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English Pages 553 [542] Year 2006
Christian Bosch, Stefan Schiel, Thomas Winder Emotionen im Marketing
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Werbe- und Markenforschung Herausgegeben von Professor Dr. Günter Schweiger
Die Schriftenreihe dient der Vertiefung des Verständnisses der Werbung und ihrer Wirkung, der Optimierung der Kommunikation sowie der Beantwortung betriebswirtschaftlicher und verhaltenswissenschaftlicher Fragestellungen der Markenführung. Dazu werden empirische Forschungsergebnisse der Wirtschaftsuniversität Wien, insbesondere des Instituts für Werbewissenschaft und Marktforschung, für Zielgruppen aus Wissenschaft und Praxis aufbereitet.
Christian Bosch, Stefan Schiel, Thomas Winder
Emotionen im Marketing Verstehen – Messen – Nutzen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Günter Schweiger
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Juni 2006 Nachdruck August 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0257-9
Vorwort
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Vorwort des Herausgebers Die Herausforderung, Emotionen im Zusammenhang mit Marken messbar zu machen, war der Ausgangspunkt eines umfassenden und vielbeachteten Forschungsprojektes, das am Lehrstuhl für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien in Kooperation mit marketmind Markt- und Markenforschung und dem Innovations- und Technologiefonds (ITF) durchgeführt wurde. Das vorliegende Buch mit dem Titel „Emotionen im Marketing“ aus der DUV Schriftenreihe „Werbe- und Markenforschung“ ist eine ausführliche und dennoch kompakte Darstellung dieses Forschungsprojektes. Das Kernziel des von Christian Bosch, Stefan Schiel und Thomas Winder gemeinsam betreuten Projektes war die Entwicklung einer standardisierten Bilderskala zur Messung markenrelevanter Emotionen. Dieses Verfahren stellt somit einen Meilenstein für die Marketingpraxis dar, erlaubt es doch, die von Konsumenten im Zusammenhang mit Marken verbundenen Emotionen „erfassbar“ zu machen. Neben der anschaulichen Aufbereitung der Entwicklungsschritte dieses innovativen Messansatzes werden sowohl der methodische Hintergrund bereitgestellt als auch die emotions- und wahrnehmungspsychologischen Überlegungen ausführlich diskutiert, sowie Erkenntnisse für die Bildkommunikation abgeleitet. Trotz der streng wissenschaftlichen Herangehensweise an die Problemstellung – ohne die der Komplexitätsgrad nicht zu bewältigen gewesen wäre – richtet sich dieser Band in erster Linie an Marketingpraktiker in markenführenden Unternehmen, die „Emotionale Differenzierung“ nicht nur als unumgängliche Notwendigkeit, sondern darüber hinaus als effektive Positionierungsstrategie für ihre Zielgruppe betrachten. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern eine spannende und erkenntnisreiche Lektüre und freue mich auf zahlreiches konstruktives Feedback.
Dr. Günter Schweiger Universitätsprofessor für Werbewissenschaft und Marktforschung Wirtschaftsuniversität Wien
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Emotionen im Marketing
Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien. Das Zustandkommen des Buches wurde von der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (WWG) unterstützt.
Einleitung
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Einleitung Die Erhebung von Marken- und Firmenimages ist seit vielen Jahrzehnten eine zentrale Aufgabenstellung im Marketing. Neben einer laufenden Erweiterung des Einsatzgebietes haben sich auch neue methodische Ansprüche für die Imagemessung ergeben. Da Marken immer austauschbarer werden und anhand objektiver Kriterien nicht mehr voneinander differenziert werden können, gelangen immer häufiger emotionale Positionierungsstrategien zur Anwendung. Die Messbarmachung dieser Bemühungen zur emotionalen Markendifferenzierung war deshalb erklärtes Ziel des Gesamtprojektes. Die vorliegenden drei Beiträge waren Teil eines kooperativen Forschungsprojektes zwischen der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien und marketmind Markt- und Markenforschung. Die finanzielle Unterstützung durch den Innovations- und Technolologiefonds (ITF) machte die Realisierung dieses ambitionierten Projektes erst möglich. Es wurde bei diesem Projekt der Versuch gestartet, durch die Koordination von mehreren Dissertationen vorhandenes Potenzial zu bündeln und einem gemeinsamen Forschungsziel unterzuordnen. Die dahinterstehende Kernidee war die Nutzung von auftretenden Synergien im Bereich des wissenschaftlichen Research einerseits und die aufeinander abgestimmte und teilweise auf die laufenden Ergebnisse aufbauende Arbeit andererseits. Hierdurch war es möglich, unnötige Doppelgleisigkeiten weitestgehend auszuschalten und eine effiziente Bearbeitung der einzelnen Teilbereiche zu erzielen. Ein darüber hinausgehender Vorteil bot sich durch die Aufteilung einer in ihrer Gesamtheit sehr komplexen Aufgabenstellung in einzelne Teilprojekte, die mit dem notwendigen wissenschaftlichen Tiefgang von den jeweiligen Teammitgliedern bearbeitet werden konnten. Die gemeinsamen Erkenntnisse aus den drei Arbeiten liegen nun in kompakter Form in diesem Sammelband vor.
VIII
Emotionen im Marketing
Ziele des Gesamtprojektes
Die Herausforderung des Projektes bestand darin, Emotionen im Zusammenhang mit Marken messbar zu machen. Daraus ergab sich folgende konkrete Fragestellung: Wie können die einzelnen Teile des im Kopf des Konsumenten repräsentierten Markenwissens und insbesondere die gespeicherten Emotionen optimal gemessen werden, um die nötigen Ansatzpunkte und Informationen für eine effektive Markenführung zu gewinnen? Nach Analyse der gängigen und in der Praxis eingesetzten Instrumentarien wurde untenstehender Messansatz entwickelt. Ausgehend von der Unterteilung in Bekanntheit und Image, wurde letzteres noch einmal differenziert (Esch 2000). Dabei wurde das Image nach der Art der Markenassoziationen in emotionale und gemischte Imagebestandteile unterteilt.
Messung des Markenwissens Ausgangspunkt
Bekanntheit
Recognition
gemischte Imagebestandteile
Cognition
emotionale Imagebestandteile
Emotion
Gesamtbild des Konsumenten vom Beurteilungsobjekt
Das Augenmerk lag auf den emotionalen Imagebestandteilen, da es in diesem Bereich besonders großen Aufholbedarf gab. Im Vergleich zu den Standardmethoden der Messung der gestützten und ungestützten Markenbekanntheit erschienen bis dato in der Marktforschung eingesetzte Methoden zur Messung von Emotionen recht unprofessionell und wenig valide.
Einleitung
IX
Ziel sollte es somit sein, emotionale Assoziationen nicht nur identifizieren zu können, sondern darüber hinaus auch die Stärke der einzelnen mit der Marke verbundenen Emotionen zu messen. Der Grund hierfür ergibt sich aus folgenden Vorteilen: i Berücksichtigung von Emotionen: Damit kommt es zu einer Aufwertung von bisher vernachlässigten emotionalen Assoziationen gegenüber kognitiven Imagebestandteilen. i Messung von spezifischen Emotionen: Damit kann über eine grundlegende Gut-/ Schlecht-Differenzierung hinausgehend, die qualitative Ausprägung der mit der Marke verbundenen Emotionen bestimmt werden. i Quantifizierung der Ausprägungsstärke: Damit ist es möglich, nicht nur die Existenz bestimmter Assoziationen nachzuweisen, sondern klare Aussagen über die Stärke der jeweiligen Emotionen im Zusammenhang mit einer Marke zu treffen.
Theoretische Herangehensweise und Ablauf des Projekts Zum grundsätzlichen Verständnis der Hintergründe und zur Schaffung einer soliden Ausgangsposition wurden in einem ersten Schritt die hinter den Emotionen stehenden Theorien und Konstrukte beleuchtet. Hierzu wurde eine umfassende Bestandsaufnahe der unterschiedlichen Emotionstheorien vorgenommen. Zusätzlich wurde im Rahmen der Imagery Forschung das Problem der Informationsverarbeitung bzw. -speicherung in diesem Zusammenhang diskutiert. Die theoretische Fundierung wurde aber nicht nur entkoppelt von der praxisorientierten Anwendung in der Marketingforschung gesehen. Besonderes Augenmerk galt auch der Schnittstelle zwischen Marketing und Emotionen. Es wurde ein Einblick in den gegenwärtigen Forschungsstand geschaffen und diesen als Anregung für die weitere Forschungstätigkeit aufgenommen. Insbesondere fanden bestehende Ansätze zur Messung von Emotionen in der Psychologie und im Marketing Beachtung. Unter Berücksichtigung der theoretischen und praktischen Hintergründe wurde die Idee der Basisemotionen (Primär- und Sekundäremotionen) und hier insbesondere der Ansatzpunkt von Plutchik als besonders geeignet eingestuft für die geplante Entwicklung einer standardisierten Messskala für Emotionen. Es wurden dementsprechend in weiterer Folge über die Primäremotionen hinausgehende markenrelevante Emotionen identifiziert und deren Bedeutung für das Marketing untersucht (Studie I).
X
Emotionen im Marketing
Bei der Skalenentwicklung ist von den gängigen verbalen Messmethoden abgegangen worden. Als Stimulusmaterial wurde ein standardisierter Pool von Bildreizen generiert, der als Resultat die einzelnen Emotionen der Zielgruppe bezüglich des zu analysierenden Objektes (bzw. der Marke) abbildet. Zur Vorselektion der Bildstimuli kam in Studie II eine spezielle Form des Repertory Grids zum Einsatz. Die anhand der Ergebnisse aus Studie II ausgewählten, visuellen Stimuli wurden in Studie III von den Auskunftspersonen auf verschiedene Marken zugeordnet. Der hieraus resultierende Datensatz kam mittels Split-Half Methode sowohl bei der Skalenentwicklung als auch bei deren Validierung zum Einsatz. Der endgültige Bilderpool (siehe Anhang) ergab sich als Ergebnis einer Serie von explorativen Faktorenanalysen (EFA) in Kombination mit der Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit nach Rasch. Die Validitätskontrolle wurde mittels Structural Equation Modeling - im Konkreten anhand eines Latent trait-multiple indicator Modells - vorgenommen. Neben der Skalenkonstruktion wurden drei weitere Fragestellungen, die nicht nur beim Einsatz von Bildern in der Messung markenrelevanter Emotionen zum Tragen kommen, sondern ganz allgemein bei der Verwendung von Bildern in der Kommunikation relevant sind, bearbeitet: i Welche Bildinhalte sind grundsätzlich geeignet, Emotionen zu kommunizieren? i Welche Anforderungen muss ein Bild erfüllen, um vom Empfänger in der vom Absender beabsichtigten Art und Weise interpretiert und verstanden zu werden? i Welche ist die zur Kommunikation emotionaler Inhalte geeignetste Präsentationsform von Bildern? (Unter der Präsentationsform wird ganz allgemein die Art und Weise der Reizdarbietung verstanden.) Die Beantwortung dieses Fragenkomplexes basiert auf der Diskussion der Emotionsgenese und dem Zusammenspiel von Emotionen und Kognitionen. Breiter Raum wurde im Zusammenhang mit der Erklärung der Bildwahrnehmung und der Ableitung von Gestaltungsrichtlinien der visuellen Stimuli sowie deren optimaler Präsentation in der Emotionsmessung der Schematheorie eingeräumt. Ein abschließendes Ziel war die Untersuchung der Aktivierungssteuerung mittels Primingreizen. Zur besseren Illustration des Ablaufs wird an dieser Stelle zusammenfassend das Projektdesign grafisch dargestellt.
Einleitung
XI
Projektaufbau
Kausalmodelle (Winder 2004) Studie I Emotionen im Marketing
Studie II Bildertest Repertory Grid
Studie III Datenbasis Skalenentwicklung (Schiel 2004)
Gestaltung und Präsentation von Bildreizen (Bosch 2004)
Studie IV Experimente
Projektablauf Computergestützte Multimediale Emotionsmessung
Die zugrunde liegende Abgrenzung der Arbeiten ergab sich wie folgt: i Winder (2004) klärt ausführlich, was unter Emotionen zu verstehen ist und inwieweit Emotionen im Marketingalltag von Bedeutung sind. Des weiteren führt er die Validitätskontrolle der entwickelten Skala durch. i Die Arbeit von Schiel (2004) setzt sich zum Ziel, eine branchenübergreifende Skala zur Messung der markenrelevanten Emotionen auf Basis visueller Stimuli zu entwickeln. i Bosch (2004) gibt Ansatzpunkte für die Gestaltung von Bildreizen zur Messung von Emotionen und untersucht den Einfluss verschiedener Präsentationsmodalitäten auf die Messvalidität.
Inhaltsübersicht
XIII
Inhaltsübersicht Teil 1 Emotionen im Marketingkontext............................................................................................ 1 Thomas Winder Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit............................................................................ 9 Imagery Forschung................................................................................................................... 15 Emotionstheorien ..................................................................................................................... 23 Emotionen im Marketing ......................................................................................................... 65 Ableitung der Forschungshypothesen ...................................................................................... 86 Ermittlung marketingrelevanter Emotionen............................................................................. 89 Erklärung marketingrelevanter Emotionen ............................................................................ 106 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse..................................................................... 136 Teil 2 Entwicklung einer Bilderskala zur Messung markenrelevanter Emotionen ................. 157 Stefan Schiel Einleitung ............................................................................................................................... 165 Emotionsmessung................................................................................................................... 169 Theorie der Skalenkonstruktion ............................................................................................. 211 Forschungsfrage und Hypothesen .......................................................................................... 257 Der Prozess der Skalenentwicklung....................................................................................... 261 Die Bearbeitung der Hypothesen ........................................................................................... 304 Resümee ................................................................................................................................. 313 Teil 3 Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung...................................................................................................... 321 Christian Bosch Ausgangssituation und Problemstellung ................................................................................ 331 Das Bild.................................................................................................................................. 335 Die Emotionsgenese............................................................................................................... 346 Der Prozess der visuellen Wahrnehmung .............................................................................. 359 Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation ........................................................... 428 Forschungshypothesen ........................................................................................................... 440 Experimentaldesign und Studienaufbau................................................................................. 445 Analyse der alternativen Messmethoden................................................................................ 468 Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode ............................................................ 505 Anhang: Bilder der standardisierten Emotionsskala (Farbdruck)
Teil 1
Emotionen im Marketingkontext
Thomas Winder
Inhaltsverzeichnis
3
Inhaltsverzeichnis
1. Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit ..................................................................... 11 2. Imagery Forschung .............................................................................................................. 17 2.1. Duale Kodierung .......................................................................................................... 17 2.2. Hemisphärenforschung................................................................................................. 20 2.3. Imagery Forschung als Grundlage für die Messung von nonverbalem Markenwissen.................................................................................................................... 23 3. Emotionstheorien................................................................................................................. 25 3.1. Definition von Emotionen ............................................................................................ 25 3.1.1. Annäherung an eine einheitliche Definition..................................................... 26 3.1.2. Schwierigkeiten beim Versuch einer einheitlichen Definition......................... 27 3.2. Verschiedene Ansätze zur Erklärung von Emotionen.................................................. 29 3.2.1. Klassisch-behavioristische Theorien ................................................................ 30 3.2.2. Aktivierungstheorien ........................................................................................ 31 3.2.3. Kognitiv-physiologische Theorien ................................................................... 31 3.2.4. Attributionale Theorie der Emotionen - Weiner............................................... 32 3.2.5. Gehirnfunktionstheorien................................................................................... 33 3.2.6. Evolutionspsychologische Theorien................................................................. 35 3.2.6.1. Darwin als Begründer der Evolutionstheorien ................................... 35 3.2.6.2. Plutchik als Hauptvertreter der Evolutionstheorien ........................... 36 3.2.7. Integrativer Ansatz zur Erklärung von Emotionen - LeDoux .......................... 40 3.3. Basisemotionen ............................................................................................................ 47 3.3.1. Idee der Basisemotionen................................................................................... 48 3.3.1.1. Evolutorische bzw. funktionale Sichtweise der Emotionen ............... 49 3.3.1.2. Heterogenität der Basisemotionen...................................................... 50 3.3.1.3. Mögliche Kriterien zur Bestimmung von Basisemotionen ................ 52 3.3.2. Herleitung der Basisemotionen und Einbettung in den Marketingkontext ...... 54 3.3.3. Zusammenfassung der wichtigsten Eigenschaften von Basisemotionen ......... 59 3.4. Sekundäremotionen ...................................................................................................... 60 3.5. Circumplex Models zur Darstellung von Emotionen................................................... 62 3.5.1. Ursprung der Circumplex Models .................................................................... 62 3.5.2. Methodik des Circumplex Models ................................................................... 63 3.5.3. Anwendungen des Circumplex Models in der aktuellen Forschung................ 65
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Inhaltsverzeichnis
4. Emotionen im Marketing..................................................................................................... 67 4.1. Zusammenhänge zwischen Emotionstheorien und Marketing..................................... 67 4.2. Aktuelle Marketingforschung in Bezug auf Emotionen............................................... 68 4.2.1. Werbung ........................................................................................................... 69 4.2.1.1. Emotionen als Stimuli ........................................................................ 69 4.2.1.2. Emotionen als Output ......................................................................... 73 4.2.2. Kaufsituation .................................................................................................... 78 4.2.3. Nachkaufphase.................................................................................................. 81 4.2.3.1. Emotionen als Einflussgrößen auf das Verhalten in der Nachkaufphase.................................................................................... 81 4.2.3.2. Emotionen als Bestandteil der Produktwirkung ................................. 85 4.3. Allgemeine Effekte von Emotionen ............................................................................. 86 5. Ableitung der Forschungshypothesen ................................................................................. 88 5.1. Hypothesen bzgl. Emotionen im Marketingkontext..................................................... 88 5.2. Hypothesen bzgl. der Messung von Emotionen ........................................................... 89 5.3. Hypothesen bzgl. der allgemeinen Emotionstheorie .................................................... 90 6. Ermittlung marketingrelevanter Emotionen ........................................................................ 91 6.1. Beschreibung Studie I: Emotionen im Marketing ........................................................ 91 6.1.1. Erhebungsinhalte .............................................................................................. 91 6.1.2. Erhebungsmethode - Strukturierung spontaner Assoziationen ........................ 92 6.1.2.1. Auswahl der Emotionen ..................................................................... 92 6.1.2.2. Auswahl der Marken .......................................................................... 93 6.1.3. Ablauf des Interviews....................................................................................... 94 6.2. Ergebnisse Studie I ....................................................................................................... 96 6.2.1. Relevanz von Primäremotionen im Bezug auf Marken.................................... 99 6.2.2. Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Marken ............................. 102 6.2.3. Identifikation von Marken und Branchen anhand von Sekundäremotionen .. 102 6.3. Theoretische Erweiterung des Emotionsmodells von Plutchik .................................. 105 7. Erklärung marketingrelevanter Emotionen ....................................................................... 108 7.1. Beschreibung Studie III: Datenbasis .......................................................................... 108 7.1.1. Erhebungsinhalte ............................................................................................ 108 7.1.2. Erhebungsmethode ......................................................................................... 108 7.1.2.1. Präsentationsdauer der Stimuli ......................................................... 108 7.1.2.2. Auswahl der Marken ........................................................................ 110 7.1.3. Ablauf des Interviews..................................................................................... 111
Inhaltsverzeichnis
7.2.
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Ergebnisse Studie III .................................................................................................. 113 7.2.1. Validität .......................................................................................................... 114 7.2.2. Structural Equation Modeling ........................................................................ 117 7.2.3. Zusammenhang zwischen Bildern und Emotionen Konvergenzvalidität ....................................................................................... 121 7.2.4. Zusammenhang zwischen den einzelnen Emotionen Diskriminanzvalidität ..................................................................................... 123 7.2.5. Diskrete Emotionen vs. dimensionale Ansätze .............................................. 131 7.2.6. Überprüfung des erweiterten Emotionsmodells ............................................. 132
8. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse................................................................ 138
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 143
Abbildungsverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Semantisches Netzwerk - Schemata ................................................................ 12 Abbildung 2: Markenbekanntheitspyramide nach Aaker (1992)........................................... 13 Abbildung 3: Verhaltenswissenschaftliche Operationalisierung des Markenwissens nach Esch (1998).............................................................................................. 14 Abbildung 4: Levels of Processing der dualen Kodierung nach Paivio (1986) ..................... 19 Abbildung 5: Pfad der visuellen Informationsverarbeitung nach Springer/Deutsch (1998).. 21 Abbildung 6: Funktionale Differenzierung der Hemisphären nach Bekmeier-Feuerhahn (1996).................................................................... 22 Abbildung 7: Verschiedene Ansätze der Emotionsforschung nach LeDoux 1998................ 29 Abbildung 8: Attributionstheorie vs. attributionale Theorien nach Kelley und Michaela (1980).................................................................... 33 Abbildung 9: Sequentielles Modell der Emotionen nach Plutchik (1993)............................. 37 Abbildung 10: Kognitive Abläufe bei der Entstehung von Emotionen nach Plutchik (1980) ........................................................................................ 38 Abbildung 11: Emotionstheorie nach LeDoux (1996)............................................................. 42 Abbildung 12: Verarbeitung und Bewertung von externen Stimuli nach LeDoux (1996) ...... 43 Abbildung 13: Getrennte Gedächtnissysteme nach LeDoux (1996)........................................ 46 Abbildung 14: Basisemotionen im Überblick nach Meyer/Schützwohl/Reisenzein (1993).... 51 Abbildung 15: Primäre Dyaden nach Plutchik (1962, 1980) ................................................... 60 Abbildung 16: Circumplex Model der Basisemotionen nach Conte/Plutchik (1981) ............. 64 Abbildung 17: Wirkungspfade emotionaler Werbung nach Kroeber-Riel (1990)................... 72 Abbildung 18: Modell emotionaler Reaktionen auf Werbung nach Edell/Burke (1987) ........ 74 Abbildung 19: Circumplex-Darstellung von Werbespots nach Zeitlin und Westwood (1986).................................................................. 76 Abbildung 20: Allgemeines Modell des menschlichen Verhaltens nach Mehrabian/Russel (1974) ........................................................................ 78 Abbildung 21: Emotionen in der Kaufsituation nach MacInnis et al. (1998) .......................... 80 Abbildung 22: Modell des Konsumentenverhaltens in der Nachkaufphase ............................ 84 Abbildung 23: Demographie der Auskunftspersonen - Studie I .............................................. 96 Abbildung 24: Zahl der kategorisierten Emotionsnennungen.................................................. 97 Abbildung 25: Ursachen der Emotionen.................................................................................. 99 Abbildung 26: Relevanz von Basisemotionen ....................................................................... 101 Abbildung 27: Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Marken............................. 103 Abbildung 28: Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Branchen.......................... 104 Abbildung 29: Modell der marketingrelevanten Emotionen.................................................. 105 Abbildung 30: Verwendete Markenlogos - Studie III............................................................ 110 Abbildung 31: Konzeptualisierung und Validierung von Konstrukten ................................. 116
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 32: Darstellung des vollständigen LISREL-Modells nach Homburg/Hildebrandt 1998 .................................................................. 119 Abbildung 33: Messindikatoren der positiven Emotionen..................................................... 122 Abbildung 34: Messindikatoren der negativen Emotionen.................................................... 122 Abbildung 35: Übersicht der analysierten Faktor-Modelle.................................................... 125 Abbildung 36: Sechs-Faktor-Modell für positive Emotionen................................................ 126 Abbildung 37: Sechs-Faktor-Modell für negative Emotionen............................................... 128 Abbildung 38: F2-Differenztest für positive und negative Emotionsmodelle........................ 131 Abbildung 39: Circumplex Model - MDS Ergebnisse der Einzelbilder ................................ 134 Abbildung 40: Circumplex Model - MDS Ergebnisse der Konstrukte.................................. 135 Abbildung 41: Überprüfung des Emotionsmodells................................................................ 137
Tabellenverzeichnis
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Drei Ansätze zur Beschreibung von Emotionen (Plutchik 1980) ......................... 54 Tabelle 2: Beispiele für Basisemotionen (Holbrook 1986).................................................... 59 Tabelle 3: Involvement und Arten der Werbung nach Kroeber-Riel (1990) ......................... 71 Tabelle 5: Durch Werbung erzeugte Emotionen nach Zeitlin und Wetwood (1986) ............ 75 Tabelle 6: Kategorisierung der verwendeten Bilder - Studie III.......................................... 109 Tabelle 7: Variablen und Koeffizienten im LISREL-Modell .............................................. 120 Tabelle 8: F2-Differenztest für positive Emotionen ............................................................. 126 Tabelle 9: Gütekriterien zur Beurteilung von Messmodellen .............................................. 127 Tabelle 10: F2-Differenztest für negative Emotionen ............................................................ 128 Tabelle 12: Fornell/Larcker-Kriterium für positive Emotionen............................................. 129 Tabelle 13: Fornell/Larcker-Kriterium für negative Emotionen............................................ 130 Tabelle 14: Hypothese 1 - Relevanz von Basisemotionen..................................................... 138 Tabelle 15: Hypothese 2 - Relevanz von Sekundäremotionen .............................................. 139 Tabelle 16: Hypothese 3 und 4 - Marken- bzw. Branchenschemata...................................... 140 Tabelle 17: Hypothesen 5 bis 8 .............................................................................................. 141
Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit
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1. Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit „Der Wert einer Marke liegt nicht in dem Unternehmen, er spiegelt sich in den Köpfen der Konsumenten wider.“ (Esch 2000, Seite 943). Damit ist der Aufbau von Markenwissen in den Köpfen der Konsumenten die zentrale Aufgabe des markenorientierten Marketings schlechthin. Was ist aber nun unter dem Begriff „Markenwissen“ eigentlich zu verstehen? „Markenwissen“ sind durch die Beschäftigung mit der Marke bzw. die Kommunikation über die Marke aufgebaute Gedächtnisstrukturen, die sich konkret auf die jeweilige Marke beziehen. In diesen Gedächtnisstrukturen sind alle Vorstellungen und Kenntnisse bezüglich der Marke abgebildet. Sie werden im Gehirn durch sogenannte Schemata repräsentiert. Unter Schemata sind umfangreiche und verzweigte Wissenseinheiten zu verstehen, die sich auf bestimmte Sachverhalte - im konkreten Fall eine bestimmte Marke - beziehen. Sie umfassen vermutete und tatsächliche Eigenschaften sowie standardisierte Vorstellungen über das jeweils zugrunde liegende Konstrukt (Baumgarth 2001, Esch 1998). Ein einfaches Beispiel für ein solches Schemata wären die Begriffsassoziationen klassische Musik, Walzer, Mozart, Strauß, Wiener Sängerknaben, Opernball, Fiaker, Wiener Hofreitschule, Kunsthistorisches Museum, ... in Verbindung mit Österreich (Schweiger 1992). Solche Schemavorstellungen erleichtern die Informationsaufnahme, -verarbeitung und vor allem die -speicherung komplexer Sachverhalte. Schemata sind aber nicht nur passive Informationsempfänger, sondern bestimmen durch ihre Feedbackschleifen im erheblichen Ausmaß auch was der Mensch und wie er seine Umwelt erfährt (Esch 2001). Starke und ausgeprägte Markenschemata sind grundlegend für den Erfolg einer Marke. Je höher der Konkurrenzdruck und je austauschbarer die Marken sind, desto wichtiger sind ausgeprägte Markenschemata für die Orientierung des Konsumenten. Zur Abbildung von Schemata werden oft semantische Netzwerke zu Hilfe genommen (Kroeber-Riel/Weinberg 1996), die durch ihre grafische Aufbereitung in der Lage sind, die qualitativen (Pfeilrichtung) und quantitativen (Pfeilstärke) Zusammenhänge zu illustrieren. In Abbildung 1 ist als exemplarisches Beispiel ein semantisches Netzwerk für die Produktgruppe Ökostrom abgebildet.
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Emotionen im Marketingkontext
Semantisches Netzwerk BOKU Greenpeace
WWF
Umweltmin.
Staatliche/ Staatsnahe Inst.
Unabhängige Inst. Umweltkompetenz
Technikkompetenz
Glaubwürdigkeit
Technologische Zweifel
Technologie
Ökostrom
Handlung
TU
TÜV
Atomstrom
Handlungsbedarf Gesellschaftliches Anliegen Politik
Preis
Solidarität
marketmind 1999 Abbildung 1: Semantisches Netzwerk - Schemata
Bei der Speicherung von Markenschemata sind zwei Punkte hervorzuheben, die bei einer erfolgreichen Markenführung zu beachten sind: 1. die hierarchische Struktur der Wissensspeicherung 2. das Vererbungsprinzip zwischen den Hierarchieebenen Das Gedächtnis des Menschen ist hierarchisch organisiert. Aus diesem Grund sind Markenschemata sehr stark abhängig von Produkt- bzw. Produktgruppenschemata. Esch und Wicke (2000) verweisen auf das Beispiel der Marke Milka, die nicht losgelöst vom Schemata der Produktkategorie Schokolade gesehen werden kann. Im Konkreten bedeutet dies, dass viele der Marke Milka zugerechnete Eigenschaften bereits durch das hierarchisch übergeordnete Schemata von Schokolade bestimmt werden. Grund hierfür ist das sogenannte Vererbungsprinzip, wonach untergeordnete Schemata (Marke) automatisch weite Teile des übergeordneten Schemata übernehmen (Produktgruppe). Diese eben beschriebenen Schemata lassen sich anhand von zwei zugrunde liegenden Konstrukten differenzieren. Einerseits die als Basis vorausgesetzte Markenbekanntheit und andererseits das mit der bekannten Marke verbundene Image (Sattler 2001, Esch 2000, Keller
Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit
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1993). Wenn man nun diese beiden Konstrukte im Detail betrachtet, ergeben sich verschiedene Ausprägungsstärken sowohl bei der Bekanntheit als auch bei den Markenimages.
Markenbekanntheitspyramide
exklusive Erinnerung Markenwerte Top of Mind
Erinnerung
Wiedererkennung
dominierende Marke durch exklusive Markenerinnerung
intensive aktive Markenbekanntheit
aktive Markenbekanntheit
passive Markenbekanntheit
unbekannte Marke
nach Aaker 1992 Abbildung 2: Markenbekanntheitspyramide nach Aaker (1992)
Die Bekanntheit kann grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilt werden. Man unterscheidet in der Regel nach passiver Bekanntheit (Recognition) und aktiver Bekanntheit (Recall). Nach Aaker (1992) können diese beiden Kategorien sogar noch weiter ausgebaut werden. Er ergänzt die herkömmliche Unterscheidung nach oben hin um die intensive aktive Markenbekanntheit (Top of Mind) und die exklusive Markenerinnerung einer einzigen Marke (siehe Abbildung 2).
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Emotionen im Marketingkontext
Verhaltenswissenschaftliche Operationalisierung des Markenwissens
Recall (aktiv)
verbal
Recognition (passiv)
verbal
nonverbal
Markenbekanntheit Markenwissen
nonverbal
Art der Markenassoziation
Markenimage bekanntheit
Stärke der Markenassoziation Repräsentation der Markenassoziation Zahl der Markenassoziationen
emotional kognitiv verbal nonverbal
Einzigartigkeit der Markenassoziation Relevanz der Markenassoziation Richtung der Markenassoziation Zugriffsfähigkeit der Markenassoziation
angenehm unangenehm
nach Esch 1998 Abbildung 3: Verhaltenswissenschaftliche Operationalisierung des Markenwissens nach Esch (1998)
Die Markenimages werden durch die mit ihnen verbundenen Markenassoziationen bestimmt (siehe Abbildung 3). Die Stärke der Images ist eine direkte Folge der Stärke der Assoziationen und ergibt sich zusätzlich aus einer Reihe weiterer, unterschiedlicher Faktoren (Esch 2000): 1. Stärke der Markenassoziation: Anhand der Stärke der Assoziation ergibt sich die „Nähe“ einer Marke zur jeweiligen Assoziation. Je stärker die Markenassoziation im Gehirn verankert ist, desto leichter fällt es der jeweiligen Person, diese mit der Marke in Verbindung zu bringen. Ein ähnliches Konstrukt beschreibt Ruge (1988, Seite 105) als „Vividness“ innerer Bilder. Er versteht darunter die Lebendigkeit und Klarheit von inneren Bildern, die für die entsprechende Speicherfähigkeit im Gehirn Sorge tragen. 2. Art der Markenassoziation: Man unterscheidet grundsätzlich zwischen emotionalen und kognitiven Assoziationen. Starke Marken sind sehr oft durch emotionale Inhalte geprägt und besitzen hierdurch den Vorteil, sich von ihren Mitbewerbern differenzieren zu können.
Markenwissen als Ausgangspunkt der Arbeit
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3. Repräsentation der Markenassoziation: Hier wird in erster Linie zwischen verbaler und nonverbaler Speicherung differenziert, wobei unter nonverbalen Gedächtnisstrukturen nicht nur visuelle, bildliche Eindrücke zu verstehen sind, sondern darüber hinausgehend auch akustische, olfaktorische, haptische und gustatorische Eindrücke nicht vergessen werden dürfen. Im Marketing-Alltag liegt jedoch das Hauptaugenmerk auf visuellen Reizen, da es mit wenigen Ausnahmen (Produktproben von Parfums, Shampoos, ...) noch nicht möglich ist bzw. mit zu großen Aufwendungen verbunden wäre, die Konsumenten über andere Sinne anzusprechen. Mit Marken verknüpfte Bilder besitzen gegenüber einer rein verbalen Speicherung eine überlegene Erinnerungs- und Zugriffsleistung (Kroeber-Riel 1993). Der Vorteil liegt laut Paivio (1971, 1991) in der doppelten Kodierung der Stimuli. Dies bedeutet, dass sowohl die verbalen Reize als auch die nonverbalen, bildlichen Stimuli getrennt verarbeitet und im Gehirn verkodet werden (vgl. auch Kapitel 2 Imagery Forschung). 4. Anzahl der Markenassoziationen: Die Zahl der Assoziationen alleine ist hier nicht ausschlaggebend, da es von besonderer Bedeutung ist, dass alle relevanten Markenassoziationen über eine bestimmte Stärke verfügen, damit sie überhaupt wirksam werden können. In diesem Zusammenhang sind auch die funktionierenden Anknüpfungspunkte an bestehende, andere Assoziationen bzw. Assoziationsmuster zu sehen, die für den leichten Zugriff auf die Marke entscheidend sind. 5. Einzigartigkeit der Markenassoziation: Unter Einzigartigkeit ist die Unterscheidbarkeit der jeweiligen Markenassoziationen von jenen übergeordneten Assoziationen der gesamten Produktgruppe und von Assoziationen der Konkurrenz-marken gemeint. Damit muss es in der Regel das Ziel einer erfolgreichen Markenführung sein, ein möglichst einzigartiges Markenbild in den Köpfen der Konsumenten zu verankern, das sich klar und präzise von den Images der Mitbewerber absetzen kann. Ausnahmen können bewusste „me too“-Positionierungen sein, bei denen mit Absicht das Bild einer bestimmten Marke imitiert wird (Diller 1992, Kotler/Bliemel 1995). 6. Richtung der Markenassoziation: Hier wird nach Esch (2000) nur zwischen der grundlegenden Ausrichtung der Assoziationen (positiv vs. negativ) unterschieden. Es stellt sich an dieser Stelle jedoch die Frage, ob diese Differenzierung nach positiven und negativen Assoziationen für die Beurteilung des Markenwissens ausreichend ist, oder ob es nicht vielmehr notwendig ist, tiefer gehende Informationen über die Qualität der Assoziationen und somit auch der mit der Marke verbundenen Emotionen zu kennen.
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Emotionen im Marketingkontext
7. Relevanz der Markenassoziation: Die mit einer Marke verbundenen Assoziationen müssen für den Konsumenten relevant sein, das heißt, die kommunizierten Bilder dürfen nicht Selbstzweck sein, sondern müssen mit den Wünschen und Bedürfnissen der Personen kongruent sein. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Assoziationen bzw. das Markenwissen auf das Verhalten der Menschen und somit auch auf die Kaufentscheidung wirken. 8. Zugriffsfähigkeit der Markenassoziation: Die Zugriffsfähigkeit im engeren Sinn ist die Grundlage für die meisten der oben beschriebenen Punkte. Erst wenn von einer Assoziation auf eine bestimmte Marke geschlossen werden kann (oder umgekehrt), kommen die Stärke, die Art, die Einzigartigkeit, ... der Assoziationen zum Tragen.
In der weiteren Arbeit erfolgt eine eingehende Beschäftigung mit dem Konstrukt der emotionalen Markenassoziationen und im Besonderen mit Emotionen. In diesem Zusammenhang soll das nächste Kapitel anhand der Imagery Forschung den Brückenschlag zwischen den angesprochenen Emotionen und deren Messung mittels visueller Stimuli bilden.
Imagery Forschung
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2. Imagery Forschung Die Imagery Forschung bildet die Grundlage für die Idee des vorliegenden Forschungsprojektes. Erst durch die Berücksichtigung der Erkenntnisse der Imagery Forschung lassen sich die Vorteile eines nonverbalen Vorgehens bei der Messung von Images und im Besonderen bei der Messung von Emotionen begründen. Deshalb soll vorweg, noch bevor eine tiefergehende Betrachtung der Emotionen - des eigentlichen Messgegenstandes vorgenommen wird, in diesem Kapitel auf die Besonderheiten der Imagery Forschung eingegangen werden. Imagery ist der englischsprachige Begriff für Bildverarbeitung. Dementsprechend beschäftigt sich die Imagery Forschung mit der Analyse der Vorgänge im Gehirn bei der Verarbeitung von visuellen Stimuli. Ein Kernthema in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob und welche Unterschiede in der Verarbeitung von verbalen und nonverbalen Reizen bestehen (Leven 1995). Hierzu existieren divergierende Meinungen und das Spektrum reicht von einer einheitlichen Verarbeitung der unterschiedlichen Inputs bis hin zu einer getrennten Analyse der erhaltenen Informationen. Die aktuelle Forschung bewegt sich bei dieser Frage auf ein hybrides Modell zu, das sowohl getrennte duale als auch gemeinsame Verarbeitungselemente aufweist (Wippich 1984). Im Folgenden soll auf zwei grundlegende Konstrukte der Imagery Forschung, die duale Kodierung sowie auf die relevanten Teilbereiche der Hemisphärenforschung, eingegangen werden.
2.1. Duale Kodierung Die Theorie der dualen Kodierung geht auf Paivio zurück (1971, 1986, 1991), der von der Existenz zweier unabhängiger, jedoch miteinander kommunizierender Systeme ausgeht. Diese Systeme dienen der Verarbeitung und Speicherung von Informationen im menschlichen Gehirn. Sie werden unterteilt in ein verbales und ein nonverbales Verarbeitungszentrum, auch Imagery System genannt. Das Imagery System ist verantwortlich für die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung innerer Bilder im Gegensatz zum verbalen System, welches für die Abarbeitung sprachlicher Reize verantwortlich ist. Die beiden Systeme unterscheiden sich nach Paivio (1971) aber nicht nur anhand der verarbeiteten Reize, sondern auch anhand der Art der Verarbeitung. Das verbale System arbeitet in erster Linie auf sequentielle Weise und schafft damit sequentielle, sprachliche Strukturen, denen sogenannte Logogene als Basiseinheiten zugrunde liegen (Leven 1995).
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Emotionen im Marketingkontext
Das nonverbale System hingegen verarbeitet bildhafte Informationen weitgehend automatisch und mit relativ geringer Anstrengung. Diese Prozesse basieren auf Imagenen - sogenannten Image Generatoren - und laufen eher analog als sequentiell ab (Wippich 1984, Ruge 1988, Leven 1995). Gleichzeitig mit der zweigeteilten Informationsverarbeitung durch das verbale und nonverbale System sind drei verschiedene Verarbeitungsebenen zu betrachten, die jedoch nicht als getrennte Bereiche behandelt werden dürfen, sondern vielmehr als miteinander verbundene, fließend übergehende Konstrukte. Paivio (1986) nennt diese Verarbeitungsschritte Levels of Processing. Er unterscheidet zwischen der repräsentationalen, referentiellen und assoziativen Ebene. Auf der repräsentationalen Ebene werden, nach dem Durchlaufen des sensorischen Systems, durch die wahrgenommenen Reize entweder verbale oder nonverbale Kodes aktiviert. Diese bestehen, wie bereits oben kurz erwähnt, entweder aus Logogenen oder Imagenen. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass alle hereinkommenden Informationen zuerst modalitätsspezifisch verarbeitet und bezüglich übereinstimmender, bereits gespeicherter sprachlicher oder bildlicher Gedächtnisstrukturen überprüft werden (Paivio 1971, Wippich 1984, Ruge 1988). Die referentiellen Prozesse zwischen dem verbalen und nonverbalen System stellen jene Verbindung her, die für eine Verbalisierung bildhaft gespeicherter Informationen und umgekehrt notwendig ist. Damit schafft die referentielle Ebene den modalitätsspezifischen Ausgleich zwischen den beiden getrennten Systemen. Dieser Ausgleich kann sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch verlaufen. Ein symmetrischer Ausgleich bedeutet, dass es sowohl möglich ist, von der bildlichen Verkodung (Imagenen) auf die sprachliche Benennung (Logogene) zu schließen, als auch die sprachlich gespeicherten Informationen mit den dazu gehörigen visuellen Einheiten zu verbinden (Paivio 1986). Bekmeier-Feuerhahn (1996) erwähnt in diesem Zusammenhang das Beispiel der Wortmarke „Milka“, welche im Gehirn umgehend das Bild einer lila Kuh aktiviert, bzw. in umgekehrter Richtung das Betrachten einer lila Produktverpackung sofort die verbale Assoziation „Milka“ hervorruft. Die dritte, assoziative Ebene sorgt entsprechend ihrem Namen für die tiefere gedankliche Verarbeitung der jeweiligen Vorstellungen. Je nach Modalität werden die verbalen bzw. nonverbalen Vorstellungen mit weiteren, bereits im Gehirn gespeicherten Informationen (Assoziationen) verknüpft (Kroeber-Riel 1993). Das Ergebnis des gesamten Verarbeitungsprozesses sind somit mehr oder weniger komplexe Assoziationsketten zwischen verschiedenen sprachlichen und bildlichen Informationseinheiten. Abbildung 4 veranschaulicht noch einmal den gesamten beschriebenen Prozess.
Imagery Forschung
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Schwarz umrandet sind die beiden Verarbeitungssysteme (Non-/Verbal System), in denen die getrennte Kodierung der Stimuli entsprechend ihrer Modalität stattfindet. Die drei Ebenen der Verarbeitung sind in Kursivschrift angedeutet.
Levels of Processing Verbal Stimuli
Nonverbal Stimuli
Representational Connections
Logogens Associative Structure
Verbal Responses
Referential Connections
Imagens Associative Structure
Nonverbal System
Verbal System
Sensory Systems
Nonverbal Responses
nach Paivio 1986 Abbildung 4: Levels of Processing der dualen Kodierung nach Paivio (1986)
Für das Funktionieren der doppelten Verkodung gibt es aber auch eine Prämisse zu beachten. Damit im Gehirn bildliche Assoziationen angelegt werden können, müssen die dafür in Frage kommenden Informationen möglichst konkret sein. Dies bedeutet, dass nonverbale Kodes vor allem bei abstrakten Begriffen, wie z.B. Freiheit, Wissenschaft, ... nur schwer möglich sind, da es keine entsprechenden inneren Bilder im Gedächtnis gibt (Wippich 1984, KroeberRiel/Weinberg 1999, Schweiger/Schrattenecker 2001). Daraus lässt sich ableiten, dass mit steigendem Konkretisierungsgrad die Wahrscheinlichkeit der dualen Kodierung steigt (Paivio 1971). Die duale Kodierung muss somit auf der referentiellen Verarbeitungsebene angesiedelt sein, da es einen direkten Zusammenhang zwischen der Intensität der Verarbeitung, die wiederum vom Konkretisierungsgrad abhängt, und der dualen Verkodung gibt (Kroeber-Riel 1993).
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Emotionen im Marketingkontext
Eine Folge der dualen Kodierung und der damit verbundenen, intensiveren Verarbeitung der Reize ist die überlegene Gedächtnisleistung von Bildern (Kroeber-Riel/Weinberg 1999). Paivio und Csapo bringen diese Tatsache auf den Punkt indem sie feststellen, dass „the image is worth two mental words“ (Paivio/Csapo 1973, Seite 194). Diese Überlegenheit von Bildern lässt sich aber nicht allein auf die doppelte Speicherung zurückführen, sondern ist vielmehr auch in der Art der Verarbeitung von Bildern zu finden. Entscheidend ist dabei die - im Gegensatz zu sprachlichen Kodes - gleichzeitige Verarbeitung von Bildern, die durch relativ einfache und direkte Vorgänge im Gehirn realisiert wird (Paivio 1971).
2.2. Hemisphärenforschung Neben der doppelten Kodierung stellen die Erkenntnisse der Hemisphärenforschung weitere wichtige Bestandteile der Imagery Forschung dar. Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Theorien entwickelt und überprüft, die aufzeigten, dass sich die beiden Großhirnhälften sehr stark anhand ihrer Funktionalitäten unterscheiden. Dabei werden der rechten und der linken Hälfte (Hemisphäre) weitgehend unterschiedliche Aufgaben in der Informations-verarbeitung zugeschrieben. LeDoux (1998) spricht in diesem Zusammenhang von einem „emotionalen Gehirn“ und einem „Wortgehirn“. Deshalb stellt die Hemisphärenforschung, wie schon in Punkt 2.1 angeschnitten, eine wichtige Ergänzung zur dualen Kodierung von Paivio dar (Kroeber-Riel, 1993). Die Idee, dass es verschiedene Gehirnteile mit unterschiedlichen Funktionen gibt, wurde zum ersten Mal vom deutschen Anatomen Franz Gall im ausgehenden 18. Jahrhundert formuliert. Dessen Idee fand eine Reihe von Anhängern, unter denen sich auch Jean Baptist Bouillaud, ein französischer Medizinprofessor, befand. Über den Umweg seinen Stiefsohns wurde 1861 auch der junge Chirurg Paul Broca mit diesem Thema konfrontiert, der anhand von Autopsien an sprachgestörten Menschen nachweisen konnte, welche Gehirnareale für die Sprachfähigkeit des Menschen verantwortlich sind (Springer/Deutsch 1998). Weitere Belege für die funktionelle Aufteilung der Informationsverarbeitung wurden bei Untersuchungen von sogenannten Split-Brain-Patienten gefunden, bei denen die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften durchtrennt worden ist. Diese waren mit verbundenen Augen nur mehr in der Lage Gegenstände zu beschreiben, die sie in der rechten Hand hielten. Gegenstände, welche sich in der linken Hand befanden, konnten sie nicht beschreiben, aber jederzeit aus einer Reihe von anderen Gegenständen heraussuchen (Pöppel 1993, Springer/ Deutsch 1998, LeDoux 1998). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die getrennte Verarbeitung der beiden Gesichtsfelder (siehe Abbildung 5). Es konnte nachgewiesen werden, dass die Wahr-
Imagery Forschung
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nehmungen des linken Gesichtsfeldes (alles links des Fixationspunktes) mit der rechten Hemisphäre verarbeitet werden und umgekehrt. Damit trotz der getrennten Verarbeitung des Inputs des rechten und des linken Gesichtsfeldes ein ganzheitliches Bild im Kopf des Menschen entsteht, sind Verbindungen zwischen den beiden Hemisphären vorhanden (Pöppel 1993). Dieser Informationsaustausch zwischen der rechten und linken Gehirnhälfte (vgl. auch Kapitel 2.1), der dafür verantwortlich ist, dass beiden Hemisphären die selben Informationen zur Verfügung stehen, wird auch als Cross Cuing bezeichnet (Springer/Deutsch 1998).
Pfad der visuellen Informationsverarbeitung
linkes Gesichtsfeld
rechtes Gesichtsfeld
Retina
Retina
linke Hemisphäre
rechte Hemisphäre
Chiasma Opticum rechts
links
Corpus Collosum
nach Springer/Deutsch (1998) Abbildung 5: Pfad der visuellen Informationsverarbeitung nach Springer/Deutsch (1998)
Es erscheint heute gesichert, dass die beiden Hemisphären weitgehend unabhängig voneinander arbeiten und Informationen auf unterschiedliche Art und Weise verarbeiten (Rico 1984). Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die linke Gehirnhälfte vor allem für sprachlich-logische Verarbeitung zuständig ist und die rechte Gehirnhälfte in erster Linie bildlich-emotionale Reize verarbeitet (Schweiger/Schrattenecker 2001, Springer/Deutsch 1998, Izard 1981, 1991). Daraus ergeben sich wichtige Unterschiede bei der Abarbeitung der Informationen. In der linken Hemisphäre erfolgt die Informationsverarbeitung eher linear, sequentiell, wohingegen die rechte Hemisphäre stärker simultan, ganzheitlich orientiert ist (Springer/Deutsch 1998). Als Folge davon werden logisch-analytische Prozesse der linken
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Emotionen im Marketingkontext
Gehirnhälfte zugeschrieben und bildhaft-analoge Prozesse der rechten Gehirnhälfte. Eine differenzierte Auflistung der Unterschiede ist in Abbildung 6 dargestellt.
Funktionale Differenzierung der Hemisphären begriffliches Denken arbeitet linear
linke Hemisphäre
erinnert komplexe Abfolgen sequentielle Verarbeitung registriert Einzelheiten und Details Aufteilung von komplexen Konstrukten in überschaubare, benennbare Einheiten logisches Vorgehen erkennt Ursache - Wirkungszusammenhänge spricht auf verifizierbare Aussagen (2 x 2) an beschäftigt sich mit sachhaltigen Aspekten
rechte Hemisphäre
bildliches Denken arbeitet bildhaft erinnert komplexe Bilder
parallele, simultane Verarbeitung Erfassung von komplexen Bildern verbindet und betrachtet ganzheitlich analoges Vorgehen - erkennt Ähnlichkeiten spricht auf qualitative, nicht quantitative Aussagen an beschäftigt sich mit emotionalen Aspekten
zerlegt - konzentriert sich auf Unterscheidungen
fügt zusammen - konzentriert sich auf Verbindungen
redet - kommuniziert mit Worten
ist stumm, da Bilder und nicht Worte benutzt werden
das wissen „wie?“ steht im Vordergrund
das wissen „was?“ steht im Vordergrund
nach Bekmeier-Feuerhahn (1996) Abbildung 6: Funktionale Differenzierung der Hemisphären nach Bekmeier-Feuerhahn (1996)
Die funktionale Trennung des Gehirnes konnte in verschiedenen Studien durch Schwartz, Davidson, Maer und Bromfield (1973) auch empirisch belegt werden. Sie untersuchten mittels EEG-Messung die Gehirnaktivität bei unterschiedlichen Tätigkeiten und zeigten anhand ihrer Ergebnisse die primäre Zuordnung von emotionalen, visuellen und räumlichen Prozessen zur rechten Hemisphäre. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Safer und Leventhal (1977), die nachwiesen, dass emotionale Töne und Geräusche besser mit dem linken Ohr (Verarbeitung in der rechten Hemisphäre) wahrgenommen werden. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass die linke Gehirnhälfte verstärkt mit aktiven Verhaltensweisen in Verbindung steht, wohingegen die rechte Hemisphäre eher zu passivem Verhalten geneigt ist (Sackeim et al. 1982, Ley 1984). Diese These wird unter anderem durch empirische Erkenntnisse gestützt, wonach bei rechtsseitiger Verarbeitung Blutdruck und Puls weniger stark ansteigen als bei einer Verarbeitung durch die linke Hemisphäre (Henry 1986).
Imagery Forschung
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Abschließend sollen zwei Punkte noch einmal hervorgehoben werden: Zum einen ist es wichtig festzuhalten, dass die Trennung zwischen den beiden Gehirnteilen nicht vollständig und strikt zu verstehen ist, da die Verarbeitung von Informationen auf dem wechselseitigen Austausch aufbaut. Hierzu sei auch auf die Ausführungen zum Cross Cuing bzw. Punkt 2.1 verwiesen, die anhand der referentiellen Verarbeitungsebene dieses Zusammenwirken der beiden Hemisphären verdeutlichen. Nur durch dieses Zusammenspiel der beiden funktional unterschiedlichen, jedoch sich ergänzenden Verarbeitungsmodi werden komplexe Aufgabenstellungen für den Menschen begreifbar und verarbeitbar. Zum anderen weist Kroeber-Riel (1996) darauf hin, dass die in der rechten Hemisphäre ablaufenden Verarbeitungsschritte dem Einzelnen weniger bewusst sind als jene der linken Hemisphäre. Daraus folgt auch eine geringere kognitive Kontrolle bei der Verarbeitung von emotional-bildlichen Informationen (Moscovitch 1983).
2.3. Imagery Forschung als Grundlage für die Messung von nonverbalem Markenwissen Nach Betrachtung der voranstehenden Punkte lassen sich Folgerungen von BekmeierFeuerhahn (2000, Seite 1023) unterstreichen, wonach es sich „zum Messen von bildlichen Markenvorstellungen ... empfiehlt, Bilderskalen einzusetzen, da sie eine modalitätsbezogene Erhebung erlauben.“ Wichtig erscheint es an dieser Stelle zu erwähnen, dass die im vorliegenden Projekt umgesetzte Skala weit über die bisherigen Ansätze von Bilderskalen hinausgeht, bei denen es in der Regel nur zur Anwendung von bildlichen Skalenendpunkten (Esch 2000, Kroeber-Riel 1993, Ruge 1988) bzw. zum Einsatz von stark schematisierten graphischen Darstellungen (Bekmeier-Feuerhahn 1996 und 2000, Ruge 1988) gekommen ist. Die Vorteile von nonverbalen Stimuli werden vor allem in den folgenden Punkten gesehen (Schweiger 1985 und 1987, Schweiger/Wiklicky 1986, Weinberg 1986, Gröppel 1991, Schweiger/Schrattenecker 2001): i Visuelle Reize werden leichter als verbale Reize im Gedächtnis gespeichert und können dementsprechend auch wieder besser abgerufen werden. i Bilder schaffen einen leichteren Zugang zu schwer verbalisierbaren und nicht unmittelbar bewussten Empfindungen. Sie können Emotionen besser vermitteln als verbale Items, da die Entstehung und Wirkung von Gefühlen eng mit der Art der Speicherung (vgl. auch Punkt 2.1) verknüpft ist.
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Emotionen im Marketingkontext
i Für die befragten Personen fällt die Übersetzung ihrer analog gespeicherten Images in verbal formulierte Antworten weg, womit es zu einer Ausschaltung von intervenierenden gedanklichen Verarbeitungsschritten bei der Beantwortung kommt. Auf diese Weise wird eine spontanere Reaktion, die für die Erfassung latent vorhandener gedanklicher Bilder notwendig ist, gewährleistet. i Für die Auskunftspersonen ist das Interview abwechslungsreicher und interessanter. Deshalb sind Ermüdungserscheinungen und in der Folge Interviewabbrüche seltener. i Durch die Verwendung von visuellen Stimuli wird die Tendenz zu erwünschten Antworten reduziert, da sie nicht so einfach durchschaut werden können wie Wörter. i Bilder werden mit wenigen Ausnahmen kulturunabhängig wahrgenommen, was eine Anpassung bei internationalen Studien nicht notwendig macht und darüber hinausgehend die Gefahr von potenziellen Übersetzungsfehlern verhindert.
Emotionstheorien
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3. Emotionstheorien Trotz der enormen Bedeutung von Emotionen im täglichen Leben, hat das Thema Emotionen noch immer nicht jenen Stellenwert in der akademischen Diskussion, der eigentlich angemessen wäre (Plutchik 1980). Vor allem in der Gehirnforschung waren Emotionen lange Zeit ein verpöntes Thema. Die Skeptiker waren der Auffassung, dass die neuralen Vorgänge bei der Entstehung von Emotionen zu komplex sind, um sie adäquat analysieren und beschreiben zu können (LeDoux 1998). Diese Feststellungen gelten nicht nur auf dem Gebiet der (Neuro-) Psychologie, sondern auch in den Sozialwissenschaften und im Besonderen in der Marktforschung. Es sollen deshalb im Folgenden die theoretischen Grundlagen geschaffen werden, die für eine Anwendung von Emotionen im Marketing notwendig sind. Es erfolgt eine umfangreiche Auseinandersetzung mit dem psychologischen Konstrukt Emotion. Das Ziel hierbei ist, die Vielfältigkeit des Begriffes von verschiedenen Seiten zu beleuchten und dadurch ein Verständnis zu schaffen, was Emotionen sind und wie diese entstehen. Als erster Schritt wird zu diesem Zweck versucht, eine möglichst allgemeingültige Definition von Emotionen bereitzustellen (Punkt 3.1). Wie schwierig dieses Vorhaben ist, wird verständlich, wenn man die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit der in Folge dargestellten Emotionstheorien betrachtet (Punkt 3.2).
3.1. Definition von Emotionen Vorweg muss festgestellt werden, dass es bisher keinen Konsens bezüglich einer einheitlichen Definition von Emotionen gibt. Entsprechend der großen Zahl an Emotionstheorien gibt es viele voneinander abweichende Definitionen. Es sei an dieser Stelle auf Kleinginna und Kleinginna (1981) verwiesen, die insgesamt über 90 verschiedene Definitionen zusammengetragen haben. Warum eine allgemeingültige Definition von Emotionen so schwer fällt, wird treffend in dem folgenden Zitat beschrieben: „Emotion ist ein seltsames Wort. Fast jeder denkt, er versteht, was es bedeutet, bis er versucht, es zu definieren.“ (Wenger/Jones/Jones 1962 zitiert nach Schmidt-Atzert 1996; Seite 18)
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Emotionen im Marketingkontext
3.1.1. Annäherung an eine einheitliche Definition Einer einheitlichen Definition von Emotionen kann man sich - wenn überhaupt - nur schrittweise nähern. Ein Versuch hierfür stellt der untenstehende Ansatz von Meyer, Schützwohl und Reisenzein (1993) dar, in dem beschrieben werden soll, welche Eigenschaften für Emotionen typisch sind: a) Emotionen unterscheiden sich nach Qualität und Intensität: Emotionen können in verschiedene Klassen eingeteilt werden. Die am häufigsten zu findende Differenzierung ist jene in positive und negative Emotionen. Sowohl positive als auch negative Emotionen können jedoch anhand ihrer konkreten Ausprägungsformen (Qualität) unterteilt werden (Freude, Ärger, Furcht, ...). Eine weitere Möglichkeit der Einteilung ist entsprechend der Stärke der Emotionen. Diese kann auch zur näheren Beschreibung einer nach ihrer Qualität bereits bestimmten Emotion dienen. Dies ist insofern von Bedeutung, da es für die einzelnen Intensitätsstufen oft unterschiedliche semantische Bezeichnungen gibt (vgl. auch Punkt 3.1.2) und dementsprechend sehr genau analysiert werden muss, ob es sich im Einzelfall um qualitative oder quantitative Unterschiede bei der Bezeichnung von Emotionen handelt. b) Emotionen unterscheiden sich nach der Dauer ihres Auftretens: Es werden sogenannte emotionale Episoden von emotionalen Dispositionen unterschieden. Erstere bezeichnen eine relativ kurzfristige Zeitperiode, in der Emotionen auftreten („Peter ärgert sich über Albert“). Eine Disposition hingegen ist eine grundsätzliche Bereitschaft zum Auftreten von bestimmten Emotionen, die unterschiedlich dauerhaft sein kann („Peter ist auf Albert sauer“). c) Emotionen sind in der Regel objektgerichtet: Darunter ist in einfachen Worten zu verstehen, dass in den meisten Fällen ein konkreter Anlass für das Auftreten einer Emotion vorhanden ist („Man freut sich über ein Geschenk“ oder „Man ärgert sich über die Rücksichtslosigkeit eines anderen Autofahrers“). Dies sind nur wenige Beispiele für tatsächliche objektgerichtete Emotionen. Wichtig ist es festzuhalten, dass für das Entstehen von Emotionen nicht die Ereignisse bzw. die Objekte per se entscheidend sind, sondern vielmehr die Interpretation des Betroffenen (vgl. auch Kapitel 3.2.3).
Emotionstheorien
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d) Emotionen führen zu Veränderungen bei den betroffenen Personen: Diese Veränderungen können anhand von drei Komponenten beschrieben werden (vgl. auch Bagozzi/Gopinath/Nyer 1999, Schmidt-Atzert 1996, Izard 1981): emotionales Erleben: Wird häufig auch als die subjektive Komponente von Emotionen bezeichnet. Das emotionale Erleben ist das Gefühl, welches der Einzelne mit einer Emotion verbindet. physiologische Veränderungen: Darunter sind körperliche Reaktionen wie z.B. Erröten, Schwitzen, erhöhte Pulsfrequenz, aber auch der verstärkte Ausstoß von bestimmten Substanzen im Körper zu verstehen (z.B. Adrenalin, ...). Diese Veränderungen werden durch das autonome Nervensystem hervorgerufen und sind durch den Betroffenen kaum kontrollierbar. Verhaltensaspekt: Dieser wird im engeren Sinn vor allem durch Mimik, Gestik und Körperhaltung beschrieben. Eine weitere Fassung des Begriffes beinhaltet auch abgeleitete Handlungen wie z.B. Fluchtverhalten oder Angriff.
3.1.2. Schwierigkeiten beim Versuch einer einheitlichen Definition Es gibt eine Reihe von Problempunkten, die unter anderem für die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Definitionen und Theorien verantwortlich sind. Plutchik (1962) führt exemplarisch fünf Gründe an, die leicht veranschaulichen können, weshalb es so schwer fällt, eine einheitliche Beschreibung von Emotionen vorzunehmen: a) Intensität der Emotionen b) Dauerhaftigkeit der Emotionen c) Vermischung von Emotionen d) Interindividuelle Unterschiede e) Messmethoden ad a) Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Emotionen kommen zahlreiche unterschiedliche quantitative Ausprägungsformen von Emotionen vor. Diese besitzen zwar dieselbe qualitative Ausrichtung, dennoch müssten sie für eine exakte Beschreibung strikt getrennt behandelt werden. Leicht nachvollziehbar wird dieses Problem, wenn man sich die semantische Vielschichtigkeit bei der Bezeichnung von Emotionen im täglichen Leben vor Augen führt. Stellvertretend für viele andere Emotionen sind untenstehend die Beispiele Ärger und Freude schematisch dargestellt:
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annoyance Ö irritation Ö anger Ö rage Ö fury contentment Ö pleasure Ö happiness Ö joy Ö ecstasy
Emotionen im Marketingkontext
(Plutchik 1980) (Plutchik 1962)
ad b) Bei der Untersuchung von Emotionen gibt es mehrere Ansatzpunkte. Zum einen werden Emotionen im Labor durch den Einsatz verschiedenster Stimuli künstlich erzeugt, zum anderen können klinische Untersuchungen von Patienten mit emotionalen Störungen (Angstzuständen, Depressionen, ...) vorgenommen werden. Das Problem dabei ist, dass obwohl in beiden Fällen dasselbe Untersuchungsziel genannt wird, es sich um weitgehend unterschiedliche Konstrukte handelt, die sich in erster Linie anhand der Dauerhaftigkeit der emotionalen Ausprägung differenzieren. ad c) Der dritte Punkt betrifft mehr oder weniger alle Emotionen des täglichen Lebens, aber genauso unter Laborbedingungen künstlich erzeugte Emotionen. Emotionen treten selten in ihrer reinen qualitativen Ausprägung auf, sondern sind in der Regel mit anderen Emotionen vermischt. So wird zum Beispiel Traurigkeit in den meisten Fällen von Angst, Groll und Hoffnungslosigkeit begleitet. Depressionen sind dementsprechend oft das Ergebnis von gegen sich selbst gerichteten Aggressionen und unterschiedlichen Ängsten (Liebesentzug, Bestrafung, ...). ad d) Jeder Mensch ist anders. Dies gilt auch in Bezug auf Emotionen bzw. auf die Messung von physischen oder psychischen Reaktionen, welche mit Emotionen verbundenen sind (Amelang/Bartussek 1990). Dementsprechend wird die Aufgabe erschwert, allgemeingültige Aussagen über Emotionen zu treffen, ohne dabei die Ansprüche der wissenschaftlichen Forschung zu negieren. ad e) Ein weiterer Problempunkt stellt die Messung der Emotionen dar. In der Vergangenheit war die Introspektion die vorrangige Methode zur Untersuchung von Emotionen in der Psychologie. Daraus ergeben sich aber eine Reihe von schwerwiegenden Schwächen. Einerseits können mittels Introspektion nur den Probanden bewusste Emotionen erfasst werden und andererseits hängen die Untersuchungsergebnisse allzu stark von der Verbalisierungsfähigkeit der untersuchten Person ab. Diese Mängel können grundsätzlich auf alle verbalen Messmethoden zur Erfassung von Emotionen ausgeweitet werden (Plutchik 1986, Leven 1995)
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3.2. Verschiedene Ansätze zur Erklärung von Emotionen Bei der Erforschung der Emotionen kann zwischen drei grundlegenden Ansätzen unterschieden werden (vgl. Abbildung 7). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beherrschte die behavioristische Denkweise die Psychologie und somit auch die Emotionsforschung. Für die Behavioristen war nur das beobachtbare, objektiv messbare Verhalten von Bedeutung. Alle Vorgänge zwischen der Verhaltensreaktion und dem sensorischen Input waren für sie im wahrsten Sinne des Wortes eine Black Box. Diese Auffassung stand im Widerspruch mit der klassischen Sichtweise, die seit Descartes („Cogito, ergo sum“) Geltung besaß. Die Introspektion als wissenschaftliches Instrument für die Erforschung von Gefühlen wurde strikt abgelehnt. Dieses Vakuum zwischen Stimulus und Reaktion wurde erst wieder Mitte des vorigen Jahrhunderts durch das Aufkommen der Kognitionswissenschaften gefüllt, welche die Black Box durch kognitive Vorgänge ersetzten. Hierbei interessierte sowohl die bewusste als auch die unbewusste Verarbeitung des sensorischen Inputs, wodurch sich die Kognitionswissenschaften auch von den ursprünglichen Ansätzen der reinen Introspektion unterschieden (LeDoux 1998).
Verschiedene Ansätze der Emotionsforschung Introspektive Psychologie bewusster Inhalt
sensorischer Input
Verhaltenspsychologie
black box
sensorischer Input
Verhaltensreaktion
Kognitionswissenschaft Speicherung
sensorischer Input
Verarbeitung
Verarbeitung
Verarbeitung
nach LeDoux 1998 Abbildung 7: Verschiedene Ansätze der Emotionsforschung nach LeDoux 1998
bewusster Inhalt
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In Folge wird ein kurzer Überblick der verschiedenen Emotionstheorien dargestellt. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Theorien und deren Vertreter findest sich in Winder (2004). Klassisch-behavioristische Theorien Aktivierungstheorien Kognitiv-pysiologische Theorien Attributionale Theorien Gehirnfunktionstheorien Evolutionspsychologische Theorien
Kapitel 3.2.1 Kapitel 3.2.2 Kapitel 3.2.3 Kapitel 3.2.4 Kapitel 3.2.5 Kapitel 3.2.6
Im Rahmen der Evolutionstheorien werden insbesondere die Ansätze von Plutchik (1962, 1980) aufgrund deren Bedeutung für die weitere Arbeit detailliert vorgestellt. Den Abschluss des Kapitels bildet ein integrativer Ansatz zur Erklärung der Emotionen nach LeDoux (1998). Seine Theorie stellt vielleicht den derzeit modernsten Ansatz dar, das Phänomen der Emotionen zu beschreiben. Nicht eingegangen wird im Rahmen der Arbeit auf psychoanalytische Theorien zur Entstehung von Emotionen, da diese einen völlig anderen wissenschaftlichen Ansatz bilden. Es wird an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur bei Freud (1895), Rado (1956, 1969), Brenner (1974) etc. verwiesen.
3.2.1. Klassisch-behavioristische Theorien Der Kernpunkt des behavioristischen Ansatzes liegt nicht im Erleben von Emotionen, sondern in der Beobachtung von Verhalten (Reaktionen) und den Umweltgegebenheiten (Reizen), die dieses auslösen. Damit führen uns die behavioristischen Theorien, ebenso wie die Aktivierungstheorien (vgl. auch Kapitel 3.2.2), zu einer Fokussierung der Forschung auf das mit den einzelnen Emotionen einhergehende Verhalten und die physiologischen Veränderungen im Körper. Die Wahrnehmung des subjektiven Gefühls nimmt bei der Beurteilung der Emotionen nur eine untergeordnete Rolle ein. Durch diese Konzentration auf die objektiv beobachtbaren Anzeichen von Emotionen wird auch die Grundlage für den Vergleich tierischer und menschlicher Emotionen geschaffen. Die wichtigsten Vertreter der klassisch-behavioristischen Theorien sind Watson (1924, 1968), Tolman (1923), Skinner (1953) sowie Millenson (1967). Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts haben deren Ansätze zur Erforschung von Emotionen jedoch an Bedeutung verloren. Als Gründe dafür können folgende Punkte genannt werden (Meyer/Schützwohl/ Reisenzein 1993):
Emotionstheorien
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i Die grundlegenden philosophischen Ausgangspunkte stellten sich für die moderne Forschung als fragwürdig heraus. i Die Resultate sind durch die Vernachlässigung der Analyse „innerer“ Zustände unbefriedigend. i Die Vorhersage des Verhaltens wird inzwischen nur als eine der Aufgaben der Emotionspsychologie angesehen - ebenso wichtig erscheint die Erklärung der mentalen Abläufe, die das Verhalten und das Erleben der Emotionen hervorbringen.
3.2.2. Aktivierungstheorien Die Unterscheidung zwischen Aktivierungstheorien und den in Kapitel 3.2.3 skizzierten kognitiven Emotionstheorien, ist in vielen Fällen besonders schwer zu treffen. Es ist abhängig vom Grad der Aufmerksamkeit mit dem die einzelnen Komponenten bewertet werden, ob eher die Betrachtung des autonomen Nervensystems (Aktivierungstheorien) oder die Interpretation der auslösenden Ereignisse (Kognitionstheorien) im Vordergrund steht. Leeper (1948), der Begründer der Aktivierungstheorien, setzt in seiner Arbeit Emotionen mit Motivation gleich. Seiner Ansicht nach werden aktuell andauernde Aktionen durch das Auftreten von Emotionen unterbrochen und dadurch gleichzeitig die Voraussetzungen für neue zielgerichtete Aktivitäten geschaffen. Man denke beispielsweise an Tiere in freier Wildbahn, die durch ausgelöste Furcht mit dem Grasen aufhören und sich auf eine eventuell bevorstehende Flucht vorbereiten. Weitere bedeutende Vertreter der Aktivierungstheorien sind Schlosberg (1954), Wenger et al. (1956) und Young (1961). Die aktuellsten Ansätze stammen von Cacioppo et al. (1992), die eine psychophysiologische Theorie entwickelt haben, welche sich auf die Zusammenhänge zwischen Mimik und autonomen Nervensystem konzentriert.
3.2.3. Kognitiv-physiologische Theorien Wie bereits in der Einleitung dieses Kapitels erwähnt, kommt den kognitiv-physiologischen Emotionstheorien eine ganz besondere Rolle zu. Sie sind es, die durch ihre neuen Ansätze und Denkanstöße das in der Psychologie vorherrschende behavioristische Postulat aufbrechen und dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung liefern. Im Jahr 1884 veröffentlichte William James seinen Artikel „What is an emotion?“ über die Entstehung von Emotionen. In diesem Artikel und dem etwas später entstandenen Buch
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„Principles of psychology“ (Original erschienen 1890; verfügbare Auflage 1950) vertrat James die provokante Meinung, dass die zu diesem Zeitpunkt allgemein anerkannte Auffassung über die Entstehung von Emotionen falsch sei. Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung, ging er davon aus, dass körperliche Reaktionen direkt auf die Wahrnehmung von bestimmten Reizen folgen und erst durch diese Gefühle entstehen. Er drehte somit den Zusammenhang zwischen der Gefühlswahrnehmung und den körperlichen Reaktionen um. „Wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen.“ (James 1890 zitiert nach Kannheiser 1992) Ein Jahr nach James entwickelte Carl Lange, ein dänischer Physiologe, ganz unabhängig von diesem, eine ganz ähnliche Emotionstheorie, die sich in nur wenigen Punkten unterscheidet. Deshalb wird die Theorie der beiden Forscher auch gemeinsam als James/Lange-Theorie bezeichnet. Die Idee von James und Lange wurde in den Folgejahren von einer Reihe von Forschern aufgegriffen und in vielfältiger Weise weiterentwickelt (vgl. Cannon 1927, Maranon 1924, Schachter/Singer 1962, Mandler 1962, Lazarus et al. 1970, De Rivera 1977). Die interessantesten Inputs in diesem Zusammenhang lieferte Robert Zajonc. Er brachte mit seiner Arbeit „Feeling and thinking; Preferences need no inferences“ (1980) neuen Wind in die zu dieser Zeit sehr einheitliche, kognitive Ansicht bezüglich der Entstehung von Emotionen. Er zeigte anhand empirischer Studien, dass Emotionen nicht unbedingt von kognitiven Prozessen abhängig sein müssen. Zumindest einfache emotionale Reaktionen, wie Präferenzen, können seiner Auffassung nach ohne bewusste Registrierung der Reize entstehen.
3.2.4. Attributionale Theorie der Emotionen - Weiner Die attributionalen Theorien sind in ihrem Ansatz der Theorie von Schachter und Singer sehr ähnlich (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1993). Beide gehen von kausalen Abhängigkeiten der Emotionen aus. Bei Schachter und Singer stehen die Beziehungen zwischen physiologischer Erregung und der jeweiligen Situation im Mittelpunkt. Weiner (1986) hingegen bezieht sich nicht auf die physiologische Erregung, sondern nur auf die Attribution von Ereignissen und Verhalten auf die emotionale Einschätzung. Heider schuf mit seiner Arbeit „The psychology of interpersonal relations“ (1958) die Grundlage für die Entwicklung der Attributionstheorie. Seine Ideen wurden in Folge von Kelley (1967, 1973) aufgegriffen und in einer Reihe von weiterführenden Arbeiten ausgeweitet.
Emotionstheorien
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Die Attributionstheorien beschäftigen sich vor allem mit „naiven“ kausalen Erklärungen von psychologischen Phänomenen. Sie sind damit auch der Ausgangspunkt für die attributionalen Theorien der Emotionen. Es sei an dieser Stelle zur Differenzierung dieser beiden Begriffe auf Abbildung 8 hingewiesen, die versucht den Unterschied zwischen Attributionstheorie und attributionalen Theorien zu verdeutlichen.
Attributionstheorie vs. attributionale Theorien
Bedingungen
Wirkung auf E rleben und Verhalten
Attribution
Attributions theorie abhängige Variable
attributionale Theorien unabhängige Variable
nach Kelley und Michela (1980) Abbildung 8: Attributionstheorie vs. attributionale Theorien nach Kelley und Michaela (1980)
3.2.5. Gehirnfunktionstheorien Die Gehirnfunktionstheoretiker stehen in der Tradition von Cannon (vgl. auch Kapitel 3.2.3). Sie versuchen, jene Gehirnstrukturen und Prozesse im Gehirn zu verstehen, die für das Entstehen von Emotionen relevant sind. Als erster Vertreter gilt der gelernte Anatom Papez, der bereits 1937 seine Ideen bezüglich der Entstehung von Emotionen formulierte. Ausgehend von der Feststellung, dass die medialen Teile des Gehirns älter sind und primitivere Funktionen als die erst später hinzugekommenen Teile des Gehirns (Neokortex) erfüllen, formuliert er seine Idee des sogenannten Neuronenkreises. Laut Papez (1937) kommt es zu einer Aufspaltung der empfangenen
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Emotionen im Marketingkontext
sensorischen Reize in einen Denkstrom und einen Gefühlsstrom. Über beide kann in weiterer Folge der zinguläre Kortex (zentraler Bestandteil des Neuronenkreises) aktiviert werden, welcher seiner Auffassung nach für die Entstehung von Gefühlen verantwortlich ist. Zur Zeit von Papez war seine Theorie nur teilweise belegbar und ein großer Teil reine Spekulation. Erst in den folgenden Jahren stellte sich heraus, dass die von ihm angenommenen Verbindungen im Gehirn tatsächlich existieren. Auch seine Annahme bezüglich der Bedeutung des limbischen Systems1 für die Entstehung von Emotionen konnte bestätigt werden. Was jedoch verworfen werden musste, ist die Entstehung von Gefühlen in dem von ihm beschriebenen Neuronenkreis (Plutchik 1980, LeDoux 1998). Spätere Verfechter der Gehirnfunktionstheorien wie MacLean (1963, 1970), Pribram (1970) oder Arnold (1960, 1970) greifen die Ansätze von Papez auf und führen diese weiter. Allen gemein ist die Auffassung, dass Emotionen im limbischen System entstehen. Weniger klar abgegrenzt wird, welche Teile des Gehirns im Konkreten zu diesem zählen. Ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung der Emotionstheorien liefert Arnold (1960). Im Zentrum ihrer Arbeit steht das Bewertungskonzept, welches im Widerspruch zu James besonderes Augenmerk auf die kognitive Einschätzung des wahrgenommenen Reizes legt und diese für die Entstehung von Emotionen unumgänglich hält. Die Bewertungsvorgänge laufen laut Arnold „direct, immediate and intuitive“ ab (Arnold 1960 zitiert nach Plutchik 1980, Seite 58). Sie können also auch für den Betroffenen unbewusst vor sich gehen. Eine andere Meinung bezüglich der Entstehung von Emotionen vertritt Delgado, der sich in erster Linie mit der Erforschung des Gehirns mittels elektrischer Reizung beschäftigte. Er konnte nachweisen, dass es im Zusammenhang mit Emotionen unterschiedliche Gehirntypen und -areale gibt (Delgado 1960, 1971). Daraus folgert er die fragmentale Organisation des Gehirns in Bezug auf Emotionen, welche im diametralen Gegensatz zur Auffassung der anderen Gehirnfunktionstheoretiker steht. Delgado (1966) sieht das „emotionale Gehirn“ als eine Vielzahl von Strukturen, die verschiedene für eine Emotion typische Verhaltensweisen integriert.
1
limbisches System: Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Saum bzw. Besatz. Es ist eine zusammenfassende Bezeichnung für Cingulum und Hippocampus, die sich wie ein Gürtel um den Hirnstamm legen und besondere Bedeutung für die Regulation des Hypothalamus haben (Duden 1992).
Emotionstheorien
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3.2.6. Evolutionspsychologische Theorien Die Evolutionstheorien werden in Folge relativ ausführlich dargestellt, da sie in Form der Theorien von Plutchik sowohl die Basis für den empirischen Teil der Arbeit bilden als auch für eine Vielzahl von anderen in Punkt 4 beschriebenen Anwendungen im Marketing richtungsweisend sind. Warum sind jedoch die evolutionspsychologischen Ansätze für das Marketing von besonderer Bedeutung? Weshalb beziehen sich die meisten Arbeiten in diesem Bereich auf Evolutionstheorien? Diese Fragen lassen sich im ersten Moment gar nicht so einfach beantworten. Eine mögliche Erklärung für dieses Naheverhältnis zwischen Evolutionstheorien und Marketing könnte in den untenstehenden zwei Punkten zu finden sein: i Befriedigung von (Konsum-)Bedürfnissen i Behaupten der Spezies (in der Konsumwelt) Sowohl im Marketing als auch bei der Begründung der Evolutionstheorien geht man von der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse aus. Erst durch das Entstehen, Vorhandensein und Erfüllen von Bedürfnissen entstehen Emotionen. Diese Emotionen dienen somit auf indirektem Weg dazu, dass sich der Mensch in seiner Umwelt behauptet, indem sie entsprechende Handlungen und Verhaltensweisen veranlassen. Dies gilt insbesonders für die sich rasch verändernde Konsumwelt, in der sich der Einzelne immer wieder neu zurechtfinden und durchsetzen muss.
3.2.6.1.
Darwin als Begründer der Evolutionstheorien
Die evolutionstheoretischen Theorien zur Erklärung von Emotionen gehen in ihrem Kern auf die Arbeiten von Darwin zurück. 1859 erschien sein Buch „The origin of species“, in dem er erstmals die schrittweisen Veränderungen von verschiedenen Gruppen von Tieren als Antwort auf veränderte Umwelteinflüsse aufzeigt. Er geht davon aus, dass ein erfolgreiches Überleben nur durch die Anpassung der einzelnen Gattungen gewährleistet werden kann (Darwin 1871). Der interessante Punkt für die Emotionsforschung liegt in dem Detail, dass er seine Evolutionstheorien nicht nur auf anatomische Strukturen - also physische Gegebenheiten bezieht, sondern auch auf psychische Eigenschaften. Intelligenz, Gedächtnisleistung und Emotionen haben dementsprechend eine evolutionäre Geschichte und tragen ihren Teil zum Überleben der einzelnen Rassen bei.
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Emotionen im Marketingkontext
Darwin beschäftigt sich bei seiner Forschung unter anderem mit dem Ausdrucksverhalten von Tieren und Menschen. Sein Interesse gilt der Beobachtung von Körperhaltung, Gestik und Gesichtsausdruck. Er ist der Meinung, dass die meisten - nicht alle - Emotionsausdrücke ungelernt, also mit der Geburt vererbt sind. Darwins Sichtweise der Emotionen ist dabei sehr stark funktional geprägt. Emotionale Ausdrücke interpretiert er in zweierlei Hinsicht: einerseits als Signale bzw. Vorbereitungen zu bestimmten Handlungen (organismische Funktion) und andererseits als eine Art von Kommunikation (kommunikative Funktion). Das heißt, nicht nur die Emotion an sich, sondern auch der emotionale Ausdruck dient einer bestimmten Funktion und beeinflusst somit das Überleben (Darwin 1965). Erwähnenswert erscheint an dieser Stelle, dass viele der neueren Vertreter der evolutionspsychologischen Sichtweise davon ausgehen, dass sich der Emotionsausdruck hauptsächlich aufgrund der eben beschriebenen kommunikativen Effekte entwickelt (z.B. Ekman 1972). Diese Meinung teilt Darwin nicht. Für ihn steht die organismische Funktion gegenüber der kommunikativen Funktion im Vordergrund (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1997). Darwin gibt aber auch indirekt den Anstoß für eine Erweiterung der Emotionsforschung, weg von der fokussierten Betrachtung von subjektiven Gefühlen, hin zur Analyse des damit verbundenen Verhaltens (Plutchik 1980). Damit liefert er die Grundlagen für ein Wiederaufleben der Emotionspsychologie zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Eine Reihe von Emotionsforschern wie zum Beispiel Tomkins (1962, 1963), Ekman (1972, 1973) und Izard (1971) beleuchten Darwins Erkenntnisse im Zuge von aktuell vorliegenden Ergebnissen in der Primatenforschung, der Entwicklungspsychologie oder auch in kulturvergleichenden Studien aus einem neuen Blickwinkel.
3.2.6.2.
Plutchik als Hauptvertreter der Evolutionstheorien
Plutchik (1962) vertritt - vielleicht mit McDougall (1928, 1932, 1960) gemeinsam - am stärksten die Meinung, dass Emotionen in einem evolutorischen Zusammenhang betrachtet werden müssen. Daher können auch sehr viele Ähnlichkeiten in den Arbeiten der beiden Forscher aufgezeigt werden. Wichtigste Unterscheidung in der Theorie von Plutchik ist das starke Gewicht der kognitiven Einschätzung im Entstehungsprozess (Meyer/Schützwohl/ Reisenzein 1993). Dass Plutchik heute zu den bekanntesten neueren Emotionstheoretikern zählt, lässt sich auf seine systematische Arbeit zurückführen. Er stellt im Gegensatz zu den meisten anderen Theoretikern ein komplettes Erklärungsmodell für sämtliche Arten von Emotionen bereit. Der integrative Charakter seiner Arbeit war und ist noch immer der größte Vorteil gegenüber anderen erschienenen Ansätzen. Das Theoriegebäude von Plutchik (1962, 1980) bietet sich als Orientierungs- und Ausgangspunkt für weitere Forschungsarbeiten an. Darüber hinaus
Emotionstheorien
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gelingt ihm mittels Circumplex Modellen eine leicht fassbare und logische Darstellung der Beziehungen der einzelnen Emotionen untereinander (vgl. auch Kapitel 3.5). Laut Plutchik (1980) sind menschliche Emotionen komplex, gemischt und schwer in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Sie bestehen aus grundlegenden Komponenten, die auch bei Kindern oder Tieren zu beobachten sind. Emotionen sind keine reinen subjektiven Erfahrungen per se, sondern müssen als ganzheitliche theoretische Konstrukte gesehen werden (vgl. Abbildung 9). Sie sind mehr als nur wahrgenommene Gefühlszustände, bestimmte Gesichtsausdrücke oder gezeigtes Verhalten (Plutchik 1989).
Sequentielles Modell der Emotionen Definition von Emotionen als komplexe Kette von Ereignissen
Gefühlszustand
Reiz, Ereignis
kognitive Einschätzung
Handlungsimpuls
Verhalten
Auswirkung
physiologische Reaktion
Feedbackschleifen
nach Plutchik 1993 Abbildung 9: Sequentielles Modell der Emotionen nach Plutchik (1993)
Dies wird auch durch die relativ starke Betonung der kognitiven Vorgänge bei der Bildung von Emotionen verdeutlicht (siehe Abbildung 10). So vertritt Plutchik (1980) die Auffassung, dass Emotionen die Bewertung von externen und internen Stimuli voraussetzen (vgl. auch Kapitel 3.2.5). Durch diese Bewertungen kommt es zu einer Etikettierung der Reize in gut oder schlecht. Problematisch sind Fälle, in denen die Stimuli sowohl positive als auch negative Komponenten beinhalten. Durch solche gemischten Ereignisse können innere Konflikte entstehen, da im Gehirn keine geeigneten Scripts für die weitere Verarbeitung
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Emotionen im Marketingkontext
vorhanden sind. Die kognitiven Beurteilungen werden bei höheren Lebewesen - im Gegensatz zu niederen Tieren - sehr stark durch Lernen und Erfahrung geprägt. Sie sind für den Betroffenen oft nicht bewusst und dementsprechend auch nicht nachvollziehbar. Plutchtik (1980b) verweist auch darauf, dass für das Überleben eines Individuums die korrekte Bewertung der meisten bzw. wichtigsten Situationen entscheidend ist.
Aufmerksamkeit
Abgleich (Kurzzeitgedächtnis)
Bewertung
Abgleich (Langzeitgedächtnis)
Output
Scannen + Orientierung
Emotionen
sensorischer Input
Kognitive Abläufe bei der Entstehung von Emotionen
nach Plutchik 1980 Abbildung 10: Kognitive Abläufe bei der Entstehung von Emotionen nach Plutchik (1980)
Plutchik (1962, 1980) unterscheidet zwischen Primär- und Sekundäremotionen. Primäremotionen treten bei allen Arten von Lebewesen auf und haben eine wichtige Bedeutung für das Überleben der einzelnen Spezies im Laufe der Evolution. Er beschreibt acht prototypische Emotionsmuster, die er als Primäremotionen definiert und aus denen sich alle anderen sekundären Emotionen zusammensetzen. Eine genaue Beschreibung dieser acht primären Emotionen erfolgt im Kapitel 3.3, wo im Detail auf die Idee der Basisemotionen eingegangen werden soll.
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Als Abschluss von diesem Kapitel werden im Folgenden zehn Postulate von Plutchik (1962, 1980, 1980b) dargestellt, die einen Einblick in die wichtigsten Punkte seiner Theorie geben: 1. Das Konzept der Emotionen ist auf alle evolutionären Entwicklungsstufen anwendbar und trifft genauso auf Tiere wie auch auf Menschen zu. 2. Emotionen haben aufgrund von Selektion eine evolutionär genetische Grundlage und haben verschiedene Formen des Ausdrucks bei unterschiedlichen Gattungen hervorgebracht. 3. Emotionen sind grundlegende Formen der Anpassung, um das Überleben der einzelnen Spezies zu sichern (unter anderem bei der Nahrungsaufnahme, der Fortpflanzung oder beim Schutz vor Feinden). 4. Emotionen sind komplexe Ketten von Reaktionen mit Rückmeldeschleifen (vgl. Abbildung 9), die trotz unterschiedlicher Formen des Emotionsausdrucks bei verschiedenen Gattungen bestimmte gemeinsame Elemente besitzen. 5. Es gibt acht primäre Emotionen: Furcht, Ärger, Freude, Traurigkeit, Akzeptanz bzw. Vertrauen, Ekel, Erwartung und Überraschung. 6. Alle anderen Emotionen sind Mischungen oder Kombinationen gleichzeitig auftretender primärer Emotionen. Es entstehen je nach Zahl der primären Emotionen Dyaden (aus zwei primären Emotionen) bzw. Triaden (aus drei primären Emotionen). 7. Primäre Emotionen sind hypothetische Konstrukte bzw. idealisierte Zustände, die im Alltag nur sehr selten in reiner Form auftreten. 8. Primäre Emotionen können als Gegensatzpaare ausgedrückt werden (vgl. auch Kapitel 3.3). 9. Alle Emotionen können anhand ihrer Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit zueinander eingeordnet werden (vgl. auch Kapitel 3.3). 10. Jede Emotion kann nach dem Grad ihrer Intensität (physiologischer Aktivierung) differenziert werden.
40
Emotionen im Marketingkontext
3.2.7. Integrativer Ansatz zur Erklärung von Emotionen - LeDoux Die Theorie von LeDoux soll als Abschluss dieses Abschnittes getrennt dargestellt werden, da seine Sichtweise der Entstehung von Emotionen ganz besonders interessant erscheint. Die Arbeit von LeDoux ist vielleicht der derzeit aktuellste und integrativste Ansatz, Emotionen zu erklären. Er ist hierfür auch bereit, Hürden zu überspringen, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären. So schafft er es, genügend Abstand zu den verschiedenen Erklärungsansätzen zu haben, um objektiv anhand neuester Forschungsergebnisse der Gehirnforschung die einzelnen Punkte dieser Theorien kritisch zu reflektieren. Das Ergebnis ist eine stark neurobiologisch geprägte, sich an empirischen Ergebnissen orientierende Theorie, die im Folgenden erläutert werden soll. Natürlich muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass der gegenwärtige Forschungsstand noch bei weitem nicht alle Fragen bezüglich der Entstehung von Emotionen beantworten kann, jedoch sind einige wichtige Teile dieses komplexen Puzzles bereits bekannt und entschlüsselt (Schmidt-Atzert 1996). Ein zentraler Punkt in der Arbeit von LeDoux (1998) ist die emotionale Verarbeitung der einwirkenden Reize. Er geht davon aus, dass die emotionale Verarbeitung weitgehend unbewusst abläuft und dass deshalb Emotionen auch nicht restlos durch Introspektion ergründet werden können. Dies impliziert auch den Schluss, dass Kognitionen bzw. Bewertungen für LeDoux durchaus ein wichtiger Bestandteil des Verarbeitungsprozesses darstellen. Emotionen und Kognitionen sind dementsprechend getrennte, aber miteinander wechselwirkende mentale Funktionen, die durch ebenfalls getrennte, miteinander wechselwirkende Hirnsysteme vermittelt werden. Untenstehend werden eine Reihe von Argumenten aufgelistet, die zur Erklärung dieser Dichotomie von zentraler Bedeutung sind (LeDoux 1998): i Die perzeptuelle Repräsentation eines Objektes sowie die Bedeutung eines Objektes werden vom Gehirn getrennt verarbeitet. Dies kann durch die Untersuchung von Tieren und Menschen mit Beeinträchtigungen von bestimmten Gehirnteilen nachgewiesen werden. i Die Bewertung der emotionalen Bedeutung (gut vs. schlecht) eines Objektes kann einsetzen, bevor die Wahrnehmungssysteme den Reiz vollständig verarbeitet haben (Was ist es?).
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i Die Erinnerung an die emotionale Bedeutung von Reizen wird von anderen Mechanismen als die kognitiven Erinnerungen an denselben Reiz gespeichert. i Die Systeme zur emotionalen Bewertung sind enger an die Reaktionssteuerung gebunden als die Systeme der kognitiven Verarbeitung. Darüber hinaus ist der Entscheidungsspielraum bei Emotionen im Gegensatz zu Kognitionen kleiner bzw. gar nicht vorhanden. Diese automatische Verknüpfung zwischen Bewertungsprozess und Reaktion bildet den grundlegenden Mechanismus bestimmter Emotionen. i Bewertungen sind oft von körperlichen Empfindungen begleitet, die dann einen Bestandteil des bewussten Erlebens von Emotionen bilden. LeDoux (1998) spricht sich klar gegen eine zu stark kognitiv geprägte Sichtweise der Emotionen aus. Ihm zufolge sind Emotionen mehr als nur eine Ansammlung von Gedanken oder schlichte Schlussfolgerungen. Er äußert auch Zweifel über die verbale Messbarkeit von Emotionen. Er glaubt, dass durch den Einsatz verbaler Reize und verbaler Auskünfte die unbewussten Vorgänge bei der Entstehung von Emotionen unterbewertet werden und es somit zu einer Verzerrung kommt. Eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Emotionen spielt für LeDoux die Amygdala2 (siehe Abbildung 11), die aber im Gegensatz zur Auffassung von MacLean kein Emotionszentrum darstellt, sondern lediglich eine wichtige Schnittstelle innerhalb eines komplexen Netzwerkes (Schmidt-Atzert 1996) bildet. Auf diesen Punkt soll aber später - nach der Beschreibung der Emotionsentstehung - genauer eingegangen werden.
2
Amygdala: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet Mandel (Duden 1992). Es handelt sich um eine kleine mandelförmige Region im Vorderhirn und wird dem limbischen System zugerechnet. Sie konnte als zentrale Verbindung zu Gebieten im Hirnstamm identifiziert werden, die für die Steuerung von Herzfrequenz und anderen Reaktionen des autonomen Nervensystems verantwortlich zeichnet (LeDoux 1998, Kapp et al. 1984).
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Emotionstheorie von LeDoux visueller Reiz
kurzlebige visuelle Repräsentation Bewusstwerdung des Reizes
Langzeitgedächtnis
kognitive Bewertung
Aktivierung der Amygdala
nicht unbedingt notwendig
c Direkte Einflüsse auf den Kortex d Indirekte Aktivierung des Kortex (Teufelskreis der emotionalen Reaktivität) e Körperliche Reaktionen: - artspezifisches Verhalten (Flucht, Kampf, ...) - ANS (Herzfrequenz, Piloarrektion, ...) - hormonale Reaktion (Adrenalin, Peptide, ...)
Aktivierung einer Vielzahl von Output-Bahnen
c
d
e
Emotionen
nach LeDoux 1996 Abbildung 11: Emotionstheorie nach LeDoux (1996)
Ausgelöst werden Emotionen in der Regel von externen Reizen, die mittels sensorischem System aufgenommen und im Fall von optischen Reizen an kurzlebige visuelle Objektpuffer weitergeleitet werden. Diese Puffer sind der Ausgangspunkt für die Verknüpfung von Informationen aus dem Kurzeitgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis (siehe Abbildung 12). Durch die Verbindung der beiden Informationsquellen ist die Einschätzung des betreffenden Reizes möglich, wodurch die Grundlage für das Empfinden von Emotionen geschaffen wird. Die kognitive Bewertung bildet aber nur die Basis, sie alleine ist nicht ausreichend für ein emotionales Erleben. Erst die Aktivierung des entsprechenden Emotionssystems (Amygdala) und den sich daraus ergebenden Folgereaktionen macht ein Erlebnis zu einem emotionalen Erlebnis (LeDoux 1993).
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Verarbeitung und Bewertung von externen Stimuli
top-down Verarbeitung
Langzeitgedächtnis
Arbeitsgedächtnis
c
Bewertung des externen Reizes d
Puffer1
Puffer2
Puffer3
bottom-up Verarbeitung c Verknüpfung der Informationen aus den Kurzzeit-Gedächtnispuffern und den Langzeit-Erinnerungen d mit steigender Zahl an bearbeiteten Puffern reduziert sich die Effektivität des Arbeitsgedächtnisses
nach Ledoux 1996 Abbildung 12: Verarbeitung und Bewertung von externen Stimuli nach LeDoux (1996)
Die Aktivierung der Amygdala zieht eine Vielzahl von Folgen (siehe Abbildung 11) nach sich, die in Summe betrachtet das emotionale Erleben von Emotionen verursacht (LeDoux 1998): 1. Direkte Einflüsse der Amygdala auf den Kortex: Es gibt zahlreiche Projektionen von der Amygdala zu verschiedenen Bereichen des sensorischen Kortex, die für die Wahrnehmung und Kurzzeitspeicherung der Reize verantwortlich sind. Daneben existieren aber auch beträchtliche Verbindungen zu Langzeitgedächtnis-Zentren (Hippocampus3) und zu weiteren Teilen des Kortex, die bei der Überwachung des Arbeitsgedächtnisses mitwirken. Somit erhält das Bewusstsein auf mehreren Wegen Kenntnis von der Aktivität der Amygdala. Es werden sowohl die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung als auch das Gedächtnis durch die Amygdala beeinflusst.
3
Hippocampus: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet Seepferdchen. Der Hippocampus ist eine starke, halbmondförmige Längswulst am Unterhorn des Seitenventrikels im Gehirn (Duden 1992). Er wurde so genannt, weil er einem Seepferdchen ähnelt - in der griechischen Mythologie war hippokampos ein Seeungeheuer (kampos) in Gestalt eines Pferdes (hippo).
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2. Durch die Amygdala ausgelöste Erregung: Neben den oben beschriebenen direkten Einflüssen gibt es eine Reihe von indirekten Verbindungen zwischen der Amygdala und dem Kortex, wodurch sich die Aktivierung auf den Kortex zusätzlich ausbreiten kann. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind die Verbindungen zu den Erregungssystemen im Gehirn. Der Unterschied zwischen Wachheit/Aufmerksamkeit und Schläfrigkeit/Unaufmerksamkeit ergibt sich aus dem Erregungsniveau des Kortex (Messung mittels EEG möglich). Von der durch die Amygdala ausgelösten Erregung profitieren in erster Linie jene Neuronen4, die sowieso bereits aktiv an der Verarbeitung des Reizes beteiligt sind. Daraus ergibt sich je nach Stimulus und Situation ein ganz spezifisches Verarbeitungsergebnis. Eine weitere Besonderheit von emotionalen Reizen ist deren Fähigkeit, eine anhaltende Erregung auslösen zu können. Der Grund hierfür liegt in der Steuerung durch die Amygdala. Diese empfängt - quasi als Feedback - über Axone5 von den Erregungssystemen Inputs, die dazu beitragen, dass die Amygdala in einem erregten Zustand bleibt (Teufelskreis der emotionalen Reaktivität). Das heißt, die Erregung hält das Individuum solange in jenem emotionalem Zustand fest, bis etwas derart Bedeutsames geschieht, dass die Erregung auf den neuen Reiz verlagert wird. 3. Rückmeldungen des Körpers: Neben den oben erwähnten Einflüssen auf den Kortex führt die Aktivierung der Amygdala zu einer Vielzahl von körperlichen Reaktionen. Diese können in artspezifisches Verhalten (Flucht, Kampf, ...), Reaktionen des autonomen Nervensystems (Herzfrequenz, Piloarrektion6, ...) und hormonalen Reaktionen (Adrenalin, Peptide7, ...) unterteilt werden. Die beiden letztgenannten werden auch als viszerale Reaktionen bezeichnet (vgl. auch Kapitel 3.2.3).
4
5
6
7
Neuron: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet Sehne, Flechse oder Nerv. Neuronen sind die Bezeichnungen für strukturelle Einheiten aus Nervenzellen und deren Fortsätzen (Dendriten und Neuriten), die für die Reizleitung verantwortlich sind (Duden 1992). Axon (Neurit): Der Neurit ist ein oft lang gezogener, der Reizleitung dienender Fortsatz der Nervenzelle und somit auch ein Baustein der Nervenstränge (Duden 1992). Piloarrektion (Horripilatio): Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Haar (Pilus) bzw. aufrichten (arrigere, arectum). Darunter ist also das Sichaufrichten bzw. Sichemporsträuben der kleinen Hauthaare (z.B.: bei Gänsehaut) zu verstehen (Duden 1992). Peptid: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet gekocht, verdaut bzw. verdaulich. Das Peptid ist ein Spaltprodukt des Eiweißabbaus und besteht aus zwei oder mehreren Aminosäuren (Duden 1992).
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4. Sehr umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob Rückmeldungen für das emotionale Erleben eine Rolle spielen. Vater der Rückkoppelungstheorie ist bekanntlich James (1950), der seine komplette Emotionstheorie darauf stützt. Von Tomkins (1962, 1963) und Izard (1971) wird die Idee aufgegriffen, indem sie die Rückmeldungen von der Gesichtsmuskulatur untersuchen. Anhand der verschiedenen Studienergebnisse lässt sich kein definitiver Beweis für oder gegen die Bedeutung von körperlichen Rückmeldungen finden, doch ist nach Meinung von LeDoux eher davon auszugehen, dass sie eine Rolle spielen. Bewusste emotionale Gefühle entstehen nun, wenn alle oben beschriebenen Teile des Emotionssystems aktiv sind und dem Individuum dies auch bewusst ist. Jeder Organismus, der ein Bewusstsein hat, besitzt dementsprechend auch Gefühle. Voraussetzung dafür ist die Existenz des präfrontalen Kortex. Diesen gibt es bei allen Primaten und ist vor allem bei höheren Primaten besonders gut ausgebildet, die sogar ein Selbstbewusstsein (Fähigkeit sich selbst im Spiegel zu erkennen und eine natürliche Sprache besitzen) haben. Die Gefühle werden jedoch bei einem Gehirn, das die Welt sprachlich klassifizieren kann, andere sein als in einem Gehirn ohne diese Fähigkeit. Unterschiede zwischen Furcht, Angst, Schrecken, Befürchtung und dergleichen sind nur durch die sprachliche Diversifizierung im Gehirn möglich. Gleichzeitig müssen aber die zugrundeliegenden Emotionssysteme, auf welche sich die vorhin genannten Wörter beziehen, im Gehirn entwickelt sein. LeDoux (1998) geht von einer funktional getrennten Gehirnorganisation aus, die sich dadurch manifestiert, dass verschiedene Regionen zusammenarbeiten können, sofern sie ein und dasselbe Ziel verfolgen. Er argumentiert dies anhand jener Emotionen, die an verschiedenen überlebenswichtigen Funktionen (Nahrungssuche, Flucht, Abwehr von Gefahren, Fortpflanzung, ...) anknüpfen. Da die mit den Funktionen verbundenen Prozesse sehr unterschiedlich sind, kann davon ausgegangen werden, dass jeweils andere Gehirnsysteme damit verbunden sind. Dementsprechend sind nicht nur ein emotionales System, sondern mehrere emotionale Systeme wahrscheinlich (LeDoux 1998). Dieser Ansicht folgt auch Panksepp (1986, 1989), der zwischen den fünf untenstehenden Emotionssystemen differenziert, wobei jenes, das für die Entstehung von Furcht bzw. Angst verantwortlich ist, sehr ähnlich zu dem von LeDoux erscheint (Schmidt-Atzert 1996). i i i i i
Erwartung - Neugierde Ärger - Wut Angst - Furcht Kummer - Panik Spiel - Freude
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Laut LeDoux (1998) gibt es aber nicht nur mehrere Emotionssysteme, sondern auch verschiedene Gedächtnissysteme, die beim bewussten Erleben von Emotionen zusammenwirken (siehe Abbildung 13). Er nimmt eine Differenzierung zwischen impliziten emotionalen Erinnerungen (im Amygdala System) und expliziten Erinnerungen an emotionale Situationen (im Hippocampus System) vor. Die Informationen der beiden Verarbeitungsströme treffen sich anschließend im Arbeitsgedächtnis und werden zu einer neuen bewussten Emotion. Explizite Erinnerungen für sich alleine sind nicht in der Lage, eine emotionale Empfindung auszulösen. Erst durch die implizite Erinnerung erfolgt eine emotionale Erregung, die notwendiger Bestandteil für das Empfinden von Emotionen ist. Ohne die aktuelle emotionale Erregung würde die bewusste Erinnerung emotional neutral bleiben.
Getrennte Gedächtnissysteme emotionale Situation
Amygdala System
Hippocampus System
implizite emotionale Erinnerung
explizite Erinnerung an emotionale Situation
gegenwärtige emotionale Erregung
explizite frühere Erinnerung
bewusstes Erleben
nach LeDoux 1996 Abbildung 13: Getrennte Gedächtnissysteme nach LeDoux (1996)
Im Zusammenhang mit den getrennten Gedächtnissystemen verweist LeDoux (1998) auch auf die sogenannte Blitzlicht-Erinnerung. Darunter ist das Phänomen zu verstehen, dass Ereignisse, die mit starken emotionalen Erlebnissen einhergehen, besser als andere erinnert werden. Grund hierfür sind die erwähnten, parallel arbeitenden Gedächtnissysteme. Empirische Bestätigung für dieses Phänomen findet man durch einen Versuch mit Ratten, denen Adrenalin injiziert wurde, nachdem sie eine bestimmte Situation gelernt hatten. Durch
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die Injektion des Adrenalin, das eine mit dem Auftreten von Emotionen vergleichbare Wirkung im Körper entfaltet, konnte die Erinnerungsleistung der Ratten nachweislich erhöht werden (McGaugh et al. 1995).
Nach der Darstellung der verschiedenen Emotionstheorien soll im nächsten Abschnitt auf einen Punkt eingegangen werden, der bereits im Zusammenhang mit den Evolutionstheorien angeschnitten wurde. Das Ziel von Kapitel 3.3 ist es, die Idee der Basisemotionen detailliert unter die Lupe zu nehmen und bereits erste Anknüpfungspunkte zum Marketing aufzuzeigen.
3.3. Basisemotionen Theorien können weder als wahr oder falsch, sondern nur anhand ihrer Nützlichkeit als mehr oder weniger hilfreich zur Erklärung von bestimmten Forschungsgegenständen beurteilt werden (Babbie 1998, Bortz/Döring 2002). Das gilt natürlich auch für die Theorie der Basisemotionen, die nicht erst im 20. Jahrhundert entstanden ist, sondern bereits lange davor in der philosophischen Literatur ihre Ursprünge hat (Plutchik 1962, 1980, 1994). Bereits Descartes (1596-1650) sprach zu Beginn des 17. Jahrhunderts von sechs Basisemotionen, die er entsprechend dem damaligen Sprachgebrauch „Leidenschaften“ nannte. Er unterschied zwischen Liebe, Hass, Begehren, Freude, Traurigkeit und Bewunderung. Alle anderen Emotionen leiten sich seiner Meinung nach aus der Mischung dieser sechs „Leidenschaften“ ab. In der zweiten Hälfte des selben Jahrhunderts veröffentlichte Spinoza (1632-1677) seine weiterführenden Überlegungen zu diesem Thema. Er ging von nur drei grundlegenden emotionalen Bausteinen aus: Freude, Traurigkeit und Begehren. Anhand dieser drei Emotionen definierte er jedoch eine ganze Reihe von abgeleiteten Emotionen wie etwa Liebe, Hass, Furcht, Schuld oder Stolz. So beschrieb er zum Beispiel Liebe als nichts anderes als Freude, die durch eine externe Ursache begründet wird. Ein dritter Philosoph, der sich bereits sehr früh im 17. Jahrhundert mit diesem Thema auseinander setzte, war Hobbes (1588-1679). Er formulierte sieben grundlegende Emotionen: Verlangen/Lust, Begehren, Liebe, Abneigung, Hass, Freude und Kummer. In seinem Gefolge beschäftigten sich im Laufe der Zeit verschiedene andere britische Philosophen mit dieser Thematik, die schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von McDougall aufgegriffen wurde und zum ersten Mal mit den aktuellen Ideen von Darwin bezüglich der evolutorischen Entwicklungsgeschichte von Tier und Mensch in Zusammenhang gebracht wurde (vgl. auch Kapitel 3.2.6).
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Ausgehend von dem eben erwähnten McDougall (1908) gab es in den folgenden Jahren eine Reihe von weiteren namhaften Vertretern der Idee der Basisemotionen: i i i i i i i
Watson (1919) Plutchik (1962, 1980) Tomkins (1962, 1992) Laird (1974) Izard (1977, 1981, 1991) Buck (1984) Ekman (1992)
3.3.1. Idee der Basisemotionen Was ist aber nun die Gemeinsamkeit der oben aufgelisteten Emotionstheoretiker? Was verbindet die Theorien dieser Wissenschaftler und macht sie für die weitere Forschung so interessant? Diese Fragen scheinen sich auf den ersten Blick relativ leicht beantworten zu lassen, doch sollen in diesem Zusammenhang auch die kritischen Stimmen zu Wort kommen. Der zentrale Punkt, der in allen diesen Ansätzen gefunden werden kann, ist die Annahme, dass eine Teilmenge der menschlichen Emotionen (Primär- oder Basisemotionen) biologisch und psychologisch grundlegend ist (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1997): a) biologische Grundlage: Basisemotionen lösen spezifische Anpassungsprobleme im Zuge der Evolution. b) psychologische Grundlage: Aus Basisemotionen lassen sich alle anderen Emotionen ableiten oder zusammensetzen.
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3.3.1.1.
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Evolutorische bzw. funktionale Sichtweise der Emotionen
Beide eben genannten Punkte sind für den Aufbau eines konzeptionellen Gerüstes von entscheidender Bedeutung. Durch die Annahme der biologischen Grundlage von Emotionen wird die Einbindung in die Evolutionstheorie vollzogen. Damit wird die Emotionstheorie nicht mehr losgelöst von der sonstigen körperlichen und geistigen Entwicklung des Menschen gesehen. Darüber hinaus sind aufgrund der Gleichartigkeit von menschlicher und tierischer Entwicklung sogar Analogien mit dem Tierreich möglich. Diese Verknüpfung von Emotionen und Entwicklungsgeschichte kann aber auch durchaus negativ gesehen werden. So geht zum Beispiel Ulich (1989) davon aus, dass es durch das implizierte funktionale Denken zu einer Einschränkung bei der Betrachtung von Emotionen kommt. Er gesteht zwar einigen wenigen Emotionen (wie z.B. Schreck oder Furcht) in gewissen Situationen unmittelbar lebenserhaltende Wirkungen zu, bestreitet dies aber für die restlichen Emotionen. Dementsprechend glaubt er nur bei diesen ganz bestimmten Emotionen an eine genetische Programmierung und lehnt die grundsätzliche Anwendung von evolutorischen Ideen in der Psychologie ab. Seine Argumentation richtet sich in erster Linie gegen das funktionale Denken, das seiner Meinung nach stets die Gefahr von „teleologischen Irrtümern“ beinhaltet. Speziell auf die erbbiologischen Evolutionstheorien der Emotion bezogen, bedeutet dies nach Meinung Ulichs folgendes: Es wird von der Notwendigkeit zum Überleben auf bestimmte lebenserhaltende Prozesse geschlossen und von diesen wiederum auf die Emotionen. Damit werden Emotionen vorweg in formal-teleologische Zweck-Mittel-Zusammenhänge (wozu) gestellt, die einer kausalen Argumentation (weil) widersprechen. Als Folge davon bleiben seiner Auffassung nach die Erkenntnisse von funktionalistisch orientierten Emotionstheoretikern zwangsläufig pauschal und schließen den Einfluss von individuellen Erfahrungen auf die einzelnen Emotionen aus. Es wird die Interaktion von Person und Umwelt negiert und damit auch die Perspektive des jeweils Betroffenen vernachlässigt (Ulich 1989). Einige der Argumente sind im Kern sicherlich zutreffend. Vor allem die zuletzt genannten Punkte, dass evolutorisch orientierte Emotionstheorien notwendigerweise auf einem höheren Abstraktionsniveau bleiben müssen und dementsprechend individuelle umweltspezifische Einflüsse nicht im vollen Umfang berücksichtigen können. Doch sollte man aufgrund der konzeptionellen Funktion der Basisemotionstheorien solche Einschränkungen in Kauf nehmen, da es sich dabei in erster Linie um eine Frage der Herangehensweise handelt. Gehen die Theorien der Basisemotionen eindeutig von nomothetischen Gesichtspunkten aus, deren Ziel es ist, komplexe Gegenstände mit wenigen Variablen möglichst einfach zu erklären, so scheint Ulich als Anhänger der differentiellen Psychologie eher idiographische Ansätze vorzuziehen (Bosch/Schiel/Winder 2002).
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3.3.1.2.
Emotionen im Marketingkontext
Heterogenität der Basisemotionen
Der zweite Punkt, auf den an dieser Stelle genauer eingegangen werden soll, ist die psychologische Basisfunktion von primären Emotionen. Wie die bereits dargestellten philosophischen Vorläufer gehen die Basisemotionstheoretiker davon aus, dass aus der Mischung bzw. Ableitung von primären Emotionen alle anderen Emotionen gebildet werden können (vgl. auch Kapitel 3.4). In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage auf, wie viele und welche Emotionen eigentlich grundlegend sind? Ausgangspunkt dieser Fragestellung sind dabei in erster Linie die Heterogenität der vorgeschlagenen Basisemotionslisten und die hierfür zugrunde liegenden Kriterien. Die Kritik bezüglich der Unterschiedlichkeit der Emotionslisten wurde bereits in analoger Form gegen die frühen Instinkttheorien zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhoben. McDougall (1960, Seite 386) widerspricht diesen folgendermaßen: „Genauso gut könnten sie (die Kritiker) die Theorie der chemischen Elemente mit der Begründung verwerfen, daß diese Theorie zum Zeitpunkt, als sie von John Dalton zuerst vorgeschlagen wurde, unvollständig war und seitdem viele Veränderungen im Sinne von Verbesserungen und Verfeinerungen erlebt hat ... Es wäre anmaßend, (zum gegenwärtigen Zeitpunkt) vorzugeben, eine endgültige und vollständige Liste der menschlichen Instinkte erstellen zu können. Es ist jedoch der Mühe wert, (es) zu versuchen ...“ Ein Teil der Kritik kann auch dadurch entkräftet werden, dass die einzelnen Theoretiker verschiedene Namen für dieselben oder sehr ähnlichen Primäremotionen verwenden (siehe Abbildung 14). Plutchik (1993) geht zum Beispiel davon aus, dass Kummer und Traurigkeit nur verschiedene Bezeichnungen für ein und dieselbe primäre Emotion sind. Izard (1971) und Ekman (1992) hingegen führen im Widerspruch zu Tomkins (1963) nur Traurigkeit an. McDougall zählt Kummer grundsätzlich erst in seinen späteren Arbeiten zu seinen Basisemotionen. Des Weiteren stellen in frühen Arbeiten von Tomkins die Emotionen Ekel und Verachtung nur verschiedene Intensitätsstufen einer einzigen Emotion dar. Später jedoch differenziert er zwischen den beiden primären Emotionen.
Emotionstheorien
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B as is emotionen im Überblic k
Furcht Ärger Ekel Kummer/Traurigkeit
McDougall
Plutchik
9 9 9 9
9 9 9 9 9 9
Freude Überraschung Verachtung Interesse Scham Schuld Unterwürfigkeit Zärtlichkeit Staunen Hochgefühl
Akzeptanz Erwartung
Tomkins
9 9 9 9 9 9 9 9 9
Izard
Ekman
9 9 9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9 9 9
Schüchternheit
nach Meyer/Schützwohl/Reisenzein (1993) Abbildung 14: Basisemotionen im Überblick nach Meyer/Schützwohl/Reisenzein (1993)
Ein weiterer Grund für die Unterschiedlichkeit der Emotionslisten ist in den verschiedenen zugrunde liegenden Kriterien zur Bestimmung der Basisemotionen zu finden. Für McDougall (1960) müssen primäre Emotionen unbedingt mit spezifischen, instinktiven Handlungstendenzen einhergehen. Aus diesem Grund nimmt er Überraschung und Freude nicht in die Liste der Basisemotionen auf (Kummer/Traurigkeit erst später), da je nach Auslöser der Emotionen ganz unterschiedliche Handlungen folgen können. Sind es bei McDougall die fehlenden spezifischen Handlungstendenzen, auf die er sich bezieht, so ist es bei Ekman, Izard und Tomkins der nicht vorhandene emotionsspezifische Gesichtsausdruck (z.B. bei Zärtlichkeit). Trotz des definierten Kriteriums zur Beschreibung von Primäremotionen ist sich Ekman (1992) selbst darüber im Unklaren, ob Verachtung, Interesse, Scham und Schuld zu diesen gezählt werden sollen oder nicht. Er bezeichnet sie deshalb auch als „mögliche“ Basisemotionen.
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Emotionen im Marketingkontext
3.3.1.3.
Mögliche Kriterien zur Bestimmung von Basisemotionen
Im vorigen Punkt wurden bereits unterschiedliche Kriterien zur Bestimmung von Basisemotionen exemplarisch dargestellt. In diesem Abschnitt soll nun die Frage geklärt werden, welche Kriterien bzw. Mechanismen grundsätzlich hinter den Basisemotionen stehen können. Sind dies nun Gesichtsausdrücke (Tomkins, Izard, Ekman), Handlungstendenzen (McDougall) oder evolutorisch bedingte „Prototypen“ (Plutchik)? Wo liegen die Unterschiede und wie wahrscheinlich ist deren Relevanz für die Einteilung von Basisemotionen? Diese Fragen werden anhand der fünf untenstehenden potentiellen Kennzeichen behandelt (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1997): a) b) c) d) e)
mimischer Ausdruck peripher-physiologische Veränderungen Gefühlserlebnis kognitive Einschätzungen Handlungstendenzen
ad a) mimischer Ausdruck Die grundsätzliche Annahme hinter diesem Punkt ist, dass sich Emotionen, wenn sie nicht kontrolliert werden, automatisch im Gesichtsausdruck zeigen. Hierfür gibt es relativ überzeugende Beweise (vgl. auch Kapitel 3.2.6), die bereits auszugsweise in früheren Kapiteln dargestellt wurden. Es muss aber festgehalten werden, dass diese Verbindung zwischen emotionalen Gesichtsausdrücken und Emotionen wahrscheinlich weniger eng ist als von einigen Autoren (Ekman 1972, Izard 1991, Tomkins 1962) angenommen wird. ad b) peripher-physiologische Veränderungen Wie schon im Kapitel 3.2.3 (Kognitiv-physiologische Theorien) gezeigt, sind die diversen messbaren Ergebnisse in diesem Bereich teilweise widersprüchlich oder nicht replizierbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei Studien die befragten Personen spezifische Empfindungsmuster (z.B.: Herzklopfen, Schwitzen, ...) für Emotionen beschreiben, die sogar interkulturell nachgewiesen werden können. Es ist jedoch unklar, ob diese gemessenen Empfindungsmuster auf soziale Stereotypen zurückzuführen sind oder wirkliche physiologische Unterschiede reflektieren (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1997). ad c) Gefühlserlebnis Es gibt zwei grundlegende Möglichkeiten, wie ein subjektives Gefühlserlebnis entstehen kann. Entweder ergibt sich das Gefühl durch die Wahrnehmung von Feedback aus dem Körper oder direkt in bestimmten Strukturen des Gehirns.
Emotionstheorien
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Gegen erstere Annahme spricht, dass in Experimenten mit querschnittsgelähmten Personen emotionales Erleben gezeigt werden kann. Auch die nachgewiesenen Effekte des Gesichtsausdruckes auf das Gefühlserleben sind - wie bereits erwähnt - weitaus schwächer als lange Zeit geglaubt. Die Entstehung von Gefühlen direkt im Gehirn konnte für einige Emotionen bereits nachgewiesen werden (LeDoux 1998, Panksepp 1989). Schwierig ist jedoch zu klären, wie emotionsspezifisch diese Gehirnstrukturen tatsächlich sind, und ob diese nicht vielmehr von ihren Funktionen abhängig sind (vgl. auch Kapitel 3.2.7). ad d) kognitive Einschätzungen Von mehr oder weniger spezifischen kognitiven Einschätzungen als Basis für die Entstehung von Emotionen gehen sehr viele Emotionstheoretiker aus. Es ist aber nicht möglich, anhand der emotionsspezifischen Einschätzungsmuster (z.B.: Furcht wird ausgelöst durch die Annahme, dass ein unerwünschtes Ereignis eintreten könnte) Basisemotionen zu identifizieren, da es diese kognitiven Beurteilungen bei allen Emotionen gibt. ad e) Handlungstendenzen Die Kombination von Basisemotionen mit bestimmten Handlungstendenzen ist ein zentraler Bestandteil in den Theorien von McDougall und Plutchik (vgl. auch Kapitel 3.2.6). Die besondere Bedeutung der Handlungstendenzen für die evolutionspsychologischen Emotionstheorien beruht auf der grundsätzlichen Überlegung, dass die Emotionen ihren Beitrag zum Überleben der Gattung leisten. Die oben angesprochenen peripherphysiologischen Veränderungen spielen dabei eine unterstützende Rolle, indem sie die jeweiligen Handlungen vorbereiten und die körperlichen Voraussetzungen für die Ausführung schaffen. Emotionen müssen aber nicht unbedingt immer mit denselben Handlungstendenzen auftreten. Sie können je nach Situation, in der sie auftreten, unterschiedliche Handlungen hervorrufen (Shand 1914) oder auch ganz ohne diese auskommen (Reisenzein 1996). Plutchik (1980) weist weiters daraufhin, dass der Ablauf emotionaler Scripts durch die jeweilige situative Umgebung beeinflusst werden kann und somit auch die für die Umgebung sichtbaren Reaktionen. Es gibt jedoch einige sehr typische Beispiele aus der Theorie (siehe Tabelle 1), die durch empirische Untersuchungen gestützt werden können (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1997). So trifft häufig im Zusammenhang mit Furcht ein Impuls zur Flucht vor dem emotionsauslösenden Objekt ein. Ein weiteres Beispiel ist die Verbindung von Ärger mit aggressivem, den anderen schädigendem Verhalten.
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Emotionen im Marketingkontext
Ziel des nächsten Kapitels ist anhand der grundlegenden damit verbundenen Handlungen bzw. Handlungstendenzen die Herleitung und Beschreibung der acht Basisemotionen nach Plutchik (1962, 1980). Des Weiteren soll ein Konnex zwischen Emotionstheorie und Marketingpraxis hergestellt werden.
3.3.2. Herleitung der Basisemotionen und Einbettung in den Marketingkontext Ausgangspunkt für die Erklärung der Basisemotionen bei Plutchik sind sogenannte „Prototypen“, welche die Grundlage für alle emotionalen Reaktionen in der Tier- und Menschenwelt bilden. Zwischen diesen acht „Prototypen“ und den Basisemotionen besteht eine direkte Verbindung über das entsprechende Verhalten der Individuen (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Drei Ansätze zur Beschreibung von Emotionen (Plutchik 1980)
Subjective Language
Behavioral Language
Functional Language
Acceptance, Trust Disgust, Loathing Anger, Rage Fear, Terror Joy, Ecstasy Sadness, Grief Surprise, Astonishment Expectancy, Anticipation
Pair bonding, Grooming Vomiting, Defacating Attacking, Biting Withdrawing, Escaping Mating, Possesing Crying for Help Stopping, Freezing Examining, Mapping
Incorporation, Affiliation Rejection Destruction Protection Reproduction Reintegration Orientation Exploration
Ziel ist es somit, die dargestellten Zusammenhänge zwischen den „Prototypen“, welche aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit auch als funktionale Begriffe (Functional Language) bezeichnet werden, und den von Plutchik postulierten Basisemotionen (Subjective Language) aufzuzeigen. Weiters soll anhand einiger exemplarisch gewählter Beispiele die Relevanz der Basisemotionen für das Marketing beleuchtet werden.
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Bevor nun explizit auf Plutchik und seine Herleitung der Basisemotionen eingegangen wird, werden zum Vergleich einige andere Vertreter dargestellt, die sich mit der Einteilung bestimmter Klassen von adaptivem Verhalten im Zusammenhang mit Emotionen beschäftigt haben: Tolman (1954) schlug in seinen Arbeiten fünf grundlegende Kategorien vor, anhand derer alle Handlungen eingeteilt werden können. Diese Kategorien sind Konsum, Annäherung, Flucht, Vermeidung und exploratives Erforschen. Breland und Breland (1966) rollen das Problem von einer anderen Seite auf und untersuchen überlebensnotwendige Verhaltensweisen von Tieren. Sie finden dabei vier Grundkategorien (Suchen von Nahrung, um das Überleben zu gewährleisten; Verhinderung von Verletzungen; Reproduktion zur Erhaltung der Art; Erziehung des Nachwuchses), die je nach Gattung und Entwicklungsstufe unterschiedliche Ausprägungsformen beinhalten. Crook, Ellis und Goss-Custard (1976) kommen ausgehend von ihrem ethnologischen Standpunkt auf dieselben vier grundlegenden Kategorien wie Breland und Breland (Suche von Ressourcen/Nahrung; Abwehr von Feinden; Fortpflanzung; Erziehung des Nachwuchses). Sie gehen davon aus, dass die Interaktion der jeweiligen Gattung mit dem vorherrschenden sozialen System der Spezies dafür verantwortlich ist, auf welche Art und Weise diese Funktionen umgesetzt werden. Scott (1958) beschäftigt sich in seinem Werk „Animal Behavior“ wahrscheinlich am intensivsten mit den verschiedenen Typen von adaptivem Verhalten. Er beschreibt neun Arten von tierischen Verhaltensweisen, die jedoch nicht alle auf sämtliche Entwicklungsstufen zutreffen (z.B.: Care-giving und Care-seeking sind nur bei höher entwickelten Lebewesen zu finden):
i i i i i i i i i
Nahrungsaufnahme Schutz-/Nähesuche Kampfverhalten Sexuelle Aktivität Care-giving (Mutter Ö Kind) Care-seeking (Kind Ö Mutter) Abgabeverhalten (z.B.: Vergraben von Kot) Imitationsverhalten Suchverhalten
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Emotionen im Marketingkontext
Trotz der Unterschiedlichkeit der einzelnen Ansatzpunkte kann man sehr gut die Überschneidungen mit der im Folgenden dargestellten Theorie von Plutchik (1962, 1980) erkennen: Incorporation – Akzeptanz/Vertrauen: Ausgangspunkt der Dimension ist der Vorgang der Nahrungsaufnahme, wobei dieser jedoch auch ganz allgemein für die Aufnahme bzw. Akzeptanz von positiven äußeren Stimuli steht. Daraus ergibt sich die entsprechende Basisemotion, welche durch Akzeptanz bzw. Vertrauen gegenüber anderen (Subjekten) oder anderem (Objekten) gekennzeichnet ist. Im Marketing ist die Akzeptanz eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg einer Marke in der entsprechenden Zielgruppe. Erst durch die Akzeptanz und dem damit verbundenen Vertrauen kann die Marke ihre Sicherheitsfunktion einnehmen und das wahrgenommene Risiko des Käufers minimieren (Friederes 1997). Rejection – Ekel/Abscheu: Das Abstoßen oder Loswerden von bereits aufgenommenen und akzeptierten Dingen bildet den Gegenpol zur vorhin beschriebenen Verhaltensgrundlage der Incorporation. Die Emotion, welche sich aus diesem Konstrukt ergibt, ist am besten mit Ekel bzw. Abscheu zu beschreiben. Ekel und Abscheu gegenüber einer bestimmten Marke oder einem Produkt können vielfältig begründet sein. Beispiele für derartige Reaktanzerscheinungen sind in der allgemeinen Ablehnung einer Produktgruppe (Atom- vs. Grünstrom, Tampons vs. Slipeinlagen, ...) oder aber auch bei nicht zur Marke passenden Werbeauftritten (humanic, Benetton, ...) zu finden. Destruction – Ärger/Wut: Darunter ist die Zerstörung und Beseitigung von Hindernissen, die der Befriedigung von Bedürfnissen entgegenwirken, zu verstehen. Die Emotionen in diesem Zusammenhang sind Ärger, Wut, etc. Typische Verhaltensweisen vor allem im Tierreich zeigen sich in Angriff und Beißlust. Die entsprechende humane Ausprägungsform schlägt sich in der Streitlust nieder. Nicht so abstrakte Umsetzungen ergeben sich im Marketing zum Beispiel beim Reklamationsverhalten. Ärger und Wut sind grundsätzlich typische Emotionen der Nachkaufphase, die mit der Produktverwendung und -erfahrung einhergehen. In diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen ist auch der gegen die jeweilige Person selbst gerichtete Ärger aufgrund entstehender kognitiver Dissonanzen.
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Protection – Furcht/Schrecken: Als Gegensatz zu der offensiven Variante der Zerstörung ergibt sich als passive Verhaltensweise die Suche nach Schutz. Darunter ist der Versuch, nicht geschädigt zu werden, als Antwort auf Schmerz bzw. die Androhung von Schmerz zu verstehen. Als Beispiele aus dem Tierreich können Flucht, Totstellen, Zusammenrollen („Einigeln“) und ähnliches genannt werden. Aber auch beim Menschen ergeben sich unter dem Einfluss der Emotionen Furcht und Schrecken vergleichbare Handlungsweisen bzw. sind verwandte mimische und gestische Reaktionen zu beobachten. Bezüglich Furcht sind im Marketingkontext zwei Punkte zu differenzieren. Einerseits kann Furcht und Schrecken in gewissen Fällen branchenimmanent sein und das Ziel somit darin bestehen, diese möglichst gering zu halten bzw. durch die Stärkung des Vertrauens in die Qualität des Produktes zu minimieren (Luftfahrt, health care, ...). Andererseits aber besteht auch die Möglichkeit, dass Furcht in der Werbung zu Zwecken der Abschreckung (z.B.: Alkohol beim Autofahren) oder Vorbeugung (z.B.: Anti-Aids Kampagnen) gezielt eingesetzt wird. Reproduction – Freude: Unter dieser Dimension sind alle mit Fortpflanzung verbundenen Aktivitäten zu verstehen von der Annäherung über den Aufbau und die Erhaltung einer Partnerschaft bis hin zum eigentlichen Akt der Fortpflanzung. Die damit verbundene emotionale Ausprägungsform lässt sich am besten mit dem Überbegriff der Freude beschreiben. Die Freude in Bezug auf Marken und Produkte muss in erster Linie von Akzeptanz differenziert werden. Freude zeigt sich in allen über die Akzeptanz hinausgehenden Fällen, sobald der Übergang von einer passiven zu einer aktiven Form der Emotion vorliegt. Genau wie in der evolutionären Herleitung anhand des „Prototypes“ nimmt auch im Marketing der Genussfaktor einen sehr hohen Stellenwert ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Freude durch den Konsum bzw. die Verwendung entsteht oder bereits beim Kauf durch das aktive Erleben der jeweiligen Situation. Reintegration – Trauer/Traurigkeit: Der Begriff „Reintegration“ umfasst Verhaltensweisen, die den Verlust bereits akzeptierter Stimuli beschreiben. Auf menschlichem Niveau spricht Plutchik in erster Linie von begleitenden Emotionen wie Trauer oder auch Traurigkeit. Womit auch wiederum die Stellung als Widerpart zur „Reproduction“ und der damit verbundenen Emotion der Freude klar wird.
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Emotionen im Marketingkontext
Die Traurigkeit verhält sich im Marketingumfeld ähnlich wie die Dimension Furcht. Auch hier muss zwischen dem Versuch der Reduktion von branchenlatenter Traurigkeit (NPO, health care) und der durch verfehltes Vorgehen hervorgerufenen Trauer (Auslistung bestimmter Marken, Einstellen von Produkten oder Geschmacksrichtungen, ...) unterschieden werden. Orientation – Überraschung/Erstaunen: Im Vergleich zu den anderen Dimensionen ist die Orientierung eine zeitlich relativ kurzfristige Handlungstendenz. Sie wird durch die Konfrontation mit neuen oder ungewöhnlichen Gegebenheiten und Situationen verursacht. Dabei handelt es sich um einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig einzustufenden Stimulus. Erst nach erfolgter Bewertung kann der Übergang zu einer der anderen Dimensionen (z.B.: „Protection“, „Incorporation“, ...) erfolgen. Einhergehend mit diesem Orientierungs- und Bewertungsverhalten treten die Basisemotionen Überraschung und im gegebenen Fall Erstaunen auf. Je nach Bewertung der unbekannten Reize als positiv oder negativ werden auch Überraschung und Erstaunen entsprechend eingestuft. Zur Reduktion von negativer Überraschung kann unter anderem auch der richtige Einsatz von Marken durch Ausnutzung der Orientierungsfunktion dienen. Hingegen können positive Überraschungen - hervorgerufen durch eine engagierte Produkt- und Kommunikationspolitik - helfen, eine Marke über die Zeit hinweg attraktiv zu bewahren. Exploration – Erwartung/Vorahnung: Die Erkundung der Umwelt äußert sich bei den unterschiedlichen Individuen auf verschiedenste Art und Weise. Beim Menschen ist sie eng mit Neugier und Spiel verbunden. Im Einklang mit dem für diese Dimension typischen Verhalten stehen die Basisemotionen Erwartung bzw. Vorahnung. Diese Neugier ist auch während der Vorkaufsphase vor allem bei extensiven Kaufentscheidungen zu beobachten. Damit einhergehend kommen auch die parallel dazu entstehenden Erwartungen in Bezug auf das Produkt oder die Marke zum Tragen.
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Zusammenfassend noch einmal anschauliche - mittels Introspektion gesammelte - Beispiele, in welchen Konsumsituationen sich die einzelnen Basisemotionen zeigen können (Holbrook 1986):
Tabelle 2: Beispiele für Basisemotionen (Holbrook 1986)
Emotion
Beispiel aus dem Bereich des Konsums
Acceptance Disgust Fear
tiefe persönliche Zuneigung zu seinem Talkshowmaster Feststellung, dass man gerade einen Schluck saurer Milch getrunken hat erste Bissen aus einer Thunfischdose jener Marke, deren letzte Charge aufgrund von Hygienemängeln zurückgeholt worden ist wenn das neu gekaufte Auto mehr Benzin verbraucht als angegeben Anhören des persönlichen Lieblingsliedes wenn kleine Kinder entdecken, dass ein neues Spielzeug kaputt ist wenn im Sport die unterlegene Mannschaft einen unerwarteten Erfolg erzielt der Leser eines Agatha Christie Thrillers am Beginn des letzten Kapitels
Anger Joy Sadness Surprise Expectancy
3.3.3. Zusammenfassung der wichtigsten Eigenschaften von Basisemotionen Als Abschluss dieses Kapitels sollen noch einmal die wichtigsten Merkmale von Basisemotionen aufgelistet werden (Plutchik 1980, Ortony/Turner 1990, McDougall 1908/ 1960). Basisemotionen … i i i i i
können außer beim Menschen auch bei den meisten Tieren beobachtet werden. können in allen Kulturen gefunden werden. treten bereits sehr früh in der Kindheit auf. besitzen oft charakteristische Gesichtsausdrücke. gehen mit bestimmten Mustern physiologischer Veränderungen einher (zumindest wahrgenommener physiologischer Reaktionen). i ergeben als Mischung komplexe Emotionen. i unterstützen das Überleben der verschiedenen Gattungen.
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Emotionen im Marketingkontext
3.4. Sekundäremotionen Als Ausgangspunkt zur Erklärung der Sekundäremotionen ist es unumgänglich, sich noch einmal die schon in Punkt 3.3 kennen gelernten Basisemotionen ins Gedächtnis zu rufen. Diese Primäremotionen bilden nach Plutchik (1962, 1980) die Grundlage für alle anderen Emotionen. Sie können sich untereinander vermengen und dadurch neue komplexe, abgeleitete Emotionen hervorrufen. Aus der Mischung von gleichzeitig auftretenden Primäremotionen ergeben sich somit Sekundäremotionen (siehe Abbildung 15). Diese entstehen jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die durch das gleichzeitige Auftreten von zwei oder mehr Primäremotionen entstehenden Konflikte (symbolisiert durch das „K“ im Zentrum) nicht zu stark sind und die Vermischung der Emotionen verhindern. In diesem Fall würden sich die widersprüchlichen Emotionen gegenseitig neutralisieren bzw. einen schweren internen Konflikt hervorrufen. Plutchik (1962, 1980) vergleicht diesen Vorgang mit dem Mischen von Konträrfarben bei dem keine neuen Farben entstehen, sondern lediglich stumpfe Grau- oder Brauntöne.
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Aggressivität
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Liebe
Primäremotionen und Sekundäremotionen (primäre Dyaden)
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Ehrfurcht rras
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nach Plutchik (1962, 1980) Abbildung 15: Primäre Dyaden nach Plutchik (1962, 1980)
Primäremotionen
Sekundäremotionen
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In Abbildung 15 sind die durch die Mischung von zwei jeweils nebeneinander befindlichen Primäremotionen entstehenden Sekundäremotionen dargestellt. Diese werden auch als primäre Dyaden bezeichnet und durch sekundäre bzw. tertiäre Dyaden sowie Triaden ergänzt. Unter Dyaden sind grundsätzlich die Mischungen von zwei Primäremotionen zu verstehen. Als Unterscheidungsmerkmal dieser Konstrukte wird die Lage der primären Emotionen im Circumplex Model herangezogen. Das heißt, je nach Ähnlichkeit der sich verbindenden Emotionen wird zwischen den folgenden Ausprägungen von Sekundäremotionen unterschieden (Plutchik 1962, 1980): i primäre Dyaden: Vermischung von zwei unmittelbar nebeneinander liegenden Primäremotionen (z.B.: Freude + Akzeptanz/Vertrauen Ö Liebe). i sekundäre Dyaden: Kombination von zwei Primäremotionen, die nicht unmittelbar nebeneinander liegen, sondern durch eine dazwischen liegende Emotion getrennt sind (z.B.: Ärger + Freude Ö Stolz). i tertiäre Dyaden: Mischungen aus Primäremotionen, bei denen zwei Emotionen dazwischen liegen (z.B.: Furcht + Ekel/Abscheu Ö Scham). Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Vermischung von primären Emotionen durch die Entfernung im Kreismodell, also durch die qualitative Unterschiedlichkeit der Emotionen, abnimmt. Neben der Kombination von zwei Primäremotionen zu Dyaden ist auch die Vermengung von drei Emotionen zu sogenannten Triaden denkbar. Bei der Benennung der neu entstandenen Emotionen ging Plutchik (1962, 1980) unter Anwendung von Expertenurteilen dreistufig vor: 1. Vorlage aller möglichen Kombinationen von Emotionen Ö Vorschlag von geeignet erscheinenden Namen 2. Vorlage von relevanten Emotionswörtern Ö Zuordnung der betroffenen Primäremotionen 3. Zusammenführung der Informationen aus Punkt 1 und 2 unter Berücksichtigung der internen Konsistenz der Benennung bzw. Emotionszuordnung Rückblickend spricht er dem zweiten Punkt die größte Relevanz bei der Bezeichnung der Sekundäremotionen zu. Im Konkreten war hierbei einer Gruppe von 34 Experten eine umfassende Liste an englischsprachigen Emotionsitems vorgelegt worden. Ihre Aufgabe bestand darin, jedem dieser Emotionswörter die passenden Primäremotionen zuzuordnen. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass maximal zwei (Dyaden) oder drei Primäremotionen (Triaden) eine neue komplexe Emotion bilden können.
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Emotionen im Marketingkontext
Neben Plutchik beschäftigte sich auch schon McDougall (1960) mit dem Thema der Sekundäremotionen. Auch er geht davon aus, dass es neben den von ihm definierten Primäremotionen weitere im Alltagsleben beobachtbare Emotionen gibt. Im Gegensatz zu Plutchik differenziert er zwischen komplexen und abgeleiteten Emotionen, wobei sich erstere analog zu der Beschreibung von Plutchik aus mehreren primären Emotionen zusammensetzen. Die abgeleiteten Emotionen hingegen bilden eine Art Restkategorie, die weder den Primäremotionen zugehören noch aus diesen zusammengesetzt sind. Dieser Punkt ist insofern von Bedeutung, da in weiterer Folge der Begriff der Sekundäremotionen nicht nur entsprechend der Definition im engeren Sinn von Plutchik (1962, 1980) verstanden werden soll, sondern als umfassender Pool von diskreten Emotionen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob diese im Einzelfall aus verschiedenen Primäremotionen zusammengesetzt sind oder sich aus einer einzelnen Primäremotion, z. B. aufgrund eines veränderten Aktivierungsniveaus, ableiten.
3.5. Circumplex Models zur Darstellung von Emotionen
In den Kapiteln 3.2 und 3.3 standen vor allem die Entstehung der Emotionen und die Herleitung von Basisemotionen im Mittelpunkt der Betrachtungen. In diesem Abschnitt wird der Fokus auf die Beziehungen der Emotionen zueinander und die systematische Darstellung von Emotionen gelegt.
3.5.1. Ursprung der Circumplex Models Das erste Mal wurde eine kreisförmige Darstellung von Emotionen bereits von McDougall (1908) erwähnt. Er zog eine Parallele zwischen Farben und Emotionen und ging davon aus, dass sich aus dem Kreis von Basisemotionen alle anderen Emotionen - vergleichbar mit dem Mischen von Farben - ableiten lassen. Später folgte Schlosberg (1941, 1954), der bei der Einordnung von Gesichtsausdrücken auf sechs Emotionskategorien zurückgriff und dabei herausfand, dass aufgrund der Überschneidungen der Urteile eine kreisförmige Skala am besten zur Abbildung der Ergebnisse geeignet ist. Plutchik (1962) griff die Ideen seiner Vorgänger auf und folgte mit einem ähnlichen Modell, das die acht beschriebenen Basisemotionen beinhaltet. Er charakterisiert das Circumplex Model ganz allgemein als geometrisches Design zur Beschreibung der Beziehungen zwischen
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Emotionen (Plutchik 1997). Als Analogie führt er ein Beispiel aus der Kunsttheorie an. Er vergleicht das Circumplex Model in Anlehnung an McDougall (1908) mit dem Farbkreis von Itten, der für die Farbenlehre dieselben Funktionen erfüllt wie das Circumplex Model für die Emotionsforschung. Was in der Kunsttheorie als Konträrfarben (Blau vs. Orange, Rot vs. Grün, ...) bezeichnet wird, sind bei Plutchik (1980, 1962) bipolare Gegensatzpaare von Emotionen: i i i i
Freude vs. Trauer Akzeptanz vs. Ekel Furcht vs. Ärger Überraschung vs. Erwartung
Geht Plutchik in den ersten Jahren seiner Arbeit noch von einem relativ fix definierten Modell von Gegensatzpaaren aus, definiert er aufbauend auf den Erkenntnissen der gemeinsamen Studien mit Conte (1975) einen leicht veränderten Kreis mit Emotionen. Dieser kann die ursprüngliche Struktur des Circumplex Models weitestgehend bestätigen und ergänzt es um eine Vielzahl von Emotionen. Dafür wird die strikte Bipolarität der Basisemotionen zugunsten der empirischen Überprüfbarkeit der Einordnung aufgeweicht (siehe Abbildung 16).
3.5.2. Methodik des Circumplex Models Zur Erklärung des Circumplex Models sei an dieser Stelle einführend erwähnt, dass es zwei grundlegende Methoden zur Unterscheidung von Emotionen gibt. Emotionen lassen sich einerseits aufgrund ihrer Ausprägungsstärke (quantitative Dimension) und andererseits durch ihre Ausprägungsform (qualitative Dimension) differenzieren. Das Circumplex Model versucht diese beiden Dimensionen zu integrieren und dadurch die Relationen bzw. Interaktionen zwischen den Emotionen darzustellen. Dies bedeutet, dass in der graphischen Abbildung des Circumplex Models sowohl die Ähnlichkeiten und Polaritäten als auch die Intensität der einzelnen Emotionen ersichtlich werden. Die Qualität der Emotionen wird durch die Einordnung auf dem Kreis festgelegt (Plutchik 1980, Conte 1975). Die kreisförmige Anordnung der Emotionen kann von verschiedenen Studien nachgewiesen werden (Plutchik 1997, Russel 1989 und 1997, Fisher 1997), wobei sich die einzelnen Arbeiten einer Reihe von unterschiedlichen Methoden bedienen. In der Regel werden verschiedene Varianten der Faktorenanalyse mit anschließender zweidimensionaler Abbildung der Faktorscores eingesetzt (vgl. auch Kapitel 7.2.6). Statistisch gesehen bedeutet dies, dass die Einordnung auf dem Kreis von der Korrelation (Ähnlichkeit)
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der Konstrukte abhängt. Negative Korrelationen deuten auf Gegensatzpaare hin und Korrelationen um null auf unabhängige Elemente. Je höher die Korrelationen zwischen zwei Messobjekten ist, desto näher liegen sie auf dem Kreis zusammen (Plutchik 1997). Die quantitative Stärke der Emotionen kann im Circumplex Model auf zwei verschiedene Arten veranschaulicht werden. Eine Möglichkeit ist die Einführung einer dritten Dimension, wodurch die Kreisform eigentlich zu einem Zylinder wird (Schlosberg 1954, Plutchik 1980). Die zweite Alternative für die Darstellung des Intensitätsgrades ergibt sich anhand des Abstandes vom Kreismittelpunkt (Russel 1997). Je näher die Emotion beim Mittelpunkt liegt, desto weniger stark ist die jeweilige Emotion ausgeprägt und umgekehrt (siehe Abbildung 16). Durch die Anwendung der Circumplex Theorie können folglich sowohl die Intensität der Emotionen als auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Emotionen und deren Position zueinander optisch leicht erfassbar dargestellt werden.
Circumplex Model der Basisemotionen 0°
acceptance joy 315°
45°
fear
270°
90°
anticipation
annoyance
sadness
irritation
135°
225°
surprise
anger rage
180°
disgust
nach Conte/Plutchik (1981) Abbildung 16: Circumplex Model der Basisemotionen nach Conte/Plutchik (1981)
Emotionstheorien
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Zu beachten ist bei obenstehender Abbildung, dass die Einordnung der Emotionen auf dem Kreis willkürlich erfolgt (acceptance bei 0°), jedoch nicht die Relation der einzelnen Emotionen zueinander. Diese ist über verschiedene Studien hinweg zwar nicht vollkommen identisch aber durchaus vergleichbar. Circumplex Models benötigen nicht notwendigerweise definierte Achsen. Diese können sich aufgrund bestimmter statistischer Methoden (Faktorenanalyse) der Einordnung jedoch selbstständig ergeben (Plutchik 1997). Dementsprechend sollen die jeweiligen Positionen der Emotionen nicht als absolut betrachtet werden, sondern das Circumplex Model vielmehr als Hilfe zur Visualisierung der verschiedenen Emotionen und deren Beziehung zueinander verstanden werden. Unterschiede in der Anordnung der Emotionen im Kreismodell können verschiedene Ursachen besitzen. Einerseits wurden unterschiedliche Erhebungs- und Umrechnungsmethoden in den verschiedenen Arbeiten eingesetzt und andererseits wurden auch oftmals divergierende Itempools verwendet (Plutchik 1997).
3.5.3. Anwendungen des Circumplex Models in der aktuellen Forschung Die Anwendung des Circumplex Models endet nicht mit Conte und Plutchik (1981), sondern wurde von einer Reihe von Forschern weiterentwickelt und auf neue verwandte Themengebiete ausgedehnt. In diesem Zusammenhang sollen nur einige wenige Arbeiten und deren wichtigste Erkenntnisse exemplarisch angeführt werden. Fisher (1997) stellt dar, dass Circumplex Models neben Emotionen auch für Persönlichkeitsmerkmale verwendet werden können. Die Einordnung der Wesenszüge nimmt er mit Hilfe der Faktorenanalyse vor, wobei er sehr umfassend auf die Probleme von mehrdimensionalen Lösungen und den Umgang mit diesen eingeht. Ein Vergleich seiner Ergebnisse mit jenen von Conte und Plutchik (1981) zeigt ein durchaus akzeptables Bild. Im Gegensatz zu den beiden schließt Fisher aus seinen Arbeiten, dass die Beziehung zwischen den beiden Achsen des Kreises (x und y) nicht zufällig sein darf und eine inhaltliche Interpretation hinter diesen steckt. Er bezeichnet Aktivierung und Bewertung als die zentralen Dimensionen zur Klassifizierung von Emotionen. Ausgehend von dem Circumplex Model von Leary (1957) versucht Myllyniemi (1997) anhand der zugrunde liegenden Emotionen eine neue Interpretation des Kreises. Das Modell wurde ursprünglich von Leary zur interindividuellen Persönlichkeitsanalyse entwickelt. Myllyniemi kommt in seiner Arbeit auf vier emotional homogene Quadranten (Vertrauen/ trusting, Fürsorge/nurturing, Furchtsamkeit/fearfulness und Aggression/agression). Interessant ist in diesem Zusammenhang sein nonverbaler Ansatz zur Überprüfung dieser Annahmen
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Emotionen im Marketingkontext
mittels gezeichneter Gesichtszüge. Die Ergebnisse dieser Studie stellt er in Anlehnung an Izard (1971, 1991) ebenfalls in Kreisform dar (Myllyniemi 1982). Russel (1997) sieht den größten Vorteil der Circumplex Models - genauso wie Plutchik (1980, 1997) - in der Darstellung der Bezüge zwischen den einzelnen Emotionskategorien. Er geht davon aus, dass die Zugehörigkeit einer Emotion zu einer bestimmten Kategorie keiner dichotomen Entweder-Oder-Entscheidung, sondern einer Frage der Abstufung entspricht. Damit ergibt sich, sobald man von mehreren Emotionskategorien ausgeht, das Problem, in welchem Verhältnis diese Emotionen zueinander stehen. Für diesen Punkt erscheint Russel die Circumplex Struktur als die beste Lösung, da sie kontinuierliche Verläufe zwischen verschiedenen Kategorien abzubilden vermag (Russel 1989).
Emotionen im Marketing
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4. Emotionen im Marketing Bereits in Kapitel 3.3 wurden anhand einiger Beispiele erste Bezüge zwischen Basisemotionen und Marketing hergestellt. Ziel dieses Abschnittes ist es, diesen Konnex zwischen Emotionen und Marketing genauer zu analysieren. Es soll dabei auf die Bedeutung von Emotionen in den verschiedenen Bereichen des Marketingalltags eingegangen werden. Ausgehend von den verschiedenen Emotionstheorien und deren potentieller Verwendbarkeit für Marketing- bzw. Marktforschungszwecke werden im Folgenden Werbung, Kaufsituation und Konsum aus dem Blickwinkel der Emotionen betrachtet.
4.1. Zusammenhänge zwischen Emotionstheorien und Marketing Von den in Kapitel 3.2 dargestellten Emotionstheorien sollen an dieser Stelle drei Gruppen herausgegriffen und anhand ihrer Beiträge bzw. Erkenntnisse für das Marketing beleuchtet werden. Der in diesem Zusammenhang wohl wichtigste Ansatz ist in den von Darwin ausgehenden evolutionspsychologischen Theorien zu finden (vgl. auch Kapitel 3.2.6). Die vor allem von Plutchik und Izard weiterentwickelten Ideen sind in der gegenwärtigen Marketingforschung sicherlich die am häufigsten zitierten und angewendeten Arbeiten. Die evolutionspsychologischen Theorien bilden die Grundlage für die Erklärung, warum Menschen auf bestimmte Reize weitgehend automatisch und einheitlich reagieren (Kroeber-Riel, 1991). Deshalb bilden sie auch ein adäquates Theoriegerüst für die Analyse der Werbewirkung. So beziehen sich zum Beispiel Zeitlin und Westwood (1986) in ihren Arbeiten zur Relevanz von Emotionen in der Werbung auf die psychobiologische Emotionstheorie und vertreten die Ansicht, dass sich die Wirkung der Werbung auf einige wenige Basisemotionen reduzieren lässt. „Marketing does not need to deal with an infinity of emotions” (Zeitlin/Westwood 1986). Auch Holbrook und Westwood (1989) kommen in ihren Studien zu dem Schluss, dass sich emotionale Reaktionen auf Werbung mittels der acht Basisemotionen von Plutchik beschreiben lassen. Sie bestätigen dem Theoriekonstrukt in ihrer Arbeit eine hohe Reliabilität und können auch (mit Ausnahme der Achse Furcht vs. Ärger) das Postulat der Bipolarität der Primäremotionen stützen (vgl. auch Kapitel 3.5.1 Ursprung des Circumplex Models). Bagozzi, Gopinath und Nyer (1999) hingegen kritisieren die Beschränkung der evolutionspsychologischen Theorien auf die acht Basisemotionen, weil dadurch manche Emotionen, die täglich erlebt werden und die auch für verschiedene Bereiche des Marketing eine große Rolle spielen (z.B.: Liebe, Stolz, Schuld, Scham), keine Berücksichtigung finden. Dieser Vorwurf
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Emotionen im Marketingkontext
ist absolut gerechtfertigt und kann nur durch die Berücksichtigung von abgeleiteten Emotionen (vgl. auch empirischer Teil der Arbeit) entkräftet werden. Die behavioristischen Ansätze von Watson, Tolman, Skinner etc. bieten den theoretischen Hintergrund für die Versuche der klassischen Konditionierung im Marketing (vgl. auch Kapitel 3.2.1). Dabei wird ein neutraler Reiz (Marke) durch wiederholte und gleichzeitige Darbietung mit einem bestimmten emotionalen Stimulus (Werbung) dahingehend verändert, dass die ursprünglich emotional bedeutungslose Marke mit einem gewünschten emotionalen Konzept aufgeladen wird. Insbesonders bei „Low Involvement“ Bedingungen wird dies als geeignete Methode der Produktdifferenzierung angenommen (Müller 1997). Die zentrale Frage der kognitivistischen Emotionstheorie (Schachter, Mandler, Lazarus, DeRivera, ...) ist das Zusammenwirken von Kognition und Emotion (vgl. auch Kapitel 3.2.3). Die Abhängigkeit des erlebten Gefühls von einem vorangehenden kognitiven Bewertungsvorgang wird auch von aktuellen integrativen Ansätzen angenommen. Ebenso wird in der Literatur zum Thema emotionale Werbung übereinstimmend eine Abhängigkeit von Kognition und Emotion angenommen und somit zumindest implizit kognitivistische Theorien vorausgesetzt. (Thyri 2003, Holbrook 1986, Edell/Burke 1987)
4.2. Aktuelle Marketingforschung in Bezug auf Emotionen Nachdem im vorigen Punkt auf die Verbindung zwischen Emotionstheorien und Marketing eingegangen wurde, sollen in diesem Kapitel die verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze zur Integration von Emotionen in der Marketingtheorie beleuchtet werden. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich die im Folgenden dargestellten Theorien unterschiedlicher Zugänge zum Thema Emotionen bedienen. Oftmals wird von einem sehr weiten Emotionsbegriff ausgegangen, der sich nicht mit den im Kapitel 3 dargestellten Konzepten deckt. Insbesondere fehlt mit Ausnahme einiger weniger Studien die Absicherung der Emotionen durch entsprechende Theorien aus der Psychologie. Zur besseren Übersicht folgt dieses Kapitel einer Einteilung von Thyri (2003) in Anlehnung an Zeitlin und Westwood (1986). Es werden hierbei die unterschiedlichen Arbeiten anhand ihrer Schnittstelle zwischen der Marketinganwendung und den auftretenden Emotionen zugeordnet: Werbung Kaufsituation Nachkaufphase
Kapitel 4.2.1 Kapitel 4.2.2 Kapitel 4.2.3
Emotionen im Marketing
69
4.2.1. Werbung Die Werbung ist im Zusammenhang mit Emotionen im Marketing der vielleicht meist untersuchte Gegenstand (Erevelles 1998). Die Rolle von Emotionen in der Werbung ist und war schon immer Gegenstand von Diskussionen. Wenn man die steigende Bedeutung von Emotionen in der Kommunikation berücksichtigt, kann davon ausgegangen werden, dass sich daran auch in Zukunft nichts ändern wird. Emotionen können in der Werbung grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten eingesetzt werden. Eine Möglichkeit ist die Verwendung der Emotionen als Stimuli an sich oder aber die Schaffung von Emotionen beim Konsumenten (Thyri 2003). Natürlich dürfen diese beiden Ansatzpunkte nicht völlig getrennt betrachtet werden, da es laufende Interaktionen zwischen den beiden Konstrukten gibt. So sind abgeschwächte analoge Emotionen beim Zielobjekt der Werbung eine implizierte Folge der Darstellung von Emotionen (vgl. auch Kapitel 3.2.3).
4.2.1.1.
Emotionen als Stimuli
Bagozzi et. al. (1999) differenzieren anhand des Inhaltes grundsätzlich zwischen „thinking ads“ und „feeling ads“. Im Rahmen des sogenannten „contingency aproaches“ (Holbrook 1978) erfolgt die weiterführende Auseinandersetzung bezüglich der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der beiden Ansätze. Es geht dabei in erster Linie um die Vor- und Nachteile von emotionaler Werbung im Vergleich zu kognitiver bzw. informativer Werbung: i „thinking ads“: Bei dieser Art Werbung liegt der Fokus entweder auf der Benutzung des Produktes und somit auf den mit dem Produkt verbundenen Nutzenvorteilen oder auf den kommunizierten sachhaltigen Argumenten (z.B.: Sparen von Zeit oder Geld). Typische Anwendungsbeispiele für eine solche Art von Werbung sind medizinische Produkte, Haushaltsgeräte oder Büroartikel. i „feeling ads“: Bei diesen Werbespots stehen jene Emotionen im Mittelpunkt, die durch das Produkt geweckt werden sollen. Das Ziel ist es, gewisse Stimmungen bzw. Emotionen beim Betrachter hervorzurufen. Entsprechend wird oft nur sehr wenig oder gar keine sachhaltige Information über das eigentliche Produkt kommuniziert. Eingesetzt werden „feeling ads“ vor allem bei objektiv schwer unterscheidbaren Produkten wie Kosmetika oder alkoholischen Getränken.
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Emotionen im Marketingkontext
Im Zuge der Diskussion zur effizienten Verwendung kognitiver bzw. emotionaler Werbung schlägt Vaughn (1980) als Orientierungspunkt die Art des beworbenen Produktes vor. Er unterscheidet dementsprechend zwischen „thinking products“ (z.B.: Haushaltsgeräte, ...) und „feeling products“ (z.B.: Parfum, ...). Eine strikte Unterteilung der Werbung findet aber nicht bei allen Werbeforschern Anklang. Pechmann und Stuart (1989), die in ihren Studien die beiden Werbeformen eingehend untersuchten, kommen zu dem Schluss, dass weder emotionale noch informative Werbung überlegen ist. Sie sehen vielmehr den größten Vorteil in der gemeinsamen Anwendung der beiden Ansätze, da ihrer Auffassung nach sowohl die emotionale Note als auch sachhaltige Informationen notwendig sind. Sie gehen davon aus, dass die meisten Konsumenten nicht nur aus emotionalen Gründen kaufen, sondern auch logische Rechtfertigungen für ihre Entscheidungen suchen. Vor allem für die Nachkaufevaluierung sind die objektiven und funktionalen Charakteristika der Marke oder des Produkts für die Konsumenten von großer Bedeutung. Dementsprechend muss erfolgreiche Werbung in ihren Augen zwei Aufgaben erfüllen (Pechmann/Stuart 1989): Zum einen sollte Werbung systematisch-heuristischen Nutzen schaffen, indem sie logische Argumente, das dargestellte Produkt betreffend, bereitstellt. Die Verarbeitung dieser objektiven Produkteigenschaften kann Veränderungen der Einstellung gegenüber der Marke bzw. des Kaufverhaltens bewirken. In diesem Zusammenhang relevante Konstrukte sind Lerntheorien, Cognitive Response Theorien sowie die Dissonanz Theorie. Zum anderen kann aber auch emotionaler (Zusatz-)Nutzen gestiftet werden. Emotionale Werbung kann über innere Bilder oder klassische Konditionierung die Einstellung gegenüber der Marke positiv beeinflussen. Besondere Bedeutung kommt emotionaler Werbung auch in Situationen zu, in denen der Betrachter wenig Zeit oder Motivation hat, sich mit den sachhaltigen Eigenschaften des Produktes auseinander zu setzen. In diesen Fällen kann der emotionale Nutzen an die Stelle des systematisch-heuristischen Nutzens treten. Eine ähnliche Argumentation kann auch bei Kroeber-Riel (1990) gefunden werden, der sein Werbewirkungsmodell vom Involvement des Konsumenten abhängig macht. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen sechs unterschiedlichen Konstellationen, die in der folgenden Tabelle überblicksartig dargestellt sind.
Emotionen im Marketing
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Tabelle 3: Involvement und Arten der Werbung nach Kroeber-Riel (1990)
starkes Involvement informative Werbung emotionale Werbung gemischte Werbung
schwaches Involvement
1
2
3
4
5
6
Auf die Varianten 3 und 4 soll genauer eingegangen werden, da sie einen guten schematischen Einblick in die Wirkungsweise von emotionaler Werbung bieten. Bei schwachem Involvement der Konsumenten (Variante 4: schwarze Pfeile in Abbildung 17) kommt bei wiederholter Konfrontation mit der Werbung das Gesetz der klassischen Konditionierung zum Tragen. Dieses ist nicht auf die Aufmerksamkeit des Verbrauchers angewiesen, sondern allein auf den Kontakt an sich. Dieser kann auch absichtslos und flüchtig, ohne jegliche kognitive Verarbeitung, erfolgen (Kroeber-Riel 1990). Werden Konsumenten bei starker Aufmerksamkeit (Variante 3: graue Pfeile in Abbildung 17) emotionaler Werbung ausgesetzt, kommt es zu einer doppelten Verarbeitung der wahrgenommenen Reize. Die emotionalen Vorgänge im Gehirn stimulieren dabei die kognitive Verarbeitung, wodurch wiederum die kognitive Beurteilung positiv beeinflusst werden kann (Mitchell/Olson 1981). Neben diesen indirekten Wirkungen gibt es auch direkte emotionale Wirkungen auf die Einstellung und auf das Verhalten. Das heißt, es können emotionale Eindrücke aus der Werbung direkt auf das Produkt projiziert werden (KroeberRiel 1990) bzw. es können spontane Handlungen - wie z.B. Impulskäufe - ausgelöst werden (Weinberg 1980, 1981).
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Emotionen im Marketingkontext
Wirkungspfade emotionaler Werbung High vs. Low Involvement Werbekontakt
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
kognitive Vorgänge
High Involvement Low Involvement
emotionale Vorgänge
Einstellung/ Kaufabsicht
Verhalten nach Kroeber-Riel 1990 Abbildung 17: Wirkungspfade emotionaler Werbung nach Kroeber-Riel (1990)
Wenn nun die in diesem Punkt angeführten Wirkungen von emotionaler Werbung noch einmal systematisch aufgelistet werden, kommt man zu drei Funktionen, die Emotionen erfüllen können (Zeitlin/Westwood 1986). Emotionen können ... i direkte Botschaften sein: Das heißt, die vermittelte Emotion per se kann eine entscheidende Rolle beim Kauf oder bei der Verwendung eines Produktes spielen (z.B.: die Verwendung von Sicherheitsgurten beim Autofahren zur Reduktion von Angst; das Gefühl der Kameradschaft beim gemeinsamen Trinken von Bier; Begeisterung bei Videospielen; ...). Die Schaffung dieses Zusatznutzens durch emotionale Aufladung ist oft das angestrebte Ziel einer emotionalen Markepositionierung. i Botschaften vermitteln: Das heißt, die eingesetzten Emotionen verstärken bzw. heben gewisse Produkteigenschaften hervor. Sie sind aber im Gegensatz zu den oben genannten Beispielen kein Produktbestandteil für sich (z.B.: die Schaffung von bestimmten Erwartungen, Befürchtungen, ...). i Images direkt beeinflussen: Das heißt, es werden mittels klassischer Konditionierung direkte Veränderungen beim Betrachter hervorgerufen (z.B.: das Gefühl der Freiheit durch Rauchen, Autofahren, ...).
Emotionen im Marketing
4.2.1.2.
73
Emotionen als Output
Friestad und Thorson (1986) konzentrieren sich in ihren Arbeiten auf die durch emotionale Werbung hervorgerufenen Reaktionen. Sie sind der Meinung, dass die ausgelösten Prozesse und Erfahrungen den wichtigsten Beitrag zur Erklärung der Bedeutung von emotionaler Werbung liefern. Es können die durch die Werbung verursachten Emotionen grundsätzlich anhand der Auslöser unterschieden werden (Zeitlin/Westwood 1986, Mitchell 1988, Bagozzi/Gopinath/Nyer 1999): a) Emotionale Reaktionen aufgrund des Produktes b) Emotionale Reaktionen durch den Werbespot c) Emotionale Reaktionen auf das Werbeumfeld
ad a) Emotionale Reaktionen aufgrund des Produktes Zeitlin und Westwood (1986) gehen davon aus, dass durch die Darstellung des Produktes in der Werbung direkt emotionale Reaktionen entstehen können. Dabei handelt es sich in erster Linie um Emotionen, wie zum Beispiel Vertrauen oder Zuneigung. Das Besondere an diesen Reaktionen ist die Dauerhaftigkeit der Wirkung. Sie können noch lange nach der Betrachtung der Werbung anhalten und sind dementsprechend mit objektiven Produktwahrnehmungen (z.B.: „Eine Marke, der ich vertraue!“, „Eine Marke, die ich mag!“) vergleichbar.
ad b) Emotionale Reaktionen durch den Werbespot Auf welche Weise und wie stark emotionale Werbespots das Verhalten von Konsumenten beeinflusses, ist eine der zentralen Fragen bei der Erforschung von Emotionen in der Werbung (Bagozzi/Gopinath/Nyer 1999). Die emotionalen Wirkungen von Werbespots unterscheiden sich zu den oben ausgeführten emotionalen Produktwahrnehmungen insofern, dass sich die emotionalen Reaktionen nur auf jene Vorgänge beziehen, die unmittelbar zum Zeitpunkt der Betrachtung auftreten (Zeitlin/ Westwood 1986). Diese Reaktionen werden in der Regel als Einstellungen gegenüber der Werbung (Attitude toward the ad, Aad) erhoben (siehe Abbildung 18). Sie können als eine auf die Werbung gerichtete Funktion von Gefühlen und Gedanken beschrieben werden und stellen eine Art von
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Emotionen im Marketingkontext
Vermittlerrolle (mediator) auf dem Weg zur Kaufentscheidung oder zur Einstellung gegenüber der Marke (Attitude toward the brand, Ab) dar (Batra/Ray 1986, Holbrook/ O’Shaughnessy 1984).
Modell emotionaler Reaktionen auf die Werbung
Werbekontakt
emotionale Reaktionen
kognitive Beurteilung der Werbung
Attitude toward the ad (Aad )
Markenwissen
Attitude toward the brand (Ab)
nach Edell/Burke 1987 Abbildung 18: Modell emotionaler Reaktionen auf Werbung nach Edell/Burke (1987)
Die Rolle von Aad als „vermittelnde“ Variable ist Gegenstand einer Vielzahl von Studien (Mitchell/Olson 1981, Shimp 1981, Edell/Burke 1987, Holbrook/Batra 1987, etc.). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Arbeiten, die sich mit den optimalen Rahmenbedingungen für emotionale Werbung beschäftigen. Dabei wurde unter anderem die Rolle des Konsumenteninvolvements untersucht (vgl. auch Kapitel 4.2.1.1). Dieses nimmt nicht nur eine bedeutende Rolle bei der Beeinflussung von Aad ein (Miniard/Bhatla/Rose 1990), sondern auch bei der Übertragung von Aad auf Ab (Stayman/Batra 1991). Auf weitere moderierende Variablen verweisen Stayman und Batra (1991) in ihrer Metaanalyse. Sie zeigen, dass bei neuen unbekannten Produkten die Effekte von Aad auf Ab stärker sind als bei bekannten Marken. Ebenso können sie anhand ihrer Ergebnisse Vorteile bei Gebrauchsgütern im Vergleich zu Verbrauchsgütern nachweisen.
Emotionen im Marketing
75
In diesem Zusammenhang sind auch die Untersuchungen von Zeitlin und Westwood (1986) interessant, die sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Emotionen durch Werbespots hervorgerufen werden. Sie gehen bei Ihrem Messansatz von den Basisemotionen nach Plutchik (1962, 1980) aus und untersuchen 54 unterschiedliche TV-Spots (36 zufällig gewählte Spots und 18 ausgewählte, stark emotionale Spots). In ihrer Arbeit zeigen sie, dass jede Art von Werbung Emotionen verursacht. Selbst reine Information beinhaltet emotionales Potential, da diese zum Beispiel mit Erwartungen oder Akzeptanz einhergehen kann. Die durch die Werbung erzeugten Emotionen sind sehr vielfältig, auch wenn Zeitlin und Westwood darauf verweisen, dass sich „durchschnittliche“ Werbespots vor allem auf drei der acht Basisemotionen konzentrieren (siehe Tabelle 4). Dies sind die Emotionen Freude (36 auf einer Skala von 0 = „überhaupt nicht“ bis 100 = „sehr stark“), Akzeptanz (32) und Erwartung (31).
Tabelle 4: Durch Werbung erzeugte Emotionen nach Zeitlin und Wetwood (1986)
durch Werbespots hervorgerufene Emotionen (0 bis 100) Freude (joy) Akzeptanz (acceptance) Erwartung (anticipation) Ekel (disgust) Überraschung (surprise) Ärger (anger) Traurigkeit (sadness) Furcht (fear)
36 32 31 15 12 10 6 5
Für die Darstellung der Messergebnisse wählten sie eine bereits von Plutchik (1980) eingesetzte Circumplex Form. Dabei werden die Emotionen entsprechend ihrer Ausprägungsstärke vom Mittelpunkt aus nach außen hin abgetragen. Als Beispiel werden in Abbildung 19 exemplarisch zwei Werbespots dargestellt. Es handelt sich dabei einmal um einen Spot eines Telephonieanbieters, in dessen Mittelpunkt Ferngespräche als Ausdruck der Liebe stehen, und das andere Mal um eine soziale Einrichtung zur Krebsvorsorge, die sehr stark mit dem Thema Furcht spielt.
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Emotionen im Marketingkontext
Circumplexdarstellung von Werbespots Telephonanbieter
Krebsvorsorge
Acceptance
Acceptance
Joy
Joy
Fear
Anticipation S.
Sadness
Anger
Fear
A.
Surprise
Sadness
Anger
Disgust
Disgust
nach Zeitlin/Westwood (1986) Abbildung 19: Circumplex-Darstellung von Werbespots nach Zeitlin und Westwood (1986)
Sehr gut zu sehen sind in der Graphik die unterschiedlichen Ausprägungen der Basisemotionen. So sind es beim Telephonieanbieter in erster Linie die positiven Emotionen Freude und Akzeptanz, die auf den Spot zugeordnet werden. Bei der Krebsvorsorge hingegen handelt es sich - neben Akzeptanz und Erwartung - vor allem auch um negative Emotionen (Furcht und Traurigkeit).
ad c) Emotionale Reaktionen auf das Programmumfeld Gardner (1985) geht von einer Beeinflussung der emotionalen Reaktionen durch das Programmumfeld aus. Dieser Meinung schließen sich eine Reihe von Fachleuten an, die eine positive Korrelation zwischen der Beurteilung des Programmumfeldes und den gezeigten Werbespots unterstellen (Goldberg/Gorn 1987, Yi 1990, Cohen/Areni 1991). Sie sind der Meinung, dass sich ein positiv wahrgenommenes Umfeld positiv auf die Werbung und die beworbenen Marken überträgt. Dementsprechend wird vorgeschlagen, bei der Mediaplanung auf ein emotional positives Umfeld zu achten (Cohen/Areni 1991). Dieser Annahme wird zugrunde gelegt, dass die Seher positive Programme gegenüber negativen Programmen präferieren (Goldberg/Gorn 1987).
Emotionen im Marketing
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Dieser Punkt wird von Murry et al. (1992) aufgegriffen und genauer untersucht. Seine Hypothese lautet, dass es nicht ausschließlich auf die positive Stimmung des Programmumfeldes ankommt, sondern vielmehr auf die Konvergenz zwischen den Vorlieben der Zuseher und dem vermittelten emotionalen Status. Wichtig ist somit die kognitive Beurteilung des Umfeldes und nicht die emotionale Ausrichtung. Es kann also eine Werbeschaltung im Anschluss an einen Horrorfilm oder Katastrophenbericht genauso effizient sein wie eine Werbung, die im Rahmen eines positiven Fernsehprogramms gezeigt wird. In diesem Zusammenhang verweist Gardner (1985) darauf, dass die Beziehungen zwischen negativen Emotionen und dem Gefallen des jeweiligen Programms noch kaum analysiert sind. Entsprechendes gilt auch für andere Produkte der Unterhaltungsindustrie, wie etwa melancholische Musik oder furchterregende Bücher und Filme (Murry/Dacin 1996). Grundsätzlich kann zu diesem Punkt gesagt werden, dass Ereignisse, Situationen oder Produkte, die den individuellen Zielen der Betroffenen entsprechen, positive Emotionen (Gefallen) erzeugen. Bei Zuwiderlaufen oder Konkurrenz mit den gedanklich formulierten Zielen entstehen im Gegensatz dazu negative Emotionen (Frijda 1988). Murry und Dacin (1996) führen in ihrer Arbeit aus, dass negativen - durch das Programmumfeld hervorgerufenen - emotionalen Reaktionen nur Bedeutung zukommt, wenn sie entweder real oder zumindest für den Betrachter relevant sind. Beide Punkte sprechen sie den durch das Programmumfeld erzeugten negativen Emotionen ab, womit die oben beschriebene Hypothese von Murry et al. (1992) gestützt wird. Die beiden Autoren erklären dies durch die kognitive Beurteilung des Programms und den dadurch entstehenden Einfluss auf die emotionalen Reaktionen. Wenn man die in diesem Abschnitt aufgezeigten Standpunkte mit den Erkenntnissen der psychologischen Emotionsforschung (vgl. auch Kapitel 3.2, 3.3 und 4.3) zusammenführt, kommt man zu dem Schluss, dass positive Emotionen auslösendes Programmumfeld für die Effizienz der Vermittlung von positiven Werbebotschaften von Vorteil ist. Wichtig erscheint an dieser Stelle jedoch der Hinweis, dass positive Emotionen nicht nur durch positive Inhalte ausgelöst werden, sondern vielmehr aufgrund der Erfüllung von Erwartungen des Sehers. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der Entstehung von Emotionen kognitive Beurteilungsprozesse beteiligt sind, welche die aufgenommenen Reize mit bestehenden Gedächtnis- bzw. Wissensstrukturen vergleichen. Damit also tatsächlich Emotionen hervorgerufen werden können, müssen die durch das Programmumfeld ausgesendeten Stimuli als schemakongruent erkannt werden. Erst dann können positiv auf die Verarbeitungseffizienz wirkende Emotionen entstehen.
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Emotionen im Marketingkontext
4.2.2. Kaufsituation Die physische Umwelt und somit auch die Kaufsituation wird laut Kroeber-Riel (1990) nur in geringem Ausmaß kognitiv kontrolliert. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass emotionale Reaktionen während des Kaufes eine umso wichtigere Rolle spielen. Die Bedeutung der Emotionen in der Kaufsituation war deshalb auch in den letzten zwei Jahrzehnten immer häufiger Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Als Grundlage für die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Kaufsituation als Auslöser von Emotionen und potentiellen Reaktionen als Folge davon kann das Verhaltensmodell von Mehrabian und Russel (1974) herangezogen werden (siehe Abbildung 20). Es wird in dem Modell davon ausgegangen, dass Umweltreize (S) Gefühle auslösen, welche als intervenierende Reaktionen (I) das Verhalten der Personen gegenüber der Umwelt (R) beeinflussen. Als zusätzliche Variable kann die Persönlichkeit des Einzelnen (P) das Verhalten mitbestimmen und als Erklärung für interindividuell unterschiedliche Verhaltensreaktionen verstanden werden.
Allgemeines Modell des menschlichen Verhaltens
S Umweltreize
I emotionale Reaktionen
R Verhalten (Annäherung oder Vermeidung)
P Persönlichkeitstyp
nach Mehrabian/Russel (1974) Abbildung 20: Allgemeines Modell des menschlichen Verhaltens nach Mehrabian/Russel (1974)
Emotionen im Marketing
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Die meisten Forschungsansätze im Bezug auf die Kaufsituation beschäftigen sich nur mit einzelnen Variablenbeziehungen aus dem Modell. In erster Linie handelt es sich hierbei um die untenstehenden Beziehungen (Kroeber-Riel 1990): S Ö R S Ö I I Ö R
(Donovan/Rossiter 1982; Milliman 1982, 1986) (MacInnis et al. 1998) (Dawson et al. 1990)
Im Folgenden soll auf einige dieser Studien und ihre Ergebnisse eingegangen werden, wobei aber immer die mit der jeweiligen Kaufsituation verbundenen Emotionen im Mittelpunkt stehen sollen. Diesen kurzzeitig am Point of Purchase auftretenden Emotionen weist Gardner (1985) insofern besondere Bedeutung zu, da sie für ihn die natürliche Folge von zwischenmenschlichen Kontakten in der Kaufsituation sind. Donovan und Rossiter (1982) konzentrieren sich in ihrem Messansatz auf die von der Geschäftsatmosphäre und dem Geschäftslokal ausgehenden Effekte. Im Speziellen untersuchen sie als unabhängige Variablen die Einflüsse von Licht, Farbe, Musik und Gestaltung der Räumlichkeiten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Emotionen als intervenierende Variablen einen wichtigen Beitrag zu unterschiedlichen Aspekten des Kaufverhaltens leisten. Insbesondere können Einflüsse auf das Ausgabeverhalten, die Verweildauer und die Wiederbesuchsabsicht bestätigt werden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung von emotionalen Reaktionen für Käufe, die vom Kunden nicht unmittelbar geplant sind und dementsprechend weniger kognitiv gesteuert werden. Einen weiteren Ansatz wählt MacInnis et al. (1998), die nicht nur das Geschäftslokal und die damit verbundene Geschäftsatmosphäre untersucht, sondern darüber hinausgehende Faktoren, wie das Verkaufspersonal oder das Produktsortiment berücksichtigt. Sie nimmt an, dass gewisse Komponenten der Kaufsituation die Einstellung gegenüber dem Geschäft (Attitude toward the store, As) direkt beeinflussen und andere über die dabei entstehenden Emotionen wirken (siehe Abbildung 21). Einige dieser indirekten Einflussfaktoren (z.B.: Produktsortiment) haben nur positive Effekte und andere (z.B.: Atmosphäre) zeigen sowohl positive als auch negative Wirkungspfade.
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Emotionen im Marketingkontext
Emotionen in der Kaufsituation
- Produktsortiment - Wert der Waren
positive Emotionen:
- Begeisterung - Zufriedenheit - Stolz - ... - Verkaufspersonal - Afer-Sales Service - Einrichtung - Atmosphäre
Attitude toward the store (As) negative Emotionen:
- Angst - Ärger - Missfallen - ... - Standort
nach MacInnis et al. (1998) Abbildung 21: Emotionen in der Kaufsituation nach MacInnis et al. (1998)
Wie aus den beiden zitierten Studien zu entnehmen ist, kommt der Geschäftsatmosphäre eine besondere Rolle zu. Auch Kotler/Bliemel (1995) unterstreichen die Relevanz des richtigen Managements der Atmosphärenwirkungen. Gemeint ist damit der bewusste Einsatz jener Elemente des Kaufumfeldes, die emotionale Reaktionen während der Kaufsituation auslösen können. Es können zu diesem Zweck auch bewusst verschiedene Design- und Unterhaltungselemente im Outlet eingesetzt werden. Das Ziel ist dabei die Schaffung eines befriedigenden Konsumerlebnisses für den Konsumenten und die Erzeugung eines positiven Images (Weinberg 1982). Das Design und die Ausstattung eines Geschäftslokals können jedoch nicht nur dazu beitragen, positive Emotionen hervorzurufen, sondern auch um negative emotionale Reaktionen (z.B.: durch zu viele Menschen im Geschäft, unangenehme Gerüche, ...) zu minimieren (Eroglu/Harrell 1986). Mögliche Ideen der Umsetzung präsentiert MacInnis et al. (1998). Sie führt als Beispiel diverse Super K-mart stores an, welche die emotionalen Stimmungen von Konsumenten positiv beeinflussen indem wohlriechende Backinseln in stark frequentierten Bereichen des Geschäftes platziert werden.
Emotionen im Marketing
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4.2.3. Nachkaufphase Die Bedeutung der Nachkaufphase in Bezug auf Emotionen wurde lange Zeit unterschätzt. Dementsprechend beschäftigte sich ein Großteil der Marketingforschung vor allem mit den durch die Werbung und die Kaufsituation hervorgerufenen emotionalen Effekten (Westbrook 1987). Dies ist umso verwunderlicher, da sich nach dem Kauf des Produktes eine ganze Reihe von marketingrelevanten Abläufen im Konsumentenverhalten zeigen, die alle mit bestimmten Emotionen verbunden sind. Möglicherweise war es genau diese Vielfalt an unterschiedlichen Prozessen, die bisher die wissenschaftliche Erforschung der Nachkaufphase gebremst hat. Unterschieden werden grundsätzlich drei Arten, wie Emotionen im Zusammenhang mit Produkten bzw. Marken entstehen können (Westbrook/Oliver 1991, Westbrook 1987): i Besitz des Produktes bzw. der Marke i Gebrauch des Produktes bzw. der Marke i Konsum des Produktes bzw. der Marke
4.2.3.1.
Emotionen als Einflussgrößen auf das Verhalten in der Nachkaufphase
Emotionen können nicht nur auf verschiedene Art und Weise entstehen, sondern auch unterschiedliche Prozesse in der Nachkaufphase beeinflussen. Es können vier Verhaltenskomponenten differenziert werden, die für das Marketing von Belang sind (Westbrook 1987): 1. 2. 3. 4.
Zufriedenheitsbewertung Beschwerdeverhalten Mund-zu-Mund Propaganda Wiederkaufabsicht bzw. -planung
Im Mittelpunkt des Interesses steht in der Regel die Zufriedenheit mit dem Produkt bzw. der Marke. Dies wird leicht verständlich, wenn man davon ausgeht, dass die Zufriedenheit den Ausgangspunkt für die anderen drei Prozesse darstellt. Je nachdem wie die Bewertung ausfällt, kommt es im gegebenen Fall zu Beschwerden und positiver oder negativer Mund-zuMund Propaganda. Nicht zuletzt hängt auch die Höhe der Wiederkaufswahrscheinlichkeit direkt von der Kundenzufriedenheit ab. In welchem Zusammenhang stehen nun aber Kundenzufriedenheit und Emotionen? Dies ist eine Frage, die unterschiedlichste Antworten hervorruft. Mano und Oliver (1993) sind beispielweise der Auffassung, dass Zufriedenheit zumindest teilweise eine emotionale Reaktion auf das Produkt bzw. die Marke darstellt. Sie begründen ihre Meinung einerseits
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durch Introspektion und andererseits durch die Verwendung von Zufriedenheit als diskrete Emotion in diversen Studien. Im Widerspruch hierzu definiert Hunt (1977, Seite 459) Zufriedenheit in erster Linie als kognitiven Vorgang: „Satisfaction is not the pleasureableness of the (consumption) experience, it is the evaluation rendered that the experience was at least as good as it was supposed to be.” Dieser Argumentation folgen auch andere Autoren weitgehend, wie zum Beispiel Oliver (1980) und Yi (1990). Ebenso zählen Bagozzi, Gopinath und Nyer (1999) Zufriedenheit nicht als Emotion per se. Sie sehen Zufriedenheit nur als untergeordnete Begleiterscheinung zu anderen Emotionen. Zufriedenheit entsteht somit in erster Linie aus der Beurteilung von Emotionen, die durch den Konsum oder den Gebrauch eines bestimmten Produktes hervorgerufen werden (Westbrook 1987). Es wird angenommen, dass dieser Bewertungsvorgang zweistufig abläuft. Zuerst werden die in der Nachkaufphase gemachten Produkterfahrungen mit den Erwartungen vor dem Kauf verglichen. Die festgestellte Diskrepanz kann sowohl positiv (Produkterfahrung besser als Erwartung), neutral (Produkterfahrung entspricht Erwartung) als auch negativ (Produkterfahrung schlechter als Erwartung) sein. Je nachdem entstehen entsprechende Emotionen, die anschließend in einem zweiten Schritt kognitiv (durch additive Verknüpfung nach einem Abgleich mit dem Langzeitgedächtnis) beurteilt werden (Oliver 1980). Dieser Erklärungsansatz wird durch eine empirische Studie gestützt, welche den signifikanten Einfluss verschiedener unabhängiger Emotionen auf die Bewertung der Zufriedenheit nachweist (Westbrook 1987). Welche Emotionen in erster Linie in Verbindung mit Kundenzufriedenheit von Bedeutung sind, beantwortet Oliver (1989), der jeweils fünf Emotionen für Zufriedenheit und Unzufriedenheit vorschlägt. Geordnet nach Stärke und Bedeutung sind dies:
Zufriedenheit: i Akzeptanz (acceptance) i Fröhlichkeit (happiness) i Erleichterung (relief) i Interesse/Spannung (interest/excitement) i Entzücken (delight)
Unzufriedenheit: i Toleranz (tolerance) i Traurigkeit (sadness) i Bedauern (regret) i Beunruhigung (agitation) i Empörung (outrage)
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In einer weiteren empirischen Arbeit bei Autokäufern können Westbrook und Oliver (1991) aufzeigen, dass positive Emotionen - wie z.B. Interesse und Freude - in der Nachkaufphase deutlich häufiger empfunden werden als negative Gefühle. Mittels Clusteranalyse identifizieren sie darüber hinaus fünf Typen von Konsumenten, die sich bezüglich ihrer emotionalen Empfindungsstruktur unterscheiden: i fröhlich/zufrieden (happy/content): 21% der Befragten Ö Interesse und Freude stark Ö Überraschung und negative Emotionen nur vereinzelt i positive überrascht (pleasant surprise): 23% der Befragten Ö Interesse relativ niedrig, jedoch Ö starke Komponente von Freude und Überraschung i neutral (unemotional): 30% der Befragten Ö unterdurchschnittliche Zuordnung aller Emotionen i negativ überrascht (unpleasant surprise): 14% der Befragten Ö Überraschung kombiniert mit allen negativen Emotionen i ärgerlich/bestürzt (angry/upset): 11% der Befragten Ö weites Feld an negativen Emotionen, vor allem Ablehnung und Verachtung Ö gelegentlich Überraschung und Interesse Als Abschluss soll versucht werden, ein integratives Modell des Konsumentenverhaltens in der Nachkaufphase zu schaffen (siehe Abbildung 22). Die Grundlage hierfür bilden die in diesem Abschnitt dargestellten Erkenntnisse in Bezug auf die Kundenzufriedenheit sowie die in den Kapiteln 3.2 und 3.3 dargestellten Emotionstheorien aus der Psychologie.
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Emotionen im Marketingkontext
Modell des Konsumentenverhaltens in der Nachkaufphase
kurzfristig
längerfristig
hohes Involvement
niedrige Erwartung
hohe Erwartung
Überraschung Erwartungserfüllung
Akzeptanz längerfristig
niedriges Involvement
Freude
positiv
negativ
neutral
Begeisterung
Enttäuschung
keine Emotion
- Wiederkauf - positive Mund-zu-Mund Propaganda - Cross Selling Potenzial
- Beschwerden - neg. M.-zu-M. - Markenwechsel
Abbildung 22: Modell des Konsumentenverhaltens in der Nachkaufphase
Es wird grundsätzlich differenziert zwischen Situationen mit hohem und niedrigem Involvement. Die Stärke des Involvements ist einerseits entscheidend für das Auftreten von Emotionen und andererseits für die Art der begleitenden Emotionen. So kann davon ausgegangen werden, dass bei niedrigem Involvement in der Nachkaufphase keine oder nur sehr geringe Emotionen entstehen. Eine Ausnahme ergibt sich jedoch, wenn es nach dem Kauf zu etwaigen Überraschungen kommt. Aufgrund der durch die Überraschung ausgelösten Aktivierung wird automatisch das Involvement erhöht und es entsteht je nach Art der Überraschung (positiv vs. negativ) entweder Begeisterung oder Enttäuschung. Dies gilt auch für Situationen, bei denen das Involvement bereits vor oder während des Kaufes zu beobachten ist. Kaufentscheidungen mit hohem Involvement führen auf jeden Fall die Entstehung von Emotionen nach sich. Auch wenn es nach dem Kauf zu keinen Überraschungen kommt, entstehen durch die Erwartungserfüllung per se Akzeptanz (bei niedrigen Erwartungen) bzw. Freude (bei hohen Erwartungen). Diese beiden Emotionen sowie durch angenehme Überraschungen ausgelöste Begeisterung sind die Grundlage für positive Mund-zu-Mund Propaganda, Wiederkäufe und eventuelle Cross Selling Potenziale. Dabei ist zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens
Emotionen im Marketing
85
von erwünschten Folgeeffekten mit der Stärke der positiven Emotionen (Akzeptanz Ö Freude Ö Begeisterung) zunimmt.
4.2.3.2.
Emotionen als Bestandteil der Produktwirkung
Ein anderer Ansatzpunkt zur Betrachtung von Emotionen im Marketing geht direkt vom Produkt aus. Wie bereits in Punkt 4.2.1 angeschnitten, kann man nicht nur zwischen unterschiedlichen Arten von Werbung unterscheiden, sondern auch zwischen zwei Kategorien von Produkten. Vaughn (1980) differenziert im Zusammenhang mit der effizienten Verwendung von kognitiver bzw. emotionaler Werbung zwischen „thinking products“ und „feeling products“. Diese strikte Trennung ist jedoch oft nicht möglich, da sich die Beschreibung der Produkte auf einem Kontinuum zwischen zwei Endpunkten bewegt. Diese beiden Pole werden auch als utilitaristisch/kognitive und hedonistisch/affektive Dimension beschrieben (Hirschmann/Holbrook 1982, Mano/Oliver 1993). Je stärker ein Produkt der hedonistisch/affektiven Dimension zugerechnet werden kann, desto wichtiger sind üblicherweise Emotionen. Wenn jedoch das Produkt eine bestimmte Rolle im Leben des Konsumenten einnimmt, kann diese Regel durchbrochen werden. Holman (1984) zeigt anhand seiner Arbeit, dass auch stark utilitaristisch geprägte Produkte unter bestimmten Umständen starke Emotionen hervorrufen können. Sie identifiziert fünf grundsätzliche Rollen, die ein Produkt im Leben des Konsumenten spielen kann. Jede dieser Rollen kann mehr oder weniger intensiv mit emotionalen Eigenschaften verbunden sein: Hintergrundfunktion: Das Produkt steht im Leben des Konsumenten im Hintergrund und erfüllt keine besondere Aufgabe. Beispiele hierfür sind Möbelstücke und diverse Haushaltsoder Hygieneprodukte. Diese Art von Produkten werden einem oft erst durch ihr Fehlen bewusst. Man denke nur an den Lieblingssessel zu Hause, der für das emotionale Wohlbefinden notwendig ist, oder an Babywindeln, die mit der emotionalen Fürsorge der Mutter assoziiert werden (Holman 1984). Mittler für Interaktionen: Das Produkt ist entweder für die Interaktion notwendig oder stellt einen zentralen Teil der Interaktion dar. Als Beispiel können einerseits direkte Kommunikationsprodukte wie Telefon, Grußkarten oder Blumen angeführt werden und andererseits Freizeitprodukte, welche die Grundlage für die Interaktion schaffen.
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Emotionen im Marketingkontext
Steigerung der sozialen Interaktion: Diese Produkte nehmen eine Mittelstellung ein. Sie sind zwar nicht grundlegend für die Interaktion mit anderen, aber auch nicht so zentral für den Einzelnen, dass sie zu dessen Selbstdarstellung dienen. Darunter fallen vor allem Kleidung, Nahrungsmittel und Getränke. Selbstdarstellung: Produkte, die zur Selbstdarstellung des Verwenders beitragen, machen sich ihren symbolischen Wert in der Kommunikation zu Nutze. Sie unterstützen die Person bei der Darstellung ihrer Ideal-Rolle in der Gesellschaft. Zu diesen Produkten zählen in erster Linie Autos, Kleidung, Urlaube und selbst zubereitete Mahlzeiten oder Kunstwerke. Produkt als Objekt der Emotion: Diese Produkte nehmen eine zentrale Rolle im Leben des Konsumenten ein. Die Beziehung zwischen dem Produkt und der Person ist von hohem Involvement gekennzeichnet, da das Produkt selbst zum Objekt der Emotion wird. Holman (1984) bezeichnet dies als „aficionado effect“. Typische Beispiele können bei passionierten Sammlern, Autoliebhabern und Haustierbesitzern beobachtet werden. Das Produkt wird als Substitut für menschliche Beziehungen angesehen (z.B.: Briefmarken werden verehrt; Autos als bester Freund bezeichnet) und entfaltet eine entsprechend starke emotionale Wirkung, obwohl es sich oftmals um utilitaristische Produkte handelt.
4.3. Allgemeine Effekte von Emotionen Nachdem bisher der Fokus auf dem Zusammenhang zwischen Emotionen und Marketing lag, sollen abschließend einige allgemeine Effekte von Emotionen dargestellt werden. Diese können durchaus bei gezieltem und richtigem Einsatz auch für die Marketingpraxis von Bedeutung sein. Es handelte sich dabei in erster Linie um Einflüsse auf kognitive Prozesse im Gehirn (Bagozzi/Gopinath/Nyer 1999, LeDoux 1996): i Befinden sich Personen in einem positiven Gefühlszustand, so können sie positive Erinnerungen leichter abrufen als neutrale oder negative Erinnerungen (Isen/Shalker/ Clark/Karp 1978, Nasby/Yando 1982). i Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei positiven Emotionen während der Informationsaufnahme. Läuft die Verarbeitung in einem positiven Gefühlszustand ab, dann können bei positiven Inhalten überlegene Erinnerungswerte nachgewiesen werden (Nasby/Yando 1982, Bower et al. 1981).
Emotionen im Marketing
87
i Die Stimmung bzw. der emotionale Zustand, in der sich die Person während des Lernvorganges befindet, beeinflusst die Erinnerungsleistung insofern, dass diese steigt, wenn der Zustand bei Abruf der Informationen jenem der Informationsaufnahme entspricht (Bower/Cohen 1982). i Personen, die mit positiven Emotionen konfrontiert werden oder sich bereits in einem positiven Zustand befinden, beurteilen Stimuli positiver als andere Probanden. Es kommt dabei nicht darauf an, um welche Art von Stimuli es sich handelt. Der Effekt konnte unter anderem für Menschen (Clore/Byrne 1974, Forgas/Bower 1987), Konsumgüter (Isen/ Shalker/Clark/Karp 1978, Srull 1983) und Lebenszufriedenheit (Schwarz/Clore 1983) nachgewiesen werden. i Der emotionale Zustand beeinflusst auch die Art der Informationsverarbeitung. So konnte gezeigt werden, dass heuristische Verarbeitungsmodi im Zusammenhang mit positiven Emotionen verstärkt auftreten und systematische Vorgehensweisen stärker mit negativen Emotionen korrelieren (Bless et al. 1996, Mackie/Worth 1989).
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Emotionen im Marketingkontext
5. Ableitung der Forschungshypothesen Als Übergang vom theoretischen zum empirischen Teil dieser Arbeit steht die Ableitung der Untersuchungshypothesen. Diese wurden aus den bereits beschriebenen Theorien und Überlegungen entwickelt und verfolgen das Ziel, unklare und kontrovers diskutierte Punkte zu analysieren und empirisch zu überprüfen. Die Hypothesen lassen sich grundsätzlich in drei Gruppen unterteilen, wobei sich die ersten beiden auf die Problemfelder von Emotionen im Marketing bzw. deren Messung beziehen und die dritte auf Fragen zur Emotionstheorie im Allgemeinen.
5.1. Hypothesen bzgl. Emotionen im Marketingkontext Ausgangspunkt für Hypothese 1 sind die bereits in Kapitel 4 dargestellten Messungen von emotionalen Reaktionen auf marketingspezifische Tools. In diesem Zusammenhang entflammt immer wiederkehrend die Diskussion, welche Emotionen im Marketing tatsächlich relevant sind, und im Speziellen, ob die in der Theorie festgelegten Basisemotionen auch im vorliegenden Projekt als Ausgangspunkt dienen können. Aus dieser Fragestellung ergibt sich die untenstehende allgemeine Hypothese 1 bezüglich der Relevanz von Basisemotionen gegenüber Marken, welche im Zuge der empirischen Überprüfung in acht Detailhypothesen differenziert wurde. Hypothese 1:
Es gibt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen den acht Basisemotionen und marketingtechnisch genutzten Marken, weshalb diese Basisemotionen überdurchschnittlich8 häufig auf die Marken zugeordnet werden.
Die sich direkt an die oben genannte Fragestellung anschließende Hypothese 2 bezieht sich auf die über die Basisemotionen hinausgehenden Sekundäremotionen. Zur Erläuterung dieses Begriffes sei auf die Ausführungen in Punkt 3.4 verwiesen, in dem die Sekundäremotionen und die dahinterstehende theoretische Fundierung des Konzeptes beschrieben werden. Anknüpfend an die Arbeiten von Richins (1997), Edell und Burke (1987) sowie Holbrook und Batra (1987) wird davon ausgegangen, dass für die Beschreibung von Marken zusätzlich 8
Die Operationalisierung erfolgte anhand der Nennungshäufigkeit der Basisemotionen innerhalb aller von den Auskunftspersonen verwendeten Emotionskategorien. Bzgl. detaillierter Ausführungen sei auf das Kapitel 6.2.1 verwiesen.
Ableitung der Forschungshypothesen
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Sekundäremotionen notwendig sind. Entsprechend folgt daraus die Hypothese 2, welche sich auf die Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Marken bezieht. Hypothese 2:
Es gibt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen ausgewählten Sekundäremotionen und marketingtechnisch genutzten Marken, weswegen diese Sekundäremotionen überdurchschnittlich9 häufig auf die Marken zugeordnet werden.
Neben der allgemeinen Bedeutung der Sekundäremotionen wurde bei verschiedenen Marken und Branchen untersucht, ob diese anhand von Emotionen beschrieben werden können. Die Grundlage für die untenstehenden Hypothesen 3 und 4 basiert auf der in Kapitel 0 skizzierten Theorie der Gedächtnisschemata zur Beschreibung des Markenwissens (Esch 1998 und 2001, Baumgarth 2001). Es wird hierbei angenommen, dass für die einzelnen Marken bzw. Branchen bestimmte emotionale Schemata bestehen und diese anhand der Sekundäremotionen nachgewiesen werden können. Hypothese 3:
Marken besitzen spezifische emotionale Schemata, die anhand von Sekundäremotionen beschrieben werden können.
Hypothese 4:
Branchen besitzen spezifische emotionale Schemata, die anhand von Sekundäremotionen beschrieben werden können.
5.2. Hypothesen bzgl. der Messung von Emotionen Bereits bei der Beschreibung der allgemeinen Ziele des Projektes stand die Messung von diskreten Emotionen mittels visueller Stimuli im Mittelpunkt. Unter Punkt 2.3, 3.1.2 und 3.2.7 wurden die Bedenken gegenüber der verbalen Erhebung bereits angesprochen, wobei gewichtige Argumente gegen die Verwendung verbaler Items und für den Einsatz optischer Reize genannt wurden (Schweiger 1985 und 1987, Weinberg 1986, Plutchik 1986, Leven 1995, LeDoux 1998). Infolge dessen soll anhand der empirischen Ergebnisse die Eignung von Bildern hinsichtlich der Messung von Emotionen nachgewiesen werden. Hypothese 5:
9
Bei der Beurteilung von Marken können diskrete Emotionen anhand von visuellen Stimuli valide gemessen werden.
Die Operationalisierung resultierte aus dem Vergleich der Häufigkeit der jeweiligen (Sekundär-) Emotion mit den formulierten Emotionskategorien.
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Emotionen im Marketingkontext
Wie schon erwähnt, sollen spezifische Emotionen durch Bilder erhoben werden. Hieraus ergibt sich der Anspruch, dass die einzelnen Emotionen durch die verwendeten nonverbalen Reize nicht nur gemessen, sondern auch voneinander differenziert werden können. Dies ist sowohl in der Psychologie (Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1993) als auch in der Marketingforschung (Mehrabian/Russel 1974) ein heftig umstrittener Punkt. Die Hypothese 6 beschäftigt sich im Konkreten mit der daraus resultierenden Frage, ob nonverbale Reize hierzu in der Lage sind. Hypothese 6:
Visuelle Stimuli sind im Zusammenhang mit der emotionalen Beurteilung von Marken in der Lage, zwischen diskreten Emotionen zu diskriminieren.
Die Messung von diskreten Emotionen darf kein Selbstzweck sein, sondern muss zusätzliche Informationen bzgl. des Beurteilungsobjektes bereitstellen (Machleit/Eroglu 2000). Ob diesem Anspruch genüge getan werden kann, ist das Untersuchungsziel von Hypothese 7. Anhand der Gegenüberstellung von dimensionalen Valenzkategorien (positiv vs. negativ) und einzelnen gemessenen Emotionen erfolgt die Beurteilung, durch welche Methode Marken besser beschrieben werden können. Hypothese 7:
Durch die Berücksichtigung von diskreten Emotionen können Marken besser abgebildet werden als durch dimensionale Ansätze (umfassende Emotionsdimensionen).
5.3. Hypothesen bzgl. der allgemeinen Emotionstheorie Bezugnehmend auf die dargestellten Ideen von Plutchik (1962, 1980) ergeben sich zu den unter Punkt 3.5 diskutierten Überlegungen zum Thema Circumplex Models Fragen bzgl. der empirischen Nachweisbarkeit. Anhand der Ergebnisse aus Studie III soll die Anwendungsmöglichkeit in Bezug auf das Marketing getestet und darüber hinaus ein Vergleich zum theoretischen Modell angestellt werden. Hypothese 8:
Emotionen können entsprechend ihrer qualitativen Ausprägung in Kreisform (Circumplex Model) dargestellt werden.
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
91
6. Ermittlung marketingrelevanter Emotionen Die sich aus den Hypothesen 1 und 2 ergebende Frage lautet, welche Primäremotionen und vor allem welche über diese hinausgehenden Sekundäremotionen besitzen Relevanz im Marketing? Aus der riesigen Menge an potenziellen Emotionen sollen jene herausgefiltert werden, denen in den verschiedenen Bereichen des Marketings und im Speziellen im Zusammenhang mit Marken Bedeutung zukommt. Die in Kapitel 6.2 dargestellten Ergebnisse der Studie I können nicht nur die Relevanz der Basisemotionen, sondern auch bestimmter (Sekundär-)Emotionen im Marketing klar belegen.
6.1. Beschreibung Studie I: Emotionen im Marketing In der im Folgenden beschriebenen Studie I wurde vor allem die Beziehung zwischen Marken und Emotionen analysiert, ohne dabei einen bestimmten Schwerpunkt bezüglich der Entstehung der Emotionen zu berücksichtigen. In diesem Punkt unterscheidet sich die hier beschriebene Studie wesentlich von bereits früher erwähnten Arbeiten, in deren Mittelpunkt stets eine spezifische Form der Entstehung der betrachteten Emotionen gestanden ist.
6.1.1. Erhebungsinhalte Aufgrund des Fehlens von relevanter Literatur an der Schnittstelle zwischen Marke und Emotion musste ein Weg gefunden werden, markenrelevante Emotionen zu ermitteln und zu beschreiben. Eines der sich daraus ergebenden Ziele der Arbeit war die Definition von allgemeingültigen Emotionskategorien bzw. deren Bezeichnung. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob individuell formulierte Emotionsnennungen zu komprimierten Kategorien zusammengefasst werden können. Erschwerend kam hinzu, dass es im deutschsprachigen Raum kaum Anhaltspunkte für die korrekte Benennung von Emotionen bzw. deren Kategorien gibt. Daher war es für das Gesamtprojekt von umso größerer Bedeutung, durch die Studie Anhaltspunkte bezüglich der exakten Terminologie zu gewinnen.
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Emotionen im Marketingkontext
6.1.2. Erhebungsmethode - Strukturierung spontaner Assoziationen Zur Beantwortung der oben beschriebenen Fragestellung wurde die Methode der Strukturierung spontaner Assoziationen (Kirchler/de Rosa 1996, Kirchler/Rodler/Hölzl 1998) herangezogen. Dieses Verfahren ist eine Weiterentwicklung des Assoziationsgeflechts, das unter dem Namen „trama associativa“ 1993 von de Rosa entwickelt wurde. Bei dieser Methode werden die durch die Stimuli (Marken) hervorgerufenen Assoziationen (vgl. auch Kapitel 0) von den Auskunftspersonen gesammelt und anschließend vorgegebenen Kategorien (Emotionen) zugeordnet, wodurch sich eine nachträgliche Kategorisierung durch den Forscher erübrigt. Im Konkreten bedeutet dies für den Probanden, dass er selbst die Strukturierung der eigenen Assoziationen vornimmt. Das Ziel besteht somit darin, möglichst viele der mit den Marken in Zusammenhang stehenden Nennungen den vorgegebenen Emotionskategorien zuzuordnen. Anhand des Prozentsatzes an zuordenbaren Assoziationen lässt sich in Folge die Qualität des Kategorienschemas beurteilen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Strukturierung spontaner Assoziationen um ein projektives Verfahren, welches für diese spezifische Anwendung eine Reihe von Vorteilen besitzt. Man denke dabei vor allem an die Reduktion bzw. den Ausschluss des Interviewereinflusses (sowohl in der Befragungssituation an sich als auch durch die vom Probanden selbst durchgeführte Kategorisierung der Nennungen) und die Verhinderung von Antwortverzerrungen aufgrund sozialer Erwünschtheit. Das ursprüngliche Anwendungsgebiet der Strukturierung spontaner Assoziationen beschränkte sich auf die Erhebung latenter oder evaluativer sozialer Erscheinungen (zu denen im weitesten Sinn auch Emotionen zählen). Im Marketing fand die Methode Eingang durch die Analyse der Werbewirkung von Plakaten (Kirchler/de Rosa 1996, Kirchler/ Rodler/Hölzl 1998).
6.1.2.1.
Auswahl der Emotionen
Wie schon aufgrund der Beschreibung der Erhebungsmethode zu vermuten ist, besitzt die Auswahl der vorgegebenen Kategorien größte Wichtigkeit. Für die Studie I bedeutete dies, dass für die Zuordnung der spontanen Nennungen ein möglichst optimales Set an Emotionen gefunden werden musste. Dies war erforderlich, um den Auskunftspersonen die Möglichkeit zu bieten, die von ihnen zu den verschiedenen Marken aufgezeichneten Assoziationen auch korrekt einordnen zu können. Die Kategorien wurden durch ein mehrstufiges Verfahren gebildet. In einem ersten Schritt wurden die Erkenntnisse zahlreicher Arbeiten der Emotionspsychologie bzw. aus den
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
93
verschiedenen Bereichen des Marketings gesammelt und aufgelistet. Für die weitere Verwendung folgte eine Übersetzung der gefunden Emotionsbegriffe und die Überprüfung ihrer Verwendbarkeit im deutschen Sprachgebrauch. Im Anschluss wurde aus der Vielzahl an gesammelten Emotionen auf Basis der in Kapitel 4 skizzierten Studien mittels Expertenurteilen eine Vorauswahl an marketingrelevanten Emotionen getroffen, die als Vorlage für die Kategorisierung der empfundenen Emotionen Verwendung fand. Die Liste umfasste neben den acht Basisemotionen nach Plutchik 13 weitere Emotionen: 1) Begehren 2) Beschämung 3) Enttäuschung 4) Hass 5) Interesse 6) Langeweile 7) Liebe
6.1.2.2.
8) Neid 9) Reue 10) Schuld 11) Sorge 12) Stolz 13) Verachtung
Auswahl der Marken
Auch auf die Auswahl der Marken wurde großes Augenmerk gelegt. Dementsprechend ergaben sich die untenstehenden drei grundlegenden Ziele: 1. eine möglichst breit gefächerte Auswahl an Marken bezüglich ihrer emotionalen Aufladung 2. eine möglichst gleichmäßige Abdeckung der Kategorien Konsumgüter, Gebrauchsgüter und Dienstleistungen 3. eine möglichst breite Branchenstreuung innerhalb der unter Punkt 2 genannten Kategorien Als Ausgangspunkt wurden verschiedene Personen gebeten, ungestützt emotional aufgeladene Marken zu sammeln. In einem zweiten Schritt sollte zu jeder der oben angeführten Emotionskategorien eine passende Marke genannt werden. Abschließend erfolgte die Ergänzung der auf diese Weise erstellten Liste um weitere bekannte Marken. Hierbei wurde darauf Rücksicht genommen, die Bereiche Konsumgüter, Gebrauchsgüter und Dienstleistungen zu gleichen Teilen abzudecken. Durch diese mehrstufige Vorgehensweise konnte ein Pool von über 200 Marken generiert werden aus dem 75 Marken für den Einsatz in Studie I ausgewählt wurden.
94
Emotionen im Marketingkontext
6.1.3. Ablauf des Interviews Die Datenerhebung fand mittels Gruppeninterviews zu maximal 5 Personen statt. Bei den Gruppeninterviews handelt es sich um eine in der Marktforschungspraxis selten angewandte Erhebungsmethode, die jedoch für diese spezifische Aufgabenstellung die Vorteile der schriftlichen und persönlichen Befragung vereint. Die Auskunftspersonen wurden dabei von einem Moderator durch die Befragung geführt, konnten jedoch selbst ihre Gefühle schriftlich zu Papier bringen. Die Form des Gruppeninterviews wurde gewählt, da in den Pretests zur Studie klar ersichtlich war, dass einerseits für die Verbalisierung von Emotionen face-to-face Befragungen nicht die geeignete Erhebungsmethode darstellten und andererseits eine rein schriftliche Erhebung aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung nicht in Frage gekommen wäre. Die Entscheidung zugunsten des moderierten Gruppeninterviews wurde durch die untenstehenden Merkmale unterstützt: i i i i i
Feedback- bzw. Unterstützungsmöglichkeit bei Schwierigkeiten der Befragten Kontrolle des Befragungsablaufes durch den Moderator Reduktion von direkten Interviewereinflüssen Erhöhung der Auskunftsbereitschaft aufgrund subjektiver Anonymität gegenseitige Motivation der Auskunftspersonen
Um die Auskunftspersonen nicht zu überfordern, wurden fünf Splits mit jeweils 15 Marken gebildet. Die Zusammensetzung der Markenpools erfolgte durch eine geschichtete Zufallsauswahl, wobei die beiden Auswahlkriterien Branche bzw. Tätigkeitsbereich als Schichtungskriterien dienten. Die Befragungsdauer konnte dadurch in der Regel auf 45 bis 60 Minuten reduziert werden. Im Detail umfasste die Erhebung folgende sieben Schritte: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Eisbrecherfrage freie Assoziationen Kategorisierung Beurteilung der Güte der Zuordnung Aided Recall Ursache der Emotionen Demographie
ad 1) Eisbrecherfrage: Um die Auskunftspersonen für die bevorstehenden Aufgaben zu sensibilisieren, wurden ihnen stark emotional aufgeladene Bilder (Weihnachten, Mutter mit Baby, Friedhof, Urlaub)
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
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vorgelegt. Hierzu sollten alle mit den Bildern verbundenen Emotionen und Gefühle beschrieben und schriftlich festgehalten werden. ad 2) freie Assoziationen: Im ersten Schritt der tatsächlichen Befragung wurden mittels freier Assoziationen Gefühle im Zusammenhang mit den einzelnen anhand ihrer Logos präsentierten Marken gesammelt. Es wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht darauf Wert gelegt, ob es sich bei den jeweiligen Assoziationen tatsächlich um Emotionen handelt oder um eher rationale Produkt- bzw. Konsumerfahrungen. ad 3) Kategorisierung: Die Auskunftspersonen wurden angehalten, ihre individuell formulierten Assoziationen den vorgegebenen 21 Emotionskategorien zuzuordnen. Für nicht oder nur schwer zuordenbare Nennungen gab es zusätzlich die Möglichkeit, neue Kategorien durch die Auskunftspersonen zu bilden. ad 4) Beurteilung der Güte der Zuordnung: Als nächster Punkt sollte anhand einer 7-stufigen Skala subjektiv beurteilt werden, wie eindeutig die Einordnung der jeweiligen Empfindungen in die verschiedenen Kategorien aus Sicht der Befragten wahrgenommen wurde. ad 5) Aided Recall: Nach der Zuordnung der Assoziationen und der Beurteilung der Güte konnten die Auskunftspersonen gestützt durch die vorgegebenen Emotionskategorien zusätzlich jene Emotionen vermerken, die sie in Punkt zwei vergessen hatten bzw. nicht verbalisieren konnten. ad 6) Ursache der Emotionen: Weiters wurde nach den Ursachen der Emotionen gefragt, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen, durch welche Faktoren Marken emotional aufgeladen werden. ad 7) Demographie: Als Abschluss des Interviews folgten Fragen nach dem Alter, Geschlecht sowie der Schulbildung und dem ausgeübten Beruf der Auskunftspersonen. Die insgesamt 105 Interviews wurden im Februar 2001 durchgeführt. Aufgrund der unterschiedlichen Verbalisierungsfähigkeit im Bezug auf Emotionen war eine Aufteilung in 50% Studenten/Akademiker und 50% Nicht-Studenten/-Akademiker angestrebt. Durch die Quotierung des Bildungsniveaus, des Alters und des Geschlechts sollte gewährleistet werden, dass es in den Ergebnissen aufgrund der Stichprobenziehung zu keinen Verzerrungen kommt.
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Emotionen im Marketingkontext
6.2. Ergebnisse Studie I Anhand der Darstellung der Demographie der Auskunftspersonen (siehe Abbildung 23) wird ersichtlich, dass sowohl alle Altersgruppen als auch die wichtigsten Bildungsschichten durch das Sample Berücksichtigung fanden. Jeweils zirka ein Drittel der Befragten kann den Alterskategorien bis 25 Jahre, 25 bis 40 Jahre und älter als 40 Jahre zugeteilt werden. Der Mittelwert der interviewten Personen lag mit 35 Jahren im Vergleich zum Median (29 Jahre) deutlich höher. Die erwünschte breite Streuung bzgl. des Bildungsniveaus wurde ebenso erreicht wie eine annähernd repräsentative Verteilung der Geschlechter (54,4% Frauen vs. 45,6% Männer). Die genaue Planung und Einhaltung der Stichprobe war umso wichtiger, da davon ausgegangen wurde, dass sowohl das Alter der Auskunftspersonen als auch das Geschlecht einen Einfluss auf das Antwortverhalten ausüben. Diese Annahme unterstützt zum Beispiel die Arbeit von Thyri (2003), die einen signifikanten Einfluss demographischer Faktoren auf das Antwortverhalten bzw. die Verbalisierungsfähigkeit der Befragten nachweist.
Demographie der Auskunftspersonen
41 bis 55 Jahre
Fachschule ohne Matura Pflichtschule
16,5%
15,5%
über 55 Jahre
24,3%
15,5% 25 bis 40 Jahre
36,9%
7,7% 31,1%
52,5% jünger als 25 Jahre
AHS/BHS mit Matura
Mittelwert: 35 Jahre Median: 29 Jahre
Studie I: n=105 Abbildung 23: Demographie der Auskunftspersonen - Studie I
(Fach-)Hochschule
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
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Mit Hilfe der in Punkt 2 beschriebenen Erhebung freier Assoziationen durch die Auskunftspersonen konnten insgesamt 3.983 Nennungen im Zusammenhang mit den vorgegebenen 75 Marken gesammelt werden. Durch die gestützte Zuordnung (Punkt 5) kamen noch einmal 290 Assoziationen hinzu, sodass eine Gesamtzahl von 4.273 Zuordnungen erreicht wurde. Im Durchschnitt äußerten die Auskunftspersonen somit mehr als 2,5 Nennungen pro Marke. Betrachtet man die Häufigkeiten der bereinigten Zuordnungen, so ergibt sich folgendes Bild:
Anzahl der Nennungen nach Kategorien [Zahl der Nennungen=3720] 651
Anzahl der Nennungen Freude Akzeptanz/Zuneigung Ekel/Ablehnung Erwartung Ärger Interesse/Neugier Begehren Sorge Langeweile Enttäuschung Verachtung Stolz Furcht Liebe Überraschung Traurigkeit Sonstige
358 343 330 237 224 202 155 148 135 108 107 105
[Prozent der Nennungen] 17,5% 11,7%
67 58 55 437 0
100
200
Basisemotionen
2,8% 2,9% 2,9% 3,6% 4,0% 9,2% 4,2% 5,4% 8,9% 6,0% 6,4%
9,6%
300
400
500
600
700
800
Sekundäremotionen
Studie I: n=105 Abbildung 24: Zahl der kategorisierten Emotionsnennungen
Die am häufigsten im Bezug auf Marken empfundene Emotion ist demnach Freude (651 Nennungen) mit beinahe doppelt so vielen Zuordnungen wie die auf den Plätzen folgenden Kategorien Akzeptanz/Vertrauen (358), Ekel/Abscheu (343) und Erwartung (330). Diese vier Emotionen sowie die an fünfter Stelle liegende Emotion Ärger (237 Assoziationen) zählen alle zu den Basisemotionen nach Plutchik (1980) und absorbieren in Summe mehr als die Hälfte aller Nennungen (51,6%).
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Emotionen im Marketingkontext
Weiters wurden den Emotionen Interesse/Neugierde und Begehren jeweils mehr als 200 Assoziationen zugeordnet. Mit über 100 Nennungen reihen sich dahinter Sorge (155), Langeweile (148), Enttäuschung (135), Verachtung (108), Stolz (107) und Furcht (105). Die sonstigen Nennungen beinhalten zu einem großen Teil von den Interviewten neu gebildete Kategorien wie z. B. Sicherheit, Entspannung, Wohlbefinden oder Freiheit. Keine dieser Gruppen kann eindeutig in bestehende Emotionsschemata eingestuft werden, weshalb auf eine explizite Darstellung verzichtet wurde. Vielmehr bilden sie in der Regel Auslöser für andere Emotionen (z.B.: Sicherheit Ö Akzeptanz/Vertrauen). Berücksichtigt man bei den Ergebnissen auch die Nennungen durch Aided Recall ergibt sich ein kaum verändertes Bild. Es wurden durch diesen Erhebungsschritt lediglich zusätzliche 7% an Assoziationen ergänzt. Eine Abbildung der Resultate unter Berücksichtigung der gestützten Nennungen sowie detailliertere Ausführungen hierzu sind in Winder et al. (2001) zu finden. Analysen bezüglich der Güte der Zuordnung und der daraus resultierenden gewichteten Daten können ebenfalls bei Winder et al. (2001) und auch bei Thyri (2003) nachgelesen werden. Im ersten Fall wurde über eine Indexbildung sowohl die Qualität der Zuordnung in der jeweiligen Kategorie berücksichtigt als auch die Zahl der Marken innerhalb jeder Branche. Thyri hingegen berechnet die relative Wichtigkeit der entsprechenden Emotionen für spezifische Marken und vergleicht diese miteinander. Neben den Emotionszuordnungen wurde auch nach der Ursache der jeweils genannten Emotionen gefragt. Hier wurden in erster Linie das markierte Produkt und dessen Verwendung angeführt (siehe Abbildung 25). Zirka 22% der gestützten Begründungen für die Emotionen bezogen sich auf das Produkt. Weitere knapp 20% der Assoziationen wurden durch die Verwendung der jeweiligen Produkte erklärt. Bedeutend weniger oft als Grund wurden die Werbung (13%) und das dahinter stehende Unternehmen (12%) angeführt. Alle anderen potenziellen Verursacher von Emotionen (Preis, tatsächliche Verwender, soziales Umfeld, Kaufsituation, Besitz, geplanter Kauf, Logo, Sponsoring, Events, ...) erreichen insgesamt nicht einmal ein Drittel der Nennungen. Sehr interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass positive Emotionen im Vergleich zu negativen sehr viel häufiger durch die Verwendung des Produktes bzw. der Marke und die Werbung entstehen. Negative Emotionen hingegen werden verstärkt durch die hinter den jeweiligen Marken stehenden Unternehmen ausgelöst.
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
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Ursachen der Emotionen [Prozent der gestützten Nennungen] Emotionen insg.: 21,9
19,8
12,7
11,9
33,7
Negative Emotionen: Furcht, Traurigkeit, Sorge, Verachtung, Enttäuschung, Langeweile, Ärger, Ekel
22
14,8
10,4
17,2
35,8
Positive Emotionen: Freude, Begehren, Akzeptanz, Liebe, Erwartung, Stolz, Überraschung, Interesse
21,9
0%
22,9
20% Produkt
Verwendung
14,1
40% Werbung
8,6
60% Unternehmen
32,6
80%
100%
Sonstiges
Studie I: n=105 Abbildung 25: Ursachen der Emotionen
Wie bereits bei der Beschreibung der Erhebungsmethode (vgl. auch Punkt 6.1.2) kurz angeschnitten wurde, ist die Beurteilung der Qualität der vorgegebenen Kategorisierung von der Zahl der zuordenbaren Assoziationen abhängig. Insgesamt konnten 85,3% der offenen Nennungen in die bestehenden Kategorien eingeordnet werden. Dies bedeutet, dass von insgesamt 3983 Assoziationen immerhin 3405 auf die 21 vorgegebenen Emotionskategorien aufgeteilt wurden. Unter Zuhilfenahme von selbst generierten Überbegriffen stieg diese Zahl sogar auf 93,4%. Daraus ist klar ersichtlich, dass die Benennung und Auswahl der Kategorien im Vorfeld der Studie zufriedenstellend verlaufen sind und die Zusammenfassung von individuell formulierten Emotionsnennungen in allgemeingültige Kategorien durch die Auskunftspersonen erfolgreich war.
6.2.1. Relevanz von Primäremotionen im Bezug auf Marken Zur Überprüfung der Forschungshypothese 1 (vgl. auch Kapitel 5.1) und der damit zusammenhängenden Relevanz von Emotionen im Marketing wurde die Zahl der genannten Assoziationen im Detail analysiert.
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Emotionen im Marketingkontext
Die Hypothese bezieht sich im Einzelnen auf die Bedeutung der acht Basisemotionen nach Plutchik (1962, 1980) im Marketing. Die Operationalisierung erfolgte durch die in Punkt 2 und 3 beschriebene Sammlung an spontanen Assoziationen (durch die Markenstimuli hervorgerufenen emotionalen Nennungen) sowie deren Kategorisierung durch die Auskunftspersonen in 71 verschiedene Gruppen. Die Zahl der exakten Zuordnungen zu den jeweiligen Basisemotionen kann der Abbildung 24 entnommen werden. Zur Überprüfung der Forschungshypothesen wurde für jede Emotion einzeln ein F2-Test gerechnet, um den Zusammenhang zwischen der Zahl der Zuordnungen und der jeweiligen Emotion zu analysieren (siehe Abbildung 26). Daraus resultierend kann dieser für folgende Basisemotionen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 1% bestätigt werden (F2Werte > 6,63, df = 1): i i i i i i
Freude Akzeptanz/Vertrauen Ekel/Abscheu Erwartung Ärger Furcht
(F2emp = 7137,24) (F2emp = 1862,42) (F2emp = 1684,36) (F2emp = 1537,29) (F2emp = 681,45) (F2emp = 58,03)
Die Nullhypothese (H0: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Zuordnung der Assoziationen und diesen Emotionen) kann somit aufgrund der hoch signifikanten Ergebnisse verworfen werden. Die Forschungshypothesen für die Basisemotionen Überraschung (F2emp = 3,56) und Traurigkeit (F2emp = 3,07) können hingegen nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10% bestätigt werden (F2-Werte > 2,71, df = 1), damit sind die Ergebnisse nur tendenziell signifikant und ein Verwerfen der Gegenhypothesen ist nur bedingt möglich.
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
101
Relevanz von B as is emotionen hoch sign. (p < 0,01; F2-Werte > 6,63)
Freude
9
Akzeptanz
9
Ekel/Abscheu
9
Erwartung
9
Ärger
9
Furcht
9
tendenziell (p < 0,1; F2-Werte > 2,71)
Überraschung
9
Traurigkeit
9
Studie I: n=105 Abbildung 26: Relevanz von Basisemotionen
Mit anderen Worten bedeutet dies, dass von acht Basisemotionen sechs hoch signifikante Resultate bzgl. der Relevanz im Marketing aufweisen und die restlichen zwei Emotionen zumindest tendenziell von Bedeutung sind. Daraus kann auf jeden Fall geschlossen werden, dass die von Plutchik (1962, 1980) formulierten Basisemotionen nicht nur im psychologischen, sondern auch im marketingspezifischen Kontext ihre Berechtigung besitzen. Dies ist insofern von Interesse, da im Vorfeld der Untersuchung oftmals davon ausgegangen wurde, dass in erster Linie positive Emotionen in Verbindung mit Marken nachweisbar sind. Anhand der nun vorliegenden Ergebnisse ist jedoch auch das Gewicht von negativen Emotionen (Ekel/Abscheu, Ärger und Furcht) klar ersichtlich. Dadurch ergeben sich neue Denkanstöße für die Marketingpraxis, die nicht nur darauf bedacht sein sollte, positive Emotionen bei der Markenführung aufzubauen und zu verstärken, sondern auch auf negative emotionale Komponenten der Marke bewusst zu reagieren. Unter anderem macht dies eine kritische Diskussion der Vor- und Nachteile von Dachmarkenstrategien im Vergleich zur Desintegration von (Produkt-) Marken erforderlich, da die negativen Emotionen häufig mit den hinter den Marken stehenden Unternehmen verbunden sind (vgl. auch Kapitel 6.2).
102
Emotionen im Marketingkontext
6.2.2. Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Marken Wie eben gezeigt werden konnte, besitzen Basisemotionen fast durchgehend eine hoch signifikante Bedeutung bei der Beschreibung von Marken. In Folge soll belegt werden, dass laut Hypothese 2 (vgl. auch Kapitel 5.1) neben diesen primären Emotionen in der Regel auch ein bestimmtes Set an sekundären Emotionen eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit Marken spielt. Wie schon in Abbildung 24 ersichtlich, ordnen sich neben den Primäremotionen acht weitere Emotionen ein, für die jeweils mittels F2-Test hoch signifikante Zusammenhänge (p < 0,01) bezüglich der Zuordnungen nachgewiesen wurden (F2-Werte > 6,63, df = 1): i i i i i i i i
Interesse/Neugier Begehren Sorge Langeweile Enttäuschung Verachtung Stolz Liebe
(F2emp = 589,25) (F2emp = 448,55) (F2emp = 212,54) (F2emp = 184,92) (F2emp = 138,79) (F2emp = 64,49) (F2emp = 62,30) (F2emp = 7,18)
Keine besondere Relevanz zeigt sich hingegen für die restlichen fünf Kategorien (Beschämung, Hass, Neid, Reue und Schuld) sowie die durch die Auskunftspersonen selbständig gebildeten Emotionsgruppen.
6.2.3. Identifikation von Marken und Branchen anhand von Sekundäremotionen Bei der Analyse der Sekundäremotionen wurde entsprechend den Hypothesen 3 und 4 (vgl. auch Kapitel 5.1) jedoch nicht nur deren grundsätzliche Relevanz im Marketing untersucht, sondern darüber hinausgehend auch ihre Fähigkeit zwischen verschiedenen Marken bzw. Branchen zu differenzieren. Mit anderen Worten wurde untersucht, welche Emotionen bei welchen Marken und Branchen signifikant stärkere Zuordnungen aufweisen als dies aufgrund des statistischen Erwartungswertes anzunehmen ist. Zu diesem Zweck erfolgte sowohl für jede der 75 Marken als auch für sämtliche der 13 berücksichtigten Branchen eine separate Analyse der Zuordnungen der Emotionen. Dadurch ergaben sich bei der Überprüfung der Signifikanzen mehr als 1000 F2-Tests in Bezug auf die Marken und noch einmal mehr als 300 F2-Tests für die Branchen.
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
103
Im Durchschnitt wurden pro Marke 13 verschiedene Emotionen von den Auskunftspersonen genannt. Verdichtet man die jeweiligen Marken zu Branchen steigt diese Zahl sogar auf beinahe 26 Emotionen. Betrachtet man nun die Sekundäremotionen im Detail ergibt sich untenstehende Abbildung 27 für die Marken und Abbildung 28 auf Ebene der Branchen.
Relevanz von S ekundäremotionen - Marken hoch sign. (p < 0,01; F2-Werte > 6,63)
signifikant (p < 0,05; F2-Werte > 3,84)
Interesse/Neugier
Mediamarkt, Skoda, News Standard
Palmers, Nokia, Hofer, Donauland
Begehren
Cool Water, merci, Eskimo, Zipfer, Römerquelle, Ferrari
Palmers, Perrier, Milka
Aeroflot, Visa, Amnesty International, Licht ins Dunkel
Sorge Langeweile
C&A, Skoda, Kronen Zeitung
Enttäuschung
Lotto, ÖVP
ÖBB, Kronen Zeitung, SPÖ
Verachtung
News
Kronen Zeitung, ÖVP
Stolz
Harley Davidson, Ferrari, Ralph Lauren
Mercedes Benz
Liebe
SOS Kinderdorf
Hipp
Studie I: n=105 Abbildung 27: Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Marken
Interesse/Neugier sowie Begehren weisen die mit Abstand meisten signifikanten Ergebnisse auf. Interesse/Neugier zeigt im Zusammenhang mit jeweils vier Marken hoch signifikante bzw. signifikante Zuordnungen. Noch wichtiger für die Unterscheidung von Marken ist die Emotion Begehren, die auf insgesamt neun signifikante F2-Tests verweisen kann. Deutlich geringer ist die Differenzierungsfähigkeit der restlichen Sekundäremotionen. Diese werden bei zwei bis fünf Marken signifikant zugeordnet. Im Vergleich hierzu kommt der Primäremotion Freude bei mehr als der Hälfte aller Marken Bedeutung zu (bei 36 Marken: F2emp > 6,63 sowie bei zwei Marken: F2emp > 2,71).
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Emotionen im Marketingkontext
Relevanz von S ekundäremotionen - B ranc hen hoch sign. (p < 0,01; F2-Werte > 6,63)
signifikant (p < 0,05; F2-Werte > 3,84)
Interesse/Neugier
Printmedien, Bekleidung, LEH, Automobilerzeuger, Elektronik
Airlines
Begehren
soft drinks, Lebensmittel, body care, Süßwaren
Bekleidung
Sorge
Airlines, NPO, politische Parteien
Langeweile
Printmedien, Automobilerzeuger
Enttäuschung
politische Parteien
Verachtung
Printmedien, politische Parteien
Stolz
Bekleidung, Automobilerzeuger
Liebe
NPO
Studie I: n=105 Abbildung 28: Relevanz von Sekundäremotionen im Bezug auf Branchen
Dasselbe Bild in etwas abgeschwächter Form ergibt die Analyse der einzelnen Branchen und deren Verhältnis zu den acht Sekundäremotionen. Die Emotionen Interesse/Neugierde und Begehren weisen sechs bzw. fünf signifikante Resultate auf. Drei Branchen können zumindest anhand der Emotion Sorge beschrieben werden. Die verbleibenden fünf Sekundäremotionen differenzieren nur mehr jeweils eine oder zwei Branchen. Eindeutig gezeigt werden kann damit sowohl für die einzelnen Marken (Hypothese 3) als auch für die Branchen (Hypothese 4), dass die untersuchten acht Sekundäremotionen zusätzliche Informationen zu deren Differenzierung liefern. Auch wenn diese nicht für nahezu alle Marken und Branchen von Relevanz sind, wie zum Beispiel die Primäremotion Freude, so kann dennoch ihre jeweilige Bedeutung in den einzelnen Bereichen gezeigt werden.
Zum Abschluss dieses Kapitels sollen noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse aus Studie I kurz zusammengefasst werden. Die im Marketingkontext als relevant zu betrachtenden Emotionen sind entsprechend den Ausführungen in Punkt 6.2.1 die acht Basisemotionen nach Plutchik (1962, 1980): Freude,
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
105
Ekel/Abscheu, Erwartung, Akzeptanz/Vertrauen, Ärger, Furcht, Überraschung und Traurigkeit. Zusätzlich kann die Bedeutung von den acht Sekundäremotionen Begehren, Interesse/Neugierde, Langeweile, Sorge, Verachtung, Enttäuschung, Stolz und Liebe bestätigt werden, die auch für die Differenzierung von einzelnen Marken und Branchen durchaus verwendet werden können. Durch die Ergänzung der Primäremotionen ergeben sich entsprechende Konsequenzen für ein integratives Emotionsmodell auf die im folgenden Punkt sowie in Kapitel 7.2.6 eingegangen werden soll.
6.3. Theoretische Erweiterung des Emotionsmodells von Plutchik In der untenstehenden Abbildung wurden die sich aus der Studie I ergebenden zusätzlichen Emotionen in das bestehende Circumplex Model von Plutchik (1980) integriert. Zu den ursprünglichen acht Basisemotionen sind entsprechend dem Ergebnis der Vorstudie weitere acht abgeleitete, sekundäre Emotionen ergänzt worden.
Model marketingrelevanter Emotionen Liebe
Akzeptanz
Freude Begehren
Furcht
Stolz
Erwartung
Interesse/ Neugier
Traurigkeit Langeweile
Sorge Enttäuschung
Überraschung
Ärger Verachtung
Abbildung 29: Modell der marketingrelevanten Emotionen
Ekel
106
Emotionen im Marketingkontext
Dabei handelt es sich um drei primäre Dyaden (Mischungen aus direkt nebeneinander liegenden Emotionen: Liebe, Verachtung und Enttäuschung), einer sekundären Dyade (Mischung aus zwei Emotionen, die durch eine dritte getrennt sind: Stolz), drei Emotionen, die laut Studien von Plutchik (1962, 1980) entweder stärkere oder schwächere Ausprägungen von Basisemotionen darstellen (Interesse/Neugier, Langeweile, Sorge), und der Emotion Begehren im Quadranten der benachbarten Emotionen Freude, Erwartung und Akzeptanz/ Vertrauen. In der Folge sollen die acht aus Studie I resultierenden marketingrelevanten Emotionen einer eingehenden Literaturanalyse unterzogen werden, mit dem Ziel der theoretischen Einordnung in das bestehende Modell von Plutchik. In erster Linie wird dabei anhand der qualitativen und quantitativen Ausprägung der einzelnen Emotionen vorgegangen. Liebe (love): Aus den verschiedenen von Plutchik (1962, 1980) durchgeführten Studien ergeben sich verschiedene Hinweise auf die Einordnung von Liebe. Einerseits wird sie als stärkere Ausprägung von Akzeptanz/Vertrauen beschrieben und andererseits als primäre Dyade aus Freude und Akzeptanz/Vertrauen. Daraus ergibt sich eine Position zwischen den beiden Basisemotionen mit einer Verschiebung nach außen. Verachtung (contempt, scorn, despite): Die komplexe Emotion der Verachtung hingegen ergibt sich aus der Mischung von Ekel/Abscheu und Ärger (Plutchik 1962, 1980). Die Eingliederung erfolgt dementsprechend direkt auf dem Kreis zentral zwischen den beiden primären Emotionen. Enttäuschung (disappointment): Vergleichbar einfach erweist sich die Anordnung der Emotion Enttäuschung. Diese ist ebenfalls ein primäres Derivat und leitet sich aus Überraschung und Traurigkeit ab (Plutchik 1962, 1980). Stolz (elation, pride): Einen Sonderfall hingegen stellt Stolz dar. Für diese Emotion sind drei Hinweise auf eine mögliche Einordnung in das Circumplex Model zu berücksichtigen. Einerseits ergibt sich Stolz als sekundäre (Plutchik 1980) bzw. primäre (Plutchik 1962) Dyade aus Freude und Ärger und andererseits als quantitativ stärkere Ausprägung von joy. Ein dritter Hinweis findet sich bei Plutchik (1980) basierend auf einer Studie, die sich mit Ähnlichkeitsurteilen einer Vielzahl von Emotionen beschäftigt. Entsprechend diesen Ergebnissen ergibt sich eine Positionierung auf dem Kreis bei 311°. Unter Berücksichtigung dieser drei Einflussfaktoren erfolgt die Einordnung im linken oberen Quadranten außerhalb der Kreisfläche.
Ermittlung marketingrelevanter Emotionen
107
Interesse/Neugier (interest/curiosity): Die Emotion Interesse/Neugier findet sich bei Plutchik (1980) in zwei verschiedenen Studien wieder. Zum einen als quantitativ schwächer beurteiltes Synonym für Erwartung und zum anderen in der konkreten Winkelangabe von 261°. Daraus resultiert im Vergleich zur Erwartung eine leicht nach innen und oben verschobene Position im Circumplex Model. Langeweile (boredom): Laut Plutchik (1962, 1980) ist die Langeweile eine abgeschwächte Form von Ekel/Abscheu. Des Weiteren ist eine Einordnung bei 136° Grad, also in der Umgebung von Traurigkeit, zu finden. Vergleichbare Ergebnisse zeigt auch Russel (1997). In seiner Darstellung des Circumplex Models liegt Langeweile ebenfalls räumlich in der Nähe von Traurigkeit, womit die Einordnung von Plutchik bestätigt werden kann. Für die Positionierung im adaptierten Modell ergibt sich somit eine Lage innerhalb des rechten unteren Quadranten zwischen Ekel/Abscheu und Traurigkeit. Sorge (sorrow, alarm, worry): Für die Aufnahme von Sorge ins Circumplex Model ergibt sich aus den diversen Hinweisen (Plutchik 1980) ein recht eindeutiges Bild über die Lage der Emotion. Sorge (sorrow) wird etwas stärkere Intensität zugesprochen als Traurigkeit. Die Zuordnung wird auch dadurch gestützt, dass die Ausprägungsformen worry und sorrow bezüglich ihrer Positionierung auf dem Kreisumfang mit 126° bzw. 113° nur minimale Abweichungen im Vergleich zu 108° bei Traurigkeit zeigen. Begehren (desire, eager): Schwieriger hingegen erweist sich die Einordnung der Emotion Begehren. Hierfür gibt es nur einen relevanten Anhaltspunkt bei Plutchik (1980). Dieser bezieht sich auf die Anordnung im Modell (311°). Diese Positionierung kann auch anhand der Erfahrungen aus Studie I bestätigt werden. Begehren ist aufgrund der semantischen Verwendung im deutschsprachigen Raum ohne Zweifel im Umfeld von Freude, Liebe und Akzeptanz/Vertrauen zu finden.
108
Emotionen im Marketingkontext
7. Erklärung marketingrelevanter Emotionen Zur Überprüfung des Modells der marketingrelevanten Emotionen wurden die Daten aus Studie III herangezogen. Als Voraussetzung für deren Durchführung war es notwendig, anhand der Ergebnisse aus Studie II (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel) das zur Verfügung stehende Set an Bildern auf ungefähr die Hälfte zu reduzieren und dadurch die Qualität der verwendeten visuellen Stimuli deutlich zu erhöhen.
7.1. Beschreibung Studie III: Datenbasis 7.1.1. Erhebungsinhalte Ziel von Studie III war es, eine umfangreiche Datenbasis für die Skalenentwicklung und die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Emotionen zu schaffen. Zu diesem Zweck wurden die unter Zuhilfenahme der Ergebnisse von Studie II selektierten visuellen Stimuli auf unterschiedliche Marken zugeordnet. Durch die breite Streuung der Marken sollte die Allgemeingültigkeit der Resultate und somit auch eine standardisierte Verwendung der entwickelten Emotionsskala (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel) gewährleistet werden. Darüber hinaus dienen die erhobenen Daten zu der in Kapitel 7.2.6 beschriebenen Überprüfung des erweiterten Emotionsmodells sowie der Untersuchung der diversen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen den marketingrelevanten Emotionen (vgl. auch Punkt 7.2.4).
7.1.2. Erhebungsmethode Bei der Durchführung der Erhebung kam zwei Komponenten besondere Bedeutung zu. Dies war auf der einen Seite die Betrachtungs- bzw. Präsentationsdauer der visuellen Stimuli und auf der anderen Seite die Auswahl der zu beurteilenden Objekte. Beide Punkte sollen im Folgenden detailliert diskutiert werden.
7.1.2.1.
Präsentationsdauer der Stimuli
Die Wichtigkeit der Betrachtungsdauer ergibt sich aus der unterschiedlichen Komplexität von Bildern. Je nachdem wie aufwendig die Erfassung des Reizes ist, muss die Betrachtungszeit angepasst werden (Leven 1986). Es ist unabdingbar, dass der Kerninhalt des Bildes
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
109
aufgenommen werden kann. Dieser soll jedoch nicht durch etwaige Details oder ausschweifende kognitive Verarbeitung bzw. Interpretation verschleiert werden. Als optimale Lösung für dieses Problem stellte sich die Einteilung der Bilder in vier Kategorien heraus, die je nach Komplexitätsgrad variieren. Als grundlegende Kriterien für die Zuordnung der Stimuli dienten folgende Punkte: i Figur/Grund Differenzierung: Hebt sich das Hauptmotiv vom Hintergrund ausreichend ab? Ist der Hintergrund unruhig oder bunt und damit der Inhalt des Bildes insgesamt schwer zu erfassen? i Detail vs. Gesamterfassung: Ist das Hauptmotiv im Zentrum des Bildes oder benötigt man mehrere Fixationen um den eigentlichen Kern zu erfassen? Sind Details wie Mimik, oder Gestik für die Erfassung notwendig? i gedankliche Komplexität: Ist für die Erfassung der Emotion eine kognitive Verarbeitung notwendig? Muss der eigentliche Bildinhalt zuerst übersetzt werden oder ist ein sofortiger Abgleich mit bestehenden Schemata im Gehirn möglich? Der untenstehenden Tabelle 5 kann die vorgenommene Kategorisierung der Stimuli entnommen werden. In dem getesteten Bildersatz entfielen 13 Bilder auf die Stufe 1 mit der kürzesten Präsentationsdauer von 0,5 Sekunden. 41 bzw. 45 Bilder waren den Stufen 2 und 3 zugeordnet mit jeweils 0,75 Sekunden bzw. 1 Sekunde Betrachtungsdauer. Die restlichen 26 Bilder mit 1,25 Sekunden Darbietungszeit bildeten die vierte Stufe. Wie aus der Tabelle leicht ersichtlich ist, entfiel der größte Teil der Bilder auf die mittleren zwei Stufen, da bereits bei der Bildauswahl die Komplexität der einzelnen Reize berücksichtigt wurde. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich dieser Effekt nach der Skalenentwicklung weiter verstärkt hat. Prozentuell gesehen, verbleiben die weniger komplexen Reize vermehrt in der endgültigen Skala. Die Bilder der vierten Stufe mit den längsten Darbietungszeiten von 1,25 Sekunden fallen fast komplett aus dem selektierten Pool heraus, lediglich eines bleibt in der endgültigen Auswahl enthalten.
Tabelle 5: Kategorisierung der verwendeten Bilder - Studie III
Darbietungsdauer: Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4
0,50 Sekunden 0,75 Sekunden 1,00 Sekunden 1,25 Sekunden
Bilderpool:
Selektion:
%-Anteil
13 Bilder 41 Bilder 45 Bilder 26 Bilder
5 Bilder 14 Bilder 14 Bilder 1 Bild
38,5% 34,1% 31,1% 3,8%
110
Emotionen im Marketingkontext
Die tatsächliche Präsentationsdauer der einzelnen Kategorien leitet sich von der durchschnittlich benötigten Zeit zur Fixierung eines bestimmten Bildinhaltes durch das menschliche Auge (Fixation) ab. Die Dauer einer Fixation beträgt laut verschiedenen wissenschaftlichen Studien ca. 0,25 Sekunden (Leven 1991, Kroeber-Riel 1993). Somit entsprechen die verschiedenen Klassen zwischen zwei und fünf unterschiedlichen Bildbestandteilen, die durch den Probanden aufgenommen werden können.
7.1.2.2.
Auswahl der Marken
Der zweite wesentliche Einflussfaktor auf die Ergebnisse von Studie III sind die dem Zuordnungsprozess zugrunde liegenden Marken. Bei deren Auswahl stellten sich zwei Fragen. Zum einen musste das Problem der Zahl der verwendeten Marken und zum anderen der Zusammensetzung des Markenpools gelöst werden.
Studie III – verwendete Marken
Abbildung 30: Verwendete Markenlogos - Studie III
Da für jede Marke eine genügend große Anzahl an Interviews erforderlich war, ergab sich das Ziel, möglichst wenige Marken zu verwenden und dabei gleichzeitig jene für die
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
111
Skalenentwicklung notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen. Es wurde dementsprechend nach Marken gesucht, denen die marketingrelevanten Emotionen (vgl. auch Punkt 6.2) entweder stark, durchschnittlich oder schwach zugeordnet werden. Entsprechend den Ergebnissen der beiden Vorstudien ergab sich die in Abbildung 30 gezeigte Auswahl. Durch die geplante Vorgehensweise bei der Selektion nach den eben genannten Kriterien soll die allgemeine Gültigkeit der Ergebnisse unterstützt und die Übertragbarkeit der Resultate auf beliebige andere Marken gewährleistet werden. Insgesamt kamen in Studie III zwölf Marken zum Einsatz. Für jede Auskunftsperson wurde eine von diesen zufällig ausgewählt und während des kompletten Interviews beibehalten. Aufgrund der großen Stichprobenzahl und der verwenden Zufallswahl konnte eine beinahe gleichmäßige Verteilung der Interviews auf die einzelnen Marken erreicht werden.
7.1.3. Ablauf des Interviews Die Zuordnung der visuellen Emotionsstimuli auf eine spezifisch für den Befragten gewählte Marke stellte den Kern der Studie dar. Als Vorbereitung und Einstieg für diesen Teil wurden zwei Methoden für die Vereinheitlichung der Stimmungslage der Probanden entwickelt: a) Selbstreflexion zur Neutralisation von aktuellen Emotionen b) Erzeugen von einheitlichen emotionalen Stimmungen ad a) Selbstreflexion: Die hinter der Selbstreflexion stehende Idee ist die Bewusstmachung der eigenen aktuellen emotionalen Stimmung in bzw. vor der Befragung. Durch die angesprochene Bewusstmachung soll der Teufelskreis der emotionalen Reaktivität (siehe auch Punkt 3.2.7) durchbrochen werden und dadurch ein automatischer Ausgleich der vorherrschenden Stimmungslage erfolgen. Laut LeDoux (1998) ist eine Neutralisierung von Emotionen nur möglich, wenn es zu einer Störung dieses Kreislaufes kommt. Zu diesem Zweck wurden die Auskunftspersonen in einem ersten Schritt aufgefordert ihr momentanes emotionales Empfinden auf einer neunstufigen Skala entsprechend der vorherrschenden Valenz einzuordnen. Anschließend sollten diese Beurteilungen anhand von konkreten Emotionen zusätzlich präzisiert werden. ad b) Erzeugen von einheitlichen Stimmungen: Nachdem durch den oben beschriebenen Prozess eine erste Neutralisation der Stimmungslage der Auskunftspersonen erfolgte, war beabsichtigt, durch die Vorlage von bewusst ausgewählten emotionalen Stimuli gleichartige Emotionen hervorzurufen und somit eine vergleichbare Ausgangsposition für alle Teilnehmer zu schaffen. Zum Einsatz kamen hierbei
112
Emotionen im Marketingkontext
drei Bilder, die auf sehr einfache Art und Weise eine Auseinandersetzung mit den eigenen latent gespeicherten Emotionen ermöglichten. Neben diesen zwei Punkten zur Kontrolle der Befragungssituation zeigte sich die Gewöhnung der Auskunftspersonen an die Erhebungssituation und im Speziellen an die relativ kurzen Darbietungszeiten als probates Mittel zum Abbau von erwarteten Reaktanzen. Zu diesem Zweck wurden vor der eigentlichen Emotionsmessung zusätzliche Bilder (mit den entsprechenden Präsentationszeiten) gezeigt, die von den Auskunftspersonen beantwortet werden mussten. Durch diesen Vorgang wurden die Befragten sowohl auf die Zuordnung der Bilder als auch auf den Umgang mit Emotionen vorbereitet.
Es wurden von Ende November 2001 bis Jänner 2002 an insgesamt 41 Tagen 2418 Interviews durchgeführt. Dies entspricht einem Schnitt von über 58 Interviews pro Tag. Es wurden hierfür 20 Laptops verwendet, die gemeinsam mehr als 1.400 Stunden im Einsatz standen. Um eine möglichst praxisnahe Durchführung der Studie sicherzustellen, wurden sowohl Inhouse-Befragungen direkt in den Wohnungen der Auskunftspersonen als auch Interviews an verschiedenen fixen öffentlichen Erhebungsstandorten gemacht. Bei den Befragungen an den untenstehenden öffentlichen Samplepoints wurden Befragungsinseln aus mehreren Laptops aufgebaut, um eine effiziente Durchführung zu gewährleisten: i i i i i
WU-Wien (Aula) TU-Wien (Bibliothek) Juridicum (Mensa) Flughafen Wien-Schwechat Sportplätze
Die Interviewdauer betrug in der Regel zwischen 25 und 45 Minuten, je nachdem wie geübt die Auskunftspersonen im Umgang mit Computern waren. Für anfallende Fragen oder Handlingprobleme standen die Interviewer neben ihrer Akquisitionstätigkeit laufend zur Verfügung. Von jedem einzelnen Befragten wurden 125 visuelle Stimuli auf eine für ihn gewählte Marke zugeordnet. Dies ergibt bei 2.400 Interviews in Summe 300.000 Zuordnungen. Für jede der 12 Marken verbleiben somit 25.000 Beurteilungen.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
113
7.2. Ergebnisse Studie III Mittels explorativer Faktorenanalyse (EFA) wurden aus dem Gesamtpool von 125 Bildern 36 herausgefiltert, die in der Skala zur Messung von Emotionen Verwendung finden (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel). Ziel der EFA für die Skalenentwicklung war das Wiedererkennen der geplanten Faktorstruktur (Homburg/Giering 1998). Mit anderen Worten bedeutet dies, dass durch die EFA untersucht wurde, ob und wie gut die, aufgrund der Vorauswahl und des Screeningprozesses, einer Emotion zugeordneten Stimuli identifiziert werden. Dies ist für die Entwicklung insofern von grundlegender Bedeutung, da bei der EFA keine beeinflussenden Hypothesen bzgl. der Faktorstruktur und -zahl getroffen werden. Von den ursprünglich 16 Emotionen (vgl. auch Kapitel 6.2) konnten mit Hilfe einer Serie von explorativen Faktorenanalysen gekoppelt mit der Prüfung der Stichprobenunabhängigkeit nach Rasch schließlich folgende 12 Faktoren (Emotionen)10 abgebildet werden, die jeweils aus drei Messindikatoren (Bildern) bestehen (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel):
1. Freude 2. Akzeptanz/Vertrauen 3. Überraschung 4. Begehren 5. Stolz 6. Liebe 7. Ekel/Abscheu 8. Furcht 9. Ärger 10. Traurigkeit 11. Enttäuschung 12. Langeweile
Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö
positive positive positive positive positive positive negative negative negative negative negative negative
Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö Ö
Primäremotion Primäremotion Primäremotion Sekundäremotion Sekundäremotion Sekundäremotion Primäremotion Primäremotion Primäremotion Primäremotion Sekundäremotion Sekundäremotion
Die Bewertung der gefundenen Faktorstruktur erfolgte anhand konfirmatorischer Faktorenanalysen (CFA)11. In diesem Zusammenhang waren zwei Punkte zu berücksichtigen, die für die Evaluation unabdingbar sind. Einerseits stellte sich die Frage nach dem Zusammenhang 10
11
Keine schlüssigen Ergebnisse zeigte die nonverbale Skalenentwicklung mittels EFA bei den Emotionen Erwartung, Interesse/Neugier, Sorge und Verachtung (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel). Es wurde hierfür sowohl ein Split-Half Design (um Stichprobenüberschneidungen mit der EFA zu verhindern) als auch das gesamten Datenmaterial für die Überprüfung herangezogen, wobei sich in beiden Fällen absolut vergleichbare Resultate ergaben.
114
Emotionen im Marketingkontext
zwischen den ausgewählten Bildern und den dahinter stehenden Emotionen und andererseits nach den Beziehungen der Emotionen zueinander. An dieser Stelle soll vorweg ein kurzer Einblick in die Validierung von Konstrukten und die verschiedenen Teilaspekte von Validität gegeben werden, da diese als übergeordneter theoretischer Denkrahmen für die Beantwortung der obenstehenden Fragen verstanden werden kann.
7.2.1. Validität Die Validität ist neben der Reliabilität (Zuverlässigkeit) die entscheidende Größe für die Qualität von Messmodellen. Sie bestimmt das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen dem Konstrukt und seiner Messoperationalisierung (Peter 1981). Dementsprechend spiegelt die Validität die Gültigkeit der Messung wider, da sie bestimmt, ob tatsächlich die Merkmale des zu messenden Konstrukts erfasst werden (Hildebrandt 1984, 1998). Mit einfachen Worten ausgedrückt, soll durch die Überprüfung der Validität sichergestellt werden, dass auch wirklich das gemessen wird, was gemessen werden soll. Der Zusammenhang zwischen Reliabilität und Validität lässt sich am besten anhand der folgenden Gleichung erklären (Churchill 1987):
XO = XT + XS + XR
XO … observed score XT … true score XS … systematic error XR … random error
Der gemessene Wert (XO) entspricht dem wirklichen Wert (XT) unter Berücksichtigung des systematischen Fehlers (XS), der bei jeder Messung im selben Ausmaß auftritt, sowie des zufälligen Fehlers (XR), der jedes Mal unterschiedlich stark sein kann. Die Reliabilität bezieht sich auf den Zufallsfehler (XR) und besagt, dass eine Messung reliabel ist, wenn dieser ausgeschlossen werden kann (XR = 0). Die Validität erfordert zusätzlich die Ausschaltung des systematischen Fehlers (XS), sodass der Beobachtungswert dem tatsächlichen Ergebnis entspricht (XO = XT). Daraus ergibt sich die Reliabilität als eine von zwei notwendigen Komponenten für die Erfüllung der Validität.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
115
Die Validität wiederum kann anhand verschiedener Kriterien unterteilt werden. Hildebrandt (1984, 1998) unterscheidet drei Punkte: a) Inhaltsvalidität b) Kriteriumsvalidität c) Konstruktvalidität
ad a) Inhaltsvalidität: Die Inhaltsvalidität wird häufig mit Face-Validity gleichgesetzt (Churchill 1987), wobei die Überprüfung in der Regel durch qualitative Analysen erfolgt. Sie bezieht sich nach Bohrnstedt (1977) auf den Grad der Abdeckung des Bedeutungsinhaltes des Konstrukts durch die verwendeten Items. Auf die Inhaltsvaldität soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da diese bereits bei der Auswahl und Vorselektion der Bilder (Studie II) berücksichtigt wurde. ad b) Kriteriumsvalidität: Die Kriteriumsvalidität ist gegeben, wenn die Ergebnisse der Messung stark mit jenen einer Messung eines anderen Konstruktes bzw. Kriteriums korrelieren. Es wird dabei je nach Messzeitpunkt von Konkurrentvalidität (zum selben Zeitpunkt) oder Prognosevalidität (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) gesprochen (Friedrichs 1990). Diesbezüglich sei auf die Arbeit von Bosch (2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Bosch) verwiesen, in der unterschiedliche Erhebungsvarianten gegenübergestellt und analysiert werden. ad c) Konstruktvalidität: Die Idee der Konstruktvalidität geht in die 50er Jahre zurück und stammt von Cronbach und Meehl (1955). Sie umfasst drei Komponenten, die im Detail sowohl theoretisch erläutert als auch empirisch am vorliegenden Beispiel angewendet werden sollen: Konvergenzvalidität (siehe Punkt 7.2.3) “Convergent validity is the degree to which two or more attempts to measure the same concept are in agreement“ (Bagozzi/Phillips 1982, Seite 468). Dementsprechend ist es notwendig, dass die Indikatoren eines Faktors untereinander eine genügend starke Beziehung zueinander aufweisen. Diskriminanzvalidität (siehe Punkt 7.2.4) “Discriminant validity is the degree to which measures of distinct concepts differ“ (Bagozzi/Phillips 1982, Seite 469). Dies bedeutet, dass der Zusammenhalt zwischen Indikatoren, die einen Faktor messen, stärker sein muss als zwischen Indikatoren, die verschiedenen Faktoren zugeordnet sind.
116
Emotionen im Marketingkontext
Nomologische Validität (siehe Punkt 7.2.6) “Nomological validity represents the degree to which predictions based on a concept are confirmed within the context of a larger theory” (Bagozzi 1979, Seite 14). Durch die Einbindung des Konstruktes in eine übergeordnete Theorie soll überprüft werden, ob die postulierten Zusammenhänge auch tatsächlich vorhanden sind.
Konzeptualisierung und Validierung von Konstrukten
Messindikatoren İ1
y1
İ2
y2
İ3
Ȝ11 Ȝ12 Ȝ13
Faktor 1 Ș1
y3
İ4
y4
İ5
y5
İ6
y6
İ7
y7
İ8
y8
İ9
y9
Konstrukt
Faktoren
Ȗ1 Ȝ21 Ȝ22 Ȝ23
Ȗ2 Faktor 2 Ș2
Konstrukt 1 ȟ Ȗ3
Ȝ31 Ȝ32 Ȝ33
Faktor 3 Ș3
Konvergenzvalidität Diskriminanzvalidität
Abbildung 31: Konzeptualisierung und Validierung von Konstrukten
In Abbildung 31 ist als graphische Veranschaulichung der Konvergenz- bzw. Diskriminanzvalidität ein Konstrukt bestehend aus drei Faktoren mit jeweils wiederum drei reflektiven Indikatoren dargestellt. Reflektive Indikatoren (reflective indicators; effects) werden im Gegensatz zu formativen Indikatoren (formative/induced indicators, causes) durch die jeweiligen Faktoren bestimmt (Bagozzi 1979, Bollen 1989). Dies bedeutet, dass sie als Messungen des Faktors betrachtet werden und in der Regel einen (Mess)-Fehler (İ) beinhalten (Hunt 1991). Die Richtung der Pfeile symbolisiert den Wirkungszusammenhang zwischen den verschiedenen Variablen (Hildebrandt 1983, Backhaus et al. 2000). Die Konvergenzvalidität wird am Beispiel von Faktor 1 dargestellt und bezieht sich im Konkreten auf die Koeffizienten Ȝ11 bis Ȝ13. Die Diskriminanzvalidität ergibt sich hingegen
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
117
aus der Zuordnung der einzelnen Indikatoren (y1 bis y3) zu ihrem jeweiligen Faktor (Ș2) und der Abgrenzung gegenüber anderen Faktoren (Ș3). Nach der theoretischen Beschreibung der verschiedenen Teilaspekte von Validität folgen nun einige wenige Worte zur grundsätzlichen Vorgehensweise bei der Validierung von Konstrukten. In den letzten Jahren hat sich die Kausalanalyse (SEM) als beste Methode der Validierung durchgesetzt (Homburg/Hildebrandt 1998). Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts waren noch korrelative Techniken (Verfahren der ersten Generation) vorherrschend. Seit der Durchdringung des wissenschaftlichen Bereichs mit SEM-Software übernehmen jedoch kausalanalytische Ansätze der zweiten Generation diese Position (Homburg 1995). Eine Metastudie von Baumgartner und Homburg (1996) belegt, dass sich beinahe 50% aller kausalanalytischen Publikationen in internationalen Marketingzeitschriften auf diesen Themenkomplex konzentriert. Zur Anwendung kommen hierbei nicht vollständige LISRELModelle, sondern lediglich die als konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) Verwendung findenden exogenen Messmodelle. In Folge soll anhand der ausgehenden Fragestellungen auf die empirische Beschreibung mittels CFA eingegangen werden. Hierzu erscheint eine kurze Einleitung in das allgemeine Thema des Structural Equation Modeling (SEM) sinnvoll, da „CFA is one type of latent variable structural equation model“ (Maruyama 1998, Seite 131).
7.2.2. Structural Equation Modeling Das Structural Equation Modeling wird entsprechend der verschiedenen Ansatz- und Ausgangspunkte auch als Kausalanalyse, Kovarianz-Strukturanalyse oder als LISREL-Ansatz (Linear Structural Relations) bezeichnet (Homburg/Hildebrandt 1998). Es zählt neben anderen zu den multivariaten Analyseverfahren der zweiten Generation (Homburg 1989). Unter diesen nimmt das SEM laut Bagozzi und Yi (1994) eine Sonderstellung ein, weil beinahe alle anderen Methoden daraus abgeleitet werden können. Die Grundlage des SEM sind Varianzen und Kovarianzen mit deren Hilfe theoretische Strukturen getestet werden. Mit anderen Worten wird überprüft, ob das hypothetische Modell die Kovarianzen angemessen reproduzieren kann (Homburg/Hildebrandt 1998). Die Besonderheit liegt in der Möglichkeit, sowohl manifeste (beobachtete) als auch latente (nicht beobachtete) Variablen zu berücksichtigen (Homburg 1989). Das Structural Equation Modeling entwickelte sich im Laufe der 60er Jahre aus der Synthese von drei bis zu dieser Zeit unabhängigen Analysemethoden (Homburg 1989):
118
Emotionen im Marketingkontext
i Faktorenanalyse i Strukturgleichungsanalyse i Pfadanalyse Jede dieser Methoden hatte ihren Ursprung in verschiedenen Forschungsdisziplinen. So stammt die Faktorenanalyse aus der Psychometrie und geht auf Arbeiten von Spearman (1904) zurück. Sie hatte zu Beginn einen rein explorativen Charakter und entwickelte sich erst nach dem zweiten Weltkrieg vor allem durch Thurstone (1944, 1947) auch zu einer konfirmatorischen Analysemethode. Damit war es das erste Mal möglich, latente Variablen durch beobachtbare Indikatoren abzubilden (Long 1983). Die in Folge wichtigste Weiterentwicklung war die Einführung der Maximum-Likelihood Schätzmethode durch Jöreskog (1967, 1969). Nach der Zusammenführung der Faktorenanalyse mit der in der Ökonometrie Verwendung findenden Strukturgleichungsanalyse und der vor allem in der amerikanischen Literatur betonten Pfadanalyse aus der Biometrie (Bollen 1989, Maruyama 1998) war es wiederum Jöreskog (1973), der durch das erste Computerprogramm zur Schätzung von Kausalmodellen (LISREL) einen Meilenstein setzte. Durch die Vereinigung dieser drei Methoden und der anschließenden Entwicklung eines entsprechenden Softwareprogramms zur praktischen Anwendung ergab sich das noch heute weitgehend gültige Bild des SEM, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist (Häubl 1995): i Faktorenanalyse i Strukturgleichungsanalyse i Pfadanalyse
Ö Ö Ö
Verwendung von latenten Variablen Modellierung von komplexen Zusammenhängen graphische Darstellung von kausalen Beziehungen
Zur Berechnung von Structural Equation Models bzw. von Kausalanalysen hat sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts der LISREL-Ansatz in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften durchgesetzt (Homburg/Hildebrandt 1998). Dieser ist eine Weiterentwicklung der bereits angesprochenen Maximum-Likelihood Schätzmethode und setzt sich aus den in Abbildung 32 dargestellten drei Teilen zusammen.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
119
LISREL-Modell
y = ȁy Ș + İ
Ǻ ȁX į
exogenes Faktormodell:
ȗ
ī ȟ
X
endogenes Faktormodell
ȁY Ș
Y
İ
x = ȁx ȟ + į
Strukturmodell: Ș=īȟ+ǺȘ+ȗ
nach Homburg/Hildebrandt 1998 Abbildung 32: Darstellung des vollständigen LISREL-Modells nach Homburg/Hildebrandt 1998
Im Konkreten handelt es sich dabei um jeweils ein exogenes und endogenes Messmodell sowie ein Strukturmodell, welches die kausalen Beziehungen zwischen den latenten Konstrukten beinhaltet (Bollen 1989, Jöreskog/Sörbom 1989). Die konfirmatorische Faktorenanalyse ist ein Teilaspekt des allgemeinen LISREL-Modells und umfasst nur das exogene Messmodell (Schumacker/Lomax 1996, Homburg/Giering 1998). Dabei bezeichnet ȁ die Faktorladung also die Stärke der Beziehung zwischen dem latenten Konstrukt (Emotion; ȟ) und den einzelnen Messindikatoren (Bilder; x). Die Faktorladung (ȁ) kann auch als Regressionskoeffizient für die Effekte der latenten Variablen (ȟ) auf die beobachteten Variablen (x) interpretiert werden (Bollen 1989). Diese sind wiederum mit Messfehlern (į) behaftet, welche die Qualität des jeweiligen Indikators bestimmen, wobei jedoch nicht zwischen systematischen und zufälligen Fehlern differenziert wird (Jöreskog/Sörbom 1989, Homburg/Giering 1998). In Abbildung 32 sind sowohl die Gleichungen zur Beschreibung der Teilmodelle angeführt als auch die graphische Darstellung mittels Pfaddiagramm angedeutet (vgl. Abbildungen 58 und 59). Bei der Erstellung von graphischen Modellen gibt es eine Reihe von Regeln, die im Folgenden erläutert werden (Bollen 1989, Jöreskog/Sörbom 1989):
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i i i i i
Emotionen im Marketingkontext
latente Konstrukte werden als Kreise bzw. Ellipsen dargestellt Indikatorvariablen werden mittels Rechtecken oder Quadraten symbolisiert kausale Beziehungen zwischen Variablen werden durch die Pfeilrichtung verdeutlicht Fehlervariablen werden ebenfalls durch Pfeile angezeigt nicht kausal interpretierbare Korrelation werden als gekrümmte Doppelpfeile gezeichnet
Zum besseren Verständnis der Gleichungen sowie der Abbildungen werden zusätzlich die verschiedenen Arten von Variablen und Koeffizienten, die im vollständigen LISREL-Modell zur Anwendung kommen, in tabellarischer Form angeführt und erklärt.
Tabelle 6: Variablen und Koeffizienten im LISREL-Modell
Symbol ȟ Ș x
Name
Typ
Erklärung
Ksi Eta
Variable Variable Variable
latente exogene Variable latente endogene Variable Indikator (Messvariable) der latenten exogenen Variable Indikator (Messvariable) der latenten endogenen Variable Messfehler der Indikatorvariable x Messfehler der Indikatorvariable y Fehler der latenten endogenen Variable Effekt (Faktorladung) zwischen ȟ und x Effekt (Faktorladung) zwischen Ș und y postulierte kausale Beziehung zwischen Ș postulierte kausale Beziehung zwischen ȟ und Ș
y į İ ȗ ȁx ȁy Ǻ ī
Variable Delta Epsilon Zeta Lambda x Lambda y Beta Gamma
Variable Variable Variable Koeffizient Koeffizient Koeffizient Koeffizient
Eine erwähnenswerte weiterführende Entwicklung des SEM erfolgte Ende der 90er Jahre durch Bengt und Linda Muthén, die das sowohl unter Windows als auch MS-DOS einsetzbare Pogramm Mplus schufen. Der Vorteil von Mplus liegt vor allem in der Möglichkeit, nicht nur metrische Daten, sondern auch nominale und ordinale Variablen verarbeiten zu können. Darüber hinaus steht neben einer Vielzahl von bekannten Schätzverfahren auch ein spezielles für die Behandlung von kategorialen Daten zur Verfügung, welches bereits bei relativ geringen Stichprobengrößen verlässliche Ergebnisse generiert (Weber 2001). Damit wurden noch unter LISREL bestehende Einschränkungen für die Nutzung des SEM überwunden und eine Reihe von neuen Anwendungsgebieten erschlossen.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
121
7.2.3. Zusammenhang zwischen Bildern und Emotionen - Konvergenzvalidität Für die Überprüfung der Konvergenzvalidität bzw. des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Bildern und den dahinter stehenden Emotionen (Hypothese 5) bedeutet die Anwendung der Kausalanalyse oder im Konkreten der konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA), dass die Faktorladungen der einzelnen Indikatoren (Bilder) ausreichend stark ausgeprägt sein müssen. Die Nullhypothese geht in der Grundgesamtheit von einem Koeffizienten (ȁx) mit dem Wert Null aus. Dementsprechend erfolgt die Prüfung mittels t-Test in Bezug auf eine signifikante Abweichung der entsprechenden Faktorladungen von Null (Signifikanztest der Faktorladungen). Laut Jöreskog und Sörbom (1989, Seite 89) werden „parameters whose t-values are larger than two in magnitude judged to be different from zero”. Bei der Annahme eines einseitigen Tests ergibt sich bei einem Signifikanzniveau von 5% ein Prüfwert (t-Wert) von exakt 1,645. Diesen Wert erhält man mittels Division des geschätzten Parameters durch dessen Standardfehler. Zur empirischen Prüfung der Konvergenzvalidität wurden für jeden der 12 Faktoren eine gesonderte CFA gerechnet deren Ergebnisse für die positiven Emotionen in Abbildung 33 und für die negativen Emotionen in Darstellung Abbildung 34 zu finden sind. Angeführt werden jeweils die Faktorladungen sowie die entsprechenden t-Werte, die alle deutlich über dem geforderten Grenzwert von 1,645 liegen. Die Schätzungen der CFA wurden mit den Softwarepaketen LISREL 8.3 (Jöreskog/Sörbom 1989, du Toit et al. 1999) sowie Mx 32 (Neale et al. 1999) vorgenommen. Die empirischen Daten wurden vorab mittels Missing-Value-Analysis (MVA) in SPSS zu Kovarianzmatrizen aufbereitet. Grundsätzlich besteht bei beiden Computerprogrammen die Möglichkeit, verschiedene Inputformate zu verarbeiten. Die am häufigsten verwendeten Formate sind Kovarianz- und Korrelationsmatrizen (Häubl 1995). Der Vorzug wurde den Kovarianzen gegeben, da diese im Gegensatz zu den Korrelationen keinen Informationsverlust nach sich ziehen und somit Beeinträchtigungen bei der Berechnung der F2-Werte ausschließen (Hayduk 1987). Als Schätzverfahren wurde die Maximum-Likelihood-Methode eingesetzt, da diese eine Reihe von Vorteilen für diesen spezifischen Fall aufweist und darüber hinaus das weitaus am häufigsten verwendete Verfahren darstellt (Bollen 1989). So gilt die Schätzung mittels Maximum-Likelihood als sehr stabil in Bezug auf Verletzungen der Normalverteilung bei den zugrunde liegenden Variablen (Browne 1987) und bei der Verwendung von quasi intervallskalierten Daten aufgrund von Ratingskalen (Olsson 1979), wie es in Studie III der Fall war.
122
Emotionen im Marketingkontext
Messindikatoren der positiven Emotionen Ȝx1 = 0,80
Ȝx2 = 0,71
Ȝx3 = 0,77
tx1 = 58,67
tx2 = 54,51
tx3 = 57,24
Ȝx1 = 0,75
Ȝx2 = 0,77
Ȝx3 = 0,83
tx1 = 59,10
tx2 = 59,95
tx3 = 61,95
Ȝx1 = 0,78
Ȝx2 = 0,79
Ȝx3 = 0,81
tx1 = 61,66
tx2 = 62,62
tx3 = 63,06
Ȝx1 = 0,80
Ȝx2 = 0,86
Ȝx3 = 0,86
tx1 = 75,06
tx2 = 77,14
tx3 = 78,20
Ȝx1 = 0,71
Ȝx2 = 0,71
Ȝx3 = 0,66
tx1 = 46,82
tx2 = 46,83
tx3 = 45,13
Ȝx1 = 0,78
Ȝx2 = 0,80
Ȝx3 = 0,81
tx1 = 64,37
tx2 = 65,07
tx3 = 65,13
Freude
Akzeptanz/ Vertrauen
Überraschung
Begehren
Stolz
Liebe
Abbildung 33: Messindikatoren der positiven Emotionen
Messindikatoren der negativen Emotionen Ȝx1 = 0,85
Ȝx2 = 0,73
Ȝx3 = 0,81
tx1 = 65,77
tx2 = 60,37
tx3 = 64,07
Ȝx1 = 0,74
Ȝx2 = 0,78
Ȝx3 = 0,84
tx1 = 61,49
tx2 = 62,78
tx3 = 65,93
Ȝx1 = 0,71
Ȝx2 = 0,66
Ȝx3 = 0,65
tx1 = 44,01
tx2 = 42,82
tx3 = 42,50
Ȝx1 = 0,83
Ȝx2 = 0,82
Ȝx3 = 0,76
tx1 = 69,09
tx2 = 67,56
tx3 = 64,75
Ȝx1 = 0,73
Ȝx2 = 0,72
Ȝx3 = 0,63
tx1 = 47,06
tx2 = 46,72
tx3 = 44,06
Ȝx1 = 0,68
Ȝx2 = 0,67
Ȝx3 = 0,70
tx1 = 43,94
tx2 = 43,91
tx3 = 44,94
Abbildung 34: Messindikatoren der negativen Emotionen
Ekel/Abscheu
Angst
Ärger
Traurigkeit
Enttäuschung
Langeweile
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
123
Die Definition der Skalierung der latenten Variablen erfolgte über die Fixierung eines Messparameters auf Eins. Der Vorteil dieser Vorgehensweise gegenüber der Standardisierung (Fixierung der Varianz auf den Wert Eins) liegt laut Jöreskog und Sörbom (1989) in der Eindeutigkeit der Lösung sowie der Gleichsetzung der für das latente Konstrukt relevanten Skala mit jener des fixierten Messindikators. Entsprechend können die unstandardisierten Parameter als die Veränderung der abhängigen Variablen bei Veränderung der unabhängigen Variablen um den Wert Eins interpretiert werden (Hayduk 1987). Um für alle drei als Messindikatoren verwendeten Bilder von Eins unterschiedliche Koeffizienten zu erhalten, wurde eine zusätzliche Indikatorvariable aus dem Mittelwert der drei anderen geschaffen und diese zum Zweck der Skalierung auf Eins fixiert. Nebeneffekt dieser Methode war der Erhalt von individuellen Fitwerten für jedes der Modelle. Bei einfachen Messmodellen mit nur drei Indikatoren ergibt sich ansonsten eine saturierte Lösung mit perfektem Fit. Die Relationen zwischen den Faktorladungen der drei Bilder sind jedoch sowohl bei Verwendung von nur drei Indikatoren als auch beim Einsatz von vier Messvariablen absolut stabil. In einigen Fällen war die zu analysierende Kovarianzmatrix nicht auf Anhieb invertierbar (positive definite), was LISREL selbstständig durch Anwendung der ridge option (RO) löst. Dabei wird den Diagonalelementen der Kovarianzmatrix eine Konstante (c) hinzuaddiert. Ausgangswert der sogenannten Ridge-Konstanten ist 0,001, wobei diese gegebenenfalls kontinuierlich durch die Multiplikation mit 10 erhöht wird (Jöreskog/Sörbom 1989). Wie aus den Ergebnissen in Abbildung 33 und Abbildung 34 klar hervorgeht, kann die Konvergenz-validität für alle Messindikatoren eindeutig bestätigt werden. Die Faktorladungen (ȁ) mit durchgehenden Werten deutlich über 0,6 bestätigen diese ebenso wie die in allen Fällen hoch signifikanten Ergebnisse der t-Tests. Somit ist der in Hypothese 5 postulierte Zusammenhang zwischen den ausgewählten Bildern und den jeweiligen dahinter stehenden Emotionen statistisch einwandfrei bewiesen.
7.2.4. Zusammenhang zwischen den einzelnen Emotionen - Diskriminanzvalidität Nachdem im vorigen Punkt der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bildern und den latenten Konstrukten beleuchtet wurde, stehen nun diese Emotionen im Mittelpunkt der Betrachtung. Von Interesse ist hierbei laut Hypothese 6 die Frage, wie exakt sich die verschiedenen diskreten Emotionen voneinander differenzieren lassen. Zur Analyse der Diskriminanzvalidität (Hypothese 6) stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung, die sich stark in ihrem Anspruchsniveau unterscheiden (Homburg/Giering 1998):
124
Emotionen im Marketingkontext
a) F2-Differenztest b) Fornell/Larcker-Kriterium ad a) F2-Differenztest: Beim F2-Differenztest wird der F2-Wert des zu analysierenden Modells mit jenem eines Testmodells bzgl. signifikanter Unterschiede verglichen. Das Testmodell entspricht dem ursprünglichen Modell, mit der Ausnahme, dass die Korrelation zwischen jeweils zwei Faktoren auf Eins fixiert wird. Hierdurch wird im Testmodell unterstellt, dass beide Faktoren (z.B.: Freude und Akzeptanz) dasselbe messen und nicht stark genug diskriminieren. Der sich durch die Fixierung der Korrelation ergebende F2-Wert sollte zwangsläufig größer sein, da davon ausgegangen wird, dass die Anpassung des Modells aufgrund der Restriktion verschlechtert wird. Bei einem Freiheitsgrad ergibt ein F2-Unterschied von mehr als 3,841 bei einem Signifikanzniveau von 5% ein signifikantes Ergebnis. Die Nullhypothese lautet somit, dass beide Faktoren dasselbe messen bzw. dass sich die Korrelation zwischen den Faktoren nicht von Eins unterscheidet. Diese wird bestätigt, wenn sich die Anpassungsgüte des Modells durch die zusätzliche Restriktion nicht signifikant verschlechtert. Anderenfalls erfolgt die Bestätigung der Unabhängigkeit der geprüften latenten Konstrukte. ad b) Fornell/Larcker-Kriterium: Das Fornell/Larcker-Kriterium stellt ein wesentlich strengeres Kriterium zur Beurteilung der Diskriminanzvalidität als der F2-Differenztest dar. Fornell und Larcker (1981) fordern, dass die durchschnittlich erfasste Varianz eines Faktors größer als jede quadrierte Korrelation dieses Faktors mit einem anderen Faktor ist. Für die Berechnung der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) des Faktors ȟj ergibt sich folgende Formel: k
¦ Ȝij2 ĭjj i=1
DEV (ȟj) = k
k
i=1
i=1
¦ Ȝij2 ĭjj + ¦ ĭjj
Beide Analysemethoden wurden jeweils für das Drei- bzw. Vier-Faktor-Modell der positiven und negativen Basisemotionen sowie für die erweiterten Sechs-Faktor-Modelle mit den Sekundäremotionen angewendet.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
125
Zum besseren Verständnis der verschiedenen analysierten Faktor-Modelle sind diese in Abbildung 35 im Überblick dargestellt. Es wurden die einzelnen Modelle jeweils getrennt nach positiven und negativen Emotionen berechnet, um die Qualität der Ergebnisse durch die Polarität der Emotionen nicht zu beeinflussen. Zusätzlich zu den oben erwähnten Basis- und Sekundäremotionsmodellen wurden auch zwei weitere Modelle mit einer rein dimensionalen Aufteilung der Emotionen berücksichtigt (vgl. auch Punkt 7.2.5).
Übersicht der Faktor-Modelle Zahl der Faktoren Ein-Faktor Modell:
Drei-Faktor Modell:
Sechs-Faktor Modell:
positive Wahrnehmung
- Freude - Akzeptanz - Überraschung
- Freude - Akzeptanz - Überraschung - Begehren - Stolz - Liebe
Ein-Faktor Modell:
Vier-Faktor Modell:
Sechs-Faktor Modell:
negative Wahrnehmung
- Ekel/Abscheu - Furcht - Ärger - Traurigkeit
- Ekel/Abscheu - Furcht - Ärger - Traurigkeit - Enttäuschung - Langeweile
positive Emotionen
negative Emotionen
Abbildung 35: Übersicht der analysierten Faktor-Modelle
Bei den positiven Emotionen wird laut F2-Differenztest die Diskriminanzvalidität aller Faktoren sowohl für das Drei-Faktor-Modell als auch für das Sechs-Faktor-Modell bestätigt. Die entsprechenden Ergebnisse unter Berücksichtigung der Sekundäremotionen sind in Tabelle 7 dargestellt. Im Vergleich zum F2-Wert des Ausgangsmodells (vgl. Abbildung 36) von 1210,60 zeigen alle Testmodelle eine signifikant schlechtere Anpassung. Die Werte liegen im Bereich von 1344,98 bei der Fixierung der Korrelation zwischen Freude und Liebe sowie 2873,85 bei Akzeptanz/Vertrauen und Begehren.
126
Emotionen im Marketingkontext
Sechs-Faktor-Modell für positive Emotionen 1,95
x1 Nr. 96
1,10
x2 Nr. 97
1,13
x3 Nr. 111
1,36
x4 Nr. 36
1,09 1,31 1,26
Freude Ș1 0,46
0,95 1,42
x5 Nr. 38
1,32 1,55 1,45
x6 Nr. 39
1,39
x7 Nr. 19
1,05
x8 Nr. 81
1,12
x9 Nr. 88
1,26
x10 Nr. 55
1,00
x11 Nr. 60
1,24
x12 Nr. 65
0,68
Akzeptanz/ Vertrauen Ș2
0,86 0,67
1,28 0,87 1,11
0,37
Überraschung Ș3
0,77
1,07 1,22 1,34
Begehren Ș4
x13 Nr. 49
2,14
x14 Nr. 52
1,35
x15 Nr. 53
1,40
x16 Nr. 33
1,09
x17 Nr. 34
0,99
x18 Nr. 68
0,68
0,72
Fitwerte: 0,58
1,24
0,88
0,54
0,54
0,70
1,11 1,27
Stolz Ș5
1,33
RMSEA = 0,064 GFI = 0,94 AGFI = 0,92 NFI = 0,94 CFI = 0,95
0,80
0,60
1,13 1,29
Liebe Ș6
1,30
F2 (df=120) = 1210,60
n = 2400
Abbildung 36: Sechs-Faktor-Modell für positive Emotionen
Tabelle 7: F2-Differenztest für positive Emotionen
F2-Differenztest Freude Freude Akzeptanz Überraschung Begehren Stolz Liebe
2488,03 1827,46 1422,99 1462,98 1344,98
Akzeptanz Überraschung Begehren
1965,70 2873,85 1894,47 1922,35
2496,00 1581,81 1862,09
1908,50 1653,39
Stolz
Liebe
1810,47
Für die Berechnung der konfirmatorischen Faktorenanalysen zur Überprüfung des F2Differenztests wurde im Gegensatz zu den in Punkt 7.2.3 beschriebenen Einzelmodellen aufgrund der spezifischen Ausgangsposition die standardisierte Berechnung der Faktorladungen gewählt. Dementsprechend erfolgte die Festlegung der Maßeinheit durch die Fixierung der Varianz des Konstruktes auf den Wert Eins (Bollen 1989).
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
127
Wenn die Anpassungsgüte des Modells als Grundlage für den F2-Differenztest betrachtet wird, erscheint der erzielte F2-Fit von 1210,60 bei den positiven Emotionen auf den ersten Blick relativ schlecht. Auch unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade (F2 / df) ergibt sich ein Wert von ca. Zehn, der deutlich über dem geforderten Anspruchsniveau ( 3) liegt (Homburg/Giering 1998). Es müssen aber an dieser Stelle zwei weitere Punkte berücksichtigt werden. Zum einen gibt es Studien, die den Anstieg des F2-Wertes in Abhängigkeit von der Stichprobengröße belegen (Backhaus et al. 2000), und zum anderen entsprechen die weiteren Gütemaße (siehe Abbildung 36) den jeweiligen Anspruchsniveaus. In Tabelle 8 sind die einzelnen Ergebnisse sowohl für die positiven als auch für die negativen Emotionen im Vergleich mit den jeweiligen Anforderungen dargestellt. Detaillierte Informationen zu den verschiedenen statistischen Anpassungsmaßen sind unter anderem bei Jöreskog/Sörbom 1994, Häubl 1995, Schumacker/Lomax 1996, Homburg/Baumgartner 1998, Backhaus et al. 2000, Weber 2001 und Grögler/Knapp 2002 zu finden.
Tabelle 8: Gütekriterien zur Beurteilung von Messmodellen
Anpassungsmaß F2 / df RMSEA GFI AGFI NFI CFI
Anspruchsniveau 3 0,08 > 0,09 0,09 0,09 0,09
positive Emotionen 10,09 0,064 0,94 0,92 0,94 0,95
negative Emotionen 6,99 0,051 0,96 0,94 0,95 0,96
Der F2-Wert für die negativen Emotionen ist mit 838,94 deutlich besser, auch wenn er das entsprechende Fit-Kriterium nicht ganz erfüllt. Aus diesem Grund wurde das Modell zusätzlich mit verschiedenen Teilstichproben gerechnet. Dabei konnte gezeigt werden, dass für einzelne Marken (z.B.: Aeroflot und Ferrari) und der dadurch geringeren Stichprobengröße (n = 200) zufriedenstellende F2-Werte erreicht werden. Auch bei den negativen Emotionen wird durch die F2-Differenztests die Diskriminanzvalidität aller Faktoren bestätigt. Die Unterschiede (siehe Tabelle 9) zum nicht restringierten SechsFaktor-Modell (siehe Abbildung 37) liegen zwischen 58,54 (Ärger/Enttäuschung) und 1170,43 (Ekel/Traurigkeit). Erwartungsgemäß kann das Ergebnis des Sechs-Faktor-Modells auch bei Konzentration auf die vier Basisemotionen bestätigt werden.
128
Emotionen im Marketingkontext
Sechs-Faktor-Modell für negative Emotionen 1,15
x1 Nr. 190
1,01
x2 Nr. 194
1,14
x3 Nr. 195
1,07
x4 Nr. 245
1,30 1,09 1,22
Ekel/Abscheu Ș1 0,79
1,16 1,28
x5 Nr. 247
1,15 0,67
1,20
Angst Ș2
1,27
x6 Nr. 254
1,84
x7 Nr. 173
1,18
x8 Nr. 179
1,13
x9 Nr. 180
1,10
x10 Nr. 211
1,08
x11 Nr. 213
1,05
x12 Nr. 217
0,57 0,74
0,84 0,52
1,05
Ärger Ș3
1,04
0,56
1,27 1,25 1,14
Traurigkeit Ș4
x13 Nr. 150
1,37
x14 Nr. 158
1,49
x15 Nr. 227
1,33
x16 Nr. 161
1,18
x17 Nr. 162
1,08
x18 Nr. 166
0,39
0,88
Fitwerte: 0,61
1,08
0,57
0,56
0,55
0,70
1,20 1,06 0,76
Enttäuschung Ș5
RMSEA = 0,051 GFI = 0,96 AGFI = 0,94 NFI = 0,95 CFI = 0,96
0,64
0,70
0,85 0,93 1,03
F2 (df=120) = 838,94
Langeweile Ș6
n = 2400
Abbildung 37: Sechs-Faktor-Modell für negative Emotionen
Tabelle 9: F2-Differenztest für negative Emotionen
F2-Differenztest Ekel/ Abscheu Ekel/Abscheu Furcht Ärger Traurigkeit Enttäuschung Langeweile
1194,60 1258,49 2009,37 1540,99 1435,79
Furcht
Ärger
1122,97 2111,62 1524,40 1695,92
1483,25 897,48 1099,74
Traurigkeit
Enttäuschung
1444,09 1319,80
1092,54
Langeweile
Mit dem strengeren Kriterium nach Fornell/Larcker (1981) ergibt sich ein deutlich differenzierteres Bild. Bei den positiven Emotionen kann das Drei-Faktor-Modell der Basisemotionen vollständig bestätigt werden. Im Sechs-Faktor-Modell müssen hingegen die Ergebnisse genauer analysiert werden, um eine gültige Interpretation zu treffen (siehe Tabelle 10).
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
129
Es stellt sich heraus, dass vor allem der Faktor Freude mit den Sekundäremotionen Begehren, Stolz und Liebe korreliert. Darüber hinaus zeigen auch die Sekundäremotionen untereinander teilweise erhebliche Zusammenhänge. So ergeben sich bei den quadrierten Korrelationen zwischen Liebe und Begehren sowie Überraschung und Stolz (fett markiert) höhere Werte als bei der durchschnittlich erfassten Varianz.
Tabelle 10: Fornell/Larcker-Kriterium für positive Emotionen
Fornell/LarckerKriterium DEV Freude Akzeptanz Überraschung Begehren Stolz Liebe
Freude 0,51
0,21 0,46 0,74 0,59 0,77
Akzeptanz Überraschung Begehren 0,55 0,56 0,64
0,45 0,14 0,29 0,46
0,29 0,52 0,49
0,34 0,64
Stolz 0,43
Liebe 0,57
0,36
Bei den negativen Emotionen stellt sich das Ergebnis etwas komplexer dar. Hier deutet die Überprüfung der Diskriminanzvalidität anhand des Fornell/Larcker-Kriteriums bereits bei den Basisemotionen (Vier-Faktor-Modell) auf erste Problempunkte hin. So sind diese vor allem bei den Basisemotionen Ärger aber auch bei Ekel/Abscheu festzustellen. Darüber hinaus zeigen sich beim Sechs-Faktor-Modell starke Korrelationen zwischen den Sekundäremotionen Enttäuschung und Langeweile, die auch jeweils im Bezug auf Ärger die vorgegebenen Kriterien nicht erfüllen können (siehe folgende Tabelle).
130
Emotionen im Marketingkontext
Tabelle 11: Fornell/Larcker-Kriterium für negative Emotionen
Fornell/LarckerKriterium Ekel/ Abscheu DEV 0,57 Ekel/Abscheu Furcht Ärger Traurigkeit Enttäuschung Langeweile
0,62 0,45 0,32 0,31 0,32
Furcht
Ärger
0,55
0,41
0,55 0,27 0,31 0,15
0,30 0,77 0,49
Traurigkeit 0,58
0,37 0,41
Enttäuschung 0,44
Langeweile 0,42
0,49
Die teilweise relativ starken Korrelationen zwischen einzelnen Sekundäremotionen und Basisemotionen weisen auf die gegenseitige Nähe dieser Emotionen hin. Wenn man sich die in Punkt 3.4 beschriebene Erklärung der Sekundäremotionen vor Augen hält, überraschen die oben dargestellten Ergebnisse in keiner Weise. Speziell bei den positiven Emotionen wird sehr deutlich sichtbar, dass unter Anwendung eines strengen Prüfkriteriums gerade jene Emotionen herausstechen, die aufgrund theoretischer Überlegungen als gegenseitig abhängig bzw. verwandt beschrieben wurden. So gelten laut Plutchik (1962, 1980) sowohl Liebe als auch Stolz als Dyaden der Emotion Freude. Etwas anders stellt sich die Situation bei den negativen Emotionen dar. Hier scheint vor allem der Faktor Ärger ein Naheverhältnis zu den anderen Emotionen zu besitzen. In diesem Fall ist sicherlich zu diskutieren, ob Ärger in der praktischen Anwendung als eigenständige Emotion gemessen werden soll und kann. Unter Berücksichtigung der verschiedenen dargestellten Ergebnisse ergibt sich für die Beantwortung von Hypothese 6 eine starke Abhängigkeit vom Prüfkriterium. Die Frage, ob visuelle Stimuli im Zusammenhang mit der Beurteilung von Marken in der Lage sind, zwischen diskreten Emotionen zu diskriminieren, kann somit nicht eindeutig geklärt werden. Bei Anwendung des strengeren Fornell/Larcker-Kriteriums muss im Unterschied zum F2Differenztest die Hypothese für einzelne Emotionen verworfen werden.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
131
7.2.5. Diskrete Emotionen vs. dimensionale Ansätze Bezugnehmend auf die Hypothese 7 wurde in diesem Punkt die Verwendung diskreter Emotionen bei der Abbildung von Marken im Vergleich zu dimensionalen (positiven/ negativen) Ansätzen untersucht. Das definierte Ziel bestand in diesem Zusammenhang darin, die Frage zu klären, ob durch die Berücksichtigung von verschiedenen Emotionen die zu messenden Objekte besser abgebildet werden können. Zu diesem Zweck wurden sowohl für die positiven als auch negativen Emotionen zusätzlich zu den bereits erwähnten Drei- bzw. Vier-Faktor-Modellen auch Ein-Faktor-Modelle (vgl. auch Abbildung 35) gerechnet und deren F2-Werte bzgl. signifikanter Unterschiede überprüft. Dabei ist festzustellen, dass aufgrund der empirischen Ergebnisse von Studie III die Messung einzelner Basisemotionen gegenüber einer rein dimensionalen Differenzierung (Messung von umfassenden Emotionsdimensionen) klar befürwortet werden kann. Wie in Abbildung 38 dargestellt, ergibt sich durch die Aufteilung der dimensionalen Modelle in beiden Fällen ein signifikant besserer Modellfit.
F2-Differenztest für positive und negative Emotionsmodelle
positive Emotionen Ein-Faktor-Modell
df = 27
F2-Wert: 1968,90
Drei-Faktor-Modell
df = 24
F2-Wert: 340,52
F2-Differenz (df = 3; p = 0,05; > 7,81): 1628,38
negative Emotionen Ein-Faktor-Modell
df = 54
F2-Wert: 2298,20
Vier-Faktor-Modell
df = 48
F2-Wert: 286,82
F2-Differenz (df = 6; p = 0,05; > 12,59): 2011,38
Abbildung 38: F2-Differenztest für positive und negative Emotionsmodelle
132
Emotionen im Marketingkontext
Bei den positiven Emotionen verbessert sich der F2-Wert bei drei Freiheitsgraden weniger von 1968,9 auf 340,5 womit die Prüfgröße (p = 0,05) von 7,81 ganz klar übertroffen wird. Noch deutlicher ist das Ergebnis für die negativen Emotionen. Hier kann sogar eine F2Verbesserung von 2011,4 (bei sechs Freiheitsgraden Unterschied) erzielt werden. Damit kann sowohl die Relevanz (vgl. auch Punkt 6.2.1) als auch die praktische Verwendbarkeit von Basisemotionen zur Beurteilung von Marken bestätigt werden. Der Einsatz von darüber hinausgehenden Sekundäremotionen sollte anhand der jeweiligen Gegebenheiten bestimmt werden, da bei hohen Ansprüchen bzgl. der klaren Unterscheidung der einzelnen Emotionen Probleme auftreten können.
7.2.6. Überprüfung des erweiterten Emotionsmodells Den Abschluss des empirischen Teils dieser Arbeit bildet die Überprüfung der Erweiterung des theoretischen Emotionsmodells anhand der Daten aus Studie III. Die in Studie I identifizierten marketingrelevanten Emotionen (vgl. auch Punkt 6.2) sollen mittels Multidimensionaler Skalierung bzgl. ihrer Einbettung in den theoretischen Denkrahmen von Plutchik (1962, 1980) analysiert werden. Hierzu soll entsprechend der Hypothese 8 die Möglichkeit der Darstellung in Kreisform (Circumplex Model) betrachtet werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht gleichzeitig die Kontrolle der nomologischen Validität, da die Erkenntnisse im Kontext einer übergeordneten Theorie verwendet werden. Für die Circumplex-Darstellung der Emotionen erwies sich die Multidimensionale Skalierung (MDS) als das am besten geeignete Verfahren12. Es wurde für die Berechnung der Lagemaße die Prozedur ALSCAL (alternating least-squares scaling), die im Programmpaket SPSS zur Verfügung steht, verwendet. Diese erlaubt die simultane Analyse von Ähnlichkeitsdaten verschiedener Subjekte und hat somit im Vergleich zur klassischen MDS den Vorteil, dass die Berechnung nicht für jede Auskunftsperson einzeln mit anschließender Aggregation der Ergebnisse erfolgt, sondern mittels sogenannter RMDS (replicated multidimensional scaling) in einem Arbeitsschritt (Schiffman/Reynolds/Young 1981).
12
Neben der Multidimensionalen Skalierung wurden auch verschiedene Varianten der Faktorenanalyse gerechnet, deren Ergebnisse aber für diese spezifische Anwendung weniger geeignet erschienen.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
133
Bei der Analyse mittels MDS wird grundsätzlich versucht, die Struktur von Distanzmaßen zu erkennen und in einem konzeptionellen Raum darzustellen. Damit unterscheidet sich die Multidimensionale Skalierung von der Faktorenanalyse vor allem in Bezug auf die Verwendung von Ähnlichkeiten anstatt von Eigenschaftsurteilen (Backhaus et al. 2000). Diese Ähnlichkeitsdaten zwischen den verschiedenen Bildern bzw. Emotionen können wie im vorliegenden Anwendungsfall13 direkt in SPSS erstellt und als Grundlage für die weitere Analyse verwendet werden. Bei der Berechnung der Distanzen kam die Euklidische Metrik zum Einsatz, die jeweils der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten entspricht. Mathematisch ausgedrückt ergibt sich die Euklidische Distanz aus der Quadratwurzel der Summe der quadrierten Differenzen zwischen den verschiedenen Werten. Die Lösung wurde aufgrund der graphischen Anschaulichkeit und der beabsichtigten Verwendung für das Circumplex Model auf zwei Dimensionen fixiert. Als Gütekriterium für die Multidimensionale Skalierung dienen die sogenannten StressWerte. Diese ergeben sich aus der Qualität der Abbildung der Ähnlichkeiten durch die berechneten Distanzen (Borg/Staufenbiel 1989). Im Konkreten werden hierbei die Rangfolge bzw. die Erfüllung der Monotoniebedingung geprüft (Backhaus 2000). Es wird differenziert zwischen verschiedenen Formeln, wie Stress 1 und 2 (Kruskal 1964) sowie SStress (Young 1981). Je größer der entsprechende Wert ist, desto schlechter das Ergebnis der Analyse. Für Stress 1 wird als Interpretationshilfe bei der klassischen MDS die Anpassungsgüte bis 0,05 als gut und bis 0,1 als ausreichend bezeichnet, wobei diese Werte nur als Anhaltspunkt dienen sollen. Darüber hinaus müssen die Kriterien für die im vorliegenden Fall angewendete RMDS gelockert werden, da sich durch die Replikationen zwangsläufig schlechtere Resultate ergeben (Schiffman/Reynolds/Young 1981). Neben den Stress-Werten wird von ALSCAL die quadrierte Korrelation (RSQ) zur Beurteilung ausgegeben. Der RSQ-Wert sollte möglichst nahe bei Eins liegen, weil er dem vom Modell erklärten Anteil der Varianz der skalierten Daten entspricht. Als erster Schritt wurde die Multidimensionale Skalierung für die 36 in Punkt 7.2.3 beschriebenen Einzelbilder durchgeführt. Die anhand des Circumplex Models graphisch aufbereiteten Ergebnisse sind in Abbildung 39 zu sehen.
13
Als Rohdatenbasis für die Erstellung der Distanzmatrix wurden die Ergebnisse aus Studie III herangezogen (Bilderzuordnungen auf die verschiedenen Marken).
134
Emotionen im Marketingkontext
Circumplex Model – MDS Ergebnisse der Einzelbilder Akzeptanz
Liebe -1,5 1,5 Freude
Traurigkeit
Begehren
Enttäuschung Langeweile
Stolz
-1
Stress-Werte: Ärger 1,5
Ekel Furcht
Stress 1 = 0,2995 SStress = 0,3304 RSQ = 0,8315 n = 2400
Abbildung 39: Circumplex Model - MDS Ergebnisse der Einzelbilder
Die grünen Flächen spannen jeweils die Fläche zwischen den Koordinaten der drei Bilder pro Emotion auf, wodurch gleichzeitig die relative geographische Nähe der verwendeten Stimuli verdeutlicht wird. Anhand der zusätzlich eingezeichneten Achsen kann auch die vorgenommene Rotation der Ergebnisse nachvollzogen werden. Nicht dargestellt wurde die Emotion Überraschung, da diese im Zuge der Skalenentwicklung eine eindeutig positive Ausrichtung angenommen hat und bzgl. ihrer Valenz nicht mehr indifferent ist wie in der Theorie (Schiel 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich aufgrund der Koordinaten eine Einordnung von Überraschung zwischen Akzeptanz/ Vertrauen und Liebe ergeben würde. Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich in Abbildung 40. Hier wurden anhand der in Punkt 7.2.3 erläuterten Faktorladungen der einzelnen Emotionen Konstrukte gebildet und diese wiederum in analoger Form mittels MDS analysiert. Bezüglich der Lage der Emotionen im Circumplex Model gibt es keine gravierenden oder überraschenden Abweichungen zur obenstehenden Abbildung der Einzelbilder. Es ergibt sich lediglich eine exaktere Einordnung, da die Unschärfe aufgrund der Streuung der verschiedenen Bilder wegfällt. Die Güte der MDS Ergebnisse bei Verwendung von Konstrukten (Stress 1 = 0,22 / SStress = 0,22 / RQS = 0,88)
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
135
steigt leicht an im Vergleich zu jener bei Einzelbildern (Stress 1 = 0,30 / SStress = 0,33 / RQS = 0,83). Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die erwarteten Stress-Werte schon aufgrund der geringeren Zahl an Emotionen im Vergleich zu den Bildern abnehmen (Borg/Staufenbiel 1989). In Summe kann die in Hypothese 8 postulierte Annahme eindeutig bestätigt werden, dass sich nonverbal erhobene Emotionen in Kreisform darstellen lassen. Mit Ausnahme von Ekel/Abscheu und Furcht, die in Abbildung 40 leicht außerhalb des Kreisbogens liegen, können alle Emotionen sehr gut in das Circumplex Model integriert werden. Diesen Schluss unterstreicht auch ein qualitativer Vergleich der vorliegenden Ergebnisse mit den Resultaten von Richins (1997), der in seiner Arbeit graphische MDS-Darstellungen verschiedener verbaler Skalen zeigt.
Circumplex Model – MDS Ergebnisse der Konstrukte Akzeptanz
y -1,0 Liebe
y
1,5
Traurigkeit
y Enttäuschung
yy
Freude
Langeweile
y Begehren
y Stolz
y
-1,5
Stress-Werte: y
Ärger
Ekel
1,0
Stress 1 = 0,2226 SStress = 0,2203 RSQ = 0,8798
y Furcht
n = 2400
y
Abbildung 40: Circumplex Model - MDS Ergebnisse der Konstrukte
Die eben beschriebenen Ergebnisse der Multidimensionalen Skalierung wurden in einem letzten Schritt dem theoretischen Modell der marketingrelevanten Emotionen gegenübergestellt. In Abbildung 41 wurden in grauer Farbe die hypothetischen Einordnungen der Emotionen ergänzt (vgl. auch Kapitel 6.3) und derart rotiert, dass die Abstände zu den
136
Emotionen im Marketingkontext
empirischen Resultaten minimiert werden. Man kann bereits auf den ersten Blick die weitgehenden Übereinstimmungen bei den Emotionen Liebe, Ärger und Traurigkeit erkennen. Bei genauerer Analyse der Einordnungen der einzelnen Emotionen zeigt sich darüber hinausgehend, dass mit einer Ausnahme die Reihenfolge auf dem Kreisbogen korrekt angenommen wurde. Gegen den Uhrzeigersinn ergibt sich somit untenstehende übereinstimmende Abfolge: Ö Akzeptanz/Vertrauen Ö Liebe Ö Freude Ö Begehren Ö Stolz Ö Ärger Ö Ekel/Abscheu Ö Langeweile Ö Enttäuschung Ö Traurigkeit Die Emotion Furcht bildet den einzigen „Ausreißer“ im Vergleich der MDS-Darstellung zum theoretischen Modell. Unter Verwendung der Daten aus Studie III (schwarze Markierungen) ordnet sich Furcht zwischen Ärger und Ekel/Abscheu ein. Laut Theorie sollte die Emotion jedoch als Gegenpol von Ärger zwischen Traurigkeit und Akzeptanz/Vertrauen liegen (Plutchik 1962, 1980). Diese grobe Abweichung zwischen Empirie und Theorie gab natürlich Anlass für eine genauere Beschäftigung mit dem Ergebnis der MDS und den dafür verantwortlichen Komponenten. Dabei wurde als Ursache für diese Abweichung die Art der verwendeten Bilder identifiziert. Stellt man die drei bei der Emotion Furcht verwendeten Stimuli (vgl. auch Kapitel 7.2.3) den meisten anderen eingesetzten Bildern gegenüber, zeigt sich ein interessanter Punkt. Es wurden zur Messung durchgehend furchterregende und nicht darstellende Reize gewählt. Zur Überprüfung, ob dies der ausschlaggebende Grund für die abweichende Einordnung im Circumplex Model ist, wurde die MDS mit drei anderen Bildern wiederholt und es zeigte sich tatsächlich eine Verschiebung der Emotion Furcht in die erwartete Richtung nach rechts oben.
Erklärung marketingrelevanter Emotionen
137
Überprüfung des Emotionsmodells
Liebe
y
Akzeptanz
y y
Freude
Traurigkeit Enttäuschung
yy y Langeweile Begehren
y y
Ärger
y
Stolz
y
y
Furcht
Ekel
Abbildung 41: Überprüfung des Emotionsmodells
Durch die Bestätigung der Reihenfolge ergeben sich wichtige Erkenntnisse für die relative Lage der Emotionen und deren Beziehungen zueinander. So zeigt sich in der graphischen Aufbereitung der MDS-Ergebnisse das bereits in Punkt 7.2.4 andiskutierte Naheverhältnis von Freude zu den Sekundäremotionen Begehren und Stolz. Ebenfalls deutlich wird die ähnliche Beurteilung von Ärger, Ekel/Abscheu und Furcht sowie von Enttäuschung und Langeweile.
138
Emotionen im Marketingkontext
8. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Das Hauptziel dieser Arbeit liegt in der theoretischen und empirischen Fundierung von marketingrelevanten Emotionen. Zu diesem Zweck erfolgte als Ausgangspunkt eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema der Emotionen und deren Bezug zum Marketing. Daraus ergaben sich wiederum eine Reihe von relevanten Fragestellungen für das Gesamtprojekt, die im empirischen Teil Gegenstand der Hypothesenprüfung waren. An dieser Stelle sollen in tabellarischer Form noch einmal die Ergebnisse dargestellt werden und in Folge die Bedeutung sowie die wichtigsten Auswirkungen der Erkenntnisse diskutiert werden.
Tabelle 12: Hypothese 1 - Relevanz von Basisemotionen
Hypothese: H1: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Basisemotionen und Marken, weshalb diese überdurchschnittlich häufig auf Marken zugeordnet werden. Ö H1.1.: Freude Ö H1.2.: Ärger Ö H1.3.: Traurigkeit Ö H1.4.: Akzeptanz/Vertrauen Ö H1.5.: Erwartung Ö H1.6.: Überraschung Ö H1.7.: Ekel/Abscheu Ö H1.8.: Furcht
theoretischer Hintergrund: Theorie der Basisemotionen
Operationalisierung:
Ergebnis:
Strukturierung spontaner Assoziationen (F2-Test) bestätigt bestätigt tendenziell bestätigt bestätigt tendenziell bestätigt bestätigt
Anhand der in Tabelle 12 ersichtlichen Ergebnisse wird ganz deutlich aufgezeigt, dass die Theorie der Basisemotionen und damit verbunden die Konzeption der evolutionspsychologischen Theorien auch in marketingbezogenen Anwendungen ihren Stellenwert besitzen. Vor allem die von Plutchik (1962, 1980) definierten Basisemotionen werden weitestgehend bestätigt.
Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
139
Darüber hinaus kann auch für eine beträchtliche Anzahl von Sekundäremotionen (siehe Tabelle 13) deren Bedeutung in Bezug auf Marken nachgewiesen werden. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Basisemotionen nicht als abgeschlossenes Set zur Beschreibung von Marken herangezogen werden sollen. Vielmehr bilden diese das Fundament, welches mittels Sekundäremotionen ausgebaut und präzisiert wird.
Tabelle 13: Hypothese 2 - Relevanz von Sekundäremotionen
Hypothese: H2: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Sekundäremotionen und Marken, weshalb diese überdurchschnittlich häufig auf Marken zugeordnet werden. Ö H2.1.: Begehren Ö H2.2.: Beschämung Ö H2.3.: Enttäuschung Ö H2.4.: Hass Ö H2.5.: Interesse Ö H2.6.: Langeweile Ö H2.7.: Liebe Ö H2.8.: Neid Ö H2.9.: Reue Ö H2.10.: Schuld Ö H2.11.: Sorge Ö H2.12.: Stolz Ö H2.13.: Verachtung
theoretischer Hintergrund: Theorie der Sekundäremotionen
Operationalisierung:
Ergebnis:
Strukturierung spontaner Assoziationen (F2-Test)
bestätigt abgelehnt bestätigt abgelehnt bestätigt bestätigt bestätigt abgelehnt abgelehnt abgelehnt bestätigt bestätigt bestätigt
140
Emotionen im Marketingkontext
Die Rolle von Sekundäremotionen wird zusätzlich anhand der festgestellten Gedächtnisschemata unterstrichen. Sowohl für Marken als auch für Branchen ist es möglich, spezifische (sekundär-) emotionale Schemata aufzuzeigen und zu beschreiben (siehe Tabelle 14).
Tabelle 14: Hypothese 3 und 4 - Marken- bzw. Branchenschemata
Hypothese:
theoretischer Hintergrund:
Operationalisierung:
Ergebnis:
H3: Marken besitzen spezifische emotionale Schemata, die anhand von Sekundäremotionen beschrieben werden können.
Theorie der Sekundäremotionen und Gedächtnisschemata
Strukturierung spontaner Assoziationen (F2-Test)
bestätigt
H4: Branchen besitzen spezifische emotionale Schemata, die anhand von Sekundäremotionen beschrieben werden können.
Theorie der Sekundäremotionen und Gedächtnisschemata
Strukturierung spontaner Assoziationen (F2-Test)
bestätigt
Die weiteren Hypothesen beziehen sich auf die Messung der als relevant identifizierten Emotionen (siehe Tabelle 15). Hierbei wurde ausgehend von der Theorie der Imagery Forschung besonderes Augenmerk auf die nonverbale Erhebung gelegt14. Untersuchungsgegenstand war in erster Linie die Überprüfung der Validität. Dabei konnte sowohl die Eignung der visuellen Stimuli zur Messung von diskreten Emotionen (Konvergenzvalidität) bestätigt werden, als auch der Vorteil dieser Vorgehensweise im Vergleich zu dimensionalen Ansätzen. Letzteres ist insofern wichtig festzuhalten, da die Diskriminanzvalidität (bei Verwendung des strengeren Fornell/Larcker-Prüfkriteriums) nicht vollständig gegeben war. Dennoch zeigt sich durch die Berücksichtigung von einzelnen Basisemotionen eine deutlich verbesserte Abbildung der Messobjekte (Marken).
14
Im Zuge des Gesamtprojektes wurde hierzu ein Computertool zur standardisierten Messung von Emotionen mittels visueller Reize entwickelt. Für detaillierte Informationen bezüglich der verwendeten visuellen Skala sei auf die Arbeit von Schiel (2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Schiel) verwiesen bzw. für Angaben zum Thema der optischen Darstellung der Stimuli auf die Experimente von Bosch (2004; siehe hierzu auch den Beitrag von Bosch).
Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
141
Tabelle 15: Hypothesen 5 bis 8
Hypothese:
theoretischer Hintergrund:
Operationalisierung:
Ergebnis:
H5: Bei der Beurteilung von Marken können diskrete Emotionen anhand von visuellen Stimuli valide gemessen werden.
Theorie der nonverbalen Imagemessung (Imagery)
Überprüfung der Konvergenzvalidität anhand von t-Tests der Faktorladungen
H6: Visuelle Stimuli sind im Zusammenhang mit der emotionalen Beurteilung von Marken in der Lage, zwischen diskreten Emotionen zu diskriminieren.
Theorie der nonverbalen Imagemessung (Imagery) und allgemeine Emotionstheorie
Überprüfung der Diskriminanzvalidität anhand: Ö F2-Differenztest Ö Fornell/LarckerKriterium
H7: Durch die Berücksichtigung von diskreten Emotionen können Marken besser abgebildet werden als durch dimensionale Ansätze.
allgemeine Emotionstheorie
Vergleich der Modellgüte anhand des F2-Differenztest
bestätigt
H8: Emotionen können entsprechend ihrer qualitativen Ausprägung in Kreisform (Circumplex Model) dargestellt werden.
evolutorische Emotionstheorie und Circumplex Theorie
Überprüfung der Circumplex Einordnung anhand von MDSErgebnissen
bestätigt
bestätigt
bestätigt abgelehnt
Die im Zusammenhang mit Marken erhobenen Daten können entsprechend Hypothese 8 in Kreisform dargestellt werden. Dies bedeutet, dass die von Plutchik (1980) und vielen anderen (Conte et al. 1981, Russel 1989 und 1997, Fisher 1997, Myllyniemi 1997) postulierten Circumplex Models zur Darstellung von Emotionen auch im Marketing anwendbar sind. Damit ergibt sich einerseits eine empirische Bestätigung der spezifizierten Beziehungen zwischen den verschiedenen Emotionen und andererseits eine optisch leicht fassbare grafische Aufbereitung der Ergebnisse.
142
Emotionen im Marketingkontext
Abschließend kann festgestellt werden, dass im Zuge dieser Arbeit eine fundierte Basis sowohl für zukünftige praxisorientierte Anwendungen von Emotionen im Marketing als auch für weiterführende wissenschaftliche Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Emotionen geschaffen wurde. Es bleibt somit die Hoffnung, dass den Emotionen in den nächsten Jahren jener wissenschaftliche Stellenwert zuerkannt wird, den sie aufgrund ihrer intra- bzw. interindividuellen Bedeutung für jeden Einzelnen von uns schon längst verdienen.
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Teil 2
Entwicklung einer Bilderskala zur Messung markenrelevanter Emotionen
Stefan Schiel
Inhaltsverzeichnis
161
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 2 2.1
Einleitung .................................................................................................................... 167 Ausgangssituation und kritische Betrachtung ............................................................ 167 Forschungsvorhaben................................................................................................... 170 Emotionsmessung .......................................................................................................... 171 Verbale Methoden ...................................................................................................... 172 2.1.1 Messmethoden auf Basis diskreter Emotionen .................................................. 172 2.1.1.1 Messansätze auf Basis von PLUTCHIKs Emotionstypologie ..................... 173 2.1.1.2 Differential Emotions Scale (DES) nach IZARD ........................................ 177 2.1.1.2.1 Grundlagen ........................................................................................... 177 2.1.1.2.2 DES bzw. DESII angewandt im Marketingkontext ............................. 178 2.1.2 Messung von Emotionen auf dimensionaler Ebene – PAD Measure ................ 184 2.1.2.1 Entwicklung ................................................................................................. 184 2.1.2.2 Der PAD Ansatz im Marketingkontext........................................................ 186 2.1.3 Vergleich der drei vorgestellten verbalen Messmethoden ................................. 189 2.1.3.1 Die Typologie nach PLUTCHIK versus (PAD) .......................................... 190 2.1.3.2 Die Typologie nach PLUTCHIK versus DES und PAD.............................. 192 2.1.4 Kritik an den drei bekanntesten Messmethoden aus der Psychologie ............... 193 2.1.5 Verbale Emotions-Messmethoden aus der Marketingwissenschaft................... 194
2.1.5.1 EDELL und BURKE (1987/1989)............................................................... 194 2.1.5.2 Standardized Emotional Profile (SEP – HOLBROOK/BATRA, 1987) ...... 196 2.1.5.3 Consumption Emotion Set – RICHINS (1997)............................................ 198 2.1.5.4 Vergleich der wichtigsten sechs Messmethoden.......................................... 203 2.2 Nonverbale Methoden ................................................................................................ 204 2.2.1 Piktogramme ...................................................................................................... 205 2.2.1.1 Der Beweis von BEHRENS......................................................................... 205 2.2.1.2 Self Assessment Manikin nach LANG ........................................................ 206 2.2.2 Gesichterskalen .................................................................................................. 207 2.2.3 Bildliche Skalen ................................................................................................. 209 2.3
Zusammenfassung und Rückschlüsse für die Skalenentwicklung............................. 211
3.1
Theorie der Skalenkonstruktion ..................................................................................... 213 Die Repertory Grid-Technik ...................................................................................... 213 3.1.1 Theoretischer Hintergrund der Repertory Grid Technik.................................... 213
3
3.1.2 Der typische Ablauf einer Repertory Grid Studie.............................................. 214 3.1.3 Methoden der Konstruktgewinnung................................................................... 217 3.1.4 Der Einsatz der Grid-Methode im Rahmen dieser Studie.................................. 217
162
3.2
Inhaltsverzeichnis
Testtheorie und Testkonstruktion............................................................................... 219 3.2.1 Probabilistische versus klassische Testtheorie................................................... 220 3.2.1.1 Begriffsabgrenzung ...................................................................................... 220 3.2.1.2 Grundannahmen ........................................................................................... 222 3.2.1.3 Klassische UND probabilistische Testtheorie – ein Widerspruch? ............. 223 3.2.2 Gütekriterien der Messung ................................................................................. 224 3.2.2.1 Objektivität................................................................................................... 225 3.2.2.1.1 Durchführungsobjektivität ................................................................... 225 3.2.2.1.2 Auswertungsobjektivität....................................................................... 225 3.2.2.1.3 Interpretationsobjektivität .................................................................... 226 3.2.2.2 Reliabilität .................................................................................................... 226 3.2.2.2.1 Test-Retest-Reliabilität......................................................................... 227 3.2.2.2.2 Paralleltest-Reliabilität ......................................................................... 227 3.2.2.2.3 Split-Half-Reliabilität........................................................................... 227 3.2.2.2.4 Innere Konsistenz (Cronbach´s Alpha) ................................................ 227 3.2.2.3 Validität........................................................................................................ 228 3.2.2.3.1 Inhaltsvalidität...................................................................................... 229 3.2.2.3.2 Kriteriumsvalidität ............................................................................... 229 3.2.2.3.3 Konstruktvalidität (Konvergenz- und Diskriminanzvalidität) ............. 230 3.2.2.4 Beziehung zwischen Reliabilität und Validität ............................................ 230 3.2.3 Probabilistische Testmodelle.............................................................................. 232 3.2.3.1 Das dichotome logistische Modell von RASCH.......................................... 235 3.2.3.1.1 Grundlagen ........................................................................................... 235 3.2.3.1.2 Die Logit-Transformation .................................................................... 237 3.2.3.1.3 Die logistische Funktion....................................................................... 238 3.2.3.1.4 Die Charakteristika einer RASCH-Skala im Überblick ....................... 240 3.2.3.1.5 Konstruktionsschritte einer RASCH-homogenen Skalierung.............. 243 3.2.3.1.6 Parameterschätzung.............................................................................. 244 3.2.3.1.7 Modellgeltungskontrolle ...................................................................... 246 3.2.3.2 Mehrkategorielle RASCH-Modelle ............................................................. 249 3.2.3.2.1 Partial Credit Modell ............................................................................ 250 3.2.3.2.2 Rating Skalen Modell........................................................................... 253 3.2.4 Folgerungen für das Experimentaldesign der Studie III .................................... 256
4 4.1 4.2
Forschungsfrage und Hypothesen .................................................................................. 259 Zentrale Forschungsfrage........................................................................................... 259 Hypothesenformulierung............................................................................................ 260 4.2.1 Hypothese 1:....................................................................................................... 260 4.2.2 Hypothese 2:....................................................................................................... 260 4.2.3 Hypothese 3:....................................................................................................... 261
Inhaltsverzeichnis
163
4.2.4 Hypothese 4:....................................................................................................... 261 5 5.1
Der Prozess der Skalenentwicklung............................................................................... 263 Die Generierung eines Itempools............................................................................... 263 5.1.1 Anforderungen an die Bildauswahl.................................................................... 263 5.1.2 Der Suchvorgang................................................................................................ 264 5.1.3 Die Vermessung der Items ................................................................................. 269
5.1.3.1 Ziel der Studie II .......................................................................................... 269 5.1.3.2 Aufbau der Erhebung ................................................................................... 269 5.1.3.3 Ablauf der Interviews................................................................................... 270 5.1.3.3.1 Teil 1: Bildung von Gruppen ............................................................... 270 5.1.3.3.2 Teil 2: Benennung der Gruppen ........................................................... 271 5.1.3.3.3 Teil 3: Zuordnung der Bilder zu Emotionen ........................................ 271 5.1.3.4 Ergebnisse der Vermessung ......................................................................... 272 5.1.3.4.1 Stichprobenbeschreibung ..................................................................... 272 5.1.3.4.2 Ergebnisse des qualitativen Teils ......................................................... 273 5.1.3.4.3 Ergebnisse des quantitativen Teils ....................................................... 277 5.1.3.4.4 Das Resultat der Bildvermessung ........................................................ 280 5.2 Die Bildung homogener Skalen ................................................................................. 281 5.2.1 Datenbasis und Erhebungsmethodik Studie III.................................................. 281 5.2.1.1 Die Darbietungszeit der Bilder..................................................................... 283 5.2.1.2 Die Auswahl der vorgelegten Marken ......................................................... 284 5.2.1.3 Der Aufbau des Interviews........................................................................... 286 5.2.2 Der Prozess der eigentlichen Skalenentwicklung .............................................. 288
5.3 5.4
5.2.2.1 Ergebnisse der explorativen Faktorenanalysen ............................................ 290 5.2.2.1.1 Die Bedeutung der Vertrautheit mit der Marke.................................... 291 5.2.2.1.2 Der Weg zu homogenen Faktoren........................................................ 292 5.2.2.2 Messung der spezifischen Objektivität ........................................................ 295 5.2.2.3 Die entwickelten Bilderskalen im überblick ................................................ 300 Die Messung der Reliabilität der Skalen.................................................................... 302 Indexbildung und Entwicklung der Picture Emotion Scale (PES)............................. 304
6.1 6.2 6.3 6.4
Die Bearbeitung der Hypothesen ................................................................................... 306 Branchenunabhängigkeit............................................................................................ 306 Einfluss der Stimmungslage....................................................................................... 308 Einfluss der Markenvertrautheit................................................................................. 310 Die Komplexität von Dekodieren und Zuordnen der Bilditems ................................ 312
6
7
Resümee
.................................................................................................................... 314
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 315
Abbildungsverzeichnis
165
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Operationalisierung von PLUTCHIKs Basisemotionen .................................. 174 Abbildung 2: PLUTCHIKs Basisemotionen im Kontext mit Werbespots ............................ 175 Abbildung 3: Kreisdarstellungen der Emotionalität von Werbespots.................................... 176 Abbildung 4: DES (DES II) Differential Emotions Scale...................................................... 178 Abbildung 5: Clusterung emotionaler Haltungen gegenüber einem Konsumerlebnis........... 181 Abbildung 6: Emotionsmessung gepaart mit Zufriedenheitsmessung................................... 183 Abbildung 7: Die PAD (Pleasure Arousal Dominance) Skala............................................... 185 Abbildung 8: PAD (Pleasure Arousal Dominance) - Skalenbeispiel..................................... 186 Abbildung 9: Die Emotionalität von Konsumsituationen ...................................................... 189 Abbildung 10: Itemauswahl mittels Faktorenanalyse ............................................................ 195 Abbildung 11: Itempool zur Konstruktion des Standardized Emotional Profile ................... 197 Abbildung 12: Standardized Emotional Profile ..................................................................... 198 Abbildung 13: Consumption related Emotion Set (CES) – MDS Lösung............................. 201 Abbildung 14: Consumption Emotion Set (CES) .................................................................. 202 Abbildung 15: Die Wahrnehmung von Piktogrammen.......................................................... 205 Abbildung 16: Self Assessment Manikin (SAM) .................................................................. 206 Abbildung 17: Gesichterskala – Operationalisierung nach MERTEN .................................. 208 Abbildung 18: Gesichterskala – Selbsttest des Autors........................................................... 209 Abbildung 19: Die emotionale Wirkung nonverbaler Signale............................................... 210 Abbildung 20: Die Planungsphase des Repertory-Grid ......................................................... 216 Abbildung 21: Beziehung zwischen Reliabilität und Validität.............................................. 231 Abbildung 22: Guttman-Skala ............................................................................................... 234 Abbildung 23: Item-Charakteristik-Kurve (ICC)................................................................... 236 Abbildung 24: Das Logarithmieren der Summenscores ........................................................ 238 Abbildung 25: Die Itemfunktionen von drei RASCH-homogenen Items.............................. 239 Abbildung 26: Inhomogene Itemcharakteristiken.................................................................. 242 Abbildung 27: Die Rolle der Parameterschätzung bei der Testkonstruktion......................... 245 Abbildung 28: Graphischer Modelltest .................................................................................. 248 Abbildung 29: Die Kategorienfunktion für ein dreikategorielles Item .................................. 251 Abbildung 30: Zusammenhang zwischen Schwellen- und Kategorienfunktionen ................ 252 Abbildung 31: Verschieden schwierige Items mit gleichen Schwellendistanzen.................. 254 Abbildung 32: Itempool der Emotion Furcht/Angst .............................................................. 268 Abbildung 33: Quotenplan Bildervermessung....................................................................... 273 Abbildung 34: Anzahl der gebildeten Gruppen ..................................................................... 274 Abbildung 35: Offene Gruppenbenennung ............................................................................ 275 Abbildung 36: Gestützte Gruppenbenennung ........................................................................ 277 Abbildung 37: Gestützte Zuordnung der Bilder..................................................................... 278 Abbildung 38: Die am stärksten zugeordneten Bilder ........................................................... 279
166
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 39: Ausgewählte Items der Emotion Liebe.......................................................... 280 Abbildung 40: Die Einstufung der Präsentationszeit der Bilder ............................................ 284 Abbildung 41: Die Auswahl der Marken für Studie III ......................................................... 286 Abbildung 42: Themeneinführung zu Beginn des Interviews ............................................... 288 Abbildung 43: Eigenwerte und erklärte Varianz der ersten Faktorenlösung ......................... 292 Abbildung 44: rotierte Faktorladungsmatrix für 12 Faktoren................................................ 293 Abbildung 45: rotierte Faktorladungsmatrix für 13 Faktoren................................................ 295 Abbildung 46: Überprüfung der spezifischen Objektivität mittels RSM............................... 298 Abbildung 47: Überprüfung der spezifischen Objektivität mittels RSM und PCM .............. 299 Abbildung 48: Überprüfung der spezifischen Objektivität im Überblick.............................. 300 Abbildung 49: Die letztgültige 13-Faktoren Lösung ............................................................. 301 Abbildung 50: Die Items der zwölf entwickelten Bilderskalen ............................................. 302 Abbildung 51: Ergebnisse der Reliabilitätsmessungen.......................................................... 303 Abbildung 52: Grafische Darstellung der Picture Emotion Scales (PES) ............................. 305 Abbildung 53: Prüfung der Branchenunabhängigkeit mittels RSM ...................................... 307 Abbildung 54: Stimmungslage unter den Probanden am Beginn des Interviews .................. 309 Abbildung 55: Einfluss der Stimmungslage........................................................................... 310 Abbildung 56: Einfluss der Vertrautheit mit der Marke ........................................................ 312 Abbildung 57: Die Komplexität von Dekodieren und Zuordnen der Bilditems .................... 313
Einleitung
1
167
Einleitung
1.1 Ausgangssituation und kritische Betrachtung Viele Sozial- und Konsumentenforscher sehen in einer zunehmenden Erlebnisorientierung einen grundlegenden Wertewandel in der heutigen Gesellschaft. Gesellschaftliche Trends wie Umwelt-, Natur- und Gesundheitsbewusstsein, Freizeitorientierung, multikulturelle Ausrichtung, Hedonismus, sowie das Streben nach Individualität steuern das Konsumentenverhalten und damit die Markenwahl (SATTLER 2001, S. 36) Zusehends gelangen deshalb emotionale Positionierungsstrategien zur Anwendung. Zielgruppen werden immer öfter mit Lifestylesegmenten beschrieben oder erklärt und in der Werbung buhlen die Kreativen mit immer stärkeren emotionalen Reizen um die Aufmerksamkeit der potenziellen, aber durch die Reizüberflutung überforderten, Interessenten. Besonders verbreitet sind Appelle an Erotik, soziale Anerkennung, Freiheit und Abenteuer, Natur, Gesundheit, Genuss, Lebensfreude und Geselligkeit. Diese Auswahl von emotionalen Erlebnissen soll Marken, über alle Branchen hinweg, zu mehr Durchsetzungskraft verhelfen (KROEBER-RIEL/WEINBERG 1996, S.115). Dabei kommt dem Einsatz von Bildern in der Werbung eine ganz besondere Bedeutung zu. Ihre Überlegenheit im Hinblick auf Aufnahme, Speicherung, Abruf von Informationen und verhaltensbeeinflussende Wirkung gilt mittlerweile auch in der Literatur allgemein als unbestritten (u.a. PAIVIO 1991, KROEBER-RIEL/WEINBERG 1996, SCHWEIGER 2001). „Trotz der überragenden Bedeutung von Bildern im Rahmen der Kommunikation spielen Bilder in der Marktforschung (noch) eine verhältnismäßig bescheidene Rolle.“ (MAYERHOFER 1995, S. 60) SCHWEIGER formuliert 1985 in einem Arbeitspapier folgende, nach wie vor gültige Kritik an den arrivierten Messmethoden: „Akzeptiert man die vorhin belegte Aussage, dass die menschliche Informationsverarbeitung zu einem erheblichen Teil in Bildern bzw. Bildvorstellungen vor sich geht, dann stellt sich die Frage, ob die bisher vorherrschenden Methoden der Image- bzw. Einstellungsforschung, nämlich die aus der Sozialpsychologie stammenden Multiattributmodelle, wirklich geeignet sind, diese bildhaften Vorstellungen, diese inneren Bilder, die Images darstellen, zu erheben.“ (SCHWEIGER 1985, S.3) SCHWEIGER (1985) bezweifelt demnach die Eignung der ausschließlich verbalen Messmethoden und vertritt die Auffassung, dass nonverbale Stimuli in der Imageforschung berücksichtigt werden sollten. Dabei räumt er den visuellen gegenüber den akustischen Stimuli den größeren Stellenwert ein. Er schloss aus den folgenden sechs Begründungen der höheren Werbewirkung von Bildern, dass Messungen mittels Bildern den traditionellen, auf
168
Einleitung
Verbalreizen beruhenden Messmethoden überlegen sein müssen (SCHWEIGER 1985, S. 126). 1. „Der Umfang von bildhaftem Material, das empfangen und gespeichert werden kann, überschreitet bei weitem die menschlichen Kapazitäten für den Empfang und die Speicherung kognitiver Informationen.“ 2. „Bilder werden gewohnheitsmäßig vom Auge zuerst fixiert und vor den Worten aufgenommen.“ 3. „Bilder haben im allgemeinen ein größeres Aktivierungspotenzial als Texte, sie gehen den Empfängern mehr unter die Haut.“ 4. „Die Imageryforschung hat gezeigt, dass Bilder besser erinnert werden als Wörter.“ 5. „Bilder sind mindestens ebenso dazu geneigt, ein günstiges Produktimage zu erzeugen und den Konsumenten zum Kauf zu überzeugen wie Verbalreize.“ 6. „Einstellungen und Images können ohne Werbetexte erzeugt und geändert werden.“ Diese Überlegenheit der Bilder wird in der Imageryforschung durch das Konzept der inneren Bilder erklärt und durch die sogenannte Hemisphärentheorie gestützt (RUGE zitiert in ESCH 2000, S. 168). In den folgenden Jahren wurde an der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien intensiv an der Entwicklung nonverbaler Messmethoden gearbeitet. Dabei traten neben den unbestrittenen Vorzügen auch systembedingte Schwierigkeiten zutage: Die Hypothese, die nonverbale Messmethode sei der traditionellen verbalen Methode überlegen, musste nach ernüchternden Ergebnissen bei Produkten, deren Erwerb stark durch kognitive Elemente gesteuert war, verworfen werden (v.a. SCHWEIGER/ WICKLICKY/BEDNAR 1987). Dies führte schließlich zu einem integrativen Ansatz in der Imagemessung, der die Verwendung von Wörtern und Bildern gleichermaßen fordert. SCHWEIGER (1992) spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten multimodalen Imagemessung (HERZIG 1995, S. 36). Die noch sehr junge Methode der nonverbalen Messung wurde, wie andere Neuentwicklungen auch, von Beginn an kritisch betrachtet. MAYER/van EIMEREN interpretieren mittels Bildern gemessene Ergebnisse „als Messwerte, die aus einem Erinnerungsmaß im Sinne von recognition of pictures resultieren“. Demnach würden Bilder eher kognitiv und nicht spontan und gefühlshaft auf Beurteilungsobjekte zugeordnet.
Einleitung
169
Die Kritik von MAYER/van EIMEREN und die anschließende Diskussion fördert die grundsätzliche Problematik der systematischen Einordnung der nonverbalen Messmethode zu Tage. In den bisherigen Forschungsvorhaben und Anwendungsfällen wurde jeweils im Zuge der Operationalisierung der Messung entschieden, ob die Erhebungstatbestände eher für eine verbale oder für die alternative nonverbale Messung geeignet waren. Dadurch wurde eine stringente Einordnung der Methodik erschwert und die Entwicklung eines standardisierten Erhebungstools unmöglich gemacht, da jeder Erhebungstatbestand eine neue Situation darstellte und im Aufbau eines neuen oder abgewandelten Bilderpools mündete. Dies stellt einen nicht unbeträchtlichen Nachteil für die Marktforschungspraxis dar, da sich die Kosten für eine nonverbale Messung im Vergleich zur klassischen verbalen Methode mehr als vedoppeln und die Studien auch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen (HARBICH 1987). Ein weiterer Diskussionspunkt ergibt sich aus der postulierten Ganzheitlichkeit der Bilder und der damit verbundenen Mehrdeutigkeit der Bildinhalte. MAYER/ van EIMEREN 1987 meinen, dass die konnotative Bedeutung eines Bildes vom Vorwissen und den Werten des Betrachters abhängig ist und somit unendliche Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Diese Fülle an entnehmbarer Information lässt keine explizite Auflösung und Übersetzung der Bildinformation in verbale Information zu. HERZIG bemerkte dazu treffend, dass sich keine Studie mit dem Bedeutungsgehalt der in der Imagemessung verwendeten Wörter näher auseinandersetzt, aber die Frage nach den Aussagen von verwendeten Bildern in der nonverbalen Messung seit Einführung des Konzepts der NVI ein ständig thematisierter Komplex ist (HERZIG 1995). Dennoch bleibt für den Forscher die Frage offen: misst ein ausgewähltes Bild tatsächlich valide die gewünschten Eigenschaften? Eine Frage, die nur durch aufwendige Bildvermessungstechniken ausreichend beantwortet werden kann. HERZIG (1991) empfiehlt deshalb sogar die Verfahren Exploration, Thematischer Apperzeptionstest (TAT) und Item Batterie parallel zu verwenden, um die unterschiedliche Qualität der Befunde nutzen zu können. Diese aufwendigen Techniken müssen aber aus der Erfahrung des Autors für jede Gruppe an Beurteilungsobjekten (z.B. Branchen) neuerlich wiederholt werden, weil der Bedeutungsinhalt mancher Bilder von Forschungsgegenstand zu Forschungsgegenstand Schwankungen unterworfen sein kann (Kontextabhängigkeit). Die Ergebnisse der Bildvermessung führen oft Veränderungen an den Bildern. Ablenkende Inhalte werden nachbearbeitet oder entfernt. Beispielsweise wurde in einer Studie von BOSCH/SCHIEL (1999) die Farbe der Kleidung einer Flugbegleiterin, die „persönliches Service“ kommunizierte, abgeändert, um nur ja keine Ähnlichkeit zu den beurteilten
170
Einleitung
Fluglinien zu provozieren. Die Flugbegleiterin wurde weiters vor neutralem Hintergrund fotografiert um keine Rückschlüsse auf den von den Airlines eingesetzten Flugzeugtyp zuzulassen. Aber wo ist letztlich die Grenze der Veränderung? Wie viel Inhalt darf entfernt werden, so dass die größte Stärke der Bilder, die Kommunikation gefühlsbetonter Inhalte, ausreichend erhalten bleibt? Führt man diesen Gedankengang weiter kann man die Reduktion der Bildinhalte auch mit einer schrittweisen Reduktion der Emotionalität des Bildmaterials gleichsetzen, an deren unterem Ende das Piktogramm oder die einfache Zeichnung steht. Aber wo ist dann noch der Vorteil gegenüber dem Wortreiz?
1.2 Forschungsvorhaben Die kritischen Worte lassen sich in einem Ruf nach mehr systematischer Struktur in der Anwendung der nonverbalen Messmethode zusammenfassen. Bilder spielen besonders dann Ihre Vorzüge aus, wenn es darum geht, die emotionale Komponente von Markenimages zu erfassen. Deshalb ist es konsequenterweise das Ziel, genau diesen Vorteil zu nutzen und ein nonverbales Instrument zur Messung gegenüber Marken empfundener Emotionen zu entwickeln. Damit wird die Messung von Emotionen der Subjektivität der Zuordnung des Forschers, im Vorfeld der Feldphase, entzogen. Das bedeutet, dass nicht mehr von Fall zu Fall entschieden werden muss, ob ein Erhebungstatbestand eher emotional oder eher rational einzustufen ist, und demgemäss eher nonverbal oder verbal gemessen werden soll. Ziel ist es deshalb, ein standardisiertes Tool zur nonverbalen Messung von Emotionen zu entwickeln, das branchenübergreifend in der Lage ist, die im Zusammenhang mit Marken erlebte Emotionalität möglichst vollständig messbar zu machen. Um diesem Ansinnen nachkommen zu können, wird möglichst für jede relevante Emotion eine eigene Bilderskala entwickelt. Die aufwendige Bildauswahl und –vermessung vor jeder Feldphase kann demnach entfallen. Studienergebnisse sind zukünftig daher untereinander vergleichbar. Mittels Einbettung der Skalen in ein eigenes, zu entwickelndes Softwaretool wird es möglich, in persönlichen Interviews via Laptop, bzw. unter Zuhilfenahme des World Wide Web markenrelevante Emotionen in großen Stichproben zu messen. Dadurch sind ganz neue Erkenntnisse zur emotionalen Positionierung von Marken zu gewinnen. So kann zum Beispiel die Größe eines emotionalen Segments mathematisch treffsicher geschätzt werden und/oder das Segment mittels psycho- und demografischer Variablen beschrieben werden.
Emotionsmessung
2
171
Emotionsmessung
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen Methoden der Messung von Emotionen. Grundsätzlich können diese Verfahren in drei Messebenen eingeteilt werden (KROEBERRIEL/WEINBERG, 1996 in Ahnlehnung an PLUTCHIK/KELLERMANN 1989): -
Psychobiologische Messung
-
Messung des Ausdrucksverhaltens
-
Subjektive Erlebnismessung
Psychobiologische Messungen werden verwendet, wenn die Intensität der emotionalen Erregung zu messen beabsichtigt wird. Die entsprechenden Indikatoren bedürfen einer experimentellen Reizkontrolle. Dazu zählt zum Beispiel die Messung von Atmung, Kreislauf und Energieumsatz bei der Konfrontation der Testperson mit einem emotionalen Erreger. Marketingrelevente Einsatzgebiete finden sich am ehesten in der apparativen Werbeforschung (siehe auch KAISER 1999). Die Messung des Ausdrucksverhaltens umfasst die gesamte „Körpersprache“ des Menschen, im besonderen aber seine „Gesichtssprache“. Das menschliche Gesicht ist in der Lage, in kurzer reagibler Abfolge emotionale Vorgänge widerzuspiegeln. Die beiden bekanntesten Erhebungsmethoden sind einerseits das ältere FAC-System (Facial Action Coding System von EKMAN & FRIESEN 1978), sowie die Weiterentwicklung EMFACS (EKMAN & FRIESEN 1984). Bei den Verfahren werden komplexe Gesichtsbewegungen in anatomische Bewegungseinheiten zerlegt und durch eine numerische Kodiersprache erfasst. Dadurch werden subjektive Spielräume für intuitive Interpretationen, wie sie bei der ganzheitlichen Beobachtung von Gesichtern vorkommen, weitgehend eingeschränkt. Einen umfassenden Überblick über diese aufwendigen Messmethoden zur Erfassung der Gesichts- und Körpersprache gibt WEINBERG (1986). In der vorliegenden Arbeit wird die Subjektive Erlebnismessung genauer erörtert. Diese Messung kann verbal und nonverbal erfolgen. Die im folgenden näher beschriebenen verbalen Messmethoden beschränken sich auf jene Varianten, die nicht nur in der Psychologie sondern auch im Marketingkontext zur Emotionsmessung herangezogen werden.
172
Emotionsmessung
Ergänzenderweise sei deshalb der interessierte Leser bezüglich weiterführender Beschreibungen jener Methoden, die beispielsweise das Messen von begleitenden Bewältigungshandlungen („Coping“, siehe auch EKMAN 1988) zum Inhalt haben, durch die auf Emotionen rückgeschlossen werden können (z.B. „AECOM Coping Styles“), auf die Fachliteratur der klinischen Psychologie verwiesen.
2.1 Verbale Methoden Die verbalen Messungen basieren auf der Auswertung der sprachlichen Äußerungen von Personen. Die Sprache verfügt über eine Vielzahl an Möglichkeiten, die emotionale Befindlichkeit, d.h. besonders die Richtung und die Qualität einer Emotion auszudrücken. Die Marktforschung verfügt dabei über mehrere Verfahren, Emotionen zu erfragen. Es werden vor allem standardisierte Ratingskalen zur mehrdimensionalen Messung herangezogen. In der Regel können so Emotionsqualitäten und die erlebte Emotionsstärke gleichzeitig erhoben werden. Man kann so Emotionsprofile und Emotionsräume aufzeigen (WEINBERG 1986, S.11f). Das Potenzial von theoriegestützten Messmethoden für den Einsatz im Marketing ist leicht erkennbar: Es handelt sich dabei meist um ein überschaubares Set an Items, das in der Lage ist, ein möglichst aussagekräftiges Spektrum an Emotionen abzudecken. Diese Emotionen ergeben eine Grundlage für einen sinnvollen Einsatz in der Entwicklung von Marketingstrategien und deren Umsetzung und Kontrolle z.B. in der Werbung, im Verkauf oder in der Produktgestaltung (ZEITLIN/WESTWOOD 1986, S. 36). Die verschiedenen verbalen Messmethoden der subjektiven Erlebnismessung können wieder in zwei Bereiche eingeteilt werden: -
Messmethoden auf Basis diskreter Emotionen
-
Messung von Emotionen auf dimensionaler Ebene – PAD Measure (MEHRABIAN/RUSSELL 1974)
2.1.1 Messmethoden auf Basis diskreter Emotionen Auf den folgenden Seiten werden verbale Skalen auf Basis der Theorien von PLUTCHIK und von IZARD näher vorgestellt. PLUTCHIK war persönlich in mehrere Skalenentwicklungen eingebunden. Beispielsweise beim „Emotion-Mood Index“ oder beim „Emotions Profile Index“ (EPI) (PLUTCHIK 2003, S. 117).
Emotionsmessung
173
Die in diesen Skalen eingesetzten Verbalisierungen zur Beschreibung verschiedener Gefühlszustände waren vielfach die Basis für Skalen, die auch im Marketing Verwendung fanden bzw. speziell für marketingrelevante Anwendungen entwickelt wurden. Zum Beispiel zur Analyse von Kaufentscheidungen in verschiedenen Branchen oder zur Messung der Emotionalität von Werbemittel.
2.1.1.1
Messansätze auf Basis von PLUTCHIKs Emotionstypologie
HOLBROOK favorisierte PLUTCHIKs Typologie der acht Basisemotionen. Besonders die klare Systematisierung der Emotionstheorie in Kombination mit den verschiedenen praxiserprobten Messansätzen bewogen ihn, in der Arbeit des Evolutionstheoretikers, eine fundierte Grundlage für die Messung von Emotionen im Marketingkontext zu sehen (HOLBROOK 1986, S. 39). HOLBROOK und WESTWOOD (1986) untersuchten daraufhin die Anwendbarkeit von PLUTCHIKs Emotionstypologie im Zusammenhang mit der Werbeforschung. Ziel war es, dem Einfluss der Emotionen auf die Wahrnehmung von Werbespots auf dem Grund zu gehen. Bei der Studie kamen insgesamt 54 Werbespots zum Einsatz, die den typischen Werbeschaltungen eines großen TV-Senders an einem Durchschnittstag in den USA entsprachen. Davon wurden 18 Spots als besonders stark emotional aufgeladen eingestuft und mit einer zufälligen Auswahl aus den verbleibenden 36 neutralen Werbespots systematisch kombiniert und daraus Kurzvideos geschnitten. Diese wurden insgesamt 613 Auskunftspersonen in einer wohnzimmerähnlichen Atmosphäre vorgeführt und die Befragung durchgeführt. Die Auskunftspersonen wurden dabei gebeten, insgesamt 40 verschiedene Adjektive, von denen 24 (in drei Abstufungen der Emotionsintensität) konkret die acht Basisemotionen von PLUTCHIK repräsentierten (siehe Abbildung 1), mittels fünfstufiger Skala den einzelnen Spots zuzuordnen. Wichtig ist in dem Zusammenhang anzumerken, dass bei diesem Verfahren nicht der Gefühlszustand der Person bewertet wird, welche das Werbemittel betrachtet, sondern der Stimulus, also der TV-Spot selbst. Die eingesetzte fünfstufige Skala wurde dabei mit „not at all“, „slightly“, „moderately“, „strongly“, „very strongly“ verbalisiert. Zusätzlich wurde zu jedem beworbenen Produkt, jeweils vor und nach der Präsentation der Spots, die Kaufwahrscheinlichkeit abgefragt, sowie die Glaubwürdigkeit und das Verständnis der Werbebotschaft erhoben (HOLBROOK in PETERSON, HOYER, WILSON 1986, S. 43).
174
Emotionsmessung
Operationalisierung von PLUTCHIKs Basisemotionen HOLBROOK und WESTWOOD 1986
Emotion
Fuction
A Priori Index
1
Acceptance
Incorporation
Helpful + sincere + trustworthy
2
Disgust
Rejection
Disgusting + offensive + unpleasant
3
Fear
Protection
Threatening + frigthening + intimidating
4
Anger
Destruction
Insulting + annoying + irritating
5
Joy
Reproduction
Happy + cheerful + delightful
6
Sadness
Reintegration
Gloomy + sad + depressing
7
Anticipation
Exploration
Informative + intelligent + instructive
8
Surprise
Orientation
Puzzling + confusting + unusual
Abbildung 1: Operationalisierung von PLUTCHIKs Basisemotionen
Obwohl HOLBROOK und WESTWOOD (1986) aufgrund des Erhebungsdesigns (Stichprobenauswahl und Auswahl der Stimuli) keine allgemeingültigen Aussagen über die Anwendbarkeit von PLUTCHIKs Emotionstypologie im Werbekontext treffen konnten, befürworteten sie trotzdem die grundsätzlich gute Einsetzbarkeit der acht Basisemotionen für den Bereich der emotionalen Reaktionen auf Werbung. Mitverantwortlich für dieses Urteil war die hohe Reliabilität der Messungen bezogen auf PLUTCHIKs Basisemotionen (Cronbach Alpha zwischen 0,85 und 0,97) und die Ergebnisse einer Multidimensionalen Skalierung (MDS), welche für jede der acht Basisemotionen einen Vektor in einem stabilen zweidimensionalen Raum, bezogen auf die 54 in der Erhebung gezeigten Spots, hervorbrachte. Entlang der horizontalen Achse wurden dabei positive von negativen Emotionen getrennt, die vertikale Achse repräsentierte eher ein Kontinuum von ernsten („threatening“, „sad“, „instructive“) zu fröhlichen Emotionen („sexy“, „funny“, „happy“) (HOLBROOK/WESTWOOD in CAFFERATA/TYBOUT 1989, S. 362).
Emotionsmessung
175
PLUTCHIKs Basisemotionen im Werbekontext MDS Darstellung nach HOLBROOK und WESTWOOD 1986 LaChoy Chimere
Joy (.91) Kellogg´s
French´s
Hanes
Tropicana
Dr. Pepper
Frito-Lay
Budweiser
Hunt´s New York Telephone Thomas´ Coty
Coke Hershey Dow
TWA
Calvin Klein
Duncan Hines
Surprise (.28)
Charmin
Star-Kist Dunkin`Donuts
Theragran
Ivory
Federal Express
Chanel #5
Anger (.68)
Bell
Crazy Eddie
GE Bulbs
Levi´s
Lafayette
Sanka
Red Lobster
Wisk
Apple
Diet Guard
Pepsi Mazola
Prudential
Borateem
Atari
Disgust (.67)
Poligrip Nyquil
Dry Sack
Acceptance (.80) GE Grill
Allercare
British Air US Army Whirlpool
Bayer
Sadness (.43) Con Edison
Swiss Miss Alfa Romeo
Fear (.40)
Cancer Society
Anticipation (.78)
Abbildung 2: PLUTCHIKs Basisemotionen im Kontext mit Werbespots
Die zweidimensionale MDS Darstellung gestattete die Interpretation der Lage der vermessenen TV Spots bezogen auf die Basisemotionen. So bewirkten die Spots im linken oberen Quadranten (z.B.: Coca Cola und Kellog´s) freudige Gefühle, jene im linken unteren Quadranten die Emotionen Akzeptanz (z.B. Atari) und Erwartung (z.B. British Airways), jene im rechten unteren Quadranten bewirkten Angstgefühle und Traurigkeit (z.B. Bayer oder die Cancer Society und jene Spots rechts oben noch am ehesten ablehnende Gefühle wie Ärger oder Ekel (z.B. Spots von Calvin Klein oder Chanel) (HOLBROOK/WESTWOOD in CAFFERATA/TYBOUT 1989, S. 366). Mit dieser Studie wurde unter anderem die Meinung manifestiert, dass eine einfache unidimensionale Darstellung von Emotionen (positive-negative, like-dislike, etc.) nicht ausreicht, um die emotionalen Reaktionen auf Werbung abzubilden. Ob PLUTCHIKs Emotionstypologie jedoch im Zusammenhang mit der Konsumentenforschung erschöpfend ist, konnte nicht ausreichend beantwortet werden. HAVLENA und HOLBROOK (1986) stellten deshalb den Basisemotionen den Messansatz von MEHRABIAN und RUSSELL (1974) gegenüber. Eine Beschreibung dieses Vergleichs wird im Kapitel 2.1.3 auf Seite 189 nachgeholt.
176
Emotionsmessung
Anhand desselben Datensatzes (n=613 Auskunftspersonen bewerten insgesamt 54 TV-Spots) kommen ZEITLIN und WESTWOOD (1986) zu dem Schluss, dass nicht alle acht von PLUTCHIK postulierten Basisemotionen gleich häufig in der Werbung eingesetzt werden. Die „durchschnittliche“ Werbung erhält hohe Scores für die Emotionen Freude („Joy“), Akzeptanz („Acceptance“) und Erwartung („Anticipation“). Dieses Ergebnis soll aber nicht zu dem falschen Schluss führen, dass nur positive Emotionen einen Werbeerfolg liefern können. ZEITLIN und WESTWOOD (1986) betonen auch den gelungenen Einsatz von Ekel („Disgust“) und Ärger („Anger“) in verschiedenen Werbungen, welche sich u.a. der Irritation des Betrachters bedienen, um zum gewünschten Effekt zu gelangen. ZEITLIN und WESTWOOD (1986) ergänzen die Ergebnisse von HOLBROOK und WESTWOOD (1986) um Kreisdarstellungen der Emotionalität jeder der 54 vermessenen TV-Spots.
Die Emotionalität von Werbespots - Kreisdarstellungen nach ZEITLIN und WESTWOOD 1986
Commercial 1
Fea r
A cc
nes s Sad
nes s
Joy
t gus
tion
Dis
cipa Anti
tion
er
Fea r
e pris Su r
e pris Su r
cipa Anti
An g
e an c ep t
Sa d
e an c e pt
Joy
A cc
Commercial 2
An g
er
Dis
t gus
Abbildung 3: Kreisdarstellungen der Emotionalität von Werbespots
Damit werden, in Anlehnung an PLUTCHIKs Circumplex Models (1980), auf sehr anschauliche Art und Weise die Differenzen zwischen den verschiedenen getesteten Werbespots, hinsichtlich der von ihnen kommunizierten Emotionen, aufgezeigt.
Emotionsmessung
2.1.1.2
177
Differential Emotions Scale (DES) nach IZARD
2.1.1.2.1 Grundlagen Die „Differential Emotions Scale“ (DES) (IZARD 1972) wurde als Selbstbeobachtungsinstrument, zur Einschätzung des Erlebens der zehn fundamentalen Emotionen nach IZARD entwickelt (LORR in PLUTCHIK/KELLERMAN 1989, S. 39). Die DES war ursprünglich als Zustandsmaß für die Emotionen eines Menschen vorgesehen, sie sollte also das momentane emotionale Empfinden von Auskunftspersonen messen. 1977 wurde die Skala jedoch weiterentwickelt, sodass die Skala auch die Messung von Emotionserlebnissen über längere Zeiträume hinweg gestattet (DES II) (WESTBROOK 1987, S.262). Bei der Entwicklung der Skala wurden für jede der zehn, von IZARD postulierten fundamentalen Emotionen, Adjektivlisten gesucht, welche mittels Faktorenanalyse auf drei Adjektive je Fundamentalemotion reduziert wurden. Die eingesetzten Wortreize werden in der folgenden Grafik dargestellt (LORR in PLUTCHIK/KELLERMAN 1989, S. 40). Unter Anwendung der DES (ursprüngliche Skala) werden die Auskunftspersonen gebeten, jedes der 30 Adjektive (drei pro Fundamentalemotion) mittels einer fünfstufigen vollverbalisierten Skala, („not at all“, „slightly“, „moderately“, „considerably“, „very strongly“) einer bestimmten Situation zuzuordnen und damit das Ausmaß einzuschätzen, wie stark sie Fundamentalemotionen bei einem bestimmten Ereignis empfinden bzw. empfunden haben (IZARD 1991).
178
Emotionsmessung
DES (DES II) Differential Emotions Scale nach IZARD (1972 und 1977) Faktor
Item
VI.
Ekel
Widerwillen angeekelt Abscheu
erfreut glücklich froh
VII.
Geringschätzung
geringschätzig spöttisch verachtungsvoll
Überraschung
überrascht verblüfft erstaunt
VIII.
Furcht
sich fürchtend bange ängstlich
IV.
Kummer
niedergeschlagen traurig entmutigt
IX.
Scham
schüchtern scheu zurückhaltend
V.
Zorn
aufgebracht zornig wütend
X.
Schuld
reuig schuldig tadelnswert
Faktor
Item
I.
Interesse
aufmerksam konzentriert wach
II.
Freude
III.
Abbildung 4: DES (DES II) Differential Emotions Scale
Will man nun Emotionszustände über einen längeren Zeitraum hinweg erheben, so kommt die DES II zur Anwendung. Anstatt der Intensitätsskala liegt der DES II eine fünfstufige Häufigkeitsskala zugrunde. Die Auskunftspersonen werden gebeten, die Häufigkeit einzuschätzen, mit der jede Emotion während einer bestimmten Zeitspanne empfunden wurde. Bezüglich der Länge der Zeitspanne gibt es keinerlei Einschränkungen, sie kann also je nach Zweck variiert werden, d.h. zum Beispiel die vergangene Woche, den vergangenen Monat oder die Zeit seit der letzten Untersuchung betreffen. Die DES II kann aber auch eingesetzt werden, um die Emotionalität des Alltaglebens der Auskunftspersonen zu betrachten. Beispiele aus dem Marketing wären etwa die Erhebung des Gefühlszustandes während der Zeit der Kaufentscheidung eines Produktes (von der Problemerkennung bis zum eigentlichen Kauf bzw. bis zur Verwendung) oder während des Konsums eines Gebrauchsgegenstandes (IZARD 1991). Für die endgültige Darstellung der Ergebnisse werden die addierten Werte der Adjektivbeurteilung in Punktescores umgewandelt. 2.1.1.2.2 DES bzw. DESII angewandt im Marketingkontext Die von IZARD (1977) entwickelte Differential Emotions Scale (DES, DES II) wurde vergleichsweise häufig im Marketingkontext eingesetzt.
Emotionsmessung
179
WESTBROOK (1987) konzentrierte sich im Unterschied zu viele seiner Kollegen, nicht auf die Vorkaufsphase. Er setzte vielmehr auf die Relevanz von Emotionen in der Nachkaufphase, also auf Emotionen, die durch Produktbesitz und –verwendung entstehen und die Weiterempfehlung und gegebenenfalls die Beschwerdeführung beeinflussen. Dabei vertrat er die Meinung, dass sich die emotionalen Reaktionen der Konsumenten in der Nachkaufphase mittels zweier unipolarer Dimensionen (eine positive und eine negative Dimension) darstellen lassen, Er vermutete für die Nachkaufphase, dass sich hinter der positiven Dimension Freude und Interesse verbergen und hinter der negativen Dimension die Emotionen Ärger, Ablehnung und Verachtung. Das Gefühl der Überraschung vermutete er sowohl in der positiven als auch in der negativen Dimension. Des weiteren nahm WESTBROOK an, dass die Häufigkeit der auftretenden Gefühle unmittelbar auf die Zufriedenheit mit der gekauften Leistung oder dem Produkt zurückzuführen ist. Um diese Hypothesen durch empirische Ergebnisse bestätigen oder verwerfen zu können, führte WESTBROOK (1987) Studien in den Produktkategorien Autos und Kabel Pay TV (CATV) durch. Die Wahl fiel auf diese beiden Kategorien, weil man vermutete, dass in der Nachkaufphase die Bedeutung der jeweils auftretenden Emotionen unterschiedlich sein würde. Nach einer explorativen Vorstudie und weiteren Pilotstudien, welche der Untersuchung von Validität und Reliabilität der einzusetzenden Skala (IZARDs DES II), sowie zur Bewertung von persönlichen Produktbesitz- und Produktverwendungserfahrungen dienten, wurden für die zwei Produktkategorien die eigentlichen Hauptstudien durchgeführt. Die Stichproben wurden repräsentativ für die jeweilige Konsumenten-struktur gezogen. Im Falle der Verwender von Pay TV Programmen wurden 154 Face-to-face Interviews mit Haushaltsvorständen durchgeführt, im Gegenzug wurde eine schriftliche Befragung unter 200 Autobesitzern durchgeführt. In beiden Studien wurden entsprechend des Forschungszwecks nur sechs der zehn Subskalen von IZARDs DES II angewandt (Ärger, Ablehnung, Verachtung, Interesse, Freude und Überraschung). Durch eine konfirmatorische Faktorenanalyse, angewandt auf die sechs DES II Subskalen konnte die angenommene Zweidimensionalität der Emotionen in der Nachkaufphase bestätigt werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die starke Unabhängigkeit der beiden Dimensionen voneinander. Im Fall der Kunden der Pay TV Sender stehen die beiden Faktoren beispielsweise exakt orthogonal aufeinander und im Fall der Autokäufer bestehen lediglich geringe negative Beziehungen zwischen den subsummierenden Dimensionen.
180
Emotionsmessung
Das Auftreten von angenehmen Gefühlen in der Nachkaufphase schließt das parallele Auftreten negativer Emotionen nicht aus. Diese Ergebnisse bestätigten die Studie von ABELSON (1982) und stellen die Existenz von nur einer bipolaren Dimension (gut/schlecht) nach DAVITZ (1969) oder RUSSELL (1983) in Frage. Weiters konnte nachgewiesen werden, dass das Empfinden der einzelnen Dimensionen direkt mit der Höhe der Zufriedenheit, der Weiterempfehlungsbereitschaft und dem Beschwerde-verhalten korrespondiert. Damit wurde indirekt die Höhe der Bedeutung der Emotionen im Marketingkontext bestätigt. Die Reduktion der von IZARD postulierten diskreten Emotionen auf zwei Dimensionen, in den Studien von WESTBROOK (1987), lässt sich durch eine hohe Kovarianz zwischen den Emotionen erklären. IZARD (1991) entgegnet einem solchen Ergebnis, dass eine derartige Emotionsstruktur dann entstehen kann, wenn die verschiedenen Emotionen gleichzeitig, in einem kognitiven Prozess, entstanden sind. WESTBROOK (1987) gesteht ein, dass die von ihm gefundene zwei Faktoren-Struktur die verbreitete analytische Vorgehensweise reflektiert, nämlich emotionale Beschreibungen zu aggregieren, welche durch verschiedenste Stimuli entstanden sind. In diesem Zusammenhang ruft er zu einer verstärkten Untersuchung der Dimensionalität von Emotionen in der Nachkaufphase auf. WESTBROOK und OLIVER führen vier Jahre später eine weitere Studie im Bereich der emotionalen Reaktionen in der Nachkaufphase durch. Sie bauen auf der Kritik auf, dass die Marketingwissenschaft noch ungenügend auf die Systematik der Emotionen zueinander und ihre Vielschichtigkeit eingegangen ist und entweder nur einzelne Teile des emotionalen Empfindens (Basisemotionen) oder zusammengesetzte Dimensionen betrachtet. Ebenso sehen WESTBROOK und OLIVER (1991) die Anwendung der Faktorenanalyse auf ein Set von Emotionen problematisch wenn deren zugrundeliegende Muster zuvor nicht zuvor nicht eingehend erforscht wurden. Daher gingen sie der Typologie der diskreten Emotionen und möglicher zugrundeliegender Dimensionen im Anwendungsfall der Kundenzufriedenheit nach. Sie untersuchten dabei bei Konsumenten alltäglich auftretende Emotionen. Dafür wurden 125 Personen, die in der jüngeren Vergangenheit einen Autokauf getätigt hatten, befragt. WESTBROOK und OLIVER (1991) bedienten sich IZARDs DES II und adaptierten die Skala geringfügig für die Messung der emotionalen Reaktionen im Rahmen des Autokaufs. Im Gegensatz zu den Studien WESTBROOKs (1987) kamen bei dieser Untersuchung alle zehn Subskalen der DES II zum Einsatz: Interesse, Freude, Überraschung, Kummer, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Furcht, Scham, Schuld.
Emotionsmessung
181
Die Auswertung wurde vordergründig mittels Clusteranalyse in Angriff gemommen. Dabei ergaben sich schließlich fünf ähnlich große Gruppen (siehe auch Abbildung 5).
Einsatz der DES II zur Messung der Emotionalität eines Konsumerlebnisses (Autokauf) WESTBROOK und OLIVER 1991 Ergebnisse einer Clusteranalyse pleasant (positive) surprise Hohes Vorkommen von Freude und Überraschung geringes Vorkommen sämtlicher negativer Emotionen geringes Vorkommen von Interesse
23% 22%
30% 14% 11% unemotional
happy/content Hohes Vorkommen von Freude und Interesse geringes Vorkommen von Überraschung und allen negativen Emotionen. unpleasant (negative) surprise Hohes Vorkommen von Überraschung und sämtlicher negativer Emotionen (speziell Traurigkeit) angry/upset Sehr hoher Anteil negativer Emotionen speziell Ärger und Ablehnung
Abbildung 5: Clusterung emotionaler Haltungen gegenüber einem Konsumerlebnis
Die Unterscheidbarkeit der fünf Cluster wurde mittels Diskriminanzanalyse bestätigt. Für diese Analyse fungierten die zehn ursprünglichen Variablen als Prädiktorvariablen (unabhängige Variablen). Es konnte damit festgestellt werden, dass das Reduzieren der fünf Gruppen auf eine zweidimensionale Emotionsstruktur (WESTBROOK 1987), ein unzureichendes Abbild von den in der Nachkaufphase erlebten Emotionen darstellt. Die Studie von WESTBROOK und OLIVER (1991) stellt daher eine Erweiterung der Ergebnisse von WESTBROOK (1987) dar. OLIVER (1992) beschäftigte sich in einer weiteren Studie mit dem Zusammenspiel von Emotionen und Kundenzufriedenheit. Dabei bediente er sich ebenfalls des Datensatzes aus der Studie WESTBROOK und OLIVER (1991) und damit der Spezifika des Autokaufs. Die 125 Autobesitzer wurden nicht nur mittels IZARDs DES (die Intensitätsskala und nicht die Häufigkeitsskala DES II) zu Ihren Emotionen befragt, sondern auch zu Ihrer Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt. Bei der Zufriedenheitsmessung bediente sich OLIVER einer selbstentwickelten Skala mit 12 Statements, die eine getrennte Messung der Zufriedenheit und
182
Emotionsmessung
der Unzufriedenheit zulässt. Die 12 Items der Skala werden dabei einmal positiv formuliert und einmal negativ formuliert („war die richtige Entscheidung“ – „war die falsche Entscheidung“) mittels einer fünfpoligen Ratingskala der Nachkaufsituation zugerechnet. OLIVER ging davon aus, dass die Auskunftspersonen keine komplementären Antworten auf die paarweise formulierten Fragen geben und errechnete jeweils einen Summenwert für Zufriedenheit und einen für Unzufriedenheit (OLIVER 1992, S. 239). Durch den Einsatz desselben Skalenformats (jeweils Likert), sowohl bei der Zufriedenheitsals auch bei der Emotionsmessung, war OLIVER in der Lage, die beiden Skalen in Beziehung zu setzen und den wechselseitigen Einfluss darzustellen. Er bediente sich dabei der MDPREF (Multi Dimensional Scaling of Preferences) Analyse von CAROLL 1972. Dabei handelt es sich um ein vektororientiertes Modell einer Mehrdimensionalen Skalierung (MDS). OLIVER entschied sich für eine zweidimensionale Darstellung (die beiden Dimensionen erklärten 57% der Datenvarianz), wobei er aus Übersichtlichkeitsgründen auf das Einzeichnen der Vektoren verzichtete und nur die Endpunkte entlang der zwei Ellipsen einzeichnete. Die x-Achse (Dimension 1) reicht von Unzufriedenheit zu Zufriedenheit, wobei auch grafisch ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen den Leistungsfaktoren der Autos und dem Level der Zufriedenheit besteht. Mit der Zufriedenheit gehen am ehesten die Emotionen Genuss und Interesse einher, während Unzufriedenheit am ehesten mit dem Treibstoffverbrauch in Verbindung gebracht werden kann und von einer Fülle negativer Emotionen begleitet wird (OLIVER 1992, S. 240).
Emotionsmessung
183
Emotionsmessung gepaart mit Zufriedenheitsmessung OLIVER 1992
+ Repair Service Price + + + Luggage Capacity
+
Satisfaction
Roominess + Enjoyment Safety Quality + + + + Road Noises + Squeals + Ride + Power + Acceleration + Image + Uniqueness Styling + Interior
Fuel Economy +
+ Handling Stereo
+ Interest
Dissatisfaction + Fear + + + Sadness, Guilt, Shame Disgust Contempt + Anger
+ Surprise
Abbildung 6: Emotionsmessung gepaart mit Zufriedenheitsmessung
WESTBROOK und OLIVER (1991) identifizierten im Zusammenhang mit dem Autokauf die Dimensionen „Feindseligkeit“, „angenehme Überraschung“ und „Interesse“ aus den Messergebnissen mit IZARDs Häufigkeitsskala DES II. Bei der Analyse derselben Autokäufer in der Nachkaufphase (parallel gemessen mit IZARDs Intensitätsskala DES) durch OLIVER (1992) entpuppten sich die Emotionen Genuss, Interesse und Überraschung, sowie ein Set negativer Emotionen als bedeutsam. OLIVER erklärt damit unterschiedliche emotionale Reaktionen in den verschieden Konsumphasen (OLIVER 1992, S. 241). OLIVER äußerte sich im Anschluss an die Auswertung kritisch über den Einsatz von IZARDs DES Skala. Seiner Ansicht werden in der DES negative Emotionen überbetont, was im Marketingkontext zu Problemen führen kann. Am Beispiel der Autokäufer konnten deshalb die Emotionen der überwiegend zufriedenen Kunden nicht ausreichend erklärt werden (wie auch Abbildung 6 anschaulich beweist). Er empfiehlt deshalb im Zusammenhang mit Konsumphasen auf PLUTCHIKs Basisemotionen aufzubauen (OLIVER 1992, S. 243).
184
Emotionsmessung
2.1.2 Messung von Emotionen auf dimensionaler Ebene – PAD Measure Die PAD (Pleasure – Arousal – Dominance) Skala wurde 1974 von MEHRABIAN und RUSSELL entwickelt um emotionale Reaktionen auf Stimuli anhand dreier unabhängiger Dimensionen zu beschreiben (BEARDEN, NETEMEYER, MOBLEY, 1993, S. 180). -
Pleasure (Genuss, Freude, Vergnügen): bezieht sich auf ein positives Gefühl, das vom Gefühl der Bevorzugung bzw. des Mögens unterschieden wird.
-
Arousal (Erregung): Variiert entlang eines Kontinuums zwischen Schlafen und totaler Aufregung
-
Dominance (Dominanz): bezieht sich auf das Ausmaß, wie sehr eine Emotion das Empfinden weiterer Gefühle zulässt.
Die Skala wurde weniger dazu entwickelt, ein vielschichtiges Gesamtbild erlebter Emotionalität zu erfassen, sondern eher die emotionale Wirkung verschiedener Stimuli zu messen. Die Skala unterscheidet sich deshalb inhaltlich/methodisch von den Messansätzen nach IZARD oder PLUTCHIK. Die PAD Skala ist besonders dann von Vorteil, wenn das Erhebungsziel das Messen bekannter Gefühlswelten ist und nicht das möglichst vollständige Erfassen eines im Zusammenhang mit einem Stimulus erlebten Emotionsspektrums (RICHINS 1997, S. 128).
2.1.2.1
Entwicklung
Die Entwicklung der PAD-Skala erfolgte in mehreren Schritten. Anfangs wurden von MEHRABIAN und RUSSELL 28 Gegensatzpaare wie etwa happy/unhappy oder aroused/unaroused generiert. Diese Gegensatzpaare wurden von 134 Studenten 40 hypothetischen Situationen zugeordnet. Die Antworten wurden mittels Faktorenanalyse auf sechs Items pro Dimension (Pleasure, Arousal, Dominance) reduziert. Die sechs Items mit den höchsten Ladungen und Eigenwerten größer als eins wurden für die endgültige Skala ausgewählt. Es handelt sich dabei um die Gegensatzpaare in der folgenden Grafik:
Emotionsmessung
185
Die PAD (Pleasure Arousal Dominance) Skala nach MEHRABIAN und RUSSELL 1974
Pleasure
Arousal
Dominance
happy
unhappy
stimulated
relaxed
controlling
controlled
pleased
annoyed
excited
calm
influential
influenced
satisfied
unsatisfied
frenzied
sluggish
in control
cared for
contented
melancholic
jittery
dull
important
awed
hopefull
despairing
wide awake
sleepy
dominant
submissive
relaxed
bored
aroused
unaroused
autonomous
guided
Abbildung 7: Die PAD (Pleasure Arousal Dominance) Skala
In einer weiteren Studie mit einem Sample von 214 Studenten wurde die Validität und die Reliabilität der Skala überprüft (BEARDEN, NETEMEYER, MOBLEY, 1993, S. 180). Allgemein werden bei der Emotionsmessung mithilfe der PAD-Skala werden die Auskunftspersonen vorweg informiert, dass die einzelnen Skalenendpunkte verschiedene Emotionsdimensionen beschreiben. Die Probanden werden danach angehalten, auf einer Skala von –4 bis +4 anzugeben, wie stark das Gefühl den Stimulus betreffend empfunden wird. Anschließend werden die Itemscores innerhalb einer Dimension aufsummiert, um die Indizes für die einzelnen Dimensionen (Pleasure – Arousal – Dominance) zu erhalten (BEARDEN, NETEMEYER, MOBLEY, 1993, S. 181). Die untenstehende Abbildung zeigt die Anwendung der PAD-Skala. Die Auskunftsperson sollte angeben, welche Ausprägung der Gegensatzpaare sie eher gegenüber einem Stimulus empfindet. Dieser Stimulus kann eine bestimmte Situation (die Geburt eines Kindes) aber auch eine Person oder ein Gegenstand sein. Im Marketing werden als Stimuli vorwiegend Werbemittel oder Kaufsituationen eingesetzt.
186
Emotionsmessung
Die PAD (Pleasure Arousal Dominance) Skala - Beispiel 4
nach BEARDEN NETEMEYER MOBLEY (1993)
Bitte wählen Sie bei jedem Paar was Sie gegenüber ... empfinden. Bitte lassen Sie sich Zeit um Ihre Gefühle wirklich einordnen zu können.
Pleasure
Jedes dieser Wortpaare beschreibt eine Gefühlsdimension. Manche dieser Paare werden Ihnen vielleicht ein wenig ungewöhnlich erscheinen aber sie werden grundsätzlich eher auf die eine oder andere Art fühlen.
1
0
-1
-3
annoyed
x
unsatisfied
x
contented hopeful
-4 unhappy
melancholic
x
despairing
x
bored
x
stimulated
jittery
dull sleepy
x
controlling
x
dominant autonomous
unaroused controlled
x
influential in control
sluggish
x x
aroused
important
calm
x
frenzied
wide awake
relaxed
x
excited
Dominance
-2
x
pleased satisfied
2
relaxed
Arousal
Fragestellung:
3
x
happy
influenced
x
cared for
x x x
awed submissive guided
Abbildung 8: PAD (Pleasure Arousal Dominance) - Skalenbeispiel
In obigem Beispiel ist das Gefühl der Auskunftsperson gegenüber dem Stimulus durch eine starke Pleasure Dimension gekennzeichnet. Es besteht aber nur moderates Erregungspotenzial und wenig Dominanz.
2.1.2.2
Der PAD Ansatz im Marketingkontext
Der Pleasure-Arousal-Dominance (PAD) Ansatz von MEHRABIAN und RUSSELL fand bereits des öfteren im Marketingkontext Verwendung. HOLBROOK/CHESTNUT/OLIVA/ GREENLEAF (1984) untersuchten die emotionalen Aspekte freizeitbezogener Konsumaktivitäten, wie sie zum Beispiel beim Sport, bei Spielen oder anderen Freizeitaktivitäten vorkommen. HOLAK und HAVLENA (1998) wandten den PAD-Ansatz an, um die emotionale Bedeutung nostalgischer Erlebnisse im Zusammenhang mit Konsumsituationen zu erforschen. FOXALL und GREENLEY (1999) beschäftigten sich mit emotionalen Reaktionen auf die Umgebung in Konsumsituationen. Im folgenden soll auf die beiden letztgenannten Studien näher eingegangen werden.
Emotionsmessung
187
HOLAK und HAVLENA (1998) HOLAK und HAVLENA (1998) untersuchten die emotionalen Komponenten von Nostalgie. Die Autoren definieren Nostalgie als ein positiv bewertetes komplexes Gefühl, welches durch den Gedanken an Objekte, Personen, Erfahrungen oder Ideen, die mit der Vergangenheit verbunden werden, entsteht. Nostalgie wird immer wieder als zentrales Thema in der Werbung, Produktgestaltung und -positionierung verwendet. In ihrer Studie ließen HOLAK und HAVLENA 62 Auskunftspersonen nostalgische Erfahrungen in Bezug auf Objekte, Ereignisse oder Personen beschreiben. Auf diese Weise konnten 164 Beschreibungen gesammelt werden, die im Anschluss von zwei Expertengruppen (je 4 Experten pro Gruppe) anhand zweier unterschiedlicher emotionaler Skalen bewertet wurden. Zum einen handelte es sich dabei um die oben vorgestellte PAD, zum anderen um den Standardized Emotional Profile (SEP) nach (HOLBROOK and BATRA 1987). SEP wurde dabei um drei Items, zur Messung des Gefühls der „Wärme“, ergänzt (HOLAK/HAVLENA 1998, S. 219). Weiterführende Informationen zu SEP folgen im Kapitel 2.1.5.2 ab Seite 196. Anhand der Bewertungen durch die beiden Skalen konnte der emotionale Gehalt des „Konstrukts“ Nostalgie herausgefunden werden. Mittels Faktorenanalyse und multipler Regression wurde die Qualität der Emotionen, die durch das Erinnern nostalgischer Erlebnisse hervorgerufen werden, ermittelt. Mit nostalgischen Erfahrungen gehen demnach sowohl positive Emotionen wie „warmth“, „joy“, „affection“ und „gratitude“ als auch negative Emotionen wie „sadness“ und „desire“ einher. Betrachtet man die Struktur der gefundenen Emotionen, so konnten zwei von MEHRABIAN und RUSSELL (1974) beschriebene Dimensionen im Zusammenhang mit der emotionalen Bewertung der Nostalgie wiedergefunden werden: pleasure und dominance. HOLAK und HAVLENA (1998) bewerten die Charakterisierung der nostalgischen Erfahrungen auf den drei Ebenen pleasant - unpleasant, arousing - unarousing oder dominating – not - dominating als unzureichend für die Darstellung der Komplexität, der den nostalgischen Erlebnissen zugrundeliegenden Emotionen. Das Vorliegen der hohen Anzahl verschiedener diskreter Emotionen im Bereich von intensiven nostalgischen Erfahrungen lässt aus ihrer Sicht daher den Schluss zu, dass ein Messansatz auf Basis diskreter Emotionen die bessere Wahl gewesen wäre.
188
Emotionsmessung
FOXALL und GREENLAY (1999) FOXALL und GREENLEY setzten sich im Vorfeld ihrer Forschung kritisch mit mehreren Anwendungsfällen der PAD im Marketingkontext auseinander und versuchten jeweils die aus Ihrer Sicht bescheidenen Forschungsergebnisse zu begründen. Die beiden Wissenschaftler subsumieren aus den Studien von LUTZ und KAKKAR (1975), DONAVAN und ROSSITER (1982), GREENLAND und MCGOLDRICK (1994) die folgenden vier Problemfelder (FOXALL und GREENLEY 1999, S. 155): -
Die Stichprobe wird oft nur aus Studenten gezogen.
-
Es werden nur kurze Abrisse von beschriebenen Konsumsituation den Probanden zur Beurteilung vorgelegt und nicht ausführlich beschriebene, nachvollziehbare Erlebnisse zur Beurteilung vorgelegt.
-
Die Studien konzentrieren sich fast ausschließlich auf Situationen aus dem Einzelhandel.
-
Meistens fehlt der fundierte methodische Zusammenhang, speziell bei der Auswahl der Konsumerlebnisse.
Mit Ihrer Studie zur Messung der Emotionalität verschiedener Konsumsituationen versuchten FOXALL und GREENLEY (1999) die vier Problemkreise zu überwinden. Zum ersten wurde die Erhebung unter 142 repräsentativen Konsumenten durchgeführt und nicht bloß auf Studenten beschränkt. Besonderes Augenmerk wurde aber auf die Auswahl der Konsumsituationen gelegt. Hierbei wurde nach dem Behavior Perspective Modell (BPM) nach FOXALL (1990) vorgegangen. Das Modell sieht acht unterschiedliche Konsumsituationen vor, für die FOXALL und GEENLEY jeweils ein geeignetes Beispiel suchten und zum Forschungsgegenstand erhoben. Die Konsumsituationen sind entsprechend ihrer Nutzenund Informationsorientierung in vier Klassen eingeteilt: Ausführung/Durchführung, Hedonismus, Anhäufung/Sammlung und Unterhalt/Erhaltung. Innerhalb der Klassen wird entsprechend der Vielzahl der Entscheidungsmöglichkeiten, die dem Kunden zur Verfügung stehen, eine Zweiteilung in „offen“ und „geschlossen“ vorgenommen. Siehe Abbildung 9.
Emotionsmessung
189
Die Emotionalität von Konsumsituationen Behavior Setting Scope closed
(FOXELL und GREENLEY 1999)
open
Accomplishment
Gambling in Casino
Luxury Shopping
(high utilitarian high informational
You are playing roulette in an exclusive casino. Many people around you are gambling and enjoying themselves.
You are wandering from department to department in a store such as Harrods looking for an expensive treat for yourself that you feel you deserve and that can you well afford
Fulfillment
Status Consumption
Hedonism
In-flight entertainment
Watching Television
(high utilitarian low informational
You are on a transatlantic flight travelling economy class. You are reading an interesting book. The flight attendants close the blinds subdue the lighting and announce that a movie is about to be shown.
You are watching a fast-moving entertainment programm on TV: a sports programm a quiz show a soap-opera whatever you often watch. You use your remote control to switch channels to see similar shows.
Accumulation
Frequent-flyer scheme
Saving
(low utilitarian high informational
You have just bought a number of items you chose specifically because they confer frequent-flyer points. You make a note of how close you are to getting your goal of a free flight.
You are saving up to buy a major item. Each week you deposit cash in your savings account. You have just received notice of the amount of interest to be added to your account.
Inescapable Entertainment/ Amelioration
Popular Entertainment
Fulfillment
Status Consumption
Maintenance
Paying taxes
Grocery shopping
(low utilitarian low informational
You are comparing the ex-VAT price with what you must actually pay for a consumer dutable such as a home computer.
You are doing your weekly grocery shopping in a large supermarket.
Fulfillment
Status Consumption
Abbildung 9: Die Emotionalität von Konsumsituationen
FOXALL und GREENLEY (1999) konnten mit dieser Studie die Relevanz aller drei Dimensionen (Pleasure, Arousal, Dominance) der Methode nach MEHRABIAN und RUSSELL (1974) im Marketingkontext bestätigen. Mitverantwortlich dafür war der systematisch strukturierte Studienaufbau und die Beurteilung adäquater Konsumsituationen durch betroffene Zielgruppen. Damit wurde letztlich eine hohe Datenvarianz in den Ergebnissen erreicht, was zu stärker differierenden emotionalen Urteilen hinsichtlich der erhobenen Konsumsituationen führte.
2.1.3 Vergleich der drei vorgestellten verbalen Messmethoden In den letzten Kapiteln wurden die drei wichtigsten verbalen Methoden aus der Psychologie zur Messung von Emotionen vorgestellt und ihr Einsatz im Marketingkontext gezeigt. Sie sollen nun anhand von Studien, die marketingbezogene Fragestellungen zum Thema hatten und bei welchen jeweils mehrere Methoden parallel eingesetzt wurden, miteinander verglichen werden. Zuerst wird der Einsatz von PLUTCHIKs diskreten Emotionen dem dimensionalen Ansatz von MEHRABIAN und RUSSELL (PAD), anhand einer Studie von
190
Emotionsmessung
HAVLENA und HOLBROOK gegenübergestellt. Danach wird eine Studie von MACHLEIT und EROGLU präsentiert, die alle drei oben beschriebenen Methoden miteinander vergleicht. 2.1.3.1
Die Typologie nach PLUTCHIK versus (PAD)
HAVLENA und HOLBROOK (1986) untersuchten die Rolle von Emotionen im Zusammenhang mit verschiedenen Konsumerfahrungen und gefühlsbetonten Erlebnissen anhand von zwei, in der Konsumentenforschung weit verbreiteter emotionspsychologischer Messmethoden, dem Konzept der acht Basisemotionen nach PLUTCHIK und dem PAD Konzept nach MEHRABIAN und RUSSELL. HAVLENA und HOLBROOK investierten bei Ihrem Methodenvergleich viel Engagement in die Auswahl einer größeren Zahl möglichst realistischer Konsumsituationen und Erlebnisse. Nach dem Vorbild MEHRABIAN und RUSSELL´s wurden 20 Personen gebeten, besonders emotionsgeladene, reale Konsumerlebnisse unter Beschreibung der Situation und der emotionalen Reaktionen niederzuschreiben. Als Anhaltspunkte wurden die 20 Autoren aufgefordert Ihre Erlebnisse acht Kategorien (Kunst, Mode, Sport, Unterhaltung, Essen & Trinken, Hobbys, Religion und Sicherheit) zuzuordnen. Auf diese Weise kamen 149 erlebbare Situationsbeschreibungen zustande. An zwei Beispielen sei die Ausführlichkeit der Beschreibungen dem Leser näher gebracht (HAVLENA/HOLBROOK, 1986, S. 403): Der Kellner brachte das falsche Essen. Nach dem dritten Versuch war das schließlich richtige Essen verdorben. Beim Abkassieren hat man uns dann übers Ohr gehauen. Meine Beschwerde endete in einem veritablen Schlagabtausch. Als wir schließlich das Lokal fluchtartig verließen, konnte ich im Rückspiegel meines Autos, den mit den Fäusten drohenden Geschäftsführer beobachten. Ich besuchte ein Konzert, bei dem verschiedene Amateur-Streichquartette auftraten. Ein Quartett hatte weniger als eine Woche Zeit sich aufeinander abzustimmen. Aber die Qualität Ihrer Aufführung war in allen Punkten überzeugend. Ich konnte die positive Energie, die von der Gruppe auf der Bühne ausging, förmlich spüren. Ich empfand großen Enthusiasmus. Im Anschluss hatte ich den Wunsch noch härter an mir zu arbeiten. Anschließend wurden die Situationsbeschreibungen von zwei Gruppen mit jeweils zehn Personen hinsichtlich ihrer Emotionalität beurteilt. Dabei bediente sich eine Gruppe der acht Basisemotionen von PLUTCHIK, welche jeweils durch drei Items (vgl. HOLBROOK und WESTWOOD 1986) repräsentiert wurden und die zweite Gruppe bewertete anhand der drei Emotionsdimensionen nach MEHRABIAN und RUSSELL (1974) Pleasure, Arousal und Dominace, die jeweils durch vier Items in der Messung operationalisiert wurden. In beiden Fällen wurde eine siebenstufige Skala zur Zuordnung der Items eingesetzt (von 1 =
Emotionsmessung
191
„überhaupt nicht“ bis 7 = „sehr stark“). Die beiden Vergleichsdatensätze wurden im Anschluss hinsichtlich Mittelwert und Standardabweichung standardisiert. Die Vergleichsindizes entstanden dann durch Aufsummieren der standardisierten Items jeder Emotionskategorie bzw. Dimension (HAVLENA und HOLBROOK, 1986, S. 398) . Der Vergleich der beiden Messmethoden erfolgte schließlich durch die Erstellung sogenannter „emotionaler Räume“ mittels Diskriminanzsanalysen. Die Zuordnungen anhand des Modells von PLUTCHIK und des PAD Modells fungierten dabei als unabhängige Variable. Die Stärke der Beziehung zwischen den a priori feststehenden Emotionsindizes und den Achsen der Diskriminanzanalysen wurde durch die Höhe von Korrelationsladungen definiert. Durch die Berechnung von zwei emotionalen Räumen für jedes der beiden Emotionsmessmodelle war eine direkte Gegenüberstellung der Ergebnisse möglich. Die Autoren stellten fest, dass beide Modelle idealerweise dreidimensional dargestellt werden sollten. Während sich die Items von PAD erwartungsgemäß entlang von Pleasure / Arousal / Dominance einordneten, ergab sich beim Modell von PLUTCHIK die bekannte Circumplex Darstellung (Kreisförmige Anordnung separiert nach positiven und negativen Items) und als dritte Dimension die Stärke der Zuordnung (HAVLENA und HOLBROOK, 1986, S. 399). Die Autoren kamen schließlich zur Ansicht, dass das Modell nach MEHRABIAN und RUSSELL (PAD) etwas mehr Informationsgehalt beinhaltet. Die auf den ersten Blick komplexere Methode nach PLUTCHIK birgt gegenüber PAD keine zusätzliche Information hinsichtlich relevanter Emotionen in Konsumsituationen. Diese Feststellung ist das Ergebnis der Redundanzanalyse der kanonischen Korrelation zwischen den beiden Messmethoden. Bei diesem Vergleichsansatz zeigt der Redundanzkoeffizient die Höhe der erklärten Varianz der einen Methode durch die andere. Der PAD Raum korreliert bis auf eine Ausnahme (die Emotion Erwartung) mit den acht Basisemotionen von PLUTCHIK. Der Anteil der erklärten Varianz ist im PAD Modell höher. Interessanterweise relativieren HAVLENA und HOLBROOK jedoch die Ergebnisse ihrer Studie und damit die ausgewiesene Nähe der beiden Messansätze (PAD und PLUTCHIK) zueinander mit dem Argument, dass es trotz der aufwendigen Auswahl geeigneter Situationsbeschreibungen wahrscheinlich nur ungenügend gelungen sei, emotionsgeladene Situationen nachvollziehbar zu beschreiben. Man stieß trotz der aufwendigen Operationalisierungen an die Grenze verbaler Erhebungstechnik. Eine Selbstkritik an der Erhebungsmethode, die sich interessanterweise nur auf die verbale Aufbereitung der Konsumerlebnisse bezog, nicht aber auf die ebenso verbale Operationalisierung der Emotionsmessung selbst, die (wie oben erwähnt) aus jeweils drei bzw. vier Adjektiven je Emotionsdimension bestand und eigentlich ebenso in Frage zu stellen wäre.
192
Emotionsmessung
Das Ergebnis der Studie von HAVLENA und HOLBROOK gibt per se also weniger Aufschluss über die geeignetere Skala zur Emotionsmessung, sondern lädt ein alternative Wege zur Messung von Emotionen im Marketingkontext zu beschreiten.
2.1.3.2
Die Typologie nach PLUTCHIK versus DES und PAD
MACHLEIT und EROGLU (2000) verglichen in ihrer Studie alle drei im Marketing am weitesten verbreiteten verbalen Emotionsmessmethoden (jene von PLUTCHIK 1980, IZARD 1977 und MEHRABIAN und RUSSELL 1974). Ihr Forschungsgegenstand waren die Emotionen während der Einkaufssituation im Einzelhandel. MACHLEIT und EROGLU wollten die Qualität und die Intensität der auftretenden Emotionen herausfinden und erwarteten von diesen Kenntnissen Rückschlüsse für eine Optimierung der Einkaufsatmosphäre. Die Datenerhebung wurde in drei Wellen durchgeführt. Die beiden größeren Stichproben wurden unter Studenten gezogen (n1=401 und n2=343), die dritte Erhebung wurde unter Mitgliedern zweier Sozialgruppen (eine Elternvereinigung und Mitglieder einer Tagesheimstätte) durchgeführt (insgesamt n3=153). Alle Auskunftspersonen wurden gebeten, den Fragebogen im Anschluss an Ihren nächsten Einkauf auszufüllen. Der Einleitungsteil des Fragebogens forderte die Rezipienten auf, sich auch an Details der Einkaufsatmosphäre (Musik, Beleuchtung,...) zurückzuerinnern, und diese Einzelheiten bei der anschließenden Einstufung der Einkaufsituationen zu berücksichtigen. Die Bewertung erfolgte in einem ersten Schritt anhand von IZARDs DES Skala und PLUTCHIKs acht Basisemotionen. Für jedes emotionale Item sollten die Auskunftspersonen auf einer fünfstufigen Skala angeben, wie stark sie dieses Gefühl beim Einkauf empfunden hatten. Anschließend sollte das Erlebnis noch anhand der Skala von MEHRABIAN und RUSSELL bewertet werden. Über alle drei Messmethoden hinweg konnte festgestellt werden, dass manche Emotionen häufiger und stärker als andere empfunden wurden (z.B. Freude, Interesse, Akzeptanz, und Erwartung). MACHLEIT und EROGLU unterstrichen aber ausdrücklich, dass auch jenen Emotionen, die nur von wenigen Auskunftspersonen empfunden wurden (z.B. Ärger, Ekel und Scham, ...) Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Unabhängig von der Erhebungsmethode konnte mittels MANOVA der Einfluss der Art der beurteilten Einkaufsstätte auf die empfundenen Emotionen nachgewiesen werden. Für die Frage nach der geeigneteren Methode zur Messung der im Zuge von Einkaufssituationen erlebbaren Emotionen wurde in Anlehnung an HAVLENA und HOLBROOK (1987) wieder der Redundanzkoeffizient der kanonischen Korrelation zur
Emotionsmessung
193
Beurteilung herangezogen. Die Vergleichstechnik war gleich, die Ergebnisse spiegelten aber ein ganz anderes Bild wider: HAVLENA und HOLBROOK verglichen die verbale Umsetzung von PLUTCHIKs acht Basisemotionen mit MEHRABIAN und RUSSELLs PAD in Bezug auf emotionale Konsumerlebnisse. MACHLEIT und EROGLU kamen für die Analyse von Einkaufssituationen zu konträren Ergebnissen. Die beiden Forscher zeigten eine bessere Anwendbarkeit der Methoden diskreter Emotionen (PLUTCHIK und IZARD) und begründeten dies damit, dass die emotionalen Spezifika von Einkaufssituationen mit den beiden Methoden umfangreicher abgebildet wurden. Zwischen den beiden diskreten Ansätzen von PLUTCHIK und IZARD konnte jedoch kein Favorit ermittelt werden. MACHLEIT und EROGLU empfehlen, die Wahl vom jeweiligen Untersuchungs-gegenstand abhängig zu machen. Es konnte also kein eindeutiger Sieger, kein überlegenes Verfahren aus den für psychologische Zwecke entwickelten und im Marketingkontext angewandten Methoden identifiziert werden. Mehr noch: jene Studien, die einen Methodenvergleich zum Inhalt hatten, lieferten zum Teil konträre Ergebnisse, was einerseits mit den unterschiedlichen Untersuchungsgegenständen zu tun hatte (Konsum versus Einkauf) andererseits aber auch auf die unterschiedlichen Operationalisierungen der Erhebungen zurückzuführen war. So mussten sich die Auskunftspersonen bei HAVLENA und HOLBROOK erst durch verbale Beschreibungen in die Konsumsituationen versetzen, während bei MACHLEIT und EROGLU die Probanden ihre eigenen Erlebnisse emotional einstufen konnten. Die geringere Realitätsnähe und der fehlende Selbstbezug mögen mitverantwortlich gewesen sein, dass die Konsumerlebnisse in der Testsituation nicht so emotional vielschichtig erlebt wurden wie die Einkaufssituationen.
2.1.4 Kritik an den drei bekanntesten Messmethoden aus der Psychologie Obwohl sich die drei Messmethoden in den Bereichen, für die sie entwickelt wurden, als sehr gut erwiesen haben, bleiben für den Einsatz im Marketing einige Kritikpunkte und Verbesserungspotenziale zurück (RICHINS 1997, S. 129f). -
Die beschriebenen Skalen ignorieren manche Emotionen, die für das Marketing von großer Bedeutung sind. So misst z.B. keine dieser Skalen Liebe als unabhängige Emotion. Die Typologie von PLUTCHIK beispielsweise sieht Liebe nur als Sekundäremotion und Dyade aus Akzeptanz und Freude vor. Die Herleitung dieser abgeleiteten Emotionen (Liebe, Stolz, Neid, Hass,...) ist aber noch zu unausgereift, um
194
Emotionsmessung
ausschließlich auf eine mathematische Konstruktion zu vertrauen. Die Bedeutung dieser Sekundäremotion für das Marketing würde eine direkte Messung dieser Emotionen rechtfertigen. -
Die Messmethoden verwenden zum Teil Items, mit welchen die Auskunftspersonen oft nicht vertraut sind und die dem alltäglichen Vokabular der Probanden nicht entsprechen. Als Beispiele lassen sich Akzeptanz, Geringschätzung und Erwartung anführen. Dieses Problem der Fehlinterpretation wird durch das Problem der Übersetzung aus dem englischen Sprachraum noch verstärkt.
-
Manche Skalen erscheinen auf dem ersten Blick auch als verwirrend. Die PAD Skala verwendet zum Beispiel Gegensatzpaare die nicht gut gewählt sind. RICHINS führt in diesem Zusammenhang das vermeintliche Gegensatzpaar „gelangweilt“ und „erholt“ an.
-
Schließlich ist für RICHINS noch nicht ausreichend bewiesen, ob die Emotionsmessmethoden, die aus der Psychologie entstanden sind, auch tatsächlich für Anwendungsfälle im Marketing geeignet sind und valide Messergebnisse liefern. Emotionen gelten als kontextspezifisch. Zudem unterscheiden sich Emotionen, die im Zusammenhang mit Konsumsituationen empfunden werden, in der Intensität und Qualität von jenen, die z.B. in intimen zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten.
Diese und ähnliche Kritik forderte Wissenschafter auf, an einem Messinstrument für marketingbezogene Emotionsmessung zu arbeiten. Die wichtigsten dieser Instrumente sollen im nachfolgenden Kapitel vorgestellt werden.
2.1.5 Verbale Emotions-Messmethoden aus der Marketingwissenschaft 2.1.5.1
EDELL und BURKE (1987/1989)
EDELL und BURKE (1987) bzw. BURKE und EDELL (1989) nahmen die Frage nach den im Zusammenhang mit TV-Spots empfundenen Gefühlen zum Anlass, eine eigene Skala zur Emotionsmessung zu entwickeln. In einem weiteren Schritt versuchten die beiden Wissenschaftler den Einfluss der Emotionen auf die semantische Beurteilung der Werbung nachzuvollziehen. Schließlich entstand unter Zuhilfenahme von Regressionsanalysen ein Strukturmodell, das die Zusammenhänge zwischen empfundenen Emotionen beim Betrachten von Werbung, Beurteilung dieser Werbung und Einfluss auf die beworbene Marke aufzeigt (BURKE und EDELL 1989, S.78).
Emotionsmessung
195
Für die Entwicklung der Emotionsskala wurden aus bereits bestehenden Studien (WELLS 1964, WELLS et al. 1971) insgesamt 169 Begriffe gesammelt, welche die ursprünglichen Items für die Bewertung von TV Werbung bildeten. In einem ersten Schritt wurden 16 TV Spots, die eine möglichst breite Palette an Produkten bzw. Werbestilen abdecken sollten, den Auskunftspersonen (n=60) vorgeführt. Die Auskunftspersonen wurden unmittelbar nach der Betrachtung der Werbespots gebeten, mittels einer fünfstufigen Skala („fühlte ich sehr stark“ bis „fühlte ich überhaupt nicht“) die gesammelten Begriffe auf die jeweiligen Spots zuzuordnen und damit ihre Gefühlswelt abzubilden. Der gesamte Begriffspool wurde auf einmal immer nur einem Spot zugeordnet, sodass die Auskunftspersonen keinen unmittelbaren Vergleich zu einem anderen Spot vornehmen mussten und sich voll auf die eine Werbung konzentrieren konnten. Auf diesem Weg konnten 69 Items gefunden werden, die von zumindest 50% der Auskunftspersonen im Zusammenhang mit den TV-Spots empfunden wurden. Zusammen mit einigen neuen Items, die durch offene Antworten zustande kamen, bildeten sie die Basis für die darauffolgende Faktorenanalyse. EDELL und BURKE gruppierten die entstandenen Items auf diesem Weg zu den drei Dimensionen „Upbeat feelings“, „Negative Feelings“ und „Warm Feelings“ (EDELL und BURKE 1987, S. 425f):
Itemauswahl mittels Faktorenanalyse nach EDELL und BURKE 1987 FEELINGS SCALES* Upbeat (UF) W arm (WF) Negative (NF) Active .71 .12 -.08 Affectionate .44 .59 -.15 Alive .72 .27 -.13 -.09 -.21 Amused .71 .26 -.35 Attentive .65 Attractive .57 .38 -.05 Bored -.40 -.05 .54 .05 Calm -.20 .51 Carefree .60 .23 .00 .28 -.14 Cheerful .76 Concerned .10 .56 .18 Confident .66 .36 .01 Contemplative -.00 .70 .13 Convinc ed .36 .42 -.22 Creative .59 .39 -.06 Critical -.05 .01 .68 Defiant .03 .02 .66 Delighted .70 .36 -.16 Depressed -.09 .08 .63 Disgusted -.10 -.16 .74 Disinterested -.37 -.17 .63 Dubious -.10 -.01 .72 Dull -.33 -.00 .60 Elated .65 .37 -.08 Emotional .41 .62 -.01 Energetic .77 .20 -.03 Happy .71 .41 -.22 Hopeful .34 .74 -.07
Humorous Independent Industrious Inspired Interested Joyous Kind Lazy Lighthearted Lonely Moved Offended Patriotic Peaceful Pensive Playful Pleased Proud Regretful Sad Satisfied Sentimental Silly Skeptical Stimulated Strong Suspicious W armhearted
Upbeat (UF) W arm (W F) Negative (NF) .71 -.04 -.13 .69 .28 .10 .76 .20 .04 .77 .29 -.07 .54 .47 -.32 .69 .45 -.06 .32 .70 -.01 -.03 .21 .24 .70 .09 -.10 -.03 .31 .51 .20 .70 -.01 -.06 -.14 .71 .12 .47 .07 -.06 .58 .01 -.03 .61 .23 .85 -.01 -.06 .55 -.18 .60 .74 .22 -.01 .06 .21 .57 -.05 .19 .58 .62 .44 -.15 .12 .72 -.06 .65 -.16 .19 -.06 -.05 .71 .62 .36 -.01 .57 .35 .13 -.04 -.02 .71 .47 .57 -.17
*The underline indicates the s cale on which the item was included. Convinced, lazy, and patriotic were items measured that did not load greater than .5 on any factor.
Abbildung 10: Itemauswahl mittels Faktorenanalyse
Die so entstandene Skala wurde von RICHINS 1997 einem Vergleich mit fünf anderen Skalen unterzogen. (Ergebnisse dazu entnehmen sie bitte dem Kapitel 2.1.5.4)
196
2.1.5.2
Emotionsmessung
Standardized Emotional Profile (SEP – HOLBROOK/BATRA, 1987)
HOLBROOK und BATRA kritisierten an den vorhandenen Methoden zur Emotionsmessung die Unvollständigkeit der Messansätze. Keines der Instrumente war aus Ihrer Sicht in der Lage, in Bezug auf Messung der Emotionalität von Werbemittel, universell einsetzbar zu sein und alle möglichen Facetten der Emotionalität vollständig abzudecken. Durch umfangreiche Literaturrecherche trugen die beiden Wissenschaftler eine Liste emotionaler Items aus anderen Studien und Messmodellen zusammen und gruppierten diese mehrere hundert Items anhand von 29 Emotionstypen. Nun wurde jeder Emotionstyp genau betrachtet und die Fülle an Information mittels Expertenurteil auf die aussagekräftigsten drei bis vier Items je Emotionstyp komprimiert. Im Fall der Emotion „Freude“ blieben beispielsweise die Items „freudig“, „glücklich“, „entzückt“ und „zufrieden“ übrig. Die vollständige Liste der Emotionstypen und die zugehörigen Operationalisierungen kann man der Abbildung 11 entnehmen (HOLBROOK und BATRA in HECKER/STEWART 1987). Diese Liste von über hundert Items war jedoch immer noch viel zu umfangreich, um bei Werbemitteltests eingesetzt zu werden. Der nächste Komprimierungsschritt wurde mittels einer empirischen Studie erreicht. Es sollte eine kompakte Liste an Emotionswörtern gefunden werden, die trotzdem in der Lage sein sollte die Varianz der emotionalen Reaktionen im Werbekontext ausreichend abzudecken. Demgemäss hatten zwölf Auskunftspersonen die Aufgabe jeweils 109 Items 72 TV Werbespots mittels siebenstufiger Skala (von „sehr“ bis „überhaupt nicht“) zuzuordnen.
Emotionsmessung
197
SEP - (Standardized Emotional Profile) - Itempool HOLBROOK und BATRA 1987 A Priori Multi-Item Emotional Indices INDEX (Multi-Item Alpha)
ITEMS (Multi-Judge Alpha) [Mean Multi-Judge Alpha]
Joy (.96)
Joyful (.84), Happy (.78), Delighted (.75), Pleased (.70), [.77]
Surprise (.87)
Surprised (.53), Amazed (.46), Astonished (.36)11 [.45]
Skepticism (.93)
Skeptical (.61), Suspicious (.59), Distrustful (.51) [57]
Sadness (.88)
Sad (.69), Distressed (.49), Sorrowful (.61), Dejected (.27) [.52]
Pride (.57)
Surgency (.94)
Proud (.71)11, Superior (.22)11, Worthy (.46)11 [46]
Playful (.85), Entertained (.82), Lighthearted (.78) [82]
Serenity (.89)
Restful (.76), Serene (.72), Comfortable (.56), Soothed (.78) [71]
Anger (.90)
Angry (.54), Irritated (.58), Enraged (.34), Mad (.49) [.49]
Disgust (.93)
Disgusted (.42), Revolted (.39), Annoyed (.66), Full of loathing (.43) [.47]
Conflict (.79)
Contempt (.93)
Scornful (.50), Contemptuous (.50), Disdainful (.53) [.51]
Desire (.90)
Desirous (.54), Wishful (.65), Full of craving (.71), Hopeful (.55)11 [61]
Fear (.87)
Fearful (.52)11, Afraid (.51) 10, Anxious (.59) [.54]
Duty (.69)
Moral (.44), Virtuous (.45), Dutiful (.45)10 [.44]
Tense (.58)11, Frustrated (.36)11, Conflictful (.48)10 [.47]
Shame (.89)
Ashamed (.48), Embarrassed (.42)11, Humilitated (.36)11[.42]
Faith (.86)
Reverent (.58), Worshipful (.34)9, Spiritful (.58) 9 [.50]
Guilt (.86) 2
Guilty (.16)9, Remorseful (.25)10, Regretful (.48)10, Regretful (.62)10 [38]
Gratitude (.88)
Grateful (.48) 11, Thankful (.56)11, Appreciative (.62) [.55]
Affection (.91)
Loving (.84), Affectionate (.79), Friendly (.73) [.79]
Innocence (.55)
Innocent (.52), Pure (.59)10, Blameless (-.18)11 [.31]
Activation (.89)
Aroused (.59), Active (.69), Excited (.78) [69]
Involvement (.72)
Involved (.60), Informed (.11), Enlightened (.40), Benefited (.27) [.34]
Hyperactivation (.47)
Panicked (.50)9, Confused (.59)10, Overstimulated (.37)11 [.48]
Deja vu (.76)
Unimpressed (.68), Uninformed (.39), Unexcited (.69) [.59]
Hypoactivation (.73)
Bored (.74), Drowsy (.39), Sluggish (.32) [48]
Interest (.60)
Attentive (.56), Curious (.64) [.60]
Competence (.82)
Confident (.32), In control (.33), Competent (.38)11 [.34]
Distraction (.75)
Distracted (.30), Preoccupied (.47)11, Inattentive (.45) [.40]
Helplessness (.72)
Powerless (.47) 11, Helpless (.38)11, Dominated (.09)11 [31]
Mean (.81)
Mean [.52]
2
Due to a clerical error, "regretful" (GUILT) was inadvertently substituted on the questionnaire for "interested" (INTEREST). This resulted in a moderately low reliability for the latter index (.60).
9, 10, 11
Where indicated, because of zero variance in the relevant item for one or more respondents, the alpha is based on 9, 10, or 11 judges.
Abbildung 11: Itempool zur Konstruktion des Standardized Emotional Profile
Mit dieser Studie wollte man, wie bereits zuvor erwähnt, das Erhebungsdesign mit möglichst wenig Verlust an Information weiter verschlanken und ein standardisiertes Erhebungsinstrument generieren, den sogenannten SEP (Standardized Emotional Profile). Zweites Ziel war die Überprüfung der Unabhängigkeit der 29 Emotionstypen und diese gegebenenfalls neu zu ordnen. Die darauf anschließende, obligatorische Faktorenanalyse ergab eine Drei-Faktorenlösung mit den Dimensionen Pleasure, Arousal und Domination. Diese Dimensionen erinnern stark an jene von MEHRABIAN und RUSSELL (1974) mit dem einzigen Unterschied, dass sich die hier gefundene dritte Dimension auf Domination (also das Gefühl dominiert zu werden) bezieht, während MEHRABIAN und RUSSELLs dritte Dimension mit Dominance (das Gefühl jemand Dominierender zu sein) betitelt ist (HOLBROOK und BATRA in HECKER/STEWART 1987, s. 102f). Schließlich wurde eine weitere Reduktion der Items aufgrund der Untersuchung der Reliabilitäten der Skalen mittels der Kenngröße Cronbach Alpha notwendig. Die schließlich endgültige Version des Standardized Emotional Profile (SEP) mit 27 Items findet sich in Abbildung 12)
198
Emotionsmessung
SEP - (Standardized Emotional Profile) HOLBROOK und BATRA 1987
Dimension
Indices
Items
Pleasure
Faith
Reverent
Worshipful
Affection
Loving
Affectionate Friendly
Gratitude
Grateful
Thankful
Appreciative
Interest
Attentive
Curious
Interested*
Activation
Aroused
Active
Excited
Surgency
Playful
Entertained Lighthearted
Sadness
Sad
Distressed
Sorrowful
Fear
Fearful
Afraid
Anxious
Skepticism
Skeptical
Suspicious
Distrustful
Arousal
Dominance
Spiritual
* This Item was added to complete the Interest index
Abbildung 12: Standardized Emotional Profile
HOLBROOK und BATRA weisen ob Ihrer schlanken Erhebungsmethode schließlich darauf hin, dass die Komprimierung auf Kosten mancher Emotionen bei speziellen Anwendungsfällen gehen könnte(!). Die Autoren führen dazu folgende Emotionen beispielhaft ins Treffen: Stolz, Freude, Ärger und Ekel/Ablehnung. Es sei an dieser Stelle der Kommentar gestattet, dass HOLBROOK und BATRA ihr eigenes Ziel, ein umfassendes, standardisiertes Erhebungsinstrument zu schaffen, verfehlten, zumal die beiden von sich aus vorschlagen, im Bedarfsfall eine Ergänzung des SEP um die notwenigen Items vorzunehmen. Einen Vergleich des SEP mit fünf anderen Messtechniken bietet RICHINS (1997). (Kapitel 2.1.5.4, ab Seite 203).
2.1.5.3
Consumption Emotion Set – RICHINS (1997)
RICHINS (1997) reagierte auf die oben zitierte Kritik (vgl. Kapitel 2.1.4) gegen den Einsatz von allgemeinen psychologischen Emotionsskalen und versuchte selbst eine besser passende
Emotionsmessung
199
verbale Methode zur Messung von Emotionen in Konsumsituationen zu entwickeln. Drei Parameter leiteten dabei die empirische Forschung: -
Die Messmethode sollte alle relevanten Emotionen, die in einer Vielzahl an Konsumsituationen empfunden werden können, erfassen.
-
Trotzdem sollte die Skala kompakt genug sein, um in Rahmen verschiedener Untersuchungen eingesetzt werden zu können, ohne den weiteren Untersuchungsgegenständen zu viel Raum wegzunehmen.
-
Die Emotionsbegriffe sollten den Auskunftspersonen vertraut sein, sie sollten also aus ihrem eigenen Wortschatz stammen.
Um diesen Vorgaben gerecht werden zu können, ging RICHINS in insgesamt sechs Stufen vor: Phase I In einer ersten explorativen Studie wurden insgesamt 97 Auskunftspersonen (49 Studenten und 48 erwachsene Konsumenten) gebeten, eine von sechs verschiedenen Konsumsituationen zu beschreiben. Zur Auswahl standen die Verwendung des Lieblingsprodukts, ein wichtiger Einkauf der letzten Zeit, der Einkauf eines wichtigen Kleidungsstücks, eines Nahrungsmittels, oder eines langlebigen Wirtschaftsguts (z.B. Auto) oder die Inanspruchnahme einer Serviceleistung. In den Fragebögen wurden auch Fragen zum Produkt selbst und der Einkaufs- bzw. Verwendungssituation gestellt, sowie zahlreiche offene Fragen zu den bei Einkauf und Verwendung empfundenen Emotionen. Letztere Beschreibungen wurden dann im Anschluss von zwei Experten hinsichtlich der Verwendung unterschiedlicher Emotionsbegriffe durchkämmt, was schließlich zu einer Sammlung von 285 unterschiedlichen Begriffen führte. Es konnte festgestellt werden, dass die Anzahl der positiven Emotionen jene der negativen überstieg. Die Eigenschaften glücklich sein, aufgeregt oder erleichtert sein waren die am häufigsten genannten Begriffe. Abschließend wurden die Nennungen um jene bereinigt, die keine Emotionen im engeren Sinn darstellten (z.B. Begriffe die sich auf körperliche Zustände bezogen, wie „schläfrig“ oder verhaltensbeschreibende Begriffe wie „weinen“) was schließlich zu einer Liste von 175 Emotionsbegriffen führte (RICHINS 1997, S. 130). Phase II Im nächsten Schritt wurden jene Begriffe eliminiert, die nicht Bestandteil der Umgangssprache waren und bei denen befürchtet werden musste, dass sie vom
200
Emotionsmessung
Durchschnittsbürger nicht oder falsch verstanden werden. Insgesamt wurden 120 Studenten gebeten, die Wahrscheinlichkeit der Nutzung der Emotionsbegriffe anzugeben, für den Fall, dass sie das Gefühl selbst empfinden würden. Die Studenten sollten die Wahrscheinlichkeit der Verwendung anhand einer vierstufigen Skala angeben. Jene zehn Begriffe, die von mehr als 5% der Studenten als ungebräuchlich eingestuft wurden, wurden von der Liste gestrichen. Sehr ähnliche Begriffe wurden ebenfalls gelöscht. Insgesamt gingen 129 Emotionswörter in die nächsten Analysen ein (RICHINS 1997, S. 131). Phase III Mit der dritten Studie wurden die Begriffe um jene Emotionsbeschreibungen reduziert, die im Zusammenhang mit dem Konsum nur sehr selten vorkamen. Dazu wurden 258 Haushalte im Rahmen schriftlicher Interviews befragt (750 Haushalte wurden per Zufallsauswahl angeschrieben). Die Analyse der Häufigkeiten brachte wiederum eine Begriffsreduktion. Es wurden jene Begriffe ausgeschlossen, die von weniger als 10% der Auskunftspersonen im Rahmen von Konsumsituationen schon einmal empfunden wurden. Eine weitere Untersuchung von Ähnlichkeiten, innerhalb der an dieser Stelle gebildeten Subkategorien, reduzierte das Set an Emotionsbegriffen auf 97 Wörter (ebenda). Phase IV Die vierte und letzte Studie im Rahmen der Entwicklung der Skala zielte darauf ab, die Anwendbarkeit einer zukünftigen Skala zu erhöhen. RICHINS hatte das Ziel, ein kompaktes, vielseitig anwendbares Instrument zu entwickeln. Deshalb stand in Studie 4 ein weiterer Verdichtungsschritt an, bei gleichzeitiger Beachtung einer möglichst hohen Diversität der Emotionsdimensionen. 448 Studenten wurden aufgefordert die 97 Emotionsbegriffe auf einer von vier verschiedenen Konsumsituationen (eine wichtige Anschaffung der letzten Zeit, ein unzufriedenstellender Kauf der letzten Zeit, ein besonderer Besitz oder eine Anschaffung, welche man in nächster Zeit zu tätigen hofft), mittels vierstufiger Skala zuzuordnen und so ihre jeweils empfundenen Gefühle darzulegen. Mittels Multidimensionaler Skalierung wurde anschließend die Redundanz sowie die Diversität der Begriffe überprüft. Items, die in der zweidimensionalen MDS eine sehr ähnliche Position einnahmen, galten als redundant. Jene Items, die exponierte Positionen einnahmen erhöhten die Diversität. In der in Abbildung 13 dargestellten MDS Lösung wurden ein paar Items zur Erhöhung der Übersichtlichkeit weggelassen. Deutlich zu erkennen ist die circumplex-ähnliche Anordnung der Items. Die bedeutendere erste Dimension des Modells (erklärter Varianzanteil von 89,1%) repräsentiert ein Kontinuum zwischen positiven und negativen Emotionen. Die zu Flächen gruppierten Variablen bilden jeweils ein Emotionscluster (RICHINS 1997, S. 133ff).
Emotionsmessung
201
Consumption Emotion Set (CES) – MDS Lösung RICHINS 1997
Legende
25 20 15
Dimension 2
B
t u
s
10
q p o n m l
05 0
k
i
h
g f e -10
C FE
G H
j
-05
A
v
r
d c b
K
D
I J
L O M P N Q SR T U Z Y W V X a
-15 -20 -25 -20
-15
-10
-05
0
05
10
15
20
25
A impatient B frustrated C irritated D angry E unfulfilled F discontented G worried H tense I disgusted J furios K grouchy L depressed M miserable N sad O panicky P threatened Q afraid R ashamed S embarrased T guilty U envious V jealous W lonely X homesick Y tender Z sexy
a romantic b loving c sentimental d warmhearted e calm f peaceful g comforted h relieved i hopeful j optimistic k contented l fulfilled m proud n joyful o glad p pleased q enthusiastic r excited s eager t emazed u surprised v overhelmed
Dimension 1
Abbildung 13: Consumption related Emotion Set (CES) – MDS Lösung
Die Optimierung anhand der MDS führte schließlich zu untenstehendem Consumption Emotion Set (CES) (siehe Abbildung 14).
202
Emotionsmessung
Consumption Emotion Set (CES) RICHINS 1997 Catagory 1
Anger
2
Discontent
3
Worry
4
Sadness
5
Fear
6
Shame
Catagory
Items frustrated angry irritated
7
Envy
unfulfilled discontented
8
nervous worried tense
Items
Catagory
Items
envious jealous
13
Optimism
Loneliness
lonely homesick
14
Joy
9
Romantic Love
sexy, romantic passionate
15
Excitement
excited thrilled enthusiastic
depressed sad miserable
10
Love
loving sentimental warm hearted
16
Surprise
surprised amazed astonished
scared afraid panicky
11
calm peaceful
17
Other Items
embarrased ashamed humiliated
12 Contentment
Peacefulness
optimistic encouraged hopeful happy pleased joyful
guilty proud eager relieved
contented fulfilled
Abbildung 14: Consumption Emotion Set (CES)
Abschließend nennt RICHINS noch mögliche Anwendungsbereiche für das Consumption Emotion Set (RICHINS 1997, S. 144): -
Analyse von emotionalen Reaktionen auf Marketing Stimuli Produktverwendung, Geschäftsatmosphäre, Analyse von Verkaufsgesprächen)
-
Auswirkungen von Emotionen Weiterempfehlungsabsicht,...)
-
Messungen temporärer Veränderungen emotionaler Reaktionen im Laufe des Produktoder Leistungskonsums
-
Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen Emotionen und Kaufverhaltenstypen (impulsives, kompulsives, materialistisches Kaufverhalten)
-
Einfluss von produktbezogenen emotionalen Reaktionen auf die Produktwahl
-
Zusammenhang zwischen Konsumemotionen und der allgemeinen Zufriedenheit mit der Lebenssituation
auf
Konsumentenreaktionen
(z.B.
(Wiederkauf,
Emotionsmessung
2.1.5.4
203
Vergleich der wichtigsten sechs Messmethoden
Im Rahmen der Entwicklung des Consumption Emotion Set (CES) verglich RICHINS die gängigsten, im Marketing zur Anwendung kommende, Emotionsmessmethoden mit ihrer Neuentwicklung. RICHINS stellte IZARDs DES II, PLUTCHIKs Basisemotionen, MEHRABIAN und RUSSELLs PAD, BATRA und HOLBROOKs Ansatz, sowie die Skala von BURKE und EDELL dem CES gegenüber. Neben zweidimensionalen Multidimensionalen Skalierungen kamen kanonische Korrelationsanalysen, Regressionsanalysen und Diskriminanzanalysen zum Einsatz, um die Überlegenheit der neu entwickelten Skala zu dokumentieren (RICHINS 1997). RICHINS (1997) versuchte mittels Diskriminanzanalyse zu beweisen, dass das CES im Vergleich zu den anderen verwendeten Messmethoden Vorteile in der Messung der Vielfalt der Emotionen aufweisen kann. Speziell wenn nach einer umfassenden Darlegung, der in Konsumsituationen erlebbaren Emotionen gesucht wird und wenn a priori nur wenige Informationen über relevante Emotionszustände im zu untersuchenden Fall gegeben sind, ist man aus Ihrer Sicht mit der Anwendung von CES im Vorteil. Anhand der Entwicklung von RICHINS tritt das Problem der Abgrenzung der Emotionsmessung von anderen Messinhalten zu Tage. Die hohe Diversität des CES entsteht, weil die Skala auch Messdimensionen enthält, die sich von der eigentlichen Emotionsmessung relativ weit entfernen (z.B. Unzufriedenheit, Optimismus, Neid, Eifer, Einsamkeit,...). CES baut nicht auf den Kenntnissen der Psychologie auf, sondern entstand ausschließlich aus der verdichteten Semantik der Konsumenten.
204
Emotionsmessung
2.2 Nonverbale Methoden Nonverbale Ansätze zur Messung von Emotionen spielen bislang eine untergeordnete Rolle. Es erscheint jedoch als sicher zu gelten, dass es Emotionen gibt, die sprachlich nicht ausreichend erfasst werden können. BRADLEY und LANG (1985) befürchten, dass die verbalen Skalen spätestens durch die Übersetzung in andere Sprachen an Verlässlichkeit einbüßen. Auch beim Einsatz der Verbalskalen gegenüber sprachlich geringer entwickelten Bevölkerungsgruppen (z.B. Kinder) orten sie Probleme. PLUTCHIK (1980) selbst steht dem verbalen Messansatz ebenfalls kritisch gegenüber und führt die Messung von Emotionen über den Weg der Körpersprache als Alternative an. Wie aber schon eingangs des Kapitels erwähnt, werden die wichtigsten Messverfahren zur Erfassung der Körpersprache von EKMAN und FRIESEN (1978)1 sowie von FREY (1981)2 in dieser Arbeit nicht genauer erörtert, weil deren Einsatz mit sehr hohem Aufwand einhergeht und in der praktischen Marktforschung deshalb nie Verbreitung fand. Das nonverbale Ausdrucksgeschehen lässt sich aber auch durch Bilderskalen erfassen. Darunter versteht man Skalen zur Messung von Emotionen, deren Items nicht verbal, sondern bildhaft vorgegeben werden. WEINBERG unterscheidet drei grundsätzlich verschiedene Arten von Bilderskalen (WEINBERG 1986, S. 32f):
1
2
-
Piktogramme: aus gestrichelten Gesichtselementen erhält man Gesichtsausdrücke, die verschiedenen Gefühle ausdrücken,
-
Gesichterskalen: aus Fotos von Gesichtern lassen sich bestimmte Emotionen wie Freude, Überraschung, Ärger etc. ablesen und
-
Bildliche Skalen: Lebenssituationen.
Fotografien
von
z.B.
Gegenständen,
Landschaften
und
Facial Action Coding System (FACS), bzw. Die Weiterentwicklung Emotion Action Coding System (EMFACS) das Berner System
Emotionsmessung
205
2.2.1 Piktogramme 2.2.1.1
Der Beweis von BEHRENS
BEHRENS konnte beweisen, dass grob skizzierte Gesichtsausdrücke als Ausdruck bestimmter Emotionen wahrgenommen werden. Bei seiner Gesichtsskizze variierte er nur Mundwinkel und Augenbrauen in jeweils allen möglichen Kombinationen und legte diese 77 Auskunftspersonen zur gestützten Beurteilung mittels dichotomer Skala vor. Die Beurteilungen der Versuchspersonen waren aber nicht eindeutig. Die Untersuchung zeigte, dass verschiedene Personen einen Gesichtsausdruck häufig mit unterschiedlichen Begriffen charakterisierten (siehe Abbildung 15). Was den einen als Ausdruck des „Vergnügens“ erschien, nahmen die anderen als „Frohsinn“, „Glück“ oder „Freude“ war. (BEHRENS 1982, S. 179f).
Die Wahrnehmung von Piktogrammen BEHRENS 1982
Kennzeichnungen für den Gesichtsausdruck neutral stolz glücklich traurig ärgerlich vergnügt wütend einfältig boshaft ängstlich erschreckt schadenfroh besorgt schelmisch verächtlich überrascht niedergeschlagen erstaunt Angaben in %
44,2 x x x x x 20,5 x x x x x x x x
x x 30,9 37,6 5,4 x 14,8 x x
x 26,4 11,3 x 5,7 x 8,2 x x 9,4 5,7 x 22,6 x
x 10,1 x 15,1 11,5 x 10,8 x x x 7,9 x 9,4 7,2 7,9
x x x 9,6 x x 16,8 x x 28,7 20,3 x x x
6,5 22,2 30,7 x 18,9 x x x 9,2 5,2 x
5,4 x x 8,8 x x 15,5 x 17,5 6,1 15,5 x 6,8 x 9,5
x x 19,5 x x 29,2 7,2 x x x 5 x 16 x x 5
x 25,3 6,8 x 9,6 x 9,9 5,5 6,8 x x 29,6 x
x... Streuwerte unter 5% Nennungen -... keine Nennungen
Abbildung 15: Die Wahrnehmung von Piktogrammen
WEINBERG konnte diese Ergebnisse 1984 bestätigen. Piktogramme stoßen sehr schnell auf Gestaltungsgrenzen. So sind zum Beispiel Emotionen wie „Trauer-Sorge“, „Freude-Glück“, „Ärger-Wut“, „Überraschung-Erstaunen“ noch recht gut identifizierbar, weniger jedoch „Ekel-Ablehnung“ oder „Angst-Furcht“ (WEINBERG 1986, S. 35).
206
Emotionsmessung
Piktogramme sind also nicht im ausreichenden Maß in der Lage zwischen verschiedenen Emotionskategorien zu unterscheiden und deshalb zur Messung diskreter Emotionstypologien wenig geeignet. Für Messungen auf dimensionaler Ebene (z.B. auf Basis von PAD nach MEHRABIAN/RUSSELL) gilt dieser Nachteil nicht.
2.2.1.2
Self Assessment Manikin nach LANG
LANG erarbeitete 1980 die sogenannte SAM (Self Assessment Manikin) Skala, welche die 18 bipolaren, verbalen Skalen von MEHRABIAN/RUSSELL durch drei Skalen mit jeweils fünf Piktogrammen ersetzt. Jedes der jeweils fünf Piktogramme stellt jeweils eine Skalenstufe dar (siehe Abbildung 16).
Self Assessment Manikin (SAM) LANG 1980
..
..
..
..
..
..
..
..
..
..
..
Pleasure
.. Arousal
Dominance
Abbildung 16: Self Assessment Manikin (SAM)
SAM wurde ursprünglich für computerbasierte Befragungen entwickelt. Die Auskunftspersonen wurden unmittelbar nach jeder Stimulipräsentation angehalten via Computertastatur zwischen den Piktogrammen zu entscheiden. Dabei konnte man auch die Zwischenräume zweier benachbarter Grafiken auswählen, was die Zahl der Skalenstufen von fünf auf neun erhöhte. Später wurde eine konventionelle fünfstufige Paper/Pencil Version nachgereicht (BRADLEY/LANG 1994, S. 52).
Emotionsmessung
207
Beide Versionen der SAM Skala wurden durch einen Messvergleichs mit PAD von MEHRABIAN und RUSSELL validiert. Dabei wurde ein Set von 21 besonders emotionsgeladener Fotos von 78 Teilnehmern eines Psychologie Seminars in Florida einmal verbal mittels PAD und einmal nonverbal mittels SAM eingestuft. Die Betrachtungszeit der Fotos wurde vergleichbar gehalten. Jedes Bild wurde von einem Diaprojektor für jeweils sechs Sekunden auf eine neutrale Fläche projiziert, anschließend wurde den Probanden durch eine Computerstimme ein fixes Zeitintervall (15 Sekunden bei der Paper/Pencil Version von SAM und 45 Sekunden bei PAD) zur Beurteilung eingeräumt. Die Ergebnisse wurden einer Korrelationsanalyse unterzogen und miteinander verglichen. Dabei stellte sich eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich der Dimensionen „Pleasure“ und „Arousal“ heraus. Die Messabweichungen in der Dimension „Dominance“ erklärten sich BRADLEY und LANG damit, dass Auskunftspersonen bei SAM das Gefühl der Kontrolle eher auf sich als auf den Stimulus beziehen. Die beiden Forscher sehen in SAM eine sehr gute und auch praxiserprobte Alternative der dimensionalen Emotionsmessung, die deutlich weniger Erhebungszeit in Anspruch nimmt als ihr verbales Pendant und unabhängig von sprachlicher Barrieren eingesetzt werden kann (BRADLEY/LANG 1994, S. 53f). SAM wurde zwischenzeitlich vielfach praktisch erprobt und gilt als brauchbares, einfach einzusetzendes Werkzeug zur Messung emotionaler Inhalte mit einem weiten Anwendungsbereich im Marketing. Der Einsatz der Skala zur emotionalen Differenzierung zwischen Marken wurde allerdings noch nicht in Angriff genommen (BRADLEY/LANG 1996, S. 669f).
2.2.2 Gesichterskalen Der offensichtlichste und daher meistuntersuchteste Ausdruck von Emotionen steht im Gesicht geschrieben. Die Mimik alleine macht Kommunikation möglich, Menschen teilen einander mit, wie sie fühlen: „Schau mich doch an, dann siehst du eh, dass ich die Prüfung nicht bestanden habe“, oder zum Zweck des Appells: „Du siehst doch, dass ich traurig bin, tröste mich!“, aber auch zur Warnung: „Noch ein Wort und ich zerspringe...“ (ROST 2001, S.83). Man könnte vermuten, dass die Mimik deutlich besser in der Lage ist Emotionen zu kommunizieren als einfache Zeichnungen in Form von Piktogrammen. Es hat sich aber in der praktischen Anwendung von Gesichtsabbildungen gezeigt, dass sich für die Messung von Emotionen kaum praktische Vorteile gegenüber einfachen Strichzeichnungen ergeben. Nur
208
Emotionsmessung
trainierte Experten sind in der Lage, die komplexen Kombinationen der optisch wahrnehmbaren Veränderungen der Gesichtsmuskulatur richtig zu dekodieren. WEINBERG (1986) empfiehlt deshalb sowohl Gesichterskalen als auch Piktogramme nur dann einzusetzen, wenn Art und Richtung der dargestellten Emotionen eindeutig erkannt werden können. Eine Forderung, die in der Praxis nicht einmal für PLUTCHIKs Basisemotionen in ausreichender Art und Weise erfüllt werden kann, wie sich jedermann auf einer Homepage der Uni-Saarland in Saarbrücken überzeugen kann. MERTEN operationalisierte im Rahmen des Projektes „Affekte im Kulturvergleich“ sieben der acht Basisemotionen nach PLUTCHIK mit jeweils vier verschiedenen Gesichtsbildern unterschiedlicher Personen und erstellte einen Online-Fragebogen. Dabei werden die Bilder einzeln und in unsystematischer Reihenfolge gezeigt. Die Auskunftspersonen können die Fotos beliebig lange betrachten und werden nach dem Klicken eines Weiterbuttons aufgefordert, das Gesehene einer von sieben Basisemotionen zuzuordnen (Freude, Angst, Ekel, Überraschung, Ärger, Trauer, Verachtung). Auf eine Operationalisierung der Basisemotion Erwartung verzichtete er. (MERTEN 2003, http://emotions.psychologie.unisb.de/kultur/, 16. März 2003).
Gesichterskala MERTEN 2003
Abbildung 17: Gesichterskala – Operationalisierung nach MERTEN
Emotionsmessung
209
Beim Durchklicken des Fragebogens ordnete der Autor nur 19 von 28 Bildern der richtigen Basisemotion zu und erzielte damit aber ein besseres Ergebnis als 55% der bis zu diesem Zeitpunkt getesteten Personen. Das Ergebnis des Selbttests entnehmen Sie der nächsten Abbildung:
Gesichterskala – Selbsttest des Autors MERTEN 2003
http://emotions.psychologie.uni-sb.de/cgi-bin/final.pl
Sie haben 19 Affekte richtig erkannt, Damit haben Sie ein besseres Ergebnis erzielt als 55% der bisherigen Teilnehmer.
4/4
Freude Angst Ekel
3/4 2/4
19% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Freude-Affekte erkannt als Sie 80% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Angst-Affekte erkannt als Sie 13% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Ekel-Affekte erkannt als Sie
Überraschung
3/4
28% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Überraschung-Affekte erkannt als Sie
Wut
3/4
38% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Wut-Affekte erkannt als Sie
Trauer Verachtung
2/4
16% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Trauer-Affekte erkannt als Sie
3/4
63% der bisherigen Teilnehmer haben weniger Verachtung-Affekte erkannt als Sie
Abbildung 18: Gesichterskala – Selbsttest des Autors
2.2.3 Bildliche Skalen Der Gesichtsausdruck alleine ist offensichtlich nicht ausreichend in der Lage, seinen Betrachter von einer bestimmten Emotionskategorie in Kenntnis zu setzen. Gestik Körperhaltung und physiologische Ausdruckserscheinungen (z.B. Erröten der Haut), sowie die Darstellung der Erlebnisumgebung sind notwendig, um dem Betrachter das Nachvollziehen der Affekte zu erleichtern. Je erlebbarer die Darstellung für die Betrachter ist, desto eher können Bilder emotionale Signalfunktion übernehmen, die beim Empfänger ähnliche Gefühlszustände hervorrufen oder verstärken. Der in der Abbildung 19 skizzierte Wirkungsablauf veranschaulicht diese Stimuluswirkung von Bildern. Dabei ist die besondere Bedeutung nonverbaler Verhaltensweisen zu erkennen. Es wird ersichtlich, dass Ihre Übermittlungsfunktion nicht nur auf eine unverwechselbare Emotionsdarstellung beschränkt ist, sondern dass die nonverbalen
210
Emotionsmessung
Darstellungen einen automatischen Prozess beim Empfänger auslösen können. Das bedeutet, dass die Emotion damit nicht nur erkennbar, sondern auch erlebbar wird (BEKMEIER 1989, S. 47).
Die emotionale Wirkung nonverbaler Signale BEKMEIER 1989
Sender
Empfänger
innerer Prozess vergleichbares Emotionserleben
innerer Prozess Emotionserleben
äußerer Prozess mimische gestische Gestaltungsweise
Entschlüsselung der nonverbalen Reize äußerer Prozess vergleichbare nonverbale Reaktionen
Abbildung 19: Die emotionale Wirkung nonverbaler Signale
RUGE betont die Vorteile von Messungen mit Bildern im Kontext des Erhebungsalltags: (RUGE 1988, S.96) -
Bilder sind besonders dann hilfreich, wenn die objektbezogene Information nicht oder nur schwer verbalisierbar ist.
-
Bilder verschaffen Zugang zu schwer verbalisierbaren und nicht unmittelbar bewussten Empfindungen.
-
Darüber hinaus können Bilder die Durchschaubarkeit der Messung und damit die kognitive Kontrolle verringern und so bewusste Antwortverfälschungen verhindern.
-
Schließlich können Bilder auch motivieren und eine Eisbrecherfunktion bei Befragungen haben.
Emotionsmessung
211
KONERT ergänzt, dass der Einsatz von Bilderskalen besonders bei Personen von Vorteil ist, die komplexere Verbalisierungen von Emotionsqualitäten nur schwer verstehen (KONERT 1986, S. 89). Darüber hinaus erreichen Bilderskalen Konsumenten in LOW-Involvement-Situationen eher als verbale Konzepte, da sie auch nicht bewusste Eindrücke und Empfindungen erfassen (WEINBERG 1986, S. 37). Bildliche Skalen wurden bisher nur im Rahmen von SCHWEIGERs nonverbaler Imagemessung (NVI) direkt im Zusammenhang mit Marken verwendet (siehe auch Einleitungskapitel). Die Literaturarbeit brachte für den Einsatzbereich der Emotionsmessung, weder in der Psychologie noch in der Konsumentenforschung eine bildliche Skala zu Tage. Demgemäss bedeutet auch das Entwickeln einer bildlichen Skala für den Zweck der emotionalen Beurteilung von Marken das Beschreiten von wissenschaftlichem Neuland. Aus dem Fehlen einer solchen Methode ergab sich die Motivation für diese Arbeit.
2.3 Zusammenfassung und Rückschlüsse für die Skalenentwicklung Nach der vorliegenden Literaturrecherche empfiehlt sich, auf die diskreten Messansätze zur Emotionsmessung zurückzugreifen und diese als Ausgangsbasis für die Skalenentwicklung heranzuziehen. Der dimensionale Ansatz (ein bis drei Emotionsdimensionen, wichtigster Vertreter ist die PAD Skala) erscheint nur dann von Vorteil zu sein, wenn das Erhebungsziel das Messen bekannter Gefühlswelten ist (konfirmatorischer Ansatz) und nicht das möglichst vollständige Erfassen eines im Zusammenhang mit einem Stimulus erlebten Emotionsspektrums (explorativer Ansatz). Die standardisierten diskreten Messverfahren aus der Psychologie ignorieren aber manche Emotionen, die für das Marketing von großer Bedeutung sind. Die Typologie von PLUTCHIK berücksichtigt beispielsweise Liebe nur als Sekundäremotion und Dyade aus Akzeptanz und Freude. Die mathematische Rekonstruktion dieser abgeleiteten Emotionen (Liebe, Stolz, Neid, Hass,...) erscheint noch zu wenig ausgereift, um ausschließlich darauf zu vertrauen. Dennoch erscheint die Typologie nach PLUTCHIK die geeignetste Ausgangsbasis für eine Skalenentwicklung zu sein, weil bei IZARDs Systematik negative Emotionen überbetont werden und im Kontext der emotionalen Markenbeurteilung mit einer höheren Bedeutung positiver Emotionen gerechnet werden kann. Dies ist ein Ergebnis der Studie von THYRI und WINDER, welche im Rahmen des Forschungsverbunds durchgeführt wurde und in erster
212
Emotionsmessung
Linie die Frage beantwortete welche Emotionen grundsätzlich im Zusammenhang mit Marken eine Rolle spielen und anhand welcher Emotionen einzelne Marken differenziert werden. Dabei wurde aber Bedacht genommen, sich nicht (wie RICHINS) vom Erhebungsthema Emotionen zu entfernen, sondern es wurden die Ergebnisse von anderen Messinhalten theoretisch fundiert abgegrenzt. Dies führt konsequenterweise zur Entwicklung einer nonverbalen Messmethode von gegenüber Marken empfundenen Emotionen, mittels Bilderskalen, auf Basis der Emotionstypologie nach PLUTCHIK.
Theorie der Skalenkonstruktion
3
213
Theorie der Skalenkonstruktion
Wenn der Erhebungstatbestand und der Zweck des Messinstruments klar ist, kann man darangehen, einen umfangreichen Pool an möglichen Items für die gewünschten Skalen zu generieren (DEVELLIS 1991, S. 54). In Anlehnung an BORG/STAUFENBIEL verstehen wir unter einem „Item“ eine Frage an eine Person einschließlich der Antworten darauf, die wir als Daten registrieren wollen. Eine Menge an Items bezeichnen wir als „Test“. Ein Test kann also sowohl ein Leistungstest als auch ein Persönlichkeits-Fragebogen oder eine Einstellungsskala sein (BORG/ STAUFENBIEL 1989, S. 29). Über die in dieser konkreten Studie getroffenen Überlegungen zum Sammeln der Items, das sogenannte Generieren eines Item-Pools (siehe auch BORG/STAUFENBIEL 1989) gibt der praktische Teil ab S. 263 Auskunft. Die gesammelten Bilder wurden dann auf Ihren emotionalen Gehalt hin vermessen und im Vorfeld der Skalenentwicklung selektioniert. Dafür wurde ein Verfahren ausgewählt, das über weite Strecken ein eigenständiges Arbeiten der Auskunftspersonen gestattet und wenig Verbalisierung erfordert, die sogenannte Repertory Grid-Technik (Studie II).
3.1 Die Repertory Grid-Technik 3.1.1 Theoretischer Hintergrund der Repertory Grid Technik Die Erhebungsmethode des Repertory Grids basiert auf der „Theorie der persönlichen Konstrukte“ (personal construct theory) von KELLY (1955). Den klinischen Psychologen KELLY interessierte anhand welcher Dimensionen und Konstrukte und Dimensionen seine Patienten ihr Umfeld bewerteten (SAMPSON 1972, S.78). Folgt man KELLYs Persönlichkeitstheorie, so konstruiert sich jeder Mensch einen Bezugsrahmen, innerhalb dessen er Objekte oder Ereignisse vergleicht, unterscheidet und auch bewertet. Da dies an das Vorgehen eines experimentierenden Wissenschaftlers erinnert, hat Kelly die zentrale Metapher „der Mensch als Forscher“ geprägt. KELLY erdachte eine Methode um das Repertoire an Konstrukten zu erfassen, das man im Umgang mit Trägern von Rollen (z.B. Familienmitglieder, Freunde) benutzt. Die gewonnenen Daten werden in Matrixform (engl. Grid = Raster, Gitter) angeordnet. Daraus ergab sich für KELLY der Name „Role Construct Repertory Grid“. Da sich persönliche Konstrukte nicht nur auf Beziehungsrollen, sondern grundsätzlich auf alle Gegebenheiten des menschlichen Lebens
214
Theorie der Skalenkonstruktion
beziehen können, hat sich heute die allgemeinere Bezeichnung „Repertory Grid-Technik“ oder „Repgrid-Technik“ durchgesetzt (CATINA/SCHMITT in SCHEER/CATINA 1993, S. 8f). Die Entstehung der Konstrukte aus Interpretation bzw. Abstraktion persönlicher Erfahrungen bedeutet aber auch, dass diese Konstrukte höchst individuell bzw. subjektiv sind. Nach KELLY gibt es keine zwei Menschen mit identischen Konstruktsystemen, sondern nur ähnliche Konstruktsysteme. Die Basis der Vergleichbarkeit ist demnach die Stärke der Ähnlichkeit der Konstruktsysteme (MÜLLER-HAGEDORN/VORNBERGER in MEFFERT/ STEFFENHAGEN/HERMANN 1979, S. 190). Solch ein Konstruktsystem, das wie eine Karte funktioniert, an der sich ein Individuum orientiert, wenn es Verbindungen zwischen verschiedenen Phänomenen einer Situation interpretiert, nennt KELLY „Faksimile der Realität“ (CATINA/SCHMITT in SCHEER/CATINA 1993, S. 15). Im Marketing wurde die Repertory Grid-Technik vor allem für die Produktplanung eingesetzt. So wurden mit Hilfe der differenzierten Vorstellungen Merkmalsräume ermittelt, in die vorgegebene Marken eingeordnet wurden, um so Positionierungs-nischen zu entdecken oder Konkurrenzbeziehungen aufzudecken. Die angesprochenen Modelle werden als kognitive Einstellungsmodelle oder auch als means-end-analysis-Modelle bezeichnet und gehen auf Rosenberg und Fishbein zurück (MÜLLER-HAGEDORN/VORNBERGER in MEFFERT/ STEFFENHAGEN/ HERMANN 1979, S. 185). Aber wie kann ein kognitives Einstellungsmodell in eine Studie Einzug halten, die sich so ausführlich mit Emotionsmessung auseinandersetzt? KELLY selbst argumentierte, dass diese Einordnung der Methodik auf einer allgemeinen Unzulänglichkeit des psychologischen Denkens basiere, nämlich auf der Ansicht, dass Kognition und Emotion voneinander trennbar seien und verschiedene Ursachen hätten. Seiner Meinung nach ist jedoch beides über den Konstruktionsprozess untrennbar verbunden, denn dieser ist permanent von Emotionen begleitet (CATINA/SCHMITT in SCHEER/CATINA 1993, S. 21).
3.1.2 Der typische Ablauf einer Repertory Grid Studie Da das „Konstruieren“ sich grundsätzlich auf alle menschlichen Lebensbereiche bezieht, lässt die Grid-Technik außerordentlich viele Variationsmöglichkeiten zu und fehlende Standardisierung ist ein wesentliches Kennzeichen des Verfahrens (SCHEER in SCHEER/CATINA 1993, S. 25).
Theorie der Skalenkonstruktion
215
Im Folgenden soll kurz der Ablauf eines typischen Repertory Grid Interviews in der Konsumentenforschung dargestellt werden: Zu Beginn werden der Auskunftsperson in der Regel 16 bis 20 Stimuli vorgelegt. Diese können entweder Produkte, Marken oder Konzept-Statements sein. Die Auskunftsperson soll nun jene Stimuli entfernen, die ihr unbekannt sind. Dieser Schritt ist notwendig, um sicher zu gehen, dass die Auskunftsperson für alle Stimuli ihre Bewertung abgeben kann. Danach werden meist drei Stimuli der Auskunftsperson auf einmal präsentiert, da dies die Mindestzahl für eine gleichzeitige Feststellung von Verschiedenheit und Ähnlichkeit ist. Die Zusammenstellung der Stimuli zu diesen sogenannten Triples erfolgt jeweils zufällig (MÜLLER-HAGEDORN/VORNBERGER in MEFFERT/STEFFENHAGEN/ HERMANN 1979, S. 193). Die Auskunftspersonen sollen nun entscheiden, in welcher Weise sich zwei der drei Objekte ähnlich sind und sich darin zugleich von dem dritten unterscheiden. Die so erhobenen Ähnlichkeiten werden Konstrukt- bzw. Initialpole genannt, bei den Unterschieden spricht man von Gegen- oder Kontrastpolen. Falls die Probanden den Kontrastpol nicht automatisch nennen, so ist explizit danach zu fragen. Die Formulierung des Gegenteils des Initialpols ist oft sehr aufschlussreich und sollte daher unbedingt den Probanden und nicht dem Interviewer zukommen. Danach hat die Auskunftsperson die Aufgabe, für jedes Objekt (also nicht nur für jene im aktuellen Triple) zu entscheiden, ob eher der Initialpol oder eher der Kontrastpol zutrifft. Dieser Vorgang wird so lang wiederholt, bis zum jeweiligen Tripel keine Konstrukte mehr gebildet werden können. Dann wird das nächste Tripel der Auskunftsperson vorgelegt und die Vorgangsweise wiederholt. Erst wenn bei neuen Tripeln keine neuen Konstrukte mehr genannt werden können, kann das Interview beendet werden. Wenn danach alle generierten Konstrukte auf sämtliche Objekte angewandt, oder anders ausgedrückt, alle Objekte hinsichtlich der sie erklärenden Konstrukte eingeschätzt werden, erhält man eine vollständige Matrix von Konstrukt-Element-Verknüpfungen, die als Grid bezeichnet wird (SCHEER in SCHEER/CATINA 1993, S. 26f). Die Grid-Methode liefert damit neben der rein verbalen Beschreibung der Pole der Dimensionen auch je nach angewandter Skalierung eine Zahlenmatrix (0-1 Daten, Rangreihe, Ratings), aus der Ähnlichkeitskoeffizienten zwischen den Dimensionen berechnet werden können. Die Summenwerte werden als „matching scores“ bezeichnet. Hohe Werte deuten auf einen positiven Zusammenhang hin, niedrige Werte auf negativen und mittlere Werte auf Unabhängigkeit (MÜLLER-HAGEDORN/VORNBERGER in MEFFERT/STEFFENHAGEN/ HERMANN 1979, S. 194).
216
Theorie der Skalenkonstruktion
Dem Interviewer kommt im Rahmen der Konstrukterhebung eine wichtige Rolle zu. Oft müssen sich die Probanden ihre Konstrukte erarbeiten, denn nicht immer sind ihnen alle unmittelbar zugänglich. Der Untersucher muss oft triviale Konstrukte abweisen, deren Nennung manchmal aber als Ausdruck von Abwehrvorgängen gedeutet werden kann. Er muss gelegentlich Artikulationshilfe leisten, etwa durch Nachfragen. Die Kommentare der Probanden zu Ihren Überlegungen bieten oft reichhaltiges Material, das dem in Tiefeninterviews vergleichbar ist. Schon auf dieser Ebene ist es eindrucksvoll zu sehen, wie Konstruktbildungen von dem abweichen können, was als Bestandteil einer allgemeinen Semantik in vielen Fragebögen erscheint (SCHEER in SCHEER/CATINA 1993, S. 26). In der Planungsphase des Repertory Grids sind vom Anwender eine Reihe von Entscheidungen über die Ausgestaltung bzw. die Gewinnung der Daten zu treffen. Diese sind in der folgenden Grafik kurz zusammengefasst.
Einflussgrößen in der Planungsphase des Repertory-Grid
Phase der Datengewinnung
SCHEER/CATINA 1993
1.
Art der zu repräsentierenden Objekte
2.
Anzahl der vorzulegenden Tripel
3.
Medium der Darbietung
4.
Wortlaut der Instruktionen
5.
Art der Stichprobenziehung
(Produkt, Einkaufsstätte, Person,...)
(Beeinflusst durch Abstraktionsfähigkeit, Verbalisierungsfähigkeit der Auskunftspersonen)
Abbildung 20: Die Planungsphase des Repertory-Grid
Beachtung der Ergebnisgrößen:
Güte der Grid-Matrizen (der Rohwerte)
Theorie der Skalenkonstruktion
217
3.1.3 Methoden der Konstruktgewinnung Die zuvor beschriebene Methode der Konstruktgewinnung über den Weg der Triples ist die bevorzugte, da sie zugleich Ähnlichkeits- und Verschiedenheitsurteile erlaubt. Innerhalb dieser Vorgehensweise wird zwischen der -
Full Context Methode und
-
Minimum Context Methode
unterschieden. Bei der Minimum Context Methode wird eine repräsentative Anzahl an Stimuli in Form von Triples den Auskunftspersonen zur Konstruktgewinnung vorgelegt. Die Triples werden sukzessive nach Zufall gezogen. Diese Vorgangsweise empfiehlt sich, wenn die Elemente eine repräsentative Auswahl gleichrangiger Objekte sind. Sie kann auch durch eine systematische Anordnung der Triples ersetzt werden, um beispielsweise möglichst alle Elemente in der Erhebung vorkommen zu lassen. Im Gegensatz dazu werden bei der Full Context Methode alle Stimuli vor den Probanden ausgebreitet. Die Auskunftspersonen werden aufgefordert, Gruppen von Elementen wichtige Eigenschaften zuzuordnen, die als Konstrukte notiert werden. Für den im Rahmen dieser Studie angestrebten Zweck der Informationsverdichtung eignete sich eine abgewandelte Form der Full Context Methode am besten, da jedes Bild einer Beurteilung unterzogen werden musste. Obwohl das triadische Verfahren dem theoretischen Ansatz am besten entspricht, ist es auch möglich, nur je zwei Elemente zu vergleichen. Besonders bei komplexen Themen oder beim Einsatz mit Kindern oder Unterbegabten kann der Triadenvergleich die Probanden überfordern. Dann lautet die Konstruktfrage: bitte überlegen Sie, ob diese Situationen eine wichtige Gemeinsamkeit haben oder ob sie sich in einem wichtigen Punkt unterscheiden (SCHEER in SCHEER/CATINA 1993, S. 30f).
3.1.4 Der Einsatz der Grid-Methode im Rahmen dieser Studie Ein genereller Vorteil der Grid-Methode ist, dass es sich dabei nicht um einen inhaltlich fixierten Test, sondern um eine formale Erhebungstechnik handelt. Definiert wird sie allein durch das Vorliegen der Ursprungsdaten in Matrixform, deren Basiskomponenten die Konstrukte und Elemente sind, und die eigentliche Aufgabe der Auskunftspersonen, die bipolaren Dimensionen des Bezugsrahmens zu fixieren und die Objekte entsprechend den
218
Theorie der Skalenkonstruktion
Dimensionen zu sortieren. Die Objekte selbst können auch Konstrukte sein, die Strukturierungsaufgabe für die Auskunftspersonen besteht dann im Definieren von Konstrukten eines höheren Abstraktionsgrads. Aus dieser Variabilität und der unterschiedlichen Möglichkeiten (je nach verwendetem Skalenniveau) die Grid-Matrizen unabhängig von der inhaltlichen Konkretisierung mathematisch weiterzuverarbeiten, erklärt sich der weite Anwendungsbereich, den diese Erhebungsmethode gefunden hat (MÜLLERHAGEDORN/VORNBERGER 1979, S. 194).
Die Repertory Grid Methode kommt zur Vermessung und Vorselektion der Items für die Hauptstudie (Skalenentwicklung) zum Einsatz, um Aussagen darüber zu erhalten, ob bzw. wie gut, die vorab ausgewählten Bilder untereinander differenzieren, bzw. wie gut sie die vorgegebenen Dimensionen abdecken. Dafür wird eine modifizierte Form der oben beschriebenen Full Context Methode eingesetzt. Kernelement und Teil I dieser ersten Studie ist die Konstrukterhebung oder Gruppierung der insgesamt 250 Bilder. Aufgrund dieser sehr hohen Stimulizahl wurde ein Stichprobensplit vorgenommen und den Probanden jeweils nur Fotos mit positivem Bildinhalt bzw. nur Fotos mit negativem Bildinhalt zur Gruppierung vorgelegt, was die Zahl der auf einmal zu beurteilenden Bilder auf rund die Hälfte reduzierte. Die Auskunftsperson bekamen Zeit, sich die Bilder anzusehen und sie zu Gruppen zu ordnen. Dieser Strukturierungsvorgang wurde von den Interviewern beobachtet und im Falle dessen, dass die Probanden aufgrund rationaler Bildeigenschaften (Farben, Form, bestimmte ähnliche Bildelemente,...) und nicht aufgrund dargestellter oder durch die Bilder hervorgerufener Emotionen die Gruppierung vornahmen, abgebrochen und die Probanden aufgefordert mit der Strukturierung von Neuem zu beginnen. Waren die Auskunftspersonen nach zwei Sortiervorgängen von sich aus nicht in der Lage nach den dargestellten bzw. hervorgerufenen Emotionen zu gruppieren, wurden sie explizit darauf hingewiesen, diesen Ansatz zur Sortierung heranzuziehen. Es mussten nicht alle Bilder einer Kategorisierung zugeführt werden, sofern das aus der Sicht der Probanden nicht möglich war. Sofern die Probanden von sich aus nach Emotionen gruppierten, hatten sie in einem weiteren Schritt die Aufgabe, ihre gebildeten Gruppen zu benennen. Diese Bezeichnung konnte auf Papier auch zeichnerisch erfolgen, weil den Probanden nach den Pretesterfahrungen die Verbalisierung der Emotionen mitunter schwer viel.
Theorie der Skalenkonstruktion
219
Anschließend wurden die Auskunftspersonen angehalten, ihre Sortierung noch einmal zu überdenken und weitere Bilder in ihre Überlegungen miteinzubeziehen bzw. weitere Kategorien zu bilden und diesen erneut Bezeichnungen zu geben. Schließlich sollten die gebildeten Gruppen noch spontan auf vorgegebene Marken zugeordnet werden, wobei auch die Möglichkeit bestand, eigene Marken zu ergänzen. Im letzten Abschnitt des Interviews sollten dann die Probanden alle Bilder (positive und negative Bilder zusammen) vorgegebenen markenrelevanten Emotionskategorien zuordnen. Die Ergebnisse dieser Studie und weitere Details zum Erhebungsdesign kommen im praktischen Teil der Arbeit ab Seite 281.
3.2 Testtheorie und Testkonstruktion Die Skalenkonstruktion bildet den eigentlichen Kern der Arbeit. Neben der auf Korrelationen beruhenden klassischen Ansätzen der Testtheorie hat sich vor allem Dank des Engagements der WIENER SCHULE um Prof. FISCHER eine alternative Denkrichtung zur Skalenkonstruktion, die sogenannte moderne oder probabilistische Testtheorie etabliert. Diese gemeinhin auch als „RASCH Modelle“ bezeichneten Denkweisen stellen den bisher nur an klassische Messansätze gewöhnten Forscher augenblicklich noch auf eine Geduldsprobe. Kaum ein Lehrbuch, das die Grundprinzipien einleuchtend zu erklären vermag. Wenig Softwarepakete, die nur annähernd den Komfort von SPSS für Windows oder ähnliches bieten. Dazu eine eingeschworene Forschergemeinschaft im In- und Ausland, von der man durch ihre geringe Auskunftsbereitschaft den Eindruck gewinnen muss, dass sie sich eher hinter einer Mauer des Wissens verschanzt. Der Autor hat sich deshalb in dieser Arbeit zum Ziel gesetzt, interessierten Lesern einen leicht verständlichen Einstieg in das Wesen der modernen Testtheorie zu ermöglichen. Damit soll auch anderen, welche sich mit ähnlichen Fragestellungen zur Skalen-konstruktion beschäftigen, die Möglichkeit gegeben werden, sich über die interessanten probabilistischen Ansätze in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum zu informieren Auf den nächsten Seiten erfährt man deshalb in kompakter Form, welchen Zweck die moderne Testtheorie erfüllt, was sich mathematisch hinter dem letztlich verwendeten Rechenmodell verbirgt und wie sich moderne und klassische Testtheorie zueinander verhalten. So viel sei vorweg verraten: in diesem Forschungsfall führte schließlich nur eine
220
Theorie der Skalenkonstruktion
Kombination aus klassischer (explorative Faktorenanalysen) und probabilistischer Testtheorie (Partial Credit Models) zu den im Praxisteil ausführlich dokumentierten Ergebnissen.
3.2.1 Probabilistische versus klassische Testtheorie 3.2.1.1
Begriffsabgrenzung
Zu Beginn sollte ein Beispiel die gemeinhin typische Vorgangsweise bei der Skalenentwicklung illustrieren. Angenommen es soll eine Skala zur Messung des Umweltbewusstseins einer Person erstellt werden. Zu diesem Zweck obliegt es dem Forscher Items zu entwickeln und diese beispielsweise mit Hilfe einer fünfstufigen Skala von 1=“trifft sehr stark auf mich zu“ bis 5=“trifft überhaupt nicht auf mich zu“ individuell zuordnen zu lassen. 1. Ich ärgere mich häufig über unnötiges, umweltbelastendes Verpackungsmaterial. 1
2
3
4
5
2. Ich kaufe gezielt umweltfreundliche Produkte, auch wenn sie teurer sind. 1
2
3
4
5
3. Ich versuche häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln meine Wege zu erledigen. 1
2
3
4
5
Sind die Urteile einer Auskunftsperson beispielsweise 2, 4 und 5, so ergibt sich ein Score von 11. Eine andere Auskunftsperson mit den Einzelurteilen 5, 5 und 1 erreicht denselben Score. Ist das Umweltbewusstsein der beiden Auskunftspersonen aber gleich hoch? Das Bejahen dieser Frage würde nur unter der Annahme zweier Voraussetzungen in Frage kommen: a) jedes Item trägt im selben Ausmaß zur Messung des Umweltbewusstseins bei, ist demgemäss gleich wichtig, und b) der Abstand zwischen den Skalenstufen ist innerhalb jedes Items und zwischen den drei Items gleich. Beide Annahmen erscheinen auf dem ersten Blick unrealistisch. Die inhaltliche Bedeutung der Items und damit der Beitrag jedes Items zur Messung des Umweltbewusstseins differiert stark, und auch der Mangel an Linearität der Urteile, sowohl innerhalb als auch zwischen den Items ist offenkundig. Die im Rahmen der klassischen Testtheorie geläufige Praxis der Addition von Einzelurteilen auf individuellem Niveau ignoriert die beiden genannten
Theorie der Skalenkonstruktion
221
Grundvoraussetzungen und verschlechtert die mathematische Präzision der Testergebnisse beträchtlich (BOND/FOX 2002, S. IX ff). Das im obigen Beispiel gemessene Konstrukt „Umweltbewusstsein“ wird auch als sogenannte latente Variable bezeichnet. Unter einer latenten Variable versteht man ein nicht direkt messbares Merkmal, in dem sich Beobachtungseinheiten (in der Regel Personen) unterscheiden und das in einem bestimmten Ausmaß zur Erklärung, Beschreibung oder Vorhersage von manifestem Verhalten geeignet ist. Es ist nicht erforderlich, dass das latente Merkmal in einem physikalischen oder physiologischen Sinne existiert. Es genügt, dass sich Personen so verhalten, als wären sie „im Besitz“ gewisser latenter Merkmalsausprägungen (LORD/NOVICK 1968, S. 358). In der klassischen Testtheorie wird die Trennung in manifeste und latente Variablen nur oberflächlich vollzogen. Diese Variablen werden nämlich definitionsgemäß bis auf eine Fehlergröße gleichgesetzt, so dass die latente Variable auf der gleichen Skala gemessen wird wie die betreffende manifeste Variable (MÜLLER 1999, S. 4). Die moderne oder probabilistische Testtheorie3 lässt sich am ehesten als Sammelbezeichnung für eine Reihe von Testmodellen rechtfertigen, die zumindest drei Konzepte gemeinsam haben: -
die Vorstellung, dass die beobachtbaren oder manifesten Variablen Indikatoren latenter Variablen sind, die der Test erfassen soll;
-
die Annahme eines bestimmten Zusammenhangs zwischen den manifesten und den latenten Variablen in Form eines probabilistischen Modells;
-
und das Prinzip der lokalen Unabhängigkeit, wonach für beliebige feste Werte der latenten Variablen keine Abhängigkeit zwischen den manifesten Variablen besteht (wird später noch ausführlicher erklärt).
Zu den Item-Response-Theorien zählen die Analyse latenter Strukturen nach LAZARSFELD (1950), das Logistische Testmodell von BIRNBAUM (1958) und die probabilistischen Modelle von RASCH (1960) (MÜLLER 1999, S. 3). Die Modelle von Rasch erlangten starke Verbreitung und stehen vielfach als Synonym für die moderne Testtheorie, welche ihrerseits ihren Namen der Gnade der späteren Geburt,
3
der Begriff wird zusehends durch „Item-Response-Theorie“ ersetzt, da sich die Testmodelle auf die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten „Response“ einer Person auf ein Item beziehen
222
Theorie der Skalenkonstruktion
verglichen mit der klassischen Testtheorie, verdankt (KUBINGER in KUBINGER 1989, S. 2).
3.2.1.2
Grundannahmen
In der probabilistischen Testtheorie wird für die Fähigkeit einer Person und die Schwierigkeit eines Items eine gemeinsame, prinzipiell nach oben und unten offene Skala verwendet.4 Das heißt, die Aufgaben und die Personen liegen gemeinsam auf einem Kontinuum einer „latenten Dimension“. Die Aufgaben werden dabei durch ihre Schwierigkeit, die Personen durch ihre Fähigkeit charakterisiert (GLÜCK 1995 S. 4). Mit anderen Worten: das Modell basiert auf der simplen Annahme, dass alle Auskunftspersonen leichte Fragen eher beantworten als schwere, und dass schwierige Items von begabteren Auskunftspersonen eher beantwortet werden als von weniger talentierten. Es kommt natürlich vor, dass eine relativ leistungsschwache Person ein sehr schwieriges Item löst (zum Beispiel durch Raten), bzw. dass eine sehr fähige Person, etwa aus Nachlässigkeit, ein leichtes Item nicht löst. Da solche Vorkommnisse die Gültigkeit eines Modells nicht stören sollten, wird anstelle absoluter Voraussagen nur eine Lösungswahrscheinlichkeit bestimmt: Eine fähige Person hat eine hohe Wahrscheinlichkeit ein leichtes Item zu lösen. Diese Wahrscheinlichkeit wird aber nie eins betragen, da eine 100%ige Vorhersage nicht möglich ist. Analog dazu wird die Wahrscheinlichkeit für eine sehr schwache Testperson bei einem schwierigen Item nahezu, aber nicht ganz null betragen (vgl. BOND/FOX 2001, S. 12ff). Bei einem Test, der den Kriterien des Rasch-Modells entspricht und deshalb Rasch-homogen ist, ist sichergestellt, dass alle Items der Skala dieselbe latente Variable für alle Probanden in der gleichen Weise messen (NEUWIRTH 2000, S. 44f). Das heißt im vorliegenden Fall der Skalenkonstruktion zur Messung von Emotionen ist gewährleistet, dass alle Rasch-homogenen Items zur Messung der jeweiligen Emotion ähnlich schwierig zu beurteilen sind und die Skala unabhängig von den spezifischen Auffassungen der Auskunftspersonen gegenüber den zu beurteilenden Marken eingesetzt werden kann. Dies unterstreicht die Bedeutung der Gültigkeit des Rasch-Modells für den vorliegenden Forschungsgegenstand. Die Analyse nach Rasch gibt aber ebenso wenig wie die Faktorenanalyse Aufschluss über die Validität der Messung. Zur Validität mehr im Rahmen 4
Im Zusammenhang mit der Emotionsmessung ist die Fähigkeit einer Auskunftsperson als Empfindung einer Person gegenüber einer Marke und die Schwierigkeit eines Items als Stärke der dargestellten Emotion zu interpretieren.
Theorie der Skalenkonstruktion
223
des Kapitels 3.2.2 „Gütekriterien für Tests“. Zur Frage der Validität der Messung von Emotionen mittels Bildern siehe auch BOSCH (2004) bzw. den Beitrag von SCHIEL.
3.2.1.3
Klassische UND probabilistische Testtheorie – ein Widerspruch?
Wie eingangs im Beispiel „Umweltbewusstsein“ ersichtlich, setzt sich die klassische Testtheorie mit der Variabilität von Studienergebnissen auseinander, die nicht kontrolliert sind und/oder deren Einfluss im jeweiligen Anwendungszusammenhang nicht gefragt ist und auch als Messfehler bezeichnet wird (KUBINGER in KUBINGER 1989, S. 2). Auch die probabilistische Testtheorie geht davon aus, dass Tests grundsätzlich fehlerbehaftet sind, die beiden Methoden unterscheiden sich jedoch grundlegend in der Art, wie sie der Existenz von Messfehlern Rechnung tragen. Bei der klassischen Testtheorie wird der beobachtete Messwert eines Probanden auf zwei additive Komponenten zurückgeführt (LIENERT/RAATZ 1998): -
auf den direkt beobachtbaren wahren Wert des Probanden und
-
auf einen vom wahren Wert unabhängigen Messfehler.
Des weiteren werden hinsichtlich des Messfehlers eine Reihe von Annahmen getroffen und zwar insbesondere, dass die Messfehler sich auf Dauer ausgleichen (wenn man Messfehler unendlich oft wiederholt, so wird der durchschnittliche Fehler den Wert Null annehmen) und dass kein systematischer Zusammenhang zwischen den Messfehlern verschiedener Personen oder den Messfehlern derselben Person bei verschiedenen Messungen besteht. Die klassische Testtheorie ist damit in erster Linie eine Theorie über Eigenschaften des Messfehlers (FISCHER 1974 und KUBINGER in KUBINGER 1989). Die moderne oder probabilistische Testtheorie trägt dagegen der Messfehlerproblematik dadurch Rechnung, dass sie davon ausgeht, dass die Antworten der Probanden probabilistischen Charakter haben, d.h. Wahrscheinlichkeitsgesetzen folgen. Es geht darum WIE die beobachteten Antworten in einem Test von der zu messenden Eigenschaft abhängen. Je größer die Fähigkeit der Person in Relation zur Schwierigkeit der Aufgabe ist (im diesem Fall der Emotionsmessung: je ausgeprägter die Emotion der Auskunftsperson gegenüber einer gewissen Marke ist), desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Person die Aufgabe „korrekt“ löst. Die Berechnung von Messwerten für die Personen ist hier erst das Ergebnis einer Testanalyse und nicht ihre Voraussetzung. Insofern ergänzen sich die klassische und die
224
Theorie der Skalenkonstruktion
probabilistische Testtheorie. Die eine fängt dort an (die klassische Testtheorie) wo die andere aufhört (die probabilistische Testtheorie), nämlich bei den Messwerten (ROST 1996, S.10ff). Weiters setzt das RASCH-Modell die sogenannte „Homogenität der Aufgaben“ voraus. Dies impliziert die Forderung, dass zur Bearbeitung aller Items eine einzige Fähigkeit benötigt wird, was bedeutet, dass die Items sehr „eng“ konzipiert sein und nur sehr spezifische Denkund Gefühlsprozesse auslösen sollen. Wäre dies nicht der Fall, würden einzelne Items verschiedene Dimensionen messen, womit die Testergebnisse an Genauigkeit einbüßen würden (BRANDSTÄTTER 2001, S. 27). Um die Nähe der Items zueinander zu gewährleisten eignet sich die Faktorenanalyse in hervorragender Art und Weise. Auf diese Art kann festgestellt werden, welche Bilder ähnlich beurteilt werden. Dieser zweite Schritt nach dem Repertory Grid (siehe Kapitel 3.1, auf Seite 213) zur „Verdichtung der Information“ erarbeitet demnach Bildersets je Emotion, die im Anschluss mittels Rasch-Analyse auf jeweils ein Set Rasch-homogener Bilder je Emotion weiter reduziert werden, bzw. gegen Rasch-homogene Bilder getauscht werden. Auf diese Art ergänzen sich die klassische und die probabilistische Testtheorie und sorgen für wechselseitiges Feedback bei der Skalenkonstruktion, was schließlich im Praxisteil der Arbeit dokumentiert wird.
3.2.2 Gütekriterien der Messung Ein guter Test sollte als Gütekriterien zumindest folgende drei Forderungen erfüllen (BABBIE 1998, S. 129): -
er soll objektiv sein,
-
er soll reliabel sein und
-
er soll valide sein
Reliabilität und Validität sind die beiden wichtigsten klassischen Kennzahlen und bestimmen ganz wesentlich den Denkansatz der klassischen Testtheorie. Es geht dabei weniger um die Frage, welche psychologischen Konstrukte zur Erklärung menschlichen Verhaltens herangezogen werden müssen, als darum, welchen Zufallsschwankungen ein mehr oder weniger willkürliches Leistungsmaß unterworfen ist. Bei den probabilistischen Ansätzen stehen dagegen andere Interessen im Vordergrund, nämlich die Suche nach möglichst einfachen Gesetzmäßigkeiten und die Forderung nach einwandfreier Prüfbarkeit der aufgestellten Modelle (FISCHER 1974, S. 36).
Theorie der Skalenkonstruktion
225
Im folgenden ein Überblick über die verschiedenen Gütekriterien im Sinne der klassischen Testtheorie:
3.2.2.1
Objektivität
„Unter Objektivität eines Tests verstehen wir den Grad, in dem die Ergebnisse eines Tests unabhängig vom Untersucher sind. Ein Test wäre demnach vollkommen objektiv, wenn verschiedene Untersucher bei denselben Probanden zu gleichen Ergebnissen gelangten.“ (LIENERT/RAATZ 1998, S. 7). Als Maß für die interpersonelle Übereinstimmung oder Objektivität verschiedener Untersucher könnte der durchschnittliche Korrelationskoeffizient zwischen den durch verschiedene Untersucher an einer Stichprobe von Probanden erhobenen Testbefunden gelten. LIENERT/RAATZ (1998) unterscheiden -
die Durchführungsobjektivität,
-
die Auswertungsobjektivität und
-
die Interpretationsobjektivität.
3.2.2.1.1 Durchführungsobjektivität Die sogenannte Durchführungsobjektivität betrifft den Grad der Unabhängigkeit der Ergebnisse von zufälligen oder systematischen Verhaltensvariationen des Interviewers während der Durchführung des Interviews, die ihrerseits zu Verhaltensvariationen der Auskunftsperson führen und dessen Ergebnis beeinflussen. Eine Verbesserung der Durchführungsobjektivität bedeutet zwangsläufig, die Interaktion zwischen Interviewer und Proband auf ein absolutes Mindestmaß zu reduzieren, bzw. die Interviewsituation so gut wie möglich zu standardisieren. 3.2.2.1.2 Auswertungsobjektivität Die sogenannte Auswertungsobjektivität betrifft die numerische oder kategoriale Auswertung der aufgezeichneten Antworten der Auskunftspersonen nach vorgegebenen Regeln. Studien mit ausgeprägten qualitativen Passagen reduzieren zwangsläufig die Auswertungsobjektivität. Eine Verbesserung kann nur herbeigeführt werden, wenn sich diejenigen Personen, welche die Kategorisierung vornehmen, auf eine stark standardisierte Vorgangsweise einigen und unabhängig voneinander kodieren.
226
Theorie der Skalenkonstruktion
3.2.2.1.3 Interpretationsobjektivität Die sogenannte Interpretationsobjektivität betrifft den Grad der Unabhängigkeit der Interpretation der Studienergebnisse von der Person des interpretierenden Forschers, der nicht mit dem Untersucher oder Auswerter identisch zu sein braucht. Die Interpretationsobjektivität ist dann gegeben, wenn aus den gleichen Auswertungsergebnissen gleiche Schlüsse gezogen werden.
3.2.2.2
Reliabilität
Die Reliabilität kennzeichnet den Grad der Genauigkeit, mit dem das geprüfte Merkmal gemessen wird (ohne Rücksichtnahme darauf, was das ist). Sie ist umso höher, je kleiner der zu einem Messwert gehörende Fehleranteil ist. Perfekte Reliabilität würde bedeuten, dass der Test in der Lage ist, den wahren Wert ohne jeden Messfehler zu erfassen. Dieser Idealfall tritt aber in der Praxis leider nicht auf, da sich Fehlereinflüsse durch situative Störungen, Müdigkeit der Probanden, Missverständnisse oder durch Raten der Auskunftspersonen nie ganz ausschließen lassen. Wie kann man nun die Messgenauigkeit bzw. Reliabilität eines Tests quantifizieren, wenn doch stets nur messfehlerbehaftete Messwerte verfügbar und die „wahren“ Werte unbekannt sind? Ein völlig reliabler Test müsste nach wiederholter Anwendung bei denselben Personen zu exakt den gleichen Ergebnissen führen, sofern der „wahre“ Wert unverändert ist (BORTZ/DÖRING 2002, S. 195ff). Allgemein lässt sich die Reliabilität als Anteil der wahren Varianz an der beobachteten Varianz definieren. Je größer der Anteil der wahren Varianz, umso geringer ist der Fehleranteil in den Testwerten. Der Reliabilitätskoeffizient hat einen Wertebereich von 0 (der Messwert besteht nur aus Messfehlern) bis 1 (der Messwert ist identisch mit dem wahren Wert). Will man für einen Test die Reliabilität berechnen, so benötigt man neben der empirisch ermittelbaren Varianz der Testwerte noch eine Schätzung für die unbekannte wahre Varianz. Je nach Art dieser Schätzung sind vier Methoden zu unterscheiden, mit denen die Reliabilität von Testskalen berechnet werden kann: -
Test-Retest-Reliabilität,
-
Paralleltest-Reliabilität,
-
Split-Half-Reliabilität und die,
-
Innere Konsistenz (Cronbach´s Alpha)
(CHURCHILL 2002, S. 413ff).
Theorie der Skalenkonstruktion
227
3.2.2.2.1 Test-Retest-Reliabilität Zur Bestimmung der Retest-Reliabilität wird derselbe Test derselben Stichprobe zweimal vorgelegt, wobei das zwischen den Messungen liegende Zeitintervall variiert werden kann (in der Regel sind es mehrere Wochen). Die Retest-Reliabilität ist definiert als Korrelation beider Messwertreihen. Allerdings beinhaltet die Methode auch systembedingte Nachteile: Es besteht zum Beispiel die Gefahr, dass die Reliabilität eines Tests überschätzt wird, wenn die Lösungen der Testaufgaben erinnert werden. Wenig brauchbar ist die Testwiederholungsmethode bei Tests, die instabile bzw. zeitabhängige Merkmale erfassen. Hierbei wäre dann unklar, ob geringe Test-Retest-Korrelationen für geringe Stabilität des Merkmals sprechen. Ein weiterer Nachteil besteht im relativ großen zeitlichen und untersuchungstechnischen Aufwand. Schließlich müssen dieselben Probanden wieder zur Teilnahme motiviert werden und dabei ist mit Ausfällen zu rechnen.
3.2.2.2.2 Paralleltest-Reliabilität Auch diese Methode ist mit größerem untersuchungstechnischen Aufwand verbunden. Es werden zwei Testversionen entwickelt, die beide Operationalisierungen desselben Konstrukts darstellen. Die Probanden bearbeiten diese Tests in der selben Sitzung kurz hintereinander. Je ähnlicher die Ergebnisse beider Tests ausfallen, desto weniger Fehlereffekte sind offensichtlich im Spiel.
3.2.2.2.3 Split-Half-Reliabilität Diese Methode erfordert keinen zusätzlichen inhaltlichen Mehraufwand, da nur der zu untersuchende Test einer Stichprobe einmalig zur Bearbeitung vorgelegt wird, dafür wird aber die doppelte Stichprobenanzahl benötigt. Die pro Proband berechneten zwei Testwerte beruhen also jeweils auf der Hälfte aller Interviews. Eine gültige Reliabilitätskontrolle setzt strukturgleiche Teilstichproben voraus. 3.2.2.2.4 Innere Konsistenz (Cronbach´s Alpha) Die Bestimmung der Reliabilität nach der Split-Half-Methode hängt stark von der Art der zufälligen Testhalbierung ab. Innere Konsistenzschätzungen stellen eine Erweiterung der Split-Half Methode dar und führen zu stabileren Schätzungen. Die Innere Konsistenz Prüfung beruht auf der Annahme, dass sich ein Test nicht nur in zwei Hälften, sondern in so viele Einzelteile zerlegen lässt, wie er Items hat. Jedes Item wird dann eigentlich wie ein
228
Theorie der Skalenkonstruktion
Paralleltest behandelt. Am weitest verbreiteten ist der Alpha Koeffizient nach CRONBACH 1951 (DEVELLIS 1991, S. 29ff). Zum besseren Verständnis der inneren Konsistenz sollte man sich mit der Kovarianzmatrix der Items auseinandersetzen, die zusammen die Skala für das latente Konstrukt bilden. Die Diagonalelemente einer Kovarianzmatrix sind bloß Varianzen – Kovarianzen der Variablen mit sich selbst. Zählt man nun alle Elemente der Kovarianzmatrix zusammen (Kovarianzen und Varianzen) ergibt sich die Gesamtvarianz des latenten Konstrukts. Im Falle dieses Forschungsgegenstandes die Varianzen der mit der jeweiligen Skala gemessenen Emotionen. Entsprechend der klassischen Definition setzt sich die Gesamtvarianz einer Skala aus einem sogenannten Fehleranteil, auch „Residuen“ genannt (Summe der Varianzen der Items mit sich selbst) und einem erklärten Anteil zusammen (Summe aller Kovariazen in der Matrix). Zur Berechnung von Alpha sind nur Informationen aus der Kovarianzmatrix der Items des latenten Konstrukts (der jeweiligen Emotion) notwendig. Alpha entspricht definitionsgemäß dem Anteil der erklärten Varianz an der Gesamtvarianz der Skala (DEVELLIS 1991, S. 30).
k
Į=
_______
k-1
ıi2 1- _______ ıyi2
Į......... Cronbach´s Alpha k......... Zahl der Elemente in der Hauptdiagonale ıi2 ...... Varianz der Elemente entlang der Hauptdiagonale ıyi2 ..... Gesamtvarianz
3.2.2.3
Validität
Die Validität (Gültigkeit) ist das wichtigste Testgütekriterium. Sie gibt an, ob ein Test das misst, was er messen soll, bzw. was er zu messen vorgibt. Ein Test ist demnach vollkommen valide, wenn seine Ergebnisse einen unmittelbaren und fehlerfreien Rückschluss auf die Ausprägung des zu erhebenden Merkmals zulassen. Es werden drei Hauptarten der Validität unterschieden (BÖHLER 1992, S. 105ff). -
Inhaltsvalidität
-
Kriteriumsvalidität
-
Konstruktvalidität
Theorie der Skalenkonstruktion
229
3.2.2.3.1 Inhaltsvalidität Wird auch Face Validity (Augenscheinvalidität) oder Expertenvalidität genannt (DEVELLIS 1991, S. 43). Die Inhaltsvalidität ist gegeben, wenn der Inhalt der Testitems das zu messende Konstrukt in seinen wichtigsten Aspekten erschöpfend erfasst. Die Höhe der Inhaltsvalidität eines Tests kann nicht numerisch bestimmt werden, sondern beruht allein auf subjektiven Einschätzungen. Der Test selbst stellt das optimale Kriterium für das zu erfassende Merkmal dar. Strenggenommen handelt es sich bei der Inhaltsvalidität deswegen auch nicht um ein Testgütekriterium, sondern nur um eine Zielvorgabe, die bei der Konstruktion des Tests bedacht werden sollte. Theoretisch hat eine Skala besonders hohe Inhaltsvalidität, wenn die eingesetzten Items zufällig aus einem sehr großen Pool gleich gut geeigneter Stimuli gezogen werden (vgl. LIENERT/RAATZ 1998, S. 10).
3.2.2.3.2 Kriteriumsvalidität Bei der Kriteriumsvalidität dient die Messung eines angemessenen Vergleichskriteriums als Basis. Man kann dann direkt von der Testleistung auf die Kriterienleistung schließen, oder man kann das Kriterium als einen ausreichend validen Repräsentanten für das Merkmal, das es zu erfassen gilt, ansehen und so indirekt Aussagen über dieses Merkmal machen (LIENERT/RAATZ 1998, S. 11). Die Kriteriumsvalidität ist also der Grad an Genauigkeit, mit dem von den Ergebnissen eines Tests direkt auf ein Kriteriumsverhalten geschlossen werden kann (zum Beispiel die Korrelation zwischen einem Arbeitsmotivations-Test und der später gemessenen Anzahl von Fehlstunden am Arbeitsplatz). Man wendet diese Art der Validierung also vordergründig dann an, wenn man primär daran interessiert ist, durch den Test eine bestimmte Variable, die entweder zum Zeitpunkt der Messung noch nicht verfügbar ist oder mit größerem Aufwand zu erheben ist wie der Test, möglichst genau vorhersagen zu können (BORG/STAUFENBIEL 1989, S. 47). Es wird zwischen Prognosevalidität und Übereinstimmungsvalidität unterschieden, je nachdem ob Testwert und Kriteriumswert zum selben Messzeitpunkt oder zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben werden (HÜTTNER 2002, S. 532).
230
Theorie der Skalenkonstruktion
3.2.2.3.3 Konstruktvalidität (Konvergenz- und Diskriminanzvalidität) Der Konstruktvalidität kommt besondere Bedeutung zu, da die Inhaltsvalidität keinen objektivierbaren Kennwert darstellt und die Kriteriumsvalidierung nur bei geeigneten Außenkriterien sinnvoll ist. Es wird von den Messergebnissen auf das zugrunde liegende hypothetische Konstrukt geschlossen. Stimmen Erklärungen oder Prognosen anhand der beobachteten Messergebnisse mit den theoretisch vorhergesagten Beziehungen überein, so ist anzunehmen, dass die Messung valide ist. Besagt zum Beispiel eine Hypothese „je grösser das Traditionsbewusstsein, desto negativer die Einstellung gegenüber ausländischen Automarken“, so ist je eine Skala für Traditionsbewusstsein und eine für Einstellung gegenüber ausländischen Automarken zu bestimmen. Wird auf Grund der Messergebnisse die Hypothese bestätigt, dann sind die Skalen und die Hypothese gültig, andernfalls können die Messinstrumente nicht valide gewesen sein, bzw. die Hypothese war falsch (BÖHLER 1992, S. 105ff). Ein Test ist also konstruktvalide, wenn aus dem zu messenden Zielkonstrukt Hypothesen ableitbar sind, die anhand der Testwerte bestätigt werden können. Anstatt ein einziges manifestes Außenkriterium zu benennen, formuliert man meist ein Netz von Hypothesen über das Konstrukt und seine Verbindungen zu anderen manifesten und latenten Variablen (CHURCHILL 2002, S. 410). Konstruktvalidierung ist ein Prozess der subjektiven Approximation, bei dem man mit wachsenden Erkenntnissen über das Konstrukt auch immer mehr Einsichten in die Deutbarkeit der Testscores bekommt (BORG/STAUFENBIEL 1989, S. 49). Im Rahmen der Forschungsgemeinschaft BOSCH/SCHIEL/WINDER hat sich BOSCH eingehend mit der Thematik Validisierung auseinandergesetzt. Seine Studie versucht, die entscheidende Frage nach dem valideren Instrument zur Messung von Emotionen zu beantworten: sind Bilder besser geeignet als Wörter, oder gar eine Kombination aus beiden?
3.2.2.4
Beziehung zwischen Reliabilität und Validität
Reliabilität und Validität befinden sich in einem Spannungsfeld. Das Streben nach einer möglichst hohen Messgenauigkeit bei der Testkonstruktion kann in einem Widerspruch stehen zum Ziel einer möglichst hohen Validität. Dieser Widerspruch ergibt sich daraus, dass sich die Messgenauigkeit im allgemeinen dadurch steigern lässt, dass man den Test verlängert, d.h. zusätzliche Items aufnimmt. Durch die Testverlängerung, die den Test rein
Theorie der Skalenkonstruktion
231
theoretisch beliebig genau machen könnte, können Items aufgenommen werden, die einen etwas anderen Aspekt der latenten Variable ansprechen, es können aber auch Bearbeitungseffekte wie Ermüdung, Konzentrationsmangel, Wechsel der Antwortstrategie, Lerneffekte und ähnliches eintreten. Diese Effekte können sowohl die präexperimentelle Theorie über das Antwortverhalten, als auch die Korrelation mit einem externen Validitätskriterium beeinträchtigen (ROST 1996, S. 39). Zum Einfluss der Testlänge eines homogenen Tests auf seine Reliabilität und Validität siehe auch FISCHER 1974, S. 46ff
Beziehung zwischen Reliabilität und Validität BABBIE 1998
Reliabel aber nicht valide
Valide aber nicht reliabel
Valide und reliabel
Abbildung 21: Beziehung zwischen Reliabilität und Validität
Die obige Zielscheibengrafik skizziert den Unterschied zwischen Reliabilität und Validität. Die erste Grafik zeigt eine Konzentration auf einen Punkt. Innerhalb der Messung gibt es also keine außergewöhnliche, zufällige Abweichungen: die Messung ist reliabel aber nicht valide, weil sie systematisch falsche, vom Messwert abweichende Werte liefert. Die zweite Grafik zeigt durchschnittlich gleichverteilte Werte, eine systematische Abweichung ist nicht festzustellen. Reliabilität ist eine notwendige Bedingung für Validität, außer dann, wenn vom reinen Durchschnitt ausgegangen wird, wie in der zweiten Grafik und dieser Durchschnitt genau dem wahren Wert entspricht (BABBIE 1998, S. 135ff).
232
Theorie der Skalenkonstruktion
Das Spannungsfeld zwischen Reliabilität und Validität wird auch als Reliabilitäts-ValiditätsDilemma der Testtheorie bezeichnet. Dieses Dilemma ist schließlich Ursache für die Kritik, dass Tests entweder mit einer hohen Präzision etwas völlig Irrelevantes messen oder eine Eigenschaft in ihrer ganzen Breite, aber dafür völlig unzuverlässig erfassen (ROST 1996, S. 39ff). Dieses Dilemma ist jedoch kein Problem des Typus der Testtheorie (klassisch versus probabilistisch). Es entsteht erst dadurch, dass man die Konstruktion von inhaltlich validen Messwerten nicht trennt von der Frage, mit welchen anderen Variablen diese Messwerte korrelieren (Kriteriumsvalidität). Natürlich soll ein Messergebnis auch zur Vorhersage komplexer Kriterien brauchbar sein, aber in Kombination mit anderen Variablen um der Komplexität des Kriteriums gerecht zu werden. Die notwendige Heterogenität von Variablen zur Vorhersage eines komplexen Kriteriums innerhalb eines Tests und eines Messwertes anzusiedeln, heißt, auf die sonstigen Qualitäten des Tests zu verzichten (ROST 1996, S. 399ff).
3.2.3 Probabilistische Testmodelle Wie in den Grundannahmen zur probabilistischen Testtheorie dargelegt (Kapitel 3.2.1.2), beschreiben Item-Response Modelle die Verteilung der Antworten einer Stichprobe von Probanden auf eine Menge von Testitems und führen Unterschiede zwischen den Antwortverteilungen auf die Ausprägung einer oder mehrerer Personeneigenschaften zurück. Dabei sind üblicherweise nur die Antworten auf die Testitems bekannt, die Ausprägung der Personeneigenschaften sind hingegen meist nicht beobachtbar. Bei der Anwendung probabilistischer Modelle geht es zunächst nicht um die Frage, ob die zu erschließenden Eigenschaften (in diesem Fall verschiedenen Emotionen) tatsächlich „existieren“, sondern es reicht aus, dass das Antwortverhalten der Probanden hinreichend gut durch die Annahme solcher Eigenschaften beschrieben werden können. In diesem Sinne können die postulierten Eigenschaften als Konstrukte bezeichnet werden, dessen „Existenzanspruch“ sich darauf beschränkt, dass Eigenschaften bei Kenntnis des Antwortverhaltens einer Person hinreichend „gut“ vorhergesagt werden können (DAVIER 1996, S. 15ff). Interessanterweise war eine deterministische Methode der Auslöser zur Entwicklung der pobabilistischen Testtheorie und damit Einleitung zur Entstehung einer Alternative zur klassischen Testtheorie. Es handelt sich dabei um die sogenannte GUTTMAN Skala (1950). GUTTMAN geht von der Annahme eines unendlichen Universums von Items aus, welche die gleiche Eigenschaft messen. Die Items unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer
Theorie der Skalenkonstruktion
233
„Schwierigkeit“, worunter die Häufigkeit positiver Beantwortungen in der Versuchspersonenpopulation zu verstehen ist. Durch die Antworten auf sämtliche Fragen eines solchen Fragebogens werden die Probanden in eine Rangreihe hinsichtlich der zu messenden Einstellung gebracht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die positive Beantwortung eines Items die positive Beantwortung aller schwächer formulierten Items bedingt (sog. Transitivität) (FISCHER 1974, S.137ff). Zum Beispiel könnte ein Fragebogen folgende Items beinhalten: F1:
„Rauchen Sie?“,
F2:
„Rauchen Sie mehr als 10 Zigaretten am Tag?“,
F3:
„Rauchen Sie mehr als eine Packung Zigaretten am Tag?“
Die Items werden Probanden mit der Bitte um Zustimmung oder Ablehnung vorgelegt. Ausgangspunkt des Messmodells sind schließlich typischerweise die in Abbildung 22 dargestellten Itemfunktionen. Die GUTTMAN Skala ist damit ein deterministisches Messmodell, denn jede Person, die in Hinblick auf die latente Variable einen niedrigeren Wert als den Schwellenwert des Items aufweist, wird dieses Item mit Sicherheit ablehnen, während eine Person, die oberhalb des Schwellenwertes liegt, mit Sicherheit zustimmen wird. Damit ergibt sich der Skalenwert eines Befragten aus der Nummer desjenigen Items, das er zuletzt akzeptiert hat. Die erlaubten Antwortmuster sind in der folgenden Grafik unter der, für GUTTMAN-Skalen typischen Itemfunktionen dargestellt (ROST 1996, S. 104ff):
234
Theorie der Skalenkonstruktion
Guttman-Skala ROST 1996
stimme zu
F1
F2
F3
stimme nicht zu Einstellung gegen das Rauchen erlaubte Pattern F1
F2 F3
unerlaubte Pattern Ȉ
F1
F2 F3
P3
1
1
1
3
P3
0
1
1
P2
1
1
0
2
P2
1
1
0
P1
1
0
0
1
P1
0
1
0
P0
0
0
0
0
P0
0
0
0
Abbildung 22: Guttman-Skala
ROST (1996) spricht von einer Alles-oder-Nichts Itemcharakteristik. Wenn alle Items diese Antwortcharakteristik aufweisen, und noch dazu auf derselben latenten Dimension (in unserem Beispiel „Einstellung gegen das Rauchen“) angeordnet werden können, spricht man von einer GUTTMAN-Skala. Da es sich bei der allen Items zugrundeliegenden Dimension um ein gemeinsames Konstrukt handelt, spricht man von Itemhomogenität. Bei der GUTTMAN-Skala lassen sich sowohl Itemunterschiede als auch Personenunterschiede nur auf Ordinalskalenniveau bestimmen. Um die Fähigkeiten der Probanden auf einem höheren Skalenniveau berechnen zu können, müsste man die Schwierigkeiten der Items im Vergleich zueinander kennen. Dies ist nur über den Umweg einer Verteilungsannahme zu treffen. Wenn man zum Beispiel annimmt, dass sich die Fähigkeiten aller Personen in einem gewissen Intervall gleich verteilen, so ließen sich die Abstände der Itemfunktionen zueinander anhand der Scorehäufigkeiten ermitteln. Das bedeutet, dass sich die Itemschwierigkeiten und Personenfähigkeiten auf Intervallskalenniveau bestimmen ließen. Dadurch erhöht sich aber nicht zwangsläufig auch die Messgenauigkeit. Letztere kann nur gesteigert werden, indem weitere Items aufgenommen werden, deren Funktionen zwischen den bereits bestehenden liegen (ROST 1996, S. 105ff).
Theorie der Skalenkonstruktion
235
Wegen ihrer restriktiven, unrealistischen Voraussetzungen wird die GUTTMAN-Skala in der Praxis eigentlich nie angewandt. Es ist aber weniger die Praxisrelevanz des Modells von Interesse, sondern vielmehr die Tatsache, dass durch diesen Messansatz ein Paradigmenwechsel in der Messtheorie eingeläutet wurde (FISCHER 1974, S. 144ff). SALZGEBER (1998) zeigt in seiner Arbeit die beachtenswertesten Unterschiede der GUTTMAN-Skala zur klassischen Testtheorie auf: Das GUTTMAN-Modell formuliert eine Hypothese, wie eine Messung zustande kommt, nämlich als Vergleich eines Personenparameters und eines Itemparameters (Fähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter nach FISCHER). In der klassischen Testtheorie fehlt eine solche Hypothese, dementsprechend ist auch das Messmodell nicht falsifizierbar. Die GUTTMANSkala ist das hingegen schon. Der zentrale Fortschritt liegt also in der Falsifizierbarkeit. Ein weiterer fundamentaler Unterschied liegt in der Unabhängigkeit der Itemparameter von der jeweilig betrachteten Population (SALZGEBER 1998, S. 139). Die GUTTMAN-Skalierung hat nur geringe Bedeutung für praxisbezogene Anwendungen. Es existiert aber mit dem RASCH-Modell eine probalistische und damit realistischere Weiterentwicklung, die in der aktuellen Messtheorie von großer Bedeutung ist. Im Gegensatz zum deterministischen GUTTMAN-Modell folgt die Wahrscheinlichkeit der positiven Beantwortung eines Items beim RASCH-Modell einer logistischen Funktion. In seiner einfachsten Form bezieht es sich ebenfalls auf dichotomes, also zweistufiges Datenniveau und wird deshalb auch dichotomes-logistisches Modell von RASCH bezeichnet.
3.2.3.1
Das dichotome logistische Modell von RASCH
3.2.3.1.1 Grundlagen Aufbauend auf den Erkenntnissen von GUTMANN formulierte RASCH (1960) die folgenden Grundannahmen seines Modells, die aus Gründen der Standardisierung in den von FISCHER (1974) verwendeten Termini dargelegt werden: -
Jede Person lässt sich hinsichtlich Ihrer Fähigkeit, ein bestimmtes Testitem zu lösen, durch einen Messwert auf einer eindimensionalen Skala charakterisieren; dem sogenannten Fähigkeitsparameter șȞ.
-
Jedes Item lässt sich hinsichtlich seiner Schwierigkeit durch einen Messwert auf einer eindimensionalen Skala charakterisieren; dem sogenannten Schwierigkeits-parameter ıɿ .
236
Theorie der Skalenkonstruktion
-
Beide Parameter, Fähigkeits- und Schwierigkeitsparameter, lassen sich auf einer gemeinsamen latenten Dimension Skala abbilden, sodass immer entscheidbar ist, ob șȞ größer oder kleiner ist als ıɿ oder ihm gleich.
-
Der Zusammenhang zwischen der Lösung eines Items und den beiden Parametern ist probabilistisch, d.h. in Abhängigkeit von șȞ und ıɿ lässt sich dem Ereignis „das Item wird gelöst“ eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuordnen. Dabei wird eine fähige Person eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, ein leichtes Item zu lösen. Diese Wahrscheinlichkeit wird aber nie Eins betragen, da eine 100%ige Vorhersage nicht möglich ist, analog dazu wird die Wahrscheinlichkeit für eine schwache Person nahezu Null, aber nicht ganz Null betragen.
Abbildung 23 zeigt eine typische Itemfunktion-Kurve, auch Item-Charakteristik-Kurve (ICC) genannt. Diese beschreibt die Beziehung zwischen der Fähigkeit einer Person und der Wahrscheinlichkeit, dass diese Person das Item „löst“. Wenn dabei der Schwierigkeitsparameter des Items genau dem Fähigkeitsparameter der Person entspricht wird das Item mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% gelöst.
Item-Charakteristik-Kurve (ICC) BRANDSTÄTTER 2001
p=1,0
p=0,5
p=0,0 ș Ȟ < ıɿ
șȞ = ıɿ
șȞ > ıɿ
p0,5
Lösungswahrscheinlichkeit șȞ ... Fähigkeitsparameter ıɿ ... Schwierigkeitsparameter
Abbildung 23: Item-Charakteristik-Kurve (ICC)
Theorie der Skalenkonstruktion
237
3.2.3.1.2 Die Logit-Transformation Es stellt sich nun die Frage, welcher mathematische Funktionstyp am ehesten diese Form der ICC beschreibt. Verschiedene Funktionen sind möglich (zum Beispiel auch die kumulative Normalverteilung, siehe auch FISCHER 1974), um einen solchen Zusammenhang zu erreichen. Am besten eignet sich jedoch eine logistische Funktion, weil sich dadurch Vorteile für die Parameterschätzung und die Formalisierung ergeben (GLÜCK 1995, S. 5ff). Das Konvertieren des Fähigkeitsparameters und des Schwierigkeitsparameters in den natürlichen Logarithmus erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird die „Lösungswahrscheinlichkeit“ durch Ihre Gegenwahrscheinlichkeit dividiert, was man als odds-ratio oder Wettquotienten (ROST 1996) bezeichnet. Beispielsweise wird eine Lösungswahrscheinlichkeit von 60% zu einem Wettquotienten von 60:40, was einen Wert von 1,5 ergibt. Diese Umwandlung der Lösungswahrscheinlichkeiten führt zu einer sehr asymmetrisch verzerrenden Projektion. Aus Wahrscheinlichkeiten die gegen Eins gehen (gegen 100%) werden Wettquotienten die gegen +f gehen. In einem weiteren Schritt erfolgt die Umwandlung der Wettquotienten in den natürlichen Logarithmus, was zur Folge hat, dass die Werte schließlich auch zwischen -f und +f variieren können. Durch das Logarithmieren wurde schließlich eine Erhöhung der Skalenniveaus erreicht. Die Wettquotienten haben nun Intervallskalenniveau, wo hingegen die ursprünglichen Summenscores noch ordinal skaliert waren. In der folgenden Abbildung wurde die Transformation der Fähigkeitsparameter exemplarisch aufbereitet (BOND/FOX 2002, S. 15 ff). Im Vergleich zum ursprünglichen Wahrscheinlichkeitsintervall ist die Logit-Transformation eine symmetrische Projektion auf die Zahlengerade, wobei dem Wahrscheinlichkeitswert 0,5 der Nullpunkt der Zahlengerade zugeordnet wird. Den Wahrscheinlichkeiten 0,25 und 0,75 werden die Werte –1,1 und +1,1 zugeordnet. Das bedeutet, dass im mittleren Bereich die Spreizung der Parameter fast linear ausfällt, während sie zum Rand hin immer stärker ansteigt (ROST 1996, S. 123).
238
Theorie der Skalenkonstruktion
Das Logarithmieren der Summenscores BOND/FOX 2002 Datenmatrix Personen
c
a
g
r
D R A K B ...
1 1 1 1 1 ...
1 1 0 1 1
1 1 1 1 0
1 1 1 1 1
Items b 1 1 1 1 0
s
c
n
f
0 1 1 0 1
1 0 0 1 0
1 1 0 0 1
1 0 1 0 0
Schwierigkeit
11
10
8
7
6
5
4
3
2
n/N in %
92
83
67
58
50
42
33
25
17
Fähigkeit n/N in %
Wettquotient 89:11 = 81
89 78 67 67 56
8 7 6 6 5
Logit ln 81 = +209
Logit ln 0,2 = -161
Wettquotient 17:83 = 0,2
Summenscores 0%
10%
40%
30%
20%
70%
60%
50%
x x
x
x
x
x
x
x
x x
90%
80%
x
x x
x
100%
Logit x x -3
x
x -1
-2
x
x
x
0
x x x
x
x
x
x +1
+2
+3
Abbildung 24: Das Logarithmieren der Summenscores
3.2.3.1.3 Die logistische Funktion Die Parameter wurden schließlich von RASCH (1960) in einer Modellgleichung zueinander in Beziehung gesetzt:
e șȞ - ıɿ
L(x) = ___________ ș - ıɿ 1+e
Ȟ
L(x) ... Lösungswahrscheinlichkeit von Item x Die logistische Funktion kann nie den Wert Eins erreichen, da der Nenner immer größer ist als der Zähler. Der Wert Null kann auch nie erreicht werden, weil e șȞ - ıɿ nie den Wert Null annimmt, gleichgültig welchen Wert der Exponent (șȞ - ıɿ) annimmt. Wenn die Differenz zwischen Fähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter positiv ist, das heißt, wenn die Fähigkeit der Person größer ist als die Itemschwierigkeit, geht der Funktionswert gegen Eins.
Theorie der Skalenkonstruktion
239
Im umgekehrten Fall geht er gegen Null. Wenn die Fähigkeit der Person genau gleich der Itemschwierigkeit ist, beträgt die Lösungs-wahrscheinlichkeit einer Person genau 50%. Was bedeuten diese theoretischen Überlegungen in der Forschungspraxis? Man kennt zunächst weder die Fähigkeit der Person noch die Schwierigkeit der vorgegebenen Items. Wenn man nun annimmt, dass die beschriebene Beziehung zwischen Fähigkeit, Schwierigkeit und Lösungswahrscheinlichkeit besteht, dann stellen sich zwei Fragen: -
Können die Zusammenhänge bewiesen werden und
-
kann man die Schwierigkeit von Items und die Fähigkeit von Personen bestimmen, wenn man lediglich weiß, welche Person welche Aufgaben gelöst hat?
Die Antwort auf beide Fragen ist: ja. Das RASCH-Modell gilt für einen Test dann, wenn die oben beschriebene Funktion die tatsächliche Beziehung zwischen Fähigkeit und Schwierigkeit für einen Test gut beschreibt. Dies wird anhand später beschriebener Modelltests überprüft (GLÜCK 1995, S. 6).
Die Itemfunktionen von drei RASCH-homogenen Items
p... Lösungswahrscheinlichkeit
ROST 1996
Item 1
p=1,0
Item 2
Item 3
p=0,5
p=0,0
-5
-4
-3
-2
ı2 = -2,3
-1
1
ı1 = 0
2
3
4
ı3 = 2,5
ıɿ ... Schwierigkeitsparameter
Abbildung 25: Die Itemfunktionen von drei RASCH-homogenen Items
5
240
Theorie der Skalenkonstruktion
Der Schwierigkeitsparameter ıɿ definiert den Abszissenwert der 50% Lösungswahrscheinlichkeit und damit auch den Wendepunkt der Kurve. Ist der Parameter positiv, d.h. das Item schwieriger, so liegt die Kurve weiter rechts. Ist ıɿ negativ, d.h. das Item leichter, so liegt die Kurve weiter links. Es gibt nur einen Itemparameter (nämlich den Schwierigkeitsparameter) für jedes RASCH-Modell, was zur Folge hat, dass alle RASCHhomogenen Items den gleichen Anstieg haben und nur parallel zur Abszisse verschoben sind (siehe Abbildung 25). Dies wiederum sorgt für eine bedeutende Eigenschaft des RASCHModells, nämlich dass alle Items dieselbe Trennschärfe haben, sofern das RASCH-Modell für diesen Test gilt. Es braucht auch nicht für jede Person ein eigener Fähigkeitsparameter berechnet werden, denn es erhalten alle Personen mit demselben Summenscore auch denselben Fähigkeitsparameter (ROST 1996, S.125ff). Itemschwierigkeit und Personenfähigkeit werden auf der gleichen Differenzskala5 gemessen. Da Differenzskalen gegenüber Translationen (additive Verschiebungen) invariant sind6, existieren unendlich viele Differenzskalen, mit denen man Itemschwierigkeit und Personenfähigkeit beschreiben kann. Hinsichtlich Anschaulichkeit und Vergleichbarkeit ist das nicht von Vorteil. Um diesen Schönheitsfehler zu beseitigen, wird die Differenzskala nach der Vorgangsweise der Summennormierung dahingehend verändert, dass die Summe der Schwierigkeiten aller Items Null beträgt. Wie in Abbildung 25 dargestellt, hat dann ein mittelschweres Item die Schwierigkeit Null, unterdurchschnittlich schwere Items haben negative Schwierigkeiten und überdurchschnittlich schwere Items haben positive Eigenschaften (BOND/FOX 2002, S. 117 ff).
3.2.3.1.4 Die Charakteristika einer RASCH-Skala im Überblick Die folgenden typischen Eigenschaften gehen auf RASCH (1960) zurück, die hier dargelegten Fachtermini orientieren sich an FISCHER (1974).
5
Das Skalenniveau der Differenzskala entspricht dem Niveau der Verhältnisskala. Man kann auch sagen, die RASCH-Parameter haben das Niveau einer logarithmierten Verhältnisskala (siehe auch ROST 1996, S.126)
6
Im Gegensatz dazu sind Intervallskalen gegen multiplikative Veränderungen invariant.
Theorie der Skalenkonstruktion
241
Lokale stochastische Unabhängigkeit „Ob eine Person die eine oder die andere Reaktion auf ein Item setzt, hängt nur von ihrem Ausmaß in der interessierenden Eigenschaft und vom entsprechenden Niveau des Items ab, nicht aber davon, auf welche anderen Items sie mit derselben Reaktion geantwortet hat oder noch antworten wird.“ (KUBINGER in KUBINGER 1989, S. 22) Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit das Item i zu lösen darf nicht von der Wahrscheinlichkeit abhängen das Item j zu lösen. Damit postuliert das Modell, dass bei der Testbearbeitung keine Lern-, Ermüdungs-, Positions- oder sonstigen Effekte auftreten (BRANDSTÄTTER 2001, S.29). Im Sinne einer „erschöpfenden Statistik“ (Begriff geht zurück auf FISHER 1921) ist es wünschenswert, wenn die Zahl der gelösten Aufgaben die gesamte, in den Antworten enthaltene Information bezüglich des Personenparameters enthält. Es liegt deshalb nahe, Personen mit gleichen Rohwerten r gleiche Fähigkeitsparameter șȞ zuzuordnen. Man sagt auch der Rohwert r stellt eine erschöpfende Statistik für den Fähigkeitsparameter șȞ dar (SIXTL 1982, S.98).
Homogenität Bei der Anwendung des Modells von RASCH wird häufig die Modellkonformität mit dem Begriff der Homogenität gleichgesetzt. Genau müsste es eigentlich heißen: homogen im Sinne der Modellannahmen des logistischen Testmodells. Dies impliziert die Forderung, dass zur Bearbeitung aller Items eine einzige Fähigkeit benötigt wird. Das bedeutet, dass die Items sehr eng konzipiert sein und nur sehr spezifische Denk- und Gefühlsprozesse auslösen sollen. Homogen sind solche Items, deren ICC (Item-Charakteristik-Kurven) gleichartig verlaufen und sich nicht überschneiden (FISCHER 1974, S.333ff). Die Forderung der Homogenität führte im Rahmen dieser Studie zu dem Schluss, für jede zu messende Emotion eine eigene Skala zu konzipieren.
242
Theorie der Skalenkonstruktion
p... Lösungswahrscheinlichkeit
Inhomogene Itemcharakteristiken
Item 1
p=1,0
Item 2
Item 3
p=0,5 3
2
Lösungswahrscheinlichkeit (Ordinate 3) ist für Item 3 größer als für Item 2 (Ordinate 2) bei niedrigerer Fähigkeit
p=0,0
șȞ ... Fähigkeitsparameter
Abbildung 26: Inhomogene Itemcharakteristiken
Spezifische Objektivität Unter spezifischer Objektivität versteht man die Separierbarkeit von Fähigkeits- und Schwierigkeitsparametern. Das bedeutet die Stichprobenunabhängigkeit der Ergebnisse, ein charakteristisches Element, das den wesentlichsten Unterschied zur klassischen Testtheorie darstellt. Das logistische Modell von RASCH ist das einzige mit dieser Eigenschaft. Spezifische Objektivität bedeutet: -
dass die auf eine Person bezogenen Aussagen weder von der willkürlichen Zuordnung der Person zu einer bestimmten Referenzpopulation abhängen, noch von der mehr oder weniger beliebigen Auswahl von Testitems aus einem Universum homogener Aufgaben;
-
dass Veränderungen von Ergebnisdimensionen unabhängig vom Anfangsniveau der Person und unabhängig von den verwendeten Testaufgaben beurteilt werden können;
-
dass Aussagen über gemessene Veränderungen unabhängig von der Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe gemacht werden können, wobei die sowohl
Theorie der Skalenkonstruktion
243
theoretisch als auch praktisch problematische Repräsentativität der Stichprobe völlig an Bedeutung verliert (FISCHER 1974, S. 407). Zum besseren Verständnis sei folgendes Beispiel ins Treffen geführt: Würde eine Gruppe Emotionspsychologen und eine Gruppe Historiker zehn verschiedene Emotionen auf Situationen zuordnen müssen, erhielten wir aufgrund der Klassischen Testtheorie für jede Emotion zwei verschiedene Messindizes, wobei jener für die Gruppe der Emotionspsychologen höher ausfallen würde als jener für die Historiker, die für die vorliegende Thematik weniger Fachwissen mitbringen. Alle Aussagen der Klassischen Testtheorie sind demgemäss relativistischer Natur, als Abstand zu einem Mittelwert einer bestimmten Verteilung aufzufassen. Im Gegensatz dazu ist beim RASCH-Modell die Höhe des Schwierigkeitsparameters unabhängig von der untersuchten Population, wie bereits zuvor dargelegt, gemessen auf einer logarithmierten Verhältnisskala (BRANDSTÄTTER 2001, S.28ff). Zur Logit Transformation siehe auch Kapitel 3.2.3.1.2.
3.2.3.1.5 Konstruktionsschritte einer RASCH-homogenen Skalierung In Anlehnung an BOND/FOX (2002) lassen sich folgende Schritte zur Konzeption einer RASCH-homogenen Skala aneinanderreihen: 1. Erstellung einer Matrix von Wettkoeffizienten, wobei die Items entsprechend der Schwierigkeit geordnet werden und die Personen anhand der Rohwerte, entsprechend Ihrer Fähigkeit, sortiert werden. 2. Transformation der Matrix in eine Logit Matrix 3. In der Regel wird mittels Maximum-Likelihood-Verfahren die Schätzung der Personen- und Itemparameter vorgenommen, dafür stehen wieder verschiedene Varianten zur Verfügung. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, auf Grund des mit der Schätzung verbundenen hohen Rechenaufwandes entsprechende Computer-Software wie LPCM (FISCHER/PONOCNY-SELIGER 1998) oder WINMIRA (DAVIER 2001) einzusetzen. 4. Die reproduzierten Werte werden den beobachteten gegenübergestellt und verschiedene Modelltests gerechnet.
244
Theorie der Skalenkonstruktion
Die Konstruktionsschritte 3 und 4 bedürfen noch weiterer Erklärungen, repräsentieren sie doch das Herzstück der Konstruktion RASCH-homogener Skalen. Zunächst die Schätzung der Personen- und Itemparameter:
3.2.3.1.6 Parameterschätzung Unter Parameterschätzung versteht man die Schätzung von Populationskennwerten anhand von Stichprobendaten. Man will dabei jedoch nicht von einer Stichprobe auf eine Population von Personen verallgemeinern, sondern man schließt vielmehr von einer Stichprobe von Itemantworten auf die Eigenschaftsausprägung einer Person und aus einer Stichprobe von Personenantworten auf die Eigenschaften eines Items (ROST 1996, S. 293). Für die Schätzung der Parameter kann man sich das sogenannte Likelihoodprinzip zunutze machen, das ursprünglich zur Überprüfung von Personen-Fits entwickelt wurde. Dabei schätzt man die Parameter so, dass die Likelihood der Daten bezüglich dieser Parameter maximal wird (sogenannte Maximum-Likelihood-Schätzung). Es werden somit alle Modellparameter auf den Wert festgelegt, an dem die Likelihoodfunktion ihr Maximum hat (BARTHOLOMEW 1987, S. 24ff). Da wir von der lokaler stochastischer Unabhängigkeit ausgehen können (siehe oben), ergibt sich die Wahrscheinlichkeit einer gewissen Kombination von Einzelereignissen als Produkt dieser Einzelereignisse. Für jedes Item wird also, je nachdem ob die Person das Item gelöst hat oder nicht, die Lösungswahrscheinlichkeit oder die Gegenwahrscheinlichkeit in die Multiplikation einbezogen.
Theorie der Skalenkonstruktion
245
Die Rolle der Parameterschätzung bei der Testkonstruktion ROST 1996 Modell
Empirie
Item a
bildet ab Item c
șȞ
ıɿ
Population
Item b
Item g
sind für
Schätzer
Person D
Person R
Item c
1
0
1
Item a
0
1
0
Item g
1
1
0
Person A
Parameterschätzung
^ șȞ
^ ıɿ
Stichprobe
produziert Antworten
Abbildung 27: Die Rolle der Parameterschätzung bei der Testkonstruktion
Die Wahrscheinlichkeit für das Lösen eines einzigen Items entspricht bekanntlich der bereits ausführlich erklärten Grundgleichung von RASCH. Die Gesamtwahrscheinlichkeit lässt sich nun folgendermaßen in Algebra übersetzen (GLÜCK 1995, S. 25): k
a 1-a L(a) = ɉ P(+) Ȟi . P(-) Ȟi
i=1
aȞ ............ Antworten der Person Ȟ P(+).... Wahrscheinlichkeit für die Lösung von Item i durch die Person Ȟ P(-)..... Wahrscheinlichkeit, dass die Person Ȟ das Item i nicht löst aȞi ........... „Lösung“ von Person Ȟ bezüglich Item i ɉ ........ Produkt über die Items 1 bis k Da sich die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zeile als Produkt der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Zeilenelemente ergibt, berechnet sich die Wahrscheinlichkeit der gesamten Matrix als Produkt der Wahrscheinlichkeiten aller Elemente der Matrix (ebenda):
246
Theorie der Skalenkonstruktion k
L(a) = ɉ
k
ɉ
P(+)aȞi . P(-)1-aȞi
i=1 Ȟ =1
a ......... Matrix der Antworten aller n Personen auf alle k Items An der Gleichung sieht man sehr gut, dass es tatsächlich genügt zu wissen, wie viele Aufgaben eine Person gelöst hat, um ihren Fähigkeitsparameter zu ermitteln. Welche Items gelöst wurden und wie oft ein bestimmtes Item gelöst wurde, wird hingegen nicht benötigt um den Wert der Likelihoodfunktion zu bestimmen. Mittels partiellem Differenzieren (z.B. NEWTON-REPHSON Iterationsverfahren) ist es nun möglich, die einzelnen Item- und Personenparameter so zu schätzen, dass die Likelihood der Datenmatrix maximiert wird. Wenn das RASCH-Modell auf einen Datensatz passt, dann lassen sich die Item Responses der Personen durch die Personen- und Itemparameter gut erklären. Passt das Modell schlechter, dann ist die Likelihood der Daten geringer. Zur Beurteilung dessen, ob ein Modell ausreichend gut auf die gegebenen Daten passt, bestehen verschiedene Varianten der Modellgeltungskontrolle (ROST 1996, S. 296ff).
3.2.3.1.7 Modellgeltungskontrolle Die Frage, ob eine Modellannahme auf den Datensatz passt, kann nicht so einfach beantwortet werden. Zum einen passt jedes probabilistische Modell mehr oder weniger gut auf die Daten, zum anderen ist zu berücksichtigen, wie aufwendig das jeweilige Modell aufgebaut ist. Mit einem komplizierten Modell, mit vielen Modellparametern kann man immer eine bessere Anpassung an die Daten erreichen. Es gilt deshalb auch, möglichst einfache Modelle zu konstruieren (BOND/FOX 2001, S. 37ff). Da kein bestes Verfahren für die Überprüfung der Übereinstimmung von RASCH-Modell und Datensatz besteht, muss aus einer Reihe von Verfahren und Ansätzen eine Auswahl getroffen werden. Die vorliegende Arbeit stellt keineswegs eine vollständige Darstellung der möglichen Modelltests dar. Vielmehr werden nur jene Tests ausführlicher behandelt, die sich für die Entwicklung der Skalen zur Messung der Emotionen als notwendig herausgestellt haben. Der Leser sei für Informationen zu weiteren Verfahren an die maßgebliche Literatur verwiesen (FISCHER 1974, FRICKE 1974, ROST 1996, ROST/DAVIER 1994, HAMBLETON/ SWAMINATHAN/ROGERS 1991,...). Eine Möglichkeit des Modelltests ist die Überprüfung hinsichtlich der Übereinstimmung der Modellvorhersage zur Antwortwahrscheinlichkeit, mit dem tatsächlichen Antwortverhalten,
Theorie der Skalenkonstruktion
247
die sogenannte Residualanalyse. Diese Prüfung kann mittels der PEARSONschen F2 – Statistik erfolgen. Der Vorteil dieses Tests besteht darin, dass man den Grund für signifikante Modellabweichungen leichter rekonstruieren kann. Es lässt sich aus den quadrierten Abweichungen von beobachteten zu erwarteten Häufigkeiten leicht ersehen, welche Antwortpattern besonders zu hohen F2 – Werten beigetragen haben (ROST 1996, S. 335). Auf der anderen Seite kann die Modellprüfung auch hinsichtlich der speziellen Charakteristika des RASCH-Modells erfolgen. Die meiste Aufmerksamkeit kommt dabei der Überprüfung der spezifischen Objektivität zu (siehe Kapitel 3.2.3.1.4). Dafür wird der Datensatz anhand eines Außenkriteriums in zwei Hälften geteilt. Diese Vorgangsweise ist auch von Verfahren der klassischen Testtheorie bekannt. Im Gegensatz zu klassischen Verfahren ist das gültige RASCH-Modell aber auch gegen nichtzufällige Aufteilungen invariant. So dürfen sich die Parameterschätzungen von Frauen und Männern oder älteren und jüngeren Menschen ebenso wenig voneinander unterscheiden wie jene von Auskunftspersonen mit unterschiedlichem Testscore (KUBINGER in KUBINGER 1989, S. 23ff). An dieser Stelle sei aber auch eindringlich vor einer gedanklichen „Falle“ gewarnt. Die für das logistische Modell so wesentliche Aussage der Stichprobenunabhängigkeit könnte leicht missverstanden werden. Wenn wir finden, dass der Schwierigkeits-parameter ıɿ des i-ten Items in allen Teilstichproben bis auf Zufallsunterschiede gleich ist, bedeutet dies keineswegs, dass dieses Item in den betreffenden Teilgruppen auch im umgangssprachlichen Sinn gleich schwer ist. Die subjektive Schwierigkeit kann natürlich in verschiedenen Personengruppen unterschiedlich sein. Eine Aufgabe, welche allen Personen gleich schwer fällt, wäre ja als Unterscheidungskriterium in einem Test gänzlich ungeeignet, weil sie eben zu wenig diskriminiert. Gleich schwierig im klassischen Sinn bedeutet, dass die Lösungshäufigkeiten in allen Teilstichproben annähernd gleich sind. Dies ist natürlich ganz selten der Fall. Gleiche Schwierigkeitsparameter im Sinn des RASCH Modells bedeutet, dass sich die Parameter parallel zueinander liegenden logistischen Funktion befinden. Erkennbar dadurch, dass das Verhältnis der Häufigkeiten in den Nebendiagonalzellen der Matrizen annähernd gleich ist (FISCHER 1974, S.285ff). Zur Veranschaulichung der Überprüfung auf Stichprobenunabhängigkeit kann der sogenannte Graphische Modelltest herangezogen werden (siehe auch Abbildung 28), denn wesentliche Abweichungen sollten ohne statistischen Test in einer graphischen Abbildung erkennbar sein. Hat man zwei Stichprobenhälften gebildet, trägt man die Parameterschätzungen der einen auf der Abszissen-, die andere auf der Ordinatenachse eines Koordinatensystems ein und erhält Punkte, welche nur zufällig um eine Gerade durch den Ursprung streuen, sofern das Modell
248
Theorie der Skalenkonstruktion
gilt. Wenn die Parameter in beiden Stichproben gleich normiert wurden (siehe Summennormierung auf S.240) müsste diese Gerade den Anstieg 1 haben (FISCHER 1974, S.281ff).
Graphischer Modelltest KUBINGER 1989
niedriger Score
26 33 30 41 23 18 40 45 36 28 21 57 59 42 15 34 31 16 ° 15
45
25 32 51
4
hoher Score
13 37 22 1 11 17 19 14 58 57 8 29
9 5 24
47 49 12 2
21
18
6
7
Abbildung 28: Graphischer Modelltest
Der
von
ANDERSON
vorgeschlagene
bedingte
Likelihoodquotiententest
(auch
ANDERSON-Test genannt), der einen asymptotisch F2–verteilten Kennwert liefert, beruht ebenfalls auf dem Vergleich verschiedener Personengruppen und ist die stringente mathematische Alternative zum Graphischen Modelltest (KUBINGER in KUBINGER 1989, S.26ff). Beim ANDERSON-Test steht im Zähler des Likelihoodquotienten die Likelihood für die Gesamtdaten, im Nenner das Produkt der für die beiden Subgruppen getrennt berechneten Likelihoods. Die Likelihoods werden anschließend logarithmiert und der Logit mit –2 multipliziert (ROST 1996, S.342, GLÜCK 1995, S.12).
Theorie der Skalenkonstruktion
F2 = -2 ln
249
L (Datenʜı1,…,ık) _______ ________________________ L (Datenʜı11,…,ı1k,...,ıi1,…,ıik,...)
F2 ....... Prüfgröße ık ....... Schwierigkeitsparameter für die Gesamtdaten ıik .......... Schwierigkeitsparameter für die Daten in den beiden Subgruppen
Wie bereits erwähnt, passt ein Modell umso besser, je mehr Parameter es enthält. Im Extremfall bekommt jede Eintragung in der Datenmatrix einen eigenen Parameter und das Modell würde perfekt den Datensatz abbilden, aber es würde keine Reduktion der Komplexität bedeuten. Umgekehrt betrachtet, also je heterogener die Subgruppen zueinander sind, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit des Nenners im Vergleich zum Zähler und umso eher wird die Prüfgröße groß und damit der F2- Test signifikant. Die Anzahl der Freiheitsgrade entspricht der Differenz der Anzahl von Parametern in Zähler und Nenner, wodurch die prinzipielle bessere Beschreibung durch mehr Parameter ausgeglichen wird (GLÜCK 1995, S. 12ff). Anzumerken ist im Zuge der Überprüfung der Modellkonformität noch, dass bei probabilistischen Modellen das Problem der Fehler 1. Art (die Nullhypothese wird verworfen obwohl sie korrekt ist) eher ignoriert wird. Nur MOLENAAR (1983) weist explizit auf dieses Problem hin. Seines Erachtens nach sind die, an einem Datensatz ausgeführten Modelltests nicht unabhängig voneinander. Ein oftmaliges Überprüfen der Stichprobenunabhängigkeit anhand mehrerer Splitvariablen führt daher zu eher konservativer D-Adjustierung (zu mehr signifikanten Modelltests). Ein Gutteil destruktiver Modellanalysen mag auf dieses Phänomen zurückzuführen sein. Eine a-posteriori Anpassung des Itempools (sukzessives Ausscheiden von Items) mittels mehrerer Modelltests ist deshalb noch kein Garant, dass der verbleibende Itempool tatsächlich modellkonform ist. MOLENAAR (1983) empfiehlt, um sicher zu gehen, eine Kreuzvalidierung anhand einer zweiten, unabhängigen Stichprobe (KUBINGER in KUBINGER 1989, S.30)
3.2.3.2
Mehrkategorielle RASCH-Modelle
Speziell bei der Messung von Images und Einstellungen sind dichotome Daten, also Antwortformate mit lediglich zwei Kategorien („trifft zu“, „trifft nicht zu“) selten. Der
250
Theorie der Skalenkonstruktion
Normalfall sind dagegen mehrkategorielle Skalen mit zumeist geordneten Kategorien. Die bekanntesten probabilistischen Modelle für mehrkategorielle Daten sind das Rating Scale Model nach ANDRICH (1978) und das Partial Credit Model nach MASTERS (1982) (MÜLLER 1999, S.57ff).
3.2.3.2.1 Partial Credit Modell Zur einfachen Darstellung der Unterschiede zwischen Partial Credit Model und dem Rating Scale Model widmet man sich am besten den schon bekannten Itemfunktionen (ICCs). Wie schon im Rahmen der Vorstellung des dichotomen logistischen Modells von RASCH erwähnt, zeigt die Itemfunktion die Abhängigkeit der Lösungswahrscheinlichkeit eines Items von der latenten Variable an. Bei näherer Betrachtung handelt es sich dabei bloß um Kategoriefunktionen, denn sie definieren die Abhängigkeit der Antwort-wahrscheinlichkeit einer der beiden Antwortkategorien von der latenten Variable. Während es im zweikategoriellen Fall also überflüssig ist, beide Kategorienfunktionen in einer Grafik darzustellen (die zweite Kategoriefunktion ist bloß die Spiegelung der ersten um eine Gerade parallel zur Abszisse), kann man die Itemfunktionen für mehrkategorielle ordinale Itemfunktionen nur verstehen, wenn man sich die Abhängigkeit aller Kategorienwahrscheinlichkeiten von der latenten Personenvariable anschaut. Stellt man sich nun vor, dass es zwischen der o-Kategorie und der 1-Kategorie noch eine dritte, mittlere Kategorie gibt und benennt man die Kategorien mit den Ziffern 0, 1 und 2 so ist ein Kurvenverlauf, wie in Abbildung 29 dargestellt, zu erwarten: zunächst dominiert die Wahrscheinlichkeit für eine 0-Antwort, welche aber mit steigender Eigenschaftsausprägung absinkt. Gleichzeitig steigt eine Kurve an, die die Wahrscheinlichkeit für die mittlere Antwortkategorie darstellt. Diese ist aber nicht monoton, sondern sinkt wieder ab, weil im oberen Bereich der Eigenschaftsausprägung des latenten Konstrukts die Wahrscheinlichkeit für die dritte Antwortkategorie ansteigt. Analoges gilt für Itemfunktionen mit noch mehr Antwortkategorien. Die mittleren Kategorien sind im Gegensatz zu den Extremwerten nicht monoton (ROST 1996, S. 196ff).
Theorie der Skalenkonstruktion
251
Die Kategorienfunktion für ein dreikategorielles Item
p... Lösungswahrscheinlichkeit
ROST 1996
p=1,0 Kat 1
Kat 0
Kat 2
p=0,5
p=0,0
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
IJɿx ... Schwellenparameter
Abbildung 29: Die Kategorienfunktion für ein dreikategorielles Item
Für die Konstruktion eines Testmodells, das solche Kurven beschreibt, stellt sich nun die Frage, welche Kennwerte der Kurvenverläufe man nun als Modellparameter heranzieht. Im Zuge der Vorstellung des dichotomen Modells konnte man ersehen, dass der Abszissenwert des Wendepunktes dem Itemparameter des zweistufigen RASCH-Modells entspricht. Diese Erkenntnis ist gut auf den mehrkategoriellen Fall übertragbar: Die Modellparameter sind jeweils die Schnittpunkte der Kategorien-funktionen. Sie werden auch Schwellen genannt. Exakt auf dieser Schwelle haben beide betroffenen Kategorien jeweils dieselbe Antwortwahrscheinlichkeit von 50% inne. Um jetzt die gesamte Kurvenschar des betroffenen Items festlegen zu können, bestimmt man mit einer geeigneten Funktion die Wahrscheinlichkeiten, mit denen jeweils die Schwellen übersprungen werden. Diese sogenannte Schwellenwahrscheinlichkeit ist nichts anderes als der relative Anteil der höheren Kategorienwahrscheinlichkeit an beiden betroffenen Kategorienwahrscheinlichkeiten. Beim dichotomen Modell sind Schwellenwahr-scheinlichkeit und Lösungswahrscheinlichkeit des Items ident. Überträgt man diese Erkenntnis auf den mehrkategoriellen Fall, wird aus dem dichotomen Itemparameter ı der Itemparameter IJ, der einen zweiten Index bekommt, da jedes Item mehrere Schwellen besitzt und jede Schwelle eine eigene Lage auf dem latenten Kontinuum hat. Die folgende Gleichung zeigt, dass die Schwellenwahrscheinlichkeit einer Person v bei Item i von der Eigenschaftsausprägung dieser Person abhängt und von der
252
Theorie der Skalenkonstruktion
Schwierigkeit der Schwelle bei diesem Item (FISCHER 1974, S. 426ff und ROST 1996, S. 199ff):
exp șȞ - IJɿx qvix = ___________ 1+exp șȞ - IJɿx x = 0,1...m Für jede Schwelle eines Items gibt es also eine logistische Funktion, die die Wahrscheinlichkeit dieser Schwelle definiert. Die folgende Grafik veranschaulicht am Beispiel eines Items mit vier Antwortkategorien anschaulich, wie die Schwellenwahrscheinlichkeiten mit den Kategorienwahrscheinlichkeiten zusammenhängen. Die Wendepunkte der Schwellenfunktionen markieren genau die Schnittpunkte der Kategorienfunktionen, d.h. die Lokationen der Schwellen auf dem Kontinuum sind durch die Parameter IJix der Schwellenfunktionen definiert.
Zusammenhang zwischen Schwellenfunktionen und Kategorienfunktionen Kategoriefunktionen
p=1,0 p (1)
p (0)
p (3)
p (2)
p=0,5
p=0,0
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
IJɿ1= -29 IJɿ2= 07 IJɿ3= 28 Schwellenfunktionen
p... Lösungswahrscheinlichkeit
ROST 1996
p=1,0 p (3)
p=0,5
p (2)
p (1) p=0,0
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
IJɿx ... Schwellenparameter
Abbildung 30: Zusammenhang zwischen Schwellen- und Kategorienfunktionen
Theorie der Skalenkonstruktion
253
Nach Umformen der zuvor vorgestellten Gleichung und Ersetzen der einzelnen Schwellenparameter IJix durch kumulierte Schwellenparameter ıix erreicht man die Gleichung des Partial Credit Modells (hier in der Schreibweise von ROST 1996). Die Ableitung der Gleichung wurde neben ROST (1996) auch von MASTERS/WRIGHT (1984) dokumentiert.
exp(xșȞ - ıɿx) p(Xvi = x) = ______________ m Ȉ exp(sșȞ - ıɿs) s=0
m
ı ɿx =
Ȉ IJɿs s=0
ı ɿ0 = 0 Wie beim dichotomen RASCH-Modell hängt die Likelihoodfunktion beim Partial Credit Modell überraschenderweise nur von bestimmten Summenstatistiken ab. Es ist nicht von Interesse, wie viele Antworten jede Auskunftsperson in jeder Kategorie gegeben hat, sondern nur die Summe aller Itemantworten wird benötigt. Dieser Summenscore, der die Anzahl der Schwellen repräsentiert, die eine Person im Laufe des Tests überschritten hat, reicht aus, um ihre Eigenschaftsausprägung zu berechnen. ROST (1996) warnt dazu vor dem Fehlschluss, dass nur bei intervallskalierten Items eine Summation erlaubt sei. Er bemerkt, dass die Schwellenabstände durch die Modellparameter erst geschätzt werden. Diese Schätzungen geben dann Auskunft über die Größe der Antwortkategorien und somit über deren Bedeutung. Neben der schon zuvor, im Zuge der Vorstellung dichotomer RASCH-Modelle diskutierten Varianten der Modellgeltungskontrolle (Residualanalyse und Überprüfung der speziellen Charakteristika von RASCH Modellen), eröffnen sich also bei Partial Credit Modellen zusätzliche, interessante Kontrollmöglichkeiten mehrstufiger Skalen. Man kann also von den Abständen der Schwellen zueinander, Rückschlüsse auf die Skalennutzung und die Schwierigkeit der Skalenstufen ziehen, wie man ebenfalls aus Abbildung 30 erkennen kann (GLÜCK 1995, S. 33).
3.2.3.2.2 Rating Skalen Modell Zwischen dem Partial Credit Modell und dem Ratingskalen-Modell bestehen wesentliche Unterschiede. Das Ratingskalen-Modell ist sehr viel restriktiver. ANDRICH (1978), auf dem das Modell zurückgeht, setzt voraus, dass alle Items der Skala die gleiche Zahl an geordneten Antwortkategorien aufweisen und die Abstände zwischen diesen Antwortkategorien gleich
254
Theorie der Skalenkonstruktion
sind. Letztere Annahme wird für Intervallskalen immer ungeprüft vorausgesetzt, mit dem Ratingskalen-Modell kann die Gültigkeit dessen auch hinterfragt werden (MÜLLER 1999, S. 57ff). Es wird also angenommen, dass die Schwellenabstände für alle Items gleich groß sind, jedoch die Lokation dieser Schwellen von Item zu Item unterschiedlich ist, weil die Items in ihrer Schwierigkeit differieren. Für jedes Item wird analog zum dichotomen Modell ein Schwierigkeitsparameter bestimmt. Zusätzlich hat jede Antwortkategorie einen Kategorieparameter. Abbildung 31 illustriert diesen Umstand anhand von drei Items, von denen das erste am leichtesten, das zweite am schwierigsten und das dritte ein mittleres ist. Alle drei Items weisen jedoch gleiche Schwellenabstände auf.
Drei unterschiedlich schwierige Items mit gleichen Schwellendistanzen Item 1
p=10
p=05
p=00
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
-5
-4
-3
-2
-1
1
2
3
4
5
Item 2
p=10
p=05
p=00
Item 3
p=10
p=05
p=00
Abbildung 31: Verschieden schwierige Items mit gleichen Schwellendistanzen
Das bedeutet, im Gegensatz zum Partial Credit Model, dass man nicht 3x3-1=8 unterschiedliche Parameter schätzen, sondern lediglich zwei Schwellendistanzen und drei Itemschwierigkeiten, also fünf unabhängige Modellparameter. Je größer die Itemzahl, desto mehr Parameter werden eingespart. Als Parameter für die Itemschwierigkeit eignet sich entweder die Lage der ersten Schwelle oder der Mittelpunkt aller Schwellen eines Items. Unter Zuhilfenahme der gleichen Schwellendistanzen steht damit die Lage aller Schwellen fest (ROST 1996, S. 210ff).
Theorie der Skalenkonstruktion
255
Die Annahme, dass die Kategorien gleichen Abstand zueinander haben, d.h. äquidistant sind (deshalb auch Äquidistanzmodell, ANDRICH 1982), bedeutet eine weitere Einschränkung der Modellannahme. Infolge dessen ist anstelle von m-1 IJ-Parametern nur noch ein Distanzparameter zu schätzen, der gemeinsam mit dem Itemparameter ıi die Schwellen festlegt (MÜLLER 1999, S. 72). Die, noch im Zuge der Vorstellung des dichotomen Modells getroffene Annahme, dass sich die Items hinsichtlich ihrer Trennschärfe nicht unterscheiden dürfen (parallele Itemfunktionen), muss auf den zweistufigen Fall eingeschränkt bleiben. Im Äquidistanzmodell ist die Itemtrennschärfe direkt in Form eines Modellparameters enthalten, im normalen Partial Credit Model drückt sich die Itemtrennschärfe nur indirekt in den unterschiedlichen Schwellendistanzen der Items aus. Man kann sie jedoch als mittlere Schwellendistanz eines Items berechnen. Im Gegensatz zu den klassischen Ansätzen der Testtheorie eignen sich mehrkategorielle RASCH-Modelle sehr gut, um den Skalengebrauch der Auskunftspersonen zu hinterfragen. Die Schwellendistanzen beim Partial Credit Modell, bzw. die IJ-Parameter beim Rating Skalen Modell liefern geeignete Anhaltspunkte der Analyse. Eine Tendenz zum extremen Urteil drückt sich z.B. darin aus, dass die erste Schwelle sehr schwer und die letzte Schwelle sehr leicht ist, so dass die Kategorien x=0 und x=m sehr häufig besetzt sind. Eine Tendenz zum mittleren Urteil drückt sich beispielsweise dergestalt aus, dass die Schwellendistanz der mittleren Kategorie relativ groß ist, also sehr viele Personen die mittlere(n) Kategorie(n) bevorzugen. Tendenzen zur Vermeidung bestimmter Antwortkategorien sind ein Alarmsignal, weil damit die Ordnung der Schwellenparameter durcheinander gebracht werden könnte. Ist diese Ordnung einmal nicht mehr gegeben, ist auch die Mindestvoraussetzung für das am wenigsten restriktive mehrkategorielle Modell, das Partial Credit Model nicht mehr vorhanden, die Ordinalität der Daten (ROST bezeichnet das Partial Credit Modell deshalb auch als ordinales RASCH-Modell). In letzter Konsequenz muss man die mangelnde Ordnung der Schwellenparameter auch als einen Fall der Mehrdimensionalität interpretieren, was den Verlust einer Grundcharakteristik RASCH-homogener Skalen bedeutet. Wenn das Meiden einer Antwortkategorie nicht auf zufällige Datenvarianz aufgrund zu kleiner Stichprobengrößen zurückzuführen ist, wird wohl eine andere Persönlichkeits-eigenschaft (oder Haltung zu einer Thematik), als die zu messen beabsichtigte, für den Verlust an RASCH-Homogenität verantwortlich sein (ROST 1996, S. 217ff).
256
Theorie der Skalenkonstruktion
3.2.4 Folgerungen für das Experimentaldesign der Studie III Die folgenden Rückschlüsse ließen sich aus dem Kapitel Skalenkonstruktion ziehen. Sie stellen die Leitlinien für das Experimentaldesign der Skalenentwicklung und den Einsatz der vorgestellten Methoden im Empirieteil der Arbeit dar:
I.
Für jede Emotionsdimension eine eigene Skala
Zur Erklärung dieser Forderung sei noch einmal kurz auf die methodische Vorgangsweise verwiesen: der Prozess der Skalenentwicklung kommt einem kontinuierlichen Prozess der Informationsverdichtung gleich. In einem ersten Schritt wird der ausgesuchte Itempool mittels Repertory Grid Ansatz daraufhin untersucht, welche Bilder in ausreichender Art die markenrelevanten Emotionen vermitteln. In der folgenden Hauptstudie sollen die Bilder auf ausgesuchte Marken zugeordnet werden. Daraufhin werden explorative Faktorenanalysen herangezogen, um den Datensatz nach ähnlich zugeordneten Bildern abzusuchen und damit zu hinterfragen, ob die Bilder im Kontext mit Marken, im Sinne der beabsichtigen Emotionsinhalte beurteilt wurden. Die so entstandenen Bündel repräsentierten die verschiedenen Emotionsdimensionen. Mittels RASCH Analyse soll schließlich neben der Stichprobenunabhängigkeit auch die Homogenität der Bilderbündel hinsichtlich der gemessenen Emotion geprüft werden. Die Forderung nach RASCH-Homogenität impliziert daher die Bildung eigener Skalen für jede gemessene Emotionsdimension.
II.
Zu Beginn eine große Zahl an Items für die jeweils zu messende Emotionsdimension suchen
Der kontinuierliche Verdichtungs- und damit Homogenisierungsprozess im Zuge der Entwicklung der einzelnen Zahlen verlangt als Ausgangssituation eine große Zahl an Items, um im Zuge der Skalenentwicklung auf Items verzichten zu können, ohne qualitative Einbußen hinnehmen zu müssen. BORTZ (1984) empfiehlt, speziell in Bezug auf die Konstruktion RASCH-homogener Skalen mindestens 30% mehr Items zu suchen als schließlich in der fertigen Skala benötigt werden. Erfahrungswerte verbaler Emotionsskalen (Kapitel 2.1) führten in diesem konkreten Fall bei 16 Emotionen zu 250 Bilder (= rund 16 Bilder je Emotion) Am Ende des Verdichtungsprozesses waren über 80% der Ausgangsitems verbraucht. Je messbarer Emotion verblieben schließlich nur jeweils drei homogene Bilder!
Theorie der Skalenkonstruktion
257
An dieser Stelle ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass jede Variable aus Validitätsund Reliabilitätsgesichtspunkten durch mehrere Indikatoren gemessen werden soll und deshalb eine Mindestzahl an Items je Skala zu definieren ist. Falls eine Variable nur durch einen einzigen Indikator gemessen wird, nimmt man an, dass der Indikator die Variable fehlerfrei, d.h. ohne Messfehler, repräsentiert (BAUMGARTNER 1994). Die Meinungen darüber, wie viele Indikatoren pro Variable mindestens notwendig sind, divergieren. Das Verhältnis zwischen Zahl der Indikatoren und Zahl der Variablen soll nicht zu niedrig sein. Eine allgemeine Regel kann nicht angegeben werden. Als Faustregel gilt: als Untergrenze gelten zwei Indikatoren pro Variable, im allgemeinen werden die meisten latenten Variablen durch zwei bis vier Indikatoren abgebildet. Allenfalls wichtig ist, dass Indikatoren nur für je eine latente Variable als Indikator dienen und nicht auf mehrere latente Variablen laden (DILLON/GOLDSTEIN 1984).
III.
Besonders sorgfältiger Aufbau des Untersuchungsdesigns hinsichtlich der Markenauswahl Die Zuordnung der Bilditems auf die ausgewählten Marken sollte möglichst variieren. Denn nur wo Varianz vorhanden ist, kann auch Kovarianz existieren.
IV.
Die Zahl der Skalenstufen sollte mit dem Antwortverhalten der Auskunftspersonen korrespondieren Einerseits führte der Ruf nach ausreichender Varianz (klassische Testtheorie) zu dieser Forderung, andererseits wurde angestrebt, nicht mit dem dichotomen RASCH-Modell zu arbeiten, sondern der mehrkategoriellen Skalierung mittels Partial Credit Modell Rechnung tragen zu können und zumindest ordinal strukturierte Schwellenparameter aus dem Datensatz zu schätzen.
V.
Verwendung von symmetrischen Skalen ohne natürliche Mitte, damit eine eventuelle Dichotomisierung erleichtert wird. Diese Forderung leitet sich direkt aus der vorhergehenden ab: Sollte eine RASCHAnalyse mittels eines mehrkategoriellen Modells nicht möglich sein (d.h. nicht einmal die
258
Theorie der Skalenkonstruktion
Mindestanforderung geordneter Schwellenparameter erfüllt werden können), sollte eine Dichotomisierung des Datensatzes möglich sein.
VI.
Geeignete Wahl der Stichprobengröße
Große Stichproben belasten das Forschungsbudget, sorgen aber für stabilere Kovarianzformen. In diesem Sinne wurde danach getrachtet, für Modelle der klassischen Testtheorie je beurteilte Marke keine geringere Zahl als 200 Auskunftspersonen zu befragen. GLÜCK (1995) empfiehlt für die Durchführung des Likelihoodquotiententests eine Mindeststichprobe von 100 Auskunftspersonen je Untergruppe, um die Stabilität der geschätzten Parameter zu gewährleisten. In vielen Anwendungen probabilistischer Modelle wird selbst die Minimalempfehlung der Stichprobengröße - mindestens einer erwarteten Beobachtung pro Zelle - nicht erreicht, da die Anzahl der möglichen Antwortmuster (m+1)k verglichen mit der Anzahl der Probanden sehr groß ist. Zum Beispiel hat schon eine Skala mit dichotomen Antwortformat und 10 Items 210 = 1024 Antwortmuster. Es muss also angenommen werden, dass die Parameterschätzungen bei Unterschreitung der genannten Faustregel instabil werden (DAVIER 1996, S.45).
VII.
Kontrollierende Variable einbauen
Es galt eine möglichst große Zahl erklärender Variablen in den Datensatz aufzunehmen, um einerseits einen möglichen Bias korrigieren, bzw. erklären zu können und andererseits Erkenntnisse für andere Mitglieder im Forschungsteam und nachfolgende Studien zu gewinnen.
Forschungsfrage und Hypothesen
4
259
Forschungsfrage und Hypothesen
4.1 Zentrale Forschungsfrage Lassen sich die gegenüber Marken empfundenen Emotionen mit Hilfe von Bilderskalen auf quantitative Art und Weise messen? Die folgenden 16 Emotionen wurden im Rahmen des Forschungsprojekts als Ergebnis der Studie I von THYRI und WINDER als markenrelevant eingestuft: Akzeptanz, Angst, Ärger, Begehren, Ekel, Enttäuschung, Erwartung, Freude, Interesse, Langeweile, Liebe, Sorge, Stolz, Traurigkeit, Überraschung und Verachtung. Primäres Ziel ist die Entwicklung von Bilderskalen für jede markenrelevante Emotion. Folgende Entwicklungsschritte wurden hierfür durchgeführt: -
Generierung von Itempools für jede markenrelevante Emotion
-
Vermessung und Vorselektion der Itempools mittels Repertory Grid-Technik (Studie II)
-
Auswahl der Markenstimuli aus den Erkenntnissen der Studie I (Emotionen im Marketing)
-
Zuordnung der vermessenen visuellen Stimuli auf Marken (Studie III)
-
Durchführung von explorativen Faktorenanalysen zur Identifikation ähnlicher Beurteilungsmuster und Rekonstruktion der Vermessungsergebnisse von Studie II im maximal möglichen Ausmaß (Festlegung der mittels Bilderskalen messbaren Emotionen) aus den Daten der Studie III.
-
Endauswahl der Bilditems durch Überprüfung jedes latenten Konstrukts (jeder messbaren Emotion) auf spezifische Objektivität (Stichprobenunabhängigkeit) hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht und Bildung.
-
Indexbildung
260
Forschungsfrage und Hypothesen
4.2 Hypothesenformulierung 4.2.1 Hypothese 1: Die entwickelten Bilderskalen sind über die in Studie III eingesetzten Marken hinweg gültig (sogenannte Branchenunabhängigkeit). Neben der prinzipiellen Messbarmachung von markenrelevanten Emotionen mit Bildern hat die vorliegende Studie das Ziel, Skalen zu entwickeln, die in einem möglichst breiten Spektrum einsetzbar sind. Daher wurden für die empirischen Studien Marken aus verschiedensten Branchen entnommen und anhand ihrer Relevanz hinsichtlich der markenrelevanten Emotionen (Ergebnis von Studie I) ausgewählt. Durch die Aufnahme einer größeren Anzahl an Marken wurde das Forschungsdesign der Studie III sehr breit angelegt. (Mehr zum Erhebungsdesign später in Kapitel 5.2.1) Die Überprüfung dieser Bemühungen um die Entwicklung branchenunabhängiger Bilderskalen wurde schließlich folgendermaßen umgesetzt: Operationalisierung von Hypothese 1: Überprüfung aller entwickelten Bilderskalen zur Messung markenrelevanter Emotionen auf spezifische Objektivität (Stichprobenunabhängigkeit) mittels polytomer RASCH-Modelle, bei zufälliger Splittung des Datensatzes hinsichtlich der vorgelegten Marken (jeweils sechs beurteilte Marken).
4.2.2 Hypothese 2: Die gegenüber Marken empfundenen Emotionen sind von der aktuellen Stimmungslage der Auskunftspersonen unabhängig. Bemerkung: Jede Auskunftsperson schätzt zu Beginn des Interviews ihre Stimmungslage anhand einer neunstufigen Skala; von 1=“in einer positiven Stimmungslage“ bis 9=“in einer negativen Stimmungslage“.
Operationalisierung: Eine positive Stimmungslage war gegeben, wenn die Auskunftspersonen den Wert eins bis vier auf der neunstufigen Skala vergeben hatten. Entsprechend negativ war die
Forschungsfrage und Hypothesen
261
Stimmungslage, wenn die Auskunftspersonen ihre aktuelle Stimmung zwischen den Werten sechs bis neun eingestuft hatten. Bildung von Summenscores aus den individuellen Einzelzuordnungen der Stimuli der Bilderskalen. Durchführung von t-Tests für unabhängige Stichproben zum Vergleich der Scoremittelwerte zwischen den Gruppen mit unterschiedlicher Stimmungslage. Überprüfung der Hypothese anhand eines Signifikanzniveaus von 95%.
4.2.3 Hypothese 3: Die gegenüber Marken empfundenen Emotionen sind von der Vertrautheit mit den Marken unabhängig. Bemerkung: Die Messung der Vertrautheit mit der Marke wird vor der Bilderzuordnung anhand einer sechsstufigen Skala von 1=“habe ein sehr klares Bild“ bis 6=“habe ein sehr vages Bild“ durchgeführt.
Operationalisierung: Hohe Vertrautheit mit der Marke ist gegeben, wenn die Auskunftspersonen den Wert eins oder zwei auf der sechsstufigen Skala vergeben haben, niedrige Vertrautheit mit der Marke besteht bei den Skalenstufen fünf und sechs. Bildung von Summenscores aus den individuellen Einzelzuordnungen der Stimuli jeder Bilderskala. Durchführung von t-Tests für unabhängige Stichproben zum Vergleich der Scoremittelwerte zwischen den Gruppen mit unterschiedlich starker Vertrautheit mit den Marken. Hypothesenprüfung anhand eines Signifikanzniveaus von 95%.
4.2.4 Hypothese 4: Das Dekodieren der Bilder hinsichtlich der kommunizierten bzw. erzeugten Emotion wird als leichter wahrgenommen, als die Zuordnung der Emotion auf die Marke. Bemerkung: Der Schwierigkeitsgrad, die dargestellten Emotionen zu erfassen (zu dekodieren), wird ebenso wie der Schwierigkeitsgrad, die Bilder auf die jeweilige Marke zuzuordnen, anhand einer sechsstufigen Skala erfasst (von 1=“sehr leicht“ bis 6=“sehr
262
Forschungsfrage und Hypothesen
schwierig“). Die Auskunftspersonen werden am Ende des Interviews, zu beiden Fragestellungen, um ein Gesamturteil über alle Bildreize gebeten.
Operationalisierung: Vergleich der Mittelwerte beider Fragen (abhängige Stichproben) mittels t-Test; Überprüfung anhand eines Signifikanzniveaus von 95%.
Der Prozess der Skalenentwicklung
5
263
Der Prozess der Skalenentwicklung
5.1 Die Generierung eines Itempools 5.1.1 Anforderungen an die Bildauswahl Bei der Sammlung von Bildern zu Beginn der Skalenentwicklung wurde entsprechend der Erkenntnisse von BOSCH (2004) vorgegangen. Demnach ist bei der Bildauswahl folgendes zu berücksichtigen:
1. Verwendung prägnanter Schlüsselreize im Sinne einfacher, strukturierter und kontrastreicher Bildinhalte. Das Bild sollte so aufgebaut sein, dass die Wahrnehmung möglichst unmittelbar auf die Schlüsselattribute der kommunizierten Emotion gelenkt wird. Es sind also prägnante grafische Elemente im Sinne der Gestaltgesetze zu bevorzugen, die vom Hintergrund hinreichend kontrastieren (gute Figur-Grund-Differenzierung). Die Schlüsselreize sollen möglichst einfach und in sich geschlossen sein, also keine Unterbrechungen oder Verdeckungen aufweisen.
2. Farbliche Unterstützung, wo Farben mit konkreten Emotionen assoziiert werden. Nach einer Studie von HELLER (2000) besitzen Farben eine stark schematische Wirkung, die man bei der Auswahl von Bildern berücksichtigen muss, sofern man das Verständnis für die Darstellung nicht gefährden will. Grau und Schwarz sind beispielsweise die Farben der negativen Gefühle, während Rot überwiegend mit Liebe, aber auch mit Wut bzw. Zorn und mit Begierde assoziiert wird.
3. Vermeidung von Bilddetails, die das aktivierende Schema hemmen bzw. konkurrierende Schemata auslösen können. Es ist wesentlich, auf Schemakongruenz zu achten. Schemakongruent ist ein Bild dann, wenn es ein Schema anspricht und dabei entweder ausschließlich schemakongruente oder schemakongruente zusammen mit zum Teil neutralen Bildelementen enthält. Unerwartete Details verursachen eine intensivere Beschäftigung mit dem Bildreiz, der dadurch langsamer verarbeitet wird.
264
Der Prozess der Skalenentwicklung
4. Schaffung einer für die Identifikation der Emotion notwendigen Komplexität des Bildes. Emotionstypische Gesten bzw. Körperreaktionen unterstreichen die Emotion und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer eindeutigen Schemaaktivierung (z.B. Ärger – geballte Faust, Enttäuschung – auf beide Hände gestützter Kopfe, Erfolg – in die Höhe gerissene Arme,...). Die Darstellung der Interaktion mit dem emotionsauslösenden Objekt trägt somit zur richtigen Interpretation der abgebildeten Emotion bei. Die Objekte werden in Beziehung zur darstellenden Person gesetzt und ermöglichen dem Betrachter das Nachvollziehen der in der Szenerie implizierten Emotion (z.B. Überraschung – Person mit Geschenk, Stolz – Person in Beziehung mit dem für sie stolzauslösenden Objekt,...)
5. Implementierung eines Kontextes, der sich konsonant zu dargestellten Personencues verhält. Ziel ist die Beeinflussung der Selektionsfunktion eines Schemas. Die Verknüpfung von Verhaltens- und Situationskontext mittels Darstellung zwischenmenschlicher Interaktionen wirkt sich positiv auf die Schema-Selektion und den Wahrnehmungsprozess aus (z.B. Liebe, Vertrauen).
5.1.2 Der Suchvorgang Im Vorfeld der Bildersuche wurden für jede der 16 markenrelevanten Emotionen typische Gesten und Körperreaktionen, sowie die entsprechenden Verhaltens- und Situationsmuster überlegt. BOSCH/SCHIEL/WINDER (2001) erarbeiteten folgende Tabelle: Emotion
Verhaltens- und Situationsmuster
Typische Gesten und Körperreaktionen
Akzeptanz/Zuneigung
Eltern liebkosen ihr Kind Entschuldigung nach Foul (Sport) Fairness, Partnerschaft im Beruf Geborgenheit im privaten Umfeld Shakehands nach Spiel (Sport)
Ärger
in Hundekot treten protestierende Sportler
Händedruck hochgestreckter Daumen Kopfnicken Schulterklopfen Streicheln/Liebkosen über den Kopf streichen Umarmen Zuzwinkern geballte Faust hervortretende Adern/Augen
Der Prozess der Skalenentwicklung
Begehren
Enttäuschung
Ekel/Abneigung
Erwartung
Freude
Furcht
Interesse/Neugier
Sportgerät zu Boden schmeißen trotzendes Kind unzufriedener Gast im Lokal verärgerter Autofahrer Zerbrechen eines Gegenstandes eine Speise begehren (Heißhunger) Flüssigkeit begehren (Durst empfinden) sexuelles Verlangen
265 roter Kopf Gestreckten Mittelfinger zeigen verbissenes Gesicht wildes Gestikulieren
Begehrenswertes abschirmen Zunge erwartungsvoll ausstrecken einen Kuss entgegensehnen große Augen haben Hände einer Sache entgegenstrecken mit geschlossenen Augen genießen beruflichen Misserfolg erleben alleingelassen sitzen Erwartetes, Erhofftes nicht bekommen Hände vor das Gesicht schlagen Niederlage im Sport erleben hängende Schultern schlechte Nachrichten bekommen Kopf anlehnen schlechte Noten/Zeugnis Kopf schütteln Kopf „vergraben“ Exkremente sehen Abwehrhaltung heruntergekommene Menschen sehen herabgezogene Mundwinkel Medizin oder abstoßende Speisen essen zusammengekniffene Augen mit Tieren konfrontiert werden Schmutz/Müll/Unordnung sehen Wunden, Verunstaltungen sehen etwas überreicht bekommen große Augen haben in ein Schaufenster blicken Lächeln aus Vorfreude Rückkehr/Ankunft entgegensehen offene Körperhaltung schwanger der Geburt entgegensehen Vorfreude an einem Festtag bei einer Tätigkeit Freude empfinden auf die Schenkel klopfen Freude über beruflichen Erfolg ausgelassen bewegen Freude über sportlichen Erfolg ausgelassen lachen Festtagsfreude (Geburtstag, hochgestreckte Arme H h i ) kindliche Freude Kinderlachen, Springen Lebensfreude Umarmen Wiedersehensfreude zurückgeschlagener Kopf Alleine sein Abwehrhaltung Die Zerstörung durch Waffen erleben große Augen Dunkelheit/Schatten ausgesetzt sein Hände vor das Gesicht halten einem Unfall beiwohnen Nägel kauen Furcht vor Ereignissen (Prüfungen) Schutz suchen Grusel- oder Horrorfilme sehen Schweißausbruch medizinischen Geräte sehen Zusammenkauern mit Waffen bedroht werden von Personen bedroht werden von Tieren bedroht werden an der Tür lauschen hochgezogene Augenbrauen Durch ein Schlüsselloch beobachten offener Mund
266
Langeweile
Liebe
Sorge
Stolz
Traurigkeit
Überraschung
Der Prozess der Skalenentwicklung Durch einen Türspalt beobachten Interviewsituation, Mikrophone Kochtopfdeckel heben Menschen beim Einkaufen mittels Fernglas/Fernrohr beobachten Sensationslust stillen (Unfall,...) Wissensdurst stillen (Bibliothek, PC,..) mit Auto im Stau Vortragssituation Wartesituation (Check-in, Kassa, A ) Liebessymbole (Herz, Pfeil, Eros,...) Mutterliebe Nächstenliebe romantische Stimmung/Erotik Sex Teenager Flirt Tierliebe Verlobung/Hochzeit Betroffenheit zeigen misstrauisch sein unsicher sein Besitz (Auto, Eigenheim, Kleidung) sportl., beruflicher, schulischer Erfolg stolze Eltern symbolträchtige Tiere (Adler, Pfau,...) Abschied am Friedhof Einsamkeit Kranken-, Sterbebett Verlust von Menschen Wetter (Regen,Nebel,düstere S i ) Geschenk Teilnahme an Überraschungsfesten zufällige Begegnung
weit geöffnete Augen
aufgestütztes Gesicht gähnen unaufmerksamer, müder Blick Händchen halten intensive Umarmung Kuss sich „anstrahlen“ Streicheln
Hand/Hände im Gesicht nachdenklicher Blick Sorgenfalten geschwellte Brust
Tränen, Weinen hängender Kopf, Schultern kauernde Körperhaltung
abgespreizte Finger geöffneter Mund weit geöffnete Augen
Tabelle: Verhaltens- und Situationsmuster, sowie Gesten und Körperreaktionen Die Tabelle bot die notwendigen Anhaltspunkte für die eigentliche Bildersuche. Ziel der Suche war, eine möglichst große Auswahl an Stimuli zu finden. Jedes der Verhaltens- und Situationsmuster sollte durch eine Vielzahl von Reizen abgedeckt werden. Es wurden in der Suchphase potenzielle Störeinflüsse (Bildausschnitt, Elemente die falsche Schemata aktivieren,...) noch bewusst in Kauf genommen, um das Auswahlverfahren nicht bereits in diesem Stadium allzu sehr einzuschränken.
Der Prozess der Skalenentwicklung
267
Zunächst begann die Exploration der relevanten Bildquellen: -
nationale und internationale Bildagenturen (elektronische Bilddatenbanken im World Wide Web, Kataloge und CD-ROMs)
-
Bildbände
-
Zeitschriften und Journale
-
Diasammlung des Werbewissenschaftlichen Labors, WU-Wien
-
International Affective Picture System des NIMH Center for the Study of Emotions and Attention, University of Florida
-
ORF - Bildbank
-
APA - Austria Presse Agentur
-
MA 13 - Landesbildstelle Wien
-
eigene Ressourcen
Wie aufwendig sich die Suche für die bestimmten Bildinhalte gestaltet hatte, ist an der Tatsache zu bemessen, dass bedeutende internationale Bilddatenbanken mehrere tausend Bilder umfassen. Aber auch durchschnittliche Kataloge oder CD-ROMs von nationalen Agenturen beinhalten zwischen 1.000 und 5.000 Fotos. Die gefundenen Stimuli wurden zur Gänze in digitaler Form aufbereitet. Damit wurde die Handhabung deutlich erleichtert und auffällige Störgrößen konnten mittels Bildbearbeitungsprogrammen eliminiert werden. Durch die Digitalisierung wurden die Stimuli in vergleichbare Größe gebracht. Nach einer groben Vorselektion (Beurteilung der Figur-Grund-Differenzierung, farbliche Gestaltung, Schemakongruenz) der gefundenen Stimuli verblieb beispielsweise für die Emotion Furcht/Angst der in Abbildung 32 dargestellte Itempool.
268
Der Prozess der Skalenentwicklung
Itempool Emotion Furcht/Angst
Abbildung 32: Itempool der Emotion Furcht/Angst
Insgesamt wurden für alle 16 markenrelevanten Emotionen 233 Bilder ausgewählt. Der gesamte Itempool ist dem Anhang A zu entnehmen.
Der Prozess der Skalenentwicklung
269
5.1.3 Die Vermessung der Items 5.1.3.1
Ziel der Studie II
Für die Vermessung der gesammelten Itempools und den damit verbundenen ersten Selektionsschritten zur Bildauswahl wurde eine empirische Studie durchgeführt. Ziel war es, für jede markenrelevante Emotion nur die geeignetsten Bilder zu verwenden und trotzdem genügend Stimuli für die nachfolgende Skalenentwicklung zur Verfügung zu haben. Diese Selektion sollte auch den Zweck einer Restrukturierung der Itempools erfüllen und Bilder mit ähnlicher emotionaler Bedeutung zu inhaltlich homogeneren Gruppen zusammenführen. Schließlich wollte das Forschungsteam auch Erkenntnisse zur offenen Benennung der Items und Interpretation der Zusammenhänge zwischen den Bildern gewinnen. Konkret wurde die Frage erörtert, ob mehrheitlich kognitive oder mehrheitlich emotionale Kriterien bei der Gruppierung der Bilder ausschlaggebend waren.
5.1.3.2
Aufbau der Erhebung
Die Befragung setzte sich grundsätzlich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen bestand das Interview aus einem qualitativen Teil, dessen Kern die Anwendung eines Repertory Grid Ansatzes darstellte, und zum anderen aus einem quantitativen Abschnitt, in dem die einzelnen Bilder auf Emotionskategorien zugeordnet wurden. Die Vorauswahl der Stimuli ergab einen Pool von 233 zu testenden Bildern. Aufgrund der großen Zahl an Reizen war es unumgänglich unterschiedliche Splits zu bilden. Dem gegenüber stand der Anspruch der Full Context Methode des Repertory Grid Ansatzes alle vergleichbaren Stimuli von einer Person beurteilen lassen zu müssen. Als einzige gangbare Lösung bot sich deshalb die Trennung in ein Split-Half Design für Bilder positiver und negativer Emotionen an, wodurch sich zwei Sets mit 120 bzw. 113 Stimuli ergaben. Die Studie wurde als interviewergestütztes Computer Aided Personal Interview durchgeführt, um die Fülle an Daten handhabbar zu machen. Dabei kamen als Vorlagen auf Laptops installierte Excel-Datensheets zur Anwendung, in welche die Interviewer die entsprechenden Daten einzutragen hatten.
270
5.1.3.3
Der Prozess der Skalenentwicklung
Ablauf der Interviews
Für die Durchführung des Repertory Grid Ansatzes bedurfte es einiger Vorbereitungsarbeiten. So mussten zu Beginn alle Bilder (entweder die positiven oder negativen Emotionsbilder) aufgelegt werden, sodass sie von den Probanden gut überblickt werden konnten. Am besten eignete sich hiezu ein sehr großer Tisch, oder falls dieser nicht vorhanden war, der Fußboden, da etwa eine Fläche von 2,4m x 1,8m benötigt wurde. Das Seitenverhältnis der beanspruchten Rechteckfläche (4:3) entspricht etwa dem Sichtfeld des Menschen, womit gewährleistet wurde, dass die Probanden einen relativ guten Überblick über den Bildersatz erhielten. Weiters wurden die Bilder vor jedem Interview gut durchmischt. Nach Aufnahme der demographischen Merkmale Alter, Geschlecht und Bildung begann das eigentliche Interview.
5.1.3.3.1 Teil 1: Bildung von Gruppen Die Auskunftsperson wurde gebeten, sich die Bilder in Ruhe anzusehen und zu Gruppen zu ordnen. Auf einem vorbereiteten Papierbogen konnten die zusammengeordneten Bilder vorerst abgelegt werden. Die Gruppierung der Bilder wurde von den Interviewern aufmerksam verfolgt. Waren vordergründig rationale Kriterien (Farben, Form, bestimmte ähnliche Bildelemente, etc.) für das Zusammensortieren der Bilder verantwortlich, wurde die Gruppenbildung abgebrochen und die Auskunftsperson aufgefordert andere Eigenschaften für die Sortierung heranzuziehen und nochmals zu beginnen. Dies wurde so lange durchgeführt, bis die Auskunftsperson von sich aus Emotionen, Gefühle, Empfindungen als Sortierkriterium heranzog, wobei allerdings nach spätestens zwei „falschen“ Sortiervorgängen die Hilfestellung „Bitte gruppieren Sie nun die vor Ihnen liegenden Karten anhand der dargestellten oder durch die Bilder hervorgerufenen Emotionen“ angeboten wurde. Erstellten die Auskunftspersonen auf diesem Weg deutlich weniger oder deutlich mehr Gruppen als acht (Es gibt jeweils acht negative und acht positive Emotionen), wurden die Probanden anschließend gebeten ihr Sortierergebnis zu verdichten bzw. zu erweitern, sodass annähernd die Zahl von acht Bilderpaketen zustande kam. Weitere Anregungen oder Hilfestellungen waren den Interviewern untersagt.
Der Prozess der Skalenentwicklung
271
5.1.3.3.2 Teil 2: Benennung der Gruppen Die sortierten Bilder lagen schließlich auf einem großen Papierbogen und die Auskunftspersonen wurden aufgefordert die gebildeten Gruppen zu benennen. Dabei wurde auch die Möglichkeit des Zeichnens eingeräumt, da in der Pretestphase der Erhebung das Verbalisieren emotionaler Inhalte mitunter schwergefallen war. Anschließend wurde den Probanden eine Liste der jeweils acht markenrelevanten Emotionen vorgegeben, wobei zu insgesamt fünf Emotionen noch begleitende Beschreibungen beigegeben wurden: -
Erwartung: könnte man auch als Vorahnung bezeichnen, der Auslöser ist bekannt und vertraut;
-
Überraschung: im Gegensatz zu Erwartung ergibt sich Überraschung aus der Konfrontation mit einer unbekannten Situation, Gegenstand, Person, oder ähnlichem
-
Akzeptanz/Vertrauen: positives Gefühl in Bezug auf einen willkommenen Gegenstand oder Person;
-
Ekel/Abscheu: eine Folge davon ist die Ablehnung des Auslösers;
-
Sorge: nicht im Sinne von „Kümmern“, sondern das negative Gefühl bei unklaren zukünftigen Situationen und Ereignissen
Die Probanden wurden jetzt aufgefordert, die Bezeichnungen der markenrelevanten Emotionen ihren Bildergruppen zuzuordnen. Ein erneutes Überdenken der zuvor getroffenen Sortierung war aber nicht mehr möglich. Hatte die Auskunftsperson nun zumindest für einen Teil der vorgegebenen Emotionen ein Bilderbündel gefunden, so war der erste Repertory Grid Ansatz des Interviews abgeschlossen.
5.1.3.3.3 Teil 3: Zuordnung der Bilder zu Emotionen Im letzten Teil des Interviews sollte nun der gesamte Itempool (alle 233 Bilder) auf alle 16 markenrelevanten Emotionen zugeordnet werden. Konnte ein Bild nicht sofort einer Emotion zugeordnet werden, so wurde es vorerst zur Seite gelegt und nach der vollständigen Sortierung aller Bilder noch einmal zur Hand genommen um eine erneute Zuordnung zu versuchen. Somit ergaben sich für die Zuordnung der Bilder
272
Der Prozess der Skalenentwicklung
auf die 16 Emotionen insgesamt folgende vier Varianten, die von den Interviewern auch in dieser Form kodiert wurden: 1
sofortige Zuordnung (ohne Zögern)
2
Zuordnung zu einer Kategorie mit kurzem Zögern
3
Zuordnung erst in der 2. Runde
4
Keine Zuordnung
Damit war das Interview nach durchschnittlich einer Stunde und 15 Minuten zu Ende.
5.1.3.4
Ergebnisse der Vermessung
5.1.3.4.1 Stichprobenbeschreibung Die Feldphase der Studie II wurde von den Mitgliedern des Forschungsteams (BOSCH/SCHIEL/WINDER) und geschulten und erfahrenen Mitarbeitern der Firma marketmind Markt- und Markenforschung durchgeführt. Die Erhebung erfolgte in den Monaten Mai bis Juli 2001. Insgesamt wurden 65 Probanden interviewt, wobei 30 Personen negative und 35 Personen positive Emotionen behandelten. Die beiden Gruppen können bezüglich der demographischen Variablen Alter, Geschlecht und Bildung als annähernd strukturgleich angenommen werden, zumal dieselben Quotenvorgaben für beide Splits eingehalten wurden, wie die folgende Abbildung dokumentiert:
Der Prozess der Skalenentwicklung
273
Quotenplan Bildervermessung (Studie II) Endstand negative Emotionen Bildung Alter
ohne Matura
mit Matura
mit Hochschulabschluss
soll / ist
soll / ist
soll / ist
bis 14 Jahre
2
1
15-30 Jahre
4
5
4
4
2
2
Geschlecht
soll / ist
31-50 Jahre
4
4
4
3
2
2
weiblich
16
15
ab 50 Jahre
4
4
4
3
2
2
männlich
16
15
14
14
12
10
6
6
positive Emotionen Bildung Alter
ohne Matura
mit Matura
mit Hochschulabschluss
soll / ist
soll / ist
soll / ist
bis 14 Jahre
2
3
15-30 Jahre
4
5
4
4
2
2
Geschlecht
soll / ist
31-50 Jahre
4
4
4
4
2
2
weiblich
16
18
ab 50 Jahre
4
4
4
5
2
2
männlich
16
17
14
16
12
13
6
6
Abbildung 33: Quotenplan Bildervermessung
5.1.3.4.2 Ergebnisse des qualitativen Teils Der qualitative Abschnitt der Erhebung umfasst die Teile „Gruppenbildung“ und „Benennung“ (Teile eins und zwei des Interviews, siehe Kapitel 5.1.3.3). Zu Beginn waren die Probanden aufgerufen, die Bilder zu Gruppen zu ordnen. Rund ein Drittel der Auskunftspersonen begann, anhand von rationalen Kriterien die Bilder zu sortieren (z.B. nach Farben, nach Zahl der abgebildeten Personen, ...). Dabei ließen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Splits feststellen. So wurden 12 Interviews (von 35) zum Thema positive Emotionen bzw. 11 Interviews (von 30) zum Thema negative Emotionen unterbrochen und die Auskunftspersonen angehalten neu zu beginnen und anhand anderer Kriterien eine Einteilung vorzunehmen. Insgesamt mussten die Interviewer nur drei Interviews ein zweites Mal unterbrechen, um den Vorgang der Gruppenbildung mittels des Hinweises, anhand von Emotionen eine Einteilung vorzunehmen, zu stützen. Durchschnittlich wurden in beiden Splits jeweils 10 Gruppen gebildet (9,8 bei den positiven bzw. 9,6 bei den negativen Emotionen). Die Spannweite der Zahl der gebildeten Gruppen war allerdings groß und reichte von 5 bis 20 Gruppen beim Split positive Emotionen und von 5 bis 15 Gruppen beim Split negative Emotionen. In 18 (von 35) bzw. 13 (von 30) Fällen wurden
274
Der Prozess der Skalenentwicklung
deshalb die Probanden aufgefordert die gebildeten Gruppen zu verdichten, um der geforderten Zahl von 8 Emotionen näher zu kommen. 5 bzw. 6 Auskunftspersonen bildeten von sich aus schon acht Bildergruppen. Dieses Ergebnis kann als durchaus erfreulich bewertet werden, da die Auskunftspersonen im Vorfeld der Erhebung über deren Zweck und Thematik völlig im Unklaren gelassen wurden. Die folgende Grafik zeigt diese ersten Erkenntnisse im Überblick:
Gruppenbildung Anzahl der gebildeten Gruppen mittlere Gruppenanzahl
[Anzahl der Auskunftspersonen] 15
11
gesamt
21
13
6
9,7
10
5
9,8
9
Split positive Emotionen
7
4 5
Split negative Emotionen
6
9,6
12
6 2
0
5 5 bis 7
8
10 9 bis 11
12 bis 14
15
20
25
größer 14
Das Interview wurde bei 12 Personen (von 35) unterbrochen, ehe die Bilder nach Emotionen gruppiert wurden. Das Interview wurde bei 11 Personen (von 30) unterbrochen, ehe die Bilder nach Emotionen gruppiert wurden.
Stichprobe: n=65/35/30
Abbildung 34: Anzahl der gebildeten Gruppen
Im nächsten Schritt wurden die Probanden gebeten die Bildergruppen zu benennen. Die Auswertung dieser Daten förderte für die 16 Itempools eine stark unterschiedliche Komplexität der Verbalisierung zu Tage. Betrachtet man jedes der Bilder für sich, fällt auf, dass beispielsweise die Bilder des Itempools „Überraschung“ zum überwiegenden Teil in Gruppen geordnet wurden, die auch mit dem Begriff „Überraschung“ bezeichnet wurden. Besonders herausragend dabei das Bild 68, das von knapp 70% der Probanden in Gruppen sortiert wurde, denen anschließend der Name „Überraschung“ zugeordnet wurde. Die ungestützte Benennung der Bilder der Itempools Freude, Stolz, Liebe, Interesse/Neugierde, Ekel, Traurigkeit und Furcht fiel den Auskunftspersonen ähnlich leicht. Die Items der Emotionen Akzeptanz/Vertrauen, Begehren, Sorge und Verachtung wurden hingegen in erster Linie zu Gruppen geordnet, die nur inhaltlich mit den Soll-Bezeichnungen der Emotionen
Der Prozess der Skalenentwicklung
275
übereinstimmen. Dies lässt zum einen auf eine Nähe der Bilder zu anderen Itempools schließen (z.B. Sorge, Traurigkeit und Enttäuschung, bzw. Liebe, Akzeptanz/Vertrauen und Begehren), und unterstreicht zum anderen die Unüblichkeit der Fachtermini der Emotionstheorien im österreichischen Sprachgebrauch, was wiederum die Grenze der Messung von Emotionen auf verbaler Ebene aufzeigt. Die folgende Grafik zeigt das hervorragende Ergebnis der ungestützten Benennung der Items der Emotion „Überraschung“. Die Tabellen zu allen anderen Itempools kann man dem Anhang B entnehmen.
Offene Gruppenbenennung
Itempool Überraschung
häufigste Benennung
%
zw eithäufigste Benennung
10
Überraschung
15
46,9
Freude
3
9,4
11
Überraschung
14
43,8
Liebe
3
9,4
12
Überraschung
14
43,8
Erstaunen
2
6,3
Anzahl
Anzahl
%
Bildnummern
Ergebnisse für den Bilderpool zur Emotion Überraschung
13
Überraschung
16
50,0
Erstaunen
3
9,4
14
Überraschung
15
46,9
Freude
5
15,6
15
Überraschung
16
50,0
Freude
4
12,5
16
Überraschung
15
46,9
Erfolg
2
6,3
17
Überraschung
18
56,3
Freude
3
9,4
18
Überraschung
17
53,1
Freude
3
9,4
Überraschung
11
34,4
20
Überraschung
22
68,8
Liebe
2
6,3
21
Überraschung
14
43,8
Freude
2
6,3
22
Überraschung
12
37,5
Freude
2
6,3
23
Überraschung
13
40,6
Freundschaft
2
6,3
19
Freude
3
9,4
fett..........über 50% der Auskunftspersonen normal....über 25% der Auskunftspersonen
Stichprobe: n=35
Abbildung 35: Offene Gruppenbenennung
Die Analyse der offenen Benennungen der gebildeten Gruppen ergänzten schließlich die Auswertung der gestützten Zuordnung der Bilder auf die 16 markenrelevanten Emotionen und rundeten den Selektionsprozess zur Auffindung der geeignetsten Items für die eigentliche Skalenentwicklung qualitativ ab. Zusammengefasst wurden bei der Itemauswahl folgende Erkenntnisse berücksichtigt:
276
Der Prozess der Skalenentwicklung
-
Bilderpool Akzeptanz: Bilder, die sportliche Fairness zum Thema haben, werden stärker mit der Emotion Stolz in Verbindung gebracht.
-
Bilderpool Erwartung: Bilder, die Geschenke zeigen, lösen stärker das emotionale Schema Überraschung aus.
-
Bilderpool Freude: Bilder, die sich freuende Paare abbilden, lösen stärker das emotionale Schema Liebe aus. Siegesfreude (im Kontext Sport) wird mit Stolz verbunden.
-
Bilderpool Verachtung: Diese Bilder lösen ambivalente Schemata aus, in erster Linie die Emotion Ärger.
Die gestützte Benennung der gebildeten Gruppen schloss schließlich den Repertory Grid Teil des Interviews ab. Im wesentlichen bestätigten sich die Erkenntnisse der offenen Benennung, wonach sich bei mehreren Emotionen das Auslösen ambivalenter emotionaler Schemata durch einige Bilder abzeichnete. Die folgende Abbildung zeigt den Bilderpool zur Emotion Akzeptanz/Vertrauen. Die Bilder 27 bis 30, sowie 40 und 41 werden demnach jeweils von einem Drittel der Auskunftspersonen zu Gruppen gebündelt, die mit Stolz benannt wurden. Bild 26 spricht überhaupt ambivalente Schemata an, nämlich überwiegend Liebe, gefolgt von Stolz und schließlich auch Akzeptanz/Vertrauen. Die Tabellen zu allen anderen Itempools können dem Anhang C entnommen werden.
Der Prozess der Skalenentwicklung
277
Gestützte Gruppenbenennung
10
34,5
2
6,9
1
3,4
9
31,0
2
6,9
29
10
34,5
1
3,4
9
31,0
1
5
17,2
1
3,4
1
3,4
1
3,4
32
12
41,4
1
3,4
8
27,6
33
19
65,5
1
3,4
3
10,3
3
10,3
1
3,4
18
62,1
1
3,4
35
22
75,9
1
3,4
2
6,9
36
18
62,1
1
3,4
4
13,8
37
16
55,2
1
3,4
7
24,1
38
12
41,4
1
3,4
39
15
51,7
1
3,4
40
1
3,4
41 42 128
7
24,1
2
6,9
9
31,0
2
6,9
11
37,9
4
13,8
6
20,7
2
3,4
3,4
31
34
1
17,2
28 30
%
13,8
5
% 13,8
4
%
4
24,1
Interesse/Neugierde
Akzeptanz/Vertrauen
Überraschung
17,2
7
%
5
3,4
Stolz
37,9
1
%
48,3
11
26 27
Itempool Akzeptanz/Vertrauen
Begehren
%
14
25
%
24
%
Liebe
Erwartung
Freude
Bildnummern
Ergebnisse für den Bilderpool zur Emotion Akzeptanz/Vertrauen
6,9
1
3,4
11
37,9
2
6,9
1
3,4
4
13,8
4
13,8
4
13,8
fett.......über 50% der Auskunftspersonen
Stichprobe: n=35
Abbildung 36: Gestützte Gruppenbenennung
5.1.3.4.3 Ergebnisse des quantitativen Teils Im dritten Teil des Interviews wurde die Splittung der Stichprobe aufgelöst. Alle Auskunftspersonen hatten deshalb die Aufgabe, sämtliche Bilder den 16 markenrelevanten Emotionen zuzuordnen. Die Ergebnisse dieser quantitativen Messung war schließlich die Basis für die Auswahl der Bilderpools für jede der 16 Emotionen. Untenstehende Abbildung soll am Beispiel der Emotion Liebe verdeutlichen, wie bei der Beurteilung der Reize vorgegangen wurde. Auf der Y-Achse ist die Zahl der auf Liebe zugeordneten Bilder entsprechend der einzelnen Quartile (bis 25%, 26 – 50%, 51 – 75% und 76 – 100%) abgetragen. Dies bedeutet, dass es drei Bilder gibt, welche von mehr als 75% der Personen auf Liebe zugeordnet wurden und 13 Bilder, die von der Mehrheit (51 – 75%) der Befragten dieser Emotion zugeteilt wurden.7 Zusätzlich wurden die Fremdeinflüsse anderer Emotionen auf die Bilder analysiert. Im Chart wurden diese anhand von jeweils einem exemplarisch herausgegriffenen Beispiel für jedes
278
Der Prozess der Skalenentwicklung
Quartil verdeutlicht. So ist zum Beispiel ganz klar ersichtlich, dass die Stärke des links unten abgebildeten Reizes (Bild 22) nicht in der Emotion Liebe, sondern in der Kommunikation von Überraschung liegt. Die Bilder des ersten Quartils kommunizieren demgemäss am stärksten ambivalente emotionale Schemata.
Gestützte Zuordnung der Bilder Emotion Liebe 40
[Anzahl der Bilder] Bilder drücken andere Emotionen besser aus
Starke Einflüsse auch von anderen Emotionen
Bilder stehen für eine Emotion trotz alternativer Einflüsse
Bilder stehen eindeutig für eine Emotion
35 31 (74,6%) Liebe
30
(11,1%) Begehren (4,8%) Freude
25
z.B. Bild 36 (3,2) Stolz
(49,2%) Liebe
20
(42,9%) Akzeptanz z.B. Bild 22 (23,8%) Liebe
15
(55,6%) Überraschung
(3,2) Akzeptanz
z.B. Bild 73
(1,6%) Begehren
14
(84,1%) Liebe
(6,3%) Akzeptanz
13
(4,8%) Begehren
(7,9%) Erwartung
10
(3,2) Freude (4,8%) Freude z.B. Bild 68
5
(3,2%) Interesse
3
0 0-25%
26-50 %
51-75%
76-100%
Abbildung 37: Gestützte Zuordnung der Bilder
Bei der quantitativen Zuordnung der Stimuli auf die vorgegebenen Emotionen ergaben sich eindeutige Ergebnisse. Wie am folgenden Beispiel der Emotion Liebe dargestellt, gibt es für die meisten Emotionen eine ausreichend große Anzahl von Bildern, die mehrheitlich auf die entsprechende Emotionskategorie zugeordnet wurden.
Schließlich wurde der letztgültige Modus der Itemauswahl je Emotion folgendermaßen festgelegt:
7
Ein Bild galt als zugeordnet, wenn es nicht nur unmittelbar, sondern auch nach kurzer Verzögerung der Emotionskategorie zugeteilt wurde (Skalenstufen eins und zwei).
Der Prozess der Skalenentwicklung
279
-
Erstes Kriterium war die gestützte Zuordnung der Bilder auf die jeweilige Emotion.
-
Zweites Kriterium war die gestützte Benennung der gebildeten Gruppen. Im Zweifelsfall, das heißt bei vergleichbaren gestützten Zuordnungen auf mehr als eine Emotion, wurde dieser Wert zur Entscheidung herangezogen.
-
Das dritte Kriterium war schließlich die offene Benennung der Gruppen, zu denen die Bilder am Beginn des Interviews geordnet worden waren.
-
Letzteres Kriterium war beispielsweise bei der Selektion des Itempools für Liebe der Grund, auf das Bild Nr. 35 zu verzichten. Die zweithäufigste offene Benennung bei diesem Bild war Erfolg. Die offenen Benennungen der anderen Bilder weisen zwar ebenfalls auf mögliche konkurrierende Schemata in den Bildern hin (z.B. auf Akzeptanz/Vertrauen), keine offene Benennung weicht aber inhaltlich so stark ab wie jene von Bild 35, die auch die Möglichkeit der Interpretation des Bildes im Zusammenhang mit Erfolg im Sport aufzeigt (siehe Abbildung 38).
Die am stärksten zugeordneten Bilder Emotion Liebe 84,1%
72,4%
Bild Nr. 68 Liebe 28,1%, Geborgenheit 6,3%
82,5%
55,2%
Bild Nr. 105 Liebe 15,6%, Freude 9,4%
79,4%
65,5%
Bild Nr. 113 Liebe 25,0%, Geborgenheit 6,3%
74,6%
65,5%
Bild Nr. 33 Liebe 25%, Geborgenheit 6,3%
Bild Nr. 73
x
69%
Liebe 31,3%, Zuneigung und Vertrauen40% 6,3%
nicht ausgewählt
74,6%
73% 75,9%
Bild Nr. 35 Liebe 31,3%, Erfolg 6,3%
73%
Bild Nr. 67 Liebe 34,4%, Partnerschaft 6,3%
40%
Liebe 18,8%, Geborgenheit 9,4%
40%
Bild Nr. 34 Bild Nr. 112
62,1%
20%
40%
Abbildung 38: Die am stärksten zugeordneten Bilder
71,4%
gestützte Zuordnung gestützte Benennung
71,4% 65,5%
Liebe 28,1%, Zuneigung und Vertrauen40% 6,3%
0%
79,3%
60%
80%
offene Benennung
100%
280
Der Prozess der Skalenentwicklung
5.1.3.4.4 Das Resultat der Bildvermessung Der gewählte Modus der Bildauswahl sorgte für eine deutliche Homogenisierung der Itempools, über die ursprünglich gezogenen Grenzen der für die Emotionen gesuchten Bilder hinweg. Dies wird nochmals am Beispiel der Emotion Liebe illustriert. Ausgewählte Bilder, die mit grünen Doppelpfeilen bezeichnet sind, stammen aus dem ursprünglichen Bildersatz für Liebe. Einfache grüne Pfeile dokumentieren, dass die Bilder ursprünglich im Pool für eine andere Emotion vorgesehen waren (in diesem Fall „Freude“ und „Akzeptanz“). Der rechte Teil der Abbildung (Bilder mit roten und grauen Pfeilen) dokumentieren den Verbleib der anderen Bilder des Itempools für Liebe.
Ausgewählte Items
Verbliebener Itempool Liebe
Emotion Liebe
nicht ausgewählt
Begehren Freude
Liebe nicht ausgewählt
Liebe Akzeptanz
Begehren nicht ausgewählt Liebe Liebe Freude
Akzeptanz nicht ausgewählt
nicht ausgewählt
Abbildung 39: Ausgewählte Items der Emotion Liebe
Insgesamt wurde der gesamte Bildersatz durch die mit der Vermessung verbundene Selektion auf 125 Bilder reduziert und damit annähernd halbiert. Es konnten also jeweils 7 bzw. 8 Bilder für jede der 16 geplanten Emotionsskalen bereitgestellt werden. Allerdings war die Güte der Vermessungsergebnisse zwischen den Emotionskategorien unterschiedlich. Speziell anhand der Itempools für „Sorge“ und „Verachtung“ lassen die Ergebnisse vermuten, dass die bildhafte Darbietung dieser Emotionen schwierig ist bzw. die Gefahr der Austauschbarkeit der Bilder mit denen anderer Emotionen hoch ist (z.B. Sorge - Traurigkeit - Enttäuschung).
Der Prozess der Skalenentwicklung
281
Sämtliche verbleibenden Bilderpools, dargestellt mit den gestützten Emotions-zuordnungen und den gestützten Benennungen, finden sich im Anhang D der Arbeit.
5.2 Die Bildung homogener Skalen Das folgende Kapitel widmet sich dem Kernbereich der Skalenentwicklung. In einer umfangreichen CAPI Studie (Computer Assisted Personal Interviews) wurden die in Studie II vermessenen Bilder auf Marken zugeordnet. Die Daten wurden anschließend mittels explorativer Faktorenanalysen und polytomer RASCH-Modelle analysiert und daraus die Instrumente zur Messung von 12 marketingrelevanten Emotionen abgeleitet. Das Erhebungsdesign war sehr breit angelegt, um die Allgemeingültigkeit der Messung zu unterstreichen. In den folgenden Kapiteln wird auf die inhaltliche Ausgestaltung und die Erhebungsmethode der Studie III genauer eingegangen, ehe der mathematische Prozess der Skalenentwicklung dargelegt wird.
5.2.1 Datenbasis und Erhebungsmethodik Studie III Im Zeitraum von 22. November 2001 bis 16. Jänner 2002 wurden insgesamt 2418 CAPI Interviews durchgeführt. Wie schon bei Studie II wurde die Feldphase in Kooperation mit marketmind Markt- und Markenforschung organisiert. Die Gestaltung des Fragebogens als Computer Assisted Personal Interviews war notwendig, um die Präsentationsdauer der visuellen Stimuli exakt festlegen zu können. Darüber hinaus lohnt sich der Mehraufwand des Computereinsatzes auch aus anderen Gründen: -
Die Präsentationsfolge der Items kann randomisiert gesteuert werden, was Reihenfolgeeffekte praktisch ausschließt.
-
Die Quotenfestlegung zur Stichprobenziehung kann über die Software eingearbeitet und kontrolliert werden.
-
Filter und Splits werden fehlerfrei abgearbeitet. Der Fragebogen lässt sich an das Antwortverhalten der Probanden anpassen und
-
der Interviewereinfluss wird geringer, sofern das Interview und die Menüführung bedienerfreundlich und leicht verständlich gestaltet ist.
-
Die Daten können sofort nach Beendigung der Feldphase zusammengespielt und bearbeitet werden. Eine manuelle Dateneingabe entfällt.
282
Der Prozess der Skalenentwicklung
Neben den unbestrittenen Vorteilen bestehen auch Nachteile: -
Der Einsatz der technischen Infrastruktur und die aufwendige Feldphasenorganisation (Organisation von Sample Points mit Stromanschluss und Abstellmöglichkeiten für die Computer) ist deutlich kostenintensiver.
-
Die Gestaltung von benutzerfreundlichen CAPI-Interviews ist zeitaufwendiger als die Gestaltung herkömmlicher Fragebögen. Es sind umfangreiche Pretests notwendig, ehe ein Interview als selbstadministrabel gelten kann (BOSCH/SCHIEL 1999, S.241ff).
Die Feldphase selbst verlief zügig und reibungslos. Insgesamt wurden 20 Laptops vorzugsweise an öffentlichen Samplepoints eingesetzt. Die größte Zahl der Interviews kam in der Aula der Wirtschaftsuniversität zustande (rund 1600). Dank Austrian Airlines konnten rund 160 Interviews am Flughafen Wien durchgeführt werden. Bezogen auf einen Achtstundentag wurden somit täglich rund 160 Interviews durchgeführt. Insgesamt standen die Computer etwa 1400 Stunden im Einsatz. Ein Interview dauerte im Mittel 32 Minuten. Die eingesetzte Software ist eine Eigenentwicklung der Firma marketmind Markt- und Markenforschung. Für das vorliegende Projekt wurde das Programm um die Möglichkeiten, Items sehr kurz zu präsentieren und die Antwortzeit zu messen, (sogenannte Latenzzeitmessung) erweitert. Die große Zahl an Befragungen war ein Tribut an das gewählte Experimentaldesign. Jedes Bild sollte von den Auskunftspersonen nur jeweils einer Marke zugeordnet werden, um einen nicht erklärbaren Varianzanteil zwischen gleichzeitig beurteilten Marken zu vermeiden. Es waren zumindest 12 Marken notwendig, um das Set der 16 markenrelevanten Emotionen erfassen zu können. Schließlich wurde eine Zahl von 200 Interviews für jede der 12 Marken festgelegt, um verlässliche Strukturen für die geplanten statistischen Methoden zu garantieren. Die große Stichprobenzahl machte eine repräsentative Umfrage aus Kostengründen unmöglich. Die festgelegten Quoten beschränkten sich daher auf folgende Annahmen: -
Gleichverteilung zwischen männlichen und weiblichen Auskunftspersonen
-
ein Drittel der Interviews mit Personen ab 30 Jahren
-
ein Fünftel der Interviews mit Personen ohne Maturaabschluss
Der Prozess der Skalenentwicklung
283
Die Ziele konnten zum Ende der Feldphase annähernd erreicht werden. Tatsächlich wurden schließlich zu 52,2% Männer interviewt, 72% statt 66% der Auskunftspersonen waren jünger als 30 Jahre und 16% statt 20% hatten eine geringere abgeschlossene Schulbildung.
5.2.1.1
Die Darbietungszeit der Bilder
Grundsätzlich wurde bei der Wahl der Darbietungszeit der Bilder auf eine möglichst spontane Antwort der Auskunftspersonen geachtet, da nach den Erkenntnissen der Wahrnehmungspsychologie (siehe auch BOSCH 2004, bzw. Beitrag von BOSCH) bei längerer Betrachtungsdauer mit verstärkter kognitiver Verarbeitung der Bildreize gerechnet werden muss. Schließlich entschloss man sich, die Darbietungszeit entsprechend der Komplexität der Bilder zu staffeln, sodass die zur Erfassung der Bilder notwendigen Fixationen sichergestellt waren. Die Komplexität jedes der 125 Bilder wurde anhand von drei Indikatoren durch insgesamt 11 Expertenurteile festgelegt: -
Figur-Grund-Differenzierung: Hebt sich das Hauptmotiv vom Hintergrund ausreichend ab? Sind die wesentlichen Bildelemente klar und deutlich umrissen? Ist das Bild kontrastreich?
-
Detail- versus Gesamterfassung: Ist das Hauptmotiv im Zentrum des Bildes oder benötigt man mehrere Fixationen um Details und Schlüsselelemente zu erfassen?
-
Emotionsidentifikation: Lässt sich die Emotion entsprechend dem Modell der Reizzuordnung auf Marken eher leicht oder eher schwer erfassen?
Sämtliche Bildreize wurden dichotom anhand der drei Bewertungsindikatoren bewertet. Je höher die innere Komplexität der Bilder eingestuft wurde, desto länger wurde die Präsentationszeit festgelegt. Allenfalls wurde berücksichtigt, dass gemessen an ungeübten Betrachtern, eine ausreichende Zahl an Fixationen ausgeführt werden konnte. Als Richtwert wurde für die Dauer einer Fixation hierfür die von LEVIN (1991) ermittelte durchschnittliche Fixationszeit von Werbeanzeigen (0,269 Sekunden) herangezogen. Rund die doppelte Zeit (0,5 Sekunden) wurde schließlich als Präsentationszeit für Bilder geringer Komplexität festgelegt, nachdem man in ersten Pretests feststellte, dass durch noch kürzere Präsentationszeiten bei den Probanden starke Reaktanzgefühle auftraten. Das subjektive
284
Der Prozess der Skalenentwicklung
Nichtverstehen bzw. die nur subliminale Wahrnehmung der Bildinhalte erzeugte bei den interviewten Personen Unbehagen in der Befragungssituation. Für Stimuli, deren Erfassung die Experten als sehr komplex einstuften, wurde die Präsentationszeit auf 1,25 Sekunden festgesetzt. Dazwischen wurden mit 0,75 und 1 Sekunde noch zwei weitere Darbietungszeiten festgelegt und der Bilderpool entsprechend zugeteilt (siehe Abbildung 40). Im Zuge der Datenanalyse und Konstruktion der Emotionsskalen mittels explorativer Faktorenanalysen und polytomer RASCH-Modelle gingen schließlich leichter zu erfassende Bilder anteilsseitig häufiger in die fertigen Skalen ein. Aus dem Topf mit den komplexesten Bildern wurde schließlich nur ein einziges Bild ausgewählt. Bis auf eine Ausnahme werden somit alle Bilder der fertigen Skalen zwischen 0,5 und 1 Sekunde lang gezeigt.
Die Einstufung der Präsentationszeit der Stimuli Entsprechend des inneren Komplexitätsgrads der Bilder
0,5 Sek.
0,75 Sek.
Beispiel
1 Sek. Beispiel
Beispiel
1,25 Sek. Beispiel
47 26
180
13 Bilder
davon 5 (38,5%) in den Bilderskalen verwendet
davon 14 (34,1%) in den Bilderskalen verwendet
157
45 Bilder
26 Bilder
davon 14 (31,1%) in den Bilderskalen verwendet
davon 1 (3,8%) in den Bilderskalen verwendet
41 Bilder
Abbildung 40: Die Einstufung der Präsentationszeit der Bilder
5.2.1.2
Die Auswahl der vorgelegten Marken
Für die Auswahl der dem Zuordnungsprozess zugrunde liegenden Marken wurde auf Erkenntnisse der Studie I zurück gegriffen. Aus den Ergebnissen dieser Vorstudie schloss
Der Prozess der Skalenentwicklung
285
WINDER (2004) einerseits auf die Kategorie und die Zahl der im Marketing relevanten Emotionen und andererseits welche Marken in Zusammenhang mit Emotionen am häufigsten in Verbindung gebracht werden. Insgesamt konnte aus Daten zu 75 Marken gewählt werden. Die Bestimmung des Markensets der Studie III stand unter der Prämisse eines möglichst schlanken Erhebungsdesigns. Es wurde dementsprechend nach Marken gesucht, die mit den marketingrelevanten Emotionen besonders stark und in möglichst großer Zahl in Verbindung gebracht wurden. Darüber hinaus war es das Ziel, mit der Auswahl des Markensets die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse der Skalen-entwicklungen zu unterstreichen. Schließlich wurde darauf Bedacht genommen, nur Marken mit hoher Bekanntheit in die Befragung aufzunehmen. So musste zum Beispiel die Marke „Ralph Lauren“ trotz ihrer Verbindung zur Emotion Stolz der viel bekannteren Marke „Ferrari“ weichen. Da nur vier Marken aufgrund der Ergebnisse von Studie I besonders stark mit zwei Emotionen verbunden wurden (Teekanne wurde beispielsweise sehr stark mit Freude und Liebe in Zusammenhang gebracht), mussten schließlich 12 weitere Marken in die Studie III aufgenommen werden, um für jede der 16 markenrelevanten Emotionen die gleiche Chance auf einen hohen erklärten Varianzanteil, durch die Zuordnung von zumindest einer Emotion auf die jeweilige Marke, zu wahren und damit ein symmetrisches Erhebungsdesign zu erhalten (siehe auch Kapitel 2.3 Rückschlüsse für die Skalenentwicklung ab S. 211).
286
Der Prozess der Skalenentwicklung
Traurigkeit
Angst
Überraschung
Liebe
Stolz
Verachtung
Enttäuschung
Langeweile
Ärger
Sorge
Interesse
Begehren
Akzeptanz
Erwartung
Ekel / Ablehnung
Freude
Die Auswahl der Marken für Studie III
x
x x
x x x x x x x
x x
x x x x
Abbildung 41: Die Auswahl der Marken für Studie III
Die Abbildung 41 zeigt die ausgewählten Marken und die in Zusammenhang mit Ihnen besonders häufig genannten Emotionen (Ergebnisse von Studie I, siehe auch WINDER 2004). Die Marken wurden mit den dargestellten Logos in die Studie aufgenommen. Jede Auskunftsperson bekam nur eine der 12 Marken zugewiesen und hatte die Aufgabe, alle 125 Bilder mittels sechsstufiger Skala von 1=“empfinde ich besonders stark“ bis 6=“empfinde ich überhaupt nicht“ auf diese ausgewählte Marke zuzuordnen. Die eingesetzte Software gewährleistete, dass für jede Marke etwa gleich viele Interviews zustande kamen. Es wurde für jede Marke eine Stichprobengröße von 200 Personen angestrebt. Insgesamt wurden 2418 Erhebungen durchgeführt.
5.2.1.3
Der Aufbau des Interviews
Am Beginn des Interviews wurde die Stimmungslage mittels Selbstreflexion der Auskunftspersonen gemessen. Anhand einer neunstufigen Skala wurden die Auskunftspersonen gebeten, ihr momentanes emotionales Empfinden einzustufen und im Anschluss die Stimmungslage anhand der 16 markenrelevanten Emotionen genauer zu
Der Prozess der Skalenentwicklung
287
präzisieren. Hinter dieser Bewusstmachung der eigenen Situation verbarg sich zum einen die Idee, den Teufelskreis der emotionalen Reaktivität zu durchbrechen (siehe auch WINDER 2004) und zum anderen die Auskunftsperson in die ungewöhnliche Welt der Emotionen einzuführen. Danach wurden die Probanden mit drei stark emotionalen Bildern konfrontiert. Die Auskunftspersonen hatten die Aufgabe jenes Bild auszuwählen, das sie am meisten ansprach, und sich in die jeweilige Situation hineinzuversetzen. Durch diese Identifikation mit dem Thema wurden alle Interviewpartner in eine vergleichbare Ausgangsposition für die folgende Einführung in die Zuordnung von Emotionen auf Marken versetzt. Dem anschließenden Erklärungsteil wurde aufgrund der Pretesterfahrungen großer Raum gewidmet. Es war zu befürchten, dass die Bilder falsch interpretiert werden würden und nicht aufgrund der darin gezeigten oder empfunden Emotionen auf die Marken zugeordnet werden würden, sondern aufgrund einer rationalen Interpretation der maßgeblichen Bildelemente. Deshalb wurde den Probanden anhand von besonders missverständlichen Bild/Marken Kombinationen die „richtige“ Vorgangsweise vor Augen geführt und erklärt. Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen Kernbereich der Themeneinführung anhand des Beispiels für die Marke H&M. Zusätzlich wurden alle Probanden in der Interviewsituation mit Beispielen für Austrian Airlines und für Eskimo konfrontiert, ehe die reale Zuordnung der 125 visuellen Stimuli auf eine der 12 Marken begann. Um den Auskunftspersonen einen Anreiz zu geben, die begleitenden Erklärungsseiten aufmerksam zu lesen, wurden die wichtigen Textpassagen während des Interviews von einem ruhigen, neutralen Musikreiz untermalt. Nach jeweils einem Drittel aller Bildzuordnungen wurden die Auskunftspersonen abermals an die „richtige“ Bildinterpretation mittels einer Kontrollfrage erinnert. Die hohe Zahl derer, die bei diesen Fragen zugaben, anhand sachlicher Zusammenhänge die Bilder auf die Marken zuzuordnen8, veranlassten BOSCH (2004) diesem Umstand in seinem Experimentaldesign besondere Bedeutung beizumessen. Nicht zuletzt die Problematik der falschen Bildinterpretation führte zur Erkenntnis von BOSCH (2004), alle eingesetzten Bildreize der Skalen vorab mittels Wörtern zu primen, um das emotionale Bildverstehen der Probanden zu gewährleisten.
8
Bei der ersten Erinnerung, nach einem Drittel der visuellen Items, gaben 15,9% der Auskunftspersonen an, anhand sachlicher Zusammenhänge die Bilder auf die Marken zuzuordnen und damit im Sinne der Thematik „falsch“ zu agieren, bei der zweiten Erinnerung 8,9% und bei der dritten Erinnerung schließlich 6,7%.
288
Der Prozess der Skalenentwicklung
Die Reihenfolge der Vorlage aller 125 Stimuli wurde bei jedem Interview zufällig rotiert. Das Interview wurde schließlich mit ergänzenden Fragen zur Verifizierung der aufgestellten Hypothesen ausgeleitet. Während der Befragung selbst agierte jeder Proband weitestgehend autark. Die Interviewer, die an den Samplig Points vorzugsweise mit der Aquisition neuer Auskunftspersonen beschäftigt waren, standen aber für Rückfragen und bei Handlingproblemen in Rufweite zur Verfügung. Sie wurden aber Dank der verlässlichen Technik und der ausführlichen Erklärungsscreens praktisch nie zu Rate gezogen.
Themeneinführung zu Beginn des Interviews Zuordnung der Emotion Freude auf die Marke H&M Erklärung, musikalisch unterlegt
1
Im Hauptteil des Interviews geht es um die Zuordnung von verschiedenen Bildern auf eine Marke.
Präsentation des Stimuli
2
Aus methodischen Gründen werden Sie die Bilder jeweils einzeln und nur sehr kurz sehen. Die Zuordnung der Bilder auf diese Marken wird Ihnen nicht immer leicht fallen. Konzentrieren Sie sich deshalb auf die Gefühle und Emotionen, die durch die Bilder gezeigt oder hervorgerufen werden. Treffen Sie Ihre Entscheidung spontan anhand dieser Emotionen. Bitte richten Sie jetzt ihre volle Aufmerksamkeit auf das folgende, sehr kurz präsentierte Bild. Wenn Sie bereit sind, klicken Sie bitte auf „weiter“ weiter
Zuordnung auf die Marke
Erklärung, musikalisch unterlegt
3
4 Wie sehr empfinden Sie die gezeigte bzw. hervorgerufene Emotion gegenüber dieser Marke?
Der Mann auf dem Bild versprüht Lebensfreude. Empfinden Sie im Zusammenhang mit der Marke H&M dieses Gefühl? Ordnen Sie das bild nicht aus sachlichen Gründen (Mann entspricht dem typischen Käufer von H&M; Kleidung passt zum Sortiment von H&M) auf die Marke zu! Wie gesagt: Versuchen Sie Ihre Zuordnung anhand der gezeigten oder hervorgerufenen Emotionen zu treffen!
empfinde ich sehr schwach gegenüber der Marke
empfinde ich sehr stark gegenüber der Marke
Der Computer wählt in Folge per Zufallsgenerator eine Marke für Sie aus, die Sie das ganze restlichen Interview begleiten wird. Wenn Sie bereit sind, klicken Sie bitte auf „weiter“.
weiter
weiter
Abbildung 42: Themeneinführung zu Beginn des Interviews
5.2.2 Der Prozess der eigentlichen Skalenentwicklung Der anstehende Prozess der eigentlichen Skalenentwicklung stellt eine Fortführung des mit Studie II eingeleiteten „Verdichtungsprozesses“ dar. Es sollen jene visuellen Items herausgefiltert werden, die im Kontext mit Marken am besten geeignet sind, Emotionen zu vermitteln. Weiters soll festgestellt werden, welche der 16 markenrelevanten Emotionen mittels Bilderskalen gemessen werden können.
Der Prozess der Skalenentwicklung
289
In Studie III wurden die in Studie II vermessenen Bilder erstmals auf Marken zugeordnet. Mittels explorativer Faktorenanalyse wurde nach jenen Itemkombinationen gesucht, die in der neuen Anwendungsumgebung nach wie vor im Sinne der Vermessung verstanden wurden. Es wurde also festgestellt ob der Einfluss der Marken und die standardisierte, sehr kurze Präsentationszeit der Stimuli zu Fehlinterpretationen führte. Erklärtes Ziel ist es, für jede zu messende Emotion einen Satz von drei Bildern bereit zu stellen. Diese Zahl resultiert aus der Annahme, dass bei der Anwendung der Skalen in der Marktforschungspraxis unter Umständen auf die Zuordnung eines der drei Bilder verzichtet werden muss. Es kann durchaus sein, dass ein Bild aufgrund bestimmter Darstellungselemente überdurchschnittlich stark einer Marke zugeordnet wird und dadurch das Ergebnis Verzerrungen unterworfen wäre (bestimmte Farbe, die dem Corporate Design der beurteilten Marke entstammt, Ähnlichkeit von Personen zu Darstellern in der Werbung,...). Das auffällig stark zugeordnete Bild kann aus dem Score genommen und gegen ein Substitut aus den beiden verbleibenden Bildzuordnungen auf die Marke (z.B. der Durchschnitt der beiden anderen Bilderzuordnungen) ersetzt werden. Die Vorgehensweise zur Ableitung der geeigneten Bilderpools für die messbaren Emotionen in Kurzform: Mittels explorativer Faktorenanalysen wird versucht, die Bilderbündel der Studie II unter den geänderten Bedingungen der Studie III (Zuordnung der Bilder auf Marken) aufzuspüren. Dabei werden fehlinterpretierte Bilder (Bilder, die sich mehreren Faktoren gleichermaßen anschließen und Bilder, die in einen falschen Faktor laden) aus der Berechnung ausgeschieden, wobei grob fehlgeleitete Items zuerst eliminiert werden. Durch die systematische Veränderung der in die Berechnung aufgenommenen Bilder soll die erklärte Gesamtvarianz der Faktorlösung erhöht werden. Vorläufiges Ergebnis der Faktorenanalysen ist ein stabiles, inhaltlich weitgehend bereinigtes Faktorensystem, das in jedem Faktor zumindest drei Items und insgesamt eine möglichst große Zahl an latenten Konstrukten (markenrelevanten Emotionen) enthält. Jene Items, die nun gemeinsam einen Faktor bilden, werden RASCH-Analysen mittels polytomer Modelle unterzogen, um die Stichprobenunabhängigkeit der Skalen zu überprüfen. Nicht RASCH-homogene Bilder werden ausgeschieden und, sofern es möglich ist, gegen alternative Bilder desselben Faktors ersetzt. Die verbleibenden Items formen schließlich zusammen die homogenen Skalen der mittels Bilderskalen messbaren, markenrelevanten Emotionen.
290
Der Prozess der Skalenentwicklung
Zuletzt werden die Einzelzuordnungen der Items je Skala zu einem gemeinsamen Score umgeformt, sodass je messbarer Emotion ein einziger Punktewert ausgewiesen werden kann.
5.2.2.1
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalysen
Das gewählte Forschungsdesign, welches das Generieren von Varianz mittels adäquater Marken je markenrelevanter Emotion vorsieht (siehe auch Kapitel 5.2.1.2 Die Auswahl der vorgelegten Marken), impliziert, dass die Faktorenanalysen über alle Marken hinweg gerechnet werden können. Die Berechnungen werden daher mit einem einzigen Datensatz durchgeführt. Zur Schätzung der Kommunalitäten erweist sich die Hauptachsenmethode eindeutig als geeigneter, zumal das Aufspüren latenter Konstrukte im Mittelpunkt der Bestrebungen steht und nichterklärte Varianz eliminiert werden soll. Als Rotationskriterium zur besseren Ergebnisinterpretation ist Equamax am geeignetsten, da es den Wunsch nach gleichbedeutenden homogenen Faktoren am ehesten unterstützt und als orthogonales Kriterium die Unabhängigkeitsprämisse der Faktoren nicht verletzt. Equamax unterstützt also die Forderung nach der Eindimensionalität der Items, der zu entwickelnden Skala, womit eine sinnvolle Aufsummierung einzelner Items zu einem Gesamtscore möglich wird. Für eine eindimensionale Messung und damit Homogenität der Items sind gleiche faktorenanalytische Ladungswerte für alle Items erforderlich. Nur unter diesen Voraussetzungen sind Verfahren der Reliabilitätsabschätzung durch Korrelation von Testteilen, wie dies im Zuge der Split Half Reliabilität oder der Bestimmung der internen Konsistenz durch Cronbach´s Alpha der Fall ist, sinnvoll (SALZGEBER 1998, S.134). Die Equamax Methode stellt eine Mischung aus Varimax und Quartimax Rotation dar, da die Varianz der Ladungsmatrix simultan entlang der Zeilen und Spalten optimiert werden soll. Dieses Rotationsverfahren überträgt Grundsätze der visuellen Rotation in einen programmierfähigen Algorithmus. Die Faktoren werden dabei nach Ihrer „Rotationsbedürftigkeit“ geordnet. Diese besteht aus Summe der Abstände aller nichtsignifikanten Ladungen zur jeweils nächstgelegenen Signifikanzgrenze. Diese Summe wird faktorweise mit der Anzahl der nichtsignifikanten Ladungen des Faktors multipliziert. Der jeweils „rotationsbedürftigste“ Faktor und der nächst „bedürftige“, bzw. alle anderen Faktoren in dieser Ordnung, werden schrittweise im Bereich eines rechten Winkels rotiert. Dabei wird die Schrittweite zur Feinabstimmung verringert. Solange sich für ein Faktorenpaar die Anzahl der signifikanten Ladungen vergrößern und die Abstandssummen zu den
Der Prozess der Skalenentwicklung
291
Signifikanzgrenzen verringern lassen, wird das Verfahren fortgesetzt (SCHILLER 1982, S. 76ff).
5.2.2.1.1 Die Bedeutung der Vertrautheit mit der Marke Die Vertrautheit mit den Marken wurde zweistufig gemessen. Zum einen wurden die Probanden vor Beginn der Bildzuordnungen gebeten, ihre Vertrautheit mit der vom Laptop per Zufallsauswahl zugewiesenen Marke anhand einer sechsstufigen Skala von 1=„habe ein sehr klares Bild“ bis 6=“habe ein sehr vages Bild“ anzugeben. Zum anderen wurden die Auskunftspersonen, im Anschluss an die erfolgten Bildzuordnungen, mit Hilfe einer dichotomen Variable erneut gebeten, zur Vertrautheit Stellung zu beziehen. Die Frage lautete: „Hatten Sie den Eindruck, dass Sie mit der Marke ausreichend vertraut waren, um die emotionsgeladenen Bilder auf die Marke zuordnen zu können?“. Die Auskunftspersonen beantworteten die sechsstufige Frage überwiegend vorsichtig, denn 39,4% jener, die noch zu Beginn des Interviews ihre Vertrautheit mit der Marke mit 5 bzw. 6 einstuften, gaben letztlich nach der Bildzuordnung an, in ausreichendem Maß über die jeweilige Marke Bescheid gewusst zu haben. Dennoch hatten insgesamt 19,4% der Gesamtstichprobe (oder 468 Personen) den Eindruck, zu wenig mit der zugewiesenen Marke vertraut zu sein. Die am wenigsten transparente Marke war Aeroflot. 61% der Probanden hatten das Gefühl, die russische Fluglinie zu wenig zu kennen. Am höchsten war die Vertrautheit mit der Marke Levis, nur 7,8% der Probanden gaben an, zu wenig Bescheid zu wissen, um die visuellen Items zuordnen zu können. Im Zuge der explorativen Faktorenanalysen stellte es sich als wenig lohnenswert heraus, der Selbsteinschätzung der Auskunftspersonen zu große Aufmerksamkeit zu widmen, und jenes knappe Fünftel der Stichprobe bei der Skalenentwicklung auszuschließen, das die Vertrautheit mit der Marke als ungenügend einstufte. Der Anteil der erklärten Varianz kletterte im ersten Modell (12 Faktoren) nur um bescheidene 0,9% von 49,9 auf 50,8%. Die Skalenentwicklung wurde deshalb mit allen Auskunftspersonen gerechnet. Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse jener explorativen Faktorenanalyse, die den Startpunkt des eigentlichen Skalenentwicklungsprozesses markiert. Das Modell wurde über alle Marken und alle Auskunftspersonen gerechnet. Es wurden 12 Faktoren extrahiert und eine erklärte Gesamtvarianz von 49,9% erzielt. Jeder, mittels Equamax orthogonal rotierte Faktor erklärte zwischen 3,5 und 5,3% der Varianz.
292
Der Prozess der Skalenentwicklung
Das Ausgangsmodell für 12-Faktoren Eigenwerte, erklärte Varianz Erklärte Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Summen quadrierter Faktorladungen Rotierte Summe quadrierter Ladungen Faktor Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte % Gesamt % der Varianz Kumulierte % 23,24 18,6 18,6 22,8 18,2 18,2 6,6 5,3 5,3 1 18,94 15,2 33,7 18,4 14,8 33,0 6,1 4,9 10,2 2 7,73 6,2 39,9 7,2 5,8 38,8 5,6 4,5 14,7 3 4,37 3,5 43,4 3,9 3,1 41,9 5,4 4,3 19,0 4 3,21 2,6 46,0 2,7 2,2 44,0 5,3 4,2 23,2 5 2,48 2,0 48,0 2,0 1,6 45,6 5,3 4,2 27,4 6 1,88 1,5 49,5 1,4 1,1 46,7 5,0 4,0 31,4 7 1,58 1,3 50,7 1,1 0,9 47,6 4,8 3,9 35,3 8 1,36 1,1 51,8 0,9 0,7 48,3 4,8 3,8 39,1 9 1,24 1,0 52,8 0,7 0,6 48,9 4,5 3,6 42,8 10 1,21 1,0 53,8 0,7 0,6 49,4 4,5 3,6 46,4 11 0,9 54,7 0,6 0,5 49,9 4,4 3,5 12 1,14 49,9 13 1,04 0,8 55,5 14 0,99 0,8 56,3 15 0,98 0,8 57,1 16 0,92 0,7 57,8 17 0,89 0,7 58,6 18 0,88 0,7 59,3 19 0,81 0,7 59,9 20 0,81 0,6 60,6
Abbildung 43: Eigenwerte und erklärte Varianz der ersten Faktorenlösung
Der Scree Plot gibt keine eindeutige Empfehlung zur Zahl der zu extrahierenden Faktoren. Auch das Kaiser-Kriterium ist in diesem Fall nicht eindeutig interpretierbar, zumal 15 Faktoren gerundet einen Eigenwert von 1 erreichen . Die 12 Faktorenlösung wurde schließlich deshalb gewählt, weil im Vergleich zu den 13-, 14oder 15-Faktoren-Lösungen mehr Bilder Faktorladungen > 0,5 erreichten, und damit das Ergebnis im Sinne des Themas besser interpretierbar war.
5.2.2.1.2 Der Weg zu homogenen Faktoren Die 12-Faktoren-Ausgangslösung erwies sich also als geeignetste Basis für den weiteren Homogenisierungsprozess. Dieses erste Modell beinhaltete jedoch noch Faktoren, die Items von verschiedenen Emotionskategorien auf sich vereinten. Auf Faktor 1 luden beispielsweise insgesamt 12 Bilder mit Werten über 0,5. Sie entstammten den Emotionen Ekel/Ablehnung, Furcht und Trauer. Der folgende Screeningprozess führte schließlich zu bereinigten, stabilen Faktoren, die jeder für sich nur mehr eine einzige Emotion repräsentieren.
Der Prozess der Skalenentwicklung
293
In einem ersten Schritt wurden nun jene Items ausgeschieden, die sich keinem der 12 Faktoren anschlossen und den Anteil der erklärten Varianz des Gesamtmodells reduzierten. Als Grenzwert für den Ausschluss wurde eine Faktorladungshöhe von 0,4 festgelegt. Bilder, die in keinem der zwölf Faktoren eine höhere Zuordnung erreichten, wurden aus der weiteren Modellbildung eliminiert. Die folgende Abbildung zeigt das oberste Drittel der rotierten Faktorladungsmatrix. Am Kopf der Tabelle wird die Zahl jener Items je Faktor angezeigt, welche die definierten Schwellen von 0,5 (rot dargestellt) und 0,4 (blau dargestellt) überschritten. Insgesamt beinhaltet die Matrix 47 Bilder die höher als 0,5 und 65 Bilder die höher als 0,4 in einem der Faktoren luden. Gelb unterlegt sind jene Items, die sich keinem Faktor anschlossen und von der weiteren Modellbildung entfernt wurden. Die vollständige Faktorladungsmatrix für die 12-Faktoren Ausgangslösung und alle weiteren Homogenierungsschritte befinden sich im Anhang E der Arbeit.
Das Ausgangsmodell für 12-Faktoren
Darstellung des ersten Matrix-Drittels
Rotierte Faktorladungsmatrix Faktorladungen >0,5 >0,4
Items 26 JPG 32.JPG 36.JPG 38.JPG 39.JPG 40.JPG 41.JPG 42.JPG 54.JPG 170.JPG 171.JPG 172.JPG 173.JPG 176.JPG 179.JPG 180.JPG 182.JPG 55.JPG 56.JPG 59.JPG 60.JPG 63.JPG 64.JPG 65.JPG 66.JPG 184.JPG 188.JPG 189.JPG 190.JPG 194.JPG 195.JPG 196.JPG 198.JPG 150.JPG 151.JPG 154.JPG 155.JPG 157.JPG 216.JPG 30.JPG 43.JPG 47.JPG
1 12 2
2 6 4
3 4 8
4 5 3
5 3 4
6 3 8
7 4 9
8 1 8
9 5 4 gesamt
10 2 6 65
11 1 5 gesamt
12 1 4 47
Faktoren 1 -0,02 0,15 0,03 -0,09 -0,01 -0,06 -0,05 0,12 -0,02 0,08 0,15 0,16 0,25 0,35 0,18 0,33 0,16 -0,12 0,00 -0,02 -0,08 0,00 -0,08 0,01 0,05 0,27 0,25 0,40 0,63 0,59 0,58 0,71 0,70 0,28 0,08 0,10 0,09 0,01 0,10 -0,06 0,03 -0,11
2 0,07 -0,02 -0,03 0,07 0,05 0,18 0,20 -0,02 0,11 -0,06 -0,11 -0,03 0,09 0,04 -0,07 0,01 0,10 0,57 0,73 0,72 0,59 0,14 0,35 0,64 0,70 -0,02 0,01 0,05 -0,12 -0,03 -0,07 -0,07 -0,09 -0,13 -0,10 0,02 -0,09 0,06 -0,12 0,03 0,32 0,18
3 0,14 0,07 0,22 0,31 0,15 0,19 0,27 0,09 0,20 0,01 -0,06 -0,05 -0,08 -0,03 -0,04 -0,07 -0,03 0,28 0,12 0,14 0,38 0,16 0,11 0,35 0,21 -0,10 -0,12 0,02 -0,13 -0,15 -0,18 -0,13 -0,17 -0,09 0,09 0,04 0,04 0,21 0,11 0,14 0,05 0,26
4 0,04 0,28 0,25 0,10 0,26 -0,09 -0,11 0,21 0,02 0,38 0,44 0,13 0,06 0,24 0,32 0,17 0,07 -0,09 -0,06 -0,07 -0,09 -0,01 -0,03 -0,04 -0,03 0,19 0,25 0,05 0,17 0,10 0,14 0,17 0,20 0,35 0,35 0,22 0,18 0,05 0,26 -0,21 -0,05 -0,21
5 0,25 0,20 0,35 0,46 0,46 0,33 0,21 0,10 0,01 0,12 0,12 -0,05 -0,12 -0,23 -0,11 -0,16 -0,14 0,20 0,10 0,11 0,22 0,20 0,20 0,12 0,07 0,10 0,10 -0,12 -0,04 0,01 -0,02 0,03 0,00 -0,01 -0,01 -0,03 -0,05 0,12 0,02 0,08 0,12 -0,08
6 0,51 0,01 0,05 0,10 0,09 0,39 0,50 0,25 0,45 0,07 -0,03 0,11 0,20 0,21 -0,01 0,08 0,19 0,22 0,20 0,21 0,17 0,31 0,16 0,18 0,16 -0,02 -0,04 -0,04 -0,17 -0,04 -0,10 -0,03 -0,06 0,00 0,03 0,14 0,07 0,17 0,02 0,45 0,39 0,47
7 -0,01 -0,04 0,05 -0,01 -0,02 0,05 0,11 0,03 0,10 0,22 0,02 0,44 0,21 -0,02 0,27 0,21 0,45 -0,03 -0,05 -0,09 -0,02 0,00 0,03 -0,03 -0,03 0,13 0,03 0,09 0,10 0,15 0,13 0,10 0,08 0,29 0,40 0,50 0,42 0,28 0,56 0,18 0,02 0,17
8 -0,04 0,10 -0,02 0,00 0,00 0,00 0,04 0,15 0,16 0,14 0,06 0,39 0,42 0,28 0,47 0,41 0,26 -0,07 0,01 0,02 -0,11 0,07 0,04 -0,12 -0,08 0,22 0,20 0,21 0,16 0,15 0,20 0,13 0,14 0,45 0,36 0,34 0,49 0,14 0,26 0,31 -0,06 0,22
9 0,31 0,61 0,53 0,44 0,50 0,19 0,15 0,58 0,29 0,10 0,31 -0,01 -0,06 0,13 0,05 -0,05 -0,15 0,03 -0,05 -0,05 -0,06 0,16 0,16 0,03 0,00 0,13 0,16 0,09 0,09 0,07 0,10 0,02 0,04 0,03 0,02 -0,02 -0,06 0,00 0,06 -0,05 0,06 -0,04
10 0,17 0,05 0,07 0,20 0,14 0,15 0,09 0,04 0,17 0,12 0,08 0,04 -0,01 0,01 0,02 0,04 0,00 0,24 0,06 0,07 0,15 0,33 0,35 0,11 0,02 -0,02 0,03 -0,01 -0,13 -0,05 -0,10 -0,10 -0,12 0,01 -0,01 0,03 0,06 0,04 0,00 0,27 0,31 0,28
11 0,20 0,02 0,14 0,14 0,04 0,02 -0,01 -0,06 -0,09 0,48 0,36 0,20 0,09 0,10 0,28 0,30 0,22 -0,02 -0,02 0,01 -0,10 0,27 0,09 -0,07 -0,08 0,49 0,45 0,34 0,26 0,27 0,27 0,19 0,14 0,15 0,12 0,11 0,22 -0,01 0,15 -0,11 -0,02 -0,10
12 0,13 -0,01 0,04 0,09 -0,06 0,24 0,28 0,07 0,20 0,06 0,18 0,10 0,15 0,03 0,01 0,07 0,08 0,15 0,18 0,18 0,19 0,02 0,07 0,21 0,20 0,02 0,03 0,02 -0,06 -0,01 -0,03 -0,02 -0,07 0,02 0,24 0,12 0,08 0,51 0,10 0,17 0,13 0,10
ausgeschlossene Items
Abbildung 44: rotierte Faktorladungsmatrix für 12 Faktoren
Durch den Ausschluss der nicht zuordenbaren Items verbesserte sich der Anteil der erklärten Gesamtvarianz der 12-Faktoren Lösung von 49,9% auf 52,6%, und es erreichten zusätzliche
294
Der Prozess der Skalenentwicklung
vier Items eine Faktorladung höher 0,5 (jetzt 51, bei nur noch 48 Items mit einer Ladung größer 0,4 und kleiner 0,5). Diese modifizierte 12-Faktoren Lösung wurde demselben Screeningprozess unterzogen. Wieder wurden jene Items eliminiert, die in keinem Faktor mit einem Wert höher als 0,4 luden. Dadurch erwies sich erstmals eine 13-Faktoren Lösung als geeigneter, deren erklärter Varianzanteil eine Höhe von 53,7% erreichte. Die einzelnen rotierten Faktoren erklärten davon zwischen 3,2 und 5,2%. Insgesamt bot sich mittlerweile schon ein ausgeglicheneres Bild. Der stärkste Faktor vereinte jetzt 8 Items mit einer Ladung über 0,5 auf sich. In der Ausgangslösung waren es noch 12 Items gewesen. Das erneute Ausschließen nicht zugeordneter Items erhöhte den Anteil der erklärten Varianz um 0,7% auf 54,3%. Abbildung 45 zeigt die rotierte Faktorladungsmatrix der bereinigten 13Faktoren Lösung (Verzicht auf die Items ohne Zuordnung). Insgesamt wurden im bisherigen Verlauf des Homogenisierungsprozesses bereits 37 Bilder ausgeschieden. Der nun anstehende Screeningprozess war von stark qualitativer Natur. Es wurden jene Bilder ausgeschlossen, die gleichzeitig in mehrere Faktoren luden, bzw. einer anderen („falschen“) Emotionskategorie im Sinne der Ergebnisse von Studie II zugeordnet wurden. Also solche Bilder, die im Kontext mit Marken anders verstanden wurden, als es das Vermessungsergebnis der Studie II vermuten ließ. Die in der Abbildung 45 gelb markierten Bilder zeigten beispielsweise folgendes Verhalten: 26, 41, 54
wurden in erster Linie der Emotion Stolz zugerechnet und nicht vordergründig der Emotion Akzeptanz
170, 171
wurden der Emotion Langeweile zugerechnet und nicht der Emotion Verachtung
184, 188
wurden ebenfalls nicht im Sinne von Ekel/Ablehnung, sondern im Sinne von Langeweile verstanden
196, 198
wurden nicht eindeutig zugeordnet
155
wurde im Sinne von Ärger verstanden (statt Enttäuschung)
85
wurde im Sinne von Interesse/Neugier verstanden (statt Begehren)
109
wurde im Sinne von Begehren verstanden (statt Freude)
Der Prozess der Skalenentwicklung
295
13-Faktoren – erste Selektion
Darstellung der ersten Hälfte der Matrix
Rotierte Faktorladungsmatrix Faktorladungen >0,5 >0,4
1 6 3
2 8 1
3 3 2
4 3 4
5 4 2
6 4 2
7 4 6
8 5 3
9 4 3
10 3 5 gesamt
11 4 3 40
12 1 4 gesamt
13 2 2 51
Items 26 JPG 32.JPG 36.JPG 38.JPG 39.JPG 41.JPG 42.JPG 54.JPG 170.JPG 171.JPG 172.JPG 173.JPG 179.JPG 180.JPG 55.JPG 56.JPG 59.JPG 60.JPG 65.JPG 66.JPG 184.JPG 188.JPG 190.JPG 194.JPG 195.JPG 196.JPG 198.JPG 150.JPG 154.JPG 155.JPG 157.JPG 47.JPG 49.JPG 50.JPG 52.JPG 53.JPG 75.JPG 77.JPG 78.JPG 79.JPG 83.JPG 85.JPG 109.JPG
Faktoren 1 0,08 -0,02 -0,05 0,05 0,01 0,21 0,00 0,14 -0,04 -0,07 -0,05 0,13 -0,07 0,00 0,54 0,75 0,75 0,60 0,65 0,72 0,00 0,04 -0,12 -0,03 -0,06 -0,03 -0,06 -0,09 -0,01 -0,07 0,15 0,17 0,12 0,17 0,18 0,04 -0,04 0,14 0,06 0,18 0,23 0,05 0,40
2 0,02 0,15 0,07 -0,02 0,05 -0,03 0,10 -0,05 0,09 0,09 0,11 0,11 0,12 0,16 -0,15 -0,01 -0,02 -0,11 -0,07 -0,02 0,28 0,24 0,56 0,55 0,55 0,62 0,60 0,23 0,06 0,09 -0,03 -0,14 -0,08 -0,01 0,05 -0,08 0,02 0,00 0,04 0,00 -0,01 0,02 -0,17
3 0,20 0,18 0,32 0,41 0,42 0,18 0,10 0,00 0,09 0,11 -0,02 -0,09 -0,07 -0,09 0,22 0,12 0,12 0,24 0,16 0,13 0,07 0,08 -0,04 0,00 -0,02 0,00 -0,01 -0,02 0,02 -0,07 0,10 -0,07 0,14 -0,01 0,04 0,18 -0,02 0,03 0,73 0,76 0,74 0,28 0,24
4 0,14 0,04 0,23 0,31 0,15 0,24 0,06 0,14 0,03 -0,03 -0,05 -0,08 -0,05 -0,05 0,27 0,12 0,13 0,35 0,33 0,20 -0,05 -0,10 -0,09 -0,10 -0,15 -0,07 -0,11 -0,12 0,02 0,02 0,18 0,20 0,13 0,05 0,01 0,27 0,07 0,08 0,17 0,15 0,16 0,08 0,34
5 0,03 0,26 0,24 0,08 0,24 -0,11 0,17 -0,03 0,31 0,36 0,09 -0,01 0,29 0,12 -0,07 -0,07 -0,06 -0,10 -0,06 -0,06 0,16 0,19 0,17 0,10 0,12 0,12 0,15 0,28 0,18 0,14 -0,06 -0,20 -0,05 0,02 -0,07 0,00 -0,02 0,00 0,11 0,10 0,06 0,16 -0,06
6 0,18 0,07 0,07 0,22 0,15 0,16 0,05 0,21 0,07 0,06 -0,01 -0,02 -0,01 -0,02 0,25 0,09 0,11 0,22 0,16 0,05 -0,06 0,01 -0,15 -0,08 -0,12 -0,09 -0,12 0,02 -0,01 0,05 0,12 0,28 0,30 0,01 0,11 0,27 -0,03 0,05 0,22 0,18 0,16 0,35 0,36
7 0,54 0,01 0,06 0,11 0,09 0,48 0,23 0,42 0,07 -0,01 0,08 0,14 -0,01 0,07 0,23 0,20 0,21 0,14 0,16 0,14 -0,01 -0,04 -0,14 -0,01 -0,08 -0,05 -0,07 -0,04 0,13 0,04 0,09 0,45 0,65 0,49 0,59 0,45 0,05 0,07 0,08 0,02 0,00 0,17 0,19
8 0,29 0,65 0,52 0,46 0,53 0,14 0,62 0,33 0,09 0,30 0,00 0,00 0,05 -0,05 0,04 -0,03 -0,04 -0,02 0,06 0,03 0,11 0,16 0,05 0,03 0,08 0,02 0,05 0,08 -0,02 -0,03 0,05 -0,01 0,11 0,16 0,07 0,23 -0,01 0,06 0,19 0,19 0,16 0,45 -0,03
9 -0,05 0,06 -0,03 -0,12 -0,08 -0,09 0,08 0,03 0,11 0,21 0,20 0,31 0,24 0,41 -0,06 0,00 -0,04 -0,06 0,03 0,07 0,17 0,19 0,37 0,32 0,32 0,42 0,42 0,23 0,15 0,12 0,07 -0,02 0,00 0,19 0,10 0,00 0,03 -0,03 -0,06 -0,05 -0,05 0,03 -0,13
10 -0,06 0,03 -0,03 -0,02 -0,01 0,00 0,07 0,08 0,20 -0,01 0,46 0,37 0,51 0,45 -0,04 -0,02 -0,02 -0,09 -0,12 -0,10 0,27 0,18 0,19 0,20 0,22 0,12 0,13 0,45 0,40 0,54 -0,01 0,23 -0,01 -0,02 0,14 -0,06 0,18 0,11 0,00 -0,05 -0,02 -0,07 -0,04
11 0,24 0,07 0,19 0,21 0,11 0,01 -0,03 -0,06 0,50 0,45 0,16 0,06 0,23 0,24 -0,02 -0,04 0,00 -0,09 -0,07 -0,09 0,47 0,45 0,21 0,21 0,22 0,15 0,10 0,14 0,09 0,19 0,09 -0,14 0,08 0,01 0,03 0,26 0,15 0,09 0,08 0,04 0,05 0,20 -0,11
12 0,06 0,02 0,08 0,03 -0,01 0,20 0,15 0,24 0,19 0,13 0,34 0,30 0,22 0,16 -0,07 -0,01 -0,02 -0,01 0,00 0,01 0,09 0,08 0,00 0,03 0,05 0,07 0,07 0,33 0,42 0,37 0,55 0,15 0,06 0,01 0,09 -0,02 0,37 0,24 0,02 0,03 0,00 0,00 0,00
13 0,07 -0,01 0,06 0,07 -0,02 0,22 0,03 0,16 0,05 0,01 0,20 0,07 0,01 0,06 0,18 0,13 0,11 0,17 0,17 0,14 0,00 -0,06 -0,03 0,04 0,00 -0,04 -0,10 -0,02 0,22 0,11 0,28 0,20 0,08 0,22 0,07 0,10 0,50 0,63 0,08 0,10 0,09 0,04 0,21
Aufgrund von inkonsistenten Zuordnungen (bezogen auf die Vermessungsergebnisse der Studie II) eliminierte Items.
Abbildung 45: rotierte Faktorladungsmatrix für 13 Faktoren
Der Anteil der erklärten Varianz stieg durch diesen Ausschluss von insgesamt 24 Bildern auf 55,3%. Jetzt konnten erneut drei inkonsistent zugeordnete Items identifiziert und herausgenommen werden (Items 75, 77 und 157). Dadurch stieg der Prozentsatz der erklärten Varianz schließlich auf 55,9%. Die 13 Faktoren waren nun soweit bereinigt, dass durch Veränderung der Itemzusammensetzung keine weitere relevante Verbesserung des Ergebnisses zu erreichen war. Die ersten Faktoren (latente Konstrukte) konnten jetzt der RASCH Analyse zur Überprüfung der spezifischen Objektivität zugeführt werden.
5.2.2.2
Messung der spezifischen Objektivität
Die sukzessive Homogenisierung der Faktorenlösungen durch Ausschluss mehrdeutig zugeordneter bzw. gar nicht zugeordneter Items führte zu 13 latenten Konstrukten unterschiedlicher Qualität. Beispielsweise bestand der Faktor mit dem höchsten Anteil erklärter Varianz (5,6%) aus sechs Items mit Faktorladungen größer 0,5, die allesamt schon in
296
Der Prozess der Skalenentwicklung
Studie II Teil des Bilderpools der entsprechenden Emotion (Begehren) waren. Weitere 10 Faktoren vereinten zu diesem Zeitpunkt der Skalenkonstruktion schon zumindest jeweils drei Bilder einer Emotion (im Sinne der Ergebnisse von Studie II) auf sich (Enttäuschung, Erwartung, Trauer, Furcht, Überraschung, Akzeptanz, Liebe, Stolz, Ekel, Langeweile). Mittels mehrkategorieller RASCH-Modelle wurde nun jedes latente Konstrukt auf Stichprobenunabhängigkeit (spezifische Objektivität) untersucht und damit ein neuer Gesichtspunkt mit dem selben Datensatz beleuchtet. Ziel war es, nicht signifikante Kombinationen, bestehend aus jeweils drei Items, für jedes latente Konstrukt (jede messbare Emotion) herauszufiltern. Zur theoretischen Einführung der logistischen Modelle nach RASCH siehe Kapitel 3.2.3 ab Seite 232. Durch die Überprüfung der spezifischen Objektivität wurde der gesamte Bilderpool zusehends kleiner und kompakter. Nach jedem Test und der Festlegung weiterer stichprobenunabhängiger Itemkombinationen stieg der Anteil der erklärten Varianz der explorativen Faktorenanalysen weiter an, was zur Offenlegung weiterer latenter Konstrukte führte. So entstanden schließlich durch eine Kombination aus klassischer und moderner Testtheorie die letztgültigen 13 Bilderskalen. Zur Berechnung der bedingten Likelihoodquotiententests und zur Darstellung des Graphischen Modeltests wurde die Software LPCM-WIN 1.0 von PONOCNY-SELIGER (1998) eingesetzt. Um das Programm, welches für Windows 3.1 konzipiert wurde und weitgehend einer Anwendung in DOS Umgebung entspricht, nutzen zu können, mussten die Daten in bestimmter Art und Weise vorliegen und ein paar Besonderheiten berücksichtigt werden. Details hierzu sind dem Anhang F zu entnehmen. Die Items der latenten Konstrukte wurden jeweils mittels gleicher sechsstufiger Skalen den einzelnen Marken zugeordnet. Es lag deshalb nahe, darauf zu vertrauen, dass die Abstände zwischen den Antwortkategorien jedes Items von den Probanden als gleich wahrgenommen worden waren. Demgemäss kam für die Überprüfung der Items auf Stichprobenunabhängigkeit in erster Linie das Rating Skalen Modell (RSM) nach ANDRICH (1982) zur Anwendung. Es wurde also vermutet, dass die Schwellenabstände für alle Items der latenten Konstrukte gleich groß waren, jedoch die Lokation der Schwellen von Item zu Item differierte, da sich die Items in ihrer Schwierigkeit voneinander unterschieden. Diese strengen Annahmen konnten schließlich nicht für alle latenten Konstrukte aufrecht erhalten werden. Bei der Analyse der Faktoren zur Entwicklung der Skalen für Begehren, Liebe und Stolz wurde auf das Partial Credit Model nach MASTERS (1982) ausgewichen, bei dem die Schwellendistanzen aller Items eines latenten Konstrukts unterschiedlich sein können (deshalb auch ordinales Modell genannt). Im Fall von Begehren führte dies schließlich zu
Der Prozess der Skalenentwicklung
297
einem RASCH-homogenen Ergebnis. Die beiden anderen Emotionen blieben hinsichtlich der Splitvariablen Geschlecht stichprobenabhängig, wenn auch nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%. Neben geschlechtsspezifischen wurden auch alters- und bildungsspezifische Auffassungsunterschiede untersucht. Die Vorgangsweise sei nun anhand der potenziellen Items der Emotion „Begehren“ erörtert. Insgesamt bestand dieses latente Konstrukt nach den explorativen Faktorenanalysen aus sechs Bilditems. Für die Kontrolle der Stichprobenunabhängigkeit anhand des Alters der Probanden wurde der Datensatz durch den Median (24 Jahre) in zwei Hälften geteilt. Um auch hinsichtlich unterschiedlicher Bildungsniveaus eine Überprüfung vornehmen zu können, wurden Auskunftspersonen mit geringer Bildung (Pflichtschul-, Lehr- oder Fachschulabschluss) Fachhochschul- und Hochschulabsolventen gegenübergestellt (368 versus 459 Personen). Die folgende Abbildung zeigt den Output von LPCM-WIN 1.0 für drei Modelle (entsprechend der drei Splitvariablen) und den sechs Bilditems. Das Item 59 wurde in den beiden Altersgruppen unterschiedlich „schwierig“ wahrgenommen, die Items 56 und 66 waren für Frauen und Männer verschieden starke Kriterien. Es lag deshalb nahe, die Kombination der drei verbliebenen Items 55, 60 und 65 als geeignetste Alternative zu wählen und anschließend ebenfalls auf Stichprobenunabhängigkeit mittels Rating Skalen Modell (RSM) zu untersuchen.
298
Der Prozess der Skalenentwicklung
Überprüfung der spezifischen Objektivität mittels RSMs Items des Faktors Begehren Alter
Bildung
Geschlecht
(= 24)
(Nichtmaturanten vs.Hochschulabsolventen)
Conditional Likelihood-Ratio-Test
Conditional Likelihood-Ratio-Test
Conditional Likelihood-Ratio-Test
Andersen chi_2 = 14.6416 Degrees of Freedom = 9
Andersen chi_2 = 51.4697 Degrees of Freedom = 9
Andersen chi_2 = 10.2865 Degrees of Freedom = 9
chi_2 at alpha (5 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
16.9027
chi_2 at alpha (5 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
16.9027
chi_2 at alpha (5 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
16.9027
chi_2 at alpha (1 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
21.6962
chi_2 at alpha (1 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
21.6962
chi_2 at alpha (1 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
21.6962
Item No. 1 2 3 4 5 6
z-Value -0.2341 -1.2510 0.7845 -1.9954 1.2678 1.2467
Significance n.s. n.s. n.s. sign.(5%) n.s. n.s.
Item No. 1 2 3 4 5 6
Pearson Correlation between parameters = 0.9573
x
z-Value 3.3387 -0.9742 -0.8901 1.3548 1.2197 -3.5711
Significance sign.(5% and 1%) n.s. n.s. n.s. n.s. sign.(5% and 1%)
Pearson Correlation between parameters = 0.9197
x
x
Item No. 1 2 3 4 5 6
z-Value -0.7550 0.1347 -0.6957 1.5468 -0.6566 0.4158
Significance n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.
Pearson Correlation between parameters = 0.9517
Die 3 Items der Bilderskala „Begehren“
Abbildung 46: Überprüfung der spezifischen Objektivität mittels RSM
Die Kombination aus Bild 55, 60 und 65 wurde anhand der Überprüfung durch ein weiteres Rating Skalen Model von Hochschulabsolventen anders aufgefasst als von Nichtmaturanten. Die beiden Splits unterschieden sich signifikant, was in diesem Fall auf die modellimmanente Annahme gleicher Kategorieabstände der drei Items zurückzuführen war, denn die jeweiligen Itemparameter zeigten laut WALD z-Wert keine signifikanten Unterschiede. Nach Verwendung eines ordinalen RASCH-Modells (Partial Credit Modell) erwies sich die wahrgenommene Stärke der Itemkombination auch vom unterschiedlichen Bildungsniveaus unabhängig. Abbildung 47 zeigt die Ergebnisse des Rating Skalen Modells und des Partial Credit Modells jeweils zur Splitvariable Bildung nebeneinander. Das RSM ist insgesamt signifikant, was auf unterschiedlichen Kategorieabstände zurückzuführen ist. Das Item Zwei (Bild Nr. 60) ist offensichtlich ausdrucksstärker als die beiden anderen Items der Dreiergruppe. Maßgeblich verantwortlich für die signifikant unterschiedlich wahrgenommene Stärke der Bilder ist die Nutzung der höchsten Skalenstufe bei der Markenzuordnung von Item Zwei, was anhand der WALD z-Werte (Test auf paarweisen Unterschied der Parameter) des Partial Credit Modells zu sehen ist. Diese wurde von Akademikern weniger häufig genutzt, was bedeutet, dass Akademiker das Item insgesamt als
Der Prozess der Skalenentwicklung
299
„schwieriger“ (als stärker) wahrnahmen und damit die Prämisse der Gleichheit der Kategorienabstände zwischen den drei Items in diesem Fall nicht gegeben war, was ein Ausweichen auf das Partial Credit Model notwendig machte, um schließlich doch ein nicht signifikantes Ergebnis zu erreichen. Damit standen die besten Bilder für die Skala zur Messung der Emotion Begehren endgültig fest.
Überprüfung der spezifischen Objektivität Finale Items des Faktors Begehren, RSM und PCM für Bildung Rating Skalen Modell Splitvariable Bildung (Nichtmaturanten vs.Hochschulabsolventen) SPLIT 1
Item Parameters 1 -0.0655 2 0.1368 3 -0.0713
Category Parameters 2 -0.4160 3 -0.2832 4 -0.9002 5 -1.9762
Item Parameters 1 -0.0284 2 0.0677 3 -0.0394
Category Parameters 2 -0.3281 3 -0.6701 4 -1.4040 5 -3.2401
Partial Credit Modell Splitvariable Bildung (Nichtmaturanten vs.Hochschulabsolventen)
Conditional Likelihood-Ratio-Test Andersen chi_2 = 21.2258 Degrees of Freedom = 14
SPLIT 2
Conditional Likelihood-Ratio-Test Andersen chi_2 = 15.4006 Degrees of Freedom = 6 chi_2 at alpha (5 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
12,5689
chi_2 at alpha (1 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
16,8429
Item No. 1 2 3
Significance n.s. n.s. n.s.
z-Value -0.7482 1.3680 -0.6351
Pearson Correlation between parameters = 0.9976
chi_2 at alpha (5 percent) = (Wilson-Hilferty approximation)
23.6735
chi_2 at alpha (1 percent) = (Wilson-Hilferty approximation) Item No. 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3
z-Value -1.5941 -1.9756 -1.1431 -1.9978 1.1696 -1.3829 -1.9115 1.2595 1.7326 2.7581 1.2497 -1.2629 -1.5616 -1.1314 1.5497
29.1688
Significance n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. sign.(5% and 1%) n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.
Pearson Correlation between parameters = 0.8968
Abbildung 47: Überprüfung der spezifischen Objektivität mittels RSM und PCM
Insgesamt wurden rund 100 RASCH-Modelle benötigt, um für jede messbare Emotion die optimale Itemkombination herauszufiltern. Jene 42 Modelle, die schließlich für 11 der 13 messbaren Emotionen Stichprobenunabhängigkeit hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildung belegen, sind überblicksweise in Abbildung 48 zu sehen. Nur die Bilderskalen der Emotionen Stolz und Liebe zeigen signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%.
300
Der Prozess der Skalenentwicklung
Die Überprüfung der spezifischen Objektivität im Überblick Darstellung der optimalen Itemkombinationen aller messbaren Emotionen
Rating Skalen Modelle Erwartung Begehren Überraschung Furcht Traurigkeit Ekel/Ablehnung Akzeptanz Liebe Stolz Freude Enttäuschung Langeweile Ärger
Item 1 78 55 19 245 211 190 36 33 49 111 150 161 173
Item 2 79 60 81 247 213 194 38 34 52 96 158 162 179
Item 3 83 65 86 254 217 195 39 68 53 97 227 166 180
Alter ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Geschlecht ns ns ns ns ns ns ns s99 s95 ns ns ns ns
Partial Credit Modelle
Bildung ns s95 ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Alter nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb
Geschlecht nb nb nb nb nb nb nb s95 s95 nb nb nb nb
Bildung nb ns nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb nb
nicht berechnet
nb ns s95 s99
nicht signifikant signifikant mit 5% Irrtumsw ahrscheinlichkeit signifikant mit 1% Irrtumsw ahrscheinlichkeit
Abbildung 48: Überprüfung der spezifischen Objektivität im Überblick
5.2.2.3
Die entwickelten Bilderskalen im überblick
Die Überprüfung der latenten Konstrukte auf Stichprobenunabhängigkeit und die damit verbundene Ausscheidung problematischer Items führte sukzessive zu einer 13 Konstrukte umfassenden Faktorenlösung mit einem Anteil erklärter Varianz von 58,4%. Das Modell beinhaltet insgesamt 31 Bilder mit Faktorladungen größer 0,5 und sieben Items mit Ladungen größer 0,4. Sieben der dreizehn Faktoren erreichen einen Eigenwert größer 1 und können als besonders stabil angesehen werden. Bei weiteren sechs Faktoren mussten durch die Ergebnisse der RASCH-Analysen Kompromisse eingegangen werden. Die stichprobenunabhängigen Konstrukte enthalten Bilder, die parallel in einen zweiten Faktor laden und auch solche mit Faktorladungen kleiner 0,4, Dies lässt einerseits auf die Verwechselbarkeit der Darstellungen schließen andererseits kann das Ergebnis aber durch die Nähe der Emotionen zueinander begründet werden. Das von BOSCH (2004) empfohlene Wortpriming der Bildreize sorgt bei der fertigen Form der Skalen für geringere Prognosefehler bei den instabileren Faktoren und insgesamt höhere Validität der Messung. WINDER (2004) belegt darüber hinaus die Circumplex Theorie von
Der Prozess der Skalenentwicklung
301
PLUTCHIK (1962) anhand der gemessenen Daten von Studie III und unterstreicht damit die systematische Nähe der Emotionen im Markenkontext zueinander. Die folgende Abbildung zeigt die letztgültige 13-Faktoren Lösung. Dem Kopf der Tabelle sind die den Daten zugehörigen Emotionskategorien zu entnehmen. Zusätzlich zu der schon aus den Darstellungen davor bekannten Angabe der Zahl der Bilder, die höher als 0,5 und höher als 0,4 laden, kann auch der Anteil der erklärten Varianz jedes einzelnen Faktors entnommen werden.
Letztgültige 13-Faktoren Lösung
Gesamtdarstellung
Rotierte Faktorladungsmatrix, Anteil der erklärten Varianz 58,4% Faktorladunge n >0,5 >0,4 Ant. erkl. Va ria nz in %
1 3 0 Erwartung 5,7
2 3 0 Begehren 5,2
3 3 0 Überraschung 4,8
4 3 0 Furcht 4,8
5 3 0 Trauer 4,5
6 3 0 Ekel 4,5
7 3 0 Akzeptanz 4,5
BILD_3_N BILD_4_N BILD_5_N BILD_18N BILD_21N BILD_24N BILD_90N BILD_91N BILD_93N BILD_58N BILD_61N BILD_62N BILD_43N BILD_46N BILD_47N BILD_29N BILD_30N BILD_31N BILD_50N BILD_51N BILD_53N BILD_68N BILD_69N BILD_71N BILD105N BILD106N BILD108N BILD115N BILD117N BILD118N BILD_13N BILD_15N BILD_16N BILD_81N BILD_82N BILD_85N BILD_34N BILD_96N BILD_99N
Faktore n 1 0,21 0,30 0,31 0,17 0,21 0,14 0,25 0,28 0,16 -0,04 0,16 0,14 0,08 0,03 0,10 -0,01 0,00 -0,01 0,66 0,74 0,72 -0,04 -0,03 -0,09 0,07 0,09 0,12 0,14 0,19 0,18 -0,05 -0,04 -0,05 0,10 0,02 0,03 0,00 -0,01 0,03
2 0,00 0,10 0,07 0,58 0,68 0,66 0,28 0,25 0,34 0,19 0,37 0,28 0,12 0,11 0,07 -0,15 -0,05 -0,09 0,10 0,18 0,22 -0,02 -0,05 0,00 -0,06 -0,05 -0,10 0,19 0,10 0,07 0,08 -0,09 -0,02 -0,03 -0,10 -0,06 -0,11 -0,08 0,08
3 0,13 0,24 0,22 0,18 0,14 0,07 0,17 0,21 0,19 0,16 0,21 0,19 0,26 0,08 0,23 -0,11 -0,04 -0,05 0,24 0,18 0,16 -0,04 -0,06 -0,09 -0,01 -0,01 0,03 0,55 0,72 0,61 -0,02 0,01 -0,01 0,08 0,01 0,08 0,06 0,02 0,00
4 0,00 -0,08 -0,04 -0,06 -0,05 0,05 -0,05 -0,10 -0,13 -0,02 -0,08 -0,09 0,03 0,08 -0,02 0,36 0,25 0,29 -0,07 -0,04 -0,06 0,62 0,58 0,68 0,19 0,16 0,15 -0,07 -0,05 -0,06 0,24 0,14 0,31 0,07 0,05 0,04 0,20 0,14 0,05
5 0,27 0,10 0,30 -0,08 -0,10 -0,05 0,00 -0,01 -0,02 -0,09 -0,06 -0,08 -0,06 -0,03 0,02 0,19 0,12 0,14 0,12 0,11 0,08 0,14 0,17 0,17 0,66 0,69 0,55 -0,07 0,08 -0,01 0,02 0,23 0,09 0,14 0,15 0,18 0,22 0,17 0,09
6 0,07 -0,02 0,01 -0,12 -0,10 -0,06 -0,09 -0,12 -0,15 -0,05 -0,14 -0,10 -0,10 0,06 -0,04 0,55 0,66 0,59 0,02 -0,02 -0,02 0,27 0,35 0,23 0,14 0,15 0,16 -0,07 -0,04 -0,05 0,14 0,16 0,19 0,07 0,21 0,22 0,21 0,09 0,04
7 0,58 0,56 0,57 0,10 0,01 0,07 0,26 0,26 0,19 0,02 0,07 0,09 0,16 0,01 0,30 0,02 0,00 0,03 0,29 0,26 0,22 -0,01 -0,07 -0,03 0,20 0,17 0,14 0,08 0,20 0,24 -0,12 0,00 -0,10 0,19 0,05 0,09 0,06 0,02 0,03
36.JPG 38.JPG 39.JPG 55.JPG 60.JPG 65.JPG 33.JPG 34.JPG 68.JPG 111.JPG 96.JPG 97.JPG 49.JPG 52.JPG 53.JPG 190.JPG 194.JPG 195.JPG 78.JPG 79.JPG 83.JPG 245.JPG 247.JPG 254.JPG 211.JPG 213.JPG 217.JPG 19.JPG 81.JPG 86.JPG 173.JPG 179.JPG 180.JPG 161.JPG 162.JPG 166.JPG 150.JPG 158.JPG 227.JPG
8 9 2 2 1 1 Liebe Stolz 4,4 4,1 Sum m e Fa ktorla dunge n: 8 0,18 0,24 0,08 0,18 0,31 0,28 0,39 0,54 0,55 0,19 0,28 0,44 0,03 0,06 0,18 -0,06 -0,10 -0,14 0,17 0,19 0,21 -0,11 -0,01 -0,12 -0,09 -0,01 0,02 0,23 0,14 0,15 -0,03 -0,06 -0,06 0,07 -0,04 -0,06 -0,12 0,06 0,10
9 0,05 0,11 0,09 0,21 0,17 0,18 0,05 0,08 0,12 0,41 0,17 0,18 0,57 0,74 0,39 -0,09 0,03 -0,03 0,09 0,05 0,04 0,01 0,04 0,08 -0,05 -0,06 -0,04 0,21 0,15 0,17 0,22 0,01 0,11 0,04 0,04 0,07 -0,01 0,01 0,06
10 0 3 Freude 4,0 >0,4 10 0,09 0,16 0,03 0,30 0,20 0,23 0,24 0,21 0,28 0,48 0,47 0,48 0,37 0,06 0,34 -0,14 -0,04 -0,15 0,12 0,11 0,10 -0,07 -0,12 0,00 -0,07 -0,05 -0,07 0,21 0,13 0,23 -0,03 -0,01 0,03 0,02 -0,02 0,00 -0,07 -0,04 0,07
11 12 2 2 1 0 Enttäuschung Langeweile 3,9 3,9 7 >0,5 11 0,08 0,00 -0,03 -0,06 -0,04 -0,02 0,07 0,10 0,04 -0,01 0,07 -0,03 0,03 0,07 -0,06 0,04 0,14 0,12 0,02 0,01 -0,01 0,14 0,09 0,13 0,12 0,18 0,17 0,06 -0,01 0,00 0,32 0,33 0,23 0,17 0,40 0,17 0,46 0,54 0,59
12 0,19 0,18 0,12 -0,04 -0,08 -0,09 0,14 0,02 -0,04 0,00 -0,02 -0,03 0,06 0,03 0,18 0,18 0,15 0,19 0,09 0,06 0,07 0,09 0,10 0,01 0,16 0,17 0,27 0,01 0,12 0,08 0,08 0,22 0,22 0,62 0,38 0,60 0,09 0,13 0,26
Abbildung 49: Die letztgültige 13-Faktoren Lösung
Es konnten somit nicht für alle 16 markenrelevanten Emotionen Bilderskalen entwickelt werden. Für Verachtung und Interesse/Neugier war es nicht möglich, homogene Kombinationen aus drei Bildern zu erarbeiten. Die Operationalisierung von Sorge unterschied sich in der Anwendung der Bilder auf Marken nur ungenügend von der Emotion Enttäuschung. Die Messung von Erwartung mittels einer Bilderskala scheiterte letztlich an der Vielschichtigkeit der Emotion im Zusammenhang mit Marken. Die anhand der Skalenkonstruktion mathematisch geeignete Bilderkombination musste von der
302
Der Prozess der Skalenentwicklung
Forschungsgemeinschaft BOSCH/SCHIEL/WINDER aufgrund mangelnder Augenscheinvalidität verworfen werden. Die folgende Abbildung zeigt alle Dreierkombinationen der 12 entwickelten Bilderskalen.
Die Items der zwölf entwickelten Bilderskalen
Begehren
F7
Liebe
Überraschung
F8
Stolz
Furcht
F9
Freude
F1
F2
F3
Traurigkeit
F10
Enttäuschung
Ekel/Ablehnung
F11
Langeweile
Vertrauen/Akzeptanz
F12
Ärger
F4
F5
F6
Abbildung 50: Die Items der zwölf entwickelten Bilderskalen
5.3 Die Messung der Reliabilität der Skalen Das Streben nach einer möglichst hohen Messgenauigkeit bei der Skalenkonstruktion steht oft im Widerspruch zum Ziel einer hohen Validität (Diskussion in Kapitel 3.2.2.4 ab Seite 230). Das Spannungsfeld zwischen den beiden wichtigsten Gütekriterien der klassischen Testtheorie ergibt sich daraus, dass durch Testverlängerung (Aufnahme zusätzlicher Items) die Messmethode theoretisch beliebig genau wird, was sich in der Regel negativ auf die Güte der Methode auswirkt. Im vorliegenden Fall der Emotionsmessung mittels Bilder stand die Erhöhung der Validität (Forschungsschwerpunkt von BOSCH) und die Stichprobenunabhängigkeit der Skalen im Mittelpunkt des Interesses. Nicht zuletzt deshalb wurde die Zahl der Items je latentem Konstrukt auf drei Bilder eingeschränkt. Der Reliabilität wurde keine große Bedeutung beigemessen. Die folgende Abbildung zeigt deshalb, gemessen am geringen Stellenwert der
Der Prozess der Skalenentwicklung
303
Thematik, ein sehr gutes Ergebnis für die zwölf Bilderskalen. Die Werte für Cronbach Alpha bewegen sich zwischen 0,84 (Begehren) und 0,68 (Ärger). Zum Vergleich: Die Alpha Werte für PAD nach MEHRABIAN/RUSSELL (1974) liegen bei 0,81 für Pleasure, 0,50 für Arousal und 0,77 für Dominance. Die Alpha Werte für das Standardized Emotional Profile (SEP) nach HOLBROOK und BATRA (1987) liegen zwischen 0,47 und 0,96 (SEP beinhaltet ebenfalls jeweils drei Items je gemessener Emotionskategorie und insgesamt 12 Skalen), im Mittel wird für SEP ein Wert von 0,81 angegeben BEARDEN/NETEMEYER/MOBLEY (1993). Der Zusammenhang zwischen Höhe der Messgenauigkeit und Umfang des Messinstruments konnte zusätzlich bestätigt werden. Erhöht man die Zahl der Items für die Emotion Begehren auf jene sechs, die laut Faktorenanalyse dem latenten Konstrukt angehören (Ergebnis vor der Optimierung auf Stichprobenunabhängigkeit mittels RASCH-Analysen), steigt Cronbach Alpha für Begehren von 0,84 auf 0,91.
Ergebnisse der Reliabilitätsmessungen Werte für Cronbach Alpha
Begehren
Alpha=0,84
Liebe
Überraschung
Alpha=0,80
Stolz
Furcht
Alpha=0,80
Freude
Traurigkeit
Alpha=0,81
Enttäuschung
Ekel/Ablehnung
Alpha=0,80
Langeweile
Vertrauen/Akzeptanz
Alpha=0,79
Ärger
Abbildung 51: Ergebnisse der Reliabilitätsmessungen
Alpha=0,80
Alpha=0,71
Alpha=0,75
Alpha=0,70
Alpha=0,69
Alpha=0,68
304
Der Prozess der Skalenentwicklung
5.4 Indexbildung und Entwicklung der Picture Emotion Scale (PES) Nach der Auswahl der Items für jede messbare Emotion wurden die individuellen Einzelurteile der Zuordnungen auf die Marken zu einem Gesamtwert integriert. Diese Indexbildung beinhaltete folgende Schritte: -
Stürzen der sechs Skalenstufen (stärkste Zuordnung wurde zu Skalenstufe 6, die schwächste zu Skalenstufe 1), sodass ein ansteigender Punktescore entwickelt werden konnte.
-
Gewichtung der Bilditems entsprechend der relativen Unterschiede der Faktorladungen jedes latenten Konstrukts. Dabei wurden die Ladungen der konfirmatorischen Faktorenanalysen von WINDER (2004) verwendet.
-
Addition der Einzelzuordnungen aller drei Items jeder Emotion zu einem Summenscore auf individuellem Niveau.
-
Indexierung der Summenscores. Dem niedrigst möglichen Summenscore (Addition der kleinsten, gewichteten Kategorien der gestürzten sechsstufigen Skala jedes Items) wurde der Wert 1 zugewiesen, dem höchsten möglichen Summenscore der Wert 100.
Die Indexierung erhöht die Übersichtlichkeit der Emotionsmessung beträchtlich. Für jede Marke und jede Emotion kann ein sogenannter „emotion score“ mit der Maximalausprägung von 100 Punkten ausgewiesen werden. Die Unabhängigkeit jeder einzelnen Emotionsskala ermöglicht eine modulartige Zusammenstellung des Messinstruments. Das Gesamtsystem der Picture Emotion Scales (PES) integriert demzufolge 12 unabhängig voneinander kombinierbare Bilderskalen. Die folgende Abbildung zeigt die erstmalige Anwendung des kompletten PES-Systems auf zwei österreichische Mobilfunkmarken. Die visuellen Stimuli wurden entsprechend der Erkenntnisse von BOSCH (2004) mit den entsprechenden Wortreizen geprimt. Die Studie wurde in den Monaten Oktober und November 2003 von marketmind Markt- und Markenforschung durchgeführt. Es wurde eine Stichprobe von 500 Auskunftspersonen, repräsentativ für Bewohner UMTS-versorgter Regionen gezogen. Die Reihenfolge der Anordnung der Emotionen in der gewählten Kreisdarstellung entspricht der von WINDER (2004) bestätigten Circumplex Struktur der mittels Bilderskalen messbaren markenrelevanten Emotionen. Die Ergebnisse selbst wurden aus Gründen des Kundenschutzes anonymisiert dargestellt.
Der Prozess der Skalenentwicklung
305
Picture Emotion Scales (PES) Zwei österr. Mobilfunkbetreiber im Vergleich, marketmind (2003) Vertrauen / Akzeptanz Überraschung
Furcht
Liebe
Traurigkeit
Freude
Enttäuschung
0
25
50
Langeweile
75
Begehren
100
Marke 1
emotion score
Marke 2 Stolz
Stichprobe: n=500
Ekel/ Ablehnung Ärger
Abbildung 52: Grafische Darstellung der Picture Emotion Scales (PES)
306
6
Die Bearbeitung der Hypothesen
Die Bearbeitung der Hypothesen
6.1 Branchenunabhängigkeit Die entwickelten Bilderskalen sind über die in Studie III eingesetzten Marken hinweg gültig (sogenannte Branchenunabhängigkeit). Die Operationalisierung der Hypothese erfolgte für jede der zwölf entwickelten Bilderskalen durch Überprüfung auf Stichprobenunabhängigkeit mit Hilfe von Rating Skalen Modellen. Der Datensatz wurde dafür zufällig anhand der beurteilten Marken in zwei Teile getrennt. Der eine Teil beinhaltete die Marken Aeroflot, Caritas, C&A, Levis, Lotto und News und der andere Teil die Marken ÖBB, Palmers, Amnesty International, Römerquelle, Teekanne und Ferrari. Als Gütekriterium wurde der Likelihoodquotientest nach ANDERSON (1982) herangezogen. Ein signifikanter Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen deutet darauf hin, dass zumindest ein Bild der jeweils untersuchten Skala deutlich anders als die anderen Items interpretiert und auf Marken zugeordnet wird. Dies wiederum lässt darauf schließen, dass die Homogenität der Skala markenabhängig ist und die Bilderskala insgesamt nicht ohne Vorbehalt oder Adaption auf andere Marken anwendbar ist. Die folgende Abbildung zeigt die gerechneten Rating Skalen Modelle für alle 12 Bilderskalen im Überblick. Durch die ANDERSON F2 Werte kann die Signifikanz der Gesamtmodelle überprüft werden. Die WALD z-Werte geben einen Hinweis auf die Gleichheit der geschätzten Itemschwierigkeiten zwischen den beiden Stichprobensplits. Sämtlich rot dargestellten Werte zeigen signifikante Unterschiede mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 1%. Signifikante Unterschiede mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% sind in orange dargestellt. Zur theoretischen Einführung über mehrkategorielle Modelle der probabilistischen Testtheorie siehe Kapitel 3.2.3.2, ab Seite 249. Genaugenommen gelten damit nur fünf der 12 Bilderskalen (Akzeptanz/ Vertrauen, Begehren, Furcht, Langeweile und Traurigkeit als branchenunabhängig. Alle anderen Skalen sind als branchenabhängig einzustufen. Angesichts der Strenge des Testkriteriums (es wird beim Rating Skalen Modell auch die Gleichheit der Schwellenparameter unter den drei Items vorausgesetzt) und der relativ geringen Abweichungen von den kritischen Werten der ANDERSON F2-Tests sind die Testergebnisse für die Skalen der Emotionen Stolz, Liebe, Enttäuschung und Überraschung dennoch als gut einzustufen. Probleme bereiten allenfalls die Operationalisierungen von Ekel/Ablehnung, Freude und Ärger.
Die Bearbeitung der Hypothesen
307
Prüfung der Branchenunabhängigkeit Rating Skalen Modelle (RSM) Bedingter Likelihood-Ratio-Test nach ANDERSON zur Überprüfung der Homogenität der beiden gebildeten Subgruppen.
Item Nr. / Wald z-Value
chi_2 at alpha (5%) chi_2 at alpha (1%) Andersen chi_2
Akzeptanz / Vertrauen
36 / 1,1810
38 / 0,1317
39 / -1,3202
12,5689
16,8429
9,1812
Begehren
55 / -0,3289
60 / -1,5373
12,5689
16,8429
Ekel / Ablehnung
190 / -3,5239°
194 / 0,8517
65 / 2,0171 * 195 / 2,7687 °
12,5689
16,8429
8,1868 24,9252 °
Stolz
49 / -1,7693
52 / -0,4256
53 / 2,4182 *
12,5689
16,8429
Freude
111 / 6,6784 °
96 / -2,8254 °
16,8429
33 / 1,4486
34 / 1,3203
97 / -4,0791 ° 68 / -2,7374 °
12,5689
Liebe
12,5689
16,8429
14,086 * 53,7108 ° 13,1974 *
Furcht
245 / -0,3417
247 / 2,1100 *
254 / -1,8276
12,5689
16,8429
10,2047
Langeweile
161 / 0,4034
162 / -0,6874
12,5689
16,8429
Enttäuschung
150 / 2,3731 *
158 / 1,2503
12,5689
16,8429
7,7235 13,5084 *
12,5689
16,8429
12,5689
16,8429
9,5940 13,1164 *
12,5689
16,8429
22,5404 °
Überraschung
19 / -1,6652
81 / -0,7460
166 / 0,4034 227 / -3,6812° 211 / 2,0271 * 86 / 2,4144 *
Ärger
173 / -1,4395
179 / -0,0138
180 / 1,3871
Traurigkeit
217 / -0,0043
213 / -2,3511*
WALD-Test auf paarweisen Unterschied der geschätzten Itemparameter
nicht signifikant signifikant mit 5% Irrtumsw ahrscheinlichkeit signifikant mit 1% Irrtumsw ahrscheinlichkeit
* °
Abbildung 53: Prüfung der Branchenunabhängigkeit mittels RSM
Besonders bei der Skala für Freude muss man angesichts der Höhe der Abweichung anerkennen, dass die drei eingesetzten Items im Markenkontext sehr unterschiedlich verstanden werden. Das von BOSCH (2004) angeregte Priming der visuellen Items mittels Verbalreizen ist am ehesten in der Lage die Validität der Skalen zu erhöhen und die Messinstrumente auf unterschiedlichste Marken anwendbar zu machen. Die Ergebnisse des Hypothesentests zeigen deutlich, dass dem Bestreben nach einem standardisierten bildlichen Messinstrument Grenzen auferlegt sind, die ohne verbale Einleitung der Itempräsentation höchstwahrscheinlich nicht passiert werden können. Andernfalls besteht trotz des im Zuge des Forschungsprojekts betriebenen Aufwands bei der Selektion der Bilder zu große Gefahr, dass die Bildinhalte nicht im Sinne der Emotionsmessung verstanden werden, sondern aufgrund rationaler Gesichtspunkte den zu beurteilenden Marken zugeordnet werden. Die vollständigen Auswertungen der mittels LPCM WIN 1.0 gerechneten Modelltests befinden sich im Anhang H.
308
Die Bearbeitung der Hypothesen
6.2 Einfluss der Stimmungslage Die gegenüber Marken empfundenen Emotionen sind von der emotionalen Stimmungslage der Auskunftspersonen unabhängig. Fragen zur Bewertung der persönlichen Stimmungslage eröffneten den CAPI Fragebogen der Studie III. Die Selbsteinschätzung der Probanden hatte einerseits den Zweck, die Auskunftspersonen mit der Thematik des Interviews besser vertraut zu machen und andererseits, das emotionale Befinden der Probanden zu neutralisieren (siehe Kapitel 5.2.1.3 auf Seite 286). Die Operationalisierung der Hypothese durch einen Vergleich der unterschiedlich gestimmten Auskunftspersonen hinsichtlich der Stärke Ihrer in Zusammenhang mit Marken empfundenen Emotionen, soll kontrollieren, ob die Neutralisierung der Stimmung in ausreichendem Maß gelungen ist. Weiters ist zu erkennen, welche Emotionskategorien im Kontext mit Marken in besonderem Maße vom persönlichen emotionalen Befinden der Auskunftspersonen anhängig sind. Zum Vergleich der Stärke der Zuordnungen der einzelnen Emotionen auf Marken wurden TTests auf einem Signifikanzniveau von 95% herangezogen. Eine positive Stimmungslage ist der Auskunftspersonen war gegeben, wenn sie sich selbst mit eins bis vier auf der neunstufigen Skala (von 1=“bin in einer positiven Stimmungslage“ bis 9=“bin in einer negativen Stimmungslage“) eingestuft haben. Entsprechend ist eine negative Stimmungslage gegeben, wenn die Auskunftspersonen ihr emotionales Befinden mit den Werten sechs bis neun eingeordnet haben. Mehr als zwei Drittel der Auskunftspersonen schätzen Ihre emotionale Verfassung zu Beginn des Interviews positiv ein (69,1%). 11,7% der Probanden wählte Skalenstufe fünf und schätze das persönliche Befinden neutral ein. Demgemäß waren 19,2% eher negativ gestimmt. Die folgende Abbildung zeigt die Stimmungslage der Probanden am Beginn des Interviews. Jene Personen, die ihre Stimmungslage positiv einstuften, fühlten in erster Linie Vertrauen/Akzeptanz und Interesse/Neugier. Das Fünftel der Probanden in negativer Stimmungslage empfand in erster Linie Sorge und Ärger. Die Spezifikation der empfundenen Emotionskategorien erfolgte durch verbalisierte, dichotome Items. Die vorgelegten Emotionen entsprachen den 16 als markenrelevant eingestuften Kategorien von Studie 1).
Die Bearbeitung der Hypothesen
309
Stimmungslage am Beginn des Interviews Selbsteinschätzung der Auskunftspersonen 11,7% 19,2%
69,1%
positive Stimmungslage neutral negative Stimmungslage [Prozent der Auskunftspersonen, Mehrfachantworten] Sorge
48,2%
Langeweile
Enttäuschung
0%
31,4% 26,6%
Freude
7,7%
Überraschung
6,9%
Begehren
13,3%
Stolz
12,5%
5,2%
Ekel / Ablehnung
36,9%
Liebe
16,6%
Traurigkeit
47,6%
Erwartung
16,8%
Verachtung
53,7%
Interesse/Neugier
25,6%
Furcht
[Prozent der Auskunftspersonen, Mehrfachantworten] Vertrauen/Akzeptanz
33,5%
Ärger
20%
40%
60%
80%
100%
20,6%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Stichprobe: n=2418
Abbildung 54: Stimmungslage unter den Probanden am Beginn des Interviews
Abbildung 55 zeigt die Überprüfung der Hypothese für jede erstellte Bilderskala. Die Einzelurteile jeder Item-Dreiergruppe wurden zu einem Summenscore addiert und anschließend die Mittelwerte der Zuordnungen der positiv gestimmten Personen mit jenen der negativ gestimmten, mittels T-Test für unabhängige Stichproben verglichen. Dabei ergaben sich bei den Emotionen Begehren, Freude, Enttäuschung und Furcht signifikante Unterschiede. Die formulierte Hypothese muss daher für diese vier Emotionen verworfen werden. Im Fall der Emotion Begehren ist der Zusammenhang zwischen Stimmungslage der Auskunftsperson und Zuordnung der Emotion auf Marken sogar hochsignifikant. Positiv gestimmte Personen ordnen Begehren und Freude auf Marken stärker zu, Enttäuschung und Furcht hingegen schwächer. Die Stimmungslage sorgt also jeweils für eine Verstärkung der Zuordnung der vier Emotionskategorien auf Marken.
310
Die Bearbeitung der Hypothesen
Einfluss der Stimmungslage T-Tests für unabhängige Stichproben
Akzeptanz / Vertrauen Begehren Stolz Freude Liebe Langeweile Enttäuschung Traurigkeit Überraschung Ärger Ekel Furcht
Levene-Test auf Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit F Signifikanz T df 2,719 0,099 -0,026 2134 gleiche Varianzen -0,026 760,700 ungleiche Varianzen 0,076 0,783 -2,813 2134 gleiche Varianzen -2,832 749,362 ungleiche Varianzen 1,723 0,189 -1,948 2134 gleiche Varianzen ungleiche Varianzen -1,990 764,822 0,748 0,387 -2,339 2134 gleiche Varianzen -2,328 737,420 ungleiche Varianzen 0,177 0,674 -1,647 2134 gleiche Varianzen -1,662 751,692 ungleiche Varianzen 0,711 0,399 1,218 2134 gleiche Varianzen 1,212 736,622 ungleiche Varianzen gleiche Varianzen 0,098 0,754 2,130 2134 2,118 736,528 ungleiche Varianzen 3,615 0,057 1,440 2134 gleiche Varianzen 1,394 710,770 ungleiche Varianzen 0,022 0,883 -0,735 2134 gleiche Varianzen -0,733 739,206 ungleiche Varianzen 0,558 0,455 1,736 2134 gleiche Varianzen ungleiche Varianzen 1,709 726,845 0,511 0,475 1,468 2134 gleiche Varianzen 1,452 731,106 ungleiche Varianzen 4,765 0,029 * 2,068 2134 gleiche Varianzen 2,004 711,175 ungleiche Varianzen
Sig. (2-seitig) 0,980 0,979 0,005 ° 0,005 0,051 0,047 0,019 * 0,020 0,100 0,097 0,223 0,226 0,033 * 0,034 0,150 0,164 0,462 0,464 0,083 0,088 0,142 0,147 0,039 0,045 *
nicht signifikant signifikant mit 5% Irrtumsw ahrscheinlichkeit signifikant mit 1% Irrtumsw ahrscheinlichkeit
* °
Stichprobe: n=2418
Abbildung 55: Einfluss der Stimmungslage
Es wurde also für ein Drittel der Bilderskalen nachgewiesen, dass Ihre Anwendung auf Marken von der Stimmungslage der Auskunftspersonen abhängt. Die Bilderskalen zeigen damit eine deutlich schwächere Abhängigkeit wie konventionelle, verbale Items der Erlebnisweltmessung. Dies konnte mit Hilfe derselben Studie nachgewiesen werden, da gegen Ende des Interviews die Auskunftspersonen gebeten wurden die Items „sympathisch“, „modern, zukunftsorientiert“, „vertrauenswürdig“, „dynamisch“, „kompetent“, „genießt hohes Ansehen“, „jugendlich/trendig“ und „bürokratisch“ ebenfalls auf die jeweiligen Marken mittels sechsstufiger Skala zuzuordnen. Mit Ausnahme des Items „bürokratisch“ zeigten sich hochsignifikante Zusammenhänge zwischen Stimmungslage der Auskunftspersonen und Bewertung der Marken. Die Richtung der Abweichung war mit den Ergebnissen zu den Emotionsskalen vergleichbar. Personen in positiver Stimmung bewerteten die Marken signifikant besser.
6.3 Einfluss der Markenvertrautheit Die gegenüber Marken empfundenen Emotionen sind von der Vertrautheit mit den Marken unabhängig.
Die Bearbeitung der Hypothesen
311
Im Zuge der Skalenentwicklung beeinflusste die Vertrautheit mit der Marke die Güte des Konstruktionsergebnisses nur unwesentlich. Ein Großteil der Auskunftspersonen (80,6%) fühlte sich ausreichend in der Lage, die Bilder auf Marken zuzuordnen (siehe auch Kapitel 5.2.2.1.1 auf Seite 291). Die hohe Stabilität der entwickelten Skalen bezüglich dieser Einflussgröße bedeutet aber nicht, dass die Stärke der Zuordnung der Bilder auf die Marken und damit die Emotionalität der Marke von der Klarheit des Bildes unabhängig ist. Im Gegenteil: es ist zu vermuten, dass Emotionen ähnliche Abhängigkeiten zeigen, wie konventionelle Items der Erlebnisweltmessung. Die Messung der Vertrautheit mit der Marke wurde vor der Bilderzuordnung anhand einer sechsstufigen Skala von 1=“habe ein sehr klares Bild“ bis 6=“habe ein sehr vages Bild“ gemessen. Wenn die Auskunftspersonen den Wert eins oder zwei bezüglich der ihnen zugewiesenen Marke vergeben haben, wurde ihre Vertrautheit als hoch eingestuft. Niedrige Vertrautheit mit der Marke wurde demzufolge bei den Skalenstufen fünf und sechs angenommen. Die Hypothese wurde anhand von Mittelwertvergleichen für jede der zwölf entwickelten Bilderskalen überprüft. Die Einzelurteile jeder Item-Dreiergruppe wurden zu diesem Zweck zu einem Summenscore addiert. Die Signifikanz der Mittelwertunterschiede wurde mit Hilfe von t-Tests für unabhängige Stichproben überprüft (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Bei vier von zwölf Bilderskalen konnte die Hypothese bestätigt werden. Für die negativen Emotionen Langeweile, Enttäuschung, Traurigkeit und Ärger konnte ein Zusammenhang zwischen Vertrautheit mit der Marke und Stärke der Emotionszuordnung festgestellt werden (siehe Abbildung 56).
312
Die Bearbeitung der Hypothesen
Einfluss der Vertrautheit mit der Marke T-Tests für unabhängige Stichproben
Akzeptanz / Vertrauen Begehren Stolz Freude Liebe Langeweile Enttäuschung Traurigkeit Überraschung Ärger Ekel Furcht
Levene-Test auf Varianzgleichheit T-Test für die Mittelwertgleichheit F Signifikanz T df 0,396 0,529 -3,170 1809 gleiche Varianzen -3,222 471,979 ungleiche Varianzen 9,756 0,002 ° -7,246 1809 gleiche Varianzen -7,731 498,543 ungleiche Varianzen 2,177 0,140 -3,354 1809 gleiche Varianzen ungleiche Varianzen -3,454 478,662 0,011 0,915 -6,587 1809 gleiche Varianzen -6,598 464,731 ungleiche Varianzen 0,223 0,637 -5,406 1809 gleiche Varianzen -5,522 474,494 ungleiche Varianzen 3,204 0,074 1,517 1809 gleiche Varianzen 1,574 482,624 ungleiche Varianzen gleiche Varianzen 0,329 0,567 1,248 1809 1,241 461,566 ungleiche Varianzen 1,590 0,207 1,328 1809 gleiche Varianzen 1,375 481,635 ungleiche Varianzen 0,282 0,596 -4,584 1809 gleiche Varianzen -4,677 473,885 ungleiche Varianzen 1,301 0,254 -0,106 1809 gleiche Varianzen ungleiche Varianzen -0,109 478,352 0,822 0,365 2,671 1809 gleiche Varianzen 2,641 458,665 ungleiche Varianzen 2,968 0,085 3,981 1809 gleiche Varianzen 3,859 449,891 ungleiche Varianzen
Sig. (2-seitig) 0,002 ° 0,001 0,000 0,000 ° 0,001 ° 0,001 0,000 ° 0,000 0,000 ° 0,000 0,129 0,116 0,212 0,215 0,184 0,170 0,000 ° 0,000 0,915 0,913 0,008 ° 0,009 0,000 ° 0,000
nicht signifikant signifikant mit 5% Irrtumsw ahrscheinlichkeit signifikant mit 1% Irrtumsw ahrscheinlichkeit
* °
Stichprobe: n=2418
Abbildung 56: Einfluss der Vertrautheit mit der Marke
Wieder konnte ein Vergleich zu acht konventionell gemessenen Items der Erlebnisweltmessung gezogen werden („sympathisch“, „modern, zukunftsorientiert“, „vertrauenswürdig“, „dynamisch“, „kompetent“, „genießt hohes Ansehen“, „jugendlich/trendig“ und „bürokratisch“). Diesmal zeigte sich ein sehr ähnliches Bild. Bei sieben Items besteht ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Vertrautheit und Markenbeurteilung. Beim einzigen negativen Item „bürokratisch“ konnte der Zusammenhang mit einem Signifikanzniveau von 95% nachgewiesen werden.
6.4 Die Komplexität von Dekodieren und Zuordnen der Bilditems Das Dekodieren der Bilder hinsichtlich der kommunizierten bzw. erzeugten Emotion wird als leichter wahrgenommen, als die Zuordnung der Emotion auf die Marke. Die Zuordnung der Bilder auf die Marken wird als zweistufiger Prozess wahrgenommen (BOSCH 2004, bzw. Beitrag von BOSCH). Zuerst werden die Stimuli hinsichtlich Ihrer kommunizierten bzw. erzeugten Emotionen dekodiert und danach mit den Marken in Verbindung gebracht. Je nach dem, ob es sich um eher emotionsauslösende oder eher emotionsdarstellende Items handelt, gelingt der erste Schritt leichter oder schwerer. Nach den
Die Bearbeitung der Hypothesen
313
ausführlichen Erfahrungen mit der Bildvermessung (Studie II) und den Pretests für Studie III durfte man annehmen, dass die Zuordnung der dekodierten Stimuli auf die Marken für die Probanden das schwierigere Unterfangen des zweiteiligen Zuordnungsprozesses darstellt. Diese Hypothese konnte aber im Zuge von Studie III aufgrund des Fragebogenumfangs nur oberflächlich behandelt werden, denn es darf angenommen werden, dass die Komplexität von Dekodieren und Zuordnen mit jedem Stimuli variiert, was eine Überprüfung der Annahme bei zumindest mehreren Stimuli notwendig erscheinen ließ. Stattdessen wurden die Probanden nach erfolgter Zuordnung der 125 visuellen Stimuli gebeten, anhand zweier sechsstufiger Skalen (von 1=“sehr leicht“ bis 6=“sehr schwierig“) die Schwierigkeit des Dekodierens der Bilder insgesamt zu bewerten und anschließend die Schwierigkeit der Zuordnung auf die Marken über alle Bilder hinweg einzuschätzen. Anhand des Vergleichs der Mittelwerte beider Fragen mittels T-Test für eine abhängige Stichprobe, bei einem Signifikanzniveau von 95% wird über Annehmen und Verwerfen der Hypothese entschieden. Die folgende Abbildung bestätigt die Vermutung, die Hypothese kann also beibehalten werden. Das Dekodieren der visuellen Stimuli fiel den Probanden deutlich leichter als die folgende Zuordnung auf die Marken.
Dekodieren versus Zuordnen T-Tests für abhängige Stichproben [Prozent der Auskunftspersonen]
22,8
erfassen
zuordnen
9,6
0%
[Mittelwerte]
36,2
21
24,4
20%
"sehr leicht"
21,5
22,5
40%
2
3
4
12,5
60%
5
15,1
4,8
2,47
2,2
3,35
7,4
80%
100%
1
2
3
4
"sehr schwierig"
T-Test für eine abhängige Stichprobe
erfassen zuordnen
Stichprobe: n=201/202
T 98,884 117,326
df 2415 2415
Sig. (2-seitig) 0,000 ° 0,000 °
nicht signifikant signifikant mit 5% Irrtumswahrscheinlichkeit signifikant mit 1% Irrtumswahrscheinlichkeit
Abbildung 57: Die Komplexität von Dekodieren und Zuordnen der Bilditems
* °
5
6
314
7
Resümee
Resümee
Am Ende eines umfangreichen Forschungsprojekts, das einem über viele Monate begleitete, ist es an der Zeit ein Resümee zu ziehen. Als Ergebnis liegt ein computergestütztes Erhebungstool vor, das in der Lage ist, den Großteil der im Zusammenhang mit Marken relevanten Emotionen, auf eine neue Art und Weise zu messen und das der konventionellen, ausschließlich verbalen Erhebungsmethode überlegen ist. In wie weit das geschaffene Instrument in der Lage sein wird, den Alltag der Marktforschung zu bereichern, wird die Praxis zeigen. Es ist anzunehmen, dass sich die neue Erhebungsmethode erst dann durchsetzen wird wenn die Feldphase ohne Qualitätsverlust im World Wide Web durchgeführt werden kann und man bei der Datenerhebung nicht mehr auf viel teurere CAPI Interviews angewiesen ist. Die permanent zunehmende Zahl von BreitbandInternetanschlüssen in den Haushalten unterstützt zweifellos diese Entwicklung. Weiters wäre es sicher interessant festzustellen, ob die vorliegenden Skalen in der Lage sind, nicht nur die Emotionalität von Marken, sondern auch jene von Werbemitteln zu messen, zumal die Verwendung der Skalen ohnedies den Einsatz von EDV in der Feldphase bedingt und die zu testenden Werbemittel den Probanden in adäquater Art und Weise präsentiert werden könnten. Trotz des beträchtlichen Aufwandes ist es leider nicht gelungen, für alle relevanten Emotionen eine Bilderskala zu entwickeln. Mit den im Zuge der Projektbearbeitung gewonnenen Erkenntnissen wäre es aber unter Umständen möglich, den Kreis der alternativ messbaren Emotionskategorien zu erweitern. Besonders der für den Marketingalltag bedeutsamen Emotion Erwartung könnte ein Forschungsschwerpunkt gewidmet sein. Auch eine intensivere Auseinandersetzung mit der besonders vielfältigen Emotion Freude könnte lohnenswert sein und das Erhebungsinstrument insgesamt weiter verbessern. Vielleicht gelingt es ja, mehrere Unterkategorien von Freude entsprechend voneinander abzugrenzen und mittels verbal geprimter Bilderskalen zu messen?
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Teil 3
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Christian Bosch
Inhaltsverzeichnis
325
Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangssituation und Problemstellung ........................................................................... 333 2 Das Bild ............................................................................................................................. 337 2.1 Definition ................................................................................................................... 337 2.2 Bild und Wirklichkeit................................................................................................. 339 2.3 Der Picture Superiority Effect.................................................................................... 343 3 Die Emotionsgenese .......................................................................................................... 348 3.1 Emotion und Kognition.............................................................................................. 348 3.1.1 Die Kontroverse zwischen ZAJONC und LAZARUS ..................................... 348 3.1.2 Der Bewertungsprozess zur Emotionsgenese ................................................... 349 3.1.3 Das Multi-Level-Processing Modell nach LEVENTHAL und SCHERER...... 354 3.1.4 Der Einfluss der visuellen Wahrnehmung an der Emotionsgenese .................. 355 3.2 Emotionsdarstellung versus Emotionsauslösung ....................................................... 356 3.3 Die Rolle der visuellen Wahrnehmung im Prozess der Emotionsgenese .................. 359 4 Der Prozess der visuellen Wahrnehmung.......................................................................... 361 4.1 Einleitung und Definition........................................................................................... 361 4.2 Die Stufen des Wahrnehmungsprozesses................................................................... 362 4.3 Reizaufnahme............................................................................................................. 366 4.4 Organisationsprozesse................................................................................................ 369 4.4.1 Wahrnehmung von Tiefe und Oberfläche......................................................... 369 4.4.2 Wahrnehmung von Formen und Objekten in ruhenden Bildern – Die Gestaltgesetze der Wahrnehmung.............................................................. 371 4.4.3 Farbwahrnehmung ............................................................................................ 374 4.5 Grundsätze der Mustererkennung .............................................................................. 375 4.5.1 Datengesteuerte Mustererkennung.................................................................... 375 4.5.2 Konzeptgesteuerte Mustererkennung................................................................ 376 4.5.3 Gemeinsame Betrachtung beider Theorien....................................................... 377 4.5.4 Objekterkennung............................................................................................... 378 4.6 Theorien der visuellen Wahrnehmung ....................................................................... 382 4.6.1 Nativistische Wahrnehmungstheorien – GIBSONs „Ökologische Wahrnehmung“......................................................... 382 4.6.2 Kognitive Wahrnehmungstheorien ................................................................... 384 4.6.2.1 Irvin ROCK: Die Logik der Wahrnehmung ....................................... 385 4.6.2.2 David MARR: Der computationale Ansatz ........................................ 387 4.6.2.3 Ulric NEISSER: Kognition und Wirklichkeit .................................... 389
326
Inhaltsverzeichnis
4.7 Die Schematheorie ..................................................................................................... 390 4.7.1 Definition des Schemabegriffs.......................................................................... 390 4.7.2 Kategorien unterschiedlicher Schemata............................................................ 392 4.7.3 Organisation von Schemata .............................................................................. 393 4.7.4 Aktivierung von Schemata................................................................................ 396 4.7.4.1 Prozesse der Schemaaktivierung ........................................................ 396 4.7.4.2 Zuweisung von Bedeutung ................................................................. 398 4.7.4.3 Emotionale Schemata ......................................................................... 400 4.7.5 Schemakonsistenz visueller Reize .................................................................... 402 4.7.5.1 Schemakonsistente und schemainkonsistente Informationen............. 402 4.7.5.2 Ambivalente Schemata ....................................................................... 405 4.7.6 Einflussgrößen auf die Schemaaktivierung....................................................... 406 4.7.6.1 Bildbezogene Einflussfaktoren ........................................................... 406 4.7.6.2 Personenbezogene Einflussgrößen ..................................................... 406 4.7.6.3 Kontexteinflüsse ................................................................................. 409 4.7.6.3.1 Arten des Kontext...................................................................... 409 4.7.6.3.2 Kontext und Bildkomplexität .................................................... 411 4.7.6.3.3 Situativer Kontext bei der Wahrnehmung von Emotionen ....... 415 4.7.6.3.4 Aktivierungssteuerung durch Priming....................................... 416 4.7.6.3.5 Emotionswahrnehmung aufgrund von Person-Kontext-Informationen........................................... 421 4.8 Bildinhalte zur Emotionskommunikation .................................................................. 423 4.9 Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken.......................................................... 425 5 Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation ...................................................... 430 5.1 Grundsätzliche Überlegungen .................................................................................... 430 5.2 Kriterien für Bildauswahl und Bildgestaltung ........................................................... 431 5.2.1 Globale Bildmerkmale ...................................................................................... 431 5.2.2 Schemakongruenz von Bildelementen.............................................................. 432 5.2.3 Bildkomplexität und innerer Kontext des Bildes.............................................. 434 5.2.4 Zusammengefasste Anforderungen an Bilder zur Emotionsmessung .............. 435 5.3 Kriterien für die Bildpräsentation .............................................................................. 435 5.3.1 Darbietungsdauer der Bildreize ........................................................................ 435 5.3.2 Verbale Instruktionen........................................................................................ 436 5.3.3 Priming.............................................................................................................. 437 5.3.4 Darbietungsmodus ............................................................................................ 437 5.3.5 Zusammengefasste Erkenntnisse für die Reizdarbietung ................................. 440 5.4 Darbietungsmodalitäten im Experimentaldesign ....................................................... 440
Inhaltsverzeichnis
327
6 Forschungshypothesen ...................................................................................................... 442 6.1 Hypothese 1: Die Wirkungshypothese....................................................................... 442 6.2 Hypothese 2: Die Stabilitätshypothese....................................................................... 444 6.3 Hypothese 3: Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“ ..................................... 445 7 Experimentaldesign und Studienaufbau ............................................................................ 447 7.1 Entwicklung des Experimentaldesigns....................................................................... 447 7.2 Messvalidität .............................................................................................................. 450 7.2.1 Überblick über die Arten der Messvalidität...................................................... 450 7.2.2 Wahl des Außenkriteriums................................................................................ 451 7.3 Realisierung des Experimentaldesigns....................................................................... 453 7.3.1 Erhebungsinstrument ........................................................................................ 453 7.3.2 Reiz- und Markenauswahl ................................................................................ 454 7.3.2.1 Emotionen und Marken im Experimentaldesign ................................ 454 7.3.2.2 Bildreize im Experimentaldesign........................................................ 456 7.3.2.3 Primes und Wortreize im Experimentaldesign ................................... 457 7.3.3 Aufbau des Experimental-Fragebogens ............................................................ 458 7.3.3.1 Einleitung............................................................................................ 459 7.3.3.2 Hauptteil – Die Messung der Emotionen im Zusammenhang mit Marken.......................................................... 461 7.3.3.3 Erhebung demografischer Daten der Auskunftspersonen .................. 462 7.3.3.4 Messung von Einstellung und Markenpräferenz der Auskunftspersonen ....................................................................... 462 7.3.3.5 Implementierung eines Within-Groups-Designs ................................ 463 7.3.3.6 Erhebung der Markenvorstellung ....................................................... 463 7.3.4 Durchführungsplanung...................................................................................... 464 7.4 Stichprobenbeschreibung ........................................................................................... 465 7.4.1 Demografische Variablen der Auskunftsperson ............................................... 465 7.4.2 Allgemeine Stimmungslage der Auskunftsperson............................................ 466 7.4.3 Markenvorstellung ............................................................................................ 467 7.4.4 Art des Reizzuordnungsprozesses..................................................................... 467 7.4.5 Einstellung zu den untersuchten Marken und Markenpräferenz ...................... 469 8 Analyse der alternativen Messmethoden........................................................................... 470 8.1 Analyse der Beziehungsstärke ................................................................................... 471 8.1.1 Analyse der Beziehungsstärke zwischen Emotion und Einstellung zur Marke 475 8.1.2 Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke ........................................................ 480 8.1.2.1 Stärke der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke ................... 480 8.1.2.2 Stärke der Beziehung Emotion – Markenpräferenz............................ 482 8.1.2.3 Reduzierung der Wortreizdarbietung auf die verbalisierte Emotionsqualität ................................................ 483
328
Inhaltsverzeichnis
8.1.3 Überprüfung der Wirkungshypothese............................................................... 485 8.1.3.1 Überprüfung der emotionalen Wirkung von Bildsequenzen (Hypothese 1.1)................................................................................... 487 8.1.3.2 Überprüfung der emotionalen Wirkung von verbalem Priming (Hypothese 1.2)................................................................................... 487 8.1.3.3 Überprüfung der emotionalen Wirkung von Wortreizen (Hypothese 1.3)................................................................................... 488 8.2 Einfluss des Ausmaßes „emotionalen Bildverstehens“.............................................. 489 8.2.1 Analyse der Beziehungsstärke Freude – Einstellung zur Marke ...................... 490 8.2.2 Gesamtbetrachtung des Einflusses „emotionalen Bildverstehens“................... 491 8.2.3 Überprüfung der Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“ ...................... 493 8.3 Analyse der Modellgüte ............................................................................................. 494 8.3.1 Modellgüte der Regressionsbeziehung Emotion – Einstellung zur Marke....... 497 8.3.2 Gesamtbetrachtung der Modellgüte .................................................................. 497 8.3.2.1 Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke ........... 497 8.3.2.2 Modellgüte der Beziehung Emotion – Markenpräferenz ................... 499 8.3.3 Überprüfung der Stabilitätshypothese............................................................... 499 8.4 Within Groups Vergleich: Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung ................................. 500 8.4.1 Analyse der Beziehungsstärke .......................................................................... 500 8.4.1.1 Analyse Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung anhand der Marke Austrian Airlines................................................... 501 8.4.1.2 Analyse Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung anhand der Marke News ..................................................................... 503 8.4.2 Analyse der Modellgüte .................................................................................... 504 8.4.2.1 Modellgüte der Beziehung zwischen Emotion und Einstellung zur Marke.................................................................. 504 8.4.2.2 Modellgüte der Beziehung zwischen Emotion und Markenpräferenz.......................................................................... 504 8.4.3 Intramodaler Between-Groups-Vergleich......................................................... 505 9 Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode ....................................................... 507 9.1 Limitierungen und offene Forschungsfragen ............................................................. 507 9.2 Methodische Erkenntnisse.......................................................................................... 507 9.3 Wahl der optimalen Methode zur Messung von Emotionen...................................... 511 Literaturverzeichnis................................................................................................................ 515
Abbildungsverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die visuellen Wirklichkeitsebenen .................................................................. 341 Abbildung 2: Weinende Frau (Bild aus der Emotionsskala „Trauer“) .................................. 342 Abbildung 3: Kaffee............................................................................................................... 343 Abbildung 4: Aktivierung von bildhaftem und verbalem Kodierungssystem ....................... 345 Abbildung 5: Hierarchie zur Einprägsamkeit von Bild und Sprache in der Werbung........... 346 Abbildung 6: Kognitives Modell der Emotionsentstehung nach LAZARUS........................ 350 Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Emotionen und Bewertungsdimensionen .............. 353 Abbildung 8: Zwei grundsätzliche Modelle des Emotionszuordnungsprozesses .................. 358 Abbildung 9: Einordnung verschiedener Bildtypen............................................................... 359 Abbildung 10: Beispiele für unterschiedlichen Kontrastreichtum von Reizmustern............. 365 Abbildung 11: Beispiele für unterschiedliche Komplexität von Reizmustern....................... 369 Abbildung 12: Beispiele für Figur-Grund-Differenzierungen ............................................... 372 Abbildung 13: Beispiele zu den Gestaltgesetzen der visuellen Wahrnehmung..................... 373 Abbildung 14: Zusammenwirken von Bottom-up und Top-down-Prozessen ....................... 378 Abbildung 15: Prozess der Objekterkennung nach BIEDERMAN ....................................... 380 Abbildung 16: Geone nach BIEDERMAN............................................................................ 381 Abbildung 17: Beispiele für die „Intelligenz der Wahrnehmung“ nach ROCK .................... 386 Abbildung 18: Der Wahrnehmungszyklus............................................................................. 391 Abbildung 19: Beispiel für Spezifizierung von Information ................................................. 394 Abbildung 20: Organisation und formale Struktur von Schemata......................................... 395 Abbildung 21: Entwicklung und Wirkung emotionaler Schemata ........................................ 408 Abbildung 22: Kontextaspekte bei der Emotionswahrnehmung aufgrund nonverbalen Verhaltens................................................................... 410 Abbildung 23: Illustration von statischen Kontexten: Teile-Ganzes- (a) und situativer Kontext (b).................................................. 412 Abbildung 24: Piktogramme und Mimiken ........................................................................... 414 Abbildung 25: Primingeffekte als Funktion der Zeit ............................................................. 419 Abbildung 26: Drei Modelle von Primingeffekten ................................................................ 421 Abbildung 27: Modell der Emotionswahrnehmung aufgrund von Person-Kontext-Informationen ................................................ 422 Abbildung 28: Klassifikation visueller, nonverbaler, emotionaler Kommunikation ............. 424 Abbildung 29: Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken.............................................. 426 Abbildung 30: Beispiele unterschiedlicher Ich-Beteiligung der Emotionswahrnehmung..... 428 Abbildung 31: Darbietungsmodalitäten im Experimentaldesign ........................................... 447 Abbildung 32: Grundsätzliches Schema des Experimentaldesigns ....................................... 449 Abbildung 33: Einstellungs- und Imagemodell ..................................................................... 451 Abbildung 34: Emotionen und Marken im Experimentaldesign ........................................... 455 Abbildung 35: Bildreize im Experimentaldesign................................................................... 457
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 36: Wortreize und –primes im Experimentaldesign............................................. 458 Abbildung 37: Aufbau des Experimental-Fragebogens ......................................................... 459 Abbildung 38: Reiz-Markenkombinationen zur Selbstreflexion der Emotionswahrnehmung ............................................................................ 460 Abbildung 39: Art der Reizzuordnung durch die Testpersonen ............................................ 468 Abbildung 40: Schematischer Aufbau des Between-Groups-Designs................................... 470 Abbildung 41: Lineare Regressionsbeziehungen zweier Datenuntermengen........................ 472 Abbildung 42: Regressionsbeziehung Freude – Einstellung zur Marke Austrian Airlines in den fünf Varianten.............................................. 478 Abbildung 43: Gesamtbetrachtung Beziehungsstärke Emotion – Einstellung ...................... 481 Abbildung 44: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke Emotion – Markenpräferenz....... 482 Abbildung 45: Reduzierung der Anzahl verbaler Reize am Beispiel Liebe – Einstellung zur Marke Austrian Airlines........................................................ 484 Abbildung 46: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung bei Reduzierung der Wortreizdarbietung .................................... 485 Abbildung 47: Einfluss des Reizzuordnungsprozesses auf die Beziehung Freude – Einstellung zur Marke C&A........................................................................... 490 Abbildung 48: Einfluss des „emotionalen Bildverstehens“ auf die Beziehungsstärke.......... 492 Abbildung 49: Gesamtbetrachtung der Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung.. 498 Abbildung 50: Schematischer Aufbau des Within-Groups-Design ....................................... 500 Abbildung 51: Versuchsanordnung des intramodalen Between-Groups-Vergleiches........... 505 Abbildung 52: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke ..................................................... 511
Tabellenverzeichnis
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Festlegung der Dummy Variablen ...................................................................... 473 Tabelle 2: ANOVA des vollständigen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ......................................................................... 476 Tabelle 3: Koeffizientenmatrix des vollständigen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ......................................................................... 476 Tabelle 4: ANOVA des einfachen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ......................................................................... 477 Tabelle 5: Koeffizientenmatrix des einfachen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ......................................................................... 477 Tabelle 6: Hypothesenprüfung auf Homogenität der Steigungen der Beziehung Freude – Einstellung zur Marke Austrian Airlines ............................................. 479 Tabelle 7: Variantenvergleich der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung ...................... 486 Tabelle 8: Variantenvergleich der Beziehungsstärke Emotion – Markenpräferenz............. 486 Tabelle 9: Gegenüberstellung der Teilgruppen E und S für die Emotion Freude ................ 491 Tabelle 11: Prognosefehler (CV) der Beziehung Freude – Einstellung zur Marke ............... 497 Tabelle 12: Rangreihungen der Varianten entsprechend ihrer Modellgüte ........................... 498 Tabelle 13: Analyse der Varianten im Within-Groups-Design: Emotion vs. Einstellung zu Austrian Airlines................................................................... 501 Tabelle 14: Hypothesenprüfung: Homogenität der Steigungen im Within-Groups-Design: Einstellung – Austrian Airlines............................... 502 Tabelle 15: Analyse der Varianten im Within-Groups-Design: Einstellung – Marke News .................................................................................. 503 Tabelle 16: Hypothesenprüfung: Homogenität der Steigungen im Within-Groups-Design: Einstellung – News ................................................. 503 Tabelle 17: Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke............................ 504 Tabelle 18: Emotionsspezifische signifikante Ergebnisse zwischen den Varianten V und I ......................................................................... 509
Ausgangssituation und Problemstellung
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1 Ausgangssituation und Problemstellung Die Zielsetzung des Gesamtprojekts ist auf die Generierung eines standardisierten Pools von Bildreizen gerichtet, und geht somit von den immer noch gängigen verbalen Messmethoden in der Emotionsmessung ab. Für den Einsatz von Bildern in der Emotionsmessung sprechen zahlreiche Argumente, die im Wesentlichen der an der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien entwickelten Nonverbalen Imagemessung (NVI) entnommen werden können: x Bilder haben im Allgemeinen ein größeres Aktivierungspotenzial als Texte, sie gehen den Empfängern mehr unter die Haut (SCHWEIGER 1985a, S. 126), eignen sich daher besser zur Messung von Emotionen. x Durch die Verwendung von Bildern soll die Tendenz zu erwünschten Antworten reduziert werden, Bilder werden „ehrlicher“ zugeordnet als Wortreize (SCHWEIGER 1985b, S. 251). x Das Problem der „doppelten Übersetzung“ fällt weg, damit ist gemeint, dass die Marktforschung zur Erhebung von Images visuelle Dimensionen in Worte fassen muss, damit die Erhebung durchführt und die Ergebnisse dem Kreativen präsentiert. Dieser steht nun vor dem Problem, die verbale Information wieder in Bilder zu übersetzen, wobei Übersetzungsschwierigkeiten auftreten können (SCHWEIGER 1985a, S. 128). x Internationale Studien bzw. Kampagnen haben das Problem der Übersetzung in die jeweiligen Landessprachen zu lösen. Dieses Übersetzungsproblem fällt bei visuellen Reizen weg, weshalb Bildreize besser für multinationale Studien geeignet sind als verbale Formulierungen (SCHWEIGER und WUSST 1988, S. 39). x Nicht zuletzt tragen Bilder zur Auflockerung des Interviews bei (SCHWEIGER 1985b, S. 251). In zahlreichen an der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführten Studien zur Nonverbalen Imagemessung werden aber auch immer wieder Problembereiche aufgezeigt, von denen einige kurz herausgegriffen werden sollen: Die Suche und Auswahl bzw. die Anfertigung der Bilder gilt als zeitaufwendig und kostspielig (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 306). HARBICH (1987) beziffert die Kosten einer NVI im Vergleich zu herkömmlichen verbalen Methoden mit einem Verhältnis von 2,5:1. Den zeitlichen Mehraufwand schätzt er für die NVI aufgrund der Erstellung der Bildersätze doppelt so hoch ein, wie bei Durchführung einer Imagemessung mittels Wortitems (HARBICH 1987, S. 195).
334
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
FUCHS (1998) zeigt in ihrer Studie zur Messung der Erlebniswelt österreichischer Tageszeitungen ein weiteres Problem der NVI auf. Hierbei wurde das Bild eines Personenwagens der Marke Mercedes eingesetzt, das „Exklusivität“ ausdrücken sollte. Von den Auskunftspersonen wurde das Bild signifikant auf die Tageszeitung Kurier zugeordnet, obwohl die Marke Kurier aufgrund verbal erhobener Items nicht durch die Dimension „Exklusivität“ charakterisiert werden konnte, allerdings Stärken im Bereich der Berichterstattung über „Auto und Motor“ aufwies. Ein ähnliches Phänomen kann bei Zuordnung des Bildreizes „Flughafen“ beobachtet werden. Das Bild sollte „Internationalität“ kommunizieren und wurde ebenfalls mehrheitlich auf die Marke Kurier zugeordnet. FUCHS (1998) führt dies auf die Kompetenz von Kurier bei der Reiseberichterstattung zurück. (FUCHS 1998, S. 100) Ein weiterer, bereits von HERZIG (1990) genannter Aspekt ist, dass Bilder im Gegensatz zu Erhebungen mittels Wortreizen ein für den Befragten eher ungewohntes Instrument darstellen und deshalb auf völliges Unverständnis bei den Auskunftspersonen stoßen können (HERZIG 1990, S. 23). BOSCH und SCHIEL (1999) zeigen diese Problematik in ihrer Studie zum Image von Fluglinien auf. Das Bild eines in einer Hängematte liegenden Kätzchens, das laut Bildvermessung das Gefühl des Sich-Verwöhnen-Lassens, der Zufriedenheit und Entspanntheit ausdrückt, wurde von einem Drittel der Auskunftspersonen keiner Fluglinie zugeordnet. Sie führen diesen hohen Anteil an verweigerten Zuordnungen auf Probleme bei der Bildinterpretation im Zusammenhang mit Fluglinien zurück (BOSCH und SCHIEL 1999, S. 190). Es müssen daher, um ähnlich gelagerte Probleme im Zuge der bildhaften Emotionsmessung zu vermeiden, drei zentrale Fragestellungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Bildern diskutiert werden: x Welche Bildinhalte sind grundsätzlich geeignet, Emotionen zu kommunizieren? (Unter „kommunizieren“ soll sowohl die Emotionsdarstellung als auch die Emotionsauslösung verstanden werden.) x Welche Anforderungen muss ein Bild erfüllen, um von der Auskunftsperson in der vom Projekt- bzw. Versuchsleiter beabsichtigten Art und Weise interpretiert und verstanden zu werden? x Welche ist die zur Kommunikation emotionaler Inhalte geeignetste Präsentationsform von Bildern? (Unter der Präsentationsform wird ganz allgemein die Art und Weise der Reizdarbietung verstanden.) Die gegenständliche Arbeit soll Antworten auf diese Fragen liefern, wobei als Grundvoraussetzung die universelle Einsetzbarkeit der Bildreize erfüllt sein muss. Diese Forderung bedingt die Einhaltung nachstehender Rahmenbedingungen. Diese betreffen
Ausgangssituation und Problemstellung
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x einerseits die Unabhängigkeit der Stimuli von den zu testenden Marken und Produktgruppen, sowie x andererseits die Verwendungsmöglichkeit der Reize über verschiedene Märkte und Marktsegmente hinweg, wobei als Marktsegment nach KOTLER und BLIEMEL (2001) eine größere identifizierbare Kundengruppe innerhalb eines Marktes zu verstehen ist (KOTLER und BLIEMEL 2001, S. 419). x Ferner muss die Praktikabilität des Erhebungstools gewährleistet sein, um die Emotionsmessung für die Marktforschung zugänglich zu machen. In einem ersten Schritt ist es deshalb angebracht, sich ausführlicher mit dem vielschichtigen Begriff des Bildes und im Anschluss mit der Überlegenheitswirkung von Bildern gegenüber Wörtern zu befassen. Der Stellenwert von Bildern in der modernen Medienlandschaft kann gar nicht überschätzt werden. Sie durchdringen gleichermaßen die moderne Arbeits- und Berufswelt wie die Freizeitwelt. Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in der Faszination, die ihr unmittelbarer, sinnlicher Eindruck gewährt, Bilder können darüber hinaus helfen, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen und zu strukturieren. Nicht zuletzt durch diese Eigenschaft ist es sinnvoll, sich mit bildlichen Darstellungsformen wissenschaftlich auseinander zu setzen. Das anschließende Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem „Bild“. Neben einer Gliederung in unterschiedliche Bildtypen wird versucht, eine geeignete Definition des Bildbegriffes zu finden. Im Anschluss wird die Wirklichkeitsnähe von Bildreizen – auch im Hinblick auf zu kommunizierende Emotionen – untersucht und die Überlegenheitswirkung von Bildern gegenüber verbalen Stimuli unter dem Schlagwort Bildüberlegenheitseffekt erörtert. Der Frage, wie Emotionen (durch Bilder) ausgelöst werden, wird in Kapitel 3 nachgegangen. Dabei wird einerseits das Zusammenwirken von Emotion und Kognition diskutiert, andererseits auf zwei grundlegend unterschiedliche Bildtypen – emotionsauslösende und emotionsdarstellende – eingegangen. In Kapitel 4 wird entsprechend der Bedeutung für das gesamte Forschungsprojekt der visuellen Wahrnehmung breiter Raum gewidmet. Der Wahrnehmungsprozess soll ausgehend vom visuellen Reiz mit Exkursen zum retinalen System und visuellen Kortex dargestellt werden, wobei neben Organisationsprozessen die Theorien der visuellen Wahrnehmung diskutiert werden. Mit Hilfe der Schematheorie wird daraufhin versucht, die Wahrnehmung von Bildern und der in ihnen implizierten Emotionen zu erklären und ein Gesamtmodell der „Emotionszuordnung“ auf Marken abzuleiten. Kapitel 5 greift die bis dahin gewonnen Erkenntnisse auf und formuliert Ansätze für die Gestaltung und Präsentation emotionaler Bilder. Ziel ist die Ableitung konkreter Maßnahmen
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
für die Reizdarbietung und die Schaffung einer Grundlage zur Formulierung der Hypothesen für den empirischen Teil der Arbeit. In Kapitel 6 werden die aus der Theorie abgeleiteten Forschungshypothesen formuliert, die im Zuge der durchgeführten empirischen Studie überprüft werden sollen. Die Entwicklung und Umsetzung des Experimentaldesigns, die Datenerhebung und die Beschreibung des Samples sind Gegenstand von Kapitel 7, Kapitel 8 befasst sich nach der Erklärung der angewandten Datenanalyseverfahren mit der Untersuchung der alternativen Messmethoden im Hinblick auf ihre Validität zur Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken. Das abschließende Kapitel 9 soll nicht nur eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Forschungsarbeit geben, sondern auch die aufgrund der Ergebnisse optimale Methode der Reizdarbietung für die Emotionsmessung definieren.
Das Bild
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2 Das Bild 2.1 Definition Im Verhältnis zur Sprachwissenschaft hat sich eine „Bildwissenschaft“ bisher erst wenig ausgebildet. Ein wesentlicher Grund liegt in der Heterogenität der Phänomene, die mit dem Ausdruck „Bild“ bezeichnet werden. Schon der Sprachgebrauch lässt auf diese Vielschichtigkeit des Begriffes „Bild“ schließen, wenn etwa von „Weltbildern“, „Menschenbildern“, „Leit- und Idealbildern“, „Spiegelbildern“, „Sprachbildern“ oder „mentalen Bildern“ gesprochen wird. (SACHS-HOMBACH und REHKÄMPER 1998, S. 9) Der Begriff des Bildes gliedert sich in ein semantisches Feld, das von zwei entgegengesetzten Polen bestimmt ist. Der eine bezeichnet das perzeptuell unmittelbar wahrgenommene (oder sogar materiell existierende Bild), der andere meint dagegen das mentale Bild, das ohne Vorhandensein visueller Stimuli hervorgerufen werden kann. Darüber hinaus hat das, was etwa Künstler, Kritiker oder Kunstphilosophen über Bilder zu sagen haben, wenig gemeinsam mit dem, was Fotografen, Optiker oder Geometer wissen. Kein Vertreter dieser beiden Gruppen weiß vermutlich genau, was eigentlich ein Bild ist (GIBSON 1982a, S. 289). Die Schwierigkeit, eine allgemeingültige Bilddefinition zu finden, wird auch im Rahmen einer von HUBER (2000) angeführten Diskussion zum Thema „Sprache der Bilder“ deutlich. Die Diskutanten kommen zu dem Schluss, dass – solange eine rationale Einigung über den Bildbegriff nicht möglich ist – jede Wissenschaftsdisziplin ihren eigenen Bildbegriff haben soll. Die Verständigung würde allerdings erleichtert, wenn jeder klar machen würde, was er unter „Bild“ versteht, die Forderung nach einer Definition sei aber „zu viel des Guten“. (HUBER 2000a, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, www.hgbleipzig.de/artnine/bild/definition.html bzw. HUBER 2000b, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, www.hgb-leipzig.de/artnine/bild/sprache.html, 12.06.2003) WEIDENMANN (1994) unterscheidet drei Arten von Bildern und trifft dabei eine eher pragmatische Einteilung. Er klassifiziert Bilder in „künstlerische Bilder“, „unterhaltende Bilder“ und „informierende Bilder“ (WEIDENMANN 1994, S. 9). x Künstlerische Bilder zeichnen sich durch die Offenheit für unterschiedlichste Rezeptionsweisen aus. Sie legen keinen Wert auf eindeutige Interpretierbarkeit in dem es dem Betrachter – entsprechend der These von der Unauslegbarkeit des Kunstwerkes – offen steht, das Bild auf seine Weise auszulegen. x Unterhaltende Bilder sollen vor allem Aufmerksamkeit wecken und Emotionen auslösen. Die Gestaltung solcher Bilder ist ganz auf diese Zielrichtung hin ausgerichtet, wie sich anhand von Fotos in diversen Printmedien oder Werbesujets leicht nachvollziehen lässt.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Umfassend beschäftigt sich WEIDENMANN (1994) mit informierenden Bildern. Sie sind funktionalisiert und sollen bestimmte Informationen effektiv kommunizieren. Diese Bilder kommen vor allem in instruktionalen Situationen zum Einsatz, um Wissen zu erwerben. Zwar räumt WEIDENMANN (1994) ein, dass sich wohl auch künstlerische und unterhaltende Bilder „informierend“ nutzen lassen, diese Nutzung aber untypisch sei, weil die Bildautoren ihre Bilder mit anderen Absichten und für andere Rezeptionsweisen geschaffen haben. (WEIDENMANN 1994, S. 10) Der im gegenständlichen Projekt zu generierende Bilderpool lässt sich in der Einteilung von WEIDENMANN (1994) zwischen unterhaltenden und informierenden Bildern einordnen, wobei der Übergang zwischen diesen beiden Kategorien fließend ist. Als eher informativ können solche Bilder aufgefasst werden, die eine konkrete Emotionsqualität etwa mittels Gesichtsausdruck oder Körpersprache kommunizieren, also emotionsdarstellenden Charakter haben. Wenngleich WEIDENMANN (1994) unter informierenden Bildern instruktionale, zum Wissenserwerb dienende Bilder versteht, wie etwa Abbildungen und Grafiken in Lehrbüchern (WEIDENMANN 1994, S. 10), so lassen sich dennoch Parallelen zu den „emotionsdarstellenden“ Bildern zeigen. Hier ist es ebenso Ziel, Informationen in Form der auszudrückenden Emotion im visuellen Reiz so darzustellen, dass sie von den Rezipienten möglichst vollständig und exakt erfasst werden können. Bereits der Bildautor bzw. die Person, welche die Bildauswahl vornimmt, muss vermutete Probleme bei der Bildrezeption berücksichtigen, um die Bildverarbeitung optimal zu bewerkstelligen. Emotionsauslösende Bilder entsprechen aufgrund ihrer Wirkung WEIDENMANNs (1994) Kategorie der unterhaltenden Bilder. Dieser Begriff ist insofern unpräzise, da Bilder sowohl positive als auch negative Emotionen beim Betrachter auslösen können und negative Emotionen nur in Ausnahmefällen (z.B. in Kriminalromanen) unterhaltende Wirkung haben. GOODMAN (1992) geht von der Zeichenhaftigkeit des Bildes aus, indem er die semiotische Verwandtschaft zwischen dem bildlichen und dem sprachlichen Zeichen betont. Ein Bild muss, um ein Objekt zu repräsentieren, ein Symbol sein, welches für das Objekt steht und auf das es sich bezieht. Nach GOODMAN (1992) reicht kein Grad der Ähnlichkeit aus, um die erforderliche Relation zwischen Bild und Objekt herzustellen. Ein Bild, das ein Objekt repräsentiert, denotiert es. Die Denotation ist der Kern der Repräsentation. Die Beziehung zwischen einem Bild und dem, was es repräsentieren soll, ist der Beziehung zwischen einem Prädikat und dem Sachverhalt, dem es zukommt, nahe. (NOETH 2000, S. 474) Der Wahrnehmungstheoretiker GIBSON hat im Laufe seiner Forschungstätigkeit mehrere Versuche unternommen, eine exakte Definition des Begriffes „Bild“ zu formulieren, und seine eigenen Definitionen selbst mehrmals modifiziert. Im Gegensatz zu GOODMAN (1992) betont GIBSON (1982a) die Ähnlichkeit des Bildes mit der Realität. Er definiert ein Bild als eine Anordnung von Lichtbündeln, die zur Pupille eines
Das Bild
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Auges kommen und zwar so, dass jedes Bündel in Helligkeit und Farbton dem entsprechenden Element des Bildes zugeordnet ist (GIBSON 1982a, S. 290). Während diese Definition idealer Weise nur auf fotografische Bilder zutrifft, muss in Frage gestellt werden, ob etwa auch Strichzeichnungen in ihrer Ähnlichkeitsbeziehung so definiert werden können. GIBSON (1982a) verlagert deshalb diese Ähnlichkeitsbeziehung von Bildern auf die kognitive Ebene. Das Sehen von Objekten in der Umwelt ist demnach durch die Wahrnehmung von Invarianten bestimmt. Das sind elementare Wahrnehmungseinheiten, die auch konstant bleiben, wenn das Objekt oder die Person seine Position verändert. (NOETH 2000, S. 474) Die modifizierte Definition geht also davon aus, dass sich einige Invarianten einer optischen Anordnung von ihrer perspektivischen Struktur trennen lassen, und zwar nicht nur bei sich laufend ändernder Perspektive wie im Alltag, sondern auch, wenn die Perspektive festgehalten ist, wie in einem unbewegten Bild (GIBSON 1982a, S. 291). Solche Invarianten sind zum Beispiel Grenzlinien von Figuren, die gegenüber ihrem Hintergrund prägnant erscheinen. Wenn die Figur sich gegenüber ihrem Grund bewegt, so sind es die Konturen, die konstant bleiben (NOETH 2000, S. 474). Wenn beispielsweise ein Kleinkind eine Katze beim Spielen beobachtet, dann sieht es nicht deren Vorder-, Seiten-, Rück- oder Oberansicht. Es nimmt die invariante Katze wahr. Das Kind bemerkt die verschiedenen Perspektiven der Katze nicht. Es sieht einfach eine Katze und sobald es zum ersten Mal die Abbildung einer Katze sieht, ist es bereits geübt, das Invariante herauszusehen und beachtet nicht die erstarrte Perspektive des Bildes, der Zeichnung oder der Fotografie. (GIBSON 1982a, S. 292) GIBSON (1982a) definiert schließlich das Bild als eine Oberfläche, die so bearbeitet ist, dass sich für einen bestimmten Beobachtungspunkt eine optische Anordnung aus erstarrten Strukturen mit unterliegenden Invarianten zur Verfügung stellt. Die optische Bildanordnung ist begrenzt und – sofern es sich nicht um bewegte Bilder handelt – zeitlich starr (GIBSON 1982a, S. 292). Wenngleich seine Theorie der ökologischen Wahrnehmung (vgl. Kapitel 4.6.1) nicht ausreicht, sämtliche Phänomene und Ausprägungen des Wahrnehmungsprozesses zu erklären, so liefert sie dennoch wertvolle Anhaltspunkte für die Erklärung der Objektwahrnehmung in Bildern. GIBSONs (1982a) Definition des Bildes wird deshalb der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt.
2.2 Bild und Wirklichkeit Nach der Diskussion des Bildbegriffes stellt sich nun die Frage, inwiefern Bilder mit realen Objekten aus der Umwelt gleichgesetzt werden können. Dies ist eine zentrale Fragestellung,
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
da sich sowohl Emotionstheoretiker als auch die Theorien der visuellen Wahrnehmung zumeist auf reale Gegenstände bzw. Szenerien konzentrieren und die Wahrnehmung von Bildern – wenn überhaupt – meist als Randthema behandelt wird. Während GOODMAN (1972) die Auffassung von der Zeichenhaftigkeit des Bildes vertritt und daher meint, dass Bilder nicht in der Lage sind, der Struktur der Welt und somit realen Objekten zu entsprechen (GOODMAN 1972, S. 31), distanziert sich GOMBRICH (1984) von dieser extremen Sichtweise. Einerseits argumentiert er zwar, ist ein Foto keine bloße Replik der gezeigten Realität, sondern eine visuelle Transformation, die vom Betrachter wieder übersetzt werden muss, um die erforderliche Information zu erhalten, andererseits sind Fotografien nicht deshalb bereits „arbiträre Zeichen“, denn die Skala von hell nach dunkel, die man in einem realen Motiv sieht, erscheint so auch am fotografierten Bild. Eine Fotografie „zu lesen“ scheint jedenfalls etwas ganz anderes zu sein als die Erlernung eines arbiträren Kodesystems. (GOMBRICH 1984, S. 278) GIBSON (1973) trifft die Annahme, dass ein Bild – genauer gesagt eine Fotografie – der Realität ganz ähnlich sei, wenngleich er einräumt, dass das Bild in mancher Hinsicht von der Wirklichkeit abweicht. Gründe, weshalb ein Bild ein guter Ersatz für die wirkliche Szenerie ist, sind Eigenschaften des Bildes, die ihm das Aussehen konkreter sichtbarer Wirklichkeit verleihen. (GIBSON 1973, S. 21) Das Bild stimmt in vielerlei Hinsicht mit der realen Szene überein: Formen, Größenverhältnisse, räumliche Tiefe, Helligkeit und Farbe. Dazu kommt die Perspektivität des fotografischen Bildes (Anmerkung: auch gemalte Bilder sind meist perspektivisch), sodass gleich große Gegenstände im Hintergrund entsprechend verkleinert erscheinen und parallele Geraden in der Tiefe scheinbar zusammenlaufen. All das gilt auch für die Abbildung einer Szene auf der Netzhaut. (ROCK 1998, S. 82) Es gibt freilich auch Merkmale wirklicher Szenen, die sich in einem Foto nicht zeigen, jedoch ebenfalls für die Raumwahrnehmung relevant sind. In erster Linie sind das jene Eindrücke, die durch das zweiäugige Sehen entstehen und jene Tiefenmerkmale, die bei Kopfbewegungen auftreten. Die Mitwirkung dieser Eindrücke bei der Raumwahrnehmung ist bekannt, sie sind aber nicht die ausschließliche Grundlage unserer Wahrnehmung der dreidimensionalen Welt. (GIBSON 1973, S. 21) Im Fall jener, der gegenständlichen Studie zu Grunde liegenden Bilder, treten Tiefenmerkmale eher in den Hintergrund. Die Bilder zeigen jeweils eine bestimmte Szene, bei der es nur sekundär auf die räumliche Wahrnehmung als auf die Wahrnehmung der jeweiligen Situation (z.B. des Gesichtsausdruckes) ankommt. Umso wichtiger sind daher die von GIBSON (1973) und ROCK (1998) postulierten Ähnlichkeitsmerkmale zwischen Realität und Bild wie Formen, Konturen, Farbe und Helligkeit, Beleuchtung und Schattierung.
Das Bild
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KROEBER-RIEL (1996) bezieht sich auf die Bilddefinition von GIBSON (1973) und schließt daraus, dass ein Bild eine Aufzeichnung eines realen oder fiktiven Gegenstandes ist, „die dem Gegenstand ähnlich ist und deswegen wie der Gegenstand wahrgenommen werden kann“. Er unterscheidet dabei allerdings Bilder, die sich auf konkrete Sachverhalte beziehen von abstrakten Darstellungen, wie beispielweise Verkehrszeichen, Diagramme oder abstrakte Gemälde, und beschränkt sich in weiterer Folge auf konkrete Bilder. Abstrakte Darstellungen weisen keinerlei direkte Ähnlichkeitsbeziehung mit den gemeinten Sachverhalten auf. (KROEBER-RIEL 1996, S. 35) Das entscheidende Merkmal konkreter Bilder ist deren Analogie zu dem wiedergegebenen Sachverhalt. Bild und abgebildeter Gegenstand haben die gleiche Wahrnehmungsqualität. Ferner beruht die Beeinflussungskraft von Bildern in der Kommunikation vor allem darauf, dass Bilder wie die Wirklichkeit wahrgenommen werden (KROEBER RIEL 1996, S. 36). WATZLAWICK, BEAVIN und JACKSON bezeichnen die Bildkommunikation aufgrund dieser Analogie zwischen Gegenstand und Bild als „analoge Kommunikation“ (WATZLAWICK et al. 2003, S. 61ff). Abbildung 1 veranschaulicht die Beziehungen zwischen Wirklichkeit und Bild auf drei Ebenen:
Die visuellen Wirklichkeitsebenen Wirklichkeitsebenen
Objektebene
Darstellungsebene Darstellungsebene
psychische Ebene psychische Ebene
Modalitätsbereich
konkrete visuelle Erscheinungen
Bild
inneres Bild Schema
in Anlehnung an KROEBER-RIEL 1996, S. 37
Abbildung 1: Die visuellen Wirklichkeitsebenen (in Anlehnung an KROEBER-RIEL 1996, S. 37)
Auf der Darstellungsebene kann ein konkreter Sachverhalt durch ein Bild wiedergegeben werden, die beim Betrachter auf der psychischen Ebene innerer Erfahrungen bildliche
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Vorstellungen auslösen. So ermöglichen Fotografien von Gegenständen, Landschaften, Personen oder Lebenssituationen die Wiedergabe von Emotionen und konkreten „inneren Bildern“ (WEINBERG 1986, S. 33). Es lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die in der vorliegenden Studie verwendeten „emotionalen Bilder“ die gleiche (bzw. eine in ihrer Intensität abgeschwächte) Wirkung beim Betrachter hervorrufen, als die reale Situation oder der reale Gesichtsausdruck. So hat beispielsweise die Darbietung des Bildreizes einer weinenden Person (Abbildung 2) die gleiche Wahrnehmungs- und Emotionsqualität, wie wenn der Betrachter dieser Person real gegenübersteht. Es muss jedoch angenommen werden, dass die Intensität der Wirkung des Bildes im Normalfall deutlich schwächer ist, als jene der realen Situation.
Bild und Wirklichkeit
Weinende Frau – Bild aus der Emotionsskala „Trauer“
Abbildung 2: Weinende Frau (Bild aus der Emotionsskala „Trauer“)
Mit RUGE (2001) lässt sich eine Zusammenfassung dieses Abschnittes und gleichzeitig eine Überleitung zum anschließend diskutierten Bildüberlegenheitseffekt geben. Er betont, dass Bilder die Realität besonders gut und authentisch repräsentieren. Daraus ergibt sich ein im Vergleich zur Sprache stärkeres emotionales Involvement, welches wiederum zu tieferer, intensiverer Verarbeitung und besserer Speicherung sowie zu größerem Einfluss auf das Verhalten führt. (RUGE 2001, S. 170)
Das Bild
343
2.3 Der Picture Superiority Effect Am Anfang dieses Kapitels soll ein einfaches wie anschauliches Beispiel stehen, um den Bildüberlegenheitseffekt zu demonstrieren.
Beispiel für den Bildüberlegenheitseffekt
entnommen aus BOSCH und SCHIEL 1999, S. 180
Abbildung 3: Kaffee (BOSCH und SCHIEL 1999, S. 180)
Das in einer Studie zur Imageerhebung von Fluglinien eingesetzte Bild (BOSCH und SCHIEL 1999, S. 180) zeigt einen Bildüberlegenheitseffekt in zweifacher Hinsicht. Einerseits löst das Bild beim Betrachter verschiedene Gefühle aus. Solche können beispielsweise ein Gefühl der Entspanntheit beim Kaffeetrinken, der Genuss des vermeintlichen Aromas oder Gedanken an die Wiener Kaffeehausatmosphäre sein. Die abgebildete Szenerie ließe sich ohne visueller Darstellung kaum so beschreiben, dass sich der Leser ein ebenbürtiges Bild von dem machen kann, was der Betrachter in kürzester Zeit wahrnehmen kann. Andererseits können selbst die rein sachlichen Inhalte des Bildes mit einer langen und ausführlichen Beschreibung nicht komplett erfasst werden. Die Sprache bedient sich – wie GOMBRICH (1984) es formuliert – der „Universalien“, weshalb keine Beschreibung je vollständig sein kann. Es lassen sich im Prinzip immer weitere Fragen stellen, die ein Bildelement betreffen, welche in der verbalen Beschreibung noch nicht (in ausreichendem Maße) berücksichtigt wurden. (in Anlehnung an GOMBRICH 1984, S. 169f)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Wie wichtig „visuelle Behelfe“ in der Kommunikation sind, zeigen u. a. zahlreiche in der Vergangenheit durchgeführte Studien an der Abteilung für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien zur Erhebung von Marken- oder Länderimages mittels nonverbaler Messmethoden (vgl. z.B. HERZIG 1990, HERZIG 1995, SCHWOB 1998, FUCHS 1998, BOSCH und SCHIEL 1999, FÜRST 2001). Argumente sind für SCHWEIGER und SCHRATTENECKER (2001) die ganzheitliche Botschaft, die Bilder übermitteln, das höhere Aktivierungspotenzial und die bessere Werbewirkung von Bildinformationen gegenüber Textinformationen (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 206). In empirischen Studien (vgl. z.B. PAIVIO 1971, NELSON und BROOKS 1973, MADIGAN 1983) konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass Bilder zumindest kurzfristig besser behalten werden als deren verbale Bezeichnungen. So sind die Recall- und Rekognitionsleistungen hinsichtlich einmal präsentierter Bilder höher als jene gegenüber seinem verbalen Label (ENGELKAMP 1991, S. 120). Eine in der Literatur verbreitete Erklärung des Bildüberlegenheitseffekts liefert PAIVIO (1971). Er führt diesen Vorteil auf die doppelte Kodierung von bildlicher und verbaler (textueller) Information im menschlichen Gehirn zurück (PAIVIO 1971, S. 179). NELSON und REED (1976) konnten allerdings zeigen, dass die von PAIVIO (1971) postulierte duale Enkodierung nicht als kritische Bedingung für den Bildüberlegenheitseffekt angesehen werden kann. Sie stellten fest, dass sich dieser Effekt auch dann einstellt, wenn Bilder nicht verbal kodiert werden (NELSON und REED 1976, S. 523). Die verbale Kodierung visueller Stimuli verbessert zwar deren Behalten, diese Verbesserung bildet aber nicht die entscheidende Grundlage des Bildüberlegenheitseffektes (ENGELKAMP 1991, S. 121). Trotz dieses Einwandes von NELSON und REED (1976) gilt die Aufgabenteilung zwischen den Hirnhälften und somit die Theorie der dualen Kodierung weiterhin als empirisch gesichert. Die linke Hemisphäre ist dabei vorwiegend für sprachliche, rationale Prozesse zuständig, die rechte für nonverbal, bildliche und emotionale Vorgänge, wobei beide Systeme miteinander verbunden sind und Informationen austauschen. Trotz dieser Verbindung wird der rechten Hirnhälfte weithin eine größere Bedeutung für das menschliche Verhalten zugesprochen, während die linke Hirnhälfte als „orientierungslos“ gilt, wenn ihr die Unterstützung durch strukturierende Schemata der rechten Hirnhälfte fehlt. (RUGE 2001, S. 168) In welchem Ausmaß die Übersetzung des sprachlichen Verarbeitungscodes in einen bildlichen erfolgt und umgekehrt, hängt aber davon ab, wie konkret die verbale oder bildliche Information ist (PAIVIO 1971, S. 179): x Abstrakte Wörter wie „Innovation“ oder „Bruttosozialprodukt“ werden im Gedächtnis nur verbal kodiert (außer sie werden subjektiv mit ganz spezifischen Bildern verbunden).
Das Bild
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x Konkrete Wörter wie „Tisch“ oder „Sonnenuntergang“ rufen gleichzeitig auch innere Bilder hervor. Sie sind deshalb sowohl als sprachlicher (verbaler) Kode als auch als Bildkode verfügbar, werden also dual kodiert. x Konkrete Bilder werden ebenfalls doppelt kodiert, da beispielsweise die Abbildung eines Tisches oder Sonnenunterganges zusätzlich verbal gespeichert werden. Von der Art des Stimulus hängt daher auch ab, welche Hemisphäre und somit welches Kodierungssystem vorwiegend aktiviert wird (PAIVIO 1991, S. 54). Abbildung 4 zeigt die Aktivierung des entsprechenden Systems in Abhängigkeit des Eingangssignals. Die Stärke der Aktivierung ist mittels farblicher Abstufung dargestellt.
Aktivierung von bildhaftem und verbalem Kodierungssystem Kodierung bildhaftes System
verbales System
schwer benennbares Bild
leicht benennbares Bild
konkretes Wort
abstraktes Wort
Grad der Aktivierung des jeweiligen Systems geringe Aktivierung
sehr hohe Aktivierung
vgl. PAIVIO 1991, S. 54
Abbildung 4: Aktivierung von bildhaftem und verbalem Kodierungssystem (PAIVIO 1991, S. 54)
Abstrakte Bilder werden von PAIVIO (1971) nicht explizit angeführt, es kann aber unterstellt werden, dass abstrakte Bilder ebenso wie abstrakte Wörter nur einfach kodiert werden, sofern sie nicht direkt in einen verbalen Code übersetzt werden können (KROEBER-RIEL 1996, S. 74). Abbildung 5 gibt einen Überblick über die Hierarchie der Einprägsamkeit von Bildern und Sprache, wobei in dieser Aufstellung die Überlegenheit abstrakter Bilder gegenüber konkreten Sätzen aufgrund der oben getroffenen Annahme umstritten ist. Unbestritten ist aber, dass konkrete Bilder am besten behalten werden.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Abgesehen von der allgemein anerkannten besseren Gedächtnisleistung von Bildern können bildhafte Reize auch besser als Texte Emotionen übermitteln. Die Entstehung und Wirkung von Emotionen sind eng mit der Speicherung „innerer Bilder“ im menschlichen Gehirn verbunden. Mit den inneren Bildern werden emotionale Eindrücke gespeichert, die beim Abruf dieser Bilder aus dem Gedächtnis ebenfalls abgerufen werden. Auf diese Weise bestimmen innere Bilder die emotionale Komponente von Einstellungen, Präferenzen und Verhalten. (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 206)
Hierarchie zur Einprägsamkeit von Bild und Sprache beste Einprägsamkeit
schlechteste Einprägsamkeit
Modalität
Medium
dynamische konkrete Bilder
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dynamische abstrakte Bilder
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statisch abstrakte Bilder
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dynamisch konkrete Sätze oder Redewendungen
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dynamisch abstrakte Wörter
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statische abstrakte Sätze, Redewendungen oder Wörter
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nach einem Entwurf von ROSSITER und PERCY 1983, S. 105
Abbildung 5: Hierarchie zur Einprägsamkeit von Bild und Sprache in der Werbung (ROSSITER und PERCY 1983, S. 105)
Entscheidend ist für RUGE (2001), dass konkrete bildhafte Informationen in einer besonderen Art und Weise gespeichert werden und dabei Wirkungen entfalten, die sequenzielle sprachliche Informationen nicht haben (RUGE 2001, S. 168). GOMBRICH (1984) teilt diese Ansicht, in dem er zu erklären versucht, was das Bild besser kann als das gesprochene oder geschriebene Wort und was nicht. Für einen Vergleich zwischen Sprache und Bild unterscheidet er zwischen Darstellung, Ausdruck und Appell. Hinsichtlich der Darstellungsfunktion hat das Bild keine Chance, der Sprache zu entsprechen. Mittels Sprache lassen sich vergangene, gegenwärtige und zukünftige Vorkommnisse berichten. Da sich die Sprache „logischer“ Wörter wie „falls, wenn, nicht, deshalb, alle, einige“ bedient, ist sie in der Lage, logische Schlüsse zu formulieren. Betrachtet man
Das Bild
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allerdings die Ausdrucksfähigkeit des Bildes, so ist diese zumindest dem geschriebenen Wort (nicht aber unbedingt dem gesprochenen Wort) überlegen. Das Bild ist besser in der Lage, eine bestimmte Stimmung hervorzurufen als ein gedruckter Text. Eng damit verbunden ist die Signalwirkung des Bildes, sein Appellcharakter. Lebewesen sind darauf „programmiert“, auf bestimmte visuelle Reize in einer Weise zu reagieren, die der Erhaltung der Art nützlich sind. Bilder sind daher in ihrer Appellfunktion Wörtern eindeutig überlegen, indem sie im Gegensatz zu verbalen Formulierungen unmittelbar Emotionen auslösen können, wobei nicht nur konkrete Bilder, sondern auch Linien und Farben in bestimmten Anordnungen einen Einfluss auf die menschliche Gefühle ausüben. (GOMBRICH 1984, S. 137)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
3 Die Emotionsgenese Nach der Diskussion der Bildüberlegenheit stellt sich die Frage, in welcher Weise Emotionen bei der Bildbetrachtung entstehen. Dies ist sowohl für die Auswahl der Bilder, als auch für die Art der Bilddarbietung ein relevantes Kriterium. Mit den verschiedenen Ansätzen der Emotionsentstehung beschäftigt sich ausführlich WINDER (2004; siehe hierzu auch den Beitrag von WINDER). Im Folgenden interessiert in erster Linie, ob und wie Emotionen bei der Betrachtung von Bildreizen entstehen und in welchem Ausmaß Kognitionen an der Emotionsgenese beteiligt sind.
3.1 Emotion und Kognition 3.1.1 Die Kontroverse zwischen ZAJONC und LAZARUS Grundsätzlich bestehen zwei unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Zusammenwirkens von Emotion und Kognition. Insbesondere die Diskussion zwischen ZAJONC und LAZARUS dauert seit den 1980er-Jahren bis in die Gegenwart an. Für ZAJONC (1980) besteht die Emotionsinduktion darin, dass Wahrnehmungen in direkter Weise die subkortikalen Emotionszentren ohne Vermittlung kognitiver Prozesse aktivieren (ZAJONC 1980, S. 154). Er vertritt die Auffassung, dass Emotionen und Kognitionen zum Teil unabhängige Systeme sind, und dass – obwohl diese Systeme für gewöhnlich gemeinsam operieren – Emotionen ohne vorauslaufende kognitive Prozesse entstehen können (ZAJONC 1984, S. 117). MURPHY und ZAJONC (1993) untermauern ihre „Affective Priming Hypothesis“ mit einer Studie, in der suboptimal dargebotene Stimuli (Gesichtsausdrücke) als Primingreize zur Beurteilung chinesischer Schriftzeichen fungieren. Bei extrem kurzzeitiger Präsentation der Mimiken gleicher Emotionsqualität war es den Versuchspersonen nicht möglich, Unterschiede zwischen den dargestellten Bildern festzustellen, selbst wenn sich diese hinsichtlich offensichtlicher Merkmale (z.B. Geschlecht) unterschieden. Dennoch hatten die Stimuli Einfluss auf die anschließende Bewertung eines neutralen Reizes. MURPHY und ZAJONC (1993) werten dies als Beleg dafür, dass Emotionen bereits vor kognitiven Prozessen entstehen und diese in weiterer Folge sogar beeinflussen können. (MURPHY und ZAJONC 1993, S. 735) Eine gänzlich andere Sichtweise entstammt den kognitiven Emotionstheorien: Wie jemand emotional reagiert, hängt nicht vom Ereignis direkt ab, sondern davon, wie die Person dieses Ereignis bewertet. Zentrales Element ist die Bewertungshypothese, wonach bewertet wird, was soeben wahrgenommen wurde. Es sind nicht die objektiven Merkmale eines Ereignisses,
Die Emotionsgenese
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sondern die subjektive Interpretation des Ereignisses für das Entstehen einer Emotion ausschlaggebend (SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 70). Diese Überlegungen finden ihren Ursprung bei ARNOLD (1950) und ihre Weiterentwicklung bei FRIJDA (1987) und LAZARUS (z.B. 1991 und 2001). Für LAZARUS (1991) ist die kognitive Evaluierung einer Situation in Form der Bewertung (appraisal) notwendig, um überhaupt zwischen verschiedenen Emotionen unterscheiden zu können (LAZARUS 1991, S. 133), den Bewertungsprozess betrachtet er als hinreichend für die Emotionsentstehung (LAZARUS 1991, S. 177). Einen weiteren Aspekt für die Beteiligung von Kognitionen an der Emotionsgenese liefert FRIJDA (1987), der wie LAZARUS die Auffassung vertritt, dass Emotionen kaum ausschließlich durch einen isolierten Stimulus induziert werden. Die Eignung des Inputreizes hängt von der Bedeutung und der Situation ab, in deren Zusammenhang er auftritt. So können Emotionen auch durch Vorstellung und Fantasie entstehen (FRIJDA 1987, S. 267). Für ihn ist Kognition all das, was zwischen dem Eingangsreiz und der emotionalen Reaktion liegt: Dazu zählt er die Selektion subjektiv relevanter Aspekte aus dem Reiz, die Auswirkung früherer Erfahrungen, Interaktionen mit dem Stimulus oder Folgerungen, die aus dem Reiz gezogen werden. „Kognitiv“ bezieht er auf den intervenierenden Prozess zwischen Reiz und Reaktion (FRIJDA 1987, S. 269). Ein Stimulus besteht zu einem beträchtlichen Teil aus Kognitionen. Die „Effektivität“ von Stimuli zur Emotionsgenese wird von Erwartungen, Interpretationen, Vergleichen und Eigenschaftszuweisungen beeinflusst. FRIJDA (1987) betont daher die Bedeutung des Stimulusbewertungsprozesses, in dem vorhandenes Wissen und verfügbare Schemata eine wesentliche Rolle spielen (FRIJDA 1987, S. 324). 3.1.2
Der Bewertungsprozess zur Emotionsgenese
Entsprechend der Auffassung kognitiver Emotionstheoretiker, lässt sich der Bewertungsprozess – wie in Abbildung 6 dargestellt – in das Modell der Emotionsentstehung von LAZARUS (1991) einordnen und schematisch darstellen. Wie der Bewertungsprozess im Rahmen der Emotionsgenese im einzelnen aufgebaut ist, wird je nach Emotionstheorie etwas unterschiedlich konzeptualisiert. Es besteht allerdings innerhalb der kognitiven Emotionstheorien Konsens darüber, dass die Spezifik der Bewertungsprozesse die Qualität einer Emotion bestimmt (HOLODYNSKI und FRIEDLMEIER 1999, S. 9).
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Kognitives Modell der Emotionsentstehung nach LAZARUS
Ereignis
Informationsverarbeitung
Bewertung
Emotion
entnommen aus SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 72
Abbildung 6: Kognitives Modell der Emotionsentstehung nach LAZARUS (SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 72)
LAZARUS (1991 und 2001) unterscheidet insgesamt sechs Komponenten des Bewertungsprozesses, wobei er zwei Arten von Bewertungsvorgängen differenziert: Die primäre Bewertung (Primary appraisal) bezieht sich unmittelbar auf Ereignisse in der Umwelt. Eingangsinformationen werden hinsichtlich x Zielrelevanz x Zielkongruenz oder Inkongruenz und x Ausmaß des Ego-Involvements evaluiert (LAZARUS 2001, S. 55). Eine bewusste Verarbeitung unterstellt, müsste sich demnach ein Individuum drei Fragen stellen (SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 75): x „Ist das Ereignis für die Zielerreichung überhaupt von Bedeutung?“ – Entscheidung, ob überhaupt eine emotionale Reaktion erfolgt.
Die Emotionsgenese
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x „Wenn ja, hilft es beim Erreichen dieser Ziele oder schadet es?“ – Bestimmung, ob die ausgelöste Emotion positiv oder negativ sein wird. x „Welches Ziel ist davon betroffen?“ – Relevanz für die entsprechende Emotionsqualität. Die sekundäre Bewertung (Secondary appraisal) betrifft die eigenen Möglichkeiten der Situationsbewältigung (LAZARUS 2001, S. 56): x Verantwortung für das Ereignis: Es wird beurteilt, wer oder was für die Bedrohung, den Anreiz, die Herausforderung, etc. verantwortlich ist. Wurde das Ereignis von jemandem bewusst herbeigeführt oder ließ es sich nicht vermeiden? Steckt eine böswillige oder freundliche Absicht dahinter, die zur Auslösung des Ereignisses geführt hat? x Das Bewältigungspotenzial des Individuums wird von der Überzeugung der Person geleitet, in wieweit ein Anreiz verwirklicht oder eine Bedrohung vermieden werden kann. x Zukunftsperspektive: Die situative Bewertung erfolgt ferner unter dem Gesichtspunkt, ob eine Verbesserung oder Verschlechterung der Person-Umwelt-Beziehung erwartet werden kann. Einen in den Grundzügen zu LAZARUS (2001) ähnlichen Ansatz bietet PLUTCHIK (2003) in Anlehnung an ROSEMAN, SPINDEL und JOSE (1990), die davon ausgehen, dass verschiedene Arten der Ereignisinterpretation verantwortlich sind, welche Emotion ausgelöst wird. Insgesamt nennen sie fünf Typen von Bewertungen, nach denen Situationen in Gruppen – entsprechend ihrer emotionalen Reaktion – sortiert werden (PLUTCHIK 2003, S. 53): x Momentane Verfassung: Ist das Ereignis konsistent oder inkonsistent mit den individuellen Motiven? x Eintrittswahrscheinlichkeit: Ist der Eintritt des Ereignisses wahrscheinlich oder unwahrscheinlich? x Ursache: Ist das Ereignis selbst oder von anderen verursacht worden bzw. ohne Zutun eingetreten? x Motivation: Ist das Ereignis hinsichtlich zu erwartender Belohnung (bzw. Bestrafung) konsistent oder inkonsistent? x Ich-Stärke: Sieht sich die Person selbst als starkes oder schwaches Ich? Nach einer Zusammenfassung mehrerer Untersuchungen, die im Zusammenhang mit der Bewertung von Situationen durchgeführt wurden, kommt SCHMIDT-ATZERT (1996) zu
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
dem Schluss, dass sich emotionsauslösende Ereignisse hauptsächlich in folgenden Aspekten unterscheiden (SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 75): x Emotionsauslösende Ereignisse sind für die betroffene Person unterschiedlich angenehm (Valenz), x verschieden wichtig und durchschaubar (Klarheit), x erregen bei der Person unterschiedlich viel Aufmerksamkeit, x stehen den Zielen der Person mehr oder weniger stark im Weg (Hindernisse), x sind je nachdem was geschieht, von einem selbst oder von anderen (Menschen oder externen Faktoren) zu verantworten (Ursache) und x können vom Individuum unterschiedlich stark beeinflusst werden (Kontrolle). In einer groß angelegten Studie von MAURO, SATO und TUCKER (1992) wurden 973 Versuchspersonen in mehreren Ländern aufgefordert, sich an emotionsauslösende Situationen zu erinnern und Angaben zu ihrer Bewertung und den damals aufgetretenen Gefühlen zu machen. MAURO et al. (1992) ziehen zur Beurteilung, welche Bewertungsdimensionen mit welchen Emotionen zusammenhängen die Korrelationen zwischen diesen beiden Größen heran. Die Ergebnisse sind entsprechend der für das vorliegende Projekt relevanten Emotionen in Abbildung 7 zusammengefasst dargestellt (MAURO et al. 1992, S. 309). MAURO et al. (1992) zeigen, dass verschiedene Emotionen mit verschiedenen Bewertungsdimensionen korrelieren. So werden etwa Freude (Glück) und Stolz als sehr angenehm, negative Emotionen – allen voran Traurigkeit – als (sehr) unangenehm empfunden. Ereignisse, die Angst, Langeweile oder Überraschung auslösen, sind oft wenig durchschaubar. Personen richten ihre Aufmerksamkeit auf angenehme, positive Emotionen, während sie versuchen, sich von negativen (insbesondere Langeweile und Ekel) abzulenken. Positive Emotionen stellen kaum, negative Gefühle sehr wohl Hindernisse dar und bedürfen für ihre Bewältigung entsprechender Anstrengungen. Für das Entstehen von Ärger und Ekel werden zumeist andere verantwortlich gemacht, während Freude oder Traurigkeit oft von der Person selbst ausgehen, Freude unterliegt am ehesten einer persönlichen Kontrolle (MAURO et al. 1992, S. 309).
Die Emotionsgenese
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Zusammenhang Emotionen – Bewertungsdimensionen Valenz
Klarheit
Aufmerksamkeit
Hindernisse
Ursache
Kontrolle
Traurigkeit Ärger Ekel Angst Langeweile Frustration Überraschung Freude (Glück) Stolz
stark negativer Zusammenhang
stark positiver Zusammenhang < -0,50
-0,50 bis -0,21
-0,20 bis 0,20
0,21 bis 0,50
> 0,50
Anmerkung: MAURO et al. (1992) berechneten Korrelationen zwischen den Bewertungsdimensionen und den Emotionen. In der Darstellung wurden diese Ergebnisse kategorisiert, die Wertebereiche der Korrelationen sind in der Legende eingetragen.
basierend auf den Ergebnissen von MAURO, SATO und TUCKER 1992, S. 309
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Emotionen und Bewertungsdimensionen (MAURO et al. 1992, S. 309)
In den zuvor angeführten Studien liefen die Bewertungen stets im Bewusstsein der Versuchsperson ab. FRIJDA (1987) räumt – unter Berufung auf GIBSONs (1966) Wahrnehmungstheorie – ein, dass kognitive Prozesse auch automatisch und unmittelbar ablaufen können (FRIDJA 1987, S. 325). Zu dieser Auffassung gelangt auch LAZARUS (1991), der anmerkt, dass unter den kognitiven Emotionstheoretikern grundsätzlich Einigkeit darüber herrscht, dass sich der Bewertungsprozess nicht zwingend im Bewusstsein einer Person abspielen muss (LAZARUS 1991, S. 158). LAZARUS (1991) hält eine „vorbewusste“ Bewertung für möglich, meint aber, dass diese eher für einfache kategorische Entscheidungen, wie gut oder schlecht, nicht aber für komplexe Bewertungen in Frage kommt (LAZARUS 1991, S. 158). Solche komplexen Bewertungsprozesse können durchaus in mehreren Schritten erfolgen, insbesondere dann, wenn die erste Bewertung grob oder falsch abgelaufen ist, ist in einem nächsten Schritt eine Spezifizierung oder Korrektur erforderlich. LAZARUS (1991) nennt einen solchen mehrstufigen Bewertungsprozess „Reappraisal“ (LAZARUS 1991, S. 134). In Studien von BARGH und FERGUSON (2000) zum Einfluss unbewusster Wahrnehmung auf das Verhalten und zu Effekten subliminaler Stimuli auf Emotionen konnte gezeigt werden, dass viele Aspekte kognitiver Prozesse unbewusst ablaufen. PLUTCHIK (2003) schließt daraus, dass es unter Berücksichtung dieser Erkenntnisse immer möglich sei,
354
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
anzunehmen, dass Kognitionen Emotionen vorauslaufen. Er versucht mit dieser Aussage vor allem, die unterschiedlichen Auffassungen von ZAJONC und LAZARUS unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu betrachten. (PLUTCHIK 2003, S. 50f) 3.1.3 Das Multi-Level-Processing Modell nach LEVENTHAL und SCHERER Bei Betrachtung des in Abbildung 6 dargestellten Prozesses stellt sich freilich die Frage, wie trotz Durchlaufens der verschiedenen Prozessabschnitte emotionale Reaktionen augenblicklich auftreten können. Die Geschwindigkeit der Entstehung solcher Gefühlsregungen lässt Zweifel an dem von Vertretern der kognitiven Psychologie postulierten komplexen System der Informationsaufnahme, –verarbeitung und –bewertung aufkommen. SCHERER (2001) schlägt daher ein Multi-Level-Processing Modell vor, dass mehrere Stufen der Bewertung berücksichtigt (SCHERER 2001, S. 102). Die Basis bildet ein Beitrag von LEVENTHAL und SCHERER (1987), der die Kontroverse zwischen ZAJONC und LAZARUS aufgreift. Sie vertreten die Auffassung, dass diese Auseinandersetzung nur semantischer Natur ist und auf unterschiedlichen Definitionen beruht (LEVENTHAL und SCHERER 1987, S. 3). Ihr Modell enthält drei Stufen des Bewertungsprozesses (SCHERER 2001): x Sensory-Motor Level x Schematic Level x Conceptual Level Im Sensory-Motor Level erfolgt die Reaktion anhand meist angeborener Verhaltensweisen und Reflexe, die spezifisch auf die Verarbeitung bestimmter Reizmuster ausgerichtet sind (SCHERER 2001, s. 102). LEVENTHAL und SCHERER (1987) vertreten die Auffassung, dass die Emotionsentstehung dieser Stufe sowohl der Definition nach ZAJONC als auch nach LAZARUS entsprechend müsste, da diese Emotionen einerseits automatisch und reflexartig entstehen, andererseits aber auch Erfahrungen für künftige Situationen liefern (LEVENTHAL und SCHERER 1987). Der Schematic Level basiert in erster Linie auf Erfahrungen und Lernprozessen, weshalb Bewertungen auf diesem Level automatisch und unbewusst passieren. Es handelt sich dabei um konkrete Abbildungen wahrgenommener Gefühle, die mit den verbundenen Reaktionen gespeichert werden und entsprechend rasch – ohne komplexe kognitive Prozesse – aktiviert werden können (SCHERER 2001, S. 103 bzw. LEVENTHAL und SCHERER 1987, S. 10). Solche „emotionalen Schemata“ können wesentlichen Einfluss darauf haben, in welcher Weise ein dargebotenes Bild interpretiert wird. Eine Darstellung emotionaler Schemata folgt in Kapitel 4.7.4.3.
Die Emotionsgenese
355
Im Conceptual Level erfolgt schließlich eine bewusste und oft willentlich gesteuerte Bewertung des Stimulus. Zurückgegriffen wird auf Erfahrungen und Mechanismen, die zur Evaluierung herangezogen werden (SCHERER 2001, S. 103). Unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung emotionaler Bildreize auf Marken lässt sich entsprechend der eben geführten Diskussion hinsichtlich der kognitiven Beteiligung die Schlussfolgerung ziehen, dass die Bewertung eines Bildreizes in jedem Fall kognitive Vorgänge verlangen wird. Dies kann zum einen durch Aktivierung des entsprechenden emotionalen Schemas geschehen, es ist aber ebenso vorstellbar, dass Reize darüber hinaus einer bewusst ablaufenden Bewertung im Conceptual Level bedürfen. 3.1.4
Der Einfluss der visuellen Wahrnehmung an der Emotionsgenese
Abbildung 6 zeigt, dass dem Wahrnehmungsprozess eine entscheidende Rolle im Prozess der Emotionsentstehung zukommt. Der Umweltreiz (bzw. das Bild) wird über die Sinnesorgane wahrgenommen. Die dabei entstehenden Empfindungen müssen zunächst verarbeitet werden. Erst die nun vorliegenden Informationen über den Stimulus werden einer Bewertung unterzogen. Der eigentlichen Bewertung geht also eine Informationsverarbeitung voraus. (SCHMIDT-ATZERT 1996, S. 71) Auch für ZAJONC (1980) ist die Wahrnehmung für die Entstehung der Emotion von Bedeutung, wenngleich er den Wahrnehmungsbegriff sehr eng definiert, als er nur diejenigen Prozesse als Wahrnehmung bezeichnet, die sich im Rezeptor abspielen. Jede darüber hinaus gehende Transformation sensorischen Inputs bezeichnet er bereits als Kognition (ZAJONC 1980, S. 154). PEKRUN (1988) hält dem entgegen, dass eine so enge Wahrnehmungsdefinition der in der Psychologie üblichen Begriffsführung nicht gerecht wird, die auch die direkten Repräsentationen sensorischen Inputs in den jeweiligen kortikalen Projektionsbereichen als Wahrnehmung bezeichnet. Unter Wahrnehmung soll daher die zeitlich und physikalisch direkte Repräsentation sensorisch aufgenommener Information verstanden werden, unter Kognition jede interne Repräsentation, die nicht zeitlich und physikalisch direkt Außenweltsachverhalte repräsentiert, das heißt nicht sensorisch, sondern intern produziert wird. PEKRUN (1988) merkt gleichzeitig aber an, dass es terminologisch nicht vermeidbar ist, dass Repräsentationen sensorischen Inputs dabei in der Regel sowohl perzeptive als auch kognitive Anteile umfassen, die erlebnismäßig miteinander verschmolzen sind. Prozesse der Repräsentation sensorischen Inputs verlaufen schemagesteuert, sensorisch nicht aufgenommene Informationen werden intern ergänzt, aufgenommene Informationen schemagerecht modifiziert. (PEKRUN 1988, S. 104) ULICH und MAYRING (1992) kommen nach kritischer Betrachtung der wichtigsten Theorien zur Emotionsgenese wie PEKRUN (1988) zu dem Schluss, dass die Beteiligung der
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Wahrnehmung von Ereignissen, Merkmalen und Verhaltensweisen anderer Personen, von Gegenständen und Vorgängen in der Umwelt sowie von Kognitionen an der Entstehung von Gefühlsregungen nur von Theoretikern bestritten oder übersehen werden, die eine reflex- oder instinkthafte Passung von Reiz und Gefühlsreaktion postulieren (ULICH und MAYRING 1992, S. 78).
3.2 Emotionsdarstellung versus Emotionsauslösung In den vorangegangenen Kapiteln wurde immer davon ausgegangen, dass der Stimulus in der Lage ist, eine Emotion beim Empfänger auszulösen. Insbesondere beim Prozess der Bewertung war meist von Situationen oder Ereignissen die Rede. Zwar kommen fotografische Bilder – wie in Kapitel 2.2 diskutiert – der Wirklichkeit recht nahe, doch müssen sie, im Gegensatz zu realen Situationen, mit einer einzigen Dimension der Sinneswahrnehmungen auskommen: der visuellen Wahrnehmung. Die Bewertungshypothese von LAZARUS (1991 und 2001) macht außerdem deutlich, dass für das Ziel des Projektes – der Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken – nicht ausschließlich emotionsauslösende Bilder zum Einsatz kommen können. Die Bewertung verhindert, dass nicht alle Stimuli die selbe Reaktion beim Betrachter verursachen. Der Bewertungsprozess unterliegt interindividuellen Unterschieden in der Emotionsgenese. Während ein Reiz (z.B. eine Schlange) bei einer Person Ekel erregt, erzeugt sie bei einer anderen das Gefühl von Furcht oder sogar Zuneigung. Emotionsauslösende Bilder werden daher nur in seltenen Fällen der Forderung nach interindividueller Homogenität gerecht. Die von SCHIEL (2004) im Zuge der Skalenentwicklung mittels Faktorenanalyse ermittelten Bildreize stützen diese Hypothese (vgl. SCHIEL 2004; bzw. den Beitrag von SCHIEL). Bei anderen Emotionsqualitäten ist es überhaupt nicht möglich, mittels visuellem Reiz eine bestimmte Emotion auszulösen. So müssen etwa für die Emotionen Freude, Liebe, Stolz oder Trauer Bildreize gewählt werden, die eine entsprechende Situation und die damit verbundene Emotion darstellen. Grundsätzlich müssen daher – wie schon in Kapitel 2.1 vorgenommen – emotionsauslösende und emotionsdarstellende Bilder differenziert werden. Diese Unterscheidung ist neben den oben genannten Gründen auch für den Bewertungsprozess und die damit verbundenen kognitiven Vorgänge relevant. Die von LAZARUS (1991) und SCHERER (2001) postulierten Modelle der Emotionsentstehung können an sich nur für emotionsauslösende Bilder angewandt werden. Bei emotionsdarstellenden Bildern muss dieses Modell um eine Komponente erweitert werden. Es wird angenommen, dass im Anschluss an die Informationsverarbeitung ein Selektions- und Interpretationsvorgang stattfindet, der den emotionalen Inhalt des Bildes herausfiltert. Zusätzlich kann das Bild aber in der Lage sein, die
Die Emotionsgenese
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in ihm dargestellte Emotion (noch vor der Selektion des emotionalen Gehalts) zumindest in abgeschwächter Form beim Betrachter auszulösen. BEKMEIER (1994) schreibt in Anlehnung an IZARD (1981) etwa der Gesichtssprache ein stimulierendes Potenzial zu (BEKMEIER 1994, S. 97). IZARD (1994) spricht im Zusammenhang mit Freude von „rezeptiver Emotion“, indem der Ausdruck von Freude eines Menschen bei seinen Mitmenschen (bzw. dem Betrachter) ein reziprokes Gesichtsmuster verursacht und zumindest in geringem Ausmaß die gleiche Emotion auslöst (IZARD 1994, S. 130f). Sie nennt diesen Effekt das „Prinzip der emotionalen Ansteckung“. Die Darstellung einer Emotion ist ein umweltstabiler psychologischer Auslöser einer bestimmten Emotion beim Betrachter. In den meisten Fällen tragen allerdings vorherige Erfahrungen, seine affektiv-kognitiven Strukturen und Orientierungen und seine charakteristischen und momentanen Emotionsschwellen dazu bei, festzulegen, ob er von der gezeigten Emotion „angesteckt“ wird oder nicht (IZARD 1994, S. 131). CARROLL und RUSSELL (1996) vertreten die Auffassung, dass ein Betrachter zwei Arten von Informationen entnimmt: Erstens nimmt er etwa aus dem Blick und dem Mund der dargestellten Person „quasiphysische“ Informationen (z.B. ein Lachen oder ein Weinen) auf, zweitens folgert er daraus die Gefühle der Person bzw. vollzieht diese nach (CARROLL und RUSSELL 1996, S. 206). Die in Abbildung 2 dargestellte weinende Frau wird daher beim Betrachter ein mehr oder weniger intensiv ausgeprägtes Gefühl von Traurigkeit oder Mitgefühl auslösen. Es findet deshalb vermutlich bei emotionsdarstellenden Bildern parallel zum Vorgang der Bildinterpretation ein – wie bei emotionsauslösenden Bildern auftretender – Bewertungsprozess statt. Am Ende des gesamten Prozesses steht die von der Auskunftsperson wahrgenommene emotionale Situation bzw. die „wahrgenommene“ (aber selbst nicht notwendigerweise empfundene) Emotionsqualität. Abbildung 8 zeigt zusammenfassend die beiden Modelle der Emotionsentstehung und der Emotionsdarstellung, die um einen weiteren, im Anschluss an die Emotionsgenese bzw. an die visuell wahrgenommene Emotion stattfindenden Prozess erweitert wurde. Für die Zuordnung der Emotion auf die Marke ist ein zusätzlicher Bewertungs- bzw. Transformationsprozess nötig, nämlich insofern, als die Auskunftsperson zu bewerten hat, in welchem Ausmaß sie die Emotion im Zusammenhang mit der Marke empfindet. Es erfolgt gewissermaßen eine Transformation der im Bildreiz enthaltenen Emotion auf die subjektive Situation oder das individuelle Schema des Probanden in Bezug auf das Emotionsempfinden gegenüber der betreffenden Marke.
358
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Zwei Modelle des Emotionszuordnungsprozesses Kognitives Modell bei emotionsauslösenden Bildern, in Anlehnung an LAZARUS (1991)
Bildreiz
Reizdarbietung
Informationsverarbeitung
Bewertung
Wahrnehmung und kognitive Prozesse
Emotion
Emotionsqualität
Transformation
Markenzuordnung
Kognitiver Zuordnungsprozess
Kognitives Modell bei emotionsdarstellenden Bildern
Bewertung
Bildreiz
Informationsverarbeitung
Transformation
Selektion/ Interpretation
Reizdarbietung
(perzeptive) Emotion
Wahrnehmung und kognitive Prozesse
Markenzuordnung
wahrgenommene Emotion
Emotionsqualität
Kognitiver Zuordnungsprozess
Abbildung 8: Zwei grundsätzliche Modelle des Emotionszuordnungsprozesses
Das in der Abbildung dargestellte kognitive Modell bei emotionsdarstellenden Bildern lässt erkennen, dass es vom Bildtypus abhängt, welcher der beiden Pfade im kognitiven Prozess vorherrschend ist. Der Bereich zwischen emotionsauslösenden und emotionsdarstellenden Bildern ist daher auch als Kontinuum aufzufassen, sodass die meisten im Rahmen des Projektes untersuchten Bildreize als eine Mischform aus emotionsauslösend und emotionsdarstellend aufzufassen sind. Abbildung 9 zeigt beispielhaft einige Bilder des im Rahmen der Skalenentwicklung von SCHIEL (2004) analysierten Bilderpools. Es darf vermutet werden, dass die Emotionsgenese bzw. Emotionswahrnehmung für den Betrachter umso schwieriger ist, je weniger das Bild in der Lage ist, zumindest perzeptive Emotionen auszulösen. Oder mit anderen Worten formuliert, je weniger die Auskunftsperson die im visuellen Reiz dargestellte Emotion selbst nachempfinden kann. Die Ergebnisse der von SCHIEL (2004) durchgeführten Faktorenanalysen lassen eine solche Vermutung zu (vgl. SCHIEL 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von SCHIEL).
Die Emotionsgenese
359
Bildtypen
emotionsauslösend
emotionsdarstellend
Abbildung 9: Einordnung verschiedener Bildtypen
3.3 Die Rolle der visuellen Wahrnehmung im Prozess der Emotionsgenese Betrachtet man die in Abbildung 8 dargestellten kognitiven Modelle der Emotionszuordnung, so wird deutlich, dass die Problematik, ob ein Bild für den Einsatz in dem zu entwickelnden Emotionsmessungstool geeignet ist, bei weitem nicht ausschließlich dadurch beantwortet werden kann, in welchem Ausmaß es emotionsauslösenden Charakter hat. Im Vorfeld durchgeführte Bildauswahlschritte – vgl. dazu die Studien II und III, SCHIEL (2004) – haben gezeigt, dass dem Informationsverarbeitungsprozess (bzw. der Wahrnehmung) des visuellen Reizes eine entscheidende Bedeutung zukommt. Das Ergebnis des Wahrnehmungsprozesses entscheidet, wie das Bild bewertet bzw. interpretiert und welche Emotion in weiterer Folge „wahrgenommen“ wird. Das bedeutet, an das Bild werden einerseits bestimmte gestalterische Anforderungen gestellt, andererseits müssen konkrete Rahmenbedingungen wie etwa die Reizumgebung oder die Darbietungsform erfüllt sein. In Anlehnung an BRUNSWIK (1956) betont WALLBOTT (1990), dass die Wahrnehmung keine eindeutige „Widerspiegelung“ objektiv gegebener Realitäten in subjektiv erlebten Wahrnehmungen ist. Vielmehr muss die visuelle Wahrnehmung von Personen und Objekten als Konstruktionsprozess aufgefasst werden. Er geht davon aus, dass Personen- und Objektwahrnehmung als weitgehend ähnliche Prozesse aufgefasst werden können, was nicht bedeutet, dass Personenwahrnehmung auf Objektwahrnehmung reduziert werden sollte,
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
sondern dass umgekehrt Objektwahrnehmung als Sonderfall allgemeiner Wahrnehmungsprozesse gesehen werden muss, die auch für die Personenwahrnehmung gelten. Der scheinbar große Unterschied zwischen beiden Formen ergibt sich daraus, dass bei klassischen Wahrnehmungsuntersuchungen mit sehr reduzierten Stimuli gearbeitet wird und Faktoren, die besonders bei der Personenwahrnehmung auffallen – wie beispielsweise die Rolle von Erfahrungen, die Vertrautheit des Bildmaterials oder dessen emotionaler Aufforderungsgehalt – meist unberücksichtigt bleiben. (WALLBOTT 1990, S. 20f) Im folgenden Abschnitt soll daher entsprechend breit auf die visuelle Wahrnehmung und die Informationsverarbeitung eingegangen werden. Insgesamt soll damit eine theoretische Grundlage für die im Anschluss zu formulierenden Ableitungen der Bildgestaltung unter Berücksichtung der oben diskutierten Bewertungsprozesse (die nicht unabhängig von der Informationsverarbeitung betrachtet werden können) geschaffen werden. Mit den aus diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnissen, soll das in Abbildung 8 dargestellte Modell zu einem Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken erweitert werden. Berücksichtigung wird aber nicht nur der eigentliche Bildinhalt finden, vielmehr soll – entsprechend den Anmerkungen von WALLBOTT (1990) – gezeigt werden, dass Faktoren wie individuelle Erfahrungen, Bildvertrautheit, Präsentationsmodus und –umfeld die Wahrnehmung und Interpretation der Bilder entscheidend beeinflussen. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass grundsätzlich sämtliche Bildinhalte zur Emotionskommunikation herangezogen werden, weshalb sich das folgende Kapitel nicht auf spezifische Bildtypen festlegt. Die im Anschluss an die visuelle Wahrnehmung formulierten Konsequenzen für die Bilddarbietung sind daher auch nicht ausschließlich auf die Anwendung des Bilderpools zur Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken beschränkt (wenngleich die folgenden Kapitel auf dieses Ziel hin ausgerichtet sind), sondern lassen ebenso verschiedene Schlussfolgerungen auf den Bildeinsatz im Rahmen der Nonverbalen Imagemessung zu.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
361
4 Der Prozess der visuellen Wahrnehmung 4.1 Einleitung und Definition Das Bindeglied zwischen der Außenwelt und der Innenwelt eines Individuums ist die Wahrnehmung. Sie umfasst nicht nur die visuelle Aufnahme von Reizen, sondern auch Hören, Tasten, Schmecken und Riechen. SCHWEIGER und SCHRATTENECKER (2001) nennen zwei Merkmale des Wahrnehmungsprozesses als besonders bedeutsam (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 178): x die Selektivität: Nur solche Reize, die Aufmerksamkeit erregen, werden überhaupt wahrgenommen. Die Aufmerksamkeit kann somit als Filter aufgefasst werden, durch den nur eine geringe Anzahl der Reize, denen das Individuum täglich ausgesetzt ist, tatsächlich verarbeitet wird. x die Subjektivität des Wahrnehmungsvorganges bedeutet, dass wahrgenommene Reize von jeder Person anders interpretiert werden. Bereits diese Feststellung lässt die Schwierigkeiten bei der Bildwahl bzw. Bildgestaltung für ein Emotionsmessungstool erkennen. Werden für die Emotion wesentliche Bilddetails vom Betrachter nicht wahrgenommen („übersehen“), so ist das Bild nicht in der Lage, seine emotionale Wirkung zu entfalten. Werden die Details wahrgenommen, jedoch subjektiv unterschiedlich interpretiert, so ist der visuelle Reiz ebenfalls für den Einsatz im Erhebungstool ungeeignet. Insgesamt durchläuft also der Betrachter bei der visuellen Wahrnehmung einen in mehreren Stufen ablaufenden, komplexen Prozess (vgl. Kapitel 4.2). ZIMBARDO und GERRIG (1999) definieren als Aufgabe der Wahrnehmung, den sich ständig verändernden, oft chaotischen Input aus äußeren Energiequellen über die Sinnesorgane aufzunehmen und zu stabilen, geordneten und für den jeweiligen Betrachter relevanten Perzepten zu organisieren. Ein Perzept ist das, was wahrgenommen wird. Dies ist weder der physikalische Gegenstand (distaler Reiz) noch sein Abbild in einem Rezeptor (proximaler Reiz). Vielmehr handelt es sich um das erfahrene Ergebnis des gesamten Wahrnehmungsprozesses, der so unterschiedliche psychische Vorgänge wie Zusammenfügen, Urteilen, Schätzen, Erinnern, Vergleichen und Assoziieren umfasst. (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 105)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
4.2 Die Stufen des Wahrnehmungsprozesses In der Literatur über die visuelle Wahrnehmung finden sich verschiedene Gliederungen des Wahrnehmungsprozesses: WEIDENMANN (1988) unterscheidet in dem von ihm entwickelten Modell des Bildverstehens fünf aufeinanderfolgende Phasen (WEIDENMANN 1988, S. 97f): x Die Vorphase, beginnend mit dem ersten Blickkontakt. Hier begegnet der Betrachter dem Bild in einer bestimmten Verfassung. x In der Initialphase findet die erste Auseinandersetzung mit dem Bild statt. Der Betrachter unternimmt „Normalisierungsversuche“. WEIDENMANN (1988) versteht darunter Versuche, das Bild zu verstehen. Für den Betrachter bekannte und einfache Bilder führen schnell zu dem Eindruck, ein Bild verstanden zu haben. In diesem Fall hat der Rezipient keinen weiteren Normalisierungsbedarf und bricht den Blickkontakt ab. Kommt der Betrachter nach der dieser Phase noch zu keinem befriedigendem Bildverständnis, bleibt der Normalisierungsbedarf aufrecht und die Beschäftigung mit dem Bild wird intensiviert. x Die Progressionsphase ist durch eine intensivere Verarbeitung der Bildinformationen gekennzeichnet (Bildverstehen zweiter Ordnung). Ziel dieser Phase sind zwei Formen des Bildverstehens. Zum einen versucht der Betrachter zu erkennen, welche Objekte oder Sachverhalte im Bild dargestellt sind (ökologisches Bildverstehen), zum anderen versucht er, die Intention der Darstellung zu erfassen (indikatorisches Bildverstehen). x Die Stabilisierungsphase ist nach WEIDENMANN (1988) die letzte Phase der Auseinandersetzung mit dem Bild. Der Betrachter nimmt keine neuen Informationen mehr wahr, der Normalisierungsbedarf nimmt ab und führt schließlich zum Abbruch des Bildkontaktes. x Schließlich werden in der Speicherungsphase die Bildinformationen im Gedächtnis gespeichert. Die Qualität der Speicherungsphase hängt von der Intensität der Bildverarbeitung ab. Im Gegensatz zum Modell des Bildverstehens von WEIDENMANN (1988) unterscheidet DOELKER (1997) nur drei grundsätzliche Phasen der Bilderschließung. Grundlage seines Modells ist die Gleichsetzung von Bild und Lesen hinsichtlich der Bedeutungsverleihung. x Die erste Phase nennt er die subjektive Bedeutung. Sie liegt dem Betrachter am nächsten, indem ein Bild automatisch und unmittelbar eigene Assoziationen auslöst. Für DOELKER (1997) scheint es unangemessen, diese persönliche Reaktion zu Gunsten einer objektiveren Deutung zurückzustellen. Seiner Meinung nach ist die subjektive Deutung
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
363
notwendig, damit der Betrachter in der zweiten Phase für erweiterte und andere Bedeutungszusammenhänge offen bleibt (DOELKER 1997, S. 146ff). x Die zweite Phase bezeichnet er als inhärente Bedeutung. Hier wird versucht, möglichst alle semantischen Möglichkeiten – unabhängig der vom Bildautor verfolgten – zu sehen. Daher ist die Erschließung der inhärenten Bedeutung die umfangreichste Phase der Bildinterpretation. Sie geht sowohl über die subjektive als auch über die vom Bildautor beabsichtigte Bedeutung hinaus (DOELKER 1997, S. 148). x Die dritte Phase nennt DOELKER (1997) intendierte Bedeutung und meint damit die vom Bildautor bzw. Versuchsleiter beabsichtigte Bedeutung des visuellen Reizes (DOELKER 1997, S. 149). ZIMBARDO und GERRIG (1999) gliedern den Prozess der Wahrnehmung entsprechend der neuronalen Verarbeitung und unterscheiden dabei drei Abschnitte (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 106f): x 1. Stufe – Sensorische Empfindung: Physikalische Energie (z.B. Lichtwellen) wird in die neurale Aktivität von Gehirnzellen, in der Informationen über die Art der Stimulation der Rezeptorgane verschlüsselt sind, umgewandelt. Indem die Zellen der Netzhaut Grenzlinien und Helligkeitsunterschiede betonen, erfolgt bereits hier eine Reizauswahl und Transformation. Die Gehirnzellen entnehmen aus dem Input, den sie von der Netzhaut bekommen, Informationen über Merkmale und räumliche Verteilungen. x 2. Stufe – Perzeptuelle Organisation: In dieser Stufe wird die innere Repräsentation eines Gegenstandes sowie ein Perzept des äußeren Reizes gebildet. Diese Repräsentation liefert nun eine ausreichende Beschreibung der äußeren Umwelt des Wahrnehmenden. Information wird durch übergeordnete Gehirnprozesse organisiert und modifiziert, Eigenschaften und Bestandteile der Reize werden in erkennbare Muster und Formen umgewandelt, Größe, Form, Entfernung und Bewegung der Gegenstände werden ermittelt. x 3. Stufe – Identifikation und Einordnung: Auf dieser Stufe wird die Fragestellung der Wahrnehmung: „Was ist dieser Gegenstand?“ umgewandelt in die Fragestellung der Klassifikation: „Was ist die Funktion dieses Gegenstandes? Wozu dient er?“ oder aber auch „Was will dieses Bild ausdrücken? Was kommuniziert dieses Bild?“. Es werden also die Eigenschaften wahrgenommener Gegenstände in vertraute Kategorien eingeordnet, den Perzepten werden Bedeutungen zugewiesen. Wenngleich auch PETRIK (2001) drei Ebenen unterscheidet und den gesamten Wahrnehmungsprozess in Mikro-, Meso- und Makroebene gliedert, betont sie, dass diese Dreiteilung „künstlich“ ist und die Ebenen in der Realität untrennbar miteinander verbunden
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
sind (PETRIK 2001, S. 58). ZIMBARDO und GERRIG (1999) weisen ebenfalls auf die Schwierigkeit insbesondere der Unterscheidung zwischen Organisation und Identifikation im Wahrnehmungsprozess hin, da diese Prozesse im Alltag ineinander verwoben ablaufen, konzeptionell aber unterschieden werden müssen (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 107). Eine von NEISSER (1974) propagierte und bislang auf breite Zustimmung stoßende Einteilung gliedert die Wahrnehmung im visuellen System in zwei relativ gut voneinander trennbaren Teilfunktionen (KEHRER und MEINECKE 1995, S. 35). Die zentrale Annahme besteht darin, dass die visuelle Eingangsinformation – das Abbild auf der Retina – in zwei aufeinanderfolgenden Stufen verarbeitet wird. Diesen Stufen werden unterschiedliche Leistungen der Informationsverarbeitung zugeordnet. Neben der verhältnismäßig gut durchführbaren Trennung des Wahrnehmungsprozesses in präattentive und attentive Phase ist es ferner möglich, die oben getroffenen Einteilungen des Wahrnehmungsprozesses nach WEIDENMANN (1988), DOELKER (1997) und ZIMBARDO und GERRIG (1999) in NEISSERs Gliederung überzuführen und eine gemeinsame Sichtweise zu erzeugen. Wie NEISSER (1974) ausführt, liefert die präattentive Stufe eine zunächst noch grobe Segmentierung des gesamten Eingangsbildes aufgrund charakteristischer Bildmerkmale (NEISSER 1974, S. 117). Präattentive Prozesse laufen automatisch und ohne Einfluss des Bewusstseins sehr kurzfristig ab. Sie kennzeichnen einen „primären Zugriff“ auf das Bild (WEIDENMANN 1994, S. 27). Hier findet die Abgrenzung von Objekten statt, die nachfolgende Mechanismen im Detail ausfüllen und interpretieren müssen. Mit anderen Worten erfolgt in diesem System die Identifikation, Diskrimination und Gruppierung von Bildpunkten einer grafischen Konfiguration (NEISSER 1974, S. 117f). MARR (1982), der ähnlich wie NEISSER (1974) von frühen und späten Stufen der Wahrnehmung spricht, nennt vier Faktoren eines visuellen Reizes, die den frühen visuellen Wahrnehmungsprozess bestimmen: x die Bildgeometrie (die Anordnung von Linien, Kanten und Winkeln) x der Reflexionsgrad der sichtbaren Oberflächen x die Beleuchtung der Szenerie x der Standpunkt des Betrachters bzw. der Betrachtungswinkel Aufgabe der frühen Prozesse sei es daher, unter Berücksichtigung der vier Faktoren eine Lichtverteilung auf einem Bild in bestimmte Muster zu strukturieren und zwischen einzelnen Elementen im visuellen Feld zu unterscheiden (MARR 1982, S. 42). Voraussetzung für die Abgrenzbarkeit einzelner Elemente und somit für die Wahrnehmung von Objekten im Raum bzw. in einem Bild sind demnach Kontraste in der Helligkeit. Erst
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diese lassen die Grenzen wie Ecken und Kanten, die den Gegenständen Form, Größe und ihre Position im Raum verleihen, genau erkennen (ZIMBARDO und HOPPE-GRAFF 1995, S. 178). Abbildung 10 zeigt zwei Beispiele für unterschiedlichen Kontrastreichtum. Während die Konturen im Bild links sofort erkannt werden, fällt es beim rechten Reizmuster ungleich schwieriger, Kanten abzugrenzen.
Unterschiedlicher Kontrastreichtum von Reizmustern
Stimuli aus dem Bilderpool für Studie III
Abbildung 10: Beispiele für unterschiedlichen Kontrastreichtum von Reizmustern
Abbilder von vertrauten Objekten mit wahrnehmungsfreundlichen Darstellungscodes werden bereits nach etwa einer Zehntelsekunde zutreffend erkannt. Verantwortlich hierfür sind parallel arbeitende Prozesse der Wahrnehmungsorganisation, der Mustererkennung und der Objektidentifikation. NEISSER (1974) schließt daraus, dass die präattentiven Prozesse „global“ und „ganzheitlich“ ablaufen. Jede Figur, jedes Bildelement muss von den anderen in seiner Ganzheit abgetrennt werden. Die Verarbeitung erfolgt in dieser Phase parallel und willentlich kaum beeinflusst. (NEISSER 1974, S. 117f) WEIDENMANN (1994) beruft sich auf empirische Studien, die ebenfalls dafür sprechen, dass in der präattentiven Stufe das Erfassen der globalen Bedeutung vor sich geht. Details, das heißt lokale Bildmerkmale, werden demzufolge erst mit dem „zweiten Blick“ gemustert und verarbeitet (WEIDENMANN 1994, S. 28). Präattentive Prozesse dürfen nicht unabhängig von kognitiven und emotionalen Merkmalen betrachtet werden (WEIDENMANN 1994, S. 27), weshalb sie auch nicht ausschließlich als Bottom–up Prozesse zu verstehen sind, sondern
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
vielmehr als Konstruktionen, die durch Top–down Vorgänge beeinflusst werden (WEIDENMANN 1994, S. 30). In der an die präattentiven Prozesse anschließenden attentiven Stufe findet eine feinere Bildanalyse der in der ersten Stufe gegliederten Bildareale statt. Im Vergleich zur global und ganzheitlich ablaufenden präattentiven Stufe, ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit in der attentiven Stufe gering (NEISSER 1974, S. 117). Hier erfolgt die absichtsvolle, aufgabenorientierte Musterung und Verarbeitung eines Bildes. Der Betrachter versucht gezielt, aufgabenrelevante Informationen aus dem Bild zu extrahieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Unterschied zum präattentiven Bildverstehen liegt daher hauptsächlich darin, dass Bildelemente nicht nur auf einen Blick wahrgenommen, sondern zusätzlich einzeln und selektiv analysiert und interpretiert werden (WEIDENMANN 1994, S. 32).
4.3 Reizaufnahme Die Aufnahme visueller Umweltreize erfolgt durch das „Abtasten“ der Umgebung (oder eines Bildes). Dabei führen die Augen eine Reihe kleiner ruckartiger Bewegungen aus, die als Sakkaden bezeichnet werden. Da beim Menschen ein hohes Auflösungsvermögen auf die Sehgrube (Fovea), deren Bereich weniger als drei Prozent der Retina ausmacht, beschränkt ist, sind im menschlichen visuellen System Augenbewegungen notwendig, um die Fovea auf unterschiedliche Ziele zu richten. (SCHIERWAGEN 1998, S. 275) Während einer Fixation kann daher nur jeweils ein Bildelement scharf wahrgenommen und Information aufgenommen werden. Es hängt also von der Anzahl der Fixationen ab, wie viele Informationseinheiten aufgenommen werden (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 286). Hinsichtlich der Fixationsdauer nennt KROEBER-RIEL (1996) eine durchschnittliche Zeitspanne von 150 bis 300 Millisekunden (KROEBER-RIEL 1996, S. 55). LEVEN (1991) gibt einen Bereich zwischen 50 und 300 und sogar bis zu 500 Millisekunden für eine Fixation an, wobei Texte grundsätzlich längerer Erfassungszeiten bedürfen als Bilder bzw. Bilddetails (LEVEN 1991, S. 93). Aus 33.331 aufgezeichneten Fixationen (von 149 Probanden) bei der Betrachtung von Werbeanzeigen ermittelte LEVEN (1991) eine durchschnittliche Fixationsdauer von 269 Millisekunden mit einem Modus von 200 Millisekunden (LEVEN 1991, S. 275). Etwa 10% der Fixationen lagen im Bereich von nur 40 Millisekunden, weitere 10% über einer halben Sekunde. Die Werbeanzeigen wurden ohne konkrete Aufgabenstellung betrachtet, weshalb LEVEN (1991) hinzufügt, dass die mittlere Fixationsdauer bei Definition einer spezifischen Aufgabe ansteigt (LEVEN 1991, S. 94).
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
367
SALTHOUSE und ELLIS (1980) messen die Fixationsdauer bei Betrachtung verschieden angeordneter Zeichen und unterteilen die Fixation in zwei Komponenten. Sie stellen fest, dass etwa 200 Millisekunden benötigt werden, um die Augenbewegung zu stoppen und wieder in Gang zu setzen (Komponente I). In dieser Phase findet keine Informationsaufnahme statt. Die eigentliche Fixation (Komponente II) dauert entsprechend ihrer Ergebnisse mindestens 50 bis 100 Millisekunden (SALTHOUSE und ELLIS 1980, S. 230). Die Dauer wird durch verschiedene, während der Fixation zu leistende Aktivitäten bestimmt. Als Einflussfaktoren lassen sich nennen (LEVEN 1986, S. 163): x die Zeit, die notwendig ist, um die nächste Sakkade festzulegen x okulomotorische Faktoren, also der Zeitbedarf, um die Augenbewegungen zu starten und zu stoppen x die Länge der vorausgegangenen Sakkade x die zur Auswertung des Fixierten notwendige Verarbeitungszeit Neben der Fixationsdauer ist die Abfolge der Fixationen von Interesse, da sie Aufschluss über den Prozess der Informationsaufnahme geben. LEVEN (1986) unterstellt, dass die Bildbetrachtung mit der Fixation jenes Elementes beginnt, von dem sich der Betrachter den größten Beitrag zur Identifikation der gesamten Reizvorlage verspricht (LEVEN 1986, S. 161). Die Anzahl der Fixationen hängt von der Größe des zu eruierenden Elementes ab und von der Exaktheit, mit der das visuelle Element verarbeitet werden soll. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Fixationen eines Elementes umso größer ist, je „attraktiver“ dem Betrachter ein Element erscheint (LEVEN 1986, S. 166). Darüber hinaus werden Bildelemente vom Betrachter mehrmals fixiert. Solche Mehrfachfixierungen führen zu einer stärkeren gedanklichen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bildelement sowie zu einem tieferen Verständnis und damit zur verstärkten Speicherung der aufgenommenen Bildelemente (KROEBER-RIEL 1996, S. 58). Im Gegensatz zu den Fixationen werden während den sakkadischen Sprüngen Signale von den Augen gehemmt. Vermutlich verhindert dies Unschärfen, die durch derart rasche Bewegungen entstehen und die Netzhautsignale verzerren. (GREGORY 2001, S. 65) Eine Untersuchung von GRIMES (1996) bestätigt die sakkadische Signalunterdrückung. Er legte den Probanden Bildpaare vor, die weitgehend übereinstimmten, aber einige deutliche Unterschiede aufwiesen. Wurden während einer Sakkade Bildelemente ausgetauscht (beispielsweise Entfernung von Bildelementen, Änderung der Farbe eines Elementes, Vergrößerung einzelner Elemente), so blieb dies vom Betrachter meist unbemerkt. Im Durchschnitt wurden von den Versuchspersonen 80% dieser Manipulationen nicht entdeckt. GRIMES (1996) betont aufgrund dieser Ergebnisse die Bedeutung interner Repräsentationen,
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
die Informationen auch über die einzelnen Sakkadensprünge hinweg zur Verfügung stellen. (GRIMES 1996, S. 89ff) Bei der Betrachtung von Bildern liegt die Dauer einer Sakkade im Bereich von 5 bis 80 Millisekunden (GRIMES 1996, S. 90), wobei das Muster der Sakkadenbewegungen von mehreren Faktoren abhängt (LEVEN 1986, S. 167): x individuelle Faktoren, wie Einstellungen der Versuchsperson oder aktuelle Stimmungen und Motive x Gestaltung des visuellen Reizes: LEVEN (1986) postuliert, dass die Summe der Sakkadenlängen umso größer ist, je komplexer die Beschaffung eines Reizmusters ist, beispielsweise wenn die Bildvorlage keine optische Gliederung aufweist oder zu viele Informationen enthält. x Aufgabenstellung bei der Betrachtung des Bildreizes: Während ohne konkreter Aufgabenstellung das gesamte Bild abgetastet wird, konzentriert sich der Blick bei vorgegebener Aufgabe auf jene Bildelemente, die den größten Informationsgehalt versprechen. Abbildung 11 zeigt beispielhaft zwei Bilder unterschiedlicher Komplexität. Es lässt sich nachvollziehen, dass komplexe Bilder in der Regel mehrerer Fixationen bzw. Sakkadensprünge bedürfen als Bilder, die aufgrund prägnanter Bildinhalte mit wenigen Augenbewegungen vollständig erfasst werden können.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
369
Unterschiedliche Komplexität von Reizmustern
Stimuli aus dem Bilderpool für Studie III
Abbildung 11: Beispiele für unterschiedliche Komplexität von Reizmustern
4.4 Organisationsprozesse Nach der im visuellen System erfolgten Aufbereitung von Inputs aus der Außenwelt, ist eine weitere umfangreiche Informationsverarbeitung erforderlich, bevor das System in der Lage ist, die Welt wahrzunehmen. Wenngleich Organisationsprozesse in der Literatur über visuelle Wahrnehmung meist nur mit den Gestaltgesetzen in Verbindung gebracht werden, so können die ebenfalls in der präattentiven Phase stattfindende Wahrnehmung von Tiefe und Oberfläche sowie die Farbwahrnehmung (im weiteren Sinn) auch zu den Organisationsprozessen gezählt werden. 4.4.1
Wahrnehmung von Tiefe und Oberfläche
Selbst bei Bildern, wo Räumlichkeit im objektiven Sinn gar nicht existiert, werden Tiefe und Entfernungen wahrgenommen (KEBECK 1994, S. 60). Da die an der Netzhaut anliegende Information von Natur aus zweidimensional ist, muss eine dreidimensionale Repräsentation der Welt aufgebaut werden. So bedient sich das visuelle System beim Schließen auf Entfernungen einer ganzen Anzahl von Hinweisreizen, deren wichtigste für die Verarbeitung von Bildern der Texturgradient und die Linearperspektive sind (ANDERSON 2001, S. 44).
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Oberflächen weisen Texturen unterschiedlicher Dichte auf, die zwischen grob und fein variieren. Weist das Bild einer einzigen Oberfläche einen progressiv verlaufenden Dichtegradienten auf, so entsteht der Eindruck fortlaufender Entfernung (GIBSON 1973, S. 109). Für ZIMBARDO und GERRIG (1999) ergibt sich der Texturgradient aus der Größe/Distanz-Relation, indem das Objekt mit der geringsten Entfernung zum Betrachter das größte Bild, das entfernteste das kleinste Bild produziert (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 139f). Die Größe/Distanz-Relation liefert den Hinweis relativer Größe für die Tiefenwahrnehmung, wodurch ein stetiges Anwachsen der sichtbaren Entfernung in Erscheinung tritt (GIBSON 1982a, S. 176). Mit der Linearperspektive nennt GIBSON (1973) ein weiteres Tiefenkriterium: Gleichabständige Kanten (die als parallele Linien aufgefasst werden können) konvergieren zu einem gemeinsamen Fluchtpunkt, indem sie auf den Horizont zulaufen (GIBSON 1973, S. 65). Neben dem Texturgradienten und der Linearperspektive nennen ATKINSON et al. (1993) weitere Tiefenmerkmale (ATKINSON et al. 1993, S. 168): x die relative Größe im Blickfeld: das größere Objekt im Blickfeld wirkt näher als das kleinere, x die relative Höhe im Blickfeld: Objekte, die unter der Horizontlinie liegen, erscheinen entfernter, wenn sie sich im Blickfeld weiter oben befinden, Objekte über der Horizontlinie umso entfernter wahrgenommen, je weiter unten sie im Blickfeld liegen. x die Superposition: Ein Objekt, das zum Teil von einem anderen Objekt verdeckt wird, erscheint weiter entfernt zu sein. Die beschriebenen Hinweisreize bezeichnen ATKINSON et al. (1993) „Pictorial Cues“1 (ATKINSON et al. 1993, S. 168). Sie ermöglichen dem visuellen System einen dreidimensionalen Tiefeneindruck auf einer an sich zweidimensionalen Fläche zu erzeugen (GOLDSTEIN 2002, S. 232). Obwohl Objekte gleicher Größe aber unterschiedlicher Entfernung dem Betrachter ein entsprechend der Tiefenwahrnehmung differenziertes Bild liefern, wird die wahre Größe des Gegenstandes perzipiert. Die Größenkonstanz wird im Wahrnehmungssystem durch Kombination der Information über die Größe des Netzhautbildes mit anderen Informationen 1
ATKINSON et al. (1993) bezeichnen lediglich vier Tiefenkriterien (Linearperspektive, relative Größe im Blickfeld, relative Höhe im Blickfeld, Superposition) als Pictorial Cues bzw. Depth Cues. Diese dienen dem visuellen System zur Herleitung der Tiefe. Nach GIBSON (1973) wird der Texturgradient allerdings nicht zur Herleitung von Tiefe eingesetzt, sondern als direkte Reizinformation wahrgenommen.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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über die Entfernung (mittels Hinweisreizen) erzeugt. Wahrgenommen wird deshalb jene Gegenstandsgröße, die üblicherweise der wirklichen Größe des Gegenstandes entspricht (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 141). Die neben den „Pictorial Cues“ in der Literatur angeführten Hinweisreize zur Raumwahrnehmung sind für die Wahrnehmung von ruhenden Bildern weitgehend ohne Bedeutung und sollen an dieser Stelle nur erwähnt werden: Die Stereopsie oder Disparität bezieht sich auf die Tatsache, dass beide Augen ein leicht unterschiedliches Bild der Welt erreicht. Die Bewegungsparallaxe gibt Aufschluss über die dreidimensionale Struktur in bewegten Bildern. Bewegen sich Punkte, die weiter vom Beobachter entfernt sind, so ergibt dies eine langsamere Bewegung über die Retina hinweg als für nähere Punkte. (vgl. ROCK 1998, S. 46ff; ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 136f; ANDERSON 2001, S. 45) 4.4.2
Wahrnehmung von Formen und Objekten in ruhenden Bildern – Die Gestaltgesetze der Wahrnehmung
Die zentrale Frage, wie im visuellen System kleine Einheiten zu einem größeren Ganzen oder zu bedeutungshaltigen Gegenständen organisiert werden und wie es gelingt, Objekte von ihrem Hintergrund zu trennen, bezieht sich auf das Problem der Wahrnehmungsorganisation. Die Gestaltpsychologen, zu deren bedeutendsten Vertretern Wertheimer, Köhler und Koffka zählen, beschrieben in den 1920er Jahren einige grundlegende Mechanismen zur Wahrnehmungsorganisation und formulierten die Gestaltgesetze (GORDON 1997, S. 56). Im Gegensatz zur Elementenpsychologie, die behauptet, dass sich die Wahrnehmung aus kleinen Bausteinen – elementaren Empfindungen – zusammensetzt, gehen die Gestaltpsychologen von der Ganzheitswirkung eines Reizmusters aus. Sie konnten zeigen, dass die Wahrnehmung eines Teiles des Reizmusters von seinen anderen Teilen beeinflusst wird. Mit ihrem Leitsatz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ hatte die Gestalttheorie wesentlichen Einfluss auf die nachfolgenden Wahrnehmungstheorien. (GOLDSTEIN 2002, S. 190) Die Gestaltgesetze sind ein Satz von Regeln, die beschreiben, welche Wahrnehmungen entstehen, wenn bestimmte Reizbedingungen gegeben sind. In der Literatur trifft man auf unterschiedliche Bezeichnungen der einzelnen Gestaltgesetze, ebenso variiert deren Anzahl je nach Autor. Grundsätzlich lassen sich die Gestaltgesetze in Anlehnung an ATKINSON et al. (1993) in zwei Bereiche der Objektabgrenzung einteilen: in die Figur-Grund-Differenzierung und die Gruppierung von Objekten.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Beispiele für Figur-Grund-Differenzierungen Fiktives Dreieck KANIZSA (1979)
Würfel mit Scheinkonturen BRADLEY und PETRY (1977)
Rubinsche Becherfigur RUBIN (1915)
Abbildung 12: Beispiele für Figur-Grund-Differenzierungen
x Figur-Grund-Differenzierung: Das visuelle System besitzt die Fähigkeit, bestimmte Elemente als Figuren aufzufassen und das übrige visuelle Feld als Hintergrund zu interpretieren. Diese Unterscheidung zwischen Figur und Hintergrund ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine schnelle und sichere Orientierung im Bild. Bekannte Beispiele liefern die Kippfigur von RUBIN (1915), der Würfel von BRADLEY und PETRY (1977), sowie das Dreieck von KANIZSA (1979). Abbildung 12 zeigt auch eine weitere bedeutsame Komponente der Figur-Grund-Differenzierung auf – das Entstehen eines räumlichen Tiefeneindrucks, der die jeweilige Figur dem Betrachter näher als den Hintergrund erscheinen lässt (KEBECK 1997, S. 40). Die Figuren von BRADLEY und PETRY (1977) und KANIZSA (1979) scheinen im Raum zu schweben und weisen Scheinkonturen auf, indem Kanten wahrgenommen werden, die objektiv nicht vorhanden sind (GOLDSTEIN 2002, S. 191). Sie wirken aufgrund der Superposition (vgl. 4.4.1) näher als die teilweise verdeckte Figur.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
373
Beispiele zu den Gestaltgesetzen Gesetz der Geschlossenheit Prägnanzgesetz
Das regelmäßige Sechseck weist die „beste“ Gestalt auf (oben). Anstatt eines Kreises und eines Kreisbogens werden zwei sich teilweise überdeckende Kreise wahrgenommen (links).
Gesetz der Nähe
Es scheinen jeweils zwei Linien zusammengehörig (links). Es werden fünf Spalten von Quadraten anstatt acht Zeilen wahrgenommen (rechts).
Gesetz der Ähnlichkeit
Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie Gesetz der guten Weiterführung A
D
Es werden zwei durchgehende Linien (A-C und B-D) wahrgenommen und nicht zwei gebrochene Linien (A-D und B-C) B
C
Ähnliche Figuren werden gruppiert. In der Darstellung werden jeweils Zeilen gleichartiger Figuren wahrgenommen.
(in Anlehnung an ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 133 bzw. GOLDSTEIN 2002, S. 194)
Abbildung 13: Beispiele zu den Gestaltgesetzen der visuellen Wahrnehmung
x Zur Gruppierung von Objekten können folgende Gestaltgesetze formuliert werden (ATKINSON 1993, S. 167): - Das Gesetz der Geschlossenheit (Gesetz der guten Gestalt, Prägnanzgesetz): ist das zentrale Gesetz der Gestaltpsychologie und besagt, dass jedes Reizmuster so gesehen wird, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist. - Das Gesetz der Nähe: Dinge mit räumlichem Naheverhältnis erscheinen als zusammengehörig. - Das Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie (Gesetz der guten Weiterführung): Punkte, deren Verbindung als gerade oder sanft geschwungene Linie gesehen wird, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Linien werden so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg. - Das Gesetz der Ähnlichkeit: Ähnliche Dinge erscheinen zu zusammengehörigen Gruppen geordnet, wobei die Gruppierung hinsichtlich Form, Farbe, Helligkeit, Größe oder Orientierung erfolgen kann. ZIMBARDO und GERRIG (1999) und GOLDSTEIN (2002) nennen zwei weitere bedeutsame Gestaltgesetze zur Gruppierung von Objekten, wenngleich sich diese nicht
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
mehr ohne Weiteres zu den präattentiven Verarbeitungsprozessen zählen lassen, sondern auch auf den höheren Ebenen der Informationsverarbeitung stattfinden können: - Das Gesetz der Vertrautheit: Objekte bilden mit größerer Wahrscheinlichkeit Gruppen, wenn die Gruppen vertraut erscheinen oder etwas bedeuten. Erfolgt eine Gruppierung entsprechend diesem Gestaltgesetz, so ist es für den Betrachter nach erfolgter Gruppierung schwer, die Bildelemente nicht mehr in dieser Weise wahrzunehmen. (GOLDSTEIN 2002, S. 195) - Das Gesetz des Bezugsrahmens: Die Umrisse von Figuren werden relativ zu Bezugsrahmen, die durch den räumlichen Kontext gegeben sind, wahrgenommen. Der dadurch gesetzte Rahmen beeinflusst somit die Formwahrnehmung der einzelnen Figuren. (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 134) Ergänzend zur Gestaltpsychologie hat sich SANDER (1928) der Frage gewidmet, wie Gestalten entstehen und für diesen Prozess den Begriff der Aktualgenese geprägt, die von folgenden grundsätzlichen Hypothesen ausgeht (STOFFER 1995, S. 209): x Wahrnehmen und Erkennen bestehen in einem gewöhnlich blitzartig ablaufenden Entfaltungsvorgang. x Die Aktualgenese verläuft nicht kontinuierlich, sondern in Phasen. x Die Entfaltung verläuft vom gefühlsmäßigen Erahnen einer ungegliederten Ganzheit über die Entstehung einer labilen Vorgestalt bis zur Bildung einer klar gegliederten Endgestalt. x Den aktualgenetischen Verlauf kennzeichnen darüber hinaus gefühlsartige Qualitäten. Die Gestaltbildung vollzieht sich demnach von der prägnanten zur weniger prägnanten Gestalt, da zuerst jene Merkmale ausgegliedert werden, die charakteristisch für grobe Umrissstrukturen des wahrgenommenen Objektes sind (BEHRENS 1982, S. 126). 4.4.3 Farbwahrnehmung Farben sind mit verschiedenen Bedeutungen verknüpft, die beim Wahrnehmen der Farbe aktiviert und damit bewusst werden. Dazu gehören Anmutungsqualitäten, aber auch Sinnesqualitäten, die sich auf direkt wahrnehmbare Objekteigenschaften beziehen (BEHRENS 1982, S. 220). Farben können automatisch-unbewusste Reaktionen und Assoziationen auslösen. Nach einer von HELLER (2000) durchgeführten Studie zur Farbwirkung, wird beispielsweise die Farbe Rot von 70% der Auskunftspersonen mit Liebe, von 55% mit Wut bzw. Zorn und von 34% mit Begierde assoziiert (HELLER 2000, S. 53). Rot ist grundsätzlich eine Farbe der Kraft, Aktivität und Aggressivität (HELLER 2000, S.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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56). Grau und Schwarz sind vordergründig Farben der negativen Gefühle, wie z. B. Trauer, Bedrängnis, Einsamkeit (HELLER 2000, S. 218). Sie betont aber, dass mit einem Gefühl meist mehrere Farben verbunden werden, die sich gegenseitig verstärken und erklären. So wird nach HELLER (2000) etwa das Rot der Liebe neben Rosa gesehen, zum Rot des Hasses gehört Schwarz. Die Nebenfarben bestimmen somit die Wirkung der Grundfarben (HELLER 2000, S. 13). Farben leisten daher einen wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung und Verarbeitung von Bildern. Farbassoziationen haben eine stark schematische Wirkung, weshalb entsprechende Farben und Farbkombinationen die mittels der Bilder zu kommunizierende Emotion unterstützen (wie etwa ein roter Kopf einer sich ärgernden Person die Emotion Ärger verstärkt), schwächen oder verändern können (KROEBER-RIEL 1996, S. 145).
4.5 Grundsätze der Mustererkennung Nach der ersten Stufe der visuellen Wahrnehmung stellt sich die Frage, wie nun die visuellen Muster, die sich aus den einzelnen wahrgenommenen Elementen (Linien, Kanten, Punkten, Winkeln, Farben, usw.) zusammensetzen, erkannt werden, obwohl Bildreize oft erheblich voneinander abweichen oder eine unterschiedliche Zusammensetzung von Elementen aufweisen (KEBECK 1994, S. 44). Um in weiterer Folge Informationen über die „Bedeutung“ des wahrgenommenen Objektes zu bekommen, muss dieses zuerst klassifiziert werden. Die Klassifikation läuft darauf hinaus, dass man weiß, dass Gegenstände zu Kategorien wie Menschen, Tischen, Büchern oder Häusern gehören (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 143). Bei den Mustererkennungstheorien, die hierauf eine Antwort zu geben versuchen, lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze unterscheiden: Die Datengesteuerte und die konzeptgesteuerte Mustererkennung. Nachdem sich der Großteil der Forschung in diesem Bereich mit der Erkennung von Buchstaben oder einfachen Zeichen befasst, soll im Anschluss an die beiden grundlegenden Theorien zur Mustererkennung ein Ansatz zur Erkennung komplexer Objekte diskutiert werden. 4.5.1
Datengesteuerte Mustererkennung
Datengesteuerte Mustererkennung geht von „unten nach oben“ (bzw. „Bottom-up“) vor und basiert auf einer Merkmalsanalyse des visuellen Reizes (KEBECK 1994, S. 44). Nach diesem Modell wird jeder Reiz als Kombination elementarer Merkmale angesehen (ANDERSON 2001, S. 51). Die vorhandenen Elemente werden zunächst einzeln erfasst, bevor sie dann in einem zweiten Schritt wieder zusammengeführt und als bestimmte Figur identifiziert werden können. Bei dieser „figuralen Synthese“ stützt sich die Mustererkennung auf kritische Merkmale, die bei der Analyse des aufgenommenen Musters entdeckt werden müssen, damit
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
eine Identifikation möglich ist (KEBECK 1994, S. 45). Bei diesem Prozess können bis zu einer bestimmten Kapazitätsgrenze gleichzeitig mehrere Objektmerkmale ausgewertet werden (BEHRENS 1982, S. 103). NEISSER (1974) bezieht sich bei der Erklärung der Merkmalsanalyse auf das „Pandämonium“-Modell von SELFRIDGE (1959). Bei einem „Pandämonium“ wird jedes mögliche Muster durch einen Dämon dargestellt (NEISSER 1974, S. 101). Jeder Dämon sucht unaufhörlich nach Belegen dafür, dass er im Input abgebildet ist. In dem Ausmaß, in dem er solche Belege findet, meldet er dies. Die „lauteste“ Meldung wird von einem Entscheidungsdämon als Identifizierung des Stimulus genommen (GORDON 1997, S. 126). Im Prinzip kann ein Pandämonium jedes Muster erkennen. Darüberhinaus kann ein Pandämonium seine Leistung durch Lernen verbessern, solange ihm mitgeteilt wird, ob seine Identifikation des vorhergehenden Musters richtig war (NEISSER 1974, S. 102). GIBSON (1982b) bezeichnet diesen Prozess als Wahrnehmungslernen und meint damit Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf jene Merkmale zu richten, die für das Objekt charakteristisch sind (GIBSON 1982b, S. 330). 4.5.2
Konzeptgesteuerte Mustererkennung
Anders als bei der Merkmalsanalyse beruht die konzeptgesteuerte Mustererkennung auf der Annahme, dass ein getreues Netzhautbild des Objekts an das Gehirn übermittelt und dann der Versuch unternommen wird, es mit gespeicherten Mustern – sogenannten Schablonen – direkt zu vergleichen („Top-down“-Verarbeitung). Man spricht dabei von Schablonenvergleich bzw. Template Matching (ANDERSON 2001, S. 49). Jene Schablone, die den höchsten Übereinstimmungsgrad mit der Inputgestalt aufweist, wird zur Identifikation des Objektes herangezogen (KOSSLYN 1994, S. 69). Den Vergleichsprozess stellt man sich als einen parallel–seriell ablaufenden Prozess vor. Parallel werden alle Elemente der wahrgenommenen Gegenstände mit den kognitiven Repräsentanten (Schablonen) verglichen, die in ihrer Gesamtheit seriell den kognitiven „Kopien“ gegenübergestellt werden. (BEHRENS 1982, S. 100) Inwieweit Datenmuster und Schablone korrelieren müssen, ist indes unklar. Die Gestaltpsychologen beantworten diese Frage mit der „Ähnlichkeit“ zwischen sensorischem Input und Schablone (NEISSER 1974, S. 85), KEBECK (1994) verlangt eine „hinreichende Übereinstimmung“ (KEBECK 1994, S. 47). Eine Erklärung dafür, dass auch von der eigentlichen Schablone abweichende Reizmuster identifiziert werden können, liefert NEISSER (1974) mit der „Vorherverarbeitung“, einem Prozess, den er von der Reizidentifikation mittels Computer ableitet. Auf dieser Stufe, die er zwischen Input und Schablone fügt, erfolgt eine „Reinigung“ und „Normalisierung“ der Input-Gestalt. Diese kann dabei bewegt, ausgedehnt oder zusammengezogen werden, bis sie
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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der Schablone entspricht. NEISSER (1974) erklärt damit unter anderem die meist problemlose Identifikation rotierter Gestalten, indem sie erst normalisiert werden, ehe der Wahrnehmende versucht, sie zu identifizieren. (NEISSER 1974, S. 88) 4.5.3
Gemeinsame Betrachtung beider Theorien
Entsprechend der von NEISSER (1964) gelieferten empirischen Befunde zur Erkennung von Buchstaben schließt BEHRENS (1982), dass wahrgenommene Gegenstände zwar als Ganzheit bewusst werden, dass sie aber nicht als Ganzheit in den Prozess der kognitiven Informationsverarbeitung eingehen. Es werden lediglich charakteristische Merkmale verarbeitet. (BEHRENS 1982, S. 98) NEISSER (1974) ist grundsätzlich der Auffassung, dass sich Merkmalsanalyse und Schablonenvergleich in gewisser Weise ergänzen müssen, da für ihn keine der beiden Theorien eine vollständige Erklärung für die Mustererkennung liefern. So kritisiert er an der Schablonentheorie, dass sie nur unzureichend erklärt, weshalb oft kleine Details (etwa die Position der Mundwinkel im Gesicht einer Person) großen Einfluss darauf haben, welcher Kategorie ein Muster zugewiesen wird. Nachdem die Schablonentheorie einen Gesamtvergleich eines Musters mit der Schablone anstellt, kann sie solche Details nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen (NEISSER 1974, S. 89). Er hält ein Modell parallel arbeitender Analysatoren, die jeweils auf spezifische Merkmale ausgerichtet sind für einen „fruchtbaren Ansatz“. Dennoch meint er, dass viele Befunde über die menschliche Mustererkennung damit nicht erklärt werden können, wie etwa die Fähigkeit, rotierte oder schlecht definierte Figuren zu erkennen (NEISSER 1974, S. 111). Auch KEBECK (1994) vertritt die Auffassung, dass Daten- und Konzeptsteuerung keine Alternativen und in diesem Sinne keine konkurrenzierenden Modelle der Mustererkennung darstellen. Vielmehr findet in den meisten Wahrnehmungsprozessen eine Interaktion datenund konzeptgesteuerter Mustererkennung statt (KEBECK 1994, S. 49). So setzt das Modell des Schablonenvergleichs in gewisser Weise voraus, dass der Reizinput zumindest soweit analysiert wird, dass eine systematische Suche nach übereinstimmenden Schablonen im Gedächtnis möglich ist. Die weitere Verarbeitung ist danach aber von den aktivierten Gedächtnisinhalten und nicht mehr von den sensorischen Daten abhängig. Merkmalserkennung und Schablonenvergleich dürfen dabei allerdings nicht als zwei aufeinanderfolgende Schritte betrachtet werden, sie laufen vielmehr simultan und parallel ab. (KEBECK 1994, S. 48)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Zusammenwirken von Bottom-up- und Top-down-Prozessen konzeptuelles Wissen
perzeptuelles Wissen
Rückkopplungslernen aufgrund von Erfahrung
Top-Down
Regeln
Seitenwege
Hypothesengenerator
Output
erkundete Objekte
Bottom–up Signalverarbeitung (viele Kanäle)
wahrgenommene Wirklichkeit in Anlehnung an GREGORY 2001, S. 305
Abbildung 14: Zusammenwirken von Bottom-up und Top-down-Prozessen (GREGORY 2001, S. 305)
Eine schematisierte Darstellung des Zusammenwirkens von Bottom-up und Top-downProzessen zeigt Abbildung 14. Bottom-up-Signale werden von den Augen mittels Objektwissen (Top-down) und allgemeinen Regeln verarbeitet und kognitiv interpretiert. Die allgemeinen Regeln wie Perspektive, Tiefe oder die Gestaltgesetze der Organisation bilden die Syntax, das Objektwissen eine implizite Semantik. Rückkopplungen, die auf Erfolgen bzw. Misserfolgen des Resultates des Wahrnehmungsvorganges basieren, sind in der Lage, das Wissen zu korrigieren und weiterzuentwickeln. (GREGORY 2001, S. 305) 4.5.4
Objekterkennung
Eine neuere Entwicklung innerhalb der Wahrnehmungsforschung greift die Kritik an der Merkmalsanalyse, die sich in erster Linie auf das Erkennen von Buchstaben konzentriert, auf, indem sie versucht, auch das Erkennen komplexer Objekte zu erklären. Die Grundidee besteht in der Betrachtungsweise, dass ein vertrautes Objekt als bekannte Konfiguration einfacher Komponenten verstanden werden kann. (ANDERSON 2001, S. 53) MARR (1982) fasst Objekte als eine Anordnung einfacher zylinderförmiger Komponenten (Primitives) auf. So beschreibt er etwa den menschlichen Körper mittels sechs solcher Zylinder, wobei sich die Darstellung seiner Meinung weiter verbessern lässt, wenn die „globalen Primitives“ in detailliertere Einheiten zerlegt werden, also beispielsweise ein Arm
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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in Ober- und Unterarm, eine Hand in Handfläche und Finger unterteilt wird. (MARR 1982, S. 306) Obwohl in den Zylindern nur Information über deren Größe (Länge und Durchmesser) und Ausrichtung einerseits, sowie Anzahl und Anordnung andererseits enthalten ist, lassen sich damit eindeutig unterscheidbare, komplexe Figuren zusammensetzen. MARR (1982) zeigt dies anhand der Darstellung von Tieren. (MARR 1982, S. 319) Um der Kritik zu entgegnen, nicht alle Objekte könnten auf diese Weise dargestellt werden, schlägt MARR als Erweiterung seines Modells zwei Richtungen vor: Erstens einfache zweidimensionale Figuren, um beispielsweise Gesichtsausdrücke zu beschreiben, zweitens weitere „Primitives“ mit rechteckigen Formen oder Hohlfiguren. (MARR 1982, S. 310) Einen weiterentwickelten Ansatz liefert BIEDERMAN (1987) mit seiner „Recognition-byComponents“ (RBC) Theorie. Ausgangspunkt seines Modells ist, dass dreidimensionale Körper bei ihrer zweidimensionalen Abbildung auf der Retina Konturen beziehungsweise Kanten mit bestimmten Eigenschaften erzeugen (entsprechend den frühen Stufen der Wahrnehmung). Dabei geht er von der Überlegung aus, dass diese Eigenschaften entsprechende Verhältnisse innerhalb des Objektes widerspiegeln. Er nennt diese „Nonaccidental Properties“, weil es Merkmale sind, welche durch die zweidimensionale Abbildung des dreidimensionalen Körpers von dessen Form systematisch erzeugt werden und somit unabhängig von der Betrachtungsperspektive des Gegenstands sind. Nach BIEDERMAN gibt es fünf solcher „nicht-zufälliger“ Merkmale (BIEDERMAN 1987, S. 119): x Gerade Linien im Retinabild lassen auf gerade Kanten des Objektes schließen. x Gekrümmte Linien im Retinabild lassen auf gekrümmte Kanten des Objektes schließen. x Eine symmetrische Anordnung von Linien lässt auf symmetrische Körper schließen. x Parallele Linien im Retinaabbild geben parallel verlaufende Kanten des Objekts wider. x T-, Y-, L- oder pfeilförmig aufeinander treffende Linien deuten auf zusammenlaufende Kanten des Objekts hin.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Prozessschritte der Objekterkennung nach BIEDERMAN (1987) Extraktion von Kanten
Identifikation nichtzufälliger Eigenschaften
Zerlegen der Figuren an konkaven Konturen
Bestimmung von Komponenten
Vergleich zwischen Komponenten und Objektrepräsentationen
Objektidentifikation
entsprechend GREGORY 2001, S. 305
Abbildung 15: Prozess der Objekterkennung nach BIEDERMAN (BIEDERMAN 1987, S. 118)
Abbildung 15 zeigt den Prozess der Objekterkennung nach BIEDERMAN (1987). Entgegen den Annahmen MARRs (1982), der von einem ausschließlichen Bottom-up Prozess der Kantenextraktion ausgeht, ist dieser Teil zur Identifikation nichtzufälliger Eigenschaften bei BIEDERMAN (1987) auch als Top-down Prozess organisiert (BIEDERMAN 1987, S. 117). Mittels Kombination der im visuellen System ausfindig gemachten Kanten mit diesen Eigenschaften, konstruiert er elementare Teilkörper, die er „Geone“ (Geometric Icons) nennt. Diese versteht er wiederum als Komponenten, aus denen jedes Objekt zusammengesetzt ist. Insgesamt definiert er 36 solcher elementarer Teilkörper (BIEDERMAN 1987, S. 122; vgl. Abbildung 16).
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
381
Geone nach BIEDERMAN (1987)
dehnen und stauchen
asymmetrisch
Symmetrie
Reflexion
Größe dehnen
konstant Rotation und Reflexion gerade Kante gerade
gekrümmt
Achse gekrümmt
entnommen aus BIEDERMAN 1987, S. 122
Abbildung 16: Geone nach BIEDERMAN (BIEDERMAN 1987, S. 122f)
Die entscheidende Annahme der Theorie BIEDERMANs (1987) besteht darin, dass die Objekterkennung durch die Erkennung der Komponenten des Objektes vermittelt ist, ein Objekt also erkannt wird, indem seine Geone wahrgenommen werden. BIEDERMAN (1987) weist außerdem nach, dass Objekte solange identifiziert werden, als seine Geone identifiziert werden können – selbst wenn deren Konturen teilweise verdeckt sind. Erst nach Abdeckung der Schnittpunkte der Geone bleiben die entsprechenden Objekte unerkannt. Das selbe gilt laut BIEDERMAN für Objekte, bei denen einige Geone fehlen. (BIEDERMAN 1987, S. 142f) Die Stärken der Theorie liegen vor allem in der Sichtenunabhängigkeit der Repräsentationen und in deren Robustheit gegenüber Störungen (GOLDSTEIN 2002, S. 214). Dagegen spricht, dass beim Zerlegen in elementare Teilkörper wichtige Detailinformationen, die für die Wahrnehmung von Objekten unerlässlich sind (wie etwa Gesichtszüge einer Person oder feine Texturen) unberücksichtigt bleiben. So wirft auch GOLDSTEIN (2002) die Frage auf wie mit den postulierten Geonen komplexe Gegenstände zuverlässig repräsentiert werden können (GOLDSTEIN 2002, S. 215). Aufbauend auf die Prozesse der Muster- bzw. Objekterkennung existieren verschiedene Anschauungen darüber, wie es der Wahrnehmende schafft, die für ihn relevanten Informationen aus der Umwelt zu entnehmen und diese entsprechend zu interpretieren. Im
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Folgenden sollen die zum Teil recht gegensätzlichen Standpunkte mit dem Ziel skizziert werden, verwertbare Anhaltspunkte für die Wahrnehmung emotionaler Bildreize zu erhalten.
4.6 Theorien der visuellen Wahrnehmung Es lassen sich generell zwei Richtungen von Wahrnehmungstheorien beschreiben. Auf der einen Seite stehen die Nativisten mit der Ansicht, Wahrnehmung sei unmittelbar. Sie vertreten die Auffassung, dass die Prozesse der Aufnahme und Organisation von Information von den Reizen gesteuert werden, gehen also eher von der Mustererkennungstheorie der Merkmalsanalyse aus. Die andere Seite bilden die Konstruktivisten. Sie behaupten, dass der visuelle Reiz mit Datenmustern, die im Gedächtnis bereits vorhanden sind, verglichen wird. Dennoch liegt ihren Annahmen nicht grundsätzlich die Schablonentheorie zugrunde (vgl. dazu NEISSERs Standpunkt in Kapitel 4.5.3). 4.6.1
Nativistische Wahrnehmungstheorien – GIBSONs „Ökologische Wahrnehmung“
GIBSON (1982a und 1982b) entwickelte einen sehr einflussreichen nativistischen Ansatz zur Wahrnehmung. Anstatt den Versuch zu unternehmen, die Wahrnehmung als Ergebnis der Struktur eines Organismus aufzufassen, schlägt er vor, man könne sie besser durch eine Analyse der unmittelbar vorfindlichen Umwelt verstehen. (ZIMBARDO und GERRIG 1999, S. 113) GIBSONs Theorie der ökologischen Wahrnehmung behauptet, dass alles Wissen über die äußere Welt auf direkte Weise durch die Sinne aufgenommen wird. Angeborene sensorische Prozesse gestatten es dem Beobachter, Größe, Umfang und Entfernung eines Gegenstandes wahrzunehmen. Wesentlich ist für GIBSON (1982b) die Unterscheidung zwischen Erleben im Sinne von „etwas Entdecken (wahrzunehmen)“ und im Sinn von „Sensationen (Empfindungen) haben“ (GIBSON 1982b, S. 18). Er vertritt die Auffassung, dass das Herausholen der in den Reizen vorhandenen Information auch ohne die Existenz von Empfindungen vor sich gehen kann. Empfindung ist nicht eine Voraussetzung der Wahrnehmung und daher sind nach GIBSON (1982b) Empfindungserlebnisse auch nicht die „Rohdaten“ von Wahrnehmung. Er bezeichnet dies als die „Nicht-aufeinander-Bezogenheit“ von Empfindung und Wahrnehmung (GIBSON 1982b, S. 72f). Was die Umwelt für einen Organismus spezifiziert, nennt GIBSON (1982a) Information. Diese kann vom visuellen System aus der Struktur des von den Objektoberflächen reflektierten Lichts entnommen werden. In dieser Struktur sind bereits die Bedeutung eines Gegenstandes und bestimmte Handlungsangebote für den Organismus enthalten. Zur Erklärung der Wahrnehmung von verfügbarer Information verwendet GIBSON (1982a) den Begriff der „ökologischen Optik“. Diese unterscheidet sich von der physikalischen Optik,
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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indem sie auf einigen Unterschieden basiert, die für die physikalische Optik nicht wesentlich sind: x Unterscheidung zwischen leuchtenden und nicht leuchtenden Körpern: Die meisten Objekte in der Umwelt sind nicht leuchtend. Für GIBSON (1982a) sind diese nichtleuchtenden Körper Oberflächen, die eine Textur aufweisen. (GIBSON 1982a, S. 50) x Unterscheidung zwischen Licht als Strahlung und Licht als Beleuchtung: Wenn das Licht auf eine texturierte Oberfläche trifft, wird es gestreut. Das reflektierte Licht ist bis ins Detail durchstrukturiert, da die Reflexionen von den Oberflächen verschiedener Neigung, verschiedenen Ausschnitten und verschiedenen Pigmentationen stammen. Diese Reflexionen nennt GIBSON (1982b) einen „optisch strukturierten Bereich“. (GIBSON 1982b, S. 235) x Unterscheidung zwischen dem aus einer Quelle ausgehenden Strahlungslicht und dem Umgebungslicht, das im Auge ankommt: Strahlungslicht ist die Ursache für Beleuchtung, Umgebungslicht ist die Folge von Beleuchtung. Während Strahlungslicht keine Struktur hat, ist Umgebungslicht strukturiert, es konvergiert auf einen Beobachtungspunkt und ist in verschiedenen Richtungen unterschiedlich. (GIBSON 1982a, S. 53) GIBSON (1982a) sieht seine Theorie aufgrund einiger Experimente bestätigt, in denen er unter anderem die unmittelbare Wahrnehmung von Flächenanordnung nachweist, wobei er Flächenanordnung als die Beziehung von Flächen zum Untergrund und zueinander definiert (GIBSON 1982a, S. 160). Demnach entsteht ein Tiefeneindruck nicht nur bei Vorhandensein natürlicher Fließmuster, sondern auch bei artifiziellen Texturen, die so gezeichnet sind, dass sie nicht in geraden Linien hin zum Horizont konvergieren (GIBSON 1973, S. 110). GIBSON (1982a) folgert daraus, dass es keine Anhaltspunkte für Tiefenwahrnehmung gibt, sondern die Information für Tiefe in der Flächenanordnung von Oberflächen direkt enthalten ist. Wörtlich meint er zum Begriff der Tiefenwahrnehmung: „Sie ist ein leerer Begriff. Wenn Tiefe jene Dimension eines Objekts bedeutet, die mit Höhe und Breite einhergeht, dann ist nichts Besonderes an ihr. Höhe ist Tiefe, wenn sie von oben betrachtet wird, und so geht auch Breite, seitlich betrachtet, in Tiefe über.“ (GIBSON 1982a, S. 160f) Trotz dieser Fließmuster wird die Umwelt als konstant und stabil wahrgenommen. In ihnen müssen also Informationen höherer Ordnung enthalten sein, die auch bei Bewegung des Beobachters (oder des Gegenstandes) gleich bleiben. GIBSON (1982a) nennt die Konstanz bestimmter Eigenschaften von Objekten, unabhängig bestimmter Transformationen an ihnen, Invarianz. Beispiele für Transformationen sind etwa die Drehung eines Objektes oder Veränderungen der Beleuchtungsstärke. Trotz dieser Transformationen bleibt die Wahrnehmung der Objekte invariant. Ein Gegenstand wird immer als ein und dasselbe Objekt wahrgenommen. (GIBSON 1982a, S. 77f)
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Mit seiner Behauptung, Wahrnehmung entsteht unmittelbar und direkt aus der Information, die der optischen Anordnung entnommen wird, verneint GIBSON (1982a) die Notwendigkeit kognitiver Verarbeitung für den visuellen Wahrnehmungsprozess (GOLDSTEIN 2002, S. 330). Der Wahrnehmende lernt vielmehr laufend, seine Aufmerksamkeit gezielt auf jene Information zu richten, die im Reizangebot enthalten ist (GIBSON 1982b, S. 329). Der Wahrnehmungsprozess stimmt sich somit selbst auf die Umwelt ab, der menschliche Betrachter lernt die Werte oder Bedeutungen von „Dingen“ festzustellen. Er nimmt ihre charakteristischen Eigenschaften wahr, teilt sie in Kategorien und Subkategorien ein. Für GIBSON basiert dieser bereits in Kapitel 4.5.1 beschriebene Prozess des „Wahrnehmungslernens“ ganz allein auf der ständigen Einübung der Aufmerksamkeit, Feinheiten innerhalb invarianter Reizinformationen besser zu beachten. (GIBSON 1982b, S. 346) GIBSONs „Ecological Approach“ findet in der Literatur bis heute viel Beachtung, liefert er doch Ansätze und Erklärungen für das Zurechtfinden von Personen in der Umwelt. Anstatt sich auf die Untersuchung einfacher Reizmuster zu beschränken, richtet GIBSON (1982b) seine Aufmerksamkeit auf die Frage, welche Umgebungsinformation potenziell verfügbar ist und was von dieser Information bei der Wahrnehmung genutzt wird (GOLDSTEIN 2002, S. 329). Wesentliche Fragen des Wahrnehmungsprozesses lässt er aber offen (siehe dazu das folgende Kapitel). ZIMBARDO und GERRIG (1996) charakterisieren GIBSONs ökologische Optik als eine Theorie, die sich mehr mit den wahrgenommenen Reizen selbst beschäftigt, denn mit den Mechanismen, aufgrund derer die Reize wahrgenommen werden (ZIMBARDO und GERRIG 1996, S. 113), was ihm insbesondere von den Vertretern des Konstruktivismus Kritik einbrachte (vgl. dazu das folgende Kapitel 4.6.2). 4.6.2
Kognitive Wahrnehmungstheorien
Vertreter der kognitiven Wahrnehmungstheorien – allen voran NEISSER – vertreten die Auffassung, dass Wahrnehmung von der Geschicklichkeit und Erfahrung des Wahrnehmenden abhängt. Sie betonen damit die Beziehung zwischen Gegenwart und Vergangenheit (NEISSER 1979, S. 21). Für NEISSER (1979) ist GIBSONs Theorie der ökologischen Optik unbefriedigend, da sie keine Auskunft darüber gibt, was im Kopf des Wahrnehmenden vor sich geht. Er führt zahlreiche entscheidende Fragen der visuellen Wahrnehmung an, die GIBSON offen lässt (NEISSER 1979, S. 25): x Welche Art kognitiver Strukturen verlangt visuelle Wahrnehmung? x Wie unterscheiden sich Wahrnehmende untereinander? x Wie können Täuschungen oder Fehler entstehen, wenn Wahrnehmung nur die Aufnahme von Information ist, die schon verfügbar und spezifisch ist?
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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x Wie können andere kognitive Prozesse – wie Vorstellung, Gedächtnis und Denken – gefasst werden, wenn, wie GIBSON postuliert, die Verbindung zwischen Organismus und Umwelt schwach oder nicht existent ist? x Was geschieht bei der selektiven Wahrnehmung, wenn also ausgewählt wird, was wahrgenommen werden soll? GIBSON (1982b) beantwortet diesen Kritikpunkt mit seiner Auffassung des Wahrnehmungslernens (vgl. Kapitel 4.6.1). NEISSERs Kritik ist aber insofern gerechtfertigt, als GIBSON (1982a) keine Auskunft darüber gibt, ob und welche inneren Prozesse dafür erforderlich sind bzw. wie Wahrnehmungslernen im Individuum abläuft. Tatsächlich muss in Frage gestellt werden, ob – entsprechend GIBSONs Annahme – alle Information vollständig im Reizmaterial enthalten sein kann. Wenn Gedächtnis und Erfahrung für die Informationsaufnahme keine Rolle spielten, müssten jedes Mal sämtliche Informationen neu eingeholt werden, um die Umwelt zu bestimmen (PETRIK 2001, S. 104). Dies mag für Formen und Entfernungen gelten, nicht aber, wenn Objekten Bedeutung beigemessen und Situationen bewertet werden sollen. Aus dieser Kritik kann geschlossen werden, dass die Wirklichkeit nicht unabhängig vom Betrachter wahrgenommen werden kann, Wahrnehmung also nicht wie GIBSON (1982a) postuliert, objektiv ist. Stattdessen konstruiert jeder Beobachter seine eigene Welt, indem er Aspekte der Umwelt auf eine ihm spezifische Art und Weise auswählt und verarbeitet (KEBECK 1994, S. 261). Konstruktivisten sind nicht nur daran interessiert, was bei der Wahrnehmung geschieht, sondern auch, wie es geschieht (KEBECK 1994, S. 260), und sie betonen die Rolle des „Erlebenden“. GLASERSFELD (1991) bringt diese Auffassung in einem Beitrag zum Konstruktivismus prägnant zum Ausdruck: „Objektivität ist die Illusion, dass Beobachtungen ohne einen Beobachter gemacht werden können“ (GLASERSFELD 1991, S. 17). Es gibt eine Reihe von Wahrnehmungstheorien, die in den breiten Rahmen der kognitiven Psychologie eingeordnet werden können. Den hier vorgestellten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie visuelle Wahrnehmung als aktiven und konstruktiven Prozess beschreiben. 4.6.2.1 Irvin ROCK: Die Logik der Wahrnehmung ROCK (1985/1998) beschäftigt sich in seiner Theorie „Logik der Wahrnehmung“ (bzw. im englischen Original „The Logic of Perception“) mit der Frage, wie es der Wahrnehmung gelingt, aus sich ständig verändernden, gefilterten und verzerrten Sinneseindrücken ein mehr oder weniger getreues Abbild der Welt zu entwerfen. Dabei sind Erfahrungen aus seiner Sicht nicht unbedingt erforderlich, wenngleich er einräumt, dass gewisse Phänomene in der visuellen Wahrnehmung ohne den Einfluss von Erfahrung nicht erklärt werden können. Dem
386
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Erkennen geht offenbar ein mentaler Prozess voraus (oder mit ihm einher) und führt zu einer Reorganisation der Wahrnehmung. (ROCK 1985/1998, S. 110) Er betrachtet die Wahrnehmung autonom gegenüber dem Bewusstsein und bezeichnet sie als „intelligent“. Die Intelligenz der Wahrnehmung drückt dabei Fähigkeiten aus, wie sie für Denkprozesse typisch sind: Beschreibung, Schlussfolgerung und Problemlösung. Auf der Stufe der Beschreibung konstruiert die Wahrnehmung eine Form bzw. Gestalt und leitet in der zweiten Stufe, den Schlussfolgerungen, aus der sensorischen Information nach unbewusst beherrschten Regeln bestimmte Eigenschaften ab. So lässt beispielsweise die sich Größe eines Objektes aus dem Sehwinkel und der wahrgenommenen Entfernung nach dem Gesetz der geometrischen Optik schließen. Die Problemlösung setzt einen kreativen Prozess der Hypothesengenerierung voraus. Zunächst wird überlegt, welchen Gegenstand oder Vorgang in der Umwelt ein Reizmuster darstellen könnte, um anschließend die verschiedenen Hypothesen auf Übereinstimmung mit dem Reiz zu prüfen.
Beispiele für die „Intelligenz der Wahrnehmung“ nach ROCK Auf Basis der Figur-Grund-Differenzierung lässt sich ein weißes Dreieck erkennen (vgl. auch Abbildung 19). In einem scheinbar zufälligen Muster daneben ist das weiße Dreieck nur noch bei entsprechender Suche zu finden. Wurde die Figur einmal wahrgenommen, ist es schwierig, das Muster danach wieder anders zu interpretieren. (ROCK und ANSON 1979 bzw. ROCK 1985, S. 190f)
Bei der Größenwahrnehmung verwendet ROCK (1985) ein Beispiel von GIBSON (1973): Die Korridor-Täuschung lässt gleiche Zylinder verschieden groß aussehen. (ROCK 1985, S. 142)
Anstatt acht unregelmäßiger Flächen unterschiedlicher Schattierungen werden fünf Quadrate wahrgenommen, wobei das gedrehte Quadrat als transparente Fläche erscheint. (ROCK 1985, S. 193)
Abbildung 17: Beispiele für die „Intelligenz der Wahrnehmung“ nach ROCK (1985)
Die Intelligenz der Wahrnehmung besteht für ROCK (1985/1998) in den logischen Operationen. Er kommt zu der Auffassung, dass Wahrnehmung nichts damit zu tun hat, wie visuelle Erfahrungen umgesetzt werden, wenn gleich er den Einfluss von Erfahrungen nicht grundsätzlich bestreitet. Für ihn bedeutet die Fähigkeit zu „schließen“ nicht, dass die
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
387
Wahrnehmung aus dem Erfahrungswissen folgert, was bewusst erlangt wird oder im Gedächtnis vorhanden ist. (ROCK 1985/1998, S. 198) Die Stärke der Theorie von ROCK (1985/1998) liegt darin, dass er die Idee der „intelligenten Wahrnehmung“ mittels zahlreicher Phänomene (wie etwa zur Größen- und Formwahrnehmung, vgl. Abbildung 17) belegt. In der Literatur über visuelle Wahrnehmung werden deshalb immer wieder Teilaspekte seiner Theorie aufgegriffen. Als Ganzes betrachtet, findet sie allerdings kaum Anwendung. 4.6.2.2 David MARR: Der computationale Ansatz Etwa parallel zu der von ROCK (1985) entwickelten Theorie entstand MARRs (1982) algorithmischer Ansatz, den er im Original „A Computational Investigation into the Human Representation and Processing of Visual Information” nannte und in seinem Buch „Vision” publizierte. Er verfolgt dabei einen problemorientierten Ansatz, in dem er zu erklären versucht, wie der Wahrnehmungsprozess organisiert ist und wie Regelmäßigkeiten der physischen Welt vom visuellen System verwertet werden (PATTERSON 1996, S. 256). Ausgangspunkt seiner Vorstellungen ist der Versuch, ein Computerprogramm zu erstellen, das in der Lage ist, einfache visuelle Erkennungsleistungen, wie das Identifizieren von Konturen und Formen auszuführen. Seine Analyse zeigte, dass es notwendig ist, in der Wahrnehmungsforschung drei Bereiche auseinander zu halten (MARR 1982, S. 25): x die Formulierung des Wahrnehmungsproblems und dessen Ziel x Konstruktion möglicher Algorithmen für den Transformationsprozess zwischen Input und Output x Lösungsfindung, wie diese Algorithmen im Wahrnehmungssystem (MARR spricht dabei von Hardware) implementiert werden können Er versucht entsprechend dieser Vorgangsweise ein mathematisches Modell zur Objekterkennung zu entwerfen. Dieses wird im Ansatz von MARR (1982) als Stufenmodell dargestellt (MARR 1982, S. 37). Beginnend beim sensorischen Reiz wird auf der ersten Stufe ein „Primal Sketch“ konstruiert, indem vom visuellen System die Ecken und Kanten eines Objektes und somit seine Grenzen identifiziert werden. MARR (1982) zufolge gelingt es dem visuellen System, die allmählichen Übergänge, die durch Lichteinwirkung und Schattenbildung entstehen, zu ignorieren und die wirklichen Grenzen des Gegenstandes dort anzunehmen, wo abruptere Veränderungen der Intensität auftreten (MARR 1982, S. 54ff). Diese zweidimensionale primäre Rohskizze (Raw Primal Sketch) unterliegt in einem weiteren Schritt Gruppierungsprozessen entsprechend den Gestaltgesetzen (es entsteht ein „Full Primal Sketch“) und wird in weiteren Prozessen mit Betrachtungsperspektive, Tiefen- und Oberflächeninformationen verknüpft. Dabei entsteht eine vom Blickwinkel des Beobachters
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
abhängige subjektzentrierte Reizstruktur, die MARR als „2½-D Sketch“ bezeichnet. (MARR 1982, S. 300) Durch Umwandlung der subjektzentrierten Reizstruktur in eine betrachtungsperspektivisch unabhängige Objektrepräsentation, entsteht schließlich die wahrgenommene dreidimensionale Repräsentation des Gegenstandes, das 3-D Modell. Dies erfolgt mittels Ableitung eines objektzentrierten Koordinatensystems aus der gegebenen Reizstruktur. Ausgehend von der Ausrichtung und den Symmetrien der vom Objekt erzeugten Reizstruktur, werden Hauptachsen für die Gesamtkonfiguration als Ganzes und zunehmend für einzelne ihrer Teile bestimmt. Die Lage dieser Achsen zueinander ergibt eine Struktur, die als dreidimensionales Gerüst der räumlichen Anordnung von elementaren Körpern – sogenannten „Cones“ – interpretiert wird. Auf diese Weise resultiert ein objektzentriertes dreidimensionales Modell des zu erkennenden Gegenstandes, welches unabhängig vom Blickwinkel des Betrachters ist, da die Hauptachsen eines Objekts über alle möglichen Betrachtungsperspektiven invariant bleiben. Diese Modelle entsprechen den bereits in Kapitel 0 beschriebenen „Primitives“, die MARR (1982) als Basiselemente der Objektwahrnehmung betrachtet. Zur Identifikation des Gegenstandes muss das abgeleitete 3-D Modell mit den im Gedächtnis gespeicherten Objektmodellen verglichen werden. Findet Übereinstimmung statt, wird das Objekt als solches erkannt. MARR (1982) betont, dass nur das Ergebnis der Wahrnehmung dem Betrachter bewusst wird, alle vorangehenden Schritte entziehen sich seinem Bewusstsein. (MARR 1982, S. 302ff) Mit seiner Theorie versucht MARR (1982) aufzuzeigen, dass die visuelle Verarbeitung bis zur 2½-D Skizze ohne Beteiligung von Erfahrung möglich ist. Erfahrungen sind erst zum Aufbau einer 3-D Repräsentation erforderlich (KEBECK 1994, S. 289). MARR beruft sich auf die Bedeutung der GIBSONschen Theory als Grundlage seiner Annahmen, in dem er schreibt: „In perception, perhaps the nearest anyone came to the level of computational theory was GIBSON“ (MARR 1982, S. 29). Er unterstreicht die von GIBSON (1982b) vorgenommene strikte Trennung von „Perceptions“ und „Sensations“ und die Bedeutung der Invarianten, wenngleich er umgehend anmerkt, dass GIBSON die Komplexität des gesamten Wahrnehmungsprozesses dramatisch unterschätzt (MARR 1982, S. 29). Für GOLDSTEIN (2002) liegen die Schwächen von MARRs Theorie aus heutiger Sicht vor allem darin, dass sie allgemein auf Bottom-up Prozessen beruhen und algorithmische Lösungen als Verarbeitungsprinzipien in der visuellen Wahrnehmung vermutlich zu bedeutsam einschätzt. Zudem ist aufgrund psychophysischer Untersuchungen die Bedeutung kognitiver Prozesse seit Entstehen des „Computational Approach“ für die Wahrnehmung größer geworden. (GOLDSTEIN 2002, S. 208) BIEDERMAN (1987) hat die Idee MARRs aufgegriffen (vgl. Kapitel 0), wobei sich die Theorien in einem Punkt wesentlich unterscheiden: BIEDERMANs Geone sind durch Eigenschaften definiert, die über ein breites Spektrum von Blickwinkeln im Wesentlichen
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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dieselben bleiben, also invariant sind. Daher kann für BIEDERMAN, nicht aber für MARR eine Objekterkennung direkt aus der 2-D Primärskizze erfolgen, ohne dass es erforderlich ist, ein internes 3-D Modell zu konstruieren, auch wenn dazu möglicherweise Erfahrung notwendig ist (GREGORY 2001, S. 107). 4.6.2.3 Ulric NEISSER: Kognition und Wirklichkeit Für NEISSER (1974) ist visuelle Wahrnehmung ein konstruktiver Prozess, der in zwei Stufen abläuft. Die erste Stufe erfolgt schnell, grob, ganzheitlich und parallel, die zweite bewusst, aufmerksam, detailliert und sequenziell (NEISSER 1974, S. 27). Trotz seiner zu GIBSON entgegengesetzten Auffassung des Wahrnehmungsprozesses räumt NEISSER (1979) ein, dass wohl auch die Information berücksichtigt werden muss, welche die Umwelt wirklich anbietet. Wenn der Wahrnehmende ein antizipierendes Schema konstruiert, verwendet er dabei ebenso Information aus der Umwelt wie seine eigenen kognitiven Mechanismen (NEISSER 1979, S. 52). Wahrnehmung beginnt für ihn daher nicht bei der Registrierung des Reizes, sondern hängt von vorher existierenden Strukturen ab, die er „Schemata“ nennt (KEBECK 1994, S. 261). Wesentlich ist für ihn der Gedanke der „ökologischen Validität“, das heißt Wahrnehmung möglichst so zu untersuchen, wie sie sich in der alltäglichen Interaktion eines Wahrnehmenden mit seiner Umwelt darstellt. Er kritisiert die künstliche Situation von Laborexperimenten und deren Ergebnisse, indem sich diese in wesentlichen Punkten von der alltäglichen Welt unterscheiden und indem wichtige Aspekte der normalen Umwelt in der Forschung häufig übersehen werden. (NEISSER 1979, S. 35f) NEISSER (1979) hat sich bemüht, unterschiedliche Standpunkte in seiner Theorie zu integrieren. Er versucht, ein gemeinsames Begriffsinventar sowohl für stärker stimulusorientierte Ansätze (wie GIBSONs ökologische Optik) als auch für konstruktivistische Theorien herzustellen. So enthält sein Ansatz datengesteuerte und konzeptgesteuerte Prozesse. KEBECK (1994) fügt hinzu, dass NEISSER den Wahrnehmungsprozess auf einer Ebene analysiert, die von vielen Experimentalpsychologen außer acht gelassen wird: Wahrnehmung als Interaktion eines Handelnden mit seiner Umwelt (KEBECK 1994, S. 264). NEISSERs Schematheorie ist eine Rahmentheorie zur Erforschung der Wahrnehmung und des Erkennens in alltäglichen Kontexten. Kritisch betrachtet, ist NEISSERs Schemabegriff allerdings so weit gefasst, dass er Gefahr läuft, an Erklärungswert zu verlieren (KEBECK 1994, S. 264). HAMPSON und MORRIS (1978) merken (neben einigen weiteren Kritikpunkten) an, dass NEISSER die Frage des Verarbeitungsprozesses visueller Reize nur unzureichend beantwortet (HAMPSON und MORRIS 1978, S. 79) und „emotionale Erfahrungen“ unerwähnt lässt (HAMPSON und MORRIS 1978, S. 83). Tatsächlich gibt es für NEISSER keine spezielle Repräsentationsform im Gedächtnis, weshalb RUGE (1988) die
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Frage aufwirft, wie ohne entsprechende Kodierung die Erfahrung innerer Bilder zustande kommt (RUGE 1988, S. 42). NEISSER (1978 und 1979) selbst betont die programmatische Seite seines Ansatzes und die Implikationen für die Forschungsmethodologie. AEBLI (1979) merkt im Vorwort zu NEISSERs deutschsprachiger Ausgabe „Kognition und Wirklichkeit“ an, dass NEISSER mit seiner Botschaft zum Teil missverstanden wurde (AEBLI 1979, S. 9). Trotzdem gilt NEISSER als Wegbereiter der Schematheorie, die bis heute – entsprechend weiterentwickelt – breite Anwendung im Bereich der Imagery-Forschung findet. Sie soll im folgenden Kapitel herangezogen werden, um Lösungsansätze für die optimale Darbietung von Bildreizen zu finden und die damit einhergehenden mentalen Prozesse bei der Bildwahrnehmung und – verarbeitung zu beschreiben.
4.7 Die Schematheorie Die Schematheorie beschreibt, wie Wissen im Gedächtnis repräsentiert ist und wie dieses Wissen in bestimmten Situationen angewandt wird. Nach der Schematheorie ist Wissen in Form sogenannter „Units“ organisiert, die er Schemata nennt. (RUMELHART 1984, S. 163) Die Schematheorie hat seit NEISSERs (1979) Werk „Kognition und Wirklichkeit“ eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren. Dazu zählen beispielsweise Beiträge von RUMELHART (1980 und 1984), MANDLER (1984), BREWER und NAKAMURA (1984), RUMELHART und NORMAN (1988) sowie ULICH (1999 und 2000), der sich insbesondere mit emotionalen Schemata auseinandersetzt. Neben der kognitiven Psychologie, hat die Schematheorie breite Anwendung auch im Marketingkontext gefunden. So berufen sich unter anderen BEHRENS (1982), CROCKER (1984), RUGE (1988 und 2001), MAAS (1996), KROEBER-RIEL (1996), SCHWEIGER und SCHRATTENECKER (2001) sowie KROEBER-RIEL und WEINBERG (2003) im Zuge der Bildkommunikation auf die Schematheorie. 4.7.1
Definition des Schemabegriffs
Der Begriff des Schemas geht ursprünglich auf BARTLETT (1932/1964) zurück. Er beschrieb Schemata als mentale Strukturen, die dem Bewusstsein insofern nicht selbst zugänglich sind, als sie sich in inneren Bildern nicht selbst abbilden, sondern nur in ihnen repräsentiertes Wissen bewusst wird (BARTLETT 1964. S. 209). NEISSER (1979) definiert ein Schema als jenen Teil des gesamten Wahrnehmungszyklus (vgl. Abbildung 18), „der im Inneren des Wahrnehmenden ist, durch Erfahrung veränderbar und irgendwie spezifisch für das ist, was wahrgenommen wird. Das Schema nimmt Information auf, wenn sie bei den Sinnesorganen verfügbar wird, und es wird durch diese Information verändert. Es leitet Bewegungen und Erkundungsaktivitäten, die weitere
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
391
Informationen verfügbar machen, und wird durch diese wiederum verändert“ (NEISSER 1979, S. 50).
Wahrnehmungszyklus nach NEISSER (1979)
„Objekt“ (verfügbare Information)
verändert
wählt aus
Schema
Erkundung
leitet entsprechend NEISSER (1979), S. 27
Abbildung 18: Der Wahrnehmungszyklus (NEISSER 1979, S. 27)
Die Auffassung, dass Schemata in enger Beziehung mit inneren Bildern stehen, vertreten mehrere schematheoretisch orientierte Autoren (vgl. z.B. MAAS 1996, S. 8). In Anlehnung an NEISSERs „Wahrnehmungszyklus“ beschreiben HAMPSON und MORRIS (1979) den sogenannten „Imagery Cycle“, indem sie ebenfalls davon ausgehen, dass aktivierte Schemata die Datenbasis für den Aufbau innerer Bilder kontrollieren. Das Bewusstsein betrachten sie als ein zentrales Merkmal ihres „Imagery Cycles“ (HAMPSON und MORRIS 1979, S. 17). HERKNER (1991) bezeichnet Schemata als relativ selbständige und abgrenzbare Teile eines semantischen Netzwerkes und meint damit, dass ein Schema als Einheit funktioniert, das heißt seine Komponenten gleichzeitig aktiviert werden (HERKNER 1991, S. 168). Insgesamt weist er Schemata sechs Funktionen zu (HERKNER 1991, S. 169f): x Schemata bestimmen, ob und wie gut ein Bild verstanden wird. x Schemata beeinflussen die Gedächtnisleistung indem sie bestimmen, was und wie viel gemerkt wird.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Schemata bewirken „automatische“ Schlussfolgerungen, die über die gegebene Information hinausgehen. x Schemata lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte. x Schemata steuern das Verhalten indem sie sogenannte Skripts aktivieren. x Schemata können Urteilsverzerrungen bewirken. Das heißt schemainkonsistente Information wird mitunter so interpretiert (und „zurechtgebogen“), dass sie zum Schema passt. Zusammenfassend lässt sich FLAMMER (2003) zitieren, der sich wiederum auf den konstruktivistischen Ansatz von PIAGET (1967) bezieht: „Schemata vereinfachen den Umgang mit der Welt, weil sie aus Verschiedenem immer wieder Gleiches machen; Schemata stellen den Niederschlag der Erfahrungen dar. Schemata stiften also Invarianz, das heißt sie machen verschiedenartige Dinge für den Organismus zu gleichartigen“ (FLAMMER 2003, S. 118). 4.7.2
Kategorien unterschiedlicher Schemata
In der Literatur finden sich unterschiedliche Kategorisierungen von Schemata (vgl. z.B. MAAS 1996, S. 16; KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 138). Die im Hinblick auf die Anwendung im Marketing und die vorliegende Arbeit bedeutsamsten Unterscheidungen betreffen x den Realitätsbereich, auf den sich das repräsentierte Wissen primär bezieht. Meist wird dabei zwischen Personen-, Objekt- und Ereignisschemata unterschieden. Da aber alles generische Wissen in Schemata eingebettet ist (also auch z.B. über Tiere oder Pflanzen), schlägt MAAS (1996) in Anlehnung an MANDLER (1984) eine weiter gefasste Differenzierung vor (MAAS 1996, S. 16): -
Ereignisse, Aktivitäten, Situationen Landschaften Materialien, Objekte Nahrungs- und Genussmittel Personen bzw. Personenelemente Pflanzen bzw. Pflanzenelemente Tiere bzw. Tierelemente
x erfahrungsunabhängige und erfahrungsabhängige Schemata: Erfahrungsunabhängig sind biologisch vorprogrammierte Schemata und Archetypen im Unbewussten des Menschen (MAAS 1996, S. 16). Sie sind nicht Gegenstand der klassischen Schematheorie, die ja per definitionem auf durch Erfahrung erworbenes Wissen beruht.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
393
x Schemata mit emotionalem und Schemata mit sachlichem Gehalt: Emotionale Schemata beziehen sich auf emotionale Sachverhalte und lösen beim Betrachter emotionale Reaktionen aus (z. B. Kindchenschema, Erotikschema). Sachschemata beziehen sich auf Sachverhalte, die nicht emotional erlebt werden. Eine dichotome Trennung zwischen emotional besetzten Schemata und Sachschemata ist aber insofern problematisch, als es eine Vielzahl von Schemata gibt, die sich auf Sachverhalte beziehen, die nur für eine bestimmte Personengruppe emotionale Bedeutung haben. Überdies kann die Trennung nicht unabhängig von der getroffenen Einteilung der Bildtypen in emotionsauslösend und emotionsdarstellend getroffen werden. Je stärker die emotionsauslösende Komponente den Bildinhalt bestimmt, umso eher werden emotionale Schemata angesprochen. Bei emotionsdarstellenden Stimuli werden vermutlich primär Sachschemata aktiviert, die einer anschließenden „emotionalen Interpretation“ unterzogen werden müssen. Aufgrund der Bedeutung emotionaler Schemata werden diese in Kapitel 4.7.4.3 explizit behandelt. 4.7.3
Organisation von Schemata
Menschen haben viele verschiedene Schemata, die untereinander auf komplexe Weise verbunden sind, wobei typischerweise in umfassenden Schemata spezifischere Subschemata eingebettet sind (NEISSER 1979, S. 51). Die aufgenommene optische Information, bestehend aus zeitlichen und räumlichen Lichtmustern, kann Objekte und Ereignisse auf verschiedenen Abstraktions- und Bedeutungsebenen spezifizieren (NEISSER 1979, S. 26). Bei Betrachtung von Abbildung 19 lässt sich Information entnehmen, die verschiedenes spezifiziert, wie zum Beispiel (in Anlehnung an NEISSER 1979, S. 26) die Form der Augen, die Positionierung der Hand, die Gesichtszüge, die Form des Mundes, dass es sich um ein Schwarz-Weiß-Foto handelt, die Tatsache, dass die Frau lacht und ihr Gefühlszustand. Ein Schema, das auf einer Ebene organisiert ist, braucht auf den anderen nicht empfänglich zu sein. Wenn etwa der Gefühlszustand der Frau festgestellt wird, befindet sich der Wahrnehmende nicht im selben Wahrnehmungszyklus, als wenn er ausschließlich auf die Form der Augen achtet. Die Person entwickelt somit eine Reihe von Antizipationen (die sich auch überlappen können), was erklärt, weshalb Bedeutungen ebenso erkannt werden, wie Form und räumliche Position. (NEISSER 1979, S. 27)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Beispiel für Spezifizierung von Information
Lachende Frau – Bild aus der Emotionsskala „Lebensfreude“
Abbildung 19: Beispiel für Spezifizierung von Information
ANDERSON (2001) bezeichnet die Einbettung von Subschemata als Hierarchien, die sich auf die Teil-Ganzes-Relation beziehen (ANDERSON 2001, S. 157). Dementsprechend sind im Schema „Gesicht“ die Subschemata von Nase, Augen und Mund oder im Schema „lachende Person“ die Subschemata hochgezogene Mundwinkel, zusammengekniffene Augen und Lachfalten eingebettet. Nach RUMELHART und NORMAN (1988) lassen sich Schemata bis zu den sogenannten „Primitives“ – elementaren, unzerlegbaren Schemata – auflösen (RUMELHART und NORMAN 1988, S. 538), wobei die globale Struktur oft schon ausreicht, um ein Schema auszulösen (MAAS 1996, S. 12). So kann das Gesichtsschema bereits durch eine bestimmte Anordnung einfacher Elemente ausgelöst werden. Als globale Eigenschaften nennt PALMER (1978) zum Beispiel Form, Farbe, Lage und Größe der Elemente (PALMER 1978, S. 297). Im Zusammenhang mit den durch Bilder zu vermittelnden Emotionen muss aber kritisch angemerkt werden, dass globale Eigenschaften vermutlich nicht ausreichen, um das entsprechende emotionale Schema anzusprechen bzw. auszulösen. So weist PALMER (1978) auf die Notwendigkeit einer hinreichend komplexen internen Struktur (des visuellen Reizes) hin. Diese ist Grundvoraussetzung für eine kontextunabhängige Aktivierung des (Sub-)Schemas (PALMER 1978, S. 297, siehe dazu auch Kapitel 4.7.6.3). Typisch für Schemata ist, dass kategoriales Wissen in einer Struktur von Lehrstellen repräsentiert ist (ANDERSON 2001, S. 156). In der Literatur werden dabei die Begriffe
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Lehrstellen, Slots, Attribute und Variablen synonym verwendet (vgl. Abbildung 20). Jede Variable hat bestimmte Standardwerte, sogenannte „Default Values“. Jedes Schema beinhaltet somit Ausprägungen, die als „typisch“ gelten. So kann für das emotionale Schema „Trauer“ eine Träne grundsätzlich als typische Ausprägung betrachtet werden. Grundsätzlich meint dabei, dass dies aufgrund interindividueller Unterschiede nicht für alle Personen gelten kann. Wird ein Schema aktiviert, werden fehlende schemarelevante Informationen automatisch ergänzt. Innerhalb eines bestimmten Wertebereiches können Variablen mehrere mögliche Wertebereiche annehmen, wobei für jede Attributausprägung ein bestimmter „Normalbereich“ definiert ist (CROCKER 1984, S. 473).
Organisation und formale Struktur von Schemata Schema bzw. Subschema
Interaktion mit anderen (Sub-)Schemata
Beziehungen zwischen den Variablen
Variable 1
Variable 2
Variable 3
Variable 4
Variable 5
Default Wert 1
Default Wert 2
Default Wert 3
Default Wert 4
Default Wert 5
Typikalizitätsverteilung (Wertebereich der Variablen)
Abbildung 20: Organisation und formale Struktur von Schemata
Das Schema für den Ausdruck von Ärger lässt sich beispielsweise folgendermaßen charakterisieren: Die Variablen des Ärgerschemas wären etwa die Hautfärbung des Gesichts, die Form des Mundes, die Augen und die Gestik. Die entsprechenden Default Werte könnten die Gesichtsrötung, Zähneknirschen, zusammengezogene Augenbrauen und eine geballte Faust sein. Der Wertebereich für die Form des Mundes würde beispielsweise von zusammengepressten Lippen bis zu weit geöffnetem Mund reichen, während ein Lachen außerhalb dieses Normalbereiches läge. Wesentlich ist dabei, dass im Schema gewöhnlich keine konkrete (also eine namentlich zu benennende) sich ärgernde Person repräsentiert ist. (in Anlehnung an ANDERSON 2001, S. 157 und CROCKER 1984, S. 473)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Zusätzlich beinhalten Schemata Information darüber, wie Variablen zueinander in Beziehung stehen. Variablen können sowohl untereinander korrelieren, als auch kausal zusammenhängen. Kausale Beziehungen legen fest, welche Variablen Ursachen betreffen und welche Auswirkungen (CROCKER 1984, S. 473). So kann entsprechend obigem Beispiel eine Marke (etwa aufgrund negativer Erfahrungen) kausal mit Ärger verbunden sein. RUMELHART und NORMAN (1988) charakterisieren zusammenfassend fünf wesentliche Strukturmerkmale von Schemata (RUMELHART und NORMAN 1988, S. 537): x Schemata bestehen aus mehreren Variablen. Schematisches Wissen setzt sich demnach aus Variablen und dem Wissen über Zusammenhänge zwischen den Variablen zusammen. x Schemata können in andere übergeordnete Schemata eingebettet sein. RUMELHART (1980) bezeichnet ein Schema als organisierte Wissensstruktur, in der die Wissenselemente eine geordnete Beziehungsstruktur zueinander aufweisen (RUMELHART 1980, S. 33). x Schemata repräsentieren Wissen auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen. Für verschiedene kognitive Bereiche lassen sich Schemata mit unterschiedlichen strukturellen und funktionalen Eigenschaften finden. Diese „Modularität“ erlaubt, alle Wissensrepräsentationen als Schema zu verstehen, sodass ein integratives Konzept für eine Reihe kognitionspsychologischer Modelle zur Verfügung steht. x Schemata repräsentieren Wissen eher umfassend und allgemein als in Form lexikalischer Definitionen. Ein Schema ist „unspezifisch“, es besteht aus verallgemeinerten Erfahrungen, die mit Objekten oder in Ereignissen gemacht wurden. BREWER und NAKAMURA (1984) sprechen von „kognitiven Strukturen höherer Ordnung“, die bestehendes Wissen mit neuem in Verbindung setzen (BREWER und NAKAMURA 1984, S. 120). x Schemata sind aktive Strukturen, das heißt sie interagieren mit der eingehenden episodischen Information. Dies kommt insbesondere bei NEISSER (1979) zum Ausdruck (vgl. oben). 4.7.4
Aktivierung von Schemata
4.7.4.1 Prozesse der Schemaaktivierung Die Aktivierung von Schemata kann sowohl von außen als auch von innen erfolgen. Extern können Reizeinflüsse aber auch Zielvorgaben oder Aufgabenstellungen, die an die Versuchsperson gerichtet sind, wirken. Von innen können Schemata durch Gedanken, Vorstellungsbilder oder bereits aktivierte Schemata angesprochen werden (MARKUS und ZAJONC 1985, S. 150). Mit anderen Worten ist die Auslösung eines Schemas ein
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Zusammenspiel von Bottom-up und Top-down geleiteten Prozessen (vgl. MANDL, FRIEDRICH und HRON 1988, S. 126 und RUMELHART und NORMAN 1984, S. 539): Bei den Bottom-up Prozessen werden Schemata von den einlaufenden Subschemata, die Teil des Schemas sind, aktiviert. Der Prozess läuft dabei von einzelnen Informationen zu höheren kognitiven Einheiten von „unten nach oben“ bzw. „vom Teil zum Ganzen“. Beispielsweise führt die Aktivierung des (Sub-)Schemas „Träne“ gewöhnlicher Weise zur Auslösung des emotionalen Schemas „Trauer“. Bei Top-down Prozessen steuern Erwartungen die weitere Verarbeitung. Aktivierte Schemata führen zu Hypothesen hinsichtlich der zu erwartenden Information. Der Prozess verläuft von „oben nach unten“ bzw. „vom Ganzen zu den Teilen“. Die Interpretation des visuellen Inputs wird durch „höher“ liegendes Wissen geleitet. So kommt es bei Auslösung des Schemas „Freude“ zur Erwartung der Gesichtsmerkmale „lachender Mund“ und „zusammengekniffene Augen“. Wird dieser Erwartung widersprochen, liegt Schemainkonsistenz vor (vgl. Kapitel 4.7.5). Bei der Betrachtung eines Bildes werden zunächst typische Merkmale identifiziert. PALMER (1978) betont die Wichtigkeit solcher globaler Information, da sie erlaubt, bereits auf Basis schwach aufgelöster Information rasch Hypothesen höherer Ordnung zu generieren. Die aus diesen Hypothesen abgeleiteten Erwartungen können dazu dienen, die weitere Verarbeitung auf Ebenen zu leiten, auf welchen eine stärkere Auflösung nötig ist. Details gewinnen an Bedeutung, wenn die globale Information für die Auslösung eines Schemas nicht hinreichend ist. Globale Informationen aus den peripheren Regionen der Netzhaut sind daher besonders wichtig für den Prozess des visuellen Absuchens, um die foveale Aufmerksamkeit auf die entsprechenden Elemente zu richten. (PALMER 1978, S. 301) FRIEDMAN (1979) formulierte die Hypothese, dass für Versuchspersonen zur Identifizierung „erwarteter“ Objekte globale Merkmale ausreichen, um ein Schema2 auszulösen, während „unerwartete“ (also nicht im aktuell aktivierten Schema enthaltene) Gegenstände eine genauere Analyse lokaler visueller Details benötigen. Sie fand die Bestätigung mittels Aufzeichnung der Fixationsdauer der Augen: Die ersten Fixationen bei unerwartet dargebotenen visuellen Reizen waren etwa doppelt so lang wie die ersten Fixationen bei von den Versuchspersonen erwarteten Objekten. (FRIEDMAN 1979, S. 316)
2
FRIEDMAN (1979) spricht nicht von Schemata sondern von Frames. Wenngleich NEISSER die unterschiedliche Bedeutung von Schemata und Frames betont (NEISSER 1979, S. 52f), spricht bei den von FRIEDMAN durchgeführten Experimenten nichts dagegen, beide Begriffe synonym zu verwenden.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
4.7.4.2 Zuweisung von Bedeutung In der normalen Umgebung sind für NEISSER (1979) die meisten wahrnehmbaren Objekte und Ereignisse bedeutungsvoll in dem Sinne, dass sie verschiedene Handlungsmöglichkeiten bieten, Implikationen enthalten, in einen größeren zusammenhängenden Kontext gehören und eine Identität haben, die ihre einfachen physikalischen Eigenschaften überschreitet (NEISSER 1979, S. 62). Er erklärt damit, dass man einen bestimmten Gesichtsausdruck als lächeln interpretieren und dieses wiederum als Ausdruck der Freude wahrnehmen oder einem Gegenstand etwa ein abstoßendes Gefühl zuschreiben kann. Damit ist klar, dass nach NEISSERs Theorie die Bestimmung einer Kategorie nicht Endpunkt eines kognitiven Prozesses – wohl aber sein Beginn, zum Beispiel für den entsprechend dem Modell von LAZARUS (1991) stattfindenden Bewertungsprozess (vgl. Abbildung 6) – sein kann (NEISSER 1974, S. 83). Er bezeichnet Information, die bei der „Sinnesregistrierung“ ankommt, bezeichnet er als bedeutungslos, da die Bedeutung erst später durch Beiträge des Gedächtnisses beigefügt wird (NEISSER 1979, S. 63). BEHRENS (1982) spricht in diesem Zusammenhang von einem Zuordnungsprozess, indem eine Beziehung zwischen dem gerade wahrgenommenen Objekt und dem kognitiven Repräsentanten des Objektes hergestellt wird. Mit anderen Worten erfolgt eine Verknüpfung des gerade wahrgenommenen Objektes mit der kognitiv gespeicherten Erfahrung über dieses Objekt. (BEHRENS 1982, S. 121) Zu jedem natürlichen Objekt gehört eine große Zahl von Verwendungen und möglichen Bedeutungen, und jede optische Anordnung spezifiziert eine unendliche Auswahl möglicher Eigenschaften. Welche Bedeutung einem Objekt konkret zugewiesen wird, hängt – wie die Wahrnehmung anderer Aspekte der Umgebung – von der Steuerung der Informationsaufnahme durch die Schemata ab. NEISSER (1979) räumt ein, dass es Zeit braucht, irgendeinen Aspekt eines Objektes wahrzunehmen. Er begründet dies mit dem Durchlaufen des Wahrnehmungszyklus und der damit verbundenen Entwicklung von Schemata. (NEISSER 1979, S. 63) BEHRENS (1982) behauptet, dass Gegenstände bei kurzfristiger Darbietung oder flüchtiger Betrachtung nicht eindeutig identifiziert werden können (BEHRENS 1982, S. 126), fügt aber gleichzeitig hinzu, dass komplexe und umfassende Information und Empfindungen dann bei flüchtiger Betrachtung bewusst wahrgenommen werden können, wenn ein Schema bereits durch wenige typische Merkmale aktiviert wird. Bei der Personenwahrnehmung ermöglicht dies beispielsweise Aussagen darüber, ob die wahrgenommene Person eher glücklich, verärgert oder traurig ist, ferner können Sympathie- bzw. Antipathieempfindungen ausgelöst werden (BEHRENS 1882, S. 131). ROSENSTIEL (1990) formuliert wörtlich, „dass eine Person bei kurzfristiger Darbietung sagt, sie habe den Eindruck, dass etwas bedrohliches, Unangenehmes gezeigt worden sei, ohne angeben zu können, um was es sich handelt“
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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(ROSENSTIEL 1990, S. 64). KROEBER-RIEL (1996) bezeichnet dies als den emotionalen Einstieg in den Wahrnehmungsvorgang (KROEBER-RIEL 1996, S. 63), dessen Verlauf für die Gestaltung von Sujets, Plakaten oder Werbespots entscheidend sein kann (vgl. dazu SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 186). Folgt man NEISSERs Theorie, so ist der Bedeutungsgehalt eines Reizes wesentlich mehr als bloß sein erster Eindruck. Wenngleich in tachistoskopischen Experimenten nachgewiesen werden konnte, dass bedeutungshaltige Schemata auch bei kurzzeitiger Darbietung wirken können (vgl. z.B. NEISSER 1979, S. 64 und KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 277), kritisiert NEISSER (1979) – wie oben bereits dargelegt – die mangelnde ökologische Validität solcher künstlicher Erhebungssituationen. In dem der Studie zugrundeliegenden Bilderpool entspricht die Bedeutung der Bilder den von WINDER et al. (2001) postulierten Emotionsqualitäten, die dem Rezipienten (d. h. der Auskunftsperson) kommuniziert werden sollen. Beim Einsatz der Bilder geht es daher nicht um die von KROEBER-RIEL und WEINBERG (2003) für visuelle Werbemittel geforderte „flüchtige Wahrnehmungsleistung“ (KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 277), vielmehr darf angenommen werden, dass zu kurze Darbietungszeiten die Wahrnehmung der Bedeutung des Bildreizes nur unzureichend erlauben. Für die Ermittlung der entsprechenden Emotionsqualität müssen detaillierte Bildinhalte (z.B. Stellung der Mundwinkel, Tränen in den Augen, Interaktionen der Bildelemente) bewusst wahrgenommen und „richtig“ identifiziert werden, weshalb der von NEISSER (1979) geforderte Zeitbedarf für den Wahrnehmungsprozess gerechtfertigt erscheint. Doch wenngleich die bewusste Wahrnehmung von Objekten nicht plötzlich, sondern allmählich entsteht (SCHWEIGER und SCHRATTENECKER 2001, S. 185), so hat der erste Eindruck des Bildes einen wesentlichen Einfluss auf die Informationsverarbeitung, indem er die weitere Wahrnehmung kanalisiert (KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 278). PAIVIO (1991) unterscheidet hinsichtlich der Zuweisung von Bedeutung drei Stufen, die er „Levels of Meaning“ nennt. Unter dem Gesichtspunkt der von ihm postulierten Dual-CodeTheorie geht er von einer differenzierten Betrachtung nonverbaler und verbaler Stimuli aus (PAIVIO 1991, S. 110f): x Im Representational Level aktivieren Bild- und Wortreize die im jeweiligen Modus im Gehirn verfügbaren internen Repräsentationen, wobei im Falle nonverbaler Reize direkt innere Gedächtnisbilder angesprochen werden. Ist ein Bild vertraut, das heißt als Gedächtnisbild vorhanden, so bedarf die Bedeutungszuweisung keiner zusätzlichen Auseinandersetzung auf höheren Ebenen. x Der Referential Level stellt eine inhaltliche Verbindung zwischen den bildhaften und verbalen Repräsentationen her. Es erfolgt eine sprachliche Kodierung des visuellen Reizes, Wörter können ihrerseits Bilder hervorrufen.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Im Associative Level erfolgt eine tiefe gedankliche Verarbeitung, wobei weitere Beziehungen zwischen den ausgelösten inneren Bildvorstellungen und den bereits vorhandenen, im Gedächtnis gespeicherten bildlichen und sprachlichen Vorstellungen hergestellt und neue Vorstellungen entwickelt werden. PAIVIO (1991) betont, dass diese drei Ebenen der Bedeutungszuweisung je nach dem Grad, dem ein bildhafter oder verbaler Reiz einem vorhandenen Schema entspricht, unterschiedlich aktiviert werden. Er stellt damit den unmittelbaren Bezug zur Schematheorie her, indem er wörtlich ausführt: „It can be seen that the three postulated levels of meaning vary according to the degree to which a given verbal or nonverbal stimulus is, in BARTLETT’s (1932/1964) terms, ‚connected with something else’.” (PAIVIO 1991, S. 111). 4.7.4.3 Emotionale Schemata Im Rahmen des Bewertungsprozesses bei der Emotionsgenese (vgl. Kapitel 3.1.3) und der Vorstellung unterschiedlicher Schemakategorien (vgl. Kapitel 4.7.2) wurde bereits von emotionalen Schemata gesprochen. Der Einfluss von Erfahrungen auf das emotionale Erleben wird von keiner Emotionstheorie bestritten, und auch aufgrund der Ausführungen der Schematheorie liegt es nahe anzunehmen, dass emotionale Prozesse Schematisierungen unterliegen (ULICH, KIENBAUM und VOLLAND 1999, S. 56). MANDLER (1985) spricht in diesem Zusammenhang von „emotional experiences“, die in stereotyper Form aus dem Gedächtnis abgerufen werden können (MANDLER 1985, S. 118). ULICH et al. (1999) definieren emotionale Schemata als „eigenschaftsähnliche Ordnungsmanifestationen im Sinne von persönlichkeitsspezifischen Konstanten des emotionalen Erlebens, die die Art und Weise des Erlebens mitbestimmen“ (ULICH et al. 1999, S. 53). Sie stiften Bedeutungsäquivalenzen zwischen verschiedenen Ereignissen und ermöglichen so eine intraindividuelle Konsistenz emotionaler Reaktionen3 (ULICH et al. 1999, S. 54). ULICH (2000) spricht bildlich von „Mustervorlagen für die Vervielfältigung von Gefühlsreaktionen“. Emotionale Schemata sind Bezugsrahmen, die wie Schablonen an neue oder vertraute Ereignisse angelegt werden (ULICH 2000, S. 379). LANTERMANN (1983) beruft sich auf die Theorien von LANG (1979) und LEVENTHAL (1980), die ebenfalls davon ausgehen, dass Emotionen in Form von Schemata gespeichert werden können und verallgemeinerte emotionale Erfahrungen darstellen. Sie verstehen emotionale Schemata als eine spezifische Struktur, in der Situationsaspekte, autonome, expressive und instrumentelle Reaktionen sowie emotionale Erfahrungen miteinander 3
Emotionale Schemata bewirken aber auch interindividuelle Unterschiede, denn sie repräsentieren neben kulturellen Vereinheitlichungen auch persönlichkeitsspezifisch verankerte Einflüsse und Erfahrungen (ULICH et al. 1999, S. 54).
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
401
verbunden sind. Die Aktivierung eines emotionalen Schemas führt zu einer Aktivierung emotionaler Prozesse, die im emotionalen Schema repräsentiert sind. (LANTERMANN 1983, S. 259) Für die Entstehung einer Gefühlsregung und somit von emotionalen Schemata zeichnen entsprechend einem Beitrag von ULICH, BRANDSTÄTTER und GOLLWITZER (1996) mehrere Einflussfaktoren verantwortlich. Diese sind Wahrnehmungen und Kognitionen, gelegentlich auch wahrgenommene Erregung, in jedem Fall aber zusätzlich die Momentanverfassung der Person und der jeweilige Kontext neben dem auslösenden Ereignis. ULICH et al. (1996) gehen davon aus, dass für verschiedene Emotionsqualitäten unterschiedliche Konstellationen von Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. (ULICH, BRANDSTÄTTER und GOLLWITZER 1996, S. 121) Emotionale Schemata werden aktiviert, indem die Person die emotionale Bedeutung eines Ereignisses generiert. Die Person ist sich der emotionalen Bedeutung des Ereignisses – auch aufgrund von dessen Merkmalen – mehr oder weniger bewusst, zugleich schreibt die Person dem Ereignis emotionale Bedeutung zu (vgl. dazu ULICH et al. 1999, S. 53 und MANDLER 1979. S. 95f). Ist ein Schema mit einer Emotion bzw. mit einer Emotionsrepräsentation verknüpft, das heißt emotional besetzt, dann werden bei Auslösung des Schemas automatisch auch die relevanten Emotionen (in mehr oder weniger starker Intensität) ausgelöst. Dabei hängt es davon ab, wie gut ein Stimulus ein Schema trifft (MAAS 1996, S. 57). ULICH et al. (1999) bezeichnen deshalb emotionale Schemata als „missing link“, da frühere Einflüsse (in Gestalt emotionaler Schemata) zwischen Ereignis und Reaktion vermitteln und so den Prozess der Ereigniswahrnehmung beeinflussen (ULICH et al. 1999, S. 53). Emotionale Reaktionen können zum einen davon abhängen, welche Bewertungen an den Inhalt eines Schemas gebunden sind (emotionale Besetzung des Schemas) und zum anderen davon, wie gut ein Stimulus ein Schema trifft (MAAS 1996, S. 49). Für LAZARUS (1991) liefern emotionale Schemata allein noch keine vollständige Erklärung für die Bewertung von Stimuli im Zuge der Emotionsgenese, insbesondere, da er Wissen zwar als notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Entstehung von Emotionen betrachtet (LAZARUS 1991, S. 177). Entsprechend dem Multi-Level-Processing Modell von SCHERER und LEVENTHAL (1987) bzw. SCHERER (2001) trifft dies zumindest auf die dritte Stufe – dem konzeptuellen Level – zu, wo eine zusätzliche bewusste Bewertung des Stimulus stattfindet. Je stärker der emotionsdarstellende Charakter eines Bildreizes ausgeprägt ist, umso zielgerichteter und bewusster muss die Bildinterpretation ablaufen, wenn Sie zur Aktivierung eines emotionalen Schemas führen bzw. den Rezipienten in die Lage der emotionalen Situation „hineinversetzen“ soll. Im schematischen Level erfolgt die Aktivierung des emotionalen Schemas dagegen automatisch und unbewusst und ohne komplexe kognitive Vorgänge (SCHERER 2001, S. 103). LAZARUS (1991) teilt diese Auffassung, da auch er einräumt, dass es Wege geben muss, den Bewertungsprozess sehr schnell auszuführen
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
(LAZARUS 1991, S. 188). Beim schematischen Processing wird auf bereits in der Vergangenheit geschehene Bewertungen zurückgegriffen, die gemeinsam mit dem emotionalen Schema gespeichert sind (LAZARUS 1991, S. 189). Auf den im gegenständlichen Projekt vorliegenden Bilderpool kann angenommen werden, dass sich eine sehr schnelle Aktivierung des emotionalen Schemas im schematischen Level nur mittels emotionsauslösender Bildreize erzielen lässt. Bezüglich weiterer Ausführungen zu den Appraisal Prozessen sei auf Kapitel 3.1.2 verwiesen. 4.7.5
Schemakonsistenz visueller Reize
Wie rasch einem Bildreiz Bedeutung zugewiesen werden kann bzw. wie schnell und eindeutig die Interpretation des Stimulus erfolgt, wird von der Schemakonsistenz des Reizes bzw. seiner Komponenten beeinflusst. Darüber hinaus kann ein Bild in der Lage sein, mehrere Schemata anzusprechen, indem es mehrere Wahrnehmungszyklen unterstützt. 4.7.5.1 Schemakonsistente und schemainkonsistente Informationen Trifft ein dargebotenes Bild voll und ganz das innere Schemabild, so ist es schemakonsistent bzw. schemakongruent4 (KROEBER-RIEL 1996, S. 66). CROCKER (1984) definiert in Anlehnung an HASTIE (1981) Information als schemainkonsistent (bzw. schemainkongruent), wenn diese durch das Schema nicht spezifiziert ist, wenn es sich also um Information handelt, deren Auftreten unwahrscheinlich ist (CROCKER 1984, S. 472). Wie FRIEDMAN (1979) mittels Blickregistrierung feststellte, erfährt schemainkongruente Information höhere Aufmerksamkeit als schemakongruente (FRIEDMAN 1979, S. 316). BREWER und NAKAMURA (1984) berichten von weiteren Untersuchungen, in denen Blickbewegungen bei Bildbetrachtungen als Maß für die Aufmerksamkeitsverteilung registriert und schemainkonsistente Information aufmerksamer betrachtet wurde als schemabezogene (BREWER und NAKAMURA 1984, S. 144). MANDL, FRIEDRICH und HRON (1988) unterstreichen die Bedeutung von Schemata beim Erwerb neuen Wissens, indem sie die Verteilung der Aufmerksamkeit auf schemabezogene und nicht-schemabezogene Information steuern. Schemata wirken bei der Enkodierung neuer Information als verständnis- und kohärenzstiftende Rahmen, welche die Integration neuen Wissens in die bestehende Wissensbasis erleichtern (MANDL, FRIEDRICH und HRON 1988, S. 130). Schemainkonsistente Information hat für MANDL et al. einen doppelten Schemabezug (MANDL et al. 1988, S. 132):
4
In der Literatur werden die Termini schemakonsistent und schemakongruent nebeneinander verwendet.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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x Sie widerspricht dem zunächst aktualisierten Schema x Sie spricht statt dessen häufig für ein anderes, konkurrierendes Schema. Die erhöhte Aufmerksamkeitszuwendung signalisiert unter diesen Umständen einen kognitiven Konflikt zwischen Schemata, der seinerseits weitere Verarbeitungsprozesse auslösen kann. ANDERSON und PEARSON (1984) sehen – trotz einiger inkonsistenter Befunde – die Hypothese der selektiven Aufmerksamkeitssteuerung durch Schemata im wesentlichen bestätigt (ANDERSON und PEARSON 1984, S. 278), während BREWER und NAKAMURA (1984) an der Allgemeingültigkeit dieser Hypothese zweifeln. Sie schlagen im Zusammenhang mit der selektiven Aufmerksamkeitssteuerung eine differenzierte Betrachtung von verbalen und bildhaften Reizen vor (BREWER und NAKAMURA 1984, S. 146). KROEBER-RIEL (1996) befasst sich im Zusammenhang mit der Gestaltung von Werbesujets mit dem Thema der Schemakongruenz. Er veranschaulicht vier grundlegende Fälle unterschiedlicher Schemaabweichungen (KROEBER-RIEL 1996, S. 66): x Ist das dargebotene Bild völlig schemakongruent, so wird es besonders schnell erkannt und in den vorhandenen „Rahmen“ integriert. Stimmt ein Reiz mit dem entsprechenden Schema überein, so vertreten MARKUS und ZAJONC (1985) die Auffassung, dass die Verarbeitung weitgehend automatisch und unbewusst abläuft (MARKUS und ZAJONC 1985, S. 169). x Weicht das Bild in wenigen Bilddetails vom Schema ab, so werden gedankliche Aktivitäten angeregt. Der visuelle Reiz wird dann genauer wahrgenommen. x Bei stärkeren Abweichungen kommt es leicht zu Verständnisschwierigkeiten oder Verwechslungen, wenn das Bild einem konkurrierenden Schema gleicht. In diesem Fall liegt ein mehrdeutiger visueller Reiz vor. x Ein Bild, das kein inneres Schemabild anspricht, ist schemairrelevant. Es wird in der Regel nicht weiter beachtet. Gerade bei flüchtiger und oberflächlicher Betrachtung bzw. dem ersten Eindruck eines visuellen Reizes besteht bei Vorhandensein schemainkongruenter Bildelemente die Gefahr, dass die Wahrnehmung in eine falsche Richtung gelenkt wird (KROEBER-RIEL 1996, S. 67). DIETERLE (1992) weist zusätzlich darauf hin, dass ein Bildmotiv, welches ein emotionales Schema treffen will, aber in wesentlichen Elementen davon abweicht, in seiner emotionalen Wirkung beeinträchtigt ist oder sogar eine „Entemotionalisierung“ des Bildes bewirkt (DIETERLE 1992, S. 6).
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
MAAS (1996) trifft eine ähnliche Abgrenzung zwischen Schemakongruenz und Schemainkongruenz wie KROEBER-RIEL (1996), definiert allerdings die alternativen Begriffe trennschärfer: Sie bezeichnet ein Bild global dann als schemakongruent, wenn es ein Schema anspricht und dabei entweder ausschließlich schemakongruente oder nur schemakongruente und schemairrelevante Einzelinformationen enthält. Kongruente Einzelinformationen sind Informationen, die das aktivierte Schema, das heißt das durch die übrigen Informationen angesprochene Schema, treffen und selbst auch im Detail dem Schema nicht widersprechen. Schemairrelevante Einzelinformationen sind solche, die das aktivierte Schema weder ansprechen, noch dem Schema widersprechen (indem sie etwa für ein konkurrierendes Schema stehen). (MAAS 1996, S. 27) Schemainkongruent ist ein visueller Reiz global gesehen dann, wenn er ein Schema anspricht, jedoch eine oder mehrere unerwartete Bilddetails enthält (MAAS 1996, S. 28). Als unerwartete Einzelinformationen, die zu Inkongruenz führen können, nennt MAAS (1996) x Informationen, die das aktivierte Schema zwar ansprechen, im Detail dem Schema aber widersprechen, x Fehlende, durch das aktivierte Schema erwartete Information, x Einzelinformation, welche die Auslösung des durch die übrigen Informationen aktivierten Schemas dadurch hemmen, dass sie eine globale Interpretation aller Einzelinformationen mittels eines Schemas verhindern. Solche kontraindikativ wirkenden Bilder haben häufig einen relativ hohen diagnostischen Wert für ein konkurrierendes Schema. (MAAS 1996, S. 29) In Experimenten zur Schemakongruenz bestätigen MEYERS-LEVY und TYBOUT (1989) die von MANDLER (1982) getroffene Abgrenzung zwischen leichter und starker Inkongruenz. Demnach liegt leichte Schemainkongruenz dann vor, solange das betreffende Bild mit Hilfe vorhandener Schemata noch „richtig“ interpretiert wird (MEYERS-LEVY und TYBOUT 1989, S. 40). In Anlehnung an FISKE und TAYLOR (1991) lässt sich zusammenfassend feststellen: x Schemainkonsistente Details wirken sich in der Phase erster Anmutungen und vorläufiger Schemabildung am stärksten aus, wenn die Aufmerksamkeit auf das schemainkongruente Element gerichtet wird (FISKE und TAYLOR 1991, S. 131). Ist ein Schema bereits aktiv, so wird der Fokus stärker auf schemakonsistente Details gerichtet, um das Schema zu bestätigen (FISKE und TAYLOR 1991, S. 130).
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x Die Wirkung eines Schemas im Gedächtnis kann dann als am stärksten betrachtet werden, wenn das Schema vom Anbeginn der Bildbetrachtung aktuell ist (FISKE und TAYLOR 1991, S. 131). Es muss daher Ziel sein, vom Einsatz solcher Bilder, die offensichtlich Schemainkongruenz stiften, abzusehen oder schemainkongruente Bildelemente entsprechend zu entfernen oder zu verändern. 4.7.5.2 Ambivalente Schemata Auf die Gefahr, dass ein Bild mehrere Schemata anspricht, wurde bereits hingewiesen. Schemata wirken dadurch, dass sie bestimmte Arten von Information eher auswählen als andere und nicht dadurch, dass sie falsche Wahrnehmungen oder Täuschungen herstellen würden. Dennoch kann ein einzelnes Objekt (bzw. Bild) widersprüchliche Information liefern und zwei Wahrnehmungszyklen stützen, die nicht in das selbe Schema integriert werden können. Die Wahrnehmung solcher mehrdeutiger Darbietungen lässt sich leicht in die eine oder andere Richtung beeinflussen. NEISSER (1979) nennt in diesem Zusammenhang x sprachliche Instruktionen x vorangegangene Darbietungen x soziale Normen und x Versuchsleitereffekte. (NEISSER 1979, S. 43) MAAS (1996) führt zwei Einflussgrößen für die Auslösung von Schemata an (MAAS 1996, S. 32): x den diagnostischen Wert eines Reizes für ein Schema x Voraktivierungseffekte (Priming) Der diagnostische Wert meint dabei die Wahrscheinlichkeit eines visuellen Reizes, ein konkretes Schema auszulösen (MAAS 1996, S. 241). Ob ein Schema ausgelöst wird, hängt (unter anderem) davon ab, inwieweit die Merkmale eines Wahrnehmungsobjektes mit den vom Schema spezifizierten Merkmalen übereinstimmen (THORNDYKE und HAYES-ROTH 1979, S. 86). Passen sich einzelne Informationen in mehrere Schemata ein, so tragen diese Informationen eher zur Auslösung desjenigen Schemas bei, für das sie den höheren diagnostischen Wert besitzen (ANDERSON und PEARSON 1984, S. 261). Die Gefahr, dass ein Bild gleichzeitig mehrere Schemata anspricht, kann mittels Voraktivierung (Priming) verringert werden. Insbesondere bei emotionsdarstellenden Bildern ist es wahrscheinlich, dass die im Bild enthaltenen Szene, zwei oder mehrere Emotionen (z.B.
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Freude und Liebe oder Liebe und Akzeptanz) anspricht. Im anschließenden Kapitel werden deshalb verschiedene Arten der Aktivierungssteuerung vorgestellt. Die von NEISSER (1979) und MAAS (1996) genannten Maßnahmen zur Aktivierungssteuerung weisen auf die grundsätzliche Bedeutung von Kontextinformationen hin. Für eine ausführliche Diskussion des Einflusses von Kontexten auf die Wahrnehmung sei auf Kapitel 4.7.6.3 verwiesen. 4.7.6
Einflussgrößen auf die Schemaaktivierung
Die bisherigen Ausführungen der Schematheorie lassen erkennen, dass die Schemaaktivierung einer Reihe von Einflussgrößen unterliegt. Drei globale Einflüsse lassen sich unterscheiden: Bildbezogene Einflüsse, personenbezogene Einflüsse und Kontexteinflüsse. 4.7.6.1 Bildbezogene Einflussfaktoren Die Gestaltung des Bildes ist bereits dafür verantwortlich, wie rasch die Schemaaktivierung vor sich geht. Dabei spielen insbesondere die Kriterien der Gestaltgesetze eine Rolle, das heißt, wie gut sich Figuren von ihrem Hintergrund abheben, wie deutlich sich Konturen abzeichnen und in welchem Detaillierungsgrad das Bild vorliegt. Darüber hinaus wirkt sich die farbliche Gestaltung des Bildes auf den Wahrnehmungsprozess aus. Bildbezogene Einflussfaktoren sind in erster Linie für die präattentiven Wahrnehmungsvorgang entscheidend, wenn es darum geht, einen ersten globalen Eindruck des Reizes zu gewinnen und entsprechende Objekte zu identifizieren. 4.7.6.2 Personenbezogene Einflussgrößen NEISSER (1979) formuliert den Einfluss der individuellen Komponente auf die Wahrnehmung damit, dass Schemata durch Erfahrung entwickelt werden: „Die Erfahrungen des einen sind anders als die des anderen. Wir müssen daher untereinander alle sehr verschieden sein. Da die Wahrnehmungsgeschichte jeder einzelnen Person einzigartig ist, sollten wir alle einzigartige kognitive Strukturen haben“ (NEISSER 1979, S. 146). Entsprechend formulieren KROEBER-RIEL und WEINBERG (2003), dass jeder Einzelne in einer subjektiv wahrgenommenen Welt lebt, weshalb es oft gar nicht möglich ist, zu entscheiden, ob die individuell subjektive Wahrnehmung „richtig“ oder „falsch“ ist. Durch Abweichungen der subjektiven Wahrnehmung objektiv gleicher Sachverhalte entstehen oft schwerwiegende Konflikte: Der Einzelne beruft sich auf die von ihm wahrgenommenen Tatsachen und vermag nicht, seine Wahrnehmung als subjektiv-persönlich aufzufassen (KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 267). Somit unterscheiden sich verschiedene Personen auch hinsichtlich ihrer Schemata, sowohl in der Existenz als auch in der Qualität der Schemata (HERKNER 1991, S. 168) und können als
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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kognitiv umso komplexer bewertet werden, je mehr persönliche Konstrukte sie zur Kategorisierung ihrer Umwelt benutzen (AMELANG und BARTUSSEK 1990, S. 456). ULICH et al. (1999) nennen bestimmte Einflüsse, Einflussquellen und Lernerfahrungen, die in unterschiedlicher Weise in den Substrukturen emotionaler Schemata repräsentiert sind (ULICH, KIENBAUM und VOLLAND 1999, S. 58f): x Gefühlstypen repräsentieren verallgemeinerte Konfigurationen von Ereigniswahrnehmungen, Wahrnehmungen des eigenen Zustandes und Emotionsbenennungen. Sie sind das Ergebnis eines wiederholten simultanen Auftretens dieser drei Faktoren. Dadurch kommt es zu einer fortschreitenden Typisierung der emotionalen Reaktion und damit zu einer Vereinheitlichung des individuellen Emotionsvokabulars über wechselnde Auslöser und Situationen hinweg. x Kulturelle Gefühlsschablonen repräsentieren kulturspezifische Relevanzkriterien und Erwartungen im Hinblick auf das ereignis- und situationsadäquate Erleben und Ausdrücken ganz bestimmter Gefühle. EKMAN (1988) spricht in diesem Zusammenhang von Darbietungsregeln und Bewältigungshandeln (EKMAN 1988, S. 30ff). Es findet eine Homogenisierung emotionaler Reaktionen statt, die durch kulturelle Erwartungen gesteuert wird. x Emotionale Wertbindungen stellen die evaluative Substruktur emotionaler Schemata dar. Sie repräsentieren individuelle gefühlsrelevante Wertbezogenheiten und Wertpräferenzen im Sinne des Ausmaßes persönlicher Involviertheit und Betroffenheit. x Emotionale Gewohnheitsstärken repräsentieren die unterschiedlich stark ausgeprägte Bereitschaft emotionaler Schemata, durch ein bestimmtes Ereignis bzw. eine bestimmte Klasse von Ereignissen aktiviert zu werden. Hohe Gewohnheitsstärke meint, dass die Schwellen der Aktivierbarkeit niedrig sind und die Reaktionsbereitschaft hoch ist, weil das entsprechende Gefühl der Person vertraut und sie daran „gewöhnt“ ist. Gewohnheitsstärken repräsentieren demnach die Eigenschaftssubstruktur emotionaler Schemata, im Sinne intra- und interindividuell unterschiedlicher Bereitschaft, mit einem bestimmten Gefühl zu reagieren. Der gesamte interindividuelle Prozess der Entwicklung und Wirkung emotionaler Schemata lässt sich in Anlehnung an ULICH et al. (1999) entsprechend Abbildung 21 beschreiben. Im Bereich der Ontogenese erfahren Schemata laufend Veränderungen und Adaptierungen durch kontinuierliche Um- und Neuorganisationen der Lehrstellen und Wertebereiche (vgl. Kapitel 4.7.3), während in der Aktualgenese emotionale Schemata die allgemeine Organisationsform einer Klasse von Gefühlsreaktionen durch eine Struktur von Variablen und Wertebereichen repräsentieren (ULICH et al. 1999, S. 59). Ein Schema tritt dann in Funktion, wenn ein Ereignis „als Fall von ...“ identifiziert wird. Die wichtigsten Aussagen der Schematheorie
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
lassen sich nach ULICH et al. (1999) in dem unten dargestellten Entwicklungsmodell zusammenfassen.
Entwicklung und Wirkung emotionaler Schemata - kulturelle Gefühlsschablonen in Mitgliedschaftsentwürfen - Situationen und Ereignisse - soziale Interaktionen und Beziehungen - sprachliche Etikettierung, Konditionierung, Modelle, Instruktion, soziale Bezugnahmen
Frühe emotionale Erlebnisse
Emotionale Erlebnisse und Erfahrungen des Kindes, die durch Sozialisationseinflüsse und Wiederholungen in Richtung unterschiedlicher Gefühlsqualitäten geformt werden und Schematisierungen erfahren.
Interne Prozesse
Gewohnheitsbildung durch aktive Verarbeitung und Selbstorganisation: Schematisierung emotionaler Erlebnisse durch Selektion, Abstraktion, Generalisierung, Integration und Bedeutungsverleihung, als typisierende Transformation emotionaler Erfahrungen in überdauernde Strukturen.
Emotionsrelevante Dispositionen
Emotionale Schemata mit den Substrukturen Gefühlstypen, Wertbindungen, kulturelle Gefühlsschablonen; ferner Informationsverarbeitungsstile, internalisierte Regeln und weitere sozial-emotionale Persönlichkeitsvariablen
Emotionsspezifische Reaktionstendenzen
Gewohnheitsstärken als Teilkomponente emotionaler Schemata: Interindividuell unterschiedlich ausgeprägte Ansprechpartner und Reagibilität für spezifische Gefühlszustände
Reaktionsbildung
Eingangsselektor (Filter)
Ereignis, situativer Kontext
Lehrstellenausfüllung und konkrete Gefühlsregung
Aktualgenese
Momentanverfassung/aktuelle Prozesse der Person, aktualisierte Disposition
Ontogenese
Sozialisationseinflüsse
entnommen aus ULICH, KIENBAUM und VOLLAND 1999, S. 61
Abbildung 21: Entwicklung und Wirkung emotionaler Schemata (ULICH et al. 1999, S. 61)
Wie von ULICH et al. (1999) berücksichtigt, betont auch MAAS (1996) den Einfluss der emotionalen Grundstimmung bzw. der Momentanverfassung einer Person auf die Wirkung eines Reizes. Sie beruft sich dabei auf die Ausführungen von GILLIGAN und BOWER (1984) wobei sie den Schluss zieht, dass eine negative Grundstimmung die Auslösung und Wirkung negativ emotional besetzter Schemata begründet, während eine positive Grundstimmung die Auslösung und Wirkung positiv emotional besetzter Schemata fördert (MAAS 1996, S. 55). GOSCHKE (1995) formuliert daraus die Hypothese der Stimmungskongruenz, die besagt, dass Stimmungen die Enkodierung jener Reize verbessern, deren emotionale Valenz kongruent mit der Stimmung ist (GOSCHKE 1995, S. 636). Personenbezogene Faktoren beeinflussen – entsprechend der soeben erfolgten Darstellung – in erster Linie die Emotionsgenese emotionsauslösender Bilder. Sie sind dafür verantwortlich, dass bei Betrachtung ein und desselben Reizes bei verschiedenen Personen unterschiedliche Emotionen hervorgerufen werden, was die bereits in Kapitel 3.2 vorgebrachte Kritik an emotionsauslösenden Stimuli bestätigt.
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
409
4.7.6.3 Kontexteinflüsse Welche Bedeutung (respektive Emotionsqualität) einem Stimulus zugewiesen wird, auf welche Weise er interpretiert wird, beeinflusst in wesentlichem Maße der Zusammenhang, in dem der Reiz eingebettet ist bzw. dargeboten wird. Der Zusammenhang kann die Wahrnehmung auf zwei verschiedene Arten beeinflussen: Einerseits kann der Rezipient darauf eingestellt werden, eher die eine als die andere visuelle Figur zu bilden. Die Versuchspersonen neigen in diesem Sinne dazu, das zu sehen, was sie zu sehen erwarten. Andererseits kann der Zusammenhang helfen, eine an und für sich unannehmbare visuelle Konstruktion passend zu interpretieren (NEISSER 1974, S. 150f). Was genau unter dem Begriff Kontext zu verstehen ist, versuchen MARKUS und ZAJONC (1985) zu erklären. Sie meinen mit Kontext all jene Faktoren, die zwar nicht unmittelbar für den Verarbeitungsprozess relevant sind, diesen jedoch auf unvorhersehbare Weise beeinflussen können (MARKUS und ZAJONC 1985, S. 172). Die Beeinträchtigung des Erkennungsprozesses kann im Einzelfall so stark sein, dass ein Detail im Kontext vollkommen anders identifiziert (und/oder interpretiert) wird als kontextunabhängig bzw. dass die Interpretation in verschiedenen Kontexten jeweils anders abläuft. Beispielsweise können Tränen nicht nur Trauer sondern auch Freude, Stirnrunzeln nicht bl0ß Ärger sondern auch Enttäuschung oder Sorge bedeuten (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 289). 4.7.6.3.1 Arten des Kontext WALLBOTT (1990) unterscheidet bei der Wahrnehmung von Emotionen zwei relevante Kontextdimensionen (vgl. Abbildung 22). Eine Dimension trennt zwischen x dem simultanen (statischen) Kontext, der zu einem Zeitpunkt gegeben ist und x dem kontingenten (dynamischen) Kontext, der im Umfeld einer Verhaltensweise auftritt. Innerhalb der zweiten Dimension differenziert er hinsichtlich x dem Kontext innerhalb eines Verhaltenskanals, x dem Kontext des übrigen Verhaltens und dem x situativem Kontext. (WALLBOTT 1990, S. 17)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Kontextaspekte der Emotionswahrnehmung
simultan (räumliche Parallelität)
kontingent (raumzeitliche Kontinuität)
Kontext innerhalb eines Verhaltenskanals
Kontext des übrigen Verhaltens
Situativer Kontext
simultaner Intrakanalkontext
simultaner Verhaltenskontext
simultaner Situationskontext
z.B. verschiedene Komponenten eines mimischen Ausdrucks
z.B. mimisches Verhalten begleitet von Gestik und Körperhaltungen
z.B. mimisches Verhalten begleitet von Situationsinformationen
kontingenter Intrakanalkontext
kontingenter Verhaltenskontext
kontingenter Situationskontext
z.B. verschiedene aufeinanderfolgende mimischen Ausdrücke
z.B. mimischer Ausdruck, dem andere Verhaltensweisen vorausgehen oder folgen
z.B. einem mimischen Ausdruck vorausgehende oder nachfolgende Situation
entsprechend WALLBOTT 1990, S. 17
Abbildung 22: Kontextaspekte bei der Emotionswahrnehmung aufgrund nonverbalen Verhaltens (WALLBOTT 1990, S. 17)
Innerhalb dieser Matrix können sechs verschiedene Kontexte und deren Einfluss auf die Wahrnehmung von Emotionen unterschieden werden. Der statische Intrakontextkanal berücksichtigt verschiedene Komponenten innerhalb eines Verhaltenskanals, wie etwa Mund, Augen und verschiedene Gesichtsmuskel im mimischen Ausdruck. Nachdem die Emotionskommunikation selbst auf nonverbaler Ebene nur selten einkanalig abläuft, berücksichtigt der simultane Verhaltenskontext weitere Kanäle und schließt etwa die Körperhaltung (Gestik) der dargestellten Person mit ein. Schließlich findet sich auf der statischen Ebene der Situationskontext, in dem die Person eingebettet ist. (WALLBOTT 1990, S. 17) Dynamische Kontexte besitzen – wie WALLBOTT (1990) betont – für die ökologische Validität eine noch höhere Bedeutung als die eben dargestellten simultanen Kontexte. Der dynamische Intrakanalkontext betrifft die Aufeinanderfolge verschiedener Ausdrucksweisen innerhalb eines Verhaltenskanals (z.B. unterschiedliche mimische Ausdrücke innerhalb einer Emotionsqualität). Der kontingente Verhaltenskontext meint andere Verhaltensweisen, die etwa dem mimischen Ausdruck vorausgehen oder folgen, der dynamische Situationskontext betrifft die dem Verhaltensausdruck vorausgehende oder nachfolgende Situation. (WALLBOTT 1990, S. 18)
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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Während sich der statische Kontext in fotografischen Bildreizen umsetzen lässt, bedarf es – sofern keine Videoclips als Stimulusmaterial eingesetzt werden – entsprechender Maßnahmen, um dynamische Kontextaspekte in die Bildpräsentation zu integrieren. Anschließend soll die Frage diskutiert werden, in welchem Ausmaß der Kontext in der Bilddarstellung berücksichtigt werden muss. Insbesondere soll auf den Zusammenhang zwischen Bildkomplexität (im Sinne von Detaillierungsgrad von Bildelementen) und Kontext eingegangen werden (Kapitel 4.7.6.3.2). In weiterer Folge geht es um das Erfordernis, den situativen Kontext im Bild zu integrieren oder als „externe“ Information zur Verfügung zu stellen (Kapitel 4.7.6.3.3). 4.7.6.3.2 Kontext und Bildkomplexität PALMER (1978) nennt drei Forderungen für die grundsätzliche Erkennung visuelle Reize. Bilder werden umso rascher und genauer identifiziert, wenn x der Reiz nicht neu, sondern bereits gut bekannt ist, x der Reiz nicht untypisch, sondern typisch für seine Kategorie ist und wenn x der Reiz nicht ohne (oder in einem falschen) Kontext, sondern in einem passenden Kontext erscheint (PALMER 1978, S. 295). Er illustriert die Bedeutung von Kontext und Komplexität und die Beziehung zwischen beiden Termini mittels des in der Literatur häufig zitierten und von PALMER (1978) entwickelten Teile-Ganzes-Kontextes (vgl. Abbildung 23a). Darstellungen mit geringer Komplexität sind nur dann gut erkennbar, wenn sie in einen entsprechenden Kontext eingebettet sind. Wird die Komplexität des Bildes (bzw. der Bilddetails) erhöht, so werden die Elemente auch ohne Kontext erkennbar. Er schließt daraus, dass in den meisten Fällen die Interpretation der Teile und des Ganzen gleichzeitig in den Richtungen von unten nach oben und von oben nach unten abläuft. (PALMER 1978, S. 296) Den Einfluss der in visuellen Reizen dargestellten Situation zeigt BRANSFORD (1986). Einzelne Objekte können sehr vielseitig interpretiert werden, wenn der situative Kontext fehlt (BRANSFORD 1986, S. 145). Abbildung 23b zeigt ein an sich artifizielles Objekt, das je nach eingebettetem Kontext mit völlig unterschiedlichen Bedeutungen versehen wird.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Illustration von Teile-Ganzem- und situativem Kontext
a) Illustration des Teile-Ganzes-Kontextes PALMER (1978)
b) Illustration des situativen Kontextes BRANSFORD und McCARRELL (1974)
Abbildung 23: Illustration von statischen Kontexten: Teile-Ganzes- (a) und situativer Kontext (b) (PALMER 1978, S. 296 bzw. BRANSFORD 1986, S. 146)
Die Bedeutung hinreichender Komplexität visueller Reize unterstreichen auch die Untersuchungen von BEHRENS (1982) und KONERT (1986), wenngleich im Anschluss gezeigt werden soll, dass Komplexität keine hinreichende Bedingung für eine eindeutige Emotionswahrnehmung darstellt. BEHRENS (1982) zeigt Versuchspersonen Gesichtsskizzen in Form von Piktogrammen, deren Gestaltungsmerkmale, bestehend aus Mundwinkel und Augenbrauen, er systematisch variiert (vgl. Abbildung 24). Die Probanden forderte er auf, die „emotionalen Gesichtsausdrücke“ bestmöglich zu charakterisieren. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Kennzeichnungen der Versuchspersonen nicht eindeutig sind. So wird beispielsweise ein und dasselbe Piktogramm von unterschiedlichen Versuchspersonen als „traurig“, „ängstlich“, „besorgt“ und „erstaunt“ beschrieben. BEHRENS führt das auf einen Präzisionsmangel der Piktogramme zurück (BEHRENS 1982, S. 181ff). Wie DIETERLE (1992) in einer Aufstellung charakteristischer emotionsbedingter Mimiken (vgl. DIETERLE 1992, S. 80) zeigt, muss die Varianz der Zuordnungen nicht zwingend am Präzisionsmangel mimischer Piktogramme liegen. Anhand seiner Liste lassen sich drei bemerkenswerte Aspekte ablesen, die auch den Einsatz fotorealistisch abgebildeter Mimiken kritisch erscheinen lassen:
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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x Innerhalb ein und derselben Emotion gibt es oft mehrere Mimikvarianten (z.B. bei Ekel Nase rümpfen oder Zunge nach unten herausstrecken). x Zwischen den Emotionen zeigen sich teilweise verhältnismäßig geringe Unterschiede im mimischen Ausdrucksverhalten (z.B. zeigen sich bei mehreren Emotionen angehobene Augenbrauen im Ausdrucksverhalten) x Einige der von THYRI (2003) als marketingrelevant eingestufte Emotionen können mimisch nicht oder nur unzureichend dargestellt werden (dazu zählen beispielsweise die Emotionen Liebe und Stolz). Dennoch weisen Mimikdarstellungen entscheidende Vorteile für die Wahrnehmung von Emotionen auf. Diese liegen in der Möglichkeit, Gefühle zu visualisieren (DIETERLE 1992, S. 85) oder wie NEISSER (1979) es formuliert: „Ich kann buchstäblich sehen, wie sich der andere fühlt“ (NEISSER 1979, S. 147). Ein weiterer wesentlicher Vorteil bei der Verwendung von Gesichtsausdrücken ist das in Kapitel 3.2 genannte Stimuluspotenzial von Bildreizen, entsprechend des „Prinzips der emotionalen Ansteckung“ Emotionen beim Betrachter auszulösen (IZARD 1994, S. 130f). IZARD (1994) beruft sich ferner auf die Studien von EKMAN, FRIESEN und ELLSWORTH (1972) und IZARD (1971), in denen gezeigt werden konnte, dass bedeutende Aspekte der Emotionskommunikation auf den mimischen Ausdrucksformen beruhen (IZARD 1994, S. 92), und dass zumindest fundamentale Emotionen zuverlässig durch Stichproben von Individuen aus vielen verschiedenen Kulturen identifiziert wurden (IZARD 1994, S. 146). Entsprechend den Ausführungen von EKMAN (1993) lassen sich die Emotionen Ärger, Furcht, Ekel, Traurigkeit und Freude eindeutig anhand von (fotorealistisch abgebildeten) Mimiken unterscheiden. Hinsichtlich der übrigen von Emotionstheoretikern angeführten Emotionen meint EKMAN (1993), dass dafür entweder eindeutige vokale Ausdrucksformen (aber keine mimischen) existieren oder dass sich in Ihrer Bewertung unterschiedliche Emotionen – wie Spaß, Erleichterung, Stolz und Genuss – im selben bzw. einem sehr ähnlichen Gesichtsausdruck äußern. Er schlägt deshalb vor, diese Emotionen zu „Familien“ zu gruppieren, um sie mittels eindeutigem Ausdrucksverhalten charakterisieren zu können (EKMAN 1993, S. 387). Doch zeigten Studien, dass die Emotionsinterpretation anhand des Gesichtsausdrucks selbst bei den von EKMAN (1993) als eindeutig angeführten Emotionen nicht unproblematisch ist. KONERT (1986) ließ Auskunftspersonen Piktogramme in Anlehnung an BEHRENS (1982) und Mimiken entsprechend EKMAN und FRIESEN (1975) auf verbal formulierte Emotionskategorien zuordnen (vgl. Abbildung 24).
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Piktogramme und Mimiken emotionaler Gesichtsausdrücke Piktogramme BEHRENS (1982)
Mimiken EKMAN und FRIESEN (1975)
Verbalisierte Emotionskategorien
Ärger
Ekel
Angst
Freude
Trauer
Überraschung
Abbildung 24: Piktogramme und Mimiken (KONERT 1986, S. 167f)
Die Piktogramme wurden dabei nur auf vier Emotionsqualitäten weitgehend übereinstimmend zugeordnet. Die Mimiken streuten zwar auf alle sechs vorgegebenen Emotionen, jedoch ebenfalls mit zum Teil stark unterschiedlicher Übereinstimmung (KONERT 1986, S. 184). Dies lässt – neben dem festgestellten Präzisionsmangel von Piktogrammen – darauf schließen, dass Emotionen grundsätzlich nicht ausschließlich mittels Gesichtsausdrücken vermittelt werden können, auch wenn diese fotorealistisch abgebildet sind. RUSSELL (1989) kritisiert in diesem Zusammenhang generell die Vorgangsweise solcher Studien, wo dem Betrachter entsprechend selektierte Gesichtsausdrücke gemeinsam mit einer kurzen Liste an Emotionen vorgelegt werden und er aufgefordert wird, jeden Gesichtsausdruck einer einzigen Emotionskategorie zuzuordnen. RUSSELL (1989) vertritt die Auffassung, dass dadurch die Konsistenz der Emotionszuordnung überschätzt wird (RUSSELL 1989, S. 98). Es liegt die Vermutung nahe, dass eine ungestützte „Emotionsinterpretation“ zu anderen Ergebnissen führen würde. Soll ein Bildinhalt möglichst kontextunabhängig und ungestützt „erkannt“ werden, lassen sich in Anlehnung an MAAS (1996) drei grundsätzliche Anforderungen an Bildelemente formulieren: x Das Bildelement muss hinreichend komplex sein, um kontextunabhängig erkannt zu werden (MAAS 1996, S. 44).
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
415
x Das Bildelement muss einen hohen diagnostischen Wert für ein bestimmtes Schema besitzen (MAAS 1996, S. 44). Für ANDERSON und PEARSON (1984) ist bei Vorhandensein mehrerer Subschemata die Wahrscheinlichkeit, dass das gesamte Schema aktiviert wird, eine Funktion der Summe der Wahrscheinlichkeiten, dass die einzelnen Subschemata (bzw. Bildelemente) das Schema aktivieren (ANDERSON und PEARSON 1984, S. 261). x Das Bildelement wird so abgebildet, dass die übrigen Bildelemente (der Kontext) jenes Schema ansprechen, für welches das Detail einen hohen diagnostischen Wert besitzt, oder die Abbildung des Bildelementes erfolgt auf solche Weise, dass die übrigen Bildelemente ein konkurrierendes Schema ansprechen, wobei kein Schema eine globale Interpretation des Bildes erlaubt (MAAS 1996, S. 44). Dass ein Schema selbst bei Zutreffen dieser Forderungen kontextunabhängig aktiviert wird, scheint dennoch zweifelhaft. Im Zusammenhang mit dem diagnostischen Wert eines Bildelementes fügen ANDERSON und PEARSON (1984) nämlich hinzu, dass dabei auch relevant ist, wie die einzelnen Informationen zueinander und zu anderen in Beziehung gesetzt werden (ANDERSON und PEARSON 1984, S. 261). Dementsprechend formuliert MANDLER (1984), dass die Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines bestimmten Schemas umso höher ist, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass die relevanten Attribute entsprechend verbunden sind (MANDLER 1984, S. 58f). Auch MAAS (1996) schließt nicht aus, dass eine unterschiedliche Deutung in verschiedenen Kontexten (bzw. ohne Kontext) dennoch möglich ist, da ein und dasselbe Subschema in verschiedene konkurrierende Schemata eingebettet sein kann (MAAS 1996, S. 43). Für die Wahrnehmung von Emotionen aus Gesichtsausdrücken kann geschlossen werden, dass die Forderung nach entsprechender Komplexität von Bilddetails für die eindeutige Identifizierung der Emotionsqualität eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung darstellt. Die oben angeführten Ergebnisse legen nahe, dass zusätzliche Kontextinformationen notwendig sind, die über den statischen Intra-Kanal-Kontext hinausgehen. Das bedeutet prinzipiell, dass jede Emotionsqualität offenbar einer spezifischen Bildgestaltung bedarf, die in der Lage ist, das beabsichtigte emotionale Schema zu aktivieren. 4.7.6.3.3 Situativer Kontext bei der Wahrnehmung von Emotionen In ihrem Beitrag zur Wahrnehmung emotionaler Gesichtsausdrücke unterstreichen FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) die Bedeutung des Kontextes. Sie kritisieren, dass in der Wahrnehmungsforschung lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass Gesichtsausdruck und situativer Kontext zwei gleichwertige konkurrierende Informationsquellen darstellen, und jede für sich eine eigene emotionale Botschaft transportiert. FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) vertreten die Auffassung, Mimik und Kontext weisen interagierende Verbindungen auf (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
1997, S. 289f). Sie kritisieren, dass es bei einem isolierten Einsatz von Mimiken dem Betrachter überlassen ist, in welchem Kontext er das Bild wahrnimmt. Der Kontext wird so zu einer unkontrollierten Störgröße, die in wesentlichem Maße die Wahrnehmung der Emotion beeinflusst (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 291). FERNÁNDEZ-DOLS und RUIZ-BELDA (1995) stützen die Kritik an der u. a. von EKMAN und FRIESEN (1975) und EKMAN (1992) postulierten isolierten Darbietung von Mimiken. Sie zeigen Bilder von Goldmedaillengewinnern Olympischer Spiele während der Siegerehrung mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken, welche die prototypischen Merkmale der Emotionen Glück und Traurigkeit aufweisen. Entsprechend EKMANs (1992) „Universial Facial Expressions“ Hypothese, müssten die Bilder als „glücklich“ bzw. „traurig“ interpretiert werden (FERNÁNDEZ-DOLS und RUIZ-BELDA 1995, S. 1116). FERNÁNDEZ-DOLS und RUIZ-BELDA (1995) widerlegen diese Hypothese, in dem in ihrer Studie von den Versuchspersonen beiden Gesichtsausdrücken die Emotionen „Glück“ und „Freude“ zugeschrieben wurden, wobei die Probanden ihr Urteil anhand des situativen Kontextes gebildet hatten. Sie schließen daraus, dass ein Lachen kein hinreichender Ausdruck für die Zuordnung der Emotion „Glück“ ist (FERNÁNDEZ-DOLS und RUIZ-BELDA 1995, S. 1117). Dementsprechend formulieren FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) die Forderung: „As with any other stimulus, the interpretation of facial expressions depends on the context“ (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 290). FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) sehen wie WALLBOTT (1990) eine Möglichkeit der Kontextgenerierung in der Beifügung verbal formulierter Situations- oder Ursachenbeschreibungen, die auf den im Bild dargestellten Sachverhalt Bezug nehmen (vgl. z.B. WALLBOTT 1990, S. 126ff, FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 275ff). Eine solche Vorgangsweise scheint für die Emotionsmessung im Zusammenhang mit Marken problematisch, da die Forderung nach markenunabhängigen Stimuli dadurch kaum aufrecht zu erhalten ist. Zusätzlich könnten spezifische Situationsbeschreibungen zwar die Wahrnehmung der Emotion fördern, aber den Markenzuordnungsprozess beeinflussen, da anzunehmen ist, dass die verbal dargebotene konkrete Situation die Verknüpfung des Bildreizes mit dem emotionalen Erlebnis der Versuchsperson im Zusammenhang mit der Marke behindert. Im folgenden Kapitel wird mit der Aktivierungssteuerung durch Priming eine Möglichkeit der Kontextgenerierung vorgestellt, die ohne Einflussnahme auf die Markenzuordnung auskommen soll. 4.7.6.3.4 Aktivierungssteuerung durch Priming Eine Möglichkeit der Kontextgenerierung besteht mittels Voraktivierung von vorhandenem Wissen, wodurch es zu einer Erleichterung des Verarbeitungsprozesses kommt. Diese Effekte sind in der Literatur als „Primingeffekte“ bekannt. FISKE und TAYLOR (1991) definieren
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
417
Priming als den Effekt eines vorangehenden Kontextes (=Prime) auf die Interpretation neuer Information (=Stimulus). Priming bedeutet, dass kurz zuvor und/oder mehrmals aktivierte Gedächtnisinhalte eine höhere Chance haben, wiederum aktiviert zu werden (FISKE und TAYLOR 1991, S. 257). Dementsprechend ist zwischen x „Recency Effekten“ (Primingeffekte aufgrund kurz zuvor erfolgter Aktivierung von Gedächtnisinhalten) und x „Frequency Effekten“ (Primingeffekte aufgrund wiederholter Aktivierung von Gedächtnisinhalten) zu unterscheiden. Das Priming entsteht durch Aktivierung von Wissen, das auf einen gegenwärtig dargebotenen Stimulus anwendbar ist (FISKE and TAYLOR 1991, S. 257). FISKE und TAYLOR betonen aber als Voraussetzung des Primings, dass die Probanden die Priminganordnung nicht durchschauen. Sie müssen im Glauben sein, den Stimulus zu interpretieren, der Einfluss des Primes auf die Interpretation des Stimulus darf ihnen deshalb nicht bewusst werden (FISKE und TAYLOR 1991, S. 258). Ist das Priming zu offensichtlich, kann dieser zu Reaktanzen bei den Probanden führen. FISKE und TAYLOR (1991) meinen dazu wörtlich: „If the prime is blatant enough, people may avoid using it, rating the person in the opposite or contrasting direction“ (FISKE and TAYLOR 1991, S. 260). Dies kann zu einer Umgehung des gewünschten Primingeffekts und zur Umkehrung der beabsichtigten Wirkung führen. Betont werden muss dabei die Unterscheidung zwischen offensichtlichem und bewusstem Priming. Während offensichtliches Priming vermieden werden soll, spricht für FISKE und TAYLOR (1991) nichts gegen die bewusste Wahrnehmung des Primes. In Studien wird sowohl bewusstes als auch unbewusstes Priming eingesetzt, wobei beim Einsatz bewusst wahrgenommener Primes darauf hinzuweisen ist, dass die Probanden die beabsichtigte Beeinflussung ihres Verhaltens nicht durchschauen dürfen. (FISKE und TAYLOR 1991, S. 260) Wie HERR, SHERMAN und FAZIO (1983) in ihrer Studie zeigen, lassen sich Primingeffekte (in die beabsichtige Richtung) leichter erzielen, wenn der eigentlich dargebotene Stimulus mehrdeutige Interpretationen zulässt, während geprimte eindeutig identifizierbare Reize leichter sogenannte Kontrasteffekte hervorrufen können. Dies lässt sich damit begründen, dass bei Darbietung mehrdeutiger Stimuli jenes der konkurrierenden Schemata leichter angesprochen wird, welches aufgrund des vorangegangenen Primings zuletzt aktiviert war. (HERR, SHERMAN und FAZIO 1983, S. 335)
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Hinsichtlich der Stärke von Primingeffekten lassen sich zwei grundsätzliche Einflussgrößen nennen: x Priming als Funktion der Zeit: FISKE und TAYLOR (1991) postulieren einen zeitlichen Zusammenhang hinsichtlich der Spanne zwischen Priming und Reizdarbietung einerseits sowie Reizdarbietung und Reizbeurteilung andererseits. Damit betonen sie die Bedeutung des Primings für die Beeinflussung der Enkodierleistung von Personen, wenngleich sie einräumen, dass sich Primingeffekte auch in der Behaltensleistung zeigen (FISKE und TAYLOR 1991, S. 261f). Sie berufen sich dabei auf eine von SRULL und WYER (1980) durchgeführte Studie, die feststellte, dass Primingeffekte mit zunehmender Verzögerung zwischen Prime und Stimulus abnehmen. Bei der Versuchsanordnung mit größerer Zeitspanne zwischen Prime und Zielreiz stellte sich ein geringerer Primingeffekt heraus als bei unmittelbar aufeinanderfolgender Prime-Stimulus-Präsentation. Demgegenüber zeigte sich ein schwach positiver Zusammenhang zwischen der Länge des Zeitintervalls (Stimulusdarbietung – Reizbeurteilung) und dem Primingeffekt (SRULL und WYER 1980, S. 846). Daraus formulieren FISKE und TAYLOR (1991) die Notwendigkeit, Prime und Target in einem engen zeitlichen Fenster darzubieten um zu erreichen, dass eine gemeinsame Enkodierung von Prime und Stimulus erreicht wird. Die Steigerung des Primingeffektes mit zunehmender zeitlicher Entfernung der Reizdarbietung erklären sie damit, dass bei wirksamem Priming die Details des Zielreizes im Zeitablauf mehr und mehr verschwimmen und die geprimte Repräsentation im Gedächtnis stärker zur Interpretation herangezogen wird (FISKE und TAYLOR 1991, S. 262). Abbildung 25 zeigt die verschiedenen zeitlichen Anordnungen von Prime, Stimulus und Reizbeurteilung. Entsprechend der Erkenntnis von FISKE und TAYLOR (1991) stellt sich der größte Primingeffekt bei enger zeitlicher Aufeinanderfolge von Prime und Zielreiz und größerem Zeitabstand bis zur Reizbeurteilung ein (a). Wird die Zeitspanne zwischen Prime und Stimulus erhöht oder die Reizbeurteilung unmittelbar an die Reizpräsentation angeschlossen, ist mit einem moderaten Primingeffekt zu rechnen (b). Der geringste Primingeffekt ist bei Umkehrung von Prime und Stimulus zu erwarten (c) (vgl. dazu FISKE und TAYLOR 1991, S. 261).
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
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Primingeffekte als Funktion der Zeit
a) größter Primingeffekt Prime
Stimulus
Reizbeurteilung
b) moderater Primingeffekt Prime Prime
Stimulus Stimulus
Reizbeurteilung
Reizbeurteilung
c) geringster Primingeffekt Stimulus
Prime
Reizbeurteilung
Zeitablauf entsprechend FISKE und TAYLOR 1991, S. 261
Abbildung 25: Primingeffekte als Funktion der Zeit (FISKE und TAYLOR 1991, S. 261)
x Semantische Beziehung und visuelle Ähnlichkeit: Primingeffekte sind umso größer, je enger die semantische Beziehung zwischen Prime und Stimulus ist. SPERBER et al. (1979) stellen fest, dass Bilder schneller benannt werden können, wenn dem Item ein semantisch verwandter visueller Bildprime vorangeht, als wenn keine Beziehung zwischen Prime und Stimulus besteht (SPERBER, McCAULEY, RAGAIN und WEIL 1979, S. 344). Wie SPERBER (1979) kommen KROLL und POTTER (1984) zu dem Schluss, dass Bildprimes grundsätzlich größere Primingeffekte auslösen als Wortprimes, auch wenn beide das gleiche semantische Naheverhältnis zum Zielreiz aufweisen. Sie postulieren deshalb die Unabhängigkeit von Bildüberlegenheitseffekt und dem Einfluss semantischer Beziehungen zwischen Prime und Stimulus (KROLL und POTTER 1984, S. 58f). SPERBER et al. (1979) begründen dies mit dem Vorhandensein visueller Ähnlichkeiten zwischen Bildprime und Bildreiz (SPERBER, McCAULEY, RAGAIN und WEIL 1979, S. 344). HUMPHREYS und BRUCE (1989) veranschaulichen dies mittels trivialem Beispiel anhand Tierbildern: Bilder verschiedener Tiere weisen gemeinsame bildhafte Merkmale wie Beine, Fell oder Augen auf, wogegen zwischen den Wörtern „Katze“ und „Maus“ keine höhere visuelle Ähnlichkeit besteht als zwischen „Katze“ und „Haus“ (HUMPHREYS und BRUCE 1989, S. 100). Experimente von BIEDERMAN und
420
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
COOPER (1991) lassen ebenfalls darauf schließen, dass Priming dort wirksamer ist, wo visuelle Analogien erkennbar sind. Sie verwenden „Line Drawings“ teilweise verdeckter Objekte, die dann besser5 identifiziert werden, wenn dem partiell verdeckten Reizobjekt sein Komplementärbild anstatt einem (ebenfalls teilweise verdeckten) semantisch verwandten Reiz vorangegangen war (BIEDERMAN und COOPER 1991, S. 399). In Anlehnung an das Experiment von BRUCE und VALENTINE (1986), das die Erkennung bekannter Gesichter zum Gegenstand hat, lässt sich die Schlussfolgerung treffen, dass Bildprimes gegenüber Wortprimes dann vorteilhaft sind, wenn diese zusätzlich zur semantischen Beziehung visuelle Ähnlichkeiten mit dem Stimulus aufweisen. Können wie in der soeben zitierten Studie (bei der Erkennung bekannter Gesichter) keine gemeinsamen Bildelemente zwischen Prime und Reiz gefunden werden, gelten Wörter als ebenso erfolgreiche Primes, sofern eine entsprechende semantische Verwandtschaft vorliegt (HUMPHREYS und BRUCE 1989, S. 100). Neben den grundsätzlichen Einflussgrößen auf die Stärke des Primingeffektes, ist die oben getroffene Differenzierung von Recency und Frequency Effekten hinsichtlich der Effizienz des Primings relevant. Zur Entscheidung welcher der beiden Primingeffekte effizienter ist, schlagen FISKE und TAYLOR (1991) drei Modelle (vgl. Abbildung 26) unter Berufung auf die erfolgten Gegenüberstellungen von HIGGINS (1989) und HIGGINS, BARGH und LOMBARDI (1985) vor (FISKE und TAYLOR 1991, S. 263): x Speichermodell (Storage Bin Model): In diesem Modell können kürzlich aktivierte Schemata grundsätzlich als ebenso aktuell betrachtet werden wie solche, die häufig angesprochen werden (da die Wahrscheinlichkeit, dass ein häufig angesprochenes Schema zugleich das zuletzt aktivierte Schema ist, entsprechend hoch ist). Dennoch wird in diesem Modell bei simultanem Auftreten zweier konkurrierender Schemata dem zuletzt ausgelösten Schema der Vorzug gegeben, da dieses im mentalen Speicher „ganz oben“ liegt. x Batteriemodell (Storage Battery Model): Die „Ladung“ eines bestimmten Schemas ist umso höher, je öfter es in der Vergangenheit angesprochen wurde. Bei zwei konkurrierenden Schemata wird deshalb jenes aktiviert, welches insgesamt die höhere Ladung aufweist, also bisher am häufigsten ausgelöst wurde. x Verbundmodell (Synapse View): Dieses Modell definiert den Zeitablauf als wesentliche Bestimmungsgröße, welches Schema letztendlich angesprochen wird. Wird von einer konstanten Aktivierungsobergrenze ausgegangen, so kommt wie beim Speichermodell das
5
Die Operationalisierung erfolgte mittels Messung der Latenzzeit und dem Anteil fehlerhafter Objektbenennungen
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
421
zuletzt aktivierte Schema zum Zug, wobei die Verfügbarkeit des Schemas entsprechend dem Batteriemodell umso langsamer abnimmt, je größer seine Ladung ist. Entsprechend dem Verbundmodell lassen sich mit Recency Effekten kurzfristig bessere Wirkungen erzielen, während langfristig Frequency Effekte überlegen sind. HIGGINS, BARGH und LOMBARDI (1985) sowie SRULL und WYER (1989) betrachten das Verbundmodell als das plausibelste Modell zur Erklärung von Recency und Frequency Effekten.
Alternative Modelle von Priming Effekten Speichermodell
„Ladung“
Batteriemodell
Schema R wird aufgrund der höheren Aktualität im mentalen Speicher bevorzugt. Æ Recency Effekt überlegen
R F F F
Schema F wird aufgrund der höheren „Ladung“ aktiviert. Æ Frequency Effekt überlegen
F
R
Aktivierung
Zeit
Verbundmodell
F
R Aktivierungsobergrenze
Kurzfristig wird Schema R aufgrund der höheren Aktualität aktiviert, längerfristig ist Schema F aufgrund der insgesamt höheren „Ladung“ überlegen. (Die Verringerung der Ladung entspricht der Steigung der Geraden.) Æ Recency Effekt wirkt kurzfristig Æ Frequency Effekt wirkt längerfristig
Zeit
R...zuletzt aktivierter Gedächtnisinhalt F...wiederholt aktivierter Gedächtnisinhalt entsprechend FISKE und TAYLOR 1991, S. 264
Abbildung 26: Drei Modelle von Primingeffekten (FISKE und TAYLOR 1991, S. 264)
Neuere Schematheorien nehmen unter dem Einfluss konnektionistischer Modelle neuronaler Netzwerke an, dass das Ausmaß der Schemawirksamkeit ebenfalls durch die Anzahl bisheriger episodischer Aktivierungen bestimmt wird. Die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Elemente emotionaler Schemata in die Formung einer aktuellen Gefühlsreaktion eingehen, hängt von der Aktivierungsstärke dieser Elemente ab, also davon, wie oft diese Elemente bisher schon angesprochen wurden und daher eine entsprechend hohe Verknüpfungsstärke mit anderen Elementen ausgebildet haben (ULICH, KIENBAUM und VOLLAND 1999, S. 59). Somit unterstellen ULICH et al. (1999) zumindest implizit die Wirksamkeit von Frequency Effekten bei der Auslösung emotionaler Schemata. 4.7.6.3.5 Emotionswahrnehmung aufgrund von Person-Kontext-Informationen Der Bedeutung des Kontextes bei der Emotionswahrnehmung Rechnung tragend, entwickelt WALLBOTT (1990) ein Modell, das beide Komponenten – Gesichtsausdruck bzw. Gestik
422
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
und Kontext – berücksichtigt. Grundsätzlich bedient er sich der von MASSARO (1987) entwickelten Fuzzy Logic und nimmt an, dass kombiniert vorgegebene Teilinformationen zunächst getrennt bewertet werden, diese Einzelbewertungen dann auf ihre Übereinstimmung hin verglichen werden, und schließlich ein integratives Urteil gefällt wird, welches, besonders wenn die Einzelurteile in vielen Komponenten übereinstimmen, eindeutiger ausfällt als die Einzelbewertungen. (WALLBOTT 1990, S. 101)
Modell der Emotionswahrnehmung mittels Person-Kontext distale Personen-Cues
Erfahrungsspeicher
emotionales Ereignis
distale Kontext-Cues
Enkodierung (proximale Personen-Cues)
Enkodierung (proximale Kontext-Cues)
Ableitung einer Emotionsliste
Ableitung einer Emotionsliste
Auswahl der wahrscheinlichsten Emotion
Auswahl der wahrscheinlichsten Emotion
Erfahrungsspeicher
selektive Gewichtung einzelner Informationskomponenten Ausschluss sehr unwahrscheinlicher Emotionen konsonant
Vergleich der Emotionen bzw. Emotionslisten
Kombination von Personen- und Kontextliste
diskrepant
Listenvergleich unter Einbeziehung unwahrscheinlicherer Emotionen keine Auswahl komplexerer Mechanismen Lösung
abschließende Liste und Emotionsurteil
Vollständiger Ausschluss von Person oder Kontext
keine Lösung
Neustrukturierung der Listen z.B. durch Uminterpretation
entsprechend WALLBOTT 1990, S. 113
Abbildung 27: Modell der Emotionswahrnehmung aufgrund von Person-Kontext-Informationen (WALLBOTT 1990, S. 113)
Als Basis seines Modells der Emotionswahrnehmung von Person-Kontext-Informationen dienen WALLBOTT (1990) neben den Anregungen von MASSARO (1987) die Annahmen von FRIJDA (1969), der davon ausgeht, dass ein Beobachter, der mit Person- und Kontextaspekten konfrontiert wird, zuerst versucht, beide Aspekte unabhängig voneinander einer Emotion zuzuordnen. Dabei greift der Beobachter auf Erfahrungen zurück, die einen Vergleich der perzipierten Emotionsinformationen mit vergangenen ähnlichen Situationen und Wahrnehmungen erlaubt. (WALLBOTT 1990, S. 101) WALLBOTT (1990) folgt bei seiner Modellentwicklung der Annahme, dass sich sowohl im Person- als auch im Kontextbereich Emotionen in distalen Cues manifestieren, die seitens des Betrachters als proximale Cues abgebildet werden. Der Betrachter leitet eine Liste von Emotionsbeurteilungen ab, die mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit das
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
423
wahrgenommene Ereignis beschreiben. Er nimmt an, dass möglicherweise eine selektive Gewichtung einzelner Eingangsinformationen erfolgt, die dazu führen könnte, dass visuell vorgegebene Information grundsätzlich ein höheres Gewicht erhält als verbale Informationen, oder dass eine „Aussortierung“ sehr unwahrscheinlicher Emotionen erfolgt. (WALLBOTT 1990, S. 112) Entsprechend den Annahmen von FRIJDA (1969) vergleicht der Betrachter beide „Emotionslisten“. Sind beide konsonant zueinander, so ergeben sich kaum Probleme, zu einem abschließenden Emotionsurteil zu kommen, nach MASSARO (1987) sollte es sogar eindeutiger als die Einzelurteile ausfallen (WALLBOTT 1990, S. 102). Komplizierter gestaltet sich der Fall bei diskrepanten Emotionslisten. WALLBOTT (1990) geht davon aus, dass erst unwahrscheinliche Emotionen wieder miteinbezogen werden und komplexere Integrationsmechanismen ins Spiel kommen, indem beispielsweise eine Trennung der beiden Emotionslisten erfolgt, Annahmen seitens des Betrachters getroffen werden oder – als „radikalste“ Methode – Person- oder Kontextinformationen komplett ausgeblendet werden. Damit wird deutlich, dass die Urteilsbildung umso schwieriger wird, je stärker Person und Kontext divergieren. (WALLBOTT 1990, S. 114) WALLBOTT (1990) schließt daraus, dass die Urteile bei konsonanten Kombinationen eindeutiger und intensiver ausfallen sollten als die Urteile aufgrund der Komponenten. Bei diskrepanten Kombinationen sollte der umgekehrte Effekt zu beobachten sein, indem Kombinationsurteile weniger eindeutig und intensiv ausfallen als die Einzelurteile, da sich zwei nicht deckungsgleiche Emotionslisten gegenseitig stören und die Aktivierung eines emotionalen Schemas hemmen können (WALLBOTT 1990, S. 117). Das Modell zeigt aber auch, dass die Wahrnehmung nicht zum (objektiv) richtigen Ergebnis führen muss. Dies ist bei diskrepanten Informationen naheliegend, doch selbst bei Vorliegen konsonanter Komponenten kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sowohl Person als auch Kontext Emotionslisten aufweisen, die nicht nur in einer Emotionsqualität übereinstimmen, sondern mehrere Schemata ansprechen.
4.8 Bildinhalte zur Emotionskommunikation Aufbauend auf die bereits im Kapitel der Bilddefinition (Kapitel 2.1) getroffene Unterscheidung zwischen emotionsauslösenden und emotionsdarstellenden Bildreizen, lassen sich verschiedene Bildtypen hinsichtlich ihres Bildinhaltes abgrenzen. In Anlehnung an die von BEKMEIER (1992) getroffene Unterscheidung zwischen körperlicher und materieller nonverbaler visueller Kommunikation (BEKMEIER 1992, S. 84) lassen sich vier Inhaltstypen unterscheiden:
424
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Menschliche (körperliche) Kommunikation mittels Personendarstellung: Dies beinhaltet die Visualisierung von Mimik und Gestik sowie Körperhaltungen einer oder mehrerer Personen inklusive zwischenmenschlicher Interaktionen. Wenngleich Personendarstellungen auch emotionsauslösend wirken können (etwa beim Anblick einer geliebten Person oder eines gehassten Menschen), haben diese Bildinhalte vorwiegend emotionsdarstellenden Charakter (z.B. Person, die Freude ausdrückt). x Gemeinsame Darstellung von Personen und Objekten (bzw. Tieren), wobei Objekte sowohl als Emotionsauslöser der gezeigten Person fungieren (z.B. Geschenk – Überraschung), als auch deren soziales Umfeld bilden können (z.B. Einrichtungsgegenstände im Raum der dargestellten Person). Für den Betrachter wirkt das Bild meist emotionsdarstellend. x Darstellung von Tieren: Tierbilder erfüllen entweder den Zweck der Auslösung von Emotionen (z.B. Schlange – Angst) oder haben, symbolhaft eingesetzt, emotionsdarstellenden Charakter (z.B. Pfau als Symbol für Stolz). x Darstellung von Objekten (i.w.S.): Dazu zählen nicht nur materielle Gegenstände, sondern auch Landschaften, Situationen und Szenerien. Objektdarstellungen zielen meist auf die Auslösung von Emotionen beim Betrachter ab (z.B. ekelerregende Abfälle).
Visuelle, nonverbale, emotionale Kommunikationselemente visuelle, nonverbale, emotionale Kommunikationselemente Personen-Kommunikation (Personendarstellung)
kombinierte Kommunikation (Personen mit Objekt bzw. Tier)
Merkmale des Ausdrucksverhaltens
konstante Personenmerkmale
Objekt als Auslöser der gezeigten Emotion
Mimik
Körperbau
Gestik
Gesichtsform
Hautfärbung
Erscheinungsbild
Körperhaltung Interaktionen
Tier-Kommunikation
Objekt-Komm.
Objekt im sozialen Umfeld mit der Person
„Symbol“Tiere
Emotionsauslösung beim Betrachter
Emotionsauslösung beim Betrachter
Besitztümer
Kleidung Accessoires
Genussartikel
Gebrauchsgegenstände
Tiere als Symbol für bestimmte Emotionen
direkt emotionsauslösende Tierbilder
Gegenstände
Geschenke
Situationen Tiere
Landschaften Situationen Szenerien
Hintergrundobjekte Tiere
primär emotionsdarstellende Funktion
emotionsauslösend
Abbildung 28: Klassifikation visueller, nonverbaler, emotionaler Kommunikation
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
425
Abbildung 28 zeigt auf Basis der oben getroffenen Klassifizierung Ausprägungen visuellnonverbaler, emotionaler Kommunikationselemente. Unter die Personen-Kommunikation fallen sowohl Einzelpersonendarstellungen wie auch die Abbildung mehrerer interagierender Personen. Mittels dieser Darstellungsform lassen sich aufgrund verschiedener Merkmale des Ausdrucksverhaltens Verhaltenskontexte (z.B. mittels Mimik und Gestik) und statische Situationskontexte (z.B. mittels Interaktion) umsetzen. Störeinflüsse auf die Emotionswahrnehmung können sich aufgrund jener Personenmerkmale ergeben, die nicht durch das Verhalten bestimmt werden (z.B. äußeres Erscheinungsbild). Diese gilt es entsprechend zu kontrollieren. In der kombinierten Kommunikation wird der Situationskontext mittels Objektdarstellung erzeugt. Die Objekte können entweder emotionsauslösenden Charakter (bei der dargestellten Person) haben oder in das soziale Umfeld der Person eingebettet sein, wobei die dargestellten Gegenstände nicht nur den entsprechenden Kontext bilden, sondern auch Schemainkongruenz stiften und somit entsprechend dem Modell der Emotionswahrnehmung nach WALLBOTT (1990) ein emotionales Schema hemmen können. Bei Abbildungen ohne Personendarstellung wird in der Regel die emotionsauslösende Wirkung von Bildern verfolgt. Gegenstands- wie Tierabbildungen sind geeignet, beim Betrachter Emotionen auszulösen, „Symbol“-Tiere haben dagegen eine ausschließlich emotionsdarstellende Funktion und bewirken beim Betrachter nur dann eine Identifikation der Emotion, wenn deren symbolische Bedeutung bekannt ist. Der Einsatz solcher Stimuli unterliegt in der Regel nicht unwesentlicher individueller Einflussgrößen.
4.9 Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken Entsprechend den Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln, lassen sich die in Abbildung 8 dargestellten Modelle für emotionsauslösende und emotionsdarstellende visuelle Stimuli zu einem Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken erweitern. Abbildung 29 zeigt das Modell des Bildzuordnungsprozesses auf Marken und berücksichtigt sowohl emotionsauslösende als auch –darstellende Bildkomponenten, wobei Bild und Kontext vereinfachend als Einheit angenommen werden, sodass sich das Wahrnehmungsmodell von WALLBOTT (1990) bei emotionsdarstellenden Bildern in das Modell der Bildzuordnung implementieren lässt. Folgt man der Auffassung ZAJONCs (1980), so würde ein Reiz bereits unmittelbar nach der sensorischen Empfindung – also ab Vorliegen eines Netzhautbildes – eine Emotion auslösen (vgl. Kapitel 3.1.1). Unter Berufung auf kognitive Emotionstheorien wird aber angenommen, dass selbst emotionsauslösende Bilder einen mehr oder weniger intensiv ausgeprägten Bewertungsprozess durchlaufen müssen, ehe sie einer Marke zugeordnet werden können. Wesentliche Bedeutung kommt
426
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
dabei den präattentiven Prozessen zu, die automatisch und unbewusst ablaufen. Sie zeichnen einen globalen ersten Eindruck und beeinflussen wesentlich die weitere Verarbeitung (vgl. dazu auch Kapitel 4.2).
Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken Markenerlebnis
Bewertung
Bildreiz
empfundene Emotion
Zuordnung
Marke
Sensorische Empfindung „nachempfundene“ Emotion
Kontext Perzeptuelle Organisation
Logo
Abgleich Emotion Markenbild
Emotionsidentifikation
Reizdarbietung identifizierte Emotion
inneres Markenbild, Skript
Abbildung 29: Gesamtmodell der Bildzuordnung auf Marken
Bilder, die in der Lage sind, Emotionen beim Betrachter auszulösen, unterliegen einem Bewertungsprozess, wie er von Vertretern kognitiver Emotionstheorien postuliert wird (vgl. die Kapitel 3.1.2 und 3.1.3). Dabei ist anzunehmen, dass die Bewertung schnell und weitgehend unbewusst abläuft, wenn das Bild in der Lage ist, ein emotionales Schema eindeutig (das heißt ohne parallel vorhandene konkurrierende emotionale Schemata) anzusprechen. Denkbar ist ebenso, dass ein intensiverer Bewertungsprozess notwendig ist, um die Emotion bei der Auskunftsperson zu induzieren. Am Ende des Emotionsentstehungsprozesses steht bei rein emotionsauslösenden Bildreizen die vom Betrachter empfundene Emotion. Bei emotionsdarstellenden Bildern hängt der Identifikationserfolg davon ab, wie gut sich das Bild in ein vorhandenes Schema einfügt. Ziel ist es, die im Bild visualisierte Emotion als solche zu erkennen. Dabei beeinflussen sämtliche im Rahmen des Wahrnehmungsprozesses diskutierten Faktoren das Resultat. Diese betreffen nicht nur mögliche Fehlinterpretationen aufgrund ambivalenter Schemata sondern auch die Fokussierung der Wahrnehmung auf aus Sicht des Forschungsziels irrelevante Bilddetails. Besondere Bedeutung kommt dem Kontext
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
427
zu, der je nach dem, ob er schemakonsistent oder schemainkonsistent vorliegt, positiv oder hemmend auf die Aktivierung eines emotionalen Schemas wirken kann. In Kapitel 3.2 wurde gezeigt, dass sämtliche im gegenständlichen Projekt dargebotene Bilder Mischformen aus emotionsauslösenden und emotionsdarstellenden Bildern sind, die sich entlang eines Kontinuums einordnen lassen (vgl. Abbildung 9). Es ist wird daher davon ausgegangen, dass beide Pfade im oben dargestellten Modell simultan und in Beziehung zueinander aktiviert werden. Das Zusammenwirken beider Modellkomponenten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bild hinsichtlich seiner Vorgabe richtig interpretiert wird. Ein die Emotion „Freude“ darstellender Stimulus wird umso stärker die von IZARD (1994) postulierte rezeptive Emotionsqualität auslösen, wenn das Bild selbst als angenehm und heiter, die im Bild dargestellte Person subjektiv als sympathisch gesehen wird. Ebenso verstärkt sich die Wirkung einer im Bild visualisierten traurigen Person, wenn es gelingt, einen Teil dieses Gefühls auf die Auskunftsperson zu übertragen. Nicht alle Emotionen sind gleich gut zur rezeptiven Auslösung geeignet. Das Beispiel der im Zusammenhang mit Marken relevanten Emotion „Stolz“ zeigt etwa, dass es mittels Bildern nicht immer möglich ist, die entsprechende Emotionsqualität auszulösen. Umso wichtiger ist es bei solchen Bildern daher, den visuellen Reiz so zu gestalten bzw. zu präsentieren, dass aus dem im Stimulus dargestellten situativen Kontext die jeweilige Emotion eindeutig entnommen werden kann. Es lässt sich vermuten, dass Kontextinformationen eine umso größere Bedeutung zukommt, je weniger emotionsauslösende Wirkung ein Reiz entfalten kann und je geringer die Wechselwirkungen zwischen der ausgelösten und der perzipierten Emotion sind. Der Kontext gibt Aufschluss über die Ursache des im Bild dargestellten Verhaltens, wobei die Bereitstellung des Kontextes – wie gezeigt wurde – bildintern wie mittels externem Reiz umgesetzt werden kann. Somit steht am Ende des gesamten Wahrnehmungsprozesses die von der Auskunftsperson perzipierte Emotion. Insgesamt kann angenommen werden, dass die Emotion in drei verschiedenen „Erlebnisstufen“ mit unterschiedlicher Ich-Beteiligung vorliegt (vgl. Abbildung 30): x Die durch den Reiz unmittelbar ausgelöste („empfundene“) Emotion: Die Versuchsperson empfindet die durch den Stimulus verursachte Emotion tatsächlich in mehr oder weniger stark ausgeprägter Intensität, die Ich-Beteiligung ist bei dieser Art von Bildern am höchsten. Als Beispiele lassen sich Bilder der Emotionen „Furcht“ und „Ekel“ nennen, wo Bildinhalte gefunden werden konnten, die weitgehend unabhängig von interindividuellen Differenzen emotionsauslösend wirken. Es hat sich jedoch gezeigt, dass zu sehr abstoßende Bilder ihre Wirkung im Hinblick auf die Markenzuordnung verfehlen. x Die von der Versuchsperson nachempfundene Emotion: Der Reiz hat zwar keine originäre emotionsauslösende Wirkung, doch gelingt es mittels dem Prinzip der
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
emotionalen Ansteckung und entsprechender Emotionsidentifikation, dass der Betrachter in der Lage ist, sich in die emotionale Situation hineinzuversetzen und die Emotion mehr oder weniger „nachempfindet“. Im Vergleich zur unmittelbaren Emotionsauslösung bedarf es in diesem Fall einer wesentlich stärkeren Beteiligung kognitiver Prozesse, die bis zur bewussten Analyse des Stimulus reichen können. Die schon mehrmals angesprochenen Bildreize der Emotionen „Liebe“ oder „Freude“ fallen in diese Kategorie. x Die vom Betrachter identifizierte Emotion: Hier ist die Ich-Beteiligung der Versuchsperson am geringsten, indem bei Betrachtung des Reizes keine emotionale Empfindung auftritt. Es geht ausschließlich um das Erkennen der im Bild dargestellten Emotion, entweder in Form einer Szene oder eines Symbols (etwa ein Pfau oder Adler als Symbol für Stolz).
Ich-Beteiligung der Emotionswahrnehmung Emotionsauslösung
Emotionsnachempfindung
Emotionsidentifizierung
Stimuli aus dem Bilderpool für Studie III
Abbildung 30: Beispiele unterschiedlicher Ich-Beteiligung der Emotionswahrnehmung
Zur Zuordnung der Emotion auf die Marke ist ein weiterer kognitiver Schritt notwendig, der mehr oder weniger intensiv ausfallen kann. Grundsätzlich wird die Zuordnung über die Aktivierung von Markenschemata oder Skripts ablaufen. Markenschemata sind (entsprechend der oben getroffenen Definition für Schemata) Sachverhalte, die in verallgemeinerter Form als semantisches Netzwerk im Gedächtnis gespeichert sind und die relevanten Bestimmungsstücke einer Situation zusammen mit den zwischen ihnen bestehenden Relationen beinhalten (RUGE 2001, S. 171). Skripts lassen sich nach MARKUS und
Der Prozess der visuellen Wahrnehmung
429
ZAJONC (1985) als konzeptuelle Strukturen verstehen, welche Rollen, Objekte, Rahmenbedingungen und Schlussfolgerungen eines mehr oder weniger schablonenhaften Ereignisses beinhalten (MARKUS und ZAJONC 1985, S. 148). KROEBER-RIEL und WEINBERG (2003) bezeichnen Skripts vereinfacht als Schemata, die sich auf Ereignisse beziehen (KROEBER-RIEL und WEINBERG 2003, S. 234). Die Unterschiede liegen im zeitlichen Bezug von Skripts, indem sie sich – im Gegensatz zu Schemata – auf Ereignisabläufe beziehen (MARKUS und ZAJONC 1985, S. 148). Wie Schemata lassen Skripts Schlüsse auf im Reiz nicht explizit vorhandene Aspekte zu (RUMELHART und NORMAN 1988, S. 539). Der Zuordnungsprozess kann unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Einerseits ist denkbar, dass die im Bildreiz implementierte Emotion ein konkretes „Markenerlebnis“ (das in Form eines Markenschemas oder –skripts gespeichert ist) anspricht und eine mehr oder weniger direkte Zuordnung der Emotion auf die Marke erlaubt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Bild emotionsauslösenden Charakter besitzt oder der Betrachter die emotionale Situation nachempfindet und ein mit der Marke manifestiertes Ereignis (bzw. Erlebnis) vorliegt. Andererseits können durch die Vorlage des Markenlogos innere Bilder bzw. Skripts, die mit der Marke verbunden sind, angesprochen werden, die dann hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der wahrgenommenen Emotion überprüft werden. Liegt Konsonanz zwischen Emotion und innerem Markenbild vor, wird der Reiz der Marke zugeordnet. Folgt man der Emotionswahrnehmung kann angenommen werden, dass bei diffuser oder mehrdeutiger Emotionsbildung auch die Zuordnung des Reizes auf die Marke kritisch zu betrachten ist. Wie noch zu zeigen ist, liegt die größte Schwierigkeit des gesamten Zuordnungsprozesses vor allem darin, dass die Bilder nur aufgrund ihres implizierten emotionalen Gehaltes und nicht hinsichtlich sachhaltiger Kriterien zugeordnet werden. Auf sämtliche im Zusammenhang mit der Bildauswahl bzw. –gestaltung und Bildpräsentation relevante Kriterien soll im anschließenden Kapitel hingewiesen werden.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
5 Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation 5.1 Grundsätzliche Überlegungen Die Ausführungen der vorangegangenen Kapitel lassen eine Reihe von Konsequenzen für die Auswahl und Gestaltung von visuellen Stimuli im Allgemeinen (etwa im Rahmen einer Nonverbalen Imagemessung) und für das gegenständliche Forschungsprojekt der computergestützten Emotionsmessung im Speziellen erkennen. Für die Einsatztauglichkeit im Erhebungstool muss ein Bild folgende Grundvoraussetzungen erfüllen: x Das Bild muss in der Lage sein, unabhängig von der jeweiligen Bildumgebung die beabsichtigte Emotion zu kommunizieren. Das heißt, die Interpretation durch den Bildbetrachter sollte idealer Weise auch ohne spezifische externe Kontexteinflüsse möglich sein. x Das bedeutet ferner, dass die Marke, auf welche die im Bild implizierte Emotion zugeordnet werden soll, keinerlei Einfluss auf die Emotionswahrnehmung ausüben darf. Die Aktivierung des jeweiligen emotionalen Schemas muss aufgrund des Bildreizes erfolgen und darf durch die Marke nicht gestört oder geleitet werden. x Es muss gewährleistet sein, dass ein Bild keine ambivalenten Interpretationen zulässt, also nicht zwei oder mehrere konkurrierende Schemata anspricht. Das Ergebnis der Bildinterpretation soll eine konkrete von der Auskunftsperson (im weiteren Sinne) wahrgenommene Emotionsqualität sein. x Ein Bild muss von verschiedenen Betrachtern in gleicher Weise interpretiert werden. Interindividuelle Differenzen hinsichtlich der Emotionswahrnehmung müssen weitestgehend vermieden werden. Insgesamt müssen sämtliche Stufen des Wahrnehmungsprozesses betrachtet werden, um die erforderlichen Konsequenzen für die Bildauswahl, -gestaltung und –präsentation abzuleiten. Ausgehend von den allgemeinen Überlegungen zum Einsatz von Bildern zur Emotionsmessung, lässt sich eine Reihe von Maßnahmen für die Auswahl, Gestaltung (bzw. Adaptierung) und Präsentation von Bildreizen nennen, die in den anschließenden Kapiteln diskutiert werden sollen. Grundsätzlich wird zwischen Maßnahmen, die das Bild selbst betreffen, und Ableitungen für die Stimuluspräsentation bzw. das Präsentationsumfeld unterschieden.
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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5.2 Kriterien für Bildauswahl und Bildgestaltung Grundsätzlich fordern FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) eine „realitätsnahe“ Reizgestaltung bei emotionsdarstellenden Bildern. Sie kritisieren insbesondere „gestellte“ Aufnahmen von Gesichtsausdrücken, indem diese nicht den im täglichen Leben auftretenden emotionalen Situationen entsprechen und verlangen die visuelle Umsetzung von Situationsdarstellungen, die den Rahmen für das emotionale Ausdrucksverhalten der implizierten Person(en) vorgeben (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 292). 5.2.1
Globale Bildmerkmale
Die visuelle Identifikation eines Objektes ist ein Prozess, in dessen Verlauf die von einem Objekt ausgehenden visuellen Wirkungen kontinuierlich für eine Spezifizierung der begrifflichen Identität des Objektes genutzt werden (HOFFMANN 1994, S. 405). Die frühe (präattentive) Stufe der visuellen Wahrnehmung ist durch das Vorherrschen globaler Merkmale gekennzeichnet (vgl. Kapitel 4.2). Während die Identifikation eines lokalen Details in der Regel seine Fixation erfordert, können globale Merkmale vermutlich zumeist ohne spezifische Fixation erfasst werden (HOFFMANN 1994, S. 403). Bei Betrachtung eines komplexen Bildes, beruht die Identifikation einer Szene nicht primär auf der Identifikation szenenspezifischer Objekte, es kann vermutet werden, dass zunächst globale Bildmerkmale die Wahrnehmung bestimmen, die durch die Anordnung der Objekte zueinander ebenso wie durch Hintergrundreize determiniert werden (HOFFMANN 1994, S. 428). Dies unterstreicht die Bedeutung der Gestaltgesetze ebenso, wie GIBSONs (1973) Ansätze zur direkten Wahrnehmung von Tiefe. Die in Kapitel 4.4 beschriebenen Organisationsprozesse lassen eine Reihe von Maßnahmen erkennen, die Parallelitäten zur Gestaltung von Werbesujets zeigen. Die Forderung KROEBER-RIELs (1996), Bilder so zu gestalten, um den Blick vorrangig auf die für die Werbebotschaft wesentlichen Elemente zu lenken (KROEBER-RIEL 1996, S. 115), gilt – entsprechend modifiziert – auch hier: Der Bildreiz muss so gestaltet sein, dass er die Wahrnehmung auf die Schlüsselattribute der zu kommunizierenden Emotion lenkt. Entsprechend der in Kapitel 4.4.2 Gestaltgesetze lassen sich daher folgende Maßnahmen für emotionale Bildreize ableiten: x Die Figuren sollen prägnant im Sinne der Gestaltgesetze sein, insbesondere sollen sich die Schlüsselattribute vom Hintergrund entsprechend abheben, das heißt. hinreichend kontrastiert sein.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Daraus ergibt sich die Forderung nach möglichst ausgeprägter Figur-GrundDifferenzierung. Die Figuren sollten klar umrissen, die Hintergrundfläche, was Farben und Oberflächenstrukturen betrifft, möglichst homogen sein. x Die Schlüsselattribute sollen möglichst einfach und in sich geschlossen sein, das heißt keine Unterbrechungen oder Verdeckungen aufweisen. PALMER (1978) betont zusätzlich die Bedeutung der Farbe als globale Eigenschaft (PALMER 1978, S. 297, siehe auch Kapitel 4.4.3). Bei der Identifikation der Bildreize im Hinblick auf die in ihnen implizierten Emotionen spielen Farben für die ersten Anmutungen eine wichtige Rolle. Farbassoziationen tragen – wie bereits dargelegt – zum Bildeindruck entscheidend bei (KROEBER-RIEL 1996, S. 144) und können (neben anderen globalen Merkmalen) „Schemawegweiser“ sein, die wesentlichen Einfluss darauf ausüben, ob bzw. wie schnell das beabsichtigte Schema angesprochen wird. Farben haben vielfach eine stark schematische Wirkung, gegen die bei der Gestaltung eines Bildes nicht verstoßen werden kann, ohne dessen Verständnis zu gefährden. HELLER (2000) fordert deshalb eine „verständnisgerechte“ Farbgebung (HELLER 2000, S. 42). MAAS (1996) teilt die Auffassung, dass farbige fotorealistische Bilder (mittlerer Komplexität) die bessere Darstellungsform – im Vergleich zu Piktogrammen oder schablonenhaften Zeichnungen, aber auch Schwarzweißfotos – sind, um emotionale Schemata anzusprechen (MAAS 1996, S. 24). BRODIE et al. (1992) stellen empirisch fest, dass farbige fotorealistische Bilder signifikant schneller erkannt werden als Piktogramme („line drawings“). Zwischen Farbfotos und Schwarzweißfotos ergaben sich in den Untersuchungen allerdings keine signifikanten Unterschiede (BRODIE, WALLACE and SHARRAT 1992, S. 530; Anmerkung: BRODIE et al. (1992) setzen in ihrer Studie nur Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens – wie Tasse, Gitarre, Lampe oder Telefon – als Stimulusmaterial ein), wogegen in anderen Studien (z.B. OSTERGAARD und DAVIDOFF 1985) sehr wohl Vorteile von Farb- gegenüber Schwarzweißfotos festgestellt werden können. Dies lässt in Anlehnung an MAAS (1996) den Schluss zu, dass Farbfotos dann überlegen sind, wenn die Farbe einen wesentlichen Beitrag für die Interpretation des Bildes liefert (MAAS 1996, S. 24). Im Falle der Aktivierung emotionaler Schemata mittels fotografischer Bilder kommt diesem Aspekt insofern Bedeutung zu, als Farben bei manchen Emotionen einen wichtigen Hinweisreiz darstellen (wie z.B. die bereits angesprochene Rötung des Gesichtes bei Ärger). 5.2.2
Schemakongruenz von Bildelementen
Wie bereits gezeigt wurde, sind globale Merkmale entscheidend für den ersten Eindruck und bestimmen wesentlich Geschwindigkeit und Richtung der Schemaaktivierung. Schemakongruente Bildreize werden besonders schnell, schemainkongruente langsamer verarbeitet. Schemakongruent ist ein Bild global gesehen dann, wenn es ein Schema anspricht und dabei entweder ausschließlich schemakongruente oder schemakongruente zusammen mit
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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zum Teil neutralen Bildelementen enthält. Kongruente Details sind entsprechend Informationen, die das aktivierte Schema – also das durch die übrigen Bilddetails angesprochene Schema – treffen und selbst wiederum auch im Detail dem Schema nicht widersprechen. (MAAS 1996, S. 101, vgl. Kapitel 4.7.5) In der Bilddarstellung vermieden werden sollen daher unerwartete Details, die zur Wahrnehmung von Inkongruenz führen können. Diese Forderung steht im Widerspruch zu der in der Werbung geforderten Forcierung der gedanklichen Auseinandersetzung mit Bildreizen mittels schemainkongruenter Details. Schemainkongruente Details verursachen eine – in der Werbung erwünschte – intensivere Beschäftigung mit dem Bild und damit höhere Behaltensleistungen gegenüber schemakongruenten Reizen (vgl. z.B. KROEBERRIEL 1996, S. 66). Im Sinne der Emotionsmessung sind solche Details jedoch unerwünscht. Relevant ist nicht die Behaltensleistung sondern die möglichst rasche und präzise Aktivierung des entsprechenden emotionalen Schemas. Vermieden werden sollen deshalb x Bildelemente, die zwar schemarelevant sind, aber im Detail dem Schema wiedersprechen (z.B. die in Abbildung 19 als Schwarz-Weiß-Bild dargestellte Frau hat blaue Lippen), x fehlende, durch das aktivierte Schema jedoch unbedingt erwartete Details (z.B. wesentliche emotionstypische Gesichtsausschnitte sind nicht dargestellt), x Details, welche die Auslösung des durch die übrigen Informationen aktivierten Schemas dadurch hemmen, dass eine globale Interpretation aller Einzelinformationen durch ein bestimmtes Schema nicht möglich ist (z.B. Person mit aggressiver Körpersprache, zusammengezogenen Augenbrauen, jedoch einem freundlichen Lächeln; im Hintergrund einer weinenden Person ist eine fröhliche Person erkennbar). x Ferner müssen solche Bildelemente vermieden werden, die so dominant sind, dass sie die Wirkung von Körpersprache und Mimik übertreffen und die Aktivierung des emotionalen Schemas hemmen oder andere konkurrierende Schemata auslösen. So sind etwa das Erscheinungsbild und die Kleidung einer Person, deren Interaktionen, sowie Objekte in deren Umfeld an der Schemaaktivierung beteiligt, wie die für das emotionale Schema relevanten Bilddetails (z.B. das Bild einer Person wird deshalb auf eine Bekleidungsmarke zugeordnet, weil die Kleidung dem Sortiment der Marke entspricht). Im Zusammenhang mit dem soeben genannten Punkt ist wesentlich, dass die im visuellen Reiz implizierte Emotion aufgrund des in Abbildung 29 dargestellten Prozesses der vorgelegten Marke zugeordnet wird. Aktiviert ein Bild anstatt des emotionalen Schemas direkt ein konkretes Markenschema, so muss es entsprechend dem Postulat der Markenunabhängigkeit verworfen werden.
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5.2.3
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Bildkomplexität und innerer Kontext des Bildes
Die vollständige Umsetzung der oben geforderten Maßnahmen für die Bildgestaltung bringt zwangsläufig eine Reduktion des Bildinhaltes mit sich. Die Verwendung solcher reduzierter Bilder – dazu zählen auch Piktogramme oder Strichzeichnungen – stehen jedoch im Widerspruch zu der für die Bedeutungszuweisung erforderlichen und von PALMER (1978) argumentierten Bildkomplexität (vgl. Kapitel 4.7.6.3). Ferner belegen die bereits zitierten Studien von BEHRENS (1982) und KONERT (1986), dass Piktogramme emotionaler Gesichtsausdrücke nur unzureichend in der Lage sind, sämtliche von THYRI (2003) als markenrelevant beschriebenen Emotionsqualitäten eindeutig zu kommunizieren und dass selbst bei Mimiken zum Teil erhebliche Streuungen beobachtet wurden. Durch eine Erhöhung der Bildkomplexität und einer Steigerung des Detailreichtums soll – entsprechend den Ausführungen von SPOEHR und LEHMKUHLE (1982) – eine positive Wirkung auf den Wahrnehmungsprozess erzielt werden (vgl. dazu SPOEHR und LEHMKUHLE 1982, S. 178ff). Je nach Emotionsqualität lassen sich Maßnahmen ableiten, welche die Komplexität und den inneren Kontext des Bildes erhöhen und die Schemaaktivierung präzisieren sollen, indem sie Aspekte des statischen Verhaltens- und Situationskontextes berücksichtigen: x Schaffung eines Verhaltenskontextes mittels Darstellung von Mimik und Gestik: Emotionstypische Gestiken bzw. Körperreaktionen unterstreichen den Gesichtsausdruck und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer eindeutigen Schemaaktivierung insbesondere dort, wo verschiedene Emotionen sich in ähnlichen Mimiken ausdrücken (z.B. Ärger – geballte Faust, Enttäuschung – auf beide Hände gestützter Kopf, Erfolg – in die Höhe gerissene Arme, Trauer – Tränen). x Schaffung eines Situationskontextes mittels dargestellter Interaktion mit dem emotionsauslösenden Objekt: Objekte werden in Beziehung zur dargestellten Person gesetzt und ermöglichen dem Betrachter das Nachvollziehen der in der Szenerie implizierten Emotion (z.B. Überraschung – Person mit Geschenk, Stolz – Person in Beziehung mit dem für sie stolzauslösenden Objekt, Begehren – Person gemeinsam mit dem von ihr begehrten Objekt) x Verknüpfung von Verhaltens- und Situationskontext mittels Darstellung zwischenmenschlicher Interaktionen, die zusammen mit Gesichtsausdruck und Körperhaltung die Emotion spezifiziert (z.B. Liebe, Vertrauen) Ziel einer Komplexitätssteigerung ist die Beeinflussung der Selektionsfunktion eines Schemas. Angestrebt werden soll eine mittlere Bildkomplexität, die sich positiv auf die Schema-Selektionsfunktion und somit auf den Wahrnehmungsprozess auswirkt. Eine zu hohe Komplexität beeinträchtigt die Selektionsfunktion, was bedeuten kann, dass nicht nur
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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schemarelevante Einzelinformationen ausgewählt werden, sondern auch Details, die für das angesprochene Schema von geringerer Relevanz sind (z.B. unwesentliche Details). Ist die Selektionsfunktion stark beeinträchtigt, so werden mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentliche Bilddetails nicht mehr sicher selektiert. Diese Beeinträchtigung der Selektionsfunktion eines Schemas zeigt sich in einer Beeinträchtigung der Wahrnehmung. (vgl. dazu auch MAAS 1996, S. 59) 5.2.4
Zusammengefasste Anforderungen an Bilder zur Emotionsmessung
Zusammenfassend können als Maßnahmen für die Bildgestaltung genannt werden: x Verwendung prägnanter Schlüsselreize im Sinne einfacher, gut strukturierter und kontrastreicher Bildinhalte, x farbliche Unterstützung, wo Farben mit konkreten Emotionen assoziiert werden, x Vermeidung von Bilddetails, die das zu aktivierende Schema hemmen bzw. konkurrierende Schemata auslösen können, x Schaffung einer für die Identifikation der Emotion notwendigen Komplexität des Bildes und somit der x Implementierung eines Kontextes, der sich konsonant zu dargestellten Personencues verhält.
5.3 Kriterien für die Bildpräsentation In vielen Studien sowohl zur Messung von Emotionen – wie z.B. IZARD (1971), EKMAN und FRIESEN (1975), BEHRENS (1982), KONERT (1986) – als auch zur nonverbalen Imagemessung wurde der Fokus meist ausschließlich auf den Bildinhalt gerichtet, während die Art der Stimulusdarbietung und das Präsentationsumfeld unberücksichtigt blieben. Nach den bildgestalterischen Maßnahmen, die im vorangegangenen Kapitel diskutiert wurden, sollen deshalb nun jene Kriterien beleuchtet werden, welche die Darbietung des Reizes betreffen. Neben der Darbietungsdauer sind dies in erster Linie Faktoren, die versuchen, das Bild in einem spezifischen Kontext zu präsentieren und die Emotionswahrnehmung zu steuern. 5.3.1
Darbietungsdauer der Bildreize
Wie NEISSER (1979) ausführt, ist die Wahrnehmungsgeschichte jedes Individuums einzigartig (NEISSER 1979, S. 146, vgl. dazu auch Kapitel 4.7.6). Die zur Identifikation der im Bild implizierten Emotion erforderliche Darbietungsdauer unterliegt wie bereits dargelegt
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
interindividuellen Differenzen. So benötigen verschiedene Betrachter eine unterschiedliche Anzahl an Fixationen, um ein und das selbe Bild zu erfassen. Selbst die Summe der Fixationen kann noch keinen Aufschluss über die Vollständigkeit der Verarbeitung geben, da die Gesamtdauer auf vielen kurzen, wenigen langen oder mehrmaligen Fixationen beruhen kann (LEVEN 1986, S. 164). Welche Bildelemente verstärkt fixiert werden, hängt von der subjektiven Attraktivität des Bilddetails ab (LEVEN 1986, S. 166). Zusätzlich beeinflussen Erwartungen entsprechend der Hypothese von FRIEDMAN (1979) die Fixationsdauer von Bildelementen (FRIEDMAN 1979, S. 316), wobei sich eine gewisse Steuerung durch die Aufgabenstellung erreichen lässt (LEVEN 1986, S. 166). Grundsätzlich scheinen aufgrund der reizbedingten und personenbezogenen Einflussfaktoren auf den Wahrnehmungsprozess weder generelle noch stimulusspezifische Darbietungszeiten sinnvoll. Einerseits muss die Darbietungsdauer lange genug sein, um dem Betrachter ausreichende Fixationen der relevanten Bilddetails zu ermöglichen, andererseits besteht bei zu langer Präsentationsdauer die Gefahr, dass eine Verwässerung des ersten Eindrucks auftritt und dass aktivierte Schemata aufgrund neu entdeckter und interpretierter Bilddetails modifiziert werden. Auf Basis der von verschiedenen Autoren in der Wahrnehmungsliteratur ermittelten mittleren Fixationsdauer lässt sich (unter Berücksichtigung der Sakkaden und den in Kapitel 4.3 genannten Einflussfaktoren) die Betrachtungsdauer in Abhängigkeit der Bildkomplexität ermitteln. Dies erlaubt eine, je nach determinierter innerer Reizstruktur und – komplexität gestaffelte, differenzierte Betrachtungsdauer verschiedener Bildtypen, wobei Bilder mit geringer Bildkomplexität entsprechend kürzer, solche mit hoher Komplexität länger dargeboten werden. 5.3.2
Verbale Instruktionen
Verbale Instruktionen sollen einem zielgerichteten Wahrnehmungsprozess dienlich sein, indem sie das Bild in einem bestimmten Kontext erscheinen lassen. Sie scheinen insbesondere geeignet, die Wahrnehmung emotionaler Schemata (anstatt konkurrierender Sachschemata) zu unterstützen. In Anlehnung an einen auf instruktionale Bilder bezogenen Beitrag von FLEMMING (1980) lassen sprachliche Anweisungen Komplexes verständlicher, Neues vertrauter, Ungewisses konkreter und Dissonantes bedeutsamer erscheinen (FLEMMING 1980, S. 324). WEIDENMANN (1994) weist unter Berufung auf eine Studie von DEAN und KULHAVY (1981) darauf hin, dass eine Wahrnehmungssteuerung durch pauschale Aufforderungen, Bilder aufmerksam zu rezipieren, wenig effektiv ist und es wirkungsvoller scheint, dem Betrachter konkrete Aufgaben zu stellen, die zu einer entsprechenden Auseinandersetzung mit dem Bild anregen (WEIDENMANN 1994, S. 34). Im Zusammenhang mit der Präsentation emotionaler Bildreize sprechen zahlreiche Argumente (vgl. dazu auch Kapitel 4.7.6.3) dafür, die Auskunftsperson von ihrer Aufgabe in Kenntnis zu setzen und ihr darüber hinaus konkrete Anleitungen zur Bildwahrnehmung im Hinblick auf die enthaltenen Emotionen anzubieten. Sprachliche Instruktionen sollen
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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verhindern, dass Bilder aufgrund konkurrierender (Sach-)Schemata (z.B. Erscheinungsbild, Kleidung, soziales Umfeld, Objektnutzung) einer Marke zugeordnet werden. 5.3.3
Priming
Mittels Priming soll insbesondere der Gefahr ambivalenter Schemata entgegen gewirkt werden, indem der Verarbeitungsprozess aufgrund der Voraktivierung gesteuert wird. Der Prime soll den von FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) geforderten Kontext im Zusammenhang mit der Präsentation eines visuellen Stimulus liefern, die Aktivierung des Schemas soll dadurch schneller und exakter stattfinden. Die Darbietung des Prime muss so erfolgen, dass er vom Betrachter nicht als absichtliche Beeinflussung wahrgenommen wird. Vielmehr sollen Prime und Zielreiz vom Rezipienten als Einheit verstanden werden, um eine gemeinsame Enkodierung von Prime und Stimulus zu erreichen. Die Darbietung soll also entsprechend der Forderung von FISKE und TAYLOR (1991) in einem engen zeitlichen Fenster erfolgen (FISKE und TAYLOR 1991, S. 262), wobei der Prime den Kontext liefert, ohne die Wirkung des nachfolgenden Bildes zu beeinträchtigen. In Kapitel 4.7.6.3.4 wurde auf die Notwendigkeit der semantischen Nähe zwischen Prime und Zielreiz hingewiesen. Aus dieser Forderung und den Erkenntnissen von FERNÀNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) lässt sich schließen, dass verbales Priming den stärksten Effekt erzielt. Verbales Priming entspricht einerseits dem Postulat, den erforderlichen Kontext zu liefern, andererseits lässt sich die ebenfalls notwendige semantische Ähnlichkeit herstellen. Beim Einsatz bildhafter Primes würden sich ähnliche Probleme hinsichtlich eindeutiger Schemaaktivierung ergeben, wie bei den Zielbildern selbst. Grundsätzlich sind für die Präsentation der Bildreize sowohl Recency Effekte als auch Frequency Effekte relevant. Während mittels unmittelbar vorangegangener Verbalprimes Recency Effekte zum Tragen kommen, lassen sich Frequency Effekte im Darbietungsmodus (siehe anschließendes Kapitel) berücksichtigen. Um die Wirkung von Primingeffekten im Hinblick auf die Wahrnehmung der dem Projekt zugrundeliegenden Bildreize und in weiterer Folge auf die Zuordnung zu Marken zu untersuchen, sollen die entsprechenden Darbietungsmodalitäten in einem Experimentaldesign implementiert werden (vgl. Kapitel 7.3). 5.3.4
Darbietungsmodus
Die in Kapitel 5.2.3 in Anlehnung an DIETERLE (1992) genannten Kritikpunkte beim Einsatz von Mimiken – im Hinblick auf ihre Varianz innerhalb einer Emotion – lassen sich auf sämtliche Visualisierungen umlegen: Eine Emotionsqualität lässt sich mittels einer Vielzahl verschiedener Situationen auslösen bzw. darstellen. Der Begriff „Situationen“ ist dabei sehr allgemein gefasst und meint alle möglichen Bildinhalte wie Mimiken, Gegenstände, Tiere oder Szenen.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
In Anlehnung an FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997), die zur Auffassung gelangen, dass sich eine Emotion kaum mittels einem einzigen Gesichtsausdruck bzw. einer Situation ausdrücken lässt (FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL 1997, S. 292), scheint es sinnvoll, eine Emotion nicht nur mittels einem singulären Bild darzustellen, sondern dem Betrachter mehrere Varianten einer Emotionsqualität vorzulegen. Zusätzlich betont WALLBOTT (1990) die Bedeutung des dynamischen Kontextes insbesondere für die ökologische Validität der Reizdarbietung (WALLBOTT 1990, S. 18, vgl. Kapitel 4.7.6.3.1). Grundsätzlich stehen beim Einsatz ruhender Bilder zwei Präsentationsalternativen zur Verfügung, die diese Aspekte berücksichtigen: die sequenzielle Darbietung und die Darstellung als Bildkollage. Die Integration mehrerer visueller Reize zu einer Kollage ist hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte problematisch: x Fixiert werden vordergründig jene Bilddetails, die beim Betrachter die stärkste Aufmerksamkeit erregen. Da sich die in verschiedenen Bildern dargestellten Situationen hinsichtlich Farbe, Größe, Interaktion, Bewegung, Kontraste und Konturen unterscheiden, ziehen sie in differenziert ausgeprägtem Maße die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich (vgl. z.B. KROEBER-RIEL 1996, S. 58). Zieht ein Teilbild oder ein Element in einem Teilbild der Kollage die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, besteht die Gefahr, dass die übrigen Teilbilder unbeachtet bleiben und das Ziel, der Auskunftsperson mehrere Varianten einer Emotionsqualität darzubieten, scheitert. x Insgesamt lässt sich der Blickverlauf innerhalb einer Bildkollage nur schwer steuern. Es kann nicht gewährleistet werden, ob der Betrachter während der Darbietungsdauer sämtliche Bildinhalte fixiert (etwa aus den zuvor genannten Gründen) oder ob es bei einzelnen Elementen eines Teilbildes zu Mehrfachfixationen kommt (LEVEN 1986, S. 159). x Durch die Zusammensetzung mehrerer Bilder erhöht sich die innere Komplexität des „Gesamtbildes“ gegenüber den einzelnen Bildreizen und erschwert eine rasche Aktivierung des entsprechenden emotionalen Schemas. ESCH (1990) betont im Zusammenhang mit Anzeigen, dass eine zu hohe Komplexität die Wahrnehmung beeinträchtigt und zur Wahrnehmungsabwehr führen kann (ESCH 1990, S. 165) und unterstreicht die in Kapitel 5.2.3 diskutierte Beeinträchtigung der Selektionsfunktion von Schemata bei zu hoher Bildkomplexität. Für Bildkollagen, die hinsichtlich ihrer Größe so gestaltet sein müssen, dass sie mittels Laptopbildschirm präsentiert werden können, darf ähnliches vermutet werden. Die Problempunkte der Bildkollage lassen sich bei sequenzieller Reizdarbietung vermeiden. Für die Sequenz spricht ferner eine Erkenntnis der Studie von SPERBER et al. (1979), dass die Bildinterpretation leichter fällt, wenn dem entsprechenden Bild semantisch ähnliche Bildreize vorangehen (HUMPHREYS und BRUCE 1989, S. 100). Vorhandene Schemabilder
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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werden durch das aktuelle Wahrnehmungsbild aktiviert und mit diesem verglichen. Trifft ein neues Bild auf ein noch aktives Schema und bestätigt es im wesentlichen die vorhandenen Bildinformationen, so festigt sich das innere Bild, es wird klarer und deutlicher (Nutzbarmachung von Frequency Effekten). Werden dagegen nacheinander oder zeitgleich stark unterschiedliche Bilder aufgenommen, so überlagern sich die Bilder, es kommt zu diffusen, unspezifischen Gedächtnisbildern, die nicht mehr eindeutig einem Schema zugewiesen werden können (ESCH 1998, S. 81ff). Für die sequenzielle Darbietung lässt sich daher die Forderung erheben, dass die in ihr enthaltenen Bildreize in der Lage sein müssen, jeweils das selbe emotionale Schema zu aktivieren, wenngleich der dargestellte Inhalt entsprechend der Ausprägungen innerhalb einer Emotionsqualität variieren kann. Gelingt dies nicht, so besteht die Gefahr, dass die Sequenz ein unklares Bild hinterlässt und die Aktivierung eines emotionalen Schemas unmöglich macht. Das in Abbildung 27 vorgestellte Modell der Emotionswahrnehmung nach WALLBOTT (1990) lässt sich auch auf den Darbietungsmodus übertragen. Es ist entsprechend der Fuzzy Logic von MASSARO (1987) anzunehmen, dass die Teilbilder der Sequenz Einzelbewertungen unterzogen werden, die auf ihre Übereinstimmung hin verglichen werden. Demnach ist das integrative Gesamturteil der Sequenz nur dann den Einzelurteilen überlegen, wenn sämtliche in der Liste enthaltene Bilder konsonante Emotionslisten generieren. Für die Erklärung, wie die Urteilsbildung zustande kommt, existieren zwei grundsätzliche Modellannahmen (vgl. dazu WALLBOTT 1990, S. 105). x Beim Additionsmodell wird angenommen, dass der Betrachter Informationen aus den verschiedenen Bildern additiv zusammenfasst, d. h. das Gesamturteil (insbesondere bei konsonanter Information) extremer als die eingehenden Einzelurteile ausfällt und unter Umständen einzelne Aspekte betont. x Beim Mittelungsmodell wird davon ausgegangen, dass aus den unterschiedlichen Reizinformationen eine kognitive „Mittelwertbildung“ erfolgt und damit das Gesamturteil (besonders bei diskrepanter Information) eher nivelliert wird und grundsätzlich weniger extrem als die Einzelurteile ausfällt. In Anlehnung an WALLBOTT (1990) und den Erkenntnissen aus der Schematheorie scheint es allerdings zweifelhaft, ob die Kombination der Informationen aus den Teilbildern linear erfolgt. Nach der Schematheorie bleiben die Einzelinformationen nicht erhalten, sondern werden bei Einführung neuer Information uminterpretiert und (insbesondere wenn das neue Bild das vorhandene Schema nicht genau trifft) verändert. Demnach können die verschiedenen Teilbilder mit unterschiedlichen Gewichten versehen werden, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass Schemata die Wahrnehmung steuern und in den Folgebildern der Sequenz möglicherweise nur mehr Teilaspekte des Bildinhaltes aufgenommen werden.
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Insgesamt gibt es in der Literatur recht wenige Anhaltspunkte zur sequenziellen Bildpräsentation. Im Rahmen des vorliegenden Projektes soll diese Darbietungsform im Hinblick auf die Fähigkeit, Emotionen zu transportieren, näher untersucht werden und der üblicherweise angewandten Einzelbildpräsentation gegenübergestellt werden (vgl. Kapitel 7). 5.3.5
Zusammengefasste Erkenntnisse für die Reizdarbietung
x Wesentlich ist die Schaffung eines entsprechenden Kontextes, in dem die Bildreize wahrgenommen werden. Dieser Kontext kann entweder im Bild selbst umgesetzt sein oder (bzw. und zusätzlich) in der Reizumgebung erzeugt werden. Insbesondere sind dies - Konkrete verbale Instruktionen bezüglich der dem Rezipienten gestellten Aufgabe, - die Nutzung von Primingeffekten, wobei verbale Primes im Zusammenhang mit der Präsentation emotionaler Bildreize den stärksten Effekt (Recency Effekte) vermuten lassen, und - die sequenzielle Darbietung mehrerer Bildreize einer Emotionsqualität, sofern die Teilbilder der Sequenz in der Lage sind, ein und das selbe (emotionale) Schema zu aktivieren (Frequency Effekte). x Die Darbietungsdauer soll entsprechend der Bildkomplexität gestaffelt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die zur Erfassung der erforderlichen Bilddetails notwendigen Fixationen ausgeführt werden können. Über den optimalen Darbietungsmodus, die Nutzung von Primingeffekten und die Wirkung verbaler Instruktionen gibt die in Kapitel 7.3 vorgestellte empirische Studie Aufschluss. Dazu soll ein Experimentaldesign entwickelt werden, um Erkenntnisse über den Einfluss der Darbietung auf die Validität der Bildzuordnung auf Marken zu erhalten.
5.4 Darbietungsmodalitäten im Experimentaldesign Für die Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken sollen aufgrund der oben genannten Kriterien und den diskutierten Konsequenzen für die Reizpräsentation folgende Darbietungsalternativen in das zu entwickelnde Experimentaldesign eingebunden werden: x Darbietung einzelner Bildreize (Variante I): Es wird jeweils ein Bildreiz dargeboten. Die im Reiz implizierte Emotion soll von der Versuchsperson unmittelbar nach der Stimuluspräsentation auf eine bestimmte Marke zugeordnet werden.
Konsequenzen für Bildauswahl und Bildpräsentation
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x Darbietung einzelner verbal geprimter Bildreize (Variante II): Analog Variante I, vor der Darbietung des Bildreizes erfolgt aber eine kurzzeitige Präsentation der verbalisierten Emotionskategorie (in Form eines Wortprimes). x Darbietung von Bildsequenzen (Variante III): Drei Bilder (der selben Emotionsqualität) werden zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgend präsentiert. Im Anschluss erfolgt die Zuordnung der durch die Bildfolge vermittelte Emotion auf die gezeigte Marke. x Darbietung von verbal geprimten Bildsequenzen (Variante IV): Analog Variante III, vor der sequenziellen Darbietung erfolgt zusätzlich eine kurzzeitige Präsentation der Emotionskategorie (in Form eines Wortprimes wie in Variante II). Um das Vorhandensein von Bildüberlegenheitseffekten in der Emotionsmessung beurteilen zu können, wird zusätzlich eine rein verbale Darbietungsform berücksichtigt: x Darbietung einzelner Wortreize (Variante V): Die Methodik entspricht grundsätzlich jener in Variante I, anstatt der Einzelbilder wird je ein – der Emotionsqualität entsprechender – Wortreiz präsentiert. Die Integration der Darbietungsalternativen in das Experimentaldesign ist in Form unabhängiger Stichproben – und somit ohne Interaktionen zwischen den Varianten – vorgesehen. Auf deren erhebungstechnische Umsetzung wird in Kapitel 7 ausführlich eingegangen6.
6
In weiterer Folge wird im Text neben der ausformulierten Bezeichnung der Darbietungsmodalitäten auch nur deren Römische Endziffer verwendet (d. h. Variante I, II, III, IV bzw. V).
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
6 Forschungshypothesen Die oben diskutierten und theoretisch abgeleiteten Anforderungen für die Darbietung von Bildreizen im Rahmen der Messung von Emotionen gegenüber Marken sollen hinsichtlich ihrer Einsatztauglichkeit in der Markt- bzw. Markenforschung empirisch untersucht werden. Anknüpfend an die Erkenntnisse in Kapitel 5.3.5 wird folgende Kernhypothese formuliert: Die Validität der Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken variiert mit dem Präsentationsmodus der Stimuli. Aus der Kernhypothese zur Validität der Emotionsmessung lassen sich zwei Hypothesen ableiten, die zwei Aspekte der Validität – Messvalidität und Modellgüte – berücksichtigen. Eine weitere Hypothese untersucht den Einfluss von Instruktionen und das damit verbundene Ausmaß des Bildverstehens auf die Messvalidität alternativer Präsentationsmodalitäten.
6.1 Hypothese 1: Die Wirkungshypothese Hypothese 1:
Die alternativen Formen der Stimuluspräsentation unterscheiden sich hinsichtlich der Wirkung der reizvermittelten Emotionsqualität.
Die Wirkungshypothese behandelt die Messvalidität der in Kapitel 5.4 vorgestellten alternativen Darbietungsmodi und begründet sich in erster Linie durch die Erkenntnisse der Schematheorie, wonach die Verarbeitung visueller Reize vom Grad der Schemakongruenz (mit)bestimmt wird (vgl. dazu Kapitel 4.7.5). Enthält ein Bildreiz schemainkongruente Elemente, so kommt es zu Verständnisschwierigkeiten. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass anstelle des emotionalen Schemas ein konkurrierendes (emotionales oder Sach-)Schema angesprochen wird. Es ist daher zu erwarten, dass alternative Formen der Reizdarbietung die genannten Problempunkte unterschiedlich gut egalisieren können. Die Wirkung (und Richtung) der vermittelten Emotionsqualität wird durch die Beziehungsstärke zwischen der Emotion und einem zu entwickelnden Validierungskriterium operationalisiert. Die emotionale Wirkung einer Darbietungsmodalität gilt als umso stärker, je deutlicher sie die Beziehung zwischen der jeweiligen Emotion und dem Validitätskriterium herstellt. Bezüglich der Ableitung des Validitätskriteriums sei auf Kapitel 7.2.2 verwiesen, die Methodik zur Analyse der Beziehungsstärke ist in Kapitel 8.1 dargestellt. Gemäß der Wirkungshypothese lassen sich drei Subhypothesen für die verschiedenen Darbietungsmodalitäten formulieren:
Forschungshypothesen
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Hypothese 1.1: Werden Emotionen mittels zu Bildsequenzen gruppierten Stimuli vermittelt, so erreicht die Messung eine höhere emotionale Wirkung als bei einzeln präsentierten (und den Marken zugeordneten) Bildreizen. Die Hypothese begründet sich in der Vielfältigkeit emotionaler Darstellungsmöglichkeiten. Wie in Kapitel 5.3.4 diskutiert, lassen sich Emotionen kaum mittels eines einzelnen Gesichtsausdruckes bzw. einer einzigen Situation ausdrücken. Die Nutzbarmachung von Frequency Effekten festigt durch die wiederholte Aktivierung eines Schemas das innere Bild. Die in den Reizen implizierte Emotion bildet sich deutlicher aus, als bei Darbietung einzelner, isoliert zugeordneter Stimuli. Darüber hinaus betont WALLBOTT (1990) die Bedeutung des dynamischen Kontextes für die ökologische Validität der Reizdarbietung (vgl. Kapitel 4.7.6.3.1). Gleichzeitig muss aber bei der sequenziellen Darbietung auf die Gefahr ambivalenter Schemaaktivierungen durch die Einzelbildreize hingewiesen werden, die statt einem klaren inneren emotionalen Bild ein diffuses Konstrukt hinterlässt. Zu beachten gilt, dass bei Prüfung der Hypothese die Ceteris Paribus Bedingung erfüllt ist. Es dürfen somit nur jene Darbietungsvarianten einem Vergleich unterzogen werden, die unter sonst unveränderten Bedingungen präsentiert werden. Entsprechend der in Kapitel 5.4 enthaltenen Präsentationsformen bedeutet dies, dass die Hypothesenprüfung getrennt für die Varianten I und III (nicht geprimte Versionen) bzw. II und IV (geprimte Versionen) durchzuführen ist. Hypothese 1.2: Wird der Bilddarbietung ein kurzzeitig präsentierter Wortreiz (in Form der verbalisierten Emotionsqualität) vorangestellt, so erhöht dies die emotionale Wirkung der Messung im Vergleich zu den ungeprimten Bildpräsentationen. Im Rahmen der Diskussion von Kontexteinflüssen auf die Emotionswahrnehmung (vgl. Kapitel 4.7.6.3) wurde auf die Bedeutung von Kontextinformationen hingewiesen. Neben dem im Bildreiz implizierten Kontext lassen sich entsprechend der Ausführungen im genannten Kapitel Voraktivierungseffekte mittels Priming aufgrund von Recency Effekten erzielen. Mit der Bereitstellung eines externen Kontextes soll der Verarbeitungsprozess gesteuert und der Gefahr ambivalenter Schemata entgegengewirkt werden (siehe auch Kapitel 5.3.3). Um ausschließlich den durch das Priming entstehenden Effekt zu messen, ist die Prüfung der Hypothese getrennt für die Varianten I und II (Einzelbilddarbietungen) bzw. III und IV (Bildsequenzen) vorzunehmen. Hypothese 1.3: Die Darbietung von Wortreizen ist sämtlichen bildhaften Präsentationsformen hinsichtlich der emotionalen Wirkung der Messung unterlegen. Entsprechend dem in der Wahrnehmungsliteratur postulierten Bildüberlegenheitseffekt (vgl. Kapitel 2.3) ist ein Bild besser in der Lage, eine bestimmte Stimmung hervorzurufen, als ein
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
gedruckter Text. Bilder sind für GOMBRICH (1984) hinsichtlich ihrer Ausdrucksfähigkeit und Appellfunktion dem geschriebenen Wort überlegen, im Gegensatz zu verbalen Formulierungen können sie unmittelbar Emotionen auslösen.
6.2 Hypothese 2: Die Stabilitätshypothese Hypothese 2:
Alternative Formen der Stimuluspräsentation unterscheiden sich hinsichtlich der Stabilität der reizvermittelten Emotionsqualität.
Die Stabilitätshypothese befasst sich mit der Prognosevalidität der Darbietungsalternativen und meint die Generalisierbarkeit der Messergebnisse. Die oben geführte Argumentation hinsichtlich des Einflusses der Stimuluspräsentation auf die emotionale Wirkung der Reize gilt analog für die Stabilität der Messung. In den Bildreizen vorhandene, Schemainkongruenz stiftende Details verursachen verstärkt durch interindividuelle Differenzen im Wahrnehmungsprozess (vgl. Kapitel 4.7.3), fehlerhafte Zuordnungen der Reize auf Marken. Dementsprechend sind für die verschiedenen Formen der Reizdarbietung unterschiedliche Prognosefehler zu erwarten, die für jede Messmethode ermittelt und den alternativen Modellen gegenübergestellt werden (siehe zur Analyse der Messgüte ausführlich Kapitel 8.3). Analog zur Wirkungshypothese werden drei Subhypothesen untersucht: Hypothese 2.1: Werden Emotionen mittels zu Bildsequenzen gruppierten Stimuli vermittelt, so ist die Messung stabiler als bei einzeln präsentierten (und den Marken zugeordneten) Bildreizen. Die Begründung verläuft weitgehend parallel jener für Hypothese 1.1, die Prüfung hat wiederum getrennt nach den geprimten (III – IV) und nicht geprimten Varianten (I – II) zu erfolgen. Die Festigung eines emotionalen Schemas durch die sequenzielle Reizdarbietung verringert die interpersonelle Varianz der Stimulusinterpretation gegenüber der Darbietung singulärer Bilder. Es wird deshalb vermutet, dass der Prognosefehler bei der Messung der Emotionen im Zusammenhang mit Marken mittels Bildsequenzen geringer ist als bei Verwendung einzeln präsentierter Bildreize. Hypothese 2.2: Wird der Bilddarbietung ein kurzzeitig präsentierter Wortreiz (in Form der verbalisierten Emotionsqualität) vorangestellt, so erhöht dies die Stabilität der Messung im Vergleich zu den ungeprimten Bildpräsentationen. Der Argumentation für Hypothese 1.2 folgend, wirkt die Voraktivierung mittels Priming positiv auf die Güte der Messmethode. Durch die Bahnung der visuellen Wahrnehmung auf die im Reiz implizierte Emotion lässt sich vermutlich eine im Vergleich zu nicht geprimten
Forschungshypothesen
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Darbietungsformen höhere Prognosevalidität erzielen. Die Hypothesenprüfung wird getrennt nach Einzelbild- (I – II) und sequenziellen Darbietungen (III – IV) durchgeführt. Hypothese 2.3: Die Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken mittels Darbietung von Wortreizen weist eine im Vergleich zu ungeprimten Bilddarbietungen höhere Stabilität auf. Die Problematik ambivalenter Schemata und interindividueller Differenzen im (emotionalen) Wahrnehmungsprozess ist in erster Linie mit der Darbietung von Bildreizen verbunden. Bei Wortreizen tauchen interpretative Komplikationen (innerhalb eines Sprachraumes) weit seltener auf, es wird angenommen, dass sich dies positiv auf die Stabilität der Messung auswirkt.
6.3 Hypothese 3: Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“ Entgegen der beiden oben formulierten Hypothesen, untersucht Hypothese 3 die Wirkung von Kontextinformationen in Form einer instruktionalen Einführung der Testperson in den visuellen Wahrnehmungsprozess und dem daraus resultierenden Ausmaß des „emotionalen Bildverstehens“ der Probanden: Hypothese 3:
Die Messvalidität der dargebotenen Bildreize wird vom Ausmaß des „emotionalen Bildverstehens“ der Versuchspersonen beeinflusst.
Mehrfach wurden verbale Instruktionen als dem Wahrnehmungsprozess dienlich genannt (vgl. zusammenfassend Kapitel 5.3.2). Sie stellen eine weitere Form der Kontextbereitstellung dar und sollen der Versuchsperson eine zielgerichtete Betrachtung der Bildreize erlauben. Die Komplexität des in Abbildung 29 dargestellten Prozesses der Bildzuordnung auf Marken erfordert neben der Erläuterung der Aufgabenstellung für die Testpersonen ein Trainieren der Emotionsidentifikation anhand konkreter Beispiele (vgl. zur Umsetzung Kapitel 7.3.3.1). Wesentlich für die Messvalidität ist, inwieweit die Testpersonen aufgrund der Instruktionen und Beispiele in der Lage sind, die in den Bildreizen implizierten Emotionen zu extrahieren und den Marken zuzuordnen. Die Operationalisierung des „emotionalen Bildverstehens“ sieht die Beurteilung des Zuordnungsprozesses durch die Testpersonen im Rahmen einer Selbstreflexion vor. Die Messung der Emotionen im Zusammenhang mit Marken ist daher bei Personen, die eigenen Angaben zufolge den Bildreiz aufgrund der in ihm implizierten Emotion auf die Marke zuordnen, valider als bei Personen, wo konkurrierende (Sach)Schemata für die Markenzuordnung verantwortlich waren. Die oben formulierte Hypothese lässt sich – verknüpft mit den Hypothesen zu den alternativen Darbietungsmodalitäten näher spezifizieren:
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Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Hypothese 3.1: „Emotionales Bildverstehen“ der Versuchspersonen übt bei nicht geprimten Bilddarbietungen stärkeren Einfluss auf die Messvalidität aus als bei geprimten Bildpräsentationen. Die Aufgabe des Primings liegt in der Bahnung des Wahrnehmungsprozesses und der Voraktivierung des emotionalen Schemas. Somit übernimmt das Priming als eine Form der Bereitstellung von Kontextinformationen teilweise die Aufgabe verbaler Instruktionen. Vermutlich wirkt sich deshalb ein trotz Trainingsbeispielen fehlgeschlagenes „emotionales Bildverstehen“ bei nicht geprimten Reizpräsentationen stärker negativ auf die Messvalidität aus als bei geprimten Darbietungsmodalitäten. Der durch das „emotionale Bildverstehen“ auf die Messvalidität resultierende Effekt wird mittels Beziehungsstärke-Quotienten operationalisiert. Gegenübergestellt werden Probanden mit „emotionalem Bildverstehen“ und Testpersonen, die nicht in der Lage waren, die Bildreize aufgrund der in ihnen implizierten Emotionen auf die Marken zuzuordnen (vgl. dazu Kapitel 8.2.2). Die Hypothese wird jeweils für die Variantenpaare I – II und III – IV untersucht.
Experimentaldesign und Studienaufbau
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7 Experimentaldesign und Studienaufbau 7.1 Entwicklung des Experimentaldesigns Das Kernziel der empirischen Studie ist, den Einfluss alternativer Präsentationsmodalitäten visueller Stimuli auf die Messvalidität zu untersuchen bzw. die Reizdarbietung im Rahmen der Emotionsmessung zu optimieren. Die Aufgabe des zu entwickelnden Experimentaldesigns besteht folglich darin, die Auswirkung des auf die Versuchspersonen einwirkenden Reizes auf die abhängige Variable zu messen, also Ursache-Wirkungsverhältnisse aufzudecken. Im Studiendesign sind fünf alternative Präsentationsmodalitäten berücksichtigt, die bereits in Kapitel 5.4 vorgestellt wurden:
Darbietungsmodalitäten im Experimentaldesign
+ Bild 1
Markenzuordnung
Markenzuordnung
Emotion E
+ Bild 2
Wort
Bild 3
Markenzuordnung
Wort
+ Bild 3
Ð
Wort
Emotion E Ð
Emotion E
Variante II: Einzelbilddarbietung mit Wortpriming
Ð
Bild 2
Emotion E Markenzuordnung
Ð
Bild 1
Emotion E Markenzuordnung
Ð
Ð
Emotion E
Variante I: Einzelbilddarbietung
Markenzuordnung
Bild 1
+ Bild 2 + Bild 2
Ð
Emotion E
Variante III: Bildsequenz
Markenzuordnung
Wort 1
Ð
Emotion E
Variante V: Wortreizdarbietung
Markenzuordnung
Emotion E Markenzuordnung
Wort 2
Emotion E Markenzuordnung
Wort 3
Ð
+ Bild 1 + Bild 2 + Bild 2
Ð
Wort
Ð
Emotion E
Variante IV: Bildsequenz mit Wortpriming
Markenzuordnung
Abbildung 31: Darbietungsmodalitäten im Experimentaldesign
Es gilt, die alternativen Präsentationsvarianten erhebungstechnisch so umzusetzen, dass der Einfluss der Darbietungsmodalität auf die Stärke der durch den Stimulus vermittelten Emotion gemessen werden kann. Die Entwicklung des Experimentaldesigns wird daher im Wesentlichen vom Aspekt der Validität bestimmt, die sich in interne und externe Validität gliedern lässt:
448
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
x Die interne Validität betrifft die Frage der Eindeutigkeit, ob das gemessene Resultat tatsächlich eindeutig auf den Auswirkungen des Stimulus beruht oder ob andere Faktoren das Ergebnis beeinflusst haben. x Unter externer Validität wird die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf andere Personen, Objekte, Situationen und/oder Zeitpunkte verstanden (BORTZ und DÖRING 2002, S. 57). CAMPBELL und STANLEY (1973) sehen die interne Validität gefährdet, wenn sich die Versuchspersonen einer Stichprobe von den Untersuchungsteilnehmern der anderen Stichproben nicht nur bezüglich der unabhängigen Variablen, sondern auch in Bezug auf weitere, mit der abhängigen Variablen zusammenhängende Merkmale – personenbezogenen Störvariablen – unterscheiden (CAMPBELL und STANLEY 1973, S. 23). Für die Entwicklung eines geeigneten Experimentaldesigns spielen für die vorliegende Studie untersuchungsbedingte Störgrößen – das sind jene, die aufgrund des Untersuchungsablaufes entstehen (vgl. dazu BORTZ und DÖRING 2002, S. 60f) – eine noch bedeutendere Rolle. Die Präsentation der Stimuli in einer bestimmten Modalität beeinflusst alle folgenden Darbietungsarten in vielschichtiger Weise: x Wird ein Bildreiz (bzw. eine Bildsequenz) mit seiner verbalisierten Emotionsqualität geprimt (Varianten II und IV), so kann das selbe Bild (bzw. die Bildsequenz) in weiterer Folge nicht mehr ohne Prime (Varianten I und III) gezeigt werden, da das Priming auch auf eine spätere ungeprimte Reizdarbietung wirken kann. x Nach sequenzieller Reizdarbietung stattfindende Einzelbildpräsentationen werden in der Hinsicht beeinflusst, dass die Auskunftsperson aufgrund der Bildsequenz die zu einer Emotion gehörigen Stimuli erfährt und dadurch die Markenzuordnung der Einzelbildreize beeinflusst wird. x Ferner beeinflusst die Anzahl der Darbietungen die Wahrnehmung und Verarbeitung des Bildreizes. Entsprechend dem in Abbildung 29 dargestellten Modell der Bildzuordnung auf Marken ist eine mehr oder weniger intensive Auseinandersetzung mit dem Reiz erforderlich. Bei weiteren Darbietungen wird der Bildreiz vermutlich nur mehr mit dem jeweiligen Emotionsetikett versehen, die Art der Darbietung verliert dadurch für die Emotionsvermittlung an Bedeutung. Als relativ unabhängige Messmethoden gelten entsprechend der oben angeführten Problempunkte nur die Variantenkombinationen I und V bzw. III und V. Um den Forderungen nach interner Validität vollständig gerecht zu werden, ist es aber erforderlich, ein Experimentaldesign zu entwickeln, das die Unabhängigkeit aller fünf Darbietungsvarianten gewährleistet. Diese Forderung lässt sich mit dem Design des
Experimentaldesign und Studienaufbau
449
Mehrgruppenplans umsetzen, wo eine Zufallsstichprobe mit Umfang n in p zufällig aufgeteilte Teilstichproben S1, S2...Sp aufgeteilt wird (vgl. BORTZ und DÖRING 2002, S. 530).
Grundsätzliches Schema des Experimentaldesigns Between-Groups-Design
Gesamtstichprobe mit Umfang n
Teilstichprobe S1
Einzelbilddarbietung
Teilstichprobe S2
Einzelbilddarbietung mit Wortpriming
Teilstichprobe S3
Bildsequenz
Teilstichprobe S4
Bildsequenz mit Wortpriming
Teilstichprobe S5
Wortreizdarbietung
Abbildung 32: Grundsätzliches Schema des Experimentaldesigns
Für jede Darbietungsmodalität wird eine Teilstichprobe gezogen (p=5). Die randomisierte Aufteilung der Versuchspersonen auf die verschiedenen Gruppen soll bewirken, dass alle denkbaren Merkmale zwischen den Gruppen nur zufällig schwanken und damit ausgeschlossen werden kann, dass die Unterschiede in der abhängigen Variablen durch eventuelle Differenzen zwischen den Gruppen begründet sind. Da es erklärtes Ziel der Studie ist, den im Rahmen der Emotionsmessung optimalen Modus der Stimuluspräsentation zu eruieren, werden nur die aus den Darbietungsalternativen resultierenden Haupteffekte ermittelt. Interaktionen zwischen Einzelbild- und sequenzieller Darbietung mit bzw. ohne Priming können aufgrund des gewählten Erhebungsdesigns nicht geschätzt werden. Die Umsetzung des in Abbildung 32 skizzierten Schemas des Forschungsdesigns, erfordert neben der zufälligen Aufteilung der Versuchspersonen auf die Teilgruppen eine Reihe von weiteren Maßnahmen zur Gewährleistung der internen und externen Validität. Diese werden im Rahmen der Durchführungsplanung (Kapitel 7.3.4) diskutiert.
450
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
7.2 Messvalidität 7.2.1
Überblick über die Arten der Messvalidität
Die oben dargestellte Validität von Experimenten ist von der Messvalidität zu unterscheiden. Die Messvalidität meint den Grad der Genauigkeit einer Messmethode, mit dem diese jenes Merkmal misst oder vorhersagt, das gemessen oder vorhergesagt werden soll. In der Literatur werden allgemein drei Ausprägungen der Messvalidität differenziert (vgl. z.B. LIENERT und RAATZ 1998, S. 10; BORTZ und DÖRING 2002, S. 199f; CHURCHILL und IACOBUCCI 2002, S. 410): x die inhaltliche Validität (Content validity): Der Test bzw. seine Elemente sind so beschaffen, dass sie das zu erfassende Merkmal repräsentieren. Das heißt, der Test selbst stellt das optimale Kriterium für das Merkmal dar. x die Konstruktvalidität (Construct validity): Aufgrund theoretischer Erwägungen und anhand von sich daran anschließenden empirischen Untersuchungen wird entschieden, ob ein Experiment ein bestimmtes Konstrukt zu erfassen vermag. Ein Experiment ist daher konstruktvalide, wenn aus dem zu messenden Zielkonstrukt Hypothesen ableitbar sind, die anhand der Testwerte bestätigt werden können. Anstatt ein einziges manifestes Außenkriterium zu benennen, wird meist ein nomologisches Netzwerk über das Konstrukt und seine Verbindungen zu anderen manifesten und latenten Variablen formuliert. x die Kriteriumsvalidität (Criterion validity): Während sich im Fall der beiden erstgenannten Validitätsaspekte im allgemeinen keine Maßzahl für den Grad der Validität eines Experiments ermitteln lässt, ist dies bei der Kriteriumsvalidität durch hinzuziehen eines Außenkriteriums möglich, indem von der Leistung der jeweiligen Methode auf die Kriteriumsleistung geschlossen wird. Die Kriteriumsvalidität lässt sich über die - Übereinstimmungsvalidität (d. h. Korrelationen zwischen den zum selben Zeitpunkt gemessenen theoretischen Konzepten) oder die - Prognosevalidität (Erhebung der Konzepte zu verschiedenen Zeitpunkten und Prüfung der Frage, ob die Methode das Ergebnis korrekt vorhersagt) ermitteln. Für die gegenständliche Studie soll im anschließenden Kapitel ein Außenkriterium definiert werden, welches in der Lage ist, relative Aussagen zwischen den alternativen Darbietungsmodalitäten hinsichtlich ihrer Messvalidität zu treffen.
Experimentaldesign und Studienaufbau
7.2.2
451
Wahl des Außenkriteriums
Zur Bewertung der Validität der alternativen Messmethoden muss ein Kriterium gefunden werden, das geeignet ist, die Auswirkungen der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion zu messen. MAZANEC (1978) liefert mit dem Einstellungs- und Imagemodell zwei Konzepte, welche im Anschluss dazu herangezogen werden sollen, Außenkriterien zur Validierung der alternativen Messmethoden abzuleiten. MAZANEC (1978) unterscheidet zwischen dem Einstellungs- bzw. Imagekonstrukt vorgelagerten und nachgelagerten Nebenkonstrukten (vgl. Abbildung 33). Wie beide Modelle zeigen, beeinflussen Emotionen als vorgelagertes Konstrukt das Hauptkonstrukt Einstellung bzw. Image. Der Unterschied zwischen den Modellen liegt in den Konstrukten Produktwissen und Markenbekanntheit. Images dienen als Wissensersatz für mangelndes Produktwissen, weshalb im Imagemodell das Produktwissen auf die Kenntnis von Markennamen und das Wiedererkennen von Markenlogos (und –slogans) reduziert wird (vgl. dazu MAZANEC 1978, S. 63).
Einstellungs- und Imagemodell nach MAZANEC
Emotionen
Motive
Kaufabsicht
Einstellung
Produktwissen
Markenpräferenz
Emotionen
Kaufabsicht
Motive
Markenbekanntheit
vorgelagerte Konstrukte
Image Markenpräferenz
nachgelagerte Konstrukte
Abbildung 33: Einstellungs- und Imagemodell (MAZANEC 1978, S. 55 und S. 64)
MAZANEC (1978) kritisiert, dass das Imagekonzept in der Literatur häufig als verwässertes Einstellungskonzept aufgefasst wird. In der aktuellen deutschsprachigen Literatur zum Konsumentenverhalten werden Image und Einstellung im Allgemeinen tatsächlich nur schwach differenziert. So definiert TROMMSDORFF (2002) das Image als
452
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
„mehrdimensionale und ganzheitliche Grundlage der Einstellung“ (TROMMSDORFF 2002, S. 158). WEINBERG und KROEBER-RIEL (2003) schlagen unter Berufung auf TROMMSDORFF und ZELLERHOFF (1994) vor, den Imagebegriff durch den schärfer operationalisierten Einstellungsbegriff zu ersetzen und damit einer Tendenz in der Marketingliteratur zu folgen. Sie sprechen dem Image in etwa die gleichen Merkmale zu, wie sie auch die Einstellung kennzeichnen (WEINBERG und KROEBER-RIEL 2003, S. 158). In weiterer Folge wird anstatt der Differenzierung zwischen Image und Einstellung generell der Begriff Einstellung verwendet, da für die gegenständliche Studie in erster Linie der direkte Einfluss von Emotionen auf die Einstellung (bzw. das Image) gegenüber Marken ausschlaggebend ist (vgl. dazu ZEITLIN und WESTWOOD 1986, S. 35), der sich in beiden von MAZANEC (1978) entwickelten Modellen findet. Die Einstellung wird als gelernte, relativ stabile Bereitschaft einer Person verstanden, sich gegenüber der Marke konsistent positiv oder negativ zu verhalten (TROMMSDORFF 2002, S. 150). TROMMSDORFF und ZELLERHOFF (1994) definieren die Einstellung als eine wertende Prädisposition des Konsumenten gegenüber der Marke auf der Dimension „gut – schlecht“. Sie erklärt sich aus der kommunikativen und Erfahrungsgeschichte des Konsumenten in Bezug auf die Marke (TROMMSDORFF und ZELLERHOFF 1994, S. 352). Nachdem Emotionen unmittelbar auf die Einstellung wirken, kann geschlossen werden, dass x die globale Einstellung einer Person gegenüber einer Marke umso positiver ist, je stärker diese Person eine positive Emotion im Zusammenhang mit der Marke empfindet, bzw. x die globale Einstellung einer Person gegenüber einer Marke umso negativer ist, je stärker diese Person eine negative Emotion im Zusammenhang mit der Marke empfindet. Die Einstellung einer Person gegenüber einer Marke wird aufgrund dieser Beziehung zur Kriteriumsvalidierung der alternativen Messmethoden I bis V herangezogen. Eine Messmethode wird als umso valider im Hinblick auf die durch die Reizdarbietung vermittelte Emotionsqualität gesehen, je stärker sie die Beziehung zwischen der im Zusammenhang mit der Marke empfundenen Emotion und der gegenüber der Marke geäußerten Einstellung herstellen kann. Neben der Einstellung soll die Markenpräferenz ein weiteres Außenkriterium zur Validierung darstellen. Als Indikator für die Präferenz einer Marke kann in Anlehnung an MAZANEC (1978) der Abstand zwischen der Idealmarke einer Produktklasse und der Realmarke aufgefasst werden (MAZANEC 1978, S. 63). Die Distanz zwischen der realen Marke und den Idealvorstellungen der Konsumenten gibt Aufschluss über die Stellung der realen Marke im
Experimentaldesign und Studienaufbau
453
Wahrnehmungsraum der Kunden. Dabei entspricht die räumliche Nähe der Marke zum Idealpunkt dem Grad der Übereinstimmung mit den Idealvorstellungen der Konsumenten für den entsprechenden Produktbereich. Marken in unmittelbarer Nähe des Idealpunktes werden von den Konsumenten eher bevorzugt als weiter entfernte Marken (ESCH 2001, S. 236). Analog den oben dargestellten Zusammenhängen zwischen Emotion und Einstellung lässt sich die im Einstellungsmodell von MAZANEC (1978) postulierte (indirekte) Beziehung zwischen Emotion und Markenpräferenz formulieren: x Die Präferenz für eine Marke (innerhalb eines Produktbereiches) ist umso höher, je stärker diese Person eine positive Emotion im Zusammenhang mit der Marke empfindet, bzw. x Die Präferenz für eine Marke (innerhalb eines Produktbereiches) ist umso geringer, je stärker diese Person eine negative Emotion im Zusammenhang mit der Marke empfindet. Die Markenpräferenz einer Person dient daher neben der Einstellung ebenfalls der Kriteriumsvalidierung. Eine Messmethode weist idealer Weise hinsichtlich beider Außenkriterien (Einstellung und Markenpräferenz) die stärkste Beziehung zur im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion auf. Mit anderen Worten besitzt jene der fünf Darbietungsmodalitäten die höchste Validität, wenn die Beziehungsstärke sowohl zwischen Emotion und Einstellung als auch zwischen Emotion und Markenpräferenz bei dieser Methode am größten ist.
7.3 Realisierung des Experimentaldesigns 7.3.1
Erhebungsinstrument
Die Komplexität des Experimentaldesigns und die Anforderungen an die Reizpräsentation bedingen den Einsatz von Computern in der Datenerhebung. Das im Rahmen der vorliegenden Studie zur Anwendung gelangende Instrumentarium ist das „Computer Assisted Personal Interview“ (CAPI). Die Interviews werden mittels Laptops durchgeführt, wobei das Befragungstool so konzipiert ist, dass es von der Versuchsperson selbständig ausgeführt werden kann. Die Aufgabe des Interviewers liegt daher nicht in der Interviewführung, sondern darin, die Auskunftsperson im Bedarfsfall (etwa bei Verständnisproblemen oder Fehlbedienungen) zu unterstützen und den – insbesondere in technischer Hinsicht – reibungslosen Ablauf der Interviews zu gewährleisten. In Anlehnung an BABBIE (2001), verknüpft mit den Erfahrungen aus BOSCH und SCHIEL (1999), können folgende Vorteile von Computer Assisted Personal Interviews, die für die
454
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Umsetzung des Experimentaldesigns von Bedeutung sind, genannt werden (BABBIE 2001, S. 267; BOSCH und SCHIEL 1999, S. 241): x Der Fragebogen lässt sich „interaktiv“ gestalten und bietet die Möglichkeit, dem Antwortverhalten der Auskunftsperson entsprechend zu reagieren. x Die Itemfolge kann randomisiert gesteuert werden, Reihenfolgeeffekte können dadurch auf ein Minimum reduziert werden. x Mechanismen zur Quotenkontrolle bei der Stichprobenziehung können in das Erhebungstool integriert werden. x Der aufgrund der Selbstadministrierbarkeit des Befragungstools geringe Interviewereinfluss erhöht die Anonymität der Auskunftsperson und reduziert dadurch die Gefahr sozial erwünschter Antworten. x Die Präsentationsdauer der Bild-, Wort- und Primingreize lässt sich durch das Tool exakt steuern. Als Nachteil ist der verhältnismäßig hohe Erstellungsaufwand des elektronischen Fragebogens zu nennen. Dies in erster Linie deshalb, weil der Usability der Tooloberfläche im Hinblick auf die Selbstadministrierbarkeit durch die Testperson höchste Priorität eingeräumt und in mehreren Pretests optimiert werden muss. Akzeptanzprobleme bei Auskunftspersonen ohne jeglicher Computererfahrung treten – entsprechende Handhabung des Fragebogens vorausgesetzt – erfahrungsgemäß nur selten auf (vgl. dazu auch BOSCH und SCHIEL 1999, S. 246). 7.3.2
Reiz- und Markenauswahl
7.3.2.1 Emotionen und Marken im Experimentaldesign Die Auswahl der emotionalen Stimuli und Marken erfolgte entsprechend der auf Basis von Studie III7 entwickelten Bilderskala zur Messung von Emotionen. Aus der in Studie III eingebundenen Vielzahl an Bildreizen wurden von SCHIEL (2004) faktoranalytisch jeweils drei Bildreize je Emotionsqualität ermittelt (vgl. dazu ausführlich SCHIEL 2004 bzw. den Beitrag von SCHIEL). Im Experimentaldesign konnten aufgrund der auf durchschnittlich 15 Minuten begrenzten Interviewdauer nicht alle von THYRI (2003) als marketingrelevant definierten Emotionen berücksichtigt werden. Die Auswahl der Emotionen erfolgte daher in
7
Studie III bildete die Datenbasis für die Entwicklung einer Bilderskala zur Emotionsmessung, vgl. dazu SCHIEL (2004) und WINDER (2004) bzw. die Beiträge von SCHIEL und WINDER.
Experimentaldesign und Studienaufbau
455
Abhängigkeit der mit ihnen im Studiendesign verknüpften Marken, wobei folgende zwei Prämissen die Marken- und Emotionswahl determinierten: i)
möglichst vollständige Markenbekanntheit in der Stichprobe und ferner eine ausreichende Vorstellung der Auskunftspersonen von der Marke
ii)
möglichst große Varianz der Emotion auf der zur Anwendung gelangenden Zuordnungsskala, um Unterschiede zwischen den Präsentationsmodalitäten feststellen zu können
Die Informationen hinsichtlich Markenbekanntheit (bzw. Vertrautheit) und Varianz wurden aus Studie III entnommen. Im Experimentaldesign finden sich daher grundsätzlich jene Marken wieder, welche bereits in Studie III enthalten waren8. Abbildung 34 zeigt die in das Experimentaldesign aufgenommenen Emotionen und Marken in Form einer EmotionMarken-Matrix:
Emotionen und Marken im Experimentaldesign Emotionen Freude
Liebe
Stolz
Ärger
x x x
x x
x x
x x
x Marken
x x
x...im Experimentaldesign implementierte Emotions-Marken-Kombination Abbildung 34: Emotionen und Marken im Experimentaldesign
8
Die Marke Aeroflot wies in Studie III bei einigen Emotionsqualitäten hohe Varianzen auf, insgesamt war die Vertrautheit der Auskunftspersonen mit der Marke jedoch gering. Im Experimentaldesign wurde die Marke Aeroflot deshalb durch die Marke Austrian Airlines ersetzt.
456
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Im Experimentaldesign werden zwei Marken (Austrian Airlines und News) über sämtliche Emotionsqualitäten konstant gehalten, zusätzlich kommt, um die Validität der alternativen Messmethoden über verschiedene Marken hinweg zu untersuchen, eine weitere Marke je Emotionsqualität zum Einsatz. Dabei wird die Marke mit jener Emotion verknüpft, welche die im Zusammenhang mit der Marke „typischerweise“ empfundene Emotion (entsprechend Studie III) darstellt und gleichzeitig ausreichende Varianz auf der zum Einsatz gelangenden Beurteilungsskala aufweist. Jede Präsentationsmodalität kommt somit bei zwölf EmotionMarken-Kombinationen zum Einsatz. 7.3.2.2 Bildreize im Experimentaldesign Jede Emotionsqualität setzt sich aus drei Bildreizen zusammen, die aus dem in Studie III eingeflossenen Bilderpool faktoranalytisch ermittelt und auf Rasch-Homogenität geprüft wurden (vgl. dazu SCHIEL 2004 bzw. den Beitrag von SCHIEL). Die Darbietungsdauer der Bilder wurde gegenüber Studie III nicht verändert und orientiert sich am in Kapitel 4.7.6.3.2 diskutierten Komplexitätsgrad des Bildinhaltes. Dabei wurden mehrere Indikatoren der inneren Komplexität eines Bildes von elf Personen, die über entsprechendes Expertenwissen im Bereich der Bildwahrnehmung verfügen, bewertet: x Figur-Grund-Differenzierung (vgl. Kapitel 4.4.2): Sind die Bildelemente prägnant, klar und deutlich umrissen, ist das Bild kontrastreich oder besteht es eher aus diffusen, sich wenig vom Hintergrund abhebenden Gestalten? x Detail- versus Gesamterfassung (vgl. Kapitel 4.3): Lässt sich ein Bild rasch mittels weniger Fixationen eines Schlüsselelementes erfassen oder müssen mehrere Bilddetails wahrgenommen werden? x Emotionsidentifikation: Fällt die Emotionsidentifikation entsprechend dem Modell der Reizzuordnung auf Marken (vgl. Abbildung 29) eher leicht oder ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bildreiz erforderlich? Jeder Bildreiz wurde dichotom anhand der drei Bewertungskriterien beurteilt. Trägt der Indikator zu einer hohen Bildkomplexität bei, war der Wert „1“ zu vergeben, begünstigt der Indikator ein schnelles Erfassen des Reizes wurde „0“ eingetragen. Ein Bild weist daher eine umso höhere innere Komplexität auf und bedarf einer umso längeren Betrachtungsdauer, je höher die Summe über die drei Kriterien und über sämtliche Expertenurteile war. Entsprechend diesen Ergebnissen wurden die Reize vier Darbietungskategorien zugeordnet, wobei berücksichtigt wurde, dass während der Reizpräsentation jeweils ausreichend Fixationen zur Erfassung emotionsrelevanter Inhalte möglich waren. Als Richtwert wurde die von LEVEN (1991) empirisch ermittelte durchschnittliche Fixationsdauer bei Werbeanzeigen von 269 Millisekunden herangezogen (vgl. Kapitel 4.3), sodass für Bilder mit sehr geringer
Experimentaldesign und Studienaufbau
457
Komplexität eine Betrachtungszeit von 0,50 Sekunden (entspricht etwa der Dauer von zwei Fixationen) festgelegt wurde. Stimuli mit einer entsprechend dem Expertenurteil sehr hohen inneren Komplexität wurden mit 1,25 Sekunden dargeboten, die dazwischenliegenden Abstufungen betrugen 0,75 und 1,00 Sekunden. Die im Rahmen der Skalenentwicklung durchgeführte Faktorenanalyse zeigte, dass hochkomplexe Bildreize nicht bzw. nur unzureichend in der Lage waren, die gewünschte Emotion zu kommunizieren und daher zur Emotionsmessung ungeeignet waren. Die letztendlich aus dem Bildpool in Studie III extrahierten Stimuli stammen daher ausschließlich aus den Darbietungskategorien o,50, 0,75 und 1,00 Sekunden. Die in das Experimentaldesign aufgenommen Darbietungszeiten sind in Abbildung 35 dargestellt.
Bildreize
samt
den
zugehörigen
Bildreize im Experimentaldesign
t = 0,75s
t = 0,75s
t = 1,00s
t = 1,00s
t = 0,75s
t = 1,00s
t = 0,50s
t = 0,75s
Ärger
t = 0,75s
t = 1,00s
Stolz
t = 0,75s
Liebe
t = 0,75s
Freude
t...Darbietungsdauer
Abbildung 35: Bildreize im Experimentaldesign
7.3.2.3 Primes und Wortreize im Experimentaldesign Priming soll den Betrachter beim Prozess der Emotionsidentifikation unterstützen, insbesondere soll der Prime mittels Voraktivierung des entsprechenden emotionalen Schemas den Verarbeitungsprozess steuern. Wie in Kapitel 5.3.3 dargestellt, entsprechen verbale Primingreize einerseits dem Postulat, den von FERNÁNDEZ-DOLS und CARROLL (1997) geforderten Kontext bei der Präsentation visueller Stimuli zu liefern, andererseits lässt sich die ebenfalls erforderliche semantische Nähe zwischen Prime und Target einfach umsetzen.
458
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Als Primingreize wurden deshalb die verbalisierten Emotionskategorien eingesetzt. Die Darbietung der Wortprimes erfolgte sehr kurz (150 Millisekunden) und unmittelbar vor dem Bildreiz (Präsentationsvarianten II und IV). Für die Wortdarbietung in Variante V wurde eine andere Vorgehensweise gewählt. Um die Anzahl der in den Darbietungen verwendeten Bild- und Wortreize je Emotionsqualität gleich zu halten, sollten zu den jeweils drei eingesetzten Bildern (je Emotion) drei entsprechende verbale Stimuli gefunden werden. Insgesamt wurden zehn Personen aufgefordert, nach Vorlage des Bildes spontan ihre Assoziationen zum Ausdruck des Bildes anzugeben. Die ersten drei Nennungen jeder Auskunftsperson wurden protokolliert. In das Experimentaldesign wurde das am häufigsten genannte Wort (bzw. verwandte Wörter wie z.B. Aggression – Aggressivität) je Bildreiz aufgenommen. Die in Abbildung 36 dargestellten Wortreize entsprechen in ihrer Abfolge den Bildreizen in Abbildung 35.
Wortreize und -primes im Experimentaldesign
Freude
Wortreize Variante V
Primes Variante II Variante IV
Liebe
Stolz
Ärger
Spaß
Liebe
Sieg
Aggression
Freude
Zweisamkeit
Stolz
Verzweiflung
Ausgelassenheit
Glück
Erfolg
Ärger
Freude
Liebe
Stolz
Ärger
Abbildung 36: Wortreize und –primes im Experimentaldesign
7.3.3
Aufbau des Experimental-Fragebogens
Der Ablauf des Experiments gestaltete sich über alle fünf Teilstichproben S1...S5 grundsätzlich gleich und in Anlehnung an Studie III (vgl. dazu SCHIEL 2004 bzw. WINDER 2004 bzw. die Beiträge von SCHIEL und WINDER), wobei hinsichtlich der Aufgabenstellung und erforderlichen Instruktionen variantenspezifische Adaptierungen notwendig waren. Im Folgenden wird auf die einzelnen Komponenten des Experimental-
Experimentaldesign und Studienaufbau
459
Fragebogens entsprechend ihrer Abfolge im Interview (vgl. Abbildung 37) eingegangen. Die Ausführungen in den anschließenden Kapiteln beziehen sich in erster Linie auf die Bildpräsentationen (Varianten I bis IV), die wesentlichen Abänderungen für die Darbietung von Wortreizen finden sich jeweils am Ende jedes Teilkapitels.
Aufbau des Experimental-Fragebogens Within-Groups-Design
Variante I: Einzelbilddarbietung (Teilstichprobe S1) Einleitung
Hauptteil: Einzelbilddarbietung
a
D
Einstellung, Präferenz
Wortreizdarbietung
Einstellung, Präferenz
M
M
Variante II: Einzelbilddarbietung mit Wortpriming (Teilstichprobe S2) Einleitung
Hauptteil: Einzelbilddarbietung mit Priminga
D
Variante III: Bildsequenz (Teilstichprobe S3) Einleitung
Hauptteil: Bildsequenza
D
Einstellung, Präferenz
M
Variante IV: Bildsequenz mit Wortpriming (Teilstichprobe S4) Einleitung
Hauptteil: Bildsequenz mit Priminga
D
Einstellung, Präferenz
M Within-Groups-Design
Variante V: Wortreizdarbietung (Teilstichprobe S5) Einleitung
Hauptteil: Wortreizdarbietunga
D
Einstellung, Präferenz
Einzelbilddarbietung
M
Ablauf des Interviews Abkürzungen: D...Demografie, M...Markenvorstellung
a Between-Groups-Design
Abbildung 37: Aufbau des Experimental-Fragebogens
7.3.3.1 Einleitung Die Hauptaufgabe des Einleitungsteils bestand in der Generierung eines Kontextrahmens für die spätere Reizdarbietung. Insbesondere soll der in Kapitel 5.3.2 formulierten Forderung entsprochen werden, die Auskunftsperson von ihrer Aufgabe in Kenntnis zu setzen und konkrete Anleitungen zur Bildwahrnehmung im Hinblick auf die enthaltenen Emotionen zu geben. Ebenso war es Ziel der Einleitung, mittels sprachlicher Instruktionen und Selbstreflexionen zu erreichen, dass die Bildreize den Marken aufgrund der in ihnen enthaltenen Emotionen und nicht aufgrund konkurrierender (Sach-)Schemata zugeordnet werden. In einem ersten Schritt erfolgte die Heranführung der Testperson an die „emotionale Denkweise“, in dem drei Bilder gefühlsbetonter Szenen gezeigt wurden mit der Aufforderung an die Auskunftsperson, sich in eine der dargestellten Situationen hineinzuversetzen. Der wesentliche Teil der Einleitung beschäftigte sich mit der Wahrnehmung der Bildreize im Sinne der in ihnen implizierten Emotion. Die Erklärung der eigentlichen Aufgabenstellung
460
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
enthielt den Hinweis, die nachfolgend präsentierten Reize der Marke entsprechend der „Gefühle und Emotionen, die durch die Bilder gezeigt oder hervorgerufen werden“ zuzuordnen. Die Reizdarbietung und –zuordnung gestaltete sich analog jener im Hauptteil, allerdings wurden – um die spätere Messung nicht zu verzerren – andere Emotionen (und somit Bildreize) und Marken gewählt. Dabei wurde bei der Auswahl der Reiz-MarkenKombinationen bewusst eine vermutete Konkurrenz von emotionalen und sachlichen Schemata in Kauf genommen (vgl. Abbildung 38), um diese der Versuchsperson im Zuge der Selbstreflexion vor Augen zu führen. Die Reize kamen auch in den Varianten II und IV (Einzelbilddarbietung bzw. Bildsequenz mit verbalem Priming) ungeprimt zum Einsatz, um den Prozess der Bildwahrnehmung (insbesondere der Extrahierung der im Reiz enthaltenen Emotion) nicht a priori durch den verbalen Prime zu beeinflussen.
Einführung in die emotionale Wahrnehmung Reiz-Markenkombinationen zur Selbstreflexion der Emotionswahrnehmung Selbstreflexion I: Emotion Akzeptanz/Vertrauen Bildsequenz Einzelbilddarbietung
Selbstreflexion und Feedback
Selbstreflexion II: Emotion Erfolg
Einzelbilddarbietung
Bildsequenz
Selbstreflexion und Feedback
Abbildung 38: Reiz-Markenkombinationen zur Selbstreflexion der Emotionswahrnehmung
In der Selbstreflexion sollte die Testperson den Prozess der Bildzuordnung auf die Marke rekonstruieren. Die im Stimulus enthaltene Emotion wurde bekannt gegeben, die Versuchsperson mit der Fragestellung konfrontiert: „Haben Sie Ihre Beurteilung anhand dieser Emotion getroffen? Empfinden Sie im Zusammenhang mit {der Marke} {die Emotion} oder waren für Sie doch eher sachliche Zusammenhänge {Beispiele} entscheidend?“. Mögliche sachliche Interpretationen des Bildes wurden beispielhaft angeführt (z.B. „Kinder trinken gerne Teekanne Tee.“ oder „Die Kleidung der gezeigten Person passt zum Sortiment von Kleiderbauer.“).
Experimentaldesign und Studienaufbau
461
Die Testperson hatte die Art der Reizzuordnung auf die Marke mittels zweier Antwortmöglichkeiten anzugeben: x „Ich habe das Bild anhand der gezeigten bzw. empfundenen Emotionen auf die Marke {Teekanne/Kleiderbauer} zugeordnet.“ x „Ich habe das Bild eher anhand sachlicher Zusammenhänge auf die Marke {Teekanne/Kleiderbauer} zugeordnet.“ Die Auskunftsperson erhielt auf diese Weise unmittelbares Feedback, indem sie je nach Antwortverhalten bestätigt oder aber aufgefordert wurde, die nachfolgenden Bildreize nicht aufgrund sachlicher Zusammenhänge, sondern ausschließlich anhand der gezeigten oder hervorgerufenen Emotionen auf die Marke zuzuordnen. Im Hauptteil wurde nach etwa fünfzig Prozent der dargebotenen Reize ein Reminder mit ähnlichem Inhalt (jedoch ohne Feedbackmöglichkeit) gesetzt. In Variante V (Wortreizdarbietung) wurde grundsätzlich die gleiche Vorgangsweise gewählt, statt der Bildreize wurden aber verbale Stimuli verwendet. Aufgrund der Reduzierung des Wahrnehmungsprozesses auf die Erfassung des Wortes wurde die Selbstreflexion auf einen Case (Marke Teekanne) beschränkt und sah keine Feedbackfunktion vor. 7.3.3.2 Hauptteil – Die Messung der Emotionen im Zusammenhang mit Marken Im Hauptteil des Experimental-Fragebogens war die Messung der Emotionen im Zusammenhang mit Marken mittels fünf alternativer Reizdarbietungsmodalitäten in Form eines Between-Groups-Designs umgesetzt. Wie bereits dargelegt, wurde jede Teilgruppe der Gesamtstichprobe mit einer spezifischen Darbietungsform konfrontiert. Nach der Reizdarbietung erfolgte die Aufforderung an die Versuchsperson, den Stimulus entsprechend der Fragestellung „Wie sehr empfinden Sie die gezeigte bzw. hervorgerufene Emotion im Zusammenhang mit dieser Marke?“ auf einer sechsstufigen Skala – die unverändert aus Studie III übernommen wurde – zuzuordnen (Verbalisierung der Skalenendpunkte mit „empfinde ich sehr stark mit dieser Marke“ bzw. „empfinde ich sehr schwach mit dieser Marke“). Nach Zuordnung des Stimulus auf die mit ihrem Logo visualisierte Marke konnte die Testperson den Präsentationsstart des nächstfolgenden Reizes frei wählen. Es oblag daher der Versuchsperson, mehr oder weniger Zeit zwischen den einzelnen Zuordnungseinheiten verstreichen zu lassen. So konnten Reaktanzen, die gelegentlich aufgrund der verhältnismäßig kurzzeitigen Darbietung der Reize beobachtet wurden, weitgehend kompensiert werden. Zudem sollte die Schaltung der Zwischenseite die Einflussnahme der vorangegangenen Darbietung auf die Wahrnehmung des nächstfolgenden Stimulus reduzieren. Um Reihenfolgeeffekte der Einzelmessungen zu vermeiden, wurde die Präsentationsabfolge sämtlicher Emotion-Marken-Kombinationen in allen Varianten randomisiert, sodass angenommen wird, dass sich Verzerrungen – über die jeweiligen Teilstichproben betrachtet –
462
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
aufhoben. Bei der sequenziellen Darbietung (Varianten III und IV) erfolgte außerdem eine randomisierte Reihung der intrasequenziellen Bildreize durch die eingesetzte Befragungssoftware. 7.3.3.3 Erhebung demografischer Daten der Auskunftspersonen Die Demografie der Versuchspersonen diente in erster Linie als Kontrollvariable hinsichtlich Strukturgleichheit der fünf Teilstichproben. Erhoben wurden Alter und Geschlecht, Berufstätigkeit und letzte abgeschlossene Schulbildung der Auskunftspersonen. Außerdem wurden die Teilnehmer der Befragung aufgefordert, ihre Stimmungslage vor der Durchführung des Interviews auf einer neunstufigen Skala von „war in einer positiven Stimmungslage“ bis „war in einer negativen Stimmungslage“ anzugeben. 7.3.3.4 Messung von Einstellung und Markenpräferenz der Auskunftspersonen Die Einstellung der Versuchspersonen zu den Marken und die Markenpräferenz dienen als Außenkriterien zur Validierung der alternativen Messmethoden (vgl. Kapitel 7.2.2). Die Einstellung wird – wenngleich sich TROMMSDORF (2002) und SCHWEIGER (2001) diesbezüglich kritisch äußern – eindimensional erhoben. Beide kritisieren die eindimensionale Messung von Einstellungen hinsichtlich fehlender Ansatzpunkte zu den Gründen der Bewertung (SCHWEIGER 2001, S. 300; TROMMSDORFF 2002, S. 172). In Bezug auf die Interpretation der Einstellung gegenüber Marken sind diese Kritikpunkte gerechtfertigt, für die Zielsetzung der vorliegenden Studie können sie aber vernachlässigt werden, da hier nicht die Ausprägungen der Einstellung gegenüber einer Marke, sondern einzig deren Richtung interessiert. Die Einstellung der Auskunftsperson gegenüber einer Marke wurde daher eindimensional mit der Fragestellung „Wie stehen Sie dieser Marke persönlich gegenüber?“ und einer sechsstufigen Skala mit den Endpunkten „stehe dieser Marke sehr positiv gegenüber“ und „stehe dieser Marke eher ablehnend gegenüber“ erhoben. Die Reihenfolge der sechs zu bewertenden Marken wurde durch das Befragungstool zufällig variiert. Als weiteres Kriterium zur Valdierung der Messmethoden wurde die Markenpräferenz herangezogen. Nach TROMMSDORFF und ZELLERHOFF ist die Präferenz eine relative Einstellung, also ein Wert der Bevorzugung einer Marke gegenüber einer anderen (TROMMSDORF und ZELLERHOFF 1994, S. 352). Zur Erhebung der Markenpräferenz diente (mit Ausnahme der Marke ÖBB) ein „individuelles Realmarkenkontinuum“. Dieses Kontinuum enthielt keine konkreten Marken, sondern sollte der Versuchsperson Gelegenheit geben, die vorgelegte Marke in ihr persönliches Markenset einzuordnen. Die Fragestellung wurde der jeweiligen Marke angepasst formuliert (im nachfolgenden Beispiel für die Marke Austrian Airlines):
Experimentaldesign und Studienaufbau
463
„Es geht nun um Fluglinien. Die untenstehende Skala bildet zwei Endpunkte: Ganz links befindet sich die Fluglinie, die für Sie – unabhängig von der Destination – am wenigsten für eine Flugbuchung in Frage kommt, ganz rechts ist Ihre Lieblingsfluglinie. Wo auf dieser Skala würden Sie – entsprechend Ihrer persönlichen Markenpräferenz – die Marke Austrian Airlines einordnen?“ Zum Einsatz kam eine 100-Punkte Sliding Scale mit den Endpunkten „0 Punkte = Fluglinie mit meiner geringsten Präferenz“ bzw. „100 Punkte = meine Lieblingsfluglinie“. Mangels für den Konsumenten nicht vorhandenem realem Markenset an Eisenbahnunternehmen, wurde das Kontinuum für die Einordnung der Marke ÖBB hinsichtlich der Skalenendpunkte „0 Punkte = denkbar schlechtestes Eisenbahnunternehmen“ bzw. „100 Punkte = meine Idealmarke im Bahnverkehr“ adaptiert. Analog der Einstellungsmessung wurde die Reihenfolge der Marken von Interview zu Interview randomisiert. 7.3.3.5 Implementierung eines Within-Groups-Designs Die Problematik der wechselseitigen Beeinflussung der alternativen Emotions-Messmethoden wurde bereits in Kapitel 7.1 diskutiert. Aus diesen Überlegungen wurde ein Between-GroupsDesign mit je einer Darbietungsvariante (pro Teilstichprobe) gewählt. Zwar wurden – wie noch zu zeigen ist – zahlreiche Maßnahmen getroffen, die innere Validität des Experimentaldesigns zu gewährleisten, dennoch können Artefakte nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Deshalb wurde in den Varianten I (Einzelbilddarbietung) und V (Wortreizdarbietung) eine zusätzliche Messung in das Erhebungsdesign integriert, um jeweils innerhalb der beiden Teilstichproben (within-groups) den Einfluss der Darbietungsvariante auf die Beziehung zwischen Emotion und Einstellung gegenüber einer Marke bzw. der Präferenz für eine Marke untersuchen zu können. Dabei wurden für das Within-GroupsDesign jene Varianten gewählt, die als weitgehend unabhängig von den vorangegangenen Darbietungen im Hauptteil des Interviews betrachtet werden können. Die in den Varianten I und V zusätzlich implementierten Messungen entsprachen sowohl inhaltlich als auch vom Ablauf dem Hauptteil der jeweils alternativen Darbietungsvariante. Zur Einführung des Betrachters in die Bildwahrnehmung (in Variante V) wurden nach erfolgter Neudefinition der Aufgabenstellung die Beispiele aus der Einleitung in Variante I – inklusive Selbstreflexion und Feedback – übernommen. Vor der Wortreizdarbietung in Variante I wurde der Versuchsperson lediglich die, gegenüber der Bildpräsentation abgeänderte, Aufgabe vermittelt. 7.3.3.6 Erhebung der Markenvorstellung Die beiden in Abbildung 33 dargestellten Modelle (Einstellungs- und Imagemodell) unterscheiden sich hinsichtlich der Konstrukte Produktwissen und Markenbekanntheit. Durch
464
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
eine entsprechende Markenbekanntheit ist eine Marke bei der Kaufentscheidung überhaupt erst im Evoked Set enthalten (vgl. dazu AAKER 1992, S. 85). Die Markenbekanntheit ist aber auch eine notwendige Bedingung dafür, dass sich Konsumenten ein klares Bild einer Marke verschaffen können (ESCH und WICKE 2001, S. 48). Das mit der Markierung verbundene Markenwissen geht über die Markenbekanntheit hinaus und lässt sich als Markenvorstellung beschreiben (BEKMEIER-FEUERHAHN 2001, S. 1121). Während die Markenauswahl im Hinblick auf vollständige Bekanntheit der im Experimentaldesign berücksichtigten Marken in der Stichprobe getroffen wurde, wurde die Einschätzung der subjektiven Markenvorstellung deshalb – neben den demografischen Merkmalen und der aktuellen Stimmungslage der Testperson – als Kontrollvariable zur Sicherstellung der Strukturgleichheit über die fünf Teilstichproben herangezogen. Die Operationalisierung erfolgte mittels der Fragestellung „Bitte geben Sie mir abschließend noch an, wie konkret Ihre Vorstellung war, die Sie vor dem Interview von diesen Marken hatten:“ und der Einschätzung auf einer sechsstufigen Skala mit den Endpunkten „hatte eine sehr konkrete Vorstellung“ bzw. „hatte eine sehr vage Vorstellung“. Die Marken wurden wiederum mit ihrem Logo präsentiert, die Reihenfolge der Darbietungen randomisiert. 7.3.4 Durchführungsplanung Die Durchführung der Interviews musste der Forderung von CAMPBELL und STANLEY (1973) nach interner Validität der Erhebung entsprechen. Insbesondere galt es die Prämisse zu erfüllen, dass sich die Teilstichproben nur hinsichtlich der unabhängigen Variablen – den fünf Darbietungsmodalitäten – unterscheiden. Folgende Maßnahmen wurden getroffen, um der Struktur-Homogenitäts-Prämisse gerecht zu werden: x Die Grundgesamtheit wurde so definiert, dass daraus eine Stichprobe mit möglichst homogener Alters- und Bildungsstruktur gezogen werden konnte. x Für die Erhebung wurde ein einziger Sampling Point gewählt, die Interviews zeitlich konzentriert (innerhalb weniger Tage) durchgeführt. x Die Auswahl der Auskunftspersonen erfolgte nach dem Zufallsprinzip. x Die Erhebung wurde in Form von selbstadministrierten Laptopinterviews durchgeführt, das heißt, das Befragungstool war so konzipiert, dass die Auskunftsperson das Interview ohne Beisein des Interviewers ausführen konnte. Interviewereinflüsse konnten so auf ein Minimum reduziert werden. x Jeder Laptop wurde mit allen fünf Präsentationsvarianten bestückt, die zufallsgesteuert – und ohne Einflussmöglichkeit durch den Interviewer – ausgewählt wurden.
Experimentaldesign und Studienaufbau
465
x Um Strukturgleichheit auch hinsichtlich der Variablen Geschlecht zu erzielen, wurde im Erhebungstool ein Mechanismus integriert, der zu Beginn jedes Interviews vorgab, ob eine weibliche oder männliche Auskunftsperson zu befragen war. Insgesamt konnte so eine Gleichverteilung der Variablen Geschlecht in allen fünf Varianten sichergestellt werden. x Die Interviewer wurden lediglich hinsichtlich des Ablaufes der Interviews und der Handhabung der Laptops geschult, kannten aber, um Einflüsse bei der Zuteilung der Auskunftspersonen zu den Varianten zu vermeiden, weder den exakten Inhalt noch den Zweck der Erhebung. x Darüber hinaus sollten die Interviews in einer für die Versuchspersonen natürlichen Umgebung stattfinden. Dies entspricht einerseits der Forderung nach externer Validität der Studie, anderseits der von NEISSER (1979) geübten Kritik hinsichtlich mangelnder ökologischer Validität von Laborexperimenten (NEISSER 1979, S. 35f, siehe auch Kapitel 4.6.2.3).
7.4 Stichprobenbeschreibung Die Erhebung wurde an Studenten der Wirtschaftsuniversität Wien im Zeitraum vom 4. bis 13. Juni 2003 durchgeführt. Zur Verfügung standen sechs Laptops, die zentral in der Universitätsaula stationiert waren. Die insgesamt n=569 vollständig ausgeführten Interviews teilten sich annähernd gleichmäßig auf die fünf Darbietungsmodalitäten auf, die durchschnittliche Interviewdauer über alle Varianten betrug 13,8 Minuten. Wie die Analyse der Stichprobe zeigt, verteilen sich die erhobenen Kontrollvariablen hinsichtlich Gewährleistung einer homogenen Stichprobenstruktur zwischen den fünf Darbietungsmodalitäten weitgehend gleichmäßig. 7.4.1
Demografische Variablen der Auskunftsperson
Die Verteilung der Variablen Geschlecht weicht nur in Variante IV geringfügig von jener der übrigen Varianten ab. Die Berechnung des Chi-Quadrat-Wertes ergibt Ȥ²=0,86. Dieser Wert liegt weit unter dem kritischen Tabellenwert von 9,49 (df=4, 1–Į=0,95). Die fünf Teilstichproben weisen daher keine signifikant unterschiedlichen Verteilungen der Variablen Geschlecht auf. Das Alter der Versuchspersonen zeigte aufgrund der Wahl der Grundsgesamtheit nur eine verhältnismäßig geringe Streuung. Die zentralen 90% der Versuchspersonen in der Gesamtstichprobe befinden sich im Intervall von 20 bis 30 Jahren, der Mittelwert liegt bei 23,9 Jahren, der Median bei 23 Jahren.
466
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Die Durchführung einer einfaktoriellen Varianzanalyse ergibt einen empirischen F-Wert von 1,36. Der tabellarische F-Wert F4, 564, 0,95 = 2,39 liegt über diesem Wert, die fünf Teilstichproben weisen keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich des Alters der Auskunftspersonen auf (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Die in insgesamt fünf Kategorien (Pflichtschule oder Lehre, Fachschule ohne Matura, AHS/BHS mit Matura, Fachhochschule, Hochschule/Universität) erhobene zuletzt abgeschlossene Schulausbildung der Auskunftspersonen lässt sich in eine Aufteilung zwischen Personen mit bereits einem abgeschlossenen Universitäts- oder FachhochschulStudium und Personen noch ohne abgeschlossener universitärer Ausbildung überführen. Der Anteil der Hochschulabsolventen an der Zahl der Auskunftspersonen in den Teilstichproben bewegt sich zwischen 12,5% und 20,9%. Die Berechnung des Chi-Quadrat-Tests (über alle fünf Bildungskategorien) ergibt einen Wert von Ȥ²=19,94. Dieser Wert unterschreitet den kritischen Tabellenwert von 26,30 (df=16, 1–Į=0,95), die fünf Teilstichproben weisen somit keine signifikant unterschiedlichen Verteilungen der Variablen Bildung auf. Hinsichtlich der Variablen Beschäftigung sind geringe Abweichungen zwischen den Teilstichproben zu beobachten. Der ermittelte Chi-Quadrat-Wert von Ȥ²=7,91 liegt allerdings deutlich unter dem kritischen Wert von 22,36 (df=12, 1–Į=0,95), die Verteilung der Variablen Beschäftigung gilt als nicht signifikant unterschiedlich zwischen den fünf Teilgruppen. 7.4.2
Allgemeine Stimmungslage der Auskunftsperson
Die Stimmungslage der Auskunftsperson vor dem Interview zeigt zwar Unterschiede in der Verteilung zwischen den Teilstichproben, die Analyse der Mittelwerte bzw. Mediane ergibt dennoch ein recht homogenes Bild (1=„war in einer positiven Stimmungslage“; 9=„war in einer negativen Stimmungslage“): S1: Mittelwert 3,5; Median 3 S2: Mittelwert 3,8; Median 3 S3: Mittelwert 3,8; Median 3 S4: Mittelwert 3,7; Median 3 S5: Mittelwert 4,0; Median 4
Ein Mittelwertvergleich mittels ANOVA bestätigt dieses Bild, der empirisch ermittelte FWert von F=0,785 liegt unter dem kritischen Tabellenwert von F4, 564, 0,95 = 2,39. Die Stimmungslage kann daher als homogen über die Teilstichproben betrachtet werden, es liegt kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen vor.
Experimentaldesign und Studienaufbau
7.4.3
467
Markenvorstellung
Die konkreteste Vorstellung in der Gesamtstichprobe kann bei den Marken ÖBB und Levis, ferner bei Römerquelle beobachtet werden, während das Markenbild von C&A verhältnismäßig diffus ausfällt. Die Verteilungen der Markenvorstellung können hinsichtlich News, C&A, Römerquelle und ÖBB als über die fünf Teilstichproben homogen angenommen werden, während bei den Marken Austrian Airlines und News signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen festzustellen sind (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Da die Markenbekanntheit (als Minimalvoraussetzung für die Teilnahme am Interview) bei allen Testpersonen in der Stichprobe gegeben war, wurden Personen mit geringer Markenvorstellung nicht a priori von der weiteren Datenanalyse ausgeschlossen. Aufgrund der gegebenen Markenbekanntheit darf ferner vermutet werden, dass die bei Austrian Airlines und Levis in den Teilstichproben signifikant unterschiedlich ausgeprägten Markenvorstellungen keinen Störeinfluss auf die Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken ausüben. Dennoch wird bei der Analyse der Darbietungsvarianten auf eventuelle Inkonsistenzen der Ergebnisse von Austrian Airlines und Levis im Vergleich zu den anderen Marken geachtet. 7.4.4
Art des Reizzuordnungsprozesses
Die in Kapitel 7.3.3.1 beschriebene Selbstreflexion mit Angabe der Art der Reizzuordnung auf die Marke durch die Testperson, stellt ein weiteres, über sämtliche Darbietungsvarianten konstant zu haltendes, Kriterium dar. Ein zu den anderen Bilddarbietungsvarianten (I – IV) signifikant höherer Anteil an Versuchspersonen, welche die Bildreize aufgrund sachhaltiger Merkmale (und nicht wegen der in ihnen implizierten Emotion) zuordnen, würde den Modalitätsvergleich vermutlich zum Nachteil dieser Variante verzerren. Abbildung 39 zeigt für jede Variante den Prozentsatz jener Testpersonen, welche die Reizzuordnung in den beiden Einleitungsbeispielen (A: Emotion Akzeptanz/Vertrauen – Marke Teekanne; B: Emotion Erfolg – Marke Kleiderbauer) entsprechend der durch den Reiz kommunizierten Emotion vornahmen. Für beide Beispiele liegt dieser Anteil in allen Varianten bei über 50% der Probanden.
468
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Stichprobenbeschreibung Art der Reizzuordnung durch die Testpersonen Anteil der Versuchspersonen, die nach der Selbstreflexion angaben, das gezeigte Bild (bzw. die gezeigte Bildsequenz) aufgrund der im Reiz implizierten Emotion und nicht anhand sachlicher Merkmale der Marke zugeordnet zu haben. Prozent der Testpersonen 55,7% 55,5%
Gesamtstichprobe*
25,8% 50,4% 56,5%
Variante I
24,3% 52,6%
Variante II
58,8% 27,2% 63,4%
Variante III
55,4% 27,7% 56,6% 51,3%
Variante IV
23,9%
0,0%
20,0%
40,0%
60,0%
80,0%
100,0%
Antwort nach Selbstreflexion zu Einleitung A (Marke Teekanne) Antwort nach Selbstreflexion zu Einleitung B (Marke Kleiderbauer) Schnittmenge A B Stichprobe: n=454 (115/114/112/113)
* in Variante V (Wortreizdarbietung) war keine Feedbackmöglichkeit vorgesehen.
Abbildung 39: Art der Reizzuordnung durch die Testpersonen
Die Schwierigkeit der Emotionsextrahierung wird bei Berechnung der Schnittmenge deutlich. Nur etwa ein Viertel der Testpersonen ordnet beide Beispielreize nach eigenen Angaben aufgrund ihres emotionalen Gehalts den Marken zu. Wenngleich in der Selbstreflexion nur jene Fälle erfasst werden, wo die Emotion in das Bewusstsein des Betrachters tritt, muss vermutet werden, dass die Reizzuordnung für einen beträchtlichen Teil der Versuchspersonen von Sachschemata geleitet wird. Vorstellbar ist ebenso – insbesondere, wenn der Bildreiz (auch) emotionsauslösende Wirkung besitzt – eine unbewusste Zuordnung des Stimulus auf die Marke, wo der Testperson die Reizinhalte erst im Zuge der Selbstreflexion bewusst und sachliche Merkmale als ausschlaggebend genannt werden. Darüberhinaus ist wahrscheinlich, dass Lern- bzw. Gewöhnungseffekte bei der Bildwahrnehmung den Anteil an emotionalen Zuordnungen mit zunehmender Dauer des Interviews erhöhen. Die Berechnung von Chi-Quadrat-Tests über die Darbietungsvarianten ergibt für die Selbstreflexion nach Einleitung A einen Wert von Ȥ²=4,45, für Einleitung B Ȥ²=1,34 und für die Verteilung der Schnittmenge AB Ȥ²=0,66. Sämtliche Werte liegen unter dem kritischen Tabellenwert von 7,81 (df=3, 1–Į=0,95), die variantenbezogenen Anteile der Testpersonen, welche die Reize aufgrund der entsprechenden Emotionsqualität zuordnen, sind nicht signifikant verschieden.
Experimentaldesign und Studienaufbau
7.4.5
469
Einstellung zu den untersuchten Marken und Markenpräferenz
Die Variablen Einstellung und Markenpräferenz dienen als Außenkriterium und werden zur Validierung der alternativen Messmethoden herangezogen. Die Einstellung gegenüber den in das Experimentaldesign aufgenommenen Marken zeigt linksschiefe Verteilungen für Austrian Airlines, Römerquelle und Levis und eine rechtsschiefe Verteilung für News. Insgesamt lässt sich daher in der Gesamtstichprobe eine positive Globaleinstellung zu den Marken Römerquelle, Levis und Austrian Airlines beobachten, während die Haltung gegenüber News mehrheitlich negativ ist. News und ÖBB weisen die größten Streuungen auf, bei Römerquelle und Austrian Airlines sind die Varianzen vergleichsweise gering. Die bei der Einstellung zur Marke festgestellte Schiefe verstärkt sich bei der Markenpäferenz, insbesondere News und C&A zählen zu den wenig bevorzugten Marken, Austrian Airlines und Römerquelle sind der Idealmarke in der jeweiligen Branche relativ am nächsten. Die höchsten Varianzen der Variablen Markenpräferenz weisen die Marken Levis und ÖBB auf.
470
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
8 Analyse der alternativen Messmethoden Die Analyse der alternativen Messmethoden erfolgt entsprechend den in Kapitel 7.2.2 formulierten Validitätsbestimmungen. Untersucht wird dementsprechend der Einfluss der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotionen auf die Einstellung zur Marke einerseits und auf die Markenpräferenz andererseits, die als Außenkriterien zur Validierung der Messungen herangezogen werden.
Schematischer Aufbau des Between-Groups-Design Variante I (Teilstichprobe S1) Einleitung
Hauptteil: Einzelbilddarbietung
Variante II (Teilstichprobe S2) Einleitung
abhängige Variable
unabhängige Variable D
Einstellung, Präferenz
Wortreizdarbietung
D
Einstellung, Präferenz
M
M
Between-GroupsVergleich
Hauptteil: Einzelbilddarbietung mit Priming
Variante III (Teilstichprobe S3) Einleitung
Hauptteil: Bildsequenz
D
Einstellung, Präferenz
M
D
Einstellung, Präferenz
M
Variante IV (Teilstichprobe S4) Einleitung
Hauptteil: Bildsequenz mit Priming
Variante V (Teilstichprobe S5) Einleitung
Hauptteil: Wortreizdarbietung
D
Einstellung, Präferenz
Einzelbilddarbietung
M
Ablauf des Interviews Abkürzungen: D...Demografie, M...Markenvorstellung
Abbildung 40: Schematischer Aufbau des Between-Groups-Designs
Wie oben dargelegt, wird eine Messmethode als umso valider im Hinblick auf die durch die Reizdarbietung vermittelte Emotionsqualität gesehen, je stärker sie die Beziehung zwischen Emotion und Einstellung bzw. Markenpräferenz herstellen kann. Die Stärke der Beziehung zwischen der unabhängigen Variablen (Emotion) und der abhängigen Variablen (den Außenkriterien Einstellung und Markenpräferenz) lässt sich grundsätzlich anhand eines einfachen Regressionsmodells darstellen. Problematisch stellt sich jedoch der intermodale Vergleich zwischen den fünf Teilstichproben bzw. den Reizdarbietungsvarianten dar, da durch die bloße Gegenüberstellung der einzelnen Regressionsmodelle weder Aussagen über das Vorhandensein eines Einflusses der
Analyse der alternativen Messmethoden
471
Präsentationsmodalität getroffen werden können, noch eine modellübergreifende Bewertung der Güte der Schätzung zulässig ist. Demnach gilt es, statistische Analysemethoden zu finden, mit Hilfe derer sich zwei Fragestellungen beantworten lassen müssen: 1. Welche Darbietungsvariante ist in der Lage, die stärkste Beziehung zwischen der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zu dieser Marke bzw. der Präferenz für diese Marke herzustellen, erreicht also die höchste Übereinstimmungsvalidität? 2. Welche der Präsentationsalternativen gilt als die beste Schätzung, weist die höchste Messgüte bzw. den geringsten Messfehler auf, zeigt daher die größte Prognosevalidität? Zur Beantwortung von Frage 1 wird ein Regressionsmodell mit integrierten Dummyvariablen für die alternativen Darbietungsvarianten entwickelt, wobei der Einfluss der Reizpräsentation auf den Zusammenhang zwischen der Emotion und der Einstellung bzw. Markenpräferenz mittels ANOVA analysiert wird (vgl. dazu das anschließende Kapitel 8.1). Die Frage nach der Modellgüte (Frage 2) kann nicht wie bei Regressionsmodellen üblich mittels Bestimmtheitsmaß R² – dem Anteil der erklärten Varianz im Modell – beantwortet werden, da aufgrund des Erhebungsdesigns (Between-Groups-Design) alternative Regressionsmodelle vorliegen, die strenggenommen nicht auf identische abhängige Variablen zugreifen. Stattdessen wird mittels des Verfahrens der Kreuzvalidierung jenes Modell ausgewählt, das die Beziehung zwischen Emotion und Einstellung bzw. Markenpräferenz am besten approximiert (vgl. Kapitel 8.3).
8.1 Analyse der Beziehungsstärke Zur Analyse der Beziehungsstärke wird die Datenmenge als ein aus fünf Untermengen – entsprechend den Teilstichproben S1...S5 – bestehendes System betrachtet. Dabei sind grundsätzlich vier Konstellationen von Regressionsbeziehungen denkbar. Abbildung 41 zeigt diese beispielhaft anhand einer Datenmenge mit zwei Untermengen (DRAPER und SMITH 1998, S. 307): a)
zwei Geraden mit unterschiedlichen Intercepts Steigungen: E0 + E1X, J0 + J1X (vier Parameter)
und
verschiedenen
b) zwei parallele Geraden (gleiche Steigung, verschiedene Intercepts): E0 + E1X, J0 + E1X (drei Parameter)
472
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
c)
zwei Geraden mit gleichen Intercepts E0 + E1X, E0 + J1X (drei Parameter)
(verschiedene
Steigungen):
d) eine Gerade: E0 + E1X (zwei Parameter)
Lineare Regressionsbeziehungen zweier Datenuntermengen a) zwei Intercepts, zwei Steigungen
b) zwei Intercepts, gleiche Steigung
Y
Y J0 + E1X
J0 + J1X
E 0 + E 1X
E0 + E1X
X
X
c) gleicher Intercept, zwei Steigungen
d) eine Gerade
Y
Y E0 + J1X
E 0 + E 1X E0 + E1X
X
X
Abbildung 41: Lineare Regressionsbeziehungen zweier Datenuntermengen (DRAPER und SMITH 1998, S. 308)
Berücksichtigung finden diese unterschiedlichen Konstellationen mittels Einfügen von Dummy Variablen in die Regressionsgleichung. Die Dummy-Regression stellt somit fest, ob sich die Untermengen mittels einer einzigen Beziehung beschreiben lassen – dann, wenn die Präsentationsmodalität keinen signifikanten Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Emotion und Einstellung bzw. Markenpräferenz ausübt – oder ob getrennte Regressionsgleichungen erforderlich sind, nämlich wenn ein Impact der Präsentationsvariante vorliegt. Ausgehend von der allgemeinen linearen Regressionsgleichung für den gesamten Datensatz Y = f(X, E) + H lässt sich durch Integration binär kodierter Dummy Variablen ein Modell formulieren, das den Einfluss der Datenuntermengen berücksichtigt:
Analyse der alternativen Messmethoden
473 r-1
Y = f(X, E) + ¦ Zj f(X, Dj) + H j=1
Y .................................................... abhängige Variable X .................................................... Matrix der unabhängigen Variablen Zj .................................................... Dummy Variablen E ..................................................... Matrix der Regressionskoeffizienten Dj .................................................... Änderung der Regressionskoeffizienten zwischen den Modellen H...................................................... Error
Zur Berücksichtigung der fünf Darbietungsmodalitäten werden daher vier Dummyvariablen Z1, Z2, Z3 und Z4 (vgl. Tabelle 1) in das Regressionsmodell einbezogen, eine Variante dient als Referenzgruppe. Die Wahl der Referenzgruppe ist willkürlich, sie dient lediglich als Fixpunkt, auf den sich Koeffizienten der anderen Varianten beziehen (vgl. dazu HARDY 1997, S. 9). Tabelle 1: Festlegung der Dummy Variablen Variante
Z1
Z2
Z3
Z4
I
1
0
0
0
II
0
1
0
0
III
0
0
1
0
IV
0
0
0
1
V
0
0
0
0
Das vollständige Regressionsmodell, welches unter Einbeziehung der Dummy Variablen fünf unterschiedliche Geraden berücksichtigt, lässt sich mit der Gleichung Y = E0 + E1X + Z1(J0 + J1X) + Z2(G0 + G1X) + Z3(K0 + K1X) + Z4(M0 + M1X) + H formulieren, wobei E0 und E1 die Koeffizienten der Regressionsgeraden sind und J, G, K und M die Abweichungen zu den Koeffizienten darstellen (vgl. dazu DRAPER und SMITH 1998, S. 309). Deutlich werden die Interaktionsterme aufgrund der Implementierung der Dummy Variablen bei ausmultiplizieren der Ausdrücke in den Klammern: Y = E0 + E1X + J0Z1 + J1(Z1X) + G0Z2 + G1(Z2X) + K0Z3 + K1(Z3X) + M0Z4 + M1(Z4X) + H Das vollständige Regressionsmodell (Modell 1) kommt zur Anwendung, falls die fünf Geraden unterschiedliche Intercepts und verschiedene Steigungen aufweisen. Die Geraden entsprechen dabei genau den Geraden bei gesonderter Analyse der fünf Präsentationsmodalitäten.
474
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Ist das Modell durch eine einzige Gerade erklärbar, so liegt kein signifikanter Einfluss der Präsentationsvariante auf den Zusammenhang zwischen Emotion und Einstellung bzw. Markenpräferenz vor. In diesem Fall müssen sämtliche Abweichungen sowohl des Intercepts E0 (d. h. die Differenzintercepts J0, G0, K0, M0) als auch des Regressionskoeffizienten E1 (d. h. die Differenzkoeffizienten J1, G1, K1, M1) Null ergeben. Geprüft wird daher folgende Nullhypothese: H0: J0 = J1 = G0 = G1 = K0 = K1 = M0 = M1 = 0 Ist einer der Koeffizienten von Null verschieden, so wird Ho verworfen und die Alternativhypothese H1 angenommen. Bleibt Ho aufrecht, so reduziert sich das vollständige Regressionsmodell auf die einfache Regressionsgleichung Y = E0 + E1X + H, das heißt der Zusammenhang zwischen Emotion und Einstellung (bzw. Markenpräferenz) unterliegt nicht dem Einfluss der Präsentationsmodalität. Die Prüfung der Hypothese erfolgt mittels Varianzanalyse der Fehlerquadratsummen von vollständigem (Modell 1) und einfachem Regressionsmodell (Modell 2). Dazu wird die F-Statistik mit folgender Prüfgröße Fempirisch herangezogen (DRAPER und SMITH 1998, S. 310): Fempirisch = [(SSModell 1 – SSModell 2)/(dfModell 1 – dfModell 2)]/MSEModell 1 SSModell 1.......................................... Sum of Squares des vollständigen Regressionsmodells SSModell 2.......................................... Sum of Squares des einfachen Regressionsmodells dfModell 1 ........................................... Degrees of Freedom des vollständigen Modells dfModell 2 ........................................... Degrees of Freedom des einfachen Modells MSEModell 1 ...................................... Mean Square der Residuen des vollständigen Modells
Falls Fempirisch den tabellarischen Wert der F-Verteilung Fkritisch übersteigt, muss Ho verworfen werden. Die Regressionsbeziehung ist dann nicht mittels einer einzigen Geraden zu beschreiben. Vielmehr bewirken die einzelnen Präsentationsmodalitäten verschiedene Geraden unterschiedlicher Steigungen und Intercepts. In diesem Fall ist das vollständige Regressionsmodell anzuwenden, das fünf variantenspezifische Geraden ergibt. Kann Ho beibehalten werden, so kann kein signifikanter Einfluss der Stimuluspräsentation auf die Beziehung zwischen Emotion und Einstellung (bzw. Markenpräferenz) nachgewiesen werden. Das gesamte Modell lässt sich mittels einer einzigen Geraden darstellen. Selbst wenn der Beziehung zwischen der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke bzw. der Markenpräferenz ein signifikanter Einfluss der Darbietungsmodalität nachgewiesen werden kann, lässt dies noch keinen Schluss über Unterschiede zwischen den Regressionsgeraden – insbesondere den Steigungskoeffizienten – zu. HARDY (1997) schlägt zur Prüfung der Homogenität von Regressionskoeffizienten die
Analyse der alternativen Messmethoden
475
Durchführung von t-Tests vor. Indem sich sämtliche Differenzkoeffizienten (J1, G1, K1, M1) auf die Referenzgruppe beziehen, lassen sich diese mittels t-Test untersuchen. Der t-Wert errechnet sich aus der Gegenüberstellung zweier Regressionskoeffizienten, das heißt beispielsweise für die Differenz von J1 und G1 (vgl. HARDY 1997, S. 23): tempirisch = (J1 – G1)/[var(J1) + var(G1) – 2cov(J1G1)]½ Geprüft wird die Nullhypothese auf Steigungshomogenität (H0: J1 = G1). H0 wird verworfen, sobald der errechnete t-Wert den kritischen Wert von 1,96 überschreitet (bzw. bei negativem t-Wert die kritische Marke von –1,96 unterschreitet, Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Entsprechend der Definition der Koeffizienten J1 = E(Yi | Z1 = 1) – E(Yi | ref) G1 = E(Yi | Z2 = 1) – E(Yi | ref) K1 = E(Yi | Z3 = 1) – E(Yi | ref) M1 = E(Yi | Z4 = 1) – E(Yi | ref) als Differenz der Steigungen zwischen der jeweiligen Darbietungsvariante (berücksichtigt durch die Dummyvariablen Z1...Z4) und der Referenzgruppe (Variante V) wird deutlich, dass der t-Test nur zwischen den Differenzkoeffizienten zulässig ist (vgl. HARDY 1997, S. 22f). Zum Vergleich des Regressionskoeffizienten E1 der Referenzgruppe mit den restlichen Steigungskoeffizienten ist es erforderlich, eine alternative Referenzgruppe zu wählen. Die Beziehungsstärke wird daher im Folgenden in jeweils zwei Schritten analysiert: 1. Prüfung des Einflusses der Darbietungsmodalität auf die Beziehung zwischen der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke bzw. der Markenpräferenz mittels ANOVA. 2. Lässt sich ein signifikanter Einfluss des Präsentationsmodus feststellen, so ist zu untersuchen, ob und welche Darbietungsvarianten sich hinsichtlich Anstieg der Geraden voneinander unterscheiden bzw. ob die für die Steigung verantwortlichen Regressionskoeffizienten als homogen zu betrachten sind. 8.1.1
Analyse der Beziehungsstärke zwischen Emotion und Einstellung zur Marke
Die Vorgangsweise der Analyse der Beziehungsstärke soll anhand der Emotion Freude im Zusammenhang mit der Marke Austrian Airlines dargestellt werden. Wie oben formuliert, besitzt das vollständige Regressionsmodell (Modell 1) folgende Form:
476
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Y = E0 + E1X + J0Z1 + G0Z2 + K0Z3 + M0Z4 + J1(Z1X) + G1(Z2X) + K1(Z3X) + M1(Z4X) + H Y .................................................... Einstellung gegenüber der Marke Austrian Airlines X .................................................... Emotion Freude im Zusammenhang mit der Marke Austrian Airlines Zj .................................................... Dummy Variablen, j = 1, 2, 3, 4 E0 .................................................... Intercept der Referenzgruppe (Variante V) E1 .................................................... Regressionskoeffizient der Referenzgruppe (Variante V) J0, G0, K0, M0 .................................... Differenzintercepts J1, G1, K1, M1 .................................... Differenzkoeffizienten H...................................................... Error
Die Aufnahme sämtlicher Variablen und Interaktionsterme in das Regressionsmodell liefert das in Tabelle 2 und Tabelle 3 dargestellte Ergebnis entsprechend SPSS-Datenanalyse: Tabelle 2: ANOVA des vollständigen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ANOVA
Quadratsumme
df
Mittel der Quadrate
F
Signifikanz
21,15
0,000
Regression
184,72
9
20,52
Residuen
542,55
559
0,97
Gesamt
727,28
568
Tabelle 3: Koeffizientenmatrix des vollständigen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines Modell
Nichtstandardisierte Koeffizienten. B
Standardfehler
Standardisierte Koeff. Beta
T
Signifikanz
(Konstante)
0,879
0,260
3,388
0,001
Z1
0,043
0,428
0,015
0,101
0,920
Z2
-0,074
0,365
-0,026
-0,203
0,839
Z3
0,653
0,356
0,230
1,835
0,067
Z4
0,384
0,348
0,135
1,103
0,271
X
0,564
0,075
0,614
7,484
0,000
Z1X
-0,199
0,123
-0,249
-1,616
0,107
Z2X
0,029
0,112
0,033
0,264
0,792
Z3X
-0,301
0,101
-0,394
-2,993
0,003
Z4X
-0,172
0,101
-0,212
-1,695
0,091
Demnach ergeben sich folgende variantenspezifische Regressionsgleichungen: Variante I: Variante II: Variante III: Variante IV: Variante V:
Y1 = 0,922 + 0,365 X1 Y2 = 0,805 + 0,593 X2 Y3 = 1,532 + 0,263 X3 Y4 = 1,263 + 0,392 X4 Y5 = 0,879 + 0,564 X5
Analyse der alternativen Messmethoden
477
Xp ................................................... Emotion Freude im Zusammenhang mit der Marke Austrian Airlines Yp ................................................... Einstellung gegenüber der Marke Austrian Airlines
Prämissen des Regressionsmodells Vor der weiteren Analyse des Modells sind die für lineare Regressionsmodelle vorausgesetzten Prämissen zu überprüfen. Das Modell soll daher hinsichtlich Heteroskedastizität, Autokorrelation, Multikollinearität und Nicht-Normalverteilung der Residuen überprüft werden (vgl. z.B. BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER 2000, S. 33ff). Für die gegenständliche Studie zeigen sich nach entsprechender Analyse keine Prämissenverletzungen (vgl. BOSCH 2004, S. 195ff), auf eine detaillierte Darstellung der Untersuchungsergebnisse wird hier deshalb verzichtet. Prüfung auf Homogenität der Geraden Geprüft wird die Hypothese H0: J0 = J1 = G0 = G1 = K0 = K1 = M0 = M1 = 0. Trifft die Nullhypothese zu, dann lässt sich das gesamte Regressionsmodell mittels einer einzigen Geraden beschreiben. Muss die Nullhypothese abgelehnt werden, dann verursachen die verschiedenen Präsentationsmodalitäten unterschiedlich stark ausgeprägte Zusammenhänge zwischen der gegenüber Austrian Airlines empfundenen Emotion Freude und der Einstellung zur Marke Austrian Airlines. Zur Hypothesenprüfung wird das einfache Regressionsmodell herangezogen. Tabelle 4: ANOVA des einfachen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines ANOVA
Quadratsumme
df
Mittel der Quadrate
F
Signifikanz
Regression
142,51
1
142,51
138,19
0,000
Residuen
584,76
567
1,03
Gesamt
727,28
568
Tabelle 5: Koeffizientenmatrix des einfachen Regressionsmodells Freude – Einstellung zu Austrian Airlines Modell
Nichtstandardisierte Koeffizienten. B
Standardfehler
(Konstante)
1,157
0,119
X
0,407
0,035
Standardisierte Koeff. Beta
0,443
T
Signifikanz
9,753
0,000
11,755
0,000
478
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Die berechnete F-Größe zur Hypothesenprüfung entsprechend Fempirisch = [(SSModell 1 – SSModell 2)/(dfModell 1 – dfModell 2)]/MSEModell 1 ergibt [(184,73 – 142,51)/(9 – 1)] / 0,97 = 5,43. Der tabellarische F-Wert beträgt F8, 559, 0,95 = 1,96. Der empirische F-Wert ist somit größer als der kritische Wert, weshalb die oben formulierte Nullhypothese verworfen werden muss. Es liegt somit ein signifikanter (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%) Einfluss der Präsentationsmodalität auf die Beziehung zwischen Emotion und Einstellung vor. Die Geraden weisen sowohl unterschiedliche Intercepts als auch verschiedene Steigungen auf, es ist daher das vollständige Regressionsmodell – entsprechend der zuvor formulierten fünf Gleichungen – auf die Daten anzuwenden.
Beziehung Emotion Freude – Einstellung zu Austrian Airlines
Einstellung (Yi)
6
5
4
3
2
Freude (Xi)
1 1 Präsentationsmodus:
2 Variante I
3 Variante II
4
5 Variante III
6 Variante IV
Variante V
Freude (Xi): 1=„empfinde ich sehr stark mit dieser Marke“; 6=„empfinde ich sehr schwach mit dieser Marke“ Einstellung (Yi) : 1=„stehe dieser Marke sehr positiv gegenüber“; 6=„stehe dieser Marke eher ablehnend gegenüber“
Abbildung 42: Regressionsbeziehung Freude – Einstellung zur Marke Austrian Airlines in den fünf Varianten
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Art der Reizpräsentation insgesamt einen signifikanten Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Freude und Einstellung bei Austrian Airlines ausübt, wobei die Einzelbildpräsentation mit vorangehendem Wortpriming (Variante II) und die reine Wortdarbietung (Variante V) den stärksten Zusammenhang zwischen der Emotion Freude und der Einstellung zur Marke herstellen.
Analyse der alternativen Messmethoden
479
Prüfung auf Homogenität der Steigungen Die oben durchgeführte Hypothesenprüfung auf Homogenität der Geraden besagt noch nicht in befriedigendem Maße, ob die Steigungen isoliert betrachtet ebenfalls einem Einfluss der Präsentationsmodalität unterliegen. Die Hypothese H0: J0 = J1 = G0 = G1 = K0 = K1 = M0 = M1 = 0 wird verworfen, sobald ein Koeffizient ungleich Null ist und somit auch dann, wenn sich die Geraden nur hinsichtlich ihrer Intercepts, nicht aber bezüglich ihrer Steigungen unterscheiden (es sich daher eigentlich um parallele Geraden handelt). Im Besonderen interessiert, ob sich die Geraden hinsichtlich ihrer Steigung differenzieren oder ob die Unterschiede zufällig sind. Die Varianten werden paarweise mittels oben beschriebenem t-Test untersucht, zu prüfen sind folgende Nullhypothesen: H0-I-II: J1 = G1 H0-I-III: J1 = K1 H0-I-IV: J1 = M1 H0-I-V: J1 = ȕ19
H0-II-III: G1 = K1 H0-II-IV: G1 = M1 H0-II-V: G1 = ȕ1
H0-III-IV: K1 = M1 H0-III-V: K1 = ȕ110
H0-IV-V: M1 = ȕ1
Die errechneten t-Werte und das Ergebnis der Hypothesenprüfung sind in Tabelle 6 dargestellt: Tabelle 6: Hypothesenprüfung auf Homogenität der Steigungen der Beziehung Freude – Einstellung zur Marke Austrian Airlines Hypothesenprüfung (1–Į = 0,95)
Austrian Airlines
H0-II-I: G1 = J1
temp. = 1,79 Æ nicht sign.a
H0-II-III: G1 = K1
temp. = 3,12 Æ signifikant
H0-II-IV: G1 = M1
temp. = 1,89 Æ nicht sign.a
H0-II-V: G1 = ȕ1
temp. = 0,26 Æ nicht sign.
H0-V-I: ȕ1 = J1
temp. = 1,62 Æ nicht sign.
H0-V-III: ȕ1 = K1
temp. = 2,99 Æ signifikant
H0-V-IV: ȕ1 = M1
temp. = 1,69 Æ nicht sign.a
Anmerkung: Die übrigen Variantenpaare weisen keine signifikant unterschiedlichen Steigungskoeffizienten auf.
tkritisch = r1,96 a.
tendenzieller Einfluss der Darbietungsmodalität bei 1–Į = 0,90 mit tkritisch = r1,65
9
10
Zur Prüfung der Nullhypothese H0-I-V: K1 = ȕ1 wurde Variante II als Referenzgruppe der Dummyregression gewählt. ȕ1 und K1 sind in diesem Fall als Differenzkoeffizient zu G1 aufzufassen. Zur Prüfung der Nullhypothese H0-III-V: G1 = ȕ1 wurde Variante III als Referenzgruppe der Dummyregression gewählt. G1 und ȕ1 sind in diesem Fall als Differenzkoeffizient zu K1 aufzufassen.
480
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Die Steigungen der Regressionsgeraden der Varianten II und V sind trotz der optischen Unterschiede als homogen zu betrachten. Von Variante II unterscheidet sich Variante III signifikant, die Versionen I und IV tendenziell. Die Wortreizdarbietung verzeichnet einen signifikant bzw. tendenziell steileren Anstieg gegenüber den beiden sequenziellen Messmethoden. In gleicher Weise wurde die Beziehungsstärke zwischen Emotion und Einstellung zur Marke (bzw. Markenpräferenz) für sämtliche Emotion-Marken-Kombinationen analysiert. Auf eine detaillierte Ausführung wird im Rahmen dieses Beitrages aber verzichtet. Für die ausführliche Darstellung der Ergebnisse sei auf BOSCH (2004, S. 204ff) verwiesen. 8.1.2
Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke
Sämtliche durchgeführte Einzelanalysen sollen einer gemeinsamen Betrachtung unterzogen werden, wobei getrennt nach den Beziehungen Emotion – Einstellung und Emotion – Markenpräferenz vorgegangen wird. 8.1.2.1 Stärke der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke Die Analyse der Beziehungsstärke zwischen der im Zusammenhang mit der Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke zeigt zwei grundsätzlich zu favorisierende Darbietungsmodalitäten – die Darbietung mittels geprimter Einzelbilder (Variante II) und die Wortreizpräsentation (Variante V). Von den insgesamt 12 im Experimentaldesign berücksichtigten Emotion-Marken-Kombinationen stellte Variante II neun Mal, Variante V drei Mal jene Alternative mit dem größten Steigungskoeffizienten. Die geringste Beziehungsstärke wurde in 10 Fällen mittels sequenzieller Bilddarbietung (Variante III) erreicht. Die Zusammenfassung der signifikanten Unterschiede zwischen den Varianten lässt zwei Typen von Darbietungsalternativen erkennen: x Reizpräsentationsmodalitäten mit verhältnismäßig hohem (bzw. ausschließlichem) Verbalanteil: Variante II (jedes Bild wurde mit einem Wortprime versehen, d. h. ein Verbal-Nonverbalverhältnis von 1:1) und Variante V (rein verbal). x Darbietungsformen ohne oder mit nur geringem Verbalanteil: Varianten I und III (rein nonverbal), sowie Variante IV (die Sequenz aus drei Bildreizen wurde mit einem Wortprime gestartet, d. h. ein Verbal-Nonverbalverhältnis von 1:3). Signifikante Unterschiede zwischen den Varianten lassen sich ausschließlich auf Ebene dieser Gruppen feststellen (vgl. Abbildung 43). Die innerhalb der Gruppen bestehenden Differenzen unterliegen zwar einer gewissen Regelmäßigkeit, sind aber statistisch als zufällig zu betrachten.
Analyse der alternativen Messmethoden
481
I
III
IV
V 1
II III
3
3
IV
1+2
1+1
V
I Beziehungsstärke Stolz – Einstellung zur Marke
II 1+2
I
II 2
III
IV
3
III
2
3
IV
2
1+2
II
III
IV
V
Legende:
I
1+1
I
II
I II II III
2
IV
1+1
2 Lesebeispiel: Variante II weist in 2 von 3 Fällen eine höhere Beziehungsstärke auf als Variante I.
V
V
II
V
I Beziehungsstärke Liebe – Einstellung zur Marke
I
I Beziehungsstärke Ärger – Einstellung zur Marke
Beziehungsstärke Freude – Einstellung zur Marke
Summary: Beziehungsstärke Emotion – Einstellung
I
II
III
IV
1+1
V
in 3 Fällen
1
in 2 Fällen in 1 Fall
II III
2
1
IV
2
1+1
V
1+1
Anzahl der tendenziellen Ergebnisse
Anzahl der signifikanten Ergebnisse
Abbildung 43: Gesamtbetrachtung Beziehungsstärke Emotion – Einstellung
Ausgehend von der oben getroffenen Reizklassifizierung sind weitere (statistisch allerdings nicht belegbare) Erkenntnisse ableitbar: x Reizdarbietungen mit verbalem Priming weisen in allen Fällen höhere Steigungskoeffizienten auf, als das jeweilige ungeprimte Pendant. Das heißt, Variante II stellt eine stärkere Beziehung zwischen der im Zusammenhang mit einer Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke her als Variante I, analog verhalten sich die Varianten IV und III. x Einzelbilddarbietungen (Varianten I und II) stellen in fast allen Fällen eine stärkere Beziehung zwischen Emotion und Einstellung her als die entsprechende sequenzielle Darbietung der Reize (Varianten III und IV). x Zwischen den Emotionen lassen sich darbietungsspezifische Unterschiede beobachten. Innerhalb der Emotionsqualität Stolz erreichen sämtliche Darbietungen mit verbalem Anteil (Varianten II, IV und V) höhere Steigungskoeffizienten als reine Bildpräsentationen. Variante V weist bei Stolz gegenüber allen Varianten der Gruppe mit geringem Verbalanteil einen zumindest tendenziell steileren Anstieg der Regressionsgeraden auf und liegt in zwei Fällen auch vor Variante II. Die Stellung der Wortreizdarbietung ist mit den für Stolz eingesetzten Bildreizen erklärbar. Die Bildreize haben entsprechend dem in Kapitel 3.2 entwickelten Kontinuum der Bildtypen rein
482
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
emotionsdarstellenden Charakter, die Ich-Beteiligung ist gering, im Modell der Bildzuordnung auf Marken (vgl. Abbildung 29) ist nur der Pfad der Emotionsidentifizierung relevant. Demgegenüber finden sich bei Ärger wenigstens vereinzelt Varianten der (überwiegend) bildhaften Reizdarbietungen, die eine gegenüber der reinen Wortpräsentation stärkere Beziehung zwischen Emotion und Einstellung zeigen. Dies ist insofern bemerkenswert, als Ärger mit Bildern kommuniziert wird, die neben der emotionsdarstellenden Komponente in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße rezeptive Emotionen auslösen. 8.1.2.2 Stärke der Beziehung Emotion – Markenpräferenz Die Validierung der alternativen Emotions-Messmethoden mit dem Außenkriterium Markenpräferenz zeigt recht ähnliche Ergebnisse wie die zuvor analysierte Beziehung Emotion – Einstellung. Die oben hinsichtlich der statistisch signifikanten Unterschiede getroffene Einteilung in zwei Gruppen mit hohem und geringen Verbalanteil der Reize bleibt aufrecht. Insgesamt lassen sich aber aufgrund des nur mittelbaren Einflusses von Emotionen auf die Markenpräferenz weniger signifikante Unterschiede zwischen diesen Gruppen feststellen.
Summary: Beziehungsstärke Emotion – Markenpräferenz III
IV
V Beziehungsstärke Liebe – Markenpräferenz
1+2
IV V
I
II 1
II
III
IV
V
Legende:
I
I
II III
III
IV
III
2+1
2+1
IV
1
1
II
I II II III IV
Lesebeispiel: Variante II weist in 2 von 3 Fällen eine höhere Beziehungsstärke auf als Variante I.
V
V 1+1
II
V
I
1
I
I Beziehungsstärke Stolz – Markenpräferenz
II
I Beziehungsstärke Ärger – Markenpräferenz
Beziehungsstärke Freude – Markenpräferenz
I
II
III
IV
V
in 3 Fällen
I
in 2 Fällen
II
in 1 Fall
III
1
IV
1
V
1+1
Anzahl der tendenziellen Ergebnisse
Anzahl der signifikanten Ergebnisse
Abbildung 44: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke Emotion – Markenpräferenz
Insgesamt gestaltet sich die Analyse der Präsentationsmodi differenzierter als im vorangegangenen Kapitel:
Analyse der alternativen Messmethoden
483
x Bei Stolz weisen sämtliche Darbietungen mit verbalen Elementen höhere Steigungskoeffizienten auf als die reinen Bildpräsentationen. Somit bestätigt sich die oben begründete Überlegenheit von (zumindest teilweise) verbalisierten Messmethoden gegenüber ausschließlich emotionsdarstellenden Bildreizen. x Bei Freude ist lediglich ein signifikanter Unterschied von Variante II gegenüber Variante III festzustellen. Darüber hinaus zeigen sich aber in allen Fällen Vorteile der Varianten mit Verbalanteil gegenüber den reinen Bilddarbietungen. x Bei Liebe und Ärger zeigt die Gegenüberstellung der Varianten ein eher diffuses Bild. Zwar weist die Darbietung von Wortreizen gegenüber den sequenziellen Stimuluspräsentationen bei Ärger jeweils ein signifikantes Ergebnis auf, zeigt aber andererseits keine signifikant stärkere Beziehung zwischen Emotion und Markenpräferenz als die Einzelbilddarbietung (Variante I). Bei Liebe sind statistisch betrachtet alle Varianten gleichwertig. Ausschlaggebend dürfte – wie bereits in Kapitel 8.1.2.1 angeführt – die in den Reizen enthaltene rezeptive Emotion sein, welche die Schemaaktivierung im Vergleich zu rein emotionsdarstellenden Bildern unterstützt. x Wie oben erreichen Einzelbildpräsentationen (mit wenigen Ausnahmen) höhere Steigungskoeffizienten als sequenziell dargebotene Stimuli. 8.1.2.3 Reduzierung der Wortreizdarbietung auf die verbalisierte Emotionsqualität In den bisherigen Analysen der Beziehungsstärke zwischen der Emotion und der Einstellung zur Marke bzw. der Markenpräferenz wurde die Wortreizdarbietung jeweils aus drei Einzelreizen bestehend berücksichtigt. Wie in Kapitel 7.3.2.3 beschrieben, wurden die verbalen Stimuli assoziativ aus den entsprechenden Bildreizen generiert, die von SCHIEL (2004) faktoranalytisch ermittelte Bilderskala zur Messung von Emotionen determiniert daher (zumindest indirekt) die Entwicklung der Wortitems. Im Folgenden wird versucht, den Effekt der Skalenentwicklung auf die Ableitung der Wortreize auszuschalten, indem in Variante V*11 jeweils nur die verbalisierte Emotionsqualität als Stimulus in die Analyse einbezogen wird12. Anhand der EmotionMarken-Kombination Liebe-Austrian Airlines wird dies beispielhaft gezeigt:
11
12
Um Verwechslungen in nachfolgenden Kapiteln vorzubeugen, wird die reduzierte Wortreizdarbietung als Variante V* bezeichnet. Das bedeutet, die verbalen Reize der reduzierten Variante V* entsprechen den in den Varianten II und IV verwendeten Primes.
484
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Reduzierung der Anzahl verbaler Reize Darstellung am Beispiel Liebe – Einstellung zu Austrian Airlines 6
Variante V: Wortreizdarbietung bestehend aus drei EinzelItems (analog den vorangegangenen Analysen)
Einstellung (Yi)
5
4
3 Variante V*: Wortreizdarbietung mittels einem Item (der verbalisierten Emotionsqualität)
2
Liebe (Xi)
1 1 Präsentationsmodus:
2 Variante I
3
4 Variante II
5 Variante III
6 Variante IV
Variante V
Variante V*
Liebe (Xi): 1=„empfinde ich sehr stark mit dieser Marke“; 6=„empfinde ich sehr schwach mit dieser Marke“ Einstellung (Yi) : 1=„stehe dieser Marke sehr positiv gegenüber“; 6=„stehe dieser Marke eher ablehnend gegenüber“
Abbildung 45: Reduzierung der Anzahl verbaler Reize am Beispiel Liebe – Einstellung zur Marke Austrian Airlines
Die Beziehungsstärke für Variante V ist sowohl für den Einsatz von drei Einzelreizen („Liebe“, „Zweisamkeit“, „Glück“), als auch bei Berücksichtigung nur der verbalisierten Emotionsqualität „Liebe“ (Variante V*) dargestellt. Der ausschließliche Einsatz des Wortes „Liebe“ zur Messung der Emotion im Zusammenhang mit Austrian Airlines erzielt entsprechend der grafischen Analyse eine schwächere Wirkung als die Verwendung dreier emotionaler Wortitems, die (korrespondierend mit den Bildreizen) verschiedene Aspekte von „Liebe“ vermitteln. Erfolgt unter der Prämisse reduzierter Wortreizdarbietungen eine neuerliche Gegenüberstellung der alternativen Messmethoden, so verringert sich die Anzahl signifikanter Ergebnisse bezogen auf unterschiedliche Steigungskoeffizienten zwischen Variante V* und den übrigen Reizdarbietungen. Analog zu Abbildung 43 zeigt Abbildung 46 die Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke, allerdings bei Verwendung der verbalisierten Emotionsqualität in Variante V*.
Analyse der alternativen Messmethoden
485
I
III
IV
V*
II III
3
IV
1+2
3
V
I Beziehungsstärke Stolz – Einstellung zur Marke
II 1+2
I
II 2
III
IV
1
III
2
1
IV
2
1
II
III
IV
V*
Legende:
I
1+1
I
II
I II II III
2
IV
1+1
V
2
V*
II
V
I Beziehungsstärke Liebe – Einstellung zur Marke
I
I Beziehungsstärke Ärger – Einstellung zur Marke
Beziehungsstärke Freude – Einstellung zur Marke
Beziehungsstärken bei Modifikation der Wortreizdarbietung
I
II
Lesebeispiel: Variante II weist in 2 von 3 Fällen eine höhere Beziehungsstärke auf als Variante I.
III
IV
V*
in 3 Fällen
1+1
in 2 Fällen in 1 Fall
II III
2
IV
2
V
2
1+1
Anzahl der tendenziellen Ergebnisse
Anzahl der signifikanten Ergebnisse
Variante V* bestand aus jeweils einem Wortreiz in Form der verbalisierten Emotionsqualität (d. h. Freude, Liebe, Stolz, Ärger)
Abbildung 46: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung bei Reduzierung der Wortreizdarbietung
Signifikant höhere Steigungskoeffizienten der reduzierten Wortreizdarbietung gegenüber den alternativen Präsentationsmodi lassen sich nur mehr bei Stolz feststellen. Demgegenüber erzielt die geprimte Einzelbilddarbietung (Variante II) eine signifikant stärkere emotionale Wirkung gegenüber Variante V* in jeweils zwei Fällen bei Liebe und Ärger, also jenen Emotionen mit dem vermutlich höchsten Anteil emotionsauslösender Komponenten. Für Variante II lassen die Ergebnisse vermuten, dass der Prime – wie vorgesehen – die Bahnung des emotionalen Schemas übernimmt, während das nachfolgende Bild jeweils unterschiedliche Aspekte der Emotionsqualität vermittelt und in wesentlichem Maße für die emotionale Wirkung der Reizdarbietung verantwortlich ist. 8.1.3
Überprüfung der Wirkungshypothese
Die Wirkungshypothese (Hypothese 1, vgl. Kapitel 6.1) überprüft, ob sich die alternativen Darbietungsmodalitäten hinsichtlich der Wirkung der reizvermittelten Emotionsqualität unterscheiden. Schon die Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärken Emotion – Einstellung und Emotion – Markenpräferenz lässt einen solchen Unterschied vermuten. Die Wirkungshypothese soll für beide Validierungskriterien Einstellung und Markenpräferenz überprüft werden.
486
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Wie in 8.1.2.1 zusammenfassend gezeigt wurde, sind nur zwei Darbietungsvarianten in der Lage, eine signifikant stärkere Beziehung (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%) zwischen der im Zusammenhang mit der Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke bzw. der Markenpräferenz gegenüber den übrigen Darbietungsmodalitäten herzustellen. Die kreuztabellarische Darstellung der signifikanten Ergebnisse für alle Varianten soll Aufschluss geben, ob sich überzufällige modusspezifische Unterschiede nachweisen lassen. Die maximale Anzahl signifikanter Ergebnisse je Emotion-Marken-Kombination für eine Darbietungsvariante beträgt 4, nämlich wenn eine Variante einen gegenüber allen übrigen Präsentationsformen signifikant höheren Steigungskoeffizienten aufweist. Für alle 12 untersuchten Emotion-Marken-Kombinationen bedeutet das eine Obergrenze von 48 signifikanten Ergebnissen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die tatsächliche Anzahl signifikanter Ergebnisse der Beziehung Emotion – Einstellung: Tabelle 7: Variantenvergleich der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung Variantenvergleich
I
II
III
IV
V
Signifikante Ergebnisse
0
19
0
0
16
nicht signifikante Ergebnisse
48
29
48
48
32
Die Ausführung eines Chi-Quadrat-Tests13 ergibt einen errechneten Wert von Ȥ²=62,22, welcher deutlich über dem kritischen Wert von 9,49 (df=4, 1–Į=0,95) liegt. Die Darbietungsalternativen weisen überzufällig unterschiedliche Anzahlen signifikanter Ergebnisse bei Analyse der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung auf. Die Wirkungshypothese ist (bei Heranziehen der Einstellung zur Marke als Außenkriterium) anzunehmen. Bei Verwendung der Markenpräferenz als Validierungskriterium liegt ein ähnliches Ergebnis vor: Tabelle 8: Variantenvergleich der Beziehungsstärke Emotion – Markenpräferenz Variantenvergleich
I
II
III
IV
V
Signifikante Ergebnisse
0
5
0
0
6
nicht signifikante Ergebnisse
48
43
48
48
43
13
Die Prämisse des Chi-Quadrat-Tests, dass bei df>1 keine erwartete Häufigkeit kleiner als 1 ausfällt und max. 20% der Zellen erwartete Häufigkeiten unter 5 aufweisen, ist erfüllt (vgl. SIEGEL 2001, S. 107).
Analyse der alternativen Messmethoden
487
Die Gegenüberstellung des empirischen Chi-Quadrat-Wertes Ȥ²=17,53 mit dem kritischen Tabellenwert von 9,49 (df=4, 1–Į=0,95) zeigt auch für die Beziehung Emotion – Markenpräferenz signifikante Unterschiede zwischen den Varianten hinsichtlich Wirkung der Emotionsvermittlung. Die Wirkungshypothese wird für beide Validitätskriterien angenommen: Alternative Formen der Stimuluspräsentation unterscheiden sich hinsichtlich der Wirkung der reizvermittelten Emotionsqualität. 8.1.3.1 Überprüfung der emotionalen Wirkung von Bildsequenzen (Hypothese 1.1) Der Vergleich der sequenziellen Bilddarbietungen gegenüber den Einzelbildpräsentationen ist nur jeweils innerhalb der beiden Modi „ohne Verbalpriming“/„mit Verbalpriming“ zulässig, um die Ceteris Paribus Bedingung einer außer der Gruppierung unveränderten Darbietungsmodalität nicht zu verletzen. Die Analyse ist dementsprechend zwischen den Varianten I und III bzw. II und IV durchzuführen. Die in den Kapiteln 8.1.2.1 und 8.1.2.2 gegebene, auf den Ergebnissen der Regressionsanalysen basierende Gesamtbetrachtung der Varianten zeigt, dass unabhängig des angewandten Außenkriteriums über alle untersuchten Emotion-Marken-Kombinationen keine einzige (auch nur betragsmäßig festzustellende) Überlegenheit der sequenziellen Darbietung gegenüber der jeweils verwandten Einzelbildpräsentation vorliegt. Die Hypothese der höheren emotionalen Wirkung sequenziell dargebotener Bildreize gegenüber deren Einzeldarbietungen muss verworfen werden. Aufgrund der Ergebnisse gilt: Werden Emotionen mittels zu Bildsequenzen gruppierten Stimuli vermittelt, so lässt sich dadurch keine höhere emotionale Wirkung als bei einzeln präsentierten (und den Marken zugeordneten) Bildreizen erzielen. Vielmehr ist der gegenteilige Effekt, dass Einzelbildpräsentationen eine höhere emotionale Wirkung erzielen als die verwandte sequenzielle Reizdarbietung, zu beobachten. Mögliche Ursachen des zur theoretischen Argumentation widersprüchlichen Ergebnisses werden in Kapitel 9.2 diskutiert. 8.1.3.2 Überprüfung der emotionalen Wirkung von verbalem Priming (Hypothese 1.2) Die zusammenfassende Gegenüberstellung der Varianten zeigt sowohl bei Einstellung als auch bei Markenpräferenz als Validierungskriterium einen in fast allen analysierten EmotionMarken-Kombinationen betragsmäßig höheren Steigungskoeffizienten der geprimten (II und IV) gegenüber der verwandten nicht geprimten (I und III) Variante. Wenngleich der Wertevergleich der Koeffizienten den Schluss zulässt, dass sich verbales Priming positiv auf die emotionale Wirkung der Reizpräsentation auswirkt, lässt sich diese statistisch nur in einer
488
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Kategorie nachweisen. So zeigt der Vergleich der Einzelbildvarianten I und II (bei Untersuchung der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung) über alle 12 Emotion-MarkenKombinationen 6 signifikante Unterschiede zugunsten Variante II, bei keinem einzigen Vorteil für Variante I. Der empirische Chi-Quadrat-Wert der Vierfeldertafel Ȥ²=8,00 liegt über dem kritischen Tabellenwert von 3,84 (df=1, 1–Į=0,95), Variante II weist im direkten Vergleich zu Variante I überzufällig mehr signifikante Ergebnisse der Beziehungsstärke auf. In der Beziehung Emotion – Markenpräferenz weist Variante II gegenüber Variante I nur einen signifikant höheren Steigungskoeffizienten auf, zeigt aber in 10 von 12 möglichen Fällen einen steileren Anstieg der Regressionsgeraden und widerspricht somit nicht dem Ergebnis der Beziehung Emotion – Einstellung. Für einzeln dargebotene Bildreize ist Hypothese 1.2 folglich beizubehalten, es gilt: Wird bei Einzelbilddarbietungen ein kurzzeitig präsentierter Wortreiz (in Form der verbalisierten Emotionsqualität) vorangestellt, so erhöht dies die emotionale Wirkung der Messung gegenüber den ungeprimten Einzelbildpräsentationen. Für die sequenzielle Darbietung der Bildreize lässt sich die Hypothese nicht bestätigen, es gilt die Nullhypothese, dass Bildsequenzen mit und solche ohne Verbalpriming als gleichwertige Methoden hinsichtlich ihrer emotionalen Wirkung aufzufassen sind. 8.1.3.3 Überprüfung der emotionalen Wirkung von Wortreizen (Hypothese 1.3) Entgegen der Auffassung, Bildreize entfalten aufgrund des Bildüberlegenheitseffektes eine stärkere emotionale Wirkung im Rahmen der Messung von Konsumentenemotionen, konnte festgestellt werden, dass die in der Studie verwendeten Wortreize insbesondere den reinen Bilddarbietungen hinsichtlich Beziehungsstärke deutlich überlegen sind. Die Hypothese, wonach die Darbietung von Wortreizen den bildhaften Präsentationsformen in Bezug auf die emotionale Wirkung unterlegen ist, muss verworfen werden. Vielmehr ist bei Gegenüberstellung von Variante V und den reinen Bildvarianten I und III empirisch nachzuweisen14, dass die Wortreizdarbietung (verglichen mit den Varianten I und III) überzufällig häufiger in der Lage ist, signifikante Unterschiede zu diesen Varianten herzustellen als umgekehrt. Neben dem bereits in Kapitel 8.1.2.3 angesprochenen (indirekten) Einfluss der Skalenentwicklung auf die Ableitung der Wortreize, wird in Kapitel 9.2 versucht, weitere Gründe, die zum Verwerfen von Hypothese 1.3 geführt haben, zu beleuchten.
14
Variante V stellt gegenüber den Varianten I und III 13 (von 24 möglichen) signifikanten Unterschiede in der Stärke der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke her. Der empirisch ermittelte Chi-Quadrat-Wert beträgt Ȥ²=10,58 und liegt über dem kritischen Tabellenwert von 5,99 (df=2, 1–Į=0,95).
Analyse der alternativen Messmethoden
489
Die Betrachtung der alternativen Darbietungsformen unter der Prämisse reduzierter Wortreizdarbietungen (vgl. Kapitel 8.1.2.3) führt zwar ebenfalls zu einem Verwerfen von Hypothese 1.3, Variante V* ist unter diesen Bedingungen aber nicht in der Lage, einen signifikant stärkeren Zusammenhang zwischen Emotion und Einstellung als die bildhaften Präsentationsmodi herzustellen.
8.2 Einfluss des Ausmaßes „emotionalen Bildverstehens“ In den Kapiteln 7.3.3.1 und 7.4.4 wurde bereits über die Implementierung von Selbstreflexionen im Einleitungsteil des Experimentalfragebogens diskutiert. Die Angaben der Testpersonen zur Art der Zuordnung der Reize auf die Marken werden im Folgenden zur Bildung zweier Teilgruppen herangezogen. Die Zuteilung der Versuchspersonen auf die Teilgruppen erfolgt gemäß der Art der Reizzuordnung: x Teilgruppe E bilden jene Versuchspersonen, die nach eigenen Angaben beide Beispielreize (Einleitung A, Einleitung B) aufgrund der in den Stimuli enthaltenen Emotion den Marken zuordneten (analog Schnittmenge AB in Abbildung 39). Diese Testpersonen werden als Gruppe mit „emotionalem Bildverstehen“ definiert. x In Teilgruppe S fallen alle Probanden, für welche zumindest bei einem der beiden Beispielreize Sachschemata für die Markenzuordnung ausschlaggebend waren (Komplementärgruppe zu E). Für beide Teilgruppen soll die in den vorangegangenen Kapiteln durchgeführte Analyse der Beziehungsstärke zwischen der im Zusammenhang mit der Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zu dieser Marke erneut durchgeführt werden. Dazu ist es erforderlich, die bereits bestehenden Dummyvariablen Z1...Z4 um weitere zu ergänzen. Jede Darbietungsmodalität (mit Ausnahme von Variante V) wird in die Teilgruppen E und S geteilt, insgesamt werden neun alternative Gruppen untersucht. Das DummyRegressionsmodell weist daher in acht Dummyvariablen auf, Variante V dient wiederum als Referenzgruppe. Das Regressionsmodell, welches sowohl die Darbietungsvariante als auch den Split der Teilgruppen berücksichtigt, besitzt somit folgende Gleichung: Y = E0 + E1X + J0EZ1E + J0SZ1S + G0EZ2E + G0SZ2S + K0EZ3E + K0SZ3S + M0EZ4E + M0SZ4S + + J1E(Z1EX) + J1S(Z1SX) + G1E(Z2EX) + G1S(Z2SX) + K1E(Z3EX) + K1S(Z3SX) + + M1E(Z4EX) + M1S(Z4SX) + H
490
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Y .................................................... Einstellung gegenüber der Marke X .................................................... Emotion im Zusammenhang mit der Marke ZjE,S................................................. Dummy Variablen, j = 1, 2, 3, 4 E0 .................................................... Intercept der Referenzgruppe (Variante V) J0E,S, G0E,S, K0E,S, M0E,S ..................... Differenz-Intercepts der Varianten I – IV E1 .................................................... Regressionskoeffizient der Referenzgruppe (Variante V) J1E,S, G1E,S, K1E,S, M1E,S ..................... Differenz-Koeffizienten der Varianten I – IV H...................................................... Error
8.2.1
Analyse der Beziehungsstärke Freude – Einstellung zur Marke
Das Ergebnis der Dummy-Regressionsanalyse zur Untersuchung der Beziehungsstärke zwischen der Emotion Freude und der Einstellung zur Marke ist in Abbildung 47 für die Marke C&A – getrennt nach Darbietungsvarianten – grafisch dargestellt. Es wird deutlich, dass Testpersonen, welche beide einleitenden Stimuli im Sinne der Aufgabenstellung – das heißt nach der in den Bildreizen implizierten Emotion – einer Marke zuordneten, auch im Hauptteil des Experimentalfragebogens eine stärkere Beziehung zwischen der Emotion und der Einstellung zur Marke aufzeigen. Dabei ist eine Differenz der jeweiligen Regressionskoeffizienten in der Grafik bei den Varianten II, III und IV erkennbar, die Steigungen in Variante I sind nahezu identisch.
Beziehung Emotion Freude – Einstellung Einfluss der Art der Reizzuordnung durch die Testpersonen
4
Variante I
5 4
3
1
6 5
Skalenbeschriftung:
4 Freude (X): 1=„empfinde ich sehr stark (...)“ 6=„empfinde ich sehr schwach (...)“ Einstellung (Y): 1=„... sehr positiv“ 6=„... eher ablehnend“
2
3
4
5
6
Freude (X)
1
6 Variante III
5 4
3
2
3
4
5
6
Variante IV
3
2 1
1
Einstellung (Y)
Teilgruppe S Komplementärgruppe
2 Freude (X)
Einstellung (Y)
Varianten I - IV
1
Variante II
3
2 Teilgruppe E „emotionales Bildverstehen“
Varianten I - IV
Einstellung (Y)
5 Marke:
6
Einstellung (Y)
6
2 Freude (X)
1
2
3
4
5
6
1
Freude (X)
1
2
3
4
5
6
Abbildung 47: Einfluss des Reizzuordnungsprozesses auf die Beziehung Freude – Einstellung zur Marke C&A
Analyse der alternativen Messmethoden
491
Tabelle 9: Gegenüberstellung der Teilgruppen E und S für die Emotion Freude Variante
Teilgruppe E
I
II
S
V
C&A
0,392
0,436
J1S
0,350
0,264
0,470
0,27
0,52
-0,16
E
G1E
0,687
0,780
0,868
S
G1S
0,587
0,661
0,662
tII, empirisch
0,55
0,52
0,27
K1E
0,424
0,509
0,507 0,305
S
E IV
News
0,412
tI,empirisch
E III
Austrian Airlines J1E
S
K1S
0,225
0,149
tIII, empirisch
1,25
1,49
0,27
M1E
0,388
0,587
0,573 0,412
M1S
0,394
0,357
tIV, empirisch
-0,04
0,94
0,82
E1
0,564
0,554
0,671
a.
signifikanter Einfluss der Art des Reizzuordnungsprozesses (tkritisch = r1,96; 1–Į = 0,95)
b.
tendenzieller Einfluss der Art des Reizzuordnungsprozesses (tkritisch = r1,65; 1–Į = 0,90)
Tabelle 9 gibt einen Überblick über alle drei im Zusammenhang mit der Emotion Freude untersuchten Marken. Für jede Variante sind die Steigungskoeffizienten der Teilgruppen E und S gegenübergestellt. Mittels t-Test wird die Nullhypothese auf intramodale Homogenität der Regressionskoeffizienten zwischen den Teilgruppen geprüft. Wie aus den errechneten tWerten hervorgeht, weist trotz der optisch zum Teil sehr deutlichen Unterschiede keine Variante einen signifikanten (bzw. tendenziellen) Einfluss der Art des Reizzuordnungsprozesses auf. Ausschlaggebend dürfte dabei in erster Linie die geringe Anzahl an Testpersonen in Teilgruppe E sein. Die Analyse der Emotionen Liebe, Stolz und Ärger erfolgte in analoger Weise und sind im Rahmen dieses Beitrages nicht dargestellt. Für die ausführliche Aufbereitung sei daher auf BOSCH (2004, S. 232ff) verwiesen. 8.2.2
Gesamtbetrachtung des Einflusses „emotionalen Bildverstehens“
Pauschal ist festzuhalten, dass der Einfluss des „emotionalen Bildverstehens“ mit zunehmendem Verbalanteil der Reizpräsentationen sinkt. In Abbildung 48 sind die Unterschiede der Steigungskoeffizienten zwischen den Teilgruppen E und S in Form von Quotienten (Koeffizient Teilgruppe E : Koeffizient Teilgruppe S) dargestellt. Dieser gibt jeweils an, um welchen Faktor die Beziehungsstärke bei Betrachtung von Teilgruppe E höher ist als bei Analyse von Teilstichprobe S. Für Variante I bedeutet dies beispielsweise, dass Testpersonen mit „emotionalem Bildverstehen“ (Teilgruppe E) bei Ärger einen
492
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
durchschnittlich doppelt so hohen Anstieg der Regressionsgeraden Emotion – Einstellung (Faktor 2,10) herstellen als die Betrachtung der Komplementärgruppe, welche die Bildreize (in der Einleitung) aufgrund konkurrierender Schemata den Marken zuordneten.
Summary: Einfluss des „emotionalen Bildverstehens“ Quotienten der Beziehungsstärke Emotion – Einstellung zur Marke Freude
1,18
1,48
Liebe
0,93
1,94
1,31
1,03
1,22
Stolz
1,29
1,91
0,90
1,07
1,61
Ärger
1,58
2,01
0,83
1,35
2,61
1,67
I 1,20 1,17
1,18
1,48 0,78
1,91 1,06
2,10 1,10
1,25
II 1,22 1,88
3,42
0,90 1,66
1,33
2,55
0,99 1,78
2,24
1,35
1,23 1,33
0,75
0,91
2,69
III 2,32 0,98
1,64
1,88 1,39
1,21
0,90
1,64 0,97
1,71
1,42
1,45 2,08
1,41
1,34
1,83
IV 1,34 Legende: 1,17
1,18
1,22
1,31
1,03
1,73
1,52
Quotient der Beziehungsstärke: Gibt an, um welchen Faktor der Steigungskoeffizient der Beziehung Emotion – Einstellung bei Betrachtung von Teilstichprobe E (jene Testpersonen, die als Gruppe des „emotionalen Bildverstehens“ definiert wurden) höher ist als in Teilstichprobe S. Mittlerer Multiplikator (innerhalb der Emotionsqualität)
Abbildung 48: Einfluss des „emotionalen Bildverstehens“ auf die Beziehungsstärke
Auf Basis der Quotienten können weitere Analysen angestellt werden. Die deutlichsten Unterschiede zwischen den betrachteten Teilgruppen E und S ergeben sich für die Varianten I und III, während für Variante II in Einzelfällen sogar eine geringere Beziehungsstärke in Teilgruppe E gegenüber S zu beobachten ist. Die Untersuchung der variantenspezifischen Quotienten mittels nichtparametrischer einfacher Varianzanalyse (Ein-WegRangvarianzanalyse für k unabhängige Stichproben nach Kruskal und Wallis, vgl. SIEGEL 2001, S. 176ff; BÜNIG und TRENKLER 1994, S. 184ff) weist einen signifikanten Unterschied zwischen den Darbietungsmodalitäten aus (Ȥ²=13,029; df=3; p=0,005; Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Bei der weiterführenden paarweise Analyse der Varianten zeigt sich, dass der Effekt des emotionalen Bildverstehens auf die Beziehungsstärke zwischen der Emotion und der Einstellung zur Marke für Variante II signifikant geringer ist als für die übrigen Bildpräsentationsformen. Dies lässt den Schluss zu, dass sich die Wirkungen des Verbalprimings und verbaler Instruktionen kompensieren. Das bedeutet:
Analyse der alternativen Messmethoden
493
x Wird aufgrund der verbalen Instruktionen (inklusive einleitender Beispiele) emotionales Bildverstehen der Auskunftspersonen erreicht, so lässt sich mittels Verbalpriming – zumindest im Fall der Einzelbildpräsentation – kaum mehr eine Steigerung der Beziehungsstärke erreichen. x Das Wortpriming erzielt offenbar dort die stärkste Wirkung auf die Beziehungsstärke, wo es in den einleitenden Instruktionen nicht gelingt, dass Testpersonen die Reize ausschließlich aufgrund der in ihnen implizierten Emotionen den Marken zuordnen. Die Betrachtung der absoluten Steigungskoeffizienten zeigt überdies, dass innerhalb von Teilgruppe E deutlich geringere Unterschiede zwischen den Darbietungsmodalitäten bestehen15. Emotionales Bildverstehen ist daher als maßgeblich für den Erfolg von Bilddarbietungen zur Messung von Emotionen zu werten. 8.2.3
Überprüfung der Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“
Im vorangegangenen Kapitel wurde deutlich, dass die Beziehungsstärke in den beiden Teilgruppen teilweise recht deutliche Unterschiede aufweist. Die Differenzen der Steigungskoeffizienten sind dennoch nur bei einer Emotion-Marken-Kombination als statistisch signifikant zu betrachten. In allen anderen untersuchten Cases reichten die Unterschiede nicht aus, ein überzufälliges Ergebnis herbeizuführen. Als Grund werden eher die mit der geringen Fallzahl von Teilgruppe E verbundene relativ hohe Schwankungsbreite der Koeffizienten als ein zufälliger Effekt auf die Beziehungsstärke vermutet. Die Hypothese, dass die Messvalidität vom Ausmaß des emotionalen Bildverstehens beeinflusst wird, ist jedenfalls (mit Ausnahme der Emotion-Marken-Kombination ÄrgerÖBB) zu verwerfen. In 11 der 12 untersuchten Fälle liegt kein signifikanter Unterschied der Beziehungsstärke zwischen den Teilgruppen E und S (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%) vor. Während Hypothese 3 die Steigungshomogenität der Regressionsgeraden untersucht, stützt sich Hypothese 3.1 auf den Effekt der Koeffizienten zwischen den beiden Teilgruppen. Geprüft wird, ob „emotionales Bildverstehen“ bei nicht geprimten Darbietungsmodalitäten einen stärkeren Effekt zwischen den Teilgruppen E und S bewirkt als bei den geprimten Präsentationsformen. Als Maß für den Effekt zwischen den Teilgruppen werden die in Abbildung 48 dargestellten Quotienten der Koeffizienten herangezogen.
15
Die Prüfung der intermodalen Steigungshomogenität innerhalb der Teilgruppe E (einschließlich Variante V) mittels t-Tests liefert eine vergleichsweise geringe Zahl signifikanter Unterschiede zwischen den Varianten. Mitverantwortlich sind aber auch die großen Schwankungsbreiten aufgrund des kleinen Samples in Teilgruppe E.
494
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Das Ergebnis wurde bereits oben (Kapitel 8.2.2) diskutiert. Für die Einzelbilddarbietung ist Hypothese 3.1 anzunehmen, die Quotienten in Variante I sind signifikant höher als jene in Variante II. Für die sequenzielle Bilddarbietung ist die Hypothese allerdings zu verwerfen, der sich durch das „emotionale Bildverstehen“ auf die Varianten III und IV ergebende Effekt ist als gleich zu beurteilen.
8.3 Analyse der Modellgüte Neben der Analyse der Beziehungsstärke, die als Maß für die Übereinstimmungsvalidität der alternativen Präsentationsmodalitäten herangezogen wurde, blieb die Frage der Prognosevalidität bisher unbeantwortet. Wie bereits in der Einleitung zu Kapitel 8 dargelegt, sind für die Beurteilung der Darbietungsvarianten beide Aspekte der Kriteriumsvalidität heranzuziehen. Im Anschluss werden deshalb die verschiedenen Messmethoden auf ihre Stabilität und Generalisierbarkeit untersucht. Aus den jeweils fünf alternativen Regressionsmodellen je Marke-Emotions-Kombination wird jenes Modell als das mit der höchsten Prognosevalidität betrachtet, welches die entsprechende Beziehung am besten approximiert. Eine sehr häufig als Gütekriterium von Regressionsmodellen herangezogene Größe ist das Bestimmtmaß R² bzw. das um die Freiheitsgrade korrigierte Bestimmtheitsmaß R²korr (vgl. z.B. BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER 2001, S. 22ff). Wie REISINGER (1996) anführt, sind Bestimmtheitsmaße im Rahmen der Modellauswahl nur dann vergleichbar, wenn die abhängigen Variablen in allen zur Auswahl stehenden Modellen identisch sind (REISINGER 1996, S. 68). Diese Forderung lässt sich mit der Definition des Bestimmtheitsmaßes begründen:
R² = 1 í
p
p
¦(yi í yˆ i)²
¦ei²
i=1 p
¦(yi í íyi)²
i=1
=1í
i=1 p
¦(yi í íyi)²
i=1
R² ist eine relative Größe, die sich aus dem Quotienten aus nicht erklärter Streuung und Gesamtstreuung zusammensetzt. Ist die abhängige Variable in unterschiedlichen Modellen identisch, so ist die Gesamtstreuung des Modells konstant, R² wird nur durch die nicht erklärte Streuung bestimmt. Bei nicht identischen abhängigen Variablen ist der Term im Nenner der oben dargestellten Gleichung für das Bestimmtheitsmaß nicht konstant, bei gleicher Fehlerquadratsumme kann der Wert für R² angehoben werden, indem die Gesamtstreuung im Modell vergrößert wird. Das bedeutet, der Anteil der nicht erklärten Varianz an der Gesamtvarianz nimmt ab. Somit muss ein höheres Bestimmtheitsmaß nicht notwendigerweise eine bessere Modellgüte mit sich bringen, sondern kann sich lediglich aus der Definition des Bestimmtheitsmaßes ergeben. (REISINGER 1996, S. 68)
Analyse der alternativen Messmethoden
495
Im gegenständlichen Experimentaldesign wird zwar prinzipiell jeweils auf die selbe abhängige Variable zugegriffen, die Beziehungen werden aber – den Darbietungsvarianten entsprechend – mit verschiedenen Gruppen von Versuchspersonen hergestellt. Dies bedingt ebenfalls unterschiedliche Gesamtstreuungen der abhängigen Variablen, der intermodale Vergleich der Regressionsmodelle auf Basis des Bestimmtheitsmaßes R² ist daher nicht zulässig (vgl. dazu REISINGER 1996, S. 71). Die Idee, zur Modellbewertung Residuenquadratsumme
anstatt
des
Bestimmtheitsmaßes
die
(mittlere)
p
MSE = ¦(yi í yˆ i)²/p i=1
heranzuziehen, ist ebenfalls kritisch zu betrachten. Die mittlere Residuenquadratsumme MSE unterschätzt den tatsächlichen Prognosefehler und gilt als zu „optimistisch“ (EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 239). Entsprechend der Methode der Kleinsten Quadrate wird versucht, MSE des Regressionsmodells innerhalb des Datensatzes zu minimieren (vgl. dazu beispielsweise BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE und WEIBER 2001, S. 15), weshalb Aussagen zur Stabilität des Modells in Bezug auf künftige Anwendungen nur vage getätigt werden können. EFRON und TIBSHIRANI (1998) kommen daher zur Auffassung, dass ein Validitätsvergleich alternativer Modelle (bzw. Messmethoden) aufgrund der mittleren Residuenquadratsumme unzureichend ist (EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 239). BALDERJAHN (1998) schlägt für die kausalanalytische Validierung das Verfahren der Kreuzvalidierung vor, welches die Goodness-of-approximation alternativer Modelle schätzt. Dabei wird kein (Hypothesen-)Test auf ein wahres Modell durchgeführt, sondern die alternativen Messmethoden miteinander verglichen (BALDERJAHN 1998, S. 389). Im Folgenden soll dieses Verfahren angewendet werden, um die einzelnen Regressionsmodelle einer Bewertung hinsichtlich ihrer relativen Modellgüte zu unterziehen. Die Methodik der Kreuzvalidierung beruht grundsätzlich auf der Ermittlung des Prognosefehlers (prediction error, PE) als erwartete quadratische Abweichung zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Schätzwert des Regressionsmodells (EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 237): ˆ 2 PE = E(y – y) Idealerweise erfolgt die Ermittlung des Prognosefehlers mittels eines unabhängig erhobenen und nicht zur Approximation herangezogenen Testsamples, auf welches das geschätzte Modell angewandt wird: 0 0 yˆ i = ȕˆ 0 + ȕˆ 1zi
496
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Die Summe der quadrierten Differenzen zwischen dem Prognosewert und dem tatsächlichen Wert des Testsamples ergibt den quadrierten Prognosefehler PE bzw. bei Division durch die Stichprobengröße m des Testsets den mittleren quadrierten Prognosefehler MPE (EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 239): m
MPE = ¦(y0i – yˆ 0i )²/m i=1
Wie RIPLEY (2001) anmerkt, findet diese Vorgehensweise aufgrund ökonomischer Überlegungen aber kaum Anwendung (RIPLEY 2001, S. 69). In der Praxis werden aus einem vorhandenen Sample zufällig mindestens zwei unabhängige Stichproben mit ungefähr gleichem Umfang gezogen. Eine der Stichproben (Kalibrierungsstichprobe) dient jeweils zur Schätzung des entsprechenden Modells. Ausgewählt wird jenes Modell, das am besten in der Lage ist, die Struktur der anderen Stichprobe (Validierungsstichprobe) zu approximieren. So ausgewählte Modelle sind prognostisch valide, ihre Strukturen sind relativ stabil und generalisierbar (BALDERJAHN 2003, S. 133). Die von BALDERJAHN (1998) vorgenommene Halbierung des Samples (vgl. dazu BALDERJAHN 1998, S. 390f), wird von anderen Autoren kritisiert, da die Modellschätzung dadurch auf lediglich der Hälfte der ursprünglichen Stichprobengröße beruht und sich die Schwankungsbreiten somit erhöhen (vgl. z.B. RIPLEY 2001, S. 69). Günstiger ist es, das Trainingsset (d. h. die gesamte Teilstichprobe Sp) zufällig in K Teile zu zerlegen, wobei ein Teil als Testsamples fungiert, während die übrigen (K–1) Teile zur Modellschätzung herangezogen werden. Mit dieser Vorgangsweise liegt (eine entsprechende Stichprobengröße des Trainingssamples vorausgesetzt) der Modellschätzung ein wesentlich größeres Sample zugrunde als bei dem zuvor genannten Split-Half-Design (RIPLEY 2001, S. 69f). Für die K-fache Kreuzvalidierung schlagen EFRON und TIBSHIRANI (1998) folgenden Algorithmus vor (EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 240): i)
Split des jeweiligen Datensatzes in K möglichst gleich große Teile, wobei die Zuteilung der einzelnen Fälle nach dem Zufallsprinzip erfolgt.
ii)
Das mit den (K-1) Teilen geschätzte Modell wird auf den k-ten Teil des Trainingssamples gefittet, indem der Prognosefehler als Abweichung zwischen dem Prognosewert und dem tatsächlichen Messwert k(i) errechnet wird.
iii)
Dieser Schritt wiederholt sich für alle k=1, 2,...K.
Der mittels Kreuzvalidierung geschätzte Wert des Prognosefehlers errechnet sich demnach aus 1 n CV = ¦(yi – yˆ -k(i) i )². n i=1
Analyse der alternativen Messmethoden
497
Wird k=n gewählt, so liegt eine “Leave-one-out” Kreuzvalidierung vor. Dabei wird für jede Beobachtung i das Modell gefittet und für diese Beobachtung der Prognosefehler ermittelt. Diese rechenintensive Vorgehensweise ist vor allem bei kleinen Stichproben aufgrund der höheren Schwankungsbreite bei Reduzierung des Samples im Zuge der k-fachen Kreuzvalidierung sinnvoll (vgl. dazu EFRON und TIBSHIRANI 1998, S. 240). 8.3.1
Modellgüte der Regressionsbeziehung Emotion – Einstellung zur Marke
Für die Analyse der Modellgüte wurde eine 5-fache Kreuzvalidierung gewählt, die Zuweisung der Fälle auf die Subsamples erfolgte zufällig. Die für jede Marke und Darbietungsvariante errechneten Prognosefehler sind in Tabelle 10 dargestellt: Tabelle 10: Prognosefehler (CV) der Beziehung Freude – Einstellung zur Marke Darbietungsvariante
Kreuzvalidierung I
II
III
IV
V
Austrian Airlines
0,901
0,883
1,000
1,086
1,074
News
1,968
1,725
1,847
1,784
1,737
C&A
1,344
0,949
1,422
1,282
1,049
Es zeigt sich, dass innerhalb der Emotion Freude Variante II (Einzelbilddarbietung mit Wortpriming) bei allen drei analysierten Marken den geringsten Prognosefehler und daher die höchste Modellgüte erreicht. Am schwierigsten gestaltet sich die Prognose der Einstellung zur Marke grundsätzlich bei den nicht geprimten Reizdarbietungen (mit Ausnahme der Marke Austrian Airlines). Auf eine ausführliche Analyse der Emotionen Liebe, Stolz und Ärger wird hier verzichtet. Für die detaillierte Darstellung vgl. BOSCH (2004, S. 245ff). 8.3.2
Gesamtbetrachtung der Modellgüte
8.3.2.1 Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke Die Bewertung der Modellgüte mittels des Prognosefehlers der Varianten bietet ein recht uneinheitliches Bild. Mit Ausnahme der Emotion Freude, wo Variante II gegenüber allen anderen Darbietungsalternativen einen geringeren Prognosefehler aufweist, lässt sich anhand Abbildung 49 keine zu favorisierende Messmethode unmittelbar ablesen. Die Durchführung von Varianzanalysen zur Überprüfung der Homogenität der Prognosefehler zwischen den Varianten bestätigt im Wesentlichen das grafische Ergebnis, indem nur für die Emotion-Marken-Kombination Ärger-ÖBB ein signifikanter variantenspezifischer Unterschied festgestellt werden kann. Dieser erklärt sich durch den signifikant geringeren Prognosefehler von Variante II gegenüber Variante I
498
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
(Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Vom statistischen Gesichtspunkt sind daher – bis auf diese Ausnahme – sämtliche Modelle als gleichwertig hinsichtlich ihrer Modellgüte zu betrachten.
III
IV
V
I II III IV V
I Modellgüte (Prognosefehler) Stolz – Einstellung zur Marke
II
I Modellgüte (Prognosefehler) Liebe – Einstellung zur Marke
I
II
III
IV
I II III IV V
II
III
IV
V
Legende:
I
I
II
I II II III IV
Lesebeispiel: Variante II weist in 1 von 3 Fällen einen geringeren Prognosefehler auf als Variante I.
V
V
I Modellgüte (Prognosefehler) Ärger – Einstellung zur Marke
Modellgüte (Prognosefehler) Freude – Einstellung zur Marke
Summary: Modellgüte Emotion – Einstellung
II
III
IV
V
in 3 Fällen
I
in 2 Fällen
II
in 1 Fall
III IV V
Abbildung 49: Gesamtbetrachtung der Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung
Bei Reduzierung der absoluten Prognosefehler auf Rangreihungen, d. h. auf OrdinalskalenNiveau, gehen zwar Abstandsinformationen verloren, doch zeigen sich auf dieser Ebene Unterschiede zwischen den Darbietungsmodalitäten. Die Berechnung der Rangmittelwerte innerhalb der Emotionsqualitäten zeigt den jeweils geringsten Mittelwert für Variante II. Bemerkenswert ist ferner, dass Variante V bei Liebe und Ärger als die relativ instabilste Messmethode gilt. Tabelle 11: Rangreihungen der Varianten entsprechend ihrer Modellgüte Rangreihung
I
II
III
IV
V
Freude
3,7
1,0
4,0
3,7
2,7
Liebe
3,0
1,7
3,7
2,3
4,3
Stolz
3,7
2,0
3,3
3,7
2,3
Ärger
3,3
2,3
3,0
2,3
4,0
Gesamtrang
3,4
1,8
3,5
3,0
3,3
Die Analyse der Rangplätze mittels Kruskal-Wallis-Rangvarianzanalyse für k unabhängige Stichproben zeigt signifikante Unterschiede der Ränge zwischen den Darbietungsvarianten
Analyse der alternativen Messmethoden
499
(Ȥ²=12,374; df=4; p=0,015; Irrtumswahrscheinlichkeit 5%). Ausschlaggebend ist Variante II, die in 8 von 12 möglichen Emotion-Marken-Kombinationen die höchste Modellgüte aufweist. Der Vergleich jeweils zweier Varianten unter Anwendung des Mann-Whitney-U Tests für zwei unabhängige Stichproben liefert eine signifikant niedrigere Rangreihung von Variante II gegenüber den alternativen Präsentationsarten. Das Ergebnis der Rangreihung ist allerdings nur sekundär von Bedeutung und soll folglich nur als Randbedingung in die Definition der optimalen Messmethode einfließen. Primär muss betont werden, dass die absoluten Werte der Prognosefehler statistisch (mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%) als homogen zwischen den Varianten und die Modellgüte sämtlicher analysierten Darbietungsalternativen als gleichwertig zu betrachten sind. 8.3.2.2 Modellgüte der Beziehung Emotion – Markenpräferenz Die Gesamtbetrachtung Modellgüte unter Einbeziehung der Markenpräferenz als Validitätskriterium verläuft zu der im vorangegangenen Kapitel durchgeführten Analyse sehr ähnlich. Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% sind sämtliche Darbietungsvarianten als gleichwertig hinsichtlich ihrer Modellgüte aufzufassen. Die Rangreihung der Prognosefehler für jede Emotion-Marken-Kombination zeigt wie oben einen signifikant Unterschied der Ränge zwischen den Varianten. Variante II weist in 6 der 12 Emotion-Marken-Kombinationen den geringsten Prognosefehler auf und ist daher auf Ebene ordinaler Rangplätze signifikant „besser“ als die übrigen Varianten (mit Ausnahme von Variante III, wo sich gegenüber Variante II keine überzufälligen Unterschiede in der Rangreihung zeigen). 8.3.3
Überprüfung der Stabilitätshypothese
Wie die Gesamtbetrachtung der Modellgüte zeigt, lässt sich die Stabilitätshypothese nicht aufrecht erhalten. Mit Ausnahme der Emotion-Marken-Kombination ÖBB-Ärger lassen sich keine signifikant unterschiedlichen Prognosefehler zwischen den Varianten feststellen, die Stabilitätshypothese ist zu verwerfen. Es gilt daher, dass sich die alternativen Formen der Stimuluspräsentation nicht hinsichtlich der Stabilität der reizvermittelten Emotionsqualität unterscheiden. Analog sind sämtliche mit der Stabilitätshypothese verbundenen Subhypothesen zu verwerfen. Weder lassen sich mittels Gruppierung der Bildreize zu Sequenzen signifikant stabilere Messergebnisse gegenüber den Einzelbilddarbietungen (Hypothese 3.1) erreichen, noch ist ein signifikanter Einfluss des Primings auf die Modellgüte erkennbar (Hypothese 3.2). Es konnte ferner kein überzufällig geringerer Prognosefehler der Wortdarbietung gegenüber den reinen Bilddarbietungen (Hypothese 3.3) nachgewiesen werden.
500
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
8.4 Within Groups Vergleich: Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung Obgleich versucht wurde, die interne Validität des Between-Groups-Designs zu gewährleisten, lassen sich Störeinflüsse auf die Beziehung der zu untersuchenden Variablen nicht vollkommen ausschließen oder kontrollieren. Aus den bereits erläuterten Prämissen unabhängiger Messungen (vgl. Kapitel 7.3.3.5) der alternativen Darbietungsmodalitäten folgt, dass sich lediglich die Varianten I und V (Einzelbild- und Wortreizdarbietung) nebeneinander implementieren lassen. Das in Abbildung 37 vorgestellte Experimentaldesign sieht daher eine Erweiterung der bereits analysierten Between-Groups Vergleiche um jeweils eine WithinGroups Komponente in den Varianten I und V vor. In weiterer Folge ist dementsprechend zu untersuchen, ob sich die aus dem Hauptteil der Erhebung resultierenden Ergebnisse konsistent zu jenen des Within-Groups-Design verhalten.
Schematischer Aufbau des Within-Groups-Design Within-Groups-Vergleich Einzelbild- versus Wortreizdarbietung anhand „Austrian Airlines“ Variante I (Teilstichprobe S1) Einleitung
Within-Groups-Vergleich
Hauptteil: Einzelbilddarbietung
D
unabhängige Variable
Einstellung, Präferenz
Wortreizdarbietung
M
unabhängige Variable identische abhängige Variable
Within-Groups-Vergleich Wortreiz- versus Einzelbilddarbietung anhand „News“ Variante V (Teilstichprobe S5) Einleitung
Within-Groups-Vergleich
Hauptteil: Einzelbilddarbietung Wortreizdarbietung mit Priming
unabhängige Variable
a
D
Einstellung, Präferenz
M Einzelbilddarbietung
M
unabhängige Variable identische abhängige Variable
Ablauf des Interviews Abkürzungen: D...Demografie, M...Markenvorstellung
Abbildung 50: Schematischer Aufbau des Within-Groups-Design
8.4.1
Analyse der Beziehungsstärke
Um die Stärke der Beziehung zwischen den beiden Darbietungsvarianten zu analysieren, fließt die Emotionsqualität beider Varianten als unabhängige Variablen XB und XW in ein multiples lineares Regressionsmodell der Form
Analyse der alternativen Messmethoden
501
Y = E0 + E1XB + E2XW + H Y .................................................... Einstellung gegenüber der Marke bzw. Markenpräferenz XB ................................................... mittels Einzelbildern vermittelte Emotion XW .................................................. mittels Wortreizen vermittelte Emotion E0 .................................................... Intercept der Regressionsgleichung E1 .................................................... Regressionskoeffizient der Einzelbilddarbietung E2 .................................................... Regressionskoeffizient der Wortreizdarbietung H...................................................... Error
ein. Entsprechend dem Wert der Koeffizienten E1 und E2 lassen sich Aussagen über die Stärke des Einflusses der in den jeweiligen Modi vermittelten Emotionen auf die Einstellung bzw. Markenpräferenz feststellen. Im Folgenden soll dies anhand der Beziehung zwischen Emotion und Einstellung zur Marke erklärt werden. 8.4.1.1 Analyse Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung anhand der Marke Austrian Airlines Das Ergebnis der multiplen linearen Regressionsanalyse ist in Tabelle 12 zusammengefasst: Es zeigt sich, dass die Emotion mittels beider Darbietungsarten signifikanten Einfluss auf die Einstellung zur Marke ausübt (mit Ausnahme der Emotion Ärger, wo bei der Einzelbilddarbietung nur ein tendenzieller Einfluss vorliegt). Es wird aber bei Betrachtung der standardisierten Regressionskoeffizienten deutlich, dass der Zusammenhang zwischen der mit der Marke empfundenen Emotion und der Einstellung zur Marke bei der Wortreizdarbietung etwa doppelt so hoch ausfällt, wie bei Vermittlung der Emotion mittels Einzelbildern. Tabelle 12: Analyse der Varianten im Within-Groups-Design: Emotion vs. Einstellung zu Austrian Airlines Multiple Regression
nicht standard. Koeffizienten
Emotion Freude
Liebe
Stolz
Ärger
standardisierte Koeffizienten
Einzelbild (E1)
Wortreiz (E2)
Einzelbild (E1*)
Wortreiz (E2*)
Koeffizienten
0,252
0,444
0,240
0,464
t
3,01a
5,81a
Koeffizienten
0,180
0,375
0,183
0,415
t
2,05a
4,63a
Koeffizienten
0,177
0,384
0,188
0,383
t
2,16a
4,40a
Koeffizienten
-0,181
-0,387
-0,154
-0,417
t
-1,69b
-4,58a
a.
signifikanter Einfluss des Koeffizienten (tkritisch = r1,96; 1–Į = 0,95)
b.
tendenzieller Einfluss des Koeffizienten (tkritisch = r1,65; 1–Į = 0,90)
Der Test hinsichtlich Unterschieden zwischen den Regressionskoeffizienten von Einzelbildund Wortreizpräsentation verläuft analog Kapitel 8.1 mittels Varianzanalyse bzw. Errechnung
502
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
der Größe Fempirisch. Geprüft wird die Nullhypothese auf Gleichheit der beiden Regressionskoeffizienten E1 und E2, formal H0: E1 = E2. Das vollständige Regressionsmodell (Modell 1) Y = E0 + E1XB + E2XW + H reduziert sich unter Annahme identischer Regressionskoeffizienten (E1 = E2 = E1’) auf Y = E0’ + E1’XB + E1’XW + H = E0’ + E1’(XB + XW) + H (Modell 2). Der Quotient aus der Differenz der erklärten Varianz (zwischen den beiden Modellen) und dem nicht erklärten Anteil der Streuung aus Modell 1 ergibt entsprechend der bekannten Gleichung Fempirisch = [(SSModell 1 – SSModell 2)/(dfModell 1 – dfModell 2)]/MSEModell 1 den empirischen F-Wert (vgl. dazu auch DRAPER und SMITH 1998, S. 310). Eine alternative Berechnungform der F-Größe ergibt sich über das multiple Bestimmtheitsmaß R² (vgl. CHATTERJEE und PRICE 1995, S 76): Fempirisch = [(R²Modell 1 – R²Modell 2)/(dfModell 1 – dfModell 2)]/[(1 – R²Modell 1)/(n – dfModell 1 – 1)] Die Gegenüberstellung der empirischen Prüfgrößen mit dem kritischen F-Wert F1, 112, 0,95 = 3,93 (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%) zeigt – trotz deutlich erkennbarer Unterschiede der Koeffizienten – bei keiner der untersuchten Emotionen signifikante Differenzen zwischen den beiden Varianten (Einzelbilddarbietung und Wortreizdarbietung) auf. Dieses Ergebnis entspricht weitgehend jenem bei Analyse des Between-Groups-Designs (vgl. Kapitel 8.1.1), wo mit Ausnahme der Emotion Stolz ebenfalls optische aber nicht signifikante Unterschiede zwischen den Varianten I und V festgestellt wurden. Tabelle 13: Hypothesenprüfung: Homogenität der Steigungen im Within-Groups-Design: Einstellung – Austrian Airlines Hypothesenprüfung (1–Į = 0,95) Homogenität der Koeffizienten H0: E1 = E2 Fkritisch: F1, 112, 0,95 = 3,93
Freude
Liebe
Stolz
Ärger
Femp. = 2,32 nicht sign.
Femp. = 1,86 nicht sign.
Femp. = 2,31 nicht sign.
Femp. = 1,60 nicht sign.
Analyse der alternativen Messmethoden
503
8.4.1.2 Analyse Einzelbild- vs. Wortreizdarbietung anhand der Marke News Tabelle 14: Analyse der Varianten im Within-Groups-Design: Einstellung – Marke News Multiple Regression
nicht standard. Koeffizienten
Emotion Freude
Liebe
Stolz
Ärger
Koeffizienten
standardisierte Koeffizienten
Einzelbild (E1)
Wortreiz (E2)
Einzelbild (E1*)
Wortreiz (E2*)
0,108
0,509
0,071
0,383
0,214
0,354
0,075
0,488
-0,124
-0,238
a
t
0,73
3,94
Koeffizienten
0,305
0,594
t
2,35a
3,89a
Koeffizienten
0,103
0,581
t
0,82
5,31a
Koeffizienten
-0,183
-0,267
t
-1,32
-2,54a
a.
signifikanter Einfluss des Koeffizienten (tkritisch = r1,96; 1–Į = 0,95)
b.
tendenzieller Einfluss des Koeffizienten (tkritisch = r1,65; 1–Į = 0,90)
Das für die Teilstichprobe S5 implementierte Within-Groups-Design zeigt insbesondere bei den Emotionen Freude und Stolz deutlich größere Regressionskoeffizienten für die Wortreizdarbietung als für die Einzelbildpräsentation. Während die Koeffizienten für E2 allesamt signifikant von Null verschieden sind, trifft dies für E1 nur im Fall der Emotion Liebe zu. Für die Analyse der Koeffizientenhomogenität wurden sämtliche Werte von E1 unabhängig ihrer in Tabelle 14 ausgewiesenen t-Werte berücksichtigt. Die errechneten Prüfgrößen der Varianzanalysen zeigen einen überzufälligen Unterschied zwischen Wortreiz- und Einzelbilddarbietung bei Stolz. Wie schon bei dem zuvor untersuchten Within-Groups-Design der Teilstichprobe S1 (Marke Austrian Airlines), entspricht auch dieses Ergebnis jenem des Mehrgruppen-Designs. Tabelle 15: Hypothesenprüfung: Homogenität der Steigungen im Within-Groups-Design: Einstellung – News Hypothesenprüfung (1–Į = 0,95) Homogenität der Koeffizienten H0: E1 = E2
Freude
Liebe
Stolz
Ärger
Femp. = 2,83 nicht sign.a
Femp. = 1,48 nicht sign.
Femp. = 5,54 signifikant
Femp. = 0,19 nicht sign.
Fkritisch: F1, 112, 0,95 = 3,93 a. tendenzieller Unterschied der Koeffizienten bei 1–Į = 0,90 mit F1, 112, 0,90 = 2,74
504
8.4.2
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Analyse der Modellgüte
Die in Kapitel 8.3 angeführte Prämisse für das Bestimmtheitsmaß R² hinsichtlich identischer abhängiger Variablen zwischen den zu vergleichenden Modellen, die zu einer NichtAnwendbarkeit dieses Gütemaßes im Between-Groups-Design führte, wird im WithinGroups-Design erfüllt. Es werden daher im Folgenden jeweils einfache lineare Regressionsmodelle in Bezug auf ihr Bestimmtheitsmaß gegenübergestellt, um festzustellen, welche der beiden alternativen Messmethoden den vergleichsweise höchsten Anteil erklärter Varianz und somit die höhere Modellgüte aufweist. 8.4.2.1 Modellgüte der Beziehung zwischen Emotion und Einstellung zur Marke In Tabelle 16 sind die Werte des Bestimmtheitsmaß R² und der mittleren Residuenquadratsumme MSE für die beiden analysierten Varianten im Within-Groups-Design gegenübergestellt. Die Berechnungen zeigen für beide Marken eine höhere Modellgüte der Wortreizdarbietungen gegenüber den Einzelbildpräsentationen. Für News entspricht dies weitgehend dem Ergebnis der oben durchgeführten Kreuzvalidierungen, Inkonstistenzen sind allerdings für Austrian Airlines festzustellen. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die mittlere Fehlerquadratsumme MSE – wie in Kapitel 8.3 erläutert – den tatsächlichen Prognosefehler unterschätzt, das heißt, sämtliche Werte für MSE liegen unter jenen des Prognosefehlers CV. Tabelle 16: Modellgüte der Beziehung Emotion – Einstellung zur Marke Modellgüte Austrian Airlines Einzelbilddarbietung
Wortreizdarbietung
Freude
Liebe
Stolz
R²
0,121
0,131
0,090
0,116
MSE
0,875
0,865
0,906
0,880
R²
0,270
0,244
0,192
0,236
MSE
0,727
0,753
0,805
0,760 Ärger
Modellgüte News Einzelbilddarbietung
Wortreizdarbietung
Ärger
Freude
Liebe
Stolz
R²
0,064
0,130
0,099
0,036
MSE
1,840
1,710
1,772
1,896
R²
0,174
0,196
0,276
0,074
MSE
1,624
1,581
1,424
1,821
8.4.2.2 Modellgüte der Beziehung zwischen Emotion und Markenpräferenz Die Gütemaße für die Emotion-Markenpräferenz-Modelle fallen – ohne einen direkten Vergleich anzustellen – deutlich geringer aus, als in der zuvor analysierten Beziehung Emotion – Einstellung. Die Markenpräferenz lässt sich dementsprechend nur zu einem verhältnismäßig geringem Teil mittels der mit der Marke empfundenen Emotionen erklären.
Analyse der alternativen Messmethoden
505
Grundsätzlich weisen die Bestimmtheitsmaße bei Wortreizdarbietungen höhere Werte auf. Analog dem vorangegangenen Kapitel entspricht das Ergebnis für News jenem der Kreuzvalidierung, bei Austrian Airlines besitzt die Einzelbildpräsentation geringere Prognosefehler als die Darbietung von Wortreizen. 8.4.3
Intramodaler Between-Groups-Vergleich
Die Implementierung des Within-Groups-Designs ermöglicht neben einem intermodalen Vergleich innerhalb eines Subsamples eine intramodale Analyse über verschiedene Teilstichproben. Es wird daher untersucht, ob die Regressionsgeraden ein und derselben Darbietungsmodalität über die Teilstichproben S1 und S5 identische Charakteristika – insbesondere hinsichtlich Steigung der Geraden – aufweisen oder ob Unterschiede zwischen den Gruppen bestehen. Die Versuchsanordnung ist in Abbildung 51 schematisch dargestellt.
Intramodaler Between-Groups-Vergleich Between-Groups-Vergleich Wortreiz- versus Wortreizdarbietung anhand „Austrian Airlines“ abhängige Variable
Variante I (Teilstichprobe S1) Einleitung
Hauptteil: Einzelbilddarbietung
D
Einstellung, Präferenz
D
Einstellung, Präferenz
Wortreizdarbietung
M
Between-Groups-Vergleich
Variante V (Teilstichprobe S5) Einleitung
unabhängige Variable
Hauptteil: Einzelbilddarbietung Wortreizdarbietung mit Priminga
M Einzelbilddarbietung
M
abhängige Variable
unabhängige Variable
Between-Groups-Vergleich Einzelbild- versus Einzelbilddarbietung anhand „News“ Variante I (Teilstichprobe S1) Einleitung
abhängige Variable
unabhängige Variable
Hauptteil: Einzelbilddarbietung
D
Einstellung, Präferenz
D
Einstellung, Präferenz
M
Between-Groups-Vergleich
Variante V (Teilstichprobe S5) Einleitung
Wortreizdarbietung
Hauptteil: Einzelbilddarbietung Wortreizdarbietung mit Priminga
abhängige Variable
M Einzelbilddarbietung
M
unabhängige Variable
Ablauf des Interviews Abkürzungen: D...Demografie, M...Markenvorstellung
Abbildung 51: Versuchsanordnung des intramodalen Between-Groups-Vergleiches
506
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Die Überprüfung der Homogenität der Steigungskoeffizienten erfolgt analog Kapitel 8.1.1 mittels t-Tests. Dazu wird das Dummyregressionsmodell der Form Y = E0-II + E1-IIX + E0-IZ1 + E0-VZ5 + E1-I(Z1X) + E1-V(Z5X) + H Y .................................................... Einstellung gegenüber der Marke bzw. Markenpräferenz X .................................................... Emotion im Zusammenhang mit der Marke Z1, Z5 .............................................. Dummy Variablen E0-II ................................................. Intercept der Referenzgruppe (Variante II) E0-I, E0-II .......................................... Differenz-Intercepts der Varianten I und IV E1-II ................................................. Regressionskoeffizient der Referenzgruppe (Variante II) E1-I, E1-II .......................................... Differenz-Koeffizienten der Varianten I und IV H...................................................... Error
analysiert, wobei zur Berechnung der t-Werte eine Referenzgruppe außerhalb der beiden zu testenden Varianten gewählt werden muss. Im gegenständlichen Fall wurde Variante II herangezogen. Als Fazit zur intramodalen Analyse der Beziehungsstärke ist festzuhalten, dass – abgesehen von den Unterschieden hinsichtlich Modellgüte – keine überzufälligen Abweichungen zwischen Gruppen, denen Reize in ein und derselben Modalität dargeboten wurden, zu beobachten sind. Es darf daraus folgend unterstellt werden, dass die im Experimentaldesign getroffenen Vorkehrungen zur Gewährleistung der internen Validität der Messungen ausreichend waren und die Unterschiede der Beziehungsstärke auf eine – in Abhängigkeit der Darbietungsmodalität – differenzierte Emotionsvermittlung zurückzuführen sind. Eine detaillierte Darstellung des intramodalen Between-Groups-Vergleich findet sich in BOSCH (2004, S. 262ff).
Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode
507
9 Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode 9.1 Limitierungen und offene Forschungsfragen In der gegenständlichen Studie wurden vier der von THYRI (2003) definierten markenrelevanten Emotionen herausgegriffen. Wenngleich sich die Ergebnisse über die untersuchten Emotionsqualitäten grundsätzlich konsistent verhalten, sind geringe – empirisch nicht nachweisbare – emotionsspezifische Unterschiede erkennbar. Im Zuge der weiteren Forschung im Bereich der Emotionsmessung von Marken gilt es daher, die alternativen Darbietungsvarianten für weitere Emotionsqualitäten zu untersuchen. Von besonderem Interesse sind nach den Erkenntnissen des Projektes visuelle Reize mit hohem Anteil emotionsauslösender Bildelemente. Die vier analysierten Emotionen wurden mittels überwiegend emotionsdarstellenden Bildern vermittelt, wobei sich emotionsauslösende Komponenten in den Emotionen Liebe, Ärger und Freude fanden. Emotionen wie Ekel oder Furcht, die vordergründig emotionsauslösenden Bildern kommuniziert werden (vgl. SCHIEL 2004; siehe hierzu auch den Beitrag von SCHIEL), weisen möglicherweise andere Anforderungen an den Darbietungsmodus auf. Die in Kapitel 6 formulierten Hypothesen (insbesondere die Wirkungshypothese) sind für diese Emotionen zu überprüfen.
9.2 Methodische Erkenntnisse Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die in Kapitel 6 formulierte Kernhypothese erfüllt ist, das heißt: Die Validität der Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken variiert mit dem Präsentationsmodus der Stimuli. Die Prüfung der Wirkungs- und Stabilitätshypothese, sowie der Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“ verlangt aber eine differenziertere Betrachtung der Darbietungsalternativen. Die Wirkungshypothese hat gezeigt, dass sich alternative Formen der Stimuluspräsentation grundsätzlich hinsichtlich der Wirkung der reizvermittelten Emotionsqualität unterscheiden. Im direkten Vergleich der Darbietungsvarianten konnte festgestellt werden, dass die Wirkung der Methoden mit hohem Verbalanteil (Varianten II und V) vergleichsweise am stärksten ist. Wortprimes führten nur bei der Darbietung einzelner Bildreize zu signifikant höheren Steigungskoeffizienten gegenüber der ungeprimten Version. Bei Bildsequenzen war der Bahnungseffekt des Wortreizes zu gering um empirisch nachweisbare Unterschiede herbeizuführen. Entgegen der theoretischen Argumentation in Kapitel 5.3.4 und der daraus abgeleiteten Hypothese 1.1, ließ sich mittels zu Sequenzen gruppierter Bildreize keine höhere
508
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Messvalidität im Vergleich zur Darbietung von Einzelreizen erzielen. Dafür gibt es drei Erklärungsansätze: x Ex post kritisch zu betrachten ist der zeitliche Ablauf der sequenziellen Darbietung. Die Teilbilder wurden unmittelbar aufeinanderfolgend, ohne dazwischen liegendes Zeitfenster, präsentiert. Es ist denkbar, dass diese Art der Darbietung, welche das „Nachwirken“ der einzelnen Teilreize unterband, den Verarbeitungsprozess der Stimuli hemmte bzw. zu Verarbeitungsproblemen bei den Testpersonen führte und dadurch die Extrahierung der durch die Sequenz vermittelten Emotion beeinträchtigte. x Vorstellbar ist ferner, dass – wie in Kapitel 5.3.4 in Anlehnung an ESCH (1990) als Argument gegen die Bildkollage formuliert – eine zu hohe Gesamtkomplexität die Reizverarbeitung erschwerte. Die „Reizüberflutung“ der Versuchspersonen verursachte eine Überforderung der Probanden hinsichtlich der Stimulusinterpretation und führte möglicherweise bis zur Wahrnehmungsabwehr. x Letztlich stiften die einzelnen Teilreize vermutlich bei einem Teil der Versuchspersonen inkonsistente Schemaaktivierungen. Trotz der im Rahmen des Forschungsprojektes präzise definierten Anforderungen an emotionale Bildreize (vgl. dazu insbesondere Kapitel 1), aufwendigen Mechanismen zur Generierung des Bilderpools und der Entwicklung einer Bilderskala (vgl. dazu SCHIEL 2004 und WINDER 2004 bzw. die Beiträge von SCHIEL und WINDER) lassen sich Probleme bei der Zuordnung der emotionalen Bildreize auf Marken nicht gänzlich unterbinden. Bei der sequenziellen Darbietung kann dies anstatt der Aktivierung eines klar ausgeprägten emotionalen Schemas zu diffusen und unspezifischen Gedächtnisbildern führen. Enthält eine Sequenz auch nur einen einzigen für die Testperson schemainkongruenten Reiz, so stört dies den Wahrnehmungsprozess der übrigen Teilbilder. Die Schemainkongruenz muss dabei nicht zwangsläufig nur vom Bildinhalt ausgehen, sondern kann sich auch aus den beiden erstgenannten Problemfeldern (Zeitablauf und Gesamtkomplexität der Sequenz) ergeben. Bei Einzelreizen tritt diese Problematik aufgrund der Randomisierung der singulären Darbietungen nicht auf, es liegen drei voneinander unabhängige Reizpräsentationen und Bewertungen vor, ein fehlinterpretierter Stimulus wirkt sich durch die Mittelwertbildung der Einzelzuordnungen schwächer auf das Gesamturteil der Testperson aus. Ein dem Bildüberlegenheitseffekt widersprechendes Ergebnis lieferte Hypothese 1.3, die aufgrund der signifikant stärkeren Wirkung der Wortdarbietung gegenüber den ausschließlichen Bildpräsentationen verworfen wurde. Zwei Aspekte sind näher zu betrachten: x Es muss vermutet werden, dass die emotionsdarstellende Komponente der Bildreize wesentlich stärker ausgeprägt ist als die aktivierende Wirkung der rezeptiven Emotion. Entsprechend dem Gesamtmodell der Bildzuordnung (vgl. Abbildung 29) muss
Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode
509
die Testperson die im visuellen Reiz enthaltenen Elemente dekodieren, ohne bei der Emotionsidentifikation durch emotionsauslösende Vorgänge unterstützt zu werden. Das von SCHWEIGER (1985a) postulierte höhere Aktivierungspotenzial von Bildern gegenüber Texten geht verloren. Bei Wortreizen fällt die Übersetzungsarbeit durch die Testperson weg. Indem die im Experimentaldesign verwendeten verbalen Items assoziativ aus den entsprechenden Bildreizen generiert wurden (vgl. Kapitel 7.3.2.3), fand die Übersetzung bereits im Vorfeld der experimentellen Durchführung statt. Die von SCHIEL (2004; siehe hierzu auch den Beitrag von SCHIEL) faktoranalytisch ermittelte Bilderskala zur Messung von Emotionen fließt daher auch in die Ableitung der Wortreize ein. x Für die emotionalen Wortreize fällt das Problem der Schemainkonsistenz weg. Es besteht – im Gegensatz zu Bildern – nicht die Gefahr, dass die Markenzuordnung von konkurrierenden Sachschemata geleitet wird. Darüber hinaus erlaubten die verbalen Stimuli möglicherweise eher die Konstruktion eines individuellen emotionalen Markenerlebnisses durch die Versuchsperson als dies Bildreize zuließen, die vorgegebene konkrete Situationen zeigten. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die emotionale Wirkung der Wortdarbietungen gegenüber der ungeprimten Bilddarbietung umso stärker ausfällt, je stärker die emotionsdarstellende Komponente in den Bildreizen überwiegt. Innerhalb der Emotionsqualitäten zeigen sich (bei gemeinsamer Betrachtung beider Validierungskriterien – Einstellung und Markenpräferenz) folgende signifikante (und tendenzielle) Ergebnisse zwischen den Varianten V und I: Tabelle 17: Emotionsspezifische signifikante Ergebnisse zwischen den Varianten V und I signifikante Ergebnisse* (1–Į = 0,95)
tendenzielle Ergebnisse* (1–Į = 0,90)
Freude
0
1
Liebe
0
0
Stolz
4
1
Ärger
1
0
Variantenvergleich V – I
*Signifikant bzw. tendenziell höhere Steigungskoeffizienten der Wortreizdarbietung (Variante V) gegenüber der Einzelbildpräsentation (Variante I)
Wie in Kapitel 8.1.2 diskutiert, liegt der Steigungskoeffizient der Wortdarbietung bei Stolz in 4 (von 6 möglichen) Fällen signifikant über dem von Variante I, während signifikante Ergebnisse bei den übrigen Emotionen – mit einem im Vergleich zu Stolz höherem Anteil emotionsauslösender Komponenten – ausbleiben (mit Ausnahme von Ärger). Bei Betrachtung der in Kapitel 8.1.2.3 analysierten emotionalen Wirkung reduzierter Wortreizdarbietungen (in Form der verbalisierten Emotionsqualität) lassen sich nur bei Stolz (in zwei Fällen) signifikant größere Steigungskoeffizienten gegenüber alternativen
510
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Präsentationsmodi nachweisen. Das lässt den Schluss zu, dass die Wirkung der im Experimentaldesign implementierten drei Wortreize je Emotionsqualität durch den Prozess der Bild- und Skalenentwicklung (indirekt) beeinflusst wurde, indem analog den bildhaften Stimuli verschiedene Ausprägungen der Emotion vermittelt wurden. Wird jeweils nur die Emotion als verbal formuliertes Item dargeboten, so zeigt sich keine empirisch feststellbare Überlegenheit gegenüber den bildhaften Darbietungsvarianten. Als Primingreiz verwendet, erfüllt der verbale Emotionsbegriff seine schemavoraktivierende Funktion. Die Hypothese des „emotionalen Bildverstehens“ zeigte, dass sich zwar grundsätzlich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden definierten Teilgruppen E (aufgrund der einleitenden Beispiele zugesprochenes „emotionales Bildverstehen“) und S (Komplementärgruppe) hinsichtlich der Beziehungsstärke feststellen lassen, allerdings konnte ein überzufälliger Effekt auf den Steigungskoeffizienten der ungeprimten Bilddarbietungen gegenüber Variante II nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis deutet auf eine teilweise kompensatorische Wirkung von verbalem Priming und einleitenden Instruktionen hin. Mit anderen Worten begründet der geringe Anteil an Personen mit „emotionalem Bildverstehen“ am Gesamtsample die deutliche Differenz der Koeffizienten zwischen Wort- und geprimter Einzelbilddarbietung einerseits und den nicht geprimten Darbietungsmodalitäten andererseits. Die Stabilitätshypothese musste in ihrer Gesamtheit (d. h. inklusive Subhypothesen) verworfen werden, es konnte (mit Ausnahme einer Emotion-Marken-Kombination) keine signifikant unterschiedliche Modellgüte zwischen den Varianten festgestellt werden. Sämtliche untersuchte Darbietungsalternativen sind deshalb als gleichwertig hinsichtlich ihrer Vorhersagevalidität zu betrachten. Wenngleich variantenspezifische Unterschiede im Wert des Prognosefehlers bestehen, nivellierte das natürliche Erhebungsumfeld möglicherweise stärker ausgeprägte Differenzen zwischen den Messmethoden, indem Geräusche oder visuelle Ablenkungen variantenneutral inkonsistente Reizzuordnungen oder Beurteilungen verursachten. Bei Vernachlässigung der Abstände zwischen den Prognosefehlern und Rangreihung der variantenspezifischen Ergebnisse, gilt Variante II in sämtlichen analysierten Emotionsqualitäten als verhältnismäßig stabilste Messmethode. Es zeigt sich grundsätzlich, dass die verbal geprimten Varianten eine (geringfügig) höhere Modellgüte aufweisen als die entsprechenden nicht geprimten Präsentationsformen. Die Darbietung verbaler Items (Variante V) ist gegenüber den Bildpräsentationen (Varianten I und III) als stabiler zu betrachten, wenn die Bildreize rein emotionsdarstellenden Charakter haben (Stolz), sie ist relativ instabiler, wenn in den Bildern emotionsauslösende Komponenten impliziert sind (Liebe, Ärger). Für die Auswahl der optimalen Darbietungsvariante zur Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken soll in erster Linie das Kriterium der emotionalen Wirkung herangezogen werden, da mit der Wirkungshypothese signifikante Unterschiede zwischen den
Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode
511
Alternativen nachgewiesen werden konnten. Die Stabilitätshypothese soll als Randbedingung in die Methodenwahl einfließen.
9.3 Wahl der optimalen Methode zur Messung von Emotionen In den vorangegangenen Analysen ging die emotionale Wirkung als Kriterium mit dem höchsten Diskriminierungspotenzial zwischen den alternativen Darbietungsvarianten hervor. Für die Auswahl der optimalen Methode zur Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken soll deshalb die emotionale Wirkung als vordergründiges Kriterium herangezogen werden. Abbildung 52 gibt einen Gesamtüberblick über die Beziehungsstärke als Maß der emotionalen Wirkung der Präsentationsmodi. Dabei wurden die Ergebnisse beider Außenkriterien (Einstellung und Markenpräferenz) additiv vereint.
Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke I
II
III
IV
1+3
I
V
I
III
IV
V
Legende:
I
1+1
I
1
II
II
I II 4+2
3
IV
1+2
1+1
V
I I
II 3
III
IV
Beziehungsstärke Emotion Liebe
Beziehungsstärke Emotion Freude
II III
IV
1+1
2 Lesebeispiel: Variante II weist in 4 von 6 Fällen eine höhere Beziehungsstärke auf als Variante I.
V
I I
II 1+1
III
IV
V
6/6
3/6
1
5/6
2/6
4/6
1/6
II
III
4+1
5+1
IV
3
2+2
Beziehungsstärke Emotion Ärger
Beziehungsstärke Emotion Stolz
2
V 4+1
II
V
II III
III
2
2
IV
2
2+1
V
1+1
Anzahl der tendenziellen Ergebnisse
Anzahl der signifikanten Ergebnisse
Abbildung 52: Gesamtbetrachtung der Beziehungsstärke
Wie bereits mehrfach gezeigt wurde, sind die geprimte Einzelbild- und die rein verbale Darbietung gegenüber den anderen Varianten zu favorisieren. Eine eindeutige Entscheidungsfindung zwischen den beiden zu priorisierenden Methoden ist hingegen nicht möglich: Variante II erzeugt insgesamt 25, Variante V 22 signifikante Unterschiede zu den übrigen Varianten (I, III, IV). Bei einer Maximalzahl von 72 möglichen signifikanten Ergebnissen liegt der empirische Chi-Quadrat-Wert (Ȥ²=0,28) weit unter dem kritischen Tabellenwert von 3,84 (df=1, 1–Į=0,95). Die Berücksichtigung auch der tendenziellen
512
Optimierung der Gestaltung und Darbietung von Bildreizen in der Emotionsmessung
Ergebnisse (zusätzlich 11 bzw. 7 Fälle) vergrößert zwar die Prüfgröße (Ȥ²=1,80), zeigt aber dennoch keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Varianten (Ȥ²kritisch=3,84; df=1, 1–Į=0,95). Eine höhere Diskriminierungsleistung von Variante II im Vergleich zu V lässt sich daher (trotz der etwas größeren Zahl an signifikanten und tendenziellen Ergebnissen) empirisch nicht nachweisen. Neben der höheren emotionalen Wirkung der Varianten II und V gegenüber den übrigen Varianten I, III und IV lassen sich zwei weitere Vorteile nennen, die für Wort- und geprimte Einzelbilddarbietung gleichermaßen gelten: x Beide Varianten gelten als stabil (bzw. unabhängig) gegenüber dem Ausmaß des „emotionalen Bildverstehens“ der Testpersonen. x Aufgrund der Einzelreizdarbietung sind beide Alternativen als relativ stabil gegenüber Ausreißern, verursacht durch Fehlinterpretationen von Partialreizen, zu betrachten. Darüber hinaus finden sich Argumente, die eine Bevorzugung der geprimten Einzelbilddarbietung für die Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken begründen: x Die Stabilität der Messung als postulierte Randbedingung der Entscheidungsfindung weist zwar keine empirisch nachweisbar höhere Modellgüte gegenüber der Wortreizdarbietung auf, die Reduzierung der Prognosefehler auf Ordinalskalenniveau mittels Rangreihung zeigt aber einen signifikant geringeren durchschnittlichen Rangplatz von Variante II gegenüber Variante V. x Wird emotionales Bildverstehen der Testpersonen erreicht, führt dies im Schnitt zu einer Verstärkung der emotionalen Wirkung (wenn auch in vergleichsweise geringem Ausmaß) gegenüber der Wortreizdarbietung. x Enthalten Bildreize (neben emotionsdarstellenden) auch emotionsauslösende Komponenten, so sind in Variante V weniger signifikante Unterschiede zu den alternativen Darbietungsformen zu beobachten als bei rein emotionsdarstellendem Charakter der visuellen Stimuli. Von den für Variante V insgesamt 21 festgestellten signifikanten Unterschieden der Beziehungsstärken gegenüber den übrigen Darbietungsmodalitäten wurden 11 in der Emotionsqualität Stolz erzielt. Für Variante II liegt dieses Verhältnis bei 25:10. Es ist zu vermuten, dass verbales Priming bei emotionsdarstellenden Bildinhalten die Extrahierung der Emotion in wesentlichem Maß beeinflusst bzw. diese überhaupt erst ermöglicht und der Anteil des Primes am Gesamtprozess der Reizzuordnung entsprechend hoch ist. Bei Bildern mit emotionsauslösenden Elementen ist hingegen anzunehmen, dass das Bild die Zuordnung
Erkenntnisse und Wahl der optimalen Messmethode
513
auf die Marke bestimmt und die Funktion des Primes auf die Voraktivierung beschränkt bleibt. x Bei Reduzierung der Wortreizdarbietung auf ein singuläres Item in Form der verbalisierten Emotionsqualität (vgl. dazu Kapitel 8.1.2.3), verliert Variante V* die vorhin empirisch festgestellte Überlegenheit gegenüber den Varianten I, III und IV. Insgesamt konnten nur zwei signifikante Ergebnisse (bezogen auf das Validitätskriterium Einstellung) der reduzierten Wortreizdarbietung festgestellt werden (vgl. Abbildung 46). Die Berechnung des Chi-Quadrat-Wertes (Ȥ²=21,21) zeigt daher ein signifikantes besseres Ergebnis der geprimten Einzelbilddarbietung gegenüber Variante V* (Ȥ²kritisch=3,84; df=1, 1–Į=0,95). x Von den in Kapitel 1 postulierten Vorteilen von Bildreizen im Rahmen der Nonverbalen Imagemessung lassen sich einige Argumente für die gegenständliche Diskussion heranziehen: - Bei internationalen Studien ist es erforderlich, verbale Reize zu übersetzen. Bei der rein verbalen Reizdarbietung beeinflusst die Transformation der Wortitems in die jeweilige Landessprache die emotionale Wirkung der Messung. Demgegenüber verursacht eine suboptimale Übersetzung der Primes aufgrund der Stabilität von Bildern über verschiedene Länder hinweg (zumindest innerhalb gleicher oder ähnlicher Kulturkreise) verhältnismäßig geringe Verzerrungen (vgl. dazu auch SCHWEIGER und WUSST 1988, S. 39). - Die den Marken zugeordneten visuellen Reize lassen sich von Kreativen unmittelbar, d. h. ohne weitere Übersetzung, in die Bildkommunikation überführen (vgl. SCHWEIGER 1985a, S. 128). - Die Tendenz zu erwünschten Antworten von Auskunftspersonen lässt sich mit Bildreizen eher vermeiden als mit verbalen Stimuli (vgl. SCHWEIGER 1985b, S. 251). - Zahlreiche Erfahrungen haben gezeigt, dass Bildreize zur Auflockerung des Interviews beitragen und auf hohe Akzeptanz bei den befragten Personen stoßen (vgl. z.B. SCHWEIGER 1985b, S. 251; BOSCH und SCHIEL 1999, S. 246). Die geprimte Einzelbilddarbietung ist daher bei Berücksichtigung aller genannten Gesichtspunkte als die optimale Darbietungsmodalität der analysierten Varianten zur Messung von Emotionen im Zusammenhang mit Marken zu betrachten.
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Anhang
Bilder der standardisierten Emotionsskala
Freude
Akzeptanz/ Vertrauen
Überraschung
Begehren
Stolz
Liebe
Ekel/Abscheu
Angst
Ärger
Traurigkeit
Enttäuschung
Langeweile