelehrten, die sogenannte öffentliche Kollegien durchführen. Aber auch Naturforscher in ländlichen Klöstern interagierten intensiv mit ihrem Publikum. Dies waren die eigene Klostergemeinschaft, Mönche und Chorherren anderer Klöster, Reisende zu Besuch, die Schüler der Klosterschule zusätzlich zu den eigenen Novizen und die Dorfbewohner in den inkorporierten Pfarreien. Das Armarium, der Schulraum und das ganze Kloster bildeten Räume für das Aufeinandertreffen nicht nur von Gelehrten, sondern auch von wissenschaftlichen mit nicht-wissenschaftlichen Akteuren. Damit zeigt sich aber auch deutlich die Binnen-Zentrierung monastischer Naturforschung, da sich das hier beschriebene Publikum auf den Klosterkontext bezieht. Die städtischen Klöster, am Beispiel von St. Jakob und St. Emmeram in Regensburg, traten stärker mit laikalen Gelehrten in Kontakt, insbesondere auch mit protestantischen. Sowohl für die ländlichen als auch die städtischen Klöster galt, dass gerade die Instrumente im Kabinett auf ein Publikum ausgerichtet waren. Während Beobachten und Messen mit zurückgezogenem und ungestörtem Arbeiten verbunden war, förderte die Demonstrationskultur die Öffnung des Klosterlebens. Es gab jedoch auch viele Sphären, die den monastischen Naturforschern unzugänglich blieben. Gerade in der intensiv diskutierten Frage um den richtigen Gewitterschutz beteiligten sich die beiden Regensburger Benediktiner 205 Burney, Charles: Carl Burney’s, der Musik Doctors, Tagebuch seiner Musikalischen Reisen. Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien. Aus dem Englischen übersetzt. Hamburg 1773, 132–133.

Zwischenfazit  231

Arbuthnot und Heinrich an den Preisfragen der Akademie, aber ihre Arbeiten fanden keinen Eingang in den Entscheidungsprozess der Akademiemitglieder. Gutachten und Stellungnahmen entstanden unter den in München anwesenden Mitgliedern. Ebenso wenig besaß monastische Naturforschung ein höfisches Publikum. Einzelne Reisende besichtigten zwar klösterliche Bibliotheken und Armarien, aber Besuche des Kurfürsten wie der Dillinger Professor Weber erhielten sie nicht. Einige Klostergelehrte beteiligten sich am Diskurs um Blitzableiter, Gewitterschießen und Wetterläuten, als Experten traten sie jedoch nicht in Erscheinung. Diese neue Rolle von Naturforschern als Personen mit relevantem Sachwissen, die von Regierungen um Rat gefragt werden und Gutachten erstellen sollen, spielten weder Arbuthnot noch Heinrich. Ganz anders sah die Situation bei Weber oder dem Mannheimer Hofkaplan Hemmer aus. Beide wurden als Experten wahrgenommen und im Gewitterschutz von Kurfürst Karl Theodor bzw. vom Augsburger Fürstbischof als Berater hinzugezogen. Über ihre Ämter, ihre öffentlichen Experimentalvorlesungen und ihre populärwissenschaftlichen Schriften waren die beiden Männer in der höfischen Öffentlichkeit bekannt. Monastische Naturforscher hingegen fanden sich hier nicht. Die einzige Ausnahme bildet der Benediktiner Kennedy, der seit 1761 Sekretär der Bayerischen Akademie war und in München residierte. Das Thema Gewitterschutz war religiös aufgeladen, auch wenn die Verfechter von Blitzableiter und der Abschaffung des Gewitterläutens den Aberglauben der anderen Seite überhöhten. Akteure wie Arbuthnot betonten immer wieder die Teilung in Aufgeklärte und Abergläubige, in wissende Naturforscher und unwissende Landbevölkerung: [W]enn nicht das Vorurtheil des gemeinen Volkes, und anderer in der natürlichen unerfahrnen und eigensinnigen Leute diesen Mißbrauch so lange unterstützet hätte wuste man gewiß von dem Glockengeläute bey dem Hochgewitter eben so wenig im Deutschlande, als man in einigen andern Oertern weiß, wo man in diesem Stücke vernünftiger, und ohne Vorurtheil zu denken gewohnt ist.206

In der Mehrheit vertraten monastische Naturforscher ein aufgeklärtes Gottesbild, bei dem es zur Pflicht des Christen gehörte, die ihm von Gott gegebenen Talente zum Schutz von Menschen und Tieren zu nutzen. Insbesondere findet sich unter den Klostergelehrten das Selbstverständnis, als Mönche in besonderer Weise den Auftrag zu gelehrten Studien zu haben und damit Gott und den Menschen zu dienen. * * *

206 Arbuthnot: Hochgewitter 418

232  Naturforschung vor Publikum Mit diesen Betrachtungen endet die Untersuchung monastischer Naturforschung. Es ist die Geschichte von Männern, die ein Leben im Kloster wählten und gleichzeitig ihren Platz in der Gelehrtenrepublik suchten. Sie erzählt von ihrer täglichen Zeiteinteilung, von den Räumen, in denen sie sich bewegten und den Menschen, mit denen sie interagierten. Mönche und Chorherren experi­ mentierten und beobachteten, sie vermaßen und publizierten und blieben gleichzeitig doch immer innerhalb ihrer eigenen Welt: einer Binnen-Gelehrtenrepublik. Dies ist eine Studie über eine spezifische Wissenschaftskultur in einem konkreten historischen Kontext, über die enge Verbindung von Forschungspraxis und Lebensweise.

5.

Abschließende Synthese

Kann ein Religiose Mitglied einer Akademie der Wissenschaften seyn? Mit dieser Frage von 1818 begann die vorliegende Studie, und mit ihr soll sie auch enden. In seiner Abhandlung über eben diesen Streitpunkt verarbeitete der Direktor des Botanischen Gartens in München Franz von Paula Schrank seine Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte in der bayerischen Wissenschaftslandschaft, die sich nun durch die Aufhebung der Klöster fundamental verändert hatte. Während Mönche und Chorherren vorher viel für die Physik geleistet und »beträchtliche naturhistorische Sammlungen, physikalische Cabinette, und Sternwarten«1 errichtet hatten, seien die ehemaligen Ordensgelehrten jetzt nur noch »namentlich für Geschichte (wegen des Reichthums an alten Urkunden), und für Mathematik (wegen ihrer ungestörten Muße, und großen Seelenruhe) vorzüglich geschickt.«2 Es gab für Schrank keinen Grund, sie aus einer Akademie der Wissenschaften auszuschließen, aber die Experimentalphysik gehöre nicht mehr in ihren Aufgabenbereich. Den monastischen Wetterbeobachter, den monastischen Astronomen oder den monastischen Elektrisierer gab es nicht mehr. Für den Botaniker Schrank war es in besonderem Maße die klösterliche Lebensweise, die Ordensgelehrte zur Gelehrsamkeit befähigte. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Naturforschung durch den soziokulturellen Kontext der Akteure beeinflusst wird. Nicht nur der heutigen Leserschaft, sondern auch bereits den Zeitgenossen entstand dadurch Erklärungsbedarf, ob die Kombination aus Mönchtum und Naturforschung nicht zu Rollenkonflikten führen müssten. Wie interagierten diese beiden Sphären? Ein zweiter Aspekt macht die Notwendigkeit der vorliegenden Studie deutlich: Wenn Mönche und Chorherren wie von Schrank beschrieben einen so wichtigen Beitrag zur Physik geleistet haben, dann stellt sich die Frage, warum den Zeitgenossen außerhalb Bayerns so wenig davon bekannt war und warum die Klöster in der heutigen Wissenschaftsgeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts neben anderen Wissensorten wie Akademie und Universität einen nach wie vor marginalen Platz einnehmen. Dementsprechend war es das Hauptanliegen dieser Arbeit, monastische Naturforschung als eigenständige Wissenschaftskultur zu charakterisieren und einzuordnen. Um den verschiedenen Anforderungen der klösterlichen und der gelehrten Welt gerecht zu werden, bildete sich eine eigene, spezifische Lebens 1 Schrank: Religiose 10–11. 2 Ebd. 48.

234  Abschließende Synthese weise zwischen Mönchtum und Naturforschung heraus. Als Folge bewegten sich monastische Naturforscher in einem binnen-zentrierten Kommunikations- und Diskursraum und prägten so auf ihre Weise die süddeutsche Wissenschaftsentwicklung entscheidend mit. Die Tatsache, dass Mönche sich mit Naturforschung beschäftigten, Wetterdaten sammelten, Sterne und Planeten beobachteten und mit elektrischen Erscheinungen experimentierten, ist nicht völlig unbekannt. Jedoch fehlte für die Untersuchung monastischer Naturforschung bisher nach wie vor die Berücksichtigung der eigentlichen Forschungspraxis. Quellenmaterial wie Wettertagebücher, astronomische Messwerte und vor allem Briefmaterial mit Beobachtungsdaten, instrumentellen Methoden und inhaltlichen Diskussionen wurde hier erstmals in die Analyse integriert. Im Gegensatz zu bisherigen Studien zur frühneuzeitlichen Naturforschung geht es nicht um Erkenntnisfortschritt und damit die Frage, welchen Beitrag diese Akteursgruppe dazu geleistet hat; stattdessen ist es hier gelungen, monastische Naturforschung als eine lokale Ausprägung der Gelehrtenrepublik zu betrachten und zu fragen, nach welchen Regeln diese funktionierte. Um diesen Kontext identifizieren und charakterisieren zu können, musste das bisher kaum beachtete Klosterleben in die Analyse integriert werden. Die Arbeit macht deutlich, dass die süddeutsche Wissenschaftslandschaft im 18. Jahrhundert nicht ohne die Klöster zu denken ist und damit der bisherige Fokus auf Akademien, Universitäten und Reichsstädte einer Revision bedarf. Monastische Naturforschung unterschied sich jedoch von anderen gelehrten Milieus, was in der klösterlichen Lebenswelt begründet liegt. Verschiedene Rollen interagierten miteinander und bildeten in der Summe eine neue gelehrte Lebensweise. Bisher stellt die Lebensweise von Naturforschern meist nur ein biographisches Detail dar. Die vorliegende Studie argumentiert hingegen dafür, dass das gesamte Lebens- und Arbeitsumfeld der Akteure von zentraler Bedeutung ist für die Funktionsweise von Wissenschaft. Für die Ausarbeitung dieser spezifischen Wissenschaftskultur gehen die drei thematischen Kapitel der Arbeit auf jeweils unterschiedliche Eigenschaften monastischer Naturforschung ein und vertiefen diese anhand konkreter Fallbeispiele. Das erste Kapitel thematisiert das Forschen im Kollektiv. Dazu diente die Untersuchung der süddeutschen Akademiebewegung, der Beteiligung von Mönchen an den organisierten Wetternetzen der Bayerischen und Pfälzischen Akademie und schließlich der Reformen der Tagespläne als ein Beispiel für Ordensstrukturen. Eine Detailstudie der Wettertagebücher von Gerard Führer aus Fürstenfeld und dessen Luftdruck-Diagramme ermöglichte Aussagen über die Aufgaben eines Datensammlers innerhalb eines Netzes. Als Ergebnisse können daraus mitgenommen werden, dass sich Klostergelehrte diejenigen Tätigkeiten aussuchten, für die sie die organisatorischen Voraussetzungen mitbrachten; dass sich diese Tätigkeiten mit dem Klosterleben besonders gut vereinbaren ließen und dass sich daraus eine eigene gelehrte Lebensweise bildete. Das zweite Kapitel

Abschließende Synthese  235

taucht ins konkrete Geschehen im Observatorium ein und wechselt damit von der regelmäßigen Beobachtungstätigkeit zum Umgang mit einem einmaligen Großereignis: die Vermessung des Venustransits 1761 in Polling. Darauf aufbauend analysiert es klösterliche Instrumentensammlungen als Voraussetzung für experimentelle Naturforschung, den Bau von Sternwarten als Prestigeobjekte und den Briefverkehr als zentrales Kommunikationsmittel. In diesem Teil steht die Spannung zwischen Rolle und Individuum im Vordergrund: Die räumlichen und instrumentellen Rahmenbedingungen für Mönche waren immer eine Kombination von übergeordneter Klosterausstattung und persönlichem Engagement. Ihr Kommunikationsradius bezog sich auf das klösterliche und lokale Umfeld. Schließlich stellt sich im dritten und letzten Kapitel die Frage nach dem Publikum am Beispiel der Elektrizität als neues Untersuchungsfeld. In den Diskursen um Gewitterschutzmaßnahmen mit Blitzableiter, Gewitterschießen und Gewitterläuten können die Vermittlungsformen von Naturforschung wie Publikationen, Experimentalvorführungen, Instrumente im Unterricht und ihre Außenwirkung in den Blick genommen werden. Experimentelle Naturforschung bewirkte wegen ihrer Demonstrationskultur eine Öffnung des Klosters, aber das Publikum blieb auf den Klosterkontext bezogen. So wie schon bei Korrespondenzen findet sich eine spezifische monastische Publikationskultur mit althergebrachten Formaten. Damit ist skizziert, was monastische Naturforschung ausmachte: eine spezifische Wissenschaftskultur mit einer starken Binnen-Zentrierung, die aus der Kombination von Klosterleben und Naturforschung resultierte. Obwohl die Mehrzahl der Klostergelehrten zunächst unscheinbar wirken in ihren Beiträgen zur Naturforschung, bildeten sie die Glieder für eine Gelehrsamkeit, welche die ganze süddeutsche Wissenschaftslandschaft prägte. Dieser Binnenraum hatte Durchlässe, die vor allem Wissen von außen nach innen dringen ließen. In Polling lasen die Chorherren sowohl die »Philosophical Transactions« aus London als auch die »Göttingischen Gelehrten Anzeigen«. Von innen drang jedoch wenig nach außen. Placidus Fixlmillner aus Kremsmünster ist wohl der einzige Klostergelehrte, dessen Arbeiten zur Uranus-Bahn auch in Berlin und Paris rezipiert und diskutiert wurden. Dennoch bot dieser Binnenraum die Grundlage zur Verbreitung der Experimentalphysik im ländlichen süddeutschen Raum und ermöglichte die Sammlung großer Mengen von Wetterdaten. Hier fand sich der hauptsächliche Absatzmarkt für mathematisch-physikalische Instrumente, der deren Entwicklung damit entscheidend vorantrieb. Dieser Binnenraum war aber auch dafür verantwortlich, dass von süddeutscher Naturforschung kaum etwas nach außen drang, dass neuere Publikationsformate kaum eine Rolle spielten und dass die Experimentalphysik phänomenologisch blieb. Die abschließende Synthese dieser Arbeit präsentiert die verschiedenen Aspekte der Lebensweise monastischer Naturforscher. Sie folgt dabei den beteiligten Rollen und Räumen, ausgehend von der Instrumentensammlung und der

236  Abschließende Synthese Sternwarte, dann den Kreis größer ziehend über das Klosterareal und die Konventsgemeinschaft bis zum Verbund des Ordens. Welche Aspekte der monastischen Lebensweise und welche Rollen waren relevant für die Interaktion mit der Gelehrtenrepublik? Anschließend wird die spezifische Wissenschaftskultur der monastischen Naturforschung beschrieben: worin lag sie begründet und welche Konsequenzen hatte sie?

5.1 Rollenpluralität hinter Klostermauern Monastische Naturforschung ist eine Analysekategorie, um die spezifische Lebens- und Arbeitsweise einer Gruppe von Akteuren in einem konkreten historischen Kontext zu beschreiben. In diesem Sinne bezeichne ich damit die Tätigkeit von Männern, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einem Kloster lebten und mathematisch-physikalische Instrumente verwendeten, um Fragen der Naturforschung zu beantworten. Die Ortsverbundenheit und die Nutzung ihrer Sammlungen sind damit die entscheidenden Charakteristika dieser Lebens­form. Einzelbeispiele wie der Benediktiner Ildephons Kennedy, der sich die längste Zeit seines Lebens nicht in seinem Kloster St. Jakob in Regensburg, sondern als Sekretär der Bayerischen Akademie in München aufhielt, oder Dominikus Beck aus Ochsenhausen, der mehr als 25 Jahre als Professor in Salzburg lehrte und lebte, stehen nicht im Mittelpunkt der Betrachtung. Stattdessen handelt diese Studie von Mönchen und Chorherren, die den größten Teil ihres Lebens innerhalb von Klostermauern verbrachten, hier ihre Wirkungssphäre entfalteten und dadurch eine eigene Wissenschaftskultur entwickelten. Sammlungen mathematisch-physikalischer Instrumente waren die Voraussetzung für die Ausbildung monastischer Naturforschung und stehen daher oft am Ausgangspunkt der Untersuchungen. Ein Klosterarmarium allein machte jedoch noch keinen Naturforscher. Erst wenn sich Mönche und Chorherren um eine Teilhabe an der Gelehrtenrepublik bemühten, Beobachtungen und Experimente durchführten und diese in Publikationen und Korrespondenzen zur Diskussion stellten, kann von monastischer Naturforschung gesprochen werden. Diese Arbeit plädiert dafür, Naturforscher in ihrem gesamten Lebens- und Arbeitsumfeld zu betrachten. Klostergelehrte waren Lehrer, Astronomen und Akademiemitglieder genauso wie Ökonomen, Seelsorger oder Äbte. Alle gelehrten Aktivitäten der monastischen Naturforscher waren direkt verknüpft mit ihrer klösterlichen Lebensweise. In diesem Sinne bildet der Mönch die »Trägerrolle,« an der sich alle anderen Rollen orientierten und ausrichteten.3 3 Steven Shapin verwendet das Konzept der »host roles« zur Beschreibung der Naturforscher im England des 18. Jahrhunderts, die sich immer an der Seite einer anderen Rolle wie Universitätsprofessor, Chirurg, Gentleman, Höfling, Staatsdiener oder Kleriker ausprägten; siehe dazu Shapin: Image.

Rollenpluralität hinter Klostermauern  237

Monastische Naturforscher waren Lehrer im klostereigenen Hausstudium und galten wegen ihres geregelten Tagesablaufs und ihrer Ortsstabilität als zuverlässige Beobachter in den Wetternetzen. Länderübergreifende Ordensstrukturen öffneten die Tore für weitverzweigte Korrespondenzen. Besonders deutlich aber wird die gegenseitige Beeinflussung von Mönchtum und Naturforschung, wenn Rollenhybridisierung stattfand. Ein Beispiel dafür bildeten die Wetterbeobachter auf dem Hohenpeißenberg, die gleichzeitig auch die Wallfahrtsseelsorge zu übernehmen hatten. Eine Berufung auf den Hohenpeißenberg war nicht nur mit einer Befähigung zur Seelsorge, sondern auch mit meteorologischen Kompetenzen verbunden. Wenn sich die verschiedenen Rollenerwartungen an monastische Naturforscher überschnitten und in Konkurrenz zueinander gerieten, ergaben sich Rollenkonflikte. Deren Lösungsversuche zeigen einerseits die Flexibilität, andererseits auch die Grenzen dieser Lebensweise auf und machen insbesondere deutlich, wo und wann sich Prioritäten verschoben. Genauso wie sich gelehrte Praktiken im Verlauf des 18. Jahrhunderts veränderten, unterlag die monastische Lebensweise einem Wandel, der auch von der steigenden Bedeutung der Naturforschung geprägt war. Diese Entwicklung fand mit der Säkularisation ein abruptes Ende, denn die Auflösung der Klöster beendete zunächst auch die monastische Naturforschung. Ohne die besondere Lebensweise gab es keine damit verbundenen Handlungs- und Kommunikationsräume mehr. Rollenbeeinflussung, Rollenhybridisierung und Rollenkonflikte dienen in der vorliegenden Arbeit zur Beschreibung einer Lebensweise wie derjenigen der monastischen Naturforschung, die von einer Spannung sehr unterschiedlicher Erwartungen geprägt war. 5.1.1 Armarium und Sternwarte Ausgangspunkt dieser Studie ist die Einrichtung monastischer Instrumentensammlungen. In den meisten Fällen galt ein Armarium zuerst der Unterstützung im Unterricht, sodass weniger die Einzelstücke als mehr die Gesamtheit im Blick standen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts hatte sich ein Kanon aus Experimenten in den Gebieten der Mechanik, Optik, Wärmelehre, Magnetismus etc. herausgebildet, für deren Durchführung bestimmte Instrumente benötigt wurden. Die Sammlungen ähnelten sich dadurch oft in ihrer thematischen Ausrichtung sowie der Auswahl der Geräte und beinhalteten Luftpumpen, Camerae obscurae, Demonstrationsapparate und Modelle. Damit bedienten die Kabinette auch ein repräsentatives Bedürfnis der Äbte und Pröpste, ihre Gelehrsamkeit wie in höfischen und universitären Kontexten mit materiellen Attributen zu präsentieren. Aus den Studien der Klostergelehrten kamen weitere Wünsche für Instrumente dazu. Astronomische Beobachtungen benötigten spezielle Teleskope und Pendel­ uhren, das Sammeln von Wetterdaten brauchte standardisierte Thermometer und Barometer, und die Beantwortung von Preisfragen zur Elektrizität erfor-

238  Abschließende Synthese derte Erweiterungen der Elektrisiermaschinen. Persönliches Engagement war eingebettet in die übergeordnete Klosterstruktur und umgekehrt profitierte das ganze Kloster von den Bemühungen Einzelner, beispielsweise durch erhöhtes Ansehen. Diese Verbindung wird besonders deutlich in den Besitzverhältnissen: Das Kloster finanzierte die Grundausstattung und die Naturforscher verwendeten in vielen Fällen ihre gesamten Depositengelder zum Ankauf von weiteren Büchern und Apparaten und werteten so die Klostersammlungen wiederum merklich auf. Die Herstellung, Verwendung und Verbesserung der Apparate war die Grundlage für Briefkorrespondenzen und gelehrte Reisen, denn erst über diese materielle Basis gelang der Eintritt in die Welt der Naturforscher. So startete Anton Wittner auf dem Hohenpeißenberg seine Wetterbeobachtungen in dem Moment, als ihm Prosper Goldhofer aus Polling ein Thermometer und ein Barometer brachte. Als Wittner das Barometer wieder zurückschicken musste, endeten damit auch seine meteorologischen Aufzeichnungen. Der Aufbewahrungsort der Instrumente war ein physischer Raum meist innerhalb der Klostermauern, der auch dem anschaulichen Unterricht und der Begegnung mit anderen Gelehrten diente. Mit Kabinetten, Bibliotheken und Sternwarten war Naturforschung räumlich in das Klosterareal integriert und sichtbar in die monastische Kultur einbezogen. Die Räume waren nicht Teil des Klausurbereichs, sondern standen Besuchern offen und dienten den Prälaten zur Wahrung ihres ständischen Status. Sie erfüllten die Erwartungen der Zeitgenossen an einen Ort der Gelehrsamkeit. Beim Bau von Sternwarten und der Errichtung von Sammlungen orientierten sich die Prälaten und ihre Religiosen an Vorbildern im monastischen bzw. bayerischen Umfeld. Anselm Desing kam aus Ensdorf nach Kremsmünster, um dort einen Mathematischen Turm zu errichten. Professor Georg Kratz von der Universität Ingolstadt beriet Kloster Indersdorf. Wenn in einigen wenigen Ausnahmen nicht Gebäude umfunktioniert, sondern Sternwarten neu gebaut wurden, ähnelten sie architektonisch entweder den Kirchengebäuden oder anderen, bereits existierenden Klosterobservatorien. Naturforschung und Klosterleben waren damit auch baulich miteinander verwoben. Einen großen Teil ihrer Zeit verbrachten die Naturforscher in diesen Räumen mit dem Unterricht. Schrank hält in seiner Schrift die Lehre für die Grundvoraussetzung jeglicher weiterer Studien: »[W]o man nicht Gelegenheit hat, oder zu haben hoffen kann, das, was man weis, andern mitzutheilen, hat man wenig Lust, mehr als das Nöthige zu lernen.«4 Der Unterricht im eigenen Kloster zieht sich als Konstante durch die Lebenswege der Akteure, sei es als Lehrer im Hausstudium oder auswärts. Die Ausbildung des eigenen Ordensnachwuchses war mit der Erwartung an zeitgemäße Lehrinhalte und -methoden verbunden, was zur Einführung der Experimentalphysik und der Anschaffung von Instrumentensammlungen führte. Es war gerade das Wissen im Umgang mit 4 Schrank: Religiose 9.

Rollenpluralität hinter Klostermauern  239

Messapparaten, das monastische Lehrer so interessant für die meteorologischen Beobachtungsnetze machte. Das Kloster war Lehr- und Studienanstalt gleichermaßen und monastische Naturforscher wurden sowohl in der Rolle als Lehrer als auch als Naturforscher gesehen. Bei der Auswahl von geeigneten Personen für die Prager Adeligen- und Gelehrtenakademie wurde diese Doppel-Funktion explizit eingefordert, als die benediktinischen Professoren der Ritterakademie auch die Führung der Gelehrtenakademie übernehmen sollten. In der monastischen Naturforschung finden sich in vielerlei Hinsicht parallele Strukturen zur laikalen Gelehrsamkeit, die beim Ausbildungssystem besonders deutlich zutage traten. Novizen erhielten ihren Unterricht im klostereigenen Hausstudium und hatten oft bereits vorher das dortige öffentliche Seminar besucht. Lehrer und Schüler lebten unter einem Dach und führten dieselbe Lebensweise. Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit überspannt zwei bis drei Generationen, innerhalb derer sich einige besonders prägende LehrerSchüler-Beziehungen ausmachen lassen. Dazu gehören Coelestin Steiglehner und Placidus Heinrich aus St.  Emmeram, Ildephons Kennedy und Benedikt Arbuthnot aus St.  Jakob oder Rupert Weigl und Emmeram Sutor in Rott am Inn. Im Augustiner-Chorherrenstift Polling führte Eusebius Amort die Experimentalphysik bereits vor 1750 ein, und sein Schüler Goldhofer hatte bis zur Säkularisation noch Gelegenheit, eine weitere Generation auszubilden. Das parallele Ausbildungssystem der Klostergelehrten umfasste aber nicht nur das Hausstudium, sondern auch Studienorte außerhalb des Klosterareals. Universitätsbesuche führten die Benediktiner an die eigene Ordensuniversität nach Salzburg, die Schottenbenediktiner nach Erfurt sowie die Augustiner-Chorherren und Zisterzienser an die Landesuniversität nach Ingolstadt. Für zusätzlichen Unterricht sorgten Studienaufenthalte in anderen Klöstern, beispielsweise von Sutor aus Rott in Kremsmünster oder von Rottenbucher Chorherren in Polling. Die Ordens­gelehrten bewegten sich hier in einem sehr geschlossenen System. Die Übernahme von Unterricht im Hausstudium empfanden viele monastische Naturforscher jedoch als zeitraubende Belastung. Im täglichen Ablauf konkurrierten die Aufgaben der verschiedenen Rollen miteinander, vor allem durch ihre Zeitintensität. Chorgebet, geistliche Lesungen, Tätigkeiten als Beichtvater und weitere Aufgaben durch Ämter innerhalb der Klostergemeinschaft wie die des Ökonomen oder des Hauslehrers verbrauchten Zeit, die für Beobachtungen, Experimente und das Formulieren von Briefen und Abhandlungen benötigt wurde. Nur die im klösterlichen Tagesplan vorgesehenen Vakanzzeiten machten gelehrte Studien überhaupt erst möglich. Um den zunehmenden Anforderungen an die Klöster gerecht zu werden und gleichzeitig die Einheit innerhalb der Orden aufrecht zu erhalten, wurden Ausnahmen für einzelne Gelehrte gestattet oder Reformen der Tagesordnungen durchgeführt. Manche Naturereignisse wie ein Venustransit hatten jedoch ihren eigenen Zeitplan und erforderten individuelle Anpassungen. Naturforschung und Ordensregel als innerster Kern des

240  Abschließende Synthese Mönchtums standen hier in ständigem Konflikt. Die Reformen des Tagesplans betrafen daher nicht nur bloßes Zeitmanagement, sondern waren Ausdruck einer grundsätzlichen Neuordnung des monastischen Wertekanons. Die Ordensregel trat zurück hinter Gelehrsamkeit und Nützlichkeit. 5.1.2 Kloster und Orden Neben der Zeit ist es vor allem der Ort, der das Klosterleben bestimmt. Mönch und Kloster sind untrennbar miteinander verbunden. In der Beschreibung von Lebensweisen gehören Rolle und Raum oft zusammen: Der Professor gehört zur Universität, der Arzt zu seiner Praxis, der Pfarrer zu seiner Kirche. Die vorliegende Studie zeigt die hohe Bedeutung dieser Verbindung auf. Wissenschaftshistorische Arbeiten streben in den letzten Jahren verstärkt danach, die Verknüpfung von Wissenspraxis und Ort zu analysieren und argumentieren dafür, dass Wissensproduktion auch außerhalb traditioneller gelehrter Räume wie Universität, Museum und Observatorium stattfand. Die vorliegende Arbeit schließt an diese Entwicklung an, dem Ort größere Aufmerksamkeit zu schenken. Gleichzeitig ist monastische Naturforschung ein Beispiel dafür, auch das vermeintlich bereits gut untersuchte Objekt der Sternwarte und des Kabinetts unter dem Aspekt des Kontextes in den Blick zu nehmen. Eine Klostersternwarte war nicht gleichzusetzen mit einer Universitätssternwarte. Der monastische Naturforscher bewegte sich in den Räumen der Sammlungen und der Sternwarte, in der Bibliothek und, falls vorhanden, auch in der Werkstatt. Sein Lebensumfeld aber war das gesamte Kloster, in dem sich seine Wohn- und Arbeitsräume befanden. Die besondere Eignung des Klostergelehrten für die Wetterbeobachtung entstand auch durch die Tatsache, dass seine Lebensweise Ortsstabilität vorgab. Mit der Bindung an den Ort war die weitere geographische Verortung vorgegeben. Klöster lagen oft an markanten Positionen wie auf Anhöhen (Kloster Andechs) oder an Seen (Kloster Tegernsee, Dießen), was sie besonders interessant für die Wetterbeobachtung machte. Gleichzeitig befanden sie sich mit wenigen Ausnahmen in ländlichen Regionen und daher von städtischen Strukturen abgeschieden. Noch schlechter erging es den auswärtigen Konventualen, die in inkorporierten Pfarreien die Seelsorge übernommen hatten. Damit waren sie auch von der Infrastruktur des Klosters abgeschnitten und verfügten weder über eine Bibliothek noch über eine Instrumentensammlung. Monastische Naturforschung charakterisiert sich daher wesentlich durch die Bindung an den Ort, also an das jeweilige spezifische Kloster. Armarium und Sternwarten waren die hauptsächlichen Arbeitsräume der Klostergelehrten, und mit den Gegebenheiten mussten sie sich so gut wie möglich arrangieren. Oft waren diese für die eigentliche Forschungspraxis alles andere als ideal. Goldhofer beobachtete in Polling den Venustransit vom Garten aus, und Eugen Dobler konnte in Irsee aus Mangel an passenden Gebäuden so gut wie keine astronomischen Beobachtungen durchführen.

Rollenpluralität hinter Klostermauern  241

Auch wenn sich die Lage der meisten Klöster außerhalb von Städten nachteilig für die Naturforscher auswirken konnte, so liegt doch gerade darin eine beson­ dere Bedeutung monastischer Naturforschung für die süddeutsche Wissenschaftslandschaft des 18. Jahrhunderts. Mit ihrer eigenen Infrastruktur bildete das Kloster einen Mikrokosmos, der die Voraussetzung zur Verbreitung der Experimentalphysik im ländlichen Raum bot. In den Klosterschulen erreichte der Unterricht sowohl die eigenen Novizen als auch Laien und vermittelte dabei einen experimentellen Zugang zur Natur. Wissenschaftlich interessierte Personen wählten bewusst das Klosterleben in der Hoffnung, dort ihren Neigungen nachgehen zu können. Die süddeutsche Wissenschaftslandschaft war strukturell deutlich polyzentrischer als in Frankreich oder England mit ihren geistigen Zentren in Paris und London. Trotzdem hat die Forschung auch hier bisher auf gelehrte Orte in Städten geschaut: die Akademie der Wissenschaften in München, die Universitäten in Ingolstadt, Würzburg und Dillingen. Dazu kamen Gymnasien und Lyzeen wie in Augsburg, Regensburg oder Freising. Auf der Grundlage dieser Arbeit muss die Liste von Orten der Wissenschaftspraxis um Klöster ergänzt werden. Sie bildeten im Kleinen einen Raum für Naturforschung und füllten gleichzeitig wichtige geographische Lücken auf der Landkarte. Die ländliche Lage der meisten Klöster verleitet zu der Annahme, dass sich Naturforschung hier in einer besonders ruhigen und ungestörten Umgebung praktizieren ließ. Obwohl das Klosterleben die innere Einkehr fördern sollte, waren Mönche und Chorherren weit davon entfernt, wie Einsiedler zu leben. Sie wohnten zusammen in einer Gemeinschaft von Mitbrüdern. Bis auf das eigene Zimmer war das Klosterareal geteilter Lebensraum, der meist von einer Gemeinschaft von 20 bis 40 Männern genutzt wurde. Hinzu kamen die auswärtigen Schüler – in Polling umfasste das Studienseminar zeitweise circa 100 Jungen – sowie Handwerker und andere Personen, die mit dem Kloster zu tun hatten. Diese Einbindung war aus Sicht des bayerischen Wetternetz-Koordinators Franz Xaver Epp sogar ein großer Vorteil, denn er erhoffte sich die Aufteilung der Beobachtungen unter den Patres. Dadurch konnte Kontinuität in den Aufzeichnungen sowie eine inhaltliche Bandbreite durch die verschiedenen Ämter erzielt werden. Der Mönch war in den Augen Epps wegen seiner Lebensweise nicht nur ein idealer Wetterbeobachter, sondern das ganze Kloster bildete eine gut funktionierende Wetterstation. Die Ephemeriden der Bayerischen Akademie zeigen viele Beobachtungsreihen, an denen mehrere Klostergelehrte beteiligt waren. Auch bei anderen Tätigkeiten arbeiteten die monastischen Naturforscher nicht alleine, sondern erhielten Unterstützung durch ihre Mitbrüder. Das galt für nächtliche astronomische Beobachtungen genauso wie für mathematische Berechnungen. Gleichzeitig konnten andere Mönche die Forschungsarbeit jedoch auch stören oder behindern. Vergleichbar mit der Einbindung von Gelehrten in einen Familienverbund hatte die Klostergemeinschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Arbeit der Klostergelehrten.

242  Abschließende Synthese Das Mitglied der Gemeinschaft mit dem größten Einfluss auf die monastischen Naturforscher war der Klostervorsteher. Gehorsam (oboedientia) ist eines der drei benediktinischen Ordensgelübde und gilt in erster Linie gegenüber Abt und Regel. Das betraf kleine Themen ebenso wie große. Die Aufnahme eines Briefverkehrs, der Dispens von klösterlichen Pflichten, Reisen und die Annahme oder Ablehnung von externen Ämtern erfolgte stets im Einverständnis mit dem Abt bzw. Propst. Ein Vorsteher mit wissenschaftlichem Interesse oder zumindest dem Wunsch, gelehrte Studien zu unterstützen und zu fördern, war eine der Voraussetzungen für die Herausbildung monastischer Naturforschung. Bei Förderung durch den Prälaten standen große Finanzmittel für die Anschaffung von Literatur und Instrumenten zur Verfügung, aber ohne dessen Zuspruch fehlte dem Rottenbucher Chorherrn Wittner auf dem Hohenpeißenberg sogar ein Barometer, und er musste seine Wetterbeobachtungen abbrechen. Goldhofer durfte nicht nach München reisen, um dort den Venustransit zu beobachten, sondern tat dies vom Klostergarten in Polling aus. Innerhalb der Klostersphäre bot Gehorsam eine Lösung für Rollenkonflikte, wenn die Trägerrolle des Mönches allen anderen Rollen übergeordnet wurde. Falls die Unterstützung durch den Klostervorsteher vorlag, bot das Klosterleben monastischen Naturforschern nicht nur finanzielle Absicherung, sondern stellte auch die für die gelehrte Praxis notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Dazu gehörten Gebäude und Räumlichkeiten, ihre Ausstattung mit Büchern und Sammlungen genauso wie die Ausbildung im Hausstudium, in anderen Klöstern oder an einer Universität. Die Besitzgemeinschaft des Klosters schaffte eine finanzielle Absicherung für die einzelnen Konventualen und befreite sie von der Notwendigkeit, selbst für den eigenen Lebensunterhalt sorgen zu müssen. Der Botaniker Schrank erwartete dementsprechend viel von allen Orden, »deren Häuser durch ihre gute Wirthschaft in den Stand gesezet waren, ansehnliche Kosten daran [für die Gelehrsamkeit] zu wenden.«5 Durch Landbesitz und Wirtschaftsbetriebe waren viele Klöster in der Lage, große Summen in die wissenschaftliche Ausstattung zu stecken und Universitätsbesuche zu finanzieren. So erwarb Kloster Indersdorf im Jahr 1763 eine Luftpumpe beim Augsburger Mechaniker Georg Friedrich Brander für 300 Gulden, während man für einen Mastochsen lediglich zwischen 50 und 60  Gulden bezahlen musste.6 Naturforschung hatte ihren Preis. Ohne finanziellen Rückhalt konnte es den Gelehrten so ergehen, wie ein anonymer Mönch 1783 seine Mitbrüder nach der Aufhebung ihres Klosters bedauerte: »Ich sehe euch demnach in die traurige Nothwendigkeit gesetzt, an kein Buch, an keine gelehrte Reise, und Besuch, an keine gelehrte

5 Ebd. 9. 6 Paula: Sammlung 320; die Veröffentlichung der Preise für Getreide und Ochsen erschien im Intelligenz- oder Commercien-Communications-Blatt der churbaierischen Lande.

Rollenpluralität hinter Klostermauern  243

Zeitung mehr zu denken; in die Nothwendigkeit gesetzt, simple Meßpriester, und Faulenzer zu werden.«7 Ein monastischer Naturforscher war Teil eines Klosters und der dort lebenden Gemeinschaft, aber darüber hinaus auch Teil eines Ordens. Die Strukturen, in die jeder Mönch und Chorherr eingebunden war, gingen über die Klostermauern und Landesgrenzen hinweg. Bereits existierende Verbindungen zwischen den Klöstern konnten auch für gelehrte Zwecke genutzt werden und bildeten ein eigenes, paralleles Netzwerk. Das beinhaltete die Nutzung von Transportwegen für den Versand von Büchern, Instrumenten oder Beobachtungsdaten genauso wie die Aufnahme gelehrter Korrespondenzen. Bildungsreisen und Studienaufenthalte fanden in den meisten Fällen innerhalb des Ordensrahmens statt. Dieser Ordensbezug ermöglichte überregionalen Wissenstransfer, indem Informationen zum französischen Instrumentenbau über Polling in Branders Werkstatt gelangten, die Briefe ausländischer Gelehrten an Mönche und Chorherren innerhalb der Bayerischen Akademie verteilt wurden oder umgekehrt Klostergelehrte die akademischen Preisfragen unter ihren Korrespondenzpartnern verbreiteten. Die Verbindung der Klöster untereinander machte monastische Naturforschung länderübergreifend. Im Falle der Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg forderte der bayerische Kurfürst die gegenseitige Unterstützung zwischen den Chorherrenstiften sogar ein, denn die Errichtung und der Unterhalt einer Sternwarte konnte nur mit Hilfe des Klosters Polling gelingen. Die Klöster wurden als zusammenhängend betrachtet. Der Ordenszusammenhang erleichterte den gelehrten Austausch zwischen den Klöstern, da diese ohnehin miteinander in Beziehung standen. Gleichzeitig blieb die Kommunikation größtenteils auf diese Konstellation beschränkt. Diese Kooperationen dürfen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass süddeutsche Klöster nicht auf wissenschaftsorganisatorischer Ebene zusammenarbeiteten. In Anlehnung an die französischen Mauriner gab es zwar Bemühungen zur Gründung von Akademien, die aber kaum Erfolge aufwiesen. Die 1779 initiierte Benediktiner-Akademie war nicht auf kollektives Arbeiten ausgerichtet, sondern auf die Förderung von Einzelarbeiten. Ebenso wurde der organisatorische Rahmen für die meteorologischen Messnetze, an denen sich Klostergelehrte intensiv beteiligten, nicht durch die Orden geschaffen. Stattdessen brauchte es dafür externe Initiativen aus den Akademien in München und Mannheim.



7 Anonym: Klosteraufhebung.

244  Abschließende Synthese

5.2 Die Binnen-Gelehrtenrepublik Monastische Naturforschung unterscheidet sich von anderen gelehrten Kontexten, weil sich Lebensweise und Forschungspraxis gegenseitig beeinflussten. Die davon betroffenen Rollen und Räume beschreibt das vorangegangene Kapitel. Daraus ergibt sich die Frage: welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Art und Weise der Naturforschung? Die in dieser Studie beschriebene Arbeit der Klostergelehrten kennzeichnet sich dadurch aus, dass Praktiken, Fragestellungen und Methoden so ausgewählt wurden, dass deren Anforderungen mit den Gegebenheiten des Klosterlebens vereinbar waren: eine spezifische Wissenschaftskultur in einem binnen-zentrierten Kommunikationsraum. Gerade die Beteiligung monastischer Naturforscher an der Wetterbeobachtung macht die Verknüpfung von Arbeits- und Lebensweise besonders deutlich. Die wachsende Bedeutung von Datenmengen und durchgehenden Beobachtungsreihen sowie die Ausbildung von koordinierten Messnetzen führte zu einem steigenden Bedarf vieler geographisch verteilter Beobachter. Die Anforderungen an die Meteorologen ließen sich besonders gut mit dem Klosterleben vereinbaren und wurden dadurch sogar noch verstärkt: regelmäßiger Tagesablauf, finanzielle Absicherung, Ortsstabilität, Kontinuität sowie Datenfülle durch die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft des Klosters. Als Teil eines Sammlerkollektivs hatte der Wetterbeobachter die Organisation abgegeben und musste sich an genaue Anleitungen und Vorgaben zur Vereinheitlichung halten. Die Arbeitsweise des kollektiven Empirismus setzte auf der monastischen Lebensweise auf und führte zu einer hohen Beteiligung von Klostergelehrten an den süddeutschen Wetternetzen des 18. Jahrhunderts. Die Übereinstimmung von kollektiver, empirischer Arbeitsweise und der Lebensart begann für Klostergelehrte jedoch nicht erst mit den meteorologischen Beobachtungsnetzen. Schon in ihren historischen Großprojekten ab 1700 gingen Forschungsinhalt und -organisation Hand in Hand. Das Erstellen von Quellen-Editionen und biblio-biographischen Sammlungen ähnelte vom Wesen her dem Zusammenfahren von Wetterdaten aus verschiedenen Stationen. Diese Ergänzungen von kollektivem Empirismus und Klosterleben stehen in Einklang mit Studien zur naturwissenschaftlichen Beobachtung als »way of life« von Lorraine Daston, in denen Wissenschaftspraxis als habitualisiert und über andere Lebensbereiche dominierend charakterisiert wird. Monastische Naturforschung erweitert diese Diskurse dahingehend, dass umgekehrt auch die Lebensweise von großer Bedeutung für die Forschungspraxis ist. Die Erzeugung von großen Mengen an Beobachtungs- und Messdaten geschah zunächst still und unbemerkt hinter den Klostermauern. Besonders Positions- und Zeitwerte eines Venustransits oder tägliche Barometer- und Thermometerwerte stellten auch ohne weitere Auswertung einen gelehrten Beitrag dar

Die Binnen-Gelehrtenrepublik  245

und konnten publiziert werden. Gerade in der Meteorologie bot die Veröffentlichungsform der Ephemeriden die Möglichkeit, sich mit bescheidenen Mitteln am großen Projekt der Wetterforschung zu beteiligen. Die Arbeitsteilung bei diesen kollektiv-empirischen Projekten ermöglichte einen Beitrag der Mönche und Chorherren zum gelehrten Diskurs. Eine Vorstellung davon, wie diese Daten ausgewertet und zu Regeln und Gesetzmäßigkeiten erweitert werden konnten, existierte jedoch noch nicht. Einzelne Klostergelehrte wie Gerard Führer aus Fürstenfeld bemühten sich dennoch darum, Regelmäßigkeiten in den Datenmengen zu finden, die für eine Verbesserung der Vorhersage hilfreich sein könnten. Dabei bewegte sich Führer innerhalb des zeitgenössischen, süddeutschen Diskurses, orientierte sich am astrometeorologischen Ansatz der Bayerischen Akademie und suchte nach Korrelationen zwischen Luftdruck und Mondbewegungen. Ohne Zugriff auf Datenreihen von anderen Orten ließen sich daraus jedoch keine Schlussfolgerungen ziehen. Experimentelle Naturforschung konnte in den Sammlungsräumen phänome­ nologisch vorgeführt werden, ohne dass die Gelehrten zu Fragen über das Weltbild Stellung beziehen mussten. Der Regensburger Benediktiner Heinrich lehnte einen Beitrag zum Phlogiston ab, um »dem Vorwurfe bloß geben, eine Hypothese durch eine andere eben so ungewisse widerlegt zu haben.«8 Die wichtige Funktion der monastischen Naturforschung für die Verbreitung einer neuen experimentellen Naturlehre, ihre Sichtbarkeit als legitime Methode zur Erkenntnisfindung und ihre Anerkennung als integraler Bestandteil aufgeklärter Kultur wird dadurch aber nicht geschmälert. Eindrucksvoll kommt dies im Stich des Indersdorfer Armariums zum Ausdruck, in dem die Newtonschen Grundkräfte von Anziehung und Abstoßung den ganzen Raum durchziehen. Das Mönchtum war und ist eine religiöse Lebensweise, und so stellt sich auch die Frage nach einer möglichen spirituellen Funktion von Naturforschung. Monastischer Naturforschung war jedoch eine Naturtheologie ebenso fremd wie eine Naturreligiosität. Erkenntnisfindung über Gott durch die Erforschung der Natur lässt sich genauso wenig finden wie eine meditative Versenkung in die Naturbetrachtung. Mit der vorliegenden Arbeit über monastische Naturforscher wird die Erwartung gebrochen, Klostergelehrte würden Naturforschung zwangsläufig aus einer religiösen Motivation heraus betreiben. Gott war weniger Zweck als vielmehr Ursache gelehrter Studien, da er im Verständnis der Mönche die Rahmenbedingungen schaffte und die notwendigen Talente verteilte. Bildung und Gelehrsamkeit gehörten somit zur christlichen und ganz besonders zur monastischen Pflicht, da diese Talente nicht ungenutzt bleiben dürften. Um dieser Pflicht unter sich verändernden Umständen gerecht zu werden,

8 Brief Placidus Heinrich an Ildephons Kennedy vom 07.12.1789, Archiv BAdW Briefe 1789 Nr. 4.

246  Abschließende Synthese wurde die Tagesordnung angepasst und die Ordensregel der Naturforschung untergeordnet. Die neuere Forschung zur gelehrten Kultur des 18. Jahrhunderts schaut vermehrt auf die regionale und konfessionelle Parzellierung der europäischen Gelehrtenrepublik und stellt diese ihrem Egalitätsideal entgegen. Die Sonderstellung der Orden als eine »Gelehrtenrepublik in der Gelehrtenrepublik« wurde zwar bereits vor einigen Jahren formuliert, bisher aber hauptsächlich für den Jesuitenorden umfassender herausgearbeitet. Hier bildet die vorliegende Arbeit eine wichtige Erweiterung auf die Prälatenorden, die eine andere Organisationsstruktur und Lebensform als die Jesuiten aufwiesen. Nicht nur Konfession und Region unterteilten die Gelehrtenrepublik, sondern auch die Lebensweise. Mit dem Begriff der Binnen-Zentrierung werden zwei wichtige Eigenschaften monastischer Naturforschung beschrieben: der Fokus auf das Geschehen innerhalb dieses Raumes und die dort stattfindende Erleichterung des Wissens­ transfers. Mit personellen und institutionellen Parallelstrukturen war dieser Raum nur in Einzelfällen mit dem außer-klösterlichen Gelehrtendiskurs verbunden. Der Pollinger Chorherr Goldhofer korrespondierte zwar mit einem Mitbruder aus Paris, aber für die dort lebhaft diskutierte Frage nach der Natur der Kometen zeigte er kein Interesse. Nur mit Themen, die in Preisfragen der Bayerischen Akademie aufgeworfen wurden, setzten sich die Klostergelehrten näher auseinander, sei es die Frage nach der Beeinflussung des Luftdrucks oder Schutzmaßnahmen gegen Blitzeinschläge. Korrespondenz, Publikationswesen, persönliche Begegnungen und Ausbildung geschahen innerhalb der Ordenswelt und waren an bereits existierende Kanäle gebunden. Gerade dieses eigene Gerüst von Netzwerken förderte umgekehrt auch den Austausch über politische Grenzen hinweg und bot den Klostergelehrten leichten Zugang zur Infrastruktur anderer Klöster. Zentral für die Auswahl der Akteure in dieser Arbeit ist ihr Selbstverständnis als Teil einer Gelehrtenrepublik und dem damit einhergehenden Austausch. Kommunikation war die Voraussetzung dafür, an der Wissenschaftsentwicklung teilzunehmen. Der Regensburger Benediktiner Heinrich formulierte dazu, »daß gerade [s]ein Fach – Physik, Chemie, Astronomie – auf Bücher, Journale, Korrespondenz, Privatversuche und dergleichen den größten Aufwand fordert, wenn man anders mit der Wissenschaft gleichen Schritt halten will.«9 Die Kommunikationsformate reichten von den schriftlichen Formen wie Publikationen und Briefen zu den persönlichen mit Bildungsreisen, Besuchen und Vorführungen vor Publikum. Der kommunikative Binnenraum monastischer Naturforschung beschränkte den Austausch in erheblichem Maße. Wesentlich war dieser Raum bestimmt durch den Kommunikationsradius der Klöster, also der geographische 9 Brief Placidus Heinrich an das königliche Generalkommissariat des Regenkreises vom 04.11.1811, ediert in Hartmann: Heinrich 324–325.

Die Binnen-Gelehrtenrepublik  247

und ideelle Bereich, mit dem ein Kloster als Institution in Verbindung stand. Darauf setzte der Wissenstransfer auf. Klostergelehrte interagierten im Wesentlichen mit Naturforschern aus anderen Klöstern, aus den traditionellen süddeutschen Wissensorten wie den Universitäten sowie ab 1759 besonders intensiv mit Mitgliedern der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im 18. Jahrhundert war es vor allem der Briefverkehr, durch den Gelehrte miteinander in Verbindung standen. Der monastische Briefwechsel war eine Sonderform der Gelehrtenkorrespondenz, da er zugleich in institutioneller Funktion wie auch zwischen Individuen geführt wurde. Vergleichbar mit dem Sekretär einer Akademie kommunizierten gerade Klosterastronomen oder Kabinettsleiter in Ausübung dieser Rollen als Vertreter ihrer Klöster. Nachfolger in den Ämtern übernahmen oft die Korrespondenzpartner. Gleichzeitig traten monastische Naturforscher als individuelle Personen auf, waren mit ihrem Namen bekannt und legten ihre eigene Publikationstätigkeit dem schriftlichen Austausch zugrunde. Placidus Fixlmillner aus Kremsmünster korrespondierte wegen seiner astronomischen Veröffentlichungen mit ganz anderen Personen als Goldhofer aus Polling, der fast nichts publizierte. Als Mönche und Chorherren konnten sie zudem auf den klösterlichen Kommunikationsradius zurückgreifen, der auch überregionale Kontakte ermöglichte. Da Prälatenorden jedoch keine Missionsstationen betrieben, war sowohl der briefliche als auch der materielle Austausch auf den europäischen Raum beschränkt. Der monastische Korrespondenz-Raum umfasste damit das lokale und das klösterliche Umfeld: die Bayerische Akademie und die Landesuniversität Ingolstadt, bei persönlichen Verbindungen die Benediktiner-Universität Salzburg und im Falle der Schottenbenediktiner auch die Universität Erfurt. Wegen der Sammlungen bestanden enge Verbindungen zu Instrumentenbauern, besonders zu Brander aus Augsburg. Ein Großteil der Kommunikation ging jedoch von Kloster zu Kloster und war somit wesentlich für die Binnen-Zentrierung monastischer Naturforschung verantwortlich. Innerhalb dieses Rahmens korrespondierten Klostergelehrte sowohl als Individuen wie auch in ihren monastischen Rollen. Eine wichtige Grundlage für die Gelehrtenkorrespondenz bildete die erwähnte Publikationstätigkeit. Dabei veröffentlichten Klostergelehrte in der Mehrheit hauptsächlich Disputationsdrucke und Lehrbücher, bedingt durch die starke Einbindung in den Ausbildungsbetrieb. Weitere Formate kamen aus dem historischen Feld: Quelleneditionen, Biographie-Sammlungen und Chroniken. Amorts Zeitschrift Parnassus Boicus war vor 1750 das einzige Organ zur Veröffentlichung naturwissenschaftlicher Themen innerhalb der süddeutschen Klosterwelt. Zwei wesentliche Veränderungen traten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf: die akademischen Medien und der Druck von meteorologischen Beobachtungsdaten in Ephemeriden. Die Preisfragen und Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften boten den Klostergelehrten eine völlig neue Plattform, um als Gelehrte an die Öffentlichkeit zu treten. Die Aka-

248  Abschließende Synthese demie übernahm die Verlagsarbeit, und die Werke waren in der Regel deutlich kürzer als eigenständige Bücher. Noch stärker unterschied sich das Format der Ephemeriden von den bisherigen Publikationsformen. In den Bänden der Mannheimer und der Münchner Akademie erschienen die Klöster gleichberechtigt neben Universitäten und Akademien als Lieferanten von Wetterdaten. Auch nach dem Abbruch der süddeutschen Wetternetze bemühten sich einige monastische Wetterbeobachter weiterhin um den Druck ihrer Daten, aber sie mussten sich dafür jetzt neue Organe suchen. Trotz dieser Veränderungen der monastischen Publikationstätigkeit blieb die Form des Diskurses traditionell. Das sich gerade etablierende Medium der Fachzeitschrift blieb unbeachtet, und nur die stark personell mit den Klöstern verbundene Bayerische Akademie wurde mit einbezogen. Genauso wenig finden sich popularisierende Aufklärungsschriften aus Klöstern, mit denen die Mönche und Chorherren auch außerhalb des gelehrten Diskurses wahrgenommen worden wären. Neben der schriftlichen Kommunikation lebte gerade die Experimentalphysik aber auch von der physischen Präsenz, von der Demonstration und der Vorführung. Verschiedene Personengruppen bildeten ein Publikum für monastische Naturforscher, das sich auch hier vor allem aus dem Klosterkontext ergab. Die Konventsgemeinschaft befand sich direkt am Lebens- und Arbeitsplatz der Klostergelehrten und die Mitbrüder waren die Ersten, denen Experimente mit der Luftpumpe oder der Elektrisiermaschine vorgeführt wurden. In den Klosterschulen erlebten Novizen und auch Laien Demonstrationen mit dazugehörigen Erläuterungen und trugen diese Erfahrungen in andere Klöster oder an ihren Heimatort weiter. Neben den Vorführungen durch die monastischen Lehrer bot das Kloster immer wieder auch Raum für Besuche von Wanderelektrisierern, die elektrische Vorführungen veranstalteten und mittels Elektrotherapie die Heilung verschiedener Gebrechen versprachen. Diese Vorführungen waren an die persönliche Gegenwart gebunden, wohingegen Blitzableiter auf Klostergebäuden auch noch in einiger Entfernung wahrgenommen wurden und zur Nachahmung animierten. Auch die repräsentative Funktion der Instrumentensammlungen und Sternwarten war auf ein Publikum ausgerichtet. Die Besucher waren jedoch eine klar umrissene Gruppe: monastische Naturforscher aus anderen Klöstern sowie einzelne Gelehrte auf einer Studienreise oder Kavalierstour. Die höfische Öffentlichkeit hingegen blieb den Klostergelehrten unzugänglich. Während die Beobachtung des Venustransits 1761 in München unter Anwesenheit des Kurfürsten stattfinden sollte, begleiteten in Polling den Chorherren Goldhofer nur ein Mitbruder zur Unterstützung und sein Propst aus Eigeninteresse. Die neue Rolle von Naturforschern als Personen mit relevantem Sachwissen für Regierungen nahmen Klostergelehrte nicht ein. Dafür mussten sie aus der Klostersphäre heraustreten, wie es Ildephons Kennedy durch sein Amt als Akademiesekretär tat oder wie es bei Anselm Ellinger aus Wessobrunn der Fall war, der nach der Säkularisation zum Hofastronomen ernannt wurde.

Die Binnen-Gelehrtenrepublik  249

Die besondere Form der Wissenschaftspraxis der monastischen Naturforschung, sich innerhalb ihres Binnenraums zu bewegen, wurde durch ihre enge Verbindung mit dem Klosterleben stabilisiert. Die Frage, warum sich Klostergelehrte nicht bewusst aus diesem Raum hinausbewegten und beispielsweise gezielt Artikel in Zeitschriften außerhalb der Bayerischen Akademie veröffentlichten, lässt sich mit einer fehlenden Professionalisierung und dem Fokus auf die klösterlichen Bedürfnisse innerhalb des Binnenraums beantworten. Einzelne Mönche und Chorherren mussten sich zum einen nicht gegenüber einer nicht-klösterlichen Öffentlichkeit profilieren, sei es die höfische oder die städtisch-bürgerliche. Entsprechend wurden sie jedoch auch nicht als Experten wahrgenommen. Umgekehrt gab es innerhalb der Klosterstrukturen kein Belohnungssystem, das neuere Publikationsformate oder stärker laikal ausgerichtete Briefnetze honoriert hätte. Eine zweite Erklärung für die Verstärkung der Binnen-Zentrierung liegt im Wunsch der Klostervorsteher, dem zeitgenössischen Repräsentationsbedürfnis nachzukommen und die Bildungsfunktion zu stärken. Die reine Existenz von mathematisch-physikalischen Kabinetten und Sternwarten befriedigte das erste, und Studienreformen konnten und sollten innerhalb althergebrachter Formate umgesetzt werden. Die Anliegen und die Struktur der wissenschaftlichen Organisation bestimmten also wesentlich Inhalt und Methode der Naturforschung. Klosterleben und Gelehrsamkeit waren gerade bei den Prälatenorden lange eng miteinander verbunden. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war diese Verbindung geprägt von Theologie, Geschichtsschreibung und aristotelischer Philosophie. Die Newton-Rezeption der Aufklärungszeit forderte die traditionelle Schulgelehrsamkeit heraus und verlangte eine Antwort der monastischen Bildungswelt. Dabei gab das Klosterleben die Art der Forschung sowie die Räume und Rollen vor, in denen sich die Akteure bewegen konnten. Monastische Naturforschung bedeutete eine Dynamik der gegenseitigen Beeinflussung von Lebensweise und Forschung, die auf beiden Seiten Flexibilität und Anpassung erforderte. Instrumentelle Naturforschung ermöglichte eine phänomenologische Demonstrationskultur und eine präzise Vermessung der Natur, die ohne metaphysische Fragestellungen konfliktfrei betrieben werden konnte. Die Bedeutung einer neuen, experimentellen Naturphilosophie war für das Klosterleben hoch genug, dass es sich verändern und sogar bis in sein Innerstes formen ließ. Monastische Naturforschung diente nicht mehr einem innermonastischen Zweck, sondern war nach außen gerichtet und dadurch auch – in begrenztem Maße – reaktionsfähig auf neue Impulse.

250  Abschließende Synthese

5.3 Ausblick Mit den politischen Entscheidungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts und den damit verbundenen Klosteraufhebungen veränderte sich auch die wissenschaftliche Situation in Süddeutschland grundlegend. Ohne Klöster und die dazugehörige Lebensweise gab es keine monastische Naturforschung mehr im Sinne dieser Arbeit. Der letzte Abt von Oberalteich formulierte dazu: Fehle das Kloster, für das ein Mönch seine Gelübde abgelegt hatte, »so hört der Religios für sich auf.«10 Die monastischen Wetterbeobachter, Astronomen und Experimentalphysiker gingen nach 1803 unterschiedliche Wege. Viele Klostergelehrte wurden nach der Auflösung ihrer Ordensgelübde als Pfarrer oder Lehrer angestellt, und nur einige wenige setzten ihre wissenschaftlichen Studien auch ohne Klosterkontext fort. Führer aus Fürstenfeld durfte nach dem Verkauf der Klosteranlage zunächst dort wohnen bleiben, verfasste eine Chronik des Klosters und führte auch die Wetterbeobachtungen fort. Heinrich aus St. Emmeram in Regensburg übernahm eine Stelle als Physiklehrer am dann königlichen Lyzeum und arbeitete weiter an seinen Studien zur Phosphoreszenz. Paulinus Schuster aus Rott am Inn erhielt eine Anstellung als »geometra electorialis et speculae astronomicae adjunctus« in München.11 Der letzte Astronom in Polling, Vicelin Schlögl, hingegen wurde Vikar und später Pfarrer in Augsburg. Neben den vielen individuellen Wegen der ehemaligen monastischen Naturforscher schlug das Observatorium auf dem Hohenpeißenberg auch als Institution einen Sonderweg ein und blieb weiterhin ein Ort der Wetterbeobachtung  – bis heute.12 Die wichtige Funktion, die Klostergelehrte gerade für die Wetternetze einnahmen, wird auch durch einen Blick auf die weitere Entwicklung organisierter Meteorologie im 19. Jahrhundert deutlich. Große Hoffnungen setzten die Regierungsbeamten europaweit für das Funktionieren ihrer Wetternetze in die Kreis- und Landärzte. Gerade bei diesen Personen kam es jedoch vielfach entweder zu einer grundsätzlichen Ablehnung, Wetterbeobachtungen überhaupt zu übernehmen, oder zu einer berufsbedingt zu hohen Mobilität. Eine vollständige Datengrundlage ließ sich auf diese Weise nicht schaffen.13 In Bayern wurden nach der Säkularisation durch die Akademie gezielt Landgerichtsärzte zur Einsendung von Wetterbeobachtungen aufgefordert. Wegen der Unvollständigkeit der Daten übernahm die Bayerische Akademie ab 1809 einen neuen Versuch zur Koordination der Meteorologie und gründete die Meteorologische Kommission. Ihre Arbeit kam aber nie wirklich 10 Aschenbrenner, Beda: Der Mönch hört mit dem Mönchthum auf oder die Gelübde gehen mit den Klöstern ein. Eine zeitangepaßte Abhandlung 1805, 13. 11 Schrott: Naturkundliche Aktivitäten 232. 12 Winkler: Winkler 2009 – Bergwetter im Wandel. 13 Richter: Semiotik.

Ausblick  251

in Gang und wurde erst 1878 durch die Königlich Bayerische Meteorologische Centralstation wiederbelebt.14 Der Botaniker Schrank sah zu seiner Zeit in Geschichte und Mathematik ein Betätigungsfeld auch für ehemalige Klostergelehrte. Doch gerade der Hohenpeißenberg zeigt auf, dass Klostergelehrte grundsätzlich im 19. Jahrhundert auch in anderen Feldern einen wissenschaftlichen Beitrag hätten leisten können. So war auch nach 1800 die regelmäßige Wetterbeobachtung eng mit der Lebensweise der Datensammler verbunden. Gerade in einem Wissenszweig wie der Wetterkunde, in der es auf die Erstellung von geographisch verteilten, regelmäßigen Beobachtungen ankam, hatten die Klostergelehrten im 18. Jahrhundert eine Aufgabe übernommen, für die sie mit ihrer Lebensweise besonders geeignet waren. Bereits in den 1830er Jahren fand in Bayern durch König Ludwig I. eine Restauration der geistlichen Landschaft statt, indem er ehemalige Klöster wiedererrichten und neue gründen ließ. Im Vordergrund standen die Stärkung des Missionsgedankens, die Seelsorge und die Krankenpflege sowie die Jugenderziehung.15 Alte Orden wie die Benediktiner und die Augustinereremiten wurden wiederbelebt und Niederlassungen weiterer Orden, gerade auch der weiblichen, gegründet. Im Jahr 1921 beschloss das Generalkapitel der bayerischen Benediktiner, erneut eine Benediktinerakademie zu gründen, um »die Forschung durch Rat und Tat zu erleichtern und zu fördern.«16 Bis 1940 waren eine historische, eine systematisch-theologische und eine pädagogische Sektion entstanden. Naturwissenschaftliche Studien fanden innerhalb des Benediktinerordens jedoch keine Institutionalisierung. Das gilt ebenso für die 1947 in Nordamerika gegründete American Benedictine Academy sowie die seit 1996 existierende bayerische Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim mit Sitz in der Propstei Paring.17 Ganz anders nahm der Jesuitenorden nach seiner Wiedererrichtung alle Wissenszweige in den Blick und betreibt u. a. bis heute erfolgreich die Specola Vaticana mit einem Institutszentrum bei Rom und einer Forschungseinrichtung auf dem Mount Graham in Arizona. Hier gilt es, astronomische Tätigkeit mit ignatianischer Lebensweise in einer Gemeinschaft zu vereinbaren, die über zwei 14 Folkerts: Folkerts 2009 – Von den Attributen. 15 Renner, Frumentius: Die Restauration des Benediktiner- und Zisterzienserordens seit 1830. In: Brandmüller, Walter (Hg.): Handbuch der Bayerischen Kirchengeschichte. Dritter Band. Vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. St. Otti­ lien 1991, 737–753; Rummel, Peter / Wetter, Immolata: Die nichtmonastischen Ordensgemeinschaften. In: Brandmüller, Walter (Hg.): Handbuch der Bayerischen Kirchengeschichte. Dritter Band. Vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. St. Ottilien 1991, 755–808. 16 Statuten, zitiert in Siegmund: Benediktiner-Akademie 374. 17 Haering, Stephan: Bayerische Benediktinerakademie. In: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerische_Benediktiner​ akademie (am 29.08.2020).

252  Abschließende Synthese Kontinente verteilt ist. Das stellt die Beteiligten vor vergleichbare Herausforderungen wie die monastischen Naturforscher des 18. Jahrhunderts. In dieser Arbeit wurden monastische Naturforscher in den Blick genommen, die sich mit mathematisch-physikalischen Instrumenten beschäftigten und in den Bereichen von Physik und Astronomie forschten. Wie sah die Situation in anderen Gebieten der Naturlehre wie Naturgeschichte oder Chemie aus? Es gab in süddeutschen Klöstern auch naturhistorische Sammlungen, botanische Gärten und Apparaturen für chemische Versuche. Mönche waren in begrenztem Maße eingebunden in Tauschnetzwerke von Pflanzen, Tieren und Mineralien, und der in Kremsmünster und Irsee tätige Astronom Eugen Dobler war auch ein äußerst geschickter Tierpräparator. Im Gegensatz zu Demonstrationsgeräten und Messapparaten fanden Naturalien jedoch kaum Verwendung im Hausstudium, bei öffentlichen Kollegien oder für wissenschaftliche Studien, die in Publikationen mündeten. Über die Beteiligung an Messnetzen und Kooperationsprojekten wie dem Venustransit, die Teilnahme an Preisfragen und Publikationen sowie die Verbindung mit der Lehre war die experimentelle monastische Naturforschung in den Lebenskontext der Klostergelehrten eingebunden und institutionalisiert. Für die Sammeltätigkeit der Klöster außerhalb der Scientifica galt dies nicht. Hinsichtlich chemischer Forschungen in Klöstern ist wenig bekannt. St. Emmeram verfügte wohl über ein chemisches Laboratorium in der Klosterapotheke, aber weitere Untersuchungen in diesem Bereich stehen noch aus.18 Auch hier handelte es sich jedoch um Einzelinitiativen, die keine Verbindung zur monastischen Lebensweise aufwiesen. Die vorliegende Arbeit hat einen begrenzten geographischen Zuschnitt, der sich von innen heraus im geschlossenen und binnen-zentrierten Kommunikations- und Diskursraum begründet. Die verwendeten Quellen können in ihrer Überlieferung das, was außerhalb bzw. in anderen Diskursräumen geschieht, nicht abbilden. Da die behandelten Orden der Benediktiner, Augustiner-Chorherren und Zisterzienser allerdings auch außerhalb des süddeutschen Raums über Klöster verfügten, stellt sich die Frage, ob das hier beschriebene Phänomen nicht auch in Italien, Spanien, Portugal oder Frankreich vorzufinden war. Vergleichbare Studien über die Rolle der Klostergelehrsamkeit für die Naturforschung im 18. Jahrhundert außerhalb des süddeutschen Raumes liegen bisher nicht vor.19 Bei allen Versuchen, vergleichende Aussagen treffen zu wollen, muss auf die grundsätzlich strukturellen Unterschiede der Wissenschaftskulturen in den verschiedenen Ländern hingewiesen werden. Das gilt für die im Wesentlichen an städtische Kontexte gebundene Gelehrsamkeit in Italien, die starke Ver 18 Wilde: Astronomen und Sternwarten 33. 19 Für Frankreich fokussiert die Forschung bisher auf die Beiträge von Klostergelehrten zur Geschichtsschreibung, besonders der Mauriner. Überblickhaft siehe Beales: Beales 2003 – Prosperity and Plunder.

Ausblick  253

schränkung mit staatlichen Institutionen in Frankreich sowie insbesondere für die Stellung des Jesuitenordens. Eine Besonderheit der süddeutschen Situation ist das Verhältnis von Prälatenorden und Jesuiten, welches für die Entwicklung der Wissenschaftslandschaft von entscheidender Bedeutung war. Während sich im Alpenvorland eine finanzstarke und selbstbewusste Klosterkultur auf dem Land parallel zu den städtischen Jesuiteneinrichtungen etablierte, gilt dies nicht für andere katholische Gebiete. Monastische Naturforschung in der hier beschriebenen binnen-zentrierten Form ist daher eine Besonderheit des süddeutschen Raums. Neues Wissen entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern ist gebunden an Raum und Zeit. Inhalt dieser Arbeit war der spezifische Kontext monastischer Naturforschung, bei dem sich innerhalb des Klosterlebens soziale Rollen und Naturforschungspraxis verflochten. Es wird die Aufgabe zukünftiger Untersuchungen sein, die gegenseitige Beeinflussung von Lebens- und Arbeitsumfeld unter anderen Bedingungen zu beschreiben. Das gilt beispielsweise für die Missionare im Wetternetz der Societas Meteorologica Palatina genauso wie für die Mitglieder englischer Colleges.20 Die Berücksichtigung des Lebensumfelds wissenschaftlicher Akteure für ihre Forschungspraxis ist eine Chance, Wissenschaft in ihrer Kontextabhängigkeit zu verstehen. Für die weitere Erforschung der frühneuzeitlichen Wissenschaftslandschaft bietet dieser Blick auf die Trägergruppen von Wissen über die Natur und ihre Lebensweise die Möglichkeit, Wissenschaftsräume als solche zu identifizieren und zu charakterisieren. Ausprägungen der Gelehrtenrepublik wie die süddeutsche monastische Naturforschung zeigen auf, dass hierbei nicht der Beitrag zum Erkenntnisfortschritt ein hilfreicher Maßstab ist, sondern die Frage nach spezifischen Beweggründen und Stabilisierungsmechanismen innerhalb von Wissenskulturen.

20 Forsyth, A. R.: Old Tripos Days at Cambridge. In: The Mathematical Gazette 19/234 (1935) 162–179.

Anhang Abkürzungsverzeichnis AEM

ABAdW BAdW BayHStA BSB CRSA LMU OCC Ocist OESA OFM OSB SJ UB Regensburg UBM

Archiv des Erzbistums München und Freising Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Bayerische Akademie der Wissenschaften Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bayerische Staatsbibliothek Ordo Canonicorum Regularium Sancti Augustini, Augustiner-Chorherren Ludwig-Maximilians-Universität München Ordo Carmelitarum Calceatarum, Beschuhte Karmeliten Ordo Cisterciensis, Zisterzienser Ordo Eremitarum Sancti Augustini, Augustiner-Eremiten Ordo Fratrum Minorum, Franziskaner Ordo Sancti Benedicti, Benediktiner Societas Jesu, Jesuiten Universitätsbibliothek Regensburg Universitätsbibliothek München

Archivalische Quellen Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Briefe 1759–1801 NL Martius 15 Nr. 30/7 Protokolle 6 und 7 (Sitzungsprotokolle) VIII. 167: Akte zum Wetterschießen und den Blitzableitern, u. a. Korrespondenz mit der Oberen Landesregierung

Archiv Erzbistum München AEM Grafiksammlung Nr. 10472: Kupferstich des Armariums aus Indersdorf von

Johann Georg Dieffenbrunner von 1767

Bayerisches Hauptstaatsarchiv GR Fasz. 655 Nr. 120–2: Instrumenteninventar von Kloster Prüfening GR Fasz. 1206 Nr. 4–6: Akten von Hofkammer und Generallandeskommissariat zum Kir-

chengeläut, Wetterläuten und Wetterschießen 1731–1808

GR Fasz. 1206 Nr. 7: Akten der General-Kirchenpolizei zum Setzen von Blitzableitern 1784–1816

256 Anhang Kurbayern Obere Landesregierung Nr. 19: Sitzungsprotokolle 1784 Kurbayern Obere Landesregierung Nr. 3978: Dokumente zum Blitzableiter 1784–1785 Kurbayern Landesdirektion in Klostersachen Nr. 479: Säkularisationsinventar von Maximus Imhof 1803 Kurbayern Landesdirektion in Klostersachen Nr. 1767: Briefe zwischen Kommissar Göfl bzw. Schichtmeister Hilber und Landesdirektion zur Inventarisierung einiger Klöster 1803–1804 Kurbayern Landesdirektion in Klostersachen Nr. 3486: Briefe zwischen Lokalkommissar in Fürstenfeld bwz. Abt Führer und Landesdirektion 1803–1805; »Verzeichnüß der in der Kloster Fürstenfeldschen Bibliothek hinterlassenen und noch befindlichen Bücher« Klosterliteralien Fasz. 634/29a: Rechnungen und Übersichten zu Einnahmen und Ausgaben aus Kloster Rott für die Jahre 1787, 1792, 1793, 1796, 1797, 1802,1803. Quittungen für Steuerzahlungen MInn Nr. 23685: Inventar der astronomischen Instrumente der Universität Landshut 1806

Bayerische Staatsbibliothek Cgm 1787, 1789, 2939: Briefe von / a n Pollinger CRSA Cgm 3920: Gerard Führers, letzten Abtes von Fürstenfeld Chronik dieses Klosters von seiner Entstehung bis zu seiner Auflösung im Jahre 1802 Cgm 8283: Barometerdiagramme von Gerard Führer aus Fürstenfeld 1784–1793 Cgm 9512: Meteorologische Tabellen aus dem Kloster Fürstenfeld bzw. Fürstenfeldbruck; 4 Bände Clm 1407, 1413, 1414, 26438–26440, 26449, 26450: Briefe von / a n Pollinger CRSA Clm 1904: Astronomische Beobachtungen aus Polling 1759–1760 Clm 11866: A. R. Aldobrandi Gebhart C. R.P. Philosoph. Univer. Excepta a Geraldo Burkart C. R.P. III. Tomis compreh. Clm 26406: Biographien von Augustiner-Chorherren von Franziskus Töpsl, hier mit G

Handschriften der Universitätsbibliothek München Cod. Ms. 2° 701 und 703: Nachlass Anselm Desing

Archiv des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg MS . R 378/1: Nachrichten über Regensburger Geschlechter, darin unter r Professor Placidus

Heinrich mit Beilage R. R. III 33: Briefprotokoll des Klosters St. Emmeram in Regensburg 1759–1769

Gedruckte Quellen Anonym: Urkunden über die Klosteraufhebung zu Intersdorf in Bayern. Veranlaßt vom Frauenstifte in München; andern zum Exempel. München 1783. Arbuthnot, Benedikt: Propositiones philosophicae & mathematicae. Regensburg 1774. Arbuthnot, Benedikt: Abhandlung, über die Preißfrage. Ob und was für Mittel es gebe die Hochgewitter zu vertreiben, und eine Gegend von Schauer und Hagel zu bewahren. In: Abhandlungen der Churfürstlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften. Philosophische Stücke 9 (1775) 399–436.

Gedruckte Quellen  257 Aschenbrenner, Beda: Der Mönch hört mit dem Mönchthum auf oder die Gelübde gehen mit den Klöstern ein. Eine zeitangepaßte Abhandlung 1805. Beck, Dominikus: Faßlicher Unterricht Gebäude auf eine leichte und sichere Art vor dem Einschlagen des Blitzes zu bewahren. Zum Nutzen und Gebrauch seiner Landsleute. Salzburg 1786. Beck, Dominikus: Kurzer Entwurf der Lehre von der Elektricität. Salzburg 1787. Böckmann, Johann Lorenz: Wünsche und Ansichten zur Erweiterung und Vervollkommnung der Witterungslehre. Einsichtsvollen Naturforschern zur Prüfung und Theilnehmung dargestellt. Karlsruhe 1778. Böckmann, Johann Lorenz: Carlsruher meteorologische Ephemeriden vom Jahr 1779. Karlsruhe 1780. Brander, Georg Friedrich: Kurze Beschreibung einer kleinen Luftpumpe oder Cabinet Antlia. Augsburg 1774. Burney, Charles: Carl Burney’s, der Musik Doctors, Tagebuch seiner Musikalischen Reisen. Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien. Aus dem Englischen übersetzt. Hamburg 1773. Cesaris, Angelo de: Ephemerides Astronomicae … Ad meridianum Medioalanensum. Mailand 1780. Cotte, Louis: Traité De Météorologie. Paris 1774. Daisenberger, Nepomuk: Monumentum debitae gratitudinis et filialis amoris erga reveren­ dissimum, perillustrem ac amplissimum Dominum Dominum Franciscum Toepsel. Walleshausen 1815. Ellinger, Anselm: Von den bisherigen Versuchen über längere Voraussicht der Witterung. Eine geschichtliche Skitze mit Bemerkungen, vorgelesen in der öffentlichen Versammlung der königl. baier. Akademie der Wissenschaften. München 1815. Encke, Johann Franz: Die Entfernung der Sonne von der Erde aus dem Venusdurchgang von 1761 hergeleitet. Gotha 1822. Epp, Franz Xaver: Problemata electrica. München 1773. Epp, Franz Xaver: Abhandlung von dem Magnetismus der natürlichen Elektricitaet. München 1777. Epp, Franz Xaver: Ueber die Wetterbeobachtungen. Eine Rede abgelesen an dem höchsten Namensfest Seiner Churfürstlichen Durchläucht zu Pfalzbaiern etc. Karl Theodor. München 1780. Epp, Franz Xaver: Der kurpfalzbaierischen Akademie der Wissenschaften in München Anzeige an das Publikum von den Gegenständen der Witterungslehre, und von der Art und Weise die Witterung zu beobachten. München 1781. Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1781. Erster Jahrgang 1782. Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1782. Zweyter Jahrgang 1783. Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1783. Dritter Jahrgang 1784. Epp, Franz Xaver: Der kurfürstlich baierischen Akademie der Wissenschaften in München, meteorologische Ephemeriden auf das Jahr 1787. Siebenter Jahrgang 1788. Fischer, Johann Nepomuck: Beweiß, daß das Glockenläuten bey Gewittern mehr schädlich als nützlich sey. Nebst einer allgemeinen Untersuchung ächter und unächter Verwahrungsmittel gegen die Gewitter. München 1784. Goldhofer, Prosper: Observation der gäntzlichen Monds-Finsternuß, welche 1736. den 20. Sept. auf dem Observatorio im Closter Polling angestellet worden. In: Neu-fortgesetzter Parnassus Boicus, Oder Bayrischer Musen-Berg 5 (1736) 46–52. Guden, Peter Philipp: Von der Sicherheit wider die Donner-Stralen. Eine Abhandlung, welcher

258 Anhang die Chur-Bayerische Akademie der Wissenschaften eine goldne Medaille zuerkannt hat. Göttingen, Gotha 1774. Hauntinger, Johann Nepomuk: Reise durch Schwaben und Bayern im Jahr 1784. Neu herausgegeben und bearbeitet von Gebhard Spahr OSB. Weißenhorn 1964. Hauser, Berthold: Elementa Philosophiae Ad Rationis Et Experientiae ductum conscripta, Atque Usibus Scholasticis accomodata. Tomus 5 Physica Particularis. Augsburg 1760. Heinrich, Placidus: Abhandlung über die Wirkung des Geschützes auf Gewitterwolken, welche 1788 den Preis erhalten hat. In: Neue philosophische Abhandlungen der baierischen Akademie der Wissenschaften 5 (1789) 1–144. Heinrich, Placidus: Anhang zu den Wetterbeobachtungen von 1789. In: Der KurfürstlichBaierischen Akademie der Wissenschaften in München meteorologische Ephemeriden 9 (1797) 236–242. Heinrich, Placidus: Kurze Lebensgeschichte des letzten Fürst-Abtes zu St. Emmeram in Regensburg Cölestin Steiglehner. Regensburg 1819. Hell, Maximilian: Supplementum dissertationis De parallaxi solis. Wien 1773. Hellensteiner, Virgil: Rede bey der Todesfeyer des hochwürdigen und wohlgebohrnen Herrn Herrn Ambrosius Probst und Erzdiakon an dem regulirten Chorstifte zu Rothenbuch. Kaufbeuren 1798. Hemmer, Johann Jakob: Kurzer Begriff und Nuzen der Wetterleiter, bei Gelegenheit derjenigen, die auf dem Schlosse, und den übrigen kurfürstlichen Gebäuden zu Düsseldorf errichtet worden sind. Mannheim 1783. Imhof, Maximus: Grundriß der öffentlichen Vorlesungen über die Experimental-Naturlehre. 1. Theil. München 1793. Kellner, Altmann: Ein Besuch in süddeutschen Abteien im Jahr 1779. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 81 (1970) 219–249. Klöckel, Franz Josef von: Einige Rückblicke auf die Geschichtschreibung von Bayern. Aus Anlaß des Urtheile über Heinrich Zschokke’s sechs Bücher bayerischer Geschichten. München 1818. Kornmann, Rupert: Trauerrede auf den Hochwuerdigsten, Hochgebohrnen Herrn ­Frobenius des Heil. Röm. Reichs Fürsten, des Kaiserl. freyen Reichsstiftes zu St. Emmeram in Regensburg Abt bey dem letzten Trauergottesdienste in besagter Reichsstiftskirche den 3. Wintermonats 1791. Regensburg 1791. Kratz, Georg: Observatio Transitus Veneris per discum Solarem 6 Junii 1761. Ex observatorio Collegii Societatis Jesu Ingolstadii, una cum conclusionibus Astronomicis. Ingolstadt 1761. Lamont, Johann von: Über die neuerlich aufgefundenen meteorologischen Beobachtungen vom Hohenpeissenberg und einigen anderen zur Societas palatina gehörigen Stationen in Bayern. In: Gelehrte Anzeigen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 31 (1850) 757‐760, 766‐768. Lippert, Johann Caspar: Fortsetzung der Nachricht von den ehemaligen gelehrten Gesellschaften in Baiern. München 1764. Luz, Johann Friedrich: Unterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter-Ableitern. Zur Belehrung und Beruhigung sonderlich der Ungelehrten und des gemeinen Mannes. Frankfurt, Leipzig 1784. Mareis, Marian: Trauerrede auf den Hochwürdigen, Wohlgebohrnen Herrn Herrn Gregor würdigsten Abt des Hochlöblichen Benediktinerstiftes Rot. Tegernsee 1801. Moritz, Joseph: Beantwortung der historischen Preisfrage: Wer, und von welchem Geschlechte war jener Pfalzgraf Rapotho von welchem vom Cosmas Pragensis ad annum 1073 gesagt wird, daß er so mächtig und reich war, daß er von Böhmen bis nach Rom durch lauter eigenthümliche Güter und Kastelle reisen konnte? In: Neue historische Abhandlungen der Baierischen Akademie der Wissenschaften 5 (1798) 507–639.

Gedruckte Quellen  259 Rudhart, Georg Thomas: Erinnerungen an Johann Georg von Lori. Eine Rede, vorgetragen in d. öffentl. Sitzung zur Feier d. akadem. Saecularfestes am 29. März 1859. München 1859. Sattler, Magnus: Chronik von Andechs. Donauwörth 1877. Schmelcher, Alberik: Trauer- und Lobrede auf das höchst betrübte Ableiben des Hochwürdigen Hochedelgebohrnen Herrn Herrn Gelasius, des Hochansehnlichen und berühmtesten Stüftes Undersdorf würdigst gewesenen Abbtens und Vorstehers. Augsburg 1771. Schrank, Franz von Paula: Reise nach den südlichen Gebirgen von Baiern, in Hinsicht auf botanische, mineralogische, und ökonomische Gegenstände nebst Nachrichten von den Sitten, der Kleidung, und andern Merkwürdigkeiten der Bewohner dieser Gegenden etc. etc.; auf Befehl der kurfürstl. Akademie der Wissenschaften unternommen im Jahre 1788. München 1793. Schrank, Franz von Paula: Kann ein Religiose Mitglied einer Akademie der Wissenschaften seyn? München 1818. Schuster, Paulinus: Astronomische Nachrichten und Beobachtungen aus dem Kloster Rot am Inn in Bayern. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 6 (1802) 441–456. Steiglehner, Coelestin: Observationes Phaenomenorum Electricorum In Hohen-Gebrachin Et Prifling Prope Ratisbonam factae et expositae. Regensburg 1773. Steiglehner, Coelestin: Beantwortung der Preisfrage über die Analogie der Elektricität und des Magnetismus. In: Neue philosophische Abhandlungen der baierischen Akademie der Wissenschaften 2/2 (1780) 227–350. Steiglehner, Coelestin: Atmosphaerae pressio varia, observationibus baroscopicis propriis et alienis quaesita. Ingolstadt 1783. Sutor, Emmeram: Astronomische Beobachtungen in der Abtey Rott in Bayern am Innstrom. In: Bode, Johann Elert (Hg.): Astronomisches Jahrbuch nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Abhandlungen, Beobachtungen und Nachrichten. Berlin 1787, 186–187. Toaldo, Giuseppe: La Meteorologia Applicata All’Agricoltura. Venedig 1775. Torborch, Augustin: Abhandlung von den Kegelschnitten. In: Abhandlungen der Chur­ fürstlich-Baierischen Akademie der Wissenschaften. Philosophische Stücke 9/2 (1775) 17–54. Vogl, Herkulan: Mathesis Pollingana, seu Philosophiae Pollinganae tomulus Sextus. Venedig 1740. Weber, Joseph: Unterricht von den Verwahrungsmitteln gegen die Gewitter für den Landmann, samt der Untersuchung, was das Schießen auf die Gewitter wirke? Augsburg 1784. Weber, Joseph: Untersuchung, was das Schießen mit Geschützen auf die Gewitter wirke? Dillingen 1784. Weber, Joseph: Vollständige Lehre von den Gesetzen der Elektricität und von der Anwendung derselben. Landshut 1791. Wekhrlin, Wilhelm Ludwig: Anselm Rabiosus Reise durch Oberdeutschland. Herausgegeben, erläutert und mit einem Nachwort versehen von Jean Mondot. München 1988. Werner, Benedikt: Trauerrede auf den weiland Hochwürdigen, Hochwohlgebohrnen Herrn, Herrn Martinus, des berühmten und befreyten Stiftes und Klosters Prifling würdigsten Abt. Regensburg 1790. Westenrieder, Lorenz von: Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften. Erster Theil von 1759–1777. München 1784. Wolter, Johann Anton von: Akademische Rede von verschiedenen Landschädlichen Vorur­ theilen. München 1768. Zapf, Georg Wilhelm: Reise von Augsburg in das Kloster Fürstenfeld. In: Allgemeiner Litterarischer Anzeiger (1801) 1218–1232.

260 Anhang Ziegenhagen, Franz H.: Lehre vom richtigen Verhältnisse zu den Schöpfungswerken und die durch öffentliche Einführung derselben allein zu bewürkende algemeine Menschenbeglükkung. Hamburg 1792.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3, 4 Abb. 5–7 Abb. 8, 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13, 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18, 21 Abb. 19, 20 Abb. 22 Abb. 23

Observationes meteorologicae factae Ratisbonae in museo physico ad S. Emeramum studio et diligentia Confratum. Annus 1788. Universitätsbibliothek Regensburg 223/N10005–1788, fol. 2r. urn:nbn:de:bvb:355-ubr19743–5 Bayerische Staatsbibliothek München, Phys.sp. 51, S. 1. urn:nbn:de:bvb:12​ -bsb10133367-8 Tabulae meteorologicae ab anno 1787–1791. Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 9512 (1), fol. 1r-2v. urn:nbn:de:bvb:12-bsb00106256-8 Tabulae meteorologicae ab anno 1787–1791. Bayerische Staatsbibliothek München Cgm 8283. urn:nbn:de:bvb:12-bsb00109303-3 Heinrich 1797, S. 241: Entwurf der Barometerveraenderungen waehrend dem Jahre 1789. Archiv Bayerische Akademie der Wissenschaften Eigene Abbildung. Deutsches Museum, München, Archiv, BN40027 Bayerische Staatsbibliothek München, Eph.astr. 9–1780, Tab. II. urn:nbn:de:bvb:​ 12​-bsb11039996-0 Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Briefe 1763 Nr. 22/3. Deutsches Museum, München, Archiv, R1687-0 8 Epp 1784, S. 4. Bayerische Staatsbibliothek München, 4 Bavar. 631-1/3. urn:​ nbn:de:bvb:12-bsb10332537-7 Brander 1774, Tab. II . Bayerische Staatsbibliothek München, Phys.sp. 105. urn:nbn:de:bvb:12-bsb10133446-7 Armarium Physico-Mathematicum. Archiv des Erzbistums München Graphiksammlung Nr. 10472 Hauser 1760, Tab. XIV, XV. Bayerische Staatsbibliothek München, Ph.u. 234–5. urn:nbn:de:bvb:12-bsb10045968-2 Beck 1787, Tafel II. Bayerische Staatsbibliothek München, Phys.sp. 46. urn:​ nbn:de:bvb:12-bsb10133346-2 Ziegenhagen 1792. Staatliche Bibliothek Regensburg, 999/Philos.2352. urn:​ nbn:de:bvb:12-bsb11111115-6

274 Anhang

Personenregister Amort, Eusebius  12, 53 f., 56, 58 f., 63, 122, 142, 150, 162, 164 f., 205 f., 239, 247 Antinori, Luigi  67 Arbuthnot, Benedikt  186–189, 191, 197, 199 f., 202, 207, 210, 224, 230 f., 239 Artaria, Carl  72, 76 Aventinus, Johannes  45 Barré, Joseph  165 Beck, Dominikus  207, 219 f., 227, 236 Beer, Tassilo  61 Bernoulli, Johann III.  170 f. Bessel, Gottfried.  18 Böckmann, Lorenz  72, 74, 80 f., 84, 117 Bode, Johann Elert  170 f. Brahe, Tycho  150, 205 Brander, Georg Friedrich  16, 76, 93, 95, 126, 128–130, 141–144, 146, 149, 156, 163 f., 166 f., 171 f., 174 f., 211, 215, 228, 242 f., 247 Burckhart, Gerhard  141, 206 Burney, Carl  229 Canivet, Jacques  123, 125, 128, 141, 143, 165 Cassini de Thury, César Francois  142 f., 163 Cassini, Giovanni Domenico  125 Cassini, Jacques  167 Celsius, Anders  93, 99 Cotte, Louis  69, 75 Delisle, Joseph Nicolas  121, 123, 125, 131, 163 Derham, William  68 Desing, Anselm  12, 16, 45, 47, 49 f., 56–58, 63, 149, 169, 238, 256 Deslandes, André-Francois  182, 189 Dieffenbrunner, Johann Georg  213, 219 Divis, Prokopius  183 Dobler, Eugen  124 f., 163 f., 167–174, 240, 252 Dollond, John  142, 145 Dörffel, Georg Samuel  166 Dufay, Charles  189 Ellinger, Anselm  62, 110, 248 Enhuber, Otto  84, 207

Epp, Franz Xaver  65, 69, 77–81, 85, 91–94, 98, 101 f., 105–107, 111, 115–118, 200, 208, 223, 227, 241 Euler, Albrecht  71 Faure, Jean Baptiste  164 Felbiger, Ignaz  68, 75 Fischer, Cajetan  157–159 Fischer, Johann Nepomuk  194 Fixlmillner, Placidus  151, 153, 155, 169–171, 173 f., 235, 247 Forster, Frobenius  45, 47–50, 56, 59–61, 63, 155, 161 Franklin, Benjamin  183, 188–190 Führer, Gerard  32, 85, 92, 94 f., 98–103, 106–111, 117, 234, 245, 250, 256 Gaill, Gelasius  141, 206 Gebhard, Aldobrand  206, 228 Goldhofer, Prosper  32, 88 f., 91, 112, 120, 122, 124–126, 128–132, 134–138, 141–144, 147, 149 f., 159 f., 162–168, 173 f., 202, 204–206, 208, 228, 238–240, 242, 246–248 Gordon, Andreas  26, 220 Gruber, Leonhard  156 Guden, Peter Philipp  186, 191 Gufl, Veremund  106 f. Günthner, Sebastian  61 Güthe, Johann Melchior  76 Haller, Albrecht von  161 Halley, Edmund  121, 123, 125, 150 Hamberger, Georg Albrecht  70 Hauntinger, Nepomuk  144, 180, 229 Hauser, Berthold  106 f., 217, 219 Heinrich, Placidus  13, 61, 75, 77, 81, 83, 89, 91, 106, 108 f., 111, 115, 117, 169, 171, 179, 197–199, 201 f., 204, 207 f., 210, 225, 230 f., 239, 245 f., 250 Helfenzrieder, Johann Evangelist  106 Hell, Maximilian  35, 135 f., 138, 161, 169–171 Hemmer, Johann Jakob  74–77, 115, 117, 191–194, 196, 200, 207, 223, 226, 231 Hickmann, Robert  186 Hooke, Robert  67 Horsley, Samuel  103

Personenregister  275 Huberti, Franz  126 Huebpauer, Theophil  75 Huygens, Christian  125

Musschenbroek, Pieter van  107, 206

Ickstatt, Johann Adam  57 f. Imhof, Maximus  75, 175 Ingenhousz, Jan  211

Oefele, Andreas Felix  57 f. Osterwald, Peter von  126, 137, 156, 163 Oswald, Albert  149

Jurin, James  68

Paula Schrank, Franz von  9 f., 12, 14, 33, 154, 233, 238, 242, 251 Petrasch, Josef von  47, 57 f. Peutinger, Ulrich  172 Pez, Bernhard  18, 46–48, 51, 161 Pez, Hiernonymus  18, 46 f. Picard, Jean  125 Pickel, Ignaz  156 Pingré, Alexandre-Guy  125, 131, 135, 138, 149, 163, 165–167, 169, 173, 206 Poschinger, Ignaz von  78 Pronath, Martin  60, 154

Kanold, Johann  67 f. Kennedy, Ildephons  106 f., 163, 175, 186 f., 196, 199–202, 210, 224, 231, 236, 239, 248 Kinsky, Philipp  47, 56 f. Kleinbrodt, Anton  15 Klocker, Karl  62 Knauer, Mauritius  86 f. König, Karl  74 König, Mathias  81 Kordenbusch, Georg Friedrich  136 Kratz, Georg  122, 126, 136, 138, 163, 215, 217, 238 Kraus, Johann Baptist  48 Lacaille, Nicolas-Louis de  125, 163, 169, 207 Lalande, Jérôme  163, 170 f. Lambert, Johann Heinrich  71 f., 80, 84, 99, 102 Legipont, Oliver  47–50, 58 f., 63, 161 Leib, Kilian  85, 87, 111, 117 Leibniz, Gottfried Wilhelm  42–44, 56 Lichtenberg, Georg Christoph  196 Linprun, Johann Georg Dominikus von  57, 71, 156 Lori, Johann Georg  57 f., 70, 72 f., 87 f., 156, 159, 163, 204 Lory, Michael  71 Luz, Johann Friedrich  184, 227 Mack, Gregor  155, 222, 224 Mangold, Maximus  106 Martius, Ernst Wilhelm  211 Mayer, Christian  74, 148, 170 f. Meichelbeck, Carl  18 Mesmer, Franz Anton  211 Mindl, Ambrosius  152 Morhart, Gelasius  152, 155, 213, 215, 217 Moritz, Joseph  61 Mösmer, Ambrosius  113 f., 155, 157 f.

Nollet, Jean-Antoine  139, 190, 216

Rauch, Gregor  61, 106 f. Reimarus, Johann Albert  184, 192 Saller, Philipp  162 Schäffer, Christian Gottlieb  211 Scharl, Placidus  145 Scheiner, Christoph  15 Schiegg, Ulrich  177 Schlögl, Guarin  107 Schlögl, Vicelin  162, 171, 206, 250 Schröter, Eberhard  106 Schuster, Paulinus  83 f., 250 Schwaiger, Herkulan  172 Seemiller, Sebastian  162 Siber, Thaddäus  61, 225 Spieß, Meinrad  172 Stark, Joseph  106 Stattler, Benedikt  106 Steer, Kaspar  106 Steiglehner, Coelestin  74, 81, 89, 91, 106, 115, 146, 153, 202, 204, 208, 211, 217, 239 Stengel, Stephan von  74 f., 77 f., 81, 200 Stöffler, Johannes  65 Stuart, Bernhard  26 Sutor, Emmeram  105, 153, 169, 171, 208, 226 f., 239 Titius, Johann Daniel  93 Toaldo, Giuseppe  75, 103

276 Anhang Töpsl, Franziskus  123 f., 129, 137, 141, 143, 146, 149 f., 154, 158, 162, 165, 173, 204, 206 Torborch, Augustin  152, 156, 216 Törring-Seefeld, Anton von  200 Treuttwein, Leonhard  86, 100

Wekhrlin, Wilhelm Ludwig  20 Widnmann, Joseph von  224 Winckler, Johann Heinrich  183 Wittner, Anton  71, 87 f., 91, 163, 238, 242 Wolff, Christian  13 Wolter, Johann Anton von  191

Vogl, Herkulan  205 Volz, Johann Christian  71

Zach, Franz Xaver von  83, 202 Zallinger, Jakob Anton  106 Zannoni, Antonio Rizzi  138, 163 Zapf, Georg Wilhelm  95 Ziegelbauer, Magnoald  47 f., 56 f. Zirngibl, Roman  18, 112

Weber, Joseph  107, 195 f., 198, 200, 207, 231 Weigl, Rupert  169, 171, 208, 226, 239