Einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts [1 ed.] 9783428531943, 9783428131945

Florian Melloh legt in der vorliegenden Publikation die Grundlagen für eine einheitliche Strafzumessung im ICC-Statut. E

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German Pages 590 Year 2010

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Einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts [1 ed.]
 9783428531943, 9783428131945

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Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Band 6

Einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts Von

Florian Melloh

a Duncker & Humblot · Berlin

FLORIAN MELLOH

Einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts

Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Herausgegeben von RiLG Prof. Dr. Kai Ambos

Band 6

Einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts Von

Florian Melloh

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1867-5271 ISBN 978-3-428-13194-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Renate Melloh

Vorwort Die Idee zu dem Thema der Dissertation reifte während meines LL.M.-Studiums des internationalen Strafrechts an der Universität Leiden. Umsetzen konnte ich diese Idee im Wesentlichen in meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Strafrecht II der Bucerius Law School. Das Manuskript der Dissertation wurde Ende 2008 abgeschlossen. Die Literatur konnte noch bis Mitte 2009 aktualisiert werden. Für das Gelingen dieser Dissertation danke ich von Herzen meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hans Kudlich. Er hat stets mit großem Wohlwollen und mit hohem persönlichen Einsatz meine Dissertation begleitet. Dann gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Franz Streng für die Mühe des Zweitgutachtens und Herrn Richter am LG Prof. Dr. Kai Ambos für die bereitwillige Aufnahme in diese Schriftenreihe. Diese Dissertation wäre nicht ohne den Beistand zahlreicher weiterer Personen und Institutionen entstanden. Für die gewährte Unterstützung danke ich neben vielen anderen ganz besonders Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Sieber für die freundliche Aufnahme am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg; Herrn Prof. George P. Fletcher für die Einladung an die Columbia University und die Einsichten in die Strafrechtsvergleichung; Herrn District Judge Prof. Gerard E. Lynch für seine auch persönlichen Einblicke in die Strafzumessung; Herrn Prof. Dr. Frank Saliger für seine wertvollen Hinweise zur Gerechtigkeit; Herrn Prof. Dr. Helmut Satzger für die früh gewährte Möglichkeit zur Arbeit im Völkerstrafrecht, ohne die es nicht zur Dissertation gekommen wäre, und schließlich der Bucerius Law School mit ihrer Bibliothek, an der große Teile dieser Arbeit entstanden sind. Diese Dissertation ist mit dem Promotionspreis des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Förderpreis der SchmitzNüchterlein-Stiftung ausgezeichnet worden. Hamburg, im Juli 2009

Florian Melloh

Inhaltsübersicht Einleitung A. Bedeutung der einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ablauf der Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 38 41

1. Teil

Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

51

1. Kapitel Das ICC-Statut im System der Menschenrechte A. ICC-Statut als Teil des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Völkerstrafrecht im System der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 51 55 72

2. Kapitel Straftheoretische Ausgangspunkte der Strafzumessung im Völkerstrafrecht A. B. C. D.

74

Grundlegungen für eine Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Rechtfertigung des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Rechtfertigung von Strafe und Maß im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Kapitel Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

157

A. Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung am Beispiel der Arbeit des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

10

Inhaltsübersicht 2. Teil

Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts

194

4. Kapitel Die Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

194

A. Rechtsquellen des ICC-Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 B. Konkretisierung der Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5. Kapitel ICC-Statut und ICC-RPE (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut)

297

A. Sanktionssystem und Strafbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 6. Kapitel Völkergewohnheitsrecht (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 2 ICC-Statut)

330

A. Sanktionssystem und Strafbemessung: Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 7. Kapitel Allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut)

380

A. Sanktionssysteme und Strafbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

Inhaltsübersicht

11

8. Kapitel Zusammenfassung der Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im ICC-Statut und der Versuch ihrer anwendungsbezogenen Konkretisierung

513

A. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 B. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 C. Im Kontext der Darstellung der Strafentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535

3. Teil

Ausblick

538

9. Kapitel Strafstruktur für das ICC

538

A. Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 B. Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 C. Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

Inhaltsverzeichnis Einleitung A. Bedeutung der einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37

B. Ablauf der Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

C. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

I. Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

II. Makrokriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III. Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Teil

Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

51

1. Kapitel Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

51

A. ICC-Statut als Teil des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

B. Völkerstrafrecht im System der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

I. Völkerstrafrecht und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Menschenwürde als Ursprung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

1. Menschenwürde und Menschsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

2. Freiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3. Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Menschenrechte der Freiheit, Gleichheit und Solidarität . . . . . . . . . . . . . .

62

1. Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

a) Nulla poena sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

b) Keine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafe . . . . . .

63

c) Zurückhaltung bei der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

2. Gleichheitsrecht: Gebot der Differenzierung und Verbot der Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Das Recht des Täters auf Wiedereingliederung . . . . . . . . . . . . . . . .

69

b) Das Recht des Opfers auf Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . .

70

14

Inhaltsverzeichnis c) Gebot der Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

2. Kapitel Straftheoretische Ausgangspunkte der Strafzumessung im Völkerstrafrecht

74

A. Grundlegungen für eine Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I. Rechtfertigung des Völkerstrafrechts und der Völkerstrafe als Differenzierungskriterium im Gleichheitssatz der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

II. Relativität der Rechtfertigung von Völkerstrafrecht und Völkerstrafe . . . .

78

III. Sinnhaftigkeit der Völkergemeinschaft: Kollektive Geltung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

B. Rechtfertigung des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

I. Wege der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

II. Normative Rechtfertigung durch Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

1. Rechtsgüterschutz als Rechtfertigung des nationalen Strafrechts . . . . .

81

2. Rechtsgüterschutz als Rechtfertigung des Völkerstrafrechts . . . . . . . . .

83

a) Funktion des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

aa) Funktion im Kontext der Völkergemeinschaft: Zur Durchsetzung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

(1) Völkerstrafrecht zur Sanktion eines Rechtsbruchs . . . . . . .

84

(2) Völkerstrafrecht zur Wahrung der Menschenrechte . . . . . .

84

(3) Völkerstrafrecht zur Wahrung des Friedens . . . . . . . . . . . .

86

bb) Funktion im Kontext der nationalen Gemeinschaft: Zur Wahrung der Gerechtigkeit und zur Aufarbeitung des Konflikts . . . . . . .

86

(1) Völkerstrafrecht als ausgleichende Gerechtigkeit . . . . . . . .

87

(2) Völkerstrafrecht zur Aufarbeitung des Konflikts . . . . . . . .

87

b) Rechtfertigung durch den Schutz der Güter und Werte: Weltfrieden, internationale Sicherheit und Wohl der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

C. Rechtfertigung von Strafe und Maß im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

I. Begrenzung der Straf- und Völkerstraftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

II. Nationale Straftheorien im Kontext des Völkerstrafrechts . . . . . . . . . . . . .

93

III. Rechtfertigung durch nationale Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Eckpunkte der retributiven und präventiven Straftheorien . . . . . . . . . .

97

a) Straftheorien: Relativ oder absolut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

b) Straftheorien: Utilitaristisch oder deontologisch . . . . . . . . . . . . . . .

98

c) Straftheorien: Präventiv oder retributiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis 3. Ausgesuchte retributive und präventive Straftheorien: Aussagen, Auswirkungen und Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Retributive Theorien der Vergeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgleich eines unfairen Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kommunikative Just-deserts-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . (a) Tadel und Abschreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Tadel und Buße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Präventive Theorien der Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Positive Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Notwendigkeit sicherer Normengeltung . . . . . . . . . . . . (b) Soziale Kontrolle und Bestätigung sozialer Normen . . (c) Integrationsprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Gemeinsame methodische Voraussetzungen . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Negative Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Präventive Theorien der Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Positive Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Negative Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wesentliche Aussagen der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

102 103 105 106 109 109 110 111 111 113 114 117 120 120 120 121 122 124 126 127 128 133 133 136 137 140 141 141 142 142 145 145 146 146 150

16

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

A. Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Gleichbehandlung zur gleichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichheit und Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gleiches Strafmaß für den gleichen und ungleichen Fall . . . . . . . . . . . 3. Gleichheit des Strafmaßes durch Verhältnismäßigkeit und Graduierung 4. Individualisierung und Differenzierung durch rechtliche Mechanismen II. Strafzumessung als Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herstellung und Darstellung der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entscheidungssituation der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Entscheidung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einheitliche Strafzumessung durch Differenzierung im gleichen Maß . . . B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung am Beispiel der Arbeit des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mechanismen in dem Bericht „Disparities in sentencing: causes and solutions“ und der Empfehlung „Consistency in Sentencing“ des Europarates II. Im Kontext der Herstellung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode . . . . . . . . . c) Bezugspunkte der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgesuchte Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Graduierung der Strafstruktur und Einstieg in den Strafrahmen . . . 2. Die Entscheidungssituation im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafzumessungsinformation im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtlinienurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien . . III. Im Kontext der Darstellung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründungspflicht und -umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 158 158 158 159 160 161 162 162 164 164 166 167 169 169 170 170 170 172 173 174 176 177 179 179 180 181 186 186 188 189

Inhaltsverzeichnis

17

2. Teil

Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts

194

4. Kapitel Die Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

194

A. Rechtsquellen des ICC-Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Das eigene Recht des ICC: Statut, Verbrechenselemente sowie Verfahrensund Beweisordnung (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Das ergänzende Recht des ICC: Völkerverträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) und (c) ICC-Statut) 195 1. Völkerrechtliche Verträge (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 1 ICC-Statut) . . 195 2. Grundsätze und Regeln des Völkerrechts (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 2 ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Beleg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut) . . . . . 205 a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Beleg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Herausarbeiten gemeinsamer Prinzipien (1. Schritt) . . . . . . . . 208 (1) Funktionale Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Vergleichsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (a) Rechtsfamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (b) Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (c) Rechtsordnungen und Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . 211 (3) Gemeinsame Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Übertragung ins Völkerstrafrecht (2. Schritt) . . . . . . . . . . . . . . 214 cc) Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (3. Schritt) . . . . . 216 III. Die hierarchische Struktur der Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Formelle Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Materielle Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Menschenrechte und Diskriminierungsverbot (Art. 21 Abs. 3 ICCStatut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Jus cogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 B. Konkretisierung der Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Auslegung des ICC-Statuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Nachweis von Völkergewohnheitsrecht im Kontext des Strafens . . . . . . . . 225

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Inhaltsverzeichnis 1. Statuten und Urteile der Internationalen Militärgerichtshöfe von Nürnberg und Tokio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Statut und Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg (IMT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Das Statut als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . 231 (a) Deklaratorische Wirkung des IMT-Statuts . . . . . . . . . 231 (b) Konstitutive Wirkung des IMT-Statuts . . . . . . . . . . . . 232 (2) Das Urteil als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . 234 (3) Nürnberger Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (4) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht 238 b) Statut und Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Tokio (IMTFE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Statut und Urteile des Militärgerichtshofs von Nürnberg (Nürnberger Nachfolgeprozesse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 (CCL No. 10) als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Die Urteile als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . . . 246 cc) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht . . 250 3. Statuten und Urteile sonstiger Militärgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Statuten und Urteile der Militärkommissionen und Militärgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Statuten und Urteile der Gerichte der Militärregierung . . . . . . 261 cc) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht . . 262 4. Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha 262 a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 bb) Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) . . . . . . . . . 266 b) Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Ad-hoc-Gerichtshöfe als Organe des Sicherheitsrates . . . . . . . 269 bb) Die Statuten als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . . 273

Inhaltsverzeichnis

19

cc) Die Urteile als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht . . . . . . 274 III. Die für die Konkretisierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze relevanten Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Kontinentaleuropäische Rechtsfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Germanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Deutschland . . . . . 276 b) Nordischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Schweden . . . . . . . . . 278 c) Romanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Frankreich . . . . . . . 281 2. Angloamerikanische Rechtsfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Britischer Rechtskreis: Rechtsordnung von England-Wales . . . . . . 283 b) US-amerikanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Australischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5. Kapitel ICC-Statut und ICC-RPE (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut)

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A. Sanktionssystem und Strafbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Freiheitsstrafen (Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 a) Zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe (Art. 77 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut) 299 b) Lebenslange Freiheitsstrafe (Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut) . . . . 299 aa) Außergewöhnliche Schwere des Verbrechens . . . . . . . . . . . . . . 300 bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Nebenstrafen (Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a) Geldstrafe (Art. 77 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 b) Einziehung (Art. 77 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3. Anrechnung vorheriger Haftzeiten (Art. 78 Abs. 2 ICC-Statut) . . . . . . 303 4. Gesamtstrafenbildung (Art. 78 Abs. 3 ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5. Herabsetzung der Strafe (Art. 110 ICC-Statut) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode . . . . . . . . . . . 307 3. Bezugspunkte der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Allgemeine Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 aa) Schwere der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

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Inhaltsverzeichnis (1) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . 311 (2) Tatfolgen, insbesondere Auswirkung auf das Opfer . . . . . . 312 bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten: Wirkung der Strafe, Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 b) Besondere Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 aa) Strafmildernde Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (1) Tatverhalten, Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (2) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht sowie Wiedergutmachung . . . . . . . 314 bb) Strafschärfende Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (1) Vorstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (2) Besondere Grausamkeit der Ausführung und besondere Wehrlosigkeit des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (3) Diskriminierende Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (4) Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung . 315 (5) Vergleichbare Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . 316 cc) Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände zur Bestimmung strafschärfender Strafzumessungsumstände? . . . . . . . . . 316 c) Tatumstände und Strafrahmenverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 d) Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände und Doppelverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5. Verhältnismäßigkeit und Graduierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Verhältnismäßige Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 c) Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 d) Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Strafzumessungsinformation im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Richtlinienurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien . . . . . 323 III. Im Kontext der Darstellung der Strafentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Begründungspflicht und -umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) 326

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Inhaltsverzeichnis

21

6. Kapitel Völkergewohnheitsrecht (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 2 ICC-Statut)

330

A. Sanktionssystem und Strafbemessung: Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Retributive Straftheorien (retribution) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 b) Präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 aa) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (1) Negative Generalprävention (deterrence) . . . . . . . . . . . . . . 336 (2) Positive Generalprävention (affirmative prevention) . . . . . 338 bb) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (1) Abschreckungsprävention (individual deterrence) . . . . . . . 340 (2) Sicherungsprävention (protection of society) . . . . . . . . . . . 341 (3) Besserungsprävention (rehabilitation) . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode . . . . . . . . . . . 345 3. Bezugspunkte der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 4. Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Allgemeine Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa) Schwere der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (1) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . 351 (2) Tatfolgen, insbesondere Auswirkungen auf das Opfer . . . . 354 bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 b) Besondere Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 aa) Strafmildernde Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . 356 (1) Tatverhalten, insbesondere Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (2) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 (3) Guter Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 (4) Individuelle Umstände des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . 359 bb) Strafschärfende Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (1) Diskriminierende Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (2) Missbrauch einer Machtposition oder Ausnutzung einer offiziellen Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (3) Besondere Umstände der Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

22

Inhaltsverzeichnis

(4) Besondere Folgen der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Doppelverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafpraxis der Konfliktstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnismäßigkeit und Graduierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafzumessungsinformation im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtlinienurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien . . . . . 4. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362 362 363 364 366 366 367 370 371 371 372 373 374 375

7. Kapitel Allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut) A. Sanktionssysteme und Strafbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsordnung von Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsordnung von Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsordnung von Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsordnung von England-Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika VI. Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien . . . B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinsame Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Retributive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

380 380 381 386 389 393 397 400 404 404 405 405 407 410 410

(2) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 cc) Antinomie der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 aa) Präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 (1) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Inhaltsverzeichnis

23

(2) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 bb) Retributive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 cc) Antinomie der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 aa) Präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (1) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (2) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 bb) Retributive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 cc) Antinomie der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 d) England-Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 aa) Retributive und präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 bb) Antinomie der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . 427 f) Victoria und Commonwealth von Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 aa) Retributive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 bb) Präventive Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 (1) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 (2) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 cc) Denunciation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 dd) Antinomie der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 aa) Zusammenspiel mehrerer Straftheorien durch Rangfolge und Gewichtung nach Straftat und Straftäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 bb) Vorrang der Just-deserts-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 cc) Nachrang der positiven Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . 439 dd) Nachrang der negativen Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . 439 ee) Nachrang der positiven Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . 440 ff) Nachrang der negativen abschreckenden Spezialprävention . . . 440 gg) Sonderrolle der negativen sichernden Spezialprävention . . . . . 440 hh) Verhältnis der präventiven Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode . . . . . . . . . . . 441 a) Deutschland: Prävention im Rahmen der Repression . . . . . . . . . . . 441 b) Schweden: Maß der Strafe und Wahl der Strafart . . . . . . . . . . . . . . 445 c) Frankreich: Richterliches Strafzumessungsermessen (l’individualisation judiciaire) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 d) England-Wales: Strafzumessungsermessen (sentencing discretion)

450

e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika: Typische Strafe (presumptive sentence) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

24

Inhaltsverzeichnis f) Victoria und Commonwealth von Australien: Intuitive Gesamtbetrachtung (instinctive synthesis approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strafzumessungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafzumessungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bezugspunkte der Strafe und Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . a) Deutschland: Erfolgs- und Handlungsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweden: Strafwert der Tat (brottets straffvärde) . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich: Umstände der Straftat und der Persönlichkeit des Täters (fonction des circonstances de l’infraction et de la personnalité) . . d) England-Wales: Tatschwere (offence seriousness), Schuld und Schaden (culpability and harm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika: Tatschwere (offense severity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Victoria und Commonwealth von Australien: Tatschwere (offence gravity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausrichtung der Strafe primär an der Tatschwere und sekundär am Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkretisierung der Tatschwere am Grad der Schädlichkeit und am Ausmaß der Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnismäßigkeit und Graduierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) England-Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . f) Victoria und Commonwealth von Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnismäßigkeit von Strafwert und Strafwürdigkeit . . . . . . bb) Gleichsetzung der Eckpunkte der Strafskala mit einer Bandbreite von Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einteilung der Strafskala nach Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einteilung der Stufen im Verhältnis zu anderen Straftatbeständen oder Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einstieg in den Strafrahmen durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Einordnung des Strafzumessungsfalls durch eine Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

453 456 456 456 457 458 460 461 463 464 465 469 469 469 469 470 470 474 476 477 481 483 487 488 488 488 488 489 490

Inhaltsverzeichnis

25

II. Übertragung ins Völkerstrafrecht und Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) a. E. und Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) . . . . . . . 490 1. Prinzipien der Straftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 a) Haupt- und Nebenstraftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 aa) Hauptstraftheorie des „just deserts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 bb) Hauptstraftheorie der positiven Generalprävention . . . . . . . . . 492 cc) Ausschluss der negativen Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . 494 dd) Nebenstraftheorie der positiven Spezialprävention . . . . . . . . . . 494 ee) Ausschluss der negativen abschreckenden Spezialprävention . 495 ff) Nebenstraftheorie der negativen sichernden Spezialprävention

495

b) Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 aa) Hauptstraftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 (1) Herleitung der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (a) Wesen der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (b) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (c) Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (2) Wesen der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 bb) Nebenstraftheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 (1) Rechtfertigung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 (2) Rechtfertigung des Strafmaßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 2. Prinzipien der Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode 502 3. Prinzipien der Bezugspunkte der Strafe und Strafzumessungsumstände 504 4. Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Graduierung . . . . . . . . . . . . . . 506 a) Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 b) Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 c) Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 8. Kapitel Zusammenfassung der Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im ICC-Statut und der Versuch ihrer anwendungsbezogenen Konkretisierung

513

A. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 I. Straftheorie: Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß im Völkerstrafrecht

514

1. Herleitung einer tatproportionalen, normbestätigenden Völkerstraftheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 2. Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

26

Inhaltsverzeichnis a) Rechtfertigung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 b) Rechtfertigung des Strafmaßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 II. Strafzumessungsmethode: 6 Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 1. 1. Schritt: Grenzen der Strafbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 2. 2. Schritt: Straftheorienbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 3. 3. Schritt: Strafwertbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 4. 4. Schritt: Strafartwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 5. 5. Schritt: Strafumfangswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 6. 6. Schritt: Sonstige Strafentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 III. Bezugspunkte der Strafe: Schwere der Tat und persönliche Umstände des Straftäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 IV. Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 1. Allgemeine Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE)

521

a) Schwere der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 aa) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 bb) Tatfolgen, insbesondere Auswirkung auf das Opfer . . . . . . . . . 523 b) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten: Wirkung der Strafe, Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 2. Besondere Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 ICC-RPE) . . . . . . 523 a) Strafmildernde Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 lit. (a) ICCRPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 aa) Tatverhalten, insbesondere Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 bb) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit dem Gericht und Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 cc) Guter Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 dd) Individuelle Umstände des Verurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 b) Strafschärfende Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 lit. (b) ICCRPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 aa) Vorstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 bb) Besondere Umstände der Begehung, insbesondere Grausamkeit der Ausführung und besondere Wehrlosigkeit des Opfers . . . . 526 cc) Diskriminierende Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 dd) Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung . . . . 527 ee) Vergleichbare Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 c) Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände zur Bestimmung besonderer, strafschärfender Strafzumessungsumstände? . . . 528 3. Berücksichtigung der Strafzumessungsumstände . . . . . . . . . . . . . . . . . 528

Inhaltsverzeichnis

27

4. Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände . 529 5. Doppelverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 V. Verhältnismäßigkeit und Graduierung: Horizontale und vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 1. Verhältnismäßige Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 2. Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 3. Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 4. Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 B. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 I. Strafzumessungsinformation im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 II. Richtlinienurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 III. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien . . . . . . . . 534 C. Im Kontext der Darstellung der Strafentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 I. Begründungspflicht und -umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 II. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

3. Teil

Ausblick

538

9. Kapitel Strafstruktur für das ICC

538

A. Horizontale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 B. Vertikale Strafstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 C. Einstieg in den Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

Abkürzungsverzeichnis A Abl. Abl. Kr. Abs. AC ACHR ACJ A. Crim. R. Add. ADV a. E. AEMR a. F. African Charta AfrMRK

General Assembly Amtsblatt Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Absatz Ad hoc Committee American Convention on Human Rights Acting Chief Justice Australian Criminal Reports Addendum Archiv des Völkerrechts am Ende Allgemeine Erklärung der Menschenrechte alte Fassung African Charter on Human and Peoples’ Rights Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker AJIL The American Journal of International Law Alb. L. Rev. Albany Law Review ALR Australian Law Reports AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention ARIEL Austrian Review of International & European Law Art. Artikel / Article Australian Y. B. Int. L. Australian Yearbook of International Law B.C. Int’l & Comp. L. Rev. Boston College International and Comparative Law Review BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BrB Brottsbalken Brit. Y. B. Int’l L British Yearbook of International Law Buff. Crim. L. Rev. Buffalo Criminal Law Review Bull. Bulletin des arrêts de la Cour de cassation Bull. crim. Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres criminelles BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

30 bzw. ca. Cass. crim. CAT CA Vic CCA NSW CCA QLD CCA Vic CCL No. 10 CCPR-Commentary CDPC CEDAW CESCR C.E.T.S. CJ CJA 1991 CJA 1993 CJA 2001 CJA 2003 CJE CLF CLR CN Colum. L. Rev. CONF. Cornell J. L. & Pub. Pol’y Corr. C.P. Cr. App. R. Cr. App. R. (S) CRC Crim. L. R. Crim. & Just. C(S)A 1997 C.S.I. Cth. ders.

Abkürzungsverzeichnis beziehungsweise circa Chambre criminelle The Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment Court of Appeal Victoria Court of Criminal Appeal New South Wales Court of Criminal Appeal Queensland Court of Criminal Appeal Victoria Control Council Law No. 10 U.N. Covenant on Civil and Political Rights: CCPR-Commentary, Kehl am Rhein 1993 Comité européen pour les problèmes criminals / European Committee of Crime Problems Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights Council of Europe Treaty Series Chief Justice Criminal Justice Act 1991 Criminal Justice Act 1993 Criminal Justice Act 2001 Criminal Justice Act 2003 Criminal Justice Ethics Criminal Law Forum Commonwealth Law Reports Commission Columbia Law Review Conference Cornell Journal of Law and Public Policy Corrigendum (Nouveau) Code Pénal Criminal Appeal Reports Criminal Appeal Reports (Sentencing) Convention on the Rights of the Child Criminal Law Review Crime and Justice Crime (Sentences) Act 1997 Les cahiers de la sécurité intérieure Commonwealth derselbe

Abkürzungsverzeichnis D GG-Kommentar, Band I d. h. dies. dir. DP DPP Dr. pen. Duke J. Comp. & Int’l L. E ECHR ed. eds. EG EGStGB EGV EHRR Einl. EJIL EMRK (auch MRK) EMRK-Kommentar et al. etc. ETS EU-Grundrechtecharta EUGRZ Eur. J. Crim. Policy Res. EWCA Crim f. FAR Fed. Sent. R. ff. FLR Fn. Fordham Int’l L.J. GA G.A. GAOR

31

Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band I, 2. Aufl., Tübingen 2004 das heißt dieselbe / dieselben éditeur / éditrice Draft Proposal Director of Public Prosecutions Droit pénale Duke Journal of Comparative and International Law Economic and Social Council European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms editor editors Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Human Rights Report Einleitung European Journal of International Law Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Frowein / Peukert, (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl 1996 et alii et cetera European Treaty Series Charta der Grundrechte der Europäischen Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift European Journal on Criminal Policy and Research England and Wales Court of Appeal (Criminal Division) folgende Forces Armées Rwandaise Federal Sentencing Reporter fort folgende Federal Law Reports Fußnote Fordham International Law Journal Goltdammer’s Archiv General Assembly General Assembly Official Records

32 G.A. Res. Geo. Wash. Int’l L. Rev. GG GJT GLJ HCA Hrsg. Hs. Hum. R. L. J. HuV ICC ICC Act 2001 ICC-Commentary

Abkürzungsverzeichnis

General Assembly Resolution George Washington International Law Review Grundgesetz Global Jurist Topics German Law Journal High Court of Australia Herausgeber Halbsatz Human Rights Law Journal Humanitäres Völkerrecht International Criminal Court International Criminal Court Act 2001 Triffterer (ed.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 2 nd ed., Baden-Baden 2008 ICCPR International Covenant on Civil and Political Rights ICC-RPE International Criminal Court Rules of Procedure and Evidence ICC-Statut International Criminal Court Statut ICJ International Court of Justice I.C.J. Reports International Court of Justice Reports ICJ-Statut International Court of Justice Statut ICLQ International and Comparative Law Quarterly ICLR International Criminal Law Review ICTR International Criminal Tribunal for Rwanda ICTR-RPE International Criminal Tribunal for Rwanda Rules of Procedure and Evidence ICTR-Statut International Criminal Tribunal for Rwanda Statut ICTY International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia ICTY-RPE International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia Rules of Procedure and Evidence ICTY-Statut International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia Statut i.e. id est ILC International Law Commission I.L.M. International Legal Materials IMT International Military Court IMTFE International Military Tribunal for the Far East IMTFE-Statut International Military Tribunal for the Far East Statut IMT-Statut International Military Court Statut Ind. Int.l. & Comp. L. Rev. Indiana International and Comparative Law Review INF Information

Abkürzungsverzeichnis IPBPR IPwirtR i.V. m. J JA JA JICJ JJ J.O. JPh JPSP JR JuS JZ Kap. KRG 10 KritV L Lackner / Kühl StGB Kommentar lit. LJIL LK StGB-Kommentar

Loy. L. A. Int’l. & Comp. L. J M / D GG-Kommentar Mich. J. Int.’l L. Minn. L. Rev. Misc. MRK (auch EMRK) MRK / IPBPR-Kommentar M. S. MschrKrim MSG

33

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Internationaler Pakt über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in Verbindung mit Justice oder Judge Judge of Appeal Juristische Arbeitsblätter Journal of International Criminal Justice Justices oder Judges Journal Officiel de la République Française The Journal of Philosophy Journal of Personality and Social Psychology Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristen Zeitung Kapitel Kontrollratsgesetzes Nr. 10 Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Limited Lackner / Kühl, StGB Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 26. Aufl., München 2007 littera Leiden Journal of International Law Jähnke / Laufhütte / Odersky (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, Großkommentar, 11. Aufl., Berlin 2003 Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Journal Maunz / Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, München, Stand Juni 2006 Michigan Journal of International Law Minnesota Law Review Miscellaneous Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren: MRK und IPBPR, Kommentar, Berlin 2005 Minnesota Statutes Monatschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Minnesota Sentencing Guidelines

34

Abkürzungsverzeichnis

MüKo StGB-Kommentar, Band 1 v. Heintschel-Heinegg u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, München 2003 MüKo StGB-Kommentar, Band 3 Miebach / Sander (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, München 2003 m.w. N. mit weiteren Nachweisen numéro no numéros n os NASC National Association of Sentencing Commissions NATO North Atlantic Treaty Organization NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Woche NK StGB-Kommentar Kindhäuser, Neumann, Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Band 1, Baden Baden 2005 No. number Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht N.S.W. New South Wales NYIL Netherlands Yearbook of International Law OAE Organización de los Estados Americanos OAS Organisation of American States OAU Organisation of African Unity ÖJZ Österreichische Juristenzeitung OT Overcrowded Times P. & S. Punishment & Society para. paragraph oder paragraphs PCC(S)A 2000 Powers of Criminal Courts (Sentencing) Act 2000 PCIJ Permanent Court of International Justice P.C.I.J. Series Permanent Court of International Justice Series PCNICC Preparatory Commission for the International Criminal Court PC-R-SN Select Committee of Experts on Sentencing Penalties I Lee (ed.), The International Criminal Court: The Making of the Rome Statute Issues, Negotiations, Results, The Hague 1999. Penalties II Lee (ed.), The International Criminal Court: Elements of Crimes and Rules of Procedure and Evidence, Ardesly 2001. PhR The Philosophical Review plen. mtg. plenary meeting PrepCom 1996 Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court R.D.P.C. Revue de droit pénal et de criminologie

Abkürzungsverzeichnis Rec RES Rev. R.I.C.P.T. Rn. RPF R.S.C. RT S S. s. / s SASC SCAEF Sch / Sch StGB-Kommentar sched. SchwZStr S.C. Res. S. Ct. Sess. SGC SHAEF SK StGB-Kommentar SMAD sog. SPh & P SR (NSW) ss. oder ss StGB St. Louis U. L. J. STP StV Supp. SZIER u. a. UDHR UKHL UN UNAMIR

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Recommendation Resolution Revision Revue Internationale de criminologie et de police technique Randnummer Ruandische Patriotische Front Revue de science criminelle Draft Discussion Security Council Seite section South Australia Supreme Court Supreme Commander Allied Expeditionary Forces Schönke / Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar, 27. Aufl., München 2006 schedule / schedules Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Security Council Resolution Supreme Court Reporter Session Sentencing Guidelines Council Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces Rudolphi u. a. (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 7. Aufl. teilweise 8. Aufl., Köln 2008 Sowjetische Militäradministration in Deutschland sogenannt Social Philosophy & Policy State Reports (New South Wales) sections oder subsequent Strafgesetzbuch Saint Louis University Law Journal Social Theory and Practice Strafverteidiger Supplement Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht unter anderem Universal Declaration of Human Rights United Kingdom House of Lords United Nations United Nations Assistance Mission for Rwanda

36 UN-Charta UN-Charta Commentary UN Doc. UN-Folterkonvention UN-TAET U.N.T.S UNWCC U.S.C. USSG v / v. Va. L. Rev. Var. vgl. Vic VN vol. Vorbem. VR VSCA VStGB W.A. WEU WGEC WGP WGRPE W. Va. L. Rev WVK Yale L. J. YBILC YIHL ZaöRV z. B. ZIS ZÖR ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis United Nations Charta Simma u. a. (Hrsg.), The Charter of the United Nations, A Commentary, 2 nd ed., vol. I, München 2002 United Nations Document Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe United Nations Transitional Administration in East Timor United Nations Treaty Series United Nations War Crimes Commission United States Code United States Sentencing Guidelines versus Virginia Law Review Variante vergleich Victoria Vereinte Nationen volume Vorbemerkung Victorian Reports Victoria Court of Appeal Völkerstrafgesetzbuch Western Australia Western European Union Working Group for the Elements of Crimes of the Preparatory Commission Working Group on Penalties Working Group for the Rules of Procedure and Evidence of the Preparatory Commission West Virginia Law Review Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Yale Law Journal Year Book of the International Law Commission Yearbook of International Humanitarian Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung A. Bedeutung der einheitlichen Strafzumessung Das Völkerstrafrecht ist als Teil des Völkerrechts mit den Menschenrechten verwoben. Die Menschenrechte gebieten die Gleichheit und verbieten die Ungleichheit in der Strafzumessung. Gleich ist die Strafzumessung, wenn Strafe bei wesentlich gleichen Strafzumessungsfällen gleich und bei wesentlich ungleichen Strafzumessungsfällen ungleich zugemessen wird. Immer muss die Strafe aber mit gleichem Maß zugemessen werden. Geschieht dies dauerhaft, ist die Strafe einheitlich. Ist die Strafe einheitlich, so ist sie „gerecht“ und legitimierbar. Ist aber die Strafe des ICC legitimierbar, so ist auch das ICC legitimierbar. Legitimität ist für jede Gerichtsbarkeit von Bedeutung, von ganz besonderer Bedeutung jedoch für die internationale Gerichtsbarkeit. Denn Legitimität schafft Akzeptanz. Auf diese Akzeptanz in der Völkergemeinschaft kann das ICC mangels eigener faktischer Durchsetzungsmacht nicht verzichten, will es einen wirksamen Beitrag zur Wahrung und Durchsetzung des Mindeststandards der Menschenrechte leisten. Einheitliche Strafzumessung ist insoweit Menschenrechtsschutz. Eine einheitliche Strafe macht einen Maßstab für die Strafe und für die Bedingungen zur Zumessung der Strafe vonnöten. Das Maß der Strafe beruht in letzter Konsequenz auf einer Konvention. Diese Konvention ist durch die Versammlung der Vertragsstaaten zu setzen. Dazu werden im dritten Teil der vorliegenden Arbeit Vorschläge gemacht. Die Bedingungen setzen den Rahmen für die Zumessung einer einheitlichen Strafe. Sie haben ihren Ursprung in der Herstellung und der Darstellung der Strafe. Diese „Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung“ stehen im Vordergrund der Betrachtung des ersten und zweiten Teils. Erstrebtes Ziel ist eine (zukünftig) einheitliche Strafzumessung am ICC. Die einheitliche Strafe löst den Zweck des Völkerstrafrechts und der Völkerstrafe ein. Zum einen gewährleistet sie die Umsetzung der Aufgaben und Zielbestimmungen des Völkerstrafrechts – nämlich des Schutzes des Friedens, der Sicherheit und des Wohls der Welt. Zum anderen bestätigt sie das generalpräventive Wesensmerkmal der Völkerstraftheorie, indem sie die durch das Völkerstrafrecht geschützten Normen des Völkerrechts bekräftigt und Unklarheiten über die Normen verhindert.

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B. Ablauf der Betrachtung Im 1. Kapitel wird das Völkerstrafrecht mit der Menschenwürde und den Menschenrechten verknüpft. Das Wesensmerkmal der Menschenwürde ist die Freiheit in Gleichheit und in Solidarität. Freiheit, Gleichheit und Solidarität werden in Bezug auf die im Rahmen der Strafzumessung relevanten Menschenrechte näher bestimmt. Die vorliegende Arbeit entnimmt den Menschenrechten einen ersten Maßstab, an dem sich die Strafe messen lassen muss. Die Freiheitsrechte verdichten sich vor allem zu dem Gebot einer maßvollen Strafe, die Gleichheitsrechte zu dem Gebot der Differenzierung und dem Verbot der Diskriminierung. Das Recht auf Solidarität verdichtet sich vor allem zum Gebot der Individualisierung der Strafe. Damit sind zentrale Anforderungen an die Strafe bereits umrissen: Strafe hat sowohl verhältnismäßig bzw. angemessen zu sein als auch zu differenzieren und zu individualisieren. Die Anforderungen an die Strafe aus den Menschenrechten werden im 2. Kapitel mit der Gerechtigkeit in Verbindung gebracht. Die Gerechtigkeit betont die Gleichbehandlung. Die Gleichbehandlung verweist auf die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen „Jedem das Gleiche“ und „Jedem das Seine“. Es wird belegt, dass es zur Differenzierung eines Maßstabs bedarf, der außerhalb der Gerechtigkeit liegt. Auf der Ebene des Völkerrechts sind ein solcher Maßstab die Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien. Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien begründen sich aus den mit der Strafe verknüpften kollektiven Werten der Völkergemeinschaft. Es wird gezeigt, dass die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts auf dem Schutz wesentlicher Rechtsgüter der Völkergemeinschaft gründet, nämlich dem Weltfrieden, der internationalen Sicherheit und dem Wohl der Welt. Die Rechtfertigung von Grund und Maß der Völkerstrafe wird in Anlehnung an die nationalen Straftheorien gesucht. Dazu werden ausgewählte retributive und präventive Straftheorien in ihren grundsätzlichen Aussagen dargestellt, auf ihre Auswirkung auf die Strafzumessung untersucht, und ihre Übertragbarkeit in das Völkerstrafrecht überprüft. Das 3. Kapitel geht der Frage nach, wie eine einheitliche Strafzumessung herzustellen ist und welche die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung sind. Dazu knüpft die Darstellung an den Gedanken der Gleichbehandlung und die Erkenntnis von der Strafzumessung als Entscheidungsprozess an. Der Gedanke der Gleichbehandlung verweist auf die Differenzierung und Individualisierung, auf die Zumessung im gleichen Maß und auf die Verhältnismäßigkeit und die Graduierung des Sanktionssystems. Die Erkenntnis von der Strafzumessung als Entscheidungsprozess verweist auf die Entscheidung der Strafe, die Entscheidungssituation im Strafprozess und den Richter als Entscheider. Es wird gezeigt, dass die Differenzierung und Individualisierung in einer Rechtsgemeinschaft durch normative Mechanismen gelingt. Ging es im 2. Kapitel um eine Differenzierung auf der Ebene der Völkergemeinschaft, so geht es im 3. Kapitel

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vor allem um eine Differenzierung auf der Ebene der Einzelfallentscheidung. Die normativen Mechanismen auf der Ebene der Einzelfallentscheidung werden in Anlehnung an die Arbeit des Europarates benannt. Im Einzelnen werden aufgeführt: (1) Die Straftheorien, denn sie entscheiden über das „Warum“ und „Wie viel“ der Strafe und geben die Leitlinien der Strafzumessung vor; (2) die Strafzumessungstheorien und die Strafzumessungsmethode, denn sie führen das Strafzumessungsermessen und geben der Strafentscheidung eine Struktur; (3) die Bezugspunkte der Strafe, da sie die Anknüpfungspunkte für die Strafzumessung vorgeben; (4) die Strafzumessungsumstände, da sie die Anknüpfungspunkte weiter konkretisieren und letztendlich über das Strafmaß entscheiden; (5) die Verhältnismäßigkeit, die für die Verknüpfung des Strafzumessungsfalls mit der Strafe notwendig ist; (6) die Graduierung und der Einstieg, um den Strafzumessungsfall am Strafrahmen abzutragen; (7) die Verhandlung der Strafzumessungsinformation, die entweder mit der Schuld in einem Akt oder getrennt von der Schuld in zwei Akten verhandelt werden kann; (8) die Richtlinienurteile, da sie Leitlinien für die Strafzumessung vorgeben können; (9) die Strafzumessungskommissionen und ihre Strafzumessungsrichtlinien, die das Strafzumessungsermessen binden; (10) die Begründung der Strafentscheidung, da sie die Strafentscheidung bewusst, transparent und überprüfbar macht; (11) die Kontrolle der Strafentscheidung in der höheren Instanz, um die Strafe zu vereinheitlichen. Bevor die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen dingfest gemacht werden können, müssen die Rechtsquellen des ICCStatuts überhaupt bestimmt werden. Das ist die Aufgabe des 4. Kapitels. Zunächst werden die Rechtsquellen definiert und ausgelegt, also das eigene Recht des Statuts (das Statut, die Verbrechenselemente und die Verfahrens- und Beweisregeln) und das ergänzende Recht des Statuts (das Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze). Es wird die hierarchische Struktur der Rechtsquellen aufgezeigt. Dann werden die Rechtsquellen weiter konkretisiert. Die Auslegungsregeln des Statuts werden benannt und der Nachweis von Völkergewohnheitsrecht hinterfragt. Die für die Konkretisierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze relevanten Rechtsordnungen werden aufgezeigt und in einem ersten Überblick dargestellt. Die nähere Betrachtung der einzelnen Rechtsquellen ist auf die Kapitel 5, 6 und 7 aufgeteilt. Die Kapitel stellen die jeweiligen Sanktionssysteme und ihre Strafbemessung ihrer Betrachtung vorweg. Daran schließen sich die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung an. Die Mechanismen unterscheiden zwischen der Herstellung der Strafe (mit der Entscheidung über die Strafe und der Entscheidungssituation) auf der einen Seite und der Darstellung der Strafe auf der anderen Seite. Dabei orientiert sich die Gliederung der Mechanismen an der Grundlegung im 3. Kapitel. Gleiches gilt für die Überschriften der Mechanismen. Die Überschriften wiederholen sich in den einzelnen Kapiteln bzw. werden von Kapitel zu Kapitel fortgeschrieben, wenn der entsprechende Mechanismus

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in der vorherigen Rechtsquelle noch nicht abschließend evaluiert werden konnte und daher in der nächsten Rechtsquelle weiter zu evaluieren ist. Durch „Querlesen“ ist es möglich, sich ein Bild von einem ausgesuchten Mechanismus in den Rechtsquellen zu machen bzw. seinen „Werdegang“ in den einzelnen Rechtsquellen genau zu verfolgen. Das 5. Kapitel erfasst das eigene Recht des ICC. Das Sanktionssystem und die Strafbemessung des ICC werden dargestellt. Mechanismen auf der Seite der Herstellung der Strafe und der Darstellung der Strafe werden untersucht. Es wird sich zeigen, dass die Mechanismen im Kontext der Herstellung weiterer Nachforschungen in den ergänzenden Rechtsquellen bedürfen. Die Mechanismen der Darstellung mit der Begründung der Strafzumessungsentscheidung und der richterlichen Kontrolle der Strafzumessungsentscheidung durch eine höhere Instanz sind hinreichend belegt und ausreichend ausgeprägt. Sie stimmen mit höherrangigem Recht überein. Die Suche nach den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Kontext der Herstellung der Strafe wird im Gewohnheitsrecht des ICC fortgeführt. Dazu stellt das 6. Kapitel zunächst Sanktionssystem und Strafbemessung der Ad-hoc-Gerichtshöfe dar, dann die einzelnen Mechanismen der einheitlichen Strafzumessung. Zwar werden die Mechanismen im Kontext der Entscheidung konkretisiert werden können, sie bedürfen aber einer abschließenden Bestätigung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Hingegen werden sich die Mechanismen im Kontext der Entscheidungssituation als hinreichend belegt erweisen. Die Strafzumessungsinformation durch einaktiges oder zweiaktiges Verfahren ist möglich, und die Anwendung von Richtlinienurteile ist eröffnet. Diese beiden Mechanismen stimmen auch mit höherrangigem Recht überein. Hingegen scheiden Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien als Mechanismen aus. Das 7. Kapitel wird die Suche nach den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen beschließen. Dazu wird zunächst ein Überblick über die Sanktionssysteme und die Strafbemessung in Deutschland, Schweden, Frankreich, England-Wales, Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika, Victoria und dem Commonwealth von Australien gegeben. 1 Die allgemeinen Prinzipien im Kontext der Entscheidung über die Strafe werden herausgearbeitet und ihre Übertragung in das Völkerstrafrecht und ihre Übereinstimmung mit höherrangigem Recht beleuchtet. In diesem Zusammenhang werden die im ICC-Statut anzuwendenden Straftheorien benannt und zu einer Völkerstraftheorie vereinigt. Die Strafzumessungsmethode am ICC wird dargestellt. Die Anknüpfungspunkte für die Strafzumessung werden bestätigt und konkretisiert, und die Strafstruktur wird weiter herausgearbeitet. 1

Siehe näher zur Auswahl der Rechtsordnungen S. 210 f. und 276 ff. der Arbeit.

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Das 8. Kapitel fasst die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im ICC-Statut zusammen und versucht ihre anwendungsbezogene Konkretisierung. Als Mechanismen anzusehen sind die im ICC-Statut anzuwendende Völkerstraftheorie zur Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß, die Strafzumessungsmethode mit den sechs Schritten der Strafzumessung, die Bezugspunkte der Strafe mit der Schwere der Tat und den persönlichen Verhältnissen des Straftäters als erste Anknüpfungspunkte der Strafe, die einzelnen Strafzumessungsumstände und ihre Einbettung in die Völkerstraftheorie, die Verhältnismäßigkeit und Graduierung der Strafstruktur im ICC-Statut, die Einführung der Strafzumessungsinformation in den Strafprozess, die Ausrichtung der Strafzumessung an Richtlinienurteilen, die Bewertung von Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien, die Begründungspflicht und der Begründungsumfang bei der Darstellung der Strafzumessung im Urteil und schließlich die notwendige höchstrichterliche Kontrolle der Strafzumessung. Das die Arbeit abschließende 9. Kapitel geht der Frage nach, wie das Verhältnis zwischen dem Unwert der Straftat und dem Übel der Strafe zukünftig im ICC-Statut bestimmt werden könnte. Dazu wird zunächst im Rahmen der horizontalen Strafstruktur für die Differenzierung der einzelnen Verbrechenstatbestände plädiert und ein möglicher Maßstab zur Bewertung des Unwerts benannt. Dann wird im Rahmen der vertikalen Strafstruktur ein Weg vorgeschlagen, wie die Strafwürdigkeit auf der Strafwürdigkeitsskala nach der Rechtsnatur der Verbrechen und den Bezugspunkten der Strafe in den Strafzumessungsumständen abgestuft und ins Verhältnis gesetzt werden kann zu den Strafwerten auf der Strafwertskala. Legitimation erfährt das Ins-Verhältnis-Setzen durch die Versammlung der Vertragsstaaten. Diese haben den normativen Maßstab für die Differenzierung und Individualisierung der Strafe zu setzen. Es wird schließlich dafür geworben, Strafe durch den Vergleich mit der vertypten Durchschnittswürdigkeit der Straftat und dem vertypten Durchschnittswert der Strafe zu verhängen. Der Einstieg in den Strafrahmen sollte entweder im unteren Drittel liegen oder durch die Versammlung der Vertragsstaaten bestimmt werden. Die Betrachtung endet mit dem Appell, in jedem Fall die Vorgaben der Menschenrechte an die Strafzumessung – wie schon im 1. Kapitel belegt – bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

C. Begriffe Die Suche nach einer einheitlichen Strafzumessung macht es notwendig, das begriffliche Umfeld, in dem die Suche stattfindet, greifbar und handhabbar zu machen. Da am ICC Strafe im Völkerstrafrecht wegen der Begehung von Makrokriminalität zugemessen wird, kann die Suche nach einer einheitlichen Strafzumessung am ICC auch nur gelingen, wenn Klarheit über die Begriffe Völkerstrafrecht, Makrokriminalität und Strafe besteht. Alle drei Begriffe setzen den Rahmen

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für die Suche und erlauben – aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus – eine erste Annäherung an das Thema: In Hinblick auf das Recht bestimmt der Begriff des Völkerstrafrechts die Grenzen der Betrachtung. Denn das ICC-Statut ist seiner Rechtsnatur nach Teil des Völkerstrafrechts, und die Strafzumessung im ICC-Statut ist immer auch die Strafzumessung im Völkerstrafrecht. Erfasst wird der Begriff des Völkerstrafrechts durch das Wesen des Strafrechts für das Recht bzw. des Völkerstrafrechts für das Völkerrecht. Dabei wird das relevante Recht nicht nur benannt, sondern auch die Bedeutung des Völkerstrafrechts für den Schutz wesentlicher Rechtsgüter der Völkerrechtsordnung deutlich. In Hinblick auf die Kriminalität bestimmt der Begriff der (politischen) Makrokriminalität die Grenzen der Betrachtung. Erfasst das nationale Strafrecht Geschehnisse auf der nationalen Ebene, so erfasst das Völkerstrafrecht Geschehnisse auf der völkerrechtlichen Ebene. Die Strafzumessung muss sich dieses Unterschieds bewusst sein und den daraus erwachsenden Anforderungen gerecht werden. Kern der Strafzumessung ist die (Kriminal-)Strafe. Wer Strafe zumessen will, muss wissen, was Strafe eigentlich ist. Dazu muss der Begriff der Strafe verdeutlicht bzw. müssen die Elemente der Strafe im Völkerstrafrecht benannt werden. I. Völkerstrafrecht Der Begriff des Völkerstrafrechts erschließt sich aus dem Wesen des Völkerstrafrechts im Völkerrecht. Dabei lässt sich der Wesensgehalt am besten durch einen vergleichenden Blick auf nationale Rechtsordnungen erfassen. Dort ist eine formelle und eine materielle Seite des Strafrechts zu erkennen: Die materielle Seite des Strafrechts ist der Teil der Rechtsordnung, der zur Wahrung von schutzwürdigen Rechtsgütern den Verstoß Einzelner gegen die Normen der sozialen Ordnung als Verstoß gegen Straftatbestände qualifiziert und mit Strafe sanktioniert. Entsprechend ist im Völkerrecht das materielle Strafrecht der Völker(-gemeinschaft) der Teil der völkerrechtlichen Rechtsordnung, der zum Schutz völkerrechtlicher Rechtsgüter den Verstoß Einzelner gegen die Ordnung der internationalen Gemeinschaft mit Strafe sanktioniert. 2 Die materielle Seite des Völkerstrafrechts ist somit der Teil der Völkerrechtsordnung, der im Zusammenhang mit einer direkten strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Einzelnen nach Völkerrecht steht. Die formelle Seite des Strafrechts ist der Teil der Rechtsordnung, der sich mit der Durchsetzung des Strafanspruchs befasst und näher durch das Strafprozessrecht und das Gerichtsverfassungsgesetz qualifiziert ist. Diese formelle Seite des Völkerstrafrechts lässt sich seit der Gründung der Adhoc-Gerichtshöfe ebenfalls im Völkerrecht dingfest machen. Ansätze eines eigenständigen völkerrechtlichen Strafprozessrechts und Gerichtsverfassungsgesetzes 2 Vgl. Triffterer, Dogmatische Untersuchungen zur Entwicklung des materiellen Völkerstrafrechts seit Nürnberg, S. 28 ff.; Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, S. 246 ff.

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haben sich vor allem in den Statuten und den Beweis- und Verfahrensregeln des ICTY, ICTR sowie des ICC herausgebildet. 3 Für das Strafrecht der Völker(-gemeinschaft) hat sich – neben anderen 4 – schon früh die Bezeichnung „Völkerstrafrecht“ 5 eingebürgert. 6 Sie wird gemein3 Vgl. auch Cassese, International Criminal Law, S. 4, mit dem Hinweis auf die Statuten des „Sondergerichts für Sierra Leone“, des „Sondergerichtshofs für Libanon“ und der „Außerordentlichen Kammern in den Gerichten Kambodschas“. 4 Siehe im Einzelnen zu den weiteren Begrifflichkeiten Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 5. 5 Ein Begriff, der erstmals von Beling 1869 in seiner Arbeit „Die strafrechtliche Bedeutung der Exterritorialität“ verwendet worden sein soll. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist der Begriff auch in anderen kontinentaleuropäischen Quellen zu finden und wurde dann zur Zeit der Nürnberger Prozesse zunehmend verwendet; vgl. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 8. Zum Begriff des „Völkerstrafrechts“ auch Neubacher, NJW 59 (2006), S. 966; Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 5. 6 Der Begriff sieht sich Einwänden ausgesetzt. So wird kritisiert, der Begriff „Völkerstrafrecht“ ließe insofern Raum für Missinterpretationen, als es sich um Normen handele, die im Sinne eines Strafrechts der Völker einheitlich überall geltendes Strafrecht im Rahmen des Völkerrechts darstellten. Da Völkerstrafrecht aber auch Normen aus bilateralen Verträgen umfasse, die nur zwischen den Vertragspartnern gelten, fasse diese Assoziation zu kurz (vgl. dazu Oehler, Internationales Strafrecht, S. 4). Teilweise wird auch vorgebracht, der Begriff „Völkerstrafrecht“ impliziere, dass sich das Strafrecht gegen die Völker selber richte, also die Völker Normenadressat des Strafrecht seien, die dann „kollektiv“ bestraft würden (vgl. dazu Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, S. 22; Neubacher, NJW 59 (2006), S. 966). Der wohl schwerste Vorwurf lautet, dass das Völkerstrafrecht mit dem Recht der Staatenverantwortlichkeit, der sog. „responsibility of states“, fälschlicherweise in Zusammenhang gebracht werden könnte. Denn dort spricht man ebenfalls von Verbrechen, wenn auch von „internationalen Verbrechen“, den „international crimes“. Im Rahmen des Staatenunrechts umschreibt das „völkerrechtliche Delikt“ ein „völkerrechtswidriges Verhalten eines Völkerrechtssubjekts gegenüber einem anderen Völkerrechtssubjekt, durch das ein völkerrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt wird.“ (Art. 2 i.V. m. Art. 12 der 2001 „Drafts Articles on Responsibility of States for internationally wrongful acts“, 37 I.L.M. 440, in der Version der Resolution der Generalversammlung: U.N. Doc. A / RES/56/83 (2001)). Das Völkerrechtsdelikt richtet sich im Gegensatz zum Völkerstrafrecht somit nicht nur an einen anderen Adressatenkreis, sondern hat auch eine andere Schutzrichtung in dem Sinne, dass nur Völkerrechtssubjekte und nicht Individuen verantwortlich sind bzw. geschützt werden. Rechtsfolge des Völkerrechtsdelikts ist idealtypisch der Anspruch des Verletzten auf zukünftiges rechtmäßiges Verhalten oder der Anspruch auf die Wiederherstellung des status quo ante bzw. die Wiedergutmachung des Schadens und nicht die Ahndung von Unrecht in der Form der Übelzufügung (ausführlich zur Staatenverantwortlichkeit Brownlie, Principles of Public International Law, S. 433 ff.; Schröder, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 584 ff., Rn. 6 ff.). Im Kern liegt der Unterschied in der Annahme des Völkerstrafrechts, dass die Verletzung von völkerrechtlichen Normen im Endeffekt immer von Individuen ausgeht (auch wenn diese für Staaten oder sonstige Völkerrechtssubjekte handeln mögen) mit der Folge, dass der Einzelne nicht durch seinen Heimatstaat mediatisiert wird (vgl. zum Unterschied zwischen Völkerdeliktsrecht und Völkerstrafrecht auch Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I, 3, S. 995; Werle, Völkerstrafrecht, S. 46 ff., Rn. 105 ff.). Auch wenn zwischen der Staatenverantwort-

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hin verwendet, 7 was sie zum „Markenzeichen“ dieser Rechtsmaterie hat werden lassen. 8 Der Begriff „Völkerstrafrecht“ grenzt das Strafrecht der Völker (-gemeinschaft) hinreichend genau gegenüber dem weiteren Verständnis des „internationalen Strafrechts“ und dem engeren Verständnis des „nationalen Strafrechts“ ab. 9 Daher soll er auch hier verwendet werden. Allerdings muss der Begriff die Entwicklung des materiellen und formellen Strafrechts der Völkergemeinschaft erfassen. Dazu ist er in einem engeren und einem weiteren Sinn zu begreifen. Der Begriff des Völkerstrafrechts in einem engeren Sinn umfasst all diejenigen Normen, die aus Völkerrechtsquellen gewonnen werden können und unmittelbar die Strafbarkeit von natürlichen Personen wegen der Verletzung international geschützter Rechtsgüter begründen. 10 Damit entspricht der Begriff des Völkerstrafrechts in einem engeren Sinn dem des völkerrechtlichen matelichkeit und dem Völkerstrafrecht daher keine formal-rechtliche Übereinstimmung besteht, so gibt es aber sehr wohl eine materiell-rechtliche. Denn der materielle Gehalt des Staatenunrechts spiegelt sich im materiellen Unrechtsgehalt des Völkerstrafrechtes wider und beide dienen der Durchsetzung des Völkerrechts. So nimmt Art. 40 Draft-Articles eine Verantwortlichkeit für „wrongful acts“ in der Form des „serious breach ... of an obligation arising under a peremptory norm of general international law“ der Staaten an, wenn diese zurechenbar Jus-cogens-Normen verletzten. Jus-cogens-Normen sind aber auch unter den Kernverbrechen des ICC-Statuts, wie z. B. Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (zur Verbindung zwischen Staatenunrecht und Völkerstrafrecht vgl. Schröder, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 598 f., Rn. 38 ff.; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 995; ausführlicher Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, S. 246 f.; Werle, Völkerstrafrecht, S. 48, Rn.108). 7 Vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 31, in Fn. 49 m.w. N.; als Beleg für die breite Verwendung mögen die Buchtitel letzterer Zeit bürgen wie Werle, Völkerstrafrecht, Tübingen 2007; Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, Münster 2003; Ambos, Allgemeiner Teil des Völkerstrafrechts, Berlin 2004; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, Freiburg i. B. 2002. 8 Allerdings werden in der Literatur zunehmend Begriffe verwendet wie „völkerrechtliches Strafrecht“ (ursprünglich von Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, S. 22 schon 1962 verwendet, in neuerer Zeit von Gornig, NJ 1 (1992), S. 7 und Thürer, SZIER 4 (1993), S. 502; kritisch zu diesem Begriff Triffterer, Dogmatische Untersuchungen zur Entwicklung des materiellen Völkerstrafrechts seit Nürnberg, S. 26), „materielles internationales Strafrecht“ (vgl. Oehler, Internationales Strafrecht, S. 4; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 993) oder „völkerrechtliches materielles Strafrecht“ (Ipsen, in: Völkerrecht, S. 661), da diese die Verantwortung des Einzelnen und den Rechtsgüterschutz stärker herausstreichen. 9 Vgl. Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 69; ders., Politische Studien, Sonderheft 1/95 (1995), S. 38. 10 Vgl. Ipsen in: Völkerrecht, S. 661; Werle, Völkerstrafrecht, S. 35 ff., Rn. 81 ff.; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 9; Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 9, definiert Völkerstrafrecht als „die Gesamtheit aller Normen strafrechtlicher Natur, die dem Völkerrecht angehören“; vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 599: „Völkerstrafrecht [ist] die Gesamtheit der Normen, die die Voraussetzungen individueller Strafbarkeit unmittelbar nach Völkerrecht zum Inhalt haben.“

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riellen Strafrechts, das im französischen Recht als „droit international pénal“ bezeichnet wird. 11 Der Begriff des Völkerstrafrechts in einem weiteren Sinn hingegen geht über die Bedeutung eines völkerrechtlichen materiellen Strafrechts hinaus und umfasst auch die sonstigen völkerrechtlichen Regelungen im Sinne eines völkerrechtlichen formellen Strafrechts, die im Zusammenhang des Völkerstrafrechts im engeren Sinn stehen, wie das völkerrechtliche Strafprozessrecht und das Gerichtsorganisationsrecht. 12, 13

11 Vgl. Szurek, Historique, La Formation du Droit International Pénal, S. 11 ff.; Gardocki, ZStW 98 (1986), S. 709. 12 Vgl. auch Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 40; Kreß, NStZ 12 (2000), S. 618. 13 Allerdings wird wegen der zunehmenden Ausdifferenzierung des Strafrechts der Völker(-gemeinschaft) auch vorgeschlagen, die Materie unter den Begriff des „internationalen Strafrechts“ zu subsumieren, da er das Missverständnis des Begriffs des Völkerstrafrechts vermeide und sich in ihm die Systembildung eines wahrhaft supranationalen Strafrechts ausdrücke (vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 33 f.). Dies will aber nur gelingen, wenn man den Begriff des „internationalen Strafrechts“ in einem weiteren Sinne versteht (siehe ausführlich zur Begriffsentwicklung Gardocki, ZStW 98 (1986) S. 703 ff.; Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 31 ff.; sowie knapper Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 10 ff.). Ein solches Verständnis legt Gardocki, ZStW 98 (1986) S. 718, an den Tag, wenn er den Begriff zutreffend und umfassend definiert als den Rechtszweig, „der sowohl Normen des internationalen öffentlichen Rechts enthält, die unmittelbar den Umfang der Pönalisierung und die Prinzipien der strafrechtlichen Verantwortung und des Strafverfahrens gestalten, als auch die Normen des Völkerrechts und des innerstaatlichen Rechts, die sich auf Verbrechen mit Auslandsberührung oder auf Institute der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen beziehen.“ In diesem Sinn ist der Begriff des „internationalen Strafrechts“ ein Oberbegriff, zu dem nicht nur das bilaterale Rechtshilferecht und das nationale Strafanwendungsrecht (auch missverständlich „internationales Strafrecht“ (im engeren Sinne) genannt), alle strafrechtlichen und strafprozessualen Normen mit Auslandsbezug zählen und damit auch die auf Völkerrechtsquellen beruhenden sonstigen Strafnormen (vgl. auch Bremer, Nationale Strafverfolgung internationaler Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, S. 46), sondern auch alle supranationalen Strafrechtsordnungen, jene Ordnungen also, die aus Verträgen des Völkerrechts über supranationale Behörden und Gerichtshöfe entstanden sind, wie insbesondere das Rom-Statut und der ICC (vgl. dazu ausführlich Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 31 ff., m.w. N.; vgl. auch Triffterer, Völkerstrafrecht im Wandel?, S. 1480 ff. m.w. N. und 1484 f., der sich im Übrigen gegen eine Subsumtion des „Völkerstrafrechts“ unter den mehrdeutigen Oberbegriff des „internationalen Strafrechts“ im weiteren Sinne ausspricht; ebenso Becker, Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, S. 49). Dieses Verständnis des Begriffs „internationales Strafrecht“ entspricht weitestgehend dem angloamerikanischen „International Criminal Law“ sowie dem französischen „droit pénal international“ und beinhaltet das Völkerstrafrecht, bezeichnet nicht aber das Völkerstrafrecht selber (siehe Möller, Völkerstrafrecht, S. 10 ff. m.w. N.; Cassese, International Criminal Law, S. 11 ff.).

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II. Makrokriminalität Die einheitliche Zumessung der Strafe im Völkerstrafrecht bzw. am ICC muss der besonderen Kriminalität im Kontext des Völkerstrafrechts gerecht werden. Wie ist diese Kriminalität zu qualifizieren? Das Völkerstrafrecht im engeren Sinn begründet die unmittelbare Verantwortlichkeit des Einzelnen nach Völkerrecht. Die vom Völkerstrafrecht erfasste Kriminalität ist also auf einer völkerrechtlichen Ebene zu suchen. Sie erfasst daher nicht wie das gängige nationale Strafrecht Mikrogeschehnisse, die vornehmlich dem individuellen Rechtsgüterschutz dienen, sondern im Völkerstrafrecht pönalisierte Makrogeschehnisse, die vornehmlich dem kollektiven Rechtsgüterschutz dienen. 14 Die im Völkerstrafrecht pönalisierten Makrogeschehnisse richten sich gegen den Menschen an sich, sie sind „Menschheitsverbrechen“, mit einer eigenen charakteristischen Grausamkeit und Destruktivität, 15 deren Schaden beträchtlich ist, die aber vor allem in ihrem Ausmaß nur durch ein Täterkollektiv bewerkstelligt werden können. 16 Da die persönliche Verantwortlichkeit des Einzelnen im Völkerstrafrecht immer nur dann greift, wenn die individuelle Tat in einen gestörten gesellschaftlichen Kontext gestellt werden kann, 17 etwa durch die Zerstörungsabsicht beim Völkermord, dem ausgedehnten und systematischen Angriff bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder dem Plan bzw. der Politik bei den Kriegsverbrechen, kann von Makrokriminalität nur dann die Rede sein, wenn die Tat Teil und Produkt der gestörten gesellschaftlichen Situation im Staat oder in der Gesellschaft ist. 18 Begangen werden diese Taten unter Ausnutzung „systemkonforme(r) und situationsangepasste(r) Verhaltensweisen innerhalb eines Organisationsgefüges, Machtapparats oder sonst kollektiven Aktionszusammenhangs“ 19. Die Ausnutzung ist in der Regel aufgrund einer herausgehobenen Machtposition möglich, die es erlaubt, den Machtapparat zu gebrauchen und zu Handlungen von internationaler Relevanz zu missbrauchen. 20 Anders als bei der „Kriminalität der Mächtigen“ ist dazu eine politische, aber nicht wirtschaftliche Macht vonnöten, 14 Vgl. Triffterer, Universeller Menschenrechtsschutz auch durch das Völkerstrafrecht?, S. 35 f. 15 Vgl. zum Begriff der „Menschheitsverbrechen“ näher Jäger, KritV 76 (1993), S. 259 m.w. N.; Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 238 f. m.w. N. 16 Vgl. näher Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 326 f., der einzig auf das „Täterkollektiv“ abstellt; ebenso Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 241 f.; Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 18 ff. m.w. N., der die Schadensdimension herausstellt. 17 Vgl. näher zur individuellen Zurechenbarkeit Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 329 ff.; Jäger, KritV 76 (1993), S. 262 ff.; ausführlich auch Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 315 ff. m.w. N. 18 Vgl. Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 326 ff. 19 Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 326. 20 Vgl. zum Begriff des Machtmissbrauchs im Kontext der Makrokriminalität näher Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 246 ff.

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die gleichzeitig „Regierungskriminalität“ begründen kann, aber nicht muss. 21 Diese faktische politische Macht vermag die Situation so zu verändern, dass die Taten als konformes Verhalten der gestörten Gesellschaftssituation erscheinen und nicht als abweichendes Verhalten einer ungestörten Gesellschaftssituation, wie es bei der Mikrokriminalität der Fall ist. 22 Der ausgenutzte Machtapparat ist im Fall der Makrokriminalität im engeren Sinn insofern staatlicher Natur, als staatliche Strukturen zur Begehung ausgenutzt werden, die sich gegen die eigenen Bürger richten, und im Fall der Makrokriminalität im weiteren Sinn insofern nichtstaatlicher Natur, als nichtstaatliche Strukturen zur Begehung ausgenutzt werden. 23 Innerhalb der Machtstruktur kommen den Straftätern der Makrokriminalität unterschiedliche Rollen zu: Zum einen sind Täter der Makrokriminalität die Mächtigen der Machtstruktur, die eine führende Rolle in der Machtstruktur ausüben wie Machthaber, Militärführer und hochrangige Funktionäre; die „großen Fische“, die die Ausnahmesituation schaffen, die Makrokriminalität überhaupt erst entstehen lässt (makrokriminelle Führungstäter). Zum anderen gibt es aber auch die machtunterworfenen Täter der Makrokriminalität, denen eine ausführende Rolle in der Machtstruktur zukommt, wie den Befehlsempfängern, Ausführungschargen und Tötungsarbeitern; die „kleinen Fische“, die im Rahmen der Machtstruktur funktionieren und im Gefolge des Machtmissbrauchs ihre Straftaten begehen (makrokriminelle Gefolgschaftstäter). 24 Somit lässt sich die mit dem Völkerstrafrecht verfolgte politische Makrokriminalität wie folgt erfassen: (1) Sie beruht auf einer durch staatliche oder nichtstaatliche Strukturen vermittelte faktischen politischen Macht, (2) die eine kollektive Destruktivität durch eine Vielzahl von Tätern ausübt, (3) durch die es auf einer international relevanten Makroebene zu Menschheitsverbrechen kommt, (4) die zugleich Teil und Produkt der gestörten gesamtgesellschaftlichen Situation sind. 25 III. Strafe Bevor Strafe einheitlich zugemessen werden kann, gilt es zu wissen, was Strafe im Völkerstrafrecht überhaupt ausmacht. Wie ist das Verständnis von 21 Vgl. zum Verhältnis der „Kriminalität der Mächtigen“ und „Staats- und Regierungskriminalität“ Ambos, KritV 79 (1996), S. 362 f. m.w. N.; Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 18 ff. m.w. N.; von Danwitz, Examens Repetitorium Kriminologie, S. 79 ff., Rn. 84 ff. 22 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 241; Gierhake, Begründung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der Kantischen Rechtslehre, S. 180. 23 Vgl. zu dieser Unterteilung ausführlich Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 50 ff. m.w. N. 24 Vgl. ausführlich dazu Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 297 ff.; Tallgren, EJIL 13 (2002), S. 572. 25 Vgl. aber die Darstellung der notwendigen und hinreichenden Begriffselemente bei Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 24 f.

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Strafe im Völkerstrafrecht? Welche Elemente definieren die (Kriminal-)Strafe im Völkerstrafrecht? Antworten auf diese Fragen finden sich durch den Fokus auf das Wesen der Strafe. 26 Denn im Wesen der Strafe lässt sich die Strafe unabhängig von einer konkreten Rechtsordnung erfassen. Das Wesen der Strafe erschließt sich wiederum aus dem Geschehen, 27 das mit der Strafe verbunden ist. 28 Wie lässt sich nun das Geschehen der Strafe beschreiben? Der Täter begeht eine Straftat zulasten eines anderen Menschen, die nach dem Strafgesetz einer nationalen Rechtsordnung bzw. einem Völkerstrafgesetz einer internationalen Rechtsordnung wie dem ICC-Statut strafbar ist. Diese Straftat gelangt zur Kenntnis der Strafverfolgungsorgane und wird verfolgt, der Beschuldigte gefasst und die Tat bei dem zuständigen Gericht angeklagt. Nach einem prozessual ordnungsgemäßen Verfahren wird der Angeklagte vom Gericht zu einer Strafe, wie etwa der zeitigen Freiheitsstrafe, verurteilt. Die Urteilsformel des Tenors würde lauten: „Der Angeklagte ist schuldig ...“ und weiter: „Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von ... verurteilt.“ Die Freiheitsstrafe wird anschließend vom Verurteilten im Strafvollzug verbüßt. 29 Anhand dieser Beschreibung des Geschehens der Strafe, plakativ herausgestellt durch den Urteilstenor, wird deutlich, dass Strafe zwei zentrale Wesensmerkmale hat: Das Unwerturteil über die Straftat des Straftäters und die Übelzufügung als Reaktion der Rechtsgemeinschaft auf die Straftat. Dass das Unwerturteil ein wesentliches Charakteristikum der Strafe ist, ist die Folge daraus, dass Strafe einem Straftäter nur zugeordnet werden kann, wenn dieser tatsächlich eine Straftat begangen hat. Aus dem Verhalten des Straftäters wird aber nur dann eine Straftat, wenn der Täter einen vorher gesetzten Tatbestand verletzt, der sein Verhalten strafbar macht. Da Strafe immer der begangenen Tat wegen verhängt wird, ist der Blickwinkel auf die Strafe auch immer vergangenheitsbezogen. 30 Die Rechtsgemeinschaft kriminalisiert aber nur ein Verhalten als strafwürdig, welches sie als strafbedürftig erachtet. 31 Strafbedürftig ist die 26 Vgl. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 65, die ebenfalls das Wesen der Strafe als Grundlage des Strafbegriffs ansehen. 27 Kritisch bezüglich einer deskriptiven Herangehensweise Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, S. 141 in Fn. 4. 28 Besonders im angloamerikanischen Recht stellt der Begriff der Strafe die Grundnorm des Strafrechts dar, so dass es nicht verwundert, dass gerade dort die Diskussion um den Begriff der Strafe zahlreich geführt wird. Ausgangspunkt ist auch dort, dass dem Begriff der Strafe eine besondere moralische und soziologische Bedeutung zukommt, die anhand einer analytisch ermittelten Kontur der Strafe ermittelt werden soll. Siehe dazu Fletcher, Deutsche Strafrechtsdogmatik aus ausländischer Sicht, S. 244 m.w. N. 29 Siehe auch die ausführlichen Schilderungen von Bestrafung anhand von Beispielen aus der Historie, dem Königsmörders Damiens, und den Anfängen der BRD, dem Mörder Fritz, bei Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 6 ff. 30 Vgl. Neumann, Hat die Strafrechtsdogmatik eine Zukunft?, S. 124; Jung, Was ist Strafe?, S. 14; Schild, Strafbegriff und Grundgesetz, S. 299.

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Verletzung einer Norm, mithin der Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Gemeinschaft, der sich in den strafrechtlichen Tatbeständen niederschlägt. 32 Verletzt hat der Straftäter den Straftatbestand aber nur dann, wenn ihm die Tat auch zurechenbar ist. Unabhängig von Einzelheiten muss dafür das Handeln oder Unterlassen des Straftäters einen Straftatbestand erfüllen und von seinem Wissen und / oder Willen getragen sein (Vorsatz) bzw. eine Überschreitung des im Verkehr erlaubten Risikos darstellen (Fahrlässigkeit). 33 Das Ausmaß des Verstoßes gegen die Norm, gegen den Wert der Rechtsnorm, begründet den Unwert der Straftat. Dass die Übelzufügung wesentliches Charakteristikum der Strafe ist, ergibt sich daraus, dass die Rechtsgemeinschaft die Rechtsfolge eines Straftatbestandes als gewollten Zwangsakt ausgestaltet hat, der die Strafe vom Unglück unterscheidet. Strafe ist ein Eingriff in die Rechtssphäre oder die Rechtsgüter des Verurteilten, durch den der Bestrafte in einen Zustand versetzt wird, den er als Beeinträchtigung seines Wohlergehens, d. h. als ein Übel, auffasst. 34 31 Siehe zum Verhältnis von Straftat und Strafe bei Schild, Strafbegriff und Grundgesetz, S. 299 f.: „... das Begreifen der Strafe – d. h.: stattlichen Handelns als Strafhandelns – [ist] nur möglich, wenn das notwendige Verhältnis zur Straftat mitgedacht wird. Dies hat zur Konsequenz, daß es nicht möglich ist, über ‚die‘ Strafe als solches vernünftig zu sprechen. Man kann zwar ‚die‘ Strafe als Übelzufügung oder als Zwangshandlung bezeichnen und benennen. Doch gibt es zahlreiche solcher stattlichen Akte, die nicht Strafhandeln sind. Nur wenn man staatliches Handeln als ‚Antwort‘ auf die Straftat – die dadurch sozusagen als die Frage, die Anfrage des Täters an das Recht, das In-Frage-Stellen des Rechts durch das Unrecht bestimmt sein muß – begreift, weiß man, wovon eigentlich die Rede ist. Strafe und Straftat bilden eine Einheit, ein Verhältnis zweier aufeinander (begrifflich) bezogener Momente. Für den Begriff der ‚Straftat‘ ist dies selbstverständlich: er meint ein verhalten, das strafbar ist, enthält deshalb den Bezug zur Strafe immer schon in sich ... Doch reicht dieser Bezug der Straftat auf die mögliche Strafbarkeit nicht aus, um dieses (begrifflich und daher notwendige) Verhältnis von Straftat und Strafe angemessen zum Ausdruck zu bringen. Denn dann könnte der Gesetzgeber durch seine Strafdrohung ein Verhalten zur Straftat machen, was bedeuten würde, daß die Straftat die Konsequenz dieser gesetzlichen Strafdrohung wäre. Es muß aber nach dem Gesagten gerade umgekehrt sein. Der Gesetzgeber kann wirkliche Strafbarkeit – als eine solche, die begrifflich Strafe betrifft – nur dort vorsehen, wo eine Tat eine solches schuldhaftes Unrecht ist, das die Antwort der Strafe bedarf. Die wirkliche Straftat muß ein strafwürdiges Verhalten sein, somit ein Verhalten, das solche Strafe verdient, auf das mit Strafe geantwortet werden muß. Die Strafwürdigkeit schließt Strafbedürftigkeit ein: beide verbinden sich im Begriff der Straftat. So verweist sich der Begriff der Straftat als das Primäre, als der Grund der stattlichen Zwangshandeln in Reaktion (als Antwort) auf sie als Strafe zu begreifen ermöglicht und sie dadurch alleine zu legitimieren vermag.“ 32 Vgl. Schmitz, Zur Legitimität der Kriminalstrafe, S. 23 f. Durch das Verständnis von Strafe als Reaktion auf eine Verletzung einer rechtlichen Regel wird nicht den Präventionstheorien der Boden entzogen. Zwar begrenzt die Definition den Raum für die Legitimationsversuche, indes ist es nicht nur den Vergeltungstheorien vorbehalten, eine Begründung für den retrospektiven Charakter der Strafe zu geben; vgl. im Einzelnen dazu Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 16 f. 33 Siehe auch zur Zurechnungsfähigkeit Tugendhat, Philosophische Aufsätze, S. 346.

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Damit sich das Übel der Strafe von der Lynchjustiz unterscheidet, muss das Übel durch eine dazu bestimmte öffentliche (nationale oder internationale) Instanz, dem Gericht, im Rahmen seiner Autorität 35 im Zuge eines vorbestimmten Verfahrens, des Strafprozesses, ordnungsgemäß verhängt werden. Setzt man die dargestellten einzelnen Elemente der (Kriminal-)Strafe zusammen, so lässt sich entsprechend der Fokussierung auf das Wesen der Strafe eine von einer Rechtsordnung unabhängige Definition der Strafe finden, die auch im Kontext des ICC-Statuts Gültigkeit hat. Demnach ist Strafe ein (1) gewollter Zwangsakt (Übel), (2) der als Reaktion auf die Verletzung eines Tatbestandes (3) gegen eine Person, der der Verstoß missbilligend zugerechnet werden kann, (4) durch eine dazu legitimierte Instanz (5) in einem formalisierten Verfahren verhängt wird. 36

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Vgl. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 65, für die das Leugnen des Übelcharakters das Leugnen des Strafbegriffs selber wäre; siehe zum Aspekt der Übelzufügung mit Bezug auf neuere Straftheorien Jung, Was ist Strafe?, S. 15 ff. m.w. N. 35 Die Autorität setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung (asymmetrische Relation) voraus, da sie dem Bestraften etwas zugefügt, das dieser nicht mit gleicher Münze zurückzahlen kann. Wäre dies nicht der Fall, so handelte es sich bei der Reaktion um einen Akt der Gewalt und man hätte es mit Privatstrafe (oder Lynchjustiz) zu tun, nicht aber mit Rechtsstrafe. 36 Diese Definition entspricht im Wesentlichen der generell geteilten Auffassung über den Begriff der Strafe; vgl. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 13; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 14 ff. m.w. N. in Fn. 18, 19, 20, 21, 22; vgl. auch Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 5, Rn. 2; Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 103; zu der im angloamerikanischen Rechtssystem üblichen sog. „Flew-Benn-Hart“-Definition von Strafe siehe Flew, The Justification of Punishment, S. 85 ff.; Hart, Prolegomenon to the Principles of Punishment, S. 4 f. Nach Hart ist für Strafe notwendig: „(a) it must involve pain or other consequences normally considered unpleasant, (b) it must be for an offence against legal rules, (c) it must be of an actual or supposed offender for his offence, (d) it must be intentionally administered by human beings other than the offender, (e) it must be imposed and administered by an authority constituted by a legal system against which the offence is committed.“; Rawls, Two Concepts of Rules (1955), S. 41: „I begin by defining the institution of punishment as follows: a person is said to suffer punishment whenever he is legally deprived of some of the normal rights of a citizen on the ground that he has violated a rule of law, the violation having been established by trial according to the due process of law, provided that the deprivation is carried out by the recognized legal authorities of the state, that the rule of law clearly specifies both the offence and the attached penalty, that the courts construe statutes strictly, and that the statute was on the books prior to the time of the offence.“; Falls, Law and Philosophy 6 (1987), S. 42; Walker, Why Punish?, S. 1 ff.; zur Stellungnahme zu einigen Elementen vgl. Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 37; zu einer auf einem Verfahrensmodell philosophischen Erklärens basierenden Definition vgl. Schmitz, Zur Legitimität der Kriminalstrafe, S. 19 ff.; Koller, ZStW 91 (1979), S. 45 f.; zum Völkerstrafrecht vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 414 f.

1. Teil

Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung 1. Kapitel

Das ICC-Statut im System der Menschenrechte Diese Kapitel verbindet das ICC-Statut mit dem Völkerstrafrecht (dazu sogleich unter A.) und das Völkerstrafrecht mit den Menschenrechten (dazu später unter B.). Die Menschenrechte lassen sich auf die Menschenwürde im Völkerstrafrecht zurückführen. Wesensmerkmale der Menschenwürde sind Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Die Freiheits-, Gleichheits- und Solidaritätsrechte setzen Rahmen und Vorgaben an die Strafzumessung. Die Freiheitsrechte verweisen vor allem auf das Maßhalten im Strafen, die Gleichheitsrechte auf das Gebot der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung und die Solidaritätsrechte auf das Gebot der Individualisierung der Strafe.

A. ICC-Statut als Teil des Völkerstrafrechts Das ICC-Statut 1 ist ein völkerrechtlicher multilateraler Vertrag im Sinne einer zwischen mehreren Staaten getroffenen Vereinbarung auf dem Gebiet des Völkerrechts, 2 das nicht nur konstitutive Regelungen, 3 sondern auch materiellstrafrechtliche Regelungen 4 und formell-strafrechtliche Regelungen 5 auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts im engeren und weiteren Sinne trifft. 6

1 Rome Statute of the International Criminal Court, Doc. A / CONF.183/9 vom 17. Juli 1998. 2 Siehe zur Definition des völkerrechtlichen Vertrags Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 116. 3 Siehe z. B.: Teil 1, Errichtung des Strafgerichtshofes; Teil 4, Zusammensetzung und Verwaltung der Gerichtsbarkeit; Teil 11, Versammlung der Vertragsstaaten. 4 Siehe z. B. die Definition der Verbrechen in Artikel 6 bis 8 und Teil 3, Allgemeine Grundsätze des Strafrechts. 5 Siehe z. B.: Regelungen über die Zuständigkeit in Teil 2, Gerichtsbarkeit, Zulässigkeit und anwendbares Recht; Teil 5, Ermittlungen und Strafverfolgung; Teil 6, Hauptverfahren.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung Exkurs über die Entstehungsgeschichte des ICC-Statuts: Die Generalversammlung beauftragte 1988 bzw. 1989 die International Law Commission (ILC) mit der Ausarbeitung eines Berichts über die Möglichkeiten der Schaffung eines Gerichtshofes für die Verfolgung von Drogendelikten. 7 Dieser Bericht wurde von der ILC im Jahre 1990 beendet und der Generalversammlung auf ihrer 45. Sitzung übergeben. 8 Obwohl sich der Bericht nicht nur mit Drogendelikten beschäftigte, wurde er „favorably received“ und die ILC aufgefordert, ihre Arbeit fortzusetzen. Mit diesem Auftrag im Rücken, begann die ILC, ein umfassendes völkerstrafrechtliches Statut zu erarbeiten. Erste Ergebnisse wurden 1992 in einem vorläufigen Bericht der Generalversammlung übermittelt, 9 1993 folgte ein umfassenderer Text 10 und 1994 eine überarbeitete Version 11. Diese letzte Version wurde von der Generalversammlung in ihrer 49. Sitzung zur weiteren Evaluation an ein Ad Hoc Committee weitergereicht, in der Hoffnung, das Ad Hoc Committee könne den Disput zwischen Befürwortern und Gegnern eines Strafgerichtshofes lösen und die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofes entscheidend vorantreiben. Dieses 1995 Ad Hoc Committee on the Establishment of an International Criminal Court traf sich einmal vom 3. bis 13. April und einmal vom 14. bis 25. August 1995. Der Sitzungsblock im August umfasste auch die Arbeit an Regelungen, die sich mit Strafen und Strafzumessung auseinandersetzten. Das Ad Hoc Committee präsentierte seinen Bericht 12 auf der 50. Sitzung der Generalversammlung, ohne dass die Einigung unter den beteiligten Staaten soweit fortgeschritten war, dass eine Konferenz der Bevollmächtigten der Staaten hätte einberufen werden können. Daraufhin wurde von der Generalversammlung zunächst nur für 1996 das 1996 Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court (PrepCom) ins Leben gerufen. Basierend auf den vorherigen Arbeiten präsentierte dieses seinen ersten umfassenden Bericht 1996 auf der 51. Sitzung der Generalversammlung, nämlich den „Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court, Volume I 13 und Volume II 14 “. Die sich auf das Strafen beziehenden

6 Vgl. auch die umfassende Darstellung der einzelnen Funktionen des ICC-Statuts bei Pellet, Applicable Law, S. 1054 ff. 7 G.A. Res. 43/164, 43th Sess., 76th plen. mtg., U.N. Doc. A / RES/43/164 (1988) und G.A. Res. 44/39, 44th Sess., 72nd plen. mtg., U.N. Doc. A / RES/44/39 (1989). 8 U.N. GAOR, 45th Sess., Supp. No. 10, U.N. Doc. A/45/10 (1990). 9 U.N. GAOR, 47th Sess., Supp. No. 10, U.N. Doc. A/47/10 (1992). 10 Revised Report of the Working Group on the Draft Statute for an International Criminal Court: ILC, 45th Sess., 3 May-23 July 1993, A / CN. 4/L. 490 (1993) Revised Report of the Working Group on the Draft Statute for an International Criminal Court: Addendum, ILC, 45th Sess., 3 May-23 July 1993, A / CN. 4/L. 490 / Add. 1 (1993). 11 Report of the International Law Commission, 46th Sess., 2 May-22 July 1994, G.A., 49th Sess., Supp. No. 10, U.N. Doc. A/49/10 (1994). 12 Report of the Ad Hoc Committee on the Establishment of an International Criminal Court: G.A, 50th Sess., Supp. No. 22, U.N. Doc. A/50/22 (1995). 13 Proceedings of the Preparatory Committee During March-April and August 1996 G.A: 51st Sess., Supp. No. 22, U.N. Doc. A/51/22 (1996). 14 Compilation of Proposals G.A, 51st Sess., Supp. No. 22, U.N. Doc. A/51/22 (1996).

1. Kap.: Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

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Regelungen wurden im Wesentlichen in der Sitzung im August 1996 diskutiert. Die Generalversammlung verlängerte das Mandat des PrepCom bis April 1998 und bat insbesondere um die Ausarbeitung eines konsolidierten Textes, eines völkerrechtlichen Vertrages und eines Statuts. Um der Aufgabe gerecht werden zu können, delegierte das PrepCom die Ausarbeitung einzelner Problemfelder an Arbeitsgruppen (working groups), unter anderem an eine Working Group on Penalties unter dem Vorsitz von Rolf Einar Fife. Die wesentlichen Entscheidungen wurden im Dezember 1997 getroffen und sind daher in den „Decision Taken by the Preparatory Committee at its Session held in New York 1 to 12 December 1997“ 15 festgehalten. Abgeschlossen hat das PrepCom seine Tätigkeit mit den beiden Berichten „Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court, Draft Statute & Draft Final Act“ 16 sowie dem „Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court, Draft Rules of Procedure“ 17. Die von der Generalversammlung einberufene Diplomatic Conference in Rom vom 15. Juni bis zum 17. Juli 1998 hatte nunmehr die Aufgabe, sich – basierend auf der Vorgabe des PrepCom – auf eine endgültige Fassung zu verständigen. Bezüglich der Regelung über die Strafe geschah dies wiederum zunächst in einer Working Group on Penalties, die wiederum von Fife geleitet wurde. Der Bericht der Arbeitsgruppe, der „Report of the Working Group on Penalties“, wurde auf dem 24. (Montag, 6. Juli 1998), 26. (Mittwoch, 8. Juli 1998), 32. (Freitag, 10. Juli 1998) und 41. (Donnerstag, 16. Juli 1998) plenary meeting erörtert. 18 Die Konvention wurde am 17. Juli 1998 mit dem „Final Act of the United Nations Diplomatic conference of Plenipotentiaries on the establishment of an International Criminal Court“ 19 angenommen. 20 Gemäß Resolution F des Final Acts wurde eine Preparatory Commission for the International Criminal Court geschaffen. Diese hatte mehrere Aufgaben zu übernehmen, unter anderem die, bis zum 30. Juni 2000 einen Entwurf der Verbrechenselemente (Elements of Crimes) gemäß Art. 9 ICC-Statut und der Verfahrens- und Beweisordnung (Rules of Procedure and Evidence) gemäß Art. 51 ICC-Statut anzufertigen. Die Preparatory Commission traf sich gemäß der Resolution 53/105 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 8. Dezember 1998 vom 1. bis 26. Februar (first session), 26. Juli bis 13. August (second session) und vom 29. November bis 17. Dezember (third session) 1999, gemäß der Resolution 54/105 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1999 vom 13. bis 31. März (fourth session), 12. bis 30. Juni (fifth session) und vom 27. November bis 8. Dezember (sixed session)

15

A / AC. 249/1997/L. 9/Rev. 1 (1997). A / CONF.183/2/Add. 1 (1998). 17 A / CONF.183/2/Add. 2 (1998). 18 Vgl. A / CONF. 183/C. 1/WGP / L. 14 and Corr. 1 and 2.; Add. 1; Add. 2; Add. 3/Rev. 1. 19 Rome Statute for the International Criminal Court, A / CONF. 183/9 (1998). 20 Sehr kenntnisreich über die Entstehung der Strafzumessungsnormen Schabas, P. & S. 2 (2000), S. 271 ff. m.w. N. 16

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung 2000 und gemäß Resolution 55/155 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2000 vom 26. Februar bis 9. März (seventh session) und vom 24. September bis 5. Oktober 2001 (eighth session). Die Arbeit der Kommission unterteilte sich in Arbeitsgruppen: Working Group of the Whole, Working Group for the Elements of Crimes of the Preparatory Commission (WGEC) und die Working Group for the Rules of Procedure and Evidence of the Preparatory Commission (WGRPE). Da die WGRPE nicht alle Fragen im Plenum klären konnte, wurden Arbeitsgruppen gebildet, die die entscheidenden Vorfragen diskutierten und verhandelten. Die das Strafen betreffenden Regeln wurden in der Working Group on Rules Concerning Part 7 verhandelt, erneut unter Vorsitz von Fife. 21 Schließlich nahm die Assembly of States Parties auf ihrer First Session vom 3. bis 10. September 2002 am 9. September 2002 den Bericht der Working Group of the Whole an und damit auch die darin enthaltenen Verbrechenselemente (Elements of Crimes) und die Verfahrens- und Beweisordnung (Rules of Procedure and Evidence), die zuvor am 30. Juni 2000 auf der fünften Sitzung der Working Group of the Whole beschlossen worden waren. 22

21 Die wesentlichen Vorschläge der Arbeitsgruppe finden sich in folgenden Dokumenten: PCNICC/1999/WGRPE(7) / DP. 1 Proposal submitted by France concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties; PCNICC/1999/ WGRPE(7) / DP. 2 Proposal submitted by Spain on the Rules of Procedure and Evidence relating to Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court (Penalties); PCNICC/1999/WGRPE(7) / DP. 3 Proposal submitted by Brazil and Portugal concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Determination of the sentence; PCNICC/1999/WGRPE(7) / DP. 4 Proposal submitted by Brazil and Portugal concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Fines; PCNICC/1999/WGRPE(7) / DP. 5 Proposal submitted by Australia, Canada and Germany concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on Penalties; PCNICC/1999/WGRPE(7) / RT. 1/Rev. 1 Discussion paper submitted by the Coordinator concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Rules relating to article 77, paragraph 2 (a); PCNICC/ 1999/WGRPE(7) / RT. 1/Add. 1 Discussion paper submitted by the Coordinator concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Rules relating to article 78 – Addendum (continued); PCNICC/1999/WGRPE(7) / RT. 1/Add. 2 Discussion paper submitted by the Coordinator concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Rule relating to article 77, paragraph 2(b) – Addendum (continued); PCNICC/1999/WGRPE(7) / RT. 1/Add. 3 Discussion paper submitted by the Coordinator concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Rule relating to article 79 – Addendum (continued); PCNICC/1999/WGRPE(7) / RT. 2 Discussion paper submitted by the Coordinator concerning Part 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court, on penalties – Rules relating to articles 77 to 79; PCNICC/1999/WGRPE(7) / RT. 2/Corr.1; PCNICC/2000/ WGRPE / (7) / DP. 1 Proposal submitted by Colombia concerning Part 7: Comments on the discussion paper submitted by the Coordinator on rules of procedure and evidence relating to part 7 of the Statute, as set out in document PCNICC/1999/L. 5/Rev. 1/Add.1. 22 PCNICC/2000/INF/3 / Add. 1 und 2.

1. Kap.: Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

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B. Völkerstrafrecht im System der Menschenrechte Als Teil des Völkerrechts ist das Völkerstrafrecht mit den Menschenrechten verbunden, so dass auch das ICC-Statut als Teil des Völkerstrafrechts mit den Menschenrechten verbunden ist. 23 Diese Verbindung von Völkerstrafrecht und Menschenrechten kommt insbesondere in der Verantwortlichkeit des Einzelnen nach Völkerstrafrecht zum Ausdruck (unter I.). Die Menschenrechte haben ihren Ursprung in der Menschenwürde. Den Wesensgehalt der Menschenwürde im Völkerrecht gilt es näher zu umreißen, um die Menschenrechte zutreffend auslegen zu können (unter II.). Die Wesensmerkmale der Menschenwürde – die Freiheit, Gleichheit und Solidarität – verweisen zugleich auf die im Kontext der Strafzumessung besonders relevanten Menschenrechte. Daher werden Ausprägungen von Freiheitsrechten, Gleichheitsrechten und Solidaritätsrechten auf ihre Vorgaben für die Strafzumessung überprüft (unter III.). I. Völkerstrafrecht und Menschenrechte Die Wechselwirkung zwischen Völkerstrafrecht und Menschenrechten tritt deutlich in den völkerstrafrechtlichen Pflichten und Rechten des Einzelnen hervor. Die Pflicht in der Form der Strafbarkeit des Einzelnen nach Völkerstrafrecht entstammt der hierarchischen Abstufung völkerrechtlicher Normen. Im Allgemeinen folgt die hierarchische Abstufung völkerrechtlicher Normen aus der – trotz Unklarheiten im Einzelnen – nunmehr grundsätzlichen Anerkennung von Jus-cogens-Normen 24 und Erga-omnes-Verpflichtungen im Völkerrecht, 25 23 Vgl. zur Verknüpfung des Völkerstrafrechts mit den Menschenrechten auch Triffterer, Universeller Menschenrechtsschutz auch durch das Völkerstrafrecht?, S. 32 ff. Völkerstrafrecht ist Folge einer neueren Entwicklung des Völkerrechts, das sich von der hergebrachten Trias „Staatssouveränität, Nationalstaat und Positivismus“ hin zu „Menschenrechten, Weltgesellschaft und Naturrecht“ öffnet; ausführlich und lesenswert zu dieser Entwicklung Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 114 ff. 24 Diese Kategorie von Normen fand eine erste ausdrückliche Anerkennung im Völkervertragsrecht, genauer in Art. 53 der Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (United Nations Conference on the Law of Treaties, Off. Rec. Documents of the Conference UN Doc. A / CONF.39/11/Add. 2). Art. 53 WVK lautet: „Ein Vertrag ist nichtig, wenn er im Zeitpunkt seines Abschlusses im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht. Im Sinne dieses Übereinkommens ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“ (näher dazu Seiderman, Hirarchy, S. 46 ff.). Jus cogens wurde in mehreren Urteilen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) bestätigt (vgl. dazu die abweichende Meinung des Richters Tanaka, South Africa Case (Second Phase), ICJ Reports 1966, S. 298; North Sea Continental Shelf Cases,

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

also der Anerkennung von grundlegenden völkerrechtlichen Normen, die anderen Normen des Völkerrechts vorgehen 26 und gegenüber allen Staaten Wirkung entfalten und von allen Staaten einzuhalten bzw. durchzusetzen sind. 27 Die hierarchische Abstufung der Rechte des Völkerrechts führt nicht nur für die Staaten zu unterschiedlichen Kategorien von Verpflichtungen, sondern auch zu einer Abstufung der Verpflichtung hin zur Verantwortung des Einzelnen. Denn der effektive Schutz der absoluten Rechte verlangt den Schutz dieser Rechte gegenüber jedweder Beeinträchtigung, egal ob sie von Seiten eines Staates oder von Seiten einer Einzelperson erfolgt. 28 Im Besonderen drückt sich diese hierarchische Abstufung völkerrechtlicher Normen im Völkerstrafrecht aus. Deutlich greifbar wird die Abstufung in der viel zitierten Aussage des IMT, dass „[t]he very essence of the Charter is that individuals have international duties which transcend the national obligations of obedience imposed by the individual state.“ 29 Einen absoluten Charakter haben jedenfalls die Normen (nicht Strafandrohungen), welche durch die Kernverbrechen des Völkerstrafrechts geschützt sind. 30 Nur weil wesentliche Normen des Völkerrechts zu schützen sind, besteht die VerantworI.C.J. Reports 1969, S. 97; Barcelona Traction, Light and Power Co. Ltd. Case (Spain vs. Belgium) I.C.J. Reports 1970, S. 304; vgl. auch Seidermann, Hierarchy in International Law, S. 59 ff. m.w. N.) und ist mittlerweile auch im Kontext des Völkergewohnheitsrechts anerkannt (vgl. dazu Seiderman, Hierarchy in International Law, S. 284). 25 Ein grundlegender Schritt in der Definition von erga omnes wurde vom Staatengerichtshof in seiner Barcelona-Traction-Entscheidung vollzogen. Dort stellt das Gericht in einem obiter dictum fest: „... an essential distinction should be drawn between the obligations of a State towards the international community as a whole, and those arising vis a vis another State in the field of diplomatic protection. By their very nature the former are the concern of all States. In view of the importance of the rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes ... Such obligations derive, for example in contemporary international law, from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination“ (eigene Hervorhebung), Barcelona Traction, Light and Power Co. Ltd. Case (Spain vs. Belgium) I.C.J. Reports 1970, para. 33 –34. 26 Nach Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 210, ist jus cogens ein Label, „placed on a principle whose perceived importance, based on certain values and interests, rises to a level that is acknowledged to be superior to another principle, norm or rules and thus overrides it.“ 27 Vgl. Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 211; Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, S. 234; ausführlich zu den Erga-omnes-Verpflichtungen Seiderman, Hirarchy in International Law, S. 123 ff. 28 Vgl. Broomhall, International Justice & The International Criminal Court, S. 42. 29 The Trial of German Major War Criminals by the International Military Tribunal Sitting at Nuremberg, Judgenment, 30th September 1946 – 1th October 1946, S. 42. bzw. Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 14. November 1945 – 1. Oktober 1946, Urteil, S. 249. 30 Vgl. Broomhall, International Justice & The International Criminal Court, S. 42: „The characterization of the core crimes of international criminal law as jus cogens has

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tung des Einzelnen nach Völkerstrafrecht. 31 Die schützenswerten wesentlichen Normen sind – wie bereits in der Definition von Völkerstrafrecht angeklungen und später in den Rechtsgütern noch zu belegen ist – vor allem Normen der Menschenrechte. 32 Beispielhaft kann dies am Verbot des Völkermordes aufgezeigt werden: Der Völkermord wird durch die Völkermordkonvention 33 unter Strafe gestellt. Aufgrund des zu schützenden kollektiven Rechtsguts der Existenz nationaler, rassischer, religiöser oder ethnischer Gruppen von Menschen und der mitgeschützten und durch die Gruppenzugehörigkeit vermittelten individuellen Rechtsgüter, insbesondere der Menschenwürde, ist das Völkermordverbot nicht nur eine Jus-cogens-Norm, sondern begründet auch eine Erga-omnes-Verpflichtung. Dieses von allen Staaten zu beachtende Recht, welches auch zur Verantwortung des Staates selber führt, wird aber so umfassend geschützt, dass es auch die strafrechtliche Verantwortung des Einzelnen gemäß Art. III, II i.V. m. IV der Konvention begründet und sich grundsätzlich auch in Art. 6 ICC-Statut wiederfindet. Die völkerstrafrechtliche Pflicht, dem Völkerstrafrecht unterworfen zu sein, ist mit dem völkerstrafrechtlichen Recht, durch das Völkerstrafrecht geschützt zu werden, verknüpft. Denn Rechte wie Pflichten haben ihren Ursprung in den Menschenrechten, insofern als der Mensch einerseits zum Schutz der Menschenrechte bestraft wird, sich aber andererseits des Schutzes der Menschenrechte versichern kann. 34 Dementsprechend gewähren auch die Straftatbestände der Kernverbrechen im ICC-Statut ausgesuchten Normen wesentlicher Menschenrechte ihren Schutz. 35, 36 Insofern besteht eine unverbrüchliche Wechselwirkung been conceived as an indication of how these crimes inhabit the ‚constitutional‘ level of the international system, or of an emerging international system.“ 31 Vgl. Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, S. 229 ff. 32 Zur Verknüpfung zwischen jus cogens und Menschenrechten vgl. Seiderman, Hirarchy in International Law, S. 66 ff. 33 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords (Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide), 09. Dezember 1948, 78 U.N.T.S. 277. 34 Vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 131; Werle, Völkerstrafrecht, S. 56, Rn. 128. 35 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, S. 54 ff., Rn. 121 ff.; Safferling, Towards an International Criminal Procedure, S. 45. 36 Wichtige Normen des Menschenrechtsschutzes finden sich in folgenden Übereinkommen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) (Universal Declaration of Human Rights [UDHR]), 10. Dezember 1948, G.A. Res. 217 A (III), U.N. GAOR, 3rd Sess., pt. 1, 183rd plen. mtg., at 71, UN Doc. A / RES/810(III) (1948); Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) (International Covenant on Civil and Political Rights [ICCPR]), 16. Dezember 1966, 999 U.N.T.S. 171; Internationaler Pakt über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwirtR) (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights [CESCR]), 16. Dezember 1966, 993

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zwischen den (völkerrechtlichen) Menschenrechten und dem Völkerstrafrecht. 37 Besteht aber eine Wechselwirkung zwischen Völkerstrafrecht und Menschenrechten zum Schutz der Menschenrechte, so muss sich das Völkerstrafrecht selbst den Menschenrechten unterwerfen. 38 Insofern dienen die Menschenrechte nicht nur zur Legitimierung, sondern auch zur Limitierung der Strafe im Völkerstrafrecht und damit auch der Strafe im ICC-Statut. 39 II. Menschenwürde als Ursprung der Menschenrechte Die Menschenrechte machen die Vorgaben und bilden den rechtlichen Rahmen, in dem Strafe stattfinden kann. Daher müssen die Menschenrechte auch im Kontext der einheitlichen Strafzumessung am ICC beachtet werden. Ihren Ursprung haben die Menschenrechte in der Menschenwürde. 40 Auszulegen sind U.N.T.S. 3; Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ([European] Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms [ECHR]), 4. November 1950, 213 U.N.T.S. 221; Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) (American Convention on Human Rights [ACHR]), 22. November 1969, OAS Official Records OEA / Ser. K / XVI/1.1, Doc. 65, Rev. 1, Corr 1, 07. January 1970, 9 I.L.M. 99, 1144 U.N.T.S 144; Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (AfrMRK) (African Charter on Human and Peoples’ Rights [African Charta]), 27. Juni 1981, OAU Doc. CAB / LEG/67/3/Rev. 5, 21 I.L.M. 58, 1520 U.N.T.S. 217; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women [CEDAW]), 18. Dezember 1979, G. A. Res. 34/180 GAOR, 34th Sess., 107 plen. mtg., at 194 UN Doc. A / RES/34/180 (1979), 1249 U.N.T.S. 13; Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Folterkonvention) (The Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment [CAT]), 10. Dezember 1984, 1465 U.N.T.S. 112; Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) (Convention on the Rights of the Child [CRC]), 20. November 1989, G.A. Res. 44/25, U.N. GAOR 44th Sess., 61st plen. mtg., at 166, U.N. Doc. A / RES/44/25 (1989), 1577 U.N.T.S. 43; Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) (Charter of Fundamental Rights of the European Union), 18. Dezember 2000, ABL. Nr. C 364/1. 37 Vgl. zum Menschenrechtsschutz durch Völkerstrafrecht Werle, Völkerstrafrecht, S. 54 ff., Rn. 121 ff.; Tomuschat, The Duty to Prosecute International Crimes committed by Individuals, S. 315 ff. 38 Vgl. Safferling, Towards an International Criminal Procedure, S. 45: „The aim of protecting human rights is itself limited. Human rights can only be protected through human rights. If human rights are to be protected via criminal prosecution, the applied system must itself be strictly compatible with human rights.“ 39 Vgl. auch Safferling, Towards an International Criminal Procedure, S. 40 ff., der vier Gründe für die zwingende Beachtung der Menschenrechte im ICC-Statut aufzählt: (1) „The argument of analogy to national jurisdiction“, (2) „The argument of restricted national power“, (3) „The argument of restricted international power“, (4) „The argument of the nature of human rights“. 40 Vgl. Schwartländer, Freiheit im weltanschaulichen Pluralismus, S. 218, dem zufolge „[d]iese normative Gültigkeit der verschiedenen Menschenrechte ihren Grund darin [hat],

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die Menschenrechte daher vor dem Hintergrund der Menschenwürde im Völkerrecht. 41 Dazu muss der Wesensgehalt der Menschenwürde im Völkerrecht erfasst werden. Achtung und Schutz der Menschenwürde haben ihre vorpositivrechtlichen Wurzeln in den unterschiedlichen religiösen und philosophischen Anschauungen über das Wesen des Menschen in den Kulturen der Welt. Ab dem 18. Jahrhundert haben sich diese Anschauungen in den Verfassungen 42 und Menschenrechtsdokumenten niedergeschlagen. 43 Sie bilden die Antwort auf die Bedrohung des Menschseins, so dass sie auch wesentliche Facetten des Menschseins widerspiegeln. 44 Daher können die in den Verfassungen 45 und überregionalen und regionalen Menschenrechtsdokumenten 46 festgehaltenen Menschenrechte als Ausgangspunkt einer Annäherung an den Wesensgehalt der Menschenwürde im Völkerrecht dienen. 47 1. Menschenwürde und Menschsein Der Völkerrechtsordnung ist zunächst gemeinsam, dass die Menschenwürde nicht erst durch das Recht vermittelt wird, sondern schon mit dem bloßen daß diese unterschiedlichen Rechte der geschichtlich bedingte Ausdruck für die selbst aber immer unbedingte Würde des Menschen sind.“; Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 164; Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 240 m.w. N.; Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem, S. 13. 41 Die rechtliche Qualifikation der Achtung der Menschenwürde ist im Völkerrechtssystem nicht abschließend geklärt (vgl. Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 178 ff.). Dennoch kann die Menschenwürde zumindest als Prinzip des Völkerrechts Geltung beanspruchen. Darüber hinaus jedenfalls aufgrund des Umstands, dass die Völkerrechtsordnung und insbesondere die Menschenrechtsordnung eine Ordnung der und für die Menschen ist, welcher die Menschenwürde immanent sein muss. Ausführlich zur Rechtsnatur der Menschenwürde Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 214 ff. m.w. N. 42 Vgl. dazu näher Starck, Die philosophischen Grundlagen der Menschenrechte, S. 553 ff. 43 Vgl. ausführlicher zu den vorpositivrechtlichen Wurzeln der Menschenwürde Bielefeldt, Die Menschenrechte als „das Erbe der gesamten Menschheit“, S. 151 ff. m.w. N.; Verdross, Die Würde des Menschen und ihr völkerrechtlicher Schutz, S. 5 ff.; zur Ideengeschichte der Menschenwürde siehe auch Dreier, in: D GG-Kommentar, Band I, Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 1 ff.; Herdegen, in: M / D GG-Kommentar, Art. 1, Abs. 1, Rn. 7 ff. 44 Vgl. Schwartländer, Freiheit im weltanschaulichen Pluralismus, S. 217. 45 Zu einer ausführlichen Auflistung siehe Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 223 ff. 46 Eine ausführliche Auflistung überregionaler und regionaler Menschenrechtsdokumente findet sich bei Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 148 ff. 47 Vgl. Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 249 f.; Schwartländer, Freiheit im weltanschaulichen Pluralismus, S. 218: „[Die] normative Gültigkeit der Menschnerechte hat ihren Grund darin, daß diese unterschiedlichen Rechte der geschichtlich bedingte Ausdruck für die selbst aber immer unbedingte Würde des Menschen sind.“

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Menschsein besteht. 48 So verweist etwa die Präambel der UN-Charta auf den „faith in ...“ oder „Glauben an die Grundrechte der Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit“. Wer aber an etwas glaubt, leitet es nicht rechtspositivistisch ab, da es sonst keines Bekenntnisses bedürfte. 49 Deutlicher wird dies in der Präambel der AEMR, die sich zur „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde“ bekennt und damit im Umkehrschluss diese eben nicht erst rechtspositivistisch schaffen will. Entsprechend ist in Art. 1 AEMR von „allen Menschen“ die Rede, die „frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind. 50 Deutlich auch die Präambel des IPBPR, in der es heißt: „IN DER ERWÄGUNG, dass nach den in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Grundsätzen die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft innewohnenden Würde ... IN DER ERKENNTNIS, dass sich diese Rechte aus der dem Menschen innewohnenden Würde herleiten“ 51, und die in Art. 10 enthaltene Forderung: „Jeder, dem seine Freiheit entzogen ist, muss menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden.“ 52, 53 2. Freiheit und Gleichheit In der Völkerrechtsordnung drückt sich die Vorstellung aus, dass der Mensch seine Würde zum einen durch Freiheit gewinnt, die ihm in einer Rechtsgemeinschaft erhalten wird. Denn Menschenrechte sind vor allem Freiheitsrechte (und Gleichheitsrechte gewähren die gleiche Freiheit, nicht aber die gleiche Bindung). 54 Zum anderen ist die Würde des Menschen auch durch Gleichheit geprägt, 55 wie es in den Diskriminierungsverboten zum Ausdruck kommt. 56 Freiheit 48 Vgl. Henkin, Introduction, S. 12 f.; Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 180; Kluge, Versuch einer philosophischen Begründung der Menschenrechte, S. 49 ff., zur metaphysischen, nicht-positivistischen Begründung der Menschenrechte. 49 Vgl. näher Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 168 f.; Kluge, Versuch einer philosophischen Begründung der Menschenrechte, S. 49. 50 Vgl. näher Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 170. 51 Vgl. Nowak, in: CCPR-Commentary, Preamble, Rn. 4. 52 Vgl. näher zu Art. 10 Nowak, in: CCPR-Commentary, Art. 10, Rn. 7 ff. 53 Weitere Beispiele finden sich in der AMRK und EMRK. So lautet Art. 5 Abs. 2 S. 2 der AMRK: „Jeder, dem die Freiheit entzogen worden ist, ist mit Achtung vor der angeborenen Würde des Menschen zu behandeln.“ Die Präambel der EMRK verweist über die AEMR auf die „innewohnende“ Menschenwürde, indem die Präambel ausdrücklich Bezug auf die AEMR nimmt. Siehe auch Art. 1 der nicht in Kraft getretenen EUGrundrechte-Charta. 54 Vgl. Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 250 ff. 55 Vgl. Bielefeldt, Die Menschenrechte als „das Erbe der gesamten Menschheit“, S. 147 f.

1. Kap.: Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

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und Gleichheit bedingen sich gegenseitig und sind nicht zuletzt seit der Französischen Revolution ein Paar. Gleichheit ist insofern die Bedingung der Freiheit, als wahre Freiheit nur durch die Freiheit der anderen begrenzt wird (und nicht etwa durch Privilegien anderer). Freiheit ist mithin die (gleiche) Freiheit für jedermann. 57 Beispielsweise spricht Art. 1 AEMR davon, dass „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind. 58 Deutlich auch die Präambel der UN-Folterkonvention, in der es heißt: „[I]n der Erwägung, dass nach den in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Grundsätzen die Anerkennung der Gleichheit ... die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet“. 3. Solidarität In der gegenseitigen Anerkennung der gleichen Freiheit schwingt die solidarische Verbundenheit der Menschen mit. 59 Diese Solidarität, in der Französischen Revolution als Brüderlichkeit bezeichnet, hat die Aufgabe, Freiheit und Gleichheit auszugleichen. 60 Das Menschsein ist bedingt durch die Grenzen des Menschenseins des anderen, und die Anerkennung dieser wechselseitigen Abhängigkeit zeichnet den Menschen als sittlich-autonomes Wesen aus. 61 Vorpositivrechtlich ist diese Solidarität in der sog. „goldenen Regel“ in allen Religionen verankert 62: Im Hinduismus ist die Rede davon, „in Angelegenheiten anderer das zu tun, was du für dich tust“; im Judentum gilt: „Was du nicht wünschest, dass dir dein Nächster tue, das tue du ihm nicht“; im Christentum: „Alles nun, was euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“; im Islam: „Lasset keinen von euch einen Bruder so behandeln, wie er selbst nicht behandelt werden möchte“; und im Buddhismus: „Man soll für andere das Glück wünschen, das 56 Z. B.: Übereinkommen betreffend die Skalverei (Slavery Convention), 25. September 1926 und 7. Dezember 1953, 212 U.N.T.S. 17; Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination [CERD]), 07. März 1966, 660 U.N.T.S. 195; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women [CEDAW]), 18. Dezember 1979, G. A. Res. 34/180 GAOR, 34th Sess., 107 plen. mtg., at 194 UN Doc. A / RES/34/180 (1979), 1249 U.N.T.S. 13; vgl. ausführlicher dazu und zu anderen Deklarationen und Konventionen Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 255 f. 57 Vgl. zum Verhältnis von Freiheit und Gleichheit Bielefeldt, Die Menschenrechte als „das Erbe der gesamten Menschheit“, S. 148. 58 Vgl. dazu Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 171. 59 Vgl. Bielefeldt, Die Menschenrechte als „das Erbe der gesamten Menschheit“, S. 148. 60 Vgl. Dürig, in: M / D GG-Kommentar, Art. 3 Abs. 1, Rn. 156 ff. 61 Vgl. ähnlich Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 171. 62 Vgl. zur „goldenen Regel“ Dürig, in: M / D GG-Kommentar, Art. 3, Abs. 1, Rn. 160.

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man sich selbst wünscht“. 63 Positivrechtlich bringt Art. 1 AEMR die Solidarität im Satz 2 zum Ausdruck: „[Die Menschen] sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“. Der Wesensgehalt der Menschenwürde zeichnet sich damit durch eine moderne Variante der Revolutionsparole der Französischen Revolution „liberté, egalité, fraternité“ aus, nämlich durch Freiheit, Gleichheit und Solidarität. 64 III. Menschenrechte der Freiheit, Gleichheit und Solidarität Einzelne Menschenrechte der Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind es auch, die den Rahmen zulässiger Strafzumessung aufzeigen und im Licht der Menschenwürde im Völkerrecht auszulegen sind. 1. Freiheitsrechte Die Betrachtung der Freiheitsrechte konzentriert sich hier auf den Zusammenhang der Strafzumessung im Völkerstrafrecht, d. h. auf die Anordnung einer gesetzlich bestimmten Strafe und die Ausprägungen des Folterverbotes, dessen Grenzen sowohl Art als auch Maß der Strafe einhalten müssen. a) Nulla poena sine lege Der Grundsatz des nulla poena sine lege findet sich bei allen wesentlichen Menschenrechtsinstrumenten und hat als grundlegende Norm des rechtstaatlichen Freiheitsschutzes Eingang in die Verfassungen der Welt gefunden. 65 Unabhängig von der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des Grundsatzes als Teil des Legalitätsprinzips im Völkerstrafrecht beinhaltet das ICC-Statut mit seinem Art. 23 eine zu beachtende speziellere Ausprägung innerhalb seines An-

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Alle Zitate aus Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem,

S. 21. 64 Vgl. Bielefeldt, Die Menschenrechte als „das Erbe der gesamten Menschheit“, S. 148 f. Genannt wird auch die Trias „Freiheit, Gleichheit, verantwortliche Mitwirkung“, vgl. Dicke, Menschenwürde und Universalität der Menschenrechte, S. 164, oder „Würde als Freiheit zum eigenen Sein“, vgl. Marhaun, Menschenwürde und Völkerrecht, S. 248 ff. (S. 270); siehe auch zu den Überschneidungen bei der Diskussion zu den Grundlagen der Demokratie Schild, Freiheit-Gleichheit-Selbständigkeit (Kant), S. 135 ff. 65 So hat der Grundsatz seinen Niederschlag in Art. 11 Nr. 2 AEMR, Art. 7 EMRK und Art. 15 Abs. 1 IPBPR gefunden. Er gilt als allgemeiner Grundsatz der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der nach Art. 6 Abs. 2 EUV zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zählt und findet Erwähnung in Art. 9 AMRK; Art. 7 Abs. 2 AfrMRK.

1. Kap.: Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

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wendungsbereiches. 66 Wie das Legalitätsprinzip ist der Inhalt des Grundsatzes im ICC-Statut weder nach der strikten kontinentaleuropäischen Auffassung noch nach der nachsichtigeren angloamerikanischen Auffassung zu bestimmen, sondern aus einer eigenständigen Bedeutung im Völkerstrafrecht. 67 Völkergewohnheitsrechtlich ist eine konkrete Strafdrohung nach Art und Maß für die einzelnen Tatbestände nicht erforderlich, sondern es reicht aus, wenn eine generelle Norm die Strafarten und Strafdauer für mehrere Straftatbestände zusammen bestimmt, wie es Art. 77 ICC-Statut für die Kernverbrechen der Art. 5 ICC-Statut anordnet. 68 Dass die Strafbemessung keine horizontale Unterscheidung zwischen den Kernverbrechen in der Strafskala aufweist, steht dem Grundsatz nulla poena sine lege nicht entgegen, da auch gleiche und weite Strafrahmen immer noch durch das ICC-Statut bestimmte Strafrahmen sind. b) Keine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafe Das Folterverbot mit seinen Einzelverboten, dem Verbot der „Folter“, den Verboten „grausamer, unmenschlicher“ und „erniedrigender“ Behandlung oder Bestrafung, gilt als Jus-cogens-Norm des Völkerrechts 69 und findet sich in zahlreichen Verfassungen der Welt. 70 Die einzelnen Verbote bilden eine abgestufte, sich überschneidende Rangfolge, so dass die Schwere des Vorwurfs von der Folter zur erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung abnimmt, denn eine folternde Behandlung ist auch unmenschlich und erniedrigend, genauso wie eine 66 Ausführlich zur gewohnheitsrechtlichen Geltung und Bedeutung des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ im Völkerstrafrecht König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 195 ff.; Sadat, The International Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 180 ff.; Zappalà, Quale Principio di Legalità nel Diritto Internatzionale Penale?, S. 277 ff.; zur „drafting history“ von Art. 23 IStGH-Statut Lamp, Nullum Crimen, Nulla Poena Sine Lege in International Criminal Law, S. 762 ff.; Schabas, ICC-Commenatry, Art. 23, Rn. 3 ff.; Broomhall, International Justice & The International Criminal Court, S. 26 ff. 67 Zur völkerrechtlichen Bedeutung des Nulla-poena-sine-lege-Grundsatzes Lamp, Nullum Crimen, Nulla Poena Sine Lege in International Criminal Law, S. 756 ff. 68 König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 204; Schabas, in: ICC-Commentary, Art. 23, Rn. 6. 69 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 6 m.w. N. Schon Art. 5 AEMR spricht das Verbot aus, dass „niemand ... der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden [darf]“. Entsprechende Regelungen lassen sich in Art. 7 S. 1 des IPBPR, in Art. 3 EMRK, Art. 4 EU-Grudrechtecharta und in Art. 5 Abs. 2 der AMRK finden; Regelungen mit ähnlichem Wortlaut sind zudem in Art. 5 der AfrMRK und in Art. 16 I, S. 1 UNFolterkonvention vorhanden. Weitere überregionale und regionale Menschenrechtsinstrumente sind aufgeführt bei Jayawickrama, The Judicial Application of Human Rights Law, S. 296 ff. 70 Vgl. Bassiouni, Duke J. of Comp. & Int’l L. 3 (1993), S. 263 ff.

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unmenschliche Behandlung erniedrigend ist. 71 Immer ist eine abgestufte „Intensität und Schwere der Beeinträchtigung“ vonnöten, die sich aus der „Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls“ ergibt. 72 Allerdings sind die Übergänge zwischen den einzelnen Verboten fließend und lassen sich nicht immer genau bestimmen. 73 Gemeinsam ist den Verboten, dass sie sich auf die Achtung der menschlichen Würde zurückführen lassen, 74 da sie die Subjektqualität des Menschen wahren wollen, indem sie verhindern, dass der Mensch unter Aufgabe seines sozialen Achtungs- und Werteanspruches zum bloßen Objekt der Verbrechungsbekämpfung degradiert wird. 75 Folter als das stärkste Einzelverbot knüpft beispielsweise in der EMRK an die „vorsätzliche unmenschliche Behandlung an, die schwere und grausame Leiden verursacht“ 76 oder im Fall des Art. 1 UN-Folterkonvention an „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzliche große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden“. Unbeschadet eines konkreten Einzelfalls lassen sich keine Anhaltspunkte finden, die in den Strafarten des ICC-Statuts eine über die mit der Verhängung der Strafe an sich einhergehenden Übelzufügung hinausgehende vorsätzliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität erblicken ließe, die den Grad der Folter erreicht, so dass sich ein weiteres Eingehen auf das Folterverbot im engeren Sinne erübrigt. Eine grausame 77, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung liegt nach der EMRK und dem IPBPR bereits dann vor, „wenn dem Betroffenen in seiner Menschenwürde auf missachtende Art und Weise schwere und nach den Umständen mit den allgemeinen Geboten der Menschlichkeit schlechthin unvereinbare körperliche oder seelische Qualen oder Leiden zugefügt werden.“ 78 Konkretisiert 71 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 17; Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 6; Frowein / Peukert, in: EMRKKommentar, Art. 3, Rn. 3. 72 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 17; Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 5. 73 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 17. 74 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 8, 22; van Zylt Smit, CLF 9 (1999), S. 10; für die BRD ständige Rechtsprechung siehe auch BVerfGE 6, 389 (439); 45, 187 (228); 72, 105 (110); 75, 1 (16); 80, 125 (133). 75 Vgl. zur „Objektformel“ BVerfGE 45, 187 (227 ff.); kritisch dazu Dreier, in: D GGKommentar, Band I Art. 1 I GG, Rn. 50 ff. m.w. N. 76 Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 18; vgl. auch Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 6 f. 77 Vgl. den Wortlaut von Art. 7 IPBPR „... grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ...“, während Art. 3 EMRK nur von „... unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ...“ spricht, da die unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung eine „grausame“ miterfasst. 78 Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 22; vgl. auch Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 8.

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wird dies insofern nach den Umständen des Einzelfalls, der Art und Dauer des Eingriffs etc., als die individuelle Situation der betroffenen Person über das notwendige Mindestmaß an Schwere des Eingriffs mitentscheidet. 79 EMRK und IPBPR setzen dabei wiederum einen relativ schweren Verstoß voraus, der an den Strafdrohungen des ICC-Statuts nicht festgemacht werden kann. Von einer erniedrigende Behandlung kann nach EMRK und IPBPR dann gesprochen werden, wenn der „Betroffene vor sich selbst oder vor anderen in einer seine Menschenwürde beeinträchtigenden, ihn als Person gröblich missachtenden Weise erheblich herabgesetzt oder gedemütigt wird“ 80. Auch hier ist eine gewisse Erheblichkeit des Eingriffs vonnöten, um einen Verstoß gegen das Einzelverbot zu begründen. 81 Da aber das Verbot der erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung an der unteren Schwelle der möglichen Eingriffe liegt, ist ein Verstoß auch durch gegen die Menschenwürde verstoßende Strafarten oder die Strafdauer denkbar. Erniedrigend wäre eine solche Strafe dann, wenn sie über die bloße Übelzufügung der Strafe hinausgehende unnötige Leiden verursacht oder durch den Strafvollzug einen weiteren Leidensdruck von einer gewissen Schwere der Strafe hinzufügt. 82 Auch dies ist eine Frage des Einzelfalls. 83 Strafart und Strafdauer wahren die Würde des Menschen in der Ausprägung der Freiheit nur dann, wenn sie die Möglichkeit offen halten, dass der Verurteilte die Freiheit wiedererlangt, 84 da nur so die Grundvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins gewahrt bleiben. Wenn auch der (konkrete) Einzelfall einer freiheitsentziehenden Strafart und ihrer Strafdauer mit Unwägbarkeiten behaftet ist, so wahren (abstrakt betrachtet) die Artikel der Strafbemessung des Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut die Menschenwürde. Denn bei der zeitigen Freiheitsstrafe des Art. 77 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut ist die Wiedererlangung der Freiheit gewährleistet und die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut nicht nur an die Schwelle der „außergewöhnlichen Schwere des Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten“ geknüpft, sondern vor allem auch an die Vorkehrungen des Art. 110 ICC-Statut, die zumindest die Möglichkeit einer Wiedererlangung der Freiheit bereithalten. 85 79

Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 22 ff. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 28; vgl. auch Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 8. 81 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 28. 82 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 30. 83 Vgl. Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 10 ff. zur Strafvollstreckung und Rn. 17 zur Strafverhängung. 84 Vgl. Meyer-Ladewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 3, Rn. 17, der einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK sieht, wenn bei Erwachsenen „keine Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung und damit keine Hoffnung auf bedingte Entlassung besteht.“ 85 Vgl. zu den Art. des ICC-Statuts S. 298 ff.; siehe zu der Rechtmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe Nowak, in: CCPR-Commentary, Art. 7, Rn. 16; zu lebenslanger Frei80

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Die in Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut vorgesehenen Nebenstrafen hingegen sind ganz zu vernachlässigen, da sie die Eingriffsschwelle nicht erreichen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe begründen könnte. c) Zurückhaltung bei der Strafzumessung Eine Strafe als Sonderfall der Behandlung kann nicht nur im Sinne des Folterverbotes durch die Wahl einer bestimmten Strafart unmenschlich oder erniedrigend sein, sondern auch durch ihre Unverhältnismäßigkeit. 86 Denn die Achtung der menschlichen Würde bringt es mit sich, dass die unveräußerliche Freiheit des Menschen nicht mehr als nötig beeinträchtigt werden darf, so dass jede übermäßige Strafe eine erniedrigende Strafe darstellt. 87 Allerdings wird in den Menschenrechtsdokumenten wie der EMRK eine unverhältnismäßige Strafe nur dann als erniedrigend eingestuft, wenn sie so schwer und exzessiv ist, dass nach keinem Gesichtspunkt mehr von einer gerechten und vernünftigen Strafe gesprochen werden kann, sie mithin gänzlich außer Verhältnis zur strafrechtlichen Verantwortung des Täters steht bzw. dieses Verhältnis gar nicht ausfüllen will. 88 Es ist schwierig, die Verhältnismäßigkeit feinmaschiger zu bestimmen, da das Niveau der Strafen in den nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ist, was es schwierig macht, international akzeptierte Standards zu bestimmen, welche Strafe verhältnismäßig bzw. unverhältnismäßig ist. 89 Letztlich ist daher die Regelung zur Verhältnismäßigkeit in den internationalen Menschenrechtsdokumenten grobmaschiger, als man dies aus nationalen Übermaßverboten, welche nur Maßstäbe für eine Rechtsordnung finden, gewohnt ist. Den internationalen Menschenrechtsdokumenten ist zunächst nur zu entnehmen, dass zum einen die Strafe ihrer Art und Dauer nach zur völkerstrafrechtlichen Verantwortung des Täters im Verhältnis stehen muss, und sie zum anderen erst dann unverhältnismäßig ist, wenn sie so übermäßig ist, dass sie keine gerechte Strafe mehr darstellt. Letzteres ist Tatfrage des Einzelfalls. Auch wenn die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit in den Menschenrechtsdokumenten abgemildert sind, so erlegt die Verhältnismäßigkeit dem Strafenden dennoch eine Zurückhaltung bei der Strafzumessung auf, da die Strafe nur dann die Menschenwürde wahrt, heitsstrafe und der EMRK Kurki, International Standards for Sentencing and Punishment, S. 354 ff. m.w. N.; informativ zur lebenslangen Freiheitsstrafe und den Menschenrechten van Zylt Smit, CLF 9 (1999), S. 5 ff. 86 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 30; siehe auch Art. 49 III EU-Grundrechtecharta: „Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.“ 87 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 34. 88 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 3 MRK / Art. 7 IPBPR, Rn. 34; van Zyl Smit, ICLQ 54 (2005), S. 361; zur EMRK und Verhältnismäßigkeit vgl. Kurki, International Standards for Sentencing and Punishment, S. 360 ff. 89 Vgl. Kurki, International Standards for Sentencing and Punishment, S. 362.

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wenn die Freiheit des Täters nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. 90 2. Gleichheitsrecht: Gebot der Differenzierung und Verbot der Diskriminierung Die Gleichheitsrechte spiegeln sich im Gleichheitssatz und im Verbot der Diskriminierung wider. Beide Ausprägungen sind Wesensmerkmale der Menschenwürde 91 und zentrale Bestandteile regionaler und überregionaler Menschenrechtsdokumente sowie zahlreicher nationaler Verfassungen der Welt. 92, 93 Die allgemeine Garantie der Gleichheit, wie sie beispielsweise in Art. 26 IPBPR niedergelegt ist, gewährt zum einen die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 26 S. 1 Hs. 1 IPBPR) und damit die gleiche Anwendung des Gesetzes durch Exekutive und Judikative (Art. 14 Abs. 1 S. 1 IPBPR) 94, zum anderen den Anspruch aller auf gleichen Schutz durch das Gesetz (Art. 26 S. 1 Hs. 2 IPBPR) und damit auf den gleichen Inhalt des Gesetzes, 95 insbesondere den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der in Art. 26 S. 1 Hs. 2, S. 2 IPBPR genannten Kriterien, welcher primär durch die Legislative zu gewährleisten ist. 96 In seiner aristotelischen, allgemeinen Ausformung gebietet der Gleichheitssatz damit zunächst „die Gleichbehandlung von Gleichem und die Ungleichbehandlung von Ungleichem“ und verbietet umgekehrt „die Ungleichbehandlung von Gleichem und die Gleichbehandlung von Ungleichem“. Grundvoraussetzung für die Gleichheit 90

Vgl. Jung, Sanktionensysteme und Menschenrechte, S. 95. Vgl. Jayawickrama, The Judicial Application of Human Rights Law, S. 820: „The notion of equality is one that springs directly from the oneness of the human family and is linked to the essential dignity of the individual.“ 92 Vgl. zu den internationalen, supranationalen und rechtvergleichenden Bezügen z. B. Heun, in: D GG-Kommentar, Band I, Art. 3, Rn. 8 ff. Es findet sich der Gleichheitssatz in Art. 7 AEMR, ein Diskriminierungsverbot in Art. 2 AEMR, Art. 2 Abs. 1 IPBPR, Art. 14 der EMRK akzessorisch zu den Rechten der Konventionen, Art. 2 IPwirtR und in allgemeiner Form in Art. 26 IPBPR, Art. 2 AMRK und Art. 3 Abs. 1 und 2 AfrMRK, um nur einige zentrale Menschenrechtsinstrumente zu nennen. Dazu und zu weiteren Menschenrechtsinstrumenten, die ein Diskriminerungsverbot enthalten Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 14 MRK / Art. 2 I, Art. 3, 116, 26, 27 IPBPR, Rn. 1 ff.; MeyerLadewig, in: EMRK-Handkommentar, Art. 14, Rn. 1; Jayawickrama, The Judicial Application of Human Rights Law, S. 816 f. 93 Zur Ideengeschichte Heun, in: D GG-Kommentar, Band I, Art. 3, Rn. 1 ff. 94 Anwendungsbeispiele finden sich bei Jayawickrama, The Judicial Application of Human Rights Law, S. 821 ff. 95 Anwendungsbeispiele finden sich bei Jayawickrama, The Judicial Application of Human Rights Law, S. 827 f. 96 Die genaue Bedeutung von Art. 26 S. 1, Hs. 2 IPBPR ist umstritten; vgl. dazu im Einzelnen Gollwitzer, in: MRK und IPBPR-Kommentar, Art. 14 MRK / Art. 2 I, Art. 3, 116, 26, 27 IPBPR, Rn. 20. 91

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ist die Verschiedenheit der Dinge, da ansonsten Identität vorläge. 97 Das Urteil der Gleichheit bzw. Ungleichheit setzt ein „Ver-gleichen“ voraus, mithin ein InRelation-Setzen. Da Dinge immer gleich und ungleich zugleich sind, kann dies aber nur bezüglich bestimmter Qualitäten erfolgen, dem sog. Tertium Comparationis, deren Eigenschaften dann eben gleich bzw. ungleich sind. 98 Gleichheit besteht damit nicht schlechthin, sondern nur hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte. 99 In einem Punkt sind die Dinge immer ungleich, nämlich hinsichtlich des Ortes. Wären sie es nicht, so wären sie eines, aber nicht mehr gleich. 100 Nef von Herisau formuliert: „Alle Dinge, die in einer oder mehreren Beziehungen gleich sind, sind notwendigerweise in einer oder mehreren anderen Beziehungen gleichzeitig ungleich.“ 101 Gleichheit ist relativ, nicht aber absolut. 102 Die Feststellung der Ungleich- bzw. Gleichbehandlung eines Sachverhalts oder einer Person kann damit nur erfolgen, wenn in einem ersten Schritt die gemeinsame Qualität benannt wird, deren Eigenschaften dann in einem zweiten Schritt verglichen werden können. Dabei werden beide Kriterien wertend durch die (subjektive) Auswahl des Betrachters bestimmt. Aus diesem Vergleich ergibt sich dann, ob die Sachverhalte bzw. Personen gleich oder ungleich sind. Nun führt aber nicht jede Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte oder Personen bzw. jede Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte oder Personen zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Denn eine Differenzierung aus sachlichem Grund, d. h. aus vernünftigen, in der Natur der Sache liegenden und rational nachvollziehbaren Erwägungen, rechtfertigt die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung. Es wird also nicht jede unterschiedliche Behandlung durch den Gleichheitssatz erfasst, sondern nur diejenige, die aufgrund von sachlich ungerechtfertigten Erwägungen differenziert. 103 Solche sind zunächst einmal evident willkürliche Erwägungen, wie sie etwa in den Diskriminierungsverboten des Art. 2 AEMR und Art. 26 S. 2 IPBPR aufgelistet sind, 104 aber auch Eingriffe, die mit dem Wertmaßstab der Menschenrechte nicht in Einklang stehen, insbesondere solche, die einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen oder sonst außer Verhältnis zum Gerechtigkeitsmaßstab stehen. In der Forde97

Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 3 ff. Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 6 ff. 99 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 10 ff. 100 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 11. 101 Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 25. 102 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 18 ff. 103 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 14 MRK / Art. 2 I, Art. 3, 116, 26, 27 IPBPR, Rn. 22. 104 Zum Diskriminierungsverbot näher Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz, S. 142 ff., Rn. 275 ff.; beispielhaft zur Problematik und Auswirkung des Diskriminierungsverbotes im Bereich der Strafzumessung in nationalen Rechtsordnungen Ashworth, Sentencing and Criminal Justice, S. 219 ff. 98

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rung nach Gleichheit ist also nicht nur das „Willkürverbot“ verankert, sondern auch das Gebot der Differenzierung. Dieser Gedanke wird im Eingang zu den Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien weiter vertieft werden. 3. Solidarität Die gegenseitige Anerkennung des Menschseins mit der damit einhergehenden Auferlegung von Grenzen wurde als Wesensmerkmal der Menschenwürde benannt. Im Fall der Kernverbrechen des Völkerstrafrechts sind aber immer mindestens zwei (bedingt durch den kriminologischen Charakter der Völkerverbrechen als Makrokriminalität regelmäßig große Gruppen von) Menschen durch die Tatbegehung miteinander verwoben: Der Täter und das Opfer der Tat. Neben dem Völkerstrafprozessrecht muss auch das Völkerstrafrecht in seiner Strafe die Würde beider achten, indem es die Solidarität aus dem Menschsein des Täters und die Solidarität aus dem Menschsein des Opfers ermöglicht. a) Das Recht des Täters auf Wiedereingliederung Der im Einzelnen umstrittene und mit zahlreichen Vorbehalten behaftete Art. 10 IPBPR 105 gebietet in seinem Absatz 3, Satz 1 denn auch, dass „[d]er Strafvollzug ... eine Behandlung der Gefangenen ein[schließt], die vornehmlich auf ihre Besserung und gesellschaftliche Wiedereingliederung hinzielt.“ Diese Anordnungen stehen im systematischen Kontext zu Art. 10 Abs. 1 IPBPR, der die Notwendigkeit eines die Menschenwürde beachtenden Strafvollzugs anmahnt. 106 Damit wird eine Verbindung zwischen Menschenwürde und gesellschaftlicher Wiedereingliederung hergestellt, die ihren Ursprung ebenfalls in der Freiheit und Solidarität als Wesensgehalt der Menschenwürde hat, denn ein Strafvollzug, der sich der Besserung und Wiedereingliederung verschreibt, baut auf die Entlassung in Freiheit und die solidarische Aufnahme des (gebesserten) Straftäters in die Gemeinschaft. Ähnlich wie Art. 10 Abs. 3 S. 1 IPBPR verlangt auch Art. 5 Abs. 6 AMRK, dass „punishments consisting of deprivation of liberty shall have as an essential aim the reform and social readaptation of the prisoners“. 107 Damit wird zwar auf die Straftheorie der speziellen Prävention in der Form der Reha-

105 Vgl. zur Kritik an Art. 10 Nowak, in: CCPR-Commentary, Art. 10, Rn. 4 ff. m.w. N.; zu den Reservationen Art. 10, Rn. 5, in Fn. 5. 106 Vgl. Nowak, in: CCPR-Commentary, Art. 10, Rn. 25; Gollwitzer, in: MRK / IPBPRKommentar, Art. 10 IPBPR, Rn. 9. 107 American Convention on Human Rights (ACHR), 22. November 1969, OAS Official Records OEA / Ser. K / XVI/1.1, Doc. 65, Rev. 1, Corr 1, Jan. 7, 1970, 9 I.L.M. 99, 1144 U.N.T.S. 144.

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bilitation verwiesen, 108 gleichzeitig zeigen die Formulierungen aber auch, dass diese Straftheorie nur eine unter vielen ist, wenn auch eine beachtenswerte. 109 b) Das Recht des Opfers auf Wiedergutmachung Das Gegenstück zur Solidarität mit dem Täter zur Wahrung seiner Menschenwürde und dem sich daraus ergebenden Verlangen nach einer möglichen Wiedereingliederung bildet die Solidarität mit dem Opfer zur Wahrung von dessen Menschenwürde und das damit einhergehende Verlangen nach Wiedergutmachung. Entsprechend der noch jüngeren Entwicklung in den nationalen Rechtsordnungen hat der menschenrechtliche Schutz des Opfers erst in letzter Zeit Eingang in die Völkerrechtsordnung gefunden, dies aber mit erhöhter Intensität. So hat die „Declaration of Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuse of Power“ 110 der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Regierungen dazu verpflichtet, „[to] review their practices, regulations and laws to consider restitution as an available sentencing option in criminal cases, in addition to other criminal sanctions“ 111. Dieses Anliegen wurde noch einmal vom „Eighth United Nations Congress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offenders“ 112 mit seiner Resolution unter der Überschrift „Protection of Human Rights of Victims of Crime and Abuse of Power“ 113 bekräftigt. Seit den 1980er Jahren schenkt auch der Europarat den Opferbelangen zunehmend seine Aufmerksamkeit, was sich in mehreren bindenden Konventionen, 114 insbesondere der „European Convention on the Compensation of Victims of Violent Crime“ 115, in zahlreichen Empfehlungen des Minsterrates 116 wie auch in zwei 108

Vgl. im Einzelnen Schabas, Duke J. Comp. & Int.’l L., 7 (1997), S. 503. Vgl. auch Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 10 IPBPR, Rn. 10; Nowak, in: CCPR-Commentary, Art. 10, Rn. 24. 110 Declaration of Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuse of Power, 29. November 1985, G.A. Res. 40/34, 40th Sess., 96th plen. mtg., U.N. Doc. A / RES/40/34 (1985). 111 Declaration of Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuse of Power, A. Victims of Crime, 9. 112 United Nations, Report of the Eighth United Nations Congress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offenders, Havanna, Cuba, 27. August to 7 September 1990. 113 United Nations, Report of the Eighth United Nations Congress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offenders, Havanna, Cuba, 27. August to 7 September 1990, S. 201. 114 Council of Europe Convention on the Prevention of Terrorism (ETS No. 196); Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings (ETS No. 197). 115 Council of Europe, European Convention on the Compensation of Victims of Violent Crime, 24. November 1983, C.E.T.S. No. 116, welche am 1. Febraur 1988 in Kraft trat. 109

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Resolutionen des Minsterrates 117 niederschlägt. Dabei rückt der Gedanke der Kompensation als Strafe zunehmend in den Vordergrund. 118 So spricht sich die Recommendation Nr. R (85) 11 für die „compensation of the victim by the offender as a main penality, as a substitute for a penalty or in addition to a penalty“ aus. c) Gebot der Individualisierung Strafe muss auch dem Täter gerecht werden, indem sie an die persönliche Situation des Straftäters angepasst wird. Das Gebot der Individualisierung ist logische Folge des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 119 Ein ausdrückliches Gebot der Individualisierung findet sich für den besonderen Bereich der jugendlichen Straftäter in den sog. „Beijing Rules“ 120. In deren Art. 5.1 heißt es: „The juvenile justice system shall emphasize the well-being of the juvenile and shall ensure that any reaction to juvenile offenders shall always be in proportion to the circumstances of both the offenders and the offence.“ 121 Es findet sich auch insofern in den Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe, als Art. 24 Abs. 2 ICTY-Statut 116 Recommendation Rec(2006)8 of the Committee of Ministers to member states on assistance to crime victims, Explanatory Memorandum; Recommendation Rec(2005)9 of the Committee of Ministers to Member States on the Protection of Witnesses and Collaborators of Justice; Guidelines on the Protection of Victims of Terrorist Acts (2005); Recommendation Rec(2002)5 of the Committee of Ministers to Member States on the Protection of Women Against Violence; Recommendation No. R (99) 19 of the Committee of Ministers to Member States concerning Mediation in Penal Matters; Recommendation No. R (96) 8 of the Committee of Ministers to Member States on Crime Policy in Europe in a Time of Change; Recommendation No. R (87) 21 of the Committee of Ministers to Member States on Assistance to Victims and the Prevention of Victimisation; Recommendation No. R (85) 11 of the Committee of Ministers to Member States on the Position of the Victim in the Framework of Criminal Law and Procedure. 117 Resolution on the prevention of everyday violence in Europe (2004); Resolution No. 2 on The Social Mission of the Criminal Justice System – Restorative Justice (2005). 118 Vgl. Jung, Sanktionensysteme und Menschenrechte, S. 101 f. 119 Vgl. Delmas-Marty, Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, S. 45. 120 United Nation Standard Minimum Rules for the Administration of Juvenile Justice, 29. November 1985, G.A Res. 40/33, 40th Sess., 96th plen. mtg., U.N. Doc. A / RES/40/ 33 (1985). 121 Der Kommentar dazu lautet: „The second objective is ‚the principle of proportionality‘. This principle is well-known as an instrument for curbing punitive sanctions, mostly expressed in terms of just deserts in relation to the gravity of the offence. The response to young offenders should be based on the consideration not only of the gravity of the offence but also of personal circumstances. The individual circumstances of the offender (for example social status, family situation, the harm caused by the offence or other factors affecting personal circumstances) should influence the proportionality of the reactions (for example by having regard to the offender’s endeavour to indemnify the victim or to her or his willingness to turn to wholesome and useful life).“

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bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut von den Kammern verlangt, die Strafe nicht nur nach der Schwere der Tat, sondern auch nach den persönlichen Verhältnissen des Täters zu bestimmen. 122 Die Individualisierung der Strafe ermöglicht es, den Straftäter als Menschen anzuerkennen. Denn durch die Individualisierung behält der Straftäter seine Subjektqualität und wird nicht zum bloßen Objekt der Strafverhängung herabgewürdigt. 123

C. Zusammenfassung I. Das ICC-Statut ist ein völkerrechtlicher multilateraler Vertrag im Sinne einer zwischen mehreren Staaten getroffenen Vereinbarung auf dem Gebiet des Völkerrechts, das nicht nur konstitutive Regelungen, sondern auch materiellstrafrechtliche Regelungen und formell-strafrechtliche Regelungen auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts im engeren und weiteren Sinne trifft. II. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Völkerstrafrecht und den Menschenrechten. 1. Diese Wechselwirkung spiegelt sich in den völkerstrafrechtlichen Pflichten und Rechten des Einzelnen wider, nämlich in der Pflicht, sich dem Völkerstrafrecht zu unterwerfen, wie in dem Recht, durch das Völkerstrafrecht geschützt zu sein, um so einen Mindestgehalt an wesentlichen Menschenrechten zu gewährleisten. Dementsprechend schützen die Straftatbestände der Kernverbrechen im ICC-Statut die für ein gedeihliches Zusammenleben in der Völkergemeinschaft notwendigen wesentlichen Menschenrechte. Die Wechselwirkung zwischen Völkerstrafrecht und Menschenrechten zum Schutz der Menschenrechte verlangt, dass sich das Völkerstrafrecht selbst am Maßstab der Menschenrechte messen lassen muss. Insofern dienen die Menschenrechte nicht nur zur Legitimierung, sondern auch zur Limitierung der Strafe im Völkerstrafrecht und damit auch der Strafe im ICC-Statut. 2. Die Menschenrechte bilden somit den rechtlichen Rahmen des Völkerstrafrechts und des Strafens. Ihren Ursprung haben die Menschenrechte in der Menschenwürde. Zum Verständnis der Menschenrechte im Völker(straf)recht bedarf es eines Verständnisses der Menschenwürde im Völkerrecht. Die Menschenwürde folgt aus dem Menschsein. Dem Menschsein haftet die Notwendigkeit an, sich auf der Grundlage der solidarischen Verbundenheit der Menschen in Freiheit und Gleichheit entfalten zu können. Die Menschenwürde zeichnet sich somit durch Freiheit, Gleichheit und Solidarität aus. 122 Art. 24 Abs. 2 ICTY-Statut bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut lauten wie folgt: „In imposing the sentences, the Trial Chambers should take into account such factors as the gravity of the offence and the individual circumstances of the convicted person.“ 123 Vgl. Safferling, Towards an International Criminal Procedure, S. 315.

1. Kap.: Das ICC-Statut im System der Menschenrechte

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3. Die Wesensmerkmale der Menschenwürde verweisen auf die für die Strafzumessung besonders relevanten Freiheits-, Gleichheits- und Solidaritätsrechte. Diese machen der Strafzumessung Vorgaben: a) Die Freiheitsrechte spiegeln sich insbesondere in den Vorgaben für die Bestimmtheit der Strafanordnung und die Grenzen von Art und Maß der Strafe wider. Das eigenständige Bestimmtheitsgebot des ICC-Statuts lässt es zu, dass sich die Strafrahmen für alle Kernverbrechen des Art. 5 ICC-Statut in einem einzigen Art. 77 ICC-Statut befinden. Das Folterverbot mit seinen Einzelverboten, d. h. dem Verbot der „Folter“, den Verboten „grausamer“, „unmenschlicher“ und „erniedrigender“ Behandlung oder Bestrafung, ist durch das ICC-Statut abstrakt nicht verletzt. Im Einzelfall muss die Strafe aber die Würde des Menschen in der Ausprägung der Freiheit wahren. Strafarten und Strafdauer wahren das Recht auf Menschenwürde in der Ausprägung der Freiheit aber nur dann, wenn sie die Möglichkeit eröffnen, dass der Verurteilte die Freiheit wiedererlangt. Abstrakt betrachtet wahren die Artikel der Strafbemessung des Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut die Menschenwürde. Denn die zeitige Freiheitsstrafe des Art. 77 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut ist nur zeitig, und die lebenslange Freiheitsstrafe des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut ist sowohl an die Schwelle der außergewöhnlichen Schwere des Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten geknüpft als auch an die Möglichkeit, die Freiheit wiederzuerlangen (Art. 110 ICC-Statut). Die in Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut vorgesehenen Nebenstrafen erreichen bereits die Schwelle nicht, die einen Eingriff in die Menschenwürde begründen könnte. Ein Verstoß gegen das Folterverbot kann in einer unverhältnismäßigen Strafzumessung liegen. Denn das Freiheitsrecht des Menschen darf nicht mehr als nötig beeinträchtigt werden, so dass jede unverhältnismäßige, genauer: übermäßige, Strafe eine erniedrigende Strafe darstellt. Der Maßstab der Verhältnismäßigkeit ist in den internationalen Menschenrechtsdokumenten grobmaschig. Die Menschenrechtsdokumente stufen eine Strafe nur dann als übermäßig ein, wenn sie so schwer und exzessiv ist, dass nach keinem Gesichtspunkt mehr von einer gerechten und vernünftigen Strafe gesprochen werden kann. Auch wenn die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit aus den Menschenrechtsdokumenten abgemildert sind, so verlangt die Verhältnismäßigkeit dem Strafenden dennoch eine Zurückhaltung bei der Strafzumessung ab, da die Strafe nur dann die Menschenwürde wahrt, wenn die Freiheit des Täters nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. b) Die Gleichheitsrechte spiegeln sich im Gleichheitssatz und im Verbot der Diskriminierung wider. In seiner aristotelischen, allgemeinen Ausformung gebietet der Gleichheitssatz „die Gleichbehandlung von Gleichem und die Ungleichbehandlung von Ungleichem“ und verbietet umgekehrt „die Ungleichbehandlung von Gleichem und die Gleichbehandlung von Ungleichem“. Das Urteil über

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

die Gleichheit bzw. Ungleichheit setzt ein „Ver-gleichen“ voraus. Da Sachverhalte bzw. Personen immer gleich und ungleich zugleich sind, kann dies aber nur bezüglich bestimmter Qualitäten erfolgen, deren Eigenschaften dann eben gleich bzw. ungleich sind. Eine sachliche Differenzierung kann also die Gleichbzw. Ungleichbehandlung rechtfertigen. Daher ist in der Forderung nach Gleichheit zugleich das Gebot der Differenzierung verankert. c) Die Solidaritätsrechte sind auf die Achtung der Menschenwürde von Täter und Opfer ausgerichtet. Auf der Seite des Täters wird die Solidarität der Menschen dadurch gewahrt, dass der Täter das Recht auf Wiedereingliederung in die Völkergemeinschaft erhält. Der Strafvollzug im Völkerstrafrecht muss sich (auch) der Besserung und Wiedereingliederung verschreiben, denn nur die Entlassung des gebesserten Straftäters in die Freiheit erlaubt dessen solidarische Aufnahme in die Gemeinschaft. Auf der Seite des Opfers wird die Solidarität dadurch gewahrt, dass seinem Verlangen nach Wiedergutmachung und Kompensation im Völkerrecht zunehmend entsprochen wird. Solidarität als Teil der Menschenwürde bedingt aber auch, dass Strafe individualisiert wird. Denn nur durch die Individualisierung der Strafe wird der Straftäter als Mensch anerkannt.

2. Kapitel

Straftheoretische Ausgangspunkte der Strafzumessung im Völkerstrafrecht Im 2. Kapitel wird die Strafe mit der Gerechtigkeit verknüpft. Die Gerechtigkeit verweist auf die Gleichbehandlung. Die Gleichbehandlung bedarf der Differenzierung durch einen Maßstab, der außerhalb der Gerechtigkeit liegt. Auf der Ebene des Völkerrechts sind ein solcher Maßstab die Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien. Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien begründen sich aus den mit der Strafe verknüpften kollektiven Werten der Völkergemeinschaft (dazu sogleich unter A.). Eine Rechtfertigung der Völkerstrafe wird aus dem Rechtsgüterschutz im Völkerstrafrecht abgeleitet (dazu unter B.). Eine Rechtfertigung der Völkerstrafe nach Grund und Maß wird in Anlehnung an die nationalen Straftheorien betrachtet. Dazu werden ausgewählte retributive und präventive Straftheorien in ihren grundsätzlichen Aussagen dargestellt, auf ihre Auswirkung auf die Strafzumessung untersucht und die Übertragbarkeit in das Völkerstrafrecht überprüft (dazu später unter C.).

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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A. Grundlegungen für eine Differenzierung I. Rechtfertigung des Völkerstrafrechts und der Völkerstrafe als Differenzierungskriterium im Gleichheitssatz der Gerechtigkeit Will man nun begründen, warum für eine einheitliche Strafzumessung die Rechtfertigung des Strafrechts und der Strafe im Völkerrecht vonnöten ist, so muss man sich dem in den Menschenrechtskonventionen und den nationalen Verfassungen belegten Gleichheitssatz weiter annähern. Grundlage der Gleichheit ist die Gerechtigkeit des Rechts, 1 die als Gerechtigkeitsidee ein Verfassungsprinzip 2 ist und der Menschenrechtscharakter zukommt. 3 Denn das kennzeichnende Charakteristikum der Gerechtigkeit liegt im Moment der Gleichbehandlung, 4 das in seiner aristotelischen, allgemeinen Ausformung die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem fordert. 5 Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes ist das hier für die Strafzumessung erhobene Postulat der Einheitlichkeit im Sinne einer dauerhaften Gleichbehandlung von wesentlich gleichen und einer dauerhaften Ungleichbehandlung von wesentlich ungleichen Strafzumessungsfällen im gleichen Maß. Da der allgemeine Gleichheitssatz auf der Gerechtigkeitsidee beruht bzw. das spezifische Charakteristikum der Gerechtigkeit im Moment der gleichen Behandlung liegt, 6 erklärt sich die Forderung der Einheitlichkeit und die Suche nach Mechanismen der Einheitlichkeit der Strafe aus dem Verständnis von Gerechtigkeit. 7, 8 1 Vgl. Kim, Gerechtigkeit und Verfassung, S. 30 ff.; siehe zur sozialpsychologischen Verwurzelung des Gleichheitssatzes Jung, Sanktionensysteme und Menschenrechte, S. 75. 2 Vgl. Kim, Gerechtigkeit und Verfassung, S. 34 ff.; z. B. auch BVerfGE 3, 225 (233). 3 Vgl. Lasso, Gerechtigkeit ist ein Menschenrecht, S. 49 ff.; siehe auch Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 61 m.w. N. zur Gerechtigkeitsidee. 4 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 69 ff. 5 Vgl. Tugendhat, Vorlesung über Ethik, S. 364 ff. 6 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 69 ff. 7 Vgl. Jung, JZ 59 (2004), S. 1156, der der Gerechtigkeit daher auch eine „Leitbildfunktion“ im Strafrecht zubilligt. 8 Im Kontext der Rechtswissenschaften tritt die Gerechtigkeit insbesondere in zwei Ausprägungen in Erscheinung, die den Kern eines vorgeformten allgemeinen Verständnisses von Gerechtigkeit bilden: die des „richtigen“ und die des „gerechten“ Rechts. In ihrer Bedeutung als „richtigem“ Recht liegt die Gerechtigkeit in der Übereinstimmung eines Gesetzes, Urteils etc. mit dem positiven Recht: gerecht ist, was gesetzestreu dem bestehenden Recht entspricht. So gewendet schafft die Gerechtigkeit Rechtssicherheit. In ihrer Bedeutung als „gerechtem“ Recht geht die Gerechtigkeit insofern über das positive Recht hinaus, als selbst ein gesetzestreues positives Recht ungerecht sein kann, wenn es einem äußeren zu beachtenden Maßstab nicht entspricht. Vgl. zum Vorverständnis von Gerechtigkeit im Sprachgebrauch Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 53 ff.; Jung, JZ 59 (2004), S. 1156 weist darauf hin, dass man zwar im natürlichen Sinne eine

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Wagt man die Annäherung an den Begriff der Gerechtigkeit auf Grundlage der antiken Auffassungen von Aristoteles, 9 so ist zu unterscheiden zwischen der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und der austeilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva). Bei der ausgleichenden Gerechtigkeit wird eine aus dem Gleichgewicht geratene moralische oder rechtliche Situation dadurch wiederhergestellt, dass der Richter über einen verdienten Ausgleich dieses Ungleichgewichts entscheidet bzw. „jedem das Seine“ 10 zukommen lässt. 11, 12 Das spezifische Charakteristikum der gleichen Behandlung liegt in der Verteilung des Gleichen (und in der Anknüpfung an das Gleiche): alle werden gleich behandelt (und damit auch im gleichen Maße). 13 Welches Maß der Verteilung gerecht ist, richtet sich nach Gründen, die außerhalb der Wiederherstellung liegen. Die austeilende Gerechtigkeit richtet sich auf die Verteilung von Gütern und Übeln zwischen mehreren Personen, etwa in einer Familie, in einem Staat oder in einer Staatengemeinschaft. Eine gleiche Verteilung setzt voraus, dass alle Personen dasselbe verdienen, und eine ungleiche Verteilung, dass verschiedene Personen mehr oder weniger verdienen. 14 Das spezifische Charakteristikum der gleichen Behandlung liegt hier nicht in der Verteilung von Gleichem, sondern von Ungleichem (und in der Anknüpfung an das Ungleiche): alle werden ungleich behandelt, aber dennoch nach gleichem Maße. 15 Der relevante Grund, der aus einer ungerechten Verteilung eine gerechte macht, bestimmt sich nach Gründen, die wiederum außerhalb der Verteilung liegen. 16

gewisse Vorstellung davon habe, was gerecht und was ungerecht sei, dieses „scheinbare selbstverständliche Vorverständnis“ dann aber kaum näher ausfüllen könne, am ehesten noch mit den Assoziationen von „richtig“ und „angemessen“. 9 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 62; Ellscheid, Strukturen naturrechtlichen Denkens, S. 168 f. hält eine Subsumtion unter den Begriff der Gerechtigkeit aufgrund „des absoluten Mangels an Verhaltensinformation“ nicht für möglich; siehe zu den unterschiedlichen Ansätzen der Gerechtigkeit im Recht Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, 10 ff. 10 Vgl. zur Geschichte des Begriffs, u. a. zu dessen Mißbrauch durch die Nationalsozialisten, Klenner, Jedem das Seine, S. 327 ff. 11 Vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 367; Seelmann, Rechtsphilosophie, S. 131, Rn. 3. 12 Im Fall des von der Tradition seit Aristoteles unterschiedenen „freiwilligen Verkehrs“, wie er etwa im Zivilrecht herrscht, erfolgt der Ausgleich durch wechselseitige Interessenkoordination wie des Schadensersatz (Tauschgerechtigkeit); im Fall des „unfreiwilligen Verkehrs“, wie er im Strafrecht herrscht, erfolgt er durch rechtsrestitutierende Verhängung der verdienten Strafe (ausgleichende Gerechtigkeit i. e. S.). 13 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 87 ff. 14 Vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 368; Seelmann, Rechtsphilosophie, S. 131, Rn. 3. 15 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 87 ff. 16 Vgl. Seelmann, Rechtsphilosophie, S. 133, Rn. 6.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Ohne näher auf die strittige Kernfrage der Gerechtigkeitsdebatte, wann welche Form der Gerechtigkeit angewendet werden soll, einzugehen, 17 reicht es für die hier aufgeworfene Frage nach der Notwendigkeit der Rechtfertigung von Völkerstrafrecht und Völkerstrafe im Grundsatz aus, zu erkennen, dass nach allen Auffassungen zur distributiven Verteilung der nicht weiter zu begründende Ausgangspunkt die gleiche Verteilung ist und jede ungleiche Verteilung eines relevanten Grundes außerhalb der Gerechtigkeit bedarf, denn „gleich“ hat nur eine Entsprechung und „ungleich“ kann mehrere Entsprechungen haben, die daher der Spezifikation bedürfen. 18 Damit ist Grundlegendes der Gerechtigkeit benannt: Die verdiente und damit gerechte Wiederherstellung der ausgleichenden Gerechtigkeit bzw. Verteilung der austeilenden Gerechtigkeit entscheidet sich in ethischer Hinsicht vor dem moralischen Hintergrund, dessen Regeln den Maßstab für die gerechte Entscheidung vorgeben; d. h. es ist nicht möglich, über die gerechte Wiederherstellung bzw. Verteilung zu entscheiden, ohne zuvor Maßstäbe bestimmt zu haben, anhand derer man das angemessene Maß des „Verdienens“ beurteilen kann. 19 Die Festlegung von Regeln als Maßstab bestimmt dann darüber, ob etwas diesem Maßstab angemessen oder unangemessen ist. 20, 21 Diese Einsichten in die Gerechtigkeit und dem sich daraus ergebenden Gleichheitssatz haben für die Strafzumessung im Völkerstrafrecht folgende Konsequenzen: Strafe ist im Spannungsverhältnis zwischen dem „jedem das Gleiche“ und „jedem das Seine“ zu bestimmen. Die für das Strafrecht ganz wesentliche austeilende Gerechtigkeit bedingt, grundsätzlich gleich zu strafen, außer es gibt relevante Gründe dafür, ungleich zu strafen. Wie lassen sich diese Gründe bestimmen? Strafzumessung wird positivrechtlich wesentlich geleitet durch die Normen der Strafbemessung und der darin enthaltenen Strafzumessungsumstände. Dem Gleichheitssatz entsprechend individualisiert kann eine Strafe aber nur dann werden, wenn die Auswahl und Gewichtung der Umstände nach einem objektiv vorbestimmten Maßstab erfolgt. Aus dem Wesen der Gerechtigkeit ergibt sich, dass der dafür erforderliche Maßstab jenseits der Strafbemessungsnormen zu suchen ist. Im nationalen Strafrecht werden die Maßstäbe für die näheren Strafzumessungsentscheidungen (wenn nicht zuweilen in Strafzumes17 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 92 ff. m.w. N.; vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 373 m.w. N. 18 Vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 373 f. 19 Vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 368. 20 Siehe andere Gründe für die Entscheidung bei Seelmann, Rechtsphilosophie, S. 133, Rn. 8. 21 Ein weiterer, für die Gerechtigkeit konstitutiver Aspekt muss noch hinzu kommen, denn es reicht nicht aus, dass der Maßstab außerhalb des Gleichheitsatzes bestimmt ist, sondern er muss auch auf jedermann ohne Unterschied angewandt werden; d. h. es bedarf einer objektiven Unparteilichkeit, die im Recht durch die Justitia mit der Augenbinde symbolisiert wird. Vgl. Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 368.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

sungstheorien) so doch immer in den Straftheorien konkretisiert. Denn mit der Begründung der Strafe erfolgt auch die Begründung der Strafzumessung und damit die Auswahl der strafzumessungsrelevanten Umstände. 22 Beschränkt man die Straftheorien nur auf den Sinn des Strafens (und erstreckt sie nicht auch auf den Sinn des Strafrechts), so können die Straftheorien nur sinnvoll vor dem Hintergrund der Strafrechtstheorien bestimmt werden. Denn lässt sich das Strafrecht nicht rechtfertigen, so kann auch nicht die das Strafrecht durchsetzende Strafe gerechtfertigt sein. So gewendet ist ein objektiv bestimmter relevanter Maßstab, der eine begründete Gleich- bzw. Ungleichbehandlung trägt, nur ein solcher, der eingebettet ist in eine Legitimationskette, die ihren Anfang in der Rechtfertigung des Völkerstrafrechts nimmt und über die Rechtfertigung der Strafe im Völkerrecht zur Rechtfertigung der konkreten Anwendungsbedingung durch Strafzumessungsumstände führt. Daher müssen zunächst als Differenzierungskriterium im Gleichheitssatz das Völkerstrafrecht und die Völkerstrafe gerechtfertigt werden. II. Relativität der Rechtfertigung von Völkerstrafrecht und Völkerstrafe Die Natur der gleichen Behandlung als spezifisches Charakteristikum der Gerechtigkeit führt auch dazu, dass die Entscheidung zwischen gleichem und ungleichem Behandeln immer nur relativ ist. Denn es ist belegt, dass „gleich“ und „ungleich“ immer zugleich gegeben ist und die Dinge nur in Bezug auf die Eigenschaft des zu vergleichenden Tertium Comparationis gleich sein können, ansonsten zumindest hinsichtlich des Ortes ungleich sein müssen. 23 Was somit letztlich über die Gleichheit (und damit auch Ungleichheit) eines Dings bestimmt, ist die Auswahl des Tertium Comparationis. Diese Auswahl erfolgt nach Gesichtspunkten, die – unabhängig von den Dingen – auf den Ansichten des Betrachters beruhen. 24 Damit ist die Wahl zwischen „gleich“ und „ungleich“ nicht mehr objektiv durch die Dinge selbst bestimmt (die immer gleich und ungleich zugleich sind), sondern subjektiv durch den Betrachter – mithin nur relativ. Ist die Relativität der Gleichheit aber immanent, so gilt das auch für die Gerechtigkeit. Was „wesentlich gleich“ oder „wesentlich ungleich“ zu behandeln ist, kann daher immer nur relativ in Bezug auf den Betrachter bestimmt werden, nicht aber absolut. 25 Dieser wird sich, so ist zu vermuten, durch Aspekte lenken lassen, die umso mehr in der Ethik fundiert sind, je grundsätzlicher die Erwägungen sind. 22 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 24; Müller-Dietz, Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionssystems, S. 21. 23 Siehe näher auf Seite 67 f. 24 Siehe näher auf Seite 67 f. 25 Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 106.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Damit ist der Maßstab der einheitlichen und damit gerechten Behandlung aber nicht nur außerhalb der eigentlichen Gerechtigkeit in der Rechtfertigung von Völkerstrafrecht und Völkerstrafe zu suchen, sondern die Entscheidung für die eine oder andere Theorie ist auch insofern nur relativ, als sich die Bedeutung von Strafrecht und Strafe immer aus der subjektiven Perspektive des Einzelnen bzw. der Gemeinschaft ergibt. Strafe hat einen Sinn, weil wir das Geschehen als die Verwirklichung von geistigen Werten erleben. Schmidhäuser spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der Sinn nie der Sinn an sich sei, sondern immer nur der Sinn für jemanden. 26 Ein Geschehen bekommt eine individuelle Bedeutung, weil es als die Verwirklichung von individuell gebildeten und generell für erstrebenswert gehaltenen Werten erfahren wird. 27 Dieser Subjektbezug der zugedachten idealen Werte bedingt aber auch, dass ein und dasselbe Geschehen für den einen Betrachter Bedeutung haben oder Sinn machen mag, für einen anderen jedoch nicht. Sieht man nun die Rechtsgemeinschaft als kollektives Subjekt an, so ergibt sich der kollektive Sinn eines Geschehens innerhalb dieser Gemeinschaft aus den kollektiv gebildeten und gemeinsam für erstrebenswert erachteten Werten der Gemeinschaft. 28 Die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Geschehens kann also nur dann beantwortet werden, wenn „die Werte, deren Verwirklichung intendiert erscheint, als objektiv-allgemein gedacht werden“ 29. Der Subjektbezug bleibt erhalten, auch wenn er diesmal auf das kollektive Subjekt gerichtet ist. Daraus ergibt sich, dass sich auch die objektiv-allgemein gedachten Werte verändern können und nicht absolut zu bestimmen sind – mithin die Rechtfertigungen von Völkerstrafrecht und Völkerstrafe nur relativ sind. III. Sinnhaftigkeit der Völkergemeinschaft: Kollektive Geltung der Menschenrechte Die Bedeutung, die mit dem Geschehen Strafrecht und Strafe im Völkerstrafrecht verknüpft wird, ergibt sich demnach aus den in der Völkergemeinschaft gemeinsam gebildeten und für erstrebenswert erachteten Werten. Ergibt sich der Sinn aber immer im Verhältnis zu den intendierten Werten des kollektiven Subjekts, so drängt sich die Frage auf, ob die strafende Völkergemeinschaft überhaupt eine gemeinsame kollektive Bedeutung bzw. gemeinsame Werte hat, anhand derer sich dann das Geschehen des Strafrechts und der Strafe messen lassen muss. Bezogen auf das ICC-Statut ist damit zwar nicht die Frage nach der universellen Bedeutung gestellt, wohl aber die nach der kollektiven Bedeutung der Menschenrechte für die Völker, die den Vertrag von Rom unterschrieben 26 27 28 29

Vgl. Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 46. Vgl. Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 48. Vgl. Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 48. Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 47.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

haben, sofern die Menschenrechte im Rahmen der Verfolgung der Kernverbrechen des Völkerrechts relevant sind. Diese Geltung kann aber auf einer völkerrechtlichen Ebene unterstellt werden, ohne dass es an dieser Stelle auf weitere Überlegungen ankäme. Zum einen ist mit § 5 der Wiener Erklärung anlässlich der Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte von 1993 die Frage der weltweiten Geltung der im Raum stehenden zentralen Menschenrechte nach rechtlichen Kriterien belegt. 30 Zum anderen haben die Mitgliedsstaaten des Vertrags von Rom durch ihre Unterzeichnung deutlich gemacht, dass sie die im ICC-Statut zum Ausdruck kommenden Menschenrechte teilen. Haben die Mitgliedsstaaten damit kollektive Werte, können diese auch die Grundlage der Sinnhaftigkeit von Strafrecht und Strafe im Völkerrecht bilden.

B. Rechtfertigung des Völkerstrafrechts I. Wege der Rechtfertigung Ist denn eine Rechtfertigung geboten, 31 so stellt sich die Frage, wie diese zu bewerkstelligen ist. Im Grunde stehen zwei Wege offen: Zum einen der Weg, dass die Völkerstraftheorien nicht nur den Sinn der Strafe, sondern auch den Sinn des Völkerstrafrechts rechtfertigen, da Strafe den Wesenskern des Strafrechts ausmacht, so dass der Sinn der Strafe über den Sinn des Strafrechts mitentscheidet, und für den Fall, dass sich kein Sinn im Strafen finden ließe, Strafrecht auch keinen Sinn machen würde. 32 Zum anderen der Weg, dass das Völkerstrafrecht nicht durch den Rückgriff auf die Strafe, sondern durch eigenständige Völkerstrafrechtstheorien zu rechtfertigen ist, da (positive) Auswirkungen des Strafrechts zu erkennen sind, die Strafrecht erstrebenswert machen. 30

Vgl. Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem, S. 38 f. Neben der aufgezeigten Notwendigkeit der Rechtfertigung aus der methodischen Überlegung der Gerechtigkeit des Rechts, in dem die Rechtfertigung des Strafrechts als Differenzierungskriterium des Gleichheitssatzes fungiert, ist die Rechtfertigung ebenfalls aus einer menschenrechtlichen Überlegung notwendig, denn Strafe ist Eingriff in die Menschenrechte, den es durch die Rechtfertigung von Strafrecht und Strafe im Völkerrecht zu legitimieren gilt. Schmitz, Zur Legitimität der Kriminalstrafe, S. 1, macht den Eingriffscharakter des Strafrechts deutlich, indem er darauf verweist, dass es einer besonderen Begründung bedarf, wenn eine „wie auch immer verfasste Obrigkeit einem ihrer Bürger erklärt, sie müsse ihn, da sie sein Verhalten missbillige, partiell oder vollständig enteignen, ihn vielleicht auch in einem eigens dazu errichteten Gebäude für eine gewissen Zeitraum oder lebenslang festhalten, ihn schließlich gar unter bestimmten Umständen erschießen, erdrosseln, vergiften oder sonst wie zu Tode bringen“. 32 Die Frage der Legitimation des Strafrechts kann – neben abolitionistischen Theorieansätzen, die hier nicht weiter verfolgt werden sollen – mit der konsequenten Anwendung der Strafzwecktheorien beantwortet werden. Vgl. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 12; siehe auch Schmitz, Zur Legitimität der Kriminalstrafe, S. 7; Stratenwerth / Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil I, S. 2 f. 31

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Diese Wertigkeit wird allerdings unterstellt und ist nicht belegt. Sie erlangt aber Gewicht durch das reale Vorhandensein von Strafrecht (sowohl auf nationaler wie auch) auf internationaler Ebene, mithin durch die Wertentscheidung der Rechtsgemeinschaft(en), ein bestimmtes sozialschädliches Verhalten mit Strafe zu sanktionieren. Zwar mag es logisch konsequent sein, das Strafrecht durch die Straftheorien in Frage zu stellen, ein das Strafrecht verwerfendes Ergebnis wird aber nicht die Realität von Strafe beeinflussen können. Daher ist es fruchtbarer, die grundsätzliche Frage nach der Existenzberechtigung des Völkerstrafrechts nicht weiter zu verfolgen, sondern sie in eine Frage nach der normativen Begründung des Völkerstrafrechts abzuschwächen. Die normative Begründung gibt die Anhaltspunkte einer Grenzziehung und letztlich den größeren Rahmen vor, in dem sich die Straftheorien bewegen und anhand dessen sie gespiegelt werden müssen. 33 Die Argumente über die Begründung des Völkerstrafrechts müssen in die Argumente zur Begründung der Strafe im Völkerrecht münden. Denn eine solche Legitimationskette erleichtert es, einen Maßstab der einheitlichen Strafzumessung zu finden. II. Normative Rechtfertigung durch Rechtsgüterschutz 1. Rechtsgüterschutz als Rechtfertigung des nationalen Strafrechts Die Sinnhaftigkeit der Strafe ist objektiv-allgemein in Bezug auf die Werte der strafenden Gemeinschaft zu bestimmen. Ihre grundlegenden Werte bringt die rechtsetzende, strafende Gemeinschaft in die sie konstituierenden Gesetze ein und regelt davon abhängig ihre Rechtsordnung. Strafrecht ist Teil der Rechtsordnung. Als Teil der Rechtsordnung ist es durch die grundlegenden Werte der Rechtsordnung bestimmt. 34 Die Aufgaben des Strafrechts spiegeln diese Werte wider. Deutlich werden die Aufgaben des Strafrechts in den Funktionen, die das Strafrecht für die Gemeinschaft übernimmt. Somit verweisen die Funktionen des Strafrechts auf die mit dem Strafrecht verbundenen Werte. Die Funktionen des Strafrechts lassen sich dabei im Gegenzug aus der (Straf-)Tat und ihrer Folge für die friedlich in einer Gemeinschaft zusammenlebenden Menschen gewinnen. Im Kontext der nationalen Rechtsordnungen kommt dem Strafrecht, wenn auch mit unterschiedlichen Betonungen, letztlich immer die Funktion zu, ein geordnetes Gemeinschaftslebens zu ermöglichen, indem es die Rechtsgemeinschaft vor 33 So verstanden sind die Straftheorien Teil des Ganzen der Strafrechtstheorien, aber nicht als getrennte und unabhängig voneinander existierende Bereiche zu verstehen. Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 282 und Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 346, für die die Ziele und Aufgaben der Strafe in eine Theorie der Ziele und Aufgaben des Strafrechts münden, wobei die Strafrechtstheorien die Straftheorien beinhalten. 34 Vgl. Eser, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. zu § 1, Rn. 27 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Eingriffen bewahrt, ihr dabei hilft, ihre Rechtsordnung durchzusetzen, und die Rahmenbedingungen für den Einzelnen schafft, die für ein gedeihliches Miteinander vonnöten sind. 35 Im Gesamtsystem der Sozialkontrolle hat es die Aufgabe, als Friedens- und Schutzordnung für das gemeinschaftliche Miteinander und den Menschen als Teil der Gemeinschaft zu sorgen, 36 indem es erhebliches, nämlich ein das gedeihliche Miteinander störendes Verhalten unter Strafe stellt. 37 Dies erreicht es dadurch, dass es die für ein gedeihliches Zusammenleben notwendigen Interessen der Gesellschaft und des Einzelnen in der Teilhabe an der Gesellschaft schützt. 38 Versteht man diese Interessen als Rechtsgüter, dann besteht die Aufgabe des Strafrechts im Rechtsgüterschutz. Ist die Aufgabe des Strafrechts der Rechtsgüterschutz, so gibt der Inhalt der Rechtsgüter Auskunft über die Werte der strafenden Gemeinschaft.

35 Zur Funktion des Strafrechts in Deutschland siehe näher S. 405 ff. und z. B. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 64 ff.; Kühl, in: Lackner / Kühl StGB-Kommentar, § 46 Rn. 1; Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 30 f.; Maurach / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil 1, S. 80 f.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 40, § 2 Rn. 86 ff.; zur Funktion des Strafrechts in Amerika vgl. z. B. LaFave, Criminal Law, S. 13: „The broad aim of the criminal law is, of course, to prevent harm to society – more specifically, to prevent injury to the health, safety, morals and welfare of the public“ oder Klotter / Pollock, Criminal law, S. 5: „The purpose of criminal law is to protect society so that members of that society can be reasonably secure in carrying out their constructive activities. Only behaviour that are detrimental to the welfare of society should be made criminal.“; zur Funktion des Strafrechts in England-Wales führt das „Home Office“ aus: „To work with individuals and communities to build a safe, just and tolerant society enhancing opportunities for all and in which rights and responsibilities go hand in hand, and the protection ansd security of the public are maintained and enhanced“ (www.homeoffice.gov.uk, 01. 12. 08); kritisch dazu Asworth, Sentencing and Criminal Justice, S. 67 ff.; zur Funktion des Strafrechts in Australien z. B. mit Verweis auf die Rechtsprechung Fox / Freiberg, Sentencing, S. 203: „the ultimate object of the criminal law is the protection of society from crime“, oder Findlay / Odgers / Yeo, Australian Criminal Justice, S. 2: „The overall aim of the criminal law is the prevention of certain kinds of behaviour that society regards as either harmful or potentially harmfull. The criminal law is applied by society as a defence against harms that injure the interests and values that are considered fundamental to its proper functioning.“; vgl. auch Mc Sherry / Naylor , Australian Criminal Laws: Critical Perspectives, S. 17 ff. mit dem Hinweis auf „protection of individuals from harm“, „preservation of morality“ und „promotion of social welfare“; siehe auch s. 1(2) Penalities and Sentencing Act 1992 (Qld) „The Criminal law and the power of courts to impose sentences on offenders represent important ways in which society protects itself and its members from harm“. 36 Vgl. ausführlicher zum Schutz von Interessen und Rechten des Einzelnen durch das Strafrecht Jung, Sanktionssysteme und Menschenrechte, S. 24 ff. 37 Vgl. Klotter / Pollock, Criminal law, S. 5; Findlay / Odgers / Yeo, Australian Criminal Justice, S. 2. 38 Vgl. Findlay / Odgers / Yeo, Australian Criminal Justice, S. 2.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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2. Rechtsgüterschutz als Rechtfertigung des Völkerstrafrechts a) Funktion des Völkerstrafrechts Hat schon die Funktion des Strafrechts in der nationalen Rechtsordnung Aufschluss über die Rechtfertigung des Strafrechts gegeben, so liegt die Annahme nahe, dass auch die Funktion des Völkerstrafrechts für das Völkerrecht Rückschlüsse auf die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts zulässt. Die Funktion des Völkerstrafrechts lässt sich dabei im Gegenschluss aus dem Völkerverbrechen und seinen Folgen für die in der Völkergemeinschaft lebenden Menschen gewinnen. Dabei wird eine Straftat im Zusammenleben der Völkergemeinschaft hinzugedacht und die Reaktion durch das Völkerstrafrecht weggedacht. Aus den dann festgestellten Folgen des unbestraften Menschheitsverbrechens ergibt sich die Erfordernis und damit die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts. 39 So gewendet könnten also Menschen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs versklavt, gefoltert, getötet oder in der Absicht, eine ethnische Gruppe teilweise zu zerstören, vertrieben werden, ohne dass dies völkerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Was passiert aber in einer Völkergemeinschaft, die diese Handlungen nicht verfolgt? Auswirkungen lassen sich sowohl auf der Ebene der Völker als auch der Ebene der Nationen feststellen: Die erste Ebene ist geschwächt, da der Teil der Völkerrechtsordnung, den die Tatbestände der Völkerrechtsverbrechen schützen soll, aufhören würde, eine erzwingbare Ordnung zu sein. Folglich wäre das auf der Völkerrechtsordnung aufbauende friedliche Miteinander der Völker gefährdet. Die Nichtverfolgung von Völkerverbrechen führt daher zur Bedrohung des Weltfriedens. Die zweite Ebene ist gefährdet, da in den nationalen Rechtsordnungen dann zwar Taten geringen Unrechts ausgeglichen würden, nicht aber die Taten schwersten Unrechts. Findet kein einheitlicher Ausgleich statt, rücken Selbstjustiz und Willkür an die Stelle der Strafverfolgung. Eine Gemeinschaft, die Völkerverbrechen zu verzeichnen hat, kann ohne Bestrafung und Prozess nicht in die Aufarbeitung des Konflikts eintreten, bleibt mithin unbefriedet. Im Einzelnen rechtfertigt sich Völkerstrafrecht daher aus folgenden Funktionen:

39 Allerdings sollte man nicht verkennen, dass manche der zu beschreibenden Funktionen des Völkerstrafrechts – wie auch schon des nationalen Strafrechts – der realistischen Einschätzung der Wirklichkeit (noch) nicht entsprechen. Das Völkerstrafrecht kann kein „Allheilmittel“ sein, welches staatliche und kollektive Unmenschlichkeit gänzlich verhindert und die gleiche Durchschlagkraft besitzt wie politischer und ökonomischer Druck oder gar eine militärische Intervention. Dennoch verlieren die grundsätzlichen Überlegungen durch eine solche Einschränkung nicht an Richtigkeit, denn das Völkerstrafrecht ist nicht gänzlich funktionslos gegenüber staatlichem und kollektivem Unrecht, im Gegenteil: Viele der zu beschreibenden Funktionen lassen sich nicht nur als Tendenz erkennen, sondern sind bereits Wirklichkeit. Vgl. Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 344.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

aa) Funktion im Kontext der Völkergemeinschaft: Zur Durchsetzung der Rechtsordnung Das Völkerstrafrecht wahrt die Völkerrechtsordnung als Recht, indem sie den im Rahmen des Völkerstrafrechts relevanten Teil der Völkerrechtsordnung, insbesondere in seiner Ausprägung als Menschenrechts- und Friedensordnung, durchsetzt und nicht zur bloßen ethischen Norm herabsinken lässt. Die Wahrung dient der Wiederherstellung und Sicherung des Weltfriedens. (1) Völkerstrafrecht zur Sanktion eines Rechtsbruchs Die Völkerrechtsordnung hält nur im begrenzten Maße Instrumentarien zur Sanktionierung eines Rechtsbruchs bereit. Die völkerstrafrechtliche Verantwortung des Einzelnen kann einer solchen Nichtverfolgbarkeit ein Ende bereiten und einen Baustein in der internationalen Konfliktvermeidung darstellen. 40 Diese Bewährungsfunktion des Völkerstrafrechts wurde auch schon vom IMT erkannt, der feststellt, „that only by punishing individuals who commit such crimes can the provisions of international law be enforced“. 41 Auch in der Präambel des ICC findet sich dieser Aspekt. Dort heißt es unter anderem: „Reaffirming the Purposes and Principles of the Charter of the United Nations, and in particular that all States shall refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or in any other manner inconsistent with the Purposes of the United Nations“. 42 (2) Völkerstrafrecht zur Wahrung der Menschenrechte Bestandteil der Völkerrechtsordnung ist die Förderung und der Schutz der Menschenrechte. 43 Damit haben alle Staaten die Aufgabe, die grundlegenden Menschenrechte des Einzelnen zu gewährleisten. 44 Mit diesem Gewährleistungsrecht für den Einzelnen geht die Gewährleistungspflicht der Staaten und Mitmenschen einher, dieses Recht zu respektieren. 45 Es besteht mithin eine schon durch die UN-Charta erfasste und durch die Menschenrechtsverträge konkretisierte Erga-omnes-Verpflichtung, Verbrechen gegen die grundlegenden Men40

Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 416 f. Zitiert nach: Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber 1, Sentencing Judgement, 29. November 1996, S. 26. 42 Präambel A / CONF.183/9 vom 17. Juli 1998. Das Statut trat am 1. Juli 2002 in Kraft. 43 Vgl. Art. 1 Ziff. 3 UN-Charta. 44 Vgl. Thürer, SZIER 4 (1993), S. 505 f. 45 Siehe ausführlich zu dieser Verpflichtung Tomuschat, The Duty to Prosecute International Crimes committed by Individuals, S. 315 ff. 41

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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schenrechte zu verfolgen und zu bestrafen. 46 Dies ist umso notwendiger, als es in der Natur völkerstrafrechtlicher Makrokriminalität liegt, dass auf nationaler Ebene meist immer eine der drei Gewalten – Exekutive, Judikative oder Legislative – aktiv oder passiv die Staatsmacht missbraucht und es in der Regel im Tatortstaat selbst zu keiner Verurteilung kommt, 47 mithin ohne die völkerstrafrechtliche Sanktionierung die völkerrechtliche Gewährleistung der Menschenrechte ins Leere laufen würde. Die grundlegenden Menschenrechte zählen damit nicht mehr nur zu den rein inneren Angelegenheiten eines Staates, so dass sie von den Staaten nicht als „domaine reservé“ beansprucht werden können. 48 Völkerstrafrecht gleicht die Durchsetzungsschwäche des menschenrechtlichen Völkerrechts aus, indem es für die Verletzung von grundlegenden Menschenrechten auch dann eine Sanktion bereithält, wenn die Einzelstaaten die Tat nicht verfolgen können oder wollen. 49 Bassiouni bezeichnet daher das Völkerstrafrecht auch als „the logical extension of international protection of human rights“ und weiter: „[w]ithout enforcement, these rights are violated with impunity. We owe it to the victims of these crimes and to our human and intellectual integrity to reassert the values we believe in by at least attempting to prosecute such offenders.“ 50 Ohne einen solchen umfassenden Menschenrechtsschutz wäre eine Völkerrechtsordnung keine Rechtsordnung und würde das Recht zugunsten der Willkür preisgeben. 51 Das Völkerstrafrecht hat die Funktion, einen potentiellen Täter von der Begehung der in den „völkerrechtlichen Verbrechen eingefassten Menschenverbrechen“ 52 abzuhalten und so zur positiven, auf die Verhinderung gravierender Menschenrechtsverletzungen gerichteten Bewusstseinsbildung bei-

46 Vgl. Lagodny, ZStW 113 (2001), S. 802 f.; Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 419 f.; siehe zu den Folgen aus Erga-omnes- und Jus-cogensNormen für das Völkerstrafrecht S. 219 f. 47 Vgl. Lagodny, ZStW 113 (2001), S. 802; Thürer, SZIER 4 (1993), S. 505 f. 48 Vgl. Thürer, SZIER 4 (1993), S. 505; Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 83 f. In diesem Zusammenhang verweist Triffterer darauf, dass Menschenrechtsverletzungen die Intervention dritter Staaten provozieren können und so in zweifacher Hinsicht auch eine Gefährdung des internationalen Friedens darstellen: Zum einen durch den inneren Unfrieden mit der Gefahr des Übergreifens auf die Nachbarstaaten (z. B. Ruanda und Burundi; ehemaliges Jugoslawien); zum anderen durch die durch den inneren Unfrieden provozierte Intervention eines Drittstaates (Korea, 2. Golfkrieg). 49 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 419 f. 50 Bassiouni, Ind. Int’l & Comp. L. Rev. 1 (1991), S. 34; siehe zur graduellen Entwicklung von der Anerkennung der Menschenrechte hin zu ihrer strafrechtlichen Durchsetzung Bassiouni, The Proscribing Function of International Criminal Law in the Processes of International Protection of Human Rights, S. 1452 ff. 51 Siehe zum Schutz der Menschenrechte durch das Völkerstrafrecht auch oben S. 55 ff.; ferner ausführlich Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 77 ff. 52 Thürer, SZIER 4 (1993), S. 506.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

zutragen. 53 Völkerstrafrecht legitimiert sich mithin aus dem Menschenrechtsschutz. 54 (3) Völkerstrafrecht zur Wahrung des Friedens Ein weiterer zentraler Bestandteil der Völkerrechtsordnung ist die internationale Friedenssicherung. 55 Der Umsetzung dieser völkerrechtlichen Pflicht dienten bereits die Ad-hoc-Gerichtshöfe für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien, welche „zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens und der Sicherheit“ i. S. d. Art. 41 UN-Charta ins Leben gerufen wurden. 56 Schon Justice Robert Jackson hat als Chef-Ankläger des IMT in seinem Eröffnungsplädoyer gesagt: „This principle of personal liability is a necessary as well as a logical one if international law is to render real help to the maintenance of peace ... Only sanctions which reach individuals can peacefully and effectively be enforced ... [T]he idea that a State ... commits crimes, is a fiction. Crimes always are committed only by persons.“ 57 Damit ist das Völkerstrafrecht ein Komplementärsystem zum System der kollektiven Sicherheit und ein weiterer Baustein in der Weltfriedensordnung. 58 Diese Legitimation aus der Völkerrechtsordnung findet sich in der Präambel des ICC wieder, in der es heißt: „Recognizing that such grave crimes threaten the peace, security and well-being of the world.“ 59 bb) Funktion im Kontext der nationalen Gemeinschaft: Zur Wahrung der Gerechtigkeit und zur Aufarbeitung des Konflikts Mit dem Ansatz eines Friedens- und Menschenrechtsschutzes sowie der „inneren Logik des Strafgedankens“ 60 verwandt ist der Legitimationsansatz, der die effektive und gleichförmige Ahndung schwerer und wichtiger Rechtsgüter verlangt, mithin Völkerstrafrecht aus dem Gedanken der Gerechtigkeit legitimiert. 61 In einer „gerechten“ Strafe am Ende eines Strafverfahrens liegt dann auch die 53

Vgl. Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 85 f. Vgl. Werle, ZStW 109 (1997), S. 821. 55 Vgl. Art. 1 Ziff. 1 UN-Charta; vgl. auch Thürer, SZIER 4 (1993), S. 504. 56 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 416 f.; vgl. insbesondere zum ICTY Cede / Tichy, Die Bestrafung von Kriegsverbrechern als Aufgabe des Systems der kollektiven Sicherheit, S. 37 ff. 57 Opening Statement before the International Military Tribunal, The Law of Individual Responsibility, http://www.roberthjackson.org/Man/theman2-7-8-1 (01. 12. 08). 58 Vgl. zur neuen „offenen Staatlichkeit“ Kreß, NStZ 12 (2000), S. 619. 59 Paragraph 3 der Präambel; vgl. auch Triffterer, in: ICC-Commentary, Preamble, Rn. 9 ff. 60 Thürer, SZIER 4 (1993), S. 508. 61 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 417 ff. 54

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Chance, den Konflikt innerhalb einer Gemeinschaft aufzuarbeiten und damit zur Befriedung der Gemeinschaft beizutragen: (1) Völkerstrafrecht als ausgleichende Gerechtigkeit Bei der Wahrung der Gerechtigkeit soll nicht nur die Bestrafung von gleichem Unrecht mit der gleichen Sanktion auf völkerrechtlicher Ebene im Vordergrund stehen, sondern auch das Verhältnis von völkerrechtlicher zu nationaler Bestrafung. Es ist paradox, dass dem Unrecht nach leichtere Straftaten auf nationaler Ebene bestraft werden, Straftaten mit einem größeren Unrechtsgehalt auf internationaler Ebene jedoch der Bestrafung aufgrund der Machtstellung des Täters regelmäßig entgehen. 62 Eine sich daraus ergebende systematische Nichtverfolgung würde in letzter Konsequenz zu einem in der Bevölkerung allgemein verbreiteten Rechtsverständnis führen, dass derartige völkerrechtliche Verbrechen gar keine Verbrechen seien, mithin staatlich befohlene Folter keine Folter sei etc. 63 Eine solche Gesellschaft wäre entweder ihrer Menschenwürde beraubt oder würde zur Selbstjustiz greifen; beides kann nicht erwünscht sein. Demgemäß stellte Justice Jackson in seinem Eröffnungsplädoyer des Hauptkriegsverbrecherprozesses am 21. November 1945 fest: „The common sense of mankind demands that law shall not stop with the punishment of petty crimes by little people. It must also reach men who possess themselves of great power and make deliberate and concert use of it“. 64 Auf die Beeinträchtigung der „inneren Gerechtigkeit“ auf rein nationaler Ebene durch die Nichtverfolgung von schweren Rechtsgutsverletzungen verweist Möller: Wenn die Verfolgung völkerrechtlicher Straftaten ausbliebe, bedeute dies auf nationaler Ebene den Einsturz des „inneren Gebäudes“ des nationalen Strafrechts, da die Ahndung der Alltagskriminalität mit dem dem Strafrecht zugrunde liegenden Rechtsgüterschutz nicht mehr begründet werden könne. Denn wer schon nicht das größere Unrecht der Völkerverbrechen ahnde, der könne auch nicht mehr schlüssig begründen, warum er gerade die nur mit leichterem Unrecht behaftete Alltagskriminalität mit Strafe bedrohe. 65 (2) Völkerstrafrecht zur Aufarbeitung des Konflikts Völkerstrafrecht gibt Raum für eine Anerkennung individueller Schuld und ermöglicht damit die Befreiung von der fälschlichen Unterstellung einer Kollek62

Vgl. Thürer, SZIER 4 (1993), S. 508 ff. Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 417 f. 64 Opening Statement before the International Military Tribunal, The Law of Individual Responsibility, http://www.roberthjackson.org/Man/theman2-7-8-1 (01. 12. 08). 65 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 418 f. 63

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

tivschuld der Gesellschaft für die begangenen Unmenschlichkeiten. 66 Der innere Friede einer Gesellschaft hängt ganz entscheidend davon ab, ob es gelingt, durch genaue Zuweisung der Schuld die Verantwortlichen zu benennen und damit im Gegenzug die Opfer freizusprechen. 67 Nach Thürer ist „[z]ur Ent-Dämonisierung der in der Vergangenheit begangenen Gewalttaten und zur Erzielung reinigender Wirkungen oder gar einer Katharsis für die Zukunft ... die Versachlichung und Objektivierung des Strafprozesses, vor allem vor dem internationalem Richter, besonders geeignet“. 68 Damit dient der innere Befriedungsprozess nicht nur den Opfern, sondern schützt durch ein rechtsstaatliches Verfahren gegebenenfalls auch die Täter vor einer Verfolgung durch traumatisierte, die Gräueltaten nicht vergessen könnende Opfer. Dadurch kann eine weitere gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Opfer(-Gruppen) und Täter(-Gruppen) nach dem Zusammenbruch eines (Unrechts-)Staates vermieden und der Konflikt durch das Völkerstrafrecht in sozial akzeptierte und geregelte Bahnen gelenkt werden. 69 b) Rechtfertigung durch den Schutz der Güter und Werte: Weltfrieden, internationale Sicherheit und Wohl der Welt Die genannten Funktionen (zur Durchsetzung der Völkerrechtsordnung, zur Wahrung der Gerechtigkeit und zur Befriedung) lassen sich in Aufgaben- bzw. Zielbestimmungen des Völkerstrafrechts umsetzen, indem man sie auf ihren Kern zurückführt. So betrachtet dienen die Funktionen des Völkerstrafrechts dem Schutz der höchsten Güter der Völkergemeinschaft, d. h. im Kern dem Schutz des Friedens und der Sicherheit der Welt. 70 Die Präambel des ICC-Statuts verweist auf diese Aufgabenbestimmung und fügt noch eine weitere hinzu, nämlich das „Wohl der Welt“. So heißt es dort: „... peace and security and well-being of the world ...“ Dieses zusätzliche Element soll betonen, dass das Völkerstrafrecht nicht nur den bloßen Frieden sichern soll, sondern letztlich der Wahrung der elementaren Güter des Lebens als mimimaler Grundvoraussetzung jeglichen menschlichen Daseins dient. Damit schützt das ICC-Statut den Dreiklang von Weltfrieden, internationaler Sicherheit und Wohl der Welt. 71, 72 66

Vgl. Werle, ZStW 109 (1997), S. 822 f. Vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 419. 68 Vgl. zur „inneren Befriedungsfunktion“ Thürer, SZIER 4 (1993), S. 504 f., Zitat S. 505. 69 Vgl. Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 344. 70 Diese beiden Güter finden – wenn auch nicht immer mit dem gleichen Wortlaut – vielfältig Erwähnung und Anerkennung in der UN-Charta: in Art. 1, 2, 11, 12, 15, 18, 23, 24, 33, 34, 37, 39, 42, 43, 47, 48, 51, 52, 54, 73, 76, 84, 99 und in Art. 106 UN-Charta; siehe dazu auch ausführlicher Triffterer, Der ständige Internationale Strafgerichtshof, S. 543 f. 67

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Der Schutz des Völkerstrafrechts ist – wie bei jedem nationalen Strafrecht auch – auf die schwerwiegende Verletzung von Grundwerten der Völkergemeinschaft beschränkt; auch das Völkerstrafrecht ist Ultima Ratio. Es ist subsidiär zu anderen völkerrechtlichen Sanktionsmechanismen, denen aber oft nur eine Appell- oder Feststellungsfunktion zukommt. 73 Für die völkerstrafrechtlichen Normen des ICC-Statuts gilt diese Subsidiarität nicht nur innerhalb der Völkerrechtsordnung, sondern auch im Verhältnis zu den Sanktionen durch das nationale Strafrecht, was insbesondere in den Regeln der Komplementarität zum Ausdruck kommt, d. h. das Völkerstrafrecht greift immer nur dann ein, wenn ein Staat seiner Aufgabe des Schutzes der elementaren Menschenrechte nicht nachkommt, sei es durch stillschweigende Duldung oder gar durch eigene Verletzung. Dadurch ist die Schutzfunktion des Völkerstrafrechts insofern umfassender, als es auch für Rechtsgüter, die sowohl dem nationalen wie dem internationalen Bereich angehören wie insbesondere die Menschenrechte, eine „Überwachungsfunktion“ innehat. 74, 75 Völkerverbrechen sind ein Angriff auf die „internationale Gemeinschaft als Ganzes“. Da umgekehrt Völkerstrafrecht die Interessen der Weltgemeinschaft wahren soll, dient es dem Schutz der Völkergemeinschaft, mithin den elementaren Werten („internationaler Frieden und Sicherheit“) und Gütern („Wohl der Welt“), die Teil der gemeinschaftlichen Konstruktion der Lebenswirklichkeit der Völkergemeinschaft sind: dem universellen Werte- und Güterschutz der Völkerrechtsordnung. 76 Will man diese Werte und Güter als Rechtsgüter begreifen, 71 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, S. 38 f., Rn. 86 ff.; Triffterer, in: ICC-Commentary, Preamble, Rn. 11. 72 Die einzelnen Elemente lassen sich dabei nicht trennscharf voneinander abgrenzen, vielmehr gibt es Überschneidungen bzw. gegenseitige Beeinflussungen: Das friedliche Miteinander dient der Daseinssicherung der Welt; eine elementare Daseinssicherung fördert wiederum die Sicherheit, die Sicherheit den Frieden usw. (vgl. Triffterer, Der ständige Internationale Strafgerichtshof, S. 544). Verstärkt wird diese Vermengung noch dadurch, dass das Völkerstrafrecht einen im Vergleich zur UN-Charta weitergehenden Friedensbegriff hat, der nicht nur Auseinandersetzungen zwischen Staaten erfasst, sondern auch innerstaatliche, da diese regelmäßig massive Menschenrechtsverletzungen hervorrufen, die den Weltfrieden bedrohen können (vgl. Werle, Völkerstrafrecht, S. 38 f., Rn. 86 ff.). Im Endeffekt lassen sich aber alle Schutzgüter auf die oben genannten Funktionen zurückführen, so dass für eine nähere Analyse auf diese verwiesen werden kann. 73 Vgl. Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 78. 74 Siehe zur Überwachungsfunktion Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 78 f. 75 Dem Völkerstrafrecht werden allerdings auch Bedenken entgegen gebracht: Zum einen soll es die Friedensbildung erschweren, da es die Beteiligten in Aussicht einer Strafverhandlung vorzögen, den Konflikt militärisch zu entscheiden. Zum anderen sei das Vorgehen des Völkerstrafrechts zu selektiv und durch machtpolitische Rücksichtsnahmen entwertet. Siehe dazu im Einzelnen m.w. N. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 419 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

so bezwecken auch die Verbotsnormen des ICC-Statuts als Teil des Völkerstrafrechts einen universellen (bzw. überindividuellen oder kollektiven) Rechtsgüterschutz. 77 An dessen Seite tritt ein individueller Rechtsgüterschutz. Dafür sprechen wenigstens zwei Überlegungen: Zum einen sind schon die Funktionen des Völkerstrafrechts auf die Menschenrechte gerichtet, so dass die Konkretisierung der Funktionen auch auf die Menschenrechte ausgerichtet sein muss. Zum anderen und vor allem bedingt der Schutz der Rechtsgüter des Friedens, der Sicherheit und des Wohls der Welt auch den Schutz der Rechte der Menschen auf Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit, 78 weil so auch die kollektiven Rechtsgüter am besten geschützt werden können. Völkerstrafrecht dient also dem universellen und individuellen Schutz von höchsten Rechtsgütern des Völkerrechts. 79 Der Tatbestand des Völkermords schützt vor dem Angriff auf den „sozialen und physischen Bestand“ einer bestimmten Gruppe. Der Täter muss die überschießende Innentendenz der vollständigen bzw. teilweisen Zerstörung der Gruppe haben. Diese besondere Absicht der Tat gibt dem Völkermordtatbestand sein Gepräge und charakterisiert ihn als internationales Verbrechen. 80 Die besondere Absicht führt den Tatbestand auf die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts zurück. 81 Der Tatbestand des Völkermords schützt kollektive und individuelle Rechtsgüter. Einzelheiten sind umstritten. 82 Kollektives Rechtsgut ist nach überwiegender Meinung die Existenz bestimmter, durch Nationalität, Rasse, Religion oder Volkstum definierter Gruppen in ihrem jeweiligen

76 Vgl. Triffterer, Politische Studien, Sonderheft 1/95 (1995), S. 34; Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 418. 77 Wie bereits dargelegt, können Rechtsgüter als „werthafte soziale Funktionseinheiten, die als elementare Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unverzichtbar sind“, umschrieben werden. Übertragen auf das Völkerstrafrecht bedeutet dies, dass es sich um werthafte soziale Funktionseinheiten handeln muss, die als elementare Grundlagen der Völkergemeinschaft für deren Zusammenleben unverzichtbar sind. 78 Vgl. Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 79. 79 Unter Betonung der Funktion „Wahrung des Friedens“ kann der Zusammenhang so aufgefasst werden, dass das individuelle Rechtsgut in Abhängigkeit zum kollektiven Rechtsgut steht (vgl. auch Gil Gil, ZStW 112 (2000), S. 384 f., die bei der Annahme eines kollektiven und individuellen Rechtsgutes das individuelle Rechtsgut in Abhängigkeit vom universellen Rechtsgut sieht). Unter Betonung der Funktion „Wahrung der Menschenrechte“ (und Verbindung mit der Menschenwürde) können die individuellen Rechtsgüter aber auch als notwendige Grundlage und Bedingung für das Ganze angesehen werden, so dass die universellen Rechtsgüter die individuellen ergänzen (und nicht umgekehrt). Mit der Konsequenz, dass jedenfalls die Tatbestände des Völkerstrafrechts primär dem Menschenrechtsschutz dienen und den Frieden und die Sicherheit der Welt nur als (davon abhängige) Reflexe schützen. Diese Sichtweise wird hier bevorzugt. 80 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, S. 40, Rn. 91 und S. 288 ff., Rn. 711 ff. 81 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, S. 40, Rn. 91. 82 Siehe für eine umfassende Übersicht m.w. N. Kreß, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 3, § 220a, Rn. 1 ff.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Zusammenhalt bzw. ihrer sozialen und physischen Identität. 83, 84 Auch individuelle Rechtsgüter werden geschützt. 85 Das Fundament mitmenschlichen Zusammenlebens ist die Gruppe, die wiederum zu ihrem Bestand der Individualität des Einzelnen bedarf. Will man die Gruppe schützen, so muss man auch den Einzelnen schützen. 86 Grundfundament des Einzelnen ist seine Menschenwürde, die daher ebenfalls vom Völkermordtatbestand geschützt sein muss. 87 Dies spiegelt sich auch im Ursprung des Völkermordtatbestandes als Teil der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wider, die auch individuelle Rechtsgüter schützen. Daher erfasst der Völkermordtatbestand (auch) die Beeinträchtigung des Einzelnen als Teil einer Gruppe und schützt seine individuellen Rechtsgüter. Dazu gehört vor allem die Menschenwürde, aber auch Rechtsgüter wie Leben, körperliche und seelische Unversehrtheit, Recht auf Fortpflanzung, Bewegungsfreiheit und das Recht auf Leben. 88 Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schützt vor der Bedrohung einer systematischen und massenhaften Verletzung von Menschenrechten. Er schützt kollektive und individuelle Rechtsgüter. 89 Der kollektive Rechtsgüterschutz knüpft an den koordinierten Angriff, d. h. den weit verbreiteten bzw. systematischen Angriff einer Tätergruppe auf die Menschenrechte einer Opfergruppe (ohne dass diese wie beim Völkermord kollektiv sein müsste) an. 90 Die Qualifizierung des Angriffs macht aus dem Verbrechen ein internationales Verbrechen gegen die Menschlichkeit, da sich das

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Ähnlich Vest, ZStW 113 (2001), S. 476; Gil Gil, ZStW 112 (2000), S. 392 ff. (m.w. N. in Fn. 47); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15, Rn. 7. 84 Dies ist umstritten. Nach andere Meinung schützt der Völkermordtatbestand die Gruppe zusätzlich vor der Negierung als Völkerrechtssubjekt und damit den internationalen Frieden (vgl. Köhler bei Jeßberger / Kreß, ZStW 113 (2001), S. 866; Kreß, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 3, 220a, Rn.4). Zwar geht Völkermord oft Hand in Hand mit kriegerischen Auseinandersetzungen, da diese zur Verdeckung des Völkermordes oder als Vorwand für einen Völkermord genutzt werden (vgl. Vest, ZStW 113 (2001), S. 476), aber dies ist kein Spezifikum des Völkermords. Auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit treten oft im Zuge von Kriegen auf, ohne dass dies zur Annahme eines zusätzlichen kollektiven Rechtsguts des internationalen Friedens führt. Die Eigenart des Völkermordes drückt sich in dem Angriff auf das „Fundament mitmenschlichen Zusammenlebens“ (Vest, ZStW 113 (2001), S. 476) aus, welches in der sozialen Gruppe seine Wurzeln hat, nicht aber in dem Angriff auf die Völkerrechtssubjektivität der Gruppe. 85 Anders aber z. B. Gil Gil, ZStW 112 (2000), S. 392 ff.; Vest, ZStW 113 (2001), S. 396; BGHSt 45, 64 (80). 86 Vgl. Triffterer, Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 81. 87 Vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15, Rn. 7; Tomuschat, The Duty to Prosecute International Crimes committed by Individuals, S. 329: „Genocide is certainly the worst of all offences against both human dignity and international peace and security“. 88 Ebenso Kreß, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 3, § 220a, Rn. 2 m.w. N.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15, Rn. 7, der individuelle Rechtsgüter aber nur „sekundär und vermittelt durch die Gruppenzugehörigkeit“ schützen will. 89 Dies ist freilich nicht unumstritten: Für ein nur individuelles Rechtsgut der Verbrechen gegen die Menschlichkeit z. B. Gil Gil, ZStW 112 (2000), S. 381 ff.; hingegen für einen nur universellen Charakter des Rechtsguts z. B. Lagodny, ZStW 113 (2001), S. 803.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung Verbrechen nicht mehr gegen den einzelnen Menschen, sondern gegen Grundgarantien der Menschlichkeit richtet. 91 Gleichzeitig führt die Qualifizierung des Angriffs den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts zurück. Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat einen individuellen Schutzcharakter, da der Schutz des Friedens und der Sicherheit kein Selbstzweck ist, sondern vielmehr das kollektive Rechtsgut aus dem Interesse am Individuum heraus geschützt wird. 92 Der Schutzgehalt des Tatbestands der Kriegsverbrechen ist auf die Wahrung der fundamentalen Rechtsgüter des Einzelnen gerichtet. Der Tatbestand führt die Ahndung von Kriegsverbrechen vor allem auf den Schutz des internationalen Friedens zurück. Denn der Schutz des internationalen Friedens ist Wesenskern des Haager wie des Genfer Rechts. Das Haager Recht grenzt die Kampfmittel und Kampfmethoden bei schon eingetretener Friedensstörung ein und versucht so, Auswüchse des Konflikts möglichst gering zu halten und eine Eskalation zu vermeiden. Hier liegt in der Eindämmung des Konflikts die Wahrung des Restfriedens, die es ermöglicht, nach Beendigung des Konflikts zum Gesamtfrieden zurückzukehren. Das Genfer Recht bemüht sich um den Schutz der in Kriegszeiten besonders gefährdeten Gruppen (Kriegsgefangene, Schiffsbrüchige, Zivilpersonen, Flüchtlinge) und versucht so, die Grausamkeiten des Krieges zu begrenzen und Raum für ein friedvolles Zusammenleben in der Zukunft zu schaffen. Der Tatbestand der Kriegsverbrechen schützt ein Minimum an humanitären Interessen des Einzelnen in Zeiten des bewaffneten Konflikts. Die fundamentalsten Rechtsgüter sind gerade in Kriegszeiten Gefahren ausgesetzt und bedürfen daher des besonderen Schutzes. Dementsprechend soll der Tatbestand der Kriegsverbrechen die Menschenwürde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit wahren. Dies ist beim Genfer Recht evident und wird beim Haager Recht durch die Begrenzung der Kampfmittel und Kampfmethoden erreicht, die auch der Vermeidung unnötigen Leides dient.

C. Rechtfertigung von Strafe und Maß im Völkerstrafrecht I. Begrenzung der Straf- und Völkerstraftheorien Die Straftheorien werden hier so begriffen, dass sie zur Ausgestaltung der Leitlinien der Strafe und zur Begründung der Art bzw. Schwere der Strafe dienen. Sie sollen die Antwort auf die Frage geben, wie die Verhängung von Strafe zu rechtfertigen ist (Grund) und wie viel Strafe zu verhängen ist (Maß). 93 Konsequenz daraus ist, dass die im Völkerstrafrecht anwendbaren Straftheorien

90 Vgl. Vest, ZStW 113 (2001), S. 463 f.; eine andere Auffassung vertritt Gil Gil, ZStW 112 (2000), S. 381 ff. 91 Vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15, Rn. 32. 92 Freilich wird auch der Vor- bzw. Nachrang der Rechtsgüter unterschiedlich beurteilt. Vgl. näher dazu z. B. Vest ZStW 113 (2001), S. 463 f.; Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 21; ders., Von „Nürnberg“ zu einem Internationalen Gerichtshof, S. 81 f.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 15, Rn. 32.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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ebenfalls nur Auskunft über Grund und Maß geben. So begrenzt werden die Straftheorien als ein Teilbereich der völkerrechtlichen Sanktionslehre verstanden und geben die Prinzipien vor, auf denen die Strafzumessung fußen kann. II. Nationale Straftheorien im Kontext des Völkerstrafrechts War es noch möglich, das Wesen der Strafe und damit den Begriff der Strafe unabhängig vom Rechtssystem durch empirische Betrachtung zu benennen, so ist eine Begründung der Strafe kaum ohne Bezug auf ein Rechtssystem zu leisten, da die Betrachtung nunmehr nicht mehr rein empirisch, sondern auch normativ erfolgt. Eine normative Betrachtung muss sich aber auf etwas beziehen, dem sie die Werte entnehmen kann, so dass eine Begründung der Strafe als Maßstab einer gleichen Strafe immer nur in Bezug auf eine Rechtsgemeinschaft gelingen kann. Strafe ist Eingriff und vor allem Leistung für eine Rechtsgemeinschaft. 94 Das Maß des Eingriffs und der Leistung richtet sich damit letztlich nach den die Rechtsgemeinschaft prägenden Werten, den gesamtgesellschaftlichen, etablierten Normen, die sich nicht zuletzt auch in den verfassungsrechtlichen Grundlagen kristallisieren und vor ihrem soziologischen, ökonomischen und strukturellen Hintergrund betrachtet werden müssen. 95 Der Kontext der vergemeinschafteten Werte stellt einen Bezug zu einer bestimmten Gesellschaftsform her, so dass Strafe nur in der jeweiligen Gesellschaftsform, etwa der eines demokratischen Rechtsstaates, gerechtfertigt werden kann. 96 Da aber eine Werteordnung nicht notwendig auf die Rechtsordnung beschränkt ist, sondern diese überschreiten kann und von anderen geteilt wird, lassen sich die Straftheorien rechtsordnungsunabhängig diskutieren, solange Gesellschaftsform und Werteordnung übereinstimmen. Daraus erwachsen an dieser Stelle für die Konkretisierung der Völkerstraftheorien und der Strafzumessung im Völkerrecht folgende Konsequenzen: Erstens können die in den demokratischen Rechtsstaaten diskutierten Strafrechts- und Strafzumessungstheorien zusammen und ohne Ansehung der konkreten Rechtsordnung diskutiert werden. Denn es handelt sich ausnahmslos um Begründungen für Strafe und deren Zumessung im Kontext von demokratischen Rechtsstaaten, und die Diskussion um die kollektive Geltung der Menschenrechte zeigt, dass diese Staaten die grundlegenden Werte teilen.

93 Folgende Fragen werden also nicht beantwortet: Wie lässt sich die Existenz eines Systems von Strafnormen, das Strafrecht, rechtfertigen? Was rechtfertigt die Pönalisierung von bestimmten Handlungen und Unterlassen? Wer soll bestraft werden? 94 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 28. 95 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 28. 96 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 4, Rn. 5.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Da die Rechtsordnung der Völkergemeinschaft nicht der eines demokratischen Rechtstaats entspricht, scheidet zweitens eine unbedarfte Übertragung der nationalen Begründungen auf das Völkerstrafrecht bzw. das ICC-Statut aus. Eine Übertragung ist aber dennoch möglich, da wesentliche Rechtsprinzipien des ICC-Statuts den demokratischen Rechtsstaaten des angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtskreises entnommen wurden, mithin das ICC-Statut Rechtsfiguren der Gesellschaftsform des demokratischen Rechtsstaats widerspiegelt. Hinzu kommt, dass die Rechtsquellen des ICC-Statuts über das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze selbst den Rückgriff auf das Recht der nationalen Rechtsordnungen ermöglichen, wobei der Verweis im ICC-Statut auf die Menschenrechte und das Diskriminierungsverbot dahingehend interpretiert werden kann, dass nur auf rechtsstaatlich einwandfreie Rechte und Prinzipien zurückgegriffen werden darf. Da diese aber mit der demokratischen Teilhabe verschränkt sind, ist mit dem nötigen Verständnis für den kontextuellen Unterschied eine vergleichende Betrachtung eröffnet. Die Übertragung wird schließlich dadurch ermöglicht, dass mit der Rechtskultur auch die Werte der Staaten, insbesondere die Verfassungsrechte und Menschenrechte, in das ICC-Statut Eingang gefunden haben; zumal das Völkerstrafrecht und damit auch das ICC-Statut im besonderen Maße den Menschenrechten verpflichtet ist. Drittens muss die Übertragung die Eigenarten des Völkerstrafrechts beachten. Denn zum einen unterscheiden sich die Ziele der Völkerrechtsordnung von den Zielen nationaler Rechtsordnungen und zum anderen ist die Makrokriminalität anders strukturiert als die Mikrokriminalität. Hinzu kommt, dass das Ausmaß des Unrechts der Menschheitsverbrechen andere Antworten zur Rechtfertigung notwendig machen kann. 97 III. Rechtfertigung durch nationale Straftheorien 1. Einleitung Die klassischen Eckpunkte der Diskussion um die Rechtfertigung der Strafe liegen in den philosophischen Theorien der Ethik, die sich mit dem moralischen Wert des menschlichen Handelns auseinandersetzen und Aussagen über die moralischen Grundlagen der Rechtfertigung des Umfangs von Strafe treffen. Hier lassen sich am besten die Fundamentaldifferenzen zwischen den beiden großen Richtungen der Theorien aufzeigen. Die Darstellung wird daher mit den Eckpunkten der Straftheorien beginnen. Daran schließt sich die Darstellung einzelner hergebrachter Straftheorien an. Diese beginnt immer mit den wesentlichen Aussagen der Straftheorien. Die Aussagen werden in ihrer Auswirkung auf die Strafzumessung gesichtet und an97

Siehe näher zu den Eigenarten des Völkerstrafrechts S. 96.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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hand der zentralen Kritikpunkte gewichtet. 98 Bei der Darstellung ist zu beachten, dass die Diskussion um die Straftheorien sowohl hinsichtlich der wesentlichen Grundaussagen der Straftheorien als auch für die Betrachtung von Pro- und Contra-Argumenten insofern auf unterschiedlichen Bezugsebenen geführt wird, als die Diskussion aufgrund philosophischer oder rechtsdogmatischer und theoretischer oder empirischer Argumente erfolgt. Wird dabei nur ein entgegengesetzter philosophischer Standpunkt oder die eigene Rechtsdogmatik zum Maßstab der Diskussion erhoben, so ist eine Diskussion des Für und Wider auf dieser Grundlage für das Völkerstrafrecht wenig hilfreich, da sie von Überzeugungen oder Systemen abhängig ist. Auf diese Argumente soll daher im Folgenden verzichtet werden. Problematisch wird der Gegensatz der Argumente bei der Überprüfung der Straftheorien in Hinblick auf die Menschenwürde. Denn zum einen ist die Menschenwürde durch eine jede Straftheorie zu wahren und diese muss sich daher ihren Maßstäben unterordnen. Zum anderen erfolgt die Aufladung des Begriffs der Menschenwürde vor dem Hintergrund der ethisch-philosophischen Diskussion der vergangenen Jahrhunderte, so dass die Menschenwürde zwar grundsätzlich als unverfügbar betrachtet wird, ihr Inhalt aber durchaus relativ bestimmt wird. Wahrnehmbar ist dies vor allem bei den präventiven Straftheorien, die alle eine über die bloße Strafzufügung hinausgehende folgenorientierte Strafbegründung liefern und daher einem naturalistischen, mit den Vorstellungen Kants begründeten Begriff der Menschenwürde entgegenlaufen. Da aber auf die Darstellung der Menschenwürde nicht verzichtet werden kann, wird diesem Umstand wie folgt Rechnung getragen: Bei der Darstellung der wesentlichen Aussagen der Straftheorien wird zunächst auf die Diskussion der Menschenwürde nur hingewiesen. Denn zum einen können die konkreten Erkenntnisse über die Menschenwürde in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich sein, zum anderen entscheidet sich die Rechtmäßigkeit der Straftheorie für die Anwendung im Völkerstrafrecht nach Völkerrecht. Die Entscheidung hat dann im Völkerstrafrecht zu erfolgen. Maßstab der Menschenwürde ist ihr schon belegter Mindestgehalt im Völkerrecht – die Freiheit in der Gleichheit und die Solidarität. Freiheit und Solidarität stehen sich gegenüber, denn die Freiheit begrenzt die Solidarität und die Solidarität die Freiheit. Dementsprechend entspricht es der Menschenwürde im Völkerstrafrecht, die gewährte Freiheit als weltgemeinschaftsbezogen und weltgemeinschaftsgebunden zu begreifen, zumal es gerade im Völkerstrafrecht um den Schutz der allerhöchsten Rechtsgüter der Weltgemeinschaft geht, aber nur solange – und dies ist wichtig – die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt. Denn durch die Anbindung der Menschenwürde an die Interessen der Weltgemeinschaft besteht die Gefahr, dass vor dem Hintergrund der Funktionen des 98

Vgl. zur Notwendigkeit einer Verknüpfung von „punishment“ und „sentencing“ Bagaric / Morss, ICLR 6 (2006), S. 194 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Völkerstrafrechts für die Völkergemeinschaft und der besonders schutzwürdigen völkerrechtlichen Rechtsgüter jede Handlung gegen den Verurteilten gerechtfertigt werden könnte, da die Interessen der Weltgemeinschaft immer die Interessen des Einzelnen übersteigen, zumal sie primär kollektive Rechtsgüter schützen und nicht individuelle. Es bedarf daher einer Grenze, die Freiheit und Solidarität trennt. In einem Rechtsstaat wird diese Grenze durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vermittelt – eine Möglichkeit, die grundsätzlich auch im Völkerstrafrecht bestünde. Das Dilemma ist dann allerdings der Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn; 99 ist es die Tat, so wird über diesen Umweg die konsequentialistische Straftheorie mit der nicht-konsequentialistischen Straftheorie vereint. Wird die Menschenwürde aber als unantastbar begriffen, muss die trennende Grenze zwischen Freiheit und Solidarität über das Verständnis von Menschenwürde erreicht werden. Unantastbarer Kern der Menschenwürde und damit Grenze zwischen Freiheit und Solidarität ist die Eigenständigkeit der Person. Konkretisiert wird die Eigenständigkeit der Person durch den Eigenwert und die Anerkennung des Einzelnen als selbstverantwortlicher Person, mithin durch die Wahrung des Menschseins und den Schutz der allgemeinen Persönlichkeit in ihren Kernbereichen. Weitere Konkretisierungen der Menschenwürde ließen sich durch den Verweis auf andere Menschenrechte erzielen. Denn wenn die Menschenwürde Ausgangspunkt der weiteren Ausformung der Menschenrechte ist, muss es auch möglich sein, die Menschenwürde durch einzelne Menschenrechte näher zu erkennen. Schließlich werden die Straftheorien auf ihre Tauglichkeit im Völkerstrafrecht überprüft, indem sie an den Eigenarten des Völkerstrafrechts gemessen werden. Die Eigenarten beruhen im Vergleich zum materiellen nationalen Strafrecht vor allem in der besonderen Funktion des Völkerstrafrechts für die Völkerrechtsordnung, der Natur der Kernverbrechen als Menschheitsverbrechen und in der Besonderheit der Makrokriminalität. Im Rahmen der Makrokriminalität beeinflussen insbesondere zwei Bewertungen die Übertragung ins Völkerstrafrecht: Zum einen die Unterscheidung zwischen Tätern, die eine führende Rolle in der Machtstruktur ausüben, wie Machthaber, Militärführer und hochrangige Funktionäre (den makrokriminellen Führungstätern), und Tätern, denen eine ausführende Rolle in der Machtstruktur zukommt, wie den Befehlsempfängern, Ausführungschargen und Tötungsarbeitern (den makrokriminellen Gefolgschaftstätern). 100 Denn unterschiedliche Rollen können nach einer unterschiedlichen Rechtfertigung der Strafe verlangen. Zum anderen die unterschiedliche Einschätzung der makrokriminellen Gesamtsituation im Falle eines völkerstrafrechtlichen 99 Vgl. zu den Aufladungen der Verhältnismäßigkeit mit konsequentialistischen und nicht-konsequentialistischen Straftheorien Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 588 ff.; vgl. auch zur Verhältnismäßigkeit und Normenstabilisierung Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 61 ff. 100 Siehe zur Makrokriminalität S. 46 f.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Prozesses und einer Verurteilung. Hält man sich die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland vor Augen, so fanden Prozess und Verurteilung des IMT vor dem Hintergrund einer geänderten gesamtgesellschaftlichen Situation statt, die der Makrokriminalität die Grundlage entzog. Argumentationen, die an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Gemeinschaft anknüpfen, müssen vor diesem Hintergrund ins Leere laufen. Betrachtet man hingegen die Situation in Sierra Leone und Osttimor, so wird deutlich, dass Verfahren und Verurteilung nicht immer eine befriedete gesamtgesellschaftliche Situation voraussetzen. Labile gesellschaftliche Strukturen sind insbesondere im Fall der Gerichtsbarkeit des ICC zu erwarten, der in der Lage ist, unabhängig vom Zustand des Konflikts vor Ort Anklage zu erheben. Da hier eine Wiederholungsgefahr möglich ist, kann die Rechtfertigung der Strafe auch durch folgenorientierte Straftheorien erfolgversprechend sein. 2. Eckpunkte der retributiven und präventiven Straftheorien a) Straftheorien: Relativ oder absolut Die Rechtfertigung der Strafe steht in der Tradition der Neuzeit. Die Welt wurde in der Neuzeit nicht mehr mit der Bibel, sondern mit der Mathematik erklärt. 101 Dinge wurden messbar und dadurch wiederum vergleichbar. Mit der Vergleichbarkeit der Dinge hielt die Vergleichbarkeit des Menschen Einzug in das Denken. Was aber vergleichbar ist, ist zugleich ungleich und gleich. 102 Trotz der (ungleichen) Tat des Straftäters, ist der Straftäter mit dem anderen Menschen im 101 Das mittelalterliche Weltbild basierte noch wesentlich auf der Kosmologie des Aristoteles. Diese begründete sich durch die Annahmen, dass zum einen das Verhalten der Dinge von ihren qualitativ bestimmten Formen oder „Naturen“ herrühre und zum anderen, dass die Gesamtheit der Naturen sich in einen hierarchischen „Kosmos“, d. h. eine Ordnung alles Existierenden, die von einem inneren Ziel bestimmt sei, einordnet (vgl. Crombie, Augustinus, S. 64). Konsequenz daraus war eine Kategorisierung der Dinge der Welt. Wie jedes Lebewesen, so hatte auch jeder Mensch seinen Platz im Kosmos und strebte als Triebfeder seines Seins ständig diesem Platz zu (Entelechie). Dieser Ordnung der Dinge entsprach eine Ordnung des Sozialen (vgl. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, S. 15). Jeder hatte seinen naturgegebenen Platz im sozialen Gefüge, den er nicht verlassen konnte. Versuchte er es dennoch, musste er kläglich scheitern, da er sich gegen die naturgegebene Ordnung stellte. Das Mittelalter setzte nun an die Stelle der aristotelischen naturgegebenen Ordnung eine gottgegebene Ordnung, was zur Folge hatte, dass ein Täter mit seiner Straftat nicht mehr gegen die natürliche Ordnung verstieß, sondern gegen die gottgegebene. Der Täter offenbarte durch seine Straftat teuflisches Tun und schloss sich so aus der (Rechts-)Gemeinschaft aus. Die Bestrafung eines auf diese Weise des Menschenseins beraubten Täters bedurfte keiner besonderen Begründung mehr, denn es „wurde eigentlich kein Übeltäter mehr hingerichtet, sondern es wurde feierlich der Sieg über das Böse zelebriert, was Ausgleich und Anlass eines freudigen Festes war.“ (Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 98). 102 Vgl. zu den Konsequenzen der Gleichheit Nef, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 3 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Menschsein immer noch gleich. 103 Waren die Menschen im Menschsein gleich, war Strafe nicht mehr – wie noch im Mittelalter – durch den Ausschluss des Täters aus der Gesellschaft zu erklären, sondern bedurfte einer Begründung aus der Gesellschaft heraus, die das Menschsein anerkannte. 104 Wie konnte diese geschaffen sein? Sie lag in dem Dualismus von Körper und Geist. 105 Der Einzelne konnte sich als (körperliches) Individuum mit Lust und Unlust empfinden oder als (geistige) Person mit der Gabe, sein Handeln durch Pflicht und Willkür zu bestimmen. 106 Strafe konnte damit nicht mehr nur als Übel erfasst werden, sondern auch als gerechte Behandlung ohne Willkür. Somit legte das Spannungsverhältnis von Körper und Geist den Grundstein für die beiden fundamentalen Kategorien der Straftheorien. Diese beziehen sich entweder auf die körperlich reale Welt („relativ“) oder in negativer Abgrenzung von dieser („absolut“) auf die geistige Welt. Den relativen Theorien wird damit eine diesseitig-soziale Ausrichtung zugesprochen (bzw. eine jenseitig-transzendente Ausrichtung abgesprochen), während den absoluten Straftheorien eine jenseitig-transzendente Ausrichtung zugesprochen (bzw. eine diesseitig-soziale Ausrichtung abgesprochen) wird. b) Straftheorien: Utilitaristisch oder deontologisch Die ethischen Eckpunkte liegen für die relativen Theorien in einer konsequentialistischen und für die absoluten Theorien in einer nicht-konsequentialistischen Sicht auf die Strafe. Der Konsequentialismus geht davon aus, dass der einzig moralisch entscheidende Faktor für die Richtigkeit oder Falschheit einer Handlung die Güte der (Handlungs-)Konsequenz ist. Das bedeutet, dass eine Handlung nur dann richtig ist, wenn sie die beste Konsequenz hat. Im Umkehrschluss ist eine Handlung, die nicht die beste Konsequenz erzeugt, moralisch falsch, d. h. verboten. Damit ist aber nicht nur die Handlung mit der schlechteren Konsequenz verboten, sondern jene mit der besseren Konsequenz geboten. Mithin gibt es eigentlich nur eine richtige Handlung, nämlich die, die die besten Konsequenzen aufweist. Der sich in den präventiven Theorien ausdrückende Utilitarismus ist ein prominenter Vertreter einer solchen Sicht. Der Utilitarismus folgt dem 103 Vgl. zur Gleichheit und Ungleichheit der Menschen Nef, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 39 ff. 104 Vgl. näher Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, S. 16. 105 Nach Descartes ist denn auch das Ich „eine Substanz ... deren ganzes Wesen oder deren Natur nur darin besteht, zu denken und die zum Sein keines Ortes bedarf, noch von irgendeinem materiellen Ding abhängt, so dass dieses Ich, d. h. die Seele, durch die ich das bin, was ich bin, völlig verschieden ist vom Körper, ja dass sie sogar leichter zu erkennen ist als er, und dass sie selbst wenn er nicht wäre, doch nicht aufhörte, alles das zu sein, was es ist.“ Descartes, Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung (1637), S. 27. 106 Vgl. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, S. 16 ff.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Prinzip der Nützlichkeit, das eine Handlung verlangt, deren Folgen für das Wohlergehen aller Beteiligten optimal sind. Auf die utilitaristischen Straftheorien bezogen bedeutet das zunächst, dass Strafe moralisch falsch ist, da das direkte Ergebnis der Strafe ein Übel für den Täter bedeutet; es bedeutet aber auch, dass Strafe nur gerechtfertigt sein kann, wenn mit ihr überhaupt eine (bessere) Konsequenz verbunden ist. 107 Nimmt man dies an, so müssen sich die utilitaristischen Straftheorien im Endeffekt an folgenden Grundaussagen messen lassen: (1) Die Strafe kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn die darüber hinausgehenden Konsequenzen das Übel des Täters aufwiegen. (2) Unter mehreren möglichen Übeln mit der gleichen Konsequenz muss dasjenige gewählt werden, welches am wenigsten beeinträchtigt. Dem gegenüber stehen die nicht-konsequentialistischen Theorien, deren gemeinsame Aussage bereits durch die Bezeichnung vorgegeben ist, nämlich dass sich eine richtige von einer falschen Handlung nicht durch die sich aus ihr ergebende Konsequenz unterscheidet, sondern aus anderen Faktoren. Nach der Deontologie soll sich die Unterscheidung von richtigem und falschem Handeln demnach auch nicht nach der Konsequenz der Handlung richten, sondern vielmehr nach der Eigenschaft, die der Handlung immanent ist. In der Deontologie ist es demnach möglich, dass eine Handlung mit der besten Güte im Ergebnis dennoch als moralisch falsche Handlung gelten kann, da sie gegen den immanenten Wert der Handlung selbst verstößt. So ist eine Lüge immer als moralisch falsch zu bewerten, weil sie das Recht des Menschen auf Wahrheit verletzt, und die Verletzung eines Menschen immer als moralisch falsch, weil sie das Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Lüge die beste Konsequenz für alle erreicht wird bzw. durch die Körperverletzung größeres Unheil vermieden werden kann. Andersherum kann eine Handlung aber moralisch richtig sein, obwohl sie nicht die besten Konsequenzen hat. So ist es moralisch richtig, die Wahrheit zu sagen, auch wenn dadurch schlechtere Konsequenzen entstehen als bei einer Lüge. Demnach ist es in der Deontologie zuweilen nicht möglich, die Handlung mit der besten Konsequenz auszuführen. Sie enthält Bedingungen oder Beschränkungen („constraints“), die die Wahl der besten Konsequenz verhindern. Demnach müssen sich die retributiven Straftheorien an der Grundaussage messen lassen: Es muss gestraft werden, weil Strafe der gesetzten Bedingung (des gerechten Ausgleichs der Schuld) entspricht, auch wenn die daraus erwachsenden Konsequenzen (möglicherweise) schlecht sind. Während es also der Konsequentialismus gebietet, immer nach dem Optimum in der Konsequenz zu suchen, verbietet manchmal die Deontologie die Wahrnehmung des Optimums der Konsequenz. Dementsprechend streben die utilitaristischen Straftheorien nach den besten Konsequenzen der Strafe für den 107

Vgl. auch Tonry, Proportionality, parsimony, and interchangeability of punishments, S. 63 f.

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Einzelnen bzw. die Gesellschaft, und die retributiven Straftheorien verbieten dieses Streben, solange es immanente Werte gibt, die dem entgegenstehen. Anders gewendet verbietet aber eine schlechtere Konsequenz durch die Strafe für die utilitaristischen Theorien das Strafen, während eine schlechtere Konsequenz durch die Strafe für die retributiven Straftheorien das Strafen nicht verbietet, solange sie der Schuld des Täters entspricht. Damit liegt für die utilitaristischen präventiven Theorien die Legitimation der Strafe jenseits der Handlung des Strafens, während die deontologischen retributiven Straftheorien die Rechtfertigung der Strafe in der Handlung selbst finden wollen. c) Straftheorien: Präventiv oder retributiv Wie bereits bei der Definition von Strafe aufgezeigt, ist Strafe die Reaktion auf eine Verletzung einer rechtlichen Norm. Damit knüpft die Zufügung des Übels an die bereits begangene Unrechtstat (und nicht etwa an den Täter) an. Die Straftat ist die tatsächliche Bedingung im Sinne eines realen Grundes (causa essendi) für das Übel der Strafe. 108 Dies kommt schon in der Abhängigkeit des Wortes Straftäter von dem der Straftat zum Ausdruck: Ohne Straftat gäbe es keinen Straftäter, der bestraft werden könnte. Wenn es jedoch stets einer Straftat zur Anknüpfung bedarf, so ist damit schon die zweite Bedingung genannt, nämlich die, dass die Straftat immer schon begangen, mithin in der Vergangenheit geschehen sein muss. Der Realgrund der Strafe ist somit immer die vergangene Unrechtstat. Diese Charakterisierung von Strafe findet sich bereits bei Grotius in den Worten: „Poena est malum passionis, quod infligitur propter malum actionis“ 109 (die Strafe ist ein Übel, zu leiden, das zugefügt wird wegen eines Übels im Handeln) 110. Dieser Realgrund der Strafe ist aber zu unterscheiden vom finalen Grund oder auch Zweckgrund (causa finalis) der Strafe. 111 Während der Realgrund (der Tatbestand) den Anknüpfungspunkt für die Strafe liefert, beschreibt der finale Grund das Ziel, das mit der Strafe (der Rechtsfolge) erreicht werden soll. Dieses Ziel ist wiederum abhängig von der Deutung, die dem Geschehen der Unrechtstat (dem Realgrund) beigemessen wird. 112 Letztendlich entscheidet der Blickwinkel auf die Straftat über die Begründung des Ziels, d. h. die Art und Schwere der Sanktion. Er gibt der Strafe auch sein Gepräge, so dass nicht die Übelzufügung an sich entscheidend ist, sondern der Gedanke, den man mit der 108 Die unterschiedlichen Gründe der Strafe wurden der Darstellung von Spendel, Grundfragen jeder Strafrechtsreform, S. 39 ff. (Realgrund: S. 40) entnommen. 109 Grotius, De jure belli ac pacis (1625), lib. II, cap. XX, § 1, 1, zitiert aus Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 66, in Fn. 19. 110 Vgl. Lesch (1. Teil), JA 26 (1994), S. 512. 111 Vgl. Spendel, Grundfragen jeder Strafrechtsreform, S. 46 ff. 112 Vgl. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 18 ff.; Walther, ZStW 111 (1999), S. 122 ff.; dies., Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, S. 196 ff.

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Übelzufügung verknüpft. Der Blickwinkel kann das Geschehen der Unrechtstat entweder als Gefahr oder als Verbrechen für die Rechtsgemeinschaft erfassen und entscheidet damit über die beiden Gegenpole der Straftheorien: die präventiven und die retributiven Straftheorien. Betrachtet man die Straftat als Gefahr, so betont man, dass ein solches Verhalten „den Keim der Wiederholbarkeit in sich trägt, sei es durch den selben Straftäter, sei es aufgrund von Nachahmung durch andere“ 113. Eine solche Sichtweise der Unrechtstat ist gerichtet auf die Verhinderung weiterer Taten und will das künftige gesellschaftliche Sicherheitsniveau günstig beeinflussen. Eine solche Betrachtung des Zweckgrundes ist im Unterschied zum Realgrund in die Zukunft gerichtet. Sie wird von der Grundaussage des „punitur, ne peccetur“ 114 (bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht) 115 erfasst. 116 Fasst man die Handlung als Verbrechen auf, mithin als die Begehung von Unrecht, 117 so wird Strafe als Reaktion auf die Straftat gerade wegen der vergangenen Tat verhängt. Der Blickwinkel ist somit vergangenheitsbezogen und basiert im Wesentlichen auf der Schwere der begangenen Straftat, nicht aber auf der „Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten“ 118. Somit ist hier nicht nur der Realgrund, sondern auch der Zweckgrund vergangenheitsbezogen. Eine solche Sicht auf die Unrechtstat begründet retributive Ziele der Strafe, die durch die Grundaussage des „punitur, quia peccatum est“ 119 (bestraft wird, weil Unrecht begangen worden ist) 120 erfasst werden. Allerdings greift diese Grundaussage zu kurz, da die Übelzufügung wegen eines bereits begangenen Übels genauso wenig sinnvoll erscheint wie das Zuteilen von weiteren Wohltaten nur aufgrund der Tatsache, dass jemand bereits einmal eine Wohltat begangen hat. Die Verknüpfung von Realgrund und Zweckgrund bedarf daher eines weiteren wertenden Argumentes, welches in dem auf Aristoteles zurückgehenden Gedanken einer in der Strafe liegenden ausgleichenden Gerechtigkeit für den Normenbruch gesehen werden kann. 121 Man könnte nun annehmen, dass durch die Festlegung der Anknüpfung der Strafe an die in der Vergangenheit liegende Unrechtstat bereits die Entscheidung 113

Walther, ZStW 111 (1999), S. 130. Grotius, De jure belli ac pacis (1625), lib. II, cap. XX, § 4, 1, zitiert aus Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 66, in Fn. 20; vgl. auch Lesch (1. Teil), JA 26 (1994), S. 512. 115 Vgl. Lesch (1. Teil), JA 26 (1994), S. 512. 116 Siehe zum gesamten Komplex Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 18 ff.; Walther, ZStW 111 (1999), S. 122 ff. 117 Vgl. Walther, ZStW 111 (1999), S. 129. 118 Walther, ZStW 111 (1999), S. 129. 119 Lesch (1. Teil), JA 26 (1994), S. 512; vgl. auch Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 66. 120 Vgl. Lesch (1. Teil), JA 26 (1994), S. 512. 121 Vgl. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, S. 20. 114

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vorgeprägt ist, wie man nunmehr Strafe denken soll. Denn wer aufgrund der Unrechtstat (wie im Übrigen auch schon in der hergebrachten Definition von Strafe zum Ausdruck gekommen ist) bestraft, kann auch eher zum Zweck ihrer Vergeltung bestrafen, als zum Zweck einer auf den Täter abstellenden Prävention. 122 Dass dem aber nicht zwingend so ist, sieht man gerade in der Unterscheidung von Realgrund und Zweckgrund. Führt man sich diese vor Augen, so mag zwar der Anlass, die Tat, den Tatbestand ausfüllen, aber nicht notwendig die Strafe als Rechtsfolge vorgeben. 123 3. Ausgesuchte retributive und präventive Straftheorien: Aussagen, Auswirkungen und Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Im Folgenden werden ausgesuchte retributive und präventive nationale Straftheorien der angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen auf das Völkerstrafrecht übertragen. Ohne der Auswertung der Rechtsquellen vorgreifen zu wollen, kann schon jetzt festgestellt werden, dass im ICCStatut die retributiven Straftheorien in ihrer Ausformung des „just desert“ und die präventiven Straftheorien der „positiven Generalprävention“ dominieren, so dass es sinnvoll ist, die Betrachtung diese Straftheorien auch hier in den Fokus zu rücken. Da die Straftheorien auch unterschiedlichen Niederschlag in den Rechtssystemen und nationalen Rechtsordnungen gefunden haben, erfolgt die Darstellung exemplarisch vor dem Hintergrund derjenigen Rechtssysteme oder Rechtsordnungen, in denen die Straftheorien ihren größten Widerhall gefunden haben: Die Just-deserts-Theorien haben ihren Ursprung in der angloamerikanischen Moralphilosophie, sie sind heute stark im angloamerikanischen und im nordischen Rechtsraum verankert 124 und werden mit Bezug auf die dortigen Befürworter, insbesondere Andrew von Hirsch, Anthony R. Duff und Nils Jareborg diskutiert werden. Die Diskussion um die positive Generalprävention hat großen Einfluss in der deutschen Rechtsordnung hinterlassen, 125 so dass die Darstellung der entsprechenden Befürworter folgt, nämlich insbesondere Günther Jakobs und Winfried Hassemer. Die negative Generalprävention ist (jedenfalls im Rahmen der Schuld) nach wie vor in der Rechtspraxis eine gern bemühte Rechtfertigung, sei es im angloamerikanischen oder im kontinentaleuropäischen Rechtsraum. Die Darstellung berücksichtigt daher beide Rechtsfamilien. 122

So zumindest Spendel, Grundfragen jeder Strafrechtsreform, S. 48. Spendel spricht davon, dass dieser Schluss in der „Natur der Sache“ läge oder der „Logik der Tatsache“ entspräche. 123 Vgl. auch Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 104. 124 Vgl. zum Ursprung und zur Entwicklung des Gedanken des „just deserts“ die Übersicht bei von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 47 f.; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 4 f. 125 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 9 m.w. N. in Fn. 8.

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Sie nimmt ihren Ausgang in den Überlegungen von Anselm von Feuerbach und Jeremy Bentham zur Abschreckung durch die Strafdrohung und endet in Überlegungen der Abschreckung durch die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung. Da die Spezialprävention ebenfalls im angloamerikanischen, aber vor allem im kontinentaleuropäischen Rechtsraum stark vertreten ist, diese unterschiedlichen Ansätze aber in ihrer Detailfülle an dieser Stelle nicht gänzlich erfasst werden können, konzentriert sich die Darstellung auf die Grundlagen anhand deutscher Rechtsquellen. Dabei unterliegt die Betrachtung Einschränkungen: Erstens kann sie weder einen umfassenden Überblick über die Straftheoriediskussion in den einzelnen Rechtsordnungen liefern, noch einen detaillierten Einblick in die kunstvoll gewundenen Überlegungen und Rechtfertigungen geben, wie sie von den Verfechtern und Gegnern der Straftheorien geführt werden, sondern muss sich auf einige wesentliche Aussagen konzentrieren. Als wesentlich werden die Aussagen über den Grund und das Maß der Strafe betrachtet. Zweitens strebt die Darstellung nicht primär eine Entscheidung für oder gegen die eine oder andere Straftheorie an, sondern sie erfolgt allein unter dem Blickwinkel, ob sich die Grundaussagen und Strafzumessungsaussagen der Straftheorien auf das Völkerstrafrecht mit seinen Eigenarten übertragen lassen. Könnten Pro- oder Contra-Argumente einer Übertragung entgegenstehen, so werden sie allein vor diesem Hintergrund beleuchtet. Drittens erfolgt die Darstellung im Bewusstsein, dass einerseits ein allseits befriedigender Ausgleich der Straftheorien, wie auch im nationalen Strafrecht, nicht plötzlich durch die Übertragung ins Völkerstrafrecht erreicht werden kann, andererseits aber auf die Legitimierung und Differenzierung durch Straftheorien nicht verzichtet werden kann. a) Retributive Theorien der Vergeltung Die retributiven Theorien der Vergeltung sind retributiv, da sie zur Rechtfertigung der Strafe an die vergangene Straftat anknüpfen. Strafe entspringt dem Urteil über die Straftat und soll die Konsequenz aus der intuitiven Verbindung zwischen der Tat und ihrer Vergeltung sein, d. h. der Täter wird bestraft, weil er Strafe für die Begehung der Tat verdient hat (deserts) und die Tat damit gerecht (just) vergolten wird. Während dies einigen Autoren zufolge zur Begründung der Strafe und des Strafmaßes ausreicht, 126 so gehen die meisten Autoren in ihrer Argumentation jedoch über diese rein intuitive Verbindung hinaus. Von 126 So z. B. für Moore für den der Fall, dass die Strafe der Tat folgt, der Tat immanent ist bzw. sich intuitiv aus der Tat ergibt (vgl. Kleinig, Punishment and Desert, S. 67; Packer, The Justification for Punishment, S. 184; nach Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 58 f., bejahen die Menschen die Strafe nicht intuitiv, sondern stehen ihr eher indifferent gegenüber). Es bedarf keiner weitergehenden Begründung zur Rechtfertigung der Strafe als der, dass der Täter die Strafe verdient hat (vgl. Moore, Moral Worth of Retribution,

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Hirsch und Duff, die eine kommunikative Ausrichtung der Just-deserts-Theorien befürworten, sehen die Rechtfertigung der Strafe in der tadelnden Wirkung und der allgemeinen Abschreckung bzw. angemessenen säkularen Buße. 127 HinS. 110: „Retributivism is a very straightforward theory of punishment: we are justified in punishing, because and only because offenders deserve it.“). Moralische Schuld ist demnach eine sowohl notwendige als auch ausreichende Bedingung, um strafrechtliche Sanktionen zu rechtfertigen. Da es aber gilt, den Unschuldigen nicht zu bestrafen und den Schuldigen zu bestrafen, bedingt auch diese Theorie in ihrem Kern die Grundaussage des Retributivismus: nämlich Gerechtigkeit. Daraus erwächst die Konsequenz, dass es nicht nur das Recht zu strafen, sondern vielmehr die Pflicht zu strafen gibt. Andernfalls würde man Gleiches (den einer Straftat schuldigen Täter) ungleich behandeln (den einen bestrafen, den anderen nicht) (vgl. Moore, Moral Worth of Retribution, S. 110). Dass das bloße Verdienen der Strafe für eine Begründung der Strafe ausreicht, wird bei Moore mit einem vergleichenden Hinweis auf das bürgerliche Recht belegt. Die Ansprüche des bürgerlichen Rechts, etwa im Delikts- und Vertragsrecht, rechtfertigen sich allein durch Fairness oder Gerechtigkeit. Einer weiteren Begründung, insbesondere mit positiven Konsequenzen für den Einzelnen, die Gesellschaft etc., bedarf es hingegen nicht (vgl. Moore, Moral Worth of Retribution, S. 110 f.). Dabei ist für Moore die Richtigkeit der intuitiven Annahme, dass der Täter die Strafe verdient hat, keine Frage des Glaubens oder NichtGlaubens (so aber Bedau, Journal of Philosophy 75 (1978), S. 616), sondern das Ergebnis einer Übertragung von einzelnen zutreffenden moralischen Urteilen (vgl. Moore, Moral Worth of Retribution, S. 111 ff.; ausführliche Kritik am intuitiven bzw. immanenten Retributivismus bei Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 57 ff.; Ten, Crime, Guilt and Punishment, S. 47 ff.). Die intuitive Straftheorie verweist damit für die Zufügung eines strafenden Übels auf das Maß des begangenen Übels und verkürzt damit eine Tatproportionalität zumindest auf die bloße Wertgleiheit, wenn nicht gar Artgleichheit der Strafe, und taugt daher nicht für die weitere Betrachtung (vgl. auch von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 49 f.). Denn diese Gleichheit ist im Kontext des Völkerstrafrechts nicht herzustellen, da das Unrecht der Menschheitsverbrechen eins zu eins nicht ausgleichen ist (vgl. auch Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 449 ff.). 127 Es gibt auch andere Formen des kommunikativen Retributivismus. Zum Beispiel begründet Nozick die moralische Richtigkeit der Kommunikation vornehmlich mit der Kommunikation selbst und nicht mit den erhofften Konsequenzen, die der Täter aus dem Akt der Bestrafung zieht oder ziehen kann (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 370 ff.; vgl. auch Ten, Crime, Guilt and Punishment, S. 44). Laut Nozick strafen wir, weil der Täter dadurch versteht, dass er bestraft wurde, und weil andere – deren Werte zutreffend sind – glauben, dass das, was er getan hat, falsch war und er Strafe verdient hat. Der Täter muss diese Nachricht vernehmen, nicht aber notwendigerweise auch annehmen (vgl. die Zusammenfassung bei Walker, Why Punish?, S. 80 ff.). Die Betrachtung der Systematik von (verdienter) Strafe soll Rückschlüsse auf die darunter liegenden vernünftigen Gründe bzw. Prinzipien erlauben und so Strafe rechtfertigen (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 365). Für Nozick richtet sich die verdiente Strafe nach dem Verhältnis des Unrechts (wrongness or harm of the act) und der Verantwortlichkeit des Täters für das Unrecht (responsibility for the act), Nozick belegt die erste Variable mit H, die zweite mit r. Die Strafe des Täters entspricht dabei dem Produkt von r x H. Der Wert (in seinen Extremen, Zwischenwerte sind ebenfalls möglich) einer verantwortlichen Person für ihr Handeln ist gleich eins (=1) und der Wert für eine überhaupt nicht verantwortliche Person ist gleich null (= 0). In dem Fall, in dem der Täter vollverantwortlich handelt, bestimmt sich die Strafe entsprechend des Unwerts der Tat (1x H = H), und in dem Fall, in dem der

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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gegen steht etwa für George Sher der Ausgleich eines durch die Tat bzw. die Zurückhaltung anderer gewonnenen unfairen Vorteils im Vordergrund. 128 aa) Ausgleich eines unfairen Vorteils Unter diese Rubrik fallen Theorien, die in der Strafe den Ausgleich eines zuvor vom Täter erlangten ungerechten Vorteils erblicken. Strafrecht setzt einen Rahmen für das Miteinander, indem es gewisse Verhaltensweisen verbietet und andere erlaubt (bzw. nicht verbietet). So sorgt das Strafrecht für den Erhalt der Täter keine Verantwortung trägt, verdient er auch keine Strafe (0x H = 0). Strafe richtet sich demnach nach dem Grad der Verantwortlichkeit des Handelnden. Zutreffende retributive Strafen entsprechen also nicht nur dem Produkt von Verantwortung und Unrecht (r x H), sondern es entspricht dem Unrecht (H), wenn der Täter die volle Verantwortung für sein Handeln trägt (und damit r =1 ist) (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 363 ff.). Daraus und aus dem Vergleich mit Schadensersatz und Rache (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 366 ff.; siehe auch Ten, Crime, Guilt and Punishment,, S. 42 f.) ergibt sich nach Nozick folgendes Grundmuster der retributiven Strafe, die der Straftäter S für seine Handlung A verdient: „1.) Someone believes that S’s act A has a certain degree of wrongness; 2.) and visits a penalty upon S 3.) which is determined by the wrongness H of the act A, or by r x H; 4.) intending that the penalty be done because of the wrong act A 5.) and in virtue of the wrongness of the act A, 6.) intending that S know the penalty was visited upon him because he did A 7.) and in the virtue of the wrongness of A 8.) by someone who intended to have the penalty fit and be done because of the wrongness of A 9.) and who intended that S would recognize (he was intended to recognize) that the penalty was visited upon him so that 1 – 8 are satisfied, indeed so that 1 –9 are satisfied.“ (Nozick, Philosophical Explanations, S. 369) Der damit aufgezeigte Inhalt von Strafe entspricht dem Inhalt, der dem Begriff „meaning“ zugemessen wird (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 370; Grice, PhR 66 (1957), S. 377 ff.). Retributive Strafe ist also darauf ausgerichtet, jemanden etwas zu übermitteln, und damit eine Form der Kommunikation (vgl. Walker, Why Punish?, S. 80). Die moralische Richtigkeit der Kommunikation liegt primär in der Kommunikation selbst (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 374 ff.). Der Täter hat sich durch die Tat von den richtigen Werten (der Gesellschaft) abgekoppelt; Strafe dient dem Zweck, den Täter wieder mit diesen Werten zu verbinden. Dieser Zweck ist der Strafe immanent und nicht das Ergebnis weiterer Annahmen (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 374 f.). Die Übelzufügung dient dazu, diesen Werten Nachdruck zu verleihen und ihre Maßgeblichkeit zu erkennen. Dabei muss das Übel aber dem Maß des Produkts von Verantwortung und Unrecht entsprechen (vgl. Nozick, Philosophical Explanations, S. 376). 128 Ursprünglich haben insbesondere Herbert Morris (Person and Punishment, S. 67 ff.) und Jeffrie G. Murphy (Retribution, Justice and Therapy, S. 82 –115 und 223 – 249) diese Theorie des „unfair advantage“ befürwortet, allerdings haben beide später davon wieder Abstand genommen; vgl. Morris, H., A Paternalistic Theory of Punishment, S. 92 ff.; Murphy, CJE 4 (1985), S. 3 ff.

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körperlichen Unversehrtheit, den Schutz des Lebens, des Eigentums etc. Damit schaffen die grundlegenden Normen des Strafrechts einen Raum, der frei von Beeinträchtigungen durch andere ist und die Entfaltung des Einzelnen in diesem Raum erlaubt. Dieser Vorteil für alle bringt auch eine Verpflichtung bzw. Bürde (burden) mit sich. Denn dieser Rahmen gebietet jedem, sich zu beschränken und denjenigen Neigungen nicht nachzugehen, die in die Rechte anderer eingreifen würden oder zumindest könnten. Der Rechtsbrecher, der nun seinen Neigungen nicht widerstehen kann und gegen das Strafrecht verstößt, gibt diese Verpflichtung auf und gewinnt dadurch einen Vorteil gegenüber denjenigen, die ihren Neigungen widerstanden haben. Der so gewonnene unfaire Vorteil wird durch die Strafe insofern ausgeglichen, als der Täter einen Nachteil erleidet, der die Balance von Wohltat und Bürde bzw. Vorteil und Nachteil wieder ausgleicht. 129 Dazu nun im Einzelnen: (1) Wesentliche Aussagen der Straftheorien Sher knüpft in seiner Unfair-advantage-Theorie an die Vorstellung Morris’ von einem doppelten Vorteil an. Nach Morris bestimmen grundlegende Normen das Verhalten in einer Gesellschaft, legen jedem Begrenzungen auf und schaffen so einen Raum, in dem jeder frei von Beeinträchtigungen durch andere sein kann. Sie schaffen ein System von Vor- und Nachteilen, in dem die Vorteile des einen von den Nachteilen des anderen abhängen bzw. in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. 130 Damit sind die Vor- und Nachteile nicht nur gleich verteilt, sondern auch auf alle anwendbar; es handelt sich mithin um ein faires System. 131 Diese Fairness in der Gleichheit verlangt nach einem Mechanismus, Ungleichheiten auszugleichen. Dies geschieht mittels Strafe. Der Vorteil, den sich der Rechtsbrecher durch seine Straftat gegenüber demjenigen verschafft, der sich der Bürde der Selbstbeherrschung unterworfen hat, addiert sich zum Vorteil, den er bereits durch das System besitzt (nämlich frei zu sein von der Beeinträchtigung durch andere). Damit erlangt er einen ungebührlichen (doppelten) Vorteil. 132 Sher widmet sich mit besonderer Aufmerksamkeit der Frage, was genau der Täter gewinnt, wenn er sich einen Vorteil verschafft, und welches Prinzip der Fairness angesprochen wird, wenn die Tat durch die Strafe ausgeglichen wird. 133 129

Vgl. die Zusammenfassung von Aussagen und Kritik an der Unfair-advantage-Theorie bei Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 86 ff.; Ten, Crime, Guilt and Punishment, S. 52 ff.; siehe auch Walker, Why Punish?, S. 74 ff. 130 Vgl. Morris, H., Person and Punishment, S. 69. 131 Vgl. Morris, H., Person and Punishment, S. 69. 132 Vgl. Sher, Desert, S. 76. Zu den Einwände von She’s gegen Morris’ Straftheorie vgl. Sher, Desert, S. 74 ff. 133 Siehe zur Frage des Vorteils Sher, Desert, S. 78 ff.; zur Frage der Fairness Sher, Desert, S. 82 ff.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Wie gerade aufgezeigt, liegt der Vorteil des Täters in dem Vorteil, den er sich nimmt, und in dem Vorteil, den er dadurch hat, dass sich andere an die Normen halten. Zu hinterfragen bleibt, ob letzteres überhaupt einen Vorteil darstellt, wenn es die Möglichkeit der gleichen Beeinträchtigung, wie sie sich der Täter herausgenommen hat, gar nicht gibt (ein Vergewaltiger kann nicht vergewaltigt werden, weil er ein Mann ist; eine Untreue kann gegen den Täter nicht begangen werden, da er keine Vermögen hat etc. 134). Sher zufolge hat der Täter aber immer noch den rechtlichen (oder sittengesetzlichen) Vorteil, von ähnlichen Beeinträchtigungen (der sexuellen Selbstbestimmung, des Vermögens) frei zu sein oder sogar ganz generell frei von Beeinträchtigungen zu sein. 135 Der Vorteil, der sich aus der Zurückhaltung anderer ergibt, soll sich also im entscheidenden Maße nach einem generalisierten Vorteil (second-order set of benefits) richten und nicht nach einem individualisierten. 136 Anders beim Vorteil, den sich der Täter durch die Tat genommen hat: dieser unterscheidet die Tat von anderen Taten und gibt ihr ein individuelles Gepräge. Dieser Vorteil ist also ein individualisierter. Es ist auch der, der über das Strafmaß entscheidet, da Strafe ja den genommenen Vorteil wieder ausgleichen soll. 137 Wenn aber Strafe den individuellen, genommenen Vorteil ausgleichen soll, drängt sich die Frage auf, wie dieser Vorteil gemessen werden kann bzw. – mit den Worten Morris’ – wie groß die zusätzliche Freiheit von der auferlegten Zurückhaltung, die sich der Täter nimmt, ist. Nach Sher kann der Vorteil weder an der Neigung zur Tatbegehung, 138 noch an dem Ertrag, den der Täter erzielt hat, 139 noch an der rechtlichen Pflicht, 140 sondern nur an dem Grad bzw. der Schwere des moralischen Verbotes, das der Täter 134

Vgl. zu den Beispielen im Detail Burgh, JPh 70 (1982), S. 205 f.; Sher, Desert,

S. 78. 135

Vgl. Sher, Desert, S. 79. Gegen den Bezug auf einen generalisierten Vorteil Burgh, JPh 70 (1982), S. 205 f. 137 Vgl. Sher, Desert, S. 79 f. 138 Darauf könnte man kommen, da je stärker die Neigung zur Tat, desto stärker auch der Nachteil ist, den man hat, wenn man das Gesetz einhält. Wenn der Täter nun das Gesetz bricht, gewinnt er genau diesen Vorteil, den der andere hat verzichten müssen, um das Gesetz einzuhalten. Demnach ist der Vorteil umso größer, je stärker die Neigung zur Begehung der Tat ist. Will man aber nun eine zum Vorteil proportionale Strafe finden, muss man die Neigung zur Begehung der Tat als Referenzgröße heranziehen. Dies würde jedoch nur dann funktionieren, wenn die Neigung zur Begehung der Tat identisch mit der Schwere der Tat wäre. Dem aber ist nicht so. Vielmehr ist das Gegenteil wohl richtig, nämlich, dass je schwerer die Tat ist, desto größer auch die Abneigung ist, die Tat zu begehen. Zum Beispiel existiert eine stärkere Neigung, Steuern zu hinterziehen, als einen anderen Menschen umzubringen. Trotzdem bestrafen wir den Steuerhinterzieher schwächer als den Mörder, denn die spiegelbildliche Strafe wäre nicht proportional zur Schwere der Tat, was sich darin ausdrückt, dass wir es als „intuitiv“ richtig ansehen, den Mörder stärker zu bestrafen als den Steuerhinterzieher; vgl. auch Burgh, JPh 70 (1982), S. 209 f.; Sher, Desert, S. 80 f.; Sher, Approximate Justice, S. 166 f. 139 Die Abscheu vor der Straftat hat – vielleicht mit Ausnahme der Vermögensdelikte – nichts zu tun mit dem Gewinn, der aus der Tat erzielt wird. Im Gegenteil: Oft ist das 136

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durch seinen Rechtsbruch verletzt hat, gemessen werden 141: Der Vorteil, den der Täter durch seine Tat erhält, ist die Freiheit von einem moralischen Verbot (der Zurückhaltung); je stärker das Verbot ist, desto stärker ist die Freiheit, die der Täter durch seine Tat erlangt, d. h. die Stärke des moralischen Verbots bzw. das Unrecht (wrongness) der Tat entspricht dem individuellen Vorteil des Rechtsbrechers und ist damit das Maß des Vorteils. Strafe muss nunmehr proportional zu diesem Vorteil sein, denn nur so kann sie den genauen Vorteil des Täters wieder ausgleichen. So gewendet basiert Strafe für Sher auf einem vorinstitutionellen System, da die Straftat zwar als Verstoß gegen die moralischen Gesetze, nicht aber als Verstoß gegen rechtliche Regeln verstanden wird. 142, 143

Ergebnis, der Ertrag, eben gerade nicht gewünscht. Der betrunkene Autofahrer wünscht sich eigentlich nicht, dass es zum Beinahe-Unfall oder gar zum Tod des Fußgängers kommt. Oft gibt es gar keinen Ertrag aus der Strafe, denn was könnte der Ertrag aus einer Körperverletzung oder einem Hausfriedensbruch sein? Intuitiv wissen wir, dass trotzdem auch Taten ohne Ertrag meist einer Strafe bedürfen; vgl. Sher, Desert, S. 81; Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 87. 140 Rechtliche Pflichten unterscheiden sich nicht in ihrer Stärke, da man verpflichtet ist, alle Gesetze einzuhalten. Würde man darauf abstellen, so wären alle Rechtsbrecher gleich zu bestrafen, d. h. Steuerhinterzieher und Mörder verdienten die gleiche Strafe; vgl. Sher, Approximate Justice, S. 167. 141 Vgl. Sher, Desert, S. 81; Sher, Approximate Justice, S. 167 f. 142 Vgl. Sher, Desert, S. 81 f.; Sher, Approximate Justice, S. 167 f. 143 In einer buchhalterischen Betrachtung von Vor- und Nachteil könnte es aber auch sein, dass der durch die Tat genommene Vorteil auf einen zuvor erlittenen Nachteil trifft und so das Konto ausgeglichen wird, ohne dass es dazu der Strafe bedürfte. Wenn aber der zuvor erlittene Nachteil nicht durch die Beeinträchtigung eines moralischen Rechts entstanden ist, kann dieser Einwand nicht greifen: Denn die Tatsache, dass beispielsweise jemand ein hartes Leben hatte, weist ihm zwar einen über das normale Leben hinausgehenden Anteil an Unglück zu, nicht aber eine Beeinträchtigung seines moralischen Rechts, dass sich andere ihm gegenüber zurückhalten müssen. Der Nachteil – das zusätzliche Unglück – ist also nicht durch einen Vorteil, der durch die Aufgabe der Zurückhaltung gegenüber den moralischen Rechten anderer gewonnen wird, ausgleichbar, da beide auf unterschiedlichen Maßeinheiten beruhen (vgl. Sher, Desert, S. 83 f.). Wenn aber nun der zuvor erlittene Nachteil moralischer Natur wäre, also gleicher Natur wie der durch die Tat erlangte Vorteil, dann läge in dem Vorteil immer noch kein fairer Ausgleich, und es bedürfte weiterhin einer Strafe, da der ursprüngliche Nachteil nur verschoben, nicht aber ausgeglichen wird. Angenommen Y erlitte einen Nachteil von X und Y fügt selbst Z einen zu, so hat X nach wie vor einen doppelten Vorteil und Z einen doppelten Nachteil. Y hat den Vorteil und Nachteil vergrößert, nicht aber ausgeglichen (vgl. Sher, Desert, S. 85 ff.; kritisch dazu Kershnar, STP 23 (1997), S. 75 ff.; Ten, SPh & P 7 (1990), S. 198 ff.; Antwort zu der Kritik bei Sher, Approximate Justice, S. 174 ff.; zusammenfassend Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 88 ff.).

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(2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Proportionalität der Strafe ist die Folge aller Just-deserts-Theorien, so auch der auf den Ausgleich des unfairen Vorteils bedachten Straftheorien. Sie wollen mit der Strafe, die einen Nachteil darstellt, einen Vorteil ausgleichen, den der Straftäter durch die Straftat und die Zurückhaltung der anderen gewonnen hat. Dieser Vorteil misst sich bei Sher nach dem Grad des moralischen Verbotes, welches der Straftäter verletzt hat. Strafe ist als Nachteil zu diesem Vorteil als verdient anzusehen. Darin liegen mehrere Schwierigkeiten: Zum einen mangelt es beim Messen von moralischen Vorteilen am praktischen Maß. 144 Zum anderen lässt eine so gesuchte Strafe den Schaden, der an den Schutzgütern und für die Rechtsgüter eingetreten ist, gänzlich außen vor. 145 Des Weiteren verlangt eine so bestimmte Strafe einen gleichwertigen Ausgleich. Das Übel der Strafe und die Tat bewegen sich in derselben Maßeinheit, da nur so die Strafe das Verbrechen ausgleichen kann. Strafe als Übel ist genau das Spiegelbild der Tat des Täters; während dieser durch seine Tat das Recht anderer verletzt hat, verletzt Strafe das Recht des Täters, nämlich das moralische Recht, frei zu sein von Beeinträchtigungen anderer. Somit wird dem Täter durch die Strafe genau das genommen, was er zuvor genommen und damit gewonnen hat. 146 (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Auch das Völkerstrafrecht lässt sich als System von Vor- und Nachteilen begreifen. Denn das Völkerstrafrecht schützt auch individuelle Rechtsgüter. Allerdings bereitet die Übertragung vor dem Hintergrund der makrokriminellen Struktur des Völkerstrafrechts Schwierigkeiten. Denn die betrachteten Unfairadvantage-Theorien sehen in der Straftat einen Bruch der gegenseitigen Abhängigkeit von Vorteil und Nachteil auf der Grundlage eines ungestörten gesellschaftlichen Miteinanders, das durch die Zurückhaltung der anderen geprägt ist, so dass der Straftäter einen doppelten Vorteil erringen kann. Der Gedanke der Zurückhaltung scheint aber nicht in die makrokriminelle Situation zu passen, da diese durch eine gestörte gesamtgesellschaftliche Situation geprägt ist, die Zurückhaltung weder als rechtlichen noch als moralischen Vorteil ansieht. 147 Auch die Unrechtsqualität der Menschheitsverbrechen ist mit den Unfair-advantage-Theorien nicht in Einklang zu bringen. Denn Unfair-advantage-Theorien verlangen den Ausgleich des durch die Straftat genommenen rechtlichen Vorteils. Dass dieser Vorteil nur schwer zu messen ist, ist die eine Seite des Problems. 144 145 146 147

Vgl. ausführlich Bagaric, Punishment and Sentencing, S. 86 ff. m.w. N. Vgl. dazu näher von Hirsch, Censure and Sanctions, S. 7 f. m.w. N. Vgl. Sher, Desert, S. 84. Vgl. auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 51.

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Dass der Vorteil aber eins zu eins durch den Nachteil der Strafe auszugleichen ist, ist im Kontext des Völkerstrafrechts ein viel schwerwiegenderes Problem. Denn bei aller Unbestimmtheit sind die genommenen Vorteile abhängig von dem Verbot; je größer das Verbot, umso größer auch der Vorteil. Da im Völkerstrafrecht die Menschheitsverbrechen die höchsten Rechtsgüter schützen, wiegt auch das damit verbundene Verbot schwer und zwar derart schwer, dass die Vorteile durch die Tat kaum eins zu eins durch einen Nachteil wieder ausgeglichen werden könnten, wie es die Unfair-advantage-Theorien verlangen. 148 Alles in allem taugen die Unfair-advantage-Theorien daher nicht für eine Rechtfertigung von Strafe und Maß im Völkerstrafrecht. bb) Kommunikative Just-deserts-Theorien Die Just-deserts-Theorien sind kommunikativ, weil sie den Straftäter als moralischen Menschen begreifen, bei dem sich der Versuch lohnt, sich mit ihm durch die Strafe zu verständigen. Den wesentlichen Sinn des Strafens sehen diese Theorien nicht nur darin, dem Verurteilten für die begangene Straftat die gerechte Strafe zukommen zu lassen, sondern darin, dass Strafe die Missbilligung oder den Tadel über die Straftat zum Ausdruck bringt (censure function). Denn von zentraler Bedeutung für die Idee der Strafe ist die Übermittlung, dass der Straftäter ein Unrecht begangen hat und dieses Unrecht missbilligt wird. 149 Für Duff – im Unterschied zu von Hirsch – bewirkt dieser Tadel darüber hinaus, dass Strafe für den Täter und andere kommuniziert, dass strafrechtliche Verbote eingehalten werden müssen, mithin hat der Tadel eine zusätzliche negative, präventive Wirkung. Dadurch lässt sich aber noch nicht zwingend erklären, warum es neben der tadelnden Verurteilung noch eine Übelzufügung (hard treatment) geben muss, denn schließlich wird der Straftäter schon durch die bloße Verurteilung getadelt, ohne dass es dazu zur Vollstreckung der Strafe kommen müsste. Von Hirsch rechtfertigt die Übelzufügung mit der ihr anhaftenden abschreckenden Wirkung für die Allgemeinheit, mithin mit einer Form der negativen Generalprävention, während Duff in ihr eine säkulare Form der Buße sieht, welche die Versöhnung des Täters mit der Gesellschaft ermöglicht. Dazu nun im Einzelnen:

148 149

Vgl. auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 50 f. Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 50 f.

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(1) Wesentliche Aussagen der Straftheorien (a) Tadel und Abschreckung Nach von Hirsch ist Strafe die Reaktion auf ein durch die Straftat begangenes Unrecht. 150 Das Unwerturteil ist damit wesentlicher Bestandteil der Strafe. 151 Reagiert aber Strafe auf ein Unrecht, liegt die zentrale Bedeutung der Strafe darin, den Verurteilten als jemanden zu behandeln, der Unrecht begangen hat. 152 Dass aber jemand Unrecht begangen hat, wird ihm dadurch vermittelt, dass er ein Übel zu erleiden hat, das dazu geeignet ist, die Missbilligung oder den Tadel der strafenden Gesellschaft über das begangene Unrecht zum Ausdruck zu bringen. 153 Diese Vermittlung kann nur gelingen, wenn die Reaktion der Gesellschaft dem Straftäter erklärt werden kann und der Straftäter als jemand angesehen wird, der zu ethischen Überlegungen befähigt ist. Strafe ist damit ein institutionalisierter Tadel. 154 Der Tadel hat bei von Hirsch eine dreifache Wirkung: Erstens benennt er den Täter und damit auch das Opfer der Tat. Er rückt damit das Opfer und die Konsequenzen der Tat für die Gesellschaft in den Vordergrund; dabei wird dem Opfer (bzw. den potentiellen Opfern) vermittelt, dass ihm durch die Verletzung seiner Rechte Unrecht angetan wurde. 155 Zweitens ist die entscheidende Funktion des Tadels, dem Verantwortlichen der Tat Rechenschaft abzuverlangen. Tadel vermittelt ihm den Rechtsbruch und die Missbilligung desselben. 156 Damit wird dem Täter die Möglichkeit eröffnet, selbst über sein Handeln bzw. die Beurteilung seines Handelns durch andere zu urteilen. D. h. Strafe in ihrer wesentlichen Botschaft appelliert an den Täter als Träger von moralischen Werten und spricht ihm die Fähigkeit zu bzw. gibt ihm die Möglichkeit, zwischen moralisch „falsch“ und „richtig“ zu unterscheiden und sein Handeln zu überdenken. 157 Damit wird der Täter als Mensch anerkannt, der zu moralischen Überlegungen imstande ist. Drittens spricht der Tadel Dritte an und setzt den normativen Grund, Straftaten nicht zu begehen. Die Verknüpfung der Strafe mit dem Tadel verweist darauf, dass ein Verstoß gegen das Strafgesetz verwerflich ist und vermieden werden soll. 158 Grund für den Appell ist es nach von Hirsch, das Verständnis von der 150 Vgl. näher zur Verwerflichkeit von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 51; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 14. 151 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 14. 152 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 51. 153 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 51; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 12. 154 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 50 f. 155 Vgl. von Hirsch, Proportionate Sentences, S. 116; von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 52 f. 156 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 53. 157 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 53. 158 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 53.

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Falschheit zu stärken, um so Straftaten zu vermeiden. 159 Dies allerdings nicht im Sinne einer Normenbestätigung, sondern weil der Tadel neben dem Straftäter auch Dritte als moralisch Handelnde anerkennt. 160 Auch wenn der Tadel und die dadurch bedingte Verhältnismäßigkeit die dominierende Annahme zur Rechtfertigung von Strafe sein soll, so reicht dies nicht aus, um Strafe gänzlich zu rechtfertigen. Denn die besondere Eigenart der Strafe, durch das Zufügen von Übel (hard treatment) zu missbilligen bzw. zu tadeln, verlangt nach einer weiteren, ergänzenden Erklärung, die über den bloßen kommunikativen Aspekt von Strafe hinausgeht. Für von Hirsch erklärt sich das Übel der Strafe damit, dass neben dem Tadel ein weiterer Grund gesetzt wird, um vom Normbruch Abstand zu nehmen. Denn der Gedanke des Übels fließt in die Abwägung der Vor- und Nachteile des Normbruchs ein und hilft dem Täter, sich so zu verhalten, wie er es als moralisch Handelnder durch den Tadel schon vermittelt bekommen hat. 161 Beide Aspekte der Strafe, der Tadel und das Übel, sind miteinander verwoben. Denn käme nur das Übel zum Tragen, fehlte es an der Kommunikation der moralischen Handlungsfähigkeit und es bliebe eine nackte Drohung übrig. 162 Vielmehr drückt sich in der Verbindung von beiden auch das Erfordernis der Proportionalität aus, nachdem ein Mehr an Übel auch ein Mehr an Tadel bedeutet. 163 Dabei versteht von Hirsch den Vorgang des Tadelns als Teil des alltäglichen Urteilens im Sinne von Loben und Tadeln und ordnet ihn in einen weiteren sozialen Kontext ein, in dem Strafen nur eine Möglichkeit von vielen ist, Missbilligung auszusprechen. Als Teil des sozialen Miteinanders muss Strafe daher nicht unbedingt wertgleich und auf keinen Fall besonders drakonisch sein, denn Tadel im sozialen Miteinander kann auch durch weniger harte Strafen erreicht werden. Vielmehr soll die tadelnde Strafe eine verhältnismäßige Strafe bedingen, d. h. eine Strafe, die verhältnismäßig zur Schwere der Tat ist. 164 Damit rechtfertigt von Hirsch die Strafe aus dem Tadel, der mit dem Ausspruch einer verhältnismäßigen Bestrafung verknüpft ist, und die Übelzufügung der Strafe aus der damit verbundenen Abschreckung. Um den Täter als Träger moralischer Werte anzuerkennen, dient die Abschreckung aber nur als Ergänzung zur dominierenden Funktion des Tadels für solche Täter, die die moralischen Wertungen des Gesetzes zwar nachvollziehen können, aber eines weiteren Anreizes bedürfen, entsprechend ihrer Erkenntnis zu handeln. Damit wird der 159 160 161 162 163 164

Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 54. Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 54. Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 56. Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 57. Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 57. Vgl. von Hirsch, Proportionate Sentences, S. 117 ff.

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Tatsache Rechnung getragen, dass der Mensch kein vollkommenes, sondern ein fehlbares Wesen ist, das zuweilen Hilfe braucht, um krimineller Versuchung zu widerstehen. Darin liegt auch der Unterschied zur bloßen Abschreckung im Sinne der utilitaristischen Theorien, in denen der Täter nicht hauptsächlich durch Tadel, der durch das Übel als weitere Abschreckung unterstützt wird, motiviert werden soll, sondern nur durch eine Abschreckung, die nicht durch einen Tadel unterstützt wird. 165 (b) Tadel und Buße Duff gewinnt seine Überzeugung aus einer näheren Betrachtung des Verhältnisses von Strafverbot und der aus einem Verbot erwachsenden Konsequenz. Demnach ist notwendige Bedingung des Strafrechts in jeder Gesellschaft, dass dem Verbot eine, wenn nicht formelle, so doch informelle Konsequenz folgt. Würde die Gesellschaft etwas verbieten, ohne eine Konsequenz aus dem Verstoß dagegen zu ziehen, wäre ein Verbot hinfällig und verlöre seine Legitimität. Das Außer-Acht-Lassen eines Verbotes käme nämlich im Endeffekt der Verneinung des Verbotes gleich, die Situation wäre also so, als wäre das Verbot nie aufgestellt worden – ein Widerspruch in sich, den es zu vermeiden gilt. 166 Fraglich ist aber, welcher Art und Güte die Konsequenz aus einem strafrechtlichen Verbot sein muss, um dem Verbot gerecht zu werden. Nach Duff – wie auch schon nach von Hirsch – stellt Tadel (censure) die zentrale Konsequenz von Strafe dar. Denn Strafe ist nicht nur die bloße Feststellung, dass der Täter die Straftat begangen hat, sondern darüber hinaus die kommunikative Missbilligung oder Verurteilung seines Tuns. Für Duff liegt in der Kommunikation des Verdienten ein Versuch der offensichtlichen Überzeugung oder Überredung des Täters, seine Tat zu überdenken und zu bereuen. 167 Dabei hat der Tadel nicht nur die Funktion, den Täter an die Tat zu erinnern und für vergangenes Unrecht zu bestrafen, sondern auch, ihn aufzufordern, zukünftig solche Taten zu unterlassen. Es liegt im ureigensten Wesen der tadelnden Verurteilung – so Duffs Auffassung im Gegensatz zur Ansicht von Hirschs –, nicht nur für begangenes Unrecht die „verdiente“ Strafe auszusprechen, sondern auch das Ziel bzw. die Hoffnung zu formulieren, von zukünftigen Taten abzuschrecken. 168 Diese Abschreckungsfunktion richtet sich in erster Linie an den Täter. In der Verurteilung als kommunikativem Akt liegt aber auch der Hinweis für die betroffene Gesellschaft, dass Verbote durchgesetzt werden und dass Verstöße gegen diese Verbote strafrechtliches Unrecht darstellen. Strafe gibt dem Opfer Genug165 166 167 168

Vgl. Duff, Desert and Penance, S. 164. Vgl. Duff, Desert and Penance, S. 161 f. Vgl. Duff, Punishment, Retribution and Communication, S. 126 f. Vgl. Duff, Desert and Penance, S. 161.

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tuung und erkennt an, dass ihm Unrecht widerfahren ist. 169 Damit der Straftäter im kantischen Sinne aber nicht unter die Sachen gemengt wird, darf, so Duff, dieser allgemeine Abschreckungseffekt nur zweitrangiger bzw. nebensächlicher Natur sein. 170 Die Kommunikation der Missbilligung oder des Tadels erkennt den Straftäter als moralisch verantwortliches Wesen an und wahrt seine Würde. 171 Der verurteilende Tadel ist demnach vor allem gerechtfertigt durch die begangene Tat und damit vornehmlich retributiver Natur; daneben beinhaltet er aber auch das Ziel, eine Änderung des Verhaltens des Täters anzuregen, um so zukünftige Taten zu verhindern. Sollte dies nicht möglich sein, weil etwa der Täter unbelehrbar ist oder die Straftat nicht wiederholt werden kann, so bleibt doch der tadelnde Charakter der Strafe im Sinne der Verurteilung für die begangene Tat bestehen, und der Täter ist zu verurteilen. Damit ist der Tadel im Sinne Duffs nicht konsequentialistisch (da nicht abhängig vom Eintritt eines überwiegend positiven Ergebnisses aus der Übelzufügung gegen den Einzelnen), sondern eher rein zweckmäßiger Natur. Auch für Duff bedarf die über den Tadel hinausgehende Zufügung von Übel einer besonderen Begründung. Diese liegt nach seiner Auffassung in einer säkularen, besonderen Form der angemessenen Buße, die mehreren Zwecken dient: Zunächst bewirkt die Bestrafung die Konzentration des Täters auf die von ihm begangene Straftat. Die Bestrafung sorgt dafür, dass die Kommunikation des Tadels nicht überhört wird. Es wird eine (allzu menschliche) Verdrängung verhindert und der Täter muss sich mit seiner Tat und ihren Folgen auseinandersetzen. 172 Daneben wird dem Täter mit der konkreten Übelzufügung (Freiheitsentzug, gemeinnützige Arbeit etc.) symbolisch die Natur seines Unrechts vorgehalten. Letztlich soll das Übel das Verständnis für die Verurteilung fördern und es dem Täter ermöglichen, das von ihm begangene Unrecht anzuerkennen und zu bereuen. Die Reue ermöglicht Besserung und gibt die Kraft, anderen gegenüber das begangene Unrecht einzugestehen und so zu einer Versöhnung zu gelangen. 173 (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Aus der Bedeutung der Strafe als Missbilligung oder Tadel gegenüber dem zu moralischen Handlungen befähigten Straftäter und der Kommunikation des 169

Vgl. Duff, Punishment, Retribution and Communication, S. 126 f. Vgl. Duff, Desert and Penance, S. 162, ders., Punishment, Retribution and Communication, S. 128 f. 171 Vgl. Duff, Desert and Penance, S. 161; ders., Punishment, Retribution and Communication, S. 127. 172 Vgl. Duff, Punishment, Retribution and Communication, S. 129. 173 Vgl. näher dazu Duff, Desert and Penance, S. 164 ff.; ders., Punishment, Retribution and Communication, S. 129 ff. 170

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Tadels durch das Übel der Strafe folgt, dass das Maß des Übels mit dem Maß des Tadels übereinstimmen muss. Denn ist die Strafe als tadelnde Institution für verwerfliches Verhalten geschaffen worden, dann muss die Strafe gerechterweise auch im Verhältnis zur Verwerflichkeit verhängt werden. 174 Dementsprechend bedingt ein Mehr an Tadel auch ein Mehr an Übel und ein Weniger an Tadel auch ein Weniger an Übel. 175 Der Grad der Tadelswürdigkeit oder des Unwertgehalts bestimmt die Schwere der Straftat, so dass der Grad des Strafwerts die Schwere der Straftat widerspiegelt. 176 Proportionalität kann als begrenzendes Prinzip aufgefasst werden, nach dem nur die Grenzen festgelegt werden können, wann Strafe nicht mehr verdient ist, 177 oder als bestimmendes Prinzip, mit Hilfe dessen das verdiente Maß der Strafe festgelegt werden muss. 178 Duff begreift Proportionalität vor dem Hintergrund der Betonung der Kommunikation und Buße als begrenzendes Prinzip, mit der Maßgabe, dass sie nach oben nicht überschritten, sehr wohl aber nach unten unterschritten werden kann. Da von Hirsch nur die Kommunikation des Unrechts anstrebt und die Macht des Staates darauf beschränkt, ist für ihn Proportionalität ein bestimmendes Prinzip, denn Strafe soll nur den verdienten Tadel zum Ausdruck bringen. 179 Damit diese Bestimmung gelingen kann, wird die Proportionalität in eine ordinale und eine kardinale Betrachtung aufgespaltet. 180 Die ordinale Proportionalität setzt die Tat ins Verhältnis zu anderen Straftaten des gleichen Straftatbestandes oder anderen Straftatbeständen. Das Ins-Verhältnis-Setzen zum Tadel der anderen Straftaten gelingt nur, wenn die ordinale Proportionalität drei Anforderungen genügt: Erstens muss sie der Gleichheit verpflichtet sein, um gleiche Strafzumessungsfälle gleich und ungleiche Strafzumessungsfälle ungleich zu behandeln. Zweitens muss die Rangfolge der Strafen im Gesetz (und damit auch die Strafen selber) der Schwere der Delikte entsprechen, denn nur dann drückt sich in den Strafen auch die Tadelswürdigkeit aus. Drittens muss die Rangfolge den Delikten untereinander genügend Raum lassen, um die unterschiedliche Tadelswürdigkeit 174

Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 15. Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 12; Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 29. 176 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 59; Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 29. 177 Siehe zum „limiting retributivism“ Morris, N., Desert as a Limiting Principle, S. 180 ff.; Morris, N., Madness and the Criminal Law, S. 178 ff.; vgl. auch Frase, Crim. & Just. 22 (1997), S. 363 ff.; ders., Limiting Retributivism, S. 135 ff. m.w. N. und Tonry, Proportionality, parsimony, and interchangeability of punishments, S. 59 ff., insbesondere 64 ff. m.w. N. 178 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 60 f. 179 Vgl. näher Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 42 ff.; ders., Punishment, Retribution and Communication, S. 132. 180 Vgl. näher von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 25 ff.; Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 29 ff. 175

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

auch im Einzelfall erfassen zu können. 181 Die kardinale Proportionalität hingegen versucht, die Frage zu beantworten, wie die Verhältnisse der ordinalen Proportionalität insgesamt im Strafsystem (und damit auch im einzelnen Straftatbestand) verankert werden können. 182 Die Antwort kann aber nicht abstrakt aus sich heraus gegeben werden, da der Grad des Tadels, der sich in der Übelzufügung ausdrückt, auf der Konvention beruht, die sich die tadelnde Gemeinschaft in der Strafskala gegeben hat. Verändert sie die Strafskala im Strafsystem (und damit auch im Straftatbestand), verändert sie auch diese Konvention und damit den Grad des Tadels. 183 Die Konvention muss aber stets den Straftäter noch als Menschen und moralisch Handelnden anerkennen, der dem Tadel zugänglich ist. Je mehr das Gewicht vom Tadel zur Abschreckung verschoben wird, desto stärker wird dem Straftäter das Menschsein abgesprochen und der Täter als Untier behandelt. Harte Strafen stehen der Kommunikation entgegen. 184 Eine Konvention, die dies missachtet, läuft Gefahr, dass das Übel den Tadel „ertränkt“ und den Grund der Strafe aufgibt. 185 Ist die Konvention aber einmal belegt, so ist die Strafzumessung auf der Grundlage der ordinalen Proportionalität an der relativen Schwere der Straftat auszurichten. 186 Die Schwere der Straftat wird dabei im Wesentlichen durch den Grad der Schädlichkeit und der Vorwerfbarkeit des Verhaltens bestimmt. 187 Findet die Vorwerfbarkeit Bezugspunkte im materiellen Strafrecht, ist der Bezug zur Schädlichkeit darüber hinaus herzustellen, denn das materielle Strafrecht setzt die unterschiedlichen, durch die Rechtsgüter geschützten Interessen nicht nach Schadensgraden gestaffelt ins Verhältnis. 188 Sind die beeinträchtigten Interessen gleich, folgt der Schaden hauptsächlich dem Umfang der Beeinträchtigung. 189 Sind die beeinträchtigten Interessen ungleich, ist die Bestimmung des Schadens ungleich schwerer. 190 Jareborg und von Hirsch wollen 181 Vgl. näher dazu von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 62 f. 182 Vgl. näher zur Verankerung Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 30 f. 183 Vgl. näher dazu von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 63 f.; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 25. 184 Vgl. näher dazu Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 31. 185 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 56 und 65; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 25 f. 186 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 27. 187 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 66; von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 43; vgl. auch Tonry, Proportionality, parsimony, and interchangeability of punishments, S. 66. 188 Vgl. von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 66 f. 189 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 45. 190 Vgl. näher dazu Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 33 f.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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den Schaden aufgrund der Beeinträchtigung der Lebensqualität kategorisieren. Die Schäden werden in der Beeinträchtigung des Lebensstandards erkannt und nach ihrer typischen Auswirkung in eine Ordnung gebracht. 191 Duff sieht allerdings in der Zusammenfassung einer Liste von standardisierten Interessen und Hierarchien des Lebensstandards die Gefahr der Generalisierung, die die Straftaten und die moralische Vorstellung von Unrecht entkoppeln. 192 Ist die Strafschwere aber verhältnismäßig zur Tatschwere und ist die Tatschwere abstufbar, muss auch die Strafschwere abstufbar, vor allem aber auch vergleichbar sein. Einzelheiten der Bewertung sind auch hier offen. 193 (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Können die beiden zentralen Aussagen des kommunikativen Retributivismus, nämlich die Rechtfertigung der Institution Strafe und die daraus folgende Tatproportionalität, auf das Völkerstrafrecht übertragen werden? Die Rechtfertigung der Institution Strafe stützt sich auf der einen Seite auf die Missbilligung oder den Tadel und auf der anderen Seite auf die Abschreckung der Allgemeinheit oder die angemessene säkulare Buße. Dem ersten Aspekt der Rechtfertigung könnte die Funktion des Völkerstrafrechts zur Durchsetzung der Völkerrechtsordnung entgegenhalten werden, denn die Missbilligung ist rückwärtsgewandt, die Durchsetzung der Rechtsordnung hingegen zukunftsgewandt. Dies stellt aber nur dann einen Widerspruch dar, wenn man die Funktion des Völkerstrafrechts tatsächlich als zweckbezogen versteht und fordert, dass sich der Zweck des Völkerstrafrechts auch im Zweck der Völkerstrafe widerspiegeln muss. 194 Ein solches Verständnis ist aber nicht zwingend. Denn zum einen kann der Strafe die Durchsetzung des Rechts auch zugeschrieben werden, wenn sie als Antwort auf den Rechtsbruch aufgefasst wird, die den Rechtsbruch zur Erhaltung der Rechtsordnung tadelt. Zum anderen ist die Missbilligung im Maß des Unrechts, also im Verhältnis zu dem Mehr oder Weniger der Infragestellung der Rechtsordnung, die natürliche Reaktion auf das Maß des Rechtsbruchs, ohne dass es dafür der Zweckbegründung der Strafe bedürfte. 195 Dem zweiten Aspekt der Rechtfertigung der Strafe durch die allgemeine Abschreckung oder die säkulare Buße 191 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 44 ff.; näher dazu von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 67 ff.; von Hirsch, Seriousness, Severity and the Living Standard, S. 143 ff.; vgl. auch Ashworth, Sentencing and Criminal Justice, S. 104 ff. 192 Vgl. näher dazu Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 34. 193 Vgl. Duff, Was ist Tatproportionalität und warum ist diese Prinzip wichtig?, S. 35 f.; von Hirsch, Begründung und Bestimmung tatproportionaler Strafen, S. 70 f.; vgl. auch Tonry, Proportionality, parsimony, and interchangeability of punishments, S. 68 ff. 194 Vgl. Streng, Kommentar zu „Kriterien für die Herstellung von Tatproportionalität“, S. 129.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

könnte die makrokriminelle Struktur der Verbrechen des Völkerstrafrechts entgegenstehen. Zumindest für den Gedanken der allgemeinen Abschreckung sind Zweifel angebracht, denn – wie noch näher im Rahmen der Prüfung der negativen Generalprävention aufgezeigt wird – es besteht beim makrokriminellen Führungstäter zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er das Strafverfolgungsrisiko in sein Kalkül einbeziehen wird, beim makrokriminellen Gefolgschaftstäter ist diese Wahrscheinlichkeit aber gering. Hingegen lässt sich der Gedanke der säkularen Buße besser ins Völkerstrafrecht übertragen, denn die Aufarbeitung des Konflikts durch Wahrheitsfindung im Verfahren und durch Zufügung der verdienten Strafe 196 entzieht einem Leugnen den Boden und erkennt das Leid der Opfer ebenso an wie sie individuelle Verantwortlichkeit zuweist. 197 Wird der Gedanken akzeptiert, dass damit auch die Möglichkeit des Menschen zur Buße eröffnet ist und dies Strafe rechtfertigen kann, kann dies auch das Übel im Völkerstrafrecht rechtfertigen, denn die Fähigkeit zur Erkenntnis und Buße ist im Menschsein angelegt und unabhängig von methodischen oder kriminologischen Unterschieden zwischen nationalem Strafrecht und Völkerstrafrecht. Die Rechtfertigung der Strafe kann im Völkerstrafrecht noch aus einem anderen Grund unter Zugzwang geraten. Denn liegt der Grund für Strafe in der Kommunikation der Missbilligung oder des Tadels über den Rechtsbruch, stellt sich die Frage, ob es denn dieser Kommunikation im Völkerstrafrecht überhaupt bedarf, wenn angenommen wird, dass die im Raum stehenden Menschheitsverbrechen des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und (nicht ganz so deutlich) der Kriegsverbrechen doch klare Verstöße gegen die Menschenrechte begründen, die jedem ohnehin bekannt sind. 198 Dennoch wird ein Wert der Kommunikation erkannt werden können. Er liegt in der Erinnerung an Bekanntes und bestätigt das Wissen um die Unrechtmäßigkeit des Handelns, damit von den Kernverbrechen Abstand genommen wird. 199 Hingegen erscheint die Rechtfertigung der Tatproportionalität im Völkerstrafrecht auf den ersten Blick nicht möglich zu sein. Denn wie sollte Strafe jemals einen Ausgleich für Menschheitsverbrechen darstellen können? Ihr vertyptes Un195 Vgl. Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 224 f.; Frisch, Einleitung – Hintergrund, Grundlinien und Probleme der Lehre von der tatproportionalen Strafe, S. 7. 196 Zur Rechtfertigung der Strafe aus dem Gedanken der Aufarbeitung des Konflikts vgl. Jäger, KritV 76 (1993), S. 272. 197 Vgl. zur Rechtfertigung der Strafe im Völkerstrafrecht aus der Anerkennung des Leids der Opfer und der Zuweisung individueller Verantwortlichkeit Werle, ZStW 109 (1997), S. 822 f.; ähnlich auch Neubacher, NJW 59 (2006), S. 969, der den Zweck der Strafe im Völkerstrafrecht in der Dokumentation historischer Fakten und der Solidarität mit dem Opfer sieht. 198 Vgl. Tallgren, EJIL 13 (2002), S. 580. 199 Vgl. zur Kommunikation von Bekanntem von Hirsch, Censure and Sanctions, S. 11.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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recht erscheint zu groß, als dass es tatsächlich ausgeglichen werden könnte. 200 Ein zweiter Blick lässt aber auch andere Antworten zu. Denn die Tatschwere wird durch den Grad des Schadens und das Maß der Vorwerfbarkeit gebildet. Zwar steht zu vermuten, dass bei den makrokriminellen Straftaten der immaterielle und materielle Schaden für die durch das Völkerstrafrecht geschützten Rechtsgüter immens ist, da diese Straftaten zugleich Teil und Produkt des gestörten gesamtgesellschaftlichen Kontextes sind, aber trotz des Schadens mag das Maß der Vorwerfbarkeit geringer sein, es mithin einen Unterschied zwischen dem allgemeinen Unwertgehalt der Menschheitsverbrechen und der besonderen Vorwerfbarkeit dieses Unwerts geben. 201 Die Diskrepanz des Ausgleichs ist auch auf der Ebene des nationalen Strafrechts zu erfahren, zwar nicht so stark, aber eben doch. Denn auch hier kann beispielsweise ein Mord nicht angemessen ausgeglichen werden. Dennoch wird auch hier der Schuldausgleich oder die verdiente Strafzumessung für möglich gehalten. Warum dann nicht auch im Völkerstrafrecht? Dass der Ausgleich möglich ist, liegt darin begründet, dass eine proportionale Strafe nicht unbedingt eine wertgleiche Strafe sein muss. Verdient ist also nicht das, was der Tatschwere eins zu eins entspricht, sondern nur das, was zur Tatschwere proportional ist. Das Proportionale bestimmt sich aber durch eine zuvor getroffene Vereinbarung oder Konvention, was denn die angemessene Strafe für eine bestimmte Tatschwere ist. Diese Übereinkunft ist auch auf der Ebene des Völkerstrafrechts zu treffen und durch die Unterscheidung der Kernverbrechen im ICC-Statut auch angelegt. 202 Indem das ICC-Statut dem Unwert der Völkerverbrechen zeitige oder lebenslange Strafandrohung entgegenhält, zeigt es eine Konvention auf, die einen Ausgleich für möglich hält. Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Gedanken der Gerechtigkeit, der die Straftheorien des „just deserts“ trägt. Denn wie gesehen ist die Gerechtigkeit durch die Gleichbehandlung charakterisiert, also Gleiches gleich und Ungleiches ungleich im gleichen Maße zu behandeln. Der Maßstab für die Gleichbehandlung, hier die Konvention der Strafe, ist aber außerhalb der Gleichheit und damit der Gerechtigkeit zu suchen. Eine Strafe, die mild oder scharf ist, kann immer noch gerecht sein. Dem Einwand, dass dieser Ausgleich in Hinblick auf zeitige Freiheitsstrafen möglicherweise nicht hart genug bemessen ist, kann ebenfalls mit dem Hinweis auf die kommunikativen Just-deserts-Theorien entgegengetreten werden. Denn die Kommunikation, dass der Straftäter ein Unrecht begangen hat und dieses 200 Vgl. Ambos / Steiner, JuS 41 (2001), S. 12; Jäger, KritV 76 (1993), S. 270; Tallgren, EJIL 13 (2002), S. 583. 201 Vgl. aber Neubacher, NJW 59 (2006), S. 968, der dies als Argument gegen die tatproportionale Ausrichtung der Strafe ins Felde führt; siehe ausführlich zum Streit um die individuelle Zurechenbarkeit von Makroverbrechen Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 315 ff. 202 Siehe dazu näher S. 539 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Unrecht zu missbilligen ist, will nur gelingen, wenn man den Straftäter als moralisch Handelnden begreift und ihm sein Menschsein belässt. Das setzt aber voraus, dass das Übel die normativen Gründe für die Strafe nicht gänzlich in den Hintergrund drängt. Ein Übel, das dem Menschen nicht auch eine Fehlbarkeit und einen durch die Menschenwürde begrenzten Rechtsgutsverlust zugutehält, verdrängt den primär angestrebten Sinn der Strafe als Kommunikation eines Tadels. Da die Grundaussagen der betrachteten Just-deserts-Theorien auf das Völkerstrafrecht übertragbar sind, d. h. die Rechtfertigung der Strafe durch Kommunikation von Missbilligung und Tadel und das Maß der Strafe durch Tatproportionalität durch die Eigenarten des Völkerstrafrechts nicht gehindert sind, ist es auch deren weitere Konkretisierung durch die ordinale und kardinale Proportionalität nicht. 203 Den Eigenarten des Völkerstrafrechts lassen sich keine Aussagen zur rechtspraktischen Umsetzung der Tatproportionalität entnehmen. Mag diese Umsetzung auch in der Rechtspraxis im Völkerstrafrecht mit Schwierigkeiten behaftet sein, so ist sie dennoch rechtlich möglich. b) Präventive Theorien der Generalprävention aa) Positive Generalprävention (1) Wesentliche Aussagen der Theorien In der positiven Generalprävention wird die Strafe nicht mit Bezug auf die metaphysische Nicht-Welt, sondern insofern mit Bezug auf die physische Welt erklärt, als Strafe die Bedingung der sozialen Interaktion oder der sozialen Kontrolle schützt. Die positive Generalprävention ist allgemein gültig, weil sie sich an die Allgemeinheit der Rechtsgemeinschaft richtet und davon ausgeht, dass durch die Tat alle mitbetroffen sind; 204 sie ist positiv, weil sie nicht durch Abschreckung, sondern durch Einsicht auf die Allgemeinheit einwirken will, nämlich durch die Einsicht in die berechtigte Norm und ihre Geltung. 205 Denn begreift man das Strafrecht als die öffentliche Manifestation von Verhaltensgeboten, welche wesentliche Rechtsgüter sichern und das Zusammenleben in einer freiheitlichen Rechtsgemeinschaft ermöglichen, so muss das Verneinen der Verhaltensgebote durch die Straftat auch im Namen der Allgemeinheit zurückgewiesen werden. Denn nur so vermag das Verhaltensgebot in der Rechtsgemeinschaft für die Rechtsgemeinschaft auch in der Zukunft bestehen. 206 Vor 203

Vgl. auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 53 f. Vgl. Hassemer, ZRP (1997), S. 318. 205 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 13 f., Rn. 22; Radtke, in: MüKo StGBKommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 34. 206 Vgl. Hassemer, ZRP (1997), S. 318 f. 204

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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dem Hintergrund der staatspolitischen Rechtfertigung des Strafrechts wird in der Rechtsprechung in Deutschland die Strafe daher ebenfalls mit der Durchsetzung des Rechts gerechtfertigt, indem die Rechtsprechung von der „Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung“ 207 spricht oder ausführt, dass „das Recht gegenüber dem vom Täter begangenen Unrecht durchzusetzen“ 208 sei. Das Recht einer Rechtsordnung dient aber der Rechtsgemeinschaft, so dass folglich das Unrecht das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in das Recht schmälert. Von dieser Seite betrachtet dient Strafe daher „der Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung“ 209 und damit der „Rechtstreue der Bevölkerung“. 210, 211 Auch in der Literatur wird die positive Generalprävention vertreten. 212 Sie konkretisiert die Gedanken der Rechtsprechung insofern, als sie etwa die Normen bzw. die Normabweichung zum Mittelpunkt der Überlegungen macht. 213 Letztgenannter Ansatz wird etwa von Jakobs vertreten, dessen Rechtfertigung der Strafe in der Systemtheorie und im symbolischen Interaktionismus verwurzelt ist, oder von Hassemer, der die positive Generalprävention aus der Strafrechtstheorie einer sozialen Kontrolle entwickelt. Beide Ansätze werden im Folgenden als exemplarisch für die positive Generalprävention in ihren Grundzügen dargestellt: (a) Notwendigkeit sicherer Normengeltung Jakobs stellt die „Notwendigkeit sicherer Normengeltung“ 214 in den Vordergrund. Der Mensch bedarf zur sozialen Orientierung der Regelmäßigkeit der sozialen Kontakte. Wird die Erwartung an den sozialen Kontakt enttäuscht, so entsteht ein Konflikt, der bereinigt werden muss. 215 Die Erwartung aus den sozialen Kontakten erstreckt sich auch auf Normen, die im Umgang mit dem Recht vorkommen und den Regeln des Rechts folgen. Diese müssen aufgrund ihrer formellen Geltung (nicht aufgrund ihres Wertgehalts) im Konfliktfall gegenüber

207

BVerfGE 45, 187 (256). BVerfGE 45, 187 (256). 209 BGHSt 24, 64 (66). 210 BVerfGE 45, 187 (256). 211 Siehe zur Rechtsprechung auch Prittwitz, Strafrecht und Risko, S. 214 f.; Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 288; ausführlich Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 817 ff. 212 Vgl. die Auflistung bei Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 13, Rn. 22 in Fn. 59, oder die Nachweise bei Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 178 ff. 213 Vgl. auch Hörnle / von Hirsch, Positive Generalprävention und Tadel, S. 83. 214 Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 6, Rn. 4. 215 Vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 6, Rn. 4. 208

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

der Enttäuschung Bestand haben. 216 Sie können entgegen der durch die Straftat geschaffenen Fakten dadurch Bestand haben, dass im Konfliktfall „nicht die Erwartung des Enttäuschten, sondern der Normbruch des Enttäuschenden als der maßgebliche Fehler definiert wird.“ 217 Strafe vermittelt dem Straftäter und vor allem der Gesellschaft, dass die Tat des Täters der Norm widerspricht und die Strafe die Norm bestätigt. 218 Für Jakobs wird Strafe damit durch „Generalprävention durch Einübung der Normanerkennung“ gerechtfertigt. 219 Da eine Gesellschaft durch ihre Normen konstituiert ist, sichert die Strafe die (unveränderte) Identität einer Gesellschaft. 220 Denn in der Bestätigung der Norm liegt auch die Bestätigung der Gesellschaft. Für Jakobs ist diese Bestätigung der Identität empirisch nicht fassbar, da sie die Bedeutung der Strafe umschreibt, aber nicht die Folge. 221, 222 (b) Soziale Kontrolle und Bestätigung sozialer Normen Ausgehend von der Funktion des Strafrechts knüpft Hassemer die Rechtfertigung der Strafe an die Instrumente und Prozesse der sozialen Kontrolle an. Als „soziale Kontrolle“ bezeichnet Hassemer die „unverzichtbare Grundbedingung unseres vergesellschaftlichten Zusammenlebens“, die geprägt sei durch soziale Normen, Sanktion und Kontrollverfahren. 223 Soziale Normen sind Verhaltensweisen, die unseren Alltag beherrschen und mannigfach und unbewusst unser tägliches Leben begleiten. 224 Verletzen wir diese Normen, so werden wir ebenso zahlreich und facettenreich für diesen Normbruch sanktioniert. 225 Die Sanktionen für den Normbruch erklären sich nur durch den Hinweis auf die sie ahndenden Normen: „Soziale Sanktionen erhalten ... ihren Sinn erst durch ihren Bezug auf soziale Normen. Das Übel, das sie realisieren, hat Anlass und 216

Vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 7, Rn. 5; vgl. auch Lesch, JA 26 (1994), S. 597; vgl. auch Hörnle / von Hirsch, Positive Generalprävention und Tadel, S. 84. 217 Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 7, Rn. 6. 218 Vgl. Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 844; vgl. auch Lesch, JA 26 (1994), S. 598. 219 Vgl. näher die Zusammenfassung bei Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 13 f., Rn. 15. 220 Vgl. Jakobs, ZStW 107 (1995), 844 ff. 221 Vgl. Jakobs, ZStW 107 (1995), 844 f.; aber Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 230 ff. 222 Siehe zur Nähe der Überlegungen Jakobs zu den retributiven Straftheorien Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 220; Kritik übt z. B. Roxin, SchwZStr 104 (1987), S. 364 ff. 223 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316 ff.; Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 289 und 159 ff. 224 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316 f. mit Beispielen sozialer Normen. 225 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316 f. mit Beispielen sozialer Sanktionen.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Grund: die Abweichung von der sozialen Norm, die Normverletzung ... [A]us dem Zusammenhang heraus aber wird sie verstehbar als finales, als zielgerichtetes Handeln, als Handeln im sozialen Sinn. Dieser Sinn richtet sich auf die Norm; die Sanktion bestätigt die Norm, stabilisiert sie als kontrafaktische Verhaltenserwartung, schleift sie ein.“ 226 Die Ahndung des sozialen Normbruchs erfolgt dabei durch ein bestimmtes Ritual oder durch soziale Abläufe, dem Kontrollverfahren. 227 Diese Phänomene der sozialen Kontrolle lassen sich nun auf das Strafrecht übertragen. Genau so, wie soziale Normenbrüche durch soziale Sanktionen geahndet werden, dient Strafe der Ahndung von Verstößen gegen das Strafrecht, und genau so, wie die soziale Sanktion ihre Berechtigung nur aus der ihr zugrunde liegenden Norm gewinnt, erschließt sich die strafrechtliche Sanktion nur aus dem hinter ihr stehenden Strafrecht. Die Sanktion bestätigt die soziale Normen, die Strafe die strafrechtlichen Normen. 228 Die strafrechtlichen Normen umfassen für Hassemer nicht nur die Verhaltensgebote des Strafgesetzbuches, sondern auch die Normen des Strafverfahrensrechts und strafrechtlichen Verfassungsrechts. 229 Als Teil der sozialen Normen unterliegt das Strafrecht aber auch den Bedingungen der sozialen Normen und ist kein isoliertes Phänomen. 230 Strafrecht und soziale Kontrolle stehen in einem Wechselverhältnis: Zum einem wird Strafrecht durch die sozialen Normen bestimmt, zum anderen beeinflusst das Strafrecht die sozialen Normen. 231 Strafrecht ist somit Teil der sozialen Kontrolle, und die Bestätigung der Rechtsnormen ist zugleich Bestätigung sozialer Normen. Strafrecht formalisiert die soziale Kontrolle, gibt so Orientierung und ruft zur Zurückhaltung und Mäßigung bei der Strafe auf. 232 So betrachtet kommt der Strafe einerseits die Aufgabe zu, „fundamentale Normen öffentlich zu behaupten und zu sichern“, und andererseits, dem „Muster humanen Umgangs mit Abweichung“ zu entsprechen. 233 Dies wird dadurch erreicht, dass Überlegungen der Normanerkennung mit Überlegungen der Verhältnismäßigkeit aus der Tatvergeltung 234 und der Spezialprävention kombiniert werden. 235, 236

226

Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 317. Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 317 f. mit Beispielen des Kontrollverfahrens. 228 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 318 ff. 229 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 326.; ders., ZRP (1997), S. 319; ders., Variationen der positiven Generalprävention, S. 44 f. 230 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 318 ff. 231 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316. 232 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 320 ff. 233 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 326 f.; zu möglichen anderen Interpretationen Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 225 f. 234 Siehe zur Nähe der Überlegungen Hassemers zu den retributiven Straftheorien Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 221; vgl. zur Verzahnung von Gerechtigkeit und Normbestätigung auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 14, Rn. 23. 227

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

(c) Integrationsprävention Rechtsprechung und Literatur unterstreichen im Rahmen der positiven Generalprävention vor allem die integrative Wirkung der Strafe für die Allgemeinheit. Strafe zur Verteidigung der Rechtsordnung schaffe vor allem Einsicht in die Rechtsnorm und bewirke so „Rechtstreue“ oder „Rechtsfrieden“ in der Rechtsgemeinschaft. 237 Dies könne aber nur dann gelingen, wenn die Strafe mit dem Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit im Einklang stehe, da nur eine solche Strafe das Rechtsbewusstsein stärken und stabilisieren könne. 238 Dafür ist vonnöten, das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit zu erfassen. Das Rechtsbewusstsein ist zwar durch den Rechtsgutschutz und das Gewicht des Rechtsgutes, wie es im Straftatbestand und der Strafdrohung zum Ausdruck kommt, vorgezeichnet, beruht aber nicht allein auf rechtlichen Normen, sondern auch auf weltanschaulichen, sittlichen oder sozialen Normen etc. 239 Je geringer die Gemeinsamkeiten in der Rechtsgemeinschaft sind, desto geringer ist auch die Wirkung, die von der Strafe zur Stärkung und Stabilisierung der Norm und damit zur Verteidigung der Rechtsordnung ausgeht. Im Einklang mit dem Rechtsbewusstsein steht die Strafe dann, wenn auf eine in den Augen der Rechtsgemeinschaft gerechte Strafe entschieden wird. 240 Unabhängig von der Bedeutung, die dem Begriff der Gerechtigkeit beigemessen wird, 241 bedingt dies zumindest die Möglichkeit, die Strafe gleich bzw. ungleich zuzumessen. Da das gleiche Maß aber Voraussetzung der Integrationsprävention ist, kann die Integrationsprävention das Maß selbst nicht bestimmen. Durch die Übereinstimmung der Strafe mit dem Rechtsbewusstsein der Rechtsgemeinschaft entsteht eine Wechselwirkung zwischen Strafe und Norm. Denn es wird zum einen die Strafe zugemessen, die die Rechtsgemeinschaft geurteilt sehen möchte; zum anderen ermöglicht die akzeptierte Strafe die Anerkennung der Norm, wegen der gestraft wird. Diese Wechselwirkung 235

Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 327; Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 288 ff.; vgl. auch Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 228 f. 236 Vgl. zur Begrenzung der Schuldstrafe durch präventive Notwendigkeit Roxin, SchwZStr 104 (1987), S. 373 ff., insbesondere 375 f. 237 Vgl. Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 819 f.; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 80 f., § 3, Rn. 26 f. m.w. N, der nach Lerneffekt, Vertrauenseffekt und Befriedungseffekt unterscheidet. 238 Vgl. Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 819 f. 239 Vgl. Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 822; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 325 f. 240 Vgl. Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 823; Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 702 und 709; Hörnle / von Hirsch, Positive Generalprävention und Tadel, S. 85, in Fn. 17 m.w. N. 241 Zu den damit verbundenen Vorbedingungen in der Rechtsgemeinschaft MüllerDietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 820 f.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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tritt aber nur dann ein, wenn Strafrecht und Urteil in der Rechtsgemeinschaft kommuniziert werden. 242 Neben technischen Notwendigkeiten spielen hier Mechanismen der Wahrnehmung und Deutung eine entscheidende Rolle. 243 In der Ausrichtung der positiven Generalprävention auf die Allgemeinheit besteht bei allen Ansätzen die Gefahr, den Einzelnen als Sache zu behandeln und nicht als Menschen. Denn es wird dem Verurteilten ein Übel auferlegt zum Wohle der Allgemeinheit, insofern als die Verurteilung das Mittel zum Zweck der Normanerkennung nicht durch den Verurteilten, sondern durch die Allgemeinheit ist. 244 Ob darin ein Verstoß gegen die Menschenwürde zu sehen ist, hängt letztlich vom Verständnis der Menschenwürde ab. 245 Darüber hinaus vermag eine mehr als angemessene Strafe einen zusätzlichen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen; dies, wie gesehen, aber nur, wenn die Strafe gänzlich unverhältnismäßig und damit willkürlich ist. Diese Gefahr ist aber begrenzt, wenn akzeptiert wird, dass eine Normanerkennung am besten durch eine gerechte und damit verhältnismäßige Strafe erreicht wird.

242

Vgl. auch Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 22. Vgl. dazu näher Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 825 m.w. N. 244 Vgl. Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 47 f. und 51; Lesch, JA 26 (1994), S. 518; Hassemer, Variationen der positiven Generalprävention, S. 37; Hörnle / von Hirsch, GA (1995), S. 269, Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 137 f. m.w. N. 245 Siehe die Gründe des Nichtannahmebeschlusses des BVerfG vom 09. 03. 1992, BvR 237/92, in denen es unter 1. heißt: „... Es verstößt weder gegen Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen Art. 1 Abs. 1 GG, daß die Strafgerichte bei der aufgrund des § 56 Abs. 3 StGB getroffenen Entscheidung, im Ausgangsfall gebiete die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe, die möglichen Auswirkungen einer Strafaussetzung auf das Rechtsbewußtsein und die Rechtstreue der Bevölkerung im Rahmen einer Gesamtwürdigung der die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände des Falls entscheidungstragend berücksichtigt haben. Generalpräventive Strafzwecke sind verfassungsrechtlich zulässig und dürfen daher entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auch in dem durch den Begriff der „Verteidigung der Rechtsordnung“ bezeichneten Umfang auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB zur Geltung gebracht werden. Durch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung um des Bestands der Rechtsordnung willen wird der Täter nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs; ... Da von der Straftat vom Täter zu verantwortende Auswirkungen auf die Rechtsgemeinschaft und das allgemeine Rechtsbewußtsein ausgehen, denen das Strafrecht entgegenwirken soll, verstößt es weder gegen die Menschenwürde noch gegen den Grundsatz schuldangemessenen Strafens, bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung auch die Auswirkungen mitzubedenken, die eine Strafaussetzung im Einzelfall auf das allgemeine Rechtsbewußtsein und die Rechtstreue der Bevölkerung haben kann.“ (Verweise ausgelassen) 243

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

(d) Gemeinsame methodische Voraussetzungen Diesen unterschiedlichen Ansätzen der positiven Generalprävention ist gemein, dass sie nur greifen können, wenn wenigstens drei Grundvoraussetzungen erfüllt sind: Zunächst kann sich ein Normbewusstsein in der Rechtsgemeinschaft nur dann herausschälen, wenn die Normen auch in der Rechtsgemeinschaft vermittelt werden. 246 Soll diese Vermittlung durch Strafrecht und Strafe erfolgen, so bedarf es der Kenntnis von Strafdrohung und Strafzumessung und ihrer insbesondere generalpräventiven Umstände mit der Zusicherung, dass diese Entscheidung zumindest exemplarisch für die Zukunft Bestand haben wird. 247 Wird akzeptiert, dass strafrechtliche Normen in soziale Normen eingebettet sind, hat das zur Folge, dass auch das Normenverständnis nicht bei allen in der Rechtsgemeinschaft gleich ist, da unterschiedliche Bezugsgruppen unterschiedliche soziale Normen aufweisen. 248 Erschwerend kommt hinzu, dass die Vermittlung der Verhaltensgebote durch Strafdrohung und Strafzumessung nicht nur durch die Urteile erfolgt, sondern durch andere Vermittlungsinstanzen wie Medien und Literatur, die die Normen nach ihren Voraussetzungen überformen und damit verändern und nur zu einer mittelbaren Wirkung der strafrechtlichen Norm führen. 249 Die positive Generalprävention setzt weiter voraus, dass Personen oder Personengruppen auch durch Überlegungen der positiven Generalprävention motiviert werden können, die Norm zu befolgen bzw. dass das Verhaltensgebot des Strafrechts auch zu einer Verhaltensstabilisierung bzw. Verhaltensänderung und damit letztlich zur Rechtstreue führt. 250 Denn kann dieses Ziel nicht erreicht werden, kann die positive Generalprävention auch nicht den Eingriff der Strafe in die Rechtsgüter des Verurteilten rechtfertigen. Insofern besteht eine Abhängigkeit der Legitimität der Strafe von der Effektivität der Strafe für die Rechtsgemeinschaft. 251 Nun ist es aber nicht so, dass sich jede Personengruppe im gleichen Maße durch die strafrechtlichen Verhaltensgebote motivieren ließe. 252 Denn manche Personengruppen setzen an die Stelle der strafrechtlichen oder gesellschaftlichen Normen eigene Normen, die sie als gleichwertig oder gar höherwertig erachten. 253 Die positive Generalprävention lässt sich zudem nur zutreffend anwenden, wenn 246 Vgl. Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, S. 41; ausführlich Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 311. 247 Vgl. Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 47 und 51. 248 Vgl. näher dazu Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 311 f. 249 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 312. 250 Vgl. Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, S. 42. 251 Vgl. näher Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, S. 39 und 49 ff. 252 Vgl. auch Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 47 f. und 51 m.w. N. 253 Vgl. näher dazu Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 312 ff.; kritisch zur Beeinflussung des Verhaltens durch Strafe Ashworth, Was ist positive Generalprävention? Eine kurze Antwort, S. 70 f.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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die Wirkungen von Strafe bekannt sind. Denn nur die richtige Einschätzung der durch bestimmte Strafdrohungen und Strafen ausgelösten Einwirkungen auf das Rechtsbewusstsein der Rechtsgemeinschaft kann zu einer zutreffenden Förderung der Rechtstreue führen. 254 Das vorhandene Wissen über die Wirkung der positiven Generalprävention ist aber noch lückenhaft und unzureichend, 255 insbesondere im Bereich von Strafart und Strafdauer. 256 (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Die Theorie der positiven Generalprävention beeinflusst neben der Strafartwahl vor allem die Strafdauer. Insbesondere soll die Strafe verhängt werden dürfen, die das Rechtsbewusstsein und die Rechtstreue am besten fördert. 257 Freilich lässt dies keinen Rückschluss auf das konkrete Strafmaß zu, da nicht belegt werden kann, welches Maß notwendig ist, um deutlich zu machen, dass das Recht trotz des Rechtsbruch weiter Bestand hat. 258 Da die Straftheorie die Strafe aber weder bestimmen noch begrenzen kann, 259 wird zuweilen die Lücke mit dem Verweis auf die schuld- oder unrechtsangemessene Strafe geschlossen und damit letztlich mit dem Verweis auf die absoluten Straftheorien. 260 Die Ausrichtung der Strafe an der positiven Generalprävention birgt zudem die Gefahr, dass in dem Wunsch nach Wahrung der Identität der Gesellschaft das für die Normanerkennung notwendige Maß verkannt und die Strafe übergebührlich hart verhängt wird. Strafe kann so in staatlichen Terror umschlagen. 261 Akzeptiert man aber die Ausrichtung der Strafe an der Gerechtigkeit, da nur eine gerechte Strafe mit dem Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit im Einklang 254 Vgl. Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, S. 42; kritisch von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 16 ff. 255 Vgl. Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 48 f. und 51 m.w. N.; Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 36 m.w. N.; Hassemer, Generalprävention und Strafzumessung, S. 42 ff.; Schumann, Empirische Beweisbarkeit der Grundannahmen von positiver Generalprävention, S. 17 ff. m.w. N.; Kuhlen, Anmerkungen zur positiven Generalprävention, S. 55 ff.; Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 134 f. 256 Vgl. Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 134 f. 257 Vgl. Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 132 f. m.w. N. 258 Vgl. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 881 m.w. N. in Fn. 72; Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 35. 259 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 23 f. 260 Vgl. Frisch, Schwächen und berechtigte Aspekte der Theorie der positiven Generalprävention, S. 134 f. m.w. N. 261 Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 83, § 3, Rn. 32; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 24.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

steht, 262 bedingt dies zumindest, dass der Unwertgehalt der Straftat und der Strafwert der Strafe nicht auseinanderfallen dürfen. 263 Damit begrenzt die positive Generalprävention aber nicht nur solche Strafen, die der allgemeinen Überzeugung von Gerechtigkeit entgegenstehen, mithin nach oben oder unten willkürliche Strafhöhen aufweisen, 264 sondern bestimmt auch eine möglichst verhältnismäßige Strafe. 265 Ein konkreter Maßstab der Verhältnismäßigkeit kann, wie bereits aufgezeigt, aus der Straftheorie der positiven Generalprävention bzw. der Integrationsprävention jedoch nicht entnommen werden. 266 (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Will man nun die betrachteten vielschichtigen Ansätze der positiven Generalprävention auf das Völkerstrafrecht übertragen, so geschieht dies am besten, indem man sich bei der Betrachtung auf die Grundaussagen und die methodisch zwingenden Voraussetzungen konzentriert: Sieht man den Ausgangspunkt der positiven Generalprävention in der Funktion des Strafrechts, so kann dieser Gedanke auch für das Völkerstrafrecht fruchtbar gemacht werden und zwar sowohl, wenn die Aufgabe des Strafrechts in der Durchsetzung des Rechts gesehen wird, als auch, wenn die Aufgabe des Strafrechts in der Bestätigung rechtlicher Normen bzw. der sozialen Kontrolle liegt: Die Verknüpfung mit der Durchsetzung des Rechts drängt sich besonders auf, da auch das Völkerstrafrecht der Durchsetzung des Völkerrechts dient. Dementsprechend ist anzunehmen, dass der Strafe im besonderen Maße dieser Schutz zukommt und sie die Verhaltensgebote des Völkerstrafrechts durchsetzt. So gewendet drückt sich in der Strafe der Wille der Völkergemeinschaft aus, das Völkerrecht gegen Unrecht zu verteidigen. Eine Verknüpfung mit der Normbestätigung bzw. Formalisierung der Kontrolle ist ebenfalls denkbar. Denn es ist gerade die Eigenart der Makrokriminalität des Völkerstrafrechts, die Machtstruktur einer Gesellschaft zu pervertieren und zu missbrauchen. Strafe, die der gestörten gesamtgesellschaftlichen Situation entgegentritt, greift in die soziale Struktur ein und bestätigt deren rechtliche Normen. Kern der positiven Generalprävention ist die Normbestätigung oder Normanerkennung. Werden durch die Straftat die Normen der Völkergemeinschaft in 262

Vgl. zu den Grundlinien eines solchen Arguments Kunz, ZStW 98 (1986), S. 831 ff., Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 709; hingegen kritisch von Hirsch / Hörnle, Positive Generalprävention und Tadel, S. 22 m.w. N. und 28; Fletcher, ZStW 101 (1989), S. 808 ff.; Tonry, Proportionality, parsimony, and interchangeability of punishments, S. 63 f. 263 Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 79 m.w. N. in Fn. 265. 264 Vgl. auch Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht, S. 825 f. 265 Vgl. zum Verhältnis von Zweck und Gleichheit Fletcher, ZStW 101 (1989), S. 812. 266 Vgl. Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 35.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Frage gestellt, so werden sie durch die Strafe bestätigt. Damit wird der Weltgemeinschaft die Unverbrüchlichkeit des Völkerrechts kommuniziert. Dies schafft Vertrauen und stärkt das Rechtsbewusstsein der Völkergemeinschaft. 267 Rechtstreue und Rechtsfrieden können die Folge sein. Dies bereitet im Völkerstrafrecht aber dann Schwierigkeiten, wenn man die durchzusetzende Norm als Teil der sozialen Normen begreift, denn diese unterliegen vielfältiger Instrumente, Prozesse und Abhängigkeiten. Diese Wechselbeziehung bringt es mit sich, dass Strafe nicht allein soziale Werte vermitteln und soziale Normen durchsetzen kann. Die Vergangenheit lehrt das Gegenteil, nämlich dass die Strafe allein zu schwach ist, um sich gegen entgegenstehende soziale Normen, Tabuschranken etc. durchzusetzen. 268 Dies muss auch im Völkerstrafrecht Berücksichtigung finden. Zu bedenken ist, dass das Normbewusstsein und damit auch das Normvertrauen im Völkerstrafrecht erst an seinem Anfang steht. Waren schon die „internationalen“ Prozesse im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg mit zu vielen Fragezeichen versehen, um in der Völkergemeinschaft bewusstseinsbildend zu wirken, so hat der zögerliche Umgang der Weltgemeinschaft mit den Menschheitsverbrechen in den Jahren danach ein Übriges getan, um das Normvertrauen zu erschüttern. 269 Allerdings hat die Weltgemeinschaft seit den Ad-hoc-Gerichtshöfen von Den Haag und Arusha wieder entschieden die Initiative ergriffen, um den durch das Völkerstrafrecht geschützten Normen und Werten zur Geltung zu verhelfen. Damit ging eine gewisse Beachtung der den Kernverbrechen zugrunde liegenden Normen einher. Diese hat auch durch die Schaffung des ICC zugenommen; sie ist aber nicht so vertieft und gefestigt, wie es bei Normen des nationalen Strafrechts der Fall ist. Da aber das Völkerstrafrecht seine Ziele nur dann umfassend erreichen kann, wenn die durch die Tatbestände des Völkerstrafrechts geschützten Normen Teil des alltäglichen Normbewusstseins sind, muss es Aufgabe sein, ein solches Normbewusstsein zwar nicht zu schaffen, so doch aber zu stärken. Aufgrund der Wechselbeziehung der sozialen Normen kann das Völkerstrafrecht demnach zwar nicht allein der Durchsetzung der völkerrechtlichen Normen dienen; 270 es kann aber diese doch stärken und so zur „Bewährung des Völkerrechts in der Rechtswirklichkeit“ 271 beitragen und hilfreich sein, „daß das Völkerrecht Recht ist und schließlich gegenüber dem Rechtsbrecher durchgesetzt wird“. 272 Da die Gesellschaft durch ihre Normen konstituiert wird, liegt in der Anerkennung der Norm auch die Anerkennung der Gesellschaft. So gewendet sichert 267

Vgl. auch Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 341 f.; Jäger, KritV 76 (1993), S. 271; Ambos, KritV 79 (1996), S. 366 f.; Ambos / Steiner, JuS 41 (2001), S. 12; Werle, ZStW 109 (1997), S. 821; Ostendorf, ZRP (1996), S. 467. 268 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 316. 269 Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 165. 270 Vgl. Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 346 f. 271 Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 195. 272 Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 195.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Strafe die (normative) Identität der Gesellschaft. 273 Führt das Völkerstrafrecht ebenfalls zur Anerkennung von Normen innerhalb der Gesellschaft, so lässt sich dies auf die Weltgemeinschaft beziehen oder auf die makrokriminelle Gesellschaft, die den Anlass für die Normbestätigung geboten hat (und wiederum Teil der Weltgemeinschaft ist). Im ersten Fall würde schon die Bildung einer Identität fehlgehen und damit auch keine unveränderte Identität erhalten werden, wenn die Weltgemeinschaft keine eigenständige Rechtsordnung aufweist, deren Identität mit Hilfe der Strafe gestärkt werden könnte. Im zweiten Fall würde eine unveränderte Identität nicht gesichert werden, wenn die Normen des Völkerstrafrechts nicht schon Teil der nationalen Rechtsordnung sind. Denn sind sie nicht deren Teil, bestätigt die Strafe auch nicht deren Normen, sondern eigene Normen, die damit zwangsweise in die Gesellschaft getragen werden und deren Identität ändern. 274 Damit wäre aber das Ziel der positiven Generalprävention verfehlt, da diese eine bestehende Identität nur vor einer Verletzung schützt, nicht aber die Bildung einer neuen Identität befürwortet. 275 Allerdings muss sich eine völkerrechtliche positive Generalprävention primär auf die Völkergemeinschaft und deren Identität beziehen und nur sekundär auf die Identität der nationalen Gesellschaft. Die Identität der Weltgemeinschaft ist aber durch die hinter dem Völkerstrafrecht stehenden völkerrechtlichen Normen der Menschenrechte zumindest mitgeprägt, wie die zahlreichen internationalen und regionalen Menschenrechtsinstrumente belegen. Diese Normen sind rechtlicher Natur und bilden in ihrer Gesamtheit eine völkerrechtliche Werteordnung. Die Menschenrechte sind aber ein Indiz für ein diesbezügliches Rechtsbewusstsein. Die Verkürzung auf das Völkerstrafrecht allein und ein diesbezügliches mangelndes Rechtsbewusstsein verkennt die Verankerung des Völkerstrafrechts in den Menschenrechten und ist abzulehnen. 276 Wählt man aber den Bezug auf die nationale Gesellschaft, so geht das vorgebrachte Argument dennoch fehl. Und dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen greift das zur Geltung und Wirkung der Menschenrechtsnormen im Kontext der Weltgemeinschaft Gesagte auch im Kontext der nationalen Gemeinschaft, da diese Teil der Weltgemeinschaft ist. Zum anderen sind die durch das Völkerstrafrecht geschützten rechtlichen Normen, nicht aber deren Rechtsfolgen, formal zwingende Normen des Völkerrechts (jus cogens) und daher von allen Rechtsordnungen zu beachten (erga omnes). D. h. sie sind als grundlegende Normen bereits Bestandteil der jeweiligen Rechtsordnungen, so dass auch deren Identität durch die Durchsetzung dieser Norm nicht verändert werden kann. Damit sind die völkerrechtlichen Rechtsnormen im Kernbereich der Men273 Vgl. Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 843 ff.: „Das Strafrecht bestätigt also gesellschaftliche Identität“ (S. 844). 274 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 518 m.w. N. 275 Vgl. zur Identität der Gesellschaft Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 843 ff. 276 Vgl. aber Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 519 f. m.w. N.

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schenrechte und damit des Völkerstrafrechts aber zum gleichen Teil wie die nationalen Rechtsnormen vom Rechtsbewusstsein umfasst. Die Tatsache, dass Menschheitsverbrechen begangen werden, kann nicht gegen, aber auch nicht für ein Rechtsbewusstsein ins Feld geführt werden, denn sind die begangenen Straftaten belegt, bleiben die nicht begangenen Straftaten im Dunkeln; es bedarf aber beider Zahlen, um den Erfolg des Rechtsbewusstseins in der Rechtstreue belegen zu können. Da auch in völkerstrafrechtlicher Anwendung der Einzelne dem Übel der Strafe für ein Ziel der Allgemeinheit unterworfen wird, besteht die Möglichkeit, dass die völkerrechtliche positive Generalprävention in ihrer Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt. Die Beeinträchtigung liegt dabei nicht im Übel an sich, sondern in dem mit dem Übel verbundenen Zweck. Denn dieser gibt der Strafe im Sinne der positiven Generalprävention sein Gepräge. Maßstab einer Überprüfung ist der Mindestgehalt der Menschenwürde im Völkerrecht. Dort wird die Freiheit in der Gleichheit begrenzt durch die Solidarität. Damit kann die durch die Menschenwürde im Völkerstrafrecht gewährte Freiheit als wertgemeinschaftsbezogen und weltgemeinschaftsgebunden verstanden werden, zumal gerade im Völkerstrafrecht hohe Rechtsgüter der Weltgemeinschaft geschützt werden. Ziele der Weltgemeinschaft können also noch vom Begriff der Menschenwürde erfasst werden. Dies aber nur, solange der Mensch in seiner Eigenständigkeit als Person gewahrt bleibt. Zum einen folgt daraus, dass auch in der Weltgemeinschaft jeder Einzelne als gleichberechtigtes Mitglied mit Eigenwert anerkannt werden muss. Das Menschsein wird dem Verurteilten durch eine Begründung der Normanerkennung nicht abgesprochen, da dadurch weder die physische noch die psychische Integrität beeinträchtigt wird. Zum anderen folgt daraus die Anerkennung des Einzelnen als selbstverantwortliche Person. Die Persönlichkeit wird in ihrem Kernbereich aber nicht mehr gewahrt, wenn der Täter gezwungen wird, mithin gegen seinen Willen über ihn verfügt wird. Der Zweck verfügt aber nicht, sondern nur das Übel. Ist das Übel aber durch die Straftat gerechtfertigt, so ist auch das Handeln gegen den Willen gerechtfertigt, und in der Strafe kann kein Würdeverstoß liegen. Ist das Übel aber nicht durch die Straftat gerechtfertigt, wird die Strafe nur noch wegen des Zwecks aufrechterhalten. Da dieser Zweck aber nicht auf den Straftäter gerichtet ist, sondern auf andere, zwingt die Strafe den Willen des Straftäters nicht um seiner selbst willen. Der Verstoß gegen die selbstverantwortliche Persönlichkeit ist begangen, und die Strafe verletzt den Verurteilten in seiner Menschenwürde. Methodisch setzt die durch die Strafe geförderte Einsicht in die dem Recht zugrunde liegenden Normen die Kenntnis der Strafdrohung und Strafzumessung und insbesondere der generalpositiven Umstände voraus. Im Völkerstrafrecht scheint dies aber ein geringeres Problem darzustellen als im nationalen Strafrecht. Denn die Verfahren gegen Menschheitsverbrecher ziehen nicht nur regelmäßig ein weltweites Medienecho nach sich, sondern werden von Outreach-

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Programmen und Nichtregierungsorganisationen begleitet, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Wissen um die genauen Umstände zu vermitteln. 277 Zwar mag der Einblick über Dritte die relevanten Umstände verzerren, dies wird aber dadurch ausgeglichen, dass die Verfahren im Völkerstrafrecht, anders als im nationalen Strafrecht, beispielsweise durch das Internet und Live-Übertragungen aus dem Gerichtssaal gut dokumentiert sind, und sich die Weltöffentlichkeit so ein direktes Bild der relevanten Umstände machen kann. Zur Kenntnis der relevanten Umstände muss die Motivierbarkeit der Personen durch diese Kenntnis kommen. Ähnlich wie im nationalen Strafrecht erfolgt auch im Völkerstrafrecht diese Motivation im unterschiedlichen Umfang. Denn die Makrokriminalität erfasst in grober Trennung zwei ganz unterschiedliche Tätergruppen mit unterschiedlichen Handlungssituationen. Da ist zum einen der Führungstäter, der die Machtstruktur für seine Ziele missbraucht und pervertiert. Er schafft die gestörte gesamtgesellschaftliche Situation, die Voraussetzung der Kernverbrechen ist. Dass dieser durch eine Kenntnis der Norm die Einsicht gewinnt, der Norm nicht zu widersprechen, ist unwahrscheinlich. Denn ein solcher Straftäter wird an die Stelle der durch das Völkerstrafrecht geschützten Norm regelmäßig seine eigenen Normen stellen und diese seinem Ziel unterordnen. Anders hingegen mag die Einschätzung bei der Betrachtung des Gefolgschaftstäters ausfallen. Dieser befindet sich in einer gestörten gesamtgesellschaftlichen Situation, die seine Straftaten nicht als Abweichung, sondern als konformes Verhalten erscheinen lässt. Diesem Straftäter mag die Kenntnis der generalpräventiven Umstände die Verschiebung der Normen vor Augen führen und ihn zu der Einsicht motivieren, sein Verhalten zu ändern. Die Schwierigkeiten um das Wissen der Wirkung der positiven Generalprävention im nationalen Strafrecht ergreifen im gleichen Maße auch das Völkerstrafrecht. Sieht man den Beweis der Wirkung der positiven Generalprävention dort als offen an, so muss sie auch hier als offen gelten. Dieses Manko steht der Rechtfertigung der Strafe im nationalen Strafrecht aber nicht entgegen, so dass sie auch der Rechtfertigung der Strafe im Völkerstrafrecht nicht entgegenstehen kann. Denn die Wirkungslosigkeit der positiven Generalprävention ist ebenfalls nicht belegt. Konzentriert man die Betrachtung auf das Völkerstrafrecht allein, so kann ein empirischer Beleg der Wirkung oder der Wirkungslosigkeit zu diesem Zeitpunkt auch nicht gelingen, da die Durchsetzung des Völkerrechts und seiner Normen im nationalen wie im internationalen Kontext des Völkerstrafrechts erst seit kurzer Zeit betrieben wird.

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Vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 424; ders., NJW 59 (2006), S. 969.

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bb) Negative Generalprävention (1) Wesentliche Aussagen der Theorie Die Straftheorie der negativen Generalprävention ist allgemein gültig, da sie sich an die Allgemeinheit der Rechtsgemeinschaft richtet. Sie ist negativ, da sie sich nicht über Einsicht, sondern über Abschreckung vermittelt. Diese Abschreckung wird durch die Strafdrohung verkündet und durch den Strafvollzug bestätigt. 278 Die Aussicht auf ein Übel bzw. das Übel soll den tatgeneigten Straftäter von der Begehung der Straftat abhalten und präventiv die Begehung von Straftaten verhindern. 279 So gewendet stellen die Strafandrohung und der Strafvollzug dem beabsichtigten Normbruch ein Argument zum Normerhalt gegenüber. 280 Die Straftheorie der negativen Generalprävention ist hergebracht inbesondere mit von Feuerbach und Bentham verbunden und findet heute in modifizierter Form vor allem in der Rechtspraxis ihre Anhänger. 281 Aus der Tatsache, dass der Mensch nicht nur vernunftgesteuert ist, sondern seiner eigenen Triebhaftigkeit unterliegt, folgern von Feuerbach und Bentham die Notwendigkeit, dieser Triebhaftigkeit entgegenzutreten und die Neigung zur Tat durch eine entgegengesetzte Neigung auszugleichen. 282 Da der Mensch durch Lust (pleasure) und Unlust (pain) gesteuert ist, muss die zu erwartende Unlust durch die Strafe höher sein als die Lust an der Straftat. 283 Nach von Feuerbach 278

Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 309. Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 13, Rn. 21; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 78, § 3, Rn. 21. 280 Vgl. Burmann, Vorüberlegungen zu einer empirischen Theorie der positiven Generalprävention, S. 4 ff.; Kuhlen, Anmerkungen zur positiven Generalprävention, S. 55. 281 Moderne Varianten, die dem Lager der negativen Generalprävention zugerechnet werden können, werden bei Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, S. 21, in Fn. 52 aufgelistet. 282 von Feuerbach formuliert etwa: „Es bleibt ... dem ... Staate kein anderes Mittel übrig, als durch die Sinnlichkeit selbst auf die Sinnlichkeit zu wirken, und die Neigung durch entgegengesetzte Neigungen, die sinnliche Triebfeder zur That durch eine andere sinnliche Triebfeder aufzuheben ...“ (von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 44 f.). 283 Bei von Feuerbach heißt es: „Der Mensch strebt nach einer bestimmten Lust, weil er überhaupt nach einer Lust verlangt; er entflieht einem bestimmten Schmerz, weil er überhaupt die Unlust, als seiner Natur widersprechend, fliehen muß. Er versagt sich daher einer geringeren Lust, wenn er eine größere damit einkaufen kann; er erträgt eine geringere Unlust, wenn er einen größeren Schmerz dadurch vermeidet.“ (von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 50); bei Bentham heißt es wie folgt: „Pain and pleasure are the great springs of human action. When a man perceives or supposes pain to be the consequences of an act, he is acted upon in such a manner as tends, with certain force, to withdraw from him, as it were, from the commission of that act.“ (Bentham, Punishment and Deterrence, S. 53). 279

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

werden die „Uebertretungen ... daher verhindert, wenn jeder Bürger gewiß weis, daß auf die Uebertretung ein größerers Uebel folgen werde, als dasjenige ist, welches aus der Nichtbefriedigung des Bedürfnisses nach der Handlung (als einem Object der Lust) entspringt ...“ 284 In den Worten Benthams: „If the apparent magnitude of that pain be greater than the apparent magnitude of the pleasure or good he expects to be the consequences of the act, he will be absolutely prevented from performing it.“ 285 Schreckt die Strafdrohung ab, macht die Strafe die Drohung glaubhaft: „Der Zweck der Androhung der Strafe im Gesetz ist Abschreckung Aller von Rechtsverletzungen. Der Zweck der Zufügung derselben ist die Begründung der Wirksamkeit der gesetzlichen Drohung, inwiefern ohne sie die Drohung leer sein würde.“ 286 Bei Bentham heißt es: „General prevention is effected by the denunciation of punishment, and by its application, which, according to the common expression, serves for an example.“ 287 Die Strafdrohung soll mithin ein Gegengewicht zur Überlegung der Strafbegehung bilden, so dass im Endeffekt der Täter von der Tat Abstand nimmt. Auch für von Feuerbach darf Strafe nicht im Widerspruch zum Menschsein des Verurteilten stehen. Daher beschränkt von Feuerbach seine Straftheorie auf die Strafdrohung und erstreckt sie nicht auf die Strafverhängung. 288 Die Strafdrohung zur Abschreckung darf nicht in die Rechte anderer eingreifen oder deren Würde verletzen. 289 Folgt auf die Straftat die Strafe, so ist diese zweckfrei und gerecht zu verhängen. 290 Die Strafdrohung folgt also dem Gedanken der Generalprävention, die Strafe dem Gedanken der Gerechtigkeit. Dadurch entsteht bei der Strafzumessung Raum für die Berücksichtigung des Verurteilten als Träger von Würde und Rechten. 291 Dennoch sieht sich auch die Beschränkung der Zweckerwägungen auf die Strafdrohung dem Einwand des Würdeverstoßes ausgesetzt. Denn die Strafandrohung und die Strafe erfolgen nicht des Einzelnen wegen,

284 von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 45 f. 285 Bentham, Punishment and Deterrence, S. 53. 286 von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 49. 287 Bentham, Punishment and Deterrence, S. 54. 288 Vgl. von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 56 ff. 289 Vgl. von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 48 f. und 59 f.; vgl. auch Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, S. 20, Rn. 27. 290 Vgl. von Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Teil 1, S. 57; vgl. auch Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, S. 20, Rn. 28. 291 Vgl. dazu näher Naucke, Generalprävention und Grundrechte der Person, S. 15 ff.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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sondern der Allgemeinheit wegen, ohne dass die Zufügung eines Übels, damit andere von einem Übel Abstand nehmen, gerechtfertigt werden könnte. 292, 293 Bewirkte bei von Feuerbach noch die Androhung und das Verhängen von Strafe die Abschreckung der Allgemeinheit, geht man heute davon aus, dass – genauer betrachtet – nicht so sehr die Androhung der Strafe abschreckt, sondern vielmehr das Risiko, die Straftat könne aufgedeckt und der Straftäter bestraft werden. 294 Diese Risiko findet seinen Ausdruck in der Verurteilung bzw. dem tatsächlich zu erleidenden Übel der Strafe. Wie schon bei der positiven Generalprävention müssen auch hier die Bedingungen generalpräventiven Handelns erfüllt sein: So muss der Adressatenkreis von den abschreckenden Umständen der Strafdrohung und des Strafvollzugs Kenntnis erlangen, um eine mögliche Abschreckung überhaupt zu eröffnen. 295 Die Vermittlung dieser Kenntnis mag auch hier überlagert sein von die Besonderheiten der Instanzen, die diese Kenntnisse vermitteln. Genauso muss sich die Allgemeinheit durch die Strafdrohung und den Strafvollzug zur Beachtung des Strafrechts motivieren lassen. 296 Allerdings liegt dem die Annahme zugrunde, der potentielle Straftäter würde vor dem Tatentschluss eine Kosten-NutzenAnalyse vornehmen und dabei das Strafverfolgungsrisiko auf der Kostenseite berücksichtigen und sich so von der Straftat abschrecken lassen. Diese Annahme scheint in vielen Fällen der Kriminalität zu kurz zu greifen, da sie einen vernünftigen Täter voraussetzt, nicht aber einen unvernünftigen, der jedoch das Gros der Delikte begeht, und bei vernünftigen Straftätern die erwähnten möglichen eigenen gleichwertigen oder höherwertigen Normen außer Acht lässt. 297 Jedenfalls wird das Risiko der Strafverfolgung nur dann Berücksichtigung finden können, wenn es tatsächlich ein Risiko darstellt, d. h. Normverstöße erkannt und

292

Vgl. Roxin, JuS 6 (1966), S. 380; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 310; ders., Variationen der positiven Generalprävention, S. 34. 293 Einen Verstoß gegen die Menschenwürde sehen z. B. Roxin, JuS 6 (1966), S. 380; Lesch, JA 26 (1994), S. 517; Badura JZ 19 (1964), 337 ff.; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 310; Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 49 m.w. N. in Fn. 252. Dagegen wird von Stree eingewandt, der Straftäter habe schließlich selber durch seine Tat dazu beigetragen, dass die Generalprävention notwendig wurde: „Sein eigenes böses Exempel gegenüber der Allgemeinheit ist daher mit Anlaß dafür, dass die Allgemeinheit an ihm ein Exempel statuiert.“ (Stree, in: Sch / Sch StGBKommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 14). 294 Vgl. Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 37 m.w. N. 295 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 311 f. 296 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 312 ff. 297 Vgl. dazu näher Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 312 f. m.w. N.; Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 283 m.w. N.; Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 47 f. m.w. N.; Roxin, JuS 6 (1966), S. 380.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

verfolgt werden, und das Dunkelfeld gering bleibt. 298 Auch hier steht ein genaues Ergebnis der Wirkung und zutreffenden Verwendung der allgemeinen Abschreckung noch aus, um die Straftheorie zu einer breiten Grundlage der Prävention zu machen, auch wenn einige Wirkungszusammenhänge schon belegt sind. 299 Dennoch besteht die Vermutung fort, dass Strafe andere von der Tatbegehung abschreckt. Denn wenn jeder Rechtsbruch die Unwirksamkeit belegt, bestätigt jede Rechtstreue die Wirksamkeit. Solange aber die Unwirksamkeit nicht belegt ist, ist die Hypothese, dass Strafe abschreckt, auch nicht widerlegt. 300 (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Die Abschreckung der Allgemeinheit kann nicht an einer bestimmten Strafart festgemacht werden. Trotzdem wird intuitiv unterstellt, dass der Strafandrohung und Strafvollstreckung von drakonischen Strafen am ehesten eine abschreckende Wirkung zukommen. 301 Welches genaue Maß die Strafe aber erreichen muss, um potentielle Straftäter von Straftaten abzuhalten, lässt sich nicht sagen. 302 Da das Übel erheblich sein muss, um den Vorteil der Straftat auszugleichen und den Straftäter dazu zu bewegen, von der Straftat abzulassen, führt die Abschreckung immer zu einer Schärfung der Strafe, nicht aber zu einer Milderung. Da die Strafe nur ein Übel zur Abschreckung von Übeltaten anderer ist, fehlt es an einem Maßstab, mit dem die Straftheorie der negativen Generalprävention die Strafe begrenzen könnte. 303 Die Verhältnismäßigkeit muss von außen hinzugedacht werden, ist aber nicht in der Straftheorie selbst angelegt. 304 Was bleibt, ist, dass generelle Abschreckung Strafschärfung nach sich zieht, mit der Gefahr, das Heil in immer weiter gesteigerten Strafen zu suchen, um so irgendwann die Schwelle der Abschreckung zu erreichen. Staatsterror ist damit auch hier möglich. 305 In der negativen Generalprävention gleicht Strafe den Vorteil der Straftat mit einem Nachteil aus. 306 Allerdings bleibt dabei der Schaden der Tat für die Gemeinschaft unberücksichtigt; mit der Konsequenz, dass es ein großes 298

Vgl. Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, S. 18, § 3, Rn. 28 ff. Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 315 f.; ders., Variationen der positiven Generalprävention, S. 35; Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 48 f. m.w. N.; Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 37 m.w. N.; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 212 f. 300 Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band 1, S. 81, § 3, Rn. 30; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 69; Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 17, § 3, Rn. 26. 301 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 24. 302 Vgl. näher dazu Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 24. 303 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 310. 304 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 310. 305 Vgl. auch Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 310; Roxin, JuS 6 (1966), S. 380. 299

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Missverhältnis zwischen Strafmaß und Schaden geben kann, da die Strafe eben nur am Vorteil für den Täter und nicht am Nachteil für die Gesellschaft gemessen wird. 307 (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Ist die allgemeine Abschreckung auch Grund für die Strafdrohung, so wird sie aber letztlich durch das Risiko der Strafverfolgung und Bestrafung vermittelt. 308 Kann dieses Risiko auch im Völkerstrafrecht greifen und daher die negative Generalprävention die Strafe im Völkerstrafrecht rechtfertigen? Die Antwort hängt davon ab, als wie effektiv die Entdeckung, Aufklärung und Sanktionierung der Kernverbrechen des Völkerstrafrechts eingeschätzt werden. 309 Vor der Gründung des ICC war das Strafverfolgungsrisiko äußerst gering, 310 mit der Gründung des ICC (und der damit einhergehenden Komplimentarität) hat sich die Situation verbessert, so dass bei einer weiteren starken politischen und praktischen Unterstützung des ICC ein für die Abschreckung signifikantes Strafverfolgungsrisiko 311 wenn nicht schon erreicht wurde, 312 so doch jedenfalls zu erreichen ist. 313 Um abzuschrecken, müssen das Strafverfolgungs- und das Bestrafungsrisiko den Straftäter auch erreichen. Denn er muss von den die negative Generalprävention vermittelnden Umständen Kenntnis erlangen. 314 Dies ist im Fall der Menschheitsverbrechen, wie bereits aufgezeigt, sogar besser der Fall als im nationalen Strafrecht. Weiter muss sich die Allgemeinheit durch die Kenntnis 306 Vgl. näher zu den Eigenschaften des angedrohten Nachteils Bentham, Punishment and Deterrence, S. 54 ff. 307 Vgl. dazu näher Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, S. 21, Rn. 29 ff.; Lesch, JA 26 (1994), S. 517. 308 Vgl. für das Völkerstrafrecht Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 40. 309 Vgl. auch Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 339 f.; Gallón, The International Criminal Court and the Challenge of Deterrence, S. 97: „If a deterrent effect ... is desired, the efforts at holding perpetrators accountable must be significant and serious. In fact, deterrence is directly proportional to accountability.“; Bagaric / Morss, ICLR 6 (2006), S. 249. 310 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 498 m.w. N.; Wippman, Fordham Int’l L. J. 23 (1999), S. 474 m.w. N. 311 Vgl. auch Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 424; Ostendorf, ZRP (1996), S. 467. 312 Vgl. zur praktischen Durchsetzbarkeit des Völkerstrafrechts im Zusammenhang mit den Ad-hoc-Gerichtshöfen ausführlich Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 498 ff. m.w. N. 313 Kritisch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 172; Wippman, Fordham Int’l L.J. 23 (1999), S. 476 f. und 484 f. 314 Vgl. Wippman, Fordham Int’l L.J. 23 (1999), S. 480 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

abschrecken lassen, mithin von der Begehung von Kernverbrechen abhalten lassen. Im Falle der Mikrokriminalität wird dies häufig nicht der Fall sein, da Straftaten aus dem Affekt oder aus dem Augenblick heraus entstehen, nicht aber aus kühler Überlegung und Planung. 315 Anders bei Straftaten im Falle der Makrokriminalität, begangen durch die makrokriminellen Führungstäter in der politischen Machtstruktur. Ihren Taten geht ein gehöriges Maß an Planung und Organisation voraus, ohne das ein ausgedehnter und systematischer Angriff, ein Plan oder eine bestimmte Politik kaum vorstellbar ist. Daher vermag das Risiko einer Strafverfolgung als Kostenfaktor eher in eine diesbezügliche Kosten-Nutzen-Abwägung einbezogen werden, als es auf mikrokrimineller Ebene der Fall ist. 316 Auch wenn mit einem Bestrafungsrisiko auf dem Gipfel der Macht selten gerechnet werden wird und in der Abwägung die angestrebten gesellschaftlichen und staatspolitischen Ziele den Schrecken vor Strafe überwiegen, 317 so wird aber doch das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko kalkuliert, denn das vermag die Erreichung der Ziele erschweren und die Ausübung der Macht in der politischen Machtstruktur gefährden. 318 In diesem Sinn passt die negative Generalprävention sogar besser in den internationalen Rahmen des Völkerstrafrechts als in den nationalen Rahmen der einzelnen Rechtsordnungen. Sie kann ein Kalkül in der Überlegung der makrokriminellen Führungstäter darstellen. Können diese abgeschreckt werden, so schreckt die negative Generalprävention jedoch nicht die makrokriminellen Gefolgschaftstäter ab. Denn die gestörte gesellschaftliche Situation lässt für diese nicht nur die Straftaten als konformes Verhalten erscheinen, sondern vor allem auch das Strafverfolgungsrisiko als gering. 319 Rechnet der Straftäter aber nicht mit Entdeckung, Verfolgung und Bestrafung, kann er auch nicht durch die Strafandrohung des Völkerstrafrechts abgeschreckt werden. 320 Allerdings könnte eine negative generalpräventive Wirkung bei den Führungstätern auch eine Auswirkung auf die negative generalpräventive Wirkung bei den Gefolgschaftstätern haben. Denn sind die Führungstäter abgeschreckt, mag es den Gefolgschaftstätern an Führung fehlen. Auch könnte man einwenden, dass die gesamtgesellschaftliche Situation nicht immer in einem solchen Maße gestört ist, dass eine Verfolgung und Bestrafung unwahrscheinlich erscheint.

315

Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 495 m.w. N. Vgl. auch Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 424; ders., NJW 59 (2006), S. 968 f.; vgl. auch Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 496. 317 Vgl. Wippman, Fordham Int’l L.J. 473, S. 479 f.; Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 40 f. 318 Vgl. Jäger, KritV 76 (1993), S. 270 f.; Ambos / Steiner, JuS 41 (2001), S. 13; ausführlich Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 42 ff. 319 Vgl. näher zu den Auswirkungen der „gestörten gesellschaftlichen Situation“ auf die unteren Chargen bei Wippman, Fordham Int’l L.J. 23 (1999), S. 477 ff. m.w. N. 320 Vgl. Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 40 ff. 316

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Dennoch erfassen die Zweifel an der Eignung der Strafandrohung und des Strafvollzugs zur Prävention auch und gerade das Völkerstrafrecht. Sie verstärken sich hier noch, da zum einen die Anwendungsdichte des Völkerstrafrechts nicht mit der des nationalen Strafrechts zu vergleichen ist, und zum anderen die Durchsetzung des Völkerstrafrechts erst seit kurzer Zeit ernsthaft betrieben wird, und damit das Strafverfolgungsrisiko erst mit der Schaffung des ICC und dem Mechanismus der Komplimentarität als relevant einzustufen ist. Da der Beleg der Wirkungszusammenhänge noch aussteht, kann die Straftheorie der negativen Generalprävention weder verifiziert noch falsifiziert werden. Auch die völkerrechtliche negative Generalprävention kann einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen, da – wie schon bei der völkerrechtlichen positiven Generalprävention – der Straftäter für Zwecke eingesetzt wird, die in anderen Menschen begründet sind. Im Unterschied zur völkerrechtlichen positiven Generalprävention wird dieser Zweck allerdings mit der Strafdrohung, nicht mit der Strafe verknüpft. Kann aber die Androhung von Strafe einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen? Dazu müsste die Drohung die Eigenständigkeit der Person verletzen, indem die Person als selbstverantwortliches Wesen missachtet und vor allem gegen oder ohne ihren Willen über sie verfügt wird. Auch hier ist zwischen Zweck und Übel zu unterscheiden. Der Zweck zwingt nicht, sondern das Übel. Da hier der Zweck aber nicht mit dem Übel verbunden wird, sondern mit der Androhung des Übels, ist das Übel von vornherein zweckentleert. Eine Rechtfertigung des Übels kann daher in keinem Fall den Zweck rechtfertigen. Da dieser Zweck aber nicht auf den Straftäter gerichtet ist, sondern auf andere, zwingt er den Willen des Straftäters nicht um seiner selbst willen. Der Verstoß gegen die selbstverantwortliche Persönlichkeit ist begangen, und die Strafe verletzt den Verurteilten in seiner Menschenwürde. Da die Drohung aber durch die Strafe glaubhaft gemacht wird bzw. die Abschreckung tatsächlich durch die Strafe erfolgt, mag man versucht sein, die Strafe an die Stelle der Drohung zu rücken. Dann gilt aber das schon zur positiven Generalprävention Gesagte: Ist das Übel durch die Straftat gerechtfertigt, ist auch das Handeln gegen den Willen gerechtfertigt; ist das Übel hingegen nicht gerechtfertigt, wird gegen den Willen zum Zwecke anderer gehandelt und der Verstoß gegen die Menschenwürde ist begründet. Die Übertragung der negativen Generalprävention ins Völkerstrafrecht scheitert aber an der Ausrichtung der Strafe an Vorteil und Nachteil der Straftat. Zwar könnte die Ungewissheit des konkreten Strafmaßes durch strikte Verknüpfung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeglichen werden. Aber das hilft nicht darüber hinweg, dass die Ausrichtung der Strafe an Vor- und Nachteil den Schaden der Straftat außer Acht lässt. Die Schäden sind aber gerade im Völkerstrafrecht immens und prägen das Bild der Menschheitsverbrechen, so dass einige den Aspekt der Schadensintensität als Teil der Makrokriminalität ansehen. Werden die Schäden ignoriert, so widerspricht dies nicht nur dem makrokrimi-

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

nellen Charakter der Verbrechen des Völkerstrafrechts, sondern verkennt auch das Unrecht, das sich in der Natur der Verbrechen als Menschheitsverbrechen widerspiegelt. c) Präventive Theorien der Spezialprävention Die Theorien der Spezialprävention sind speziell, da sie die Einwirkung auf den Einzelnen bezwecken; sie sind präventiv, da Strafe mit der Vermeidung (oder zumindest Verminderung) zukünftiger Straftaten des Straftäters gerechtfertigt wird. 321 Die Vermeidung zukünftiger Straftaten erfolgt in der Hoffnung, der Gesellschaft sei dadurch ein Schutz angediehen. Der Schutz der Gesellschaft manifestiert sich im Schutz ihrer Rechtsgüter. Diesen Schutz übernimmt in einem Rechtssystem das Strafrecht. Dient damit Strafrecht dem Rechtsgüterschutz, dient Strafe der Vermeidung von Rechtsgutbeeinträchtigung durch zukünftige Straftaten. Dieser Schutz gelingt in letzter Konsequenz durch die gezielte Einwirkung auf den Straftäter. 322 Effektiv lässt sich die Einwirkung dadurch erreichen, dass der Straftäter entweder (negativ) mit physischer Gewalt von weiteren Straftaten abgehalten wird oder er (positiv) über das Bessere der Geltung der Norm belehrt wird und von der weiteren Begehung von Straftaten Abstand nimmt. 323 Die physische Gewalt des Einsperrens dient dabei zum einen der Sicherung der Allgemeinheit vor dem Straftäter, zum anderen der Abschreckung des Straftäters vor der Begehung weiterer Straftaten. Die Überzeugung vom Besseren dient der Resozialisierung und damit der Vermeidung der Rückfälligkeit. 324 Diesen unterschiedlichen Ausrichtungen der Strafe stehen unterschiedliche Typen von Straftätern gegenüber. Denn die Rechtsgüter der Straftäter dürfen auch nur in dem Maße beeinträchtigt werden, wie es zur Erreichung des Zweckgedankens erforderlich ist. Danach ist der nicht besserungsfähige Gewohnheitsstraftäter zu sichern, der nicht besserungsbedürftige Gelegenheitsstraftäter abzuschrecken und der besserungsfähige und -bedürftige Zustandsstraftäter zu bessern bzw. zu resozialisieren. Rechtfertigt die Spezialprävention die Strafe mit dem Schutz der Gesellschaft, so verbietet sich die Strafe, wenn dieser Schutz nicht mehr nötig ist. 325 Ist die Gefahr einer wiederholten Begehung von Straftaten gebannt, verbietet sich also die Rechtfertigung der Strafe durch die Spezialprävention und dies selbst bei schwersten Verbrechen. 326 Spezialprävention setzt demnach eine Prognose über das Legalverhalten des Straftäters voraus, die mit all den Schwie321

Vgl. Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 33 m.w. N. Vgl. Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 20, § 3, Rn. 36. 323 Vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und Zurechnungslehre, S. 22 f., Rn. 22; Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 33 m.w. N. 324 Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 74, § 3, Rn. 12. 325 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 23, § 3, Rn. 45. 322

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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rigkeiten der Einschätzung zukünftigen Verhaltens belastet ist. 327 Empirische Belege der Spezialprävention, insbesondere der Resozialisierung, sind mit methodischen Problemen behaftet, die sich insbesondere an den Kriterien des Erfolges und der Kausalität entzünden. 328 Die Auseinandersetzung fokussiert sich auf Aussagen zur „praktischen Wirksamkeit“ der Spezialprävention und möglichen „Austauschbarkeit der Sanktionen“, nach der bezweifelt wird, dass dem starken Eingriff durch den stationären Vollzug eine größere spezialpräventive Wirkung zukommt, als dem schwächeren Eingriff durch ambulante Sanktionen. 329 Die im Anschluss an Robert Martinsons Untersuchung „What Works?“ eingetretene Ernüchterung eines „nothing works“ hat mittlerweile der vorsichtigen positiveren Einschätzung eines „something works“ Platz gemacht, insofern als sich mit differenzierten Behandlungsstrategien, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Verurteilten eingehen, auch spezialpräventive Wirkungen belegen lassen. Einzelheiten müssen freilich auch hier offen bleiben, so dass anhand der empirischen Belege die Spezialprävention weder bestätigt noch widerlegt werden kann. 330 aa) Positive Spezialprävention (1) Wesentliche Aussagen der Theorien Ist der Straftäter besserungsfähig bzw. sozialisierbar, dient nach der positiven Spezialprävention Strafe der Sozialisierung oder Resozialisierung des Straftäters, damit er zukünftig ein Leben ohne Straftaten führt, da dies dem Schutz der Gemeinschaft am besten dient. 331 Ziel ist ein zukünftiges Leben ohne Straftaten, ein Legalverhalten. 332 Das äußere Legalverhalten ist mit der Besserung des Straftäters verknüpft. Als äußerliches Merkmal kann das Legalverhalten erzwungen werden, die Besserung als innerliches Merkmal hingegen nicht. Strafe verstanden als Übel ist auf den Körper beschränkt, Strafe verstanden als Hilfe wendet sich an die Seele des Verurteilten. 333 Darin liegt auch die Gefahr bei der 326 Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 77, § 3, Rn. 19; ders., JuS 6 (1966), S. 379; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 75. 327 Ausführlich zu den unterschiedlichen Prognose-Modellen Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 52 ff. m.w. N. 328 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 29 ff. 329 Vgl. dazu ausführlich Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 42 und 46 ff. m.w. N.; vgl. auch Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 705. 330 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 30 ff. m.w. N.; Radtke, in: MüKo StGBKommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 49 m.w. N. 331 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 24 f.; Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 15; Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 704 f. 332 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 287 f.; Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, S. 26, Rn. 47.

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positiven Spezialprävention. Denn wird die Hilfe durch das Übel ersetzt, mutiert die Strafe zur staatlichen Zwangsbehandlung. Strafe als Zwang der Seele greift in den Kernbereich der Persönlichkeit ein und verletzt die Menschenwürde. 334 (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Die pädagogische Einwirkung auf den Verurteilten, um seine Resozialisierung zu fördern und seine Wiedereingliederung zu ermöglichen, kann zwei gegensätzliche Wirkungen auf die Richtung der Strafe haben: Sie kann das Strafmaß erhöhen, um möglichst lange auf den Resozialisierungsprozess Einfluss zu nehmen. 335 Sie kann das Strafmaß aber auch mindern, um eine weiter gehende Desozialisierung zu verhindern. 336 Beides kann dann entweder zu einer längeren oder zu einer kürzeren Strafe führen, als es ohne den Gedanken der positiven Resozialisierung nötig gewesen wäre. 337 Ist aber einmal die Richtung der Berücksichtigung bestimmt, so bleibt es nach wie vor schwierig, das konkrete spezialpräventiv erforderliche Strafmaß zu benennen. Denn die Straftheorie selbst enthält mit der Ausrichtung der Strafe an der Behandlungsbedürftigkeit kein genaues Maß. 338 Vielmehr muss eine Prognose darüber entscheiden, zu welchem Grad der Straftäter eine Gefahr für die staatliche Ordnung darstellt und vor allem welche Strafdauer notwendig ist, um beim Straftäter das Rechtsbewusstsein zu stärken und die Rechtstreue zu fördern. 339 Es liegt in der Natur einer Prognose, dass sie ungewiss ist. (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Ausgangspunkt der positiven Spezialprävention ist im Allgemeinen der Gedanke, dass die Straftat einen Angriff auf die Rechtsgüter der Gesellschaft darstellt und dieser Angriff zum Schutz der Gesellschaft zukünftig durch Strafe abgewehrt werden muss – ein Gedanke, der auch ins Völkerstrafrecht übertragbar ist. Denn auch Völkerverbrechen stellen ein Angriff auf die universellen Rechtsgüter der Völkergemeinschaft dar, der durch das Völkerstrafrecht abgewehrt werden 333 Vgl. auch die Abgrenzung zwischen Vergeltungsvollzug und Behandlungsvollzug bei Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 292. 334 Vgl. zum Besserungsverbot Roxin, JuS 6 (1966), S. 379 f.; ausführlich Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 59 ff. m.w. N. in Fn. 320. 335 Vgl. auch Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 16. 336 Vgl. auch Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 15; Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 705 ff. 337 Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 291. 338 Vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 76, § 3, Rn. 16; Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 41. 339 Vgl. auch Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 62.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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soll, um die Grundlagen menschlichen Daseins in der Völkergemeinschaft zu schützen. Im Besonderen schützt die positive Spezialprävention die Gesellschaft, indem die Strafe den besserungsfähigen Straftäter über die Geltung der Norm belehrt und dieser daraufhin vom zukünftigen Normbruch ablässt. Die positive Spezialprävention knüpft an den besserungsfähigen Zustandstäter an, bei dem die Einsicht in das Recht und damit die Resozialisierung in die Gesellschaft als Rechtsgemeinschaft noch zu erwarten ist. Kann ein solcher Täter auch im Völkerstrafrecht beobachtet werden? Die Struktur der Makrokriminalität der Völkerverbrechen zwingt zur Differenzierung: Der makrokriminelle Führungstäter ist kein besserungsfähiger Zustandstäter, der resozialisiert werden könnte. 340 Zum einen lässt ihn seine herausgehobene Machtposition weit entfernt vom Typus eines besserungsfähigen Zustandstäter erscheinen. Zum anderen ist eine Einsicht in das Bessere insofern nicht nötig, als diese Täter ohnehin um die Geltung der Norm wissen, diese aber bewusst brechen, um ihre Ziele zu verwirklichen. 341 Anders verhält es sich beim makrokriminellen Gefolgschaftstäter. Ist dieser jung oder ein sog. Täter-Opfer, scheint auch im Völkerstrafrecht Raum für Resozialisierung gegeben zu sein. 342 Zum einen entspricht ein solcher Straftäter eher dem Zustandstäter, zum anderen ist die Resozialisierung auch notwendig, da die gestörte gesellschaftliche Situation, in der der Gefolgschaftstäter agiert, ein Klima schafft, in dem der Normbruch als konform erscheint und die Normgeltung als abweichendes Verhalten, so dass, wenn er eines Besseren belehrt wird, die Möglichkeit besteht, dass der Gefolgschaftstäter von weiteren Völkerverbrechen Abstand nimmt. Einer Resozialisierung im Rahmen der positiven Spezialprävention bedarf es aber nur, wenn die Gefahr besteht, dass der Straftäter auch zukünftig Straftaten zum Nachteil der Gemeinschaft begeht. Übertragen auf das Völkerstrafrecht bedarf es also der Gefahr weiterer Völkerverbrechen durch den Völkerverbrecher zum Nachteil der Völkergemeinschaft. Denn nur dann bedarf es auch des Schutzes der Völkergemeinschaft. Auch wenn die mögliche Wiederholungsgefahr auf die Völkergemeinschaft bezogen ist, so hängt sie doch ab von der Einschätzung der relevanten Makrostruktur und der Möglichkeit, diese Strukturen auszunützen. Nur dann ist eine erneute Begehung von Menschheitsverbrechen möglich. Relevant ist zunächst die ursprüngliche Makrostruktur. Diese kann Bestand haben oder zusammengebrochen sein. Nur wenn sie Bestand hat, ist die erneute Begehung von Völkerverbrechen möglich. Relevant sind aber auch andere Makrostrukturen, sei es, dass sich in anderen Gesellschaften neue Machtstrukturen 340 Vgl. Jäger, Makroverbrechen als Gegenstand des Völkerstrafrechts, S. 340; Jäger, KritV 76 (1993), S. 271. 341 Vgl. Jäger, KritV 76 (1993), S. 271. 342 Vgl. Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 478.

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bilden, sei es, dass sie sich in der gleichen Gesellschaft zeitlich hintereinander bilden, solange denn die Möglichkeit besteht, dass der Straftäter auch diese zu Menschheitsverbrechen missbrauchen kann. Die Wiederholungsgefahr wird aber konkret durch die Möglichkeit einer (erneuten) Ausnutzung der politischen Machtstrukturen. Dies ist Tatfrage. Die Zäsur durch die in der Regel längeren Haft wird aber dem ursprünglich makrokriminellen Führungstäter (der schon kein tauglicher Täter im Sinne der Straftheorie ist) einen erneuten Griff nach der Macht verwehren. Dies schon in der ursprünglichen Machtstruktur, erst recht in einer neuen. Denn dort werden nicht die Positionen erreicht werden können, die einen Missbrauch der Macht erlauben. Anders ist es beim makrokriminellen Gefolgschaftstäter. Bei ihm ist die Zäsur durch die Haft nicht so einschneidend; auch erlaubt ihm die untergeordnete Position ein schnelleres Einfinden in alte oder neue Machtstrukturen. Der makrokriminelle Gefolgschaftstäter kann nach wie vor eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellen, die durch das Bemühen um dessen Besserung und Eingliederung in die Völkergemeinschaft durch die Vermittlung der Werte und Normen der Völkergemeinschaft geschützt werden kann. 343 Das im nationalen Strafrecht beobachtete Spannungsverhältnis zwischen Übel und Hilfe besteht auch im Völkerstrafrecht, so dass auch hier die Strafe die Grenze zwischen Übel und Hilfe zur Achtung der Menschenwürde wahren muss. 344 Steht die Menschenwürde im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Solidarität, steht die völkerrechtliche positive Spezialprävention vor allem durch die Beeinträchtigung der Freiheit in Frage, auch wenn diese natürlich aufgrund der Solidarität mit der Gemeinschaft, nämlich zum Schutz der Gemeinschaft erfolgt. Eingriffe in die Freiheit müssen die Eigenständigkeit der Person wahren. Ausgefüllt wird dies insbesondere durch die Anerkennung des Einzelnen als selbstverantwortliche Person mit einem unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit. Die Behandlung der Seele als Zweck der Strafe greift in diesen Kernbereich ein. Erfolgt sie gegen oder ohne den Willen des Menschen, so begründet sie einen Eingriff und damit einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Und dies unabhängig davon, ob das Übel der Strafe gerechtfertigt ist oder nicht. Denn das Persönlichkeitsrecht ist zu unmittelbar betroffen, als dass eine Beeinträchtigung noch gerechtfertigt werden könnte. Wird aber die Trennung von Übel und Hilfe beibehalten, so beschränkt sich die Zufügung des Übels auf die Gewährleistung des Rahmens, in dem sich die Hilfe durch Angebote an den Straftäter realisieren kann. 345 Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist dann nicht begründet. Die im nationalen Strafrecht belegten Schwierigkeiten der Prognose und empirischen Belege gelten auch für das Völkerstrafrecht. Denn die Methoden der 343 344 345

Vgl. aber Ambos, KritV (79) 1996, S. 366; kritisch Jäger, KritV 76 (1993), S. 271. Vgl. auch Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 473 f. Vgl. Radtke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Vor §§ 38 ff., Rn. 41.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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Prognose und der Beweisbarkeit sind unabhängig vom Rechtssystem der Problematik der positiven Spezialprävention geschuldet. bb) Negative Spezialprävention (1) Wesentliche Aussagen der Theorie Wie gesehen bestehen zwei Ausprägungen der negativen Spezialprävention: Zum einen die Ausprägung der sichernden Spezialprävention, die von einer wesentlichen Aussage getragen ist: Ist der Straftäter nicht besserungsfähig und für die Gesellschaft gefährlich, so muss die Gesellschaft vor dem Straftäter gesichert werden, indem der Straftäter weggesperrt wird. Die Gefährlichkeit des Straftäters ergibt sich dabei meist aus der Begehung bestimmter Delikte, der (möglichen) Rückfälligkeit des Straftäters und einer Prognoseentscheidung über die Gefährlichkeit des Straftäters in der Zukunft. Kritik entzündet sich an der Zuordnung der Sicherung zur Strafe. Denn Sicherung sei eine präventivpolizeiliche und keine repressiv-strafrechtliche Aufgabe und müsse daher dem Maßregelrecht überlassen bleiben. 346 Dieser Einwand stößt in zwei Richtungen. Zum einen erhebt er den Vorwurf des Systembruchs. Dieser mag zwar misslich sein, reicht aber an sich nicht aus, den Zweck ganz und gar zu verwerfen, denn dass der gefährliche Täters durch die Strafe gesichert wird, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Zum anderen liegt darin aber auch der Vorwurf, dass der Zweck der Strafe nicht mehr das Übel rechtfertigt, was einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen kann. Ob er dies freilich tut, hängt auch hier vom Verständnis der Menschenwürde ab. 347 Gegen diesen Ansatz kann noch zu bedenken 346 Vgl. Lesch, JA 26 (1994), S. 591 f.; Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 66 f. 347 Vgl. auch den Beschluß des BVerfG vom 08. 11. 2006 (BVerfGE 117, 71 ff., para. 69 ff.): „Die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters verletzt weder die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). Die Menschenwürde stellt den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung dar. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes. Jedem Menschen kommt danach ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, der es verbietet, ihn zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Der Einzelne ist eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende Persönlichkeit. Der Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und sich zu entfalten. Die Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft hat das Grundgesetz allerdings insofern im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, als der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte zur Sicherung von Gemeinschaftsgütern hinnehmen muss.“ (Verweise ausgelassen)

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

gegeben werden, dass von einer vergangenen Gefährlichkeit auf eine zukünftige Gefährlichkeit des Täters geschlossen wird. Denn dieser mag zwar Unrecht begangen haben, aber zukünftig keines mehr begehen; oder andersherum: jemand, der noch kein Unrecht begangen hat, kann dies dennoch zukünftig tun. Die Notwendigkeit der Prognose und die daraus folgenden Probleme sind freilich eine Eigenart der folgenorientierten Straftheorien. Die zweite Ausprägung ist die der abschreckenden Spezialprävention, die von folgender Überlegung ausgeht: Ist der Straftäter nicht besserungsbedürftig, aber auch nicht besserungsunfähig, wird er zum Schutz der Gesellschaft in der Hoffnung bestraft, der Straftäter werde sich die Strafe zur Warnung gereichen lassen und vor weiteren Straftaten zurückschrecken. 348 Auch hier wird ein Verstoß gegen die Menschenwürde gerügt, da es keinen Unterschied mache, ob der Straftäter zur Behandlung oder zur Abschreckung gegen seinen Willen festgehalten werde. Die Aufladung der Strafe durch Gedanken der Abschreckung reiche aus, auch wenn der Zwang nur die äußere Übelzufügung weiterschreibe. 349 (2) Auswirkungen auf die Strafzumessung Die sichernde Spezialprävention wirkt sich durch die Verhängung harscher Strafen aus, die den Straftäter für die Dauer seiner vermeintlichen Gefährlichkeit sichern. Über die Gefährlichkeit wird mittels einer Prognose entschieden. Der Täter in sicherer Haft sichert die Gesellschaft effektiv vor weiteren Straftaten. 350 Hingegen ist die Auswirkung der abschreckenden Spezialprävention auf die Strafe ähnlich ungewiss wie die der generellen Abschreckung. Denn mag Strafe bei geringer Kriminalität noch als abschreckender „Denkzettel“ wirken, ist diese Wirkung bei hoher Kriminalität nicht gesichert. 351 Es bleibt auch hier nur zu vermuten, dass eine härtere Strafe eher abschreckt als eine milde. Insgesamt kann die negative Spezialprävention die Dauer der Strafe, die zur Sicherung oder Abschreckung notwendig sein mag, nur schwer bestimmen. Sie birgt daher die Gefahr, den Straftäter durch Strafe gänzlich „unschädlich“ zu machen, da die Gesellschaft so am besten vor ihm geschützt wird. 352 (3) Übertragbarkeit ins Völkerstrafrecht Der Schutz der Gesellschaft wird nach den Überlegungen der negativen Spezialprävention durch den Schutz der Rechtsgüter der Rechtsgemeinschaft ge348 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 16, Rn. 26; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 74, § 3, Rn. 12. 349 Vgl. Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 65 f. 350 Vgl. näher Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 210 m.w. N. 351 Vgl. auch Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 210 f. m.w. N. 352 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 26.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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währleistet. Die Straftat beeinträchtigt die Rechtsgüter, die Strafe verhindert ihre Beeinträchtigung in der Zukunft. Am effektivsten werden zukünftige Straftaten durch physische Gewalt gegen den Straftäter verhindert – das Einsperren. Diese Gedanken der negativen Spezialprävention lassen sich auch auf das Völkerrecht übertragen. Denn das Völkerverbrechen beeinträchtigt die universellen Rechtsgüter der Völkergemeinschaft, und Strafe tritt der Beeinträchtigung entgegen. Auch hier vermag physische Gewalt ein effektives Mittel zur Verhinderung zukünftiger Straftaten sein, da eine stärkere Einwirkung auf die Menschenrechte, insbesondere die Freiheitsrechte, nicht denkbar ist, und insoweit kein Unterschied zur nationalen Rechtslage besteht. Im Besonderen wird die Sicherungsprävention durch die Überlegung getragen, dass nicht besserungsfähige Straftäter eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen und daher zum Schutz der Gesellschaft ein- und wegzusperren sind. Lässt sich diese Rechtfertigung einer harschen Strafe auch in das Völkerstrafrecht übertragen? Das hängt zunächst von der Vergleichbarkeit der Tätereigenschaften ab. Nur bei nicht besserungsfähigen und gefährlichen Straftätern ist der starke Eingriff in die Freiheitsrechte gerechtfertigt. Der Charakter der Makrokriminalität bedingt eine Differenzierung der Tätertypen: Eine besondere Besserungsunfähigkeit und Gefährlichkeit geht zunächst von den makrokriminellen Führungstätern aus. Zum einen verhindern ihre Überzeugung und eigene Normenwertigkeit die Vermittlung von Normen der Völkergemeinschaft, zum anderen belegt ihre Fähigkeit, Machtstrukturen zu pervertieren oder zu missbrauchen und so eine gestörte gesamtgesellschaftliche Situation zu formen, ihre Gefährlichkeit für die Rechtsgüter der Völkergemeinschaft. Haftet den makrokriminellen Führungstätern die Gefährlichkeit unmittelbar an, besteht sie makrokriminellen Gefolgschaftstätern nur mittelbar. Denn deren Handlungen knüpfen an die gestörte gesamtgesellschaftliche Situation an, schaffen sie aber nicht. Damit ist die Chance auf Besserung höher, da ihr Handeln nicht so stark von einer eigenen Normwertigkeit überlagert ist bzw. – anders ausgedrückt – die Normen des Völkerrechts vermittelbar bleiben. Aber auch ihre Gefährlichkeit ist anders zu beurteilen. Denn ebenso wie sie sich an die gestörte Situation angepasst haben, werden sie sich auch an die ungestörte Situation anpassen. Alles in allem weist daher der makrokriminelle Führungstäter die Eigenschaften auf, die für die Anwendung der Sicherungprävention im Völkerrecht vonnöten sind, hingegen lässt der makrokriminelle Gefolgschaftstäter diese Eigenschaften vermissen. Wie schon bei der positiven Spezialprävention kann die zukunftsgewandte Sicherungsprävention die Strafe nur rechtfertigen, wenn der zu sichernde Straftäter eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Diese entfällt dann, wenn ein Rückfall unmöglich ist. Da Völkerverbrechen einer makrokriminellen Struktur bedürfen, besteht eine Wiederholungsgefahr nur dann, wenn solche Strukturen bestehen und sich der Täter diese zunutze machen kann. Stellt man sich auf den Standpunkt, dass das völkerrechtliche Verfahren die Machtstrukturen der

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Makrokriminalität aufbricht und die Störung des gesellschaftlichen Kontextes beendet, so wird man die Notwendigkeit der Sicherungsprävention verneinen können. Denn die Möglichkeiten des Straftäters, weitere Taten begehen zu können, sind gering, und vor allem muss die Gesellschaft nicht mehr vor dem Straftäter geschützt werden, da diesem der Macht- und Repressionsapparat fehlt, der es ermöglichte, die Menschheitsverbrechen auszuführen. 353 Dass sich der Straftäter anderer Machtstrukturen bemächtigt, erscheint unwahrscheinlich. Allerdings kann einem völkerstrafrechtlichen Prozess nicht immer diese Wirkung zugesprochen werden. Wie die Situation in Sierra Leone und die Verlagerung des Prozesses gegen Charles Taylor nach Den Haag zeigt, ist die gesellschaftliche Situation nicht immer so gefestigt, dass eine durch ein völkerrechtliches Verfahren aufgebrochene Machtstruktur tatsächlich auch schon zusammengebrochen ist. Der Völkerverbrecher ist nicht gänzlich entmachtet und stellt eine Gefahr für den gesellschaftlichen Wandel dar. 354 Dies gilt ganz besonders für das ICC, das auch Verfahren in Konfliktsituationen übernimmt, die weder befriedet sein müssen noch gar gesellschaftlich aufgearbeitet. In solchen Situationen kann eine Verfestigung des Schutzes der Gesellschaft durchaus mit Hilfe der Sicherung des Straftäters erreicht werden und so auch eine „länger-als-normale“ Strafe gerechtfertigt werden. 355 Für den makrokriminellen Führungstäter ist die Sicherungsprävention im Völkerstrafrecht anwendbar. 356 Die Sicherung des Straftäters zum Schutz der Gesellschaft kann einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen. Wie aufgezeigt, schützt die Menschenwürde im Völkerrecht Freiheit und Solidarität, mithin im Rahmen der (Rechts-) Gemeinschaft die Freiheit des Menschen in der Gleichheit. In der Gemeinschaft kann aber dem Freiheitsanspruch des einen der Freiheitsanspruch des anderen gegenüberstehen, so dass Freiheit im Völkerrecht nicht nur weltgemeinschaftsbezogen, sondern auch weltgemeinschaftsgebunden ist. Eine Einschränkung der Freiheit zum Schutz der Allgemeinheit, wie sie die völkerrechtliche Sicherungsprävention anstrebt, ist denkbar. Auch hier bildet die Grenze die Eigenständigkeit der Person und auch hier ist vor allem die selbstverantwortliche Persönlichkeit in Gefahr. Die Persönlichkeit wird in ihrem Kernbereich nicht mehr gewahrt, wenn der Täter gezwungen wird, mithin gegen seinen Willen oder ohne seinen Willen über ihn verfügt wird. Der Zweck verfügt aber nicht, sondern das Übel. Ist das Übel durch die Straftat gerechtfertigt, ist auch die Verfügung gerechtfertigt; ist das Übel durch die Straftat nicht gerechtfertigt, folgt die Rechtfertigung der Strafe nur noch aus dem Zweck. Der Zweck der Sicherungsprävention kann 353 Vgl. Neubacher, Kriminologische Grundlagen einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, S. 423; vgl. aber ders., NJW 59 (2006), S. 968. 354 Vgl. auch Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 482 ff. m.w. N. in Hinblick auf südamerikanische Militärdiktaturen. 355 Vgl. auch Werle, ZStW 109 (1997), S. 822. 356 Vgl. auch Ostendorf, ZRP (1996), S. 467.

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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aber keinen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen. Zwar wird durch das Übel gegen den Willen des Verurteilten verfügt, aber die Verfügung erkennt die selbstverantwortliche Persönlichkeit des Straftäters insofern an, als der Straftäter Zweck an sich selbst bleibt, denn die Folgen seiner Straftat (im Zweck) treffen ihn allein. Der Einzelne wird gesichert, nicht die anderen. Da aber gerade die Würde des Menschen als Person darin besteht, dass er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt, muss er sich auch die Folge zuschreiben lassen, die er mit seiner Straftat auslöst, ohne dass dadurch der durch die Menschenwürde geschützte Wert- und Achtungsanspruch herabgewürdigt wird. Wenn die Gebundenheit an und die Bezogenheit auf die Weltgemeinschaft eine Wirkung hat, dann hier, denn der gefährliche Straftäter stellt durch seine oftmals wiederholten Straftaten die Solidarität mit der Weltgemeinschaft in Frage, so dass diese auch ihre Solidarität mit dem Straftäter legitimerweise einschränken kann, solange eine Anknüpfung an die Vorwerfbarkeit und die Möglichkeit zur Wiedererlangung der Freiheit besteht. Wie ist im Besonderen die Übertragung in das Völkerstrafrecht bei der Abschreckungsprävention zu beurteilen? Vermittelt das Verfolgungs- und Sanktionsrisiko bei der negativen Generalprävention die Abschreckung, so ist es bei der negativen abschreckenden Spezialprävention die Verurteilung des konkreten Straftäters. Der Gelegenheitstäter soll die Verurteilung als Warnung verstehen und dadurch von weiteren Straftaten abgeschreckt werden. Auch im Völkerstrafrecht hängt daher die Anwendbarkeit der Abschreckungsprävention von der Tätereigenschaft ab. Der makrokriminelle Gefolgschaftstäter kommt einem Gelegenheitstäter im nationalen Strafrecht nahe. Denn er wird zum Täter durch die konkrete Situation. Ist seine Eigenschaft eigentlich „Unauffälligkeit“ und „Normalität“, so wird diese Eigenschaft durch die gestörte Situation zur „Auffälligkeit“ und „Unnormalität“. 357 Er ergreift die Gelegenheit der makrokriminellen Situation, um die Völkerverbrechen zu begehen. Er mag durch die Verurteilung an die ungestörte Gesellschaftssituation erinnert werden, und ihm die Verurteilung daher als Warnung vor weiteren Straftaten dienen. Anders ist es beim makrokriminellen Führungstäter. Dieser zeigt Eigenschaften der eigenen Überzeugung und Normwertigkeit und Fähigkeiten zum Missbrauch von Machtstrukturen und schafft sich damit selbst die Gelegenheit für die Straftaten. Er erscheint nicht wie jemand, der sich eine Strafe als „Denkzettel“ angedeihen lässt. Er scheidet daher als möglicher Täter der Abschreckungsprävention aus. Zur Rechtfertigung der Strafe muss auch hier die Wiederholungsgefahr hinzu kommen. Dies setzt die Ausnutzung der makrokriminellen Struktur voraus. Denn kann der Straftäter seine Taten nicht mehr ausführen, so muss er davor auch nicht mehr abgeschreckt werden und die Völkergemeinschaft davor nicht mehr 357

Vgl. näher dazu Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, S. 464 f. m.w. N.

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geschützt werden. Auch hier hängt die weitere Bewertung von Tatsachenfragen ab. Wird angenommen, dass die Machtstruktur zusammengebrochen ist bzw. der Täter nicht in der Lage ist, andere Machtstrukturen auszunutzen, wird man eine Wiederholungsgefahr verneinen. Dass dieses Szenario aber nicht zwingend ist, wurde schon oben dargestellt. Bleibt die Machtstruktur bestehen, ist eine Wiederholungsgefahr theoretisch denkbar. Die völkerrechtliche Abschreckungsprävention begründet keinen Verstoß gegen die Menschenwürde. Denn entsprechend der Darstellung bei der Sicherungsprävention wird über den Straftäter nur zum Zweck an sich selbst verfügt. Dies ist aber von der Menschenwürde gedeckt.

D. Zusammenfassung I. Einheitliches Strafen macht es notwendig, Strafrecht und Strafe im Völkerrecht zu rechtfertigen, denn die Rechtfertigung differenziert den Strafzumessungsfall und damit die Zumessung der Strafe, indem sie erlaubt, im Gleichheitssatz der Gerechtigkeit die Unterschiede des Strafzumessungsfalls zu bestimmen. Die Rechtfertigung des Strafrechts und der Strafe im Völkerrecht kann dabei nicht absolut sein, sondern immer nur relativ. Denn die Bedeutung von Strafrecht und Strafe erschließt sich immer nur aus den kollektiv gebildeten und gemeinsam als erstrebenswert erachteten Werten der Gemeinschaft, die sich ändern können. Ihre kollektive Bedeutung bekommen Strafrecht und Strafe im Völkerstrafrecht durch die Werte der Völkergemeinschaft. Die Werte der Völkergemeinschaft drücken sich in den Menschenrechten aus. Bezogen auf das ICC-Statut kann eine kollektive Bedeutung unterstellt werden, da § 5 der Wiener Erklärung und die Unterzeichnung des Vertrags von Rom diese verbriefen. Damit haben die Völker des ICC-Statuts gemeinsame, für die Verfolgung der Menschheitsverbrechen des Völkerstrafrechts notwendige Werte, die die Grundlage einer Rechtfertigung von Strafrecht und Strafe im Völkerstrafrecht bilden. II. Aus normativen Erwägungen wird das Völkerstrafrecht durch eine eigenständige Begründung gerechtfertigt. Diese Begründung leitet sich aus den Funktionen des Völkerstrafrechts ab (Wahrung der Völkerrechtsordnung, insbesondere der Menschenrechtsordnung; Wahrung der Gerechtigkeit und Aufarbeitung des Konflikts). Die Funktionen lassen sich zu den zentralen Aufgaben des Völkerstrafrechts verdichten – dem Schutz von Weltfrieden, der internationalen Sicherheit und dem Wohl der Welt. Werden diese Werte und Güter als Rechtsgüter begriffen und der Schutz der Völkergemeinschaft mit dem Schutz der Menschenrechte verbunden, rechtfertigt sich das Völkerstrafrecht aus dem universellen und auch individuellen Schutz höchster Rechtsgüter der Völkergemeinschaft, die Teil des gemeinschaftlichen Zusammenlebens sind.

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III. Im Anschluss an die Rechtfertigung des Völkerstrafrechts ist die Völkerstrafe zu rechtfertigen. Versucht wird die Rechtfertigung durch die Übertragung der nationalen Straftheorien in das Völkerstrafrecht. Damit soll die Frage beantwortet werden, was der Grund für Strafe ist und in welchem Maß sie verhängt werden soll. 1. Eine Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß will nur gelingen, wenn sie sich auf „vergemeinschafte“ Werte beziehen kann, denen sie den relevanten Maßstab für die zumindest auch normative Begründung entnimmt. Da Gesellschaftsformen und gemeinsame Werte in den relevanten angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen geteilt werden, kann die Diskussion der Straftheorien losgelöst von nationalen Rechtsordnungen erfolgen. Das ICC nimmt an diesen Werten teil. Daher ist eine Übertragung von nationalen Straftheorien auf das Völkerstrafrecht grundsätzlich möglich. Dabei müssen aber die Eigenarten des Völkerstrafrechts, also seine Funktion, die Struktur der Makrokriminalität und das Unrecht der Menschheitsverbrechen, beachtet werden. 2. Bevor die einzelnen Straftheorien auf ihre Tauglichkeit für das Völkerstrafrecht geprüft werden, werden die Eckpunkte der Straftheorien betrachtet: Zum einen der unterschiedliche Bezug der Straftheorien, die sich entweder auf die körperliche Welt beziehen, relativ sind und Strafe durch eine diesseitig-soziale Ausrichtung erklären, oder sich auf die metaphysische Nicht-Welt beziehen, absolut sind und der Strafe eine jenseitig-transzendente Ausrichtung zusprechen. Zum anderen das ethische Erklärungsmuster, nämlich einmal die konsequentialistische, insbesondere die utilitaristische, und einmal die nicht-konsequentialistische, insbesondere die deontologische, Ausrichtung der Straftheorien. Zum Weiteren der Blickwinkel auf die Straftat, nach dem die Straftat entweder als Ausdruck einer Gefahr oder als Ausdruck eines Verbrechens verstanden wird und damit aus präventiven oder retributiven Zwecken gestraft wird. Für die Übertragung der Straftheorien auf das Völkerstrafrecht ergeben die wesentlichen Aussagen der Straftheorien und ihre Auswirkungen auf die Strafzumessung folgendes Bild: 3. Nach den retributiven Straftheorien des „just deserts“ wird der Straftäter bestraft, weil er dies für die Straftat verdient hat und die Tat damit gerecht abgegolten ist. Die näheren Gründe für eine solche Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß sind unterschiedlich: a) Die Theorien des unfairen Vorteils knüpfen an das Verständnis des Strafrechts als einer Institution des gegenseitigen Nutzens an, in der Vor- und Nachteile ausgeglichen werden. Ein Straftäter gewinnt durch die Straftat einen Vorteil, den er zum einen dadurch gewinnt, dass die anderen keine Straftaten begehen, und zum anderen dadurch, dass er sich durch die Straftat einen Vorteil nimmt. Dieser Vorteil führt zu einer Ungleichheit, die durch den Nachteil der Strafe ausgeglichen werden muss. Das Maß der Strafe wird dabei anhand des genom-

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menen Vorteils bestimmt, der wesensgleich auszugleichen ist. Die Maßeinheit soll der Grad des moralischen Verbotes sein bzw. der Gewinn an Handlungsfreiheit im Rechtssystem, welches verletzt wurde. Ein solches Maß lässt sich aber nicht messen und lässt den Schaden, der durch die Straftat entstanden ist, außen vor. Die Übertragung ins Völkerstrafrecht scheitert. Denn zum einen steht die makrokriminelle Natur der Völkerbrechen einer Begründung der Strafe aus dem genommenen Vorteil fremd gegenüber, zum anderen ist die von den Unfair-advantage-Theorien geforderte Wertgleichheit von Vorteil und Nachteil in Hinblick auf das Unrecht der Menschheitsverbrechen nicht praktizierbar. b) Die kommunikativen Just-deserts-Theorien werden von zwei Aussagen getragen. Zum einen ist nur eine tatproportionale Strafe gerecht. Zum anderen rechtfertigt sich Strafe damit, dass dem Straftäter durch das Übel der Strafe der Sinn von Strafe als Missbilligung oder Tadel der Straftat kommuniziert wird. Von zentraler Bedeutung für die Idee der Strafe ist die Übermittlung, dass der Straftäter ein Unrecht begangen hat und dieses Unrecht missbilligt wird. Da der Tadel schon der Verurteilung anhaftet, bedarf es weiterer Gründe für die Übelzufügung durch die Strafe. Diese werden zum einen in der abschreckenden Wirkung für die Allgemeinheit gesehen, zum anderen auch in der Möglichkeit zur säkularen Buße. Tadel und Übel bedingen sich, da das Übel den Tadel vermittelt. Der Tadel wird durch die Tatschwere konkretisiert (Grad der Schädlichkeit und der Vorwerfbarkeit des Verhaltens), so dass die Tatschwere auch die Übelzufügung der Strafe definiert. Die Strafe muss proportional zur Tatschwere sein. Proportionalität wird dabei als begrenzendes oder bestimmendes Prinzip aufgefasst. Jedenfalls wird sie durch eine ordinale und eine kardinale Ausrichtung der Betrachtung konkretisiert. Die ordinale Ausrichtung der Proportionalität setzt die Straftat in ein Verhältnis zu anderen Straftaten. Dies kann nur gelingen, wenn sie der Gleichheit verpflichtet ist, die Rangordnung der Delikte wahrt und genügend Abstand für die Zumessung der Unterschiede lässt. Die kardinale Ausrichtung der Proportionalität bemüht sich um die Verankerung der ordinalen Proportionalität im Strafrechtssystem. Diese Verankerung beruht nicht auf abstrakten Regeln, sondern auf Konvention. Die Konvention muss stets den Straftäter noch als Menschen und moralisch Handelnden anerkennen, der dem Tadel zugänglich ist, so dass übermäßige Strafen nicht mit den kommunikativen Just-deserts-Theorien gerechtfertigt werden können. Die Rechtfertigung der Institution der Strafe als Tadel oder Missbilligung steht nicht im Widerspruch zu den Eigenarten des Völkerstrafrechts. Insbesondere ist die Funktion des Völkerstrafrechts, die Durchsetzung der Völkerrechtsordnung, auch mit der Begründung der Kommunikation von Tadel und Missbilligung denkbar. Die Kommunikation bleibt notwendig, selbst wenn man unterstellt, dass Bekanntes nicht noch einmal bekannt gemacht werden muss, denn in der Kommunikation liegt immer noch die Erinnerung an und die Bestätigung von Unrecht. Auch der Gedanke der Tatproportionalität ist auf das Völkerstrafrecht

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übertragbar. Denn diese erfordert nur ein In-Verhältnis-Setzen der Strafe zur Tatschwere. Der Maßstab dieses Verhältnisses, die Strafskala, wird dabei durch Konventionen gebildet. Die Konvention des ICC-Statuts sieht einen solchen Maßstab vor, so dass insoweit das Unrecht der Menschheitsverbrechen auch auszugleichen ist. Mit der Übertragung der Grundaussagen der Straftheorie auf das Völkerstrafrecht lässt sich auch die weitere Konkretisierung der Tatproportionalität durch die ordinale und kardinale Proportionalität auf das Völkerstrafrecht übertragen. 4. Für die Vertreter der positiven Generalprävention soll Strafe mittels Einsicht auf die Gemeinschaft einwirken und kommunizieren, dass die durch das Strafrecht geschützten Normen, entgegen des in der Straftat begründeten Normenbruchs, nicht aufgegeben werden und weiterhin Bestand haben. Die Kommunikation der Unverbrüchlichkeit des Rechts erhält und stärkt das Vertrauen in die Bestands- und Durchsetzungskraft des Rechts und schafft damit Rechtsbewusstsein und Rechtstreue. In den betrachteten Ausrichtungen der positiven Generalprävention wird dieser Grundgedanke durch den Verweis auf die Notwendigkeit sicherer Normgeltung bzw. der Verankerung der Norm als Teil der sozialen Kontrolle und der Unerlässlichkeit der Normbestätigung akzentuiert. Insbesondere wird die integrative Wirkung von Rechtsbewusstsein und Rechtstreue betont, die aber nur greifen kann, wenn die Strafe auf vorhandenes Rechtsbewusstsein aufsetzt. Dies bedingt die Verhängung einer gerechten Strafe. Drei methodische Voraussetzungen sind den betrachteten Ausrichtungen der positiven Generalprävention zu eigen: Kenntnis der Adressaten von den generalpräventiven Umständen, Motivierbarkeit der Adressaten durch die Umstände, Eignung der Umstände zur Generalprävention. Den Stärken in der Rechtfertigung der Strafe stehen Schwächen in der Rechtfertigung des Strafmaßes gegenüber. Denn das Maß, welches erforderlich ist, um Rechtstreue und Rechtsbewusstsein zu erhalten und zu stärken, ist schwer zu bestimmen. Wird aber akzeptiert, dass nur gerechte Strafen die Rechtstreue fördern, so folgt daraus, dass nicht nur unverhältnismäßige Strafen zu vermeiden sind, sondern auch verhältnismäßige Strafen geboten sind. Bezogen werden kann die Verhältnismäßigkeit mangels eines genauen Maßes auf die Entsprechung von Strafe und Unrecht. Die Rechtfertigung der Strafe ist auf das Völkerstrafrecht übertragbar. Zum einen liegt die Durchsetzung des Völkerrechts in der erkannten Funktion des Völkerstrafrechts. Zum anderen kann der Bekämpfung der Makrokriminalität auch die Funktion der Normbestätigung oder sozialen Kontrolle zugeschrieben werden. Ein notwendiges Grundbewusstsein für die durch das Völkerstrafrecht geschützten Normen ist in der Völkergemeinschaft anzunehmen. Denn das Völkerstrafrecht schützt die Werte wesentlicher Menschenrechte, die über regionale und internationale Menschenrechtsinstrumente bereits Bestandteil des Rechtsbewusstseins und als Jus-cogens-Norm und Erga-omnes-Verpflichtung Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen sind. Die Bestätigung dieser Normen durch das

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Völkerstrafrecht schafft daher auch keine neue (normative) Identität der Weltgemeinschaft oder nationalen Gemeinschaft. Bei der Frage, ob die völkerrechtliche positive Generalprävention gegen die Menschenwürde im Verständnis des Völkerstrafrechts verstößt, muss die Antwort differenziert ausfallen: Ist das Übel der Strafe durch die Straftat gerechtfertigt, so ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde zu verneinen; ist das Übel hingegen durch die Straftat nicht gerechtfertigt, so bestimmt allein der Zweck über die Rechtmäßigkeit der Strafe. Da dieser den Willen des Straftäters nicht um seiner selbst willen, sondern um anderer willen zwingt, missachtet das Übel den Menschen als selbstverantwortliche Persönlichkeit und begründet einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Die Vermittlung der Kenntnis der generalpräventiven Umstände wird im Völkerstrafrecht sogar unmittelbarer als im nationalen Strafrecht bewerkstelligt. Die Motivierbarkeit durch die Kenntnis der Umstände ist je nach Tätergruppe unterschiedlich. Der makrokriminelle Führungstäter lässt sich nur schwer motivieren, beim makrokriminellen Gefolgschaftstäter mag die Kenntnis über die zutreffende Norm die Einsicht in das Recht fördern. Die Eignung der generalpräventiven Umstände zur Generalprävention im Völkerstrafrecht ist offen. Eine Berufung auf die völkerrechtliche positive Generalprävention im Völkerstrafrecht ist alles in allem möglich. 5. Die negative Generalprävention will durch die Strafdrohung und die Glaubhaftmachung der Drohung durch die Strafe potentiell Tatgeneigte in der Gemeinschaft von der Begehung von Straftaten abschrecken. Soll hergebracht die Strafdrohung als Gegenpol der Überlegung zur Strafbegehung dienen und die Kalkulation des Täters dahin verschieben, dass er von der Tat Abstand nimmt, ist hingegen heute anerkannt, dass das Strafverfolgungsrisiko und die Strafe die Abschreckung vermittelt. Die methodischen Bedingungen der Generalprävention müssen auch hier erfüllt sein, d. h. die Vermittlung von Kenntnissen über die Umstände der negativen Generalprävention, die Motivierbarkeit durch diese Umstände und das Wissen um die Eignung der Umstände zur Abschreckung. Die Strafe wird am Vorteil des Täters, nicht aber am Nachteil der Gesellschaft gemessen. So kann ein Missverhältnis zwischen Strafe und Schaden entstehen. Ein konkretes Maß der zur Abschreckung notwendigen Strafe lässt sich mit der negativen Generalprävention nicht begründen. Sie kann daher weder eine Verhältnismäßigkeit begrenzen noch bestimmen. Da nunmehr auch im Völkerstrafrecht ein signifikantes Maß an Strafverfolgungsrisiko zu erwarten ist, könnte die Rechtfertigung der Strafe durch die negative Generalprävention auch im Völkerstrafrecht greifen. Die Vermittlung der Kenntnis der Umstände der negativen Generalprävention an die Weltgemeinschaft ist im Völkerstrafrecht gut möglich. Hinsichtlich der Motivierbarkeit ist zu differenzieren: Die makrokriminellen Führungstäter mögen die Strafe als Kal-

2. Kap.: Straftheoretische Ausgangspunkte im Völkerstrafrecht

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kül in ihre Überlegungen einbeziehen, da das Verfolgungsrisiko die Erreichung der Ziele und die Ausübung der politischen Macht schmälern kann. Die makrokriminellen Gefolgschaftstäter erscheinen dagegen nicht motivierbar, da die gestörte gesamtgesellschaftliche Situation das Risiko der Strafverfolgung als gering erscheinen lässt. Wären die Führungstäter jedoch bereits abgeschreckt, dann könnte es den Gefolgschaftstätern an Führung mangeln, und die gesellschaftliche Situation würde wieder eine Verfolgung wahrscheinlich machen. Bei der Frage, ob die völkerrechtliche negative Generalprävention einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründet, ist auch hier zwischen Zweck und Übel zu unterscheiden. Wird auf die bloße Drohung mit der Strafe abgestellt, fallen Zweck und Übel von vorneherein auseinander. Die Rechtfertigung des Übels kann daher nicht den Zweck rechtfertigen. Der Zweck ist aber nicht auf den Straftäter gerichtet ist, sondern auf andere. Der Verstoß gegen die Menschenwürde des Verurteilten ist begangen. Wird auf die Strafe abgestellt, ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde dann begründet, wenn das Übel der Strafe nicht durch die Straftat gerechtfertigt ist. Die Übertragung in das Völkerstrafrecht scheitert daran, dass Strafe nur den durch die Straftat gewonnenen Vorteil mit einem Nachteil ausgleicht, aber den Schaden bei der Zumessung der Strafe außer Acht lässt. Eigenart des Völkerstrafrechts ist aber gerade die besondere Schadensdimension, so dass sich diese Dimension auch in der Strafe widerspiegeln muss. 6. Ausgangspunkt der positiven Spezialprävention – wie aller Spezialpräventionen – ist im Allgemeinen der Gedanke, dass die Straftat einen Angriff auf die Rechtsgüter der Gesellschaft darstellt und dieser Angriff zukünftig zum Schutz der Gesellschaft durch Strafe abgewehrt werden muss. Dieser Gedanke ist auf das Völkerstrafrecht übertragbar, denn auch Völkerverbrechen stellen einen Angriff auf die universellen Rechtsgüter der Völkergemeinschaft dar, der durch das Völkerstrafrecht abgewehrt werden soll, um die Grundlagen menschlichen Daseins in der Völkergemeinschaft zu schützen. Im Besonderen rechtfertigt die positive Spezialprävention Strafe mit dem Schutz der Gesellschaft, der durch die Sozialisierung bzw. Resozialisierung des besserungsfähigen Straftäters erreicht werden soll, damit dieser in Zukunft ein Leben ohne Straftaten führt. Das äußere Legalverhalten kann erzwungen werden, die innere Besserung nicht. Ersteres wird durch das Übel der Strafe gewährleistet, Letzteres durch die Hilfe während der Zufügung des Übels im Behandlungsvollzug. Das konkrete, zur Sozialisierung erforderliche Strafmaß kann der Behandlungsbedürftigkeit nicht entnommen werden, da es letztlich von einer Prognose abhängig ist. Die positive Spezialprävention kann nur dann auf das Völkerstrafrecht übertragen werden, wenn sich die von der Resozialisierungsprävention unterstellten Tätereigenschaften mit den makrokriminellen Tätereigenschaften decken. Der makrokriminelle Führungstäter entspricht dem Bild der positiven Generalpräven-

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

tion nicht, der makrokriminelle Gefolgschaftstäter hingegen schon, insbesondere wenn er jung ist oder selbst als Opfer gelten muss. Die Resozialisierungsprävention setzt die Gefahr einer Wiederholung von Straftaten voraus, vor der die Gesellschaft geschützt werden muss. Ob diese Gefahr auch im völkerstrafrechtlichen Kontext besteht, hängt von der Einschätzung der makrokriminellen Situation und der Möglichkeit der Ausnutzung dieser Situation ab. Wird eine Gefahr bejaht, so ist für den Gefolgschaftstäter die Berufung auf die völkerrechtliche positive Spezialprävention eröffnet. Die im nationalen Strafrecht belegten Schwierigkeiten der Prognose und empirischen Belege sind auch im Völkerstrafrecht zu vermuten. Wichtig ist, dass die völkerrechtliche positive Spezialprävention die Grenzen zwischen Übel und Hilfe wahren muss, um einen Verstoß gegen die Menschenwürde zu vermeiden. Denn die Behandlung der Seele als Zweck der Strafe greift in den Kernbereich der Persönlichkeit ein. Erfolgt sie gegen oder ohne den Willen des Menschen, so begründet sie einen Eingriff und damit einen Verstoß gegen die Menschenwürde, unabhängig davon, ob das Übel der Strafe gerechtfertigt ist oder nicht. Wird aber die Trennung von Übel und Hilfe beibehalten, so beschränkt sich die Zufügung des Übels auf die Gewährleistung des Rahmens, in dem sich die Hilfe durch Angebote an den Straftäter realisieren kann. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist dann nicht begründet. 7. In der negativen Spezialprävention wird der Schutz der Gesellschaft durch den Schutz der Rechtsgüter mit Hilfe von physischer Gewalt, dem Einsperren, erreicht. Dies ist auch im Völkerstrafrecht möglich. Die negative Spezialprävention kommt in zwei Ausprägungen vor: Die sichernde Spezialprävention sichert den nicht besserungsfähigen und für die Gesellschaft gefährlichen Straftäter zum Schutz der Gesellschaft in der Haft. Die abschreckende Spezialprävention schreckt den nicht besserungsbedürftigen, aber auch nicht besserungsunfähigen Straftäter zum Schutz der Gesellschaft durch Strafe ab. Die Strafzumessung ist auch hier durch die Ungewissheit der Prognose belastet, so dass aus der negativen Spezialprävention der Maßstab für die Strafe nicht zu entnehmen ist. Die Sicherungsprävention und die Abschreckungsprävention können nur dann auf das Völkerstrafrecht übertragen werden, wenn die Täterbilder der negativen Spezialpräventionen mit den Täterbildern der Makrokriminalität in Einklang gebracht werden können. Hinsichtlich der Sicherungsprävention entspricht der makrokriminelle Führungstäter diesem Bild, der makrokriminelle Gefolgschaftstäter hingegen nicht. Hinsichtlich der Abschreckungsprävention entspricht der makrokriminelle Gefolgschaftstäter diesem Bild, nicht aber der makrokriminelle Führungstäter. Zur Rechtfertigung der Strafe muss auch hier die Wiederholungsgefahr hinzu kommen, die von der Möglichkeit zur Begehung weiterer Menschheitsverbrechen abhängt. Wird angenommen, dass diese Möglichkeit besteht, ist die Rechtfertigung der Strafe aus der völkerrechtlichen negativen Spezialprävention eröffnet; wird eine derartige Möglichkeit verneint, ist diese Rechtfertigung

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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ausgeschlossen. Die Rechtfertigung würde im positiven Fall jedenfalls die Sicherung des Führungstäters und die Abschreckung des Gefolgschaftstäters erfassen. Die Zwecke der Sicherung und Abschreckung können einen Verstoß gegen die Menschenwürde begründen. Allerdings ist eine Einschränkung der Freiheit zum Schutz der Allgemeinheit nicht grundsätzlich wider die Menschenwürde. Ist das Übel durch die Straftat gerechtfertigt, scheidet ein Verstoß gegen die Menschenwürde aus. Ist das Übel durch die Straftat nicht gerechtfertigt, ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde möglich, aber letztlich nicht gegeben, solange denn eine grundsätzliche Bindung an die Vorwerfbarkeit bleibt und der Straftäter die grundsätzliche Möglichkeit zur Wiedererlangung der Freiheit behält. Denn zum einen bleibt der Straftäter Zweck an sich selbst und zum anderen ist gerade im Fall der Sicherungsprävention die Solidarität mit dem Straftäter zugunsten der Freiheit der Völkergemeinschaft verschoben.

3. Kapitel

Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung Das 3. Kapitel zeigt zunächst auf, was zur Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung vonnöten ist (dazu sogleich unter A.). Die Betrachtung der Gleichbehandlung verdeutlicht, dass das Element des Gleichen differenziert, um zwischen „wesentlich gleich“ und „wesentlich ungleich“ zu unterscheiden, und dass das Element der Behandlung individualisiert, um dem einzelnen Menschen gerecht zu werden und Maß bei der Zumessung der Strafe zu halten. Die Strafe muss immer im gleichen Maß verhängt werden, sei es für den gleichen oder ungleichen Fall. Die Gleichheit muss durch Verhältnismäßigkeit und Graduierung des Sanktionssystems gewahrt werden. In einer Rechtsgemeinschaft wird Strafe durch normative Mechanismen differenziert und individualisiert (unter I.). Die Erkenntnis der Strafzumessung als Entscheidungsprozess verweist auf die Unterschiede zwischen Herstellung und Darstellung der Strafe. Die Herstellung ist durch die Entscheidung über die Strafe, die Entscheidungssituation des Strafprozesses und den Entscheider geprägt. Die Entscheidungssituation wird durch offene und verdeckte Regeln bestimmt. Die verdeckten Regeln behindern eine einheitliche Strafzumessung, da sie unterschwellig die Strafentscheidung lenken. Die offenen Regeln fördern eine einheitliche Strafzumessung, da sie transparent die Strafentscheidung lenken. In einer Rechtsgemeinschaft werden die offenen Regeln durch normative Mechanismen gesetzt (unter II.). Einheitlich ist die Strafzumessung dann, wenn sie den Gedanken der Gleichbehandlung und des Entscheidungsprozesses berücksichtigt. Die Strafzumessung muss differenzieren und individualisieren und dies mit gleichen Maß. Die Differenzierung gelingt durch die normativen Mechanismen. Das Maß ergibt sich aus dem verhältnismä-

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

ßigen Sanktionssystem. Das Messen vollbringt der Vergleich mit anderen Fällen (unter III.). Das Kapitel bleibt aber nicht bei der Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung stehen, sondern nennt die einzelnen Mechanismen, die einer Differenzierung der Strafe dienlich sein können. Dabei stehen nicht die Mechanismen auf der Ebene der Völkergemeinschaft im Vordergrund, sondern die Mechanismen auf der Ebene der Einzelfallentscheidung (dazu später unter B.).

A. Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung I. Von der Gleichbehandlung zur gleichen Strafzumessung Wurde schon auf den Gleichheitssatz und seine Verknüpfung mit dem Begriff der Gerechtigkeit verwiesen, so muss das Phänomen der Gleichheit (und damit auch der Gerechtigkeit) noch weiter ausdifferenziert werden, um konkrete Mechanismen zu finden, die einer gleichen, aber auch individuellen Strafzumessung dienen können. Charakteristisches Merkmal der Gerechtigkeit im Recht ist die Gleichbehandlung. 1 1. Gleichheit und Individualisierung Das Element des „Gleichen“ in der Gleichbehandlung erfordert, mit wesentlich Gleichem gleich und mit wesentlich Ungleichem ungleich umzugehen. Was „wesentlich“ ist, ist außerhalb der Gerechtigkeit nach subjektiven und damit relativen Maßstäben zu bestimmen. Immer müssen dies aber rechtliche Maßstäbe sein, denn nur solche können in einem Rechtssystem verbindlich über Relevanz und Irrelevanz entscheiden. In einer allgemeineren Form ergeben sich solche Maßstäbe aus den Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien, die den notwendigen theoretischen Rahmen einer einheitlichen Strafzumessung vorgeben und erste Leitlinien bestimmen. Sie taugen aber nicht zur weiteren Ausdifferenzierung der Strafe. Eine einheitliche Strafzumessung kann nur gelingen, wenn die allgemeinen Maßstäbe durch besondere Maßstäbe ergänzt werden, die so konkret sind, dass in jedem Einzelfall eine Unterscheidung zwischen Gleich- und Ungleichbehandlung erfolgen kann. Es geht also darum, normative Mechanismen der Strafzumessung an die Hand zu bekommen, mit deren Hilfe eine Differenzierung möglich ist, die Unterschiede benennt. 2 Denn das differenzierte Entscheiden ermöglicht es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das Element des „Behandelns“ in der Gleichbehandlung verweist auf die Zuteilung bzw. Verteilung von „gleich“ oder „ungleich“. Das setzt die Möglichkeit 1 2

Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 69 ff. Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 5 ff.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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voraus, einem anderen gegenüber etwas zuzuteilen bzw. verteilen zu können. Eine Beziehung, aus der diese Möglichkeit erwächst, verlangt nach einem gewissen Über-Unterordnungsverhältnis, mithin einem Machtverhältnis. 3 Macht besitzt die Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen und insbesondere der Staat gegenüber seinen Bürgern. In einem Rechtssystem ausgeübt wird diese Macht unter anderem durch das Strafrecht. Sie vermittelt sich durch die Verhängung von Sanktionen. Die Ausübung der Macht durch das Strafrecht wird begrenzt durch die Grundrechte des Staates, 4 die dafür sorgen, dass die Macht nur in Maßen ausgeübt wird bzw. die Freiheitsrechte der Bürger nur soweit als notwendig beeinträchtigt werden. Die Grundrechte bringen damit das Maßhalten in das Strafen, da die Strafe dem einzelnen Grundrechtsträger entsprechend seiner Tat und Person angepasst werden muss. Wie die Grundrechte auf nationaler Ebene die Strafzumessung begrenzen, so begrenzen die Menschenrechte auf internationaler Ebene die Strafzumessung. Die Menschenrechte tarieren das Spannungsverhältnis zwischen der Macht der Völkergemeinschaft und der Freiheit des Einzelnen durch das Postulat der Gleichbehandlung als Wesensmerkmal der Gerechtigkeit aus. Sie bringen das Maßhalten in einen internationalen Kontext. Die Behandlung durch das Völkerstrafrecht, die Machtausübung durch die Strafe, ist durch die Menschenrechte begrenzt. Daraus erwächst die Konsequenz, Maß zu halten und die Strafe entsprechend der Einzigartigkeit des Menschen dem einzelnen Menschen und Fall zuzumessen. 5 Das „Behandeln“ in Gleichbehandlung erfordert damit die Individualisierung der Strafe. 6 Mechanismen der Strafzumessung müssen daher nicht nur differenzieren, sondern auch individualisieren, da nur so Strafe der durch die fundamentale Gerechtigkeit des Rechts vorgegebenen Gleichbehandlung genügen kann. Gleichheit und Individualisierung der Strafe stehen also nicht in einem Gegensatz zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig, weil beide für eine Gleichbehandlung vonnöten sind. 7

2. Gleiches Strafmaß für den gleichen und ungleichen Fall Wenn es also dem die Gerechtigkeit postulierenden Gleichheitssatz entspricht, an diejenigen gleich, die gleich viel verdienen, und an diejenigen ungleich, die ungleich viel verdienen, zu verteilen, so liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn an diejenigen, die gleich viel verdienen, ungleich verteilt wird, mithin 3 4 5 6 7

Vgl. Nef von Herisau, Gleichheit und Gerechtigkeit, S. 76 ff. m.w. N. Vgl. Jung, Sanktionensysteme und Menschenrechte, S. 16. Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 113. Vgl. dazu näher Robert, Inequalities in Sentencing, S. 24 ff. Vgl. auch Jung, Sanktionensysteme und Menschenrechte, S. 203 f.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

„gleich“ zu bewertenden Straftaten und Tätern eine ungleiche Strafe zuteilwird. Es entspricht aber dem Gleichheitssatz, etwas ungleich zu behandeln, das Ungleiches verdient, solange dies mit gleichem Maß geschieht, so dass „ungleich“ zu bewertenden Straftaten und Tätern auch ungleiche Strafen zugemessen werden können. 8 Entscheidend ist somit zweierlei: Zum einen, welche Tat (und Täter) als gleich bzw. ungleich zu bewerten ist (Tatbestandsebene), und zum anderen, wann eine Zumessung der Strafe ungleich bzw. gleich ist (Rechtsfolgenebene). Die erste Frage ist in ihrem Kern eine Tatsachenfrage. Freilich wird diese Tatsachenfrage an ihren Rändern durch rechtliche Überlegungen mitgeprägt. Denn die Straftat kann nur voll erfasst werden, wenn die tatsächliche Bewertung und Rekonstruktion der Gegenstände der Umwelt (der „Tat-Teil“ von Straftat) vor dem Hintergrund der rechtlichen Bewertung (dem „Straf-Teil“ von Straftat) erfolgt, da beim Bestimmen der Straftat sowohl deskriptive als auch normative Merkmale subsumiert werden müssen. 9 Die Völkerstraf- und Völkerstrafrechtstheorien schlagen auf die Bestimmung des Straftatbestandes durch. 10 Die zweite Frage beruht im Kern auf einer rechtlichen Betrachtung, da sie entscheidend durch den Bezug auf die Strafbemessung des Straftatbestandes und den darin zum Ausdruck kommenden Unwertgehalt gelöst wird. Freilich erfolgt auch hier insofern eine „Rückkoppelung“ zwischen rechtlicher und tatsächlicher Betrachtung, als die rechtliche Betrachtung auch aufgrund tatsächlicher Strafzumessungsumstände erfolgt. Sie ist für die Strafzumessung entscheidend und zwar nicht nur bei Fällen mit wesentlich gleicher Tat (und gleichem Täter), sondern vor allem bei Fällen mit wesentlich ungleicher Tat und ungleichem Täter. Auch wenn diese ungleich behandelt werden dürfen, müssen sie doch auf der Rechtsfolgenseite im gleichen Maße ungleich behandelt werden, um dem Gleichheitssatz gerecht zu werden. 3. Gleichheit des Strafmaßes durch Verhältnismäßigkeit und Graduierung Tatbestand und Rechtsfolge müssen aufeinander bezogen werden, um die Strafwürdigkeit des Straffalls mit dem Strafwert des Strafzumessungsfalls in Übereinstimmung zu bringen. 11 In einem idealen Fall wird die Relation zwischen Tatbestand und Rechtsfolge durch einen mathematisch-logischen Schluss von der einen Größe auf die andere Größe „hergestellt“. 12 Stehen beide in einem 8

Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 114. Vgl. auch Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessungen, S. 231 f.; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 88 ff. 10 Vgl. auch Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 22 f.; Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 112. 11 Vgl. Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 4. 12 Vgl. Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessungen, S. 240. 9

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

161

Verhältnis zueinander, so gibt der Straffall Aufschluss über die zu verhängende Strafe, da die Strafwürdigkeit des Straffalls den Strafwert der Strafe bedingt; und umgekehrt gibt die verhängte Strafe Aufschluss über die Strafwürdigkeit der Straffalls, da der Strafwert des Strafzumessungsfalls den Rückschluss auf die Strafwürdigkeit des Straffalls eröffnet. Ein Rückschluss des einen auf das andere ist aber nur dann zulässig, wenn die Bewertung von Tat und Strafe in sich jeweils verhältnismäßig aufgebaut ist und beide wiederum zueinander verhältnismäßig sind. Denn ansonsten könnte nicht gleich gemessen werden. Damit würde allerdings nur die gleiche Strafe innerhalb eines Straftatbestandes zugemessen. Um zu einer tatsächlich gleichen Strafzumessung in einem Strafsystem zu gelangen, muss noch ein Bezug zu den anderen Straftatbeständen hergestellt werden; d. h. die Verhältnismäßigkeit des einen Straftatbestandes muss auch verhältnismäßig zur Verhältnismäßigkeit des anderen Straftatbestandes sein. Ein verhältnismäßiges Strafsystem ist also insofern „vertikal“ und „horizontal“ ausgerichtet, als es einheitlich innerhalb eines Straftatbestandes und einheitlich im Verhältnis zu den anderen Straftatbeständen ist. 13 Die verhältnismäßige Strafstruktur korrespondiert mit einer verhältnismäßigen Graduierung. Denn ein Wert kann nur dann zugemessen werden, wenn er auf einer Skala abgetragen werden kann. Aus der Unterscheidung nach vertikaler und horizontaler Verhältnismäßigkeit folgt auch die Unterscheidung nach vertikaler und horizontaler Graduierung. Ist die innere Verhältnismäßigkeit durch das Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafwert geprägt, muss eine Skala, die Bewertungen erlaubt, sich auch jeweils auf die Strafwürdigkeit und den Strafwert erstrecken. Diese „Bewertungsskalen“ sind zunächst durch die Tatbestandsmerkmale und die Strafbemessung geprägt. Da diese Wertung aber abstrakt bleibt und nicht die konkreten Umstände spiegeln kann, müssen die Bewertungsskalen feiner abgestimmt sein, um den Eigenarten der Tatbestandsumstände und Strafzumessungsumstände gerecht zu werden. Zu den Eigenarten der Tatbestandsumstände und Strafzumessungsumstände gehört es aber auch, dass sie nicht nur gleiche, sondern auch ungleiche Strafwürdigkeiten und Strafwerte begründen können, so dass die Bewertungsskalen immer auch in der Lage sein müssen, Unterschiede zum Ausdruck zu bringen. Ist die horizontale Verhältnismäßigkeit durch das Verhältnis zu anderen Straftatbeständen bestimmt, so ist es ebenfalls die horizontale Graduierung. Sie erlaubt die Bewertung der Straftatbestände untereinander. Auch hier ist also eine Unterscheidung vonnöten. 4. Individualisierung und Differenzierung durch rechtliche Mechanismen Stünde die Strafe in einem Strafsystem nicht in einem Verhältnis zur „Tatskala“ und „Strafskala“, so könnte die Einheitlichkeit der Strafzumessung auch durch 13

Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 97.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

den bloßen Bezug auf bereits ergangene Strafen begründet werden. Dann legten die bestehenden Strafen die gewünschte „Strafskala“ fest, an der sich zukünftige Urteile messen lassen müssten. 14 Wichen die verhängten Strafen voneinander ab, wäre dies der Strafwürdigkeit geschuldet und damit dem Unterschied auf Tatbestandsebene von Täter und Tat. Die Strafzumessung selber wäre aber einheitlich, denn die Zumessung erfolgte nach einem einheitlichen Muster. 15 Lässt man einmal den Umstand außer Acht, dass zur Zeit noch keine Urteile vor dem ICC ergangen sind bzw. die Anzahl der Fälle begrenzt bleiben wird, also noch kein Strafmuster erkannt werden kann bzw. ein Strafmuster nur schwer entstehen wird, so griffe ein solches Vorgehen dennoch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus zu kurz. Schließlich kann nicht gesagt werden, ob die Strafen auf relevanten oder irrelevanten Mustern beruhen. Entscheiden können dies nur vorher bestimmte Differenzierungskriterien, die außerhalb der bloßen Anforderung nach gleicher Behandlung liegen. In einer Rechtsgemeinschaft müssen diese Kriterien rechtlich fundiert sein, denn nur dann können sie rechtlich begründet bzw. unbegründet im Sinne des Gleichheitssatzes differenzieren. 16 Eine Differenzierung kann demnach nur vor dem Hintergrund positivrechtlicher Kriterien erfolgen, die dazu geeignet sind, eine Abstufung auf der Tat- und Strafskala zu begründen bzw. die Strafbarkeit und den Strafzumessungsfall zu gewichten. 17 Die Suche nach Mechanismen der Einheitlichkeit muss also auf der Seite der Rechtsetzung beginnen. Neben den weiteren Differenzierungskriterien der Völkerstrafrechtsund Völkerstraftheorien kommt es vor allem auf die Strafzumessungsumstände an. 18 Denn diese sind es letztlich, die im konkreten Fall differenzieren und so zum Ausgleich des Spannungsverhältnisses von Gleichheit und Individualisierung der Strafe beitragen. II. Strafzumessung als Entscheidungsprozess 1. Herstellung und Darstellung der Strafzumessung Dem Sprachgebrauch nach ist eine Entscheidung durch die Möglichkeit zu wählen und durch die Erheblichkeit der Wahl charakterisiert. 19 Die Strafzumes14

Vgl. zum „judicial precedent“ näher Robert, Inequalities in Sentencing, S. 36 ff. Vgl. Jaerborg, Introductory Report, S. 8 f. 16 Zum „normativen“ Erklärungsmodell und seiner Abgrenzung Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 211 ff. 17 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 16; Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 101 f. 18 Vgl. Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 101. 19 Vgl. Schneider, Theorie juristischen Entscheidens, S. 351, der den allgemeinen Begriff der Entscheidung wie folgt definiert: „1. ein Wahlprogramm für ein Individuum oder eine Gruppe, und 2. dass dessen Ausgang nicht ganz unerheblich für den / die Entscheider oder andere ist.“ 15

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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sung stellt eine solche Entscheidung dar, denn in ihr wählt der Richter die Strafe aus, deren erhebliche Konsequenz in der Zufügung von Übeln für den Verurteilten liegt. Die Strafe wird in einem Entscheidungsvorgang beim Richter hergestellt und später in der Begründung des Urteils dargestellt. 20 Wenn auch die darstellende Rechtsbegründung aus der herstellenden Rechtsfindung der Strafe folgt, so ist doch nicht alles, was dargestellt wird, auch Teil der Herstellung der Strafentscheidung gewesen, und umgekehrt findet sich nicht alles, was die Strafentscheidung hergestellt hat, in der Darstellung der Strafe wieder. 21 Es lässt sich von der Darstellung also nicht auf die Herstellung schließen. Trotz dieser grundlegenden Unterscheidung zwischen Entscheidung und Begründung sind beide dennoch reziprok, denn die Herstellung der Strafe erfolgt in Hinblick auf ihre Darstellung, da der Richter nur eine solche Strafe verhängen wird, die er auch später (revisionsfest) begründen kann. 22 Bleiben aber Unterschiede zwischen Darstellung und Herstellung bestehen, muss der Grund für die Unterscheidung im Ausgangspunkt der Entscheidung, der Herstellung der Strafe, zu suchen sein, da sich in diesem Vorgang das Maß der Strafe herausschält. 23 Will man nun die Einheitlichkeit der Strafzumessungsentscheidung fördern, muss man daher vor allem die Herstellungsseite der Strafzumessungsentscheidung näher beleuchten. Diese ist zunächst einmal durch die bloße Entscheidung über die Strafe charakterisiert, dann aber besonders durch die Entscheidungssituation, die Strafzumessung im Prozess, und den Entscheider, den Richter (und sein Wertesystem). 24

20 Vgl. Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation, S. 268; zur Unterscheidung von Herstellung und Darstellung auch Rottleuthner, Richterliches Handeln, S. 61 ff.; zur Darstellung mit zahlreichen Beispielen aus dem Zivilrecht Lautmann, Justiz – die Stille Gewalt, S. 175 ff. 21 Vgl. Schneider, Theorie juristischen Entscheidens, S. 349; Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 116 ff.; empirische Untersuchungsergebnisse zum Unterschied von Darstellung und Herstellung der Strafe in Deutschland bei Hassemer R., MschrKrim 66 (1983), S. 26 ff.; siehe auch Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 264, der vom berüchtigten „Unterschied zwischen den beratenen, den verkündeten, den schriftlichen und den wahren (aber verschwiegenen) Gründen“ spricht; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 300, in Fn. 581, unterscheidet zwischen den „inhaltlichen“ und „argumentativen“ Gründen. 22 Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 90 f.; Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 488 f., hat in seiner Untersuchung empirisch belegt, dass ein Strafmaß aus der Darstellung der Entscheidung nicht nur vorhergesagt, sondern auch rekonstruiert werden kann. 23 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 8; zum Auseinanderfallen der Sanktionsentscheidung in eine Darstellungs- und Herstellungsseite vgl. näher schon Dreher, Über die gerechte Strafe, S. 138 ff.; Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 9; aus neuerer Zeit Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 308 ff., Rn. 599 ff. 24 Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 76 f.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

2. Die Entscheidung über die Strafe Charakteristikum der Herstellung der Strafzumessung ist die Entscheidung über die zu verhängende Strafe. Auswahl der Strafart und Strafdauer stehen dabei entweder im Ermessen oder sind eine rechtlich gebundene Entscheidung. Die grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit des Richters wird dabei durch die Vorgaben des Gesetzes, die Strafbemessungsbestimmungen und vor allem das Verfahrensrecht überformt. Auch wenn sie nicht die alleinigen Determinanten der Strafentscheidung sind, so bleiben die legislativen Vorgaben doch der Ausgangspunkt der Strafzumessung, denen sich der Richter bei seiner Entscheidung über die Strafe weder gänzlich entziehen kann noch entziehen wird. Dies schon allein deshalb, weil er gezwungen ist, in der späteren Darstellung der Strafzumessung den legislativen Vorgaben zu genügen. 25 Bedingen sich also Rechtsetzung und Rechtsanwendung gegenseitig, so lässt dies die These zu, dass bei der isolierten Betrachtung der Strafentscheidung eine bestimmtere Strafbemessung auch eine bestimmtere (wenn auch nicht bestimmte) Strafzumessung nach sich zieht. 3. Die Entscheidungssituation der Strafzumessung Die Entscheidungssituation der Strafzumessung an der Schnittstelle von Rechtsetzung und Rechtsanwendung ist dadurch geprägt, dass einerseits die Rechtsetzung die Rechtsanwendung bedingt, andererseits aber unauflösbare Differenzen zwischen beiden bestehen, die Teil eines jeden kodifizierten Systems sind. 26 Denn während die Rechtsetzung abstrakt-allgemeine Vorgaben an die Strafzumessung richtet, vollzieht sich die Rechtsanwendung in der konkret-individuellen Umsetzung durch die Richter. Dabei verlängert die Rechtsanwendung nicht nur die Rechtsetzung in die Rechtspraxis, sondern überformt und verändert sie auch. 27 Nach Hassemer ist die Strafzumessung in den Kernbereichen daher von Regeln geleitet, die sowohl – gemäß der für den Betrachter mit Mitteln der Auslegung und Betrachtung nachvollziehbaren Rechtsetzung – „offen“ als auch – gemäß der nur mit Mitteln der Empirie nachvollziehbaren Rechtsanwendung – „verdeckt“ die Entscheidungssituation der Strafzumessung prägen. 28 Die Regeln der verdeckten Strafzumessungssituation prägen die Strafzumessung unterschwellig, oftmals unbewusst, scheinen dabei aber generellen Mustern zu folgen. 29 Trotz ihrer praktischen Relevanz für die Strafzumessung können diese verdeckten Regeln hier im Kontext des ICC im Wesentlichen aus zwei Gründen 25

Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 300, in Fn. 583. Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 77. 27 Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 77. 28 Vgl. ausführlich Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 77 ff. 29 Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 78 ff., zählt dazu Regeln, die unter den Schlagwörtern „Gesetz der guten Gestalt“, „Revolution der Richter gegen das Gesetz“, „Straftaxen“ und 26

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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nicht berücksichtigt werden: Zum einen sind sie vornehmlich subjektiv geprägt. Subjektiv bestimmte Regeln können aber nicht als Grundlage einer objektivierten, am Recht ausgerichteten Strafzumessung dienen und stehen folglich einer einheitlichen Strafzumessung entgegen. Es liegt in ihrer unterschwelligen Natur, dass sie mit Mitteln des Rechts weder erfasst noch überprüft werden können. Wenn sich diese Regeln aber einer Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit entziehen, kann die Entscheidung der nächsthöheren Instanz auch nicht vereinheitlichend wirken. Zum anderen kommt hinzu, dass diese verdeckten Regeln auf völkerstrafrechtlicher Ebene noch nicht empirisch erforscht sind. 30 Zwar könnte man versucht sein, sich auf nationale Untersuchungen zu stützen, aber da es letztlich um die Voraussetzungen eines Entscheidungsprozesses in der Prozesssituation bzw. Strafzumessungssituation geht, würde dies an der Übertragbarkeit auf die internationale Ebene scheitern, weil nicht auszuschließen ist, dass dort aufgrund des unterschiedlichen rechtlichen und kulturellen Hintergrunds der Richter andere Regeln greifen würden. Da jede Entscheidungssituation ihren eigenen Hintergrund hat, verbietet es sich, den internationalen Kontext aus einem nationalen Kontext herzuleiten. Auch wenn man, solange noch keine empirischen Forschungsergebnisse vorliegen, nicht sagen kann, welche verdeckten Regeln im Einzelnen eine Rolle spielen, so lässt sich doch feststellen, dass ihnen eine Bedeutung bei der Entscheidung über die Strafe zukommt. 31 Der Hinweis auf die verdeckten Regeln macht deshalb auch deutlich, dass die noch näher zu behandelnden Mechanismen der Strafzumessung nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtgefüge einer (einheitlichen) Strafzumessungsentscheidung vor dem ICC darstellen. Die Schwäche der Rechtsetzung lässt erst Raum für eine Rechtsfindung, die durch Regeln der verdeckten Situation geprägt ist. 32 Will man Strafzumessung einheitlicher gestalten, muss man den Raum für die verdeckten Regeln einengen, mithin die offene Situation stärken, indem man die Mechanismen der Vereinheitlichung, die für die Entscheidungssituation der Strafzumessung eine Rolle spielen, klar und eindeutig durch die Rechtsetzung bestimmt. 33

„verdeckte Strafzumessungsgründe“ firmieren; siehe auch die Aufzählung bei Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 166. 30 Vgl. auch Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 166. 31 Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 91. 32 Vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 84; Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessungen, S. 236. 33 Die Fokussierung auf die Strafzumessungssituation im Prozess hat zur Folge, dass andere Situationen, obwohl sie für das Gesamtbild der Gleichbehandlung durchaus relevant sind, nicht weiter berücksichtigt werden. Dazu gehören insbesondere die Situationen vor und nach dem Prozess, also das Ermittlungsverfahren und die Vollstreckung der Strafe im Vollzug (vgl. dazu näher Robert, Inequalities in Sentencing, S. 49 ff.). Dort werden zwar insofern die ersten bzw. letzten Weichen der gleichen Behandlung gestellt, als am

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

4. Die Entscheidung des Richters Der Richter (oder die Kollegialkammer) entscheidet über die Strafe. Damit nimmt der Richter zwar eine zentrale Stellung im Entscheidungsprozess ein, dennoch sitzt er selbst nur am Ende einer Entscheidungskette, deren einzelnen Glieder als sog. „gatekeeper“ darüber mitentscheiden, aus welchen Elementen sich der Strafbarkeitsfall, aber auch der Strafzumessungsfall zusammensetzen. 34 Die Vorentscheidung beim Strafbarkeits- und Strafzumessungsfall bedingt die Einheitlichkeit der Strafzumessung mit, indem über gleiche oder ungleiche Fälle entschieden wird. Da hier aber nicht das Einteilen von gleichen und ungleichen Sachverhalten im Vordergrund steht, sondern das einheitliche Messen der Strafe im Entscheidungsprozess der Strafzumessungssituation, können diese „gatekeeper“ bei der weiteren Betrachtung unberücksichtigt bleiben. Die Konzentration auf die „offene“ Entscheidungssituation macht es erforderlich, diejenigen Mechanismen näher zu betrachten, die im weiteren Kontext der Rechtsetzung stehen. Dabei wird der Richter in seiner Eigenschaft als Rechtsanwender dieser Rechtsetzung betrachtet, der die Strafe individualisieren muss. Die ihm eigenen Wertvorstellungen müssen dabei trotz ihrer Relevanz für den Entscheidungsprozess ausgeklammert bleiben, da sie vornehmlich Teil der „verdeckten“ Entscheidungssituation sind, die als solche einer einheitlichen Strafzumessung nicht dienlich ist und nur mit Mitteln der Empirie sichtbar gemacht werden könnte. Dementsprechend werden Umstände, die innerer Natur sind, sich also auf Einstellung oder Veranlagung des Richters gründen (wie Sozialisierung, 35 Lebenserfahrung, Strafeinstellung, 36 Kenntnisse und Informationen im Bereich der Strafzumessung und Diskriminierungsansätze 37), sowie Umstände, die äußerer Natur sind und sich aus Umwelt und berufsbedingten Einflüssen Anfang die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten und die Umstände zu Fall und Person selektiert und am Ende die Vollstreckungsorgane die Strafe weiter individualisieren; diese Betrachtungen haben aber insofern andere Bezugspunkte der Gleichheit, als dabei – zumindest unmittelbar – nicht das Strafen, sondern eben das Davor und Danach beleuchtet werden. 34 Das Opfer trägt entscheidend zur Verfolgung und zum Umfang der Verfolgung bei. In einigen Rechtsordnungen haben die Ermittlungspersonen und die Staatsanwaltschaft bei Verfolgung und Anklage ein Ermessen. So können beispielweise die Ermittlungspersonen ihre Untersuchungen auf bestimmte Personen und Umstände erstrecken und die Staatsanwaltschaft nur ausgesuchte Beschuldigte und ausgesuchte Verbrechen anklagen; dazu Weigend, Richtlinien für Strafzumessung, S. 582 m.w. N.; besonders zur Rolle des Staatsanwalts Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 102. 35 Vgl. dazu vertiefend Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 138 ff. 36 Vgl. dazu näher Oswald / Langer, Versuch eines integrierten Modells zur Strafzumessungsforschung, S. 214. 37 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 162 ff. und 199 ff.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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ergeben 38 (wie die Strafnorm – also die Wahrnehmung des Richters, welches Strafverhalten von ihm erwartet wird 39 und seine Motivation, dieser Erwartung gerecht zu werden 40 – und Prägungen durch Aus- und Fortbildung 41), trotz ihrer Relevanz für die Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung ebenfalls unbeachtet bleiben müssen. 42 III. Einheitliche Strafzumessung durch Differenzierung im gleichen Maß Eine einheitliche Strafzumessung entwickelt sich sowohl aus dem Gedanken der Gleichbehandlung als auch aus dem Gedanken des Entscheidungsprozesses der Strafzumessung. Der Gedanke der Gleichbehandlung bedingt die Behandlung von gleichen und ungleichen Fällen mit gleichem Maß. Ein Strafsystem misst dann mit gleichem Maß, wenn jeder Straftatbestand in sich verhältnismäßig ist, die Straftatbestände untereinander verhältnismäßig sind und sich diese zweifache Verhältnismäßigkeit in einer Graduierung widerspiegelt. Diese Betrachtung der vertikalen und horizontalen Verhältnismäßigkeit korrespondiert mit dem Vergleich konkreter Strafzumessungsfälle. Denn innerhalb der vertikalen Betrachtung wird der zu entscheidende Strafzumessungsfall ins Verhältnis gesetzt zu anderen Strafzumessungsfällen, die den gleichen Straftatbestand betreffen, während bei der horizontalen Betrachtung der zu entscheidende Strafzumessungsfall ins Verhältnis gesetzt wird zu Strafzumessungsfällen, die ihren Ausgangspunkt in anderen Straftatbeständen haben. Das Sanktionssystem ist also einheitlich durch die Berücksichtigung der vertikalen und horizontalen Verhältnismäßigkeit der Strafstruktur, die Strafentscheidung ist einheitlich durch den Vergleich mit Urteilen auf der Grundlage der gleichen oder ungleichen Straftatbestände. Allerdings muss die Einordnung des Strafzumessungsfalls immer nach Kriterien erfolgen, die sowohl eine Differenzierung als auch eine Individualisierung der Strafe erlauben. In ei38 Vgl. Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 49 f.; Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 165. 39 Vgl. dazu näher Oswald / Langer, Versuch eines integrierten Modells zur Strafzumessungsforschung, S. 216. 40 Vgl. dazu näher Oswald / Langer, Versuch eines integrierten Modells zur Strafzumessungsforschung, S. 216 f. 41 Vgl. Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 48 f. und weiter vertiefend S. 160 ff. 42 Vgl. vertiefend Maurer, Komparative Strafzumessung, S. 47 ff.; ausführlich mit weiterführenden Hinweisen auf Studien in Europa und Nordamerika auch Robert, Inequalities in Sentencing, S. 41 ff.; allgemein zur Erklärung richterlichen Handelns Rottleuthner, Richterliches Handeln, S. 61 ff.; zur verinnerlichten Werteordnung Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 23 f.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

ner Rechtsgemeinschaft müssen diese Kriterien rechtlich begründet sein. Diese rechtlichen Mechanismen der Differenzierung und Individualisierung erlauben es, die wesentliche Gleichheit oder Ungleichheit des Straffalls bzw. Strafzumessungsfalls zu erkennen, und ermöglichen damit in einem verhältnismäßigen Sanktionssystem eine einheitliche Strafzumessung, wenn sie denn dauerhaft im gleichen Maße angewandt werden. Der Gedanke vom Entscheidungsprozess der Strafzumessung verweist auf die Relevanz der Strafzumessungsentscheidung in der Entscheidungssituation des Strafprozesses durch den Richter als Entscheider. Zwar beeinflusst die Strafbemessung die Herstellung der Strafzumessung, sie kann aber die grundsätzliche Differenz zwischen Rechtsetzung und Rechtsfindung nicht aufheben. Diese Differenz tritt umso eher zu Tage, je mehr Strafwürdigkeit und Strafwert in eine numerisch exakte Strafzumessung münden. Denn die Trennschärfe der Zahl stellt die höchsten Anforderungen an die Zumessung nach gleichem Maß, deren Ziel aber gerade deswegen genauso schnell verfehlt ist. Umgekehrt tritt die Differenz umso weniger zu Tage, je weniger die Strafzumessung auf eine mathematische Exaktheit abzielt. Für eine Gleichbehandlung ist die numerische Exaktheit aber nicht erforderlich, denn nach gleichem Maß wird schon dann zugemessen, wenn das Maß nur gleichmäßig bestimmt und die Strafe dementsprechend gleichmäßig zugemessen wird. Eine solche Entscheidung über die Strafe legt einen gleichmäßigen Maßstab insofern gleichmäßig an, als gewisse Strafzumessungsumstände die Strafe steigern oder senken, muss aber in der ausgeworfenen Strafe nicht notwendigerweise zur gleichen Zahl gelangen. Das Messen mit gleichem Maß drückt sich also in der einheitlichen Bestimmung und Anwendung der Tatskala und Strafskala aus, nicht aber in der exakten „Strafzahl“. Die einheitliche Anwendung entspricht dem Bestreben des Menschen nach Berechenbarkeit seiner Entscheidung. 43 Die Bestimmung der Bewertungsskalen erlaubt eine Abwägung der für die Tat- und Strafzumessung relevanten Umstände, die eine Gewissensentscheidung bei der Strafzumessung erleichtert. Strafe kann damit als richtig empfunden werden. 44 Einheitlich wird die Strafzumessung also durch die Differenzierung und Individualisierung mit gleichen Maß. Differenzierung und Individualisierung gelingen durch die normativen Mechanismen. Das Maß ergibt sich aus dem verhältnismäßigen Sanktionssystem. Das Messen vollbringt der Vergleich mit anderen Fällen.

43 44

Vgl. Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessungen, S. 241. Vgl. Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessungen, S. 237.

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B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung am Beispiel der Arbeit des Europarates I. Mechanismen in dem Bericht „Disparities in sentencing: causes and solutions“ und der Empfehlung „Consistency in Sentencing“ des Europarates Der Europarat ist seit längerem in seinem vom Ministerrat 1958 eingerichteten European Committee of Crime Problems (CDPC) bestrebt, seinen Mitgliedsstaaten Mittel an die Hand zu geben, die Strafzumessung einheitlicher und damit „gerechter“ zu gestalten. 45 Hervorzuheben sind die Berichte anlässlich des Eighth Criminological Colloquium of the Council of Europe, zusammengefasst unter dem Titel „Disparities in sentencing: causes and solutions“, 46 und die Recommendation No. R (92) 17 mit dem Titel „Consistency in Sentencing“. Die Berichte zeigen vor dem Hintergrund der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsländer (und darüber hinaus) einige normative und empirische Zusammenhänge und Gründe für „disparity“ und „consistency“ auf und können wegen ihrer rechtsvergleichenden Betrachtung als Ausgangspunkt für weitere Überle45 Bereits 1974 hat die CDPC in einem ersten Bericht über das Strafen mit dem Titel „Sentencing“ (Council of Europe (ed.), Sentencing, Strasbourg 1974) versucht, die Variationen der Strafzumessungsentscheidung und ihre Ursachen näher zu beleuchten. Fortgesetzt wurde das Bestreben der CDPC mit den Berichten des General Rapporteurs Nils Jaerborg und den Berichterstattern Marc Robert, Van Duyne und Andrew Ashworth auf dem Eighth Criminological Colloquium of the Council of Europe von 1987, zusammengefasst in der Veröffentlichung „Disparities in sentencing: causes and solutions“ (Council of Europe (ed.), Disparities in Sentencing, Strasbourg 1989). Auf dem Kolloquium wurde die Empfehlung ausgesprochen, eine Arbeitsgruppe von Experten einzusetzen, die sich insbesondere mit Fragen der Strafzwecke, den Faktoren der Strafzumessung und der Systematisierung der Strafzumessungsentscheidung auseinandersetzen und weitere Empfehlungen aussprechen sollte. Ein solches Select Committee of Experts on Sentencing (PC-R-SN) wurde auf der 37. Vollversammlung der CDPC im Juni 1988 beschlossen und durch den Ministerrat im Dezember 1988 autorisiert. Die PC-R-SN nahm ihre Arbeit im Juni 1989 auf und schloss sie mit dem letzten Entwurf einer Empfehlung im März 1992 ab. Die CDPC billigte diesen Entwurf auf ihrer 41. Vollversammlung im Juni 1992 und überstellte ihn an den Ministerrat, welcher den Text als Empfehlung, Recommendation No. R (92) 17, mit dem Titel „Consistency in sentencing“ annahm (Recommendation No. R (92) 17 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 19 October 1992, was prepared by a Committee of Experts under the authority of the European Committee on Crime Problems (CDPC)). Im Anhang dieser Empfehlung werden Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung benannt (Appendix to the Recommendation No. R (92) 17). Die Empfehlung wurde später mit einer erklärende Kommentierung, einem explanatory memorandum, unter der Federführung des CDPC in der Verantwortung des Sekretariats veröffentlicht, der sich ebenfalls Hinweise auf Faktoren einer einheitliche Strafzumessung entnehmen lassen (Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, prepared by the Committee of Experts and amended by the CDPC. Published under the sole responsibility of the Secretariat). 46 Council of Europe (ed.), Disparities in Sentencing, Strasbourg 1989.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

gungen dienen, während die Empfehlung des Europarates mit ihrem Anhang 47 (Empfehlung des Europarates) und das Memorandum zur Empfehlung 48 diese Zusammenhänge weiter konkretisieren und Mechanismen zur Förderung einer einheitlichen Strafzumessung benennen, so dass insbesondere hier wichtige Hinweise auf Mechanismen der einheitlichen Strafzumessung im Völkerstrafrecht zu erwarten sind. 49 II. Im Kontext der Herstellung der Strafe Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung sind primär auf der Seite der Herstellung der Strafe zu suchen und nur sekundär auf der Seite der Darstellung. Die Herstellung der Strafe wird durch die Entscheidung über die Strafe vor dem Hintergrund der Entscheidungssituation im Strafprozess geprägt. Dementsprechend muss auch dort mit der Suche nach den normativen Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung begonnen werden: 1. Die Entscheidung über die Strafe a) Straftheorien Da die Entscheidung über die Strafe durch die Benennung des Sinns der Strafe überformt wird, wendet sich der Europarat in der Empfehlung (A. Rationales for sentencing) 50 auch zunächst den Straftheorien zu. 51 Der Empfehlung zufolge bedarf eine einheitliche Strafzumessung klarer und eindeutiger Aussagen zu den Straftheorien. Denn transparente und eindeutige Leitlinien des Strafens erleichtern den Zugriff auf die Strafziele und beinhalten klare Vorgaben für den 47

Appendix to the Recommendation No. R (92) 17, adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 19 October 1992. 48 Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, prepared by the Committee of Experts and amended by the CDPC. Published under the sole responsibility of the Secretariat. 49 Vgl. auch den Bericht aus der Arbeit der Committee of Experts von Ashworth, Eur. J. Crim. Policy Res. 2 (1994), S. 7 ff.; und eine erste Evaluation der Empfehlung des Europarates Ashworth, Sentencing, S. 109 ff. 50 Appendix to the Recommendation No. R (92) 17. 51 Dort heißt es: 1. The legislator, or other competent authorities where constitutional principles and legal traditions so allow, should endeavour to declare the rationales for sentencing. 2. Where necessary, and in particular where different rationales may be in conflict, indications should be given of ways of establishing possible priorities in the application of such rationales for sentencing. 3. Wherever possible, and in particular for certain classes of offences or offenders, a primary rationale should be declared.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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entscheidenden Richter, so dass es ihm verwehrt ist, eigene Erwägungen über die zu berücksichtigenden Ziele des Strafens in die Strafzumessung einfließen zu lassen. Je eindeutiger die Aussagen hinsichtlich der Straftheorien sind, umso besser eignen sie sich zur ausdifferenzierten Strafzumessung. Am eindeutigsten wäre es, nur eine Straftheorie verbindlich vorzuschreiben. Da aber die überwiegende Zahl der Mitglieder des Europarates diesen Weg nicht beschritten hat, 52 wurde auch keine Festsetzung einer Straftheorie empfohlen. Wenn es aber nicht der Rechtswirklichkeit entspricht, eine einzige Straftheorie zum Ausgangspunkt des Strafens zu machen, so müssen – wie es auch in A. 1. empfohlen wird – zwangsläufig mehrere Straftheorien benannt werden, was wiederum zur Folge hat, dass deren Miteinander geordnet werden muss. Gibt nun der Gesetzgeber die Strafziele vor, gewinnt das Strafsystem an Eindeutigkeit, weil nicht genannte Strafziele auch nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen. Damit wäre nicht viel gewonnen, wenn der Gesetzgeber nicht auch Regelungen bereithielte, wie mit den Strafzielen im Fall ihres Konfliktes bzw. Widerspruches zueinander zu verfahren wäre. Unter A. 2. wird folglich darauf gedrängt, Prioritäten bei der Anwendung der Strafziele zu setzen. Die Bevorzugung der einen oder anderen Straftheorie führt dann zu einer ordnenden Abstufung der Strafziele. Diese Abstufung ist aber nur dann eindeutig ordnend, wenn deutlich wird, wann der Richter sich von einem Strafziel zum nächsten begeben darf, d. h. eindeutig wäre eine Regelung, die erst nach dem Ausschöpfen des ersten Strafziels die Verwendung der anderen Strafziele ermöglichen würde. 53 Dazu macht die Empfehlung aber keine Aussagen. Vielleicht deshalb, weil sie in A. 3. insofern beispielhaft auf eine weitere Form der eindeutigen Ordnung verweist, als dort die Nennung eines vornehmlichen Strafziels mit bestimmten Straftaten, Straftätern und – man mag hinzufügen – auch mit bestimmten Strafen verknüpft ist. 54 Den Straftheorien wird nicht nur in der Empfehlung des Europarates eine entscheidende Bedeutung bei der Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung unterstellt, sondern auch in den Diskussionen im nationalen Strafrecht 55 wie im Völkerstrafrecht. 56 Diese Diskussionen ließen eigentlich vermuten, dass es einen für die Strafzumessung eindeutigen Zusammenhang zwischen den Straftheorien und der Strafzumessungsentscheidung gibt. Von daher überrascht es, dass die empirische Strafzumessungsforschung im Rahmen nationaler Rechtsordnungen hier ein widersprüchliches Bild abgibt: 57 Es liegen sowohl Untersuchungen vor, 52 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, A. 2., S. 20. 53 Vgl. Jaerborg, Introductory Report, S. 12. 54 Vgl. Jaerborg, Introductory Report, S. 11 ff. 55 Vgl. Ashworth, Sentencing and Criminal Justice, S. 72 ff., der auf S. 73 ausführt: „It is fairly well established that a major source of disparity in sentencing is the difference in penal philosophies among judges and magistrates.“ 56 Vgl. Neubacher, NJW 59 (2006), S. 968 ff.; Safferling, ARIEL 4 (1999), S. 126 ff. 57 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 203.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

die von einem wichtigen Zusammenhang zwischen der Haltung der Richterschaft zu den Straftheorien und der Strafe berichten, 58 als auch Untersuchungen, die einen derartigen Zusammenhang gerade ausschließen. 59 Nichts desto trotz sind vor dem Hintergrund der Strafrechtstheorien die Straftheorien die ersten wirklichen Differenzierungsgründe für die wesentlich gleiche bzw. ungleiche Behandlung des Straftäters. Sie geben die Leitlinien für ein rechtlich begründetes Strafen vor, indem sie mit der Antwort auf die Frage des „Warum“ der Strafe auch die Frage des „Wie viel“ der Strafe vorzeichnen. 60 Denn der, der Strafe mit der Vergeltung einer vergangenen Straftat erklärt, entnimmt die Strafe anderen Überlegungen als der, der aus Gründen der Prävention handelt. Diese unterschiedlichen Überlegungen spiegeln sich dann in unterschiedlichen Strafwerten wider. 61 Die Benennung der Straftheorien, die Bestimmung ihrer Rangfolge und ihre Gewichtung sind daher unabdingbar, wenn man eine einheitlichere Strafzumessung erreichen will. 62 b) Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode Strafzumessungstheorien geben Hinweise auf den näheren Umgang mit dem Strafzumessungsermessen in den einzelnen Rechtsordnungen. Auch wenn nicht zwangsläufig eine ausgefeilte Strafzumessungstheorie für eine ausgereifte Führung des Strafzumessungsermessens steht, so ist doch von der Führung des Strafzumessungsermessens mit Hilfe einer Strafzumessungstheorie ein eindeutigeres Ergebnis zu erwarten. Eindeutigere normative Aussagen fördern aber das einheitliche Strafen; dies umso mehr, wenn relevante Aussagen über das Strafzumessungsermessen gemacht werden. Denn klare normative Aussagen zum Umfang des Strafzumessungsermessens versetzen die Richter in die Lage, den Rahmen des Strafzumessungsermessens besser zu erkennen und darin wiederum die Mechanismen der Einheitlichkeit auch dauerhaft gleich anzuwenden. Im Idealfall konkretisiert die Strafzumessungstheorie das Strafzumessungsermessen so eindeutig, dass auf ihrer Grundlage die konkrete Strafe zugemessen werden kann. Erschwert wird die Betrachtung dadurch, dass die Strafzumessungstheorien letztlich Ausfluss der Straftheorien sind. Denn kann der Sinn der Strafe nicht 58 Vgl. Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 209 ff.; Hogart, Sentencing as a Human Process, Toronto 1972. 59 Vgl. Opp / Peukert, Ideologie und Fakten in der Rechtsprechung, S. 61; McFatter, JPSP 36 (1978), S. 1490 ff.; zum Verhältnis von Straftheorien und Empirie siehe Krauss, Trifft Strafungleichheit das Strafrecht an seinem Nerv?, S. 134 ff. 60 Vgl. Jareborg, Introductory Report, S. 10. 61 Vgl. Jareborg, Introductory Report, S. 10 f. 62 Vgl. auch Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 285 ff.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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gerechtfertigt werden, so kann auch nicht der Sinn der Strafzumessung gerechtfertigt werden. Bei der Betrachtung der Strafzumessungstheorie darf also die Betrachtung der Straftheorie nicht gänzlich aus den Augen verloren werden. Sollte sich später tatsächlich eine Strafzumessungstheorie in den Rechtsquellen des ICC herausschälen, muss diese zu einer Straftheorie im ICC-Statut passen. Strafzumessungstheorien stehen aber nicht in allen Rechtsordnungen im Mittelpunkt der Strafzumessung. Besonders die Sichtweise der angloamerikanischen Rechtsordnungen auf die Strafzumessung ist mehr von Pragmatik als von Dogmatik geprägt, so dass sich der Diskurs folglich auch mehr um die praktische Ausübung des Strafzumessungsermessens dreht, als um die (zusätzliche) theoretische Untermauerung dieser Ausübung. Eine Theorie der Strafzumessung wird man dort also vergeblich suchen. Unabhängig von einer Theorie eint aber alle Rechtsordnungen ein gewisses methodisches Vorgehen bei der Strafzumessung. Vor dem Hintergrund der jeweiligen gesetzlichen Regelung gibt es bestimmte Schritte, die gemacht werden, an deren Ende dann die konkrete Strafentscheidung als Ergebnis steht. Ist dieser Ablaufplan detailliert genug und wird er vor allem immer wieder dauerhaft angewendet, so bestimmt er zwar nicht die konkrete Strafe, trägt aber ebenfalls zu ihrer Einheitlichkeit bei. c) Bezugspunkte der Strafe Um den Strafzumessungsfall auf der Strafskala eines Strafrahmens zu gewichten, muss der Richter vor dem Hintergrund der verwirklichten Straftatbestände die Strafe an Bezugspunkte anknüpfen. Diese Bezugspunkte sind die ersten praktischen Referenzen für die Entscheidung über die Strafe. Bleiben sie im Unklaren, so kann die Strafe auch nicht einheitlich zugemessen werden. Da schon nach der Definition von Strafe der Grund für die Strafe die begangene Straftat ist, verwundert es nicht, dass in den Rechtsordnungen unabhängig von den bevorzugten Straftheorien der Bezugspunkt für die Strafe (zunächst einmal) in der Straftat bzw. der Tatschwere zu suchen ist. Dementsprechend stellt auch die Empfehlung des Europarates in ihrem Anhang in A. 4. einen Zusammenhang zwischen Strafe und Tatschwere her. Entscheidend ist nun die Frage, ob die Strafzumessung nur an diesem einen Umstand des Strafzumessungsfalls ausgerichtet werden kann oder ob noch weitere Umstände, insbesondere die Person des Straftäters, bei der Strafe zu berücksichtigen sind. Die Empfehlung erwähnt den Straftäter nicht ausdrücklich, verweist aber auf „other relevant circumstances“, die bei der Strafe berücksichtigt werden sollen. 63 Die weitere Qualifizierung dieser Umstände soll den nationalen Rechtsordnungen überlassen bleiben. 64 Das 63

Vgl. Appendix to the Recommendation No. R (92) 17, B. 5., S. 8. Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, B. 5., S. 27 f. 64

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Gebot der Individualisierung und die Menschenrechte sprechen allerdings für eine Berücksichtigung von Umständen, die in der Person des Straftäters liegen. Sind die Bezugspunkte der Strafe im ICC-Statut einmal benannt, müssen sie durch die Strafzumessungsumstände weiter mit Leben gefüllt werden. Denn ansonsten bliebe die Bedeutung der Bezugspunkte leer, und den Richtern wäre dadurch keine Führung angediehen. d) Ausgesuchte Strafzumessungsumstände In C. 1. der Empfehlung wird aber darauf hingewiesen, dass zumindest die Auswahl der bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden (strafschärfenden und strafmildernden) Umstände von der Wahl des mit der Strafe verfolgten Zieles abhängt, 65 da die „sinnvolle“ Auswahl der Umstände durch den Sinn der Strafe vorgezeichnet ist. 66 Die Vorprägung durch die Straftheorien leuchtet auch aus einem anderen Grund ein, denn Strafzumessungsumstände müssen rechtlich begründbar sein, da in einem Rechtssystem nur das rechtliche Handeln der Rechtsgemeinschaft den Grund für die differenzierende Gleichbehandlung setzen kann. Demnach sind solche Strafzumessungsumstände relevant, die sich durch Völkerstrafrechts- und Völkerstraftheorien legitimieren lassen. 67 Neben dem Verweis auf die Rückkoppelung mit den Straftheorien nimmt die Empfehlung Stellung zum Grad des prozessualen Vorbringens, welche die Annahme von strafschärfenden Umständen bzw. die Ablehnung von strafmildernden Umständen im Prozess erfordert, nämlich den Beweis „beyond reasonable doubt“, wenn ein Umstand strafschärfend berücksichtigt werden soll, und „[to] be satisfied“, wenn tatsächlich kein mildernder Umstand existiert. 68 Bei der Nennung einzelner Umstände, die die Strafzumessung prägen könnten, hält sich die Empfehlung zurück, da die nähere Bestimmung der Rechtsetzung bzw. Rechtspraxis jeder einzelnen Rechtsordnung überlassen bleiben soll. 69 65 C. 1. The factors taken into account in aggravation or in mitigation of sentence should be compatible with the declared rationales for sentencing. 66 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix C. 1. 8., S. 31 f. 67 Vgl. auch Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 101, der darauf verweist, dass „aus einer Skala ... sich nur das herausholen [läßt], was vorher theoretisch und praktisch in sie investiert worden ist“. 68 C. 3. The factual basis for sentencing should always be properly proved. Where a court wishes to take account, as an aggravating factor, of some matter not forming part of the definition of the offence, it should be satisfied that the aggravating factor is proved beyond reasonable doubt and before a court declines to take account of a factor advanced in mitigation, it should be satisfied that the relevant factor does not exist. 69 C. 2. The major aggravating and mitigating factors should be clarified in law or legal practice. Wherever possible, the law or practice should also attempt to define those factors which should not be considered relevant in respect of certain offences.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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Dort lassen sich nun zahlreiche, oftmals in die Hunderte gehende Strafzumessungsumstände belegen. Diese Vielzahl ist kaum handhabbar. Eine Handhabbarkeit der Strafzumessungsumstände ist allerdings für eine einheitliche Entscheidung über die Strafe notwendig: Denn zu bedenken ist, dass das Merkmal der Strafentscheidung die (erhebliche) Wahl ist. Diese Wahl macht nicht nur die freie Auswahl nötig, sondern bedingt die Notwendigkeit zu wählen. Wählen kann der Richter aber nur aus Strafzumessungsumständen, die für ihn noch handhabbar sind. Denn wenn der Richter die Strafzumessungsumstände nicht mehr erfassen und verarbeiten kann, so kann er sie auch nicht abwägen und zusammenfügen, um die Gewissensentscheidung der Strafe herzustellen. Eine Konzentration auf zentrale Strafzumessungsumstände dient darüber hinaus einer einheitlichen Strafzumessung, weil sie die konstante Anwendung der Strafzumessungsumstände erlaubt – nicht nur im konkreten Fall, sondern auch für zukünftige Fälle –, da die Strafzumessungsfälle durch die Konzentration auf wenige Strafzumessungsumstände vergleichbar bleiben. 70 Um die Handhabbarkeit der Strafzumessungsumstände zu fördern, zitieren oder beschreiben die Gesetze nationaler Rechtsordnungen anstelle einzelner Umstände oftmals nur relevante Fallgruppen (oder Themen). Diese Fallgruppen lassen sich auf zwei entscheidende Begriffspaare konzentrieren: nämlich auf die tatbezogenen oder täterbezogenen Umstände auf der einen Seite sowie die tatbestandlichen oder außertatbestandlichen Umstände auf der anderen Seite. Werden im ersten Begriffspaar Straftat und Straftäter näher spezifiziert, so werden im zweiten Begriffspaar die Umstände entweder dem (angeklagten) Straftat(-bestand) entnommen (charged offence sentencing) oder aber Umständen außerhalb des angeklagten Straftat(-bestands) (real offence sentencing). Da letztlich die Schnittmenge der zu berücksichtigenden Fallgruppen unterschiedlich groß ist, hängt eine einheitliche Strafzumessung von der Kenntnis ab, welche Fallgruppen – tatbezogene oder täterbezogene; tatbestandliche oder außertatbestandliche – bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen und durch welche zentralen Strafzumessungsumstände diese ausgefüllt werden. Dazu müssen einschlägige Fallgruppen und deren zentrale Strafzumessungsumstände in den Rechtsquellen des ICC benannt werden. Der Empfehlung können erste Hinweise auf relevante Fallgruppen von Strafzumessungsumständen entnommen werden. Zum einen verweist der wiederkehrende Bezug auf die Schwere der Tat (seriousness of the crime) auf tatbezogene Umstände, zum anderen erwähnt die Empfehlung ausdrücklich Umstände der Vorstrafenbelastung und Strafempfindlichkeit, wobei vor allem Letzteres als täterbezogener Umstand gilt. Durch die allseits akzeptierte Verknüpfung der Strafe mit der begangenen Straftat, leuchtet die Berücksichtigung von Umständen der Straftat eher ein, als die Berücksichtigung von Umständen des Straftäters, die mit 70

Vgl. auch Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 114 ff.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Schwierigkeiten einer validen Prognose über Personen behaftet ist. Tatbezogene Strafzumessungsumstände sind eher dazu geeignet, den Strafzumessungsfall in die Tat- und Strafskala einzuordnen, da sie im Strafprozess besser verifizierbar sind und damit der menschlichen Neigung entgegenkommen, komplexe Abläufe zu vereinfachen und überschaubar zu machen. 71 e) Verhältnismäßigkeit Die Entscheidung über die Strafe durch die Festlegung der einschlägigen Bezugspunkte und ihre Ausfüllung durch relevante Gruppen von Strafzumessungsumständen liefe aber ohne eine verhältnismäßige Verknüpfung von Strafzumessungsfall und Strafe ins Leere. 72 Dementsprechend soll nach A. 4. der Empfehlung des Europarates die Strafe in Bezug zur Schwere der Tat bestimmt werden, denn „[w]hatever rationales for sentencing are declared, disproportionality between the seriousness of the offence and the sentence should be avoided.“ 73 Dabei formuliert die Empfehlung nicht eine positive Verhältnismäßigkeit dahingehend, dass die Strafe proportional zur Schwere der Tat sein muss, sondern nur eine negative Verhältnismäßigkeit, dass die Strafe nicht disproportional zur Strafe sein soll. Es wird also nicht die Verhältnismäßigkeit der Strafe zur Tat angemahnt, sondern nur ihre Unverhältnismäßigkeit in Hinblick auf die Tat abgelehnt. Damit wird die Strafe durch die Verhältnismäßigkeit zwar nicht bestimmt, aber durch die Unverhältnismäßigkeit begrenzt. 74 Da die Strafe nach oben wie auch nach unten unverhältnismäßig sein kann, ist der Unverhältnismäßigkeit ein bei der Strafzumessung zu beachtender Rahmen zu entnehmen. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden insofern noch weiter spezifiziert, als B. 5. a. darauf verweist, dass die Schwere der Tat besonders bei Gefängnisstrafen dazu dient, über die Auswahl der Sanktion wie auch ihre Dauer zu bestimmen. 75 Damit 71

Vgl. auch Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 498. Vgl. auch Delmas-Marty, Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, S. 45. 73 Appendix to the Recommendation No. R (92) 17, A. 4., S. 6. 74 Dementsprechend heißt es in der Kommentierung: „There is one overall limit which should be respected, whatever other rationale or rationales of sentencing may be declared. This is the limit set by the principle of proportionality between the seriousness of the particular offense and the severity of the sentence imposed. It is a principle of justice that individuals should not be subjected to a severity which exceeds the limit of proportionality on the facts of the offence or offences of which they stand convicted.“ (eigene Hervorhebung), Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, B. 5., S. 28; vgl. auch Kurki, International Standards for Sentencing and Punishment, S. 361. 75 Im Einzelnen heißt es: „Custodial sentences should be regarded as a sanction of last resort, and should therefore be imposed only in cases where, taking due account of other relevant circumstances, the seriousness of the offence would make any other sentence 72

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bestimmt die Tatschwere zumindest vornehmlich über Strafart und Strafdauer. 76 Und dies unabhängig davon, welche Strafrechtstheorien oder Straftheorien in der jeweiligen Rechtsordnung zur Anwendung kommen. Denn eine zur Tatschwere verhältnismäßige Strafzumessung ist nicht nur in den absoluten Theorien wie der des „just deserts“ verankert, sondern hat auch in relativen Theorien wie der positiven Generalprävention ihren Platz. 77 Eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Umständen des Täters und der Strafe wird hingegen nicht angemahnt. Auch wenn die Empfehlung entsprechend des vorherrschenden Maßstabs der Menschenrechtsinstrumente nur eine unverhältnismäßige Strafe ablehnt, so gebietet die Achtung der Menschenwürde doch letztlich, die Freiheitsrechte des Verurteilten nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich einzuschränken. 78 Die Einschränkung durch das Übel der Strafe ist umso begrenzter, je genauer das Verhältnis zwischen Strafzumessungsfall und Strafe bestimmt ist. Das Dilemma der internationalen Menschenrechtsinstrumente, aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen keinen engeren Maßstab als die Unverhältnismäßigkeit anzubieten, verfängt nicht im Zusammenhang mit dem ICC, da dieses, ähnlich einer einzelnen nationalen Rechtsordnung, ein in sich geschlossenes System der Strafzumessung bereitstellen muss, das umso einheitlicher ist, je konkreter das Ins-Verhältnis-Setzen ist. Konkreter wird das Ins-Verhältnis-Setzen von Strafe und Strafzumessungsfall durch die Ausrichtung der Strafe am Strafwert in Abhängigkeit zur Strafwürdigkeit des Strafzumessungsfalls. Ein Sanktionssystem ist aber nur dann wahrhaftig einheitlich, wenn die Strafe nicht nur innerhalb des Straftatbestandes, sondern auch zu anderen Straftatbeständen verhältnismäßig ist. Denn nur dann erfolgt eine Zumessung im gleichen Maße. Die Strafzumessung ist somit vertikal und horizontal auszurichten. Zu klären ist daher, wie es die Rechtsquellen des ICC-Statuts mit der Verhältnismäßigkeit halten. f) Graduierung der Strafstruktur und Einstieg in den Strafrahmen Die Empfehlung richtet ein besonderes Augenmerk auf die strukturierte Strafbemessung, die „penalty structure“. 79 Denn eine wie auch immer geartete verhältnismäßige Strafzumessung des Strafzumessungsfalls kann nur dann einheitlich

clearly inadequate. Where a custodial sentence on this ground is held to be justified, that sentence should be no longer than is appropriate for the offence(s) of which the person is convicted ...“ (eigene Hervorhebung), Appendix to the Recommendation No. R (92) 17, B. 5. a, S. 8. 76 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix B. 5., S. 28. 77 Siehe dazu näher S. 127 f. 78 Siehe dazu näher S. 66 f.

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sein, wenn sie auf eine vorbestimmte Struktur trifft und der Einstieg in diese Struktur deutlich ist. Ist also das Sanktionssystem verhältnismäßig und seine Anwendung handhabbar definiert, so kann auch die Strafentscheidung dauerhaft einheitlich gefällt werden. Ist die Bewertungsskala in den Mitgliedsstaaten durch die Vorgabe einer Höchststrafe nach oben bestimmt, so begrenzen doch nicht alle Mitgliedsstaaten die Skala nach unten durch eine Mindeststrafe. Die Bewertung der einzelnen Straftatbestände drückt sich also nicht nur durch den Strafrahmen aus, sondern auch durch die Höchststrafe. Dementsprechend regt die Empfehlung in B. 2. eine aussagekräftige Abstufung der einzelnen Strafbestimmungen nach den „degrees of seriousness“ an. Dabei soll wichtig sein, dass trotz eventuell zwingender Mindeststrafen die Strafe dennoch an die Besonderheiten des Strafzumessungsfalls angepasst werden kann, d. h. die Mindeststrafe nach unten durchbrochen werden kann, wenn es die Individualisierung des Falls erfordert, da ansonsten keine „Gleichbehandlung“ erreicht wird. 80 Die Strafrahmen bzw. Höchststrafen müssen entsprechend „the relative seriousness of different types of offence“ aufeinander abgestimmt sein und von Zeit zu Zeit auf ihre Akzeptanz in der Praxis überprüft werden (B. 1.). Denn eine abgestimmte gesetzliche Graduierung durch Höchststrafen ist einer einheitlichen Strafzumessung nicht dienlich, wenn die Höhe der angedrohten Strafen aufgrund eines Bewertungs- oder Sinneswandel veraltet ist. 81 79 Im Einzelnen heißt es unter „B. Penalty structure“: 1. Maximum penalties for offences and, where applicable, minimum penalties should be reviewed so that they form a coherent structure which reflects the relative seriousness of different types of offence. 2. The range of available sentences for an offence should not be so wide as to afford little guidance to courts on its relative seriousness. States should therefore consider the grading of offences into degrees of seriousness, provided, however, that minimum penalties, where applicable, do not prevent the court from taking account of particular circumstances in the individual case. 3. a. Wherever it is appropriate to the constitution and the traditions of the legal system, some further techniques for enhancing consistency in sentencing may be considered. b. Two such techniques which have been used in practice are „sentencing orientations“ and „starting points“. c. Sentencing orientations indicate ranges of sentence for different variations of an offence, according to the presence or absence of various aggravating or mitigating factors, but leave courts with the discretion to depart from the orientations. d. Starting points indicate a basic sentence for different variations of an offence, from which the court may move upwards or downwards so as to reflect aggravating and mitigating factors. 80 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, B. 2., S. 25. 81 Vgl. auch Dreher, Über Strafrahmen, S. 161 f.

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Reflektiert aber die Struktur der Strafbemessung die Strafzumessung in der Rechtspraxis, so bleibt die Orientierung, die von ihr ausgeht, dennoch gering, wenn die Strafrahmen bzw. Höchststrafen so weit sind, dass sie weder Anhaltspunkte für die relative Schwere der Straftaten untereinander (horizontale Verhältnismäßigkeit) noch für die Einordnung des Strafzumessungsfalls in den Strafrahmen des einschlägigen Straftatbestandes (vertikale Verhältnismäßigkeit) bieten. Bleibt die mögliche Bandbreite der Strafzumessung groß, ist für eine einheitliche Strafzumessung eine weitere Konkretisierung der Strafzumessung erforderlich. 82 Folglich empfiehlt die Empfehlung in B. 3. die Vorgabe von „sentencing orientations“ (B. 3. c.) und „starting points“ (B. 3. d.). Während Erstere für Strafzumessungsfälle mit abweichenden strafmildernden und strafschärfenden Umständen unterschiedliche (engere) Strafrahmen zur Orientierung vorgeben, benennen Letztere ein Grundstrafmaß für die unterschiedlichen Strafzumessungsfälle, von dem aus das Gericht entsprechend strafschärfender oder strafmildernder Umstände das Strafmaß nach oben oder unten verschiebt. 83 Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass beide Techniken die Strafentscheidung des Richters nur führen, nicht aber die im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bestehende Entscheidungsfreiheit einengen. Bleibt die Strafzumessungsfreiheit erhalten, so kann der Richter die Besonderheiten des Strafzumessungsfalls berücksichtigen und eine dem Strafzumessungsfall angemessene Strafe verhängen. Die Empfehlung wirft damit die Frage nach der Gestaltung des Maßstabs auf, anhand dessen Strafwürdigkeit und Strafwert näher qualifiziert werden können, und des Einstiegs in den Maßstab, der den Ausgangspunkt für die Zumessung der Strafe bildet. Beides gilt es daher in den Rechtsquellen des ICC-Statuts zu benennen und auszufüllen. 2. Die Entscheidungssituation im Prozess a) Strafzumessungsinformation im Prozess Die Herstellung der Strafbarkeit, die über den Strafbarkeitsfall entscheidet, geht der zuvor beschriebenen Herstellung der Strafzumessung, die über den Strafzumessungsfall entscheidet, voraus. Wird beides in einem Verfahren hergestellt, birgt dies eine Reihe von Problemen für die Beteiligten in der Entscheidungssituation des Strafprozesses. 84 Für den entscheidenden Richter bedeutet das, dass 82 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, B. 2., S. 25. 83 Vgl. auch detaillierter dazu Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, Commentary on the Recommendations in the Appendix, B. 3., S. 26. 84 Vgl. ausführlich dazu Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 102 ff. m.w. N.

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er darauf achten muss, bei seiner Entscheidung in der Entscheidungssituation Strafbarkeitsfall und Strafzumessungsfall nicht zu vermengen und nicht „voreingenommen“ die Informationen, die eigentlich der Ausfüllung des Strafzumessungsfalls dienen, bei der Entscheidung über die Strafbarkeit zu berücksichtigen bzw. umgekehrt Informationen, die nur dem Strafbarkeitsfall dienen, bei der Entscheidung über die Strafzumessung. 85 Damit korrespondiert der Zwiespalt des Angeklagten und seines Verteidigers, Umstände für den Strafzumessungsfall vorzutragen, die im Falle eines Freispruches gar nicht relevant gewesen wären oder im Falle der Verurteilung der Verteidigungsstrategie entgegenlaufen könnten. 86 Der Angeklagte sieht sich dabei mit einer öffentlichen Auseinandersetzung über Strafzumessungsumstände konfrontiert, die den Kern seiner informellen Selbstbestimmung und Würde betreffen und die zu benennen im Falle eines Freispruchs unnötig gewesen wären. 87 Letztlich besteht bei einem einaktigen Verfahren die Gefahr, dass die Strafzumessung bloßer Annex der Strafbarkeit bleibt, der keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Wer die Herstellung der Strafbarkeit und die Herstellung der Strafe in zwei getrennten Verfahren verhandelt, bringt damit nicht nur die Wichtigkeit der Strafzumessung zum Ausdruck, sondern schafft darüber hinaus auch eine offenere, der Komplexität der Strafzumessungsfragen gerechter werdende Entscheidungssituation, in der sich die Prozessbeteiligten, unbelastet von der Gefahr eines Schuldeingeständnisses, über Fragen der Strafzumessung austauschen können. 88 b) Richtlinienurteile Die Empfehlung des Europarates verweist in B. 4. b. ii auf ein weiteres Mittel, mit dessen Hilfe die Entscheidungssituation des Strafprozesses vereinheitlicht werden kann: das Richtlinienurteil. 89 Ihren Ursprung hat diese Form der Konkretisierung der Strafzumessung mit unterschiedlicher Betonung im angloamerikanischen Rechtskreis, insbesondere in England-Wales und, mit Zurückhaltung, auch in den Rechtsordnungen Australiens. 90 85

Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 103. Vgl. ausführlicher Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 103 f. 87 Vgl. ausführlicher Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 105 f. 88 Vgl. Müller-Dietz, Probleme der Strafzumessung, S. 60; Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 281 m.w. N. 89 B. Penalty structure ... 4.b. Wherever it is appropriate to the constitution or the traditions of the legal system, one or more of the following means, among others, of implementing such orientations or starting points may be adopted: ... ii. guideline judgments by superior courts; ... 90 Vgl. Freiberg, Sentencing Review: Pathways to Justice, S. 203; ders., Three Strike and You’re Out – It’s Not Cricket, S. 36. 86

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So hat der Court of Appeal für England-Wales gegen Ende der 1990er Jahre Richtlinienurteile (guideline judgements) erlassen. Diese Urteile sind umfassender als die normalen Rechtsmittelurteile. Sie setzen sich nicht nur mit den Fakten des Falls auseinander, sondern benützen diese, um Grundlegendes zu den behandelten Verbrechen auszuführen, die bisher dazu ergangene Rechtsprechung aufzugreifen, Eckpunkte für die Strafzumessung festzulegen sowie Aussagen über Strafschärfung und Strafmilderung zu treffen, um so als Richtschnur für künftige Fälle zu dienen. 91 Da Richtlinienurteile auf richterlicher Tradition beruhen, aus der Praxis für die Praxis erstellt sind und nicht zuletzt dem eigenen richterlichen „Lager“ entstammen, erfreuen sie sich in England-Wales gewisser Anerkennung, auch wenn sie eigentlich obiter dicta darstellen. 92 Ihre Stärke liegt darin, dass sie den entscheidenden Richtern eine Führung an die Hand geben, ohne aber ihr Ermessen auf Null zu reduzieren. Als flexible und praxisgerechte Instrumente gewährleisten sie eine gewisse Gleichbehandlung, lassen aber auch Spielraum für eine Individualisierung der Strafe. Sie taugen daher besonders gut dazu, eine einheitliche Strafzumessung herzustellen. Allerdings liegt es in der Natur der Urteilsform, dass sich die Richtlinienurteile nur sporadisch mit einzelnen Verbrechen beschäftigen und kein umfassendes System darstellen, was aber angesichts der wenigen Kernverbrechen im Kontext des ICC-Statuts zu vernachlässigen ist. c) Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien Neben Mechanismen der Entscheidungssituation, die das Ermessen der Strafzumessungsentscheidung des Richters zwar führen, ihm aber dennoch die Entscheidung überlassen, gibt es Mechanismen, die das Ermessen stärker beschränken und die Entscheidungssituation im Strafprozess so überformen, dass die eigentliche Strafzumessungsentscheidung dem Richter entzogen und in die Hände von Kommissionen gelegt wird. Diese Strafzumessungskommissionen dienen zuweilen der reinen Informationsbeschaffung und -verbreitung zu Fragen der Strafe und Strafzumessung. Diese Funktion klingt in der Empfehlung an, wenn dort von „Sentencing Studies and Information“ und „Statistics and Research“ die Rede ist. Ausschließlich beratende Strafzumessungskommissionen sind zum Beispiel 91 Vgl. dazu Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 110 ff.; Ashworth, OT 10 (October, 1999), S. 7 mit einer beispielhaften Auflistung der Richtlinienurteile der späten 1990er Jahre. Im „Guideline Judgements Case Compendium“ des Sentencing Guideline Council sind bis einschließlich Juli 2008 alle Richtlinienurteile zusammengefasst. Abzurufen als pdf.-Datei unter: http://www.sentencing-guidelines.gov .uk/docs/complete_compendium.pdf (01. 12. 08). 92 Ausführlicher zu den „guideline judgements“ Ashworth, ZStW 106 (1994) S. 605 f.; zur Bindung der unteren Gerichte durch „guideline judgements“ siehe die Urteile in Ahmed (1994) 15 Cr. App. R. (S.) 286; Johnson (1994) 15 Cr. App. R. (S.) 827.

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das „Sentencing Advisory Council“ 93 (Victoria), das „NSW Sentencing Council“ 94 (New South Wales), beide in Australien, und das „Sentencing Advisory Panel“ 95 in England-Wales. In den Vereinigten Staaten von Amerika haben zahlreiche Staaten „(permanent) sentencing commissions“ eingerichtet. 96 Zum Juni 2006 zählte die National Association of Sentencing Commissions (NASC) insgesamt 24 Commissions bzw. Councils in den Vereinigten Staaten. 97, 98 Sind die den Kommissionen übertragenen Aufgaben so zahlreich wie unterschiedlich, 99 so sind sie doch im Kern damit betraut, eine einheitliche Strafzumessungspolitik in Richtlinien zu gießen und ihre praktische Umsetzung zu begleiten. 100 Da die vereinheitlichende Wirkung rein beratender Kommissionen begrenzt ist, überwiegen Kommissionen, die die Strafzumessung binden können. So wurde etwa in England-Wales das „Sentencing Guidelines Council“ 101 (SGC) mit der 93

Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s. 108C des Sentencing Act 1991; siehe für weitere Informationen die Internetseite des Sentencing Advisory Council (Vic), http://www .sentencingcouncil.vic.gov.au/ (01. 12. 08). 94 Vgl. Crimes (Sentencing Procedure) Act 1999 Part 8B; siehe für weitere Informationen die Internetseite des Sentencing Council (NSW), http://www.lawlink.nsw.gov.au /sentencingcouncil (01. 12. 08). 95 Vgl. Crime and Disorder Act von 1998 s. 81; siehe näher Ashworth, OT 10 (October 1999), S. 7. 96 Ausführlich zur Entwicklung hin zu Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien Stith / Cabranes, Fear of Judging, S. 9 ff. 97 Dazu zählen die Staaten Alabama, Alaska, Arkansas, Delaware, Kansas, Louisana, Massachusetts, Maryland, Minnesota, Missouri, New Mexiko, New Jersey, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, South Carolina, Utah, Virgina, Washington und Wisconsin, der Bund und der District of Columbia. 98 Eine detaillierte Liste zum Stand vom Juni 2006 findet sich bei der „National Association of Sentencing Commissions“ (NASC) unter http://www.ussc.gov/states/nascaddr .htm (01. 12. 08). Eine detaillierte Liste zum Stand von 1999 findet sich bei Reitz, The Disassembly and Reassembly of U.S. Sentencing Practices, S. 226 f.; zum Stand von 1996 beim Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 26 ff. 99 Detailliert zu den Aufgaben der Kommissionen Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 39 ff. 100 So ist die „United States Sentencing Commission“ (USSC) denn auch mit der Aufgabe betraut, „(1) to establish sentencing policies and practices for the federal courts, including guidelines to be consulted regarding the appropriate form and severity of punishment for offenders convicted of federal crimes; (2) to advise and assist Congress and the executive branch in the development of effective and efficient crime policy; and (3) to collect, analyze, research, and distribute a broad array of information on federal crime and sentencing issues, serving as an information resource for Congress, the executive branch, the courts, criminal justice practitioners, the academic community, and the public.“ United States Sentencing Commission, An Overview of the United States Sentencing Commission, S. 1. 101 Vgl. CJA 2003 ss. 169 und 171; siehe generell zum SGC auch http://www .sentencing-guidelines.gov.uk/index.html (01. 12. 08).

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Befugnis geschaffen, zwingende Strafzumessungsrichtlinien zu erlassen. 102 Erste Richtlinien gibt es bereits. 103 Eigentlicher Urheber der Strafzumessungsentscheidung ist damit nicht mehr der Richter, sondern die Strafzumessungskommission bzw. das legitimierende Gremium. Trotz Unterschieden im Einzelnen dienen Strafzumessungsrichtlinien immer dazu, die Strafzumessung sowohl zu vereinheitlichen als auch rationaler zu gestalten (consistency in sentencing). 104 In den Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika 105 wurde dieses Ziel oftmals über die systematische Ausrichtung der Strafzumessung an bestimmten Straftheorien – vornehmlich des „just deserts“ – und ein durch die Strafzumessungskommissionen vorgegebenes

102 Vgl. zur Rechtskraft der Strafzumessungsrichtlinien CJA 2003 s. 172; Oosthuizen, [2006] 1 Cr. App. R. (S) 73; Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22-9. 103 Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Richtlinien. So z. B. zu „Reduction in Sentence for a Guilty Plea“, „Overarching Principles: Seriousness“, „New Sentences: Criminal Justice Act 2003“, „Manslaughter by Reason of Provocation“, „Definitive Sentencing Guideline on Robbery“, „Overarching Principles: Domestic Violence“, „Breach of Protective Order“; „Definitive Sentencing Guideline – Sexual Offences Act 2003“, „Definitive Sentencing Guideline Revised 2007 – Reduction in Sentence for a Guilty Plea“,„Definitive Sentencing Guideline – Fail to surrender to bail“, „Definitive Sentencing Guideline – Overarching Principles: Assaults on Children and Cruelty to a Child“, „Definitive Sentencing Guideline – Assault and Other Offences Against the Person“; „Definitive Sentencing Guideline – Causing death by driving“ und „Magistrates’ Court Sentencing Guidelines – published 12 May 2008“, die alle von der Internetseite des SGC unter http://www.sentencing-guidelines.gov.uk/guidelines/council/final.html heruntergeladen werden können (01. 12. 08). 104 Zu den Strafzumessungsrichtlinien in den US-amerikanischen Rechtsordnungen vgl. Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 291; vgl. näher Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1202; ders. Fed. Sent. R., 12 (1999), S. 1 ff.; detailliert Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 31 ff. Es werden als Ziel genannt: „Increase sentencing fairness. Reduce unwarranted disparity, either in the decision to imprison (dispositional disparity) and / or sentence length (durational disparity). Establish truth in sentencing. Establish a balance of sentencing policy with limited correctional resources.“ (S. xiii); vgl. Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1202. Für die Strafzumessungsrichtlinien von England-Wales die Darstellung des „Sentencing Guidelines Council“ auf der homepage http://www.sentencing-guidelines.gov.uk/about/sgc /index.html (01. 12. 08), wo es heißt: „The Sentencing Guidelines Council’s role is to issue sentencing guidelines to assist all courts in England and Wales, to help encourage consistent sentencing“. Dies wird weiter spezifiziert als „Give authoritative guidance on sentencing“; „Give a strong lead on the approach to allocation and sentencing issues based on a principled approach which commands general support“; und „Enable sentencers to make decisions on sentencing that are supported by information on effectiveness of sentences and on the most effective use of resources“. 105 Einen guten aktuellen Überblick über die einzelnen Strafzumessungsrichtlinien verschafft Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1194 ff.; ders,. St. Louis U. L. J. 44 (2000), S. 427 ff.; ders,. Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 2 ff.

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Strafsystem erreicht. 106 Mittlerweile hat sich in vielen Staaten der Vereinigten Staaten der Bezug auf „just deserts“ zu einem Bezug auf „limiting retributivism“ konkretisiert, und viele Strafzumessungsrichtlinien berücksichtigen nunmehr Überlegungen zu „truth in sentencing“, „public safety“, „restorative and community justice“, aber auch wieder zu „rehabilitation and reintegration“. 107 Zunehmend werden die Richtlinien auch für „straffremde“ Ziele eingesetzt, wie etwa zur Regulierung der Gefangenenzahlen bzw. Gefängniskapazitäten. 108 Im Wesentlichen wird versucht, die „consistency in sentencing“ auf zwei Wegen herzustellen: Das sog. deskriptive Modell nimmt keine eigenen strafpolitischen Entscheidungen vor, sondern begnügt sich mit der Betrachtung der vergangenen Strafpraxis, die sie um unerwünschte Aspekte bereinigt und dann in die Form einer Richtlinie gießt. 109 Es schafft eine Vereinheitlichung der Strafzumessung also dadurch, dass die zukünftige Strafzumessung an das bestehende System angepasst wird. Das zweite, das sog. präskriptive Modell trifft zunächst eigene strafpolitische Entscheidungen, welche die zukünftige Strafzumessung bestimmen sollen, die erst dann anhand der Strafpraxis noch einmal überprüft werden. 110 Einheitlichkeit der Strafzumessung wird also durch die Befolgung eines neuen Maßstabs erreicht. 111 Strafzumessungsrichtlinien können rein freiwilliger bzw. beratender (voluntary or advisory) 112 oder bindender (presumptive) 113 Natur sein und dabei sowohl bestimmte (determinate) als auch unbestimmte (indeterminate) Strafandrohungen enthalten. Die Bindung, die von den „voluntary sentencing guidelines“ ausgeht, reicht von bloßen Empfehlungen, die nicht in der Rechtsmittelinstanz überprüft werden können, bis hin zur Begründungspflicht für die Abweichung von der Strafzumessungsrichtlinie. 114 Dem Strafen nach „presumptive guidelines“ kommt grundsätzlich eine „bindende Richtigkeitsvermutung“ 115 zu, von der 106 Siehe zur Rolle der Strafzumessungskommissionen bei der Erreichung dieser Ziele Frase, St. Louis U. L. J. 44 (2000), S. 431 f.; ders. Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 7. 107 Zu den einzelnen Zielen ausführlich Frase, St. Louis U. L. J. 44 (2000), S. 432 ff. 108 Vgl. Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1205; ders. Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 7; Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292; Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 92 und 107. 109 Vgl. Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 59. 110 Vgl. Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 59. 111 Vgl. Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 34 ff. 112 Nach Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1198, haben die Staaten Utah, Maryland, Delaware, Virgina, Arkansas, Missouri und Wisconsin eine solche Form der Strafzumessungsrichtlinie. 113 Nach Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1199, findet sich eine solche Form der Strafzumessungsrichtlinie beispielhaft in den Staaten Pennsylvania, Ohio, Tennesie, Kansas, Minnesota, North Carolina, Virgina, Arkansas, Missouri und Wisconsin. 114 Vgl. dazu Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1198 f.; ders., St. Louis U. L. J. 44 (2000), S. 428. 115 Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 176.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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nur in begründeten Fällen, insbesondere aus strafschärfenden oder strafmildernden Umständen, abgewichen werden kann. 116 Dabei sind diese strafverändernden Umstände oft selbst in den Strafzumessungsrichtlinien festgehalten, zuweilen wird die Entscheidung darüber auch den Richtern überlassen. 117 Die verhängten Strafen unterliegen der Überprüfung durch eine höhere Instanz. 118 Auch hier bestehen hinsichtlich des Umfangs der Bindungswirkung und der Möglichkeit der Überprüfung erhebliche Unterschiede bei den einzelnen Richtlinien. 119

Laut Empfehlung des Europarats entsprechen die Strafzumessungsrichtlinien nicht der europäischen Rechtstradition. Die Empfehlung spricht sich daher gegen eine Vereinheitlichung der Strafzumessung durch Strafzumessungsrichtlinien aus. 120 Da aber die Strafzumessung vor dem ICC nicht vornehmlich europäisch geprägt ist (und Strafzumessungsrichtlinien darüber hinaus mittlerweile nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch in EnglandWales angewandt werden), muss diese Form der Vereinheitlichung dennoch auf ihre Tauglichkeit zur Schaffung einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts untersucht werden. Für die Herstellung einer einheitlichen Strafzumessung könnten gerade die „presumptive guidelines“ dienlich sein. Sie scheinen alle Voraussetzungen mitzubringen, um zwischen begründeten und unbegründeten Gleich- bzw. Ungleichbehandlungen zu differenzieren. Ob sie auch der für die Gleichbehandlung notwendigen Individualisierung der Strafe gerecht werden können, wird von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängen: 116 Vgl. auch Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 115. 117 Siehe z. B. die Erklärung der Strafzumessungsrichtlinien von Minnesota bei Frase, Crim. & Just. 32 (2005), S. 138 ff. 118 Das Bureau of Justice Assistance charakterisiert „presumptive sentencing guidelines“ daher auch als (1) the appropriate sentence for an offender in a specific case is presumed to fall within a range of sentences authorized by sentencing guidelines that are adopted by a legislatively-created sentencing body, usually a sentencing commission; (2) sentencing judges are expected to sentence within the range or provide written justification for departure; (3) the guidelines provide for some review, usually appellate, of the departure. Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. xii. 119 Vgl. dazu Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1199. Die deskriptiven und preskriptiven Aspekte der USSG und MSG sind ausführlich bei Parent, Yale L. J. 101 (1992), S. 1778 ff. dargestellt. 120 Vgl. Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, General considerations (Commentary on the preamble), 13, S. 19 f.: „The committee did not advocate „guidelines systems“ of the kind which operate in some jurisdictions in the United States of America. Instead, it favoured the development of other techniques more appropriate to European legal traditions. Constistency of approach is the goal, rather than the arithmetical constsistency of outcomes.“ Kritisch dazu Killias, Eur. J. Crim. Policy Res. 2 (1994), S. 19 ff. und 23 f.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

Je gröber die Variablen sind, welche über die angemessene Strafe entscheiden, desto weniger wird die Strafe dem Einzelnen gerecht werden. Eine solche Richtlinie läuft Gefahr, ungleiche bzw. gleiche Fälle nicht mit dem gleichen Maß zu messen. Je feiner die Variablen sind, desto besser kann die Strafe individualisiert werden. Sind sie aber zu fein, so läuft die Richtlinie ebenfalls Gefahr, gleiche bzw. ungleiche Fälle im Maß nicht gleich zu behandeln, da die Ausdifferenzierung nicht mehr übersichtlich genug ist, um von den Richtern bei der Entscheidung einheitlich beherrscht werden zu können. Die Betrachtung muss dabei nicht nur die Frage beantworten, ob sich Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien in den Rechtsquellen bestätigen lassen, sondern gegebenenfalls auch, wie eine solche Richtlinie ausgestaltet sein muss, um dem Gebot einer einheitlichen Strafzumessung zu entsprechen. III. Im Kontext der Darstellung der Strafe 1. Begründungspflicht und -umfang Die Empfehlung des Europarates weist in „E. Giving reasons for sentences“ auf die Notwendigkeit hin, die Strafverhängung gerade auch im Fall einer Gefängnisstrafe zu begründen. 121 Denn – so die Kommentierung der Empfehlung – „[the] giving of reasons is the essence of proper judicial decision making. It has important functions: for the judge, in ensuring that the decision involves a proper application of law and discretion; for the offender, in explaining the basis for the sentence imposed; for both prosecutor and offender, in deciding whether or not to appeal; for the appeal court, in deciding whether or not the discretion has been properly exercised by the trial court; and for the general public, in informing them of the principles on which the courts act.“ 122 Auch wenn die Darstellung der Herstellung der Strafzumessungsentscheidung nicht in allem entspricht, so ist die Begründung der Strafzumessungsentscheidung doch dazu geeignet, die inneren Vorgänge der Herstellung der Strafzumessung dem Richter vor Augen zu halten, was im Gegenzug zur Vereinheitlichung der Strafe beiträgt (bewusste Strafentscheidung). Hinzu kommt, dass durch die Begründungspflicht eine nachvollziehbare Darstellung der Strafzumessungsentscheidung sichergestellt wird; denn die Offenlegung schafft Öffentlichkeit, deren Erwartung eines auch im Bereich der Strafzumessung begründeten und logisch zwingenden Urteils der Richter gerecht werden muss, indem er seine Entscheidung transparen121 E. Giving reasons for sentences 1. Courts should, in general, state concrete reasons for imposing sentences. In particular, specific reasons should be given when a custodial sentence is imposed. Where sentencing orientations or starting points exist, it is recommended that courts give reasons when the sentence is outside the indicated range of sentence. 122 Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, E. 1.

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ter macht (transparente Strafentscheidung). Entscheidend ist aber, dass nur die Darstellung der Strafzumessungsentscheidung die Möglichkeit bietet, die Strafzumessung durch eine höhere Instanz auf Tatsachen- oder Rechtsfehler hin zu überprüfen. Insofern ist eine Pflicht zur schriftlichen Begründung notwendige Bedingung einer Überprüfbarkeit der Strafentscheidung (Überprüfbarkeit der Strafentscheidung). Die Empfehlung des Europarates enthält auch Angaben zu Spezifizierungen der Strafzumessungsbegründung. Von den Richtern wird verlangt, die Einhaltung oder Abweichung von der Einstiegsstelle konkret zu begründen (E. 1.). Diese Begründung in der Strafentscheidung muss in Bezug gesetzt werden zu einer Art „Grundstrafe“, also der normalerweise vom Gesetz vorgesehenen Strafe und den Straftheorien (E. 2.). 123 Insbesondere müssen nicht nur die im Strafzumessungsfall relevanten Strafzumessungsfaktoren benannt werden, sondern es muss auch angegeben werden, wie sie die Strafentscheidung beeinflusst haben. 124, 125 Empirische Untersuchungen von Albrecht weisen darauf hin, dass der Umfang der Begründung der Strafzumessungsentscheidung mit der Schwere der Strafe oder Strafart zunimmt, d. h. der Begründungsaufwand linear zur Dauer der Freiheitsstrafe steigt. 126 Je stärker der Eingriff in die Freiheitsrechte des Verurteilten ist, desto größer ist der Legitimationsbedarf der Strafentscheidung, so dass aufgrund der zu erwartenden schweren Strafen im Völkerstrafrecht der Le-

123

E. Giving reasons for sentences 1. .... Where sentencing orientations or starting points exist, it is recommended that courts give reasons when the sentence is outside the indicated range of sentence. 2. What counts as a „reason“ is a motivation which relates the particular sentence to the normal range of sentences for the type of crime and to the declared rationales for sentencing. Vgl. auch Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, E. 2: „If the court follows the orientations because the case is a normal one, it should explain the basis for concluding that the case is normal. If a court goes outside the orientations, usually on account of some special feature of the case, it is especially important that the sentence be accompanied by concrete reasons for the departure.“ 124 Vgl. auch Explanatory Memorandum to Recommendation No. R (92) 17, E. 2. 125 Entsprechend ist die Begründungspflicht in nationalen Rechtsordnungen ausgestaltet. Beispielsweise muss das Gericht in England-Wales öffentlich in allgemein verständlichen Worten die Gründe für die Strafe darlegen und dem Verurteilten unter anderem die Auswirkungen erklären (s. 174(1) Criminal Justice Act 2003). Das Gericht muss Abweichungen von den Strafzumessungsrichtlinien erklären und die Auswahl der freiheitsbeschränkenden Sanktionen unter gewissen Umständen begründen. Strafschärfende bzw. strafmildernde Umstände von Wichtigkeit müssen erklärt werden (s. 174(2) Criminal Justice Act 2003). Dies gilt nicht in Fällen, in denen die Strafe bereits durch das Gesetz zwingend vorgeschrieben ist, vgl. ausführlicher dazu Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 586 ff. 126 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 409.

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

gitimationsaufwand erheblich sein wird. Daher muss die Legitimation durch die Urteilsgründe in den Rechtsquellen des ICC-Statuts besonders beachtet werden. 2. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle Die Möglichkeit einer Revision der Strafzumessungsentscheidung wird an vielen Stellen indirekt angesprochen, auch wenn ihr ausdrücklich keine eigene Empfehlung gewidmet ist. 127 Art. 14 V IPBPR verweist aber auf das Recht, die Entscheidung eines Gerichtes, durch die eine Person wegen einer strafbaren Handlung verurteilt wurde, durch eine weiteres, höheres Gericht überprüfen zu lassen. 128 Eine genauere Ausgestaltung dieses Rechts obliegt allerdings den nationalen Rechtsordnungen. 129 Eine derartige Kontrolle der Strafzumessungsentscheidung hinsichtlich ihrer Vertretbarkeit vereinheitlicht das Strafen nicht nur dadurch, dass nicht mehr vertretbare „Strafzumessungs-Ausreißer“ aufgehoben werden und so eine extreme Ungleichheit im Einzelfall vermieden werden kann, sondern auch dadurch, dass den höheren Gerichten erlaubt wird, den unteren Gerichten Orientierung bei der Strafzumessung an die Hand zu geben. 130 Orientierung können die höheren Gerichte aber nur geben, wenn sie einen rechtlichen Maßstab besitzen, der ihnen eine Richtung bei der Strafzumessungsentscheidung vorgibt. Je geringer der Entscheidungsspielraum der erkennenden Kammer erster Instanz ist, desto einheitlicher ließe sich die Strafzumessungsentscheidung gestalten. Nun lässt sich der Entscheidungsspielraum aber nicht beliebig einengen, denn nimmt man dem Richter jegliches Ermessen, kann dies insofern zu einer anders gestalteten Ungleichheit führen, als die Strafzumessungsentscheidung zwar mit anderen Entscheidungen vergleichbar wäre, aber unter Umständen nicht dem Einzelfall gerecht werden würde. Das Ermessen soll der Tatsache Rechnung tragen, dass die Richter der Verfahrenskammer sich näher an der Tat und dem Täter befinden und sich bei ihrer Strafzumessungsentscheidung auf einen persönlichen Eindruck stützen können; wohingegen die Richter der Rechtsmittelkammer nur aufgrund der Aktenlage zu entscheiden haben. Letztlich richtet sich die Frage 127

F. Prohibition of reformatio in peius 1. The principle of the prohibition of reformatio in peius should be taken into account where only the defendant appeals. 2. In states where such a remedy exists, the powers of prosecutors to use their right to accessory appeal should not be used with a view to undermining the principle of the prohibition of reformatio in peius, thereby deterring offenders from appealing. 128 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 6 MRK / Art. 14 IPBPR, Rn. 263. 129 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 6 MRK / Art. 14 IPBPR, Rn. 265 ff. m.w. N; Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz, S. 206 f., Rn. 408 ff.; ausführlich zum „right of appeal“ im Völkerstrafrecht Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 153 ff. 130 Vgl. Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 297.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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der einheitlichen Strafzumessung nach dem Umfang der Überprüfbarkeit der Strafentscheidung, d. h. wann eine Entscheidung des erkennenden Gerichts vertretbar ist und wann nicht. Darauf muss demnach auch die Untersuchung in den Rechtsquellen des ICC gerichtet sein. 131

C. Zusammenfassung I. Charakteristisches Merkmal der Gerechtigkeit im Recht ist die Gleichbehandlung. Das Element des „Gleichen“ erfordert, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu verteilen. Die Gleichheit der Strafe verlangt somit nach einer Differenzierung der Strafe. Das Element des „Behandelns“ verweist auf die Zuteilung bzw. Verteilung von Gleichem bzw. Ungleichem. Das Zuteilen der Strafe darf bedingt durch die Menschenrechte nur in Maßen und nur im Verhältnis zum einzelnen Menschen erfolgen. Das Behandeln erfordert damit eine Individualisierung der Strafe. Die Gleichbehandlung beinhaltet also die Differenzierung und die Individualisierung der Strafe, die aber immer im gleichen Maße zu erfolgen haben. Differenzieren und Individualisieren erfordern ein Unterscheiden. Dazu ist es notwendig, die Strafwürdigkeit des Straffalls und den Strafwert des Strafzumes131 Mathematische Modelle einer Strafzumessung wie sie etwa Haag (Rationale Strafzumessung), von Linstow (Berechenbares Strafmaß) und Kohlschütter (Die mathematische Modellierung der Strafzumessung) entworfen haben, bleiben in dieser Untersuchung unberücksichtigt (ausführlich zu diesen Maurer, Komparative Strafzumessung, S. 80 ff. m.w. N). Denn sie wenden sich in ihrem Kern der Seite der Rechtfertigung zu, nicht aber der Seite der Findung einer einheitlichen Strafe (vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 91) und können nicht erhellend zur Vereinheitlichung des Vorgangs der Strafzumessung beitragen. Es ist zu befürchten, dass für den Fall, dass das als zutreffend empfundene Ergebnis nicht mit dem mathematischen übereinstimmt, die Faktoren solange an das für richtig befundene Ergebnis angepasst werden, bis die Rechnung stimmt. Der Rechenvorgang wäre dann nur die scheinbare, äußere Rechtfertigung eines auf andere Weise gefundenen Ergebnisses (vgl. Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 70; Müller-Dietz, Probleme der Strafzumessung, S. 60). Die mathematische Berechnung gaukelt eine numerische Exaktheit vor, die in Wahrheit nicht vorhanden ist. Denn das System mag zwar einheitlich sein, die Strafzumessung ist es aber nicht. Denn die Fassung der relevanten Umstände in mathematische Operatoren führt zu ihrer Reduzierung und Vereinfachung. Wenn auch nichts gegen eine an den noch zu verarbeitenden Strukturen eines Entscheidungsprozesses angepasste handhabbare Struktur einzuwenden ist, so wird aber der Strafzumessungsvorgang so weit verkürzt, dass den komplexen Vorgängen der individualisierten Strafzumessung nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Denn je größer die Verkürzung ausfällt, desto weniger kann der Strafzumessungsvorgang der Differenzierung in der Individualisierung gerecht werden. Diese ist aber vonnöten, um dem sich im Gleichheitssatz ausdrückenden Postulat der Gerechtigkeit des Rechts zu entsprechen. (Im Ergebnis ebenfalls ablehnend Maurer, Komparative Strafzumessung, S. 88; Hassemer, ZStW 90 (1978), S. 91 ff.; siehe auch Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 48 m.w. N. in Fn. 168 und ausführlich S. 313 ff.).

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

sungsfalls in „gleich“ bzw. „ungleich“ zu teilen. Diese Unterscheidung basiert auf dem Tatbestand und den Tatumständen sowie auf der Rechtsfolge und den Strafzumessungsumständen. Zwischen der so bestimmten Strafwürdigkeit des Straffalls und dem Strafwert des Strafzumessungsfalls besteht eine Beziehung, da die Strafwürdigkeit den Strafwert bestimmt und der Strafwert den Rückschluss auf die Strafwürdigkeit eröffnet. Dies funktioniert aber nur, wenn beide für sich verhältnismäßig sind und sich auch zueinander verhältnismäßig verhalten (vertikale Verhältnismäßigkeit), da sonst nicht gleich gemessen werden kann. Damit würde allerdings nur die gleiche Strafe innerhalb eines Straftatbestandes zugemessen. Um zu einer gleichen Strafzumessung in einem Strafsystem zu gelangen, muss deshalb ein Bezug zu den anderen Straftatbeständen hergestellt werden, d. h. die Verhältnismäßigkeit des einen Straftatbestandes muss auch verhältnismäßig zur Verhältnismäßigkeit des anderen Straftatbestandes sein (horizontale Verhältnismäßigkeit). Die verhältnismäßige Strafstruktur korrespondiert mit einer verhältnismäßigen Graduierung, da ein Wert nur dann zugemessen werden kann, wenn er auf einer Skala eingeordnet werden kann. Die Graduierung folgt der verhältnismäßigen Strafstruktur nach, so dass die Graduierung auch im Verhältnis zu einem Straftatbestand und im Verhältnis zu anderen Straftatbeständen betrachtet werden kann (vertikale und horizontale Graduierung). Die Graduierung muss in der Lage sein, nach Strafwürdigkeit und Strafwert zu unterscheiden, mithin Differenzen zum Ausdruck zu bringen. Die Differenzierung erfolgt mittels rechtlicher Kriterien bzw. Mechanismen, die zum Ausgleich des Spannungsverhältnisses von Gleichheit und Individualisierung der Strafe beitragen. Dieser Ausgleich wird durch die Strafzumessungsumstände umgesetzt und durch Straftheorien gerechtfertigt. II. Die Strafzumessung obliegt ihrer Natur nach der Entscheidung des Richters. Sie wird in einem Entscheidungsvorgang hergestellt und in der Begründung des Urteils dargestellt. Trotz Verzahnung kann nicht von der Darstellung auf die Herstellung der Strafentscheidung und umgekehrt geschlossen werden. Rechtlich relevante Differenzierungskriterien müssen primär auf der Herstellungsseite gesucht werden, da dort die Entscheidung ihren Ausgang nimmt. Diese Herstellungsseite ist bei der Strafzumessung durch die Entscheidung über die Strafe, die Strafzumessungssituation im Strafprozess und den Richter weiter ausgefüllt. Die Strafe wird durch Vorgaben des Gesetzes überformt, so dass eine bestimmtere Strafbemessung auch eine bestimmtere Strafzumessung nach sich zieht. Die Strafzumessungssituation wird von offenen und verdeckten Regeln geprägt. Will man die Strafzumessung einheitlicher gestalten, so muss man die offene Situation stärken und den Raum für die verdeckten Regeln einengen, indem man vornehmlich auf der Herstellungsseite vereinheitlichende Mechanismen benennt. Der Richter hingegen ist nur als Rechtsanwender zu berücksichtigen, nicht aber als Träger eigener Wertentscheidungen.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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III. Ist das (abstrakte) Sanktionssystem einheitlich (durch die Verhältnismäßigkeit des Strafsystems, die Graduierung der Bewertungsskalen und die Möglichkeit zur Differenzierung und Individualisierung), so kann auch die (konkrete) Strafentscheidung einheitlich sein. Ein verhältnismäßiges Strafsystem schafft eine Struktur für die Strafentscheidung. Ein Maß erhält ein Strafsystem durch die Graduierung seiner Strafstruktur. Damit kann Strafe dauerhaft im gleichen bzw. ungleichen Maße im Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafwert zugemessen werden. Das Messen erbringt der Vergleich mit anderen Strafzumessungsfällen. Die Differenzierung und Individualisierung bei der Strafentscheidung muss zwischen (wesentlich) Gleichem und (wesentlich) Ungleichem unterscheiden. In einem Rechtssystem basiert diese Unterscheidung des Strafzumessungsfalls auf rechtlichen Kriterien. Diese Kriterien bzw. Mechanismen sind, wenn sie denn dauerhaft und im gleichen Maße berücksichtigt werden, zugleich Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung. Im Einzelnen sind am Beispiel der Arbeit des Europarates folgende normative Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung zu nennen: 1. Zunächst sind eindeutige Aussagen über die bei der Strafzumessung zu beachtende Straftheorie bzw. Straftheorien vonnöten, da diese die Leitlinien der Strafzumessung vorgeben. Eindeutig ist der Fall, wenn es nur eine Straftheorie zu beachten gilt. Schwieriger wird es, wenn mehrere Straftheorien zur Anwendung kommen. Dann müssen zusätzlich zu den Straftheorien auch Anwendungsregeln für deren Gebrauch im Konfliktfall bereitgehalten werden. Diese können etwa eine Reihenfolge der Berücksichtigung vorgeben oder die Verwendung einzelner Straftheorien von bestimmten Straftaten, Straftätern oder Strafen abhängig machen. 2. Dann bedarf es der Festlegung einer Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode, denn diese vermögen die Strafzumessung zu konkretisieren bzw. das Strafzumessungsermessen insofern weiter einzuengen, als sie eindeutigere normative Aussagen zur Strafzumessung treffen und durch Festlegung eines methodischen Vorgehens einen äußeren Rahmen schaffen, der die Strafzumessung begrenzt und führt. 3. Durch die Bestimmung der Bezugspunkte der Strafe wird die Strafzumessungsentscheidung weiter konkretisiert. Als mögliche Anknüpfungspunkte kommen sowohl die Straftat als auch der Straftäter in Frage. Für die Anknüpfung an die Straftat spricht der reale Bezug der Strafe zur Straftat. Für die Anknüpfung an den Straftäter spricht das Gebot, dessen Menschenrechte zu achten und die Strafe zu individualisieren. 4. Weiter ausgefüllt werden die Bezugspunkte der Strafe durch die Strafzumessungsumstände des Strafzumessungsfalls. Aufgrund ihrer großen Anzahl ist es angebracht, die Betrachtung relevanter Strafzumessungsumstände mittels Fallgruppen vorzunehmen, da der damit verbundene Gewinn an Handhabbarkeit

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1. Teil: Grundlegung zur einheitlichen Strafzumessung

zum einen die Strafentscheidung und Strafentscheidungssituation ernst nimmt, und zum anderen eine dauerhafte Anwendung vergleichbarer Strafzumessungsumstände gewährleistet. In Frage kommen Gruppen von tat- und täterbezogenen oder von tatbestandlichen und außertatbestandlichen Strafzumessungsumständen. 5. Die Festlegung der einschlägigen Bezugspunkte und ihre Ausfüllung durch relevante Gruppen von Strafzumessungsumständen liefen ins Leere, wenn nicht ein proportionaler Bezug zwischen Strafzumessungsfall und Strafe bestünde. Nach der Empfehlung des Europarates ist zwar nur eine Unverhältnismäßigkeit zu vermeiden, aber aufgrund der Beachtung der Menschenrechte ist eine Verhältnismäßigkeit geboten. Denn der Mensch darf in seinen Freiheitsrechten nur soviel wie nötig und so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Das Übel durch die Strafe ist aber umso geringer, je genauer das Verhältnis zwischen Strafzumessungsfall und Strafe ist. Verhältnismäßig wird die Strafe zugemessen, wenn Strafwert und Strafwürdigkeit des Strafzumessungsfalls zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Eine einheitliche Strafzumessung im Sanktionssystem verlangt es, die Verhältnismäßigkeit sowohl in Hinblick auf den Straftatbestand (vertikal) als auch in Hinblick auf andere Straftatbestände (horizontal) auszurichten. Zu klären ist daher, wie es die Rechtsquellen des ICC-Statuts mit der Verhältnismäßigkeit halten. 6. Die Frage der Verhältnismäßigkeit zieht die Frage der Graduierung der Strafstruktur und des Einstiegs in den Strafrahmen nach sich, da Strafe nur dann verhältnismäßig zugemessen werden kann, wenn sie sich auf einer Bewertungsskala von Tat und Strafe abtragen lässt und Anhaltspunkte für den Einstieg in die Skala gegeben sind. Die Bewertungsskala ist durch die Grenzen des Strafrahmens mit seiner Mindest- und Höchststrafe normativ vorbestimmt. Dauerhaft einheitlich zugemessen wird die Strafe aber letztlich über den Einstieg in den Strafrahmen, da das Zumessen der Strafe einen Ausgangspunkt voraussetzt. Diesen Punkt des Einstiegs gilt es in den Rechtsquellen des ICC-Statuts näher zu bestimmen. 7. Die Herstellung von Strafbarkeit und Strafe in zwei getrennten Verfahren kann einer einheitlichen Strafzumessung dienlich sein, da die getrennte Entscheidungssituation den Prozessbeteiligten insbesondere erlaubt, unbelastet von der Vermengung von Informationen zum Strafbarkeitsfall und Strafzumessungsfall sowie ohne die Gefahr eines ungewollten Schuldeingeständnisses Fragen der Strafzumessung zu erörtern. 8. Richtlinienurteile können ein probates Mittel zur Bindung des Strafzumessungsermessens sein. Zum einen werden sie von der Praxis für die Praxis erlassen, was ihre dauerhafte Berücksichtigung fördert, zum anderen sind sie flexibel genug, um dem Ausgleich zwischen Gleichheit und Individualisierung der Strafe zu entsprechen.

3. Kap.: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

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9. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien haben je nach Aufgabe der Kommission und Bindungswirkung der Richtlinie unterschiedliche Auswirkungen auf die Strafzumessungsentscheidung. Der Nutzen für eine einheitliche Strafzumessung hängt von der Fähigkeit der Strafzumessungsrichtlinie ab, einen angemessenen Ausgleich zwischen Gleichheit und Individualisierung der Strafe herzustellen. Damit muss die Betrachtung neben der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien auch die Frage der konkreten Ausgestaltung der Richtlinien beachten. 10. Auch wenn die Darstellung der Strafe durch die Begründung im Urteil mit der Herstellung der Strafe durch den Entscheidungsprozess nicht deckungsgleich ist, dient die darstellende Begründung doch der Vereinheitlichung der Strafzumessung. Denn sie lässt überhaupt erst erkennen, ob das Recht bei der Strafzumessung auch gewahrt wurde, und führt dem Richter die inneren Vorgänge der Strafentscheidung vor Augen (bewusste Strafentscheidung), sie schafft durch die Öffentlichkeit den Druck, das Recht auch dauerhaft und wiederkehrend einzuhalten (transparente Strafentscheidung), und sie ermöglicht die Überprüfung der Entscheidung (Überprüfbarkeit der Strafentscheidung). Je strenger diese Begründungspflicht ausgestaltet ist, desto mehr engt sie die Strafentscheidung ein. Daher müssen in den Rechtsquellen des ICC-Statuts Begründungspflicht und -umfang beleuchtet werden. 11. Auch die Überprüfung der Strafe durch eine höhere Instanz wirkt langfristig vereinheitlichend. Denn die Kontrolle wirkt zum einen disziplinierend auf die unteren Gerichte und birgt zum anderen die Möglichkeit, die Strafzumessung zu vereinheitlichen. Dabei bedingen sich die Weite der Strafzumessungsentscheidung und die Weite der Revision gegenseitig. Daher kommt es für eine einheitliche Strafzumessung sowohl auf die grundsätzliche Möglichkeit zur Überprüfung als auch auf den Umfang der Überprüfung an. Bevor den aufgelisteten Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts nachgegangen werden kann, müssen im nächsten Kapitel die Rechtsquellen herausgearbeitet und konkretisiert werden.

2. Teil

Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts 4. Kapitel

Die Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung Das 4. Kapitel zeigt die Rechtsquellen des ICC-Statuts auf. Zunächst werden die Rechtsquellen dargestellt, ausgelegt und definiert (dazu sogleich unter A.): Das eigene Recht des ICC mit dem Statut, den Verbrechenselemente und der Verfahrens- und Beweisordnung (unter I.) und das ergänzende Recht des Gewohnheitsrechts und der allgemeinen Rechtsgrundsätze (unter II.). Es wird die formelle und materielle hierarchische Struktur der Rechtsquellen dargestellt (unter III.). Dann werden die Rechtsquellen weiter konkretisiert (dazu später unter B.), die Auslegungsregeln des Statuts benannt (unter I.) und der Nachweis von Völkergewohnheitsrecht geführt (unter II.). Die für die Konkretisierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze relevanten Rechtsordnungen werden bestimmt und in einem ersten Überblick vorgestellt (unter III.).

A. Rechtsquellen des ICC-Statuts Die Rechtsquellen 1 des ICC-Statuts sind abschließend in Art. 21 ICC-Statut niedergelegt.

1 Im Sinne der „Erscheinungsformen des Rechtes“; vgl. zu den unterschiedlichen Deutungen des Begriffs „(Rechts-)Quelle“ bzw. „sources of law“ Becker, Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, S. 60 f.; D’Amato, The Concept of Custom in International Law, S. 264 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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I. Das eigene Recht des ICC: Statut, Verbrechenselemente sowie Verfahrens- und Beweisordnung (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut) Gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut ist an erster Stelle das dem Gerichtshof eigene und durch den Vertrag von Rom geschaffene Recht anzuwenden. Dies sind zunächst das Statut als Grundnorm des ICC und die Verbrechenselemente 2. Da die Verbrechenselemente nur einer weiteren Auslegung der Tatbestandselemente der Kernverbrechen dienen, sind sie bei der Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung nicht von primärer Relevanz. Hinzu kommt die für die Vertragsparteien generell bindende Verfahrens- und Beweisordnung (ICC-RPE) 3. Sie enthält zentrale Aussagen zur Strafzumessung und ist daher für die weitere Suche von Bedeutung. Dabei ist die Nachrangigkeit der ICCRPE zum ICC-Statut zu beachten (Art. 51 Abs. 5 ICC-Statut). Die Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung konzentriert sich damit auf das ICC-Statut und auf die ICC-RPE. II. Das ergänzende Recht des ICC: Völkerverträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) und (c) ICC-Statut) Neben dem eigenen Recht des ICC gewährt Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut zweitrangig den Rückgriff auf „anwendbare völkerrechtliche Verträge sowie die Grundsätze und Regeln des Völkerrechts“ 4. Der Rückgriff steht im Ermessen des Gerichts und ist nur dann möglich, wenn im eigenen Recht ein Artikel der weiteren Auslegung bedarf oder eine Lücke nicht anders zu schließen ist. 5 1. Völkerrechtliche Verträge (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 1 ICC-Statut) Trotz mancher Bedenken gegen die Praktikabilität einer solchen Regelung 6 bezieht das Statut auch „anwendbare (völkerrechtliche) Verträge“ als Rechtsquelle 2 Elements of Crimes PCNICC/2000/INF/3 / Add. 2. Als bloße Hilfe bei der Auslegung sind die Verbrechenselemente für den Gerichtshof allerdings nicht bindend. Im Fall eines Widerspruchs zwischen dem Statut und den Verbrechenselementen treten sie hinter das Statut zurück (Art. 9 Abs. 3 ICC-Statut); vgl. auch Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 36; McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 8. 3 Vgl. Rules of Procedure and Evidence Official Records, ICC-ASP/1/3. 4 „... applicable treaties and the principles and rules of international law ...“ 5 Vgl. Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 38 f. 6 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1068 f. Auf S. 1069 heißt es: „It is difficult to imagine, however, a situation in which the Court would have to apply a treaty other than its Statute, unless two or more States agreed to accord it some specific jurisdiction or to require the application of particular principles. In any case, it is most unlikely, given that the Court

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

mit ein. 7 Dies entspricht auch der Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. (c) WVK, der zur Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages das gesamte einschlägige Völkerrecht heranzieht, mithin auch beim ICC-Statut den Rückgriff auf relevante völkerrechtliche Verträge zulassen würde. 8 Dabei ist der Begriff des völkerrechtlichen Vertrages genau so zu verstehen wie in Art. 38 ICJ-Statut. 9, 10 Zu bedenken ist, dass völkerrechtliche Verträge nur zwischen den Vertragsparteien (inter partes) Bindungswirkung entfalten und daher die Anwendung der Verträge im konkreten Fall immer zu prüfen ist. Diese Überprüfung ist aber überflüssig, wenn einschlägige völkerrechtliche Verträge nicht als Rechtsquelle des Völkervertragsrechts, sondern als Beleg von Völkergewohnheitsrecht im Rahmen der Rechtsquelle des Völkergewohnheitsrechts berücksichtigt werden. Durch den Bezug des ICC-Statuts zu den Menschenrechten bekommt diese Überlegung in Hinblick auf die Menschenrechtskonventionen besondere Relevanz. 11 Solange die darin enthaltenen Menschenrechte Ausdruck von Übung und Rechtsüberzeugung sind, werden sie hier als Beleg von Völkergewohnheitsrecht behandelt. Denn so können die Menschenrechte auch unabhängig vom Anwendungsbereich der Menschenrechtskonventionen berücksichtigt werden, und den Aussagen der Menschenrechte im Rahmen des ICC-Statuts kann ein allgemeingültiger Charakter zukommen. 12

has only been granted limited subject-matter jurisdiction, that it would be obliged, or even able, to apply such agreements.“ 7 Vgl. McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 10; Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 8 f. 8 Siehe auch die Entscheidung des ICJ Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinions and Judgements, I.C.J. Reports 1971, S. 31. 9 Unter Berücksichtigung des Wortlautes von Art. 21 ICC-Statut möchte Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 27, die Anwendbarkeit der Verträge nur unter der Voraussetzung des Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut zulassen, d. h. nur dann, wenn „die Vertragsbestimmungen nicht mit dem Statut, dem Völkerrecht oder den international anerkannten Regeln und Normen unvereinbar sind“. 10 Siehe allgemein zum völkerrechtlichen Vertrag Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 91 ff. 11 Siehe zur Verknüpfung von „human rights“ und dem ICC die ausführlich begründete Darstellung bei Safferling, International Criminal Procedure, S. 39 ff. 12 So auch König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 210 m.w. N.; siehe zur Diskussion, die Regelungen in Menschenrechtsverträgen nicht als Gewohnheitsrecht sondern als „allgemeine Rechtsgrundsätze“ zu behandeln Safferling, International Criminal Procedure, S. 26 ff.; Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, S. 353 ff.; § 560-6; Simma / Alston, AYIL 12 (1982), S. 82.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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2. Grundsätze und Regeln des Völkerrechts (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 2 ICC-Statut) Unklar ist die Bedeutung, die den „Grundsätze[n] und Regeln des Völkerrechts“ 13 beigemessen werden soll. Diese Unklarheit beruht zum einen auf dem ungewöhnlichen Wortlaut, der zwischen Grundsätzen und Regeln unterscheidet, zum anderen auf der Systematik innerhalb des Statuts zwischen Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut und Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut 14 und außerhalb des Statuts zu Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut. 15 So scheint es als völkerrechtliche Rechtsquellen neben den „Grundsätzen und Regeln des Völkerrechts“ auch „Rechtsgrundsätze aus einzelstaatlichen Regelungen“ sowie von „Kulturvölkern anerkannte Rechtsgrundsätze“ zu geben. Ein Verständnis von den „Grundsätze[n] und Regeln des Völkerrechts“ geht dahin, dass beide mit unterschiedlichem Wortlaut letztlich auf Völkergewohnheitsrecht verweisen, wie es gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. (b) ICJ-Statut verstanden wird. 16 Beide Begriffe sollen nur aufgrund der (irrtümlichen) Sorge der Strafrechtwissenschaftler aufgeführt worden seien, dem „principle of legality“, will sagen dem Prinzip der „lex certa et scripta“, Genüge zu tun. 17 Ein anderes 13

„... principles and rules of international law ...“ „... general principles of law derived by the Court from national laws of legal systems of the world ...“ 15 „... general principles of law recognised by civilized nations ...“ 16 Genauer lässt sich die Unterscheidung von Grundsätzen und Regeln des Völkerrechts im Sinne des 21 I lit. (b) ICC-Statut dahingehend verstehen, dass die „Grundsätze“ auf die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze und die „Regeln“ auf das Völkergewohnheitsrecht verweisen (vgl. so für die „Grundsätze“ und „Regeln“ Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 27; für die „Regeln“ vgl. auch McAuliffe deGuzman, in: ICCCommentary, Art. 21, Rn. 11 f.) Eine solche Unterscheidung macht aber für die Rechtsnatur des anzuwendenden Rechts keinen Unterschied, da die sog. allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts (nicht zu verwechseln mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut) ganz überwiegend als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden müssen (vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1072; O’Keefe, Recourse by the ad hoc Tribunals to General Principles of Law and to Human Rights Law, S. 299): Denn sie sind in Wahrheit „fundamental rules“, die nicht nur ihren Ursprung in den unmittelbaren Rechtsbeziehungen der Staaten haben, sondern bereits so verfestigt sind, dass ein gesonderter Nachweis einer Übung der Staaten nicht mehr erforderlich ist (zu den sog. allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts werden beispielsweise die Grundsätze der Gleichheit und Unabhängigkeit der Staaten gezählt; vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 227). Einzig in der Bestimmbarkeit zeigen sich Unterschiede, da „rules“ bestimmter sind als „principles“ (vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1072); vgl. auch Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 9. 17 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1071: „If the word ‚custom‘ was excluded, it is most likely due to the fact that the criminal lawyers, whose influence increased during drafting of the Statute, opposed it in the name of an erroneous conception of the principle of the legality of the offences and punishment. Thus according to Professor Blakesley, 14

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Verständnis geht dahin, die traditionelle Unterteilung der Rechtsquellen in Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätzen aufzuweichen und beide zu einer neuen Rechtsquelle zusammenzuführen. Gerade im Bereich des Völkerstrafrechts mit seinem Manko bei der Staatenpraxis sei es vonnöten, eine erst im Entstehen begriffene völkergewohnheitsrechtliche Regel durch allgemeine Rechtsgrundsätze im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut zu ergänzen. Diese „Kombinationslösung“ würde dann eine neue, übergreifende völkerrechtliche Regel begründen, die auch in den „principles and rules of international law“ ihren Niederschlag gefunden habe. 18 Es trifft zwar zu, dass die Grenzen zwischen den Rechtsquellen zunehmend verschwimmen, 19 aber der Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut betont die Anwendung des Völkergewohnheitsrechts (und nicht der allgemeinen Rechtsgrundsätze) und verweist damit auf die traditionelle Sicht der Rechtsquellen. Zum einen wird in Art. 21 Abs. 1 lit. (b) a. E. ICC-Statut auf völkergewohnheitsrechtliche Regelungen Bezug genommen und damit die „Grundsätze und Regeln des Völkerrechts“ spezifiziert, 20 zum anderen wird der Verweis auf das „international law“ einvernehmlich dahingehend verstanden, dass er sich auf „public international law“ und damit auf das Völkerrecht schlechthin bezieht. Dadurch ist aber ebenfalls die im Völkerrecht selbst gewohnheitsrechtlich verankerte Normenhierarchie des Art. 38 ICJ-Statut übernommen worden, 21 so dass auch dessen traditionelle Unterscheidung zwischen Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen Gegenstand des ICC-Statuts ist. Grundsätze und Regeln des Völkerrechts gemäß 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut werden deshalb hier entsprechend der limitierenden Auslegung nur als Verweis auf das Völkergewohnheitsrecht im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. (b) ICJ-Statut verstanden. 22, 23 ‘[e]ssentially, the problem is that the elements of the offences arising out of ‚general international law‘ are often too vague. Their definitions do not provide the elements required by international criminal and human rights law‘ This radically conservative and State-oriented conception has exerted a purely ‚terminological‘ influence, however, as it is clearly indispensable that judges be able to resort to ‚international custom, as evidence of a general practice accepted as law‘, in cases where the Statute is silent.“ 18 Vgl. Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 41 ff.; ders., Internationales Strafrecht, S. 82, spricht in diesem Zusammenhang von allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die „als originär supranationale Regeln zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht oder – nach modernem Verständnis – zu völkerrechtlichen Regeln“ beitragen. 19 Vgl. Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 61. 20 Vgl. ebenso Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 9. 21 Vgl. Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 39. 22 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1070 ff.; Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 39; vgl. auch McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 11 ff. 23 Der Gerichtshof könnte Völkergewohnheitsrecht selbst dann anwenden, wenn es keine ausdrückliche Regelung im ICC-Statut gäbe. Dies hat der ICTY so schon in Kup-

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a) Definition Auch wenn die genaue Bestimmung des Völkergewohnheitsrechts im Völkerrecht nach wie vor Schwierigkeiten bereitet, 24 besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Völkergewohnheitsrecht „durch die von einer Rechtsüberzeugung ... getragene internationale Übung der Rechtssubjekte entsteht“ 25 bzw. – wie es 38 Abs. 1 lit. (b) ICJ-Statut formuliert – „Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung [ist]“ 26. Mithin bedarf es also der Übung und der Anerkennung dieser Übung als Recht. 27 Wie stark diese beiden Elemente ausgeprägt sein und in welcher Form sie vorliegen müssen, hängt von den einzelnen rechtstheoretischen Ansichten über das Völkerrecht und das Völkergewohnheitsrecht ab. 28 reški´c für das ICTY-Statut festgestellt, wo der Gerichtshof ausführt, dass „any time the Statute does not regulate a specific matter ..., it falls to the International Tribunal to draw upon (i) rules of customary international law“, Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, IT-95-16-T, para. 591. 24 Vgl. die Darstellung bei Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 345 ff., §§ 49 ff. über die verschiedenen rechtstheoretischen Ansätze der Geltung des Völkergewohnheitsrechts. 25 Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 213; vgl. auch die Definition der ILC, M. Hudson, Working Paper on Article 24 of the Statute of the International Law Commission, UN Doc. A / CN. 4/16, 3 March 1950, at 5 (1950): „1) ‚concordant practice‘ by a number of states relating to a particular situation; (2) continuation of that practice ‚over a considerable period of time‘; (3) a conception that the practice is required by or consistent with international law; and (4) general acquiescence in that practice by other states.“ Siehe auch die Definition des PCIJ im Lotus-Fall, The case of the S.S. Lotus (France v. Turkey), P.C.I.J. Series A, No. 10 (1927) S. 18: „usage generally accepted as expressing principles of law“; Asylum case (Columbia v. Peru), Judgement, I.C.J. Reports 1950, S. 277: „constant and uniform usage, accepted as law“. 26 „... evidence of a general practice accepted as law.“ 27 Vgl. zur „Übung“ die Ausführungen des ICJ im Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Judgement, I.C.J. Reports 1986, S. 97 f: „... to the content of customary international law ... the court may not disregard the essential role played by general practice ... in the field of customary international law, the shared view of the Parties as to the content as what they regard as the rule is not enough. The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio iuris of States is confirmed by practice“. Zur „Rechtsüberzeugung“ vgl. North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 44: „Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief, i.e., the existence of subjective element, is implicit in the very notion of the opinio iuris sive necessitatis. The States concerned must therefore feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation.“ 28 Diese können hier nicht im Einzelnen dargestellt werden. Siehe zu den rechtstheoretischen Begründungsansätzen und ihrer Auswirkung auf das Völkergewohnheitsrecht Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 345 ff., §§ 549 ff.; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht,

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Folgt man der Ansicht des ICJ, so kann man eine Übung nur annehmen, wenn diese von einer gewissen Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung ist: Die genaue Dauer lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt vom Einzelfall ab. Dabei ist zwar – so der ICJ in den North-Sea-Continental-Shelf -Fällen – ein einmaliger Vorgang nicht dauerhaft genug, um eine Gewohnheit zu begründen 29, eine nur kurze Zeitspanne hingegen kann aber zur Begründung ausreichen. 30 Zu beachten ist, dass, je kürzer die Zeitspanne der Übung ist, desto stärker ihre Einheitlichkeit und ihre allgemeine Anerkennung als Recht sein muss, um Völkergewohnheitsrecht begründen zu können. 31 Letztlich sollen nicht so sehr die Akte und die Dauer der Übung entscheidend sein, sondern vielmehr, dass keine mit der Übung unvereinbaren Akte praktiziert werden oder der Übung widersprochen wird. 32 Mittlerweile ist anerkannt, dass die Übung nicht nur durch Realakte begründet werden kann, sondern bereits durch bloße Verbalakte. 33 Eine gewisse Einheitlichkeit und Verbreitung der Übung, d. h. eine gleichförmige und allgemeine Übung einer größeren Anzahl von Staaten oder anderer zur Rechtsetzung befugter Völkerrechtssubjekte muss hinzu kommen, um Völkergewohnheitsrecht zu begründen. So verlangt der ICJ in den North-Sea-Continental-Shelf -Fällen „a very widespread and representative participation“ 34, welche „extensive and virtually uniform“ 35 S. 98 ff.; generell zum Geltungsgrund des Völkerrechts Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 27 ff. 29 So aber Akehurst, Brit. Y. B. Int’l L. 47 (1974 – 75), S. 13; siehe zum sog. „instant customary law“ auch König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 215 m.w. N. 30 North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 43: „[a]lthough the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law on the basis of what was originally a purely conventional rule, an indispensable requirement would be that within the period in question, short though it might be, State practice, including that of States whose interests are specially affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; – and should moreover have occurred in such a way as to show a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved.“ 31 Vgl. Bernhardt, Customary International Law, S. 901. 32 Vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 97 m.w. N. in Fn. 344. 33 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 212 m.w. N in Fn. 1328; so auch für den Bereich des humanitären Völkergewohnheitsrechts schon bei Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“ Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 99 „... on the account of the inherent nature of this subject matter, reliance must primarily be placed on such elements as official pronouncements of States, military manuals and judicial decisions.“ (eigene Hervorhebung). Siehe auch die Nachweise zur „Verbalpraxis“ bei Kreß, EuGRZ 23 (1996), S. 646, in Fn. 93. 34 North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 42. 35 North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 43.

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sein muss. Dabei ist keine einhellige Praxis aller Völkerrechtsubjekte geboten. 36 Ein gewisser Grad der Verbreitung reicht aus, der zumindest das Verhalten derjenigen Völkerrechtssubjekte umfasst, deren Interessen beeinträchtigt sind bzw. die die Fähigkeit zur Beteiligung an der Übung haben. Wenn möglich, sollte ein Querschnitt aller geographischen Regionen und sozio-politischen Systeme erreicht werden. 37 Wie oben dargestellt reicht die Übung allein zur Begründung von Gewohnheitsrecht nicht aus, vielmehr muss sie auch „als Recht anerkannt werden“ 38 (opinio iuris sive nevessitatis), d. h. durch eine Rechtsüberzeugung getragen werden. Entsprechend der unterschiedlichen Ansichten über den Geltungsgrund des Gewohnheitsrechts ist der Grad des Erfordernisses des Elementes „Rechtsüberzeugung“ – bis hin zum totalen Verzicht – umstritten. 39 Trotz der Schwierigkeiten, eine Rechtsüberzeugung zu belegen, 40 kann nicht gänzlich darauf verzichtet werden, da zum einen der klare Wortlaut des Art. 38 Abs. 1 ICJ-Statut dem Verzicht entgegensteht, zum anderen Gewohnheitsrecht ansonsten nicht von unverbindlichen Handlungen oder Regeln abgegrenzt werden könnte. 41 Der ICJ verlangt aus diesem Grund auch, dass die Übung „... be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it.“ 42 Ähnlich der Übung muss auch die Rechtsüberzeugung nicht von allen Staaten geteilt werden. Es reicht aus, dass eine allgemeine (nicht notwendig einheitliche) Grundposition festgestellt werden kann, dergestalt, dass die Staaten oder Völkerrechtssubjekte die Übung als notwendig erachten, weil sie dem entspricht, was sie als Recht ansehen. 43

36 Gemäß des Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Judgement, I.C.J. Reports 1986, S. 98 schadet eine Abweichung im Einzelfall nicht, da diese nur als Bruch des Völkerrechts zu bewerten ist. 37 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 216 f.; zum Problem des „abstention of protest“ Shaw, International Law, S. 89 ff. 38 Art. 38 Abs. 1 ICJ-Statut: „accepted as law“. 39 Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 354 ff., §§ 561 ff.; Brownlie, Principles of Public International Law, S. 8, speziell zum Verzicht Nachweis in Fn. 30; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 216 f.; lehrreich auch Simma / Alston, Australian Y.B.Int.L. 12 (1992), S. 88 ff. 40 Vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 97, der davon spricht, „daß es keine Regeln darüber gibt, wie die Rechtsüberzeugung zu prüfen und zu messen ist.“ 41 Bernhardt, Customary International Law, S. 899; Brownlie, Principles of Public International Law, S. 8; als Beispiele für unverbindliche Regeln seien erwähnt: usage, political considerations, courtesy. 42 North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 44. 43 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 218 m.w. N.

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b) Beleg Schwierigkeiten bereitet die Frage, anhand welcher Handlungen (oder Unterlassungen) 44 der Völkerrechtssubjekte Völkergewohnheitsrecht bewiesen werden kann bzw. welches Tun heranzuziehen ist, um Staatenpraxis und die sie tragende Rechtsüberzeugung zu belegen. Anhaltspunkte für Völkergewohnheitsrecht lassen sich mit Brownlie überall dort finden, wo Völkerrechtssubjekte zu völkerrechtlichen Fragen Stellung nehmen. 45 Evident ist dies für das Tun der Exekutivorgane, die durch Äußerungen, Stellungnahmen, insbesondere aber durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge nicht nur eine bereits bestehende Praxis spezifizieren, selbst eine Praxis begründen oder eine zukünftige Praxis initiieren, sondern auch plakativ die Rechtsüberzeugung des Völkerrechtssubjekts zum Ausdruck bringen. 46 Neben dem Handeln der Exekutivorgane ist auch das Handeln der Legislativorgane durch Gesetzgebungsakte und der Judikativorgane durch Gerichtsentscheidungen als Ausdruck der Praxis eines Völkerrechtssubjekts anzuerkennen, 47 solange diese völkerrechtlichen Fragen gewidmet sind 48 und deutlich wird, dass sich in dem Handeln die von den Staaten eingenommene Rechtshaltung widerspiegelt. 49 Um der Entwicklung des Völkerrechts von zwischenstaatlichen Beziehungen hin zu individuellen Rechten und Pflichten und der damit einhergehenden 44 Zum Handeln durch Unterlassen näher Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 219 f. 45 Nach Brownlie, Principles of Public International Law, S. 6, kann man Völkergewohnheitsrecht finden in „diplomatic correspondence, policy statements, press releases, the opinions of official legal advisers, official manuals on legal questions, e.g. manuals of military law, executive decisions and practices, orders of naval forces, comments by governments on drafts produced by the International Law Commission, state legislation, international and national judicial decisions, recitals in treaties and other international instruments, a pattern of treaties in the same form, the practice of international organs, and resolution relating to legal questions in the United Nations Generally Assembly“ (eigene Hervorhebung). Siehe auch die Auflistung bei Shaw, International Law, S. 81 ff. 46 Vgl. Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 60 f.; Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 365 ff., §§ 580 ff.; Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 220 f.; ausführlich Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 137 ff. m.w. N.; siehe auch D’Amato, The Concept of Custom in International Law, S. 103 ff. 47 Vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 603; Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 65; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 122, der davon spricht, dass nationale Gerichte eine Doppelfunktion haben: „Zum einen sind sie eine Form der Staatenpraxis, die sich zu Gewohnheitsrecht verdichten kann, ... zum anderen können sie Völkerrechtsnormen außer Streit stellen oder inhaltlich zu bestimmen helfen.“ 48 Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, S. 88, § 5, Rn. 9. 49 Vgl. Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 57 f. Nationale Urteile, die nur nationales Recht anwenden, können aber eine Rolle bei der Bestimmung der Allgemeinen Rechtsgrundsätze (21 I lit. (c) ICC-Statut) spielen.

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„Vergemeinschaftung“, d. h. der Übertragung der einzelstaatlichen Aufgaben auf internationale Institutionen, gerecht zu werden, 50 muss der Kanon der Quellen, mit denen Völkergewohnheitsrecht belegt werden kann, um diejenigen Foren erweitert werden, in denen sich die Staaten und sonstige Völkerrechtssubjekte zu Menschenrechten und Völkerstrafrecht rechtsverbindlich äußern. 51 Dies bedeutet, dass Übung und Rechtsüberzeugung in Fragen der Menschenrechte auch durch die sonstige Praxis in und von internationalen Institutionen 52 belegt werden können 53 und sich vor allem in der UN-Praxis im Bereich der Menschenrechte und des Völkerstrafrechts wiederfinden. 54 Insbesondere können Resolutionen des Sicherheitsrates 55 und – nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht – auch die Resolutionen der UN-Generalversammlung 56 als Beweis für eine Rechtsüberzeugung ausreichen, 57 die, gepaart mit der notwendigen Übung, Völkergewohnheitsrecht belegen kann. 58 50 Vgl. Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 60 f. 51 Vgl. auch Peters, EUGRZ 26 (1999), S. 652, die ein völkergewohnheitsrechtliches Verbot der Todesstrafe aus der Unterzeichnung völkerrechtlicher Verträge, Staatenpraxis und Äußerungen in internationalen Foren und der innerstaatlichen Rechtslage ableiten will. 52 Manche wollen in der sonstigen UN-Praxis, d. h. in den Entschließungen, Beschlüssen, Empfehlungen und Entscheidungen der zwischenstaatlichen und überstattlichen Organisationen, eine „Rechtsquelle eigener Art“ sehen, um der gestiegenen Bedeutung der UN-Praxis in einer Welt der „relativierten Hoheitsgewalt“ gerecht zu werden. Dies ist aber abzulehnen, da eine Rechtsquelle eigener Art im grundsätzlich als abschließend angesehenen Art. 38 ICJ-Statut nicht genannt ist. Vielmehr können diese Handlungsformen nur durch Übung und Rechtsüberzeugung zu Völkergewohnheitsrecht erstarken; vgl. näher dazu Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 69 ff. 53 Vgl. Becker, Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, S. 64. 54 Vgl. Schachter, International Law in Theory and Practice, S. 338, der dort ausführt: „... one must look for ‚practice‘ and opinio juris mainly in the international forums where human rights issues are actually discussed, debated and sometimes resolved by general consensus. These are principally organs of the United Nations and of regional bodies. In those settings, governments take positions on a general and specific level: they censure, condemn or condone particular conduct. An evaluation of those actions and their effects on State conduct provides a basis for judgements on whether a particular right or principle has become customary international law ...“; siehe auch Simma / Alston, Australian Y.B.Int.L. 12 (1992), S. 98. 55 Vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 107; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 404 f., § 632; siehe auch Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 66. 56 Siehe zur umstrittenen Rechtsnatur ausführlich Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 114 ff. m.w. N.; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 405 ff., §§ 634 ff., m.w. N.; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 71 ff.; Danilenko, Law-Making in the International Community, S. 203 m.w. N. 57 Vgl. ICJ Legality of the Threat or Use of nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 254 f., para. 70: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value. They can, in certain

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Ebenso können internationale Gerichte eine Erkenntnisquelle für Völkergewohnheitsrecht sein. Sie schaffen zwar grundsätzlich durch ihre Urteile kein Recht, 59 weisen aber in ihren Urteilen auf bestehendes Recht hin. 60 Oftmals kommt Urteilen internationaler Gerichte bei der Identifizierung von Völkergewohnheitsrecht sogar eine entscheidende Bedeutung zu, da sie gerade in Situationen, in denen eine Staatenpraxis noch nicht gefestigt ist, in Frage stehende Normen konkretisieren können. 61 Die Situation der schwach ausgeprägten Übung besteht ganz besonders im Völkerstrafrecht. Gerade hier müssen Urteile der Gerichtshöfe die völkerstrafrechtlichen Normen konkretisieren und zum Schutz der völkerstrafrechtlichen Rechtsgüter durch Rechtsfolgeentscheidungen durchsetzen. Damit klingt bereits die weitere Funktion von Urteilen internationaler Gerichte an: Denn sie belegen nicht nur Völkergewohnheitsrecht, sondern begründen auch eine von der Rechtsüberzeugung des Gerichts getragene Spruchpraxis, die durch die Reputation der Institution ein „normatives Eigengewicht“ entfaltet und daher für andere Völkerrechtssubjekte nur schwer zu ignorieren ist. 62 Urteile internationaler Gerichte belegen Völkergewohnheitsrecht und binden durch ihr normatives Eigengewicht. Statuten internationaler Gerichte belegen oder begründen ebenso Völkergewohnheitsrecht, da sie sind nicht nur die Grundlage der Urteile bilden, sondern zumeist auch auf völkerrechtlichen Verträgen beruhen. Um Völkergewohnheitsrecht zu bestimmen, muss sich das Augenmerk daher gleichermaßen auf die Statuten und die Urteile richten.

circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an opinio juris. To establish whether this is true of a given General Assembly resolution, it is necessary to look at its content and the conditions of its adoption; it is also necessary to see whether an opinio juris exists as to its normative character. Or a series of resolutions may show the gradual evolution of the opinio juris required for the establishment of a new rule.“ 58 Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 368 f., § 583 f. 59 Vgl. näher Bantekas, ICLR 6 (2006), S. 131 f. 60 Vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 108 f., der darauf verweist, dass Urteil internationaler Gerichte im Völkerrecht in der Regel keine formellen Präjudizien schaffen, wie das etwa im angloamerikanischen Rechtssystem der Fall ist; siehe auch Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 395 f., § 618 ff. speziell für den ICJ. 61 Vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 603; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 121; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 397, § 619; Bleckmann, Grundproblem und Methoden des Völkerrechts, S. 150. 62 Vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 603; Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 2006, para. 21; Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 49; Meseke, Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, S. 108 m.w. N.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 14, Rn. 6.

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3. Allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut) a) Definition Zu klären bleibt nun, was unter den „allgemeine[n] Rechtsgrundsätze[n], die der Gerichtshof aus einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Rechtssysteme der Welt ... abgeleitet hat“ im Sinne des Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut zu verstehen ist, die das Statut subsidiär zu Art. 21 Abs. 1 lit. (a) und (b) ICC-Statut zur Anwendung bringt. Ist die Bedeutung des Begriffs der „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ (general principles) im Völkerrecht mannigfaltig, so wird er hier durch den Verweis auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften konkretisiert. 63 Damit lassen sich Parallelen zu Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut ziehen, der ebenfalls nationales Recht zum Ausgangspunkt der Bestimmung der allgemeinen Rechtsgrundsätze macht. 64 Beide Normen dienen letztlich der Vermeidung von Non-liquet-Situationen. 65 Bedenkt man, dass Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut ohnehin als deklaratorische Quelle des Völkerrechts gilt, 66 ist es angebracht, Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICCStatut im Lichte des Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut auszulegen. 67 Entsprechend der vorherrschenden Meinung zu Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut können die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut als „in den nationalen Rechtsordnungen auffindbare Rechtssätze“ 68, welche „auf den zwischenstaatlichen Verkehr übertragbar sind“ 69, verstanden werden. 70 Das Gericht hat also keine rechtsschöpferische Funktion, sondern kann nur bestehendes, aber noch nicht festgestelltes Recht anwenden. De jure wird also nur Bestehendes be63 Vgl. zu den begrifflichen Unterscheidungen bei den „General Principles“ und der historischen Entwicklung der „General Principles generally recognized in national law“ Mosler, General Principles of Law, S. 511 ff. 64 Vgl. Mosler, General Principles of Law, S. 515 ff.; Becker, Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, S. 67 m.w. N.; McAuliffe deGuzman, in: ICCCommentary, Art. 21, Rn. 14 ff.; Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 39 f. 65 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1070 ff.; McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 16; für Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 100; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 387, § 607, die eine reine Beschränkung auf „non liquet“ ablehnen. 66 Vgl. Mosler, General Principles of Law, S. 515. 67 Siehe zur grundsätzlichen Vergleichbarkeit von Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut und Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 47 f.; Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 8 f. 68 Kreß, ZStW 111 (1999), S. 608. 69 Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 384, § 602. 70 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 225 ff.; Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 62 m.w. N.

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stätigt, de facto wird der allgemeine Rechtsgrundsatz als Schaffung neuen Rechts erscheinen. 71 b) Beleg Im hergebrachten Verständnis können allgemeine Rechtsgrundsätze in allen Quellen belegt werden, die in den jeweiligen Jurisdiktionen normalerweise zum Beleg von Rechtsauffassungen genutzt werden. 72 Meist sind das auf der einen Seite die rechtlichen Normen, die sie interpretierende wissenschaftliche Literatur sowie rechtliche Kommentare, auf der anderen Seite die die rechtliche Wertung ebenfalls interpretierenden (kontinentaleuropäische Rechtsordnung) oder unter Umständen auch Recht schaffenden (angloamerikanische Rechtsordnung) gerichtlichen Entscheidungen, 73 da Erstere die rechtliche Auffassung des Völkerrechtssubjekts widerspiegeln und Letztere die Rechtswirklichkeit in den jeweiligen Jurisdiktion abbilden. 74 Auszulegen sind diese Quellen mit den Mitteln und im Verständnis der jeweiligen Jurisdiktion. 75 Neben diesen in den nationalen Foren verortbaren Belegen lassen sich – die neuere Entwicklung des Völkerrechts, insbesondere im Bereich der Menschenrechte, nachzeichnend – die allgemeinen Rechtsgrundsätze auch in einem internationalen Rahmen dingfest machen. 76 Wie bereits beim Beleg von Völkergewohnheitsrecht gesehen, werden staatliche Rechtsfindung und Rechtsüberzeugung immer mehr internationalisiert und institutionalisiert; 77 d. h. zur Durchsetzung ihrer Rechtsauffassungen vergewissern sich Staaten immer häufiger der Mithilfe internationaler Institutionen und eines am Gemeinwohl orientierten internationalen Rechtssystems, mit deren Hilfe sie ihre Interessen gewissermaßen 71

Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 42 und 48. Vgl. näher Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 209. 73 Vgl. zur Rechtsprechung knapp Ambos, Internationales Strafrecht, S. 88, § 5, Rn. 9; Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 65. 74 Vgl. zur Problematik der Abweichung zwischen Rechtswirklichkeit und Rechtsnormen Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 209 f. 75 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 200 und 209 f. 76 Vgl. Simma / Alston, Australian Y.B.Int.L. 12 (1992), S. 102 ff. 77 Siehe auch die Äußerung des vormaligen Präsidenten des ICJ in seiner Advisory Opinion on Nuclear Weapons (Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, Declaration of President Bedjaoui, para. 12, I.C.J. Reports 1996, S. 226, 271, para. 13), in der er ausführt: „Despite the still modest breakthrough of ‚supra-nationalism‘, the progress made in terms of the institutionalization, not to say integration and ‚globalization‘, of international society is undeniable ... The resolutely positivist, voluntarist approach of international law still current at the beginning of the century ... has been replaced by an objective conception of international law, a law more readily seeking to reflect a collective juridical conscience and respond to the social necessities of States organized as a community.“ 72

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„(völkerrechts-)vergemeinschaften“ und auf diese Weise kanalisieren 78, so dass die Suche nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch auf die Praxis solcher internationaler Organisationen ausgedehnt werden kann, die insbesondere Fragen der Menschenrechte und des Völkerstrafrechts zum Gegenstand ihres Wirkens gemacht haben. 79 Während es für den Beleg von Völkergewohnheitsrecht noch vonnöten ist, dass mit der in der Spruchpraxis gefundenen Rechtsüberzeugung eine daran anknüpfende Übung einhergeht, kommt es darauf beim Beleg der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht mehr entscheidend an. 80 In völkergewohnheitsrechtlichen Kategorien gedacht, lassen sich die allgemeinen Rechtsgrundsätze gewissermaßen schon durch eine weithin geteilte Rechtsüberzeugung belegen, ohne dass es darüber hinaus noch einer einheitlichen Übung bedarf. 81, 82 Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut verlangt zum Beleg der allgemeinen Rechtsgrundsätze folgendes Vorgehen: Der Gerichtshof ist in einem ersten Schritt dazu aufgerufen, einzelstaatliche Rechtsvorschriften der Rechtssysteme der Welt zu vergleichen, um darin die allen Rechtssystemen gemeinsamen Prinzipien herauszuarbeiten, die dann in einem zweiten Schritt auf das Völkerstrafrecht übertragen werden müssen und im letzten dritten Schritt insbesondere auf die Übereinstimmung mit der Grundnorm und den Menschenrechten zu überprüfen sind.

78 Sehr aufschlussreich dazu Simma / Paulus, EJIL 9 (1998), S. 266 ff., die zusammenfassend auf S. 272 f. schreiben: „... the world of the famous ‚Lotus principle‘, according to which states are only bound by their express consent, seems to be gradually giving way to a more communitarian, more highly institutionalized international law, in which states ‚channel‘ the pursuit of most of their individual interests through multilateral institutions.“; ebenso Ambos, ADV 37 (1999), S. 333. 79 Vgl. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 103 f. m.w. N.; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 386 f., § 606. 80 Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, S. 86, § 5, Rn. 7. 81 Vgl. Ambos, ADV 37 (1999), S. 333 f.; ders., Internationales Strafrecht, S. 82; siehe auch Simma / Paulus, Le rôle relatif des différents sources du droit international pénal, S. 61. 82 Schachter, International Law in Theory and Practice, S. 50, geht insofern noch weiter, als er fünf unterschiedliche Kategorien nennt, in denen allgemeine Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut dingfest gemacht werden können: „(1) The principles of municipal law ‚recognized by civilized nations‘. (2) General principles of law ‚derived from the specific nature of the international community‘. (3) Principles ‚intrinsic to the idea of law and basic to all legal systems‘ (4) Principles ‚valid through all kinds of societies in relationships of hierarchy and co-coordination‘. (5) Principles of justice founded on ‚the very nature of man as a rational and social being‘.“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

aa) Herausarbeiten gemeinsamer Prinzipien (1. Schritt) (1) Funktionale Rechtsvergleichung Die gemeinsamen Prinzipien werden durch Rechtsvergleichung erkannt. Der Rechtsvergleichung wäre es nicht dienlich, wenn man die eigene Dogmatik bzw. Begrifflichkeit zum Dreh- und Angelpunkt der Rechtsvergleichung machen würde. 83 Denn bei einem solchem Vergleich dominiert die eigene Sicht die Untersuchung von vornherein so stark, dass das Ergebnis nicht weit vom Ausgangspunkt der eigenen Dogmatik bzw. Begrifflichkeit zu finden sein wird. 84 Hinzu kommt, dass mit den gleichen Begriffen in den unterschiedlichen Jurisdiktionen nicht immer das Gleiche gemeint ist und sich vermeintliche Ähnlichkeiten in der Dogmatik, im systematisch-theoretischen Aufbau, oft nicht bestätigen lassen. Vorzuziehen ist daher eine funktionale Betrachtungsweise, die nicht die Norm zum Ausgangspunkt der Betrachtung erhebt, sondern die Funktion, welche durch die Norm übernommen wird. 85 Demnach ist die Funktion des in Frage kommenden Rechtsinstituts mit der entsprechenden Funktion in anderen Rechtssystemen in Bezug zu setzen. 86 Das sich dabei herausschälende Prinzip ist die allgemeine Rechtsgrundlage. 87 Dementsprechend gilt das von Lord McNair für den Rückgriff auf das nationale Privatrecht Geforderte auch beim Rückgriff auf das nationale Straf- und Strafprozessrecht: „International law has recruited and continues to recruit many of its rules and institutions from private systems of law ... The way in which international law borrows from the sources is not by means of importing private law institutions ‚lock, stock and barrel‘ readymade and fully equipped with a set of rules ... In my opinion the true view of the duty of international tribunals in this matter is to regard any features or terminology which are reminiscent of the rules and institutions of private law as an indication of policy and principles rather than as directly importing these rules and institutions.“ 88 Die Schwierigkeit liegt darin, den angemessenen Grad der Abstrahierung zu finden und zu wählen, mit dem man die Funktion eines Rechtsinstituts betrachtet. Setzt man den Abstraktionsgrad zu gering an, läuft man Gefahr, dem eigenen dogmatischen Rechtssystem verhaftet zu blei-

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Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 200. Vgl. Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 44. 85 Vgl. Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 44; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 43 f.; Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 199 ff.; ebenso für das Zivilrecht Zweigert / Kötz, Rechtsvergleichung, S. 33 ff.; Sieber, Strafrechtsvergleichung im Wandel, S. 112 ff. 86 Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, S. 87, § 5, Rn. 8. 87 Vgl. Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 47. 88 International Status of South West Africa, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1950, S. 148 (Sir Arnold McNair, separate opinion). 84

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ben, oder wird bestenfalls eine „domestic analogy“ 89 vornehmen, nicht aber eine wirklich ergebnisoffene Rechtsvergleichung durchführen können; setzt man ihn zu hoch an, erleichtert dies zwar den Vergleich, da mit dem Abstand auch die Unterschiede kleiner und die Gemeinsamkeiten größer werden, allerdings wird der praktische Gewinn, der sich aus einem derartigen Vergleich ziehen lässt, denkbar gering sein. 90 Die Funktion einer Regelung kann häufig nur mit Kenntnis des Rechtssystems bzw. Strafrechtssystem und im Bereich der Strafzumessung insbesondere vor dem Hintergrund des Sanktionssystems erfasst und verstanden werden. 91 Denn das Beleuchten einzelner, aus dem Zusammenhang gerissener Funktionen führt sonst zu einem verzerrten Bild der Funktion in der Rechtsordnung. 92 Wäre daher ein umfassender Vergleich der Strukturen und Systeme der ausgesuchten Rechtsordnungen wünschenswert, 93 so ist er im Rahmen dieser Arbeit doch kaum zu bewerkstelligen. Der Darstellung der Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung wird aber zumindest ein Überblick über Sanktionssysteme und Strafbemessungen vorangestellt werden, da sich die rechtlichen Mechanismen letztlich darin belegen lassen. (2) Vergleichsmaßstab (a) Rechtsfamilien Es stellt sich nun die Frage, welche Rechtsfamilien bzw. -systeme in den Vergleich einbezogen werden sollen. 94 Zwar verweist das ICC-Statut in Art. 21 Abs. 1 lit. (c) auf die Rechtssysteme der Welt; allerdings ist schon im Rahmen 89 Blaskic, IT-95-14-AR 108bis, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement On the Request of the Republic of Croatia for Review of the Decision of Trial Chamber II of 18. July 1997, 29. October 1997, para. 40. 90 Es soll an dieser Stelle nicht verkannt werden, dass es zwar ein erstrebenswertes Ziel ist, die eigene Dogmatik auszublenden, dies aber wohl niemals ganz gelingen wird; vgl. Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 45. 91 Vgl. Frase / Weigend, B.C. Int’l & Comp. L.Rev. 18 (1995), S. 317. 92 So werden z. B. die für einen kontinentaleuropäischen Juristen vermeintlich im materiellen Strafrecht nicht so eindeutigen Elemente der Straftatbestände durch wiederum – im Verhältnis zum kontinentaleuropäischen Prozessrecht – formal strengere Regelungen des angloamerikanischen Prozessrechts ausgeglichen; das Geschworenenverfahren führt zu einem strengeren Beweisantragsrecht, als dies bei der Ermittlung der Wahrheit durch den Richter der Fall ist; verfassungsrechtliche Regelungen schlagen auf die Strafzumessung durch etc. 93 Vgl. ausführlich dazu Sieber, Strafrechtsvergleichung im Wandel, S. 114 ff. 94 Die begriffliche Abstufung vom Großen zum Kleinen lautet hier wie folgt: Rechtsfamilie (oder -systeme), Rechtskreise, Hauptrechtsordnungen (oder Mutterjurisdiktionen), Rechtsordnungen (oder Jurisdiktionen).

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von Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut anerkannt, dass nicht alle Rechtssysteme der Welt miteinander verglichen werden müssen, um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu begründen, 95 so dass auch für Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut nur eine Übereinstimmung innerhalb der für das Statut wesentlichen Rechtssysteme der Welt zur Begründung ausreicht. 96 Da das Rom-Statut und sein Prozessrecht zu großen Teilen seinen Ursprung in den Regelungen der kontinentaleuropäischen und vor allem der angloamerikanischen Rechtsfamilie hat, 97 sollten die das ICCStatut ausfüllenden und interpretierenden allgemeinen Rechtsgrundsätze sinnvollerweise auch diesen Rechtskreisen entnommen werden. 98 Dass Argumente aus westlichen Rechtskreisen vermehrt in den Urteilen wiederzufinden sind, lehrt die Erfahrung mit dem ICTR und ICTY. Die Ursprungsrechtskreise der Mitarbeiter und Richter der internationalen Strafgerichtshöfe und damit auch beim ICC bedingen die Inkorporation des Rechts mit, 99 so dass schon aus praktischen Erwägungen mit einer Dominanz der kontinentaleuropäischen und vor allem der angloamerikanischen Rechtsfamilie zu rechnen ist. 100 (b) Rechtsordnungen Nun müssen innerhalb der kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsfamilie nicht alle einzelstaatlichen Rechtsordnungen beleuchtet werden, sondern nur diejenigen Rechtsordnungen, die für die jeweilige Familie bzw. Rechtskreise in der Familie repräsentativ sind. 101 Repräsentativ sind vor allem die Hauptrechtsordnungen oder Mutterjurisdiktionen der einzelnen Rechtskreise. Diese gelten als beispielhaft für die anderen Rechtsordnungen ihrer Rechtskreise

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Vgl. Mosler, General Principles of Law, S. 517; vgl. auch Judge Tanaka, der in seiner dissenting opinion in den South-West-Africa-Fällen feststellt: „[t]he recognition of a principle by civilized nations ... does not mean recognition by all civilized nations ...“, South West Africa Cases (Ethiopia v. South Africa; Liberia v. South Africa) I.C.J. Reports 1966, S. 299 (Judge Tanaka, dissenting). 96 Vgl. McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 17. 97 Vgl. insbesondere bezüglich des Prozessrechts Delmas-Marty, JICJ 1 (2003), S. 19; siehe auch Orie, Accusatorial v Inquisatorial Approach, S. 1475 ff.; siehe zum internationalen Prozessrecht auch Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 1997, para. 4. 98 So auch Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 46. 99 Vgl. zum ICTY Bantekas, ICLR 6 (2006), S. 129. 100 Siehe auch Delmas-Marty, JICJ 1 (2003), S. 18 mit dem Hinweis, dass zu befürchten sei, dass sich Richter bei der Rechtsvergleichung zur Herausarbeitung der allgemeinen Rechtsgrundsätze vornehmlich bei ihrer eigenen Rechtsordnung bzw. der ihnen bekannten Rechtsordnung bedienen werden und sich ihre Nachforschung auf unmittelbar zugängliche Daten in einer den Richtern verständlichen Sprache reduziere. 101 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 207 ff.; Bantekas, ICLR 6 (2006), S. 129.

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und haben oftmals die anderen Rechtsordnungen ihrer Rechtskreise geprägt. 102 Hinzu kommt, dass in der Regel der tatsächliche Zugriff auf die Hauptrechtsordnungen gut gelingt und das Recht in Literatur und Rechtsprechung gut durchdrungen ist. Demgegenüber sind die weiteren Rechtsordnungen (und Rechtsquellen) oftmals erst gar nicht zugänglich oder es fehlt an den personellen Ressourcen oder Kenntnissen, die Recherche auf die weiteren Rechtsordnungen zu erstrecken. Auch ist eine Betrachtung der weiteren Rechtsquellen nicht zwingend gewinnbringend. Denn die weiteren Rechtsordnungen richten sich auf der Ebene des zu bestimmenden Prinzips zumeist am Beispiel der Hauptrechtsordnungen oder Mutterjurisdiktionen aus, so dass durch den zusätzlichen Aufwand nicht immer auch ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. 103 Ergänzt werden sollte die Betrachtung allerdings durch Rechtsordnungen, die für die konkrete Rechtsvergleichung besonderen Gewinn versprechen – hier also solche Rechtsordnungen, die einen besonderen Impuls für die Strafzumessung im Völkerstrafrecht erwarten lassen. 104 In der kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie sind also repräsentative Rechtsordnungen oder andere besonders beispielhafte Rechtsordnungen des germanischen, nordischen und romanischen Rechtskreises zu berücksichtigen. In der angloamerikanischen Rechtsfamilie sind zumindest die Rechtsordnungen des britischen und amerikanischen Rechtskreises zu betrachten und – als besonders gewinnbringend – auch Rechtsordnungen des australischen Rechtskreises. 105 (c) Rechtsordnungen und Gerichtsbarkeit Dabei soll der Gerichtshof insbesondere die „innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten, die im Regelfall Gerichtsbarkeit über das Verbrechen ausüben 102

Vgl. auch Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 207 ff.; Bantekas, ICLR 6 (2006), S. 129. 103 Ähnlich haben die Richter McDonald und Vohrah in dem Fall Prosecutor v. Erdemovi´c für das ICTY ausgeführt: „... it is generally accepted that the distillation of a ‚general principle of law recognized by civilized nations‘ does not require the comprehensive survey of all legal systems of the world as this would involve a practical impossibility and has never been the practice of the International Court of Justice ... our approach will necessarily not involve a direct comparison of the specific rules each of the world’s legal systems, but will instead involve a survey of those jurisdictions whose jurisprudence is, as a practical matter, accessible to us in an effort to discern a general trend, policy or principle underlying the concrete rules of that jurisdiction which comports with the object and purpose of the establishment of the International Tribunal.“ Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Joint Separate Opinion of Judge McDonald and Judge Vohrah, 7. October 1997, para. 57; siehe auch Pellet, Applicable Law, S. 1073. 104 Vgl. auch McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 17, nach dem die Auswahl der zu berücksichtigenden Rechtsordnungen im Ermessen der Richter steht. 105 Siehe ausführlich zu der Auswahl der Rechtsordnungen S. 276 ff. Zu dem Zugewinn durch die australische Rechtsordnung siehe S. 289 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

würden“ 106 berücksichtigen. Diese Formulierung bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Ist noch sicher, dass die Ausdehnung der Rechtsvergleichung im Ermessen des Gerichts steht, 107 so ist schon fraglich, welche Rechtsordnungen denn jene sind, auf die sich im „Regelfall“ die Gerichtsbarkeit erstreckt, 108 zumal frühere Formulierungsvorschläge, die sich klar auf das Territorialitäts-, das aktive Nationalitäts- und Universalitätsprinzip bezogen, nicht in das Statut aufgenommen wurden, 109 und wie denn die Angebrachtheit näher zu spezifizieren ist. 110 Letztlich lässt sich dieser Verweis, der angesichts des schon bestehenden Bezugs der Rechtsvergleichung auf die Rechtssysteme der Welt auch als überflüssig erscheint 111, wiederum nur mit der Sensibilität des Völkerstrafrechts für das „principle of legality“ erklären und mag seine Rechtfertigung darin finden, dass das Gericht zu einer umfassenden Rechtsvergleichung nicht immer die Mittel und Möglichkeiten haben wird und es dann zumindest Bezug nehmen sollte („soweit angebracht“) auf die einzelstaatlichen Normen, mit denen der Angeklagte vertraut ist bzw. sich auch sonst konfrontiert sieht. 112 (3) Gemeinsame Prinzipien Da es entscheidend auf die den Regelungen zugrunde liegenden Prinzipien ankommt, kann man es nicht bei einer Aufzählung der einschlägigen Regelungen bewenden lassen kann, sondern muss immer nach dem leitenden Rechtsgedanken, dem „common principle behind“, fragen. 113 Dieser findet sich oftmals hinter dem „Begriffskern“ einer Regelung, so dass ein abweichender „Begriffshof“ der Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes nicht entgegensteht. 114 Auch 106 Art. 21 Abs. 1 lit. (c): „... the national laws of States that would normally exercise jurisdiction over the crime ...“ 107 Vgl. McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21 Rn.18. 108 Vgl. Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 10. 109 Vgl. McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 18. Eine Erklärung für die ungenaue Wortwahl könnte darin liegen, dass die strafrechtlichen Anknüpfungspunkte in den unterschiedlichen Rechtsordnungen auch unterschiedlich ausgeprägt sind und sich keine völkerrechtliche Gewohnheit bestimmen lässt, die bestimmte Anknüpfungspunkte allgemein verbindlich machen würde. 110 Vgl. Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 12. 111 Vgl. auch Saland, International Criminal Law Principles, S. 215; Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 10. 112 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1073 ff.; McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 18, möchte wenigstens die Jurisdiktionen berücksichtigen, an die sich durch das Territorialitäts-, das aktive Nationalitäts- und das Universalitätsprinzip anknüpfen lässt. 113 Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 385, § 604; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 208 f.; Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 207; Bantekas, ICLR 6 (2006), S. 129. 114 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 210.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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wenn es durch die Betrachtung des hinter der konkreten Ausgestaltung stehenden Prinzips eher zu für alle Rechtsfamilien einheitlichen und damit akzeptablen Lösungen kommen kann, wird eine völlige Übereinstimmung nur selten auftreten. Diese ist aber insofern nicht vonnöten, als für die Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes schon die partielle Übereinstimmung ausreicht, sofern das Prinzip des allgemeinen Rechtsgrundsatzes nicht auf Widerspruch in anderen Rechtsordnungen stößt. 115 Die Anerkennung des Prinzips von einem Teil der Rechtsordnungen reicht also aus, sofern kein entgegenstehendes Prinzip dingfest gemacht werden kann. 116 Dies gilt umso mehr, je allgemeiner das Prinzip ist, nach dem geforscht wird; ist hingegen das Prinzip sehr speziell, so wird man auch eine größere Übereinstimmung verlangen müssen. 117 Wie der Begriff „allgemeine Rechtsgrundsätze“ nahe legt, kommen nur solche Prinzipien in Betracht, die in den nationalen Rechtsordnungen von grundlegender Bedeutung sind bzw. als Leitprinzipien dieser Rechtsordnungen anerkannt werden können. 118 Berücksichtigt man, dass die Vertragsstaaten an die Rechtsprechung des ICC gemäß Art. 86 ICC-Statut gebunden sind, kann das Gericht selbst auch nur die herrschende Meinung in den einzelnen Rechtsordnungen zur Grundlage seiner Entscheidung machen, da ansonsten über den Umweg der Rechtsauffassung des Gerichts die Staaten verpflichtet wären, eine Rechtsauffassung anzuerkennen und zu befolgen, die nicht ihrer Rechtswirklichkeit entspricht. Hinzu kommt, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze Geltung im Völkerrecht beanspruchen, da sie gerade den Rechtsüberzeugungen der einzelnen Völkerrechtssubjekte entsprechen. Staaten, die nationale Prinzipien als Recht ansehen (bzw. dem Prinzip eine gewisse Funktion zuweisen), müssen diese Prinzipien auch auf internationaler Ebene als Recht ansehen, zumindest solange der nationale Sachverhalt mit der internationalen Situation vergleichbar ist, da sie sich sonst in Widerspruch zu ihrer eigenen Rechtsauffassung setzen würden. 119 Damit muss die Prinzipgewinnung auf der herrschenden Meinung im jeweiligen Rechtssystem beruhen und darauf beschränkt bleiben.

115

Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 200. Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 45. 117 Vgl. Bassiouni, Mich. J. Int.’l. L. 11 (1990), S. 814: „[It] will depend on whether the inquiry involves a broad ‚General Principle‘ or not. By its very nature, a broad ‚General Principle‘ does not require sameness in terms of its specific normative formulation, but a narrower or specific principle will require greater similarity.“ 118 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 231. 119 Siehe ausführlich zu diesen beiden Argumenten Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 55 ff. 116

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bb) Übertragung ins Völkerstrafrecht (2. Schritt) Besondere Aufmerksamkeit muss den unterschiedlichen hierarchischen Ebenen geschenkt werden. So ist es eine Sache, aus den nationalen Rechtssystemen der Welt einen Grundsatz zu ermitteln, aber eine ganz andere, diesen Grundsatz auf die völkerstrafrechtliche Ebene des ICC-Statuts zu übertragen. 120 Anders als in der Rechtsvergleichung im nationalen Recht, bei der die Rechtsgrundsätze Teil der gesellschaftlichen und rechtlichen Systeme, denen sie entnommen sind, bleiben, geht die völkerrechtliche Rechtsvergleichung darüber hinaus und ermöglicht Erkenntnisse über die vom verglichenen Gegenstand unabhängige Rechtsordnung des Völkerrechts. 121 Das ist dann offensichtlich, wenn die Zielsetzung der Rechtsvergleichung die direkte Übertragung von nationalen Rechtsprinzipien auf einen ansonsten völkerrechtlich ungeregelten Bereich anstrebt; das trifft aber auch zu, wenn die Besinnung auf nationale Rechtsprinzipien nur dazu dient, in indirekter Art und Weise schon bestehendes Völkervertrags- bzw. Völkergewohnheitsrecht zu ergänzen bzw. zu spezifizieren. Daher kann also nur ein solcher Grundsatz ein Grundsatz im Sinne des Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut sein, der sich auf die internationale Ebene übertragen lässt; d. h. die Übertragbarkeit des Rechtsprinzips ist notwendiger definitorischer Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne des ICC-Statuts. 122 Die gemeinhin angenommenen strukturellen Unterschiede zwischen der Völkerrechtsordnung und den nationalen Rechtsordnungen 123 sind zwar im Bereich des Völkerstrafrechts vorhanden, jedoch in abgemilderter Form. Dies gilt zunächst für den „völkerrechtlichen Teil“ des Völkerstrafrechts: Anders als im klassischen Regelungsbereich des Völkerrechts, der Staat-Staat-Beziehungen auf einer horizontalen Linie zum Gegenstand hat und damit dem nationalen Zivilrecht eher gleichzuordnen ist, dehnt das Völkerstrafrecht die völkerrechtliche Verpflichtung im Bereich des unabdingbaren Kernbereichs der universellen Menschenrechte in einer vertikalen Linie auf den Einzelnen aus und unterwirft ihn, vergleichbar mit dem im nationalen Strafrecht bestehenden ÜberUnterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger, einer strafrechtlichen Verantwortung. 124 Da sowohl das Völkerstrafrecht als auch das Strafrecht der einzelnen Jurisdiktionen durch ein vertikales Pflichtenverhältnis geprägt ist, reicht die strukturelle Ähnlichkeit aus, um die den nationalen Strafrechtsnormen entnom120 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 45; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 227. 121 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 193. 122 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1074; mit Bezug auf Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut Becker, Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, S. 68. 123 Siehe auch Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 1997, para. 3. 124 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 196 f.; siehe dazu näher S. 55 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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menen allgemeinen Rechtsgrundsätze auch in das Völkerstrafrecht übertragen zu können. 125 Dies gilt zumindest solange, wie die allgemeinen Rechtsgrundsätze an den durch das ICC-Statut vorgegebenen Rahmen anknüpfen bzw. diesen nur spezifizieren, da so der Einzelne als Völkerrechtssubjekt in seinen Pflichten nicht über das zulässige Maß belastet wird. 126 Auch fällt das gern beklagte Manko des Völkerrechts, keine dem nationalen Recht vergleichbare Gewaltenteilung zu haben, im Rahmen des ICC-Statuts nicht so ins Gewicht, 127 da es hier eine zumindest funktionale Trennung zwischen rechtsetzenden Organen, der Staatenkonferenz, rechtverfolgenen Organen, der Staatsanwaltschaft, und rechtsprechenden Organen, den Gerichtskammern, gibt, in die sich die allgemeinen Rechtsgrundsätze einfügen. 128 Zwar bestehen strukturelle Unterschiede zwischen der (vermeintlich) ideologisch offenen, auf einem Grundbestand von Normen und Anschauungen beruhenden Rechtsordnung des Völkerrechts und den durch verfassungsrechtliche Wertanschauungen ihrer politischen Systeme geprägten nationalen Rechtsystemen; 129 trotzdem behindert dies nicht die Übertragung, sondern gibt den Rechtsprinzipien nur ein von der nationalen Verfassungswirklichkeit unabhängiges Gepräge. 130 Hinzu kommt, dass der strukturelle Unterschied zwischen nationalen Normen und dem Völkerstrafrecht im ICCStatut de facto gar nicht so groß ist, da zur Ausfüllung des ICC-Statuts ohnehin nur Anleihen an die Rechtssysteme gemacht werden, die bereits Pate für die Regelungen des ICC-Statuts gestanden sind. In Hinblick auf den „strafrechtlichen Teil“ des Völkerstrafrechts darf sich eine Übertragung der allgemeinen Rechtsgrundsätze auf das Völkerstrafrecht nicht in einem bloßen „Abkupfern“ eines Rechtssystems oder einer Rechtsdogmatik bzw. in der reinen Darstellung der nationalen Rechtspositionen erschöpfen. Auch hier müssen die Eigenarten des Völkerstrafrechts beachtet werden. Diese ergeben sich zum einen insbesondere aus der Funktion des Völkerstrafrechts zur Durchsetzung der Völkerrechtsordnung und zur Wahrung der Gerechtigkeit und zur Aufarbeitung des Konflikts. Denn diese mögen andere Reaktionen der Völkergemeinschaft erfordern, als dies im nationalen Strafrecht der Fall ist. Zum anderen ergeben sie sich aus dem Verbrechensbegriff der Makrokriminalität. Anders als die Mikrokriminalität geschieht die Makrokriminalität unter Ausnutzung einer besonderen Machtstruktur im Rahmen einer gestörten gesamtge125

Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 212 f. Siehe zur Begrenzung durch die Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 227 f. 127 Vgl. zu diesem strukturellen Unterschied Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 197 f. 128 Siehe auch die Ausführungen zu den strukturellen Unterschieden von Judge Cassese in: Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 5. 129 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 198 f. 130 Vgl. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 199. 126

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

sellschaftlichen Situation. Übertragungen müssen also dieser gesellschaftlichen Ausnahmesituation entsprechen können. Insbesondere mag das Zusammenspiel von gestörter gesellschaftlicher Situation und persönlicher Verantwortlichkeit zu einer Umdeutung nationaler Rechtsgrundsätze führen. Auch ist denkbar, dass die schiere Dimension der Menschheitsverbrechen eine Umdeutung des nationalen Strafrechts nach sich ziehen kann. Von einer rein mechanischen Übertragung nationaler Konzepte ist daher Abstand zu nehmen. 131 Vielmehr ist ein „gradual decanting of national criminal concepts and rules into the international respectable“ 132 notwendig, also die Zusammenführung nationaler Rechtsgrundsätze zu neuen Rechtsgrundsätzen, die dann auf völkerrechtlicher Ebene ein eigenständiges Dasein führen können. 133 Dieser Übertragungsprozess – bezeichnet als „process of combination and fusion“ 134 – muss dem Hybrid-Charakter des Völkerstrafrechts gerecht werden und einer eigenständigen Völkerstrafrechtsdoktrin Vorschub leisten. 135 cc) Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (3. Schritt) Art. 21 Abs. 1 lit. (c) a.E. ICC-Statut stellt an die allgemeinen Rechtsgrundsätze weitere Anforderungen, bevor sie im Rahmen des ICC-Statuts berücksichtigt werden können. Zunächst muss ein gefundenes gemeinsames Prinzip mit dem Statut des Gerichtshofs übereinstimmen. Denn das Statut ist die Grundnorm des ICC, und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen kommt nur eine lückenfüllende Funktion zu. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind also immer am Statut zu messen. Da sie aber nach der formellen Hierarchie des Statuts nicht nur der Grundnorm, sondern auch dem Völkergewohnheitsrecht nachfolgen (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut), müssen sie auch mit dem Völkergewohnheitsrecht übereinstimmen. Darüber hinaus müssen die gemeinsamen Prinzipien mit dem sonstigen Völkerrecht vereinbar sein, um als allgemeine Rechtsgrundsätze zu gelten (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut). Entsprechend der besonderen Beziehung zwischen Völkerstrafrecht und Menschenrechten sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze des ICC insbesondere an den Menschenrechten als Teil des Völkerrechts zu messen. 136 Es ist daher vonnöten, dem funktionalen Vergleich wertend 131 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 5. 132 Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 4. 133 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 4. 134 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 4. 135 Zur Hybridisierung des Völkerstrafrechts Delmas-Marty, JICJ 1 (2003), S. 20 f. 136 Zur Bedeutung universaler Menschenrechte und Werte für die Strafrechtsvergleichung siehe Sieber, Strafrechtsvergleichung im Wandel, S. 81 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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eine weitere Überprüfung anhand der Menschenrechte an die Seite zu stellen und auf die „Maximierung des Menschenrechtsschutzes“ zu achten. 137 Gelingt dies nicht, kann es sich auch nicht um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne des ICC-Statuts handeln. 138

137 Vgl. zur Maximierung des Menschenrechtsschutzes Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 45; ders., Internationales Strafrecht, S. 83. Darüber hinaus will Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 43 f., noch weitere Wertungen in seine Überlegungen einbeziehen: Zum einen soll der „allgemeine Rechtsgrundsatz“ nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner beruhen, sondern eine für das Völkerrecht optimale, sachgerechte Lösung darstellen, zum anderen soll er aber auch rechtspolitisch für das Völkerrecht eine „geeignete Lösung“ sein. Für eine Tauglichkeitsprüfung dergestalt, dass nur die völkerrechtlich „beste Lösung“ zum Zuge kommt, spricht sich Nill-Theobald, ZStW 109 (1997), S. 968 ff., aus: Dies sei notwendig, weil zum einen der Unterschied zwischen den einzelnen nationalen Rechtsordnungen zu groß sei und zum anderen nur so der Unrechtsgehalt des Völkerstrafrechts erfasst werden könne. Dagegen wenden sich Kreß und Ambos, die in diesem modifizierten Ansatz der Völkerrechtsvergleichung eine vorschnelle Relativierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze sehen, die nur dann gerechtfertigt wäre, wenn es aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme zu unüberwindlichen Kongruenzproblemen bei der Bestimmung der allgemeinen Rechtsgrundsätze käme, was sich aber nicht belegen ließe. Darüber hinaus soll die Tauglichkeitsprüfung der nötigen Trennschärfe entbehren und man verfrüht „auf eine Ebene jenseits der durch die Völkerrechtsquellen gesetzten normativen Bindung geraten“ (Kreß, ZStW 111 (1999), S. 609, in Fn. 58; Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, S. 48). Zustimmend zur Einbeziehung von rechtspolitischen Überlegungen äußert sich Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Joint Separate Opinion of Judge McDonald and Judge Vohrah, Appeals Chamber, 7. October 1997, para. 75 ff; und ablehnend Erdemovi´c, IT-96-22A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion, Judge Cassese, 7. October 1997, para. 18. 138 Letztlich dürfen die allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. (c) a.E. ICC-Statut auch nicht mit „international anerkannten Regeln und Normen“ unvereinbar sein. Die genaue Bedeutung dieser Formulierung ist unklar. Denn zum einen ist es nur schwer vorstellbar, dass „allgemeine [internationale] Rechtsgrundsätze“ zu „international anerkannten Regeln und Normen“ im Widerspruch stehen können, denn sonst hätte man den letzten Schritt der Transformation der nationalen Grundsätze in internationale Grundsätze eben nicht vollziehen dürfen. Zum anderen scheinen sich die anerkannten Regeln und Normen von den übrigen Rechtsquellen zu unterscheiden, was nicht stimmen kann, da sie entweder dem Völkergewohnheitsrecht zugehörig oder aber als Jus-cogensNormen bindend für den Rechtsanwender sind; vgl. auch Pellet, Applicable Law, S. 1074, in Fn. 133; McAuliffe deGuzman, in: ICC-Commentary, Art. 21, Rn. 19; Boot, Genocide, Crimes Against Humanity, War Crimes, S. 41, weist auf eine weitere Unvereinbarkeit hin: „... if [Art. 21 ](1)(a) and (1)(b) do not provide a solution, it is impossible to find an inconsistency between those sources and a possible solution based on general principles of law under (1)(c)“; ebenso Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 12.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

III. Die hierarchische Struktur der Rechtsquellen 1. Formelle Hierarchie Die Rechtsquellen des ICC-Statuts sind hierarchisch aufgebaut: An der Spitze der Normenpyramide befindet sich das eigene Recht des ICC, Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut, mit Vorrang des Statuts vor den Verbrechenselementen und der Verfahrens- und Beweisordnung. 139 Der Vorrang des Statuts, der nicht zuletzt durch die Regelungen in Art. 9 Abs. 1 und 2 ICC-Statut und Art. 51 ICC-Statut belegt wird, 140 erklärt sich daraus, dass das Statut als konstitutiver Vertrag nicht nur ein Völkerrechtssubjekt, den Gerichtshof, entstehen lässt, sondern auch die Grundnorm desselben darstellt. Der Gerichtshof muss aber seiner Grundnorm, d. h. dem Statut, Vorrang vor allen anderen Normen, auch Völkerverträgen, einräumen, weil das Statut die Zuständigkeit des Gerichts nicht nur eröffnet, sondern auch eingrenzt. 141 An zweiter Stelle folgt gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut das abgeleitete Recht des Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrechts. 142 Es soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn das eigene Recht Lücken aufweist, also entweder unvollständig ist oder aber das zu beleuchtende rechtliche Problem ungeregelt lässt. 143 Da das ICC-Statut nicht die Frage des Vorrangs zwischen Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht löst, bleibt es innerhalb des abgeleiteten Rechts bei der im Völkerrecht existierenden Lösung, dass das spezielle Recht Geltung vor dem generellen Recht beansprucht und das jüngere vor dem älteren. 144 Erst danach, d. h. subsidiär zu Art. 21 Abs. 1 lit. (a) und (b) ICC-Statut, können die allgemeinen Rechtsgrundsätze herangezogen werden. Trotz dieser Subsidiarität können die allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht nur anstelle, sondern auch ergänzend zum Völkervertrags- bzw. Gewohnheitsrecht zur Anwendung kommen, insofern als die allgemeinen Rechtsgrundsätze Mittel der Auslegung und Ausfüllung von Lücken im bestehenden Recht sind. 145 Die-

139

Vgl. Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 11; Caracciolo, Applicable Law, S. 226. Vgl. auch Caracciolo, Applicable Law, S. 226. 141 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1079. 142 Vgl. Caracciolo, Applicable Law, S. 227. 143 Vgl. Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 11. 144 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1078. 145 Siehe grundsätzlich zu den Funktionen der allgemeinen Grundsätze des Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut Bassiouni, Mich. J. Int.’l. L. 11 (1990), S. 775 f., der wie folgt unterscheidet: „(1) A source of interpretation for conventional and customary international law; (2) A means for developing new norms of conventional and customary international law; (3) A supplementary source to conventional and customary international law; and (4) a modifier of conventional and customary international rules“; ders., Crimes Against Humanity, S. 288; siehe auch Cheng, General Principles of Law as Applied by International Courts, S. 390. 140

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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se Funktion findet sich auch in Art. 38 Abs. 1 lit. (c) ICJ-Statut wieder 146 und wird anschaulich in der „dissenting opinion“ von Richter Fernandes im Right-ofPassage-Fall beschrieben. Dieser führt dort aus: „The priority given by Article 38 of the Statute of the Court to conventions and to custom in relation to the general principles of law in no way excludes simultaneous application of those principles and of the first two sources of law. It frequently happens that a decision given on the basis of a particular or general convention or of custom requires recourse to the general principles of law ... A court will have recourse to those principles to fill gaps in the conventional rules, or to interpret them.“ 147 2. Materielle Hierarchie a) Menschenrechte und Diskriminierungsverbot (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) Mit der rein formellen Hierarchie ist das Verhältnis der Rechtsquellen zueinander allerdings noch nicht hinreichend beschrieben, da die formelle Hierarchie von einer materiellen überlagert wird (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut). Demnach müssen sich alle bisher besprochenen Rechtsquellen dem Test unterziehen, ob ihre Anwendung oder Interpretation gegen „anerkannte Menschenrechte“ verstößt. 148 Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, dass das ICC-Statut auf „anerkannte“ und nicht auf „fundamentale“ Menschenrechte verweist und damit schon Menschenrechte zur Richtschnur macht, die unterhalb der Schwelle von jus cogens ansetzen. Eine weitere Spezifizierung erfahren die Menschenrechte durch das ebenfalls erwähnte Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 3 ICC-Statut. Die Berücksichtigung der Menschenrechte führt nicht nur dazu, dass der Gerichtshof die Rechtsquellen konform zu den anerkannten Menschenrechten auslegen muss, sondern auch, dass der Gerichtshof Tatbestände für ultra vires und damit für nicht anwendbar erklären kann. 149 b) Jus cogens Neben dieser ausdrücklich im ICC-Statut genannten inhaltlichen Hierarchie gilt es auch, eine nicht ausdrücklich genannte hierarchische Regelung durch Jus146

Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 389, § 610, wonach die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Durchleuchtung der gesamten Völkerrechtsordnung dienen. 147 Case Concerning Right of Passage Over Indian Territory (Portugal v. India), I.C.J. Reports 1960, S. 140. (Judge Fernandes, dissenting). 148 Vgl. Pellet, Applicable Law, S. 1080; Arsajani, AJIL 93 (1999), S. 29; kritisch Verhoeven, NYIL 33 (2002), S. 14. 149 Darin dürfte denn auch der Unterschied zu Jus-cogens-Normen liegen, die nicht nur zur Nichtanwendbarkeit, sondern zur Nichtigkeit der Norm führen.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

cogens-Normen zu berücksichtigen. Zwar enthält Art. 21 ICC-Statut keinen ausdrücklichen Verweis auf Jus-cogens-Normen, daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass dieses Prinzip nicht auf das Statut anwendbar wäre. 150 Zum einen ist das Prinzip dem Völkerstrafrecht und damit dem ICC-Statut gewissermaßen immanent, da es nicht nur im Völkerrecht bzw. Völkerstrafrecht grundsätzlich anerkannt ist (und damit auch im ICC-Statut), sondern auch die meisten Straftatbestände der Kernverbrechen selbst schon als Jus-Cogens-Normen angesehen werden. 151 Zum anderen bringt der auf das ICC-Statut als völkerrechtlichen Vertrag anzuwendende Art. 53 WVK das Prinzip des jus cogens ebenfalls zur Anwendung. 152 Folglich muss jede „gemeine“ völkerrechtliche Norm einer Überprüfung durch Normen, welche als jus cogens angesehen werden, standhalten können. Dabei bedingt die Stellung des Jus-cogens-Prinzips als ein durch seine „verfestigte Geltungskraft“ vorgehendes zwingendes Recht, 153 dass es sowohl bei völkerrechtlichen Verträgen als auch beim Völkergewohnheitsrecht zur Anwendung kommt. 154 Gelingt die Kontrolle nicht, so ist die überprüfte Norm nichtig. 155

B. Konkretisierung der Rechtsquellen Wurden zuvor die Rechtsquellen definiert und ihre Rangfolge festgelegt, so muss diese erste Bestimmung der Rechtsquellen nun weiter konkretisiert werden. Denn für die Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung sind die Rechtsquellen nur tauglich, wenn die abstrakte Bestimmung in eine kon150 Wie hier für eine Anwendbarkeit Pellet, Applicable Law, S. 1082, der die Konsequenz daraus aber als sehr begrenzt ansieht. 151 Vgl. Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 520. Dort führt das Tribunal aus: „... most norms of international humanitarian law, in particular those prohibiting war crimes, crimes against humanity and genocide, are also peremptory norms of international law or jus cogens, i.e. of a nonderogable and overriding character“. 152 Art. 53 WVK lautet: „Ein Vertrag ist nichtig, wenn er im Zeitpunkt seines Abschlusses im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht. Im Sinne dieses Übereinkommens ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“ Siehe auch Art. 64 WVK. 153 Eine „formale“ Normenhierarchie, etwa im Sinne des innerstaatlichen Verfassungsrechtes, ist dem auf gleichberechtigte Völkerrechtssubjekte aufbauenden Völkerrecht fremd. 154 Vgl. auch Shaw, International Law, S. 124 ff.; McNair, The Law of the Treaties, S. 213. 155 Siehe auch Art. 53 S. 1 WVK mit der Verfahrensregel des Art. 66 lit. (a) WVK.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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krete mündet, die Auslegung und Subsumtion ermöglicht. Konkretisiert wird das Statut mithilfe seiner Auslegungsregeln, so dass diese zunächst der Klärung bedürfen. Belegt werden kann das Völkergewohnheitsrecht im Kontext des Völkerstrafrechts besonders anhand von Statuten und Urteilen anderer internationaler Gerichte, die Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis ausdrücken. Es gilt, die Spreu vom Weizen zu trennen und zu entscheiden, aus welchen Statuten und Urteilen Völkergewohnheitsrecht in der Folge zu entnehmen ist. Ausgefüllt werden die allgemeinen Rechtsgrundsätze durch die einzelnen nationalen Rechtsordnungen. Dazu bedarf es der Auswahl besonders repräsentativer Rechtsordnungen und einer ersten Übersicht über die relevanten Strafbemessungs- und Strafzumessungsbestimmungen. I. Auslegung des ICC-Statuts Art. 21 ICC-Statut beeinflusst mit der Rangfolge der auf das Statut anzuwendenden Normen auch die Suche nach eventuell bestehenden Auslegungsregeln. Dementsprechend beginnt die Suche mit dem eigenen Recht des ICC, dem Statut, den Verbrechenselementen und der Verfahrens- und Beweisordnung (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut). Da diesen keine Anhaltspunkte für die Auslegung des Statuts zu entnehmen sind, muss an zweiter Stelle auf anwendbare Verträge sowie die Grundsätze und Regeln des Völkerrechts zurückgegriffen werden (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut). Zu diesen „anwendbaren Verträgen“ gehört auch das „Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge“ (WVK). 156 Denn das Rom-Statut des ICC ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag im Sinne einer zwischen mehreren Staaten getroffenen Vereinbarung auf dem Gebiet des Völkerrechts 157, auf das das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge 158 gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. (a) i.V. m. Art. 6 WVK, Art. 4 WVK Anwendung findet. Damit kann zur Auslegung des ICC-Statuts auf Art. 31 ff. WVK zurückgegriffen werden. Damit nicht genug, denn die „Grundsätze und Regeln des Völkerrechts“ werden durch Völkergewohnheitsrecht ausgefüllt. Als völkergewohnheitsrechtlich verfestigt gelten aber auch die Regeln der Art. 31 ff. WVK, 159 so dass sich die Auslegungsregeln sowohl aus Völkervertrags- als auch Völkergewohnheitsrecht auf das ICC-Statut anwenden lassen.

156 Vgl. auch Saland, International Criminal Law Principles, S. 215; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 14. 157 Vgl. zur Definition eines völkerrechtlichen Vertrages Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 116. 158 UN Doc. A / CONF. 93/11 / ad. 2, in Kraft getreten am 27. November 1980. 159 Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 141; Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band 1/3, S. 640.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Grundsätzlich setzt die Auslegung nach Art. 31 ff. WVK einen objektiven Auslegungsansatz voraus. 160 Demnach ist Ausgangspunkt einer jeden Auslegung der Vertragstext selbst, von dem aus der auszulegende Vertragsbegriff oder eine Vertragsnorm in Hinblick auf den zu regelnden Sachverhalt ausgelegt wird. 161 Dieser objektive Auslegungsansatz wird dort, wo es erforderlich ist, durch den Parteiwillen eingeschränkt. Dies soll immer dann der Fall sein, wenn die reine Wortauslegung zu unvernünftigen Ergebnissen führt oder wenn sich aus anderen Faktoren und dem Kontext des Vertragsschlusses ergibt, dass auch dem Parteiwillen ein gewisser Interpretationspielraum eingeräumt werden soll. 162 Im Einzelnen bestimmt die Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 WVK, dass „ein Vertrag ... nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Zieles und Zweckes auszulegen [ist].“ Eine Entscheidung zugunsten einer Hierarchie der einzelnen Auslegungsmethoden – mit Ausnahme des Grundsatzes von Treu und Glauben – wird damit nicht getroffen, vielmehr wird deren Gleichrangigkeit angeordnet. 163 Gemäß Art. 33 Abs. 1 WVK ist bei einem mehrsprachigen Vertrag – wie hier das ICC-Statut gemäß Art. 128 Abs. 1 ICC-Statut – jede sprachliche Fassung in gleicher Weise maßgeblich. 164 Falls sich die Bedeutungsunterschiede in den einzelnen Texten nicht unter Anwendung der Art. 31 f. WVK aufheben lassen, genießt die Bedeutung Vorrang, die Ziel und Zweck des Vertrages am besten in Einklang bringt (Art. 33 Abs. 4 WVK). 165

160

Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 139. Siehe auch Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 139: „Ansatz der Auslegung ist damit der Rechtsbegriff oder die Norm, ihr Ziel ist die Konkretisierung, d. h. die Anwendung auf den Sachverhalt.“ 162 Vgl. Polish Postal Service in Danzig, Advisory Opinion, P.C.I.J. Series B, No. 11 (1925) S. 39; Competence of the General Assembly for the Admission of a State to the United Nations, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1950, S. 58; South West Africa Cases (Ethiopia v. South Africa; Liberia v. South Africa), Preliminary Objections, Judgement, I.C.J. Reports 1962, S. 336. 163 Vgl. Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band 1/3, S. 640; Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 142. 164 Dabei spricht Art. 33 Abs. 3 WVK die Vermutung aus, dass in jedem authentischen Text die Begriffe des Vertrages dieselbe Bedeutung haben. 165 Von den Auslegungsregeln der 31 f. WVK sind die außerrechtlichen Auslegungsregeln zu unterscheiden. Hierzu zählen die auch aus den innerstaatlichen Rechten bekannten logischen Schlüsse, wie z. B. argumentum e contrario oder das argumentum a majora minus. Da diese aber keine eigenständige Bedeutung außerhalb der rechtlichen Auslegungsregeln haben, wurden sie nicht in der WVK kodifiziert. Sie sind mithin innerhalb der Auslegung nach dem oben dargestellten Auslegungskanon zu berücksichtigen. Im Einzelnen gehören dazu: (1) unklare Formulierungen zulasten jenes Staates, der sie vorgeschlagen hat (contra proferentem). (2) Einschränkungen der staatlichen Freiheit in Zweifelsfällen restriktiv zu interpretieren (in dubio mititus). (3) Eine Vertragspartei kann aus Verträgen, insbesondere aus Organisationsverträgen, auch solche Rechte und Pflichten 161

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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(1) Grammatikalische und systematische Auslegungsregel: Obwohl nicht rechtlich zwingend, ist es doch logisch notwendig, die Auslegung mit der wörtlichen Auslegungsmethode zu beginnen. Der Inhalt des Textes ist dabei nach der gewöhnlichen Bedeutung der verwendeten Begriffe zu erschließen. Dabei ist nicht ausschließlich auf den allgemeinen, sondern auch auf den fachspezifischen Sprachgebrauch abzustellen. Dies wird sich indes in reiner Form nicht immer verwirklichen lassen, da sich die gängige Bedeutung eines Begriffes erst aus dem Zusammenhang und damit aus der systematischen Auslegung ergibt. 166 Neben der wörtlichen oder grammatikalischen Auslegungsregel verweist Art. 31 Abs. 1 WVK daher auf die systematische Auslegungsregel. Bei der Auslegung ist der Text als Ausdruck eines Sinnzusammenhangs zu verstehen und jede Bestimmung so aufzufassen, wie sie ein vernünftig Urteilender im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen auffassen würde. 167 Art. 31 Abs. 2 WVK zeigt auf, dass sich der bei der systematischen Auslegung zu beachtende Zusammenhang nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch aus der Präambel und den etwaigen Anlagen zu einem Vertrag ergeben kann. In gleicher Weise ist auch gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. (a) WVK „jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmung“ zu berücksichtigen. Als eine solche spätere Übereinkunft sind die Verbrechenselemente sowie die Verfahrens- und Beweisordnung des ICC anzusehen, wobei nur letztere Regelungen zur Strafzumessung beinhalten. Gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. (c) WVK ist „jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz“ zu berücksichtigen. Diese Regelung stellt eine Auffangbestimmung dar, die alle übrigen Völkerrechtsnormen erfasst, deren Anwendung sich in Bezug auf den auszulegenden Vertrag aufdrängt. 168 Demnach kann die Auslegung eines Vertrages nie von der Entwicklung des Völkerrechts abgekoppelt werden; beispielsweise sind Jus-Cogens-Normen auch dann auf den Vertrag anzuwenden, wenn diese erst im Nachhinein entstanden sind. 169

ableiten, die nicht ausdrücklich im Vertrag beinhaltet sind, solange sie zur Pflichterfüllung notwendig sind (Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Rumania, I.C.J. Reports 1950, S. 229). 166 Schon der PCIJ hat in seiner Polish Postal Service in Danzig (Advisory Opinion) entschieden, dass „it is a cardinal principle of interpretation that words must be interpreted in the sense which they would normally have in their context, unless such interpretation would lead to something unreasonable or absurd.“ Polish Postal Service in Danzig (Advisory Opinion), P.C.I.J. Series B, No. 11 (1925), S. 39. Der ICJ geht ebenfalls in ständiger Rechtsprechung von einer wörtlichen Auslegung aus. So z. B. in Competence of the General Assembly for the Admission of a State to the United Nations, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1950, S. 8: „The Court considers it necessary to say that the first duty of a tribunal which is called upon to interpret and apply the provisions of a treaty, is to endeavour to give effect to them in their natural and ordinary meaning in the context in which they occur. If the relevant words in their natural and ordinary meaning make sense in the context, that is an end of the matter.“ 167 Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band 1/3, S. 642. 168 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Völkerrecht, S. 143. 169 Vgl. auch Art. 64 WVK.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Abweichend vom Wortlaut des Art. 31 Abs. 3 lit. (c) WVK ist anerkannt, dass sich die Auslegung nicht nur auf das Völkerrecht, welches zwischen den Vertragsparteien besteht, beschränken kann, sondern im Lichte des gesamten Völkerrechtes zu erfolgen hat. So hat der ICJ in seinem Rechtsgutachten „Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia“ festgestellt, dass „interpretation can not remain unaffected by the subsequent development of law ... Moreover, an international instrument has to be interpreted and applied within the framework of the entire legal system prevailing at the time of the interpretation.“ 170 Es sind demnach alle völkerrechtlichen Normen zu berücksichtigen, die einen Bezug zur Vertragsmaterie haben und daher für die Auslegung eines Vertrages von Bedeutung sein könnten. Eine vertragliche Regelung kann nämlich nicht in einem rechtsfreien Raum stehen, sondern ist immer Teil einer größeren, zwischen den Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft bestehenden Rechtsordnung. 171 (2) Teleologische Auslegungsregel: Des Weiteren bestimmt Art. 31 Abs. 1 WVK, dass die Auslegung im Lichte des Zieles und des Zweckes des Vertrages zu erfolgen hat. Um das Ziel und den Zweck des Vertrages zu ermitteln, ist dabei gemäß des objektiven Ansatzes anzuknüpfen an den Vertragstext, an die Präambel sowie an eventuelle Anhänge. Also geht es auch hier nicht um den Parteiwillen der Parteien bei Vertragsschluss, sondern allein darum, unter den möglichen Auslegungen des Textes durch die Berücksichtigung der Ziele und Zwecke diejenigen zu bestimmen, die der Erreichung der Vertragsziele am besten dienen. 172 Bei der Auslegung nach Ziel und Zweck des Vertrages ist ebenfalls zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Vertragsteil jeweils um rechtsetzende oder um rechtsgeschäftliche Vertragsteile handelt. Denn wenn sich gerade durch die unterschiedliche Rechtsnatur ein anderes Ziel und ein anderer Zweck ergibt, so muss das an dieser Stelle durch eine differenzierte Auslegung berücksichtigt werden. 173 Zur teleologischen Auswertung wird in der Regel auch die Auslegung nach dem sog. Effektivitätsgrundsatz (Effit-utile-Regel) gezählt. Demnach ist diejenige Auslegung vorzuziehen, die Ziele und Zwecke eines Vertrages am wirksamsten zum Tragen bringt. Eine Einschränkung erfährt diese Regel durch zwei übergeordnete Maximen: Zum einen darf die Auslegung mithilfe des Effektivitätsgrundsatzes nicht gegen den Wortlaut oder Sinn des Vertrages verstoßen, da sonst das Grundprinzip des Vertragsrechts pacta sunt servanda sowie das Prinzip von Treu und Glauben verletzt werden würden; zum anderen kann durch den Effektivitätsgrundsatz nicht gegen die Staatensouveränität verstoßen werden. Die auf dem Effektivitätsgrundsatz basierende Auslegung muss also abwägen zwischen der zumutbaren Beschränkung der Souveränität der Vertragsparteien und der Wirksamkeit des Vertrages. Dieser Einwand wird aber schwächer, wenn es sich um die Auslegung eines multilateralen Vertrages zur Schaffung einer

170 Vgl. Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia, Advisory Opinions and Judgements, I.C.J. Reports 1971, S. 31. 171 Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, S. 41. 172 Vgl. auch Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band 1/3, S. 644. 173 Vgl. Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217 (223).

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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internationalen Organisation oder der Umsetzung eines möglichst wirksamen Regelungsvertrages handelt. Denn die Staaten, die einen solchen Vertrag schließen, sind sich beim Vertragsschluss bewusst, dass sie erhebliche Beschränkungen ihrer Souveränität zu erwarten haben. 174 (3) Historisch-genetische Auslegungsregel durch den ergänzenden Rückgriff auf die vorbereitenden Arbeiten (travaux préparatoires): Immer dann, wenn die Auslegung nach Art. 31 WVK, d. h. die grammatikalische, systematische oder teleologische Auslegung, zu keiner klaren Deutung führt, erlaubt Art. 32 WVK den Rückgriff auf die Vertragsmaterialien (travaux préparatoires) oder die Umstände beim Vertragsschluss. 175 Dadurch wird einem sog. historischen Auslegungsansatz Raum gegeben. Voraussetzung für den Rückgriff auf die Vertragsmaterialien ist aber, dass sämtliche Vertragsparteien den entsprechenden Text abgefasst haben oder dieser den später beigetretenen Parteien vor dem Beitritt zugänglich gemacht und von ihnen angenommen worden ist. 176 Der Begriff der „Vertragsmaterialien“ ist sehr weit gefasst. Dazu gehören alle offiziellen Erklärungen der beteiligten Vertragsstaaten sowie die Verhandlungsprotokolle. Dazu gehört aber nichts, was sich nicht konkret auf den Vertrag oder seinen Wortlaut bezieht. Der Begriff der „Umstände“ bezieht sich auf die historische Gesamtsituation, insbesondere auf die tatsächlichen Verhältnisse, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden und die die Vertragsparteien geleitet haben. Dabei können nach dem hier verfolgten objektiven Auslegungsansatz nur objektive Umstände berücksichtigt werden, nicht jedoch die Vorstellungen, die die Vertragsparteien von den Umständen hatten. (4) Treu und Glauben: Die zuvor skizzierten Auslegungsregeln müssen unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben angewandt werden (Art. 31 Abs. 1 WVK).

II. Nachweis von Völkergewohnheitsrecht im Kontext des Strafens Die Einrichtung von Gerichtshöfen und deren Erfolge bzw. Misserfolge belegen im besonderen Maße die Entwicklung und Durchsetzung des Völkerstrafrechts. Beschränkt man sich auf das 20. Jahrhundert, so wird nach dem Versailler Vertrag ein erster Schritt zur Durchsetzung des Völkerstrafrechts mit der Anklage gegen Kaiser Wilhelm II, aber vor allem mit den Leipziger Kriegsverbrecherprozessen gemacht. 177 Die Anklage scheiterte, da der Kaiser in die Niederlande flüchtete; der Prozess in Leipzig scheiterte, weil die Vollstreckung der ersten Ur174

Vgl. Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band 1/3, S. 645. Im Einzelnen heißt es in Art. 32 WVK: „Ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsschusses, können herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Art. 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 (a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder (b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt.“ 176 Vgl. Jurisdiction of the European Commission of the Danube between Galatz and Braila, Advisory Opinion, P.C.I.J. Series B, No. 14 (1927), S. 32. 175

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

teile verhindert und weitere Verfahren nicht durchgeführt wurden. 178 Mit Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgte ein zweiter Schritt durch die Alliierten mit der Errichtung des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg und Tokio, den Nürnberger Nachfolgeprozessen aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und den sonstigen Gerichten der Militärregierung, Militärkommissionen und Militärgerichten in den Besatzungszonen der Alliierten. In den 1990er Jahren wurde dann der dritte Schritt zur Durchsetzung des Völkerstrafrechts mit der Errichtung der Ad-hoc-Gerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda in Den Haag bzw. Arusha gemacht. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Schaffung des ICC auf der Staatenkonferenz von Rom. Die weitere Betrachtung greift die Entwicklung des Völkerstrafrechts durch die genannten Gerichte und Gerichtshöfe auf und beginnt damit, in deren Statuten und Urteilen nach dem Völkergewohnheitsrecht im Kontext des Strafens zu suchen. 1. Statuten und Urteile der Internationalen Militärgerichtshöfe von Nürnberg und Tokio a) Statut und Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg (IMT) aa) Entstehungsgeschichte Erste konkrete Gestalt nahm die Verfolgung von Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs mit der Gründung der United Nations War Crimes Commission (UNWCC) 179 an, 180 die zur Verfolgung von Kriegsverbrechen die Schaffung eines interalliierten Strafgerichtshofs vorschlug und einen ersten entsprechenden 177

Vgl. näher Kreß, JZ 61 (2006), S. 981, der vom „Prolog zum Völkerstrafrecht“ spricht. 178 Vgl. näher Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 27 ff. 179 Siehe zur Gründung den Überblick bei Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 128 ff.; im Einzelnen zu Gründung, Organisation, Struktur, Rechtsstatus, Arbeitsgruppen und Finanzen UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 109 ff. 180 Schon vorher gab es zahlreiche Erklärungen der Alliierten, die die völkerstrafrechtliche Verantwortung der Kriegsverbrecher herausstrichen und deren Bestrafung verlangten (ausführlich dazu Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 121 ff. m.w. N.; ebenso König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 87 f.; Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 96 ff.), und zahlreiche Kommissionen, die zu diesem Zweck gegründet wurden. Zu nennen ist beispielsweise die „Cambridge Commission on Penal Reconstruction and Development“, die „London International Assembly“, die „International Lawyer’s Committee on War Crimes“ (vgl. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 126 ff.; ausführlich die Darstellung des UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 94 ff.) und ganz besonders die „Inter-Allied

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Abkommensentwurf ausarbeitete. 181 Eine grundsätzliche Einigung, Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, erzielten erstmals Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und Josef Stalin auf der Dreier-Konferenz von Jalta im Februar 1945. 182 Skepsis gegenüber einem Gerichtsverfahren blieb insbesondere beim Vereinigten Königreich. 183 Dessen ungeachtet machte sich der neu gewählte amerikanische Präsident Henry Truman die Positionen des sog. Jalta-Memorandums 184 zu eigen 185 und betraute am 2. Mai 1945 Robert H. Jackson mit der Vorbereitung eines Militärtribunals. 186 Auf der Konferenz von San Francisco vom April bis Juni 1945 187 brachten die Vereinigten Staaten von Amerika einen an die Arbeit des Jalta-Memorandum anknüpfenden 188 und wohl von Jackson überarbeiteten Entwurf eines Abkommens über die Errichtung eines internationalen Militärtribunals ein. 189 Der Entwurf bildete dann in leicht geänderter Fassung die Grundlage für die späteren Londoner Verhandlungen. 190 Commission on the Punishment of War Crimes“ und ihre „Declaration of St. James“ (on 13th January 1942, published by His Majesty’s Stationery Office), die dann später in der UNWCC aufgegangen ist. Zum Meinungsbild der damaligen Rechtswissenschaft siehe Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 98 ff. 181 Siehe dazu König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 90. m.w. N.; Kemper, Der Weg nach Rom, S. 100 f. m.w. N.; ebenso Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 128 ff.; ausführlich dazu UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 442 ff. 182 Declaration of the Tripartite Conference (USA, Great Britain, Soviet Union) at Yalta, 11. February 1945, abgedruckt in englischer Fassung mit deutsche Übersetzung in: Grewe, Fontes Historiae Iuris Gentium, S. 1294 ff. Die entscheidende Passage lautet: „... bring all war criminals to justice and swift punishment ...“, Grewe, Fontes Historiae Iuris Gentium, S. 1295. 183 Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 104 f.; ausführlich zum Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 213 ff. 184 Das Memorandum „Trial and Punishment of Nazi War Criminals“ wurde anlässlich der Jalta-Konferenz an Roosevelt übergeben. Dort heißt es unter anderem zu einem Prozess: „Such a charge would be firmly founded upon the rule of liability common to all penal systems and included in the general doctrines of the laws of war, that those participate in the formulation and execution of a criminal plan involving multiple crimes are jointly liable for each of the offences committed and jointly responsible for the acts of each other“, International Conference on Military Trials, S. 3 ff.; vgl. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 140; vgl. auch die Darstellung bei Kemper, Der Weg nach Rom, S. 103; ausführlich Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 103 ff.; zu den genauen Umständen Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 205 ff. 185 Vgl. zu den genauen Hintergründen Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 217 ff. 186 Executive Order Nr. 9547, 2. May 1945. 187 Die Konferenz wurde insbesondere durch die Minister Edward Stettinus, Anthony Eden und Vyacheslav Molotov zum Erfolg geführt; vgl. Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 219 ff. 188 Vgl. Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 220.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht 191 übernahmen die Alliierten mit der Berliner Vier-Mächte-Erklärung vom 5. Juni 1945 192 die provisorische Regierungsgewalt über Deutschland in den Grenzen von 1937, teilten Deutschland in vier Besatzungszonen 193 und bildeten am 30. August 1945 mit der Proklamation Nr. 1 den Alliierten Kontrollrat, dem sie die Regierungsgewalt übertrugen. 194 Derweil kamen am 26. Juni 1945 die Bevollmächtigten der alliierten Großmächte in London zusammen, um die Errichtung des Militärtribunals zu konkretisieren. 195 Nach einer fast sechswöchigen Verhandlungszeit 196 und dem Einlenken der Sowjetunion 197 fanden die Bemühungen der Alliierten, Kriegsverbrecher einem gerichtlichem Verfahren zuzuführen, ihren Abschluss im Londoner Vier-Mächte-Abkommen, das am 8. August 1945 zunächst nur von 189 So die Vermutung bei Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 141. 190 Siehe im Detail zum Inhalt des Entwurfs Kemper, Der Weg nach Rom, S. 105 f.; ebenfalls König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 90 f. m.w. N. 191 Vgl. zur bedingungslosen Kapitulation am 7. Mai 1945 in Reims bzw. am 8. Mai 1945 in Karlhorst: Reims / Karlshorst, Bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht vom 7/8 Mai 1945, abgedruckt in: Grewe, Fontes Historiae Iuris Gentium, S. 1321 ff. 192 Declaration Regarding the Defeat of Germany and the Assumption of Supreme Authority with Respect to Germany by the Governments of the United States of America, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, the Union of Soviet Socialist Republics and the Provisional Government of the French Republic, signed at Berlin, on 5. June 1945 (Berliner Deklaration in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands), Abl. Kr., Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 7 – 9, 68 U.N.T.S 189. 193 Protocol between the Governments of the United States of America, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Union of Soviet Socialist Republics on the Zones of Occupation in Germany and the Administration of „Greater Berlin“, signed at London 12. September 1944/14. November 1944 (Londoner Protokoll betreffend die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von „Groß-Berlin“), 532 U.N.T.S. 279 und Agreement between the Governments of the United States of America, the Union of Soviet Socialist Republics, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Provisional Government of the French Republic regarding Amendments to the Protocol of 12. September 1944 on the Zones of Occupation in Germany and the Administration of „Greater Berlin“, signed at London 26. July 1945, 533, U.N.T.S. 297. 194 Vgl. Proclamation No. I Establishing the Control Council, signed at Berlin 30. August 1945 (Proklamation Nr. 1 des Alliierten Kontrollrats vom 30. August 1945), Abl. Kr., Nr. 1 (1945), S. 4 f.; abgedruckt in: Münch, Dokumente des geteilten Deutschlands, S. 51 ff. 195 Siehe zu den Teilnehmern im Einzelnen Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 143. 196 Vgl. zu den Verhandlungspositionen und der Rolle von Jackson Kochavi, Prelude to Nuremberg, S. 222 ff. 197 Vgl. dazu näher Kemper, Der Weg nach Rom, S. 106 ff. m.w. N.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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den vier Großmächten unterzeichnet wurde 198 und dem, entsprechend der Öffnung in Art. 5, später weitere 19 Staaten beitraten. 199 Das Londoner Abkommen setzte nicht nur das „International Military Tribunal“ (IMT) ein, sondern beinhaltete auch das eigentliche IMT-Statut mit seinen Straftatbeständen, den Regelungen zum Verfahren und der Gerichtsverfassung. 200, 201 Die Eröffnungssitzung des IMT und die Übergabe der Anklageschriften fanden am 18. Oktober 1945 statt. Das Urteil wurde am 30. September und 1. Oktober 1946 gesprochen. 202 Die zu Freiheitsentzug Verurteilten wurden nach Spandau überführt, die Todesurteile am 16. Oktober 1946 in Nürnberg vollstreckt. Kurz nachdem die Verfahren vor dem IMT beendet waren, beauftragte die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 11. Dezember 1946 durch die Resolution 95 (I) 203 die Committee on the Codification of International Law 198 Agreement by the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, the Government of the United States of America, the Provisional Government of the French Republic and the Government of the Union of Soviet Socialist Republics for the Prosecution and Punishment of the Major War Criminals of the European Axis, 08. August 1945, 82 U.N.T.S. 280. 199 Griechenland, Dänemark, Jugoslawien, die Niederlande, die Tschechoslowakei, Polen, Belgien, Abessinien, Australien, Honduras, Norwegen, Panama, Luxemburg, Haiti, Neuseeland, Indien, Venezuela, Uruguay und Paraguay. 200 Siehe die konzentrierte Übersicht über das Statut bei König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 92 f.; ausführlicherer Überblick bei Kemper, Der Weg nach Rom, S. 108 ff.; detaillierte Darstellung bei Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 71 ff. 201 Die Normen über die Strafzumessung lauten im Einzelnen: Article 26. The judgment of the Tribunal as to the guilt or the innocence of any Defendant shall give the reason on which it is based, and shall be final and not subject to review. Article 27. The Tribunal shall have the right to impose upon a Defendant, on conviction, death or such other punishment as shall be determined by it to be just. Article 28. In addition to any punishment imposed by it, the Tribunal shall have the right to deprive the convicted person of any stolen property and order its delivery to the Control Council for Germany. Article 29. In the case of guilt, sentences shall be carried out in accordance with the orders of the Control Council for Germany, which may at any time reduce or otherwise alter the sentences, but may not increase the severity thereof. If the Control Council for Germany, after any Defendant has been convicted and sentenced, discovers fresh evidence which, in its opinion, would found a fresh charge against him, the Council shall report accordingly to the Committee established under Article 14 hereof, for such action as they may consider proper, having regard to the interests of justice. 202 Vgl. Woetzel, The Nuremberg Trials in International Law, S. 7 ff. mit einer kurzen Zusammenfassung des Urteils zu jedem Angeklagten. 203 G.A. Res. 95 (I), U.N. GAOR, 1st Sess. pt. 2, 55th plen. mtg, at 188, U.N. Doc. A/64/Add. 1 (1946), abgedruckt im YBILC 1950 II, S. 188.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

mit der Erstellung der Prinzipien, die in der Charta und den Urteilen des IMT zum Tragen gekommen waren. 204 Die Kommission beschloss, sich darauf zu beschränken, die Ausarbeitung der Prinzipien zu ermöglichen, nicht aber sie selbst zu erarbeiten, und schlug vor, diese Aufgabe einer noch zu schaffenden International Law Commission (ILC) 205 zu übertragen. 206 Dies geschah am 21. November 1947 durch die Resolution 177 (II) 207 der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 208 Nach längerer Diskussion einigte sich die ILC 1950 auf die Formulierung der Nürnberger Prinzipien. 209 Schon in der Beratung im Rechtsausschuss stießen die Prinzipien auf Ablehnung 210 und wurden dementsprechend auch nicht in der Vollversammlung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Abstimmung gestellt, mithin weder anerkannt noch bestätigt. 211 Vielmehr erging am 12. Dezember 1950 mit der Resolution 488 (V) 212 ein Beschluss der Vollversammlung, der die Staaten einlud, zu den Prinzipien Stellung zu nehmen, und die ILC anwies, diese Stellungnahmen bei der Ausarbeitung eines zukünftigen Strafrechtsgesetzes bezüglich der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit zu berücksichtigen. 213 204 Die relevante Passage lautet: „Directs the Committee on the codification of international law ... to treat as a matter of primary importance plans for the formulation, in the context of a general codification of offences against the peace and security of mankind, or of an International Criminal Code, of the principles recognized in the Charter of the Nuremberg Tribunal and in the judgement of the Tribunal.“ 205 Siehe zur Bedeutung und Funktion der ILC Nill-Theobald, ZStW 108 (1996), S. 232 f. 206 Siehe im Einzelnen zum Ablauf YBILC 1950 II, S. 188 f. 207 G.A. Res. 177 (II), U.N. GAOR, 2nd Sess., 123rd plen. mtg., at 111, U.N. Doc A / RES/177 (II) (1947), abgedruckt im YBILC 1950 II, S. 189. 208 Die relevanten Passagen lauten: „Directs the Commission to (a) Formulate the principles of international law recognized in the Charter of the Nuremberg Tribunal and in the judgement of the Tribunal, and (b) Prepare a draft code of offences against the peace and security of mankind, indicating clearly the place to be accorded to the principles mentioned in sub-paragraph (a) above.“ 209 Siehe zum Ablauf des Prozesses im Einzelnen YBILC 1950 II, S. 189 ff. Die Prinzipien sind in YBILC 1950 II, S. 374 ff. mit einer erläuternden Kommentierung abgedruckt; in deutscher Sprache bei Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 133 f. 210 Siehe zu den Einwänden im Einzelnen Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 134, in Fn. 38 m.w. N.; Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, S. 179. Die Debatte ist abgedruckt in: UNYB 1950, S. 852 ff. 211 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 108; Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 135. 212 G.A. Res. 488 (V), U.N. GAOR, 5th Sess., 320rd plen. mtg., Supp. No. 20, at 77, U.N. Doc. A / RES/488 (V) (1950), abgedruckt in: UNYB 1950, S. 857. 213 Die relevanten Passagen lauten: „Considering that the International Law Commission has formulated certain principles recognized, according to the Commission, in

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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bb) Rechtliche Bewertung Will man nun vor dem Hintergrund dieses historischen Abrisses die rechtliche Bedeutung des Statuts und des Urteiles des IMT für den Beleg von Völkergewohnheitsrecht ergründen, so muss die Frage für Statut und Urteil getrennt beantwortet werden. (1) Das Statut als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Das IMT-Statut ist zunächst einmal ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der als Rechtsquelle im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. (a) ICJ-Statut seine völkerrechtliche Wirkung nur inter partes, d. h. zwischen den Vertragsparteien, entfaltet. Soll aber eine Bindung über die eigentlichen Vertragsparteien hinaus begründet werden, so könnte diese in der völkergewohnheitsrechtlichen Bedeutung des IMT-Statuts als völkerrechtlicher Vertrag zu finden sein. 214 (a) Deklaratorische Wirkung des IMT-Statuts So kann ein völkerrechtlicher Vertrag auf eine vorher schon bestehende völkergewohnheitsrechtliche Regelung hinweisen. In diesem Fall ist der Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages deklaratorischer Natur, da die darin enthaltenen Regelungen bereits der bestehenden Übung und der Rechtsüberzeugung der Staaten entsprechen. Der Vertragsabschluss dient somit in völkergewohnheitsrechtlicher Hinsicht nur der Bestätigung und Konkretisierung der entsprechenden Regelungen. 215 Für die Tatbestände im IMT-Statut ist diese Frage ausgiebig und sehr kontrovers diskutiert worden, 216 für die Rechtfolgen, die Strafbemesthe charter and judgement of the Nuremberg Tribunal, and that many delegations have made observations during the fifth session of the General Assembly on this formulation. Considering that it is appropriate to give the government of Member States full opportunity to furnish their observations on this formulation, 1. Invites the governments of Member States to furnish their observations accordingly: 2. Requests the International Law Commission, in preparing the draft code of offences against the peace and security of mankind, to take account of the observations made on this formulation by delegations during the fifth session of the General Assembly and of any observations which may be made by governments.“ 214 Es ist grundsätzlich anerkannt, dass völkerrechtliche Verträge auf Völkergewohnheitsrecht hinweisen oder diese sogar entstehen lassen; vgl. dazu näher König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 218 m.w. N.; siehe auch Art. 38 WVK. 215 Vgl. North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 37 ff. 216 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 102 ff. m.w. N.; Kemper, Der Weg nach Rom, S. 108 ff. m.w. N.; Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 283 ff.

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sung (Strafarten, Strafdauer) und Strafzumessung – so weit ersichtlich – jedoch nicht. Allerdings ist diesbezüglich im IMT-Statut direkt und ausdrücklich nur wenig enthalten. Einzig im vierten Teil in Art. 27 IMT-Statut kann man eine ausdrückliche Aussage zur Strafverhängung finden. Dort heißt es: „Der Gerichtshof hat das Recht, den schuldig gefundenen Angeklagten zum Tode oder zu einer anderen ihm gerechten Strafe zu verurteilen.“ Sieht man von der Todesstrafe ab, so wird vom Wortlaut her nicht deutlich, welcher Art denn die andere Strafe sein könnte. Bedenkt man aber die in Art. 28 IMT-Statut schon gegebene Möglichkeit der zusätzlichen Einziehung des Vermögens des Verurteilten sowie den Unwertgehalt der vor dem IMT verhandelten Verbrechen, so kann mit anderer Strafe („other punishment“) wohl nur die Freiheitsstrafe gemeint sein. 217 Fraglich ist aber, ob eine solche Anordnung Ausdruck der damaligen, von einer Rechtsüberzeugung getragenen einhelligen Staatenpraxis gewesen ist und damit Völkergewohnheitsrecht widerspiegelt. Die bloße Anordnung irgendeiner Freiheitsstrafe erscheint kaum konkret genug, um in positiv abgrenzender Hinsicht einen Regelungsgehalt zu bestätigen oder gar zu konkretisieren. Aber auch negativ abgrenzend lässt sich daraus nicht die Aussage entnehmen, dass zumindest immer eine Freiheitsstrafe zu verhängen ist, da daneben ja die Todesstrafe ausdrücklich angeordnet ist. Bedenkt man, dass die beteiligten Commonlaw-Staaten selber nur ein sehr unbestimmtes Strafzumessungsrecht hatten, welches die Konkretisierung der Strafe dem einzelnen Richter übertrug, so kann der Strafzumessungsregel des Art. 27 IMT-Statut über die Tatsache hinaus, dass Freiheitsstrafe als Strafart überhaupt zur Verfügung stand, keine deklaratorische völkergewohnheitsrechtliche Wirkung zugesprochen werden. (b) Konstitutive Wirkung des IMT-Statuts Dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages kann nicht nur eine deklaratorische Bedeutung zukommen, sondern er kann auch konstitutive Wirkung insofern entfalten, als Völkergewohnheitsrecht durch den Vertragsschluss erst geschaffen wird. Denn der Vertragsschluss kann selbst Staatenpraxis sein und, gepaart mit einer die Praxis tragenden Rechtsüberzeugung, Völkergewohnheitsrecht begründen. Insbesondere durch die Ratifizierung eines einzigen multilateralen Vertrages durch viele Staaten ist dies möglich, solange denn die Rechtsüberzeugung, oft belegt durch die Vertragsmaterialien, 218 auch die in dem Vertrag 217 Neben den insgesamt 12 Todesstrafen und den drei Freisprüchen hat das IMT dementsprechend auch nur Freiheitsstrafen ausgesprochen (zweimal 20, einmal 15 und einmal 10 Jahre). 218 Insbesondere bei multilateralen Verträgen muss man eine gewisse Vorsicht walten lassen, da nicht auszuschließen ist, dass Äußerungen anlässlich des Vertragsschlusses „nur einer augenblicklichen politischen Opportunität entspringende Lippenbekenntnisse darstellen“ (Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 60). Zu bedenken

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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getroffenen Regelungen als Übung trägt. 219 Eine solche Rechtsüberzeugung ist aufgrund der unbestimmten Regelung fraglich, denn diese lässt eher vermuten, dass die Regelung eher Ausfluss eines diplomatischen Kompromisses ist als Folge einer Rechtsüberzeugung. Diese Auffassung wird bestärkt durch die erwähnten Auseinandersetzungen um die Schaffung eines internationalen Gerichts, die deutliche Unterschiede in Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis belegen. Es lässt sich weder der Regelung noch den Vertragsmaterialien entnehmen, dass die Parteien des IMT-Statuts von einer zukünftigen unmittelbaren Anwendung ausgingen oder die Intention hatten, künftig die Regelung anzuwenden oder sich selbst durch diese gebunden zu fühlen. Alles in allem können diese Überlegungen jedoch dann vernachlässigt werden, wenn man durch eine spätere, von Rechtsüberzeugung getragene Staatenpraxis die Regelung als Völkergewohnheitsrecht bestätigt findet, da die Begründung des Völkergewohnheitsrecht nach einhelliger Auffassung auch dem Vertragsschluss nachfolgen kann. Zwar ist im Fall des multilateralen Vertrages strittig, ob bloße Akzeptanz Vertragsregelungen zur Gewohnheit erstarken lassen kann, 220 möglich ist dies aber durch eine anschließende Übung und die sie tragende Rechtsüberzeugung durch die Vertragsparteien oder Dritte, und dann sogar über die eigentlichen Vertragsparteien hinaus. 221 Die Strafart der Freiheitsstrafe wird zwar dem Grundsatz nach weltweit praktiziert, bei der Dauer der Verhängung von der zeitigen bis zur lebenslangen Freiheitsstrafe weichen Rechtspraxis und Rechtsüberzeugung der Staaten aber ganz erheblich voneinander ab, was in jüngster Zeit auch bei der Verhandlung über den Vertrag von Rom deutlich wurde. Letztlich kann man festhalten, dass die Regelung des IMT-Statuts als positive Bestimmung der Strafgewalt eines Gerichtes zu vage ist, um ein taugliches Objekt einer Rechtsüberzeugung darzustellen, und dass sie als negative Begrenzung der Strafgewalt nicht der einhelligen Rechtsüberzeugung der beteiligten Staaten entspricht, die den Vertrag unterzeichnet haben. Dem IMT-Statut kann somit nicht mehr als die grundsätzliche Anerkennung des Freiheitsentzugs als Strafart entnommen werden. 222 ist ebenfalls, dass auf Konferenzen häufig ohne eigentliche Abstimmung im Zuge des sog. Konsensverfahrens abgestimmt wird, was eine genaue Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Staaten erschwert, und so mancher Staatenvertreter – in Kenntnis der grundsätzlichen Unverbindlichkeit solcher Äußerungen – dazu verleitet wird, seine Zustimmung zur Vertragsregelung zu geben, obwohl eine entsprechende Rechtsüberzeugung fehlt; vgl. Dahm / Delbrück / Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 60 f. 219 Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 218 ff. 220 Vgl. dazu König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 220 f. 221 Vgl. Harris, Cases and Materials on International Law, S. 39; siehe auch North Sea Continental Shelf Cases (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), Judgement, I.C.J. Reports 1969, S. 42; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 364 ff., §§ 577 ff.; siehe auch Art. 38 WVK. 222 Teil man diese Auffassung nicht, gilt es zu bedenken, dass die weitergehende Regelung nur Wirkung zwischen den 23 Vertragsparteien als partielles Völkergewohn-

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(2) Das Urteil als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Die wenigen völkergewohnheitsrechtlichen Belege hinsichtlich der Strafzumessung im IMT-Statut könnten durch das Urteil des IMT verdichtet werden. Urteile können sowohl Erkenntnisse über andere Rechtsquellen liefern und damit auch Erkenntnisse über Völkergewohnheitsrecht, als auch ein „normatives Eigengewicht“ entfalten. Dies aber nur, wenn es sich bei dem Urteil des IMT gegen die Hauptkriegsverbrecher um die dauerhafte Spruchpraxis eines internationalen Gerichts handelt. Unabhängig von der Vieldeutigkeit, die dem Begriff der Internationalität anhaftet, 223 und der Diskussion um die Rechtsnatur des IMT im Einzelnen, bestehen Bedenken hinsichtlich der formell wirksamen Begründung einer Völkerstrafgerichtsbarkeit durch das IMT: Zunächst einmal hat ein internationales Gericht von Haus aus keine originäre Strafgewalt. Diese ist letztlich immer abgeleitet aus der Souveränität der Staaten und geprägt durch eine Legitimationskette, die bis zum Individuum reicht. Die Legitimation kann im Wesentlichen auf zwei Wegen begründet werden: Zum einen durch Übertragung der Strafgewalt (ceded jurisdiction), zum anderen durch das universell geltende Völkerstrafrecht (inherent or automatic jurisdiction). 224 Die Übertragung der Strafgewalt erfolgt im ersten Fall durch eine Unterwerfungserklärung bzw. durch Vertragsschluss desjenigen Staates, der zur Strafverfolgung ursprünglich ermächtigt ist, im zweiten Fall durch die Schaffung des Gerichts in legitimer Weise. Diese legitime Errichtung kann aber nur durch einen Beschluss eines dazu ermächtigten internationalen Völkerrechtssubjekts erfolgen oder aber wiederum nur durch Vertrag. Da aber ein solches, zur Schaffung des IMT befugtes Organ nicht existierte, bleibt es auch hier bei der Notwendigkeit des wirksamen Völkerrechtsvertrages. 225 Da Deutschland durch die Besetzung und Kapitulation seine Staatlichkeit und damit Völkerrechtssubjektivität nicht eingebüßt hat, bedurfte es wegen der Interpartes-Wirkung des Vertrages der wirksamen Einbeziehung Deutschlands in den Vertrag des Londoner Abkommens. Deutschland war aber weder Partei des Vertrages, noch wurde es durch eine wirksame Vertretung bei Vertragsschluss, sei es durch die Alliierten oder den Kontrollrat, einbezogen, noch wurde durch

heitsrecht entfalten konnte, da – wie die Auseinandersetzung zwischen den Staaten im Zusammenhang mit den Nürnberger Prinzipien zeigt – keine darüber hinausgehende Einigkeit zwischen den Staaten bestand bzw. hergestellt werden konnte; vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 100. 223 Vgl. Kemper, Der Weg nach Rom, S. 108. 224 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 154 ff. 225 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 102 f.

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die Anerkennung der „Quasitotalität der zivilisierten Staaten“ die Wirkung des Vertrages auf Deutschland erstreckt, wie Jescheck belegt hat. 226 Auch wenn man unterstellt, dass das IMT ein internationales Gericht war, nicht aber ein interalliiertes Gericht oder Besatzungsgericht, 227 so scheint doch fraglich, ob durch einen einzigen Prozess, wenn auch gegen mehrere Angeklagte, Völkergewohnheitsrecht belegt werden kann. Auch schafft ein Prozess in einer kurzen Zeitspanne an einem Gerichtshof von kurzem Bestand nicht die dauerhafte Spruchpraxis, die nötig wäre, um ein solches Eigengewicht zu entwickeln, das als Indikator einer völkergewohnheitsrechtlichen Regelung gelten könnte. Im Kontext der Strafbemessung und der Strafzumessung können daher die Urteile des IMT weder Völkergewohnheitsrecht belegen, noch kommt ihnen ein normatives Eigengewicht zu. (3) Nürnberger Prinzipien Die unmittelbar nach dem Prozess einsetzenden Bemühungen der Vereinten Nationen, die Quintessenz des Prozesses in eine Resolution, die Nürnberger Prinzipien, zu gießen, könnten dazu geführt haben, dass Statut und Urteil des IMT doch noch völkergewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen können. Zwar sind nach der hier vertretenen Auffassung Resolutionen der Vollversammlung der Generalversammlung der Vereinten Nationen keine Rechtsquelle eigener Art, aber sie könnten Beleg für Völkergewohnheitsrecht sein. Wie oben gesehen, bedarf es dazu einer Übung und einer sie tragenden Rechtsüberzeugung. 228 226 Vgl. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 150 ff. m.w. N. 227 Für die Qualifizierung als alliiertes und internationales Gericht vgl. Kemper, Der Weg nach Rom, S. 108 ff. m.w. N. zum Streitgegenstand; für die Qualifizierung als internationales Gerichts vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 29; für die Qualifizierung als Besatzungsgericht siehe König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 102 f. m.w. N.; Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 149 ff. und 283 ff.; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Band II, S. 252 ff. m.w. N. und einer konzentrierten Übersicht zum Meinungsstand. 228 Bei der Feststellung der Rechtsüberzeugung müssen insbesondere Abstimmungsverhalten, Inhalt und der Kontext der Resolutionen berücksichtigt werden (siehe dazu ausführlich König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 223 ff.). Die notwenige Übung (vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 409 f., § 637) kann darin gesehen werden, dass die Äußerungen in der UN-Vollversammlung Folge einer tatsächlichen Auseinandersetzung bzw. Interaktion der Staaten miteinander sind (vgl. diese generelle Anforderung an die Begründung von Völkergewohnheitsrecht bei Simma / Alston, Australian Y. B. Int. L. 12 (1992), S. 99). Andernfalls werden Deklarationen und Entschließungen der UN-Vollversammlung oder anderer internationaler Organisationen dann zu Völkergewohnheitsrecht, wenn sich die Staaten daran halten und somit ihre Übung der in den Entschließungen enthaltenen Rechtsüberzeugung anpassen. Damit

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Soll der Beleg einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung der Resolution 95 (I) zunächst noch unterstellt werden, 229 so bereitet der Beleg der Übung insofern mehr Schwierigkeiten, als sich ein Handeln der Staaten nur im Beschluss selbst manifestiert. Schwierigkeiten bereitet dies nicht nur, weil die Zustimmung der Staaten in der Vollversammlung keine Übung im Sinne eines Realaktes eines Völkerrechtsubjekts darstellt, sondern auch deshalb, weil die Übung nicht dauerhaft genug ist. Die erste Hürde überspringt, wer Verbalpraxis als Übung zur Begründung des Völkergewohnheitsrechts ausreichen lässt. 230 Wie oben aufgezeigt, kann gerade im Bereich der Menschenrechte eine solche Betrachtung zulässig sein. 231 Die zweite Hürde nimmt man, wenn man (entsprechend der Anerkennung der Verbalpraxis) die neuere Entwicklung des Völkerrechts aufgreift und nicht das Element der Dauerhaftigkeit betont, 232 sondern die Einheitlichkeit und Verbreitung der Übung in den Vordergrund stellt. Dabei tritt die Dauer der Übung umso stärker in den Hintergrund, je einheitlicher und verbreiteter die Übung ist. Denn es macht wenig Sinn, einen bestimmten Zeitablauf zu fordern, obwohl sich die beteiligten Völkerrechtssubjekte einig sind, dass der Resolution eine rechtsbindende Wirkung zukommen soll. 233 An dieser Stelle sind aber in Hinblick auf die Nürnberger Prinzipien Zweifel angebracht. Selbst wenn man zunächst noch unterstellt, dass zum Zeitpunkt der einstimmigen Annahme der Resolution 95 (I) im Jahr 1946 eine solche einheitliche und weit verbreitete Verbalpraxis durch die Staatenvertreter in der Vollversammlung bestand, so endet diese Einheitlichkeit bereits 1950, als die Resolution 488 (V) verabschiedet wurde. Die zwischen den Staatenvertretern zutage getretenen Differenzen über die bereits formulierten Nürnberger Prinzipien und der diplomatische Ausweg in Resolution 488 (V) zeigen, dass es zwischen den Beteiligten mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten gab. Da die Einheitlichkeit somit, wenn überhaupt, nur gering war, muss folglich der Dauer der Übung bei der Begründung von Völkergewohnheitsrecht wieder mehr folgt u.U. die Übung der Rechtsüberzeugung nach, und der Prozess der Bildung von Völkergewohnheitsrecht wird umgedreht (vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 368 f., § 583). Gegen die Übung der Staaten soll sich aus Resolutionen kein Völkergewohnheitsrecht bilden können (vgl. Legality of the Threat or Use of nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 226, 254 f, para. 71 ff.). 229 So ohne weitere Begründung z. B. Triffterer, Dogmatische Untersuchungen zur Entwicklung des materiellen Völkerstrafrechts seit Nürnberg, S. 18 und 76. 230 So etwa Kreß, ZStW 111 (1999), S. 604. 231 Allerdings kann man dies auch anzweifeln, da dafür eine intensive Auseinandersetzung der Staatenvertreter notwenig gewesen wäre, was aber aufgrund der Kürze der Zeit ausgeschlossen ist. 232 Vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 606 f. 233 Vgl. Kreß, ZStW 111 (1999), S. 607, der in den Resolutionen der Vollversammlung der Vereinten Nationen „eine vergleichsweise akkurate Abbildung eines universellen Staatenkonsens“ sieht, „an dem bei der Völkerrechtsfindung kaum vorbeizugehen ist.“

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Beachtung geschenkt werden. Darüber hinaus berechtigen die Auseinandersetzungen im Rechtsausschuss und in der Vollversammlung zur Annahme, dass eine gemeinsame Rechtsüberzeugung spätestens zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Frage gestellt werden muss. Dies führt aber nicht nur dazu, dass der Resolution 488 (V) keine rechtsetzende Wirkung zugesprochen werden kann, sondern auch, dass die der Resolution 95 (I) hinterfragt werden muss. Denn wenn sich die Staatenvertreter 1950 angesichts der ausformulierten Nürnberger Prinzipien nicht einigen konnten, kann das als Indiz dafür gelten, dass der Beschluss von 1946 letztlich nicht von einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung getragen wurde, sondern einer momentanen politischen Opportunität entsprang, der es de facto an der gemeinsamen Rechtsüberzeugung mangelte. 234 Selbst wer die durch äußere Geschehensabläufe nur schwer zu belegende innere Rechtsüberzeugung aufgrund des Wortlauts der Resolution 95 (I) – „Affirms the principles of international ...“ – grundsätzlich für gegeben hält, 235 muss belegen, worauf sich diese Überzeugung und die dadurch getragene Verbalpraxis inhaltlich überhaupt erstreckt hat. 236 Der Wortlaut der Resolution 95 (I) ist so unbestimmt, dass die darin liegende rechtliche Aussage zum Zeitpunkt des Beschlusses kaum bzw. nur ungenügend konkretisiert werden konnte. Wenn es aber schon in objektiver Hinsicht der Verbalpraxis an einem hinreichend bestimmten Inhalt fehlt, so kann sich auch in subjektiver Hinsicht die Rechtsüberzeugung der Staatenvertreter nicht auf einen bestimmten Inhalt beziehen. 237 Es bestehen insoweit berechtigte Zweifel, ob die beteiligten Staaten die Nürnberger Prinzipien auch über den Einzelfall hinaus als allgemeinverbindlich kodifizieren wollten bzw. sich diesen Prinzipien zukünftig selber zu unterwerfen gedachten. 238 Begründen die Nürnberger Prinzipien und die entsprechenden Resolutionen aber kein Völkergewohnheitsrecht, 239 so erstarkt dadurch das Recht des IMT nicht zu Völkergewohnheitsrecht. 234

Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 109. 235 So etwa Kreß, ZStW 111 (1999), S. 606, in Fn. 41. 236 Es muss bedacht werden, dass die Vereinigten Staaten von Amerika den Resolutionsentwurf am 15. 11. 1946 in die Vollversammlung einbrachten und die Resolution in weniger als einem Monat am 11. 12. 1946 verabschiedet wurde. Damit erfolgte der Beschluss in einem Zeitraum, der schwerlich ausreichend Zeit für Beratung zuließ. Hinzu kommt, dass der Beschluss nur sechs Wochen nach Erlass der Urteile von Nürnberg fiel. Dass in nur sechs Wochen die weitreichenden rechtlichen Implikationen des Nürnberger Statuts und der darauf basierenden Urteile einer Klärung zugeführt wurden, ist nicht sehr plausibel. 237 Vgl. Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, S. 95 f., der den Inhalt der Resolution ebenfalls für zu unbestimmt hält; ebenso König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 109; siehe auch Jescheck, GA (1981), S. 52, der einen Willen zu einer allgemein verbindlichen Rechtsetzung durch die Vollversammlung verneint. 238 Vgl. Graefrath, Jugoslawien und die internationale Strafgerichtsbarkeit, S. 295. 239 Gegen die Begründung von Völkergewohnheitsrecht siehe Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, S. 96 und 179; König, Die völkerrechtliche Legiti-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(4) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht Dass die Bemühungen der Vereinten Nationen, Völkerstrafrecht zu kodifizieren (Draft Code of Offences against Peace and Security) 240 bzw. einen internationalen Strafgerichtshof zu schaffen, 241 bis zur Definition des Verbrechens der Aggression sogar ausgesetzt werden mussten 242 und nicht vor Ende 1978 wieder aufgenommen wurden, 243 lässt vermuten, dass das Urteil des IMT auch nicht in den Jahrzehnten nach Abschluss des Prozesses die Autorität erlangte, die notwendig gewesen wäre, die Staatenpraxis zu beeinflussen. 244 Es passt gut ins Bild, wenn Ipsen noch 1990 feststellt: „Angesichts der seit Nürnberg und Tokio mation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 109 m.w. N. in Fn. 629, der neben der Unbestimmtheit der Resolution ins Feld führt, dass sich aus der Diskussion im Jahr 1950 schließen lässt, dass ein „Konsens“ der Staatenvertreter in Wahrheit nicht bestanden hat; siehe auch Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 135, der auf S. 125, in Fn. 6 zu Recht darauf verweist, dass bereits die Tatsache, dass die ILC mit einer Ausarbeitung der Nürnberger Prinzipien beauftragt wurde, dafür spricht, dass auch die Vollversammlung zum Zeitpunkt der Resolution 95 (I) den Prinzipien keine Rechtskraft zubilligen wollte; Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 265, § 442. Für die Begründung von Völkergewohnheitsrecht siehe Kreß, ZStW 111 (1999), S. 605 ff., der in der Resolution eine „von Rechtsüberzeugung getragene Verbalpraxis“ sieht. Vgl. auch Brownlie, Principles of Public International Law, S. 15; siehe auch die Begründung von Lord Nicholls, Bow Street Stipendiary Magistrate and others, ex parte Pinochet Ugarte, Amnesty International and others intervening [1998] 4 All. E.R. 940, der die völkergewohnheitsrechtliche Begründung der Immunität von früheren Staatschefs mit der Gesamtschau von IMT-Urteil, IMT-Statut und Resolution 95(I) begründet. 240 Report of the International Law Commission to the General Assembly, Draft Code of Offences Against the Peace and Security of Mankind, U.N. GAOR, 9th Sess., Supp. No. 9, at 9, U.N. Doc. A/2693 (1954); Draft Code of Crimes Against the Peace and Security of Mankind, in Report of the Int.’l Law Commission on the Work of Its FortyThird Session, U.N. GAOR, 46th Sess., Supp. No. 10, at 265, U.N. Doc. A/46/10; Draft Code of Crimes Against the Peace and Security of Mankind, U.N. GAOR. 48th Sess., at 6 –7, U.N. Doc. A / CN. 4/L. 532. 241 Siehe das Revised Draft Statute for an International Criminal Court (Annex to the Report of the 1953 Committee on International Criminal Jurisdion on its Session held from 27 July to 20 August 1953), U.N. GAOR, 9 th Sess., Supp. No. 12, at 23, U.N. Doc. A/2645 (1954), abgedruckt in: Bassiouni, The Statute of the International Criminal Court, S. 749 ff. 242 Vgl. zur Suspendierung der Kodifizierung eines Statuts GA Res. 1187 (XII), U.N. GAOR, 12th Sess., 727th plen. mtg., Supp. No. 18, at 51, U.N. Doc. A / RES/1187 (XII) (1957) und zur Suspendierung der Tätigkeit zur Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofs GA Res. 1186 (XII), U.N. GAOR, 12th Sess., 727th plen. mtg., Supp. No. 18, at 52, U.N. Doc. A / RES/1186 (XII) (1957). 243 Vgl. GA Res. 33/97, U.N. GAOR, 33rd Sess., 86th plen. mtg., Supp. No. 45, at 220, U.N. Doc. A / RES/33/97 (1978). 244 Gegen die Annahme von Völkergewohnheitsrecht vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 106 f. m.w. N. in Fn. 615; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 95. Für

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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fehlenden Staatenpraxis sowie seither – wie in den Vereinten Nationen deutlich geworden – eher rückläufigen Rechtsüberzeugung lässt sich der Feststellung nicht ausweichen, dass die Straftatbestände des Statuts des Nürnberger Gerichtshofes nicht zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt sind. Dem Völkerrecht fehlt es mithin nach wie vor an einer notwendigen und wünschenswerten strafrechtlichen Bewehrung.“ 245 Auch wer heute der Auffassung sein sollte, dass zum einen durch die tatsächliche Akzeptanz in weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft, die in der Schaffung der Ad-hoc-Gerichtshöfe ihren Höhepunkt gefunden hat, 246 und zum anderen durch den Bezug der Ad-hoc-Gerichtshöfe auf das Urteil des IMT gewissermaßen durch mittelbare Bindung das Eigengewicht des Prozesses vor dem IMT im letzten Jahrzehnt an Dominanz gewonnen hat, muss bedenken, dass sich die Annahme einer Begründung von Völkergewohnheitsrecht vornehmlich auf die Tatbestände bezieht, nicht aber auf die Rechtsfolgen. Die Aussagen hinsichtlich Strafbemessung und Strafzumessung in Statut und Urteil des IMT sind so vereinzelt und unpräzise, dass sie nicht zu Völkergewohnheitsrecht erstarken können. 247 Statut und Urteil des IMT bleiben daher bei der Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung unberücksichtigt. die Annahme von Völkergewohnheitsrecht siehe Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 29. 245 Ipsen, in: Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990, § 38, Rn. 32. Dieses Zitat findet sich allerdings in der 5. Aufl. nicht mehr. 246 Siehe z. B. den Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 2 of Security Council Resolution 808 (1993), presented 03 May 1993 (S/25704), para. 35, in dem es heißt: „The part of conventional international humanitarian law which has beyond doubt become part of international customary law is the law applicable in armed conflict as embodied in ... the Charter of the International Military Tribunal of 8 August 1945.“ (eigene Hervorhebung). 247 So sind die Strafbestimmungen bezüglich Haupt- und Nebenstrafen unbestimmt. Hinweise auf Strafzwecke sind vereinzelt den Deklarationen der Unterzeichnerstaaten anlässlich des Londoner Abkommens vom 08. August 1945 sowie den verhängten harschen Strafen zu entnehmen. Die Deklarationen begründen Strafe aus deterrence und retribution (vgl. auch Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 59). Eine weitere Spezifizierung kann aber nicht gemacht werden. Die harschen Strafen werden als Hinweis auf die Dominanz der vergeltenden Straftheorie ausgelegt (vgl. Schabas, Duke J. Comp. & Int.’l L. 7 (1997), S. 500). Allerdings ist dies nicht zwingend so, denn abschreckende Prävention mag ebenso eine harsche Strafe erfordern. Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode sind nicht ersichtlich. Bezugspunkte der Strafe sind nicht eindeutig festzumachen, auch wenn zu vermuten ist, dass der Bezug zur Tatschwere im Vordergrund stand. Ausführungen zu Strafzumessungsumständen zuungunsten des Verurteilten sind gar nicht vorhanden und zugunsten des Verurteilten sehr spärlich und wenn, dann allgemeiner Natur (vgl. näher Schabas, Duke J. Comp. & Int.’l L. 7 (1997), S. 480 m.w. N. in Fn. 91 und S. 483). Der Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit entspringt dem Merkmal „just“ in Art. 1 und Art. 27 IMT-Statut. Der genaue Bezug der Verhältnismäßigkeit ist aber offen (vgl. auch Van Zyl Smit, 54 (2005) ICLQ, S. 357). Eine Graduierung der Strafstruktur kann nicht

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

b) Statut und Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Tokio (IMTFE) aa) Entstehungsgeschichte Die in Art. 10 des Potsdamer Abkommens vom 26. Juli 1945 formulierte Ankündigung der Alliierten, japanische Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, wurde nach der Kapitulation Japans am 15. August 1945 durch das „International Military Tribunal for the Far East“ (IMTFE) und dessen Statut in die Tat umgesetzt. 248 Das Statut lehnt sich an das Statut des IMT an, auch wenn es mit 17 Artikeln wesentlich kompakter ist. 249 Anders als das IMT-Statut beruht es nicht auf einem Abkommen zwischen den Alliierten, sondern auf einer mit den Alliierten nicht abgestimmten Proklamation des Alliierten Oberbefehlshabers für Japan, General Douglas A. MacArthur, vom 19. Januar 1946. 250 Das IMTFE-Statut sah in seinem 5. Teil über „Urteil und Strafe“ mit seinem Art. 16 insofern die gleiche Regelung wie das IMT-Statut vor, als das Gericht die Todesstrafe oder jede beliebige andere Strafe, d. h. Freiheitsstrafe, verhängen konnte, die es als gerecht ansah. 251 Die zwölf Richter und der Vorsitzende wurden durch den Oberkommandierenden der Alliierten Streitkräfte benannt 252 und stammten aus Ländern, die mit Japan Krieg geführt hatten. 253 Ebenfalls vom Oberkommandierenden wurde der Amerikaner Joseph B. Keenan zum Hauptankläger (chief of councel) bestimmt, 254 der der Anklagebehörde vorsaß, die wiefestgestellt werden. Die Strafe wurde in einem zweiten Verfahrensabschnitt verkündet, darüber wurde aber nicht verhandelt. Das Urteil über Schuld oder Unschuld wurde begründet, die Strafe hingegen nicht. 248 Siehe zu den zunächst umfassenden Verhaftungen von sog. A-Klasse-Hauptkriegsverbrechern und der nachfolgenden Beschränkung auf die Angeklagten Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 20 f. 249 Siehe zum IMTFE-Statut im Einzelnen Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 69 ff.; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 106 ff. 250 Special Proclamation by the Supreme Commander for the Allied Powers, vom 19. Januar 1946, in Tokio, dessen Art. II lautet: „The Constitution, jurisdiction and functions of this Tribunal are those set forth in the Charter of the International Military Tribunal for the Far East, approved by me this day.“ (eigene Hervorhebung). 251 Art. 16 IMTFE-Statut: „The Tribunal shall have the power to impose upon an accused, on conviction, death or such other punishment as shall be determined by it to be just.“ 252 Art. 2 IMTFE-Statut und Art. 3 lit. (a) IMTFE-Statut. 253 Sir Webb (Australien), McDougall (Kanada), Ju Ao Mei (China), Lord Patrick (Vereinigtes Königreich von Großbritannien), Bernard (Frankreich), Pal (Indien), Röling (Niederlande), Northcroft (Neuseeland), Jaranilla (Philippinen), Cramer (Vereinigte Staaten von Amerika), Zaryanov (UdSSR). 254 Art. 8 lit. (a) IMTFE-Statut.

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derum in die Verwaltungsbehörde der amerikanischen Besatzungsmacht, den Supreme Command for the Allied Powers, eingebettet war. 255 Dem Hauptankläger war durch die Auswahl der Angeklagten, 256 die Erstellung der Anklageschrift mit ihren Anklagepunkten 257 und die Beweisführung die entscheidende Rolle im Prozess zugedacht. 258 Das Verfahrensrecht entsprach dem des IMT und war angloamerikanisch geprägt. 259 Der Prozess gegen die 28 Hauptkriegsverbrecher der A-Klasse 260 aus der ehemaligen politischen und militärischen Führung Japans begann am 3. Mai 1946 in Tokio und endete nach 417 Prozesstagen am 12. November 1948 mit der Verlesung der letzten Urteile. 261 Insgesamt wurden gegen die verbliebenen 25 Angeklagten sieben Todesurteile, 16 lebenslange und zwei zeitige Freiheitsstrafen, von einmal 16 und 20 Jahren, verhängt; Freisprüche wurden nicht gewährt. Der Vollzug der Strafe oblag dem Oberkommandierenden der Alliierten Streitkräfte. 262 Der Prozess selbst war mit erheblichen Mängeln behaftet. 263

255 Vgl. Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 56 ff. 256 Siehe zur Auswahl und zum kurzen Lebenslauf eines jeden Angeklagten Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 34 ff. 257 Siehe dazu im Einzelnen Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 113; Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 71 ff. 258 Vgl. näher zur Anklagebehörde Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 34 ff. 259 Vgl. dazu näher Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 106 ff. und 112 f.; Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 64 f. 260 Siehe zu den Einteilungen nach A-, B- und C-Klassen Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 20 ff. 261 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 99; vgl. zum Verfahrensablauf im Einzelnen Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 26 ff. 262 Art. 17 IMTFE-Statut. 263 Etwa war nicht nur die Richterbank nur zeitweilig besetzt und der Vorsitzende gar fünf Wochen abwesend, sondern auch die prozessualen Angeklagtenrechte bis hin zur Versagung des letzten Wortes beschnitten (vgl. im Einzelnen die Darstellung bei Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 106 ff. und 117 ff.; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 99). Darüber hinaus bereitete die simultane Übersetzung vom und ins Japanische Schwierigkeiten (vgl. näher Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 66 ff.).

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bb) Rechtliche Bewertung Da das IMTFE durch Proklamation geschaffen wurde und nicht durch einen multilateralen Vertrag wie das IMT, scheidet der Versuch, Völkergewohnheitsrecht durch die Anlehnung an einen Vertrag zu belegen bzw. zu begründen, von vorneherein aus. Folglich kann das IMTFE-Statut oder das darauf basierende Urteil nur dann Völkergewohnheitsrecht belegen, wenn das IMTFE ein internationales Gericht war. Ein solches hätte es nur sein können, wenn es durch völkerrechtlichen Vertrag geschaffen wurde, da nur so die wirksame Übertragung von Hoheitsrechten bzw. die wirksame Errichtung bewerkstelligt hätte werden können. Allerdings lässt die Kapitulationsurkunde in Verbindung mit dem Potsdamer Abkommen und Art. 43 der Haager Landkriegsordnung nur den Schluss zu, dass die Staatlichkeit Japans, d. h. die Stellung Japans als Völkerrechtssubjekt und die damit einhergehende Fähigkeit, für seine Staatsbürger einen verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag zu schließen, durch die Kapitulation nicht verloren gegangen ist. 264 Damit hätte es eines Vertrages zwischen den Alliierten und Japan bedurft, aus dem heraus das IMTFE geschaffen wurde. Einen solchen Vertrag gab es aber nicht. Zwar begründet die Kapitulationsurkunde mit der Potsdamer Erklärung eine eigene Verpflichtung Japans zur Aburteilung der Kriegsverbrecher, deren Erfüllung von Japan auch angeboten wurde, aber sie erlaubt nicht die Schaffung eines Gerichts durch den einseitigen Akt der Besatzungsmacht, wie ihn General MacArthur vorgenommen hat. 265 Selbst wenn man die Stellung des IMTFE als internationales Gericht anerkennt, 266 so ist auch hier – wie schon beim IMT – fraglich, ob die Entscheidung des IMTFE Völkergewohnheitsrecht belegen kann, denn es war mit derart gravierenden Mängeln behaftet, die das Gewicht des Urteils erheblich schmälerten. Damals wie heute entsprach der einzige Prozess vor dem IMTFE nicht dem Rechtsstaatsprinzip bzw. der „rule of law“ und stellte nur mit erheblichen Einschränkungen ein faires Verfahren da. Zudem lässt es die starke angloamerikanische Ausrichtung des Statuts und der Verfahrensregelungen fragwürdig erscheinen, 267 ob denn hinsichtlich der Strafzumessung tatsächlich völkerstrafrechtliche Aspekte angewandt oder doch nur nationale Ansätze auf das IMTFE übertragen wurden. Alles in allem ist daher ein Beleg oder gar eine Prägung des Völkergewohnheitsrechts durch das IMTFE abzulehnen. 268 264

Vgl. dazu näher Ipsen, Das „Tokyo Trial“ im Licht des seinerzeit geltenden Völkerrechts, S. 506 ff. 265 Vgl. ebenso Ipsen, Das „Tokyo Trial“ im Licht des seinerzeit geltenden Völkerrechts, S. 508 f. 266 So z. B. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 29. 267 Vgl. Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 64 f. 268 Damit können Statut und die ausgesprochenen Urteile letztlich nur die Staatenpraxis der Vereinigten Staaten von Amerika belegen, wenn man denn das IMTFE trotz seines

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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2. Statut und Urteile des Militärgerichtshofs von Nürnberg (Nürnberger Nachfolgeprozesse) a) Entstehungsgeschichte Am 20. Dezember 1945 erließ der Kontrollrat das Kontrollratsgesetz Nr. 10 bzw. das Control Council Law No. 10 (CCL No. 10), 269 welches auf der Grundlage der Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 und des Londoner Abkommens vom 8. August 1945 eine einheitliche Rechtsgrundlage für die Strafverfolgung von Kriegsverbrechern und anderen Missetätern für das besetzte Deutschland schuf. 270 Art. III Abs. 2 S. 1 des CCL No. 10 ermächtigte die Zonenbefehlshaber, innerhalb ihrer jeweiligen Besatzungszonen ein Gericht zu benennen bzw. zu schaffen, welches die gemäß CCL No. 10 beschuldigten Personen aburteilen sollte, und die entsprechende Verfahrensordnung zu bestimmen. 271 Diese Ermächtigung schränkte aber nicht das Recht der jeweiligen Zonenbefehlshaber ein, schon geschaffene (sonstige) Militärgerichte beizubehalten oder künftig zu errichten. 272 In Fällen, in denen die Verbrechen gegen deutsche Staatsangehörige oder Staatenlose begangen wurden, konnte die Aburteilung sogar auf deutsche Gerichte übertragen werden. 273 Entsprechend der Ermächtigung gemäß Charakters als Besatzungsgericht als innerstaatliches Gericht ansieht, was allerdings vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten abgelehnt wurde (vgl. zu den diesbezüglichen Habeas-Corpus-Beschwerden einzelner Verurteilter des IMTFE Osten, Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess und die japanische Strafrechtswissenschaft, S. 30 ff.). Mangels einer dauerhaften und einheitlichen Übung einer Vielzahl von Staaten kann dies aber nicht ohne Weiteres Völkergewohnheitsrecht begründen. 269 Control Council Law No. 10, Punishment of Persons Guilty of War Crimes, Crimes Against Peace and against Humanity (1945), Abl. Kr., Nr. 3 (1946), S. 50 f., abgedruckt in: Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 226 ff. 270 Vgl. die Präambel von CCL No. 10: „In order to give effect to the terms of the Moscow Declaration of 30 October 1943 and the London Agreement of 8 August 1945, and the Charter issued pursuant thereto and in order to establish a uniform legal basis in Germany for the prosecution of war criminals and other similar offenders, other than those dealt with by the International Military Tribunal, the Control Council enacts as follows: ...“ und weiter in Artikel 1: „The Moscow Declaration of 30 October 1943 „Concerning Responsibility of Hitler for Committed Atrocities“ and the London Agreement of 8 August 1945 „Concerning Prosecution and Punishment of Major War Criminals of European Axis“ are made integral parts of this Law. Adherence to the provisions of the London Agreement by any of the United Nations, as provided for in Article V of that Agreement, shall not entitle such Nation to participate or interfere in the operation of this Law within the Control Council area authority in Germany.“ 271 Vgl. Art. III Abs. 2 CCL No. 10. Ebenfalls ordnete die Norm an, dass bereits bestehende oder künftig von den Zonenbefehlshabern zu errichtende Gerichte vom Kontrollratsgesetz unberührt bleiben sollten. Davon sollte später reger Gebrauch gemacht werden. 272 Vgl. Art. III Abs. 2 S. 2 CCL No. 10. 273 Vgl. Art. III Abs. 1 lit. (d) CCL No. 10.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Art. III Abs. 2 S. 1 des CCL No. 10 wurde vom amerikanischen General Joseph T. McNarney am 18. Oktober 1946 die Verordnung Nr. 7 274 erlassen, die es ermöglichte, besondere Militärgerichtshöfe (military tribunals) zur Aburteilung der in CCL No. 10 genannten Verbrechen zu schaffen. 275 Ein Militärgerichtshof wurde in Nürnberg eingesetzt. 276 Vom 26. Oktober 1946 bis zum 14. April 1949 wurden insgesamt zwölf Verfahren vor diesen Gerichten auf der Grundlage des CCL No. 10 und der in der Verordnung Nr. 7 277 beinhalteten Verfahrensvorschriften abgeurteilt 278 – die sog. Nürnberger Nachfolgeprozesse. 279 Art. XVI der Verordnung Nr. 7 280 verweist bezüglich der Strafe auf die Vorschriften in Art. II, Abs. 3 CCL No. 10, der insbesondere die Todesstrafe und lebenslange und zeitige Freiheitsstrafen vorsah. 281 Die Verfahrensordnung stellte eine Mischung aus kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Verfahrensgrundsätzen 274 Military Government – Germany United States Zone, Ordinance No. 7, Organization and Powers of Certain Military Tribunals, Military Government Gazette, Germany, United States Zone, Issue B, 1. December 1946, S. 10 ff., abgedruckt in: Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 232 ff. 275 So heißt es in Art. I der Verordnung Nr. 7: „The purpose of this Ordinance is to provide for the establishment of military tribunals which shall have power to try and punish persons charged with the offence recognized as crimes in Art. II of Control Council Law No. 10, including conspiracies to commit any such crimes. Nothing herein shall prejudice the jurisdiction or the powers of other courts established or which may be established for the trial of any such offences“ und weiter in Art. II lit. (a): „Pursuant to the powers of the Military Governor for the United States Zone of Occupation within Germany and further pursuant to the powers conferred upon the Zone Commander by Control Council Law No. 10 and 11 of the Charter of the International Military Tribunal annexed to the London Agreement of 8 August 1945 certain tribunals to be known as ‚Military Tribunals‘ shall be established hereunder.“ 276 Die Tribunale wurden von 1 bis 6 durchnummeriert, auch wenn später beim Abschluss eines Verfahrens eine schon vergebene Nummer noch einmal vergeben wurde. 277 Die Verordnung Nr. 7 wurde durch Verordnung Nr. 11 vom 17. Februar 1947 in einzelnen Punkten noch einmal verändert. Siehe Military Government – Germany, Ordinance Nr. 11, amending Military Government Ordinance No. 7 of 18 October 1946, entitled „Organization and Powers of Certain Military Tribunals“, Military Government Gazette, Germany, United States Zone, Issue C, 1. April 1947, S. 11 ff. 278 Die Verordnung Nr. 7 in ihrer durch Verordnung Nr. 11 geänderten Fassung ist abgedruckt in: Taylor, Die Nürnberger Prozesse, S. 151 ff. 279 Siehe zu den zwölf Nachfolgeprozessen ausführlich Taylor, Die Nürnberger Prozesse, S. 50 ff.; insbesondere zum Flick-Prozess Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 23 ff. 280 Art. XVI der Verordnung Nr. 7 lautet: „The Tribunal shall have the right to impose on the defendant, upon conviction, such punishment as shall be determined by the tribunal to be just, which may consist of one or more of the penalities provided in Art. II, Section 3, of Control Council Law No. 10.“ 281 Im Einzelnen lautet Art. II Abs. 3 CCL No. 10 wie folgt: Any person found guilty of any of the Crimes mentioned above may upon conviction be punished as shall be determined by the tribunal to be just. Such punishment may consist of one or more of the following:

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dar, wobei Letztere deutlich überwogen. 282 Die Rechtsprechung der Nürnberger Nachfolgeprozesse stützte sich, soweit möglich, auf das CCL No. 10 und die erlassene Verfahrensordnung und griff zur Lückenfüllung auf das Recht der deutschen Täter und das Recht des Tatorts (oftmals sowjetisches Recht) sowie das amerikanische Recht zurück. 283 In den Nürnberger Nachfolgeprozessen wurden in zwölf Prozessen 284 letztlich 24 Todesurteile, 20 lebenslange Freiheitsstrafen, 98 zeitige Freiheitsstrafen verhängt und in einem Fall als Strafe der Einzug des Vermögens angeordnet. Weder wurde eine Gefängnisstrafe mit Zwangsarbeit a) Death. b) Imprisonment for Life or a term of years, with or without hard labour. c) Fine, and imprisonment with or without hard labour, in lieu thereof. d) Forfeiture of property. e) Restitution of property wrongfully acquired. f) Deprivation of some or all civil rights. Any property declared to be forfeited or the restitution of which is ordered by the Tribunal shall be delivered to the Control Council for Germany, which shall decide on its disposal. 282 Vgl. Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 23. 283 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 2006, para. 21 und 27. 284 The United States of America v. Karl Brandt at al., Case No. 1, „Medical Case“, Military Tribunal I, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 171 ff.; The United States of America v. Erhard Milch, Case No. 2, „Milch Case“, Military Tribunal No. II, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 773 ff.; The United States of America v. Josef Altstoetter at al., Case No. 3, „Justice Case“, Military Tribunal No. III, Judgement and Opinion, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. III, S. 954 ff.; The United States of America v. Oswald Pohl et al. Case No. 4, „Pohl Case“, Military Tribunal No. II, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. V, S. 958 ff.; The United States of America v. Friedrich Flick et al., Case No. 5, „Flick Case“, Military Tribunal No. IV, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VI, S. 1187 ff.; The United States of America v. Carl Krauch et al., Case No. 6, „I.G. Farben Case“, Military Tribunal No. VI, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VIII, S. 1081 ff.; The United States of America v. Wilhelm List et al., Case No. 7, „Hostage Case“, Military Tribunal No. V, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XI, S. 1230 ff.; The United States of America v. Ulrich Greifelt et al., Case No. 8, „RuSHA Case“, Military Tribunal No. 1, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. V, S. 88 ff.; The United States of America v. Otto Ohlendorf et al., Case No. 9, „Einsatzgruppen Case“, Military Tribunal No. IIa, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. IV, S. 3 ff.; The United States of America v. Alfried Krupp et al., Case No. 10, „Krupp Case“, Military Tribunal No. III, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. IX, S. 1327 ff.; The United States of America v. Ernst von Weizäcker et al., Case No. 11, „Ministries Case“, Military Tribunal No. IV, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XIV, S. 308 ff.; The United States of America v. Wilhelm von Leeb et al., Case No. 12, „High Command Case“, Military Tribunal No. V, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XI, S. 462 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

verhängt, noch eine Geldstrafe oder die Aberkennung der bürgerlichen Rechte ausgesprochen. 35 Personen wurden freigesprochen. 285 b) Rechtliche Bewertung Für den möglichen Beleg von Völkergewohnheitsrecht muss auch hier zwischen Statut und Urteilen aufgrund des CCL No. 10 unterschieden werden: aa) Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 (CCL No. 10) als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Laut der Präambel des CCL No. 10 dient das CCL No. 10 der weiteren Verfolgung von Kriegsverbrechern und anderen Missetätern auf einheitlicher Rechtsgrundlage, wie sie schon in der Moskauer Erklärung, dem Londoner Abkommen und dem darin enthaltenen IMT-Statut angestrebt worden war. Damit nimmt das CCL No. 10 an der Rechtsnatur des IMT-Statuts teil und bezieht sich auf dessen völkervertragsrechtlichen Charakter, so dass die Beantwortung der Frage nach dem völkergewohnheitsrechtlichen Wert des CCL No. 10 letztlich parallel zur der des IMT-Statuts verläuft. Die bei Abschluss des Londoner Abkommens bestehende Uneinigkeit zwischen den Alliierten erfasste auch das CCL No. 10, so dass dadurch weder Völkergewohnheitsrecht belegt noch begründet wurde. Hinzu kommt, dass sich die Spruchkammern gerade für die hier interessierende Frage der Strafe und Strafzumessung auf eine Verfahrensordnung stützten, die von der Militärregierung der Amerikaner erlassen wurde, die also im engen Sinn nur der Übung eines Staates entsprach, auch wenn dieser durch das CCL No. 10 ermächtigt war. 286 bb) Die Urteile als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Lehnt man einen Beleg oder eine Begründung von Völkergewohnheitsrecht durch Völkervertragsrecht ab, bleibt noch Raum, den aufgrund des CCL No. 10 in den Nürnberger Nachfolgeprozessen ergangenen Urteilen als Urteilen internationaler Gerichte eine das Völkergewohnheitsrecht beeinflussende Wirkung zuzubilligen. Allerdings ist das auf der Grundlage des CCL No. 10 geschaffene Gericht – wie Jescheck darlegt 287 – in formeller Hinsicht ein Besatzungs285 Vgl. Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VX, S. 1142; siehe auch die statistischen Angaben über Angeklagte, Fälle und Verurteilungen auf Seite 1149. 286 Vgl. Art. 2 lit. (a) Verordnung Nr. 7. 287 Vgl. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 149 ff. und 288 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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gericht und eben kein reines internationales Gericht. Der Beleg von Völkergewohnheitsrecht durch Urteile eines Besatzungsgerichts ist aber zweifelhaft, 288 da seinen Urteilen nicht das gleiche normative Eigengewicht zukommt wie denen von internationalen Gerichten. Dennoch ist hier eine andere Bewertung als bei den IMT-Urteilen denkbar, da die Urteile zahlreicher waren, sie von, wenn auch nur aus amerikanischen Richtern bestehenden, so doch unterschiedlich zusammengesetzten Spruchkörpern gesprochen wurden und die Verfahren länger dauerten. Im Vergleich zum IMT und IMTFE zeichneten sich die Urteile auch durch eine umfangreichere rechtliche Begründung aus. Diese bezog sich vor allem auf Fragen der Strafbarkeit, nicht aber auf Fragen der Strafzumessung, da die Richter der Common-law-Tradition entsprechend die Strafe verkündeten, nicht aber begründeten. Hinzu kommt, dass im CCL No. 10 die Regelungen zur Strafzumessung lückenhaft waren. Lücken füllten die Spruchkammern in Nürnberg durch nationale Analogien aus, d. h. dem nationalen Recht des Besatzungsgerichts, des Täters oder Tatorts, nicht aber durch internationales Recht. 289 Die Aussagen, die den Nürnberger Nachfolgeprozessen zur Strafzumessung entnommen werden können, sind also inhaltlich begrenzt, da zum einen nur wenige vereinzelte Aussagen überhaupt gemacht wurden, und zum anderen zu vermuten ist, dass die gemachten Aussagen zu einem erheblichen Umfang in Anlehnung an nationales Recht getroffen wurden. Insgesamt sind die inhaltlichen Bezüge zur Strafzumessung zu spärlich und zu uneinheitlich, um dazu geeignet zu sein, eine einheitliche Übung und Rechtsüberzeugung zu begründen oder zu belegen. So fallen die Aussagen zu den Straftheorien nur sehr spärlich aus. Brauchbares findet sich nur im Urteil und in der Strafverhängung im Fall Milch 290 sowie in der Concurring Opinion von Richter Michael A. Musmanno im gleichen Fall. Darin wurde sowohl die Vergeltung als auch die Abschreckung der Allgemeinheit befürwortet. 291 Es lassen sich

288 Vgl. die Übersicht bei Jung S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, S. 89 ff. 289 So z. B. die Feststellung in Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Joint Separate Opinion of Judge McDonald and Judge Vohrah, 7. October 2006, para. 54 bezüglich „duress“: „However, there was no provision in either the 1945 London Charter or in Control Council Law No. 10 which addressed the question of duress ... Consequently, when these tribunals had to determine that specific issue, they invariably drew on the jurisprudence of their own national jurisdictions. This is evidenced by the fact that British military tribunals followed British law and the United States military tribunals followed United States law.“ (eigene Hervorhebung). 290 The United States of America v. Erhard Milch, Case No. 2, Military Tribunal No. II, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 773 ff. 291 The United States of America v. Erhard Milch, Case No. 2, Military Tribunal No. II, Sentence, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 796: „Retribution for such crimes against humanity must be swift and certain“. The United States of America v. Erhard Milch, Case No. 2, Military Tribunal No. II, Concurring

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

keine Aussagen zu Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode machen. Die harschen Strafen lassen auf einen vornehmlichen Bezugspunkt der Tatschwere schließen. Umstände der Tat, Art und Maß der Beteiligung finden sich implizit und in unterschiedlicher Dichte in den Ausführungen zu Schuld und Unschuld wieder, sie werden aber nicht im Sinn einer Strafzumessung gewichtet; Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen der Verurteilten lassen sich so gut wie gar nicht dingfest machen, sieht man von den Ausführungen zu den Lebensläufen der Angeklagten und zu ihren oftmals herausragenden Positionen ab. 292 Allerdings wird zuweilen vermerkt, dass keine strafmildernden Umstände vorliegen. 293 Nur selten werden mildernde Umstände ausdrücklich zugunsten der Verurteilten angeführt, wie im Fall Flick. 294 Die umfangreichste Diskussion von strafmildernden Faktoren findet sich wohl noch im HostageFall: „Throughout the course of this opinion we have had occasion to refer to matters properly to be considered in mitigation of punishment. The degree of mitigation depends upon many factors including the nature of the crime, the age and experience of the person to whom it applies, the motives for the criminal act, the circumstances under which the crime was committed, and the provocation, if any, that contributed to its commission.“ 295 Erste Hinweise auf eine verhältnismäßige Strafzumessung finden sich insofern in dem Statut, als demnach das Gericht den Verurteilten zu einer „gerecht erscheinenden Strafe“ verurteilen muss. 296

Opinion by Judge Michael A. Musmanno, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 859: „The purpose of these postwar trials obviously is not vengeance. Their object aimed at (as in the criminal jurisprudence of all civilized nations) is the ascertainment of truth. When guilt is established, the penalty imposed is to serve as a deterrent to all other who might be similarly minded ... Erhard Milch may obtain some comfort from the realization that by the publication of the evidence of this trial he is definitely contributing to the education and well being of Germany’s future, as indeed a precise contribution is being made to the cause of world justice itself.“ 292 Vgl. z. B. die Darstellungen der Vita der Angeklagten Schlegelberger, Klemm, Rothenberger etc. The United States of America v. Josef Altstoetter et al., Case No. 3, Military Tribunal No. III, Judgement and Opinion, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. III, S. 1081 ff. 293 So stellt das Gericht im „Justice Case“ über den Angeklagten Klemm fest, dass „[w]e find no evidence warranting mitigation of his punishment“, The United States of America v. Josef Altstoetter et al., Case No. 3, Military Tribunal No. III, Judgement and Opinion, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. III, S. 1107. 294 Vgl. The United States of America v. Friedrich Flick et al., Case No. 5, „Flick Case“, Military Tribunal No. IV, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VI, S. 1222. 295 The United States of America v. Wilhelm List et al., Case No. 7, „Hostage Case“, Military Tribunal No. V, Opinion and Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XI, S. 1317. 296 Art. XVI Verordnung Nr. 7 i.V. m. Art. II Abs. 3 S. 1 CCL No. 10.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Auch wenn die Strafe für die in den Nürnberger Nachfolgeprozessen verhandelten Verbrechen in einer Norm aufgeführt sind, so lässt sich aus den nach der Schwere des Eingriffs in die Menschenrechte des Verurteilten abgestuften Strafarten der Wunsch nach Graduierung der Strafe ablesen. Die Verurteilungen zeigen auch, dass von der Graduierung sowohl nach Strafart und im Fall der zeitigen Freiheitsstrafe auch nach Strafdauer Gebrauch gemacht wurde. Den unterschiedlichen Strafarten – mit der Todesstrafe am oberen Ende und dem Entzug von Rechten am unteren Ende der Skala – lässt sich aber keine Einstiegsstelle entnehmen. Entsprechend der angloamerikanischen Tradition wurde das Urteil über die Schuld und die Strafzumessung in den Nürnberger Nachfolgeprozessen getrennt verkündet, die Strafzumessung aber nicht mehr weiter begründet. 297 Dies entsprach der Verordnung Nr. 7, in der nur eine Pflicht zur Begründung des Urteils über Schuld bzw. Unschuld des Angeklagten niedergelegt ist, nicht aber eine zur Begründung der Strafe. 298 Art. XV S. 1 der Verordnung Nr. 7 stellt für die Nürnberger Nachfolgeprozesse ausdrücklich fest, dass es kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Gerichte über Schuld oder Unschuld gibt: „[T]he judgements of the Tribunals ... shall be final and not subject to review“. Allerdings gab es die Möglichkeit, dass der Militärgouverneur gemäß Art. XV S. 2 i.V. m. XVII lit. (a) Verordnung Nr. 7 den Strafausspruch mildert, herabsetzt oder anderweitig ändert. 299 Dies durfte aber nicht zu einer Strafverschärfung führen. 300 Auch bedurfte die Vollstreckung des Todesurteils der Bestätigung

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Beispielhaft sei dies an den Strafzumessungen im Medical-Fall aufgezeigt: Presiding Judge Beals: Military Tribunal I has convened this morning for the purpose of imposing sentences upon the defendants who have been on trial before this Tribunal and who have been adjudged guilty by the Tribunal. Karl Brandt, Military Tribunal I has found you and adjudged you guilty of war crimes, crimes against humanity, and membership in an organization declared criminal by the judgement of the International Military Tribunal, as charged under the indictment heretofore filed against you. For your said crimes on which you have been and now stand convicted Military Tribunal I sentences you, Karl Brandt, to death by hanging. Siegfried Handloser, Military Tribunal I has found you and adjudged you guilty of war crimes, crimes against humanity, as charged under the indictment heretofore filed against you. For your said crimes on which you have been and now stand convicted Military Tribunal I sentences you, Siegfried Handloser, to imprisonment for the full term and period of your natural life, to be served at such prison or prisons, or other appropriate place of confinement, as shall be determined by the competent authority. The United States of America v. Karl Brandt et al., Case No. 1, Military Tribunal I, Sentence, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. II, S. 298. 298 Vgl. Art. XV, S. 1 der Verordnung Nr. 7. 299 Siehe ausführlich zu den verhängten Strafen und zu ihrer Überprüfung durch den Military Governor bzw. den High Commissioner for Germany Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XV, S. 1140 ff.; Schabas, Duke J. Comp. & Int. L. 7 (1997), S. 485 f.; siehe zu den Petitionen Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VX, S. 1144 und 1150 ff. 300 Vgl. den relevanten Wortlaut von Art. XV S. 2 i.V. m. XVII lit. (a) Verordnung Nr. 7: „[T]he Military Governor who shall have the power to mitigate, reduce or otherwise alter

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durch den Militärgouverneur. 301 Zur Vorbereitung seiner Entscheidung bediente sich der den Militärgouverneur ersetzende „United States High Commissioner for Germany“, John J. McCloy, ab März 1950 eines Avisory Boards on Clemency for War Criminals. 302 Durch diese Verfahren wurden die ursprünglich durch die Gerichte verhängten Strafen zahlreich und zum Teil erheblich modifiziert. 303 Im Fall Pohl und im Fall Ministries haben die Kammern ihre eigenen Urteile in einem „supplementary proceeding“ noch einmal überprüft. Dies geschah im Pohl-Fall auf Anregung der Richter durch Befehl des damaligen Militärgouverneurs General Lucius D. Clay vom 7. Juni 1948, „for the purpose of permitting such reconsiderations and revision of its judgement as may be appropriate“, 304 da den Verurteilten ursprünglich verwehrt worden war, eine abschließende Stellungnahme abzugeben, obwohl die Staatsanwaltschaft dies tat. 305 Nachdem den Verurteilten die Möglichkeit gegeben wurde, abschließende Schriftsätze einzureichen, fällten die Richter ein erneutes Urteil über die Verurteilten, bei dem die Strafen teilweise deutlich reduziert wurden. 306 Im Ministries-Fall hatten die Verurteilten mit Anträgen gegen „alleged errors of fact and law“ teilweise Erfolg, was in drei Fällen zu einer Reduzierung der Freiheitsstrafe von sieben auf fünf Jahren führte. 307

cc) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht Diese Defizite hinsichtlich Inhalt und Bezug erfassen eine mögliche nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht bis heute. Daran ändert auch eine mögliche mittelbare „völkergewohnheitsrechtliche Verfestigung“ der Rechtsprechung der Nürnberger Nachfolgeprozesse durch den Verweis anderer interna-

the sentence imposed by the tribunal, but may not increase the severity thereof.“; siehe dazu im Einzelnen Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VX, S. 1142. 301 Vgl. Art. XVIII, S. 1 der Verordnung Nr. 7. 302 Vgl. Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VX, S. 1146 und 1166 ff. 303 Vgl. die Auflistung der Entscheidungen nach den einzelnen Fällen in Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. VX, S. 1180 ff. 304 Order of the Military Governor Reconvening Military Tribunal II and Order of the Tribunal Permitting Defendants to File Additional Brief, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. V, S. 1164. 305 Vgl. United States Military Tribunals sitting in the palace of justice, Nuremberg, Germany at a session of Military Tribunal II, held 14 July 1948, in Chambers, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. V, S. 1166. 306 The United States of America v. Oswald Pohl et al., Case No. 4, „Pohl Case“, Military Tribunal No. II, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. V, S. 1168 ff. 307 The United States of America v. Ernst von Weizäcker et al., Case No. 11, „Ministries Case“, Military Tribunal No. IV, Judgement, Nuremberg Military Tribunals, Trials of War Criminals, vol. XIV, S. 308 ff.

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tionaler Gerichte, insbesondere von ICTY und ICTR, nichts, 308 da sich diese nur auf ausgesuchte Fragen der Strafbarkeit beziehen, nicht aber auf Fragen der Strafbestimmung und Strafzumessung. Daher werden das CCL No. 10 und die Urteile der Nürnberger Nachfolgeprozesse nicht weiter im Rahmen der völkergewohnheitsrechtlichen Rechtsquellen berücksichtigt. 3. Statuten und Urteile sonstiger Militärgerichte Statuten und Urteile sonstiger Militärgerichte können nur dann relevant für die Bestimmung des Völkergewohnheitsrechts sein, 309 wenn die Gerichte zumindest im weiteren Zusammenhang mit völkerrechtlichen mulilateralen Verträgen wie dem CCL No. 10 standen, da nur dann überhaupt in materieller Hinsicht die Möglichkeit besteht, dass den Statuten und Urteilen ein über nationale Urteile hinausgehendes normatives Eigengewicht zukommt, welches in der Lage ist, die Staatenpraxis anderer Völkerrechtssubjekte zu beeinflussen. Da so qualifizierte Militärgerichte im Wesentlichen in den Besatzungszonen des besiegten Deutschlands etabliert wurden, erscheint es gerechtfertigt, den Schwerpunkt der Untersuchung auf diese Gerichte zu legen. 310, 311 a) Entstehungsgeschichte Mit der Proklamation Nr. 1 des „Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces“ (SHAEF) vom 18. September 1944 312 wurde eine einheitliche Militärregierung für die unter der Kontrolle der Alliierten stehenden Gebiete geschaffen, die nicht nur die oberste gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Machtbefugnis an sich zog, sondern auch bis auf weiteres die deutschen Gerich-

308 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 2006, para. 21. 309 Für einen ersten Überblick über die zahlreichen Militärverfahren siehe UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 461 ff. 310 Hinzu kommt, dass die Zugänglichkeit der entsprechenden Quellen ein solches Vorgehen unterstützt und die Aufarbeitung der Grundlagen und Urteile anderer Militärgerichte im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. 311 Dabei wird nicht verkannt, dass Urteile von nicht nach CCL No. 10 qualifizierten Militärgerichten möglicherweise Ausdruck der Staatenpraxis der jeweiligen Staaten sein können; damit müssten diese aber bei der Staatenpraxis der einzelnen Staaten diskutiert bzw. als allgemeine Rechtsgrundsätze berücksichtigt werden und nicht im Rahmen der Suche nach Belegen für Völkergewohnheitsrecht. 312 Military Government – Germany, Supreme Commander’s Area of Control, Proclamation No. 1, Military Government Gazette, Germany, Twelfth Army Group Area of Control, No. 1, 1944, S. 1.

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te schloss (Absatz III Proklamation Nr. 1). Mit Verordnung Nr. 1 313, ebenfalls vom 18. September 1944, erließ der „Supreme Commander Allied Expeditionary Forces“ (SCAEF), General Dwight D. Eisenhower, einen kurzen Strafkodex mit Straftatbeständen, die zum einen die Todesstrafe (Art. 1) und zum anderen „irgendeine Strafe, nicht jedoch die Todesstrafe“ nach sich zogen (Art. 2), und setzte mit Verordnung Nr. 2 314 für das gesamte Kontrollgebiet Militärgerichte (Military Government Courts) ein. 315 In personeller Hinsicht erstreckte sich die Jurisdiktion der Gerichte auf alle Personen im Besatzungsgebiet, mit Ausnahme der Personen, die dem Kriegsrecht unterlagen und unter dem Befehl der Alliierten standen. 316 Sachlich zuständig waren diese Gerichte für Straftaten gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges, für Straftaten gegen die Rechtsetzung der Militärregierung und für Straftaten gegen das Recht des besetzten Gebietes oder Teil desselben. 317 Dabei war die Strafgewalt gemäß Art. III der Verordnung Nr. 2 entsprechend der hierarchischen Abstufung der Gerichte gestaffelt und reichte von der Todesstrafe bis zur Geldstrafe. 318, 319 Das Verfahrensrecht bzw. die Verfahrensbestimmungen für Gerichte der Militärregierung (Rules of Military 313 Military Government – Germany, Supreme Commander’s Area of Control, Ordinance No 1, Military Government Gazette, Germany, Twelfth Army Group Area of Control, No. 1, 1944, S. 2 ff. Intern ermächtigt durch die Direktive des Combined Chiefs of Staff, Directive to Gen. D. Eisenhower: Combined Directive for Military Government in Germany prior to Defeat or Surrender, from Combined Chief of Staff, vom 28. April 1944. 314 Military Government – Germany, Supreme Commander’s Area of Control, Ordinance No. 2, Military Government Gazette, Germany, Twelfth Army Group Area of Control, No. 1, 1944, S. 7 ff., abgedruckt in: Lessing, Der erste Dachauer Prozeß (1945/ 46), Anhang 4, S. 328 ff. 315 Vgl. Rogers, ICLQ 39 (1990), S. 787. 316 Vgl. Art. II Abs. 1 Verordnung Nr. 2. 317 Vgl. Art. II Abs. 2 Verordnung Nr. 2. 318 Im Einzelnen heißt es in Art. III, Powers of Sentence: 3. (a) A General Military Court may impose any lawful sentence including death. (b) an Intermediate military Court may impose any lawful sentence except death, or imprisonment in excess of ten years, or fine in excess of ...(c) A Summary Military Court may impose any lawful sentence except death, or imprisonment in excess of one year, or fine in excess ... (d) Within the limits of the powers given to the court, both a term of imprisonment and a fine may be imposed for the same offence and a further term of imprisonment within the powers of the court may be imposed in default of payment of fine ... (e) In addition to or in lieu of sentence of fine, imprisonment and death, (within its powers), a Military Government Court may make such orders with respect to the person of the accused and the property, premises or business involved in the offence as are appropriate and authorised by the rules of Military Government Courts;...(f) Where an offence is charged under the laws of the occupied territory or any part thereof, the punishment which may be imposed shall not be limited to the punishment provided by such laws. 319 Zu den sonstigen Regelungen siehe die Übersicht bei Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, S. 34 ff.

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Government Courts) 320 wurden ebenfalls vom SHAEF erlassen 321 und bestanden aus einer Mischung aus angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Verfahrensprinzipien und Regelungen, die ein gleichermaßen praktikables wie ordnungsgemäßes Verfahren sicherstellen sollten. 322 Mit der Einrichtung der Besatzungszonen wurden in jeder Besatzungszone die auf Besatzungsrecht ruhenden Military Government Courts beibehalten bzw. erneuert und durch auf nationalem Militärrecht beruhende Military Commissions oder Military Courts komplementiert. Militärgerichte in der amerikanischen Besatzungszone: Nachdem die Alliierten am 5. Juni 1945 die Besatzungszonen eingerichtet hatten, erließ Eisenhower als Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa für die Militärregierung der amerikanischen Zone die Proklamation Nr. 1 vom 14. Juli 1945 323, in der unter anderem erklärt wird, dass die Anordnungen des SHAEF auch für die amerikanische Zone weiter Bestand haben, solange sie nicht ausdrücklich aufgehoben bzw. geändert werden. 324 Folglich galten die Anordnungen in Verordnung Nr. 1 (SHAEF) über Verbrechen und andere strafbare Handlungen sowie die der Verordnung Nr. 2 (SHAEF) über die Einrichtung von Militärgerichten der Militärverwaltung und die Verfahrensbestimmungen für Gerichte der Militärregierung für die amerikanische Besatzungszone im Wesentlichen 325 weiter. 326 Änderungen folgten später durch die Direktiven vom 26. Juni 1946, vom 11. Juli 1946 und 14. Oktober 1946. 327 Mit Verordnung Nr. 7 vom 18. Oktober 1946 wurde die Errichtung besonderer Militärgerichte (Military Tribunals) ermöglicht, die auf der Grundlage des CCL No. 10 Verfahren durchführten. 320 Ein Auszug der wesentlichen Bestimmungen findet sich in Military Government – Germany, Supreme Commander’s Area of Control, Extract, Rules on Military Government Court, Military Government Gazette, Germany, Twelfth Army Group Area of Control, No. 2, 1945, S. 11 ff. 321 Siehe dazu im Einzelnen Lessing, Der erste Dachauer Prozeß (1945/46), S. 66 f. m.w. N.; Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, S. 36. 322 Vgl. dazu im Detail Lessing, Der erste Dachauer Prozeß (1945/46), S. 65 f. 323 Military Government – Germany, Untied States Zone, Proclamation No. 1, Military Government Gazette, Germany, United States Zone, Issue A, 1. June 1946, S. 1 f. 324 Art. III Proklamation Nr. 1. 325 Eine kleine Veränderung wurde durch Änderung der Verordnung Nr. 2 der Militärregierung, Amendment to Military Government Ordinance Nr. 2, vom 30. Januar 1946 vorgenommen, die es nun auch Zivilbeamten der Militärregierung erlaubte, gerichtliche Tätigkeiten zu übernehmen, vgl. Military Government Gazette, Germany, United States Zone, Issue A, 1. June 1946, S. 63. 326 Dementsprechend sind sowohl Verordnung Nr. 1 (SHEAF), Verordnung Nr. 2 (SHEAF) und die Verfahrensbestimmungen für Gerichte der Militärregierung im Amtsblatt der Militärregierung, Deutschland, Amerikanische Zone erneut veröffentlicht worden, vgl. Military Government Gazette, Germany, United States Zone, Issue A, 1. June 1946, S. 57 ff. 327 Vgl. UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. III, Annex III, S. 114; UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 465.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Die durch die Militärregierung geschaffenen Gerichte im besetzten Gebiet (Military Government Courts) wurden innerhalb der amerikanischen Zone durch Militärkommissionen (Military Commissions) ergänzt. Während Erstere ihre Entstehung der Verpflichtung der Besatzer, für Recht und Ordnung im besetzten Gebiet zu sorgen, verdanken, sind Letztere eine alte, schon vor der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika existierende Institution, die im common law gründet und ihren Ursprung in der militärischen Befehlsgewalt hat. Diese auch als American Common Law Court bekannten Gerichte kamen im Zuge des Zweiten Weltkrieges ihrer Aufgabe, Verfahren und Verurteilung aufgrund der Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges durchzuführen, je nach Militärgebiet und Befehlenden auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage nach. Entsprechend den einzelnen Militärkommandos wurden für die Verfolgung von Kriegsverbrechen Militärkommissionen im amerikanischen, mediterranen, pazifischen, chinesischen und dem hier näher zu beleuchtenden europäischen Kriegsgebiet eingerichtet. 328 Die Militärkommissionen für das europäische Kriegsgebiet wurden noch einmal durch einen Befehl Eisenhowers vom 25. August 1945 spezifiziert. Strafen konnten die Militärkommissionen den Manual for Courts-Martial, den Gesetzen der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Recht des Tatorts bzw. des Gerichtsorts entnehmen. Die darin erlaubten Strafen umfassten die Todesstrafe, lebenslange und zeitige Freiheitsstrafe sowie eine Geldstrafe; grausames und ungewöhnliches Strafen war verboten. 329, 330 Militärgerichte in der britischen Besatzungszone: Nachdem mit der Verordnung Nr. 4 vom 14. Juli 1945 331 die Amts- und Machtbefugnisse des Obersten Befehlshabers der Alliierten Streitkräfte auf den Oberbefehlshaber des britischen Kontrollgebiets übergegangen waren, 332 behielt dieser zunächst die Anordnungen des SHAEF bei, so dass auch in der britischen Besatzungszone die Verordnungen Nr. 1 und Verordnung Nr. 2 des SHAEF weiter Bestand hatten. 333 Mit der Verordnung Nr. 68 vom 1. Januar 1947 334

328 Siehe zu den einzelnen Rechtsgrundlagen im jeweiligen Kriegsgebiet UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. III, Annex III, S. 104 f. 329 Vgl. UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. III, Annex III, S. 112. 330 Rückerl, NS-Verbrechen vor Gericht, S. 98, spricht in diesem Zusammenhang von 1021 Angeklagten, von denen 885 verurteilt und 136 freigesprochen wurden; Sigel hingegen spricht von über 1672 Angeklagten, die in sechs Hauptverfahren und 250 Nachfolgeprozessen angeklagt wurden. 1416 Angeklagte wurden verurteilt, davon 426 zum Tode, wenn auch nicht alle Urteile vollstreckt wurden, und 256 Angeklagte freigesprochen, vgl. Sigel, Im Interesse der Gerechtigkeit, S. 38 f. m.w. N. zu den unterschiedlichen Zahlen; siehe auch die Darstellung bei Götz, Bilanz der Verfolgung von NS-Straftaten, S. 26; weitere Zahlen bei Appleman, Military Tribunals and International Crimes, S. 267. 331 Ordinance No. 4, Confirmation of Legalisation, Military Government Gazette, Germany, British Zone of Control, No. 4, 1945, S. 5. 332 Vgl. Rogers, ICLQ 39 (1990), S. 787. 333 Vgl. UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. XV, S. 39; UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 463; Rogers, ICLQ 39 (1990), S. 787. 334 Ordinance No 68, Control Commission Courts, Military Government Gazette, Germany, British Zone of Control, No. 15, 1947, S. 363 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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wurden dann anstelle der ursprünglichen Militärgerichte die sog. „Gerichte der Kontrollkommission in der britischen Zone“ eingeführt, 335 die sich aus einem Obersten Gerichtshof (Supreme Court), der aus einem Obergericht und einem Berufungsgericht bestand, und den Niedergerichten (Summary Courts) zusammensetzten. 336 Diese hatten gemäß Art. III nicht nur die Jurisdiktion für Straftaten gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges und für Straftaten gegen deutsches Recht, sondern unter anderem auch für Straftaten gegen Gesetze des Alliierten Kontrollrats. 337 Damit konnten die Gerichte in der britischen Besatzungszone nun auch Straftaten auf der Grundlage des CCL No. 10 aburteilen. 338 Neben diesen Military Government Courts für die britische Besatzungszone errichtete auch das Vereinigte Königreich von Großbritannien eigene Militärgerichte, die British Military Courts, zur Aburteilung von Kriegsverbrechern für alle Gebiete unter der Kontrolle bzw. Jurisdiktion des Vereinigten Königreichs und damit auch für die britisch besetzte Zone in Deutschland. Grundlage dieser Militärgerichte war die königliche Verordnung (Royal Warrant) vom 14. Juni 1945 339 und damit letztlich die „Royal Prerogative“, also das Vorrecht der Krone, bindende Gesetze zu erlassen. 340 Gemäß den damit einhergehenden „Regulations for the Trial of War Criminals“ 341 hatten diese Gerichte die Jurisdiktion, Straftaten gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges abzuurteilen, die nach dem 2. September 1939 begangen wurden. 342 Regelungen des Prozess- und Beweisrechts entstammten der Royal Warrant selbst und – mit Einschränkungen – den Regelungen, die normalerweise vor dem Field General Court Marshall der britischen Armee zur Anwendung kamen, und die damit letztlich über die Verwei335

Vgl. Art. XXIII und XXIV Verordnung Nr. 68. Vgl. Art. I Verordnung Nr. 68. 337 Im Einzelnen heißt es in Art. III Verordnung Nr. 68: „Control Commission Courts shall have jurisdiction to try: (a) All offences against the laws and usage of war; (b) All offences under any proclamation, law, Ordinance, Notice or Order issued by or under the authority of the Allied Control Council for Germany in force in the British Zone, or by or under the authority of the Supreme Commander of the Allied Forces or of the Commander-in-Chief; (c) All offences against German law.“ 338 Vgl. UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 464; vgl. Rogers, ICLQ 39 (1990), S. 787. 339 Army Order 81/1945 abgedruckt in: UNWCC Doc. C. 131. 27. June 1945; abgeändert durch Royal Warrant vom 4. August 1945, Army Order 127/1945, abgedruckt in: UNWCC Doc. Misc. 13, 22. February 1946 und Royal Warrant vom 30. Januar 1946, Army Order 8/1946 UNWCC Doc. Misc. 13. 340 Vgl. Rogers, ICLQ 39 (1990), S. 786 ff. m.w. N. 341 Siehe zu den Regelungen im Einzelnen UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. I, Annex I, S. 105 ff. 342 Im Einzelnen heißt es in Regulation 1: „In these Regulations if not inconsistent with the context and subject to any express provision to the contrary the following expressions have the following meanings namely:-‚War Crime‘ means a violation of the laws and usages of war committed during any war in which His Majesty has been or may be engaged at any time since the 2nd September, 1939 ...“ und in Regulation 8 (iii): „The court shall take judicial notice of the laws and usages of war.“ Siehe im Einzelnen UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. II, S. 148 f. 336

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

sung der s. 128 „Army Act“ aus dem englischen Strafprozess kamen. 343 Strafen fanden sich in „Regulation 9“ der Royal Warrant, die die Todesstrafe, entweder durch Hängen oder Erschießen, die zeitige oder lebenslange Freiheitsstrafe, die Beschlagnahmung von Vermögen und die Geldstrafe vorsah. 344, 345, 346 Militärgerichte in der französischen Besatzungszone: In der französischen Besatzungszone wurden Verfahren gegen Kriegsverbrecher vor den Militärgerichten der Militärverwaltung (tribunaux de Gouvernement Militaire) durchgeführt. 347 Der Oberbefehlshaber des am 15. Juni 1945 per Dekret geschaffenen französischen Oberkommandos für Deutschland ordnete mit Verordnung Nr. 1 vom 28. Juli 1945 348 an, dass alle bisherigen vom SHAEF erlassenen Verordnungen und Bestimmungen bis auf weiteres in Kraft bleiben sollten. Damit behielten auch die in Verordnung Nr. 1 verfügten

343 Siehe zur Überleitung der Regelungen und den Einschränkungen im Einzelnen UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. I, Annex I, S. 107 f.; generell zu den Prozessregeln vol. II, S. 129 ff. 344 Vgl. UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. I, Annex I, S. 109. Im Einzelnen heißt es dort: A person found guilty by a Military Court of a war crime may be sentenced to and shall be liable to suffer any one or more of the following punishments, namely: (i) Death (either by hanging or by shooting);(ii) Imprisonment for life or for any less term; (iii) Confiscation; (iv) A fine. In a case where the war crime consists wholly or partly of the taking, distribution or destruction of money or other property the Court may as part of the sentence order the restitution of such money or other property and in default of complete restitution award a penalty equal in value to that which has been so taken, distributed or destroyed or not restored. Sentence of death shall not be passed on any person by a Military Court without the concurrence of all those serving on the Court if the Court consists of no more than three members, including the President, or without the concurrence of at least two-thirds of those serving on the Court, if the Court consists of more than three members, including the President. 345 Laut Rückerl, NS-Verbrechen vor Gericht, S. 98 f., wurden vor britischen Militärgerichten insgesamt 1085 Personen in 370 Verfahren angeklagt und 240 Angeklagte zum Tode verurteilt; siehe auch die Darstellung bei Götz, Bilanz der Verfolgung von NSStraftaten, S. 26. 346 Auch kanadische Militärgerichte wurden gemäß der Order The War Crimes Regulations des Governor-General vom 30. August 1945 (P.C. 5831 of 30th. August 1945; vol. II, No. 10 Canadian War Orders and Regulations) und ihrer rückwirkenden Bestätigung durch den The War Measures Act of Canada vom 31. August 1946 innerhalb der britischen Besatzungszone, so in Aurich, errichtet. Rechtsgrundlage und Prozessrecht waren entsprechend der britischen Royal Warrant vom 14. Juni 1945 gestaltet (siehe dazu näher UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 469; wesentliche Ausszüge der Regulations finden sich in UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. IV, Annex, S. 125 ff.). Auch hier war die Prozesstätigkeit auf die Verfolgung von Kriegsverbrechern beschränkt. So heißt es in den Regulations 2 (f):“‚War crime‘ means a violation of the laws or usages of war committed during any war in which Canada has been or may be engaged at any time after the ninth day of September, 1939.“ 347 Vgl. UNWCC, History of the United Nations War Crimes Commission, S. 466 f.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Tatbestände von Verbrechen und anderen strafbaren Handlungen und die durch Verordnung Nr. 2 verfügte Errichtung von Militärgerichten im besetzten Gebiet weiterhin ihre Gültigkeit. Gemäß Art. 1 der Verordnung Nr. 20 vom 25. November 1945 349 wurde die Juridiktion der Gerichte der Militärverwaltung insofern spezifiziert, als sich ihre Zuständigkeit auch auf die Aburteilung von Kriegsverbrechen erstreckte. 350 Die Regelung zur Strafzumessung ist eher vage, da es in Art. 2 der Verordnung Nr. 20 nur heißt: „Zur Bestrafung der Verbrechen können alle Strafen verhängt werden, welche die genannten Gerichte auszusprechen berechtigt sind, einschließlich der Todesstrafe.“ Dies muss wohl dahingehend verstanden werden, dass die Strafen in Art. III der Verordnung Nr. 2 des SHAEF vom 18. September 1944 weiter Bestand hatten. Bei den so neu bestätigten Militärgerichten handelte es sich mithin um schon vor dem Erlass des CCL No. 10 bestehende Militärgerichte, deren Autorität und Zuständigkeit gemäß Art. III Abs. 2 S. 2 CCL No. 10 nicht durch das CCL No. 10 beeinträchtigt wurde. Mit Verordnung Nr. 36 vom 25. Februar 1946 351 wurde die Jurisdiktion dann aber doch auf die im CCL No. 10 genannten Verbrechen erweitert. 352 Auch scheinen die Gerichte bei der Bestrafung ab diesem Zeitpunkt auf die Regelung des Art. II, Abs. 3 CCL No. 10 zurückgegriffen zu haben. 353 Vor diesen Gerichten sollen 2.107 Personen verurteilt worden sein, davon 104 zum Tode. 354

348 Ordonnances du Commandant en Chef, Ordonnance No. 1 Journal officiel, du Commandement en Chef Français en Allemagne, Gouverment Militaire de la Zone Française D’occupation, No. 1, 3. Septembre 1945, S. 1. 349 Ordonnances du Commandant en Chef, Ordonnance No. 20, Journal officiel, du Commandement en Chef Français en Allemagne, Gouverment Militaire de la Zone Française D’occupation, No. 8, 12. Decembre 1945, S. 49 f. 350 Art. 1 der Verordnung Nr. 20 lautet: „Die Gerichte des Gouvernement militaire sind zuständig für die Aburteilung aller derjenigen Kriegsverbrechen, die in den zur Zeit geltenden internationalen Abkommen zwischen den Besatzungsmächten näher gekennzeichnet sind, wenn diese Verbrechen nach dem 1. September 1939 begangen worden und die Täter Angehörige feindlicher Staaten oder Nichtfranzosen sind, die im Dienst der Feinde tätig waren, und wenn diese Verbrechen außerhalb Frankreichs oder außerhalb der Gebiete verübt worden sind, die im Zeitpunkt ihrer Begehung Frankreich unterstanden.“ 351 Ordonnances du Commandant en Chef, Ordonnance No. 36, Journal officiel, du Commandement en Chef Français en Allemagne, Gouverment Militaire de la Zone Française D’occupation, No. 17, 8. Mars 1946, S. 133. 352 Art. 1 der Verordnung Nr. 36 lautet: „Gemäß Gesetz Nr. 10 des Conseil de Contrôle Interallié über die Bestrafung der Personen, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, sind die Gerichte des Gouvernement Militaire de la Zone Française D’occupation en Allemagne für die Aburteilung der in dem vorgenannten Gesetz aufgeführten Verbrechen zuständig.“ 353 So berichtet das UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. XIII, S. 121, dass das Urteil vom 29. November 1946 im Fall Albert Wagners zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe auf Art. II Abs. 3 CCL No. 10 beruht. 354 Vgl. Rückerl, NS-Verbrechen vor Gericht, S. 99; umfangreiche Verfahren wurden gegen das Personal des Konzentrationslagers Neue Bremm und verschiedener Nebenlager des Konzentrationslagers Natzweiler durchgeführt; vgl. Götz, Bilanz der Verfolgung von NS-Straftaten, S. 26.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Auch die Franzosen hatten neben den Gerichten der Militärregierung durch eine Verordnung vom 28. August 1944 für die Aburteilung von Kriegsverbrechen zwar nicht neue Gerichte geschaffen, aber diese Verfahren schon existierenden Militärgerichten zugewiesen. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung knüpfte ihre Jurisdiktion zum einen an das Territorialprinzip an und erstreckte sich daher nicht auf die französische Zone, sondern im Wesentlichen nur auf Frankreich und seine Kolonie. Zum anderen erfasste die Jurisdiktion alle Verbrechen, die gegen Franzosen bzw. ihnen gleichgestellte Personen begangen wurden, so dass mithilfe des passiven Personalitätsprinzips viele Verfahren gegen NS-Verbrecher vor französischen Militärgerichten in Frankreich, insbesondere in Strasbourg und Lyon, verhandelt wurden. 355 Art. 1 Abs. 1 der Verordnung setzte ferner fest, dass die Urteile in Übereinstimmung mit geltendem französischen Recht gesprochen werden sollten. Das Verfahren vor den Gerichten folgte demnach zunächst der Verordnung, dann dem französischen Militärrecht (Code de Justice Militaire) und Strafrecht (Code Pénal). 356 Im französischen Militärrecht verweist das Kapitel mit den anwendbaren Strafen neben Möglichkeiten der Degradation und Strafen für ein Vergehen weiter auf das französische Strafrecht und dort insbesondere auf Art. 7 und 8 Code Pénal 357 Dort wird aber nur die Strafart vorgegeben, die individuelle Strafe ergibt sich aus den einzelnen Normen des besonderen Teils des französischen Strafrechts, die in die Jurisdiktion der Militärgerichte fielen (siehe Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 der Verordnung). 358 Damit ist hinreichend belegt, dass die Bereiche von Strafe und Strafzumessung bei den französischen Militärgerichten im nationalen Recht verankert waren. Verurteilt wurden vor diesen Gerichten außerhalb der Besatzungszone 2.874 Personen, davon 956 in Abwesenheit. 359

355 Art. 1 Abs. 1 der Verordnung lautet: „Enemy nationals or agents of other than French nationality who are serving the enemy administration or interests and who are guilty of crimes or delicts committed since the beginning of the hostilities, either in France or in territories under the authority of France, or against a French national, or a person under French protection, or a person serving or having served in the French armed forces, or a stateless person resident in French territory before 17 th June, 1940, or a refugee residing in French territory, or against the property of any natural persons enumerated above, and against any French corporate bodies, shall be prosecuted by French military tribunals and shall be tried in accordance with the French laws in force, and according to the provisions set out in the present Ordinance, where such offences even if committed at the time or under the pretext of an existing state of war, are not justified by the laws and customs of war.“ 356 Siehe ausführlich zum Verfahrensrecht vor französischen Militärgerichten UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. III, Annex II, S. 97 ff. 357 Im Einzelnen lauten die Paragraphen wie folgt: (6) The penalties for crime are either corporal and ignominious, or simply ignominious. (7) The penalties which are corporal and ignominious are: (1) death; (2) penal servitude for life; (3) deportation; (4) penal servitude for a term; (5) detention; (6) confinement. (8) The ignominious penalties are: (1) banishment; (2) civic degradation. 358 Vgl. näher UNWCC, Law Reports of Trials of War Criminals, vol. III, Annex II, S. 96 f. 359 Nach Götz, Bilanz der Verfolgung von NS-Straftaten, S. 28.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Militärgerichte in der sowjetischen Besatzungszone: Die mit Befehl Nr. 1 des Oberbefehlshabers der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Marshall Georgi K. Schukow, am 9. Juni 1945 errichtete Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) übte die Besatzungsgewalt in der sowjetischen Besatzungszone aus. 360 Mit Befehl des Volkskommissars des Innern der UdSSR, Lawrenti P. Berija, vom 18. April 1945 wurde die Verhaftung und Internierung von Deutschen, die in das NS-Regime verstrickt waren, angeordnet. Interniert wurden auch Deutsche, denen Spionage bzw. Diversionstätigkeiten oder Waffenbesitz nach der Kapitulation vorgeworfen wurden. 361 In den elf, teilweise in ehemaligen Konzentrationslagern errichteten Speziallagern, sog. „Spezlagern“, wurden neben Soldaten und Funktionsträgern auch zahlreiche weitere Deutsche aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Gegnerschaft zur Besatzungsmacht inhaftiert. 362 Die genaue Zahl und Zusammensetzung der Inhaftierten ist bis heute nicht geklärt. 363 Deutsche Schätzungen gehen von rund 180.000 Internierten aus, von denen zwischen 65.000 und 80.000 aufgrund unmenschlicher Bedingungen, Hunger und Seuchen in den Lagern starben. 364 Ähnlich unklar ist die Zahl der von den Gerichten der sowjetischen Besatzungszone und den sowjetischen Militärgerichten durchgeführten Verfahren. So bestehen nicht nur Unsicherheiten bezüglich der Gesamtzahl der Verfahren innerhalb der sowjetischen Besatzungszone, 365 sondern auch bezüglich der gegen die in den Spezlagern inhaftierten Personen angestrengten Verfahren. Nach sowjetischen Angaben sollen bis zum 1. Januar 1947 von den 65.138 wegen ihrer Mitgliedschaft in einer vom IMT als verbrecherisch eingestuften Organisation inhaftierten Personen 17.175 durch sowjetische Militärtribunale auf der Grundlage des CCL No. 10 verurteilt worden sein. Weitere 14.098 Personen mussten sich – so die offiziellen Angaben – wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gerichten der sowjetischen Besatzungszone verantworten, davon wurden 142 freigesprochen. Ein Teil der verbleibenden Inhaftierten wurde – so die offizielle sowjetische Lesart – wegen konterrevolutionärer Verbrechen gemäß Art. 58 des russischen Strafgesetzbuchs verurteilt. 366 Unklarheit besteht auch in Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Verfahren. Weder ist einwandfrei geklärt, ob die Verfahren tatsächlich den Ermächtigungen aufgrund

360 Siehe zur Verwaltungsstruktur im Einzelnen Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NSStraftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 33 f. 361 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 34. 362 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 35. 363 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 36 ff. 364 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 37. 365 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 38 m.w. N.; siehe auch Rückerl, NS-Verbrechen vor Gericht, S. 99 f. 366 Vgl. im Einzelnen Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 36 m.w. N.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

des CCL No. 10 entsprachen, noch welche anderen Rechtsgrundlagen herangezogen wurden. Ein Großteil der Verurteilungen soll jedoch auf der Grundlage des russischen Strafgesetzbuchs erfolgt sein. 367 Da die Verfahren rechtstaatlichen Anforderungen kaum Genüge taten, 368 kann die normative Auswirkung auf das Völkergewohnheitsrecht, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt sein.

Die Anzahl der Verfahren und Verurteilungen war in den westlichen Besatzungszonen bzw. in der östlichen Besatzungszone ganz erheblich, so dass diese schon allein quantitativ eine beträchtliche Auswirkung auf die Rechtsquellen des ICC haben könnten, wenn sie denn als Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht angesehen werden könnten. b) Rechtliche Bewertung Die Unterteilung der Militärgerichte in auf Besatzungsrecht beruhende Gerichte der Militärregierung (Military Government Courts) und in die dem nationalen Militärrecht bzw. der Rechtsetzungsmacht entspringenden sonstigen Militärkommissionen (Military Commissions) bzw. Militärgerichte (Military Courts) spiegelt sich in der rechtlichen Bewertung der Militärgerichte für das Völkerstrafrecht wider: aa) Statuten und Urteile der Militärkommissionen und Militärgerichte Bei den Militärkommissionen und Militärgerichten bestimmten sich die Einsetzung der Gerichte, Gerichtsaufbau, Prozessrecht und Straftatbestände, sofern sie nicht den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges entnommen werden konnten, nach eigenem nationalen Recht, sei es Militär- und / oder Strafrecht. Richter, Ankläger und Verteidiger entstammten überwiegend dem Militär der jeweiligen Nationen (wenn auch zuweilen die Richterbank um Militärs vor Ort oder Opfer des Verbrechens ergänzt wurde). Die in den Statuten vorhandenen Strafen wurden meist mit Bezug auf nationales Strafrecht verhängt. All dies weist diese Gerichte als nationale Gerichte aus, so dass ihre Statuten und Urteile nur als Übung der jeweiligen Staaten angesehen werden können, ohne darüber hinaus Beleg für gefestigtes Völkergewohnheitsrecht zu sein. 369 367 Siehe dazu im Einzelnen Wieland, Die Nürnberger Prinzipien im Spiegel von Gesetzgebung und Spruchpraxis sozialistischer Staaten, S. 103 ff. m.w. N.; Götz, Bilanz der Verfolgung von NS-Straftaten, S. 28. 368 Vgl. Meyer-Seitz, Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, S. 38 f.; Götz, Bilanz der Verfolgung von NS-Straftaten, S. 28. 369 So für die englischen Militärgerichte gemäß Royal Warrant vgl. Erdemovi´c, IT96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Separate and Dissenting Opinion of Judge Cassese, 7. October 2006, para. 21.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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bb) Statuten und Urteile der Gerichte der Militärregierung Die rechtliche Bewertung der Statuten und Urteile der Gerichte der Militärregierung ist hingegen vielschichtiger: Zwar lassen sich die Gerichte in den einzelnen Besatzungszonen auf die Verordnung Nr. 1 und Nr. 2 des SHAEF zurückführen, ihre rechtliche Existenz verdanken sie aber letztlich der Übertragung durch die einzelnen Verordnungen in den Zonen der jeweiligen Besatzungsmächte. Da zu diesem Zeitpunkt die Regelungen des CCL No. 10 noch nicht niedergelegt waren, bestimmen sich die möglichen völkergewohnheitsrechtlichen Folgen der Urteile bis zur Erweiterung der Jurisdiktion um die Straftatbestände des CCL No. 10 allein nach der rechtlichen Qualifikation der Gerichte. Da diese durch Anordnungen der jeweiligen militärischen Oberbefehlshaber bzw. der englischen Krone entstanden sind, sind die Gerichte in formeller Hinsicht als Besatzungsgerichte zu qualifizieren und nicht als internationale Gerichte. Trotzdem eröffnen sie die Möglichkeit, Staatenpraxis oder Übung des jeweiligen Staates zu belegen – vorausgesetzt, sie haben einen (weiteren) völkerrechtlichen Bezug im Kriegsrecht; denn auch wenn Besatzungsgerichte im engeren Sinn keine Gerichte der einzelnen Staaten sind, können sie doch den entsprechenden Exekutivorganen der einzelnen Besatzungsmacht zugerechnet werden. 370 Erst mit Erlass des CCL No. 10 und der Verordnung Nr. 68 in der britischen Besatzungszone bzw. der Verordnung Nr. 36 in der französischen Besatzungszone wurde die Jurisdiktion der Besatzungsgerichte um die Straftatbestände des CCL No. 10 erweitert. Damit ließe sich aber auch ab diesem Zeitpunkt die Jurisdiktion auf die Moskauer Erklärung und das Londoner Abkommen zurückführen. Ein direkter Vergleich mit den Nürnberger Nachfolgeprozessen verbietet sich dennoch, da – anders als bei den Spruchkammern der Nürnberger Nachfolgeprozesse, die eigens für die Aburteilung aufgrund des CCL No. 10 geschaffen wurden und deren Jurisdiktion sich nur nach den Straftatbeständen des CCL No. 10 richtete – im Fall der Gerichte der Militärregierung die Jurisdiktion entweder auf ohnehin schon bestehende Gerichte zusätzlich übertragen wurde (Amerika und Frankreich) oder aber bei der Schaffung eines neuen Gerichtszweigs den schon bestehenden Straftatbeständen hinzugefügt wurde (Großbritannien). Damit bewegt sich die rechtliche Beurteilung dieser Prozesse in einem Spannungsverhältnis zwischen der formalen Stellung der Gerichte als Besatzungsgerichte und den Konsequenzen, die sich aus den dem Londoner Abkommen entspringenden Regelungen des CCL No. 10 ergeben. Die Schlussfolgerungen für den Beweis von Völkergewohnheitsrecht dürfen aber nicht überbewertet werden, da sie zum einen schon bei den Nürnberger Nachfolgeprozessen begrenzt waren, und zum anderen hier die Militärgerichte ihre Jurisdiktion nur um die Straftatbe370

Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 106.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

stände des CCL No. 10 erweitert, nicht aber die sonstigen Regelungen des CCL No. 10 übernommen haben. Bedenkt man, dass vorhandene Lücken mit nationalem Recht aufgefüllt wurden, sind – zumindest für die hier entscheidenden Fragen der Strafe und Strafzumessung – die Urteile der Gerichte der Militärregierungen in den einzelnen Besatzungszonen eher dem Bereich des national geprägten Besatzungsrechts zuzuordnen, so dass sie zwar einzelstaatliche Übung belegen können, ihnen aber kein besonderes Eigengewicht zur Bestimmung des Völkergewohnheitsrecht zukommt. cc) Zeitlich nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht Wer aufgrund der faktischen Wirkung der Urteile in den Verfahren vor dem ICTY und ICTR bzw. wegen der Bezugnahme in der Literatur versucht ist, die Urteile dennoch in die Nähe einer völkergewohnheitsrechtlichen Bedeutung zu rücken, muss dabei in jedem Fall berücksichtigen, dass den Urteilen, wenn, dann nur eine schwache und in ihrer normativen Auswirkung hinter den Urteilen der Nürnberger Nachfolgeprozesse anzusiedelnde Wirkung zukommen kann, da sie nicht für die ausschließliche Aburteilung der in CCL No. 10 genannten Verbrechen geschaffen wurden. Letztlich sind normative Wirkung und mögliche Ausbeute für die hier zu entscheidende Frage der Strafzumessung zu gering, als dass die Statuten und Urteile der Gerichte der Militärregierung hier weiter berücksichtigt werden sollen. 4. Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha a) Entstehungsgeschichte aa) Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) Nachdem alle Versuche einer staatlichen Neuordnung der Sozialistisch-Föderativen Republik Jugoslawien gescheitert waren, 371 erklärten nach freien Wahlen zunächst Kroatien und Slowenien am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit und beriefen sich auf ihr Recht der Sezession vom jugoslawischen Bundesstaat; dem folgte am 15. Oktober 1991 die Unabhängigkeitserklärung Bosnien-Herzegowinas nach, mit der anschließenden Ausrufung der Republik Bosnien-Herzegowina am 9. Januar 1992. 372 Folge dieser Unabhängigkeitsbestrebungen war

371 Siehe zu den einzelnen Versuchen der Neuordnung Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 104 f. m.w. N.; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 114 f.

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das Eingreifen der serbisch dominierten jugoslawischen Bundesarmee, 373 die ihre militärischen Aktionen zunächst auf Teile Sloweniens konzentrierte, um dann, nach dem Waffenstillstand vom 1. Juli 1991, zuerst Teile Kroatiens 374 und gegen Ende 1991 auch Teile Bosnien-Herzegowinas 375 zu besetzen. 376 Im Laufe der Auseinandersetzung kontrollierte die jugoslawische Armee entlang der serbischen Siedlungsschwerpunkte rund ein Drittel des kroatischen und zwei Drittel des bosnisch-herzegowinischen Gebiets. 377 Schon bald entwickelte sich die militärische Auseinandersetzung in Kroatien und Bosnien-Herzegowina zu einem Bürgerkrieg, und es wurden erste Berichte über Grausamkeiten und Verletzungen grundlegender Rechte des humanitären Völkerrechts bekannt. 378 Trotz erheblicher Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft (EG) und ihrer Mitgliedsstaaten konnte eine weitere Verschärfung des Konflikts nicht mehr aufgehalten werden, 379 so dass die EG, ihre Mitgliedsstaaten, vorneweg Deutschland und zahlreiche andere Staaten ihr Heil in der Anerkennung der Staatlichkeit von Kroatien und Slowenien sowie später auch der von Bosnien-Herzegowina suchten. Nichts desto trotz eskalierte der Konflikt 380 und entwickelte sich zu einem äußerst grausamen Bürgerkrieg mit systematischen Vertreibungen, Massakern und Vergewaltigungen der Zivilbevölkerung, der letztlich zur ethnischen Säuberung ganzer Regionen führte. 381 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen reagierte mit zahlreichen Resolutionen auf den Konflikt. 382 In Resolution 808 vom 22. Februar 1993 383 stellte 372 Vgl. Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 105; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 115; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 233. 373 Siehe zur Rolle der Serbischen Bundesarmee ausführlich die Darstellung bei Tadi´c, IT-94-1-T, „Prijedor“, Trial Chamber, Opinion and Judgement, 7. May 1997, para. 104 ff. 374 Siehe zur Entwicklung genauer Franz, Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach dem Völkerstrafrecht, S. 15 f. 375 Siehe zur Entwicklung genauer Franz, Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach dem Völkerstrafrecht, S. 16 f. 376 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 115; ausführlich Tadi´c, IT-94-1-T, „Prijedor“, Trial Chamber, Opinion and Judgement, 7. May 1997, para. 122 ff. 377 Vgl. Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 106. 378 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 115. 379 Siehe im Einzelnen zu diesen Bemühungen Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 106 f. m.w. N. 380 Vgl. Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 108. 381 Vgl. dazu König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 233 f. m.w. N. 382 Die wichtigsten sind bei Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 109 ff. aufgelistet. Zu den für die rechtliche Beurteilung bzw. die Errichtung des ICTY

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

er fest, dass die Kriegshandlungen im ehemaligen Jugoslawien den internationalen Frieden und die Sicherheit bedrohten und ein internationaler Strafgerichtshof einzusetzen sei. 384 Zur Umsetzung dieses Ziels sollte der Generalsekretär der Vereinten Nationen konkrete Vorschläge ausarbeiten. 385 Der entsprechende Bericht des Generalsekretärs vom 3. Mai 1993 386 schlug die Errichtung eines internationalen Gerichtshofs als Maßnahme nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen vor und enthielt auch den Entwurf eines Statuts. Daraufhin setzte der besonders relevanten Resolutionen zählen: die Mahnung, dass das humanitäre Völkerrecht auf den Konflikt Anwendung finden werde und daher von den Konfliktparteien einzuhalten sei, insbesondere dass Einzelne für die Verletzungen dieser Rechte zur Verantwortung gezogen werden könnten (S.C. Res. 764, 13. Juli 1992, 3093th mtg., U.N. Doc. S / RES/ 764 (1992), abgedruckt in: VN 40 (1992), S. 214); die Verurteilung konkreter Verbrechen wie willkürliche Ermordung oder Verstümmelung (S.C. Res. 771, 13. August 1992, 3106th mtg., U.N. Doc. S / RES/771 (1992)); die Einsetzung einer Expertenkommission zur Sammlung von Informationen über die Verletzung humanitären Völkerrechts (S.C. Res. 780, 6. Oktober 1992, 3119th mtg., U.N. Doc. S / RES/780 (1992)); die Verurteilung systematischer Internierungen und Vergewaltigungen von Frauen in Bosnien-Herzegowina (S.C. Res. 798, 14. Dezember 1992, 3150th mtg., U.N. Doc. S / RES/798 (1992)). 383 S.C. Res. 808, 22. Februar 1993, 3175th mtg., U.N. Doc. S / RES/808 (1993), abgedruckt in: VN 41 (1993), S. 71. 384 Die entscheidenden Passagen der Resolution lauten wie folgt: The Security Council, ... Expressing once again its grave alarm at continuing reports of widespread violations of international humanitarian law occurring within the territory of the former Yugoslavia, including reports of mass killings and the continuance of the practice of „ethnic cleansing“, Determining that this situation constitutes a threat to international peace and security, Determined to put an end to such crimes and to take effective measures to bring to justice the persons who are responsible for them, Convinced that in the particular circumstances of the former Yugoslavia the establishment of an international tribunal would enable this aim to be achieved and would contribute to the restoration and maintenance of peace, ... 1. Decides that an international tribunal shall be established for the prosecution of persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia since 1991; 2. Requests the Secretary-General to submit for consideration by the Council at the earliest possible date, and if possible no later than 60 days after the adoption of the present resolution, a report on all the aspects of this matter, including specific proposals and where appropriate options for the effective and expeditious implementation of the decision contained in paragraph 1 above, taking into account suggestions put forward in this regard by Member States; 3. Decides to remain actively seized of the matter. 385 Siehe die Liste der Vorschläge: Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 2 of Security Council Resolution 808 (1993), presented 3. May 1993 (S/25704), para. 13.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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Sicherheitsrat unter Bezugnahme auf Resolution 808 mit Resolution 827 am 25. Mai 1993 387 das „International Tribunal for the Prosecution of Persons Responsible for Serious Violations of International Humanitarian Law Committed in the Territory of the Former Yugoslavia since 1991“ (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, ICTY) ein. 388 Der Konflikt selbst konnte erst

386 Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 2 of Security Council Resolution 808 (1993), presented 3. May 1993 (S/25704), abgedruckt in: Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 217 ff. 387 S.C. Res. 827, 3217th mtg., U.N. Doc. S / RES/827 (1993), abgedruckt in: VN 41 (1993) S. 156. 388 Die entscheidenden Passagen der Resolution lauten wie folgt: The Security Council, ... Expressing once again its grave alarm at continuing reports of widespread and flagrant violations of international humanitarian law occurring within the territory of the former Yugoslavia, and especially in the Republic of Bosnia and Herzegovina, including reports of mass killings, massive, organized and systematic detention and rape of women, and the continuance of the practice of „ethnic cleansing“, including for the acquisition and the holding of territory, Determining that this situation continues to constitute a threat to international peace and security, Determined to put an end to such crimes and to take effective measures to bring to justice the persons who are responsible for them, Convinced that in the particular circumstances of the former Yugoslavia the establishment as an ad hoc measure by the Council of an international tribunal and the prosecution of persons responsible for serious violations of international humanitarian law would enable this aim to be achieved and would contribute to the restoration and maintenance of peace, Believing that the establishment of an international tribunal and the prosecution of persons responsible for the above-mentioned violations of international humanitarian law will contribute to ensuring that such violations are halted and effectively redressed, ... Reaffirming in this regard its decision in resolution 808 (1993) that an international tribunal shall be established for the prosecution of persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia since 1991, ... Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, 1. Approves the report of the Secretary-General; 2. Decides hereby to establish an international tribunal for the sole purpose of prosecuting persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia between 1 January 1991 and a date to be determined by the Security Council upon the restoration of peace and to this end to adopt the Statute of the International Tribunal annexed to the above-mentioned report; ...

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

nach massivem Eingreifen der NATO mit dem Friedensabkommen von Dayton beendet werden. bb) Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) Ausgangspunkt des Völkermords in Ruanda war der Konflikt zwischen Bahutu und Batutsi, 389 der erneut im Oktober 1990 im sog. Oktoberkrieg eskalierte. 390 In Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen wurde von beiden Seiten das Feindbild auf ethnische Zugehörigkeiten verkürzt und geschürt. 391 Die innenpolitischen Spannungen Ruandas nahmen zu. 392 Menschen wurden auf beiden Seiten wegen der vermeintlichen Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Volksgruppe umgebracht. 393 Die vom Sicherheitsrat mit Resolution 872 vom 5. Oktober 1993 394 eingesetzte Blauhelmmission UNAMIR konnte die Eskalation nicht mehr verhindern. 395 Als das Flugzeug der Präsidenten von Ruanda, Juvénal Habyarimana, und von Burundi, Cyprien Ntaryamira, beim Landeanflug auf Kigali 4. Decides that all States shall cooperate fully with the International Tribunal and its organs in accordance with the present resolution and the Statute of the International Tribunal and that consequently all States shall take any measures necessary under their domestic law to implement the provisions of the present resolution and the Statute, including the obligation of States to comply with requests for assistance or orders issued by a Trial Chamber under Article 29 of the Statute; ... 389 Siehe zur Situation während der ersten und zweiten Republik ausführlich Schürings, VN 42 (1994), S. 129 f.; zum Einsatz von Rassenhass zur Machterhaltung in dieser Zeit van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 20. 390 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 119. 391 Vgl. näher zur Situation während des sog. Oktoberkrieges Schürings, VN 42 (1994), S. 130; van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 21 f. 392 Als Gründe werden der weiter schwelende Krieg, die Einführung eines Mehrparteiensystems (vgl. zu den Parteien Akayesu, ICTR-96-4-T, Trial Chamber Judgement, 2. September 1998, para. 94; ausführlich van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 23 ff.), politischer Missbrauch der Presse (vgl. Schürings, VN 42 (1994), S. 130), Autoritätsverlust des Staates und wirtschaftlicher Niedergang genannt (vgl. ausführlich Schürings, VN 42 (1994), S. 130 f.). Zwar wurde dem Krieg unter der Schirmherrschaft der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) mit dem Friedensabkommen vom 4. August 1993 zunächst Einhalt geboten, allerdings beschleunigten die darin ausgehandelten Regelungen die Bruchlinien zwischen den regionalen und ethnischen Zugehörigkeiten (vgl. Schürings, VN 42 (1994), S. 131). 393 Zu den Ereignissen nach dem Friedensabkommen siehe Akayesu, ICTR-96-4-T, Trial Chamber Judgement, 2. September 1998, para. 102 ff. 394 S.C. Res. 872, 5. Oktober 1993, 3288th mtg., U.N. Doc. S / RES/872 (1993), abgedruckt in: VN 42 (1994), S. 79. 395 Das hatte mehrere Gründe: Zunächst stieß die Blauhelmmission bei der neu gebildeten ruandischen Regierung, Armee und Bevölkerung auf wenig Gegenliebe, da sie ein

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am 6. April 1994 abgeschossen wurde und die Insassen starben, brach erneut ein offener Krieg zwischen den Bevölkerungsgruppen aus, 396 der sich dann zu dem Morden, Vergewaltigen und Plündern steigerte, das die Welt vor Entsetzen erstarren ließ. 397 Es wird geschätzt, dass zwischen April und Juli 1994 rund eine halbe bis eine Million Menschen starben, eineinhalb Millionen Menschen sich innerhalb Ruandas auf der Flucht befanden und in einer ersten Flüchtlingswelle Hunderttausende, später in einer zweiten Flüchtlingswelle sogar zwei Millionen Menschen ins Ausland flohen bzw. dorthin vertrieben wurden. 398 Weder die späte Verstärkung von UNAMIR auf 5.500 Mann, 399 noch die marginale Verbesserung des Mandats, 400 noch die spätere Intervention Frankreichs, 401 die zum Ende hin von den Vereinigten Staaten von Amerika und der Western European Union (WEU) unterstützt wurde, konnten die Massaker aufhalten. 402 Erst als die Ruandische Patriotische Front (RPF) am 4. Juli 1994 die Kontrolle über Kigali bzw. am 17. Juli 1994 über den Rest des Landes erlangte, fanden die Massaker ein Ende. 403 Die RPF erklärte am 18. Juli 1994 den Krieg für beendet und rief am 19. Juli 1994 eine neue Regierung aus. 404 großes Kontingent an belgischen Blauhelmen besaß und aufgrund ihres Mandates nicht in den Konflikt militärisch eingriff. Hinzu kam, dass die Tötung von zehn belgischen Blauhelmen, die – nachdem sie sich ergeben hatten – von Soldaten der FAR erschossen worden waren, dazu führte, dass die Belgier ihr Kontingent zurückzogen und sich der UN-Sicherheitsrat schließlich am 21. April 1994 mit Resolution 912 (1994), abgedruckt in: VN 42 (1994) S. 149 f., entschloss, das Mandat neu zu gestalten und die Anzahl der Blauhelmsoldaten auf 450 zu reduzieren; vgl. Schürings, VN 42 (1994), S. 132. 396 Zu den Vorkommnissen in den Tagen nach dem Abschuss siehe Akayesu, ICTR96-4-T, Trial Chamber Judgement, 2. September 1998, para. 107 ff. 397 Vgl. Schürings, VN 42 (1994), S. 125; siehe im Einzelnen zu den Ereignissen, die auf den Abschuss des Flugzeugs folgten van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 25 f. 398 Siehe den Bericht der UN-Menschenrechtskommission vom Juni 1944, UN Doc. E / CN. 4/1995/7, S. 7; siehe im Einzelnen Schürings, VN 42 (1994), S. 125. Diese unvorstellbaren Zahlen erhalten eine weitere erschreckende Dimension, wenn man bedenkt, dass die Einwohnerzahl Ruandas zu dieser Zeit ungefähr bei 7 Millionen lag und das Land der Größe Hessens entspricht. 399 S.C. Res. 918, 17. Mai 1994, 3377th mtg., U.N. Doc. S / RES/918, abgedruckt in: VN 42 (1994), S. 151 f., vgl. Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 305. 400 Vgl. Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 305. 401 Siehe dazu Resolution 929 des Sicherheitsrates vom 22. Juni 1994, abgedruckt in: VN 42 (1994), S. 153 f.; siehe zu den fragwürdigen Hintergründen des anfänglichen französischen Engagements Schürings, VN 42 (1994), S. 133. 402 Vgl. Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 305. 403 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 119 m.w. N.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Der Sicherheitsrat forderte mit Resolution 935 vom 1. Juli 1994 405 den Generalsekretär zur Einsetzung einer Expertenkommission auf, die den Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und dem Verdacht auf Völkermord nachgehen sollte. Die Expertenkommission empfahl am 1. Oktober 1994 406 die Einsetzung eines internationalen Strafgerichtshofs und äußerte in ihrem Abschlussbericht die Ansicht, dass die in Ruanda begangenen eklatanten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht auch Relevanz hinsichtlich eines Völkermords hätten. 407 Die neue ruandische Regierung forderte in einem Schreiben vom 28. September 1994 408 vom Sicherheitsrat die Einsetzung eines „International Criminal Tribunal for Rwanda“ (ICTR), den dieser – letztlich gegen die Stimme Ruandas 409 – als Maßnahme nach Kapitel VII UN-Charta mit Resolution 955 vom 8. November 1994 410 auch einsetzte. 411 Da sowohl das Gericht in Jugoslawien als auch das Gericht in Ruanda durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates geschaffen wurden, kann die völkerge-

404 Vgl. Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 305. 405 S.C. Res. 935, 1. Juli 1994, 3400th mtg., U.N. Doc. S / RES/935, abgedruckt in: VN 42 (1994), S. 154 f. 406 Brief des Generalsekretärs vom 1. Oktober 1994, UN Doc. S/1994/1125. 407 Siehe dazu im Einzelnen Sunga, Hum. R. L. J. 16 (1995), S. 121 ff. 408 Brief des permanenten Stellvertreters Ruandas bei den Vereinten Nationen vom 28. September 1944, UN Doc. S / PRST/1994/21. 409 Siehe zu den Gründen m.w. N. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 120, in Fn. 714. 410 S.C. Res. 955, 8. November 1994, 3453th mtg., U.N. Doc. S / RES/955 (1994), abgedruckt in: van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, Appendix I, S. 307 ff. 411 Die entscheidenden Passagen der Resolution lauten wie folgt: The Security Council, ... Expressing once again its grave concern at the reports indicating that genocide and other systematic, widespread and flagrant violations of international humanitarian law have been committed in Rwanda, Determining that this situation continues to constitute a threat to international peace and security, Determined to put an end to such crimes and to take effective measures to bring to justice the persons who are responsible for them, Convinced that in the particular circumstances of Rwanda, the prosecution of persons responsible for serious violations of international humanitarian law would enable this aim to be achieved and would contribute to the process of national reconciliation and to the restoration and maintenance of peace, Believing that the establishment of an international tribunal for the prosecution of persons responsible for genocide and the other above-mentioned violations of interna-

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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wohnheitsrechtliche Bedeutung für beide Gerichtshöfe gemeinsam diskutiert werden. b) Rechtliche Bewertung Völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung kann den Statuten bzw. den Urteilen dieser beiden Gerichtshöfe nur dann zukommen, wenn die Ad-hoc-Gerichtshöfe durch Resolutionen im Rahmen der Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates gemäß Kapitel VII der UN-Charta zur Sicherung bzw. Wiederherstellung des internationalen Friedens und der Sicherheit rechtmäßig geschaffen wurden. Denn nur eine innerhalb der Kompetenzen des Sicherheitsrats erlassene Resolution kann ein internationales Gericht schaffen, welches in der Lage ist, andere Völkerrechtssubjekte zu binden und rechtmäßig eine Jurisdiktion über den Einzelnen auszuüben. 412 Ist die Errichtung der Ad-hoc-Gerichtshöfe rechtmäßig, so ist trotz der Bindung anderer Völkerrechtssubjekte und des Einzelnen damit noch nicht gänzlich die Rechtsnatur von Statuten und Urteilen geklärt. So können die Statuten selbst schon Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht sein oder sich erst durch Übung und Rechtsüberzeugung in der Spruchpraxis zum Völkergewohnheitsrecht verdichten. Die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe können mit ihrem Eigengewicht selbst Völkergewohnheitsrecht begründen oder schon bestehendes Völkergewohnheitsrecht belegen. aa) Ad-hoc-Gerichtshöfe als Organe des Sicherheitsrates Rechtmäßig war die Errichtung der Ad-hoc-Gerichtshöfe durch die Resolutionen des Sicherheitsrates dann, wenn sich aus Kapitel VII der UN-Charta eine entsprechende Kompetenz für den Sicherheitsrat ableiten lässt. Gemäß Art. 39 tional humanitarian law will contribute to ensuring that such violations are halted and effectively redressed, ... Acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, 1. Decides hereby, having received the request of the Government of Rwanda (S/1994/ 1115), to establish an international tribunal for the sole purpose of prosecuting persons responsible for genocide and other serious violations of international humanitarian law committed in the territory of Rwanda and Rwandan citizens responsible for genocide and other such violations committed in the territory of neighbouring States, between 1 January 1994 and 31 December 1994 and to this end to adopt the Statute of the International Criminal Tribunal for Rwanda annexed hereto; 2. Decides that all States shall cooperate fully with the International Tribunal and its organs in accordance with the present resolution and the Statute of the International Tribunal ...; ... 412 Siehe zum ICTY Heintschel v. Heinegg, HUV (1996), S. 77.

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UN-Charta setzt dies zunächst voraus, dass der Sicherheitsrat die „Bedrohung des Friedens“ feststellt. Dies ist spätestens für die Situation im ehemaligen Jugoslawien durch Resolution 808 vom 22. Februar 1993 und für die Situation in Ruanda durch Resolution 955 vom 8. November 1994 mit der Feststellung geschehen, dass die jeweilige Situation eine Bedrohung für den „internationalen Frieden und Sicherheit“ darstellt: „Determining that this situation constitutes a threat to international peace and security“. 413 Bei dieser Feststellung hat der Sicherheitsrat, wie sich aus der Formulierung „determine“ und dem übrigen Zusammenhang mit Art. 40 und 42 UN-Charta ergibt, zwar ein weites Ermessen, dies aber nur innerhalb des Wortlauts des Artikels. Hinsichtlich des Begriffs „peace“ wurde der Wortlaut des Artikels gewahrt, da in beiden Konflikten von einer organisierten Form der Gewaltanwendung Gebrauch gemacht wurde und – selbst nach einem eng gefassten Verständnis des Begriffs Frieden 414 – dieser schon beeinträchtigt und damit zukünftig auch bedroht war. 415 Fraglich ist hingegen, ob die Konflikte auch der Qualifizierung als „international“ standhalten können. Zwar ist diese Qualifizierung im Wortlaut des Art. 39 a. A. UNCharta nicht ausdrücklich enthalten und auch durch die Praxis des Sicherheitsrats aufgeweicht, 416 sie ergibt sich aber zunächst aufgrund des sonstigen Wortlauts des Artikels und des systematischen Zusammenhangs. 417 Aber letztlich kann auch die notwendige Internationalität begründet werden, da im Fall des ehemaligen Jugoslawien nicht nur erst ab der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens eine internationaler Bezug hergestellt werden kann, 418 sondern dieser auch schon vorher durch die drohende Destabilisierung der Nachbarstaaten gegeben war. 419 Im Fall Ruandas bezogen die Angriffshandlungen ausländisches Territorium mit ein, zudem ließen die enormen Flüchtlingsströme eine humanitäre Krise und Destabilisierung der gesamten Region befürchten. 420, 421 Hinzu kommt, dass in 413

Siehe auch die Hinweise bei Hollweg, JZ 48 (1993), S. 981 f. Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 39, Rn. 5. 415 Siehe zum Verhältnis von „Bruch“ und „Bedrohung“ des Friedens in der Situation der Destabilisierung eines Landes bzw. zu Menschenrechtsverletzungen, die zu einer humanitären Krise führen Frowein / Kirsch, in: UN-Charta Commentary, Article 39, Rn. 12 und 18 ff.; vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 28 ff. 416 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 39, Rn. 7. 417 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 39, Rn. 7. 418 Vgl. Oellers-Frahm, ZaöRV 54 (1994), S. 422. 419 Vgl. auch die Argumente bei Heintschel v. Heinegg, HUV (1996), S. 77 f. 420 Siehe die S. C. Res. 929, 22. Juni 1994, 3392th mtg., U.N. Doc. S / RES/929; vgl. Kanyabashi, ICTR-96-15-T, Trial Chamber 2, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, 18. June 1997, para. 19 – 24. 421 Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass die Hauptkampfhandlungen bei Erlass der Resolution 955 am 8. November 1994 schon mehrere Monate beendet waren. Allerdings flüchteten die Menschen auch noch nach der Beendigung des eigentlichen Konflikts 414

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beiden Fällen im besonders schweren Maße in den Kernbereich der universell verbürgten Menschenrechte eingegriffen wurde. 422 Diese zu schützen, ist aber Verpflichtung eines jeden Staates, so dass sie als Angelegenheit der gesamten Staatengemeinschaft angesehen werden muss. 423 Mit der Annahme der Bedrohung des internationalen Friedens gemäß Art. 39 UN-Charta ist die Anwendung von Art. 41 UN-Charta eröffnet. Solange das Handeln des Sicherheitsrates nichtmilitärisch ist, lässt Art. 41 UN-Charta wiederum einen Ermessensspielraum bei der Wahl einer konkreten Maßnahme zu. 424 Diese ist nämlich weder auf den Katalog des Art. 41 S. 2 UN-Charta beschränkt, 425 noch muss sie den Charakter einer Sanktion haben, 426 noch sich zwingend gegen Staaten richten. 427 Als Ultima Ratio ist dem Sicherheitsrat selbst das Vorgehen gegen Einzelpersonen erlaubt. 428 Eine Begrenzung erfährt das Ermessen durch den Sinn und Zweck der Norm, denen zufolge die Maßnahme zumindest geeignet sein muss, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen, und sich in den Rahmen der Maßnahmen nach Kapitel VII einfügen muss. 429 Bedenkt man auf der einen in die Nachbarländer und waren dort Übergriffen aus Ruanda ausgesetzt. Darüber hinaus wird der Begriff „Frieden“ nicht nur durch die Abwesenheit von Krieg näher definiert, sondern durch die Aufarbeitung der begangenen Humanitätsverbrechen bzw. setzt das „justice be done“ voraus (Kanyabashi, ICTR-96-15-T, Trial Chamber 2, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, 18. June 1997, para. 25 f.), da nur so letztlich eine Befriedung zwischen den Konfliktparteien erreicht werden kann; vgl. dazu näher van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 37; siehe auch Österdahl, Threat to the Peace, S. 63 f.; Shraga / Zacklin , EJIL 7 (1996), S. 505; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 307, in Fn. 19 m.w. N. 422 Insbesondere stand im Fall Ruanda die Begehung eines Völkermords im Raum, was für den Sicherheitsrat ausreichend gewesen sein soll, eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit anzunehmen, vgl. van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 35; siehe auch Österdahl, Threat to the Peace, S. 59 ff. 423 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 165; Lee, The Rwanda Tribunal, LJIL 9 (1996), S. 42. 424 Vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 31; Kanyabashi, ICTR96-15-T, Trial Chamber 2, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, 18. June 1997, para. 27. 425 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 41, Rn. 14; Hollweg, JZ 48 (1993), S. 981 m.w. N. in Fn. 9; vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 31. 426 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 41, Rn. 7. 427 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 41, Rn. 13. 428 Vgl. Hollweg, JZ 48 (1993), S. 984 m.w. N., mit Hinweis auf den Lockerbie-Fall, bei dem der Sicherheitsrat ebenfalls Zwangsmaßnahmen nach Art. 41 zur Auslieferung von zwei mutmaßlichen Terroristen an Großbritannien gegen Libyen verhängte. 429 Vgl. Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 41, Rn. 14.

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Seite die vielen fruchtlosen vorherigen Maßnahmen 430 und spricht auf der anderen Seite den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe eine generalpräventive Wirkung zu und geht man davon aus, dass ihre Tätigkeit hilft, Lynchjustiz zu vermeiden und das Vertrauen in die internationalen Menschenrechte und das internationale Rechtssystem zu stärken, so ist es auch möglich, den Ad-hoc-Gerichtshöfen eine friedensstützende und friedensschaffende Wirkung zuzusprechen 431 und sie damit als Maßnahmen im Rahmen von Art. 41 UN-Charta zu deklarieren. 432 Ob sich die Maßnahme in den weiteren Zusammenhang der in Kapitel VII der UN-Charta enthaltenen Maßnahmen einordnen lässt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Sicherheitsrat zur Umsetzung der Maßnahme nach Art. 41 UNCharta auch ein gerichtliches Organ als „subsidiary organ“ gemäß Art. 29 und 7 Abs. 2 UN-Charta einsetzen kann. 433 Der Schaffung eines gerichtliches Organs können sowohl strafrechtliche als auch völkerrechtliche Aspekte des Völkerstrafrechts entgegenstehen. Allerdings wurden durch die Schaffung der Ad-hoc-Gerichtshöfe weder die sich aus Menschenrechtskonvention ergebenden Rechte des Angeklagten auf einen unabhängigen, 434 noch die auf einen gesetzlichen Richter verletzt. 435 Der Sicherheitsrat hat durch die Schaffung auch weder seine inneren Befugnisse unzulässig in den Bereich der Kompetenzbereiche anderer Organe der Vereinten Nationen, insbesondere des International Court of Justice, erweitert (horizontale Kompetenzüberschreitung), 436 noch seine Befugnisse außerhalb des UN-Systems zulasten der Rechte anderer Völkerrechtssubjekte, insbesondere der Souveränität anderer Staaten, überschritten (vertikale Kompetenzüberschrei430 Vgl. zum ICTY die Liste der Resolutionen bei Roggemann, Die Internationalen Strafgerichtshöfe, S. 109 ff.; zum ICTR die Liste bei Schürings, VN 42 (1994), S. 128 f. 431 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 165 f.; Frowein / Krisch, in: UN-Charta Commentary, Article 41, Rn. 19; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 242. 432 Vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 31 ff. 433 Vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 32 ff.; vgl. für das ICTR dazu ausführlicher van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 38 ff. 434 Vgl. König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 167; Report of the Secretary-General pursuant to paragraph 2 of Security Council Resolution 808 (1993), presented 3. May 1993 (S/25704), para. 28. 435 Vgl. dazu ausführlicher König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 172 m.w. N.; Trautwein, ZRP (1995), S. 88; Heintschel v. Heinegg, HUV (1996), S. 83; Vgl. Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 41 ff. 436 Vgl. ausführlich zur sog. horizontalen Kompetenzüberschreitung König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 167 und 172 ff.; Hollweg, JZ 48 (1993), S. 982.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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tung). 437 Denn der Sicherheitsrat hat keine neuen abstrakt-generellen Regeln geschaffen, mithin überhaupt kein die Souveränität verletzendes Recht gesetzt, sondern nur bestehendes Recht in der Wahrung des Grundsatzes des nullum crimen sine lege in seiner völkerrechtlichen Ausprägung zur rechtmäßigen Bindung des Einzelnen durch das Recht der Statuten deklaratorisch umgesetzt. Daher basiert die Legitimation der Strafgewalt der Ad-hoc-Gerichtshöfe letztlich nicht auf einer von den souveränen Staaten abgeleiteten Jurisdiktion, sondern auf einer universellen Zuständigkeit, die dem Völkerstrafrecht selbst innewohnt. 438 War somit die Schaffung der Ad-hoc-Gerichtshöfe als „juristische Intervention“ nach Kapitel VII der UN-Charta zum Erhalt des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zulässig, 439 ist die Möglichkeit eröffnet, dass die Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht sind. bb) Die Statuten als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Entspricht das Recht des ICTY-Statuts und des ICTR-Statuts im Wesentlichen dem völkerrechtlichen Nullum-crimen-sine-lege-Grundsatz und beruht damit auf Völkergewohnheitsrecht bzw. Völkervertragsrecht, welches Völkergewohnheitsrecht belegt, 440 so sind die darin enthaltenen völkerstrafrechtlichen Normen auch Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts. Ausdrücklich bestätigt wird dies für das ICTY-Statut durch den Bericht des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat anlässlich der Errichtung des ICTY, 441 dies muss aber aufgrund der Vergleichbarkeit des ICTR-Statuts ebenso für die dem ICTR unterliegenden Regelungen gelten. 437 Vgl. im Einzelnen Hollweg, JZ 48 (1993), S. 982 ff., König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 167 ff.; Tadi´c, IT-94-1, „Prijedor“, Appeals Chamber, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2. October 1995, para. 55 ff. 438 Siehe dazu Oellers-Frahm, ZaöRV 54 (1994), S. 417; ausführlich König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 163 ff. 439 Vgl. Oellers-Frahm, ZaöRV 54 (1994), S. 418 m.w. N. in Fn. 6; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 176 f.; Hollweg, JZ 48 (1993), S. 982; Roggemann, ZRP (1994), S. 299; Trautwein, ZRP (1995), S. 87; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 243 m.w. N.; Triffterer, ÖJZ 49 (1994), S. 830; Heintschel v. Heinegg, HUV (1996), S. 84. 440 Mit Einschränkungen bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit; vgl. für das ICTY Oellers-Frahm, ZaöRV 54 (1994), S. 420 ff.; Roggemann, ZRP (1994), S. 301; kritisch hinsichtlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit Hollweg, JZ 48 (1993), S. 987; Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 271 ff.; ausführlich König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 231 ff. und 390; für das ICTR kritisch Ahlbrecht, Geschichte völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, S. 310 ff.; ausführlich König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 231 ff. und 390. 441 Nach dem Urteil des Generalsekretärs der Vereinten Nationen basieren die Regelungen im Statut auf Völkergewohnheitsrecht. Im Report of the Secretary-General pursuant

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Zur Vorsicht mahnt die Tatsache, dass im Völkergewohnheitsrecht legitimierte Straftatbestände in der Regel nicht durch ebenso legitimierte Strafbestimmungen komplementiert werden. 442 Allerdings wird die Spruchpraxis der Ad-hocGerichtshöfe als internationale Gerichte diesen Umstand wettmachen können. Denn die Rechtsnatur der Urteile muss sich letztlich auch auf das Statut erstrecken, auf dessen Grundlage sie ergangen sind. Kommt den Urteilen hinsichtlich der Rechtsfolgen im Völkerstrafrecht völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung zu, so kommt auch dem ICTY-Statut und dem ICTR-Statut diese gewohnheitsrechtliche Bedeutung zu. cc) Die Urteile als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht Sind die Ad-hoc-Gerichtshöfe als internationale Gerichte rechtmäßig errichtet, so können ihre Urteile Völkergewohnheitsrecht begründen, da die Ad-hoc-Gerichtshöfe als Nebenorgane des Sicherheitsrats zumindest partielle Rechte und Pflichten haben, die sich aus ihrem Statut ergeben. Diese verleihen ihnen eine gekorene, partielle Völkerrechtsubjektivität, die es erlaubt, in ihren Handlungen im Rahmen des Statuts, sprich ihren Urteilen, eine für das Völkergewohnheitsrecht relevante, von einer Rechtsüberzeugung getragene Übung zu sehen. 443 Damit diese Art der Übung der Verfestigung von Völkergewohnheitsrecht dienen kann, muss sie Ausdruck der gängigen Praxis des Gerichts sein, d. h. durch die Mehrzahl der Urteile bestätigt werden und die vorherrschende Meinung des Gerichts widerspiegeln. Die so in Urteilen dingfest gemachten Aussagen können sich letztlich durch eine gewisse Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung zu Völkergewohnheitsrecht verfestigen. 444 Die Zeitspanne von nunmehr einem Jahrzehnt an Rechtsprechung erscheint generell dauerhaft genug, um eine Übung in der Form der Verbalpraxis zu setzen. Zieht man das in Zweifel, 445 muss man bedento Paragraph 2 of Security Council Resolution 808 (1993), U.N: Doc. S/25704, 3. May 1993, at 33 f. heißt es: „According to paragraph 1 of resolution 808 (1993), the international tribunal shall prosecute persons responsible for serious violations of international humanitarian law committed in the territory of the former Yugoslavia since 1991. This body of law exists in the form of both conventional law and customary law. While there is international customary law which is not laid down in conventions, some of the major conventional humanitarian law has become part of customary international law ... In the view of the Secretary-General, the application of the principle nullum crimen sine lege requires that the international tribunal should apply rules of international humanitarian law which are beyond any doubt part of customary law so that the problem of adherence of some but not all States to specific conventions does not arise. This would appear to be particularly important in the context of an international tribunal prosecuting persons responsible for serious violations of international humanitarian law.“ 442 Vgl. Oellers-Frahm, ZaöRV 54 (1994), S. 426 f. 443 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 37. 444 Siehe näher dazu S. 200 f. 445 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 38 mit Bezug auf Aussagen über die Strafzweckantinomie.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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ken, dass der für die Bildung von Gewohnheitsrecht notwendige Zeitraum einer Übung umso mehr in den Hintergrund rückt, je mehr sich die Übung auf eine starke Rechtsüberzeugung stützen kann. 446 Da aber eine starke Rechtsüberzeugung bei Urteilen internationaler Gerichte in der Natur der Sache liegt, sollte der Zeitablauf nicht überbetont werden. Entscheidend ist vielmehr, dass andere Völkerrechtssubjekte der Übung nicht entgegentreten bzw. ihr widersprechen, denn ein längerer Zeitablauf ist zur Manifestation des Völkergewohnheitsrechts dann nicht mehr notwendig, wenn die Völkerrechtssubjekte in ihrer Rechtsauffassung übereinstimmen. 447 Intensität und Einheitlichkeit der in den Urteilen zum Ausdruck kommenden Verbalpraxis sind schon eher problematisch, weil sie, da positiv nur schwer zu begründen, nur negativ aus der Abwesenheit von Protesten bzw. aus der billigenden Duldung anderer Völkerrechtssubjekte geschlossen werden können. 448 Diese Bedenken können abgemildert werden, wenn man sich vor Augen führt, dass die Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe für den Bereich des Strafens und der Strafzumessung im Völkerstrafrecht neues Völkergewohnheitsrecht setzt, nicht aber bestehendes abändert. Neues Völkergewohnheitsrecht in einem ungeregelten Bereich zu schaffen, bedarf einer geringeren Gleichförmigkeit bzw. Intensität, als schon bestehendes Völkergewohnheitsrecht abzuändern, 449 so dass die Anforderung an Einheitlichkeit und Verbreitung nicht überdehnt werden darf. Wie nicht zuletzt die Diskussion um den Vertrag von Rom zeigt, bilden die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe eine Spruchpraxis, welche von den anderen Völkerrechtssubjekten nur schwer ignoriert werden kann und denen daher bei der Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht ein „normatives Eigengewicht“ zukommt. 450 Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe können somit Völkergewohnheitsrecht prägen. Die Rechtskraft der Urteile erstreckt sich auch auf die Statuten, auf denen sie beruhen. Denn die Spruchpraxis der Urteile ist die Übung, welche die Statuten auf der Grundlage der Rechtsüberzeugung des Gerichts anwenden. Können die Urteile im Kontext der Strafzumessung Völkergewohnheitsrecht prägen, so prägen auch die Statuten Völkergewohnheitsrecht in diesem Bereich. Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe taugen daher als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht im Kontext der Strafzumessung. 446

Siehe näher dazu S. 200. Vgl. Shaw, International Law, S. 76 ff.; siehe auch S. 200. 448 Siehe zur Rolle von „acquiescene“ bei der Bildung von Völkergewohnheitsrecht MacGibbon, Brit. Y. B. Int’l L. 33 (1957), S. 115 ff. 449 Vgl. Verdross / Simma, Völkerrecht, S. 362, § 572; MacGibbon, Brit. Y. B. Int’l L. 33 (1957), S. 121. 450 Dementsprechend schrieb die UN-TAET Regulation Nr. 2000/15 on the Establishment of Panels with Exclusive Jurisdiction over Serious Criminal Offences vom 6. Juni 2000 für den Special Court in East Timor vor, dass die Strafkammern bzw. „the panel shall have recourse to the general practice regarding prison sentences in the courts of East Timor and under international Tribunals.“ (eigene Hervorhebung). 447

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

III. Die für die Konkretisierung der allgemeinen Rechtsgrundsätze relevanten Rechtsordnungen Zur Bestimmung der allgemeinen Rechtsgrundsätze bedarf es innerhalb der einzelnen, schon zuvor genannten Rechtskreise einer Auswahl repräsentativer oder für das Thema der Strafzumessung gewinnbringender Rechtsordnungen. 451 Die Auswahl der Rechtsordnungen innerhalb der Rechtskreise ist zu untermauern und die Rechtsordnung mittels einer ersten Übersicht über das Sanktionssystem zu erschließen. 1. Kontinentaleuropäische Rechtsfamilie a) Germanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Deutschland Der germanische Rechtskreis wird in erster Linie durch die deutsche Rechtsordnung repräsentiert. Das deutsche Strafrecht ist die Mutterjurisdiktion für den deutschsprachigen Raum, also für Deutschland, Österreich und die Schweiz, und sein strafrechtlicher Einfluss erstreckt sich auf Länder aus dem romanisch-katholischen Raum mit oftmals anti-demokratischer, autoritärer Vergangenheit wie beispielsweise Spanien, Portugal, Italien und ganz Lateinamerika. 452 All diesen Jurisdiktionen ist die Unterscheidung von Unrecht und Schuld gemeinsam: Sie haben einen normativen Schuldbegriff, sehen Schuld als Bedingung für Strafe an, fassen das materielle Verbrechen als Gesamtheit auf und teilen es in ein Straftatsystem ein. 453 Im Vergleich zum angloamerikanischen Strafrecht springt beim deutschen Strafrecht besonders die abstrakte und bewusst lückenlassende Kodifizierung des Strafrechts, 454 seine Einteilung in einen Allgemeinen und Besonderen Teil, die Betonung der Strafrechtsdogmatik 455 und das Streben nach Klassifizierungen, 456 die Auffassung von Strafrecht als Wissenschaft, 457 dem damit einhergehenden Einfluss der Strafrechtswissenschaftler 458 sowie die geringe451

Vgl. S. 210 f. Vgl. Fletcher, Deutsche Strafrechtsdogmatik aus ausländischer Sicht, S. 237, der zur weiteren Einflusssphäre auch die Länder Japan, Korea, Griechenland, Finnland und – mit Einschränkungen – die Türkei und Polen zählt. 453 Fletcher, Deutsche Strafrechtsdogmatik aus ausländischer Sicht, S. 237 f. 454 Vgl. Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1054. 455 Mit den Worten Fletchers, Deutsche Strafrechtsdogmatik aus ausländischer Sicht, S. 235: „Die Tiefe der Analyse, die Intensität der Auseinandersetzung, die Tragweite des Einflusses – sie sind alle Merkmale dieser hierzulande gepflegten, in der deutschen Sprache entfalteten Bemühung, das Strafrecht als ein Gegenstand der Geisteswissenschaft zu entwickeln ... Kernstück dieser Wissenschaft ist die Strafrechtsdogmatik.“ 456 Vgl. näher dazu Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1066 ff. m.w. N. 457 Vgl. näher dazu Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1051 ff. m.w. N. 458 Vgl. näher dazu Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1054 ff. 452

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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re Bedeutung der Kriminalpolitik 459 ins Auge. Entsprechend der Ausrichtung an der Strafrechtsdogmatik sind in der Rechtspraxis die Berufsrichter tonangebend, und Beweisregeln kommt nicht dieselbe dominierende Rolle zu, wie es im angloamerikanischen Strafrecht der Fall ist. 460 Dem materiellen Strafrecht kommt eine größere Aufmerksamkeit zu als dem prozessualen Strafrecht. 461 Strafzumessung erfolgt in einem einheitlichen Verfahren. Strafurteile tendieren zu einer abstrakten wissenschaftlichen Darstellung und sind nicht nur im Hinblick auf den Verurteilten und die Berufungsinstanzen bzw. Revisionsinstanzen geschrieben, sondern auch immer mit Bezug zum wissenschaftlichen Diskurs. 462, 463 Das deutsche Strafrecht ist im Kern im Strafgesetzbuch (StGB) 464 und darüber hinaus in zahlreichen Nebenstrafgesetzen wie dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) 465 niedergelegt. 466 Das heutige deutsche Strafrecht weist ein zweizügiges Sanktionssystem mit Strafen und Sicherungsmaßnahmen auf. 467 Wesentliche Hauptstrafen sind die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe, die sowohl zeitig als auch lebenslang verhängt werden kann. Die Geldstrafe ist dabei die mit Abstand am häufigsten verhängte Strafe. 468 Um eine uneinheitliche Strafzumessung durch zu weite Strafrahmen zu vermeiden, stuft das deutsche Strafrecht die Strafrahmen nach Unrecht und Schuld ab und hält zahlreiche Strafrahmenverschiebungen bereit. Dies gilt auch für das VStGB. Dennoch können die Strafrahmen immer noch recht weit sein. Eine zeitige Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Ebenso ein Rest der Haftdauer der zeitigen und lebenslangen Freiheitsstrafe. Durch die Möglichkeit, die lebenslange Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, ist in der Rechtspraxis aus der ursprünglich 459

Vgl. auch Nestler, Buff. Crim. L. Rev. 109 (2003), S. 110. Vgl. auch Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1058 f. 461 Vgl. auch Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1059 ff. 462 Vgl. Dubber, GLJ 6 (2005), S. 1057 f.; Nestler, Buff. Crim. L. Rev. 109 (2003), S. 109 f. 463 Eine konzentrierte und informative Darstellung des deutschen Strafrechtssystems vor dem Hintergrund der amerikanischen Strafrechtsordnung findet sich bei Frase / Weigend, B.C. Int’l & Comp. L.Rev., 18 (1995), S. 317 ff.; in Hinblick auf Strafpraxis und Strafschwere bei Nestler, Buff. Crim. L. Rev. 109 (2003), S. 109 ff.; ausführlich Frase, Sentencing in Germany and the United States: Comparing Äpfel with Apples, Freiburg i. B. 2001. 464 In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 11. 1998 (BGBl. I S. 3322). Zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. 7. 2007 (BGBl. I S. 1327) m. W. v. 20. 7. 2007. 465 Vgl. BGBl. 2002, S. 2254. 466 Vgl. zur historischen Entwicklung des StGB Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 77 ff. 467 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 150 ff., Rn. 280 ff. m.w. N. 468 Vgl. zur Anwendungsstruktur der Geldstrafe Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 69 ff., Rn. 125 ff; zur Bemessung der Freiheitsstrafe nach Wochen, Monaten und Jahren § 39 StGB. 460

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

absoluten, lebenslangen Freiheitsstrafe eine relative, unbestimmte Freiheitsstrafe geworden. Die Todesstrafe ist durch Art. 102 GG abgeschafft. 469 Vor dem Hintergrund der Rechtfertigung des Strafrechts aus staatspolitischen, individualethischen und sozialpsychologischen Überlegungen heraus, wird die Strafzweckdiskussion nach der Rechtsprechung durch die sog. Vereinigungstheorie bestimmt, nach der zunächst nur im Rahmen des gerechten Schuldausgleichs präventive Straftheorien zur Anwendung kommen (Prävention im Rahmen der Repression); zu nennen ist insbesondere die positive Generalprävention in der Form der Integrationsprävention, vor allem aber die positive Spezialprävention. Die Auswahl der Strafart und Strafzumessung steht nicht im unbeschränkten Ermessen des Gerichts, sondern gilt als rechtlich gebundene Entscheidung; allerdings bleibt in der Rechtswirklichkeit den Gerichten ein erheblicher Entscheidungsspielraum, der der höchstrichterlichen Kontrolle entzogen ist. Die Vereinigungstheorie wird in der Rechtsprechung durch die Spielraumtheorie konkretisiert, die Strafe in drei Stufen zumisst: Strafrahmenwahl, Schuldrahmenwahl und Präventionswahl. Nach dem Schuldprinzip knüpft die Strafe an die Strafzumessungsschuld an, die als Tatschuld verstanden wird und sich aus dem Grad der Vorwerfbarkeit des Erfolgsund Handlungsunwerts der Straftat ergibt. Dabei werden sowohl tatbestandliche als auch außertatbestandliche Umstände, die im Zusammenhang mit dem Verhaltensunwert stehen, berücksichtigt. Die Strafzumessungsschuld ist Grundlage der Strafe. Daneben können und müssen noch präventive Gründe im Rahmen der Schuld herangezogen werden; insbesondere ist eine Entsozialisierung durch Strafe zu vermeiden, indem die Persönlichkeit des Straftäters bei der Strafzumessung berücksichtigt wird. Entsprechend des retributiven Schuldausgleichs knüpft die Strafe an die Straftat und entsprechend des präventiven Verbots der Entsozialisierung an den Straftäter an. Der gerechte Schuldausgleich, verankert in Menschenwürde und Rechtsstaatsprinzip, bedingt, dass Strafe verhältnismäßig zu Unrecht und Schuld einerseits und zur Person des Straftäters andererseits zugemessen wird. Abgesehen von der Ober- und Untergrenze des Strafrahmens entnimmt die Rechtsprechung dem Strafrahmen keinen weiteren Einstiegspunkt, auch wenn sie den gedanklichen Durchschnittsfall favorisiert, so dass die Umsetzung der verhältnismäßigen Strafzumessung letztlich durch eine Gesamtabwägung aller strafzumessungserheblichen Umstände geschieht, die sich zu einem Gesamtbild von Straftat und Straftäter verdichten. b) Nordischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Schweden Die nordischen Länder Island, Norwegen, Finnland, Dänemark und Schweden sind durch das Band ihrer geografischen Nähe verbunden und blicken auf 469

Vgl. dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 42 ff.; Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 27 m.w. N.

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gemeinsame historische und kulturelle Traditionen zurück. 470 Ihre Rechtsordnungen lassen sich trotz einiger Schwierigkeiten der kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie zuordnen. 471 Innerhalb der kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie bilden sie einen eigenen Rechtskreis. 472 Das nordische Strafrecht ist kodifiziert. Die Sicht auf das Strafrecht ist nicht so sehr dogmatisch bestimmt, sondern vielmehr pragmatisch und systematisch. 473 Der Strafprozess folgt überwiegend akkusatorischen Prinzipien. 474 Die Rechte des Opfers im Prozess sind ausgeprägt. 475 Die Strafentscheidung liegt in der Domäne des Gerichts. Die öffentliche oder politische Meinung hat wenig Einfluss auf die Strafentscheidung. 476 Auch wenn die nordischen Rechtsordnungen miteinander kooperieren, haben sie doch ihre Eigenständigkeit bewahrt. Dies gilt besonders für das Strafrecht: Zum einen ist das Strafrecht eine traditionell nationale Domäne. Zum anderen greifen hier am ehesten sozio-ökonomische und historische Unterschiede der Länder. 477 Eine einheitliche nordische Kriminalpolitik oder ein einheitliches nordisches Strafrecht gibt es nicht. 478 Gibt es für den nordischen Rechtskreis im Grunde keine dominierende beispielhafte Rechtsordnung, so war dennoch eine Rechtsordnung beispielhaft herauszugreifen. Für die Wahl der Rechtsordnung von Schweden spricht, dass Schweden verglichen mit den anderen nordischen Ländern nicht nur das größte Land mit der größten Bevölkerungszahl ist, sondern auch eine der größten Volkswirtschaft besitzt. 479 Das schwedische Strafzumessungsrecht ist international besprochen und damit auch für Sprachunkundige gut zugänglich, darüber hinaus ist es aufgrund eines lebhaft geführten Diskurses über die Kriminalpolitik von besonderem Interesse. 480 Das schwedische Strafrecht ist heute im sog. Kriminalgesetzbuch (brottsbalken; BrB) vom 21. 12. 1962 niedergelegt, das zum ersten Mal am 01. 01. 1965 470 Vgl. dazu ausführlich Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 272 ff.; Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 220 ff.; Ring / Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht, S. 2, Rn. 2. 471 Vgl. Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 271 ff.; Strömholm, Introduction, S. 33. 472 Vgl. Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 271; Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 222; Ring / Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht, S. 3, Rn. 5. 473 Vgl. Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 222. 474 Vgl. Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 222. 475 Vgl. Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 227. 476 Vgl. Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 225. 477 Vgl. Cornils, ZStW 99 (1987), S. 873; Strömholm, Introduction, S. 33. 478 Vgl. Cornils, ZStW 99 (1987), S. 873. 479 Vgl. näher Lappi-Seppälä, Crim. & Just., 36 (2007) S. 220, Fn. 3. 480 Vgl. näher Cornils, ZStW 99 (1987), S. 873 ff.; Lappi-Seppälä, Crim. & Just. 36 (2007), S. 244 ff.

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in Kraft trat. 481 Seitdem hat es zahlreiche Änderungen gerade auch im Bereich der Rechtsfolgen erfahren, die u. a. 1989 mit den Kapiteln 29 und 30 in ausführliche Regelungen zur Strafzumessung (straffmätning) und zur Wahl der Strafart (påföljdsval) mündeten. 482 Ausgehend von der sog. Behandlungsideologie 483 dominierte zum Zeitpunkt des Erlasses des Kriminalgesetzbuches noch ein Behandlungsoptimismus, der aber schon bald einem Behandlungspessimismus wich. 484 Stand die Strafzumessung des BrB bei seinem Erlass noch in der Tradition der generalpräventiven und insbesondere spezialpräventiven Gedanken der italienischen „positiven Schule“ und der französischen „défense sociale“, so wurde die Spezialprävention mit der Strafreform von 1988 in den Hintergrund gedrängt. 485 An die Stelle einer Ausrichtung der Strafe am Täter trat wieder eine Ausrichtung der Strafe an der Tat, ohne dass freilich ausdrückliche Aussagen zu den Straftheorien getroffen wurden. 486 Dadurch sollte die Rechtssicherheit, Verhältnismäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Strafrechtssystems verbessert werden. 487 Besondere Straftheorien für völkerstrafrechtliche Verbrechen bestehen nicht. Das BrB unterscheidet die Straftaten nicht nach ihrer Strafwürdigkeit, kennt also keine Unterscheidung nach Verbrechen und Vergehen. Die Straftatbestände sind bündig formuliert. Die Todesstrafe in Friedenszeiten wurde schon 1921 abgeschafft, jene für Kriegszeiten 1973. 488 Das BrB hält Kriminalstrafen und andere Sanktionen vor. Die in Strafrahmen bemessene Kriminalstrafe kann aus einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe bestehen, sich aber auch aus beiden zusammensetzen. Die Strafzumessung erfolgt in zwei Schritten, bei denen streng zwischen Bestimmung des Strafmaßes und Wahl der Strafart unterschieden werden muss. Die Individualisierung erfolgt vornehmlich über die Wahl der Strafart und weniger über das Maß der Strafe. Das Gesetz macht nur wenige Vorgaben, wann welche Strafart zu wählen ist. 489 Mit Ausnahme der Strafe bei Mord und schweren Drogendelikten gibt es in der Rechtspraxis eine Tendenz, die Strafe am unteren Rand des Strafrahmens anzusiedeln. 490 Das Strafverfahren ist im 481 Zur historischen Entwicklung des schwedischen Strafrechts siehe Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 5 f.; mit besonderem Augenmerk auf die Strafzumessung Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 67 ff.; Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 140 ff. und 144 f. 482 Vgl. dazu Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 6 ff. 483 Vgl. dazu näher Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 70. 484 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 142. 485 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 141; Wennberg, Criminal Law, S. 193. 486 Vgl. Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 208. 487 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 144 f.; Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, Einführung, S. 7. 488 Vgl. Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 2. 489 Vgl. Wennberg, Criminal Law, S. 196 f. 490 Vgl. Wennberg, Criminal Law, S. 194.

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Wesentlichen kontradiktorisch, die Strafe wird in einem einaktigen Strafverfahren zugemessen. 491 Das Strafzumessungsermessen ist durch die ausführlichen Regelungen im Kap. 29 und 30 BrB gebunden. Entscheidendes Kriterium sowohl für die Strafwahl als auch für die Strafzumessung ist der sog. Strafwert der begangenen Straftat, der sich vornehmlich aus Aspekten der Schädlichkeit (oder Gefährlichkeit) des Verhaltens und der Schuld des Straftäters zusammensetzt. c) Romanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Frankreich Mutterjurisdiktion des romanischen Rechtskreises ist die französische Rechtsordnung. Das heutige Strafgesetzbuch, das „Nouveau Code Pénal“ (C.P.), trat erstmals am 01. März 1994 in Kraft 492 und löste das alte napoleonische Strafgesetzbuch von 1810 ab. 493 Das C.P. beruht damit auf einer recht neuen Kodifizierung, die gerade im Bereich der Strafbemessung und Strafzumessung umfangreiche Regelungen und Neuerungen aufweist. 494 Die Strafe knüpft an die strafrechtliche Verantwortlichkeit (la responsabilité pénale) an. Der Schuldbegriff spielt für die Strafzumessung nur eine geringe Rolle. Straftheorien werden im französischen Strafrecht nicht ausdrücklich genannt. Traditionell ist das französische Strafrecht der schon im napoleonischen Strafgesetzbuch dominierenden negativen Generalprävention verpflichtet. 495 Durch die kriminalpolitischen Strömungen der „défense sociale“ und „défense sociale nouvelle“ und ihrer Betonung der präventiven Straftheorien der Resozialisierung und zunehmend auch der Integrationsprävention haben aber auch positive präventive Theorien in das französische Strafrecht Eingang gefunden. 496 Besondere Straftheorien für völkerstrafrechtliche Verbrechen bestehen nicht. Die Strafarten und ihre Kombinationsmöglichkeiten gerade für Vergehensstrafen sind äußerst zahlreich und führen zu einer großen Diversifizierung der Strafen. 497 Die gesetzlichen Vorgaben

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Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 44. Gesetz vom 22. 07. 1992, J.O. 23. 07. 1992, S. 9864, in Kraft getreten am 01. 03. 1994. 493 Zur Entstehung des „nouveau Code pénal“ Jung, Einführung, S. 1 m.w. N.; Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 7 f.; Zieschang, ZStW 106 (1994), S. 647 ff.; Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 54 ff., m.w. N.; eine allgemeine Übersicht über die Regelungen des C. P. findet sich bei Delmas-Marty / Lazerges, R.D.P.C (1997), S. 133 ff. 494 Vgl. Zieschang, ZStW 106 (1994), S. 653; Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 50. 495 Vgl. Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 325; Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Strafrecht, S. 1. 496 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 51; Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 328 f. 497 Vgl. Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Recht, S. 9. 492

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

zur Auswahl der Strafart und zur Zumessung der Strafe sind spärlich, 498 was sie mit den Strafzumessungsregelungen des ICC-Statuts verbindet. Damit stehen die französischen Strafbestimmungen der in mancher angloamerikanischen Rechtsordnung vorherrschenden Tendenz zu einem hohen Konkretisierungsgrad der Strafbestimmungen entgegen, andererseits bleiben die Strafbestimmungen hinter dem Konkretisierungsgrad vieler kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen zurück. 499 Die Todesstrafe ist durch Gesetz vom 9. Oktober 1981 abgeschafft. 500 Die Strafdrohung ist für die Übertretungs- und Vergehensstrafen auf Höchststrafen beschränkt. Die Grenzen zwischen Strafe und Maßnahme verschwimmen im C.P., und es besteht eine Tendenz zur Einheitsstrafe. 501 Tatproportionalität steht nicht im Mittelpunkt der Strafzumessung. 502 Strafumstände finden sich überwiegend bei den einzelnen Straftatbeständen, vereinzelt auch im Allgemeinen Teil. Dabei führen Strafschärfungsgründe nicht zu einer Unterscheidung von selbständigen Tatbeständen, Qualifikationen und Regelbeispielen, wie etwa das deutsche Strafrecht sie kennt, sondern zu einer Unterteilung nach objektiven und subjektiven Umständen, die sich entweder auf die Tat oder den Täter beziehen können. 503 Besonders ausführlich sind die Regelungen zur Strafschärfung für Rückfalltäter. 504 Den zahlreichen Strafschärfungsgründen stehen nur wenige Strafmilderungsgründe gegenüber. Richter haben einen fast unbeschränkten Entscheidungsspielraum bei der Strafzumessung, einen „faculté discrétionnaire du juge“, bezüglich der Auswahl der Strafart und Festsetzung der Strafhöhe, wie man ihn sonst eher aus dem angloamerikanischen Rechtskreis kennt, nicht aber aus dem kontinentaleuropäischen. Aus historischen Gründen werden in der französischen Strafrechtsdogmatik Parallelen gezogen zwischen Ermessensfreiheit und Strafmilderung auf der einen Seite und Ermessensbeschränkung und Strafschärfung auf der anderen Seite. Diesem weiten Ermessen entsprechend wird ein großes Gewicht auf die Individualisierung der Strafe gelegt, die sich vornehmlich in der Wahl der Strafart ausdrückt und nicht so sehr in der konkreten Strafdauer. Eine Begründungspflicht für Strafentscheidungen bei der Verurteilung wegen eines Verbrechens vor dem Geschworenengericht 505 besteht nach ständiger Rechtsprechung des Kassationsgerichts nicht. 506 498

Zur Zumessung siehe Art. 132-24 C.P. Vgl. auch Jung, Einführung, S. 5, für den diesbezüglich das französische Strafrecht hinter dem „internationalen Standard“ zurückbleibt. 500 Vgl. Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 136; ausführlicher dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 433 f., n o 510, m.w. N. 501 Vgl. Zieschang, ZStW 106 (1994), S. 654. 502 Vgl. Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Strafrecht, S. 2. 503 Vgl. dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 32 ff. 504 Näher dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 530 ff., n os 658 ff. 505 Siehe ausführlich zum Verfahren der „Strafzumessung“ vor dem Geschworenengericht Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 61 ff. 499

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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2. Angloamerikanische Rechtsfamilie a) Britischer Rechtskreis: Rechtsordnung von England-Wales Ausgangspunkt der Darstellung des angloamerikanischen Rechtskreises ist das englisch-walisische Recht, aus dem sich alle anderen angloamerikanischen Rechtsordnungen entwickelt haben. Im Gegensatz zur oben betrachteten kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie zeichnet sich das englisch-walisische Recht durch eine nicht in einem einheitlichen Text erfasste, teilweise ungeschriebene Verfassung 507 aus sowie durch eine Zurückhaltung gegenüber Gesetzestexten und ihrer Interpretation, die begleitet wird von einem Desinteresse an der Eingliederung des Lebenssachverhaltes in einen systematischen Zusammenhang. Stattdessen wird mithilfe von Präjudizien und Fallgruppen eine am konkreten Leben ausgerichtete Problemlösung angestrebt. Generell wird eher eine konkrete und historische Argumentation betrieben als eine abstrakte und systematische. 508, 509 Allerdings wird das common law in England immer mehr in den Hintergrund gedrängt, und es sind heute große Teile des (materiellen) Strafrechts kodifiziert. 510 Das Strafprozessrecht ist seiner Natur nach kontradiktorisch und über eine Vielzahl von einzelgesetzlichen Regelungen verstreut. 511 Herkömmlich wurden Fragen der Strafzumessung durch die Gerichte gelöst. Der Gesetzgeber beschränkte sich darauf, für einzelne Delikte Höchststrafen einzuführen und die Strafgewalt der Gerichte zu definieren. Mindeststrafen waren bis auf die Strafe für Mord unbekannt. Eine eindeutige Festlegung auf bestimmte Strafzwecke gab es nicht. Die Gerichte besaßen somit einen großen Ermessensspielraum, unterlagen aber der Bindung durch Richtlinienurteile (guideline judgements) des Court of Appeal (heute Court of Appeal, Criminal Division), das darum bemüht war, dem Ermessen der Richter eine gewisse Führung angedeihen zu lassen, ohne freilich zu sehr in die richterlichen Freiheiten ein506 Näher dazu Müller, Rechtliche und tatsächliche Kriterien der Strafzumessung im deutsch-französischen Vergleich, S. 8; dies., Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 22. 507 Regelungen mit einem „quasi verfassungsrechtlichen“ Charakter: Magna Carta 1215, Bill of Rights Act 1688 und der Human Rights Act 1998; siehe dazu Spencer, The English System, S. 143 f. 508 Vgl. Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 177 f. 509 Vgl. auch die knappe allgemeine Übersicht zur englischen und walisischen Rechtsordnung im „World Factbook of Criminal Justice Systems“ des Buerau of Justice Statistics des Staates New York, http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/pub/ascii/wfbcjeng.txt (01. 12. 08). 510 Beispielhaft seien genannt: Thefts Act 1986 und 1996, Criminal Damage Act 1971, Criminal Attempts Act 1981 und der Human Rights Act 1998, der die Überprüfung des englischen Rechts anhand der EMRK zulässt. 511 Vgl. Spencer, The English System, S. 142, der von rund 150 Acts spricht und auf S. 144 die fürs Prozessrecht wesentlichen Gesetze aufzählt.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

zugreifen. 512 Da die Richtlinienurteile nur sporadisch und oft nicht für Taten mittlerer Strafschwere ergingen, mangelte es an einer systematischen Erfassung aller Delikte. Darüber hinaus gab es so gut wie keine Vorgaben zu den Straftheorien, und jeder Richter betonte die Straftheorie, die dem Fall oder seiner Einstellung am ehesten gerecht wurde. Eine Einheitlichkeit konnte durch dieses „eklektizistische“ System nicht hergestellt werden. Strafungerechtigkeiten waren vorprogrammiert. 513 Die Versuche des Court of Appeal, Criminal Division, durch die Richtlinienurteile einerseits die Führung in der Strafzumessungsfrage zu behalten, andererseits die Ermessensfreiheit zu begrenzen, wurden jedoch durch konkretisierende Gesetzgebungen, insbesondere durch den Criminal Justice Act von 1991 (CJA 1991) 514, die Änderungen des Criminal Justice Acts von 1993 (CJA 1993) 515 und des Crime (Sentences) Acts 1997 (C(S)A 1997) 516, die Neubekanntmachung durch den Powers of Criminal Courts (Sentencing) Act 2000 (PCC(S)A 2000) 517 und nunmehr den Criminal Justice Act 2003 (CJA 2003) 518 in den Hintergrund gedrängt. Zur Reform des Strafzumessungsrechts enthält der CJA 2003 mit seinen 12 Teilen allein 163 „sections“ und darüber hinaus am Ende zahlreiche „schedules“, die der Umsetzung dieses Zieles gewidmet sind. Auch wenn diese nur in Teilen in Kraft getreten sind, so richtet sich die Darstellung dennoch an den Regelungen des CJA 2003 aus, da deren gänzliche Umsetzung in nächster Zeit zu erwarten ist. Als vornehmliche Straf512

Zu den wesentlichen Entwicklungen in den letzten 50 Jahren sehr informativ und konzentriert Wasik, Crim. L. R. 2004, S. 253 ff.; von den 1970er Jahren bis zur Mitte der 1990er Jahre Ashworth, The Decline of English Sentencing and Other Stories, S. 62 ff. 513 Auslösend für Änderungen war aber die Überfüllung der Gefängnisse, die besonders durch die Revolte im Strangeways-Gefängnis in Manchester ins öffentliche Bewusstsein trat; vgl. dazu Ashworth, ZStW 106 (1994), S. 605 ff. 514 http://www.opsi.gov.uk/acts/acts1991/Ukpga_19910053_en_1.htm#tcon (01. 12. 2008). Der Criminal Justice Act 1991 basierend auf dem Regierungsbericht (White Paper) Home Office „Crime, Justice and Protecting the Public“, Cm 965 (1990). 515 http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts1993/Ukpga_19930036_en_1.htm (01. 12. 08). 516 http://www.opsi.gov.uk/acts/acts1997/1997043.htm (01. 12. 08). 517 http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2000/20000006.htm (01. 12. 08). Der act enthält Neubekanntmachungen bestehender Regelungen und im Wesentlichen eine Zusammenfassung der für die am Crown Court zur Strafzumessung notwendigen Regelungen. 518 http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2003/20030044.htm (01. 12. 08). Seine Ursprünge hat das Gesetz im Bericht von Sir Auld „Review of the Criminal Courts of England and Wales“ (http://www.criminal-courts-review.org.uk/ccr-00.htm (01. 12. 08)) und Halliday „Making Punishments Work: Report of a Review of the Sentencing Framework for England and Wales (2001)“ (http://www.homeoffice.gov.uk/docs /halliday.html (01. 12. 08); kritisch zum Report Baker / Clarkson, Crim. L. R. 2002, S. 81 ff.; siehe auch die übersichtliche Darstellung bei Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 555 ff.) und setzt die Empfehlungen des White Papers „Justice for All“ vom Juli 2002 um (Home Office, Justice for All, Cm 5563 (2002) (http://www.cjsonline.gov.uk/downloads/application/pdf/CJS%20White %20Paper%20-%20Justice%20For%20All.pdf (01. 12. 08)).

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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theorie werden, neben der grundsätzlichen Ausrichtung am „just deserts“, die „rehabilitation“, „incapacitation“ und „reparation“ genannt; „deterrence“ hingegen nur als unselbständige Konsequenz aus der Berücksichtigung der anderen Straftheorien. Besondere Straftheorien für Verbrechen des Völkerstrafrechts gibt es nicht. Die ambulanten Sanktionen werden im CJA 2003 unter einer Strafe zusammengefasst und durch neue Detailregelungen angereichert und zum Teil auch neu erlassen. Die fakultative Freiheitsstrafe wird neu in eine Strafe bis zwölf Monate und eine, die über zwölf Monate hinausgeht, strukturiert. Die zwingenden Mindestfreiheitsstrafen sind neu geordnet und die Strafe für besonders gefährliche Straftäter neu gefasst. Die Strafdauer in Mordfällen wird nicht länger durch das Home Secretary bestimmt, sondern allein durch das Gericht. Die Todesstrafe wurde 1965 bzw. 1998 abgeschafft. 519 Die Zumessung der Strafe wird durch die rechtlichen Strafrahmenvorgaben (Höchststrafen, Mindeststrafen, Richtlinienurteile etc.) und durch die Bestimmung der Strafschwere (crime seriousness) gebunden, deren Grenzen keinesfalls überschritten werden dürfen. Definiert wird die Strafschwere sowohl durch die Schuld (culpability) des Täters bei der Begehung der Tat als auch durch den durch die Tat verursachten Schaden bzw. das durch die Tat entstandene Risiko eines Schadens (harm). Die Verhältnismäßigkeit ist sowohl für die Strafart als auch die Strafdauer bestimmend. Die Strafzumessung wird durch Richtlinienurteile sowie Richtlinien des Sentencing Guidelines Council graduiert, die Strafrahmen und mögliche Einstiegsstellen aufzeigen. b) US-amerikanischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika Die wichtigste Abspaltung des englisch-walisischen Rechts ist das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika. Dabei hat sich das Recht der Vereinigten Staaten schon so weit von der englischen Ausgangsjurisdiktion entfernt, dass das „Verwandtschaftsverhältnis“ zwar nicht zu leugnen ist, sich der bloße Rückschluss von der einen Rechtsordnung auf die andere aber verbietet. Ganz allgemein kann man diese eigenständige Entwicklung an der – im Gegensatz zu England – geschriebenen Verfassung, die den Vereinigten Staaten eine bundesstaatliche Struktur mit einem Katalog von Grundrechten verleiht, festmachen. Dadurch ist das Strafrecht in Amerika – im Verhältnis zu den Rechtsordnungen Kontinentaleuropas und selbst England-Wales, die mehr gesetzesbuchsorientiert sind – stärker verfassungsorientiert. 520 Die ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt, verbunden mit einer wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung, 519 Vgl. Crime and Disorder Act 1998 s. 6 und Murder (Abolition of the Death Penalty) Act 1965 s. 1(1). 520 Vgl. den knappen Hinweis bei Frase, W. Va. L. Rev. 100 (1998), S. 783.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

hat zu einer eigenen Rechtsdynamik geführt, die eigenständige Methoden und Lösungen hervorgebracht hat und eine Betrachtung unabdingbar erscheinen lässt. 521 Anfang des 20. Jahrhunderts dominierte in den Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika nur eine Strafpraxis: die der unbestimmten Strafe (indeterminate sentencing). Durch das Gericht oder die Geschworenen wurde entweder nur die Höchststrafe, die Höchst- und Mindeststrafe bzw. eine Höchststrafe, nach der sich als prozentualer Teil aus dem Gesetz die Mindeststrafe errechnete, verhängt und die tatsächliche Strafdauer durch die Bewährungsgremien festgelegt, die auf der Grundlage der Resozialisierung des Strafgefangenen über seine Freilassung entschieden. 522 Man glaubte, auf diese Weise am besten über die Resozialisierung und mögliche Wiedereingliederung des Täters während des Freiheitsentzuges urteilen zu können. Auch sollte durch die Aussicht, die Strafdauer durch Resozialisierung zu verkürzen, die Resozialisierung gefördert und beschleunigt werden. Da aber auch ein Widerruf der Bewährung bei Verletzung der Bewährungsauflagen innerhalb des Höchstmaßes der Freiheitsstrafe jederzeit möglich war, wurde ein zusätzlicher Anreiz zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft geschaffen. 523 Eine Begründung der Strafzumessung durch den Richter gab es in der Regel nicht. Ebenso wenig bestand die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Richters einzulegen. Gleiches galt für die Begründung und Entscheidungen der Bewährungskommissionen. 524 Da es jedoch keine wirkliche Kontrolle gab, war das Strafziel der Resozialisierung oft nicht mehr als ein Lippenbekenntnis, und der weite Ermessensspielraum wurde dazu benutzt, diejenige Strafe zu verhängen, die der einzelne Richter als angemessen empfand. Hinweise auf die Berücksichtigung anderer Straftheorien wie Retribution, Prävention und Sicherung fanden sich nur vereinzelt in den Strafgesetzen; sie kamen nur dann zum Zuge, wenn sie der Neigung des Richters entsprachen. Mit Zweifeln an dem Strafziel der Rehabilitation – bestärkt durch Robert Martinsons Arbeit „What Works?“ 525 und der sich daraus abgeleiteten Antwort „Nothing works“ – begann auch die unbestimmte Strafzumessung an Boden zu verlieren. Insbesondere war nicht mehr zu vermitteln, warum der Gesetzgeber einen so geringen Einfluss auf die Strafzumessung haben sollte, obwohl eine Strafzumessung, die sich am individuellen Fall orientierte, tatsächlich nicht von Erfolg gekrönt war. Was befähigte die Bewährungskommissionen dazu, über die Reso521

Vgl. zur Alleinstellung des amerikanischen Systems die allgemeine Einführung bei Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 233 ff. 522 Siehe zu den einzelnen Kombinationsmöglichkeiten von Höchst- und Mindeststrafe LaFave / Israel / King, Criminal Procedure, S. 1214; Campbell, Law of Sentencing, S. 105 ff.; Beispiele für „indeterminate sentencing“ finden sich bei Pizzi, GJT 6 (2006), Article 2, S. 2 f. 523 Vgl. LaFave / Israel / King, Criminal Procedure, S. 1213 f. 524 Vgl. Reitz, The Disassembly and Reassembly of U.S. Sentencing Practices, S. 239. 525 Martinson, The Public Interest 35 (1974), S. 22 ff.

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zialisierung und den Zeitpunkt der Resozialisierung zu entscheiden, wenn die Resozialisierung an sich schon fraglich war? Warum sollten Richter ein nahezu unbegrenztes Ermessen haben, wenn es auf die Einzelfallentscheidung in Wahrheit nicht ankam? – Willkür schien die einzige Konsequenz der Einzelstrafen zu sein. 526 Letztlich erschien es mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht mehr vereinbar, an einer Strafzumessung in unbestimmter Form festzuhalten. Daher fingen einzelne Staaten ab Mitte der 1970er Jahre an, ihr Strafsystem für Verbrechen von einer unbestimmten Strafzumessung auf eine bestimmte Strafzumessung umzustellen, von der nicht mehr durch Bewährungsgremien abgewichen werden konnte (determinate sentencing). 527 Die Einschränkung des richterlichen Strafzumessungsermessens zur Vereinheitlichung der Strafe vollzog sich im Wesentlichen auf zwei Wegen: Zum einen wurden bestimmtere strafgesetzliche Bestimmungen geschaffen, zum anderen bildeten sich Kommissionen, die zwingende Strafzumessungsrichtlinien erarbeiteten (presumptive sentencing). 528 Den Anfang machten Staaten wie Arizona, Kalifornien, Colorado, Illinois und Indiana. Sie versuchten, durch Änderung der Strafgesetze eine bestimmtere Strafzumessung durchzusetzen. Zu diesem Zweck führte Kalifornien eine dreigliedrige Strafzumessung ein, die in Stufen eine bestimmte Anzahl von Jahren bei der Strafzumessung vorschreibt, während die anderen genannten Staaten auf Strafrahmen setzten. Der Weg zu einer bestimmten Strafe durch strafgesetzliche Änderungen stieß aber auf Kritik, da diese Änderungen aus Zeit- und Geldmangel oft nicht sorgfältig erfolgten und nicht stimmig waren. Für die Kritik entscheidend war aber, dass durch die bestimmte Strafdauer die Zahl der Gefangenen in den einzelnen Staaten so rapide anstieg, dass deren Freiheitsentzug die vorhandenen Budgets zu sprengen drohte. 529 Die Strafzumessungsrichtlinien strebten die Reduzierung des Strafzumessungsermessens hingegen über die systematische Ausrichtung der Strafzumessung an bestimmten Straftheorien – vornehmlich dem „just deserts“ – und durch ein einheitliches Strafsystem an. 530 Auch ließ sich die Zahl der Gefangenen im Rahmen der Kapazitäten der Gefängnisse halten, da die Schwelle zwischen Vollstreckung oder Aussetzung der Gefängnisstrafe über die Faktoren und Gewichtung der Strafzumessungsrichtlinien leicht zu beeinflussen war. 531

526 Vgl. Reitz, The Disassembly and Reassembly of U.S. Sentencing Practices, S. 223 f.; LaFave / Israel / King, Criminal Procedure, S. 1213 f. 527 Vgl. Campbell, Law of Sentencing, S. 110 ff. m.w. N. 528 Vgl. Campbell, Law of Sentencing, S. 123 ff. m.w. N. 529 So z. B. in Kalifornien, Colorado und North Carolina. Als Reaktion darauf wurde in Connecticut nach einem Jahr die frühzeitige Freilassung durch das Bewährungsgremium wieder eingeführt; vgl. Reitz, The Disassembly and Reassembly of U.S. Sentencing Practices, S. 224 f. 530 Siehe zur Rolle der Strafzumessungskommissionen bei der Erreichung dieser Ziele Frase, St. Louis U. L. J., 44 (2000), S. 431 f.; ders., Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 76.

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Da aber viele Staaten an einer unbestimmten Strafzumessung festhielten, andere eine bestimmte Strafzumessung auf unterschiedlichste Weise schufen, bestimmte und unbestimmte Strafzumessung in einzelnen Rechtsordnungen kombiniert auftraten und auftreten, herrscht heute in den 52 Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika eine Bandbreite von unbestimmter bis hin zu bestimmter Strafzumessung vor. 532 Diese Bandbreite und die hohe Zahl der Rechtsordnungen erschweren eine rechtsvergleichende Betrachtung. Um die Aussagekraft nichts desto trotz möglichst groß zu halten, erscheint es daher sinnvoll, die Betrachtung auf einzelne repräsentative Rechtsordnungen zu konzentrieren. Da die Beschränkung des Strafzumessungsermessens durch „determinate sentencing“ von Interesse ist, bleiben Rechtsordnungen, die nach wie vor ein „indeterminate sentencing“ aufweisen, unberücksichtigt. Die Betrachtung konzentriert sich auf die mit bindender Richtigkeitsvermutung ausgestatteten „United States Sentencing Guidelines“ (USSG) 533 und die „Minnesota Sentencing Guidelines“ (MSG) 534 Beide sind gut zugänglich und in der Literatur und Rechtsprechung gut durchdrungen. Die Richtlinien versprechen besonderen Gewinn bei der Betrachtung für die Strafzumessung, weil in ihrem Zusammenspiel die oftmals entgegengesetzten Ansätze bei der Individualisierung der Strafe besonders eingänglich und plakativ sind. 535 Während die USSG sehr ausdifferenzierte und stark gewichtete Variablen der Tatschwere und Vorstrafenbelastung bemühen, deren Vielfalt zwar eine Strafzumessung im gleichen Maß ermöglicht, aber aufgrund ihre Ausdifferenziertheit die Gefahr in sich trägt, das gleiche Maß nicht immer zu erkennen, bedienen sich die MSG weniger und weniger gewichteter Variablen, deren gröbere Abstufung eine Individualisierung erschwert, aber das gleiche Maß einfacher messen lässt. Beide richten die Strafe stark an der Tat und weniger am Täter aus. Bei den USSG fügt sich die starrere Strafzumessung mit einer unpräzisen Vorgabe der Strafzwecke zusammen, während bei den MSG eine flexiblere Strafzumessung mit einer präzisen Vorgabe des Strafzwecks einhergeht. Allerdings muss beachtet werden, dass bei beiden die Individualisierung insofern von vornherein durch absolute Strafandrohungen 531 Vgl. Frase, Colum. L. Rev. 105 (2005), S. 1205; ders., Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 76; Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292; Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 92 und 107. 532 Vgl. auch Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1438 f.; Campbell, Law of Sentencing, S. 103 f. m.w. N. 533 United States Sentencing Commission, Guidelines Manual: United States Sentencing Guidelines, effective November 1, 2006 Washington 2006, http://www.ussc.gov /2006guid/gl2006.pdf (01. 12. 08). 534 Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, http://www.msgc.state.mn.us/Guidelines /guide06.DOC (01. 12. 08). 535 Siehe zur Situation bei den Richtlinien den Überblick bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 176 und 199 ff.

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eingeschränkt ist, als die Richtlinien beispielsweise bei bestimmten Taten mit lebenslanger Freiheitsstrafe nicht angewendet werden dürfen 536 oder zwingend vorgegebene Three-strike-Grundsätze das Ermessen einschränken. 537 Die Pönalisierung der völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen geschieht über die Rechtsordnung des Bundes und zwar sowohl in der ordentlichen als auch in der außerordentlichen Militärgerichtsbarkeit. 538 Die Strafen fallen in der Regel harscher aus, als es das ICC-Statut vorsieht. Die Todesstrafe wird verhängt und vollstreckt. 539 Besondere Straftheorien im Bereich der völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen bestehen nicht. 540 c) Australischer Rechtskreis: Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien Auch wenn die Rechtsordnungen Australiens traditionell Importeure des Rechts anderer Common-law-Rechtsordnungen waren, so sind sie heute dennoch ein lohnenswertes Vergleichsobjekt, da sich – parallel zur Entwicklung eines eigenständigen kulturellen und emotionalen Selbstverständnisses der Australier – das Recht in Australien in jüngerer Zeit sowohl von seinem Ursprung, der englisch-walisischen Rechtsordnung, weg entwickelt, als auch sich dem Einfluss der amerikanischen Rechtsordnung entzogen hat. 541 Dadurch sind eigenständige Rechtsordnungen entstanden, die zwar ihren Ursprung nicht verleugnen können, 536 Zum Beispiel fallen in Minnesota Mord (First Degree Murder) und andere mit lebenslangen Freiheitsstrafen belegte Straftaten nicht unter die Richtlinie; Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. E., Mandatory Sentencing, S. 36 ff. 537 Vgl. U.S.C. § 994(b)(2); ausführlich dazu Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 203, in Fn. 267. 538 Vgl. im Einzelnen ausführlich Silverman, Prosecution of International Crimes in the United States of America, S. 425 ff. m.w. N. 539 Vgl. Silverman, Prosecution of International Crimes in the United States of America, S. 427 f.; siehe zur Todesstrafe auch LaFave / Israel / King, Criminal Procedure, S. 1211 ff. m.w. N. 540 Vgl. Silverman, Prosecution of International Crimes in the United States of America, S. 473. 541 Mit der Kolonisation durch die Engländer kam auch deren Recht nach Australien, und es war gute Tradition, die englische Rechtsentwicklung (die wiederum durch Änderungen in den Vereinigten Staaten beeinflusst war) aufzunehmen (vgl. Kenny, An Introduction to Criminal Law in Queensland and Western Australia, 1. 3). Im Laufe der Zeit löste sich Australien immer mehr vom englischen Ursprung. So gelten die Entscheidungen englischer Gerichte seit 1963 nicht mehr als bindend; höchstes Gericht ist seit 1975 der „High Court of Australia“ und nicht mehr das „Privy Council“ in England. Diese Entwicklung zeichnet Freiberg (Three Strikes and You’re Out – It is Not Cricket, S. 30) beispielhaft an den Gesetzen zur Einführung der Strafaussetzung zur Bewährung, den unbestimmten Strafen und der Rechtsmitteleinlegung nach.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

aber das Ergebnis einer Mischung und Weiterentwicklung sind und eine eigenständige Strafzumessung aufweisen. 542 Diese Eigenart, so steht zu erwarten, kann beispielhaft für ein durch ein Zusammenspiel mehrerer Common-law-Rechtsordnungen geprägtes Verständnis eines kontradiktorischen Völkerstrafrechts stehen. Ferner erscheint die Betrachtung der australischen Rechtsordnungen als sinnvoll, da sich die Staaten – vor dem Hintergrund des überproportional hohen Gefangenenanteils von Aborigines und Torres Strait Islanders – darum bemühen, den spezifischen kulturellen Hintergrund und das Gewohnheitsrecht der Ureinwohner bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, auch wenn der Commonwealth dem nunmehr eine Absage erteilt hat. 543 Einer solchen Auseinandersetzung wird sich auch eine sich auf unterschiedlichste Kulturen erstreckende Jurisdiktion des ICC nicht entziehen können, so dass die australische Erfahrung sinnvolle Anregungen für diesen Fragenkomplex geben kann. Traditionell war das Strafzumessungsrecht der Staaten in viele einzelne Gesetze aufgesplittert, denen es an klaren gesetzlichen Vorgaben und an Einheitlichkeit fehlte. 544 Wie die Staaten, so auch der Commonwealth, dessen Strafzumessung als reformbedürftig galt, wie der äußerst umfassende Bericht der Australian Law Reform Commission von 1988 mit dem Titel „Sentencing“ 545 aufzeigte und der Bericht „Same Crime, Same Time: Sentencing of Federal Offenders“ 546 im Jahr 542 Hinzu kommt die innerstaatliche Zusammensetzung aus den sog. Code-Jurisdiktionen (Queensland, Western Australia, Tasmania, Northern Territory und seit 2005 auch Australian Capital Territory) auf der einen Seite, die ein konstitutives kodifiziertes materielles Strafrecht haben, welches im Konfliktfall mit den Rechtsprinzipien des „common law“ diesen vorgeht, und den sog. Common-law-Jurisdiktionen (New South Wales, Victoria und South Australia) auf der anderen Seite, die ein deklaratorisches kodifiziertes materielles Strafrecht haben, welches auf Richterrecht beruht, das im Konfliktfall hinter die Rechtsprinzipien des „common law“ zurücktritt, es sei denn, den spezifischen Kodifizierungen ist direkt oder indirekt zu entnehmen, dass ihnen doch Vorrang vor dem „common law“ gebühren soll (vgl. Kenny, An Introduction to Criminal Law in Queensland and Western Australia, 1. 1; Bagaric / Arenson, Criminal Laws in Australia, S. 3 und 18). 543 Vgl. Freiberg, Three Strike and You’re Out – It’s Not Cricket, S. 50 ff. 544 Vgl. näher Freiberg, Three Strike and You’re Out – It’s Not Cricket, S. 33. 545 Australian Law Reform Commission, Sentencing, Report 44, 1988 (http://www .austlii.edu.au/au/other/alrc/publications/reports/44/ (01. 12. 08)). Der Bericht stellt unter anderem fest, dass es an einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Strafzumessung, an einheitlichen Strafzumessungskriterien, einer klaren Strafarthierarchie, einer klaren Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Strafart mangelt, dass bei der Strafentscheidung die Informationen über Täter und Tat zu spärlich sind, dass ein exzessiver Gebrauch von Gefängnisstrafen gemacht wird etc. Der Bericht stieß eine breite Diskussion über die Strafzumessung an, die letztendlich auch die Reformen in den einzelnen Staaten vorantrieb, vgl. auch Freiberg, OT 6 (February 1995), S. 11. 546 Australian Law Reform Commission, Same Crime, Same Time: Sentencing of Federal Offenders, Report 103, 2006 (http://www.austlii.edu.au/au/other/alrc/publications /reports/103/ (01. 12. 08)).

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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2006 noch einmal bestätigte. Um den Schwierigkeiten entgegenzutreten und den Gerichten eine bessere Führung angedeihen zu lassen, 547 wurden schon bald die ersten umfassenden Strafzumessungsgesetze erlassen. 548 Dadurch wurde den Gerichten eine Führung an die Hand gegeben, die bis heute Bestand hat. In Victoria und teilweise auch im Commonwealth gibt es nunmehr Auflistungen ganz unterschiedlicher Strafzwecke, deren Auswahl und Gewichtung zwar dem Richter überlassen bleibt, dessen Entscheidung aber durch die Einschätzung des Straftatbestands und Straftäters überformt ist. In Victoria wurden klarere Strafhierarchien eingeführt. Bei der Strafzumessung dominiert das Verhältnismäßigkeitsprinzip (principle of proportionality). Dabei muss die Strafe schon und noch den weiteren Umständen der Straftat (surrounding circumstances of the offence) angemessen sein. Eine weitere Individualisierung erfolgt vornehmlich über die Umstände, die in der Person des Straftäters begründet sind. Das Strafzumessungsermessen ist nur wenig beschränkt. Das Problembewusstsein diesbezüglich ist gering, und eine dadurch unter Umständen entstehende Strafungerechtigkeit wird verneint. Vielmehr werden Ermessenseinschränkungen als der Einzelfallgerechtigkeit entgegenstehend betrachtet. Daher wird auch die Strafe in einem Schritt in der Gesamtschau aller relevanten Umstände (instinctive synthesis approach) zugemessen. Strafentscheidungen sind in Victoria und dem Commonwealth nicht durch Richtlinien erfasst. Die Todesstrafe wurde für die letzte Rechtsordnung 1987 abgeschafft. 549 Die Vielzahl der australischen Rechtsordnungen – genauer der neun Rechtsordnungen – nämlich des Commonwealth of Australia, seiner sechs Staaten Queensland, New South Wales, Victoria, Tasmania, South Australia und Western Australia sowie der zwei Territorien Northern Territory und Australian Capital Territory, macht eine Beschränkung der Betrachtung notwendig. Vor 547

Siehe z. B. Sentencing Act 1991(Vic) s 1, der in Auszügen lautet: „The purposes of this Act are–(a) to promote consistency of approach in the sentencing of offenders; (b) to have within the one Act all general provisions dealing with the powers of courts to sentence offenders; (c) to provide fair procedures–(i) for imposing sentences; and (ii) for dealing with offenders who breach the terms of conditions of their sentences ...“ 548 Den Anfang bildete der Law Sentencing Act 1988 von „South Australia“. Es folgten der Sentencing Act 1991 von „Victoria“; der Penalties and Sentences Act 1992 von „Queensland“; der Sentencing Act 1995 des „Nothern Territory“; die Regelungen in „Western Australia“ die ein Gesetz für die grundlegenden Prinzipien, den Sentencing Act 1995, und ein Gesetz für die Umsetzung der Strafe, den Sentence Administration Act 1995 bzw. 2003 erließen; der Sentencing Act 1997 in „Tasmania“; das zweigeteilte Regelungswerk in „New South Wales“ mit dem Crimes (Administration of Sentences) Act 1999 und Crimes (Sentencing Procedure) Act 1999 und schließlich im „Australian Capital Territory“ den Crimes (Sentencing) Act 2005. Im „Commonwealth of Australia“ ist der Crimes Act 1914 einschlägig. Alle Gesetze können von der „Australian Legal Information Institute Internetseite“ unter http://www.austlii.edu.au/databases.html heruntergeladen werden (01. 12. 08). 549 Vgl. Warner, The Punishment of Serious Crimes in Australia, S. 2.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

dem Hintergrund der australischen Rechtstradition bezieht sich die Betrachtung daher vornehmlich auf die Regelungen des Bundesstaates Victoria und des Commonwealth von Australien. Bezüglich Victoria rechtfertigt sich die Betrachtung zum einen aus der guten Zugänglichkeit der Rechtsquellen, 550 zum anderen aus dem Umstand, dass der Sentencing Act 1991 (Vic) 551 für die Gesetzgebung in Queensland Pate stand, und die Gesetzgebungen in Western Australia und Northern Territory starke Ähnlichkeiten zu der in Victoria aufweisen. 552 Damit können die Regelungen des Sentencing Act 1991 (Vic) als beispielhaft für die Regelungen der anderen Rechtsordnungen in Australien gelten. Die Betrachtung des Commonwealth rechtfertigt sich zum einen daraus, dass natürlich auch in Victoria die Regelungen des Commonwealth für „federal crimes“ gelten und man die rechtliche Situation der Strafzumessung in Victoria nur unzureichend erfassen würde, ließe man die im Crimes Act 1914 (Cth) niedergelegten und letztmalig durch den Crimes Amendment (Bail and Sentencing) Act 2006 553 überarbeiteten Regelungen des Commonwealth zur Strafzumessung außer Acht, und zum anderen daraus, dass der Commonwealth im Criminal Code Act 1995 (Cth) 554 die Kernverbrechen des Völkerstrafrechts unter Strafe stellt. 555

C. Zusammenfassung I. Die Rechtsquellen des ICC gründen in Art. 21 ICC-Statut und sind hierarchisch aufgebaut: An erster Stelle steht das eigene Recht des ICC, mit Vorrang des Statuts als Grundnorm vor den Verbrechenselementen und der Verfahrensund Beweisordnung (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut). An zweiter Stelle folgt das abgeleitete Recht des Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrechts (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut). Es soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn das eigene Recht Lücken aufweist. Im Mittelpunkt 550 Siehe insbesondere die Online-Datenbank Victorian Sentencing Manual des Judicial College of Victoria, welche auf über 2500 Seiten Informationen zur Strafzumessung in Victoria bereithält (http://www.justice.vic.gov.au/emanuals/VSM/default.htm aufgerufen werden (01. 12. 08)). 551 Sentencing Act 1991, No. 49 von 1991, Stand 23 April 2007. 552 Vgl, Freiberg, OT 9 (February, 1998), S. 11; ders, OT 6 (February 1995), S. 11. 553 http://www.austlii.edu.au/au/legis/cth/bill/caasb2006308/ (01. 12. 08). 554 Criminal Code Act 1995 Act No. 12 of 1995 as amended of 2007 (http://www .comlaw.gov.au/comlaw/Legislation/ActCompilation1.nsf/0/5C1CAB5142C30477CA25 72BC0000AE23?OpenDocument (01. 12. 08)). 555 Hinzu kommt, dass der Commonwealth mit dem International Criminal Court Act 2002, No. 41, 2002 (http://scaleplus.law.gov.au/html/comact/11/6513/pdf/0412002 .pdf (01. 07. 08)) die Zusammenarbeit mit dem ICC regelt; vgl. näher zur Kodifizierung im Zusammenhang mit dem ICC Biehler / Kerll, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Australien, S. 24 ff.

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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steht die Betrachtung des Völkergewohnheitsrechts, welches durch von Rechtsüberzeugung getragene Übung der Rechtssubjekte entsteht. Einzelheiten sind umstritten. Belegen lassen sich Übung und Rechtspraxis überall dort, wo sich die Völkerrechtssubjekte verbindlich mit völkerrechtlichen Fragen auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung kann evident werden durch Handeln (oder Unterlassen) der Exekutivorgane (Äußerungen, Verträge), Legislativorgane (Gesetze) oder Judikativorgane (Urteile), solange sich das Handeln auf völkerrechtliche Fragen erstreckt und Ausdruck der Rechtsüberzeugung ist, aber auch durch Foren, in denen sich die Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekte zu Menschenrechten und zum Völkerstrafrecht rechtsverbindlich äußern. Dazu gehört insbesondere die UN-Praxis im Bereich Menschenrechte und Völkerstrafrecht. Als Erkenntnisquelle können auch Urteile internationaler Gerichte dienen. Zwar schaffen sie kein Recht, sie weisen aber auf bestehendes Recht hin. Zuweilen mag ihre Spruchpraxis darüber hinaus auch ein „normatives Eigengewicht“ begründen. An dritter Stelle sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut). Trotz ihrer Subsidiarität können sie nicht nur anstelle, sondern auch ergänzend zum Völkervertrags- bzw. Gewohnheitsrecht zur Anwendung kommen insofern, als die allgemeinen Rechtsgrundsätze Mittel der Auslegung und Ausfüllung von Lücken im bestehenden Recht sind. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze lassen sich vor allen in der Rechtsordnung und Rechtspraxis der einzelnen Staaten belegen. Genauer bestimmt werden sie hier aus dem Vergleich zwischen den wichtigsten Rechtsordnungen der kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie (Rechtsordnungen Deutschlands, Schwedens und Frankreichs) und der angloamerikanischen Rechtsfamilie (Rechtsordnungen von England-Wales, von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika, ergänzt um Victoria und den Commonwealth von Australien) auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung. Das sich dabei herausschälende, gemeinsame Prinzip ist der allgemeine Rechtsgrundsatz. Allerdings kann ein gemeinsames Prinzip immer nur ein allgemeiner Rechtsgrundsatz sein, wenn es sich auch aus dem nationalen Kontext in einen internationalen Kontext übertragen lässt, d. h. auch den strukturellen Eigenarten des Völkerstrafrechts entgegenkommt. Eine Übertragung der allgemeinen Rechtsgrundsätze auf das Völkerstrafrecht darf sich daher nicht in einem bloßen „Abkupfern“ eines gemeinsamen Prinzips erschöpfen, sondern muss vielmehr durch einen „process of combination and fusion“ zu einer neuen, eigenständigen rechtlichen Völkerstrafrechtsdoktrin führen, die dem Hybrid-Charakter des Völkerstrafrechts gerecht wird. Die letzte Hürde nehmen die allgemeinen Rechtsgrundsätze durch den Abgleich mit dem ICC-Statut und den Menschenrechten. Die aufgezeigte formelle Hierarchie der Rechtsquellen mit dem eigenen Recht am Anfang und der Abstufung des abgeleiteten Rechts wird durch eine materielle Hierarchie der Rechtsquellen ergänzt. Diese verlangt die Vereinbarkeit des Rechts des ICC mit den Menschenrechten und Jus-cogens-Normen.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

II. An die Definition der Rechtsquellen schließt sich die Konkretisierung der Rechtsquellen an. Die Konkretisierung ist Voraussetzung für die weitere Auslegung und Subsumtion zur Suche der Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung. 1. Konkretisiert wird das Statut durch Auslegung nach den Grundsätzen des Art. 31 ff. WVK. Auf der Grundlage eines objektiven Auslegungsansatzes ist der erste Schritt der Auslegung der Wortlaut und der weitere systematische Zusammenhang, wie er sich aus Vertragstext und Präambel, aber auch aus dem Völkerrecht ergibt (grammatikalische und systematische Auslegung). In einem zweiten Schritt hat die Auslegung im objektiven Licht des Sinns und Zweckes des Vertrages zu erfolgen (objektiv-teleologische Auslegung). Dabei ist der Effektivitätsgrundsatz zu beachten. In einem dritten Schritt ist der Rückgriff auf die Vertragsmaterialien und die Umstände des Vertragsschlusses möglich (historisch-genetische Auslegung). Die Auslegung hat unter Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu geschehen. 2. Wird Völkergewohnheitsrecht durch Rechtspraxis und eine sie tragende Rechtsüberzeugung gebildet, so kann es vor allem im Kontext der Strafzumessung durch Statuten und Urteile anderer internationaler Gerichte begründet bzw. belegt werden: a) Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Völkerstrafrechts beginnt die Betrachtung mit dem Statut und dem Urteil des IMT. Das Statut ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Als solcher kann es deklaratorisch auf bestehendes Recht hinweisen oder konstitutiv selbst Völkergewohnheitsrecht im Kontext der Strafbemessung und Strafzumessung schaffen. Dass das Statut auf Völkergewohnheitsrecht hinweist, ist aber fraglich, da dem Inhalt des Statuts schon hinsichtlich der Strafbemessung keine konkretere Aussage zu entnehmen ist, als dass Freiheitsstrafen als Strafart in Betracht kommen. Damit das Statut Völkergewohnheitsrecht begründet, muss sich in ihm eine von einer Rechtsüberzeugung getragene Staatenpraxis ausdrücken. Allerdings lässt sich weder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch im Nachgang zum Vertragsschluss eine einheitliche Rechtsüberzeugung belegen, da die Umstände des Vertragsschlusses auf einen diplomatischen Kompromiss schließen lassen und bis heute keine einheitliche Rechtsüberzeugung (und Staatenpraxis) zur Dauer von Freiheitsstrafen erkennbar ist. Das Urteil des IMT kann aber Völkergewohnheitsrecht aufzeigen oder selbst ein normatives Eigengewicht entfalten. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass das IMT ein internationales Gericht war. Dazu müsste es zumindest formell wirksam begründet worden sein. Dem war nicht so, denn weder wurde die Strafgewalt wirksam übertragen, noch das Gericht völkerrechtlich legitim errichtet. Selbst wenn man den Rechtsstatus eines internationalen Gerichts unterstellt, kann durch ein einziges Urteil kaum Völkergewohnheitsrecht belegt und keine Spruchpraxis

4. Kap.: Rechtsquellen des ICC-Statuts und ihre Konkretisierung

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begründet werden, die zur Bildung eines normativen Eigengewichts notwendig wäre. Auch die unmittelbar nach dem Prozess einsetzenden Bemühungen der Vereinten Nationen, die Quintessenz des Prozesses in eine Resolution, die Nürnberger Prinzipien, zu gießen, hat nicht dazu geführt, Statut und Urteil des IMT doch noch völkergewohnheitsrechtliche Geltung zu verleihen. Die dafür notwendige Rechtsüberzeugung und Übung lassen sich in den Resolutionen der Vollversammlung nicht belegen. Eine nachfolgende Bildung von Völkergewohnheitsrecht für den Bereich der Strafbemessung und Strafzumessung muss ebenfalls verneint werden, da die diesbezüglichen Aussagen in Statut und Urteil des IMT so vereinzelt und unpräzise sind, dass sie weder Völkergewohnheitsrecht belegen noch begründen können. Statut und Urteil des IMT bleiben bei der Suche nach den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung deshalb unberücksichtigt. b) Da das IMTFE durch Proklamation geschaffen wurde und nicht durch einen multilateralen Vertrag wie das IMT, scheidet der Versuch, Völkergewohnheitsrecht durch die Anlehnung an einen Vertrag zu belegen bzw. zu begründen, von vornherein aus. Folglich kann das IMTFE-Statut oder das darauf basierende Urteil nur dann Völkergewohnheitsrecht belegen, wenn das IMTFE ein internationales Gericht war. Da die Fähigkeit zur Übertragung von Hoheitsrechten von der Kapitulation unberührt blieb, hätte es der wirksamen Übertragung der Hoheitsrechte zur Strafverfolgung auf das IMTFE bedurft. Das jedoch geschah nicht. Selbst wenn die Rechtsnatur als internationales Gericht unterstellt wird, können Statut und Urteil nicht als Beleg von Völkergewohnheitsrecht gelten, da das Verfahren mit erheblichen rechtsstaatlichen Mängeln behaftet war, die das Gewicht des Urteils erheblich schmäleren, so dass es als nicht geeignet erscheint, Völkerrechtssubjekte zu binden. Daher kann durch das IMTFE-Statut und sein Urteil Völkergewohnheitsrecht weder belegt noch geprägt werden. c) Der Nachweis von Völkergewohnheitsrecht könnte auch durch das Statut und die Urteile der Nürnberger Nachfolgeprozesse gelingen. Allerdings erfassten die bei Abschluss des Londoner Abkommens bestehenden Uneinigkeiten zwischen den Alliierten auch die Rechtskraft des CCL No. 10, so dass dadurch weder Völkergewohnheitsrecht belegt noch begründet werden kann. Es bliebe noch Raum, den Urteilen der Nürnberger Nachfolgeprozesse als Urteilen internationaler Gerichte eine das Völkergewohnheitsrecht belegende oder prägende Wirkung zuzusprechen. Allerdings war das Nürnberger Gericht in formeller Hinsicht ein Besatzungsgericht und kein internationales Gericht. Hinzu kommt, dass die Aussagen, die den Nürnberger Nachfolgeprozessen zur Strafzumessung entnommen werden können, inhaltlich begrenzt sind, da zum einen überhaupt nur wenige vereinzelte Aussagen gemacht wurden, und zum anderen zu vermuten ist, dass diese Aussagen überwiegend in Anlehnung an nationales Recht getroffen wurden. Insgesamt sind die inhaltlichen Bezüge zur Strafzumessung zu spärlich

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

und zu uneinheitlich, um dazu geeignet zu sein, eine einheitliche Übung und Rechtsüberzeugung zu belegen oder zu prägen. d) Völkergewohnheitsrecht könnte zudem aus den Statuten und Urteilen der Gerichte der Militärregierung und der sonstigen Militärkommissionen oder Militärgerichte entspringen. Militärkommissionen und Militärgerichte haben aber ihre Grundlage im nationalen Militärrecht der einzelnen Staaten und leiten die Strafzumessung auch aus dem nationalen Strafrechtssystem her, so dass durch sie kein Beleg von Völkergewohnheitsrecht erbracht werden kann. Die Gerichte der Militärregierung hingegen haben ihre Grundlage im Besatzungsrecht und sind in formeller Hinsicht als Besatzungsgerichte zu qualifizieren, was ihren Urteilen nicht das Gewicht von Urteilen internationaler Gerichte verleiht. Erst mit Erlass des CCL No. 10 und der Verordnung Nr. 68 in der britischen Besatzungszone bzw. der Verordnung Nr. 36 in der französischen Besatzungszone kann die Jurisdiktion auf die Moskauer Erklärung und das Londoner Abkommen zurückgeführt werden. Dies ändert aber nichts an der Qualifizierung der Gerichte als Besatzungsgericht und hilft nicht über den gerade im Kontext des Strafens oftmals beschrittenen Rückgriff auf das nationale Recht hinweg. Entsprechend der schon im Rahmen der Nürnberger Nachfolgeprozesse getroffenen Bewertung, können die Statuten und Urteile der sonstigen Gerichte der Militärregierung ebenfalls kein Völkergewohnheitsrecht belegen oder gar begründen. e) Der Nachweis von Völkergewohnheitsrecht kann anhand der Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha gelingen. Dazu müssen die Ad-hoc-Gerichtshöfe internationale Gerichte sein. Dies ist der Fall, denn die Ad-hoc-Gerichtshöfe sind als juristische Intervention gemäß Kapitel VII der UN-Charta zur Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit eingesetzt worden. Damit können Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe Völkergewohnheitsrecht sowohl begründen als auch belegen. Dabei sind die Statuten selbst bereits Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht. Denn der Sicherheitsrat hat mit den Statuten kein neues Völkerstrafgesetz erlassen, sondern nur bestehendes Recht in der Wahrung des Grundsatzes des nullum crimen sine lege zur rechtmäßigen Bindung des Einzelnen deklaratorisch umgesetzt. Das bestehende Recht ergibt sich aus dem Völkergewohnheitsrecht bzw. Völkervertragsrecht, welches Völkergewohnheitsrecht belegt, so dass die Statuten auch Völkergewohnheitsrecht belegen. Allerdings legitimiert das Völkergewohnheitsrecht nicht im gleichen Umfang die Rechtsfolgenseite wie die Tatbestandseite der Völkerstraftatbestände. Dieser Umstand kann durch die Spruchpraxis des Gerichts ausgeglichen werden, da sich die Strafen in den Urteilen letztlich auch auf das Statut erstrecken müssen, auf dessen Grundlage sie ergangen sind. Die partiellen Rechte und Pflichten der Ad-hoc-Gerichtshöfe als Nebenorgane des Sicherheitsrats verleihen ihnen eine gekorene, partielle Völkerrechtssubjek-

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

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tivität, die es erlaubt, in ihren Urteilen eine für das Völkergewohnheitsrecht relevante, von einer Rechtsüberzeugung getragene Übung zu sehen. Die dafür notwendige Dauer der Übung wird durch die kontinuierliche Spruchpraxis gewahrt, zumal sich die Übung auf eine starke Rechtsüberzeugung stützen kann und andere Völkerrechtssubjekte der Übung nicht entgegentreten. Da die Spruchpraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe für den Bereich des Strafens und der Strafzumessung im Völkerstrafrecht neues Völkergewohnheitsrecht setzt, nicht aber bestehendes abändert, steht die Anforderung an Einheitlichkeit und Verbreitung der Übung der Begründung von Völkergewohnheitsrecht ebenfalls nicht entgegen. Somit begründen die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe im Kontext der Strafzumessung Völkergewohnheitsrecht. Die Rechtskraft der Urteile erstreckt sich auch auf die Statuten, auf denen sie beruhen. Denn die Spruchpraxis der Urteile ist die Übung, welche die Statuten auf der Grundlage der Rechtsüberzeugung des Gerichts anwenden. Können die Urteile im Kontext der Strafzumessung Völkergewohnheitsrecht prägen, so prägen auch die Statuten Völkergewohnheitsrecht in diesem Bereich. Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe taugen daher als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht im Kontext der Strafzumessung. 3. Konkretisiert werden die allgemeinen Rechtsgrundsätze durch die Rechtsordnungen der kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsfamilien. Eine erste Übersicht untermauert die Auswahl der Rechtsordnungen sowohl von Deutschland, Schweden und Frankreich als auch von England-Wales, Minnesota, den Vereinigten Staaten von Amerika, Victoria und dem Commonwealth von Australien.

5. Kapitel

ICC-Statut und ICC-RPE (Art. 21 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut) An erster Stelle der vor dem ICC zu berücksichtigenden Rechtsquellen steht das durch den Vertrag von Rom geschaffenen eigene Recht des ICC. Mit Blick auf Herstellung und Darstellung der Strafe sind das insbesondere das Statut und die Verfahrens- und Beweisordnung. Diese sind Ausgangspunkt der Strafbemessung und Strafzumessung. Da die Strafzumessung aber im Rahmen der Strafbemessung stattfindet, wendet sich die weitere Betrachtung in einem ersten Schritt zunächst der Strafbemessung zu (dazu sogleich unter A.), um dann vor diesem Hintergrund in einem zweiten Schritt die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung herauszuarbeiten (dazu später unter B.).

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

A. Sanktionssystem und Strafbemessung Zentrale Regelungen zur Strafe befinden sich im 7. Teil des ICC-Statuts und im 7. Teil der Prozess- und Beweisregeln. Diese werden durch Art. 76 ICC-Statut für das Verfahren und Art. 110 ICC-Statut für die Überprüfung und Herabsetzung einer einmal verhängten Strafe ergänzt. 1. Freiheitsstrafen (Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut) Das ICC-Statut bestimmt nicht für jedes Verbrechen in seiner Gerichtsbarkeit (Art. 5 ICC-Statut) die Strafe getrennt, sondern droht in Art. 77 ICC-Statut einheitliche Strafen für alle Verbrechen an. 1 In Art. 77 ICC-Statut heißt es im Einzelnen: Applicable Penalties 1. Subject to article 110, the Court may impose one of the following penalties on a person convicted of a crime referred to in article 5 of this Statute: (a) Imprisonment for a specified number of years, which may not exceed a maximum of 30 years; or (b) A term of life imprisonment when justified by the extreme gravity of the crime and the individual circumstances of the convicted person. 2. In addition to imprisonment, the Court may order: (a) A fine under the criteria provided for in the Rules of Procedure and Evidence; (b) A forfeiture of proceeds, property and assets derived directly or indirectly from that crime, without prejudice to the rights of bona fide third parties ...

Das Gericht kann somit entweder eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe von höchstens 30 Jahren oder unter gewissen Voraussetzungen eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen. 2 Als Nebenstrafen können die Einziehung von Vermögen und die Verhängung einer Geldstrafe hinzu kommen. Weitere Strafarten kommen nicht in Betracht, auch nicht die Todesstrafe, 3 da die Auflistung des Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut endgültig ist. 4 Im Gegensatz zu ICTY und ICTR wurde ganz 1

Vgl. zur Entstehung der Regelung Schabas, Penalties, S. 1506 ff. Siehe zur Debatte über die lebenslange Freiheitsstrafe auf der Konferenz von Rom Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, S. 316 f. 3 Vgl. Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, S. 315 f. 4 Vgl. Fife, Penalties I, S. 339; Sadat, The International Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 166, in Fn. 171 sieht in der „weichen“ Formulierung des „may impose“ (anstelle eines „shall impose“) die theoretische Möglichkeit, dass das Gericht auch andere als die in Art. 77 explizit genannten Strafen verhängen kann. Auch wenn der Wortlaut diese Auslegung theoretisch eröffnet, so entspricht eine solche Auslegung nicht dem in den Vertragsmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsstaaten, andere Strafarten, insbesondere die Todestrafe, auszuschließen, sondern 2

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

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bewusst keine Regelung aufgenommen, die für die Bestimmung der Strafe auf nationale Rechtssysteme verweist, 5 da diesbezüglich keine Einigung unter den Delegierten erzielt werden konnte und nicht zuletzt über Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut auf nationale Regelungen zurückgegriffen werden kann. 6 a) Zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe (Art. 77 Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut) Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 1 lit. (a) Hs. 1 ICC-Statut mit der Formulierung „for a specified number of years“ legt nahe, dass die Bemessung der Freiheitsstrafe nur in Jahren erfolgen kann. 7 Da die Regelung in ihrem 2. Hs. eine die Strafzumessungsgewalt des Gerichts einschränkende Obergrenze der Strafzumessung von 30 Jahren enthält, spricht der Wortlaut dafür, einen Strafzumessungsrahmen von wenigstens einem Jahr bis höchstens 30 Jahren anzunehmen. Jede begrenzte Freiheitsstrafe, die 30 Jahre über- bzw. ein Jahr unterschreiten sollte, wäre ultra vires und entspräche nicht mehr dem Gebot nulla poena sine lege, wie es auch in Art. 23 ICC-Statut festgeschrieben ist. Aus der Stellung des Unterabsatzes (a) vor dem Unterabsatz (b) des ersten Absatzes und den zusätzlichen Anforderungen im Wortlaut des zweiten Unterabsatzes („when justified by“) lässt sich systematisch schließen, dass die begrenzte Freiheitsstrafe die gängige Freiheitsstrafe sein soll, wohingegen eine lebenslange Freiheitsstrafe nur ausnahmsweise bei schwersten Fällen 8 und nur unter den besonderen Voraussetzungen des Unterabsatzes (b) verhängt werden kann. 9 b) Lebenslange Freiheitsstrafe (Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut) Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut knüpft an die lebenslange Freiheitsstrafe eine Sanktionsschwelle mit zwei Bedingungen an, die den Ausnahmecharakter des Unterabsatzes (b) noch einmal betonen: So muss die lebenslange Freiheitsstrafe sowohl durch die außergewöhnliche Schwere des Verbrechens (extreme gravity of the crime) als auch durch die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten (individual circumstances of the convicted person) gerechtfertigt sein. 10 lässt sich vielmehr damit erklären, dass die Richter ein Verfahren selbstverständlich auch ohne Strafverhängung, nämlich mit einem Freispruch abschließen können. 5 Vgl. Sadat, The International Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 166. 6 Siehe zu den Hintergründen Schabas, EJIL 11 (2000), S. 536 ff. 7 Vgl. hingegen Sadat, The International Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 166, der davon ausgeht, dass der Wortlaut des Statuts keine Minimumstrafe vorgibt. 8 Vgl. Peglau, HuV (2001), S. 249. 9 Vgl. Fife, in: ICC Commentary, Art. 77, Rn. 23. 10 Diese klare Trennung zwischen begrenzter Freiheitsstrafe und lebenslangem Freiheitsentzug soll laut Fife die Bestimmtheit der Strafzumessungsnorm fördern, indem sie

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

aa) Außergewöhnliche Schwere des Verbrechens Die erste Bedingung, die „außergewöhnliche Schwere des Verbrechens“, setzt ein Verbrechen eines gewissen Ausmaßes voraus. 11 Wie dieses Ausmaß qualifiziert sein muss, ist allerdings fraglich. Aus der Tatsache, dass überhaupt eine bestimmte Qualifizierung des Verbrechens vom Statut verlangt wird, und aufgrund des systematischen Zusammenhangs von Unterabsatz (b) und Unterabsatz (a) kann aber geschlossen werden, dass nicht automatisch bei allen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterworfenen Verbrechen von einem solchen, die lebenslange Freiheitsstrafe (mit)begründenden Ausmaß auszugehen ist. Mit anderen Worten: Aus der Tatsache, dass in Art. 5 ICC-Statut die Gerichtsbarkeit nur auf die „schwersten Verbrechen“ bzw. „the most serious crimes“ beschränkt ist, 12 kann nicht geschlossen werden, diese würden auch immer die Schwelle des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut überschreiten. Vielmehr muss ein Verbrechen von „extreme gravity“ schwerer sein als ein gängiges unter das ICC-Statut fallendes Verbrechen. Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die Richterschaft daher gezwungen, eine wertende Abstufung vorzunehmen, die zwei Schwellen überschreitet: die der „most serious crimes“, da nur so die Tat überhaupt unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs fällt, und die der „extreme gravity of the crime“, da nur in diesem Fall eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden kann. Für Art. 77 ICC-Statut bedeutet das, dass der Begriff der „extreme gravity“ jenseits von dem des „most serious crime“ dingfest zu machen ist und sich durch ein Mehr an Schwere auszeichnet. Dem Wortlaut nach muss sich das Mehr an Schwere aus dem Verbrechen ergeben. Die besonders strafwürdige Qualität des Verbrechens speist sich aber aus der Tat und lässt sich daher näher durch ihre Umstände qualifizieren. Bedenkt man den systematischen Zusammenhang mit der zweiten Bedingung des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) a. E. ICCStatut, die auf täterbezogene Merkmale abstellt, eröffnet das die Folgerung, dass die erste Bedingung durch tatbezogene Merkmale ausgefüllt wird. bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten Neben den tatbezogenen Merkmalen fordert der Wortlaut des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) a. E. ICC-Statut, die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten zu berückdie Richter zwingt, zwischen 30 Jahren Freiheitsentzug und lebenslangem Freiheitsentzug zu wählen, ohne jedoch das Ermessen zu sehr einzuschränken; vgl. Fife, in: ICC Commentary, Art. 77, Rn. 10. 11 Vgl. zur Bedeutung von Schwere als (großem) Ausmaß bzw. als (hohem) Grad von etwas Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, Duden, Band 8, S. 3485. 12 Siehe auch Paragraph 4 der Präambel des ICC-Statuts: „Affirming that the most serious crimes of concern ...“ (eigene Hervorhebung) mit der Erläuterung bei Triffterer, in: ICC Commentary, preamble, Rn. 12.

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sichtigen. Bedenkt man, dass die Umstände (circumstances) als „the environmental conditions of an act or event“ 13, „the external conditions affecting ... action“ 14 umschrieben werden können, so stellt die zweite Bedingung für eine lebenslange Freiheitsstrafe auf die Umstände oder äußeren Gegebenheiten des Verurteilten ab; mithin auf täterbezogene Merkmale. Gemäß Art. 78 Abs. 1 ICCStatut i.V. m. § 145 Abs. 3 ICC-RPE 15 werden die außergewöhnliche Schwere der Tat bzw. die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten näher durch ein oder mehrere strafschärfende Merkmale belegt. 2. Nebenstrafen (Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut) a) Geldstrafe (Art. 77 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut) Die Regelungen zur Geldstrafe finden sich in Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut i.V. m. § 146 ICC-RPE. Dabei erschöpft sich Art. 77 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut in der Feststellung, dass eine Geldstrafe nur zusätzlich zur Gefängnisstrafe verhängt werden kann und die Einzelheiten der Geldstrafe in der ICC-RPE geregelt werden. Auf der Konferenz von Rom wurde zwar die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe begrüßt, es gab aber eine Reihe von Bedenken, die nicht auf der Konferenz gelöst werden konnten und daher in den Verfahrens- und Beweisregeln einer Lösung zugeführt werden sollten. Bedenken bestanden insbesondere hinsichtlich der Gefahr einer zu exzessiven Verhängung der Geldstrafe. Auch galt es, Regelungen zu finden, wie einer bewussten Nichtzahlung begegnet werden konnte. 16 § 146 ICC-RPE versucht, ersteren Bedenken durch Verhältnismäßigkeitserwägungen gerecht zu werden: Einmal gilt es, durch das Gericht das Überschreiten einer Sanktionsschwelle festzustellen, ab der zusätzlich zur Gefängnisstrafe eine Verhängung einer Geldstrafe vonnöten ist, d. h. das Gericht muss klären, ob nicht schon die freiheitsbeschränkende Sanktion eine ausreichende Strafe darstellt. Um diese Entscheidung zu fällen, soll das Gericht neben der Regelung des § 145 ICC-RPE nicht nur die finanzielle Situation des Verurteilten vor dem Hintergrund möglicher Anordnungen nach Art. 75 ICC-Statut und Art. 77 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut berücksichtigen, 17 sondern auch, inwieweit die Taten des Verurteilten durch den eigenen finanziellen Vorteil motiviert wa13

Brown, The New Shorter Oxford English Dictionary, S. 405. Brown, The New Shorter Oxford English Dictionary, S. 405. 15 Vgl. den Wortlaut des § 145 Abs. 3 ICC-RPE: „... 3. Life imprisonment may be imposed when justified by the extreme gravity of the crime and the individual circumstances of the convicted person, as evidenced by the existence of one or more aggravating circumstances“ (eigene Hervorhebung). 16 Vgl. zu den Bedenken im Einzelnen Fife, in: ICC Commentary, Art. 77, Rn. 27 f. 17 Vgl. § 146 Abs. 1 ICC-RPE. Die Verknüpfung mit den finanziellen Verhältnissen des Täters verwundert, zumindest wenn diese bei der Entscheidung über das „Ob“ der Verhängung einer Geldstrafe berücksichtigt werden sollen. Denn anders als für die Be14

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ren. Gerade bei einer solchen Motivation würde die Geldstrafe spezialpräventiv abschreckend wirken. 18 Ergänzt wird die Überlegung der Sanktionsschwelle gemäß § 146 Abs. 2 ICC-RPE durch eine zweite Verhältnismäßigkeitsanforderung, nach der die Geldstrafe nur in angemessener Höhe zu verhängen ist. 19 Bestimmt wird dies neben den bereits erwähnten Kriterien unter besonderer Berücksichtigung von Schaden und Verletzung durch die Straftat und den verhältnismäßigen Vorteilen des Täters; dabei darf die Geldstrafe jedoch höchstens 75 % des Vermögens des Verurteilten unter besonderer Berücksichtigung seines eigenen Bedarfs bzw. den seiner Familie betragen. 20 Das Gericht hat eine realistische Zeitspanne zur Zahlung in Raten oder als ganze Summe einzuräumen 21 und kann die Geldstrafe auch in Tagessätzen ausrechnen, die 30 Tage nicht unterschreiten und fünf Jahre nicht überschreiten dürfen. 22 Die Konsequenzen bei bewusster Nichtzahlung regelt § 146 Abs. 5 ICC-RPE. Zunächst sind bei dauerhafter Verweigerung die Sanktionen gemäß §§ 217 ff. ICC-RPE auszuschöpfen, bevor – als letzte Möglichkeit – die Verlängerung der Gefängnisstrafe erfolgen kann. 23 Die Ersatzstrafe darf nicht mehr als ein Drittel der ursprünglichen Gefängnisstrafe bzw. fünf Jahre, je nach dem, was kürzer ist, überschreiten. Begrenzt ist die Verhängung auf maximal 30 Jahre Freiheitsentzug und ausgeschlossen bei lebenslanger Freiheitsstrafe. 24 Bei der Bestimmung der Dauer hat das Gericht Höhe und erfolgte (Teil-)Zahlungen zu berücksichtigen. 25 b) Einziehung (Art. 77 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut) Als weitere Nebenstrafe kann der Gerichtshof gemäß Art. 77 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut die Einziehung „des Erlöses, des Eigentums und der Vermögensgegenstände“, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen stehen, anordnen. Der stimmung der Höhe der Geldstrafe, dem „Wie“, kann nur schwerlich die finanzielle Situation des Verbrechers das Verhältnis zwischen Verbrechen und seiner Strafe beeinflussen. Ansonsten hätte mit der gleichen Tat der Reiche, der mit der zusätzlichen Geldstrafe bestraft wird, ein größeres Unrecht verwirklicht als der Arme, bei dem nur wegen seiner finanziellen Situation auf die Verhängung einer Geldstrafe verzichtet wird. 18 Vgl. Fife, Penalties II, S. 567; Peglau, HuV (2001), S. 250. 19 Vgl. § 146 Abs. 2 ICC-RPE: „... shall be set at an appropriate level.“ 20 Vgl. im Einzelnen § 146 Abs. 2 ICC-RPE; siehe zur Entstehung der Regelung die Darstellung bei Fife, Penalties II, S. 566 f.; ebenfalls Peglau, HuV (2001), S. 250. 21 Vgl. § 146 Abs. 3 ICC-RPE. 22 Vgl. im Einzelnen § 146 Abs. 4 ICC-RPE; siehe zur Entstehung der Regelung Fife, Penalties II, S. 567 f. 23 Vgl. im Einzelnen Peglau, HuV (2001), S. 250. 24 Vgl. Peglau, HuV (2001), S. 250. 25 Vgl. im Einzelnen § 146 Abs. 5 ICC-RPE; siehe zur Entstehung der Regelung Fife, Penalties II, S. 568 f.

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Begriff der „Einziehung“ (forfeiture) lässt sich wohl definieren als eine dauerhafte, ohne Entschädigung vorgenommene Entziehung von wirtschaftlichen Gütern, was dem französischen „confiscation“ und dem spanischen „decomisio“ entspräche. 26 Schwierigkeiten bestehen auch bei der Definition von „proceeds“ und „property“ und der Bedeutung von „derived directly or indirectly from that crime“, die ebenfalls nicht näher im Statut definiert sind. 27 Die Einziehung hat gutgläubig erworbene Rechte Dritter zu berücksichtigen. Einzelheiten zum Verfahren finden sich in § 147 ICC-RPE. 28 3. Anrechnung vorheriger Haftzeiten (Art. 78 Abs. 2 ICC-Statut) Art. 78 Abs. 2 S. 1 ICC-Statut ordnet zwingend die Anrechnung der bereits in Haft verbrachten Zeit auf die Freiheitsstrafe an, soweit die Haftzeit auf eine Anordnung des Gerichts zurückgeht. Wird zum Beispiel der Beschuldigte aufgrund eines durch die Vorverfahrenskammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß Art. 58 ICC-Statut ausgestellten Haftbefehls in einem Staat festgesetzt, so muss die Zeit des Beschuldigten in der Auslieferungshaft zwingend auf die am Ende des Verfahrens zu verhängende Freiheitsstrafe angerechnet werden. Gleiches gilt für die Zeit des Beschuldigten in der Untersuchungshaft des Gerichts. 29 Darüber hinaus kann der Gerichtshof alle weiteren nationalen Haftstrafen, die im Zusammenhang mit einem strafbaren Verhalten nach dem ICC-Statut stehen, auf die vom ICC zu verhängende Haftstrafe anrechnen. 30 Auch wenn keine genauen Faktoren zur Ausfüllung dieses Ermessens genannt werden, so sollen jedenfalls die näheren Umstände der nationalen Verurteilung und die Dauer der Haft eine Rolle bei der Ermessensabwägung spielen. 31 4. Gesamtstrafenbildung (Art. 78 Abs. 3 ICC-Statut) Für den Fall, dass ein Beschuldigter wegen mehrerer Verbrechen verurteilt wird, ordnet Art. 78 Abs. 3 S. 1 ICC-Statut zwingend an, dass das Gericht nicht 26

Vgl. Fife, in: ICC-Commentary, Art. 77, Rn. 30. Vgl. dazu Fife, in: ICC-Commentary, Art. 77, Rn. 31 f., der zur Auslegung auf Art. 1a und b der „European Convention on Laundering, Search, Seizure and Confiscation of the Proceeds of Crimes“ bzw. der „1988 U.N.Convention Against Illicit Traffic in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances“ verweist und proceeds als „any economic advantage from criminal offence“ und property als „property of any description whether corporeal or incorporeal, movable or immovable, and legal documents or instruments evidencing title to, or interest in such property“ definiert. 28 Siehe auch Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 149. 29 Vgl. Jennings, in: ICC-Commentary, Art. 78, Rn. 12. 30 Vgl. Art. 78 Abs. 2 S. 2 ICC-Statut. 31 Vgl. Jennings, in: ICC-Commentary, Art. 78, Rn. 13. 27

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nur für jedes Verbrechen eine Einzelstrafe verhängen muss, sondern auch eine Gesamtstrafe bilden muss. Die Gesamtstrafe darf dabei nicht kürzer sein als die höchste verhängte Einzelstrafe, aber auch nicht 30 Jahre bzw. – unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut – die lebenslange Freiheitsstrafe überschreiten. 32 5. Herabsetzung der Strafe (Art. 110 ICC-Statut) Die vorzeitige Herabsetzung der Strafe regelt Art. 110 ICC-Statut i.V. m. §§ 223 ff. ICC-RPE. Demnach wird eine verhängte Freiheitsstrafe nach zwei Dritteln des ursprünglichen Strafmaßes bzw. nach 25 Jahren in Fällen der lebenslangen Freiheitsstrafe durch den ICC dahingehend überprüft, ob sie herabgesetzt werden soll. 33 Vor diesem Zeitpunkt ist eine Überprüfung ausdrücklich ausgeschlossen. 34 Alleiniges Recht zur Herabsetzung hat der Gerichtshof, der die Entscheidung nach rechtlichem Gehör des Verurteilten trifft. 35 Die Entscheidung ist gemäß Art. 110 ICC-Statut nicht reversibel. 36 Sie wird von drei Richtern der Appeals Chamber in einer formellen Anhörung getroffen, es sei denn, es liegt ein besonderer Fall mit außergewöhnlichen Gründen vor. 37 Die Anhörung hat im Beisein des Verurteilten zu erfolgen, der sich der Hilfe seines Verteidigers bzw. seiner Verteidiger versichern kann. 38 Daneben haben die Richter sowohl die Staatsanwaltschaft als auch den Staat der Vollstreckung und, soweit möglich, die Opfer oder ihre gesetzlichen Vertreter an dem Verfahren zu beteiligen. 39 Bei außergewöhnlichen Umständen kann dies mittels Videokonferenz oder durch einen von der Appeals Chamber beauftragten Richter im Staat des Vollzuges erfolgen. 40 Die Entscheidung über die Herabsetzung und deren Gründe sind ohne Verzögerung zu verkünden. 41 Es gibt unterschiedliche Faktoren, die eine Herabsetzung der Strafe begründen können. Zunächst sind dies Faktoren, die mit der Kooperation des Verurteilten zusammenhängen: So im Fall der frühzeitigen und fortgesetzten Bereitschaft des Verurteilten, mit dem Gerichtshof bei dessen Ermittlungen und Strafverfolgungen zusammenzuarbeiten, 42 oder im Fall der Unterstützung bei der Durchsetzung 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. Jennings, in: ICC-Commentary, Art. 78, Rn. 14 f. Vgl. Art. 110 Abs. 3 S. 1 ICC-Statut. Vgl. Art. 110 Abs. 3 S. 2 ICC-Statut. Vgl. Art. 110 Abs. 2 ICC-Statut. Vgl. auch Schabas, An Introduction to the International Criminal Court, S. 317. Vgl. § 224 Abs. 1 S. 1 ICC-RPE. Vgl. § 224 Abs. 1 S. 2 ICC-RPE. Vgl. § 224 Abs. 1 S. 3 ICC-RPE. Vgl. § 224 Abs. 1 S. 4 ICC-RPE. Vgl. § 224 Abs. 2 ICC-RPE. Vgl. Art. 110 Abs. 4 lit. (a) ICC-Statut.

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von Entscheidungen und Anordnungen des ICC, insbesondere der Wiederbeschaffung von Vermögen zugunsten der Opfer. 43 Dann sind dies Faktoren, die wegen einer deutlichen und beachtlichen Änderungen der Verhältnisse eine Herabsetzung der Strafe begründen. 44 Dazu gehören das Verhalten des Verurteilten und die damit verbundene Auswirkung auf andere: Also die Führung des Verurteilten in Gefangenschaft, wenn diese eine aufrichtige Abwendung von der Tat bzw. den Taten darstellt, 45 oder bedeutende Handlungen zum Wohle der Opfer; 46 daneben auch die Folgen einer Herabsetzung, sei es bezogen auf die Person des Verurteilten, d. h. der Ausblick auf seine Resozialisierung und erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft, 47 sei es bezogen auf die Gesellschaft, d. h. die Auswirkungen auf die soziale Stabilität bzw. Instabilität 48 oder aber die Auswirkungen für die Opfer und ihre Familien. 49 Auch die persönlichen Umstände können ein zu berücksichtigender Faktor sein, insbesondere die gesteigerte Strafempfindlichkeit aufgrund einer Verschlechterung der körperlichen oder geistigen Gesundheit oder des fortgeschrittenen Alters des Verurteilten. 50 Kommt der Gerichtshof zur Erkenntnis, dass zum Zeitpunkt der Überprüfung eine Herabsetzung der Strafe nicht angebracht ist, so kann er die Frage der Herabsetzung gemäß Art. 110 Abs. 5 ICC-Statut in Übereinstimmung mit § 224 Abs. 3 und 4 ICC-RPE alle drei Jahre bzw. in einer angeordneten kürzeren Frist erneut überprüfen. Eine Überprüfung kann auch bei besonderen Veränderungen der Umstände auf Antrag des Verurteilten herbeigeführt werden. 51

B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung I. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe 1. Straftheorien Aus der Präambel lässt sich ein erster Schluss auf die im ICC-Statut zu berücksichtigenden Straftheorien ziehen 52: Paragraph 4 der Präambel knüpft die Strafe zunächst insofern an die Straftat an, als es dort heißt, „... dass die schwersten 43

Vgl. Art. 110 Abs. 4 lit. (b) ICC-Statut. Vgl. Art. 110 Abs. 4 lit. (c) ICC-Statut i.V. m. § 223 ICC-RPE. 45 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (a) ICC-RPE. 46 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (d) Hs. 1 ICC-RPE. 47 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (b) ICC-RPE. 48 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (c) ICC-RPE. 49 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (d) Hs. 1 ICC-RPE. 50 Vgl. Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (e) ICC-RPE. 51 Art. 110 Abs. 5 ICC-Statut i.V. m. § 224 Abs. 3 S. 2 ICC-RPE. 52 Die Präambel ist logischer Ausgangspunkt, da in ihr Ziele und Zwecke des Statuts komprimiert enthalten sind. Nach dem auf das Statut anzuwendenden Art. 31 WVK ist 44

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Verbrechen, welche die Gemeinschaft als Ganzes berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen ...“ 53 Da – wie bei der Definition von Strafe bereits gesehen – die Strafe immer der begangenen Tat wegen verhängt werden muss bzw. der Realgrund noch nichts über den Finalgrund aussagt, kann in der bloßen Anknüpfung der Strafe an die Straftat an sich noch kein zwingender Verweis auf eine Straftheorie gesehen werden. Paragraph 5 der Präambel bringt hingegen deutlicher zum Ausdruck, dass die Staatengemeinschaft des Strafens wegen straft, wenn es dort heißt, die Staatengemeinschaft sei „entschlossen, der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen ...“ 54 Wer aber straft, nur um Straflosigkeit nach der Begehung eines Verbrechens zu vermeiden, straft zunächst aus retributiven Motiven. 55 Paragraph 5 der Präambel lässt es nun nicht dabei bewenden, sondern schließt mit den Worten ab: „... und so zur Verhütung solcher Verbrechen beizutragen.“ 56 Wer Verbrechen zukünftig verhüten will, hat die Gefahr der erneuten Begehung vor Augen und straft somit aus präventiven Gründen. 57 Damit ist aber noch keiner bestimmten Form der Prävention das Wort geredet. 58 In diesem Zusammenhang ist Paragraph 11 der Präambel von Interesse, in welchem „die eine Präambel Teil des Zusammenhangs, mit dessen Hilfe ein Vertrag ausgelegt werden kann. Da die Präambel hier nach der Überschrift „Rome Statute of the International Criminal Court“ aufgelistet ist, soll sie sogar im Kontext des Statuts unmittelbarer Teil des Statuts sein und damit unter die Rechtsquelle gemäß Art. 21 Abs. 1 ICC-Statut fallen. Vgl. näher dazu Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 4 ff.; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 14, in Fn. 15. 53 Eigene Hervorhebung. Im gemäß Art. 128 ICC-Statut verbindlichen englischen Text lautet die Passage: „... the most serious crimes of concern to the international community as a whole must not go unpunished ...“ 54 Eigene Hervorhebung. Im verbindlichen englischen Text lautet die Passage: „Determined to put an end to impunity for the perpetrators of these crimes ...“ 55 Vgl. Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 15. 56 Eigene Hervorhebung. Im verbindlichen englischen Text lautet die Passage: „... and thus to contribute to the prevention of such crimes.“ 57 Vgl. Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 15; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 16 ff. 58 Eine zusammenhängende Betrachtung der Paragraphen 3, 4 und 5 der Präambel könnte aber darüber hinweghelfen: Der ICC tritt der Straflosigkeit der Täter zur Vermeidung zukünftiger schwerer Verbrechen gegen den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, entgegen, d. h. der ICC straft den Täter zum Schutz internationaler Rechtsgüter (vgl. Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 15). Der Schutz internationaler Rechtsgüter soll am besten durch präventive Zwecke gewährleistet sein (vgl. Triffterer, in: ICC-Commentary, preamble, Rn. 15), so dass sowohl general- als auch spezialpräventive Überlegungen in ihrer negativen wie positiven Variante in der Präambel angelegt sein sollen (vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 17 f.). Man kann aber nicht zwingend vom Rechtsgüterschutz auf die Straftheorien schließen. Denn der Rechtsgüterschutz dient der Legitimation des Strafrechts bzw. gibt darüber Auskunft, welches Verhalten mit Strafe bedroht werden soll, nicht aber, wie die Strafe wirken soll, um der Aufgabe des Strafrechts gerecht zu werden bzw. welcher Straftheorie der Vorrang einzuräumen ist.

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

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Achtung und die Durchsetzung der internationalen Rechtspflege“ 59 als dauerhaftes Ziel des Statuts genannt wird. Zum einen wird damit einer der normativen Gründe des internationalen Strafrechts benannt, zum anderen kann darin auch insofern ein Hinweis auf die positive Generalprävention gesehen werden, als für diese die Stärkung des Rechtsbewusstseins der internationalen Öffentlichkeit vonnöten ist. 60 Etwas versteckt ist in Art. 110 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 223 lit. (b) ICC-RPE die Straftheorie der Resozialisierung insofern erwähnt, als bei der Herabsetzung der Strafe auch „[t]he prospect of the resocialization and successful resettlement of the sentenced person“ zu berücksichtigen sind. Allerdings sind diese ersten Hinweise des ICC-Statuts auf retributive und präventive Straftheorien (und dort insbesondere auf die positive Generalprävention) mehrdeutig, da sie sich nicht auf eine Straftheorie beschränken, dann aber die Straftheorien weder näher ausdifferenzieren, noch Regeln für ihre Anwendung im Konfliktfall bereithalten. Hinsichtlich der Ausdifferenzierungen der Straftheorien ist dem Hinweis auf die retributiven Straftheorien nicht zu entnehmen, ob damit eine Form des „just deserts“ angesprochen ist und wenn, welche Ausprägung dieser Straftheorie gelten soll; und dem Hinweis auf die präventiven Straftheorien nicht, welche Form der positiven Generalprävention Bestand haben soll und welche anderen präventiven Straftheorien bei der Strafzumessung noch zum Zuge kommen können. Eindeutiger ist lediglich der Hinweis auf die Berücksichtigung der Resozialisierung bei der Strafvollstreckung. Hinsichtlich einer Rangfolge der unterschiedlichen Straftheorien sind dem ICC-Statut weder Hinweise für das Verhältnis von retributiven zu präventiven Straftheorien, noch für das Verhältnis der präventiven Straftheorien untereinander zu entnehmen. Auch lassen sich keine Hinweise für den Fall der Antinomie finden. 61 2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode Eine Strafzumessungstheorie kann ausdrücklich weder dem ICC-Statut noch der ICC-RPE entnommen werden. Im Umkehrschluss gewähren ICC-Statut und ICC-RPE den Richtern am ICC ein weites Strafzumessungsermessen, das nur durch die wenigen Regelungen zur Strafart und zum Strafumfang gebunden ist. 62 Die beschränkte Auswahl an Haupt- und Nebenstrafen rechtfertigt die Annah59 Im verbindlichen englischen Text lautet die Passage: „... to guarantee lasting respect for and the enforcement of international justice.“ 60 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 18 ff., der auch aus Absatz 5 der Präambel auf die positive Generalprävention schließt. 61 Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 14. 62 Hinsichtlich der Strafart durch die Möglichkeit, eine Hauptstrafe (Freiheitsstrafe) mit oder ohne Nebenstrafen (Geldstrafe und Vermögenseinziehung) zu verhängen, und hinsichtlich des Strafumfangs dadurch, entweder eine begrenzte oder lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen und gegebenenfalls die Nebenstrafe näher auszufüllen.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

me, dass die Individualisierung der Strafe im ICC-Statut nur sekundär über die Auswahl der Strafart vonstatten geht, primär aber durch die Bestimmung des Strafumfangs erfolgt und dort insbesondere durch den Umfang der Strafdauer. Die Strafdauer mit ihren weiten Strafrahmen macht es aber nötig, die Strafzumessung auf eine theoretische Grundlage zu stellen, die es erlaubt, den Richtern bei der Strafzumessung eine größere Führung angedeihen zu lassen, als an dieser Stelle dem ICC-Statut zu entnehmen wäre. Denn nur theoretische Klarheit kann zu einer rechtlich relevanten Differenzierung und Individualisierung der Strafe führen, so wie es der dem Recht innewohnende Gleichheitssatz erfordert. Die Suche nach einer Strafzumessungstheorie muss daher in den weiteren Rechtsquellen fortgeführt werden. Nichts desto trotz kann dem Aufbau des ICC-Statuts und der ICC-RPE ein gewisser gedanklicher Ablauf des Strafzumessungsvorgangs entnommen werden. Da die Strafbestimmungen die äußeren Grenzen der Strafzumessungsentscheidung darstellen, beginnt die Strafzumessung in ihrem ersten Schritt mit dem Vergegenwärtigen der Strafbemessung, d. h. die Richter der Strafkammer müssen sich die möglichen Strafarten, deren Kombinationsmöglichkeiten sowie die Mindest- und Höchstgrenzen vor Augen führen (Grenzen der Strafbemessung). Nach dieser generellen Betrachtung muss sich die Betrachtung der Strafart und des Strafumfangs anschließen. Dazu ist in einem zweiten Schritt darüber zu befinden, welchem Strafwert der Strafzumessungsfall am besten gerecht wird (Strafwertbestimmung). Dies geschieht aus der Erkenntnis der Hauptverhandlung durch eine erste Taxierung des Strafzumessungsfalls anhand der Bezugspunkte der Strafe und der allgemeinen sowie besonderen Strafzumessungsumstände. Die Betonung der tatbezogenen Umstände legt die Vermutung nahe, dass bei der Taxierung zunächst und vor allem Umstände der Tat und erst dann Umstände des Täters zu berücksichtigen sind. Die genaue Gewichtung bleibt offen. Auf Grundlage dieser Subsumtion muss die Kammer dann in einem dritten Schritt über die zu verhängende Strafart entscheiden (Strafartwahl). Dazu ist es erforderlich, darüber zu befinden, ob der Strafzumessungsfall die Sanktionsschwelle der außergewöhnlichen Schwere des Verbrechens überschreitet und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten eine lebenslange Freiheitsstrafe rechtfertigen. Ist dies der Fall, so muss sich das Gericht für die lebenslange Freiheitsstrafe entscheiden. Zusätzlich kann es über die Verhängung von Nebenstrafen befinden, muss aber deren Sanktionsschwelle beachten. Kommt ein lebenslanger Freiheitsentzug nicht in Betracht, so bleibt die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe als Möglichkeit, die ebenfalls möglicherweise durch Nebenstrafen zu ergänzen ist. In einem vierten Schritt ist der der Schuld des Verurteilten angemessene Strafumfang zu bestimmen, d. h. die Dauer des Freiheitsentzuges und im Falle der Nebenstrafen deren Höhe und Umfang (Strafumfangswahl). Dazu ist es vonnöten, den Strafzumessungsfall erneut zu taxieren, so wie er in den Umständen der Tat und der Person des Verurteilten seinen Niederschlag gefunden hat und es der Schuld des Verurteilten entspricht. So notwendig, schließen sich daran in einem fünften

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Schritt die Bildung einer Gesamtstrafe und in einem letzten sechsten Schritt die Anrechnung einer vorherigen Haftzeit an (sonstige Strafentscheidung). Wie die Berücksichtigung der Strafzumessungsumstände im Einzelnen geschehen soll, ist dem eigenen Recht des ICC nicht eindeutig zu entnehmen. Denkbar wäre eine Betrachtung der relevanten Umstände in einem (Einzelbetrachtung) oder aber in mehreren Schritten (Gesamtbetrachtung). Ginge die Kammer in mehreren Schritten vor, so könnte sie in einem ersten Schritt zunächst nur die allgemeinen Strafzumessungsumstände berücksichtigen, um so die Schuld des zu Verurteilenden zunächst zu taxieren, um dann von der vorläufig bestimmten Schuld entsprechend der weiter zu berücksichtigenden besonderen strafmildernden bzw. strafschärfenden Umständen der Tat und des Täters Abzüge bzw. Aufschläge vorzunehmen. Bei der Betrachtung der Umstände in einem einzigen Schritt würde die Kammer durch eine Gesamtschau aller allgemeinen und besonderen Strafzumessungsumstände zu einer Taxierung des Strafzumessungsfalls gelangen. Auch der Regelung des § 145 Abs. 2 lit. (b) ICC-RPE ist in diesem Zusammenhang kein eindeutiger Hinweis zu entnehmen: Die bloße Auflistung der relevanten Umstände liefert keine eindeutigen Hinweise über die Art und Weise ihrer Betrachtung, da auch formal getrennte Umstände wieder zusammen taxiert werden können. Näheres wird deshalb in der Untersuchung der weiteren Rechtsquellen zu klären sein. 3. Bezugspunkte der Strafe Der Wortlaut von Art. 77 ICC-Statut i.V. m. § 145 Abs. 1 lit. (a) ICC-RPE ordnet an, dass die Gesamtheit der Strafe der Schuld (culpability) des Verurteilten entsprechen muss. Unterstützt wird der Wortlaut durch die Systematik in der ICC-RPE, die die Regelung zur Schuld in § 145 Abs. 1 lit. (a) ICC-RPE an den Anfang aller anderen Anordnungen zur Strafe stellt. Was aber für die Gesamtheit der Strafe gilt, muss auch für einzelne Strafen gelten, so dass auch diese der Schuld entsprechen müssen. Da die Norm des § 145 Abs. 1 lit. (a) ICC-RPE von „must reflect the culpability of the convicted person“ und nicht etwa von einem „must not exceed the culpability“ bzw. „must not fall short of the culpability“ der verurteilten Person spricht, ist nach dem Wortlaut davon auszugehen, dass die Strafzumessung der (Strafzumessungs-)Schuld des Verurteilten entsprechen muss, nicht aber die Strafzumessungsschuld unterschreiten oder überschreiten darf – ohne dass damit gesagt werden könnte, wie das Verständnis von Strafzumessungsschuld ist und ob die Strafzumessungsschuld nur einem einzigen Punkt auf der Strafskala entspricht oder aber einen Rahmen auf der Strafskala vorgibt. Jedenfalls bestimmt sich die Strafzumessungsschuld näher durch die Schwere der Tat (gravity of the crime) und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten (individual circumstances of the convicted person), die ihren Niederschlag

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

in den gemäß Art. 78 Abs. 1 ICC-Statut i.V. m. § 145 Abs. 1 und 2 ICC-RPE zu berücksichtigenden Umständen finden. 63 Setzt das Statut die Strafwürdigkeit und damit den Strafwert der Strafe auch in Beziehung zur Schwere der Tat und den persönlichen Verhältnissen des Straftäters, 64 so bleibt deren genaues Verhältnis zueinander bei der Gewichtung der Strafwürdigkeit unklar. Hält man sich aber die Dominanz der tatbezogenen Strafzumessungsumstände vor Augen, so lässt das vermuten, dass die Gewichtung stärker an der Schwere der Tat ausgerichtet ist, als an den persönlichen Verhältnissen des Straftäters. Die Bestätigung dieser Vermutung und die Konsequenz einer solchen Betonung bleiben weiteren Rechtsquellenstudien vorbehalten. 4. Strafzumessungsumstände a) Allgemeine Strafzumessungsumstände Art. 78 Abs. 1 ICC-Statut i.V. m. § 145 Abs. 1 und 2 ICC-RPE enthält die zentralen, bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Umstände. 65 Die Schwere der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten werden ausgefüllt durch die nicht abschließenden Regelbeispiele des § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE, der eine ganze Reihe weiterer Faktoren zur näheren Qualifizierung der tat- und täterbezogenen Merkmale auflistet. 66 Es gilt zu beachten, dass das Statut keine 63

Vgl. näher Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 142 ff. 64 Betrachtet man die Normen im Zusammenhang, so gibt Art. 76 Abs. 1 – primär eine Verfahrensnorm – den äußeren Rahmen der Angemessenheit wieder, während Art. 77 Abs. 1 diesen Rahmen für die spezielle lebenslange Freiheitsstrafe konkretisiert und Art. 78 Abs. 1 ihn generell ausfüllt. 65 Vgl. zu den Normen Fife, Penalties I, S. 341 f. und ders., Penalties II, S. 555 ff. 66 Nach Jennings, in: ICC-Commentary, Art. 78, Rn. 1 ff., soll Art. 78 Abs. 1 ICCStatut bereits eine beispielhafte Aufzählung von strafschärfenden bzw. strafmildernden Faktoren sein, die dann durch § 145 Abs. 1 und 2 ICC-RPE ergänzt wird. Dagegen spricht, dass der Verweis in § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE nur von weiteren Faktoren (in addition to the factors mentioned in article 78) spricht, nicht aber von strafschärfenden bzw. strafmildernden Umständen (aggravating or mitigating circumstances), diese aber weiter unten in § 145 Abs. 2 ICC-RPE ausdrücklich erwähnt werden. Auch ist es widersinnig, die gewichtigste Strafe, die lebenslange Freiheitsstrafe, mit der besonderen Schwere der Tat, welche durch einen oder mehrere strafschärfende Umstände belegt wird, zu begründen, wenn bereits die „normale“ Schwere der Tat ein strafschärfender Umstand sein soll. Erklären lässt sich diese Vermischung der Begriffe wohl damit, dass zuweilen gerade in der angloamerikanischen Rechtstradition die Begriffe der aggravating und mitigating factors or circumstances nicht als zusätzliche qualifizierende bzw. privilegierende Merkmale angesehen werden, sondern als normale bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände. Ein solchermaßen weites Verständnis würde aber eine Unterscheidung hinfällig machen und widerspräche der von den Verfahrens- und Beweisregeln selbst vorgenommenen Unterscheidung der Zumessungsfaktoren. Daher enthält § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-

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Entscheidung über Gewicht und Bedeutung der einzelnen Faktoren vornimmt, dies zu tun vielmehr dem Gericht im Einzelfall überlassen ist. 67 Auch sind die Merkmale so offen formuliert, dass sie sich sowohl straferhöhend als auch strafmindernd auswirken können. 68 Im Einzelnen lautet § 145 Abs. 1 lit. (c) ICCRPE: Determination of sentence 1. In its determination of the sentence pursuant to article 78, paragraph 1, the Court shall: ... (c) In addition to the factors mentioned in article 78, paragraph 1, give consideration, inter alia, to the extent of the damage caused, in particular the harm caused to the victims and their families, the nature of the unlawful behaviour and the means employed to execute the crime; the degree of participation of the convicted person; the degree of intent; the circumstances of manner, time and location; and the age, education, social and economic condition of the convicted person.

Betrachtet man die Aufzählung näher, so wird deutlich, dass Merkmale dominieren, die das Gewicht der Tat zum Gegenstand haben, während solche, die die Persönlichkeit des Täters betreffen, nur am Ende genannt werden. Reiht man die Regelbeispiele des § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE in die Bezugspunkte der Strafe ein, so ergeben sich folgende Fallgruppen: aa) Schwere der Tat (1) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit Der Verweis auf die Natur des ungesetzlichen Verhaltens, die dafür aufgebrachten (kriminellen) Mittel und auf Art, Zeit und Ort der Begehung verweisen auf die äußeren Umstände der Tatbegehung. Mit dem Grad der Begehung und dem Grad des Vorsatzes des Täters werden des Weiteren Faktoren genannt, die über die Teilnahme oder Täterschaft entscheiden bzw. über das Maß der Pflichtwidrigkeit Auskunft geben. Denn dem Täter einer Straftat kommt grundsätzlich eine größere Verantwortung zu als dem bloßen Teilnehmer, und dem hochrangigen Befehlsgeber eine größere Verantwortung als dem bloßen Befehlsempfänger. RPE nach der hier vertretenen Auffassung nur beispielhaft aufgezählte Faktoren, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, nicht aber strafschärfende bzw. -mildernde Umstände. Diese sind in § 145 Abs. 2 ICC-RPE abschließend aufgezählt. 67 Vgl. näher Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 147. 68 Vgl. näher Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 147; ders., HuV (2001), S. 249.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(2) Tatfolgen, insbesondere Auswirkung auf das Opfer Bei den tatbezogenen Merkmalen werden die durch die Tat verursachten Schäden und der erlittene Unbill für die Opfer und deren Familien in den Vordergrund gestellt. Diese äußeren Auswirkungen der Straftat ergeben sich zumindest aus den unmittelbaren Folgen der Tat und können immaterieller oder materieller Natur sein. Im Kontext völkerrechtlicher Verbrechen kommt hinzu, dass in aller Regel mit dem makrokriminellen Charakter der Kernverbrechen die Verbrechensbegehung stets eine große Auswirkung hat, insbesondere eine große Zahl von Opfern nach sich zieht, so dass diesem Strafzumessungsumstand ein großes Gewicht bei der Strafzumessung zukommt. bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten: Wirkung der Strafe, Rehabilitation Täterbezogene Merkmale finden ihre Entsprechung am Schluss der Aufzählung, die Alter, Bildung sowie soziale und wirtschaftliche Bedingungen des Verurteilten berücksichtigt. Alter und Bildung wirken sich insofern auf die Strafe aus, als sie über Strafempfindlichkeit und Strafempfänglichkeit des Verurteilten mitentscheiden. Damit wird die Möglichkeit angesprochen, dass eine gleiche Strafe eine unterschiedliche Wirkung beim Täter entfalten kann, folglich der Täter zwar zunächst gleich, aber nicht entsprechend seiner Strafempfindlichkeit gleich behandelt wird, was jedoch wegen des Gebotes der Gleichbehandlung vonnöten wäre. 69 Darüber hinaus geben die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft über die Verwurzelung in der Gemeinschaft, was wiederum Konsequenzen für die Rehabilitation durch die Strafe haben kann. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind für die Verhängung der Geldstrafe relevant, sie können aber auch bei Freiheitsstrafen eine Rolle spielen, da sie Auskunft über die Lebensverhältnisse des Täters geben, die wiederum für die Tatbeurteilung relevant sind. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die in § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE aufgelisteten Regelbeispiele Bezug nehmen auf tatbezogene Umstände der Tathandlung (insbesondere der Art der Tatausführung und Pflichtwidrigkeit) und der Tatfolgen (insbesondere für die Opfer), während die täterbezogenen Umstände insbesondere auf die Wirkung der Strafe und die Möglichkeit zur Rehabilitation abstellen. Weitere Umstände dieser Fallgruppen sollten in jedem Fall dazu geeignet sein, die geschriebenen Regelbeispiele des § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE zu ergänzen. 69 Vgl. auch Ashworth / Player, Sentencing, Equal Treatment and the Impact of Sanctions, S. 253 ff. mit zahlreichen Gründen für die unterschiedlichen Wirkungen von Strafe auf S. 255.

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b) Besondere Strafzumessungsumstände Besondere Strafzumessungsumstände, die die Strafe schärfen oder mildern, finden sich in § 145 Abs. 2 ICC-RPE 70, der wie folgt lautet: 2. In addition to the factors mentioned above, the Court shall take into account, as appropriate: (a) Mitigating circumstances such as: (i) The circumstances falling short of constituting grounds for exclusion of criminal responsibility, such as substantially diminished mental capacity or duress; (ii) The convicted persons conduct after the act, including any efforts by the person to compensate the victims and any cooperation with the Court; (b) As aggravating circumstances: (i) Any relevant prior criminal convictions for crimes under the jurisdiction of the Court or of a similar nature; (ii) Abuse of power or official capacity; (iii) Commission of the crime where the victim is particularly defenceless; (iv) Commission of the crime with particular cruelty or where there were multiple victims; (v) Commission of the crime for any motive involving discrimination on any of the grounds referred to in article 21, paragraph 3; (vi) Other circumstances which, although not enumerated above, by virtue of their nature are similar to those mentioned.

aa) Strafmildernde Strafzumessungsumstände Die in § 145 Abs. 2 lit. (a) ICC-RPE aufgeführten strafmildernden Umstände sind täterbezogen und lassen sich in solche Umstände gruppieren, die eine Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bedingen (circumstances falling short of constituting grounds for exclusion of criminal responsibility) 71 oder das Nachtatverhalten des Verurteilten betreffen (convicted persons conduct after the act). 72 Die Formulierung „such as“ zeigt auf, dass diese beiden genannten Gründe nur als beispielhaft und nicht als abschließend zu verstehen sind, so dass sie durch ähnliche Gründe ergänzt werden können. 73 70 Vgl. Peglau, HuV (2001), S. 249, der darauf verweist, dass § 145 Abs. 2 ICC-RPE einen Kompromiss darstellt, der den unterschiedlichen Vorstellungen der Delegierten auf der Konferenz von Rom gerecht zu werden versucht. Insbesondere bestanden dort erhebliche Bedenken gegen eine zu unbestimmte Auflistung der strafschärfenden Faktoren, da eine solche Vorgehensweise im Gegensatz zu dem Grundsatz nulla poena sine lege stehen könnte. 71 § 145 Abs. 2 lit. (b) Ziff. (i) ICC-RPE. 72 § 145 Abs. 2 lit. (b) Ziff. (ii) ICC-RPE.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(1) Tatverhalten, Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Umstände, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit zwar nicht ausschließen, sie aber reduzieren, können eine Strafmilderung begründen. Ausdrücklich erwähnt die ICC-RPE die Umstände von „duress“ und „diminished responsibility“, also Umstände, die mit der Begehung der Straftat einhergehen. 74 (2) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht sowie Wiedergutmachung Genauso wie das Vortatverhalten den Strafwert der abzuurteilenden Straftat nur dann erhöht, wenn sich im Verhalten eine (weitere) rechtsfeindliche Gesinnung ausdrückt, so kann das Nachtatverhalten den Strafwert nur dann reduzieren, wenn sich darin eine rechtsfreundliche Gesinnung zeigt. Ein wichtiges Mittel, während des laufenden Verfahrens den Strafwert der begangenen Tat zu mindern, stellt die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft dar und die darin zum Ausdruck kommende Reue und Einsicht in das begangene Unrecht – sei es durch Aufklärungshilfe, durch das Einräumen bestimmter Tatvorwürfe im Gegenzug zu einer Einstellung von anderen Straftaten, also das „charge bargaining“, oder durch ein Schuldbekenntnis für eine milde Strafe, dem „plea bargaining“. bb) Strafschärfende Strafzumessungsumstände Die strafschärfenden Faktoren in § 145 Abs. 2 lit. (b) ICC-RPE sind tatbezogen und in den Ziffern (i) bis (v) zwar einzeln aufgezählt, lassen sich aber mit Hilfe der Ziffer (vi) auch außerhalb der ausdrücklich genannten Faktoren dingfest machen, solange die in Betracht gezogenen weiteren Faktoren ihrer Natur nach den in den Ziffern (i) bis (v) genannten entsprechen. 75 (1) Vorstrafen Mit dem Verweis auf die relevanten Vorstrafen als strafschärfenden Umstand übernimmt das ICC-Statut die gängige Praxis vieler nationaler Rechtsordnungen. Relevante Vorstrafen können dabei als Teil der Tatschwere der erneut zu verurteilenden Straftat angesehen werden, da der Täter die mit der Vorstrafe verbundene Warnung durch die erneute Tatbegehung ignoriert hat und so den

73 Vgl. Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 147. 74 Vgl. aber auch Art. 31 lit. (d) ICC-Statut. 75 Vgl. Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 202.

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Strafwert der zu verurteilenden Straftat erhöht. 76 Da die Jurisdiktion des ICCStatuts auf die Kernverbrechen beschränkt ist, berücksichtigt das Statut auch nur solche Vorstrafen, die wegen Kernverbrechen verhängt wurden oder aber von gleicher Natur sind. (2) Besondere Grausamkeit der Ausführung und besondere Wehrlosigkeit des Opfers Spielen schon die Art und Weise der Tatausführung und die Tatfolgen mit ihren Auswirkung für die Opfer eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Tatschwere aufgrund der allgemeinen Strafzumessungsumstände, so ist es nur konsequent, dass auch die besondere Grausamkeit der Ausführung bzw. die besondere Wehrlosigkeit des Opfers die Tatschwere weiter steigern kann. Beachtenswert ist aber, dass nur die „besondere“ Grausamkeit bzw. Wehrlosigkeit zu einer Steigerung der Strafe führt, d. h. das ICC-Statut auch hier ein Verhältnis zwischen den Umständen der Tatbegehung und der Strafzumessung herstellt und eine weitere Sanktionsschwelle einbaut. (3) Diskriminierende Tatbegehung Als strafschärfend gilt auch eine Tatbegehung mit diskriminierenden Motiven, wie in Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut erwähnt. (4) Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung Nicht eindeutig in das Schema von vor der Tat bzw. nach der Tat vorliegenden strafschärfenden Merkmalen einzuordnen ist die Strafschärfung aufgrund des Missbrauchs einer Machtposition oder offiziellen Stellung durch den Täter. 77 Einerseits ist der strafrechtliche „Missbrauch“ einer Position eigentlich nur während der Tatbegehung denkbar, andererseits zeigt der Umkehrschluss zu § 145 Abs. 3 lit. (b) Ziff. (iii), (iv), (v) ICC-RPE, der jedes Mal ausdrücklich von „commission“ spricht und damit diese strafschärfende Merkmale mit der Ausführung der Tat verknüpft, dass die Missbrauchsvariante nicht nur auf die Ausführung beschränkt sein soll. In diesem Umstand kommt zum Tragen, dass völkerstrafrechtliche Verbrechen aufgrund ihrer makrokriminellen Natur zumeist im Kontext von hierarchischen Strukturen verwirklicht werden, die den Straftäter am oberen Ende der Hierarchie in der Regel mit einer größeren Einflussnahme ausstattet, welche dann auch zu einer größeren strafrechtlichen Verantwortung innerhalb der gesamten Struktur führt. 76 77

Vgl. z. B. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53. Vgl. § 145 Abs. 3 lit. (b) Ziff. (ii) ICC-RPE.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(5) Vergleichbare Strafzumessungsumstände Diese Auflistung der inneren und äußeren Faktoren ist nicht abschließend, so dass sonstige äußere und innere Umstände strafschärfend sein können, wenn ihr Unrechtsgehalt bzw. ihre Natur den gleichen Grad erreicht wie die aufgelisteten Umstände. 78 Auch wenn damit keine gänzlich bestimmte Auflistung geschaffen wurde, so wurde doch eine zumindest bestimmbare Regelung gefunden, da eben nur Strafzumessungsfaktoren von gleicher rechtlicher Qualität berücksichtigt werden können. 79, 80 cc) Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände zur Bestimmung strafschärfender Strafzumessungsumstände? Die Formulierung am Anfang des § 145 Abs. 2 ICC-RPE „[i]n addition to the factors mentioned above, the court shall take into account, as appropriate“ soll dahingehend zu verstehen sein, dass nicht nur bei den strafmildernden Umständen, sondern auch bei den strafschärfenden Umständen das Gericht von Fall zu Fall auf die allgemeine Aufzählung von Strafzumessungsumständen in § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE zurückgreifen kann. 81 Eine derartige Auslegung ist aber weder durch den Wortlaut, die Systematik noch durch die Historie der Norm gedeckt. Der Wortlaut stellt die Anwendung von strafmildernden bzw. strafschärfenden Umständen in das Ermessen des Gerichts. „In addition to the factors above“ meint daher nichts anderes, als dass die Richter bei der Strafzumessung nicht auf die Regelbeispiele des § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE bzw. sonstige Regelbeispiele beschränkt sind, sondern – sofern im zu beurteilenden Sachverhalt angelegt, „as appropriate“, – auch an strafmildernde bzw. strafschärfende Faktoren zu denken haben. Der gedankliche Weg der Strafzumessung folgt also dem Aufbau des Gesetzes. Er beginnt mit § 145 Abs. 1 ICC-RPE, dessen Strafzumessungsfaktoren zwar zulasten und zugunsten des Verurteilten gewichtet 78

Vgl. § 145 Abs. 3 lit. (b) Ziff. (vi) ICC-RPE. Vgl. Peglau, Penalties and the Determination of the Sentence in the Rules of Procedure and Evidence, S. 147. 80 Somit wird als Folge eines Kompromisses zwischen vorheriger Bestimmbarkeit der Strafzumessungsfaktoren auf der einen Seite und Flexibilität des Gerichts bei der Bestimmung der Strafe auf der anderen Seite eine Abstufung geschaffen. Am strengsten sind die Anforderungen bei strafschärfenden Faktoren, da diese von vergleichbarer Natur sein müssen; bei den strafmildernden Faktoren sind die Anforderungen bereits insofern abgeschwächter, als sie nur vergleichbar mit quasi schuldausschließenden Gründen sein müssen. Nach Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 202, sollen die Regelungen über die „Schwere der Tat“ denn auch eine Einladung an die Richter sein, eine nach der Schwere gestaffelte Abstufung der einzelnen Verbrechen des ICC-Statut vorzunehmen. 81 Vgl. Peglau, HuV (2001), S. 249. 79

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werden können, nicht aber strafschärfend und strafmildernd, und eröffnet erst dann die Anwendung von § 145 Abs. 2 ICC-RPE. Der umgekehrte Weg, nämlich ausgehend von § 145 Abs. 2 ICC-RPE aus § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE strafschärfende Faktoren herauszulesen, ist nicht im Gesetz angelegt und würde die gesamte Gliederung der Norm ad absurdum führen. Selbst wenn man ein solches Vorgehen im Zusammenhang mit den strafmildernden Umständen noch hinnehmen könnte, da diese nur beispielhaft, nicht abschließend aufgelistet wurden („such as“), entbehrt dies in Hinblick auf die strafschärfenden Umstände einer Grundlage. Zum einen steht dem der Wortlaut des § 145 Abs. 2 lit. (b) ICC-RPE entgegen, der allein von „aggravating circumstances“ spricht, so dass im Umkehrschluss die Umstände in § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE eben nicht als solche zu werten sind. Zum anderen bestanden insbesondere bei der Diskussion um die „aggravating circumstances“ Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit, denen mit einem restriktiven Katalog begegnet werden sollte. 82 Diese Intention würde aber ins Leere laufen, wenn man über den Umweg des § 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE wieder auf jedes geschriebene und ungeschriebene Regelbeispiel zurückgreifen könnte. Mit dem Wortlaut, der Systematik und der Intention der auf der diplomatischen Konferenz von Rom vertretenen Staaten ist ein Bezug auf die allgemeinen Strafzumessungsumstände, insbesondere zur Bestimmung von strafschärfenden Merkmalen, daher nicht vertretbar. c) Tatumstände und Strafrahmenverschiebung Fraglich ist, unter welcher Kategorie von Strafzumessungsumständen das Gericht relevante Tatumstände zu berücksichtigen hat. Im Fall der Tatumstände zugunsten des Verurteilten können diese sowohl bereits bei den allgemeinen Strafzumessungsumständen als strafmindernd berücksichtigt werden, als auch später bei den besonderen Strafzumessungsumständen als strafmildernd. Da es aber an dieser Stelle durch die Berücksichtigung allgemeiner und besonderer Strafzumessungsumstände nicht zu einer Strafrahmenverschiebung kommt, kann diese Ungewissheit hingenommen werden. Anders ist die Situation bei den Tatumständen zulasten des Verurteilten, die straferhöhend als allgemeine Strafzumessungsumstände bzw. strafschärfend als besondere Strafzumessungsumstände zur Geltung kommen. Hier kann die Berücksichtigung der Strafzumessungsumstände gemäß § 145 Abs. 3 ICC-RPE gegebenenfalls den Strafrahmen von einer zeitigen Freiheitsstrafe hin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verschieben, so dass es entscheidend ist, ob die zu berücksichtigenden Umstände als allgemeine oder aber als besondere Umstände einer zeitigen Freiheitsstrafe gewertet werden oder aber eine Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe begründen.

82

Vgl. Peglau, HuV (2001), S. 249.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

d) Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände und Doppelverwertungsverbot Ist eine Differenzierung und Individualisierung der Strafe durch die rechtlich relevanten Strafzumessungsumstände angestrebt, so ergibt sich aber weder aus dem ICC-Statut noch der ICC-RPE, wie weit der Kreis der rechtlich relevanten Strafzumessungsumstände zu ziehen ist. In Anlehnung an eine Common-lawDiktion ist es den Regelungen nicht zu entnehmen, ob sie dem Grundsatz der „charge offense“ (bzw. „conviction offense“) folgen, der es erlaubt, die strafzumessungsrelevanten Umstände nur dem Tatbestand der angeklagten Delikte zu entnehmen, so dass das Strafzumessungsermessen des Richters auf die Tatumstände der angeklagten Straftat beschränkt bleibt, oder aber dem Grundsatz des „real offense“ (bzw. „alleged offense“), der besagt, dass das Gericht die strafzumessungsrelevanten Umstände allen gerichtsbekannten Umständen entnehmen kann, also auch solchen, die nicht Gegenstand der angeklagten Straftatbestände sind, und so das Strafzumessungsermessen weit hält. 83 In einem Rechtssystem wie dem des ICC mit der Möglichkeit eines „plea- und charge-bargaining“ stärkt ein Charge-offense-System die Stellung der Staatsanwaltschaft, da sie durch die Entscheidung über die anzuklagenden Straftatbestände oder prozessualen Straftaten nicht nur Druck auf das Schuldeingeständnis ausüben kann, sondern auch durch die angeklagten Straftaten entscheidend auf die Strafhöhe Einfluss nimmt. 84 Das Real-offense-System belässt die Hoheit über die zu berücksichtigenden Strafzumessungsumstände dagegen beim Richter, allerdings zu dem Preis, dass Umstände die Strafzumessung beeinflussen können, die nicht unmittelbar Gegenstand der angeklagten Straftatbestände waren. Ein Doppelverwertungsverbot ist weder dem ICC-Statut noch den ICC-RPE zu entnehmen. 5. Verhältnismäßigkeit und Graduierung Die Betrachtung von Verhältnismäßigkeit und Graduierung dient der Suche nach einer Strafstruktur, die das Zumessen der Strafe im gleichen Maß erlaubt. Dabei schafft die Verhältnismäßigkeit die Grundlage, und die Graduierung ermöglicht die Umsetzung eines dauerhaft gleichen Strafens. a) Verhältnismäßige Strafzumessung Zunächst einmal verweisen die Sanktionsschwellen bei der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe und der Geldstrafe auf eine verhältnismäßige Strafzu83 Vgl. zu dem Charge-offense-System und dem Real-offense-System Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 210 f. 84 Vgl. dazu anhand der Strafzumessung in den Vereinigten Staaten von Amerika Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 210 f.

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messung der Strafart und des Strafumfangs. So lässt zum einen § 146 Abs. 1 ICCRPE eine zusätzliche Geldstrafe nur unter der Voraussetzung zu, dass eine Gefängnisstrafe allein keine ausreichende Strafe darstellt, und § 146 Abs. 2 ICCRPE verlangt, dass die Geldstrafe in angemessener Höhe verhängt wird. Zum anderen kann eine lebenslange Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn sie der außergewöhnlichen Schwere des Verbrechens und den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten entspricht. Genauer kann nach dem Wortlaut des Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICC-Statut eine lebenslange Freiheitsstrafe nur dann zugemessen werden, wenn eine solche Strafe durch die Umstände gerechtfertigt ist bzw. „justified“ ist. Das passivisch gebrauchte „justified“ wird landläufig mit „warranted“ 85 und das aktivische „justify“ mit „do justice to“ 86, „vindicate“ 87 umschrieben, also mit Begriffen, die ein In-Verhältnis-Setzen verlangen, so dass auch nach dem Wortlaut die Strafe in Verhältnis zu oder in Bezug zu etwas verhängt werden muss. Hinzu kommt, dass Art. 76 Abs. 1 ICC-Statut die Verhängung einer angemessenen, d. h. richtig bemessenen Strafe postuliert. 88 Der englische Wortlaut bedient sich dabei des Adjektivs „appropriate“, was sich mit „accordant“ 89, „correspondent“ 90 gleichsetzen lässt und somit ebenfalls eine Entsprechung der Strafe verlangt. Damit beschränkt sich die Grundnorm des ICC nicht auf die bloße Absage an eine unverhältnismäßige Strafzumessung, sondern geht insofern darüber hinaus, als sie eine verhältnismäßige Strafe fordert. Entsprechend der notwendigen verhältnismäßigen Zumessung der Strafe hat die zweitinstanzliche Kammer gemäß Art. 81 Abs. 2 lit. (a) i.V. m. 83 Abs. 3 ICC-Statut auch die Möglichkeit, eine disproportionale Strafe aufzuheben und sie in eigener Abwägung auf der Grundlage der Anordnungen im 7. Teil zu ersetzen. Da das ICC-Statut in Art. 77 ICC-Statut für alle Kernverbrechen die gleichen Haupt- und Nebenstrafen parat hält, scheint es weder innerhalb eines Tatbestandes noch beim Verhältnis der Tatbestände zueinander im Sanktionssystem zu differenzieren: b) Horizontale Strafstruktur Der nicht unterscheidenden Betrachtung des Art. 77 ICC-Statut müssen aber die unterscheidenden Betrachtungen in Art. 124 ICC-Statut und Art. 33 Abs. 2 85 86 87 88 89 90

Brown, The New Shorter Oxford English Dictionary, S. 1467. Brown, The New Shorter Oxford English Dictionary, S. 1467. Brown, The New Shorter Oxford English Dictionary, S. 1467. Vgl. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, Duden, Band 1, S. 213. Burton, Burton’s Legal Thesaurus, S. 36. Burton, Burton’s Legal Thesaurus, S. 36.

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ICC-Statut gegenübergestellt werden, die beide zumindest zwischen dem Unwertgehalt von Kriegsverbrechen auf der einen Seite und dem von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auf der anderen Seite differenzieren. So erlaubt die Übergangsbestimmung des Art. 124 ICC-Statut zwar, Kriegsverbrechen sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts von der Gerichtsbarkeit des Gerichts auszunehmen, dies ist aber nicht möglich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord; und Art. 33 Abs. 2 ICC-Statut erlaubt im Fall der Kriegsverbrechen, eine Straftat durch „superior orders“ zu rechtfertigen, während dies bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und beim Völkermord ausgeschlossen ist. Behandelt das ICC-Statut die Kernverbrechen aber unterschiedlich, so kann dies als erstes Indiz für einen unterschiedlichen Unwertgehalt der Kernverbrechen gewertet werden, dem zufolge zumindest die Kriegsverbrechen als weniger schwerwiegend anzusehen sind als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. 91 Kann der Unwertgehalt der Kernverbrechen aber unterteilt werden, so eröffnet dies die Möglichkeit einer auch horizontal ausgerichteten Strafstruktur, die sich diese Unterschiede zunutze macht und eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Straftatbeständen herstellt. Einzelheiten bleiben freilich weiterem Rechtsquellenstudium vorbehalten. c) Vertikale Strafstruktur Bejaht das eigene Recht des ICC grundsätzlich eine Ausrichtung der Strafe an den Bezugspunkten der Strafe, so bejahen sie auch eine vertikale Verhältnismäßigkeit. Denn die Berücksichtigung von unterschiedlich bewertbaren Bezugspunkten verlangt nach einer verhältnismäßigen Differenzierung, da nur so das unterschiedliche Gewicht der Strafwürdigkeit zum Tragen kommt. Die vertikale Strafstruktur im eigenen Recht ist aber darüber hinaus insofern unzureichend, als die Führung des Strafzumessungsermessens einerseits über-, andererseits unterbestimmt ist. Deutlich wird dies bei den Hauptstrafen: Auf der einen Seite ist die lebenslange Freiheitstrafe zwingend zu verhängen, sobald die Sanktionsschwelle der besonderen Tatschwere und der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten überschritten ist, ohne dass den Richtern noch ein Entscheidungsspielraum bliebe. Auf der anderen Seite ist der Strafrahmen der zeitigen Freiheitsstrafe mit seiner Mindeststrafe von einem Jahr und seiner Höchststrafe von 30 Jahren derart weit, dass er den entscheidenden Richtern bei der Strafzumessung innerhalb eines Straftatbestandes keinerlei Führung angedeihen lässt. Einzig der Übergang von zeitiger zu lebenslanger Freiheitsstrafe ist durch die Sanktionsschwelle zwar konkretisiert, dies aber nicht ausreichend. Die Ausgestaltung des Übergangs von zeitiger Freiheitsstrafe zu lebenslanger Freiheitsstrafe sowie die Ausgestaltung der zeitigen Freiheitsstrafe bergen daher die Gefahr, dass dauerhaft eine unein91

Vgl. auch Schabas, Penalties, S. 1506.

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heitliche Strafe zugemessen wird. Die vertikale Strafstruktur muss daher in den Rechtsquellen konkretisiert werden. Besser ausgestaltet sind die Nebenstrafen. Sie enthalten im Fall der Geldstrafe einen engeren Rahmen und klarere Strafvorgaben und sind im Fall der Einziehung des durch die Straftat Erlangten spezifiziert, so dass ihre Graduierung leichter fallen wird, auch wenn bei den Geldstrafen eine Nennung von Einstiegspunkten in den Strafrahmen hilfreich gewesen wäre. d) Einstieg in den Strafrahmen Bildet der Strafrahmen mit seiner Mindest- und Höchststrafe auch die normativen Grenzen der zeitigen Freiheitsstrafe, so ist das für die Zumessung des Strafzumessungsfalls nur sehr bedingt von Hilfe, da neben der Weite des Strafrahmens dem eigenen Recht des ICC keinerlei Einstiegshilfen in den Strafrahmen zu entnehmen ist. Der Einstieg in den Strafrahmen ließe sich zwar durch die mathematische Mitte der Mindest- und Höchststrafe bestimmen, die dadurch gewonnene Differenzierung wäre aufgrund der Weite des Strafrahmens dennoch nur äußerst gering. Ferner bliebe immer noch zu fragen, wie ein Strafzumessungsfall genau ausgestaltet sein muss, um dieser Mitte zu entsprechen, und wie sich zur Mitte dann ein Mehr oder Weniger an Strafwürdigkeit auswirken würde. Auch hier bleibt somit vieles offen, was im weiteren Rechtsquellenstudium einer Lösung zugeführt werden muss. II. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess 1. Strafzumessungsinformation im Prozess Das Statut geht mit dem durch die gleichzeitige Herstellung von Schuld und Strafe hervorgerufenen Konflikt insofern elegant um, als zwar grundsätzlich in einem Verfahren über Schuld und Strafe befunden wird (argumentum e contrario Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut), aber Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut die Möglichkeit eröffnet, auf Anordnung des Gerichts oder Antrag der Parteien in Übereinstimmung mit der ICC-RPE zwei getrennte Verfahren zur Schuld und Strafe durchzuführen, 92 so dass erst im zweiten Verfahren über die für die Strafzumessung relevanten Anträge und Beweismittel verhandelt wird. 93 Damit erlaubt es das eigene Recht des ICC, die Entscheidungssituation dem Einzelfall anzupassen, und findet eine gute Balance zwischen dem Interesse an einer funktionierenden Justiz und dem Interesse des Angeklagten an der Wahrung seiner Rechte; zumal 92 Vgl. Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut; Sadat, The International Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 247. 93 Vgl. näher Art. 76 Abs. 3; 75 ICC-Statut.

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es der Angeklagte selber in der Hand hat, diese durch die Beantragung einer getrennten Verhandlung durchzusetzen. Einen bestimmten Zeitpunkt sieht das Statut für den Antrag auf ein getrenntes Verfahren nicht vor. 94 Da aber ein verurteilendes Strafverfahren mit dem Urteil endet, muss zumindest eine weitere mündliche Verhandlung vor dem endgültigen Abschluss des Verfahrens durchgeführt werden. Diesbezüglich wird von Schabas vorgeschlagen, das Gericht, d. h. die Hauptverfahrenskammer, möge im Fall der Verurteilung nachfragen, ob die Verfahrensbeteiligten eine zweite Anhörung, eine Strafzumessungsanhörung (sentencing hearing), wünschten oder nicht, und den Beteiligten gemäß Art. 67 Abs. 1 ICC-Statut genügend Zeit einräumen, ein solches vorzubereiten. 95 Einzelheiten der Vorgehensweise ergeben sich aus §§ 143 und 144 ICC-RPE. 96 Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut ist in den Fällen eines Schuldeingeständnisses (guilty plea) gemäß Art. 64 Abs. 8 lit. (a) ICC-Statut nicht anwendbar. Vielmehr wird auf das Verfahren nach Art. 65 ICC-Statut verwiesen. Dieser enthält aber keine ausdrückliche, sich auf das Vorbringen der Strafzumessungstatsachen beziehende Regelung. Auch lässt sich eine solche Annahme nicht aus dem Wortlaut des Art. 65 Abs. 5 a. E. ICC-Statut ziehen. 97 Sinn und Zweck des Verweises kann es aber nicht sein, gerade im Verfahren nach einem Geständnis ein Vorbringen von Strafzumessungstatsachen zu unterbinden. Denn gerade in einem solchen Verfahren ist neben der Wirksamkeit des Geständnisses die Strafzumessung Dreh- und Angelpunkt. Der Verweis kann daher nur so verstanden werden, dass sich eine gesonderte Anhörung nicht – wie im normalen Verfahrensablauf – anschließen kann bzw. soll, sondern dass nach der Entscheidung über die sonstigen Voraussetzungen des Art. 64 Abs. 8 lit. (a) i.V. m. Art. 65 ICC-Statut unmittelbarer mit der Vorbringung und Bewertung der Strafzumessungsfragen begonnen werden kann. Es bedarf keiner strikten Trennung zwischen Schuldeingeständnis und Strafzumessungsanhörung, da der Angeklagte die Strafbarkeit schon eingeräumt und so bewusst auf sein Recht aus dem Nemo-tentur-Prinzip verzichtet hat. 2. Richtlinienurteile Es lassen sich dem eigenen Recht des ICC weder Aussagen für noch gegen die Anwendung von Richtlinienurteilen entnehmen. Auch sind noch keine Urteile und damit auch keine Richtlinienurteile ergangen. Ob es möglich sein wird, 94 Eine ausdrückliche Regelung, die einen Antrag bis zum Ende des Verfahrens verlangte, wurde als überflüssig angesehen und aus der Norm gestrichen. 95 Vgl. Schabas, in: ICC-Commentary, Art. 76, Rn. 3. 96 Anschließend muss das Urteil öffentlich und wenn möglich in der Gegenwart des Angeklagten verkündet werden, vgl. Art. 76 Abs. 4 ICC-Statut i.V. m. § 144 RPE. Siehe dazu auch Schabas, in: ICC-Commentary, Art. 76, Rn. 10 f. 97 So aber Schabas, in: ICC-Commentary, Art. 76, Rn. 7.

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zukünftig auf Richtlinienurteile zurückzugreifen, muss sich also aus den weiteren Rechtsquellen ergeben. 3. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien Das eigene Recht des ICC sieht weder das Gebot noch das Verbot zur Gründung einer Strafzumessungskommission oder zum Erlass einer Strafzumessungsrichtlinie vor. Damit ist die Rechtslage offen und muss durch die Betrachtung der weiteren Rechtsquellen einer Lösung zugeführt werden. III. Im Kontext der Darstellung der Strafentscheidung 1. Begründungspflicht und -umfang Wortlaut und Systematik von 74 Abs. 5 S. 1 ICC-Statut verweisen auf die Pflicht zur Begründung der Strafzumessungsentscheidung. Denn gemäß Art. 74 Abs. 5 S. 1 ICC-Statut hat das Urteil schriftlich zu ergehen und eine vollständige und begründete Darstellung der Ergebnisse der Beweiswürdigung und der Schlussfolgerungen zu enthalten. Beweiswürdigung und Schlussfolgerungen werden aber nicht nur in Hinblick auf die Strafbarkeit, sondern auch in Hinblick auf die Strafe getroffen bzw. gezogen. Dass die Beweiswürdigung auch Beweise zur Strafzumessung umfasst, bestätigt Art. 76 Abs. 1 ICC-Statut ausdrücklich. Damit muss also nicht nur die Schuldfeststellung schriftlich, vollständig und begründet ergehen, sondern auch die Straffeststellung. Dass die Darstellung der Strafentscheidung schriftlich zu ergehen hat, ist offensichtlich, denn sonst könnte die Begründung nicht Grundlage für die Überprüfung der Strafentscheidung durch die höhere Instanz sein. 98 Die Konkretisierung der vollständigen und begründeten Darstellung wird zwar in ICC-Statut und ICC-RPE nicht weiter ausdifferenziert, aber vollständig und begründet ist nur eine Darstellung, die zum einen die Überprüfbarkeit der Strafentscheidung ermöglicht, zum anderen eine bewusste und transparente Strafentscheidung fördert. 99 Da die Überprüfbarkeit der Strafentscheidung, wie noch zu zeigen sein wird, wesentlich auf Verfahrensfehler, Tatsachenfehler, fehlerhafte Rechtsanwendungen und die erhebliche Unverhältnismäßigkeit der Strafentscheidung abstellt, müssen sich diese auch im Urteil belegen lassen. Dazu ist aber vonnöten, dass die Herstellung der Strafentscheidung sich soweit als möglich in der Darstellung wiederfindet. Die Herstellung hängt aber besonders von den Straftheorien, den Anknüpfungspunkten der Strafe, den allgemeinen und besonderen Strafzumes-

98 99

Vgl. auch Triffterer, in: ICC-Commentary, Art. 74, Rn. 25 ff. Siehe dazu näher S. 186 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

sungsgründen und deren ausdifferenzierter Gewichtung ab. Auf diese muss sich dann auch die vollständige und begründete Darstellung erstrecken. Laut Empfehlung des Europarates sind auch die Einhaltung bzw. Abweichung von der Einstiegsstelle bzw. Grundstrafe zu begründen. Eine Konkretisierung mittels Grundstrafe und Einstiegsstelle setzt aber eine dementsprechende Sanktionsstruktur voraus. Diese findet sich zwar nicht in dem eigenen Recht des ICCStatuts, aber eventuell in den weiteren Rechtsquellen des abgeleiteten Rechts. Begründen die Rechtsquellen eine solche Struktur, müsste diese auch in die Begründung der Strafentscheidung einbezogen werden. Begründungspflicht und Begründungsumfang lassen sich hinreichend bestimmt aus dem ICC-Statut ermitteln, so dass eine weitere Konkretisierung in den anderen Rechtsquellen nicht mehr vonnöten ist. 2. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle Zentrale Regelungen zur Überprüfung des Urteils erster Instanz finden sich im 8. Teil des ICC-Statuts. Art. 81 ff. ICC-Statut ermöglicht auf Initiative des Verurteilten oder des Anklägers (sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Verurteilten) unter anderem sowohl die unabhängige Überprüfbarkeit des Freibzw. Schuldspruchs als auch des Strafspruchs. 100 Der Aufbau des Statuts unterscheidet zwischen einem Vorbringen gegen den Schuldspruch und einem Vorbringen gegen den Strafspruch. Dabei erfasst Art. 81 Abs. 1 ICC-Statut das Vorgehen gegen den Schuldspruch und Art. 81 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut das Vorgehen gegen einen Strafspruch, wenn dieser unverhältnismäßig ist. Diese beiden Ausgangspunkte werden durch die Regelungen des Art. 81 Abs. 2 lit. (b) ICCStatut bzw. Art. 81 Abs. 2 lit. (c) ICC-Statut flankiert, die jeweils unter gewissen Voraussetzungen die Erstreckung eines Rechtsmittels gegen den Strafspruch auch auf den Schuldspruch und andersherum die Erstreckung eines Rechtsmittels gegen den Schuldspruch auch auf den Strafspruch zulassen. In Hinblick auf den Strafspruch kann dabei allerdings immer nur die Unverhältnismäßigkeit der Strafe zum Verbrechen angegriffen werden. Kann daher Art. 81 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut eine spezielle, begrenzende Regelung zur Überprüfung der Strafzumessung sein, nach der in Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung des ICC der Strafspruch nur aufgrund der „disproportion between the crime and the sentence“ überprüft werden kann? Die Flankierung durch Art. 81 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut, der anlässlich eines Rechtsmittels gegen den Strafspruch auch die Überprüfung des Schuldspruchs gemäß Art. 81 Abs. 1 ICCStatut ermöglicht, erlaubt aber, über die fakultative Erstreckung auf Verfahrensfehler, fehlerhafte Tatsachenfeststellungen und fehlerhafte Rechtsanwendungen 100

Vgl. näher § 150 Abs. 1 ICC-RPE und die Übersicht bei Sadat, The Internatonal Criminal Court and the Transformation of International Law, S. 305.

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

325

auch andere Gründe gegen die Strafe vorzubringen. Denn all diese Gründe im Vorfeld der Strafzumessung können auch Auswirkungen auf die Strafzumessung selbst haben und so die „Unverhältnismäßigkeit“ des Strafausspruchs im Sinne des Art. 81 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut begründen. 101 Diese Überlegung findet ihre Bestätigung in Art. 83 Abs. 2 Hs. 2 ICC-Statut, da dort Verfahrensfehler, fehlerhafte Tatsachenfeststellungen und fehlerhafte Rechtsanwendungen ausdrücklich auf den Strafausspruch bezogen werden. Hinzu kommt, dass auf Antrag des Verurteilten und des Anklägers zugunsten des Verurteilten jeder andere Grund, der die „fairness or reliability of the proceedings or decision“ beeinträchtigt, bei der Berufung berücksichtigt werden muss. 102 Der Bezug auf die Fairness kann aber auch ein Einfallstor für die Überprüfung der Strafzumessungsentscheidung sein. Denn Art. 83 Abs. 2 Hs. 1 ICC-Statut führt den Grund der Fairness weiter dahingehend aus, dass unfair ist, was die „Verlässlichkeit des Urteils oder Strafausspruchs beeinträchtigt“. 103 In dem Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Rechtswahrheit erlaubt das eigene Recht des ICC somit eine Aufhebung des Urteils der Hauptverfahrenskammer zunächst einmal nur auf der Grundlage, dass das Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafmaß unverhältnismäßig (Art. 81 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut) ist oder – wie es Art. 83 Abs. 3 ICC-Statut formuliert – „das Strafmaß in keinem Verhältnis zum Verbrechen steht“. Damit markiert aufs Erste die Unverhältnismäßigkeit (nicht die Verhältnismäßigkeit) die Grenze zwischen dem Entscheidungsspielraum der Hauptverfahrenskammer und der Berufungskammer. Unterhalb dieser Grenze ermöglicht es der Umweg über den Schuldspruch, den Strafspruch auch anhand von Verfahrensfehlern, fehlerhaften Tatsachenfeststellungen und fehlerhaften Rechtsanwendungen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen (Art. 81 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut). Aufheben lässt sich das Urteil erster Instanz aber nur, wenn der Strafspruch (und das Urteil) „wesentlich beeinträchtigt wurden“ (Art. 83 Abs. 2 Hs. 2 ICC-Statut). Wesentlichkeit bedingt neben der Ursächlichkeit des Fehlers für die Entscheidung des Gerichtes auch eine gewisse Erheblichkeit des Fehlers. Durch diese Voraussetzungen wird die Entscheidungskompetenz im Verhältnis zwischen der Hauptverfahrenskammer und der Berufungskammer austariert. Denn die Beschränkung auf eine „wesentliche“ Fehlerkontrolle erkennt zum einen die größere Nähe der Hauptverfahrenskammer zum Strafzumessungsfall an und wahrt die darauf beruhende Entscheidungskompetenz, zum anderen ermöglicht die Fehlerkontrolle aber dennoch eine gewisse Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch die Überprüfung des Urteils durch die Berufungskammer. Gleiches gilt für den möglichen Angriff auf den Strafausspruch wegen der Unfairness des Verfahrens. Auch die101 102 103

Vgl. Staker, in: ICC-Commentary, Art. 81, Rn. 10 ff. Vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. (b) Ziff. (iv) ICC-Statut. „... affected the reliability of the decision or sentence ...“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ser wahrt die Entscheidungskompetenz der Hauptverfahrenskammer, indem als unfair qualifiziert wird, was „die Verlässlichkeit des Urteils oder des Strafausspruchs beeinträchtigt“ (Art. 81 Abs. 1 lit. (b) Ziff. (iv) i.V. m. Art. 83 Abs. 2 Hs. 1 ICC-Statut). Im Übrigen mag diese Rüge als eine Art Auffangtatbestand gelten, mithilfe dessen ganz besonders die Uneinheitlichkeit des Strafzumessung angegriffen werden kann. Denn „fair“ bzw. „unfair“ verweisen auf die Gerechtigkeit und damit auf den Gleichheitssatz, nach dem eine Strafe dauerhaft im gleichen Maß zugemessen werden muss. Die Regelungen zum Berufungsverfahren im ICC-Statut fördern eine einheitliche Strafzumessung, indem durch sie beide Aspekte der Gleichbehandlung zum Tragen kommen. Denn zum einen wahren die Regelungen Entscheidung und Entscheidungssituation für die Richter der Hauptverfahrenskammer und ermöglichen damit eine Individualisierung der Strafe, zum anderen heben sie erhebliche Ungleichheiten auf und lassen den Gerichten damit eine Orientierung in Fragen der Strafzumessung zukommen. Die Ausgeglichenheit und Detailliertheit der Berufungsregelungen erübrigt die weitere Konkretisierung in den anderen Rechtsquellen. 3. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich.

C. Zusammenfassung Ausgangspunkt der Suche nach den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung ist das eigene Recht des ICC, d. h. genauer das Statut und seine Verfahrens- und Beweisordnung. Da die Strafzumessung im Rahmen der Strafbemessung stattfindet, wendet sich die Betrachtung zunächst der Strafbemessung zu und erst dann den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung: I. Die Hauptstrafen des ICC-Statuts sind die zeitige und die lebenslange Freiheitsstrafe. Als Nebenstrafen können die Einziehung des Vermögens und die Verhängung einer Geldstrafe hinzu kommen. Das ICC-Statut ordnet für alle Kernverbrechen die gleichen Strafen an. Der Strafrahmen setzt für die Mindeststrafe ein Jahr fest und für die Höchststrafe 30 Jahre. In beiden Fällen kann das Strafmaß der Freiheitsstrafe herabgesetzt werden. Bei der zeitigen Freiheitsstrafe ist dies erstmals nach zwei Dritteln der Haftzeit möglich, bei der lebenslangen Freiheitsstrafe nach frühestens 25 Jahren. Vorherige Haftzeiten sind auf die Strafe anzurechnen. II. Dem eigenen Recht des ICC können erste Anhaltspunkte für eine einheitliche Strafzumessung entnommen werden:

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

327

1. Dem ICC-Statut sind erste Hinweise auf retributive und präventive Straftheorien (und dort insbesondere auf die positive Generalprävention) zu entnehmen. Allerdings sind die Aussagen des ICC-Statuts zu den Straftheorien mehrdeutig. Eindeutiger ist lediglich der Hinweis auf die Berücksichtigung der Rehabilitation bei der Strafvollstreckung. Rangfolge, Gewichtung und Vorrang im Falle eines Konfliktes sind ungeklärt. Antworten auf diese offenen Fragen sind in den weiteren Rechtsquellen zu suchen. 2. Ausdrücklich kann weder dem ICC-Statut noch der ICC-RPE eine Strafzumessungstheorie entnommen werden. Daher ist das Strafzumessungsermessen nur durch die Regelungen zur Strafart und Strafdauer gebunden. Die Individualisierung der Strafe erfolgt dabei vornehmlich durch die Bestimmung des Strafumfangs (Strafdauer bzw. Strafhöhe). Für eine Strafzumessungsmethode können dem ICC-Statut und der ICC-RPE erste Arbeitsschritte entnommen werden. Die erkennende Strafkammer muss sich als äußere Grenze der Strafzumessung in einem ersten Schritt die Strafbestimmung vor Augen halten (Grenzen der Strafbemessung). Um die Auswahl von Strafart und Strafumfang vornehmen zu können, ist anhand der Bezugspunkte der Strafe und der Strafzumessungsumstände in einem zweiten Schritt der Strafwert des Strafzumessungsfalls zu bestimmen (Strafwertbestimmung). Es folgt in einem dritten Schritt die konkrete Auswahl von Hauptstrafe und Nebenstrafe (Strafartwahl) und in einem vierten Schritt die Bestimmung des Strafumfangs durch die erneute Taxierung von Bezugspunkten der Strafe und Strafzumessungsumstände (Strafumfangswahl). Daran schließt sich in einem fünften Schritt die Bildung einer Gesamtstrafe und in einem sechsten Schritt die Frage der Anrechnung vorheriger Haftzeiten an (sonstige Strafentscheidung). 3. Bezugspunkt der Strafe ist die Schuld des Verurteilten. Die Strafzumessung muss der Strafzumessungsschuld des Verurteilten entsprechen. Damit ist noch keine Aussage über das Verständnis von der Strafzumessungsschuld und ihrem Erscheinen als Punkt oder Rahmen getroffen. Konkretisiert wird der Begriff der Strafzumessungsschuld jedenfalls durch die „Schwere der Straftat“ und die „persönlichen Verhältnisse des Verurteilten“. 4. Die Bezugspunkte werden durch tat- und täterbezogene Strafzumessungsumstände konkretisiert. Dabei dominiert die Nennung tatbezogener Umstände. Diese nehmen Bezug auf die Tathandlung (und dort insbesondere auf die Natur der Straftat, die Umstände der Begehung und das Maß der Pflichtwidrigkeit) und die Tatfolge (und dort insbesondere auf die Auswirkungen auf das Opfer). Die Gruppe der täterbezogenen Umstände bezieht sich hingegen vor allem auf die Auswirkung der Strafe auf den Verurteilten und dessen Rehabilitation. Die besonderen Strafzumessungsumstände sind ebenfalls insofern täter- und tatbezogen, als die mildernden Umstände an die Person des Straftäters anknüpfen, während die strafschärfenden Umstände auf die Straftat abstellen. Genauer werden die mildernden Strafzumessungsumstände durch die Fallgruppen der Reduzierung der

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

strafrechtlichen Verantwortlichkeit und des Nachtatverhaltens (insbesondere der Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht sowie der Wiedergutmachung) und die strafschärfenden Umstände durch die Fallgruppen der Vorstrafen, der besonders grausamen Ausführung und besonderen Wehrlosigkeit des Opfers, der diskriminierenden Tatbegehung, des Missbrauchs einer Machtposition oder offiziellen Stellung geprägt. Weitere Fallgruppen können hinzu kommen, wenn sie der Unrechtsqualität der strafschärfenden Umstände entsprechen. Die allgemeinen Strafzumessungsumstände taugen dazu nicht. Kommen damit sowohl tat- als auch täterbezogene Strafzumessungsumstände für die Strafentscheidung in Frage, so bleibt aber das genaue Verhältnis bzw. die Gewichtung der beiden vage. Die Berücksichtigung einzelner Tatumstände kann als allgemeiner oder als besonderer Strafzumessungsumstand erfolgen. Kann die Unterscheidung bei Tatumständen zugunsten des Straftäters dahingestellt bleiben, da keine Strafrahmenverschiebung eintritt, ist sie bei Tatumständen zulasten des Straftäters relevant (straferhöhend oder strafschärfend), da hier eine Strafrahmenverschiebung von einer zeitigen Freiheitsstrafe hin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe möglich ist. Trotz dieser Relevanz bleibt das eigene Recht des ICC aber eine Antwort schuldig. Dem eigenen Recht des ICC ist ebenfalls nicht zu entnehmen, ob der Gerichtshof dem „charge offense“ (bzw. „conviction offense“) folgt oder aber dem Grundsatz des „real offense“ (bzw. „alleged offense“). Auch findet sich kein Hinweis auf ein Doppelverwertungsverbot. 5. Die Betrachtung von Verhältnismäßigkeit und Graduierung dient der Suche nach einer Strafstruktur, die das Zumessen der Strafe im gleichen Maß erlaubt. Dabei schafft die Verhältnismäßigkeit die Grundlage, die Graduierung ermöglicht die Umsetzung eines dauerhaft gleichen Strafens. Dem Wortlaut des ICCStatuts ist zu entnehmen, dass die Strafzumessung im ICC-Statut nicht nur nicht unverhältnismäßig, sondern vielmehr verhältnismäßig erfolgen muss. Struktur entsteht durch Differenzierung, da es ohne Unterscheidung keine Abstufung gibt. Unterschieden werden muss dabei sowohl innerhalb eines Straftatbestandes als auch zwischen den Straftatbeständen. Trotz einer zentralen Strafbestimmung für alle Straftatbestände der Kernverbrechen im ICC-Statut gibt es Indizien im ICC-Statut, die auf eine differenzierende Betrachtung der Kernverbrechen schließen lassen. Danach sind zumindest die Kriegsverbrechen von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Völkermord zu unterscheiden. Einzelheiten bedürfen freilich einer weiterführenden Konkretisierung in den folgenden Rechtsquellen. Verweist die mögliche unterschiedliche Gewichtung der Bezugspunkte auch auf eine verhältnismäßige Strafstruktur innerhalb eines Straftatbestandes der Kernverbrechen, so ist die vertikale Sanktionsstruktur einerseits mit der Andro-

5. Kap.: ICC-Statut und ICC-RPE

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hung der lebenslangen Freiheitsstrafe überbestimmt, andererseits mit der Androhung der zeitigen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 30 Jahren unterbestimmt. Die Ausgestaltung der Freiheitsstrafen birgt daher die Gefahr einer dauerhaft uneinheitlichen Strafzumessung. Der Strafrahmen begrenzt mit seiner Mindest- und Höchststrafe die Strafzumessungsentscheidung. Der Einstieg in den Strafrahmen befindet sich mathematisch-logisch in der Mitte von Mindest- und Höchststrafe. Eine Ausfüllung dieser ersten groben Struktur leistet das betrachtete eigene Recht des ICC aber nicht. 6. Das eigene Recht des ICC regelt den Widerstreit zwischen einaktigem und zweiaktigem Verfahren elegant. Zwar ist der Strafprozess grundsätzlich einaktig aufgebaut – es wird also die Entscheidung über die Schuld und über die Strafe in einem Verfahren verhandelt –, aber es steht im Ermessen der Richter, ein zweiaktiges Verfahren anzuberaumen bzw. haben die Parteien in Übereinstimmung mit dem eigenen Recht des ICC die Möglichkeit, ein zweiaktiges Verfahren zu beantragen, in dem dann über Schuld und Strafe getrennt zu verhandeln ist. Im Fall eines Verfahrens nach Schuldeingeständnis ist hingegen zwingend einaktig zu verhandeln. 7. Die Anwendung von Richtlinienurteilen wird im eigenen Recht des ICC nicht thematisiert. Urteile sind bis dato keine ergangen. Ob es möglich sein wird, künftig auf Richtlinienurteile zurückzugreifen, muss sich also aus den weiteren Rechtsquellen ergeben. 8. Gleiches gilt für eine mögliche Auslagerung der Strafentscheidung in eine Strafzumessungskommission bzw. Strafzumessungsrichtlinie. Auch dies wird in dem eigenen Recht des ICC nicht thematisiert. Auch hier muss das weitere Rechtsquellenstudium Klarheit bringen. 9. Das ICC-Statut verweist in Wortlaut und Systematik auf die Pflicht zur Begründung der Schuld- und Straffeststellung, die schriftlich, vollständig und begründet zu ergehen hat. Ist das Schriftlichkeitserfordernis offensichtlich, bedarf es der Konkretisierung, wie im Einzelnen eine vollständige und begründete Darstellung zu gestalten ist. Diese ergibt sich letztlich aus dem Umfang der Berufung. Da die Überprüfbarkeit der Strafentscheidung auf wesentlichen Fehlern oder der erheblichen Unverhältnismäßigkeit der Strafentscheidung beruht, müssen sich diese auch im Urteil belegen lassen. Die Herstellung der Strafentscheidung hängt aber besonders von den Straftheorien, den Anknüpfungspunkten der Strafe, den allgemeinen und besonderen Strafzumessungsgründen und deren ausdifferenzierter Gewichtung ab. Auf diese muss sich dann auch die vollständige und begründete Darstellung erstrecken. Die weiteren Hinweise auf die Einhaltung bzw. Abweichung von einer Einstiegsstelle bzw. Grundstrafe in der Empfehlung des Europarates führen mangels Strafstruktur zunächst ins Leere. Begründen die Rechtsquellen eine solche Struktur, dann müsste diese auch in die Begründung der Strafentscheidung einbezogen werden. Begründungspflicht

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

und Begründungsumfang lassen sich hinreichend bestimmt aus dem ICC-Statut ermitteln, so dass eine weitere Konkretisierung in den anderen Rechtsquellen nicht mehr nötig ist. 10. Das eigene Recht des ICC lässt eine Überprüfung der Strafentscheidung zu und ermöglichen so eine weitere Vereinheitlichung der Strafentscheidung. Dabei liegt das Hauptaugenmerk insofern auf dem Verhältnis zwischen Schuldund Strafspruch, als der Strafspruch wegen der Unverhältnismäßigkeit zwischen Verbrechen und Strafmaß aufgehoben werden kann (Art. 81 Abs. 2 lit. (a) i.V. m. Art. 83 Abs. 3 ICC-Statut). Damit markiert aufs Erste die Unverhältnismäßigkeit (und nicht die Verhältnismäßigkeit) die Grenze zwischen dem Entscheidungsspielraum der Hauptverfahrenskammer und der Berufungskammer. Des Weiteren ist eine Überprüfung des Strafspruchs anhand von Verfahrensfehlern, fehlerhaften Tatsachenfeststellungen und fehlerhaften Rechtsanwendungen möglich (Art. 81 Abs. 2 lit. (b) i.V. m. Art. 83 Abs. 2 Hs. 2 ICC-Statut). Diese müssen „wesentlich“ sein, um zur Aufhebung des Urteils oder Strafspruchs zu führen. Durch diese Qualifizierung wird das Verhältnis zwischen der Hauptverfahrenskammer und der Berufungskammer weiter austariert. Denn die Überprüfung wahrt zum einen die Entscheidungskompetenz der Hauptverfahrenskammer und ermöglicht zum anderen dennoch eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch die Berufungskammer. Gleiches gilt für einen möglichen Angriff gegen den Strafspruch wegen Unfairness des Verfahrens. Auch dieser Grund wahrt die Entscheidungskompetenz der Hauptverfahrenskammer, indem als „unfair“ qualifiziert wird, was „die Verlässlichkeit des Urteils oder des Strafausspruchs beeinträchtigt“ (Art. 81 Abs. 1 lit. (b) Ziff. (iv) i.V. m. Art. 83 Abs. 2 Hs. 1 ICC-Statut). Im Übrigen kann damit ganz besonders eine Uneinheitlichkeit der Strafzumessung gerügt werden. Denn „fair“ bzw. „unfair“ verweisen auf die Gerechtigkeit und damit auf den Gleichheitssatz, nach dem eine Strafe dauerhaft im gleichen Maß zugemessen werden muss. Die Ausgeglichenheit der Berufungsregelungen macht eine weitere Konkretisierung in den anderen Rechtsquellen überflüssig.

6. Kapitel

Völkergewohnheitsrecht (Art. 21 Abs. 1 lit. (b) Var. 2 ICC-Statut) Das eigene Recht des ICC wird an zweiter Stelle durch das abgeleitete Recht des Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrechts ergänzt. Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht kommen dann zur Anwendung, wenn das eigene Recht des ICC unvollständig ist oder Lücken aufweist. Belegt werden kann das Völkergewohnheitsrecht anhand von Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe. Die Darstellung beginnt zunächst mit der Betrachtung der Sanktionssysteme

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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und Strafbemessung der Ad-hoc-Gerichtshöfe (dazu sogleich unter A.) und endet mit der Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Gewohnheitsrecht (dazu später unter B.).

A. Sanktionssystem und Strafbemessung: Ad-hoc-Gerichtshöfe von Den Haag und Arusha Das Recht der Ad-hoc-Gerichtshöfe zu strafen ergibt sich sowohl aus Art. 23 Abs. 1 ICTY-Statut bzw. Art. 22 Abs. 1 ICTR-Statut als auch aus Art. 24 ICTYStatut bzw. Art. 23 ICTR-Statut. 1 Demnach können die Ad-hoc-Gerichtshöfe Strafen über Täter verhängen, die „serious violations of international humanitarian law“ 2 begangen haben. Zu diesem Zweck verhängen die Gerichtshöfe nur Freiheitsstrafen, 3 andere Hauptstrafen hingegen nicht – somit auch keine Todesstrafe. 4 Als Nebenstrafe können das Vermögen und die Erträge aus der Straftat eingezogen werden. Diese sind dann an die Opfer der Tat als Entschädigung auszukehren. 5 Die Dauer des Freiheitsentzugs muss von vornherein durch das Gericht bestimmt werden und kann gemäß § 101 Abs. A ICTY-RPE und § 101 Abs. A ICTR-RPE für die gesamte noch verbleibende Lebenszeit verhängt werden. 6 Zeitige Freiheitsstrafen wurden rechtswirksam vor dem ICTY bis zu einer Höhe von 40 Jahren verhängt und vor dem ICTR bis zu einer Höhe von 45 Jah1 Im Einzelnen lauten Art. 24 ICTY-Statut bzw. Art. 23 ICTR-Statut, Penalties, wie folgt: 1. The penalty imposed by the Trial Chamber shall be limited to imprisonment. In determining the terms of imprisonment, the Trial Chambers shall have recourse to the general practice regarding prison sentences in the courts of the former Yugoslavia. 2. In imposing the sentences, the Trial Chambers should take into account such factors as the gravity of the offence and the individual circumstances of the convicted person. 3. In addition to imprisonment, the Trial Chambers may order the return of any property and proceeds acquired by criminal conduct, including by means of duress, to their rightful owners. 2 Vgl. Art. 23 Abs. 1 ICTY-Statut bzw. Art. 22 Abs. 1 ICTR-Statut. 3 Vgl. Art. 24 Abs. 1 ICTY-Statut bzw. Art. 23 Abs. 1 ICTR-Statut. 4 Vgl. Sayers LJIL 16 (2003), S. 753 f.; Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 721; Musema, ICTR-96-13-T, Trial Chamber I, Judgement, 27. January 2000, para. 978; van Zylt Smit, CLF 9 (1999), S. 15; siehe auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 2. 5 Vgl. Art. 24 Abs. 3 ICTY-Statut i.V. m. §§ 105, 106 ICTY-RPE bzw. Art. 23 Abs. 3 ICTR-Statut i.V. m. §§ 105, 106 ICTR-RPE; siehe dazu auch Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 323; Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 802 f., Rn. 9.150 ff. 6 Von manchen Kommentatoren wird angenommen, dass die Regelung in § 101 Abs. A ICTY-RPE ultra vires sei, da sie das Verbot der lebenslangen Freiheitsstrafe im ehemaligen Jugoslawien ignoriere, aus dem Fehlen der Todesstrafe fälschlicherweise auf die Zulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe schließe, die rechtlichen Regelungen in den Menschenrechtskonvention verkenne und nicht dem travaux préparatoires des

332

2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ren. 7 Vorherige Haftstrafen können auf die Strafe angerechnet werden. 8 Von der lebenslangen Freiheitsstrafe wird von den Ad-hoc-Gerichtshöfen unterschiedlich Gebrauch gemacht: Bis zum Dezember 2008 wurde vor dem ICTR die lebenslange Freiheitsstrafe bereits mehrmals rechtskräftig verhängt (Akayesu 9, Gacumbitsi 10, Kambanda 11, Kamuhanda 12, Kayishema 13, Muhimana 14, Musema 15, Ndindabahizi 16, Niyitegeka 17, Rutaganda 18, Seromba 19 und Nchamihigo 20); hingegen war die lebenslange Freiheitsstrafe vor dem ICTY überhaupt nur in zwei Fällen relevant (Staki´c 21 und Gali´c 22) und ist nur im Fall Gali´c rechtskräftig geworden. Auch ist die den Ad-hoc-Gerichtshöfen gemeinsame Kammer zweiter Instanz nicht der Auffassung, dass die lebenslange Freiheitsstrafe gegen das in der Menschenrechtskonvention niedergelegte Verbot menschenunwürdigen Strafens verstoßen würde. 23 Thematisiert die Kammer zweiter Instanz die Verletzung der Menschenwürde in ihrem Urteil im Fall Gali´c erst gar nicht, so argumentiert sie in ihrem Urteil im Fall Staki´c nur mit knappen Worten, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe weder gegen Art. 7 bzw. 10 IPBPR verstoße,

Art. 24 ICTY-Statut gerecht werde und daher geändert werden müsse, van Zylt Smit, CLF 9 (1999), S. 16 ff.; vgl. auch Bassiouni / Manikas, The Law of the international Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, S. 702. 7 Vgl. Staki´c, IT-97-24-A, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement, 22. March 2006; Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001; Kajelijeli, ICTR 98-44A-A, Appeals Chamber, Judgement, 23. May 2005. 8 Vgl. § 101 Abs. C ICTY-RPE und § 101 Abs. C ICTR-RPE. 9 Akayesu, ICTR-96-4-A, Appeals Chamber, Judgement, 1. June 2001. 10 Gacumbitsi, ICTR-98-44-A, Appeals Chamber, Judgement, 23. May 2005. 11 Kambanda, ICTR-97-23-S, Appeals Chamber, Judgement, 14. January 2000. 12 Kamuhanda, ICTR-95-54A-A, Appeals Chamber, Judgement, 19. September 2005. 13 Kayishema and Ruzindana, ICTR-95-1-A, Appeals Chamber, Judgement (Reasons), 1. June 2001. 14 Muhimana, ICTR-95-1B-A, Appeals Chamber, Judgement, 21. May 2007. 15 Musema, ICTR-96-13-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. November 2001. 16 Ndindabahizi, ICTR-2001-71-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. January 2007. 17 Niyitegeka, ICTR-96-14-A, Appeals Chamber, Judgement, 9. July 2004. 18 Rutaganda, ICTR-96-3-A, Appeals Chamber, Judgement, 26. May 2003. 19 Seromba, ICTR-01-66-A, Appeals Chamber, Judgement, 12. March 2008. 20 Nchamihigo, ICTR-01-63-T, Trial Chamber III, Judgement and Sentence, 12. November 2008. 21 Vgl. Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, S. 253; Staki´c, IT-97-24-A, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement, 22. March 2006, S. 142. 22 Vgl. Gali´c, IT-98-29-A, „Sarajevo“, Appeals Chamber, Judgement, 30. November 2006, S. 185. 23 Siehe im Einzelnen Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 794, Rn. 9.119 f.; Schabas, EJIL 11 (2000), S. 528.

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

333

noch dass es ein Verbot der lebenslangen Freiheitsstrafe in den internationalen Menschenrechtsinstrumenten gebe. 24

B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung I. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe 1. Straftheorien Schweigen sich die Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe zu den Straftheorien aus, so diskutieren hingegen die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe die Straftheorien und ihre Anwendungsbedingungen. Allerdings wird dabei nicht immer dem unterschiedlichen Verständnis von den einzelnen Straftheorien in der angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie ausreichend Rechnung getragen. Problematisch wird dies besonders innerhalb der präventiven Straftheorien an den Trennlinien zwischen positiver und negativer sowie genereller und spezieller Prävention. In den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe werden unter der Überschrift „Deterrence“ – oftmals ohne deutliche Differenzierung und Unterteilung – vor allem Rechtfertigungen der Abschreckung (also Gedanken der negativen Generalprävention und der negativen abschreckenden Spezialprävention) erörtert, 25 zuweilen werden aber auch – entgegen der eigentlichen Wortbedeutung – Rechtfertigungen, die an den Lern-, Vertrauens- und Befriedungseffekt der Strafe anknüpfen (also an Gedanken der positiven Generalprävention),

24 Vgl. Staki´c, IT-97-24-A, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement, 22. March 2006, para. 395. Diese Auffassung zur lebenslangen Freiheitsstrafe ist umso bemerkenswerter, als die Kammer die ursprünglich im Urteil erster Instanz angeordnete Haftprüfung der Strafe nach 20 Jahren verwarf und daher die Haftprüfung nicht in ihre Überlegungen über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der lebenslangen Freiheitsstrafe einbezog. 25 ˇ Vgl. z. B. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1234: „Deterrence is probably the most important factor in the assessment of appropriate sentences for violations of international humanitarian law. Apart from the fact that the accused should be sufficiently deterred by appropriate sentence from ever contemplating taking part in such crimes again, persons in similar situations in the future should similarly be deterred from resorting to such crimes.“; vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 839: „Generally, deterrence aims at deterring the specific accused from again committing similar crimes in future (special deterrence), and / or at ˇ c, IT-95-10/ deterring others from committing similar crimes (general deterrence).“; Ceši´ 1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 25: „The deterrent effect aimed at through sentencing consists in discouraging the commission of similar crimes. The main effect sought is to turn the perpetrator away from future wrongdoing (special deterrence) but it is assumed that sentencing will also have an effect of discouraging others from committing the same kind of crime (general deterrence).“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

besprochen. 26 Hier kommt wohl der Umstand zum Tragen, dass die positive Generalprävention eher in der kontinentaleuropäischen Rechtsfamilie beheimatet ist und weniger in der angloamerikanischen. Die Individualprävention wird in der Form der negativen sichernden Spezialprävention unter der Überschrift „protection of society“ und in der Form der positiven Spezialprävention unter der Überschrift „rehabilitation“ diskutiert. Diese spielen bei der Rechtfertigung der Strafe aber nur eine untergeordnete Rolle. Dominiert wird die Rechtfertigung durch die Gedanken der „deterrence“ 27 und ganz besonders durch die Gedanken der „retribution“ 28.

26 Vgl. z. B.: Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 902; Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1078. 27 ˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, Vgl. Ceši´ 11. March 2004, para. 22 (retribution, deterrence and rehabilitation); Muci´c et al., ITˇ 96-21 „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1230 ff. (retribution, deterrence, protection of society and rehabilitation mit einem Vorzug der generellen Abschreckung vor der Vergeltung); Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 57 ff. (deterrence, retribution, rehabilitation und mit einer gewissen Betonung reprobation or stigmatisation); Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 838 ff. (general deterrence, retribution, protection of society, rehabilitation, insbesondere gegen die abschreckende, negative Spezialprävention, die sog. special deterrence); Nikoli´c, Momir IT-02-60/1, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 2. December 2003, para. 85 (retribution, deterrence and rehabilitation); Gali´c, IT98-29, „Sarajevo“, Trial Chamber I, Judgement and Opinion, 5. December 2003, para. 757 (retribution, deterrence and rehabilitation); Obrenovi´c, IT-02-60/2, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, Section A, 19. December 2003, para. 49 (retribution, deterrence and rehabilitation); Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 43 (retribution, deterrence and rehabilitation). 28 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 64; Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 28; Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 848; Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 838; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 185; Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 142; Naletili´c and Martinovi´c, IT-98-34, „Tuta and Štela“, Trial Chamber I, Judgement, 31. March 2003, para. 739; Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 900; Krnojelac, IT-97-25, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 15. March 2002, para. 508; Simi´c et. al., IT-95-9, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber I, Judgement, 17. October 2003, para. 1059; Nikoli´c, Dragan, IT94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 132; Tadi´c, IT-94-1-Tbis-R117, „Prijedor“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 11. November 1999, para. 7 ff.; Furundžija, IT-95-17/1-T, Trial Chamber, Judgement, 10. December 1998, para. 288; Kambanda, ICTR-97-23-S, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 4. September 1998, para. 28; Rutaganda, ICTR-96-3-T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 6. December 1999, para. 456.

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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a) Retributive Straftheorien (retribution) Waren die vergeltenden Straftheorien einmal vom (fälschlichen) Verdacht der Rache befreit, 29 erlangten sie in den Fällen Aleksovski und Kupreski´c erste Anerkennung. 30 Mit der Betonung, dass Vergeltung eine tatproportionale Strafe bedingt, entwickelte sich die „retribution“ schnell zur dominierenden Straftheorie in der Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe. 31 Die Rechtfertigung durch „retribution“ wird, soweit erkennbar, mit der Rechtfertigung durch „just deserts“ gleichgesetzt. 32 Wird diese Rechtfertigung entsprechend den vielen Ausformungen des „just deserts“ auch unterschiedlich verstanden, so dominieren bei der Rechtfertigung doch kommunikative Formen des Retributivismus. So heißt es z. B. im erstinstanzlichen Urteil in Fall Babi´c: „As a form of retribution, punishment expresses society’s condemnation of the criminal act and of the person who committed it“ 33 oder etwa in Nikoli´c, Momir: „The Trial Chamber observes that by the very wording of Article 24(2) of the Statute and the subsequent jurisprudence of the Tribunal, which has focused on gravity of the offence as the primary consideration in determining a sentence, retribution or ‚just deserts‘ as a purpose of punishment has enjoyed prominence. Classical retributive theory requires that the punishment be proportionate to the harm done. In light of the purposes of the Tribunal and international humanitarian law generally, 29 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1231. 30 Vgl. Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 185: „An equally important factor is retribution. This is not to be understood as fulfilling a desire for revenge but as duly expressing the outrage of the international community at these crimes.“; Kupreski´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 848: „As regards the former [retribution], despite the primitive ring that is sometimes associated with retribution, punishment for having violated international humanitarian law is, in light of the serious nature of the crimes committed, a relevant and important consideration.“; siehe auch Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 140: „The principle or theory of retribution has long been confused with the notion of vengeance as submitted by both the Prosecution and Defence. By contrast, this Trial Chamber agrees that retribution should solely be seen as: an objective, reasoned and measured determination of an appropriate punishment ...“ 31 Vgl. Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 29: „The principle of retribution, if it is to be applied at all in the context of sentencing, must be understood as reflecting a fair and balanced approach to the exaction of punishment for wrongdoing. This means that the penalty imposed must be proportionate to the wrongdoing; in other words, that the punishment be made to fit the crime.“ 32 Vgl. schon das Urteil im Fall Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 60. 33 Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 44.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

retribution is better understood as the expression of condemnation and outrage of the international community at such grave violations of, and disregard for, fundamental human rights at a time that people may be at their most vulnerable, namely during armed conflict. It is also recognition of the harm and suffering caused to the victims.“ 34 Neben der Rechtfertigung der Strafe drückt sich in den Urteilen insbesondere die Rechtfertigung des Strafmaßes durch die Tatproportionalität aus. So heißt es etwa in Deronji´c: „... by contrast, this Trial Chamber agrees that retribution should solely be seen as: An objective, reasoned and measured determination of an appropriate punishment which properly reflects the ... culpability of the offender, having regard to the intentional risk-taking of the offender, the consequential harm caused by the offender, and the normative character of the offender’s conduct.“ 35 Die Tatproportionalität wird dabei vornehmlich als bestimmendes Prinzip aufgefasst, nicht so sehr als begrenzendes Prinzip. So stellt die Verfahrenskammer in Nikoli´c, Dragan etwa fest, dass „retribution incorporates a principle of restraint; retribution requires the imposition of a just and appropriate punishment, and nothing more.“ 36 b) Präventive Straftheorien aa) Generalprävention (1) Negative Generalprävention (deterrence) Die Urteile des ICTY umschreiben den Strafgrund der „general deterrence“ mit „the need to deter other individuals from committing similar crimes.“ 37 Dabei 34 Nikoli´c, Momir IT-02-60/1, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, ˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial 2. December 2003, para. 86; ausdrücklich auch Ceši´ Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 23: „Retribution expresses society’s condemnation of the criminal act and of the person who committed it and imposes a punishment in return for what he or she has done“; Obrenovi´c, IT-02-60/2, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, Section A, 19. December 2003, para. 50: „In light of the purposes of the Tribunal, retribution is understood as the expression of condemnation and outrage of the international community at such grave violations of, and disregard for, fundamental human rights at a time when people may be at their most vulnerable, namely during armed conflict.“ 35 Deronji´c, IT-02-61-S, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 150. 36 Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 140; Deronji´c, IT-02-61-S, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 150. 37 Vgl. Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber, Judgement, 26. February 2001, para. 847; Krsti´c, IT-98-33-T, „Srebrenica-Drina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 693.

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soll die negative Prävention nicht nur Personen in den Rechtsordnungen der Konfliktstaaten abschrecken, sondern alle potentiellen Täter in den Rechtsordnungen der Welt. 38 Wurde der negativen Generalprävention in der erstinstanzlichen Entscheidung in Todorovi´c noch eine große Bedeutung beigemessen, 39 wird schon bald in den zweitinstanzlichen Entscheidungen in Tadi´c 40 und Alesovski 41 ihre Wichtigkeit – ohne nähere Begründung – insofern eingeschränkt, als die negative Generalprävention im Vergleich zur Vergeltung nur noch als zweitrangig eingestuft wird. In Kunarac 42 wird diese Haltung damit erklärt, dass der Täter nur nach seinem schuldhaften Verhalten bestraft werden soll, denn „it may be unfair to impose a sentence on an offender greater than is appropriate to that conduct solely in the belief that it will deter others.“ 43 Die heutige ständige Rechtsprechung beruft sich auf Tadi´c und geht dahin, dass die negative Generalprävention zwar wichtig ist, ihr aber keine übermäßige Bedeutung (undue prominence) in der Strafzumessung zugedacht werden soll. 44

38 Vgl. Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 848. 39 Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 30. 40 Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 48: „[T]his factor must not be accorded undue prominence in the overall assessment of the sentences to be imposed on persons convicted by the International Tribunal.“ 41 Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 185: „The Prosecution submits that a manifestly disproportionate sentence defeats a purpose of sentencing for international crimes, namely to deter others from committing similar crimes. While the Appeals Chamber accepts the general importance of deterrence as a consideration in sentencing for international crimes, it concurs with the statement in Prosecutor v. Tadi´c that ‚this factor must not be accorded undue prominence in the overall assessment of the sentences to be imposed on persons convicted by the International Tribunal.“ 42 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 840. 43 Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 840. 44 Vgl. Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 48: „[I]n determining the sentence to be imposed on the Appellant, the Trial Chamber took into account, as one of the relevant factors, the principle of deterrence. The Appeals Chamber accepts that this is a consideration that may legitimately be considered in sentencing ... Equally the Appeals Chamber accepts that this factor must not be accorded undue prominence in the overall assessment of the sentence to be imposed on persons convicted by the International Tribuˇ nal“; bestätigt in Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 801; Nikoli´c, Momir, IT-02-60/1, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 2. December 2003, para. 90, mit dem Verweis, dass ansonsten der Täter zum bloßen Werkzeug der Strafverfolgung herabgesetzt werden würde; ebenso

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(2) Positive Generalprävention (affirmative prevention) Die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe befürworten auch die positive Generalprävention. Mangelt es der Straftheorie auch oft an einer eindeutigen Bezeichnung in den Urteilen, so ergibt sich die Rechtfertigung der Strafe durch Gedanken der positiven Generalprävention letztlich aber aus den näheren Begründungen in den Urteilen. 45 Denn darin lassen sich drei Teilaspekte der positiven Generalprävention dingfest machen, nämlich die in der Strafe liegende Einübung der Rechtstreue („Lerneffekt“), die exemplarische Durchsetzung des Rechts, mit der das Normvertrauen gestärkt wird („Vertrauenseffekt“), und die Beruhigung des allgemeinen Rechtsbewusstseins bzw. die Beilegung des Konflikts mit dem Straftäter („Befriedungseffekt“). 46 Der Lern- und Vertrauenseffekt kommt zum Beispiel in Kupreški´c insofern zum Ausdruck, als dort durch Strafe (auch) Vertrauen in und Respekt vor dem sich entwickelnden System des internationalen Strafrechts geschaffen werden soll: „The Trial Chamber is further of the view that another relevant sentencing purpose is to show the people ... of the world in general, that there is no impunity for these types of crimes. This should be done in order to strengthen the resolve of all involved not to allow crimes against international humanitarian law to be committed as well as to create trust in and respect for the developing system of international criminal justice.“ 47 In Babi´c soll Strafe dazu dienen, „to strengthen the legal order in which the type of conduct involved is defined as criminal, and to reassure society of the effectiveness of its penal provisions“. 48 Deutlich auch die Urteile in Deronji´c und Nikoli´c, D., denen zufolge Strafe auf das allgemeine Rechtsbewusstsein einwirken soll, um deutlich zu machen, dass das Recht angewandt und durchgesetzt wird und weltweit akzeptierte Gesetze und Regeln von allen befolgt werden müssen. 49 Den Befriedungseffekt betont das Urteil zum Obrenovi´c, IT-02-60/2, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, Section A, 19. December 2003, para. 52. 45 Vgl. Furundžija, IT-95-17/1-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber, Judgement, 10. December 1998, para. 288: „It is the mandate and the duty of the International Tribunal, in contributing to reconciliation, to deter such crimes and to combat impunity. It is not only right that punitur quia peccatur (the individual must be punished because he broke the law) but also punitur ne peccatur (he must be punished so that he and others will no longer break the law) ...“; Rutaganda, ICTR-95-1-T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 6. December 1996, para. 455. 46 Vgl. zu den Aspekten der positiven Generalprävention Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, S. 80 f., § 3 Rn. 26 f. 47 Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 848. 48 Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 45; ähnlich auch in Ragi´c, IT-95-12-S, „Stupni Do“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 08. May 2006, para. 69. 49 So heißt es in den erstinstanzlichen Entscheidungen in Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 145 und Nikoli´c,

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Beispiel in Kayishema and Ruzindana, das als Grund für die Strafe die Aussöhnung und Wiederherstellung des Friedens benennt. 50 Der Befriedungseffekt drückt sich auch in dem Wunsch nach Eingliederung bzw. Wiedereingliederung des Täters in die Weltgemeinschaft aus; entsprechend heißt es in den Urteilen Staki´c, Kordi´c und Cerkez: „In the context of combating international crimes, deterrence refers to the attempt to integrate or to reintegrate those persons who believe themselves to be beyond the reach of international criminal law ... In modern criminal law this approach to general deterrence is more accurately described as deterrence aiming at reintegrating potential perpetrators into the global society.“ 51 Aus generalpräventiven Gründen soll die Strafe nicht über das eigentliche Maß der (angemessenen) Strafe hinausgehen. Eine solche Strafe wäre nach den Urteilen nicht nur dem Täter gegenüber unfair, 52 sondern würde gerade das Normvertrauen, welches gestärkt werden soll, nachdrücklich schädigen 53 bzw. dem Unrecht der Tat nicht gerecht werden. 54 Demnach stellt die Verfahrenskammer ˇ c auch fest, dass der positiven Generalprävention keine übermäßige Bein Ceši´ deutung (undue prominence) bei der Strafzumessung einzuräumen sei. 55 Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 139 (ohne dass allerdings zuvor eine klare Trennung zwischen negativer und positiver Generalprävention erfolgt wäre): „One of the main purposes of a sentence imposed by an international tribunal is to influence the legal awareness of the accused, the surviving victims, their relatives, the witnesses and the general public in order to reassure them that the legal system is implemented and enforced. Additionally, the process of sentencing is intended to convey the message that globally accepted laws and rules have to be obeyed by everybody.“ 50 Kayishema and Ruzindana, ICTR-95-1-T, Trial Chamber, Sentence, 21. May 1999, para. 1: „national reconciliation and the restoration of peace“; siehe auch Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 723. 51 Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 902; Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1078. 52 ˇ Ceši´c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 26. 53 Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 45: „Nonetheless, it would be unfair, and it would ultimately weaken respect for the legal order as a whole, to increase the punishment imposed on a person merely for the purpose of deterring others. Therefore, in determining the appropriate sentence, the Trial Chamber does not accord undue prominence to deterrence.“ 54 Nikoli´c, Dragan, IT-94-02-A, „Sušica Camp“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 4. February 2005, para. 46: „... the Trial Chamber’s duty remains to tailor the penalty to fit the individual circumstances of the accused and the gravity of the crime. By doing so, Trial Chambers contribute to the promotion of and respect for the rule of law and respond to the call from the international community to end impunity, while ensuring that the accused are punished solely on the basis of their wrongdoings and receive a fair trial.“

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bb) Spezialprävention (1) Abschreckungsprävention (individual deterrence) Die negative abschreckende Spezialprävention wird in der Rechtsprechung des ICTY als „individual deterrence“ bezeichnet und beschreibt „the specific effect of the sentence upon the accused which should be adequate to discourage him from re-offending once the sentence has been served and he has been released.“ 56 Ein klares Herausschälen der spezialpräventiven Straftheorie erfolgt im Kunarac-Urteil. 57 Für die erstinstanzliche Kammer folgt die Ablehnung der negativen abschreckenden Spezialprävention aus dem Umstand, dass der Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord – im Gegensatz zu Straftaten auf nationalem Niveau – nur eine geringe Möglichkeit der erneuten Begehung hat, so dass die Abschreckung vor einer erneuten Begehung, wie sie die negative Spezialprävention voraussetzt, nicht nur unangebracht, sondern vielmehr ungerecht erscheint. 58 Folglich wird die abschreckende negative Spezialprävention von der Rechtsprechung des ICTY nur sehr zurückhaltend bei der Strafzumessung berücksichtigt. So heißt es bei Deronji´c, „that this factor should not attract more than average importance“, 59 und in Bralo, Aleksovski und ˇ c, IT-95-10/1-S, Zur positiven Generalprävention heißt es in der Entscheidung Ceši´ „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 26 zusammenfassend: „With regard to general deterrence, imposing a sentence serves to strengthen the legal order, in which the type of conduct involved is defined as criminal, and to reassure society of the effectiveness of its penal provisions. Nonetheless, imposing upon one person a higher sentence merely for the purpose of deterring others would be unfair to the convicted person, and would ultimately weaken the respect for the legal order as a whole. Therefore, as cautioned in the Tadi´c Sentencing Appeal Judgment, the Trial Chamber has taken care to ensure that, in determining the appropriate sentence, deterrence is not accorded undue prominence.“ 56 Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 135; vgl. beispielhaft weitere Urteile bei Nikoli´c, Dragan, IT-94-02-A, „Sušica Camp“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 4. February 2005, para. 45 mit der Beschreibung der ratio legis der negativen Spezialprävention: „The rationale behind individual deterrence is that the sentence should be adequate to discourage an accused from recidivism after the sentence has been served and he has been released“; Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1077; Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 145. 57 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgeˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, ment, 22. February 2001, para. 839; siehe später auch Ceši´ Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 25. 58 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 840. 59 Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 145; siehe auch Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 135. 55

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D. Nikoli´c beruft sich der Gerichtshof auf die letztinstanzliche Entscheidung in Tadi´c, nach der – allerdings ohne dass eine ausdrückliche Trennung von spezialbzw. generalpräventiven Überlegungen im Urteil erfolgt wäre – der „deterrence“ keine übermäßige Bedeutung eingeräumt werden soll und bezieht diese Aussage (auch) auf die negative Spezialprävention. 60 (2) Sicherungsprävention (protection of society) Generell sprechen sich die Ad-hoc-Gerichtshöfe für die Berücksichtigung der negativen sichernden Spezialprävention aus. Denn durch einen langfristigen Freiheitsentzug kann nach Auffassung der Gerichtshöfe die Weltgemeinschaft am besten vor dem Straftäter geschützt werden. Diese Straftheorie der negativen sichernden Spezialprävention wird in den Urteilen der Gerichtshöfe, entsprechend dem angloamerikanischen Sprachgebrauch, als „protection of society“ oder „incapacitation“ bezeichnet. 61 Allerdings wird in Kunarac auf die geringe Bedeutung dieser Straftheorie für die Jurisdiktion des ICTY hingewiesen, da der Täter eines Kernverbrechens kaum wieder in die Lage kommen könne, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder einen Völkermord zu begehen. Mangels Wiederholungsgefahr scheide eine Gefährdung der Gemeinschaft aus. 62

60 Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 48; ständige Rechtsprechung: Bralo, IT-95-17S, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 7. December 2005, para. 22; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 185; Nikoli´c, Dragan, IT-94-02-A, „Sušica Camp“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 4. February 2005, para. 46. 61 ˇ Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1232: „The protection of society from the guilty accused is an important factor in the determination of appropriate sentence. The policy of protection depends upon the nature of the offence and the conduct of the accused. The protection of society often involves long sentences of imprisonment to protect society from the hostile, predatory conduct of the guilty accused. This factor is relevant and important where the guilty accused is regarded as dangerous to society.“ 62 Im Einzelnen heißt es im Fall Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 843: „With respect to the protection of society, or the incapacitation of the dangerous, as the Prosecutor refers to it, the Trial Chamber considers that in this jurisdiction it would rarely play a role as a general sentencing factor. Protection from society or incapacitation as a general sentencing factor basically means that a convicted person receives a lengthier term of imprisonment to ‚remove‘ him from society because the crime for which he has been convicted is thought to show him to be dangerous to society. A convicted person, under this approach, is preventively detained, so to speak. In many, if not most cases before the International Tribunal, the convicted persons would have no record of previous criminal conduct relevant to those committed during the armed conflict. In practically all cases before the International Tribunal, the convicted persons would be first time offenders in relation to international crimes. Unless it can be shown that a particular convicted person has the

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(3) Besserungsprävention (rehabilitation) Zur Rechtfertigung der Strafe nehmen die Kammern der Ad-hoc-Gerichtshöfe auch auf die Straftheorie der „rehabilitation“ Bezug. 63 Sie tun dies insbesondere dann, wenn das Straf(zumessungs-)urteil auf einem Schuldeingeständnis (guilty plea) basiert 64 oder gegen einen jungen bzw. eher ungebildeten Straftäter gerichtet ist 65, da in diesen Fällen mit der Wiedereingliederung des Täters durch bzw. nach Verbüßen der Strafe zu rechnen sein soll. Strafe wird demnach durch die berechtigte Hoffnung auf Rehabilitation und der dadurch bewirkten Verhinderung weiterer Rechtsbrüche gerechtfertigt. 66 Im Rahmen der „rehabilitation“ sollen insbesondere das Alter des Verurteilten, sein physischer und psychischer Zustand sowie der Umfang seiner Tatbeteiligung Berücksichtigung finden. 67 Zur Gewichtung der „rehabilitation“ für die Strafzumessung finden sich in den Urpropensity to commit violations of international humanitarian law, or, possibly, crimes relevant to such violations, such as ‚hate‘ crimes or discriminatory crimes, it may not be fair and reasonable to use protection of society, or preventive detention, as a general sentencing factor. Violations of international humanitarian law, by their very nature, can be committed only in certain contexts which may not arise again in the society where the convicted person, once released, may eventually settle.“ 63 ˇ Vgl. z. B. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1233; Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial ˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 849; Ceši´ Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 27; Furundžija, IT-9517/1-T, Trial Chamber, Judgement, 10. December 1998, para. 288. 64 Vgl. Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, Separate Opinion of Judge Mumba: „2. ... In addition to the objectives of prevention and deterrence, in imposing a sentence, another key consideration, is the rehabilitation of the convicted person. A guilty plea is accepted as a first step to rehabilitation of the offender and a positive factor towards reconciliation of the offended community. 3. International justice in cases similar to these, in this Tribunal, is not about unfair retribution; if that were the case, humanity should forget about reconciliation and its off-shoot, peace ... In my humble opinion, rehabilitation, after turmoil, may serve to reduce the incidence of political instability and conflict.“ 65 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1233: „The factor of rehabilitation considers the circumstances of reintegrating the guilty accused into society. This is usually the case when younger, or less-educated, members of society are found guilty of offences. The age of the accused, his circumstances, his ability to be rehabilitated and availability of facilities in the confinement facility can, and should, be relevant considerations in this regard.“; Furundžija, IT-95-17/1-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber, Judgement, 10 December 1998, para. 291. 66 Vgl. Kupreški´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. Janˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgeuary 2000, para. 849; Ceši´ ment, 11. March 2004, para. 27. 67 Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, ˇ 29. November 1996, para. 66; Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1233: „The factor of rehabilitation considers the circumstances of reintegrating the guilty accused into society ... The age of

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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teilen der erstinstanzlichen Kammern die unterschiedlichsten Aussagen, die von einer Nichtberücksichtigung über eine nachrangige Berücksichtigung hinter den Straftheorien der „retribution“ und „deterrence“, bis hin zu einer gleichrangigen Anwendung neben den anderen Straftheorien reichen. 68 Im erstinstanzlichen Verfahren im Fall Kunarac resultiert die geringe Bedeutung der Rehabilitation aus einem engen Verständnis von Rehabilitation: Demnach soll sich Rehabilitation nicht primär auf die Rechtfertigung der Strafe, sondern vielmehr auf die Rechtfertigung der Strafvollstreckung bzw. deren Maßnahmen beziehen. Da aber Strafe allein nicht wiedereingliedern kann, kann Rehabilitation auch kein dominierender Faktor sein. 69 Diese enge Betrachtung und die damit einhergehende Nichtberücksichtigung wird nicht von allen erstinstanzlichen Kammern geteilt. So bezieht die erstinstanzliche Kammer in M. Nikoli´c die Straftheorie der Rehabilitation ausdrücklich auf alle Verfahrensabschnitte des Prozesses und damit auch auf die Strafzumessung, so dass die Straftheorie der Rehabilitation gleichwertig neben den Straftheorien der „retribution“ und „deterrence“ zur Anwendung kommen soll. Insbesondere in Fällen von diskriminierenden Taten konfrontiere der Strafprozess den Täter zumindest indirekt mit den Opfern, wodurch Verständnis und Toleranz für den anderen gefördert würden, was wiederum eine erneute Straffälligkeit reduzieren würde. 70 Die Kammer in Blagojevi´c the accused, his circumstances, his ability to be rehabilitated and availability of facilities in the confinement facility can, and should, be relevant considerations in this regard.“ 68 Vgl. beispielhaft: Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 66: „... the Trial Chamber considers at this point in the determination of the sentence that the ... [rehabilitative function] of the punishment must be subordinate to that of an attempt to stigmatise the most serious violations of international humanitarian law, and in particular an attempt to preclude their reoccurrence.“ 69 Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 843: „The Trial Chamber fully supports rehabilitative programmes, if any, in which the accused may participate while serving their sentences. But that is an entirely different matter to saying that rehabilitation remains a significant sentencing objective. The scope of such national rehabilitative programmes, if any, depends on the states in which convicted persons will serve their sentences, not on the International Tribunal. Experience the world over has shown that it is a controversial proposition that imprisonment alone – which is the only penalty that a Trial Chamber may impose – can have a rehabilitative effect on a convicted person. The Trial Chamber is therefore not convinced that rehabilitation is a significant relevant sentencing objective in this jurisdiction.“ 70 Nikoli´c, Momir, IT-02-60/1, „Srebrenica“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 2. December 2003, para. 93: „The Trial Chamber has considered what can be ‚accomplished‘ through punishment, namely condemnation of the crime committed and deterrence of future crimes. The Trial Chamber finds that punishment must strive to attain a further goal: rehabilitation. The Trial Chamber observes that the concept of rehabilitation can be thought of broadly and can encompass all stages of the criminal proceedings, and not simply the post-conviction stage. Particularly in cases where the crime was committed on a discriminatory basis, like this case, the process of coming face-to-face with the statements of victims, if not the victims themselves, can inspire – if not reawaken – tolerance and understanding of ‚the other‘, thereby making it less likely that if given an opportuni-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

und Joki´c stimmt zwar mit dieser Sichtweise überein, billigt aber dennoch der Rehabilitation nur eine untergeordnete Rolle bei der Strafzumessung zu. 71 Die Kammer in Babi´c hingegen erstreckt den Zweck der Rehabilitation ausdrücklich auch auf die Strafverhängung, da die Strafe die Selbstreflektion des Täters fördere und so einer Reintegration dienlich sei, was für eine gleichberechtigte Anwendung spreche. 72

Allerdings plädieren die zweitinstanzlichen Kammern der Ad-hoc-Gerichtshöfe für eine den Straftheorien der „retribution“ und „deterrence“ nur untergeordnete Berücksichtigung der Straftheorie der Rehabilitation. 73 Dieser Standpunkt wird in Muci´c et. al. wie folgt zusammengefasst: „Although both national jurisdictions and certain international and regional human rights instruments provide that rehabilitation should be one of the primary concerns for a court in sentencing, this cannot play a predominant role in the decision-making process of a Trial Chamber of the Tribunal. On the contrary, the Appeals Chamber (and Trial Chambers of both the Tribunal and the ICTR) have consistently pointed out that two of the main purposes of sentencing for these crimes are deterrence and retribution. Accordingly, although rehabilitation (in accordance with international human rights standards) should be considered as a relevant factor, it is not one which should be given undue weight.“ 74

ty to act in a discriminatory manner again, an accused would do so. Reconciliation and peace would thereby be promoted.“ 71 Blagojevi´c and Joki´c, IT-02-60-T, Trial Chamber I, Section A, Judgement, 17. January 2005, para. 824: „The Trial Chamber finds that in sentencing an accused it must strive to attain a third goal: rehabilitation. Particularly in cases where the crime was committed on a discriminatory basis, like this case, this process of reflection – and hearing the victims testify – can inspire tolerance and understanding of ‚the other‘, thereby reducing the risk of recidivism. Reconciliation and peace would thereby be promoted. However, the Trial Chamber notes that the rehabilitative purpose of sentencing will not be given undue prominence in determining the sentence.“ 72 Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 46: „Punishment is also understood as having a rehabilitative purpose. The loss of freedom, which is the form of punishment imposed by the Tribunal, provides the context for the convicted person’s reflection on the wrongfulness of his acts and may give rise to an awareness of the harm and suffering these acts have caused to others. This process contributes to the reintegration of the convicted person into society. The Trial Chamber is of the opinion that when an accused pleads guilty, he takes an important step in this process. This acknowledgement is an indication of the determination of an accused to accept his responsibilities towards the aggrieved persons and society at large.“ 73 Vgl. beispielhaft Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 185; siehe auch Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 723. 74 ˇ Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 806 f. (eigene Hervorhebung); bestätigt in Deronji´c, IT-02-61-A, „Glogova“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 20. July 2005, para. 136 f.

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode Eine Strafzumessungstheorie ist zur Differenzierung der Strafe und zur Führung des Strafzumessungsermessens vonnöten. Da dem ICC-Statut und der ICCRPE keine Strafzumessungstheorie zu entnehmen ist, muss nach völkergewohnheitsrechtlichen Belegen dafür in den Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe gesucht werden. Dort wird das Strafzumessungsermessen allerdings auch nicht entscheidend beschränkt oder geführt. Begrenzung erfährt dieses Ermessen nur durch die einschlägigen Menschenrechte und Prinzipien des Strafrechts, wie die Prinzipien der Gleichheit und Verhältnismäßigkeit. Führung erfahren die Richter in Ansätzen durch den Bezug auf die Rechtsordnungen der Konfliktstaaten oder Nach-Konfliktstaaten und den Vergleich mit bereits gefällten Urteilen. Der Umstand, dass die Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe nur die Hauptstrafe des Freiheitsentzugs für alle in die Jurisdiktion der Gerichte fallenden Kernverbrechen des Völkerstrafrechts kennen, bestätigt die schon zuvor dem eigenen Recht des ICC entnommene Annahme, dass die Strafe nicht über die Strafart, sondern über den Strafumfang individualisiert wird. Auch wenn die Darstellung in den Urteilen unterschiedlich ist, so wird das Strafmaß doch nur immer nach einer mehr oder weniger umfangreichen Abwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände, sei es getrennt nach allgemeinen und besonderen Umständen oder nicht, in einem verkündet, was den Eindruck erweckt, dass die angemessene Strafe letztlich durch eine Gesamtschau der strafzumessungsrelevanten Umstände bestimmt wird. Lässt sich den Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe keine weitergehende Strafzumessungstheorie entnehmen, so zeigen sie doch insofern Ansätze einer einheitlichen Strafzumessungsmethode auf, als die Darstellung der Strafzumessung in den Urteilen oft gleichen Arbeitsschritten folgt: In einem ersten Schritt zitieren die Richter die zutreffenden Normen aus Statut und Verfahrensordnung, die die Strafentscheidung gleichermaßen legitimieren wie limitieren (Grenzen der Strafbemessung). Der nicht weiter qualifizierte Strafrahmen der Hauptstrafe wird zuweilen mit Bezug auf die Rechtsordnungen der Konfliktstaaten weiter konkretisiert. Nachdem die Strafkompetenz aufgezeigt wurde, werden in einem zweiten Schritt zuweilen allgemeine Ausführungen zu relevanten Straftheorien gemacht, die aber meist später bei der Strafzumessung nicht mehr aufgegriffen werden (Straftheorienbestimmung). Dann wenden sich die Urteile in einem dritten Schritt dem Strafwert des Strafzumessungsfalls zu. Dies geschieht durch Bezug auf die in Statut und Verfahrensordnung vorgegebenen Anknüpfungspunkte der Strafzumessung, die Schwere der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf der Tatschwere, welche durch die Natur der Straftat, die Umstände der Begehung und das Maß der Pflichtwidrigkeit konkretisiert wird. Diese Umstände werden durch die besonderen strafschärfenden und strafmildernden Strafzumessungsumstände weiter ergänzt (Strafwertbestimmung). Ist der Strafwert bestimmt, wird in

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

einem vierten Schritt (erneut) der Bezug zu den Rechtsordnungen der Konfliktstaaten hergestellt, um zum einen die relevanten Strafzumessungsfaktoren oder Strafrahmen zu erfassen und zum anderen Anhaltspunkte für die folgende Strafzumessung und den Einstieg in den Strafrahmen zu sammeln. Der Strafrahmen wird so näher umrissen (Strafrahmenwahl). Ist damit letztlich die Strafwürdigkeit festgezurrt, wird die konkrete Strafe in einem fünften Schritt – teilweise mit Verweis auf andere, bereits ergangene Urteile – begründet und verkündet (Strafumfangswahl). Die Strafzumessung schließt mit der Anrechnung vorheriger Haftzeiten ab (sonstige Strafentscheidung). 75 Die schon anhand von ICC-Statut und ICC-RPE erarbeitete mögliche Strafzumessungsmethode und die von den Ad-hoc-Gerichtshöfen praktizierte Strafzumessungsmethode weisen Gemeinsamkeiten auf. Diese Gemeinsamkeiten bestehen trotz unterschiedlicher Strafbestimmungen. Denn sie beruhen nicht so sehr auf rechtlichen Vorgaben, sondern vielmehr auf tatsächlichen Notwendigkeiten. Diese Notwendigkeiten sind bei den Gerichten vergleichbar: Zum einen macht es die Entscheidung über die Strafe nötig, Strafwürdigkeit und Strafwert in Einklang zu bringen. Zum anderen kann dieser Einklang nur gelingen, wenn die Entscheidung handhabbar bleibt. Also erlaubt der gemeinsame Ursprung der Arbeitsschritte in der Herstellung der Strafe die Zusammenführung der Überlegungen aus dem eigenen Recht mit den Erkenntnissen aus dem abgeleiteten Recht der Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe. Demnach ergeben sich folgende Arbeitsschritte als Gerüst der Strafzumessung: (1) Grenzen der Strafbemessung; (2) Straftheorienbestimmung; (3) Strafwertbestimmung; (4) Strafrahmenwahl; (5) Strafumfangswahl und (6) Sonstige Strafentscheidungen. 3. Bezugspunkte der Strafe Ähnlich wie schon im eigenen Recht des ICC verlangen Art. 24 Abs. 2 ICTYStatut bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut und § 101 Abs. B ICTY-RPE bzw. § 101 Abs. B ICTR-RPE von den Kammern, die Strafe nach der Schwere der Tat (gravity of the crime) und den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten (the individual circumstances of the convicted person) zuzumessen und damit beide gleichwertig zu berücksichtigen. 76 Die zweitinstanzlichen Kammern in den 75 Siehe § 101 Abs. B Ziff. (iv) und Abs. C ICTY-RPE bzw. ICTR-RPE; vgl. auch beispielhaft: Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber, Judgement, 26. February 2001, para. 850; Blaški´c, IT-95-14-A, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 679; Musema, ICTR-96-13-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. November 2001, para. 380. 76 Eröffnete der Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 ICC-Statut bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTRStatut, „should take into account such factors as“, noch einen Ermessensspielraum der Kammern, sind diese aufgrund des geänderten Wortlauts „shall take into account“ in § 101 Abs. B ICTY-RPE und § 101 Abs. B ICTR-VerOrd nunmehr in ihrer Entschei-

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Fällen Aleksovski 77, Furundžija 78, Muci´c et al. 79, Kupreski´c 80 und Kambanda 81 folgen grundsätzlich der schon im erstinstanzlichen Verfahren im Fall Kupreski´c geäußerten Auffassung, dass „[t]he determination of the gravity of the crime requires consideration of particular circumstances of the case, as well as the form and degree of the participation of the accused in the crime.“ 82, 83 Bei der konkreten Bestimmung der Strafe wird in der Rechtspraxis regelmäßig die gravity 84, inherent gravity 85, intrinsic gravity 86, totality of the crime 87, seriousness of the crime 88 als zentraler Anknüpfungspunkt, als „litmus test“, zur Findung

dung gebunden, die allgemeinen Umstände der Schwere der Tat und der persönlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. 77 Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 182. 78 Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 249 und 227: „The gravity of the crimes must ultimately be determined with regard to the particular circumstances of the case; the degree of the accused’s participation should be considered and, generally, the closer a person is to actual participation in the crime, the more serious the nature of his crime.“ 79 ˇ Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 430: „the totality of the criminal conduct and overall culpability of the offender“. 80 Kupreski´c, IT-95-16-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Appeal Judgement, 23. Oktober 2001, para. 442. 81 Kambanda, ICTR-97-23-S, Appeals Chamber, Judgement, 14. January 2000, para. 125. 82 Kupreski´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 852. 83 Vgl. auch De Than / Shorts, International Criminal Law and Human Rights, S. 309, Rn. 10-037. 84 Vgl. Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 683; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 182. 85 Vgl. Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 249; Limja, IT-03-66-T, Trial Chamber II, Judgement, 30. September 2005, para. 724; Kupreski´c, IT-95-16-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Judgement, 14. January 2000, para. 852. 86 Vgl. Ndindabahizi, ICTR-2001-71-I, Trial Chamber I, Judgement and Sentence, 15. July 2004, para. 499; Niyitegeka, ICTR-96-14-T, Trial Chamber I, Judgement and Sentence, 16. May 2003, para. 485. 87 Vgl. Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1084. 88 Vgl. Krsti´c, IT-98-33-T, „Srebrenica-Drina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 698: „The seriousness of the crime must weigh heavily in the sentence imposed irrespective of the form of criminal participation of the individual.“; Natakirutimana and Natakirutimana, ICTR-96-10 & ICTR-96-17-T, Trial Chamber I, Judgement, 21. February 2003, para. 882.

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einer angemessenen Strafe bezeichnet. 89 Die Schwere der Tat ist damit zwar Ausgangspunkt der Strafzumessung 90 und bestimmt als solche wesentlich die Abwägung der angemessenen Strafe, 91 sie stellt aber nicht den Endpunkt der Strafzumessungserwägung dar, die auch von den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten geprägt ist. 92, 93

ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 731; Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 683; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Apˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, peals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 182; Ceši´ Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, para. 31: „The main feature in sentencing is the gravity of the crime.“; Akayesu, ICTR-96-4-A, Appeals Chamber, Judgement, 1. June 2001, para. 413M; Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, Trial Chamber II, Judgement, 22. January 2004, para. 765: „... the penality must first and foremost be commensurate to the gravity of the offense.“; ebenso Kajelijeli, ICTR 98-44, Trial Chamber II, Judgement and Sentence, 1. December 2003, para. 963; vgl. auch Sayers LJIL 16 (2003), S. 755; Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 11; Schabas, The UN International Criminal Tribunals, S. 563 ff. m.w. N. 90 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 856; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 182: „Consideration of the gravity of the conduct of the accused is normally the starting point for consideration of an appropriate sentence. The practice of the International Tribunal provides no exception.“; Ori´c, IT-0368-T, Trial Chamber II, Judgement, 30. June 2006, para. 726: „The gravity of the crime has consistently been viewed by the Tribual ‚as the primary consideration in imposing sentence‘.“; Raji´c, IT-95-12-S, „Stupni Do“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 8. May 2006, para. 81: „The jurisprudence of the Tribunal further stresses that the gravity of the offence is the most important criterion when determining the appropriate sentence.“ 91 Vgl. Natakirutimana and Natakirutimana, ICTR-96-10 & ICTR-96-17-T, Trial Chamber I, Judgement, 21. February 2003, para. 882; Krsti´c, IT-98-33-T, „SrebrenicaDrina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 698: „The seriousness of the crime must weigh heavily in the sentence imposed irrespective of the form of criminal participation of the individual.“ 92 Vgl. Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 144 mit Verweis auf Akayesu, ICTR-96-4-A, Appeals Chamber, Judgement, 1. June 2001, para. 414 f. 93 Nach neueren Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe muss die Strafe (auch) an die Schuld des Straftäters anknüpfen; vgl. Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 140: „... appropriate punishment ... properly reflects the ... culpability of the offender, having regard to the intentional risk-taking of the offender, the consequential harm caused by the offender, and the normative character of the offenders conduct.“ Schuld wird dabei nicht als punktueller Anknüpfungspunkt der Strafe angesehen, sondern als Begrenzung der Strafe, als diese nur innerhalb des durch die individuelle Schuld des Angeklagten begrenzten Rahmens gefunden werden kann; vgl. Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1087: „The individual guilt of each accused limits the range of the sentence. Other goals and functions of a sentence can only influence the range within the limits that are defined by the individual guilt.“; 89

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Letztlich ergibt sich aus dem Zusammenspiel des eigenen Rechts des ICC mit dem abgeleiteten Recht des Völkergewohnheitsrechts folgendes Bild: Grundlage der Strafe sind sowohl die „Schwere der Straftat“ als auch die „persönlichen Verhältnisse des Verurteilten“, wie es das ICC-Statut bestimmt und die Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe bestätigen. Sind auch beide gleichwertig nebeneinander zu berücksichtigen, findet die Strafe stärkeren Rückhalt in der Tatschwere, da schon nach der Definition von Strafe Strafe immer auch die reale Reaktion auf die begangene Straftat ist. Die nähere Bestimmung der Tatschwere bleibt dem weiteren Rechtsquellenstudium überlassen. 4. Strafzumessungsumstände Art. 24 Abs. 2 ICTY-Statut bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut bestimmen die Strafe grundsätzlich nach der Schwere der Tat und den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten. 94 Durch § 101 Abs. B ICTY-RPE und § 101 Abs. B ICTR werden diese allgemeinen Umstände weiter spezifiziert und ihnen weitere strafschärfende und strafmildernde Umstände zur Seite gestellt. 95 Damit steht die Auswahl der zu berücksichtigenden allgemeinen und besonderen Strafzumessungsfaktoren und deren Abwägung fast gänzlich im Ermessen der Kammern der Ad-hoc-Gerichtshöfe. 96 Weder müssen alle in den Statuten niedergeschriebenen siehe auch Deronji´c, IT-02-61-S, „Glogova“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 30. March 2004, para. 136; Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 123; Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 899: „The individual guilt of an accused limits the range of the sentence. Other goals and functions of a sentence can only influence the range within the limits defined by the individual guilt.“ Da der überwiegende Teil der Urteile aber nicht auf die Schuld des Angeklagten abstellt, bleibt dieser Teil der Spruchpraxis unberücksichtigt. 94 Art. 24 Abs. 2 ICC-Statut bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut lauten wie folgt: „In imposing the sentences, the Trial Chambers should take into account such factors as the gravity of the offence and the individual circumstances of the convicted person.“ 95 Im Einzelnen heißt es dort: ... (B) In determining the sentence, the Trial Chamber shall take into account the factors mentioned in Article 24, paragraph 2, of the Statute, as well as such factors as: (i) any aggravating circumstances; (ii) any mitigating circumstances including the substantial cooperation with the prosecutor by the convicted person before or after conviction; (iii) the general practice regarding prison sentences in the courts of the former Yugoslavia; (iv) the extent to which any penalty imposed by a court of any State on the convicted person for the same act has already been served, as referred to in Article 10, paragraph 3, of the Statute. 96 Vgl. Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 125; Jelisi´c, IT-95-10-A, Appeals Chamber, Judge-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Faktoren abgearbeitet werden, noch sind die Gerichte nur auf die ausdrücklich genannten Faktoren beschränkt (§ 101 Abs. B ICTY-RPE und § 101 Abs. B ICTR-RPE: „such factors as“); vielmehr können sie weitere Faktoren heranziehen, wenn sie der Auffassung sind, diese seien für die Individualisierung der Strafe vonnöten. 97 Entsprechend der gesetzlichen Regelung gemäß Art. 24 Abs. 2 a. E. ICTY-Statut bzw. Art. 23 Abs. 2 a. E. ICTR darf keine schematische Betrachtung der Straffaktoren erfolgen, sondern die Strafe muss die Situation des individuellen Falls widerspiegeln. 98 Dies entspricht der zentralen Aufgabe der Ad-hocGerichtshöfe, die Strafe zu individualisieren, mithin auf die konkreten Umstände der Tat und des Täters zuzuschneiden. 99 Im Einzelnen treten in den Urteilen, wenn auch mit unterschiedlicher Betonung, immer wieder die ähnlichen tat- und täterbezogenen Umstände auf: 100 Vor dem Hintergrund der Strafpraxis des Konfliktlandes 101 werden als allgemeine Strafzumessungsumstände zur Bestimmung der Tatschwere insbesondere die Tathandlung und die Tatfolgen genannt und zur Bestimmung der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten insbesondere die individuelle Situation des Verurteilten. Weiter konkretisiert werden diese durch besondere strafmildernde und strafschärfende Strafzumessungsumstände. 102

ment, 5. July 2001, para. 100: „The Trial Chamber has a broad discretion as to which factors it may consider in sentencing and the weight to attribute to them.“ Siehe auch ˇ Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 780. 97 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 43. 98 Siehe beispielhaft die Urteile in Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, ˇ Judgement, 5. July 2001, para. 101; Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 430; Mrda, IT-02-59, „Vlaši´c Mountain“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 31. March 2004, para. 24; Blaški´c, IT-95-14-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber I, Judgement, 3. March 2000, para. 804; Semanza, ICTR97-20-T, Trial Chamber, Judgement, 15. May 2003, para. 555; Kajelijeli, ICTR 98-44, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 1. December 2003, para. 953. 99 Siehe Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 355. 100 Vgl. Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, ˇ 24. March 2000, para. 182; Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 731; Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001, para. 101; Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 903 f.; vgl. Krsti´c, IT-98-33-T, „Brˇcko“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 701: „[T]he Trial Chamber must assess the seriousness of the crimes in the light of their individual circumstances and consequences.“; Bagambiki et al., ICTR-99-46-T, Trial Chamber III, Judgement, 25. February 2004, para. 814; Kamuhanda, ICTR-95-54A-T, Trial Chamber II, Judgement, 22. January 2004, para. 755. 101 Vgl. Art. 24 Abs. 1 S. 2 ICTY-Statut und Art. 23 Abs. 1 S. 2 ICTR-Statut. 102 Siehe z. B. die Auflistung bei Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 847 ff.; Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 679; Musema, ICTR96-13-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. November 2001, para. 380.

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a) Allgemeine Strafzumessungsumstände aa) Schwere der Tat (1) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit Die Ad-hoc-Gerichtshöfe messen die Strafe zunächst einmal an der Schwere der Straftat. Dazu evaluieren die Gerichte in ständiger Rechtsprechung die Natur der Straftat, die Umstände der Tatbegehung und die Rolle des Verurteilten bei der Tatbegehung. 103 Die Natur der Straftat bestimmt mit über den Unwertgehalt des Verbrechens. Denn unabhängig von einer abstrakten Bewertung der Kernverbrechen folgen die Ad-hoc-Gerichtshöfe dem Prinzip der Graduierung, nach dem sich Unwertgehalt und Strafgehalt entsprechen sollen. In der Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe lässt sich empirisch eine Stufenfolge des Unwertgehalts belegen, mit dem Völkermord an der Spitze, gefolgt von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Kriegsverbrechen am Ende. 104 Genauer bestimmt sich die „inherent gravity“ durch die konkreten Umstände der Begehung und das Maß der Pflichtwidrigkeit. Je stärker das Schutzgut des jeweiligen Tatbestandes beeinträchtigt wird, desto höher muss das Maß der Strafe sein und umgekehrt. Der Grad der Beeinträchtigung des Schutzguts bestimmt sich vor allem aus den Tatfolgen. Je höher die mit der Begehung der Kernverbrechen verbundene Pflichtwidrigkeit ist, desto höher muss die Strafe sein und umgekehrt. Allerdings besteht eine gewisse Tendenz, den Umständen der Begehung ein höheres Gewicht bei der Strafzumessung einzuräumen, als dem Maß der Pflichtwidrigkeit. 105 Das Maß der Pflichtwidrigkeit wird an der konkreten 103 Vgl. Blagojevi´c and Joki´c, IT-02-60-T, Trial Chamber I, Section A, Judgement, 17. January 2005, para. 833: „‘By gravity of the offence‘ the Trial Chamber understands that it must consider the crimes for which each accused has been convicted, the underlying criminal conduct generally, and the specific role played by Vidoje Blagojevi´c and Dragan Joki´c in the commission of the crime.“; Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 182; Furundžija, IT-95-17/1A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 227: „The gravity of the crimes must ultimately be determined with regard to the particular circumstances of the case; the degree of the accused’s participation should be considered and, generally, the closer a person is to actual participation in the crime, the more serious the nature ˇ of his crime.“; Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 430: „the totality of the criminal conduct and overall culpability of the offender“; Kupreski´c, IT-95-16-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Appeal Judgement, 23. Oktober 2001, para. 442; Kambanda, ICTR-97-23-S, Appeals Chamber, Judgement, 14. January 2000, para. 125. 104 Vgl. dazu näher und ausführlich Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 733 ff. 105 Beispielhaft seien einige jüngere Urteile des ICTY erwähnt: Im Fall Raji´c, IT95-12-S, „Stupni Do“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 8. May 2006, para. 82 berücksichtigt die Kammer beide Aspekte der Unwertigkeit der Tat, auch wenn nur

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Beteiligung an der Straftat, aber auch an der Rolle des Straftäters im Kontext des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien bzw. in Ruanda gemessen. Die Beteiligung an einem Verbrechen als Straftäter wiegt grundsätzlich schwerer als die Beteiligung als Teilnehmer. 106 Ebenso kann die mit einer tatsächlichen Machtposition oder offiziellen Stellung verbundene größere zurechenbare Verantwortung des Verurteilten zu einer größeren strafrechtlichen Verantwortung führen und damit straferhöhend wirken. 107 So werden in der Regel „superior responsibility“ oder „command responsibility“ zu einer Straferhöhung führen. 108 Dabei kann sich diese größere Verantwortlichkeit nicht nur aus der unmittelbaren Verantwortung des Verurteilten innerhalb eines konkret zurechenbaren Geschehens ergeben, sondern sogar auch aus einer quasi mittelbaren Verantwortung, die sich aus der Rolle des Verurteilten im weiteren Kontext des Konflikts ergibt. 109 Ein Verhalin Hinblick auf die Umstände der Begehung eine genauere Quantifizierung erfolgt: „In determining the gravity of the crimes, the Trial Chamber shall consider the legal nature of the offences committed, their scale and brutality, their impact upon the victims and their families as well as the accused’s involvement in these acts.“ In Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, verschiebt sich der Schwerpunkt noch stärker in Richtung der Umstände der Begehung, wenn es dort bei para. 47 heißt, dass „[gravity of the crime] is to be assessed by taking into account, in particular, the number of victims and the suffering inflicted upon them. The Trial Chamber will then take into consideration the individual circumstances of Babi´c, including any mitigating or aggravating circumstances.“ Im Fall Ori´c, IT-03-68-T, Trial Chamber II, Judgement, 30. June 2006 wird nur noch einseitig auf die Umstände der Begehung im Sinne der Folgen für die Opfer und Angehörigen, einem sog. „victimizing behaviour“, abgestellt, ohne dass der zweite Aspekt der Unwertigkeit, das Maß der Pflichtwidrigkeit, überhaupt erwähnt würde. Im Einzelnen heißt es bei para. 729: „In determining the gravity of the subordinates’ crimes, the Trial Chamber has reached the conclusion that the legal nature of these offences, their scale and brutality, their impact upon the victims and their families and the extent of the long-term physical, psychological, and emotional suffering of the survivors are to be considered as factors subsumed in the notion of gravity itself.“ 106 Vgl. Krsti´c, IT-98-33-A, „Srebrenica-Drina Corps“, Appeals Chamber, Judgement, 19. April 2004, para. 268. 107 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 863: „the criminal culpability of those leading others is higher than those who follow“. 108 Vgl. Sayers, LJIL 16 (2003), S. 761 m.w. N.; Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 782, Rn. 9.66 f. m.w. N.; Blaski´c, IT-95-14-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber, Judgement, 3. March 2000, para. 789: In Blaski´c wurde bei der Bewertung der „command responsibility“ demnach auch festgestellt: „Therefore, when a commander fails in his duty to prevent the crime or to punish the perpetrator thereof he should receive a heavier sentence than the subordinates who committed the crime ... It would not in fact be consistent to punish a simple perpetrator with a sentence equal or greater to that of the commander. Command position must therefore systematically increase the sentence or at least lead the Trial Chamber to give less weight to the mitigating circumstances, independently of the issue of the form of participation in the crime.“ (eigene Hervorhebung). 109 Vgl. Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 686 m.w. N., ausführlich Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tri-

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ten, dem im Kontext des Konflikts ein nur bescheidendes Gewicht zukommt, bzw. eine innerhalb der Hierarchie nur untergeordnete Position des Täters soll ein Indiz dafür sein, dass die Schwere der Tat eines solchen Täters auch weniger wiegt. 110 Dieser ersten Annahme wird aber die Grundlage entzogen, wenn die Tat schwerwiegendes Unrecht begründet hat. In diesem Fall muss auch ein in der Gesamtschau des Konflikts in seiner Rolle und seinen Aufgaben nur untergeordneter Täter entsprechend der Schwere seines Handelns und der besonderen Umstände des Falls individuell angemessen bestraft werden, was auch eine harte Strafe bedingen kann. 111, 112, 113

bunals, S. 350 f. m.w. N.; Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 783, Rn. 9.69 m.w. N. 110 ˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, Vgl. Ceši´ 11. March 2004, para. 31; Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 55 f.: „In the opinion of the Appeals Chamber, the Trial Chamber’s decision, when considered against the background of the jurisprudence of the International Tribunal and the International Criminal Tribunal for Rwanda, fails to adequately consider the need for sentences to reflect the relative significance of the role of the appellant in the broader context of the conflict in the former Yugoslavia. Although the criminal conduct underlying the charges of which the appellant now stands convicted was incontestably heinous, his level in the command structure, when compared to that of his superiors, i.e. commanders, or the very architects of the strategy of ethnic cleansing, was low.“ 111 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 847: „The Appeals Chamber is satisfied that the appellants’ interpretation of the Tadi´c Sentencing Appeal Judgement is incorrect. That judgement did not purport to require that, in every case before it, an accused’s level in the overall hierarchy in the conflict in the former Yugoslavia should be compared with those at the highest level, such that if the accused’s place was by comparison low, a low sentence should automatically be imposed. Establishing a gradation does not entail a low sentence for all those in a low level of the overall command structure. On the contrary, a sentence must always reflect the inherent level of gravity of a crime which ‚requires consideration of the particular circumstances of the cases, as well as the form and degree of the participation of the accused in the crime.‘ In certain circumstances, the gravity of the crime may be so great that even following consideration of any mitigating factors, and despite the fact that the accused was not senior in the so-called overall command structure, a very severe penalty is nevertheless justified ... Therefore, while the Appeals Chamber has determined that it is important to establish a gradation in sentencing, this does not detract from the finding that it is as essential that a sentence take into account all the circumstances of an individual case.“ Siehe auch Musema, ICTR-96-13-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. November 2001, para. 383. 112 Vgl. ausführlich dazu Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 736 ff. 113 Bei dem Grad der strafrechtlichen Verantwortlichkeit verschwimmen in der Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe oftmals die Grenzen zwischen den allgemeinen und besonderen Strafzumessungsumständen, d. h. die Diskussion um besondere Führungsverantwortung wird oftmals nicht als straferhöhend geführt, sondern als strafschärfend. .

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(2) Tatfolgen, insbesondere Auswirkungen auf das Opfer Die Tatfolgen prägen die Strafzumessung entscheidend, da sich an ihnen der Grad der Beeinträchtigung des Schutzgutes ablesen lässt. Besondere Bedeutung – daher oftmals besonders herausgestrichen 114 – kommt dabei den Folgen für die (direkten) Opfer 115 unter Berücksichtigung ihrer Verletzlichkeit 116, ihres Leidens 117 und ihrer Zahl 118 zu. 119 Sogar die Auswirkung der Tat auf nicht direkt betroffene Dritte, d. h. Verwandte und Freunde des Opfers, kann in die Strafzumessung einfließen. 120 114 Vgl. z. B. Blagojevi´c and Joki´c, IT-02-60-T, Trial Chamber I, Section A, Judgement, 17. January 2005, para. 833. 115 Vgl. Blagojevi´c and Joki´c, IT-02-60-T, Trial Chamber I, Section A, Judgement, 17. January 2005, para. 833: „impact of the crimes on the victims“; Mrda, IT-02-59, „Vlaši´c Mountain“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 31. March 2004, para. 20: „In determining the gravity of the crime, the Trial chamber will give consideration ... and the impact upon the victims and their families.“ 116 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 352. 117 Vgl. Krsti´c, IT-98-33-T, „Srebrenica-Drina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 701: „[assessing the seriousness of the crime] presupposes taking into account quantitatively the number of victims and qualitatively the suffering inflicted on the victims“; Kvoˇcka, IT-98-30/1-T, „Omarska and Keraterm Camp“, Trial Chamber, Judgement, 2. November 2001, para. 701; Kronjelac, IT-97-25-T, „Foˇca“, Trial Chamber, Judgement, 15. March 2002, para. 512 (not appealed): „the extent of the long-term physical, psychological and emotional suffering of the immediate victims is relevant to the gravity of the offence.“ 118 Vgl. Krsti´c, IT-98-33-T, „Srebrenica-Drina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 701; Kvoˇcka, IT-98-30/1-T, „Omarska and Keraterm Camp“, Trial Chamber, Judgement, 2. November 2001, para. 701. 119 ˇ Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1226: „The gravity of the offence of the kind was always been determined by the effect on the victim or, at the most, on persons associated with the crime and nearest relations“. 120 Zunächst lehnten die Kammern erster Instanz eine Erstreckung der sog. In-personam-Evaluation auf Dritte ab: Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 852: „[Effects on third persons] are irrelevant to the culpability of the offender, and it would be unfair to consider such effects in determining the sentence to be imposed“; Krnojelac, IT-97-25-T, „Foˇca“, Trial Chamber, Judgement, 15. March 2002, para. 512: „The Trial chamber considers that [the effect of that crime on relatives of the immediate victims] are irrelevant to the culpability of the offender, and that it would be unfair to consider such effects in determining the sentence“; In Krnojelac wurde von der zweitinstanzlichen Kammer die Sichtweise der erstinstanzlichen Kammern verworfen und eine Einbeziehung der Auswirkung der Tat auf Dritte bei der Bestimmung der Schwere der Tat zugelassen: Krnojelac, IT-97-25-A, „Foˇca“, Appeals Chamber, Judgement, 17. September 2003, para. 259 f. (260): „... the case-law of some domestic courts shows that a trial chamber may still take into account the impact of a crime on a victim’s relatives when determining the appropriate punish-

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bb) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten Art. 24 Abs. 2 ICTY-Statut und Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut halten die Strafkammern der Ad-hoc-Gerichtshöfe dazu an, die „individual situation“ des Verurteilten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Allerdings kommt dem in der Mehrzahl der Urteile keine eigenständige Bedeutung zu. Zwar werden zuweilen strafrelevante Erörterungen unter einer solchen Überschrift gemacht, diese stellen aber entweder direkt auf strafschärfende oder strafmildernde Umstände im Sinne von § 101 Abs. B Ziff. (i), (ii) ICTY-RPE und § 101 Abs. B Ziff. (i), (ii) ICTR-RPE ab 121 oder unterscheiden sich zumindest inhaltlich nicht von diesen Umständen und dienen den Kammern dementsprechend nur dazu, die Strafe zu schärfen oder zu mildern. 122 b) Besondere Strafzumessungsumstände Um die Strafe entsprechend der Schwere der Tat und der individuellen Verantwortlichkeit des Verurteilten zu konkretisieren, 123 verdienen auch die strafschärfenden bzw. strafmildernden Umstände einer Straftat besondere Aufmerksamkeit. 124 Das Gericht muss zwar die einzelnen vorgebrachten Umstände bei der Strafzumessung abwägen, es steht ihm aber ein weites Ermessen bei der Gewichtung der einzelnen Umstände zu, 125 die im Fall der strafschärfenden Umstände von der Staatsanwaltschaft „beyond reasonable doubt“, 126 im Fall der strafmildernden Umstände als „balance of probabilities“ 127 bewiesen werden müssen. 128 ment. The Appeals Chamber considers that, even where no blood relationships have been established, a trier of fact would be right to presume that the accused knew that his victim did not live cut off from the world but had established bonds with others.“; vgl. auch ˇ c, IT-95-10/1-S, „Brˇcko“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 11. March 2004, Ceši´ para. 39: „The Trial Chamber finds that the impact on the victims’ relatives and friends is among the factors that are considered when evaluating the inherent gravity of a crime.“ 121 So z. B. in Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1084; Babi´c, IT-03-72-S, „RSK“, Trial Chamber I, Sentencing Judgement, 29. June 2004, para. 54; Simba, ICTR-01-76, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 13. December 2005, para. 438. 122 Vgl. Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 10. 123 Art. 24 Abs. 2 ICTY-Statut i.V. m. § 101 Abs. B Ziff. (i) und (ii) ICTY-RPE bzw. Art. 23 Abs. 2 ICTR-Statut i.V. m. § 101 Abs. B Ziff. (i) und (ii) ICTR-RPE. 124 Vgl. Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1084. 125 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 777. 126 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 777; Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 681; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 344 m.w. N.; De Than / Shorts, International Criminal Law and Human Rights, S. 309, Rn. 10-037.

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aa) Strafmildernde Strafzumessungsumstände Strafmildernde Umstände basieren zu einem großen Teil auf den persönlichen Umständen des Verurteilten, da die Strafe auch dem Straftäter und nicht nur der Straftat entsprechen soll. 129 Da die mildernden Gründe entsprechend den unterschiedlichen persönlichen Situationen sehr zahlreich sein können, 130 ist eine abschließende Auflistung nicht möglich und weder vom Statut noch dem RPE der Ad-hoc-Gerichtshöfe angestrebt. 131 Entsprechend steht die Auswahl und Gewichtung der strafmildernden Umstände im Ermessen der Strafkammern. 132 Hinzu kommt, dass die strafmildernden Faktoren – anders als die strafschärfenden Faktoren – auch nur indirekt mit der Tat verknüpft sein und aus Umständen entnommen werden können, die in einem großen zeitlichen Abstand zur Straftat stehen. 133 Versucht man dennoch, die strafmildernden Umstände zu untergliedern, so lassen sie sich im Wesentlichen in vier große Gruppen einteilen: Nämlich in Umstände, die zwar nicht zur Rechtfertigung der Straftat führen, aber dennoch die strafrechtlichen Verantwortlichkeit verringern; in Umstände, die ihren Ursprung im Nachtatverhalten haben; in Umstände, die ganz generell Ausdruck eines (eigentlich) „guten Charakters“ des Straftäters sind, sowie in Umstände, die besondere persönliche Eigenheiten des Straftäters berücksichtigen. 134

ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 763; Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 920; vgl. auch De Than / Shorts, International Criminal Law and Human Rights, S. 309, Rn. 10-037. 128 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 780; Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 847; siehe auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 15. 129 Vgl. Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 320 m.w. N. 130 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 785, Rn. 9.82. 131 Vgl. Sayers, LJIL 16 (2003), S. 764 f. 132 Vgl. Kupreški´c, IT-95-16-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 23. October 2001, para. 430. 133 Vgl. Staki´c, IT-97-24, „Prijedor“, Trial Chamber II, Judgement, 31. July 2003, para. 920. 134 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 786, Rn. 9.83 ff. m.w. N.; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 351 f. m.w. N. 127

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(1) Tatverhalten, insbesondere Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Als strafmildernd wird nicht nur die Nötigung zur Tat oder die nur indirekte Beteiligung an der Tat angesehen (duress and indirect participation), 135 sondern auch die verminderte Schuldfähigkeit (diminished mental responsibility) 136. Das Handeln auf Befehl (order of a Government or of a superior) kann gemäß Art. 7 Abs. 4 ICTY-Statut bzw. Art. 6 Abs. 4 ICTR-Statut von den Strafkammern ebenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. (2) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht Bei der strafmildernden Bewertung des Nachtatverhaltens wird von den Adhoc-Gerichtshöfen vor allem gemäß § 101 Abs. B Ziff. (ii) ICTY-RPE und § 101 Abs. B Ziff. (ii) ICTR-RPE der Kooperation des Verurteilten mit der Staatsanwaltschaft besonderes Gewicht eingeräumt. 137 Diese Kooperation muss „substanziell“ sein, um strafmildernd berücksichtigt werden zu können. Wann dies der Fall ist, steht im Ermessen der Strafkammern. 138 In Blaški´c hat die Strafkammer die substanzielle Kooperation insofern weiter qualifiziert, als es dort heißt: „The earnestness and degree of co-operation with the Prosecutor decides whether there is reason to reduce the sentence on this ground. Therefore, the evaluation of the accused’s co-operation depends both on the quantity and quality of the information he provides. Moreover, the Trial Chamber singles out for mention the spontaneity and selflessness of the co-operation which must be lent without asking for something in return. Providing that the co-operation lent respects the aforesaid requirements, the Trial Chamber classes such co135

Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 789, Rn. 9.96; vgl. zur „Nötigung“ auch Erdemovi´c, IT 96-22-A, „Pilica Farm“ Appeals Chamber, Judgement, 7. October 1997, para. 19; Erdemovi´c, IT 96-22-Tbis, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 5. March 1998, para. 17. 136 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 790, Rn. 9.101 m.w. N; vgl. auch Vasiljevi´c, IT-98-32-T, „Višegrad“, Trial Chamber, Judgement, 29. Novemˇ ber 2002, para. 280 ff.; Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 590: „The Appeals Chamber accepts that the relevant general principle of law upon which, in effect, both the common law and the civil law systems have acted is that the defendant’s diminished mental responsibility is relevant to the sentence to be imposed and is not a defence leading to an acquittal in the true sense. This is the appropriate general legal principle representing the international law to be applied in the Tribunal.“ 137 Siehe dazu im Einzelnen Kittichaisaree, International Criminal Law, S. 319; ausführlich auch Sayers, LJIL 16 (2003), S. 769 ff. 138 Vgl. z. B. Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001, para. 124 ff.

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operation as a ‚significant mitigating factor‘.“ 139 Diese Qualifizierung fand auch die Zustimmung der anderen Kammern. 140 Besonders signifikante Strafmilderungen lassen sich durch ein Schuldeingeständnis (guilty plea) vor Gericht erreichen. 141 Dabei kommt einem am Anfang der Verhandlung geäußerten Schuldeingeständnis eine größere Bedeutung zu, als einem während des Verfahrens geäußerten Schuldeingeständnis. Denn Ersteres kann nicht nur der Wahrheitsfindung dienen, sondern spart dem Gericht zusätzlich Zeit und die Mühen einer langwierigen Verhandlung und den Opfern die weitere Belastung durch die Verhandlung, was von den Gerichten regelmäßig mit einem größeren Strafabschlag honoriert wird. 142 Auch kooperatives Verhalten während der Verhandlung kann zur Strafmilderung führen. 143 (3) Guter Charakter Der (eigentlich) „gute Charakter“ (good character) des Verurteilten spricht insbesondere für die Möglichkeit einer Rehabilitation und kann sich in ganz unterschiedlichen Umständen ausdrücken. 144 Von besonderer Signifikanz in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe ist die Unterstützung und Hilfe, die der Straftäter unbeteiligten Personen, aber auch Gefangenen und Opfern gewährt hat. 145 Insbesondere in den Camp-Fällen spielt dies eine Rolle. 146 Ferner kann sich eine Milderung aus dem Verhalten nach dem Konflikt ergeben, wenn es z. B. als Ausdruck von Reue und Abkehr von den begangenen Straftaten zu werten ist. 147 In 139

Blaški´c, IT-95-14-T, „Lašva Valley“, Trial Judgement, 3. March 2000, para. 774. Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 786, Rn. 9.83 ff. m.w. N. 141 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 786 f., Rn. 9.86 ff. m.w. N.; Sayers, LJIL 16 (2003), S. 767 ff. m.w. N.; Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 745; Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 71 m.w. N. 142 Vgl. z. B. Sikirica et al., IT-95-8-S, „Kreaterm Camp“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 13. November 2001, para. 149; Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 81. 143 Vgl. Kronjelac, IT-97-25-T, „Foˇca“, Trial Chamber, Judgement, 15. March 2002, para. 520 (not appealed); Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 –73 m.w. N. 144 Vgl. die Darstellung bei Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 76 m.w. N. 145 Vgl. Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 745; Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 68 m.w. N.; Bralo, IT-95-17-S, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 7. December 2005, para. 59; Akayesu, ICTR-96-4-S, Sentence, 2. October 1998, para. 909. 146 Vgl. Sikirica et al., IT-95-8-S, „Kreaterm Camp“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 13. November 2001, para. 195; Kvoˇcka, IT-98-30/1-T, „Omarska and Keraterm Camp“, Trial Chamber, Judgement, 2. November 2001, para. 709. 147 Vgl. Bralo, IT-95-17-S, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 7. December 2005, para. 69. 140

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der Regel wird aufrichtige Reue 148 und der Umstand, dass sich der Straftäter den Strafverfolgungsbehörden freiwillig gestellt hat oder aber keine Vorstrafen hat, 149 ebenfalls strafmildernd bewertet. 150 Gleiches gilt auch für gutes Benehmen in der Haft. 151 (4) Individuelle Umstände des Verurteilten Auch die besonderen individuellen Umstände des Verurteilten (individual circumstances of the convicted person) können zur Strafmilderung führen. Diese Umstände werden insbesondere durch die Familie, das Alter, die Gesundheit und den Charakter des Verurteilten geprägt. So wird die Tatsache, dass der Verurteilte verheiratet ist oder kleine Kinder hat, als strafmildernd gewertet. 152 Ein hohes bzw. niedriges Alter kann ebenfalls strafmildernd sein. 153 Allerdings soll eine erhöhte Strafempfindlichkeit aufgrund schlechter Gesundheit nur in extremen Fällen zu einer Strafmilderung führen. 154 Auch Charakterschwächen können sich strafmildernd auswirken, z. B. wenn sich der Verurteilte Autoritäten nicht widersetzen kann. 155 bb) Strafschärfende Strafzumessungsumstände Die strafschärfenden Umstände sind nicht weiter in den Statuten oder den RPE der Ad-hoc-Gerichtshöfe aufgelistet – ein Umstand, der aufgrund des völ-

148 Vgl. ausführlich zu „remorse“ Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 69 m.w. N.; Tieger, LJIL 16 (2003), S. 777 ff. 149 Vgl. ausführlich zu „surrender“ Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 74 m.w. N.; vgl. zu „previous convictions“ Schabas, The UN International Criminal Tribunals, S. 575 m.w. N. in Fn. 203. 150 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 787 f., Rn. 9.91 ff. m.w. N.; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 351 f. m.w. N. 151 Vgl. zu „conduct during detention“ Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 789, Rn. 9.98 m.w. N.; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 351 f. m.w. N. 152 Vgl. Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 –75 m.w. N. 153 Vgl. Kronjelac, IT-97-25-T, „Foˇca“, Trial Chamber, Judgement, 15. March 2002, para. 533 (not appealed); Erdemovi´c, IT 96-22-Tbis, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 5. March 1998, para. 16; näher Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 789, Rn. 9.100. 154 Vgl. Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 351 f. m.w. N.; Sayers, LJIL 16 (2003), S. 765 m.w. N.; Khan / Dixon, Archbold, International Criminal Courts, § 18 – 75 m.w. N. 155 Vgl. Kronjelac, IT-97-25-T, „Foˇca“, Trial Chamber, Judgement, 15. March 2002, para. 515 f. (not appealed).

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kerrechtlichen Bestimmtheitsgebotes bedenklich erscheint. 156 Von den Ad-hocGerichtshöfen werden vielfältige Gründe zur Strafschärfung ins Feld geführt, die nicht immer klar von allgemeinen Strafzumessungsumständen abgegrenzt werden. Deutlich ist aber, dass weder das Schweigen des Verurteilten noch die Abwesenheit von strafmildernden Umständen strafschärfende Umstände begründet. 157 Unter den zahlreichen strafschärfenden Umständen, die in ihre Vielfalt nur durch die menschlichen Grausamkeit begrenzt sind, 158 sind für die Strafschärfung solche Umstände besonders bedeutsam, die direkt mit der Begehung der Straftat zusammenhängen oder an die Folgen der Straftat anknüpfen. Nicht so relevant sind hingegen Umstände, die an die Person des Straftäters anknüpfen. 159 (1) Diskriminierende Tatbegehung Dient die Straftat dazu, die Opfer zu diskriminieren bzw. drückt sich in der Straftat der Vorsatz aus, die Opfer über die eigentliche Tatbegehung hinaus zu diskriminieren, so kann dies zur Strafschärfung führen, wenn die Diskriminierung nicht schon Teil des strafbaren Tatbestandes ist. 160

156 Vgl. Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 739, die dies damit begründen, dass vor dem Hintergrund der Kernverbrechen und der damit einhergehenden gewaltsamen und grausamen Tatausführungen eine weitere Spezifizierung überflüssig erscheinen könne; vgl. auch Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 45: „The Trial Chamber holds the view that, when crimes against humanity are involved, the issue of the existence of any aggravating circumstances does not warrant consideration. Beyond the fact that the Statute contains no reference or definition in this respect, the Trial Chamber’s stance is consistent with that taken by the International Military Tribunal at Nuremberg which sentenced 12 accused who had been convicted of crimes against humanity to the harshest penalty, capital punishment, because mitigating circumstances had not been proved to its satisfaction. The Trial Chamber must, however, pursuant to the provisions of Article 24 of the Statute, consider circumstances surrounding the commission of the crime likely to characterise its gravity which might preclude any leniency stemming from mitigating circumstances.“ 157 Vgl. Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 687. 158 Vgl. Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 740. 159 Vgl. auch die Auflistung und Gewichtung der strafschärfenden Umstände bei Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 741. 160 Vgl. Blaški´c, IT-95-14-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 686 m.w. N.; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 350 f. m.w. N.

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(2) Missbrauch einer Machtposition oder Ausnutzung einer offiziellen Stellung Nutzt der Straftäter bei der Straftat das Vertrauen der Opfer in seine offizielle Stellung oder die von ihm vertretene Institution aus, kann dies zur Strafschärfung beitragen, 161 denn die Begehung von Straftaten zeugt dann von einer höheren kriminellen Energie bzw. die Straftaten haben eine anderes Gewicht, wenn sie unter Ausnutzung von (hierarchischen) Strukturen begangen werden. 162 Dabei ist die Ausnutzung nicht nur auf militärische und politische Strukturen beschränkt, sondern kann sich auch aus einer besonderen Stellung in Wirtschaft, 163 Religion 164 oder Medien 165 ergeben. 166 (3) Besondere Umstände der Begehung Besonders signifikant strafschärfend sind Umstände der Begehung, in denen sich eine erhöhte kriminelle Energie ausdrückt. 167 So kann die ausgedehnte Tatbegehung strafschärfend sein, 168 die besonders eifrige und begeisterte Beteiligung an der Straftat sowie die besonders gewalttätige, für die Opfer beschämende oder 161

Vgl. Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 61. 162 Vgl. Krsti´c, IT-98-33-T, „Srebrenica-Drina Corps“, Trial Chamber, Judgement, 2. August 2001, para. 709: „A high rank in the military or political field does not, in itself, lead to a harsher sentence. But a person who abuses or wrongly exercises power deserves a harsher sentence than an individual acting on his or her own. The consequences of a person’s acts are necessarily more serious if he is at the apex of a military or politiˇ cal hierarchy and uses his position to commit crimes.“; Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 736: „In the opinion of the Appeals Chamber, proof of active participation by a superior in the criminal acts of subordinates adds to the gravity of the superior’s failure to prevent or punish those acts and may therefore aggravate the sentence. The Trial Chamber explicitly acknowledged in its observations as to general sentencing principles that active abuse of a position of authority, which would presumably include participation in the crimes of subordinates, can aggravate liability arising from superior authority: ...“; Kambanda, ICTR-97-23-S, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 4. September 1998, para. 44; Rutaganda, ICTR-96-3T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 6. December 1999, para. 469; Semanza, ICTR97-20-T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 15. May 2003, para. 573; Niyitegeka, ICTR-96-14-T, Trial Chamber I, Judgement and Sentence, 16. May 2003, para. 499. 163 Vgl. Musema, ICTR-96-13-T, Trial Chamber I, Judgement, 27. January 2000, para. 1001 ff. 164 Vgl. Ntakirutimana and Ntakirutimana, ICTR-96-10 & ICTR-96-17-T, Trial Chamber I, Judgement, 21. February 2003, para. 900 ff. 165 Vgl. Nahimana et al., ICTR-99-52-T, Judgement and Sentence, 3. December 2003, para. 1100. 166 Vgl. näher Schabas, The UN International Criminal Tribunals, S. 567 ff. m.w. N. 167 Vgl. auch Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 742.

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sexuell erniedrigende Begehung. Generell können alle Umstände berücksichtigt werden, die der Straftat einen besonderen Unwertgehalt geben. 169 (4) Besondere Folgen der Straftat Bei der Strafzumessung führen die schwerwiegenden Folgen der Straftat für die Opfer regelmäßig zur signifikanten Strafschärfung, wenn sie nicht schon als allgemeiner Strafzumessungsumstand berücksichtigt wurden, da sich an ihnen besonders gut die Tatschwere bzw. Natur der Straftat ablesen lässt. 170 Je stärker die Opfer durch die Straftat beeinträchtigt sind, desto eher wird eine Strafschärfung anzunehmen sein. Eine besondere Beeinträchtigung ist insbesondere bei leicht verwundbaren bzw. verletzbaren Opfern möglich, sei es, dass die Opfer jung oder besonders alt sind. 171 Der Unwertgehalt der Straftat erhöht sich auch, wenn die Opfer besonders zahlreich 172 oder überlebende Opfer besonders traumatisiert sind. 173, 174 Das Zusammenwirken des eigenen Rechts des ICC mit dem abgeleiteten Recht des Völkergewohnheitsrechts zeigt ein einheitliches Bild relevanter Fallgruppen von Strafzumessungsumständen auf. Es sind sowohl straftat- als auch straftäterbezogene Umstände bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt deutlich auf den tatbezogenen Strafzumessungsumständen. Anhand dieser gelingt eine Evaluierung von Strafwürdigkeit und Strafwert am besten. Dennoch dürfen täterbezogene Umstände nicht unbeachtet bleiben, da die Strafe zu individualisieren ist. Die Strafzumessungsumstände lassen sich in allgemeine und besondere unterteilen. Es gilt der Grundsatz, dass strafmildernde Umstände täterbezogen und strafschärfende Umstände tatbezogen sind. c) Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände Im eigenen Recht des ICC ist die Frage nicht geklärt, ob die Strafzumessungsumstände dem Zusammenhang mit dem angeklagtem Tatbestand zu entnehmen 168 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 865. 169 Vgl. Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 350 f. m.w. N.; Schabas, The UN International Criminal Tribunals, S. 570 ff. m.w. N. 170 Vgl. auch Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 741 f. 171 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 784, Rn. 9.75 m.w. N. 172 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 866. 173 Vgl. Vasiljevi´c, IT-98-32-T, „Višegrad“, Trial Chamber, Judgement, 29. November 2002, para. 276. 174 Vgl. dazu näher Schabas, The UN International Criminal Tribunals, S. 569 m.w. N.

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sind oder nicht. Die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe belegen einen “ Chargedoffense-Ansatz, nach dem nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die im Zusammenhang mit den angeklagten Straftaten stehen, so dass Umstände nicht angeklagter Straftaten selbst im Falle derselben prozessualen Tat nicht berücksichtigt werden dürfen. 175 Dies gilt insbesondere für die den Verurteilten in seinen Freiheitsrechten weiter belastenden straferhöhenden und strafschärfenden Umstände, die aus Gründen der „fairness“ nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie im Zusammenhang mit der angeklagten Straftat stehen, zweifellos bewiesen sind (beyond reasonable doubt) und der Angeklagte darüber in Kenntnis gesetzt wurde, so dass er die Möglichkeit hatte, dazu Stellung zu beziehen. 176 Etwas anderes gilt für strafmindernde und strafmildernde Umstände, die den Verurteilten nicht belasten: Diese können auch aus nicht tatbezogenen Umständen entnommen werden, 177 mithin auch aus solchen, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Klage stehen 178, und müssen nur mehr wahrscheinlich als unwahrscheinlich sein (balance of probabilities). d) Doppelverwertungsverbot Anders als das eigene Recht des ICC belegen die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe ein Doppelverwertungsverbot. Dementsprechend dürfen Tatumstände, die schon Teil des Tatbestandes sind, nicht noch einmal als allgemeine oder besondere Strafzumessungsumstände berücksichtigt werden. Tatumstände, die schon im Rahmen der Schwere der Tat berücksichtigt wurden, dürfen nicht noch einmal als strafschärfende Faktoren 179 gewertet werden und umgekehrt Umstände, die 175 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, ˇ Judgement, 22. February 2001, para. 848 ff.; Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 812: „The factual allegations set forth in the Indictment in support of these counts contain references to specific criminal acts, as well as references to unspecified criminal acts alleged to have occurred in the Celebici prison-camp. In consideration of the rights enshrined in Article 21 of the Statute, and in fairness to the accused, the Trial Chamber does not regard the unspecified criminal acts referred to in the above-mentioned counts as constituting any part of the charges against the accused. Accordingly, in its findings in relation to these counts, the Trial Chamber will limit itself to a consideration of those criminal acts specifically enumerated in the Indictment.“ 176 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 762 ff.; Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 849; Semanza, ICTR-97-20-T, Trial Chamber, Trial Chamber II, Judgement and Sentence, 15. May 2003, para. 566 ff. 177 Vgl. Bralo, IT-95-17-S, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 7. December 2005, para. 42. 178 Vgl. Kunarac et al., IT-96-23-T & IT-96-23/1-T, „Foˇca“, Trial Chamber II, Judgement, 22. February 2001, para. 850. 179 Vgl. Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 78, Rn. 9.73; Gali´c, IT-9829-A, „Sarajevo“, Appeals Chamber, Judgement, 30. November 2006, para. 408.

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schon als strafschärfend gewertet wurden, nicht noch einmal bei der Schwere der Tat berücksichtigt werden. 180 e) Strafpraxis der Konfliktstaaten Gemäß Art. 24 Abs. 1 und 2 ICTY-Statut i.V. m. § 101 Abs. B Ziff. (iii) ICTY-RPE bzw. Art. 23 Abs. 1 und 2 ICTR-Statut i.V. m. § 101 Abs. B Ziff. (iii) ICTR-RPE muss die Strafpraxis der nationalen Jurisdiktionen des ehemaligen Jugoslawien bzw. Ruandas bei der Bestimmung der Schwere der Tat und der daraus resultierenden Strafzumessung beachtet werden. Dieser Verweis auf die nationale Rechtslage erfolgte aus Sorge um das Nulla-poena-sine-lege-Prinzip und war als Schutz vor einer zu harschen Strafzumessung gedacht. 181 Er wendete sich aber letztlich gegen die Verurteilten, 182 da im Fall von Jugoslawien nur ein paar und im Fall von Ruanda gar keine völkerstrafrechtlichen Verbrechen normiert waren bzw. nur wenige Prozesse stattgefunden hatten. Denn mangels entsprechender Verbrechensvorschriften konnte man sich bei der Dauer der Strafen auch nicht an entsprechende Strafrahmen anlehnen. 183 Daher gingen die Gerichte anfangs davon aus, dass aus dem Verweis – angesichts einer gewissen Ähnlichkeit zwischen den in den Statuten niedergelegten Verbrechen und den schwersten Verbrechen in den nationalen Strafgesetzen, denen harte Strafen folgten – nur geschlossen werden könne, dass harte Strafen grundsätzlich auch für die Verbrechen in der Jurisdiktion des ICTY bzw. ICTR gelten würden, diese aber auch über den nationalen Strafrahmen hinausgehen könnten. 184 Häufig wurden 180 Vgl. Nikoli´c, Momir IT-02-60/1-A, „Srebrenica“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 8. March 2006, para. 58; Derjoni´c, IT-02-61-A, „Glogova“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 20 July 2005, para. 106 m.w. N.; Todorovi´c, IT-95-9/1-S, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 31. July 2001, para. 57; Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 783, Rn. 9.73. 181 Tatsächlich wäre ein solcher Verweis zur Wahrung des Nulla-poena-sine-lege-Prinzips nicht vonnöten gewesen, da im Völkerstrafrecht das Prinzip eine eigenständige Ausprägung hat, die nicht dem strengen Bestimmtheitsmaßstab vieler nationaler Rechtsordnungen, insbesondere kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen, entspricht; vgl. van Zylt Smit, CLF 9 (1999), S. 13 ff.; Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 10; Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 196. 182 Vgl. Schabas, EJIL 11 (2000), S. 528 ff. 183 Vgl. Schabas, EJIL 11 (2000), S. 528 ff. 184 Vgl. Erdemovi´c, IT-96-22-T, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 29. November 1996, para. 35 ff., insbesondere para. 40: „In conclusion, the Trial Chamber finds that reference to the general practice regarding prison sentences applied by the courts of the former Yugoslavia is, in fact, a reflection of the general principle of law internationally recognised by the community of nations whereby the most severe penalties may be imposed for crimes against humanity.“ (eigene Hervorhebung). Zwar wurde dieses Urteil im Verfahren zweiter Instanz aufgehoben (Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber, Judgement, 7. October 1997), allerdings aus Gründen, die diesen

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die zuweilen harschen Strafen damit gerechtfertigt, dass die Verurteilten mangels einer Todesstrafe damit noch vergleichsweise milde bestraft würden. 185, 186 Mittlerweile herrscht in der Rechtsprechung die Meinung vor, dass die Gerichte die Strafpraxis im ehemaligen Jugoslawien bzw. in Ruanda zwar zur Kenntnis nehmen müssen, nicht aber an sie gebunden sind. 187 Die nationale Strafpraxis

Komplex nicht berührten. Bei einer erneuten Verurteilung im Verfahren (Erdemovi´c, IT 96-22-Tbis, „Pilica Farm“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 5. March 1998) wurde ebenfalls keine Stellung dazu genommen. 185 Siehe z. B. Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 21: „... the wording of Sub-rule 101(A) of the Rules, which grants the power to imprison for the remainder of a convicted person’s life, itself shows that a Trial Chamber’s discretion in imposing sentence is not bound by any maximum term of imprisonment applied in a national system ... Accordingly, the reliance by the appellant on the law of the former Yugoslavia which prescribed a maximum sentence of 20 years as an alternative to the death penalty is misplaced, and more especially having regard to the fact that at the time when the offences were committed a death penalty could have been imposed under that law for similar offences.“ (eigene Hervorhebung); Kayishema and Ruzindana, ICTR-95-1-T, Trial Chamber, Sentence, 21 May 1999, para. 5 ff.: „5. Article 23(1) of the Statute and Rule 101(B)(iii) provides that in determining the term of sentences the Trial Chamber shall have recourse to the general practice regarding prison sentences in Rwanda. 6. Rwandan law empowers its courts to impose the death penalty for persons convicted ... Rwandan law also empowers its courts to impose a life sentence for persons convicted ... 7. In light of the findings of the Judgement against Kayishema and Ruzindana, this Chamber finds that the general practice regarding prison sentences in Rwanda represents one factor supporting this Chamber’s imposition of the maximum and very severe sentences, respectively.“ Dies wurde im Verfahren zweiter Instanz nicht angegriffen (Kayishema and Ruzindana, ICTR95-1-A, Appeals Chamber, Judgement (Reasons), 1. June 2001). 186 Diese Argumentation verwundert umso mehr, als der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 ICTY-Statut bzw. Art. 23 Abs. 1 ICTR-Statut zur Bestimmung der vor den Adhoc-Gerichtshöfen zu verhängenden Gefängnisstrafe nur einen Bezug zur nationalen Gefängnisstrafe (nicht aber zur Todesstrafe) des Konfliktlandes herstellt: So ermöglicht etwa Art. 24 Abs. 1 ICTY-Statut den Vergleich mit den Worten: „In determining the terms of imprisonment, the Trial Chambers shall have recourse to the general practice regarding prison sentences in the courts of the former Yugoslavia“ (eigene Hervorhebung). Ein Bezug zu einer nationalen Strafpraxis der Todesstrafen ist daher schon vom Wortlaut her nicht gedeckt und kann somit auch einen Vergleich bzw. ein Ins-Verhältnis-Setzen zu einer solchen Praxis nicht legitimieren. 187 Zum Beispiel Staki´c, IT-97-24-A, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement, 22. March 2006, para. 398; Kordi´c and Cerkez, IT-95-14/2-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 17. December 2004, para. 1085; Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001, para. 116; Semanza, ICTR-97-20, Appeals Chamber, Judgement, 20 May 2005, para. 344 ff., 375 ff.; Serushago, ICTR-98-39, Appeals Chamber, Reasons for Judgement, 6. April 2000, para. 30; Akayesu, ICTR-96-4A, Appeals Chamber, Judgement, 1. June 2001, para. 420; Ruggiu, ICTR-97-32-T, Trial Chamber, Judgements and Sentence, 1. June 2000, para. 31; Rutaganda, ICTR-96-3T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 6. December 1999, para. 454; siehe auch Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 726 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

wird also gewissermaßen nur pro forma 188 als ein Faktor unter vielen zur Kenntnis genommen und wird weniger zur Findung eines Strafrahmens oder einer Einstiegsstelle herangezogen, als vielmehr zur Findung von Strafumständen bei der Strafzumessung. 189 5. Verhältnismäßigkeit und Graduierung a) Horizontale Strafstruktur Ebenso wie das ICC-Statut enthalten die Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe für die Kernverbrechen in ihrer Zuständigkeit die gleichen Strafen nach Art und Maß bereit. Darauf stützt sich die bei den Ad-hoc-Gerichtshöfen vorherrschende Meinung, dass per se zwischen der Rechtsqualität der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen nicht zu differenzieren ist. 190 Nichts desto trotz findet die Rechtsqualität der Kernverbrechen Eingang in die Strafentscheidungen des ICTY, da empirische Untersuchungen der Urtei188 Vgl. Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 344; Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 10; ausführlich allerdings die Auseinandersetzung mit den Rechtsordnungen des ehemaligen Jugoslawiens bei Nikoli´c, Dragan, IT-94-2-S, „Sušica Camp“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 18. December 2003, para. 150 ff. 189 So heißt es etwa beispielhaft im Verfahren zweiter Instanz in Blaški´c, IT-95-14A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 29. July 2004, para. 681: „The Trial Chambers must consider the sentencing practices in the former Yugoslavia as an aid in determining the appropriate sentence; however, they are not bound by them. Thus, the International Tribunal can impose a sentence in excess of that which would be applicable under relevant law in the former Yugoslavia ... As a result, the Trial Chambers are obliged only to take account of the general practice regarding prison sentences in the courts of the ˇ former Yugoslavia“ oder in Muci´c et al., IT-96-21, „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 813: „Article 24(1) of the Statute provides that, in determining sentence, ‚Trial Chambers shall have recourse to the general practice regarding prison sentences in the courts of the former Yugoslavia‘. The question of whether or not this ‚recourse‘ should be of a binding nature has been consistently and uniformly interpreted by the Tribunal. It is now settled practice that, although a Trial Chamber should ‚have recourse to‘ and should ‚take into account‘ this general practice regarding prison sentences in the courts of the former Yugoslavia, this does not oblige the Trial Chambers to conform to that practice; it only obliges the Trial Chambers to take account of that practice.“ Weitere Nachweise bei Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 774 f., Rn. 9.25 ff. und S. 778, Rn. 9.39 f.; Mettraux, International Crimes and the ad hoc Tribunals, S. 344; Kitichaisaree, International Criminal Law, S. 315; Sayers, LJIL 16 (2003), S. 760 f. 190 Für eine Abstufung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen siehe Tadi´c, IT-94-1-T, „Prijedor“, Trial Chamber, Sentencing Judgement, 14. July 1997, para. 73; Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber I, Joint Separate Opinion of Judge McDonald and Judge Vohrah, 7. October 1997, para. 20 ff.; Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Declaration of Judge Vohrah, 21. July 2000, para. 1 ff.; Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Se-

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le belegen, dass – unter anderem bedingt durch das diskriminierende Element im Tatbestand des Völkermords wie im Tatbestand der Verfolgung bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit 191 – Urteile wegen Völkermord harscher ausfallen als Urteile wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und diese wiederum harscher als die Verurteilungen wegen Kriegsverbrechen. 192 Hier zeigt sich eine Differenzierung, die in ersten Ansätzen schon im ICC-Statut insofern festzustellen war, als sich dort zumindest die Kriegsverbrechen von den anderen Kernverbrechen unterscheiden ließen. Es kann also festgehalten werden, dass sich die Kernverbrechen in ihrer Rechtsqualität unterscheiden. Mit der Unterscheidung ist aber auch die Bildung einer Strafstruktur möglich. Diese Struktur ist von Völkermord über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit hin zu den Kriegsverbrechen absteigend. 193 b) Vertikale Strafstruktur Die Rechtspraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe steht dem Vergleich von Strafzumessungsfällen skeptisch gegenüber. 194 Nach Auffassung der Ad-hoc-Gerichtshöfe lassen sich letztlich weder Strafwürdigkeit noch Strafwert der einzelnen Strafzumessungsfälle hinreichend genug vergleichen. 195 Zu Beginn mangelte es den Ad-hoc-Gerichtshöfen überhaupt an Urteilen, aus denen eine Strafpraxis hätte abgeleitet werden können, 196 aber auch später wurde die für einen Verparate Opinion of Judge Cassese, 26 January 2000, para. 1 ff. Gegen eine Abstufung siehe Tadi´c, IT-94-1-Tbis-R117, „Prijedor“, Trial Chamber II, Separate Opinion of Judge Robinson, 11. November 1999, S. 1 ff.; Tadi´c, IT-94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26 January 2000, para. 69; Tadi´c, IT94-1-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Separate Opinion of Judge Shahbuddeen, 26. January 2000, S. 35 ff.; Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 242 f.; Erdemovi´c, IT-96-22-A, „Pilica Farm“, Appeals Chamber I, Separate and Dissenting Opinion of Judge Li, 7. October 1997, para. 18 ff.; vgl. auch Bohlander, Völkerrecht als Grundlage Internationaler Verbrechen, S. 393 ff.; Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 484 ff.; Olusanya, Sentencing War Crimes and Crimes against Humanity under the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, S. 55 ff. 191 Blagojevi´c and Joki´c, IT-02-60-T, Trial Chamber I, Section A, Judgement, 17. January 2005, para. 834; Blaški´c, IT-95-14-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber I, Judgement, 3. March 2000, para. 785. 192 Vgl. dazu Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 733 ff. und 747. 193 Vgl. auch Carcano ICLQ 51 (2002), S. 600 ff. 194 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 757 ff.; siehe auch Musema, ICTR-96-13-A, Appeals Chamber, Judgement, 16. November 2001, para. 393. 195 Vgl. Kupreški´c, IT-95-16-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 23. October 2001, para. 443 f. 196 So auch noch im Oktober 2003 die Kammer erster Instanz in Simi´c et. al., IT-959, „Bosanski Šamac“, Trial Chamber I, Judgement, 17. October 2003, para. 1075; siehe für das ICTR auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 3.

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gleichspool ungenügende Zahl der Urteile beklagt, da die Ungleichheiten der Strafzumessungsfälle signifikanter seien als deren Gleichheiten. 197 Dies mag zwar so sein, ist aber selbst bei wesentlich gleichen Strafzumessungsfällen immer möglich, da die Strafzumessungsfälle eben nicht identisch sind, sondern nur gleich bezüglich bestimmter Qualitäten von Eigenschaften. Es kommt also entscheidend auf die Auswahl der Eigenschaften an. Wird aber die Ungleichheit der Strafzumessungsfälle angenommen, so folgt daraus auch die Notwendigkeit, ungleiche Strafe im gleichen Maße zuzumessen – eine Konsequenz, die sich in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe nicht findet. Nach der Rechtsprechung kann jedenfalls nur ein Strafzumessungsfall mit gleichem Straftatbestand und gleichen Strafumständen zum Vergleich herangezogen werden, 198 d. h. die Strafe wird anhand der vertikalen Verhältnismäßigkeit ausgerichtet. Diese Ausrichtung ist aber eingeschränkt. Denn die vertikale Verhältnismäßigkeit ist nach der Rechtsprechung nur ein Umstand unter vielen bei der Strafzumessung, 199 da die Strafzumessungsentscheidung in erster Linie aufgrund der gesetzlichen Regelungen in Statut und Verfahrensordnung erfolgt, welche vor allem verlangen, die Strafe nach der Schwere der Tat und der persönlichen Situation des Täters zu individualisieren. 200 Im Zusammenspiel von Gleichheit und Individualisierung hat die Individualisierung den Vorrang, auch wenn beide für die Gleichbehandlung vonnöten sind. Konsequenterweise müssen im Fall einer gefestigten Strafpraxis die Kammern die vorherige Strafpraxis zwar berücksichtigen, sind aber nicht durch sie gebunden. 201, 202 197 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 719. 198 Vgl. Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 250: „The sentencing provisions in the Statute and the Rules provide Trial Chambers with the discretion to take into account the circumstances of each crime in assessing the sentence to be given. A previous decision on sentence may indeed provide guidance if it relates to the same offence and was committed in substantially similar circumstances; otherwise, a Trial Chamber is limited only by the provisions of the Statute and the Rules.“ 199 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 719 und 821. 200 Vgl. Staki´c, IT-97-24-A, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement, 22. March 2006, para. 381; Nikoli´c, Momir, IT-02-60/1-A, „Srebrenica“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 8. March 2006, para. 38. Nikoli´c, Dragan, IT-94-02-A, „Sušica Camp“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 4. February 2005, para. 19; vgl. auch Babi´c, IT-03-72-A, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 18. July 2005, para. 32. 201 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 757. 202 Auf den Punkt gebracht wird die Haltung der Ad-hoc-Gerichtshöfe in der zweitinˇ stanzlichen Entscheidung in Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 756 ff., in der es heißt: „756. Public confidence in

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Damit wird in der Rechtsprechung eine vergleichende Strafzumessung aufgrund der Beschwerlichkeit des Vergleichs zwar als schwierig angesehen, aber dennoch ein vergleichendes Sanktionssystem für notwendig erachtet. 203 Denn vorherige Urteile können in gewisser Weise als Leitlinien gesetzeskonformer Strafzumessung und somit als Ausdruck einer zutreffenden Statuts- bzw. Verfahrensregelungsanwendung aufgefasst werden, so dass Urteile, die von diesen Vorgaben wesentlich abweichen, ein Indiz dafür sind, dass die Regelungen über die Strafzumessung nicht beachtet wurden. 204 Leitlinien können aber nur mehre-

the integrity of the administration of criminal justice (whether international or domestic) is a matter of abiding importance to the survival of the institutions which are responsible for that administration. One of the fundamental elements in any rational and fair system of criminal justice is consistency in punishment. This is an important reflection of the notion of equal justice. The experience of many domestic jurisdictions over the years has been that such public confidence may be eroded if these institutions give an appearance of injustice by permitting substantial inconsistencies in the punishment of different offenders, where the circumstances of the different offences and of the offenders being punished are sufficiently similar that the punishments imposed would, in justice, be expected to be also generally similar. 757. This is not to suggest that a Trial Chamber is bound to impose the same sentence in the one case as that imposed in another case simply because the circumstances between the two cases are similar. As the number of sentences imposed by the Tribunal increase, there will eventually appear a range or pattern of sentences imposed in relation to persons where their circumstances and the circumstances of their offences are generally similar. When such a range or pattern has appeared, a Trial Chamber would be obliged to consider that range or pattern of sentences, without being bound by it, in order only to ensure that the sentence it imposes does not produce an unjustified disparity which may erode public confidence in the integrity of the Tribunal’s administration of criminal justice. 758. At the present time, there does not exist such a range or pattern of sentences imposed by the Tribunal. The offences which the Tribunal tries are of such a nature that there is little assistance to be gained from sentencing patterns in relation to often fundamentally different offences in domestic jurisdictions, beyond that which the Tribunal gains from the courts of the former Yugoslavia in accordance with Article 24 of the Tribunal’s Statute. At the present time, therefore, in order to avoid any unjustified disparity, it is possible for the Tribunal to have regard only to those sentences which have been imposed by it in generally similar circumstances as to both the offences and the offenders. It nevertheless must do so with considerable caution. As the Appeals Chamber discusses further below comparisons with sentences imposed in other cases will be of little assistance unless the circumstances of the cases are substantially similar. However, in cases involving similar factual circumstances and similar convictions, particularly where the sentences imposed in those other cases have been the subject of consideration in the Appeals Chamber, there should be no substantial disparity in sentence unless justified by the circumstances of [the] particular accused.“ 203 Vgl. auch Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001, para. 96. 204 Vgl. Jelisi´c, IT-95-10-A, „Brˇcko“, Appeals Chamber, Judgement, 5. July 2001, para. 96: „The Appeals Chamber agrees that a sentence should not be capricious or excessive, and that, in principle, it may be thought to be capricious or excessive if it is out of reasonable proportion with a line of sentences passed in similar circumstances for the same offences. Where there is such disparity, the Appeals Chamber may infer

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

re einschlägige Urteile geben, die eine „line of sentences“ bilden, nicht aber nur eine einzige Entscheidung. 205 c) Einstieg in den Strafrahmen In den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe ist immer wieder zu lesen, dass die Strafe gemäß dem „principle of gradation“ 206 an die Strafwürdigkeit und den Strafwert anzupassen sei. 207 Die lebenslange Freiheitsstrafe sei nur auf die schwersten Fälle anzuwenden. 208 Wann ein Fall dieser Schwere vorliegt, bleibt allerdings dem Ermessen der Richter überlassen. Die mantraartige Erwähnung der (vertikalen) Verhältnismäßigkeit mit der überwiegenden Anknüpfung der Strafe an die Tatschwere in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe, insbesondere beim ICTR, dient dabei als Begründung einer Strafschwelle, die dann (hoher) Ausgangspunkt (weiterer) „Individualisierung“ der Strafe ist. 209 Ein Einstieg in den „Strafrahmen“ wird dadurch aber nicht definiert. Zum einen bleibt die Bestimmung der Strafwürdigkeit und des Strafwerts unbestimmt, zum anderen ist der Strafrahmen der zeitigen Freiheitsstrafe noch nicht einmal nach oben begrenzt, so dass schon der erste Anhaltspunkt einer Gleichsetzung auf der Strafskala fehlt, that there was disregard of the standard criteria by which sentence should be assessed, as prescribed by the Statute and set out in the Rules. But it is difficult and unhelpful to lay down a hard and fast rule on the point; there are a number of variable factors to be considered in each case.“; bestätigt in Nikoli´c, Momir, IT-02-60/1-A, „Srebrenica“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 8. March 2006, para. 39. Mit Bezug auf Jelisi´c wird im Fall Babic klargestellt, dass ein einziges Urteil nicht ausreicht, um eine „line of sentences“ vorzugeben, die für einen Vergleich geeignet wäre, Babi´c, IT-0372-A, „RSK“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 18. July 2005, para. 33. 205 Babi´c, IT-03-72-A, „RSK“, Appeals Chamber, Judgement on Sentencing Appeal, 18. July 2005, para. 33. 206 Vgl. Aleksovski, IT-95-14/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 24. March 2000, para. 184: „need to establish a gradation of sentencing“; Tadi´c, IT-941-A & IT-94-1-Abis, „Prijedor“, Appeals Chamber, Judgement in Sentencing Appeals, 26. January 2000, para. 56; siehe auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 10. 207 Vgl. Ndindabahizi, ICTR-2001-71-I, Trial Chamber I, Judgement, 15. July 2004, para. 500; Niyitegeka, ICTR-96-14-T, Trial Chamber I, Judgement, 16. May 2003, para. 486; Ntakirutimana and Ntakirutimana, ICTR-96-10 & ICTR-96-17-T, Trial Chamber I, Judgement, 21. February 2003, para. 884. 208 Vgl. Semanza, ICTR-97-20, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 15. May 2003, para. 599. 209 Vgl. Ori´c, IT-03-68-T, Trial Chamber II, Judgement, 30. June 2006, para. 728: „Accordingly, in determining the gravity of the crime of which the Accused has been found guilty, the Trial Chamber has considered the following. First, it has taken into account that crimes of murder and cruel treatment in war-crime context are inherently grievous. Second, that failure to prevent the occurrence of such crimes is necessarily also intrinsically grievous.“; siehe auch Sloane, Sentencing for the Crimes of Crimes, S. 11.

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nämlich die mögliche Höchststrafe. Den Einstieg in den „Strafrahmen“ suchen die Richter der Ad-hoc-Gerichtshöfe daher vermehrt durch den Vergleich mit den Rechtsordnungen der Konfliktstaaten und nur vereinzelt mit bereits entschiedenen Fällen, freilich nur um letztlich einen Vergleich abzulehnen. 210 II. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess 1. Strafzumessungsinformation im Prozess Die im ICC-Statut und der ICC-RPE vorgesehene Herangehensweise, alternativ nach dem Antrag der Parteien zu Schuld und Strafe in einem oder in zwei Verfahren zu verhandeln, spiegelt die Erfahrung der Ad-hoc-Gerichtshöfe wider, nach der beide Verfahrensvarianten vor internationalen Gerichten rechtswirksam und rechtspraktisch betrieben werden können. Beide Verfahrensvarianten wurden von den Ad-hoc-Gerichtshöfen beschritten. Ursprünglich zweiaktig, wurde das Verfahren dann im Juli 1998 einaktig. 211 Nunmehr müssen die Parteien zur Beschleunigung der Verhandlungen grundsätzlich schon im Verfahren über Schuld oder Unschuld, spätestens in ihrem Schlussplädoyer, zu Strafzumessungsfragen Stellung nehmen, 212 so dass die Kammer mit der Entscheidung über die Schuld gegebenenfalls auch über die zu verhängende Strafe befinden kann. 213 Der darin liegenden Herausforderung, Fragen nach Schuld und Strafe gedanklich zu trennen, um der Unschuldsvermutung und den Prozessrechten des Angeklagten gerecht zu werden, scheint die Rechtspraxis gerecht werden zu können. 214 210 Vgl. beispielsweise Bralo, IT-95-17-S, „Lašva Valley“, Trial Chamber II, Sentencing Judgement, 7. December 2005, para. 84 ff.; Limja, IT-03-66-T, Trial Chamber II, Judgement, 30. September 2005, para. 734; Kvoˇcka, IT-98-30/1-A, „Omarska and Keraterm Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 28. February 2005, para. 680. 211 Vgl. Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 197 f.; Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 720. 212 Vgl. zu dem „closing arguments“ Zappalà, Human Rights in International Criminal Proceedings, S. 197 f. 213 §§ 86 Abs. C, 87 Abs. C ICTY-RPE bzw. §§ 86 Abs. C, 87 Abs. C ICTR-RPE; siehe auch den Umkehrschluss zu § 100 Abs. A ICTY-RPE bzw. § 100 Abs. A ICTRRPE. 214 Siehe kritisch zu den Anforderungen an die Verteidigung Jones / Powles, International Criminal Practice, S. 720 f., Rn. 8.5.605 ff.; ebenfalls kritisch zu einem einaktigen Verfahren die ausführliche Darstellung bei Keller, Ind. Int.l. & Comp. L. Rev. 12 (2001), ˇ S. 66 ff.; vgl. auch Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Trial Chamber II quater, Judgement, 16. November 1998, para. 1213 f.: „In respect of the International Tribunal, Article 24(2) of the Statute provides that the gravity of the offence and the individual circumstances of the convicted person shall be taken into account in imposing sentences ... It is in this regard that the evidence of the Prosecution and the Defence becomes relevant. Whereas the Prosecution is entitled to lead all relevant evidence that may assist the Trial Chamber in determining an appropriate sentence in the event that the accused is found

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Bestätigt wird die Annahme des ICC-Statuts und der ICC-RPE, dass im Fall des Schuldeingeständnisses (guilty plea) eine Trennung der Verfahren nicht mehr nötig sei. Denn endet ein Verfahren vor den Ad-hoc-Gerichtshöfen mit dem Schuldeingeständnis, ordnet der Richter einen weiteren Termin für eine Strafzumessungsanhörung (sentencing hearing) an, 215 in der dann wiederum strafzumessungsrelevante Informationen durch die Parteien vorgebracht werden können. 216 Diese Verfügung macht das Verfahren nicht zweiaktig, da eine über die § 62bis ICTY-RPE bzw. § 62 Abs. B ICTR-RPE hinausgehende Auseinandersetzung mit der Tat des Angeklagten nicht stattgefunden hat. Somit greifen die Regelungen von ICC-Statut und ICC-RPE auf in den Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe Belegtes und rechtspraktisch Bewährtes zurück. Die Möglichkeit, Strafwürdigkeit und Strafe entweder in einem Verfahren oder in zwei Verfahren herzustellen, wird der Komplexität der Entscheidung und der Entscheidungssituation gerecht. Da keine Zweifel offen bleiben, ist eine weitere Betrachtung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hinfällig. 2. Richtlinienurteile Wie schon im ICC-Statut und der ICC-RPE finden sich auch in den Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe keine ausdrücklichen Hinweise zur Vereinheitlichung der Strafzumessung durch Richtlinienurteile, sie finden sich jedoch in der Spruchpraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe. Die Spruchpraxis belegt zwar keine Richtlinienurteile im eigentlichen Sinne, enthält aber Hinweise auf die mögliche Berücksichtigung von Strafmustern, die durch eine steigende Zahl von Urteilen und damit auch von vergleichbaren Umständen von Straftat und Straftäter entstehen können. 217 Strafmuster bilden insofern den Kern von Richtlinienurteilen, als Richtlinienurteile Strafmuster um weitere Hinweise auf zu berücksichtigenguilty on one or more of the charges in the Indictment, it is expected to observe the fundamental principle of the presumption of innocence to which the accused is still entitled until convicted. On the other hand, the Defence is presumed in its evidence in mitigation to assume that the accused has been found guilty of the offence. This is a very curious situation in which to place the Trial Chamber, which should avoid any prejudicial factors likely to affect the case of an accused presumed to be innocent. It is, in such a situation, somewhat complex to maintain the delicate balance between observance of the full rights of the accused, and the enforcement of the procedural rules relating to sentencing before conviction. The Trial Chamber is expected to disabuse from its consideration all prejudicial evidence in aggravation or mitigation, which would affect its determination of the guilt or innocence of the accused person.“ 215 §§ 62 Ziff. (vi) i.V. m. 62bis ICTY-RPE bzw. § 62 Abs. A Ziff. (v), Abs. B ICTRRPE. 216 Siehe § 100 Abs. A ICTY-RPE bzw. § 100 Abs. A ICTR-RPE. 217 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 757.

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de Strafzumessungsumstände ergänzen. Muster oder Richtlinienurteile entfalten keine direkte Bindung. In der Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe wird dementsprechend darauf hingewiesen, dass die Kammern ein Muster zwar zur Kenntnis nehmen müssten, sie aber dadurch nicht gebunden seien, was sich bereits bei der vertikalen Strafstruktur gezeigt hat. 218, 219 Der unbestimmte Wortlaut des ICC-Statuts trifft somit auf Belege in den Quellen des Völkergewohnheitsrechts, die Richtlinienurteile in einem völkerstrafrechtlichen Kontext möglich erscheinen lassen. 3. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien Wie schon in ICC-Statut und ICC-RPE finden sich in den Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe keine ausdrücklichen Ausführungen zu Strafzumessungskommissionen. Anders als die neutralen Aussagen des ICC-Statuts und der ICC-RPE belegen die Urteile aber ausdrücklich, dass die Ad-hoc-Gerichtshöfe Strafzumessungsrichtlinien ablehnen (womit sich die Urteile auch implizit gegen Strafzumessungskommissionen wenden, die die Strafzumessungsrichtlinien erlassen müssten). Äußert sich in Furundžija die Kammer zweiter Instanz zu möglichen Strafzumessungsrichtlinien insofern noch positiv, als sie diese generell für hilfreich erachtet, aber im konkret zu entscheidenden Fall keine Veranlassung sieht, eine solche Richtlinie zu erlassen, 220 so fällt die Haltung in der Entscheidung in Muci´c et al. schon deutlich ablehnender aus. 221 Es wird argumentiert, dass eine abschließende Liste von Strafzumessungsprinzipien dem beachtlichen, wenn auch nicht unbegrenzten Ermessen des Gerichts entgegenstehen würde, dieses weite Ermessen aber berechtigt sei, weil die Strafe nicht nur der besonderen Schwere der konkreten Tat, sondern auch den individuellen Umständen des Verurteilten anzupassen sei. 222 Nach Auffassung der Kammer ist der Strafzumessungsvorgang also zu sehr an den Einzelfall gebunden, 223 um in eine einheitliche Strafzumessungsrichtlinie gepresst werden zu können, und 218 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 719 ff. und para. 757. 219 Siehe zu den Überlegungen bezüglich einer Strafzumessungsrichtlinie für die Adhoc-Gerichtshöfe in der Sekundärliteratur Meernik / King, LJIL 16 (2003), S. 748 f.; Danner, Va. L. Rev. 87 (2001), S. 442; Keller, Ind. Int.l. & Comp. L. Rev. 12 (2001), S. 66. 220 Vgl. Furundžija, IT-95-17/1-A, „Lašva Valley“, Appeals Chamber, Judgement, 21. July 2000, para. 238. 221 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 715 ff. 222 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 717. 223 Siehe zur „Individualisierung“ auch Blaški´c, IT-95-14-T, „Lašva Valley“, Trial Chamber I, Judgement, 3. March 2000, para. 765; Akayesu, ICTR-96-4-S, Sentence, 2. October 1998, para. 20: „It is a matter, as it were, of individualising the penalty.“;

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

zudem ausreichend bestimmt durch die gesetzlichen Vorgaben der Art. 24 ICTYStatut und § 101 ICTY-RPE. 224 Die neutrale Haltung von ICC-Statut und ICC-RPE wird durch die im Völkergewohnheitsrecht belegte Ablehnung der Strafzumessungsrichtlinien und damit auch der sie erlassenden Strafzumessungskommissionen konkretisiert. Dementsprechend kann das ICC zur Vereinheitlichung der Strafe nicht auf die Bildung von Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien zurückgreifen. 4. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) Sind damit die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess in den Rechtsquellen belegt, können sie aber nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie auch mit höherrangigem Recht übereinstimmen. Dies sind insbesondere die Menschenrechte und (sonstige) Normen mit Jus-cogens-Charakter. Da die Schaffung von Strafzumessungskommissionen und vor allem Strafzumessungsrichtlinien in den Rechtsquellen abgelehnt wurde, bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Überprüfung. Ebenfalls keiner Überprüfung bedürfen die Richtlinienurteile, da sie rechtlich wie sonstige Urteile zu bewerten sind. Sonstige Urteile begründen aber – abgesehen von hier nicht relevanten Verletzungen von materiellen oder formellen Rechten im konkreten Fall – grundsätzlich keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Die Unschuldsvermutung, wie sie in Art. 6 Abs. 2 der EMRK und Art. 14 Abs. 2 IPBPR verankert ist, steht einem einaktigen Verfahren nicht entgegen, da die Umstände, die der Strafzumessung dienen, nicht vom Schutzbereich der Unschuldsvermutung erfasst werden. Die Unschuldsvermutung umfasst nur die Schuld des Strafbarkeitsfalls, nicht aber die Strafe. 225 Die Europäische Menschenrechtskommission und der Europäische Gerichtshof geben dem Begriff der Unschuldsvermutung keine „autonome“ Bedeutung, sondern legen ihn anhand der bestehenden, weithin geübten Praxis der einaktigen Verfahren im Anwendungsgebiet der EMRK aus, so dass die Übung dieser Staaten keine Verletzung der Unschuldsvermutung darstellen kann. 226 Die sich nachträglich als unnötig Rutaganda, ICTR-96-3-T, Trial Chamber, Judgement and Sentence, 6. December 1999, para. 457. 224 ˇ Vgl. Muci´c et al., IT-96-21 „Celebi´ ci Camp“, Appeals Chamber, Judgement, 20. February 2001, para. 715. 225 Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 6 MRK / Art. 14 IPBPR, Rn. 128. 226 Vgl. näher Safferling, International Criminal Procedure, S. 270.

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herausstellende Offenlegung von Details über den Täter und sein Leben können diesen aber in seinem Recht auf Privatsphäre, wie es in Art. 8 EMRK und Art. 17 IPBPR niedergelegt ist, beeinträchtigen. 227 Danach genießt jede Person ein Recht auf Privatsphäre. 228 Jedem steht ein Freiheitsraum zu, in welchem er seine Persönlichkeit frei entfalten kann und deshalb Eingriffe des Staates abwehren können muss. Der Angeklagte ist als Person Träger dieses Rechtes. Allerdings ist schon fraglich, ob durch einen einaktigen Strafprozess überhaupt in den Schutzbereich des Rechts eingegriffen wird, da der Angeklagte durch das Prozessrecht nicht gezwungen wird, Informationen aus seinem privaten Lebensbereich kundzutun. Tut er es dennoch, so hat er auf sein Recht verzichtet. Selbst wenn man zugunsten des Angeklagten im einaktigen Strafprozess eine Zwangssituation sehen würde, die einen Eingriff begründen könnte, so wäre dieser Eingriff aber eben durch die materiellen rechtlichen Regelungen des Strafprozessrechts gerechtfertigt.

C. Zusammenfassung Das eigene Recht des ICC wird durch das abgeleitete Recht des Völkervertragsund Völkergewohnheitsrechts ergänzt. Belegt werden kann das Völkergewohnheitsrecht anhand von Statuten und Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe. I. Die Strafbemessung der Ad-hoc-Gerichtshöfe setzt sich aus Haupt- und Nebenstrafen zusammen. Als Hauptstrafe zählt einzig die Freiheitsstrafe, die zeitig oder lebenslang verhängt werden kann. Zeitige Freiheitsstrafen wurden von dem ICTY bis zu einer Dauer von 40 Jahren und vor dem ICTR bis zu einer Dauer von 45 Jahren verhängt. II. Die Statuten und die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe belegen folgende Aussagen zu den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung: 1. Konnten schon dem ICC-Statut und der ICC-RPE Hinweise auf retributive und präventive Straftheorien entnommen werden, so bestätigen und konkretisieren sich diese in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe. Dort wird die Rechtfertigung der Strafe durch die vergeltende Straftheorie des „just deserts“ dominiert, die überwiegend als kommunikativer Retributivismus verstanden wird. Begleitet wird sie von der abschreckenden Prävention der „individual deterrence“ und „general deterrence“ und der positiven Generalprävention, die aber nach der Rechtsprechung alle erst nach der Vergeltung zu berücksichtigen sind. Damit deutet sich eine Rangfolge der Straftheorien an, nach der die Straftheorie des „just deserts“ vor allen anderen Straftheorien zur Anwendung kommt. Einzig die negative sichernde Spezialprävention bzw. die „protection of society“ scheint diese 227 228

Vgl. Safferling, International Criminal Procedure, S. 270. Vgl. Gollwitzer, in: MRK / IPBPR-Kommentar, Art. 8 MRK / Art. 17 IPBPR, Rn. 1.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Rangfolge durchbrechen zu können, da sie nicht hinter die Straftheorie des „just deserts“ zurücktreten muss. Hingegen muss die positive Spezialprävention in der Form der „rehabilitation“ trotz ihrer Bedeutung innerhalb der Menschenrechtsinstrumente dieser Welt ebenfalls hinter die Just-deserts-Theorie zurücktreten. Eine dominierende Rolle kommt ihr aber im Rahmen der Strafvollstreckung zu, wie der Verweis im ICC-Statut und in der ICC-RPE zeigt. Auch wenn nun erste Rangverhältnisse spezifiziert werden können, so muss die Rechtquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Rangfolge und Gewichtung untersucht werden, um die Aussagen der Straftheorien für eine einheitliche Strafzumessung fruchtbar zu machen. 2. Das abgeleitete Recht der Ad-hoc-Gerichtshöfe gibt, wie schon das eigene Recht des ICC, keinen weiteren handfesten Aufschluss über anzuwendende Strafzumessungstheorien. Wie schon im eigenen Recht des ICC lassen sich den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe Hinweise auf eine bei der Strafzumessung vorzunehmende Methode entnehmen: Auch hier wird die Strafentscheidung zunächst anhand der Strafbestimmung zur Legitimation und Begrenzung des Strafzumessungsermessens vorgenommen (Grenzen der Strafbemessung). Neu ist, dass diese Überlegungen durch den Bezug auf die Straftheorien ergänzt werden, die aber in den Urteilen abstrakt bleiben (Straftheorienbestimmung). Auch eine Bestimmung des Strafwerts findet statt. Dazu werden die Bezugspunkte der Strafe (Schwere der Tat und persönliche Verhältnisse des Straftäters) durch allgemeine und besondere Strafzumessungsumstände ergänzt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Tatschwere (Strafwertbestimmung). Daran schließt sich der Versuch an, durch den Bezug auf die Strafnormen des Konfliktstaates Anhaltspunkte für die folgende Strafzumessung und den Einstieg in den Strafrahmen zu gewinnen (Strafrahmenwahl). Ist damit letztlich die Strafwürdigkeit festgezurrt, so wird die konkrete Strafe durch Zuhilfenahme bereits ergangener Urteile begründet und verkündet (Strafumfangswahl). Sonstige Strafzumessungsentscheidungen schließen sich an (sonstige Strafentscheidung). Die Strukturen der Strafzumessungsmethode der Ad-hoc-Gerichtshöfe und der Strafzumessungsmethode im ICC-Statut und ICC-RPE weisen damit Gemeinsamkeiten auf. Diese Gemeinsamkeiten haben ihren Ursprung im Einklang und in der Handhabbarkeit der Strafentscheidung und sind unabhängig vom Sanktionssystem. Dies erlaubt, die Arbeitsschritte zusammenzuführen. Eine weiteren Konkretisierung der Arbeitsschritte in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze steht freilich noch aus. 3. In den Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe bestimmt sich die Strafe gleichwertig nach der Schwere der Tat und nach den persönlichen Verhältnissen des Täters. Allerdings legt die Rechtspraxis den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Tatschwere, die als „litmus test“ der Strafzumessung bezeichnet wird. Im Zusammenspiel der Rechtsquellen müssen vor dem ICC die Schwere der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Täters als Grundlage der Strafe gelten.

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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Stärkeren Rückhalt findet die Strafe in der Schwere der Tat, da Strafe auch immer reale Reaktion auf die Straftat ist. 4. Die Konkretisierung der Bezugspunkte der Strafe erfolgt in den Statuten und den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe, wie schon beim eigenen Recht des ICC, durch tat- und täterbezogene Strafzumessungsumstände. Die Tatumstände sind vor dem Hintergrund der Strafpraxis der Konfliktstaaten durch allgemeine und besondere Strafzumessungsumstände weiter qualifiziert. Die allgemeinen Strafzumessungsumstände werden durch die Schwere der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten geprägt. Die Schwere der Tat wird durch die Tathandlung (diese durch die Natur der Straftat, die Umstände der Begehung und das Maß der Pflichtwidrigkeit) und die Tatfolgen (diese durch die Auswirkung auf das Opfer) bestimmt. Die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten werden durch dessen individuelle Situation ausgefüllt, der aber an dieser Stelle in den Urteilen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die besonderen Strafzumessungsumstände lassen sich auch hier in strafmildernde und strafschärfende unterteilen. Strafmildernde Umstände können im Tatverhalten begründet sein (insbesondere durch die Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit), sich aus dem Nachtatverhalten ergeben (insbesondere durch eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht sowie der Wiedergutmachung), in einem (eigentlich) guten Charakter liegen oder sich schließlich durch die individuellen Umstände des Verurteilten bedingen. Strafschärfende Umstände ergeben sich aus einer diskriminierenden Tatbegehung, dem Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung, den besonderen Umständen der Begehung und den besonderen Folgen der Straftat. Damit zeigt das Zusammenwirken des eigenen Rechts des ICC mit dem abgeleiteten Recht des Völkergewohnheitsrechts ein einheitliches Bild relevanter Fallgruppen von Strafzumessungsumständen auf. Es sind sowohl straftat- als auch straftäterbezogene Umstände bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt deutlich auf den tatbezogenen Strafzumessungsumständen. Anhand dieser scheint eine Evaluierung der Strafwürdigkeit und des Strafwerts am besten zu gelingen. Dennoch dürfen täterbezogene Umstände nicht unbeachtet bleiben, da die Strafe zu individualisieren ist. Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsumstände kommen folgende Fallgruppen zum Tragen: (1) Schwere der Tat (a) Tathandlung (aa) Natur der Straftat (bb) Umstände der Begehung (cc) Maß der Pflichtwidrigkeit (b) Tatfolgen Auswirkung auf das Opfer

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(2) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten (a) Wirkung der Strafe (b) Rehabilitation Diese werden durch weitere besondere Strafzumessungsumstände ergänzt. Dabei gilt der Grundsatz, dass die strafmildernden Umstände täterbezogen und die strafschärfenden Umstände tatbezogen sind. Es sind immer besondere, über den Grad des Allgemeinen hinausgehende Umstände, die eine Fallgruppe prägen können. Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild der Fallgruppen: (1) Strafmildernde Umstände (a) Tatverhalten Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (b) Nachtatverhalten (aa) Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht (bb) Wiedergutmachung (cc) Guter Charakter (dd) Individuelle Umstände des Verurteilten (2) Strafschärfende Umstände (a) Vorstrafen (b) Diskriminierende Tatbegehung (c) Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung (d) Besondere Umstände der Begehung Grausamkeit der Ausführung (e) Besondere Folgen der Straftat (f) Vergleichbare Umstände Die Auswahl und Berücksichtigung der einzelnen Umstände liegt im Ermessen des Gerichts. Die Auflistung der strafmildernden und strafschärfenden Umstände ist beispielhaft; sie kann durch das Gericht entsprechend des Strafzumessungsfalls erweitert werden. Strafschärfend dürfen aber nur solche weiteren Umstände berücksichtigt werden, deren Unwertgehalt mit den schon gelisteten Umständen vergleichbar ist. Auch belegen die Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe hinreichend, dass die Strafzumessungsumstände entsprechend einem Charged-offense-Ansatz dem Zusammenhang mit der angeklagten Straftat zu entnehmen sind. Es ist zwischen belastenden und nicht belastenden Umständen zu unterscheiden. Erstere dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der angeklagten Straftat stehen, zweifellos im Sinne eines „beyond reasonable doubt“ bewiesen sind und der Angeklagte von ihrer Berücksichtigung Kenntnis hat. Letztere können auch aus nicht direkt in Zusammenhang mit der Klage ste-

6. Kap.: Völkergewohnheitsrecht

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henden Umständen entnommen werden und müssen nur mehr wahrscheinlich als unwahrscheinlich im Sinne einer „balance of probabilities“ sein. Auch kann nunmehr insofern ein Doppelverwertungsverbot dingfest gemacht werden, als Tatumstände, die bereits Teil des Straftatbestandes sind, nicht noch einmal berücksichtigt werden dürfen oder Tatumstände nur einmal als allgemeine oder besondere Strafzumessungsumstände verwertet werden dürfen. Damit werden die für die Strafzumessung relevanten Fallgruppen von Strafzumessungsumständen, mit deren Hilfe eine handhabbare und damit einheitlichere Strafzumessung möglich ist, benannt und konkretisiert. 5. Die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe belegen, dass die Spruchpraxis zwischen der Rechtsqualität der Kernverbrechen unterscheidet. Mit der Unterscheidung ist auch die Bildung einer horizontalen Strafstruktur möglich. Diese Struktur muss zwischen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unterscheiden. Einzelheiten, wie sich diese Unterscheidung in der Strafstruktur widerspiegeln könnte, sind nicht geklärt. Trotz der Skepsis der Ad-hoc-Gerichtshöfe gegenüber einem Vergleich von Fällen belegen die Urteile die Notwendigkeit einer vertikalen Strafstruktur. Einzelheiten bleiben auch hier offen, so dass Antworten in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze gesucht werden müssen. Die Frage nach dem Einstieg in den Strafrahmen bleibt ebenfalls ungelöst. 6. Die im ICC-Statut und in der ICC-RPE vorgesehene Herangehensweise, alternativ nach dem Antrag der Parteien zu Schuld und Strafe in einem Verfahren oder in zwei Verfahren zu verhandeln, spiegelt die Erfahrung der Adhoc-Gerichtshöfe wider. Denn wurde zunächst eine Trennung der Verfahren betrieben, so müssen die Parteien nunmehr schon im Verfahren über Schuld oder Unschuld, spätestens in ihrem Schlussplädoyer, zu Strafzumessungsfragen Stellung nehmen. Die Spruchpraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe zeigt, dass beide Verfahren rechtswirksam und rechtspraktisch betrieben werden können. Bestätigt wird auch die Annahme des ICC-Statuts und der ICC-RPE, dass im Fall eines Schuldeingeständnisses eine Trennung der Verfahren nicht mehr nötig ist. Die im ICC-Statut und in der ICC-RPE ausgereifte und durch die Statuten und Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe bestätigte Regelung zur Berücksichtigung strafzumessungsrelevanter Informationen im Strafprozess durch die Herstellung der Strafbarkeit und Strafe in einem oder zwei Verfahren erlaubt es, die Betrachtung mit dem Beleg im Völkergewohnheitsrecht zu beenden. Eine Konkretisierung in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze ist nicht mehr nötig. 7. Mangelt es auch an direkten Hinweisen in Statuten und Urteilen der Adhoc-Gerichtshöfe auf Richtlinienurteile, so wird aber die mögliche Berücksichtigung von Strafmustern belegt. Strafmuster bilden aber den Kern eines Richtlinienurteils. Dazu passt ins Bild, dass die Kammern ein Muster zwar zur Kenntnis nehmen müssen, dadurch aber nicht gebunden sind. Auch durch Richtlinienurteile erfolgt keine Bindung. Alles in allem belegen die Urteile, dass Richtlini-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

enurteile auch im völkerstrafrechtlichen Kontext möglich sind. Als möglicher Mechanismus sollten sie daher ins Auge gefasst werden. 8. Wurden Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien im ICC-Statut und in der ICC-RPE weder positiv noch negativ bewertet, so verwerfen die Urteile der Ad-hoc-Gerichtshöfe diesen möglichen Mechanismus einer einheitlichen Strafzumessung. Für die Rechtsprechung stehen Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien dem Strafzumessungsermessen und damit der Individualisierung der Strafe entgegen. Mangels einer Anordnung im eigenen Recht des ICC und aufgrund der belegten Ablehnung im Völkergewohnheitsrecht kann auch das ICC zur Vereinheitlichung der Strafe nicht auf die Bildung von Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien zurückgreifen. Eine weitere Suche in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze ist damit hinfällig.

7. Kapitel

Allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) ICC-Statut) Das eigene und abgeleitete Recht des ICC wird ergänzt oder komplementiert durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze lassen sich in der Rechtsordnung und Rechtspraxis nationaler Rechtsordnungen belegen. Genauer bestimmt werden sie hier aus dem Vergleich zwischen den wichtigsten Rechtsordnungen der kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsfamilie auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung. Zunächst werden die gemeinsamen Prinzipien herausgearbeitet und dann ihre Übertragung in das Völkerstrafrecht sowie ihre Übereinstimmung mit höherrangigem Recht untersucht (dazu später unter B.). Damit die Rechtsvergleichung gelingen kann, bedarf es zunächst eines Überblicks über die Sanktionssysteme und Strafbemessungen der bereits ausgesuchten kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsordnungen (dazu sogleich unter A.).

A. Sanktionssysteme und Strafbemessung Ein erster Überblick über die Sanktionssysteme wurde bereits im 4. Kapitel gegeben. Es ist daher legitim, die Darstellung der Sanktionssysteme vor allem auf die Strafbemessung zu konzentrieren.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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I. Rechtsordnung von Deutschland Regelungen zur Strafzumessung finden sich im dritten Abschnitt „Rechtsfolgen der Tat“ des Allgemeinen Teils des StGB und in den speziellen Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB, aber auch in den Nebenstrafgesetzen wie dem VStGB. Das deutsche StGB hält ein zweizügiges Sanktionssystem vor, welches zwischen „Strafen“ und den (ihrer Natur nach rein polizeilich-präventiven) „Maßregelungen der Besserung und Sicherung“ unterscheidet. 1 Der erste bis fünfte Titel des StGB enthält die wesentlichen Regelungen zu den Strafen, der sechste Titel jene zu den Sicherungsmaßnahmen. 2 Im Mittelpunkt des Sanktionssystems des StGB stehen bei einer Kriminalität von einigem Gewicht die Hauptstrafen der Geld- und die Freiheitsstrafe und bei Soldaten der Strafarrest, 3 die durch eine Nebenstrafe, weitere Nebenfolgen und Maßnahmen ergänzt werden können. 4 Die Geldstrafe wird im StGB neben der Freiheitsstrafe angedroht. 5 Dennoch wird die Geldstrafe grundsätzlich nur alternativ und nicht kumulativ zur Freiheitsstrafe verhängt (Verbot der Doppelbestrafung). 6 Eine Ausnahme besteht für den Fall der Bereicherung des Straftäters durch die Straftat. Dann können – ähnlich den Regelungen im ICC-Statut – beide Strafen im Rahmen der schuldangemessenen Strafe kumulativ verhängt werden. 7 Berechnet wird die Geldstrafe nach einem Tagessatzsystem. 8 Ist die Geldstrafe uneinbringlich, wird an ihrer Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. 9 1

Vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 4. Vgl. generell zum Aufbau des StGB Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 97 ff. 3 Am unteren Rand der Kriminalität werden diese durch die weiteren Sanktionen „Absehen von Strafe“ (§ 60 StGB) und die „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ (§ 59 ff. StGB) ergänzt; vgl. dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 45 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 72 ff., Rn. 132 ff. 4 Zu nennen sind als Nebenstrafe das Fahrverbot (§ 44 StGB; vgl. dazu näher Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 154 ff., Rn. 288 ff. m.w. N; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 98 ff., Rn. 305 ff.); als Nebenfolge die Verwirkung bestimmter Rechte (§ 45 ff. StGB; vgl. dazu näher Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 159 ff., Rn. 298 ff. m.w. N.) und die Bekanntgabe der Verurteilung (§§ 165, 200 StGB); und als Maßnahme (vgl. auch § 11 Nr. 8 StGB) der Verfall und die Einziehung der deliktischen Bereicherung (§ 73 ff. StGB; vgl. dazu näher Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 162 ff., Rn. 304 ff. m.w. N.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 72 ff., Rn. 240 ff.). 5 Vgl. auch Art. 12 Abs. 1 S. 1 EGStGB. 6 Vgl. Art. 12 Abs. 3 EGStGB; näher zu den Anwendungsbereichen der Geldstrafe Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 57 ff. m.w. N. 7 Vgl. § 41 StGB; dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 41, Rn. 1 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 68, Rn. 124; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 69 ff., Rn. 214 ff. 8 Nach dem Tagesatzsystem darf die Geldstrafe wenigstens fünf, jedoch für Einzelstrafen nicht mehr als 360 bzw. für Gesamtstrafen nicht mehr als 720 Tagessätze betra2

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Die (primäre) Freiheitsstrafe wird zeitig oder lebenslang verhängt. Dabei muss die lebenslange Freiheitsstrafe ausdrücklich im Gesetz benannt werden, ansonsten droht das Gesetz nur eine zeitige Freiheitsstrafe an. 10 Das Mindestund Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ergibt sich grundsätzlich aus den Strafbestimmungen der einzelnen speziellen Straftatbestände. Die Strafrahmen der Grunddelikte werden durch entsprechend gesteigerte bzw. abgemilderte eigenständige Strafrahmen der Qualifizierungs- und Privilegierungstatbestände ergänzt (benannte Strafänderungsgründe). 11 Daneben finden sich mit den „besonders schweren Fällen“ mit und ohne Regelbeispiel 12 und den „minder schweren Fällen“ vermehrt unbestimmte Strafrahmenverschiebungen, die insbesondere auf eine Einzelfallbetrachtung von Erfolgs- und Handlungsunrecht zurückgehen. 13 Anstelle dieser Regelstrafrahmen (und in Konkurrenz zu den minder schweren Fällen und den besonders schweren Fällen) 14 können aber vertypte Milderungsgründe gemäß § 49 Abs. 1 und 2 StGB zu zwingenden oder fakultativen Limitierungen des Strafrahmens und damit zu Sonderstrafrahmen führen. 15 Ferner gen (vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 40, Rn. 2 ff.). Dementsprechend kommt bei einer der Straftat angemessenen Strafe von über einem Jahr nur eine Freiheitsstrafe in Frage (§ 40 Abs. 1 StGB und § 54 Abs. 2 S. 2 StGB; vgl. dazu näher Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 25, Rn. 78). Bei der Bestimmung der Höhe der Tagessätze sind neben allen Umständen der Schuld (46 Abs. 2 S. 2 StGB) insbesondere die persönliche und wirtschaftliche Situation des Verurteilten zu beachten (§ 40 Abs. 2 StGB; vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 40, Rn. 8 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 63 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 61 ff., Rn. 107 ff.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 30 ff., Rn. 79 ff.). Die Tagessätze dürfen einen Euro nicht unterschreiten und 5000 Euro nicht überschreiten (§ 40 Abs. 1 S. 3 StGB). Die Geldstrafe wird als Gesamtbetrag der zu zahlenden Strafe berechnet, der grundsätzlich in einem fällig ist, auch wenn Zahlungserleichterungen gewährt werden können (§ 42 StGB; vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 42, Rn. 1 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 66 f.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 66 ff., Rn. 119 ff.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 30 f., Rn. 94 ff.). 9 Vgl. § 43 StGB; vgl. näher dazu und zu den Alternativen Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 70 f.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 31 f., Rn. 98 ff. 10 Vgl. § 38 Abs. 1 StGB. 11 Vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 42 ff. m.w. N. 12 Vgl. näher zu den Regelbeispielen Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 44a ff. m.w. N. 13 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 46 ff. m.w. N.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 186, Rn. 497 und S. 236 ff., Rn. 573 ff.; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 827 ff. 14 Vgl. § 50 StGB; zum Verhältnis zwischen vertypten Milderungsgründen und dem „minder schweren Fall“ oder „besonders schweren Fall“ ausführlich Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 193 ff., Rn. 512 ff.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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kann eine Strafrahmenverschiebung aufgrund von Tateinheit und Gesetzeskonkurrenz auftreten. 16 Fehlen besondere gesetzliche Regelungen, so ergeben sich die gesetzlichen Grenzen der Strafbemessung aus dem Allgemeinen Teil des StGB und dort aus § 38 Abs. 2 StGB, der ein Mindestmaß von einem Monat und ein Höchstmaß von 15 Jahren zulässt. 17 Diese Grenze für die Einzelstrafe gilt grundsätzlich auch für die Gesamtstrafenbildung. 18 Berechnet wird die zeitige Freiheitsstrafe unter einem Jahr in vollen Wochen und Monaten, über einem Jahr in vollen Monaten und Jahren. 19 Eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten darf nur in Ausnahmefällen als Ultima Ratio verhängt werden. 20 Die zeitige Freiheitsstrafe bis zu einem bzw. zwei Jahren kann aus Gründen der Spezialprävention unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden. 21 Dabei steht es im Ermessen des Gerichts, dem Verurteilten Auflagen und Weisungen zu machen. 22 Die Bewährungszeit steht im Ermessen des Gerichts und darf weder zwei Jahre unterschreiten noch fünf Jahre überschreiten. 23 Erfolgt kein Widerruf der Strafaussetzung, 24 so erlässt das Gericht die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit. 25 Die lebenslange Freiheitsstrafe wird in den Strafbestimmungen der speziellen Straftatbestände sowohl alleine als auch wahlweise neben der zeitigen Freiheitsstrafe angedroht. 26 Nach Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG stellt sie in Deutschland die schwerste Strafart dar und ist im Gesetz für besonders schwe15 Vgl. dazu im Einzelnen Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 185, Rn. 496 und S. 189 ff., Rn. 505 ff. (eine Milderungstabelle zu § 49 Abs. 1 StGB findet sich auf S. 190 f., Rn. 506). 16 Vgl. dazu im Einzelnen Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 186 ff., Rn. 498 ff. 17 Vgl. näher dazu Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 38, Rn. 4 f. 18 Vgl. § 54 Abs. 2 S. 2 StGB. Dies kann ausnahmsweise anders sein, wenn mehrere Gesamtstrafen zusammen gebildet (vgl. BGHSt 43, 216) oder mehrere Freiheitsstrafen ohne Gesamtstrafenbildung (vgl. BGHSt 33, 368 f.) nacheinander vollstreckt werden; vgl. zu diesen eher seltenen Ausnahmen Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 80. 19 Vgl. § 39 StGB; näher dazu Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 39, Rn. 1 ff. 20 Vgl. § 47 StGB; vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 81 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 76 f., Rn. 139 ff. m.w. N.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 35 ff., Rn. 110 ff. 21 Vgl. § 56 StGB; dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 95 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 78 f., Rn. 145 ff. m.w. N.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 40 ff., Rn. 126 ff. m.w. N. 22 Vgl. § 56b StGB und § 56c StGB. 23 Vgl. § 56a StGB. 24 Vgl. § 56f StGB. 25 Vgl. § 56g StGB; näher dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 96 ff., Rn. 182 ff. m.w. N. 26 Vgl. z. B. § 211 StGB einerseits und §§ 251, 306c StGB andererseits.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

res Unrecht vorbehalten. 27 Dabei kann zwischen einer „normalen“ lebenslangen Verurteilung und einer „qualifizierten“ lebenslangen Verurteilung mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gemäß 57a I Nr. 2 StGB unterschieden werden. 28 Nicht zuletzt zur Wahrung der Menschenwürde des Verurteilten muss zwar bei beiden Formen der lebenslangen Freiheitsstrafe eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Aussicht des Verurteilten auf spätere Freiheit bestehen; 29 allerdings soll nach dem BVerfG die tatsächliche lebenslange Vollstreckung nicht zwingend gegen die Menschenwürde verstoßen. 30 § 57a StGB oder ein stattgegebendes Gnadengesuch können zur vorzeitigen Haftentlassung führen. 31 Da die Gründe für die Entlassung aber im Ermessen der Strafvollstreckungsgerichts bzw. des Bundespräsidenten stehen, hat sich die absolute Strafe des lebenslangen Freiheitsentzugs in eine relative Strafe von unbestimmter Dauer verwandelt. 32 Sowohl bei der zeitigen als auch der lebenslangen Freiheitsstrafe kann der Strafrest aus Erwägungen der Resozialisierung und Wiedereingliederung mit Einwilligung des Verurteilten (Einwilligungserfordernis) 33 zur Bewährung ausgesetzt werden, sofern denn nicht Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit einer Aussetzung der Strafe entgegenstehen (Sicherheitserfordernis). 34, 35 Bei der zeitigen Freiheitsstrafe kann die Aussetzung nach einer Mindestverbüßungsdauer von zwei Dritteln der verhängten Strafe, bei der jedoch mindestens zwei Monate verbüßt sein müssen (Zweidrittelaussetzung), 36 oder aber bei Erststrafen von nicht mehr als zwei Jahren schon nach der Hälfte der verhängten Strafe, von der jedoch mindestens sechs Monate verbüßt sein müssen (Halbstrafenaussetzung), 37 geschehen. Dabei steht die konkrete Bewährungszeit im Ermessen der Strafvollstreckungskammer, darf aber weder zwei Jahre unter- noch fünf 27

Vgl. §§ 211, 251, 306c StGB. Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 77, Rn. 142. 29 Vgl. BVerfGE 45, 187 (222 ff.). 30 Vgl. BVerfGE 72, 105 (116); siehe dazu auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 77 f., Rn. 143 f. m.w. N. 31 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 87. 32 Freilich ist die Dauer nicht gänzlich unbestimmt, da nach der Rechtsprechung des BVerfG auch bei einer zunächst ablehnenden Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts die voraussichtliche Restdauer der noch verbleibenden schuldangemessenen Strafe verkündet werden muss (BVerfGE 86, 288 (310 ff.)). 33 Vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB. 34 Vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 57a Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB. 35 Vgl. §§ 57, 57a StGB. 36 Vgl. § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB; vgl. dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 125 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 123 ff., Rn. 230 ff. m.w. N. 37 Vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB; vgl. dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 128 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 127 ff., Rn. 238 ff. m.w. N. 28

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Jahre überschreiten. 38 Bei der lebenslangen Freiheitsstrafe kann die Aussetzung frühestens nach 15 Jahren erfolgen, wenn durch das Schwurgericht nicht die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde bzw. trotz dieser Feststellung die Strafvollstreckungskammer die weitere Vollstreckung für nicht geboten hält (Gebotenheitsanforderung). 39 Die Bewährungszeit beträgt hierbei zwingend fünf Jahre. 40, 41 Das VStGB droht als Hauptstrafe den lebenslangen oder zeitigen Freiheitsentzug an. Der deutschen Strafrechtsdogmatik folgend, enthält jeder Straftatbestand eine gesonderte Strafdrohung. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist immer ausdrücklich im VStGB angedroht und zwar entweder allein oder neben der zeitigen Freiheitsstrafe. Die Auswahl der einen oder der anderen Strafart obliegt dem Strafrichter. Dabei ist die lebenslange Freiheitsstrafe den schwersten Völkerverbrechen vorbehalten, die zumeist durch die Tötung eines Menschen gekennzeichnet sind. 42 Hingegen wird die zeitige Freiheitsstrafe in Strafrahmen zugemessen, deren Mindest- und Höchststrafe sich entweder direkt aus dem Straftatbestand oder für den Fall, dass nur eine Mindeststrafe genannt ist, aus dem Verweis gemäß § 2 VStGB i.V. m. § 38 Abs. 2 StGB ergibt, der die Höchststrafe auf 15 Jahren festlegt. Dabei ist die Strafbemessung recht breit gefächert, da es im VStGB zu zahlreichen Straftatbestandsverschiebungen bzw. Strafrahmenverschiebungen aufgrund qualifizierender und mildernder Umstände kommt. Mindeststrafen lassen sich in Höhe von zehn, 43 fünf, 44 drei, 45 zwei Jahren, 46 einem Jahr 47 und sechs Monaten 48 finden, die meist von der allgemeinen Höchst38

Vgl. § 57 Abs. 3 i.V. m. § 56a StGB. Vgl. § 57a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB; vgl. dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 132 ff., Rn. 246 ff. m.w. N. 40 Vgl. § 57a Abs. 3 S. 1 StGB. 41 Siehe zu sonstigen Formen der Strafaussetzung Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 137 ff., Rn. 259 ff. m.w. N. 42 Vgl. § 6 Abs. 1 VStGB; § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VStGB; § 7 Abs. 3 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 2 – 6, Abs. 4 VStGB; § 11 Abs. 1 Nr. 1 –6, Abs. 2 S. 2 VStGB; § 12 Abs. 1 und 2 S. 2 VStGB. 43 Vgl. z. B. § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 VStGB; § 11 Abs. 1 Nr. 1 –6, Abs. 2 S. 2 VStGB; § 12 Abs. 1 und 2 S. 2 VStGB. 44 Vgl. z. B. § 6 Abs. 2 VStGB; § 7 Abs. 1 Nr. 3 – 7 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 2 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 3 – 5, Abs. 4 VStGB; § 10 Abs. 2 VStGB; § 11 Abs. 1 Nr. 1 –6, Abs. 2 S. 1 VStGB; § 12 Abs. 1 und 2 S. 1 VStGB. 45 Vgl. z. B. § 7 Abs. 1 Nr. 8 – 10 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 3 –5 VStGB; § 8 Abs. 2 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 6 und 8, Abs. 4 VStGB; § 10 Abs. 1 S. 1 VStGB; § 11 Abs. 1 S. 1 VStGB; § 11 Abs. 3 VStGB; § 12 Abs. 1 VStGB. 46 Vgl. z. B. § 7 Abs. 1 Nr. 3 – 7, Abs. 2 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 6 –8 VStGB; § 8 Abs. 3 VStGB. 47 Vgl. z. B. § 7 Abs. 1 Nr. 8 und 9, Abs. 2 VStGB; § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB; § 10 Abs. 2 S. 2 VStGB; § 11 Abs. 1 S. 2 VStGB. 48 Vgl. z. B. § 8 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5 VStGB. 39

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

strafe von fünfzehn, aber zuweilen in den Fällen der einjährigen Mindeststrafe von einer Höchststrafe von zehn 49 und im Fall der sechsmonatigen Mindeststrafe von Höchststrafen von fünf Jahren begleitet werden. 50 Das VStGB nennt weder eigene Straftheorien noch Strafzumessungsregelungen, so dass gemäß § 2 VStGB die Strafzumessung an den allgemeinen Regelungen des § 46 ff. StGB auszurichten ist. 51 Dies gilt insbesondere für die schon angesprochene mögliche Aussetzung der Strafe oder des Strafrests zur Bewährung. II. Rechtsordnung von Schweden Das schwedische Kriminalgesetzbuch gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt (Kapitel 1 und 2) enthält die allgemeinen Bestimmungen über die Straftat und die Anwendbarkeit des schwedischen Rechts; der zweite Abschnitt (Kapitel 2 – 24) beinhaltet neben den besonderen Straftatbestände auch die Vorschriften über Versuch, Vorbereitung, Verabredung, Tatbeteiligung und Strafausschließungsgründe; der dritte Abschnitt (Kapitel 25 – 38) schließlich die hier besonders interessierenden Vorschriften zu den Rechtsfolgen der Straftat, zu Strafzumessung und Sanktionswahl. 52 Die Paragraphen werden für jedes Kapitel neu gezählt, so dass die Strafvorschriften nach Kapitel und Paragraph benannt werden. 53 Das BrB droht sowohl Kriminalstrafen (Gefängnisstrafen, fängelse, und Geldstrafen, böter) als auch andere Sanktionen (bedingte Verurteilungen, villkorlig dom, 54 Schutzaufsicht, skyddstillsyn, 55 und Überweisung in besondere Fürsorge, överlämnande till särsklid vård 56) an. Daneben können als weitere Rechtsfolgen Schadensersatz oder sonstige besondere Rechtsfolgen (Einziehung, Ausweisung, Führerscheinentzug etc.) verhängt werden. 57 Die Kriminalstrafen werden dabei in den Straftatbeständen angedroht, die sonstigen Sanktionen können ohne ausdrückliche Androhung alternativ verhängt werden. Die Gefängnisstrafe erfolgt sowohl lebenslang als auch zeitig. Üblicherweise wird die lebenslange Freiheitsstrafe auf dem Gnadenweg in eine zeitige Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren 49

Vgl. z. B. § 9 Abs. 1 und 2 VStGB. Vgl. z. B.§ 8 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5 VStGB. 51 Vgl. auch Gropengießer / Kreicker, Deutschland, S. 345. 52 Vgl. auch den Überblick bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 3; Wennberg, Criminal Law, S. 157 ff. 53 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 3. 54 Vgl. Kap. 27 § 1 ff. BrB. 55 Vgl. Kap. 28 § 1 ff. BrB. 56 Vgl. Kap. 31 § 1 ff. BrB. 57 Vgl. Kap. 1 § 8 BrB; vgl. dazu näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 29 f. 50

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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umgewandelt. 58 Die zeitige Freiheitsstrafe kann grundsätzlich für mindestens 14 Tage und höchstens zehn Jahren verhängt werden. 59 Dementsprechend drohen die einzelnen Straftatbestände auch maximal eine Höchstdauer des Freiheitsentzuges von zehn Jahren an. Diese Höchstdauer kann das Gericht bei einer Verurteilung wegen mehreren Straftaten unter bestimmten Voraussetzungen um maximal vier Jahre überschreiten, 60 so dass sich eine maximale Strafmöglichkeit von 14 Jahren ergibt. Bei Rückfalltätern kann die Höchststrafe wiederum um weitere vier Jahre auf dann 18 Jahre erhöht werden. 61 Aus dem allgemeinen Teil können sich weitere Strafrahmenverschiebungen ergeben. 62 Der Mordtatbestand enthält keinen eigentlichen Strafrahmen, sondern droht nur alternativ die lebenslange Gefängnisstrafe bzw. eine zeitige Gefängnisstrafe von zehn Jahren an. 63, 64 Es wird unterschieden zwischen Geldstrafe nach Tagesätzen (dagsböter) 65, Geldbetragsstrafe (penningböter) 66 und normierter Geldstrafe (nomerade böter) 67. Hauptform der Geldstrafe ist die Tagessatzstrafe. 68 Das schwedische Kriminalgesetzbuch wiegt die Gefängnisstrafe schwerer als die Geldstrafe. 69 Das gilt auch dann, wenn an die Stelle der Gefängnisstrafe 58

Vgl. dazu näher Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 2. Vgl. zu den einzelnen mögliche Mindest- und Höchstgrenzen Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 16. 60 Vgl. Kap. 26 § 2 Abs. 2 BrB. 61 Vgl. Kap. 26 § 3 Abs. 1 BrB. 62 Vgl. dazu näher Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 4 f. 63 Vgl. Kap. 3 § 1 BrB. 64 Vgl. näher zur Gefängnisstrafe Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 2 f.; insbesondere in Hinblick auf die Vollstreckung Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 24 f. 65 Vgl. Kap. 25 § 2 BrB. 66 Vgl. Kap. 25 § 3 BrB. 67 Vgl. Kap. 25 § 4 BrB; vgl. zu den einzelnen Formen der Geldstrafe näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 24 f. 68 Bei dieser wird die Anzahl der Tagessätze nach den Regeln für die Strafzumessung aus Kap. 29 BrB bestimmt, während die Höhe den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten angepasst wird (Kap. 25 § 2 Abs. 2 BrB). Wegen der Verurteilung aufgrund einer Straftat dürfen nicht weniger als 30 Tagessätze und nicht mehr als 150 Tagessätze bzw. wegen der Verurteilung aufgrund mehrerer Taten nicht mehr als 200 Tagessätze verhängt werden (Kap. 25 § 2 Abs. 1 BrB und Kap. 25 § 6 Abs. 2 BrB). Die Höhe des Tagessatzes für eine Straftat kann zwischen 30 und 1000 Kronen liegen, für mehrere Straftaten zwischen 30 und 5000 Kronen (vgl. Kap. 25 § 2 Abs. 2 BrB und Kap. 25 § 6 Abs. 2 BrB). Aus Erwägungen der Billigkeit sind Abweichungen von der Tagessatzhöhe zulässig (vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 23). 69 Vgl. Kap. 1 § 5 BrB; vgl. auch Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 143; Wennberg, Criminal Law, S. 194. 59

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

die bedingte Verurteilung und die Schutzaufsicht treten. 70 Von diesen beiden ist wiederum die bedingte Verurteilung insofern die mildere Form, als der Täter unter anderem nur verwarnt wird und ihm eine Bewährungszeit von zwei Jahren auferlegt wird, 71 während die Schutzaufsicht unter anderem mit einer Überwachung einhergeht und die Bewährungszeit drei Jahre beträgt. 72 Am unteren Ende der alternativen Sanktion steht dann die Überweisung in besondere Fürsorge, die insbesondere bei jugendlichen Straftätern in Betracht kommt und sowohl anstelle der Gefängnisstrafe als auch der Geldstrafe verhängt werden kann. 73 Kombinationen der anderen Sanktionen mit Strafen sind möglich. 74 Der Vollzug der zeitigen Gefängnisstrafe kann fakultativ nach zwei Dritteln der Haftzeit, jedoch mindestens nach einem Monat, in eine bedingte vorzeitige Entlassung (villkorlig frigivning) 75 umgewandelt werden, 76 jedoch nicht in Fällen der Gefängnisstrafe in Verbindung mit Schutzaufsicht und bei Ersatzfreiheitsstrafen. 77 Damit geht eine Bewährungszeit einher, die der restlichen Haftzeit entspricht, mindestens jedoch ein Jahr beträgt. 78 Es besteht die Möglichkeit, für das erste Jahr eine Überwachung anzuordnen und darüber hinaus sonstige Auflagen und Weisungen zu erlassen. 79, 80 Völkermord wird in dem Gesetz zur Bestrafung von Völkermord mit einem Strafrahmen von vier bis zehn Jahren oder lebenslangem Freiheitsentzug bestraft. 81 Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des ICC-Statuts sind als eigenständige Straftatbestände im geltenden schwedischen Kriminalgesetzbuch nicht pönalisiert. 82 Kriegsverbrechen sind im Wesentlichen von Kap. 22 70

Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 143 und 157; Wennberg, Criminal Law, S. 196. Vgl. Kap. 27 § 1 ff. BrB; vgl. dazu näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 26 f. 72 Vgl. Kap. 28 § 1 ff. BrB; vgl. dazu näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 27. 73 Vgl. Kap. 31 § 1 ff. BrB; vgl. dazu näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 28 f. 74 Vgl. Kap. 27 § 2 BrB und Kap. 28 § 2 BrB. 75 Vgl. Kap. 26 § 6 ff. BrB. 76 Vgl. Kap. 26 § 6 Abs. 1 BrB. 77 Vgl. Kap. 26 § 6 Abs. 2 BrB. 78 Vgl. Kap. 26 § 10 BrB. 79 Vgl. Kap. 26 § 11 ff. BrB. 80 Im Einzelnen näher zur bedingten vorzeitigen Entlassung Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 6; Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 26. 81 Vgl. § 1 Völkermordgesetz, Gesetz Nr. 1964:169; vgl. näher Cornils, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Schweden, S. 192 ff. 82 Vgl. näher Cornils, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Schweden, S. 195 ff. 71

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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§ 6 BrB erfasst und mit einer Höchststrafe von vier Jahren und in schweren Fällen mit einer Höchststrafe von zehn Jahren oder lebenslang kriminalisiert. 83 Es gibt einen Kommissionsentwurf zu einem Gesetz über Völkerrechtsstraftaten aus dem Jahre 2002, welches aber noch nicht in geltendes Recht umgesetzt ist. 84 III. Rechtsordnung von Frankreich Im Einzelnen folgt das C.P. einer Dezimalklassifizierung, so dass das französische Strafrecht mit Art. 111-1 C.P. beginnt (Erstes Buch, Erster Teil, Erstes Kapitel, Erster Artikel) 85. Es ist in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil unterteilt. 86 Im Besonderen Teil – ab dem zweiten Buch – wurde eine systematische Neuordnung vieler Tatbestände vorgenommen; es wurden neue Straftatbestände geschaffen, anachronistische gestrichen, andere grundlegend umformuliert. 87 Bemerkenswert ist die symbolische Nennung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (crimes contre l’humanité) am Anfang des zweiten Buches im ersten Kapitel, die nach der französischen Dogmatik (entgegen der internationalen Gepflogenheit) sowohl den Völkermord (Art. 211-1 C.P.) als auch die sonstigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 212-1 C.P. bis Art. 212-3 C.P.) einschließen, die sich wiederum unterteilen lassen in die Verbrechen gegen die Menschlichkeit stricto sensu (Art. 212-1 C.P.) und die sog. schweren Kriegsverbrechen (Art. 212-2 C.P.). 88 Im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, dem ersten Buch, finden sich in den Artikeln 131-1 C.P. bis 133-17 C.P. die im Verhältnis zum alten Recht deutlich ausgeweiteten Regelungen zu Strafarten, 89 zur Ausgestaltung der Strafen 90 und zur Löschung der Strafen und Tilgung von Verurteilungen. 91 Eine allgemeine Strafzumessungsregel findet sich in Art. 13224, Satz 1 C.P., der die Individualisierung der Strafe nach den Umständen von Tat und Persönlichkeit des Täters vorschreibt. 92 Das französische Strafrecht sieht 83 Vgl. näher Cornils, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Schweden, S. 200 ff. 84 Vgl. zu dem Reformvorhaben Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 3, 4, 7 und 19; ausführlich Cornils, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Schweden, S. 183 ff. 85 Zur Gliederung des „nouveau Code pénal“ Jung, Einführung, S. 2; Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 8 ff. 86 Einen Überblick über den Aufbau des Gesetzes geben Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 132 ff.; Zieschang, ZStW 106 (1994), S. 649 ff. 87 Eine konzentrierte allgemeine Übersicht findet sich in Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 131 ff. 88 Dazu näher Lelieur-Fischer / Neumann, Frankreich, S. 234 ff. m.w. N. 89 Vgl. Art. 131-1 C. P. bis Art. 131-49 C. P. 90 Vgl. Art. 132-1 C. P. bis Art. 132-75 C. P. 91 Vgl. Art. 133-1 C. P. bis Art. 133-17 C. P.

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sowohl Strafen gegen natürliche Personen (personnes physiques) als auch gegen juristische Personen (personnes morales) vor. 93 Und dies auch in Hinblick auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 94 Da juristische Personen nach dem ICCStatut nicht strafbar sind, bleiben die Strafen gegen juristische Personen hier außer Betracht. 95 In Hinblick auf natürliche Personen unterscheidet man zwischen Verbrechensstrafen (les peines criminelles) 96, Vergehensstrafen (les peines correctionnelles) 97 und den Übertretungsstrafen (les peines contraventionnelles) 98, 99. Neben dieser Dreiteilung tritt die weitere Unterscheidung nach Hauptstrafen (les peines principales) 100, die Freiheits- und Geldstrafen, den zwingenden und fakultativen Zusatzstrafen (les peines complémentaires) und den Alternativstrafen (la peines alternative bzw. substitution), welche die Strafzumessungsmöglichkeiten weiter auffächern. 101 Da sich aber im Fall der Übertretungsstrafen die Strafe auf Straftaten von geringem Unrecht, ähnlich der deutschen Ordnungswidrigkeit, und im Fall der Vergehensstrafen auf Straftaten von mittlerem Unrecht beziehen, die beide nicht an das Unrecht der Kernverbrechen des Völkerrechts im ICC-Statut heranreichen, können diese bei der weiteren Betrachtung vernachlässigt werden. 102 Für Verbrechensstrafen hingegen richtet sich die zu verhängende Hauptstrafe im Falle der Strafbarkeit von natürlichen Personen nach der Natur des Verbrechens: Für gemeine Verbrechen sieht das Gesetz die Zuchthausstrafe (la réclusion criminelle) vor, während für politische Verbrechen die Festungshaft (la détention criminelle) angeordnet ist (Art. 131-1 C.P.). 103, 104 Die Freiheitsstrafen können sowohl lebenslang als auch nur auf Zeit verhängt werden, wobei 92 Siehe zur Individualisierung der Strafe auch ausführlich Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 15 ff.; ders., R.I.C.P.T. (1993), 107 ff.; Syr, R.S.C. (1994), 217 ff. 93 Vgl. Art. 131-37 ff. C. P. 94 Vgl. Art. 213-3 C. P. 95 Ausführlich dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 449 ff., n os 534 m.w. N.; Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 850 ff. m.w. N. 96 Vgl. Art. 131-1 C. P. 97 Vgl. Art. 131-3 C. P. bis Art. 131-9 C. P. 98 Vgl. Art. 131-12 C. P. bis 131-18 C. P. 99 Allerdings sollte man sich vor Augen halten, dass zu unterscheiden ist zwischen Strafkategorie und Strafverhängung. Zum Beispiel können die für Verbrechen vorgesehenen „Verbrechensstrafen“ und die tatsächlich wegen der Begehung eines Verbrechens verhängte Strafe durchaus voneinander abweichen, wie das Beispiel der Geldsummenstrafe zeigt; vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 761. 100 Näher dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 452, n o 542. 101 Näher zu dieser Einteilung Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 756, m.w. N.; Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 452 ff., n os 543 ff. 102 Ausführlich zu den Übertretungsstrafen Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 305 ff.; Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 447 ff., n os 530 m.w. N.; zu den Vergehensstrafen Müller, Die Anwendung von Strafzumessungsregeln im deutsch-französischen Vergleich, S. 5 ff.; Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 438 ff., n os 521 ff. m.w. N.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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die möglichen Höchststrafen der zeitigen Freiheitsstrafe wegen des Wegfalls der Todesstrafe nunmehr 30, 20 oder 15 Jahren betragen. Die konkrete Höchststrafe richtet sich letztlich nach der Strafdrohung des jeweiligen Straftatbestandes. So droht der C. P. bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit lebenslange Zuchthausstrafe an (Art. 211-1 Abs. 1; Art. 212-1 Abs. 1; Art. 212-2 Abs. 1; Art. 2123 C.P.). Obwohl Art. 131-1 C.P. grundsätzlich eine freiheitsentziehende Mindeststrafe bei Verbrechensstrafen auf zehn Jahre festsetzt, ergibt sich aus den Art. 132-17 Abs. 2, 132-18 C.P., dass die Gerichte auch Strafen unterhalb dieser Mindestgrenze verhängen können. Konkret ermöglicht Art. 132-18 C.P. bei lebenslanger Zuchthausstrafe oder lebenslanger Festungshaft auch die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und bei einer zeitigen Zuchthausstrafe oder zeitigen Festungshaft nicht unter einem Jahr, wenn es die Umstände der Tat und die Persönlichkeit des Täters erforderlich machen. 105 Da aber die Verbrechensstrafe wenigstens zehn Jahre betragen muss, tritt bei einer Freiheitsstrafe unter zehn Jahren an die Stelle der Verbrechensstrafen Zuchthaus oder Festungshaft die Vergehensstrafe des Gefängnisses (d’emprisonnement) gemäß Art. 131-3, n o 1 C. P, 106 die dann auch ausgesetzt werden kann. 107 Als weitere Strafe für die Sanktionierung eines Verbrechens sieht Art. 131-2 Hs. 1 C.P. auch die Verhängung einer Geld(summen)strafe (peine d’amende) vor. 108 Daneben ermöglicht das Gesetz bei der Verurteilung wegen eines Verbrechens gemäß Art. 131-2 Hs. 2 C. P. auch die Verhängung von einer oder mehreren Zusatzstrafen (Art. 131-10 C. P.), die aber im Umkehrschluss zu Art. 131-11 C. P. und entgegen Art. 132-17 C. P. nicht anstelle der Hauptstrafen verhängt werden dürfen, sondern nur zusätzlich zu diesen. 109 Alternativstrafen gibt es im Bereich der Verbrechensstrafe nicht. 110 Kriterien für die Wahl zwischen den 103 Ausführlicher dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 435 ff., n os 511 ff. m.w. N. 104 Allerdings findet diese Unterscheidung der freiheitsentziehenden Strafarten im Strafvollzug keine Entsprechung mehr, da die Zuteilung zu den einzelnen Haftanstalten vornehmlich nach der noch zu verbüßenden Haftdauer und im Übrigen nach Geschlecht, Alter und Resozialisierungsbedarf vorgenommen wird (vgl. näher dazu Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 15; siehe auch Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 154). Dennoch wiegt die Zuchthausstrafe schwerer als die Festungshaft (vgl. Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 438, n o 520). 105 Vgl. zu den Auswirkungen von Art. 132-18 C. P. in der Rechtspraxis Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 958. 106 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 773; vgl. Crim. 14 et 19 déc. 1994, Bull. n os 413 et 422; Crim. 19 avril 2000, Bull. n o 157. 107 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 958. 108 Vgl. dazu Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 437, n o 512 m.w. N.; dabei ist es umstritten, ob die Geldsummenstrafe eine weitere Hauptstrafe oder eine Zusatzstrafe ist; siehe zu diesem Streitgegenstand die Darstellung bei Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 97 m.w. N. 109 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 954. 110 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 756.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

einzelnen Strafarten bestehen nicht. Letztlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten der näheren Ausgestaltung der Strafvollstreckung. 111 Hinzu kommt, dass diese Strafvollstreckungsformen teilweise miteinander kombiniert werden können, was zu einer nur schwer zu überschauenden Vielfalt von Sanktionsmöglichkeiten führt. 112 Nichts desto trotz oder gerade wegen dieser Vielfalt greifen die Richter oftmals auf die bekannten und altbewährten Verurteilungen zu bloßen Gefängnisstrafen und Geldstrafen zurück. 113 Die Verurteilung zu einer freiheitsentziehenden Sanktion von zehn Jahren und mehr ermöglicht die Verhängung einer Sicherheitsperiode (la période de sûreté) 114, währenddessen gewisse Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind, wie zum Beispiel die Halbgefangenschaft oder die Aufteilung der Strafen. 115 Grundsätzlich beträgt die Sicherheitsperiode bei lebenslanger Freiheitsstrafe 18 Jahre und bei zeitiger Freiheitsstrafe die Hälfte der zu vollziehenden Strafe. 116 Das erkennende Gericht kann davon insofern durch Beschluss nach oben wie nach unten abweichen, als es im Fall der lebenslangen Freiheitsstrafe die Sicherheitsperiode auf 22 Jahre und im Fall der zeitigen Freiheitsstrafe auf maximal zwei Drittel der zu vollziehenden Strafe ausdehnen kann oder aber eine Verkürzung der Sicherheitsperiode beschließen kann. 117, 118 Greift damit schon 111

Dazu gehören etwa die Halbgefangenschaft (la semi-liberté, vgl. Art. 132-25 f. C. P.; siehe dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 960-1 ff.; Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 24); die Aufteilung der Strafen (la suspension oder le fractionnement, vgl. Art. 132-27 und 132-28 C. P.; siehe dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 965 ff.); die einfache Strafaussetzung (le sursis simple, vgl. Art. 13229 ff. C. P; siehe dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 972 ff.); die Strafaussetzung zur Bewährung (le sursis simple avec mise à l’épreuve, vgl. Art. 13240 ff. C. P.; vgl. dazu Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 987 ff.); die Strafaussetzung mit der Auflage zur gemeinnützigen Arbeit (le sursis assorti de l’obligation d’accomplir un travail d’intérêt général, vgl. Art. 132-54 ff. C. P.; siehe dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 1006 ff.; zur Strafaussetzung Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 22 ff.); aber auch die Möglichkeit des Absehens von der Strafe oder des Aufschubs der Strafe (la dispense de peine et de l’ajournement, vgl. Art. 132-58 bis Art. 132-70 C. P, vgl. näher dazu Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 1015 ff.; Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 19 f.). 112 Vgl. z. B. die Übersicht bei Rassat, Droit Pénal Général, S. 500 ff.; Danet / Lavielle, Gaz. Pal. 2000, S. 888 schreiben denn auch: „Il est vrai que lorsqu’il ne génère pas le prononcé de peines illégales ... le droit de la peine compte tenu de la complexité croissante des régimes d’exécution et d’application des peines décourage les meilleures volontés ...“ 113 Vgl. dazu näher Danet / Lavielle, Gaz. Pal. (2000), S. 889; vgl. auch Le Gall, Le juge et la peine, S. 251 f. 114 Vgl. Art. 132-23 C. P. 115 Vgl. dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 1064 ff.; Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 344 ff. 116 Vgl. Art. 132-23 Abs. 2 S. 1 C. P. 117 Vgl. Art. 132-23 Abs. 2 S. 2 C. P.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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der erkennende Richter entscheidend in den Strafvollzug ein, so kann die Strafe während des Vollzugs noch weiter individualisiert werden. 119 Somit stellt die schon erwähnte lebenslange Strafandrohung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine absolute Strafandrohung dar, sondern nur eine Höchststrafe, von der jederzeit nach unten abgewichen werden kann. Daneben können gegen natürliche Personen eine ganze Reihe von Zusatzstrafen verhängt werden, wie die Aberkennung der staatsbürgerlichen, bürgerlichen und familiären Rechte, das Verbot des öffentlichen Amtes, Aufenthaltsverbot und Einziehung des Vermögens (Art. 213-1 C.P.). Die Regelungen über den Ausschluss von Vergünstigungen während der Sicherheitsperiode sind anzuwenden (Art. 212-1 Abs. 2 C.P. und Art. 212-2 Abs. 2 i.V. m. Art. 132-23 Abs. 1 und 2 C.P.). Ferner kann den Normen die zusätzliche Strafzumessungsregel entnommen werden, dass das Gericht im Falle des Handelns auf Befehl diesen Umstand bei der Strafart und Strafzumessung zu berücksichtigen hat (Art. 213-4 C.P.). IV. Rechtsordnung von England-Wales Zentrale Gesetze der Strafzumessung im englisch-walisischen Strafrecht sind der CJA 2003 und der PCC(S)A 2000. 120 Der CJA 2003 strebt eine einheitliche Strafzumessung über die Anwendung einheitlicher Standards an 121 und lässt den Täter schwerer Straftaten die Härte des Gesetzes spüren, während er Tätern leichterer Taten mit Milde begegnet. Der CJA 2003 setzt die einzelnen Strafarten ins Verhältnis zueinander und kreiert so eine Strafzumessungspyramide. Jeder nächsthöhere Schritt in der Strafpyramide darf immer nur dann verhängt werden, wenn eine in der Pyramide weiter unten angesiedelte mildere Strafe der Schwere der Tat nicht mehr entspricht. 122 Den Sockel der Strafzumessungspyramide bilden die hier nicht interessierenden Sanktionen für die leichteste und leichte Kriminalität. 123 Einen nächsten Schritt stellen die fakultativen Freiheitsstrafen über zwölf Monaten dar. Die 118 Vgl. näher zur Sicherheitsperiode Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 1064; Stefani / Levasseur / Bouloc, Droit pénal général, S. 513, n o 513, m.w. N. 119 Vgl. dazu näher Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 1032 ff.; ausführlich Staechelle, La pratique de l’application des peins, S. 27 ff. 120 Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –1. 121 Vgl. Halliday, Making Punishments Work, S. iii., 0.9 und S. 6, 1.42 ff. 122 Vgl. den „tresholdtest“ in CJA 2003 s. 148 für den Fall der community sentence; für den Fall der custodial sentences CJA 2003 s. 152(2); dazu näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –3; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E2.5 und E2.6. 123 Zu nennen sind: Das Absehen von Strafe ohne Auflagen bzw. unter Auflage (absolut or conditional discharge, vgl. dazu näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 23 –14 ff.). Darauf folgen die Geldstrafe (fines). Grundlegende Normen

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

frühere Unterscheidung zwischen Short-term- und Long-term-Freiheitsentzug wurde aufgegeben. Die Freiheitsstrafen sind nach oben durch gesetzliche Höchststrafen begrenzt. Überwiegend sind diese in den die Straftatbestände erlassenden Statuten enthalten und reichen von 14 über zehn, sieben, fünf bis zu zwei Jahren. 124 Nur wenn sie nicht explizit im Statut geregelt ist, ist die Höchststrafe auf maximal zwei Jahre festgesetzt. 125 Der International Criminal Court Act 2001 (ICC Act 2001) 126 sieht für alle Verbrechen des Völkerstrafrechts eine Höchststrafe von 30 Jahren vor. 127 Ist die Straftat nach englisch-walisischem Recht als Mord zu werten, so ist eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen. 128

dazu finden sich in CJA 2003 ss. 162 ss., die inhaltlich im Wesentlichen die Regelungen des PCC(S)A 2000 wiederholen und diese neu erlassen. So kann das Gericht dem Angeklagten auferlegen, Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse zu geben (financial circumstances order, CJA 2003 s. 162(1)), damit diese bei der Verhängung der Geldstrafe berücksichtigt werden können. In der Geldstrafe muss sich die Schwere der Tat spiegeln (CJA 2003 s. 164(2)), insbesondere müssen vom Gericht die Umstände des Falls, die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten (unabhängig davon, ob diese die Strafe erhöhen oder reduzieren) berücksichtigen werden (CJA 2003 s. 164 (3)(4)), und es wird eine Einheitsgeldstrafe verhängt (vgl. dazu näher Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 391 ff.; Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 23 – 20 ff.). Dann schließen sich die sog. ambulanten Sanktionen (community orders) an (vgl. dazu näher Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 122 ff.; und ausführlich Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 23 – 37 ff.). Wie schon beim CJA 1991 folgen die fakultativen freiheitsentziehenden Strafen (discretionary custodial sentences). In Fällen geringer Tatschwere wird mit den CJA 2003 s. 181 und s. 182 die im Halliday-Bericht als custody plus bezeichnete Regelung übernommen. Die Strafe muss in einem Rahmen von wenigstens 28 Wochen bis maximal 56 Wochen verhängt werden (CJA 2003 s. 181(2)). Davon muss der Straftäter zunächst eine kurze Zeit (von zwei bis 13 Wochen) im Gefängnis verbringen, um der in CJA 2003 s. 142 genannten „Bestrafungsfunktion“ (punishment function) der Strafe gerecht zu werden. Dieser Zeit des Freiheitsentzugs folgt ein längerer Zeitraum von wenigstens 26 Wochen der community orders, um die Tat wiedergutzumachen und zukünftige Straftaten zu verhindern. Der konkrete Ablauf der Strafe und Inhalt der community order wird schon bei der Verhängung der Strafe bestimmt und soll den Anforderungen der Rehabilitation des Täters gerecht werden (im Detail zu der Regelung der custody plus siehe Gullick, Crim. L. R. (2004), S. 653 ff.) Die Freiheitsstrafe bis zu zwölf Monaten kann aber auch unterbrochen abgeleistet werden (intermittent custody), d. h. der Verurteilte kann sie nur am Wochenende absitzen oder Teile in seinen Arbeitsferien. So sollen soziale Kontakte aufrecht erhalten, die Arbeitsstelle erhalten und die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft erleichtert werden CJA 2003 (CJA 2003 ss. 183 bis 186). Zu intermittent custody siehe näher Home Office, Explanatory Notes to the CJA 2003, para. 63. 124 Vgl. Huber, Punishment of Serious Crimes in England and Wales, S. 2. 125 Vgl. PCC(S)A 2000 s. 77. 126 Kann im Internet unter http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts2001/20010017.htm von der Seite des Office of Public Sector Information aufgerufen werden (01. 12. 08); siehe ausführlich zu dem ICC Act 2001 Rabenstein / Bahrenberg, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in England und Wales, S. 267 ff. m.w. N. 127 Vgl. ICC Act 2001 s. 53(6).

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Zwar steht die konkrete Strafdauer im Ermessen des Gerichts, 129 es hat aber die kürzest mögliche Strafe zu verhängen, die nach der Tatschwere noch gerechtfertigt ist. 130 Wenn das Gesetz die fakultativen Freiheitsstrafen auf Lebenszeit zulässt, steht es im Ermessen der Gerichte, auch diese zu verhängen. Allerdings sind lebenslange Freiheitsstrafen in anderen Fällen als Mord (homicide) nur bei besonders schweren Umständen des Falls möglich. 131 Straftäter, die nicht als gefährlich gelten, werden automatisch nach der Hälfte der Verbüßung der Strafe unter Bewährungsauflagen entlassen. Die zweite Hälfte der Strafdauer wird dann unter Bewährungsauflagen gestellt. 132 Dadurch wird am oberen Ende der Strafschwere die Strafdauer erheblich reduziert, da sämtlichen Straftätern, denen zuvor eine frühe Entlassung unter Bewährungsauflagen verwehrt wurde, nunmehr die vorzeitige Entlassung garantiert ist. 133 Den fakultativen Freiheitsstrafen über zwölf Monaten folgen in der Strafzumessungspyramide die Mindestfreiheitsstrafen nach. 134 Der CJA 2003 enthält nunmehr für besonders gefährliche Täter (dangerous offenders) Regelungen, die zum Schutz der Öffentlichkeit unbestimmte Strafen anordnen. 135 Diese Regelungen greifen bei „specified violent offences“ 136 und bei „specified sexual offences“ 137, 138 wie sie in „sched. 15, Part 1 und 2“ aufgeführt sind (specified offences). Sind die Verbrechen mit einer Haftdauer von zwei bis 128

Vgl. ICC Act 2001 s. 53(5); vgl. Huber, Punishment of Serious Crimes in England and Wales, S. 2; siehe aber Rabenstein / Bahrenberg, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in England und Wales, S. 301. 129 Dies gilt auch für common law offences, für die keine Höchststrafe durch das Statut festgelegt ist; vgl. Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 281. 130 Vgl. CJA 2003 s. 153(2); dazu näher Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E2.7 m.w. N. 131 Zu diesen Umständen ausführlich Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.13 ff.; Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 616 ff. m.w. N. 132 Vgl. dazu den Überblick in Sentencing Guidelines Council, New Sentences: Criminal Justice Act 2003, S. 16 ff. 133 Vgl. detailliert die Ausführungen bei Gullick, Crim. L. R. (2004), S. 659 ff. 134 Diese sind beispielsweise in s. 51A des Firearms Act 1968 (CJA 2003 s. 287) für besondere Verstöße gegen das Waffengesetz angeordnet (fünf Jahre), in den PCC(S)A 2000 s. 110 bzw. s. 111 für das dreimalige Handeln mit harten Drogen (sieben Jahre) und für die dritte Begehung eines Einbruchsdiebstahls (drei Jahre); vgl. näher dazu Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E5.6–E5.8 und B12.59, E5.1–E.5.2 und B19.2, E5.3–E.5.5 und B4.58; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 252 ff. 135 Vgl. CJA 2003 s. 224 bis s. 236; in Kraft getreten am 4. April 2005. 136 Vgl. näher dazu Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.2 ff. 137 Vgl. näher dazu Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.2 ff. 138 Vgl. CJA 2003 s. 224(1); vgl. auch Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 301.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

zehn Jahren bedroht, so ergibt sich Folgendes: Gefährliche Straftäter erhalten zunächst eine ihrer Tat angemessene Strafe (appropriate custodial sentence), an welche sich dann eine darüber hinausgehende Freiheitsbeschränkung (extended period) anschließt (CJA 2003 s. 227(1), (2)). Ersteres entspricht der schuldangemessenen Zeit, solange diese über zwölf Monaten liegt oder wenigstens zwölf Monate beträgt. 139 Letzteres ist eine Bewährungszeit (subject to a licence), die das Gericht zur Abwendung schwerer Gefahren von der Öffentlichkeit als notwendig erachtet, die aber in Fällen von Gewaltverbrechen fünf Jahre nicht bzw. in Fällen von Sexualverbrechen acht Jahre nicht übersteigen darf. 140 Die Haftstrafe muss wenigstens zur Hälfte in Haft verbracht werden. Nach der Hälfte der Haftzeit kann der Straftäter auf der Grundlage, dass er keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt, durch das Parole Board entlassen werden. 141. Genaueres zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Täters im obigen Sinn findet sich in CJA 2003 s. 229. 142 Führen „specified violent offences“ und „specified sexual offences“ zu einem Freiheitsentzug von mehr als zehn Jahren bzw. auf Lebenszeit, so sind diese Verbrechen zusätzlich als „serious offences“ zu betrachten. 143 In diesem Fall wird gemäß CJA 2003 s. 225 das Gericht entweder eine lebenslange Freiheitsstrafe (life sentence) oder eine unbestimmte Freiheitsstrafe zum Schutz der Allgemeinheit (imprisonment for public protection) verhängen. 144 Für beide Strafen muss das Gericht eine Mindeststrafe bestimmen. 145 Danach entscheidet das Parole Board auf der Grundlage, ob der Täter noch eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt, über einen weiteren Verbleib in Haft. 146 Eine neue Regelung für eine zwingend lebenslange Freiheitsstrafe im Fall der Verurteilung wegen Mordes bei Straftätern über 21 Jahren (s. 1(1) of the Murder (Abolition of the Death Penalty) Act 1965) 147 stellt der CJA 2003 ss. 269 ss und sch. 21 und 22 dar. 148 Basierend auf Entscheidungen des House of Lords 149 und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte 150 wird zukünftig das 139

Vgl. CJA 2003 s. 227 (3). Vgl. CJA 2003 s. 227 (4). 141 Vgl. Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.1. 142 Vgl. auch die Darstellung bei Thomas, Crim. L. R. (2004), S. 710 f.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.9. 143 Vgl. CJA 2003 s. 224(2). 144 Vgl. CJA 2003 s. 225(2)(3). 145 Vgl. CJA 2003 s. 225(4); PCC(S)A 2000 s. 82A; C(S)A 1997 s. 28; ausführlich dazu Thomas, Crim. L. R. (2004), S. 710 f. 146 Vgl. Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E4.5. 147 Vgl. näher Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E3.1. 148 Vgl. Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E3.1; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 235 ff. 149 R. (on the application of Anderson) v. Secretary of State for the Home Department [2002] UKHL 46. 150 Stafford v. United Kingdom (2002) 35 EHRR 32. 140

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Home Office keine Rolle mehr bei der Entscheidung über die endgültige Strafdauer spielen. Lag es früher beim Innenministerium, über die endgültige Freilassung zu entscheiden, so entscheidet nunmehr das Gericht über die „minimum term“ im Strafvollzug und das Parole Board allein über die konkrete Haftentlassung. 151 Die Entscheidung erfolgt auf Anfrage des Häftlings und hängt von der Einschätzung ab, ob der Häftling noch eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt oder nicht. Entscheidet das Parole Board auf Haftentlassung, hat das Home Office keine Handhabe mehr, die Entlassung hinauszuzögern. Ist der Häftling entlassen, steht er grundsätzlich bis zu seinem Lebensende unter Bewährung (licence), außer vorher findet ein Widerruf statt. 152 Einzelheiten zu den Bestimmungen der Strafdauer für die drei unterschiedlichen Kategorien des Mordes finden sich in sched. 21. 153 Dort sind auch strafschärfende und strafmildernde Merkmale aufgelistet. Die Gewichtung dieser Merkmale und damit die Ausgestaltung der konkreten Strafe ist aber den Gerichten überlassen. 154 V. Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika Die Strafzumessung anhand der USSG und MSG erfolgt zunächst über die Bestimmung eines Tatschwere- und eines Vorstrafenindexes. 155 Beide Richtlinien weisen dazu eine Strafzumessungstabelle (sentencing grid) 156 mit zwei Variablen zur gewichteten Schwere der Straftat (vertikale Variable) und zu den gewichteten Vorstrafen des Täters (horizontale Variable) auf. 157 Ausgangspunkt der Strafzumessung in den USSG ist die Feststellung eines „base offense levels“ für den verwirklichten Straftatbestand auf der vertikalen 151

Vgl. C(S)A 1997 s. 275 und s. 28. Vgl. zur Verurteilung wegen Mordes Thomas, Crim. L. R. (2004), S. 703; sehr ausführlich zu den „Taxen“ für Mord in den Jahren 1953 bis 2004 Shute, Crim. R. L. (2004), S. 873 ff. 153 Vgl. auch Her Majesty’s Courts Services, The Consolidated Criminal Practice Direction, IV. 49. (http://www.hmcourts-service.gov.uk/cms/pds.htm (01. 12. 08)). 154 Vgl. Thomas, Crim. L. R. (2004), S. 704 f. 155 Vgl. auch 18 U. S. C. § 3553(a)(1). 156 Neben Strafzumessungsrichtlinien mit einer Strafzumessungstabelle gibt es auch Strafzumessungsrichtlinien in „narrative form“ oder „point form“, so z. B. in Florida, Delaware oder Ohio; vgl. näher Frase, St. Louis U. L. J. 44 (2000), S. 427 f. 157 Im Fall der USSG besitzt die Variable des offence levels 43 Abstufungen, während sich die Variable der criminal history category mit 6 Abstufungen begnügt, so dass 258 mögliche Strafzumessungszellen entstehen (vgl. USSG Ch. 5, Pt.A.). Im Fall der MSG erstreckt sich der severity level of conviction offense auf 11 Abstufungen und der criminal history score auf 6 Abstufungen, womit sich nur mögliche 66 Strafzumessungszellen ergeben; vgl. auch Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 59. 152

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Achse der Tatschwere. 158 Dieser kann durch weitere Umstände angepasst werden, 159 dazu gehören insbesondere Umstände der Tatausführung (specific offense characteristics), 160 opferbezogene Faktoren, die Rolle des Straftäters bei der Straftatausführung, Behinderung der Justiz, 161 aber auch der Aspekt der nachtatlichen Übernahme der Verantwortung (acceptance of responsibility). 162 Der so bestimmte Einstieg in die Strafzumessungstabelle muss dann um die gewichtete Vorstrafenbelastung (criminal history points) ergänzt werden. 163 Die Gewichtung ergibt sich ebenfalls aus der Richtlinie. Dabei werden die Vorstrafen hinsichtlich Anzahl, Schwere etc. gewichtet. 164 Hinzu kommen besondere Modifikationen für „career offenders“. 165 Vom so gebildeten Vorstrafenindex kann in begründeten Fällen nach oben oder unten abgewichen werden. 166 Die Strafzumessungstabelle der MSG wird auf der vertikalen Achse durch eine Abstufung der Straftaten nach einer angenommenen Strafschwere (severity level of conviction offense) bestimmt. Die horizontale Achse spiegelt die bewertete und gewichtete Anzahl der Vorstrafen wider, bildet also einen gewichteten Vorstrafenindex (criminal history score). 167 Dieser repräsentiert dabei die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter weitere Straftaten begehen wird. 168 Wurde die zu verurteilende Straftat so den vertikalen und horizontalen Achsen der Richtlinie zugeordnet, so lässt sich dann aus der Zelle an der Schnittstellen von Strafschwereindex und Vorstrafenindex die für diesen Strafzumessungsfall typischerweise angemessene Strafe (presumptive sentence) in Monaten ablesen. 169 Dazu ist die Strafzumessungstabelle der USSG in vier Bereiche von A bis D 158 Vgl. USSG §1B1.1.(a) i.V. m. USSG §2A-§2X; vgl. dazu ausführlicher Stith / Cabranes, Fear of Judging, S. 67 ff.; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 743 ff. m.w. N. 159 Vgl. Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1474 f. 160 Vgl. näher USSG §1B1.1.(b); Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 747. 161 Vgl. näher USSG §1B1.1.(c), i.V. m. USSG §3A-§3D; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 748 ff. m.w. N. 162 Vgl. USSG §1B1.1.(e) i.V. m. USSG §3E; Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1475; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 754 ff. m.w. N. 163 Vgl. Stith / Cabranes, Fear of Judging, S. 71 f.; Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1475 f. 164 Vgl. USSG §1B1.1.(f) i.V. m. USSG §4A; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 756 ff. m.w. N. 165 Vgl. USSG §1B1.1.(f) i.V. m. USSG §4B; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 760 m.w. N. 166 Für die zusätzliche Berücksichtigung siehe näher USSG §4A1.3. 167 Detailliert zur Einstufung in die „Criminal History“ Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. B., Criminal History, S. 4 ff.; ausführlich dazu auch Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 65 ff.; ein Beispiel findet sich bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 179 f. 168 Vgl. Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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gegliedert, die sich nach Tatindex und Vorstrafenindex abstufen. Die Bereiche entscheiden über die zu verhängende Strafe. In den Bereichen A und B kann die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden. 170 In Bereich B kann dies nur unter weiteren Bedingungen erfolgen. 171 In Bereich C kann die Reststrafe nur nach der Hälfte der verbüßten Zeit ausgesetzt werden. 172 Notwendig dafür sind wiederum weitere Qualifizierungen. 173 Der mit Abstand größte Bereich D gibt Auskunft über die Gefängnisstrafe ohne Möglichkeit der Aussetzung. 174, 175 Die mögliche Strafdauer reicht dabei von einer zwölfmonatigen bis zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. 176 Die Strafzumessungstabelle der MSG hingegen wird durch eine in Stufen verlaufende fettgedruckten Linie, die sog. „solid line“, getrennt, welche über Freiheitsentzug (weißer, nicht-straffierter Bereich) und Freiheitsbeschränkung (grauer, straffierter Bereich) entscheidet. Dabei erfasst der graue Bereich etwa das untere Drittel der Tabelle und erstreckt sich von den weniger schweren Delikten mit niedrigerem Vorstrafenindex bis zu den leichten Delikten mit hohem Vorstrafenindex. Die Zellen im grauen Bereich verweisen auf die Aussetzung der Strafe (stay of imposition) oder auf die Aussetzung der Vollstreckung (stay of execution). 177, 178 Alle Zellen im weißen Bereich, d. h. über und rechts der „solid line“, geben hingegen eine Gefängnisstrafe vor. Die Strafdauer reicht dabei von 17 bis zu 480 Monaten. 179

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Anwendungsbeispiele finden sich bei Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 117; ausführlicher bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 214 f.; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 761. 170 Vgl. USSG §1B1.1.(h) i.V. m. USSG §5C1.1.(b), (c). 171 Vgl. dazu im Einzelnen USSG §5B1; Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 217. 172 Vgl. USSG §1B1.1.(h) und USSG §5B1.1.(d). 173 Vgl. USSG §1B1.1.(h) und USSG §5B1.1.(d); vgl. auch Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 217. 174 Vgl. USSG §1B1.1.(h) und USSG §5C1.1.(f). 175 Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Angeklagte bei guter Führung (good time) 54 Tage pro Jahr auf seine Strafe gutgeschrieben bekommt; vgl. 18 U.S.C. § 3583(e). 176 Vgl. auch die Klassifizierungen der Strafe nach U.S.C. § 3559 und U.S.C. § 3581. 177 Dies gilt aber nur für Gefängnisstrafen im Staatsgefängnis (incarceration). Eine Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr in einem nicht-staatlichen Gefängnis (jail) oder eine Non-jail-Strafe können als Bedingung der Aussetzung dennoch verhängt werden. Dazu im Einzelnen Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. C., Presumptive Sentence, und II. E., Mandatory Sentences, S. 20 ff. und 36 ff. 178 Im Einzelnen zu den Ausnahmen für den Fall, dass eine gesetzliche Mindeststrafe (mandatory minimum sentence) von mehr als einem Jahr besteht Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. E., Mandatory Sentences, S. 36 ff.; vgl. Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 182 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Der Richter kann von der auf diese Weise durch die Strafzumessungstabelle bestimmten Strafdauer im Fall der USSG maximal 25 % bzw. maximal sechs Monate abweichen. 180 Besteht die Strafe in mehr als einem Jahr Freiheitsentzug, muss sich ihr eine bestimmte Bewährungszeit (term of supervised release) anschließen. 181 Deren Dauer hängt von der verbüßten Strafe ab und kann bis zu fünf Jahren reichen. 182 Die MSG erlauben es, von der eigentlich für angemessen erachteten Strafdauer im Falle einer Gefängnisstrafe nach unten um 15% und nach oben um 20% abzuweichen. 183 Die Strafe muss dem Gesetz und den Richtlinien zufolge zu zwei Dritteln verbüßt werden. Das letzte Drittel wird zur Bewährung ausgesetzt. 184 Grundsätzlich sind die Richter sowohl hinsichtlich der durch die Strafzumessungstabelle bestimmten Strafart und Strafdauer als auch hinsichtlich der Vollstreckung gebunden. 185 Beide Richtlinien lassen aber auch Abweichungen (departures), insbesondere aufgrund strafschärfender und strafmildernder Umstände, zu. 186 VI. Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien Auch aus dem Sentencing Act 1991 (Vic) und dem Crimes Act 1914 (Cth) kann eine Strafarthierarchie herausgelesen werden, die zwar in Victoria, nicht aber im Commonwealth ihren ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag gefun-

179 Vgl. auch M.S. § 609.10(1), nach dem außerhalb der Richtlinie die lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden kann, so z. B. im Fall des murders in first degree gemäß M. S. § 609.185(a). 180 Vgl. 28 U.S.C. § 994(b)(2): „If a sentence specified by the guidelines includes a term of imprisonment, the maximum of the range established for such a term shall not exceed the minimum of that range by more than the greater of 25 percent or 6 months, except that, if the minimum term of the range is 30 years or more, the maximum may be life imprisonment.“ 181 Vgl. USSG §5D1.1. 182 Vgl. USSG §5D1.2.; zu den Bewährungsauflagen Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 219. 183 Vgl. M.S. § 244.09; ausführlicher zur „presumptive sentence“ Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. C., Presumptive Sentence, S. 20 ff. 184 Vgl. M.S. § 244.101, ausführlicher Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, IV., S. 56. 185 Mit Spielraum bei der Ausgestaltung der Aussetzungbedingungen. 186 Vgl. 18 U.S.C. § 3553(b), USSG § 1A1.1.(b); ausführlicher Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1476 ff.; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 764 ff. m.w. N.; für Minnesota siehe M.S. § 244.10, Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. D., Departures from the Guidelines, S. 28 ff.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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den hat. 187 Am untersten Ende der Strafschwere weisen der Sentencing Act 1991 (Vic) und der Crimes Act 1914 (Cth) sowohl alternative Sanktionen, 188 wie die viel genutzte Geldstrafe (fines), 189, 190 als auch Sanktionen, die auf eine Ableistung gemeinnütziger Arbeit ausgerichtet sind (community based orders bzw. community service orders), 191 aus. Einen stärkeren Eingriff in die Rechte des Verurteilten stellen die freiheitsentziehenden Sanktionen dar. Diese dürfen in Victoria und im Commonwealth nur dann verhängt werden, wenn weniger eingreifende Sanktionen im konkreten Fall nicht zum Strafziel führen (sanction of last resort), 192 und nur dann, wenn das Gesetz ausdrücklich oder das common law hergebracht eine solche Strafe vorsieht. 193 Immer ist dafür eine Verurteilung notwendig. 194 Am unteren Ende der Eingriffsschwelle der freiheitsentziehenden Sanktionen befinden sich solche, bei denen der Freiheitsentzug in irgendeiner Form ausgesetzt werden kann. 195 Eine Verschärfung erfolgt durch die mögliche Ableistung einer Freiheitsstrafe von bzw. bis zu einem Jahr im eigenen Heim (home detention orders). 196 Nach den „combined custody and treatment orders“ 197 187

Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(3)–(7). Vgl. auch Sentencing Act 1991 (Vic) ss 70 – 79; Crimes Act 1914 (Cth) s 19(B) ff. 189 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 49 – 69; Crimes Act 1914 (Cth) s 16(C) und 4(AA) ff. 190 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 49: „fine the offender ... instead of any other sentence to which the offender may be liable.“; vgl. auch Crimes Act 1914 (Cth) s 4B(2); siehe auch Fox / Freiberg, Sentencing, S. 646. Allerdings gibt es in anderen gesetzlichen Regelungen vereinzelt auch die umgekehrte Anweisung, dass die Geldstrafe in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln ist, wenn das Gericht der Meinung ist, „that a pecuniary penalty will not meet the circumstance of the case.“ (Dangerous Goods Act 1985 (Vic) s 47). 191 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 36 – 48; siehe ausführlich dazu Fox / Freiberg, Sentencing, S. 608 ff. und vgl. Crimes Act 1914 (Cth) s 20(AB). 192 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(3) und (4); Crimes Act 1914 (Cth.) s 17A(1). 193 Siehe zur Notwendigkeit und zum Umfang der Begründung einer Gefängnisstrafe ausführlich Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 12.3.3 ff. m.w. N. 194 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 7(1)(a). 195 So besteht in Victoria und im Commonwealth die Möglichkeit, die Strafe ganz oder teilweise auszusetzen (suspended sentence of imprisonment, vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 27 – 31; Crimes Act 1914 (Cth.) s 20(1)(b), siehe auch Australian Law Reform Commission, Sentencing of Federal Offenders, Issues paper 29 (2005), S. 131, 7.103 ff.) oder die Strafe unter strengen Auflagen auszusetzen (intensive correction orders, vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 19 – 26); siehe auch Australian Law Reform Commission, Sentencing of Federal Offenders, Issues paper 29 (2005), S. 135 f., 7.121 ff.; siehe ausführlich Fox / Freiberg, Sentencing, S. 625 ff.). 196 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 18ZT–18ZZR; siehe auch Australian Law Reform Commission, Sentencing of Federal Offenders, Issues paper 29 (2005), S. 133 f., 7.112. 197 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 18Q–18W; siehe auch Australian Law Reform Commission, Sentencing of Federal Offenders, Issues paper 29 (2005), S. 136 f., 7.124. 188

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bilden die reinen Gefängnisstrafen den Abschluss der Strafzumessungspyramide (Sentencing Act 1991 (Vic) ss 9 –18P). 198 In der Regel setzt sich die Gefängnisstrafe zusammen aus einem größeren Teil, den der Straftäter absitzen muss, und einem geringeren Teil, den der Täter unter Auflage außerhalb des Gefängnisses verbringen kann. 199 Victoria bedient sich zweier Wege, um die Strafhöchstdauer zu bestimmen. Auf dem hergebrachten Weg wird die Strafdauer in dem jeweiligen Straftatbestand festgesetzt; 200 hingegen nimmt die „penalty scale“ (s 109 Sentencing Act 1991) eine Abstufung der Straftatbestände nach Strafkategorien und Höchststrafen vor. 201 Wenn Common-law-Verbrechen nicht mit einer kodifizierten Strafhöhenbestimmung versehen sind, so steht die Strafhöhe im Ermessen des Gerichts – sie sind „at large“. Im Commonwealth sind die jeweiligen Strafhöhen im hergebrachten Sinn im Gesetz enthalten. Bei einem besonders gefährlichen Straftäter (serious sexual offender, serious violent offender, serious drug offender, serious arson offender) besteht die Möglichkeit einer unbestimmten Strafverhängung (indefinite sentences). 202 Der Straftäter bleibt dabei solange in Haft, solange mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass er eine ernstzunehmende Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. 203 Ist diese Gefahr gebannt, ist der Verurteilte in ein fünfjähriges Reintegrationsprogramm unter Führung des Adult Parole Board einzugliedern. 204 Ohne auf unbestimmte Strafen zurückgreifen zu müssen, kann die Strafdauer für „serious offenders“ auch durch die Ausrichtung der Strafe an der Straftheorie der Spezialprävention und durch die Möglichkeit, „longer-than-proportionate“Strafen zu verhängen, erheblich verlängert werden. 205 Allerdings vertreten die Gerichte die Auffassung, dass diese Form der Strafschärfung nur in außerge198

Siehe ausführlich zu beiden Fox / Freiberg, Sentencing, S. 671 ff. Siehe dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 12.4 ff. und 12.6. ff. m.w. N. 200 Siehe Beispiele bei Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.2.2. m.w. N. 201 So fallen unter die erste Kategorie Taten der höchsten Strafschwere, mithin Taten, deren Begehung mit lebenslangem Freiheitsentzug geahndet werden (murder, treason und trafficking in a drug of dependence of a large commercial quantity). Die darauf folgenden Taten der zweiten Kategorie (wie rape, incest, armed robbery, aggravated burglary) können zu einer maximalen Strafe von 25 Jahren führen. Die dritte Kategorie umfasst Taten (manslaughter, culpable driving und intentionally causing serious injury), die mit maximal 20 Jahren bestraft werden. Taten der vierten Kategorie (wie robbery) werden mit 15 Jahren bestraft, Taten der fünften Kategorie (burglary, theft und obtaining financial advantage by deception) mit zehn Jahren usw. 202 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 6A, 18A; siehe ausführlich dazu Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 12.8 ff. m.w. N. 203 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) ss 18H–L. 204 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 18M. 199

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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wöhnlichen Fällen angewendet werden soll. 206 Immer dann, wenn der Schutz der Allgemeinheit auch durch eine der Tat angemessene Strafe erreicht werden kann, ist diese zu verhängen. 207 Eine Strafschärfung erfolgt auch bei Wiederholungstätern spezieller Taten (continuing criminal enterprise offenders). 208 Hier können Strafen von doppelter Länge der eigentlichen Höchststrafe bzw. von 25 Jahren verhängt werden, je nachdem welche Zeit die kürzere ist. 209 Letztlich besteht die Möglichkeit, eine fakultative, lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen (eine zwingende, lebenslange Freiheitsstrafe gibt es in Victoria und im Commonwealth nicht mehr). Diese kann nur vom Supreme Court verhängt werden, das dabei eine Mindesthaftdauer (non-parole period) bestimmt, nach deren Ablauf das Parole Board die Reststrafe zur Bewährung aussetzen kann, aber nicht muss. Die durchschnittliche Strafe für Mord betrug in den Jahren 2002 – 2003 ca. 18 Jahre und die als Non-parole-Zeit abzusitzende Strafe im Durchschnitt ca. 14 Jahre. Auch für Völkermord ist eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen. 210 Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit hängt die Strafdrohung von den unterschiedlichen Begehungsformen bzw. Erfolgen der Straftat ab: Ist der Erfolg der Tod des Menschen, wie bei Mord und Ausrottung, so ist mögliche Höchststrafe ebenfalls die lebenslange Freiheitsstrafe. 211 Ist die Folge der Straftat die Versklavung oder Folter anderer, so droht das Gesetz eine Höchststrafe von 25 Jahren Freiheitsstrafe an. 212 Die gleiche Strafdrohung gilt für Delikte, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen wie Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, Zwangsschwangerschaft, Zwangssterilisation und sexuelle Gewalt, sowie für andere unmenschliche Behandlungen. 213 Alle anderen Begehungsformen wie Vertreibung, Freiheitsentzug, Verfolgung, zwangsweises Verschwindenlassen werden mit einer Höchststrafe von 17 Jahren Freiheitsstrafe belegt. 214 Die Freiheitsstrafen für Kriegsverbrechen reichen – je nach Bege205 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 6D; siehe ausführlich Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 12.9. ff. m.w. N. 206 Vgl. Connell [1986] 1 VR 436. 207 Vgl. Robertson (1995) 82 A. Crim. R. 292 (298). 208 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 6I; siehe ausführlich Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 12.10 ff. m.w. N. 209 Siehe auch Arundell [2003] VSCA 69. 210 Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.3, 268.4(1), 268.5(1), 268.6, 268.7(1). 211 Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.8, 268.9. 212 Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.10(1), 268.11(1). 213 Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.13, 268.14(1), (2), 268.15(1), 268.16(1), 268.17(1), 268.18(1), 268.19(1), 268.23. 214 Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.20(1), 268.21(1), 268.11(1), 268.12(1).

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

hungsform – von einer zeitigen Freiheitsstrafe von 10, 15, 17, 20, 25 bis zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. 215 Ist als Folge der Straftat der Tod eines Menschen eingetreten, so wird die Straftat auch hier mit einer Freiheitsstrafe auf Lebenszeit geahndet. 216, 217 Die Strafen für die völkerrechtlichen Verbrechen sind gemäß des Grundsatzes im Crimes Act 1914 (Cth.) s 4D(1) Höchststrafen, d. h. es wird nur die fakultative obere Grenze der Strafe dargestellt, ohne dass eine zwingende Mindeststrafe vorgeschrieben wäre.

B. Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im Kontext der Entscheidung über die Strafe Vor dem Hintergrund der Sanktionssysteme und ihrer Strafbemessung sind nun die Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen weiter zu verifizieren und zu konkretisieren. Da die Mechanismen für den Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess und der Darstellung der Strafentscheidung bereits abschließend herausgearbeitet wurden, kann sich die Darstellung nun auf den Kontext der eigentlichen Strafentscheidung konzentrieren. Ausgangspunkt der weiteren Betrachtung ist die Rechtsvergleichung auf Grundlage einer funktionalen Betrachtung der Rechtsordnungen. Die Übereinstimmungen der Rechtsordnungen sind das gemeinsame Prinzip (unter I.). Allerdings kann ein gemeinsames Prinzip immer nur ein allgemeiner Rechtsgrundsatz sein, wenn es sich aus dem nationalen Kontext auch auf den völkerstrafrechtlichen Kontext des ICC-Statuts übertragen lässt (unter II.) und in das höherrangigen Recht eingebettet werden kann (unter III.). 218 I. Gemeinsame Prinzipien Die Rechtsvergleichung dient der Suche nach gemeinsamen Prinzipien der Rechtsordnungen. Dazu darf die Rechtsvergleichung nur auf die Leitprinzipien einer Rechtsordnung zurückgreifen, so wie sie sich in der herrschenden Meinung einer jeder Rechtsordnung widerspiegeln. Zwischen den Rechtsordnungen kann schon dann ein Prinzip als gemeinsam gelten, wenn es von der Mehrzahl der Rechtsordnungen geteilt wird und die Minderzahl der Rechtsordnungen kein entgegenstehendes Prinzip begründet. Grundsätzlich gilt aber: Je genereller das Prinzip ist, umso größer können die Abweichungen im Einzelnen zwischen den 215

Vgl. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.24 ff. Vgl. z. B. Crimes Act 1995 (Cth.) ss 268.24, 268.35, 268.37, 268.38. 217 Siehe ausführlich zu den einzelnen möglichen Rechtsfolgen die Auflistung bei Biehler / Kerll, Grundlagen der Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen in Australien, S. 78 ff. 218 Siehe zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen näher die S. 205 ff. 216

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Rechtsordnungen sein; je spezieller das Prinzip ist, umso größer müssen die Übereinstimmung sein. 1. Straftheorien Die Zusammenschau der vorherigen Rechtsquellen belegt die Berücksichtigung mehrerer Straftheorien im Rahmen der Strafzumessung zur Rechtfertigung der Strafe. Sind aber mehrere Straftheorien zu berücksichtigen, so muss deren Miteinander geordnet werden. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die Straftheorien problemlos ineinandergreifen, als auch für den Fall, dass sie sich widersprechen. Konnten anhand der Betrachtung des ICC-Statuts und der ICC-RPE die beiden großen Eckpunkte der Straftheorien nachgewiesen werden, so fächerte das Völkergewohnheitsrecht diese Eckpunkte in die hergebrachten Untergruppen auf und belegte eine erste Rangfolge der Straftheorien. An deren Spitze steht die retributive Straftheorie, die die anderen Straftheorien mit Ausnahme der Sicherungsprävention verdrängt. Die Resozialisierung wird auf die Strafvollstreckung verwiesen. Der genauere Inhalt und die Ordnung der Straftheorien, insbesondere der präventiven Straftheorien, untereinander blieb aber ungelöst. Daher ist in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine erneute Betrachtung der Straftheorien und ihrer Antinomie geboten. a) Deutschland Die Rechtfertigung der Strafe folgt in Deutschland aus der Rechtfertigung des Strafrechts. Denn nur wenn die Rechtfertigung des Strafrechts gewahrt bleibt, kann der Eingriff mittels Strafe in die Grundrechte des Bestraften durch das Strafrecht legitimiert sein. In diesem Sinne rechtfertigt nur eine notwendige Strafe das Strafrecht. Gerechtfertigt wird das Strafrecht durch seine Funktion, die Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens zu schützen. Dazu knüpft es an die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens, an die erhebliche Unverträglichkeit eines Verhaltens für die Regeln eines gedeihlichen Zusammenlebens an und schützt als Ultima Ratio die elementaren Grundwerte der Gemeinschaft. Versteht man diese elementaren Grundwerte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und des Individuums (in seiner Teilhabe an der Gemeinschaft) als Rechtsgüter, dann besteht die Aufgabe des deutschen Strafrechts im Rechtsgüterschutz. 219 Die Friedens- und Schutzordnung des Strafrechts kann somit sowohl auf die Gemeinschaft als auch auf den Einzelnen als Teil der Gemeinschaft bezogen werden: In Hinblick auf die Gemeinschaft legitimiert sich das Strafrecht aus 219 Vgl. näher Hassemer / Neumann, in: NK StGB-Kommentar, vor § 1, Rn. 108 ff. m.w. N.; Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 26 ff. m.w. N.; Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbm §§ 13 ff.; Rn. 8 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

der Rechtsordnung selbst. Denn das Strafrecht ist Teil der Rechtsordnung und nimmt teil an der Legitimation derselben. Ist aber die Rechtsordnung für das Zusammenleben der Menschen in einem Gemeinwesen unabdingbar, so ist das die Rechtsordnung durchsetzende Strafrecht ebenfalls unabdingbar. Eine Rechtsordnung ohne Strafordnung würde aufhören, eine erzwingbare Ordnung zu sein; was bliebe, wären unverbindliche ethische Normen (staatspolitische Rechtfertigung der Strafe). 220 Mit der Funktion des Strafrechts, die Rechtsordnung zu wahren, geht zunächst eine generalpräventive Ausrichtung der Strafe einher. Denn zum einen sollen durch die Androhung der Strafe, besonders aber durch die Verfolgung und Verhängung der Strafe potentielle Straftäter von einem Normenbruch zurückschrecken (negative Generalprävention) und so schon die Beeinträchtigung der staatlichen Rechtsordnung vermieden werden. Zum anderen vermittelt Strafe vor allem die „Unverbrüchlichkeit des Rechts“, indem es aufzeigt, dass sich trotz Rechtsbruch das Recht gegen das Unrecht durchsetzt und die dem Recht zugrunde liegenden Normen weiterhin Bestand haben. So betrachtet stärkt Strafe das Rechtsbewusstsein der Gemeinschaft und fördert das Vertrauen in die staatliche Rechtsordnung (positive Generalprävention). In Hinblick auf den Einzelnen legitimiert sich das Strafrecht aus der Anerkennung des Straftäters als autonomes sittliches Wesen. Durch Strafe wird der Straftäter in die Lage versetzt, die Straftat zu sühnen und sich so von seiner Straftat abzuwenden. Sühne bildet dabei die Brücke zur Rückkehr in die Gesellschaft, die den geläuterten Straftäter wieder in ihren Reihen aufnimmt. Durch Strafe innere Umkehr des Straftäters zu erreichen, rechtfertigt mithin das Strafrecht (individualethische Rechtfertigung der Strafe). 221 Sühne setzt Einsicht ins begangene Unrecht voraus. Strafe fördert diese Einsicht, indem speziell beim Straftäter ein Rechtsbewusstsein geschaffen und Rechtstreue befördert wird, die ihn befähigt, zukünftig ein Leben im Rahmen der Rechtsordnung zu führen (positive Spezialprävention). Damit die durch die staatliche Rechtsordnung geschützten Normen tatsächlich beachtet werden, muss Strafrecht dem Bedürfnis nach Gerechtigkeit genügen. Denn gäbe es keine gerechte Reaktion auf die Straftat, und der Staat würde den Bürgern zumuten, Straftaten hinzunehmen, hielten an Stelle der Kriminalstrafe, so ist zu befürchten, Privatstrafe und Lynchjustiz Einzug in das Gemeinwesen – die Gemeinschaft driftete ins Chaos (sozialpsychologische Rechtfertigung der Strafe). 222 Sinnhaftigkeit erlangt das Strafrecht durch den allgemein-kollektiv erlebten Wert der Gerechtigkeit. Gerecht soll die Strafe sein, die nach Art und Hö220 Vgl. dazu näher Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 38; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 64; Maurach / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil 1, S. 80 f. 221 Vgl. dazu näher Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 39; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 64 f. 222 Vgl. dazu näher Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 38 f.; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 64 f.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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he dem verschuldeten Unrecht des Straftäters entspricht – also verhältnismäßig zugemessen wird. 223 Damit verweist die Rechtfertigung des Strafrechts zunächst auf retributive Straftheorien, die dem Straftäter die Strafe auferlegen, die dieser wegen seines Fehlverhaltens und der persönlichen Verantwortlichkeit dafür verdient hat. Sie verweist aber auch erneut auf eine präventive Begründung der Strafe, da zu vermuten ist, dass eine verhältnismäßige Strafe am ehesten sowohl die allgemeine Einsicht in das Recht stärken als auch die individuelle Einsicht in das Recht fördern kann. 224 Eine unverdiente Strafe mag zwar vorübergehend abschrecken, dauerhaft aber nur empören, jedenfalls weder Rechtsbewusstsein noch Rechtstreue schaffen. 225 Das StGB enthält zwar bewusst keine ausdrückliche Regelung zu den Straftheorien, dennoch lassen sich vor diesem Hintergrund aus vereinzelten Strafvorschriften Hinweise auf die Straftheorien entnehmen: aa) Retributive Straftheorien Nach der Grundlagenformel des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist Grundlage der Strafzumessung die Schuld. Unabhängig von der umstrittenen näheren Bedeutung der Schuld als Wesensmerkmal der Strafe (Schuldidee), 226 ist der Schuldbegriff dabei nicht als eine mit der Strafbarkeit verknüpfte Vorwerfbarkeit zu verstehen, nach der dem Straftäter das Gesamtunrecht überhaupt vorgehalten werden kann (Strafbegründungsschuld), 227 sondern als ein gesondertes Maß der Vorwerfbarkeit anlässlich der Verwirklichung tatbestandsmäßigen Unrechts (Strafzumessungsschuld). 228 Entscheidet die Schuld als Teil des Deliktaufbaus über die Strafbarkeit, entscheidet die Schuld als Teil der Strafzumessung darüber, wie stark der Straftäter die zu schützende Rechtsordnung beeinträchtigt hat. 229 Die Beeinträchtigung der Rechtsordnung korrespondiert mit dem tatbestandsmäßigen Unrecht, denn beide werden letztlich durch das Unrecht charakterisiert. 230 Während das tatbestandsmäßige Unrecht sich in dem (vertypten) Er223

Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 3. Vgl. Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 877 m.w. N. 225 Vgl. auch Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 3. 226 Vgl. dazu näher Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 8 ff., Rn. 12 ff. m.w. N.; Müller-Dietz, Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionssystems, S. 8 ff. m.w. N.; Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbm §§ 13 ff.; Rn. 108 ff. 227 Vgl. dazu näher Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§13ff., Rn. 111. 228 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 101 f., Rn. 311 f. m.w. N.; Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 37, Fn. 21 m.w. N.; Lenckner / Eisele, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 13 ff., Rn. 112. 229 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 101 f., Rn. 311; Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46 Rn. 12. 230 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 164. 224

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

folgs- und Handlungsunwert der Straftat niederschlägt, bestimmt sich die Beeinträchtigung der Rechtsordnung aus dem Grad der Vorwerfbarkeit des Erfolgs- und Handlungsunwerts der Straftat. 231 Der Bezug auf Erfolgs- und Handlungsunwert macht die Strafzumessungsschuld zur Tatschuld, die sich an der Straftat ausrichtet, 232 nicht aber an der Lebensführung oder dem Charakter des Straftäters. 233 Wird die Strafbegründungsschuld durch das Unrecht und die Strafzumessungsschuld durch die Vorwerfbarkeit dieses Unrechts bestimmt, bedingt das nicht nur, dass Strafe nur bei Schuld des Straftäters verhängt werden kann, sondern auch, dass sie nur im Ausmaß der Schuld, genauer der Tatschuld, verhängt werden kann. 234 Denn bestimmt sich die Strafzumessungsschuld durch die Beeinträchtigung der Rechtsordnung, so dient Strafe dem angemessenen Ausgleich dieser Beeinträchtigung, um die Friedens- und Schutzfunktion des Strafrechts auszufüllen. 235 Die Anknüpfung an die Beeinträchtigung der Rechtsordnung begrenzt aber nicht nur die Strafe (Limitierungsfunktion), 236 sondern begründet sie nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auch zugleich (Begründungsfunktion), 237 so dass Strafe nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB dem gerechten Schuldausgleich zur Durchsetzung des Rechts dient. Das Erfordernis der gerechten Schuldorientierung findet nicht nur seine Grundlage in der Bestimmung des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB, sondern auch in den grundgesetzlichen Regelungen der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG. 238 Das Menschenbild des Grundgesetzes sieht den Menschen 231 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 102 f., Rn. 312 f.; Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 12; siehe auch die Definition der Strafzumessungsschuld bei Zipf, Die Strafzumessung, 1977, S. 28 mit den Begriffen der „Handlungs- und Erfolgskomponenten“. 232 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 165 ff. 233 Zu den früher häufiger vertretenen Schuldbegriffen der „Lebensführungsschuld“ und „Charakterschuld“ vgl. die Nachweise bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 38 in Fn. 26 und 27. 234 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 7 f. 235 Vgl. auch Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 13; siehe auch die Definition der Strafzumessungsschuld bei Frisch, ZStW 99 (1987), S. 388: „Schuld im Sinne des Strafzumessungsrechts ... ist die der Tat entsprechende, graduelle steigerungsfähige Rechtsfriedensstörung (im Sinne einer Erschütterung der Erwartung der Unverbrüchlichkeit der im entsprechenden Sanktionstatbestand je vorausgesetzten Verhaltensnorm), die dem Täter nach den der Rechtsordnung immanenten Maßstäben angelastet und zu deren Behebung er daher legitimerweise herangezogen werden kann.“ 236 So aber Teile der Literatur; vgl. dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 10, Rn. 32, m.w. N. in Fn. 104. 237 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 6 m.w. N.; Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, Vor § 46, Rn. 11 m.w. N.; Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 29; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 10 f., Rn. 32. 238 Vgl. BVerfGE 20, 323 (331); 25, 269 (285 f.); 45, 187 (258 f.).

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als eigenverantwortliche und freie Persönlichkeit, die sich in den Grenzen der grundgesetzlichen Ordnung innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfalten kann. 239 Die Verankerung der Menschenwürde und der Freiheitsrechte im Grundgesetz sichern diese Entfaltung des Einzelnen als Teil der sozialen grundrechtlichen Gemeinschaft ab. Dieser Handlungsfreiheit entsprechend besitzt er auch eine Verantwortung für sein Handeln, die sich in seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der Schuldorientierung des Strafrechts ausdrückt. 240 Die Eröffnung des Schutzbereichs der Menschenwürde und Freiheitsrechte bedingt auch, dass Eingriffe in den Schutzbereich durch Strafe nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie grundgesetzlich legitimiert werden können. Dies ist dann der Fall, wenn sie einerseits den Kernbereich der betroffenen Grundrechte unberührt lassen und andererseits gemeinschaftlich durch das Grundgesetz geschützten Zwecken dienen und verhältnismäßig sind. 241 Können Eingriffe in die Grundrechte nur gemeinschaftlich auf Grundlage des Grundrechts legitimiert werden, so gebietet das Grundgesetz, Nützlichkeitserwägungen im Sinne grundrechtlich legitimierter Ziele in die Strafe einzubeziehen. Erst die Folgenorientierung rechtfertigt mithin letztlich den Eingriff in die Menschenwürde und die Freiheitsrechte des Einzelnen. 242 Schuld ist damit nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung des deutschen Strafrechts. 243 Schuld allein kann Strafe nicht begründen, 244 sondern muss sich mit präventiven Aspekten vereinen (additive Vereinigungstheorie). 245 Diese Vereinigung darf nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Spielraumtheorie de jure aber nicht dazu führen, dass sich die Strafe von ihrer Bestimmung als gerechtem Schuldausgleich nach oben oder unten inhaltlich löst. 246

239 240

Vgl. BVerfGE 4, 7 (15 f.); 32, 98 (107 f.). Vgl. dazu näher Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien,

S. 33. 241

Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 20. Vgl. dazu Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 20; zu weiteren Argumenten gegen eine ausschließliche Berücksichtigung der retributiven vergeltenden Theorie vgl. Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 54. 243 Vgl. BGHSt 24, 40 (42). 244 Eine andere Auffassung vertreten die reinen Tatschuldtheorien; vgl. Köhler, Über den Zusammenhang von Strafrechtsbegründung und Strafzumessung. Erörtert am Beispiel der Generalprävention, Heidelberg 1983; Köhler, Der Begriff der Strafe, Heidelberg 1986; Wolff, ZStW 97 (1985), S. 786 ff. 245 Vgl. BVerfGE 39, 1, 57; BVerfGE 45, 187 (253 f.); BGHSt 24, 40 (42); Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 7 f., Rn. 11 ff.; zur sog. „dialektischen Vereinigungstheorie“ Roxin, „Schuld“ und „Verantwortlichkeit“ als Systemkategorien, 171 ff. 246 Vgl. BGHSt 24, 132 (134). 242

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bb) Präventive Straftheorien (1) Spezialprävention In § 46 Abs. 1 S. 2 StGB findet sich mit dem Hinweis auf die Wirkung der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft ein erster Verweis auf spezialpräventive Aspekte der Strafe. Dieser Verweis verstärkt sich zur Beachtung positiv-spezialpräventiver Aspekte der Resozialisierung, insofern als durch die Regelungen der §§ 47 Abs. 1 und 56 Abs. 1 StGB bei der kurzen Freiheitsstrafe die Einwirkungen auf den Täter und bei der Aussetzung zur Bewährung eine günstige Sozialprognose zu berücksichtigen sind. Zwar kann der Aspekt der Resozialisierung auch zur Schärfung der Strafe führen, so im Fall von Wiederholungstaten, generell aber wird er zur Milderung der Strafe gereichen. Gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB ist eine Entsozialisierung des Straftäters durch die Strafe zu vermeiden. Damit kann Strafe nicht nur einer bloßen Schuldvergeltung dienen, sondern muss auch auf die Persönlichkeit des Straftäters und sein soziales Umfeld eingehen. 247 So hat das BVerfG etwa im Lebach-Urteil gefordert, dass der Verurteilte eine Chance erhalten müsse, sich nach der „Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge.“ 248 Resozialisierung dient also auch insofern der Limitierung der Strafe, als schädliche Einwirkungen der Strafe beachtet und vermieden werden müssen. 249 Zwar finden beide Ausformungen der negativen Spezialprävention, die Abschreckungs- und die Sicherungsprävention, keine ausdrückliche Erwähnung im StGB; da sie aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, erfreuen sie sich bei der Strafzumessung in der Rechtspraxis einer gewissen Beliebtheit. 250 Dies gilt besonders für die individuelle Abschreckung, die vor allem bei Wiederholungstätern zum Zuge kommt. 251 Hingegen finden sich Überlegungen zur Sicherung im Rahmen der schuldangemessenen Strafe nur selten. Zwar wird der Straftäter während der Verbüßung der Freiheitsstrafe gesichert, aber eine lange Strafdauer kann auch schnell eine Entsozialisierung des Straftäters nach sich ziehen, was gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB vermieden werden soll. Auch mag 247 Vgl. im Einzelnen Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 175 f., Rn. 473 ff. m.w. N. 248 BVerfGE 35, 202 (235 f.). 249 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 228, Rn. 432 m.w. N.; zu den Auswirkungen der positiven Spezialprävention Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 175 f., Rn. 473 ff. 250 Vgl. BGHSt 20, 264 (267). 251 Vgl. kritisch dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 227, Rn. 430.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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die harsche Strafe zur Sicherung dem Straftäter als ungerechtfertigte Behandlung erscheinen und seiner Sühne entgegenstehen, mit der Folge, dass er die Rechtsordnung nicht als Recht empfindet und sich einer Eingliederung in die Gemeinschaft verwehrt. 252 Nach alledem spielen Überlegungen der sichernden Spezialprävention bei der Strafzumessung nur eine untergeordnete Rolle, sie reüssieren jedoch bei der Verhängung einer Maßregel der Sicherung. (2) Generalprävention In Aspekte der positiven Generalprävention werden in den §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 und 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB für die Strafartwahl angesprochen, wenn diese bei der Entscheidung über die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe bzw. der Aussetzung zur Bewährung auch berücksichtigen, ob besondere Umstände eine „Verteidigung der Rechtsordnung“ notwendig machen. 253 Der positiven Generalprävention wird auch Bedeutung bei der Bestimmung der Strafhöhe zugesprochen. 254 Entsprechend der in der Rechtsprechung vorherrschenden Spielraumtheorie (und der damit einhergehenden Vereinigungstheorie) können aber Aspekte der positiven Generalprävention nur im Rahmen der Schuldangemessenheit berücksichtigt werden. 255 Solange aber das Quantum der zur Normstabilisierung notwendigen Strafe nur schwer zu bestimmen ist, dient in der Regel die Betonung der schuldangemessenen Strafe allein der positiven Generalprävention, denn es ist zu erwarten, dass eine an der Vorwerfbarkeit des Unrechts

252

Vgl. auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 227 f., Rn. 431. Vgl. zur Bedeutung des Begriffs der „Verteidigung der Rechtsordnung“ Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 20 f. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 226, Rn. 428 m.w. N.; BGHSt 24, 40 (41 ff.); Zipf, Die Strafzumessung, S. 50 ff. 254 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 170 ff., Rn. 468 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 194 ff. 255 Zur primären Rechtfertigung der Strafe durch die positive Generalprävention mit unterschiedlichen Begründungen siehe die Übersicht bei Albrecht, Strafzumessung bei schwere Kriminalität, S. 32 ff. m.w. N.; Müller-Dietz, Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionssystems, S. 18 ff. m.w. N.; im Einzelnen vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 6 ff.; Jakobs, Schuld und Prävention, S. 8 ff. (Schuld und positive Generalprävention werden gleichgesetzt, so dass die positive Generalprävention die Strafe sowohl begründet als auch limitiert); Roxin, Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht, S. 279 ff.; Roxin, ZStW 96 (1984), S. 653 ff. (Schuld ist notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung der Strafe. Schuld wird durch die positive Generalprävention aufgeladen und schon inhaltlich durch die positiven Gesichtspunkte mitbestimmt); Schünemann, Plädoyer für eine neue Theorie der Strafzumessung, S. 219 ff.; Schünemann, Die Funktion des Schuldprinzips im Präventionsstrafrecht, S. 187 ff. (Schuld und positive Generalprävention bleiben getrennt. Die positive Generalprävention erklärt die Strafe, während die Schuld das Strafen begrenzt). 253

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ausgerichtete Strafe am ehesten als gerecht empfunden wird und daher auch am besten das Normvertrauen festigt. 256 Auch wenn sich kein direkter Hinweis auf die negative Generalprävention im StGB finden lässt, 257 berücksichtigt die Rechtsprechung dennoch regelmäßig den Gedanken der Abschreckung. 258 Abschreckend wirkt aber nur eine Strafdrohung, die auch durchgesetzt wird, so dass von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit dieser Straftheorie nicht nur die Androhung der Strafe im StGB ist, sondern auch deren Verfolgung und Vollstreckung. 259 Nach der Rechtsprechung fließt der Gedanke der allgemeinen Abschreckung nur unter der Voraussetzung ein, dass eine so bestimmte Strafe nicht über das Maß einer schuldangemessenen Strafe hinausgeht und die Strafschärfung sowohl geeignet als auch erforderlich zur Abschreckung ist; 260 mit anderen Worten, wenn die konkretisierbare Gefahr gleicher oder ähnlicher Nachahmungs- und Folgetaten besteht. 261 Liegen solche Umstände nicht vor, so soll nach der Rechtsprechung des BGH die abschreckende Wirkung allein durch die Strafdrohung erzielt werden. Denn eine nochmalige Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung der Strafe bei der Strafzumessung käme einer zweifachen Verwertung von abschreckenden Umständen gleich, nämlich sowohl bei der Tatbestands- und Strafrahmenbildung als auch bei der Strafzumessung, und stelle eine unzulässige Doppelverwertung dar. 262, 263 cc) Antinomie der Straftheorien Der Widerstreit der Strafzwecke ist im StGB nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings wird aus § 46 Abs. 1 S. 1 StGB und der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG 256 Vgl. Roxin, Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht, S. 304 f.; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 881 m.w. N.; Streng, ZStW 101 (1989), S. 292 f.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 93 ff. m.w. N. in Fn. 76. 257 Vgl. aber Art. 280 Abs. 1 EGV. 258 Vgl. BGHSt 20, 264 (267); BGHSt 28, 318 (326); BGH StV 1982, S. 166 f.; BGH NStZ 1992, S. 275; Joecks, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, Einl., Rn. 66 m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 434 m.w. N. 259 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 13, Rn. 21. 260 Vgl. im Einzelnen Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 168 ff., Rn. 465 ff. m.w. N.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 434 m.w. N. 261 Vgl. BGH NStZ 1986, S. 358; 1992, S. 275; und mit weiteren zahlreichen Nachweisen Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 434; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 882, Fn. 76. 262 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 434 m.w. N.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 196 f. m.w. N. 263 Zur Ablehnung der abschreckenden Generalprävention in Teilen der Literatur siehe die zahlreichen Nachweise bei Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 434 in Fn. 168.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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allgemein gefolgert, dass die (Strafzumessungs-)Schuld des Straftäters die Strafe nach oben hin limitiert, mithin die Strafe aus präventiven Gründen die Schuld nicht übersteigen darf (absolutes Schuldüberschreitungsverbot). 264 Legt das Gesetz so den Vorrang der schuldangemessenen Strafe fest, so bevorzugt es im Konfliktfall auch den Schuldausgleich vor der Normbestätigung, Abschreckung, Sicherung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Wird die Verankerung im Schuldausgleich als Verweis auf eine vergeltende, retributive Straftheorie verstanden, so kommt im Konfliktfall dieser Straftheorie der Vorrang vor den anderen hergebrachten Straftheorien der Spezial- und Generalprävention zu. 265 Es wäre also rechtswidrig, im Konfliktfall mit der Spezialprävention den gefährlichen Straftäter über die schuldangemessene Strafe hinaus zu bestrafen, um ihn zu sichern und abzuschrecken. Ist eine weitergehende Sicherung und Abschreckung notwendig, so kann dies allenfalls über eine Maßregel der Sicherung und Besserung erreicht werden. 266 Besteht die Notwendigkeit, den Straftäter zu resozialisieren, muss dies innerhalb der schuldangemessenen Strafe erfolgen, nicht aber darüber hinaus. 267 Im Konfliktfall mit der Generalprävention darf die Abschreckung der Allgemeinheit oder die Normenbestätigung ebenfalls nicht zur Überschreitung der schuldangemessenen Strafe führen, da nur abschreckt und Vertrauen schafft, was auch als gerecht und damit schuldangemessen empfunden wird. 268 Nach der von der Rechtsprechung favorisierten Spielraumtheorie darf aus Gründen der Spezial- und Generalprävention die schuldangemessene Strafe auch nicht unterschritten werden. 269 Auch wenn bestimmte schuldunabhängige Gründe de facto dazu führen können, dass die Strafe unterhalb des eigentlich angemessenen Schuldrahmens zuzumessen ist. 270 Ist dem retributiven Schuldausgleich im Konfliktfall auch ein Vorrang vor den präventiven Straftheorien einzuräumen, so muss er doch durch diese ergänzt werden. Innerhalb der spezialpräventiven Straftheorien hat der Gedanke der Resozialisierung ein gewisses Gewicht, da das StGB in § 46 Abs. 1 S. 2

264 Vgl. BVerfGE 45, 187 (260); 50, 5 (12); 54, 100 (108); BGHSt, 20, 264 (267); Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 13 m.w. N.; Nachweise finden sich auch bei Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 879, in Fn. 59. 265 Vgl. Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 16. 266 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 18 m.w. N.; Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 13. 267 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 15 ff. m.w. N. 268 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 12 ff. m.w. N. 269 Vgl. BGHSt 24, 132; BGH NJW 1978, S. 174 (175); BGH NJW 1977, S. 1247; Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 14 m.w. N. Andere Auffassung aber Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 18a m.w. N. 270 Siehe dazu näher S. 470 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ausdrücklich einer Entsozialisierung durch Strafe entgegentritt. 271 Hinzu kommt, dass die Resozialisierung innerhalb der spezialpräventiven Straftheorie oftmals zur Verfolgung der rechtsstaatlichen und individualistischen Funktion des Strafrechts durch Strafe ausreicht. Solange diese Ziele in ihrer präventiven Ausrichtung durch die anderen spezialpräventiven Straftheorien nicht eindeutig besser verwirklicht werden, muss Strafe an derjenigen spezialpräventiven Straftheorie ausgerichtet werden, die in der Regel am wenigsten in die Freiheitsrechte des verurteilten Straftäters eingreift. 272 Dies aber ist die Resozialisierung. Denn durch sie wird die Strafe meist nicht erhöht, sondern reduziert, und wird sie doch einmal erhöht, dann nicht in dem Umfang, der gemeinhin zur Abschreckung und Sicherung notwendig wäre. Ist dies bei der Abschreckung aufgrund der unterschiedlichen Resozialisierungsmaßnahmen nicht so eindeutig, so ist es bei der Sicherung deutlicher. Denn die Berücksichtigung der Sicherung führt in aller Regel zu harschen Strafen und dementsprechend zu einer starken Beeinträchtigung der Freiheitsrechte des Verurteilten. Hinzu kommt, dass harsche Strafen die Gefahr der Entsozialisierung in sich tragen. Da gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB eine Entsozialisierung vermieden werden soll, kann der Aspekt der Sicherung innerhalb der spezialpräventiven Straftheorien nur Ultima Ratio bei einer prognostizierten Gefährdung wichtiger Rechtsgüter sein. 273 Vor diesem Hintergrund ist die Straftheorie der sichernden Spezialprävention weniger bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, als vielmehr bei der Verhängung der Maßregel der Sicherung. Innerhalb der generalpräventiven Straftheorien ist die Normenbestätigung auf dem Vormarsch, da sie in den §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 und 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Formulierung von der „Verteidigung der Rechtsordnung“ Anklang gefunden hat, während die negative Generalprävention im Gesetz nicht genannt wird. Da aber positive und negative Generalprävention unterschiedlich ausgerichtet sind, geht mit der Bevorzugung der einen die Zurücksetzung der anderen einher. 274 Vor allem wird die positive Generalprävention der staatspolitischen Funktion des deutschen Strafrechts am besten gerecht, da sie Normenvertrauen schafft und Rechtstreue fördert. Das Spannungsverhältnis zwischen spezial- und generalpräventiven Straftheorien ist nicht abschließend gelöst, 275 es kann aber § 46 StGB und der Rechtsprechung des BGH die Tendenz entnommen werden, grundsätzlich spezialpräven-

271

Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 229, Rn. 433. Vgl. auch Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 228, Rn. 433. 273 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 228, Rn. 433. 274 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 231, Rn. 436. 275 Siehe näher zum Verhältnis der präventiven Straftheorien zueinander Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 115 ff. 272

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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tive Überlegungen vor generalpräventiven zu stellen. 276 Allerdings wird dieser Grundsatz mit den §§ 47, 56 und 59 StGB durchbrochen, die aufzeigen, dass im Konfliktfall die positive Generalprävention auch der positiven Spezialprävention vorgehen kann. 277 Denn die staatspolitische Rechtfertigung des Strafrechts und ihre Ausrichtung an der Gemeinschaft gebietet durch das Zumessen der verdienten Strafe letztlich, Rechtsbewusstsein und Rechtstreue vor die individuelle Sühne zu stellen. 278 b) Schweden aa) Präventive Straftheorien (1) Spezialprävention Beeinflusst durch die „positive Schule“ und die „défense sociale“ dominierte im schwedischen Strafrecht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des schwedischen Kriminalgesetzbuches (brottsbalken; BrB) im Jahr 1962 die sog. Behandlungsideologie. Deren Grundlage war die Überlegung, dass der Täter erst durch eine falsche Sozialisierung zum Täter werde, mithin der Täter durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden könne, und diese Resozialisierung durch Behandlung in den Vollzugsanstalten zu erreichen sei. 279 Dementsprechend sprach sich die bei Inkrafttreten des BrB einzige Vorschrift zur Strafzumessung – genauer: zur Wahl der Strafart, die aber als allgemeingültig für die Strafzumessung angesehen wurde 280 – dafür aus, „dass die Sanktion der Förderung der Wiedereingliederung des verurteilten Straftäters in die Gesellschaft dienen sollte.“ 281 Wie in anderen Rechtsordnungen, insbesondere der angloamerikanischen Rechtsfamilie, auch, traten schon bald erste Zweifel an den Möglichkeiten der Resozialisierung auf. Denn – so die Kritik – die mit der Resozialisierung verbundene Prognoseentscheidung sei mit Unsicherheiten behaftet, die Strafdauer nicht vorhersehbar, die Verhältnismäßigkeit zwischen Straftat und 276 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 19 m.w. N.; Theune, StV 5 (1985), S. 163. 277 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 19 m.w. N.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 170, Rn. 469. 278 Vgl. auch BGHSt 24, 64 (69); Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 22.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 232, Rn. 439. 279 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 70 m.w. N. 280 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 72 m.w. N.; siehe aber Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 141. 281 Kap. 1 § 7 a. E. BrB a. F. Der Paragraph lautet im Ganzen: „Bei der Wahl der Sanktion berücksichtigt das Gericht in dem Bewusstsein dessen, was zur Erhaltung der Rechtstreue erforderlich ist, die Tatsache, dass die Sanktion der Förderung der Wiedereingliederung des verurteilten Straftäters in die Gesellschaft dienen soll.“ Übersetzung entnommen bei Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 141.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Strafe gefährdet und der empirische Nachweis einer erfolgreiche Wiedereingliederung nicht zu führen. 282 Vor diesem Hintergrund erfuhr die straftheoretische Ausrichtung des BrB mit der Reform von 1989 eine durchgreifende Änderung. An die Stelle von Kap. 1 § 7 BrB a. F. traten nunmehr Kap. 29 und 30, die die Strafe nicht mehr am Täter ausrichteten, sondern an der Tat. Dementsprechend büßten die Behandlungsideologie und die Resozialisierung zwar bei der Strafzumessung an Bedeutung ein, sie scheinen aber immer wieder in Fällen der Strafwahl durch, insbesondere bei den „anderen Sanktionen“, die sich nach wie vor an den Belangen des Täters und der Frage seiner Wiedereingliederung orientieren. 283 Der sichernden Spezialprävention soll im schwedischen Strafrecht keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen, da nicht zuletzt die mit ihr verbundene Prognose über die Gefährlichkeit des Täters schwierig ist. 284 (2) Generalprävention Schon Kap. 1 § 7 a. A. BrB a. F. richtete die Wahl der Sanktion an der Erhaltung der Rechtstreue aus. Traditionell versuchte die schwedische Rechtspraxis, Rechtstreue dadurch zu schaffen, dass sie die Strafe im Verhältnis zur Straftat des Straftäters verhängte. Zumindest zog die Ausrichtung der Strafzumessung an der positiven Generalprävention eine verhältnismäßige Strafzumessung nach sich. 285 Die Ausrichtung an der Verhältnismäßigkeit hat sich durch die Einführung der Kap. 29 und 30 BrB verstärkt, so dass es nahe liegt anzunehmen, dass mit der verstärkten Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens auch eine verstärkte Berücksichtigung der positiven Generalprävention einhergeht. Denn – so nicht zuletzt die Begründung des Regierungsentwurfes zur Reform von 1989 – die Ausrichtung der Strafzumessung an der Tat des Täters und die proportionale Verhängung der Strafe fördert Rechtssicherheit und Gleichheit, schafft Vertrauen der Bürger in das Recht und erlangt deren Unterstützung für das Recht. Ähnliche Argumente finden sich auch in den Vorarbeiten zur Reform des Strafzumessungsrechts. 286

282

Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 73 f. m.w. N. Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 145. 284 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 84 und 210. 285 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 141. 286 Vgl. näher Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 77 f. m.w. N., der auch auf Aussagen des sog. Gefängnisstrafenkomitees und des sog. Rats zur Verbrechensbekämpfung verweist, die ebenfalls die positive Generalprävention als zentralen Gedanken der Strafzumessung benennen. 283

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bb) Retributive Straftheorien Zwar wird die Strafe an der Tat ausgerichtet, dies ist aber nicht gleichzusetzen mit einer Ausrichtung der Strafzumessung am Gedanken des „just deserts“. Denn die Verhältnismäßigkeit der Strafe zur Straftat wird eher als notwendige Strafzumessungstechnik im Rahmen der positiven Generalprävention verstanden, denn als Ausdruck einer retributiven Straftheorie. 287 In den Vorarbeiten zur Reform des Strafzumessungsrechts klingt daher auch an, dass retributive Straftheorien keine entscheidende Rolle bei der Strafzumessung zukommen soll. 288 cc) Antinomie der Straftheorien Hatte Kap. 1 § 7 BrB a.F. der Straftheorie der Spezialprävention im Konfliktfall noch den Vorrang vor der Generalprävention eingeräumt, so trat sie mit der Strafzumessungsreform 1989 und der damit einhergehenden Einführung von Kap. 29 und 30 BrB in den Hintergrund. Zum Tragen kommt die Spezialprävention noch bei den sog. anderen Sanktionen. Bestehen blieb die Ausrichtung der Gefängnisstrafe und Geldstrafe an der Generalprävention und dort insbesondere an der positiven Generalprävention, die nunmehr als dominierende Straftheorie bezeichnet werden kann 289 und der auch im Konfliktfall der Vorrang einzuräumen ist. 290 Als Strafzumessungstechnik knüpft die Strafe dabei an die Tat an und soll proportional zu deren Strafwert verhängt werden. Eine Aussage zugunsten retributiver Straftheorien lässt sich daraus aber nicht ableiten, wie die Vorarbeiten zu dem Gesetz belegen. 291 c) Frankreich Straftheorien werden im C.P. nicht ausdrücklich erwähnt. Positiv gewendet kann dies als Hinweis auf die durch den Gesetzgeber gewollte Flexibilität des C. P. bei der Anwendung der Straftheorien angesehen werden, 292 negativ gewendet verbirgt sich dahinter das Unvermögen, einen tragfähigen Konsens bzw. Klarheit über den Zweck der Strafe zu erzielen. 293 Wie dem auch sein mag, der Anwender ist letztlich darauf angewiesen, von den einzelnen Strafvorschrif287

Vgl. auch Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 145. Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 145; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 81 m.w. N. 289 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 31 f. 290 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 84. 291 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 83 ff. m.w. N. 292 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 131. 293 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 54. 288

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ten mittelbar auf die Straftheorien zu schließen. Dass dabei unterschiedliche Interpretationen ein und derselben Strafnorm im Widerstreit stehen, liegt auf der Hand. Eindeutige Aussagen werden aber nicht allein durch unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten erschwert, sondern zusätzlich durch die aufgezeigte Vielzahl möglicher Strafarten und Strafvollstreckungsmöglichkeiten, die zumeist Rückschlüsse auf unterschiedliche Straftheorien zulassen. Trotz dieser Schwierigkeiten lassen sich im C. P. die zwei Eckpunkte der Diskussion um die Straftheorien, die präventiven und retributiven Straftheorien, nachweisen. Auffallend ist allerdings, dass im Vergleich zu neueren Kodifizierungen in anderen Rechtsordnungen, insbesondere denen des angloamerikanischen Raumes, die retributive Straftheorie des „just deserts“ bzw. „juste dû“ nur vereinzelt aus dem C. P. zu schließen ist, obwohl die Rechtspraxis bereit zu sein scheint, Gedanken des „néo-rétributivisme“ gerade in der Strafzumessung bei schweren Straftaten zu berücksichtigen. 294 Dominiert wird die Strafzumessung hergebracht durch präventive Theorien, der negativen Generalprävention und der positiven (wie auch negativen) Spezialprävention. (Mit)Verantwortlich für diese Ausrichtung des französischen Strafrechts zeichnet die rechtspolitische Strömung der neuen Sozialverteidigung, der „défense sociale nouvelle“. 295 294

Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 64 ff. Sie hat ihre Wurzeln in der erstmals durch die Union International de droit pénal propagierten Klassischen Sozialverteidigung (la défense sociale), die sich zum Ziel gesetzt hatte, Gesellschaft und öffentliche Ordnung vor Straftätern zu schützen, d. h. nicht der Einzelne wird als zu schützendes Opfer der Straftat erkannt, sondern die Gesellschaft (vgl. Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 327). Erreicht werden sollte der Schutz durch Abschreckung der Täter, auf deren Vorstellungsbild und Willen noch Einfluss genommen werden konnte, und durch Neutralisierung der Täter, die einer Beeinflussung nicht mehr zugänglich waren und daher als besonders gefährlich für die Gesellschaft galten (vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 126). Zur Abschreckung sollten Strafdrohungen dienen, die dazu geeignet waren, den Straftäter zu beeinflussen; es wurde vermutet, dass je höher diese wären, umso größer auch der abschreckende psychologische Zwang wäre (vgl. Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 327). Zur Neutralisierung wurden individuell bemessene Sicherheitsmaßnahmen befürwortet (siehe näher zur Klassischen Sozialverteidigung Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 327 f.). Gegen diesen Neutralisierungsgedanken wandten sich dann die Vertreter der Neuen Sozialverteidigung (la défense sociale nouvelle), insbesondere Marc Ancel mit seinem grundlegenden Werk „La défense sociale nouvelle. Un mouvement de politique criminelle humaniste“ (vgl. näher Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 187 f.). Basierend auf der Idee der Gesellschaftsverteidigung von Filippo Gramatica galt für sie ebenfalls die Verteidigung der Gesellschaft als Zweck der Strafe, dies sollte jedoch durch das Eingehen auf die individuellen Besonderheiten des Straftäters und durch seine Anpassung (adaption) und die Resozialisierung (resocialisation) erfolgen, nicht aber durch eine bloße Sicherung des gefährlichen Straftäters, da dies mit dem Menschsein des Straftäters unvereinbar war (vgl. näher Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 189); so die Forderungen im Mindestprogramm der Internationalen Gesellschaft für Sozialverteidigung von 1954 (abgedruckt in: MschrKrim (1956), 58 ff.; R.S.C. (1954), S. 807 ff.). Mit die295

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aa) Präventive Straftheorien (1) Spezialprävention Auch wenn bei Einzelheiten, insbesondere in Bezug auf Herleitung und vorherrschende Stellung im C. P., unterschiedliche Meinungen vertreten werden, so besteht doch grundsätzlich Einigkeit darüber, dass die Resozialisierung (la resocialisation bzw. la réadaption bzw. l’amendement) fester Bestandteil des französischen Strafrechts ist. So meint etwa Gassin, dass „le resocialisation des délinquants constitue sans doute la fonction dominante du système des peines dans la pensée des rédacteurs du nouveau Code pénal“. 296 Meist wird versucht, den Gedanken der Resozialisierung an der amtlichen Überschrift des 2. Abschnitts des 2. Kapitels im 3. Buch des C. P. und der darin enthaltenen einleitenden allgemeinen Strafzumessungsnorm des Art. 132-24 C. P. festzumachen. sem Fokus gewannen die Achtung und der Schutz der Menschenrechte neue Bedeutung. Die Ausrichtung der Strafzumessung an der individuellen Situation des Straftäters erfordert eine auf wissenschaftlichen Kriterien beruhende Wahrnehmung der besonderen psychologischen und sozialen Situation des Straftäters, was am besten in einem zweiten, gesonderten Strafzumessungsverfahren durch eine in kriminologischen, soziologischen und psychologischen Belangen geschulte Richterschaft erreicht werden kann (vgl. näher Ancel, La défense sociale nouvelle, S. 214 ff.; Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 189 f.). Dabei wandte sich die défense sociale nouvelle gegen die Aspekte der „verdeckten Strafzumessungssituation“ und forderte, den Vorgang der Strafzumessungsentscheidung zu erforschen und transparent zu machen (vgl. ausführlicher dazu Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 191 ff.). Begründungspflichten und Revisionsmöglichkeiten sollten mit der Strafzumessungsentscheidung einhergehen (vgl. Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 192). Überprüfbarkeit und Individualisierung der Strafzumessung erforderten eine Vielfalt an Sanktionsmöglichkeiten, wobei die Unterscheidung zwischen Strafe und Maßregel überflüssig wurde, da letztlich alle Sanktionen der Resozialisierung des Täters dienten (vgl. Ancel, La défense sociale nouvelle, S. 224 ff.; Zieschang, Das Sanktionssystem in der Reform des französischen Strafrechts im Vergleich mit dem deutschen Strafrecht, S. 33; Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 190). Aber nicht nur die Strafzumessung ist diesem Ziel unterzuordnen, sondern auch die Strafvollstreckung, die Möglichkeiten beinhalten muss, auf die individuelle Situation des Straftäters einzugehen (vgl. dazu Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 191). Auf die allgemeine Kritik an der Resozialisierung der 1970er und 1980er Jahre reagierten die in der Société de défense sociale nouvelle zusammengeschlossenen Vertreter der défense sociale nouvelle nicht mit der Aufgabe, sondern mit der Stärkung ihrer kriminalpolitischen Überlegungen. In ihrem 1984 verabschiedeten Ergänzungsprogramm zum Mindestprogramm von 1954 werden die Ziele der Resozialisierung bekräftigt und Alternativen zum Strafrecht insbesondere im Bereich des unteren und mittleren Unrechts gefordert sowie das Opfer der Straftat stärker ins Zentrum der Betrachtung gerückt (vgl. dazu Müller, Sanktion und Strafauswahl in Frankreich, S. 196 m.w. N.). Während andere die Kritik des „nothing works“ oder des „effet zéro du traitement“ zu einer Rückkehr zu retributiven Straftheorien nutzen, nehmen die Vertreter des défense sociale nouvelle dies zum Anlass, den Weg der präventiven und humanen Straftheorien weiter zu beschreiten (vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 51). 296 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 60.

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Denn die Überschrift „des modes de personnalisation des peines“ verweist, in etwas gewandeltem Wortlaut, auf die Individualisierung der Strafe. 297, 298 Hinzu kommt, dass Art. 132-24 C. P. mit seiner Forderung, die Strafe nach den Umständen der Straftat und der Persönlichkeit des Täters festzusetzen, als Ausdruck der Individualisierung gilt. 299 Dies verweist auf die Resozialisierung. 300 Allerdings nur, wenn man diese Regelung nicht als reinen rechtstechnischen Verweis auf die generelle Art und Weise einer „dépénalisation“ begreifen will, die nicht von einer konkreten Straftheorie getragen ist. 301 Dem steht die Ansicht des französischen Verfassungsgerichtshof bzw. Verfassungsrates (Conseil constitutionnel) entgegen, der immer wieder Aspekte der Straftheorie der Resozialisierung als Verfassungsrecht anerkannt hat. 302 Weiter kann man den nach Art. 132-24 C. P. aufgeführten Unterabschnitten der weiteren Formen der Strafzumessung und Strafvollstreckung die starke Bemühung um die Resozialisierung entnehmen. Denn diese vielfältigen Sanktionen, insbesondere auf der unteren und mittleren Ebene des Unrechts, sind bestrebt, eine Anpassung der Strafe an die Persönlichkeit des Täters zu ermöglichen. Deutlich wird dies zum Beispiel beim Absehen und beim Aufschub von Strafe, die beide an die Wiedereingliederung des Täters, die Schadenswiedergutmachung und die Herstellung des Rechtsfriedens anknüpfen (Art. 132-58 ff. C. P.). Die Resozialisierung im französischen Strafrecht versucht letztlich – entsprechend der Ausrichtung der neuen Sozialverteidigung – der Fehlbarkeit des Menschen gerecht zu werden und eine humaneres Strafen zu ermöglichen. 303 Die bereits angesprochenen Regelungen für Wiederholungstäter verweisen auch auf die sichernde und abschreckende Spezialprävention (la neutralisation bzw. l’élimination und l’intimidation bzw. dissuasion individuelle) innerhalb des C. P. Denn diese sollen auch die Verhängung der Sicherheitsperiode ermöglichen. Die verhängte Sicherheitsperiode schließt dann wiederum eine Abmilderung der 297

Vgl. Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 17; Syr, R.S.C. (1994), S. 232;. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 53. 298 Robert Badinter, einer der Väter der neuen Kodifizierung des französischen Strafrechts, hat den C. P. deutlich in den Kontext der Neuen Sozialverteidigung gerückt: „La loi pénale ... a pour finalité première la défense de la société civile et de ses membres. A cette fin, la loi édicte des peines qui frappent ceux qui attentent à l’ordre social. Tout loi pénale est une loi de défense sociale.“ Badinter, Projet de nouveau Code pénal, S. 10. 299 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 935; Delmas-Marty / Lazerges, R.D.P.C (1997), S. 141. 300 Vgl. Pradel, Le nouveau Code pénal, S. 17. 301 In diesem Sinne Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 54; vgl. auch Syr, R.S.C. (1994), S. 222 ff. 302 Vgl. dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 15 ff. m.w. N.; dies., Die Anwendung von Strafzumessungsregeln im deutsch-französischen Vergleich, S. 27 f.; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 131 f. 303 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 60 ff.; Papatheodorou, R.S.C. (1997), S. 27.

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Strafe durch Strafvollstreckungserleichterungen, wie Unterbrechung der Strafvollstreckung, Aufteilung der Strafe in Abschnitte etc., aus (siehe Art. 132-23 C. P.) und verschärft die Strafe damit signifikant, was zugleich den einzelnen Straftäter abschrecken soll und den Verurteilten sichern hilft. Hinzu kommt, dass in den C. P. neue strafschärfende Tatbestände bzw. Qualifikationen Eingang gefunden haben, die auch dazu dienen, exemplarische und damit abschreckende Strafen zu verhängen. 304 Ein weiteres Indiz lässt sich dem Art. 132-17, al. 1 C. P. entnehmen, der überwiegend dahingehend verstanden wird, dass er (mildere) Alternativstrafen ausschliesst. 305 Der Bezug auf die sichernde Spezialprävention und letztlich auch auf die abschreckende Spezialprävention steht nur scheinbar im Widerspruch zur „défense sociale nouvelle“ und ihrer Betonung der Resozialisation, denn auch diese strebt die Sicherung der Gesellschaft vor dem Täter an. Eine Strafe, welche die beste Gewähr für eine Resozialisierung bietet, verhindert denn auch am ehesten, dass der Straftäter rückfällig wird, und sichert damit die Gesellschaft letztlich am besten vor dem Straftäter. 306 Nur dann, wenn eine Wiedereingliederung unmöglich erscheint, muss es einen Weg geben, wie mit dem nicht besserungsfähigen und damit gefährlichen Straftäter umzugehen ist. Die Anfänge der „défense sociale nouvelle“ in der „défense sociale“ wiesen daher schon auf diese Möglichkeit hin, indem sie die Neutralisierung eines nicht zu bessernden, für die Gesellschaft gefährlichen Straftäters in das Kalkül einbezogen. 307 (2) Generalprävention Das französischen Strafrecht und so das C. P. verbindet mit den Strafdrohungen traditionell auch eine generell abschreckende Wirkung im Sinn der negativen Generalprävention (l’intimidation oder dissuasion générale bzw. collective). 308 Der Gedanke der abschreckenden Generalprävention wird nicht nur in den Strafbestimmungen gegen juristische Personen deutlich, 309 sondern lässt sich auch bei der Strafdrohung gegen natürliche Personen dingfest machen. Besonders deutlich wird dies an der Abstufung der Freiheitsstrafen in Art. 131-1 C. P. Dort sind entsprechend der Schwere der Straftat unterschiedliche freiheitsentziehende Höchststrafen festgelegt, die im Vergleich zur alten napoleonischen Kodifizierung erhöht wurden. 310 D. h. je schwerer die Tat wiegt, umso mehr hält das 304

Vgl. Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 13 m.w. N.; dies., Die Anwendung von Strafzumessungsregeln im deutsch-französischen Vergleich, S. 29 m.w. N. 305 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 58 f. 306 Vgl. auch Syr, R.S.C. (1994), S. 218. 307 Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 137. 308 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 55 ff. 309 Vgl. dazu näher Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 56. 310 Vgl. dazu näher Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 56 f.

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Gesetz die Abschreckung dagegen. Dazu gehört auch die Drohung mit lebenslanger Freiheitsstrafe. Allerdings ist eine gestufte Abschreckung nur dann von Erfolg gekrönt, wenn der potentielle Gesetzesbrecher genauso zuverlässig die Schwere seines Tuns einschätzen kann wie das Gesetz bzw. sich die Einschätzung des Täters mit der des Richters deckt – eine Annahme, die wenig realistisch erscheint. Als weiteres Beispiel für eine abschreckende Strafschärfung mögen die Verschärfungen für Wiederholungstäter gelten. 311 Der Gedanken der positive Generalprävention firmiert in Frankreich unter der Bezeichnung „la fonction expressive“. 312 Ihr Ziel ist es, durch Strafe die in der Gesellschaft gültigen Wertvorstellungen gleichermaßen zu vermitteln und zu sichern. 313 Die Vermittlung der gemeinsamen Werte und ihre Aufrechterhaltung durch Strafe wird auch als Integrationsprävention (prévention-intégration) bezeichnet. 314 Belegt wird diese Straftheorie zum eine durch die zahlreichen strafschärfenden Merkmale des C. P., die nicht nur abschrecken, sondern auch den Tatbeständen eine besondere Gewichtung verleihen, und zum anderen durch die zahlreichen Möglichkeiten zur Individualisierung. 315 Die Sicherung (la sécurisation), die durch die Strafverhängung eintritt, dient ebenfalls der Bestätigung von Werten der Gemeinschaft, der vermittelt wird, dass ihre Werte nicht nur Bestand haben und durchgesetzt werden, sondern dass sie auch gegen den Wertebruch und Wertebrecher gesichert ist. 316 bb) Retributive Straftheorien Die im C. P. enthaltenen zahlreichen Möglichkeiten zur Individualisierung der Strafe in der Tradition der Neuen Sozialverteidigung weisen darauf hin, dass es für retributive Straftheorien (la rétribution) nur wenig Raum im französischen Strafrecht gibt. 317 Denn wer neben den Umständen der Tat die Persönlichkeit des Täters stark in den Fokus der Sanktionsmöglichkeiten rückt, der bestraft den Täter nicht nur so, wie er es möglicherweise für seine Tat verdient hätte, sondern auch so, wie es dem Täter und seiner zukünftigen Entwicklung am besten zu entsprechen scheint. Dieser Gedanke ist den retributiven Straftheorien fremd. Dennoch ist die Stellung der retributiven Straftheorien umstritten. Zuweilen wird die retributive Straftheorie als bedeutende Straftheorie des französischen 311

Vgl. Gassin C.S.I. 18 (1994), S. 57 f. Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 50 ff.; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 137 f. 313 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 50. 314 Vgl. Gassin C.S.I. 18 (1994), S. 51. 315 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 50. 316 Vgl. Gassin C.S.I. 18 (1994), S. 67 f. 317 Vgl. auch Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 328. 312

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Strafrechts angesehen. 318 Aus Sicht der Öffentlichkeit und der Opfer soll den retributiven Straftheorien eine besondere Bedeutung bei der Verhängung einer „gerechten“ Strafe zukommen. 319 Dieser Gedanke wird gerade auch bei der Verurteilung besonders schwerer Straftaten von der Rechtspraxis geteilt und scheint in die Strafzumessung einzufließen. 320 Dabei wird „la rétribution“ von manchen zusätzlich in die Nähe gerückt zu positiven und negativen generalpräventiven Straftheorien, 321 da das Zufügen eines Übels des bloßen Übels wegen noch keine Strafe begründen kann. Allerdings sind die wenigen bestehenden Ansätze einer retributiven Straftheorie im C. P. nur vereinzelt und verstreut zu finden 322 und haben eher ab- als zugenommen. 323 cc) Antinomie der Straftheorien In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung zur Antinomie der Straftheorien muss eine Rangfolge für den Fall des Widerstreits aus der Wichtigkeit der Straftheorien für das Sanktionssystem gezogen werden. Ausgehend von der Neuen Sozialverteidigung und ihrer Orientierung an der Individualisierung der Strafe nach den Belangen des Straftäters zum Schutz der Gesellschaft wird das Sanktionssystem vor allem durch spezialpräventive Straftheorien geprägt. Im Zentrum der Neuen Sozialverteidigung und damit auch an erster Stelle im C.P. steht die positive Spezialprävention, die sich mannigfaltig im C.P. nachweisen lässt und auch in der Rechtsprechung des Verfassungsrates belegt ist. Dieser ist daher wohl der Vorrang vor den anderen spezialpräventiven Straftheorien und überhaupt den anderen Straftheorien zuzugestehen, so dass die Wiedereingliederung vor der Abschreckung, Sicherung und dem Schuldausgleich rangiert. 324 Ist die Wiedereingliederung des Straftäters nicht zu erwarten, greifen die beiden weiteren Aspekte der Spezialprävention, die Sicherung und Abschreckung, vor der Generalprävention und dem Schuldausgleich. Dadurch wird das Strafniveau zwar angehoben, aber dies entspricht der individuellen Situation zum Schutze der Gesellschaft. Innerhalb der Generalprävention verweist die Tradition des C. P. im Code Napoleon und die Erhöhung der Strafen auf eine hergebrachte Ausrichtung an der negativen Generalprävention, nicht aber an der positiven 318 Vgl. Du Mesnil du Buisson, R.S.C. (1998), S. 255 f.; Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 48. 319 Vgl. Gassin, C.S.I. 18 (1994), S. 66 f. 320 Siehe die empirische Untersuchungen von Ouimet / Cusson, R. I. C. P. T. (1990), S. 32. 321 Vgl. näher Nemitz, Strafzumessung im Völkerrecht, S. 128. 322 Vgl. Gassin C.S.I. 18 (1994), S. 64 ff. 323 Vgl. Müller, Die Anwendung von Strafzumessungsregeln im deutsch-französischen Vergleich, S. 30; dies., Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 14. 324 Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 139.

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Generalprävention. Eine untergeordnete Rolle spielt hingegen eine retributive Ausrichtung der Strafe. d) England-Wales aa) Retributive und präventive Straftheorien Traditionell gab es durch den Gesetzgeber weder eine Vorgabe, welche Straftheorien zu berücksichtigen noch wie diese zu gewichten waren. Es herrschte ein „Cafeteria-System“ vor, bei dem jeder Richter die seiner Auffassung nach angebrachten oder auf den Fall passende Straftheorie aus dem „Menü“ der Straftheorien auswählen und nach Gutdünken gewichten konnte. Durch diese auf den Einzelfall abstellende Berücksichtigung entstand eine Strafungleichheit erheblichen Ausmaßes, die erstmals umfassend durch den CJA 1991 bereinigt werden sollte. Gemäß der ss. 1, 2 und 6 sollten freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Sanktionen nur dann erfolgen, wenn diese der Tatschwere angemessen waren. 325 Straftheorien der Prävention, wie Abschreckung und Sicherung, spielten keine Rolle mehr und sollten bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden. 326 Auch wenn diese Vorgabe durch die Rechtsprechung zum Teil abgeschwächt wurde und es Ausnahmen für „longer-than-commensurate-sentences“ gab, so war dennoch die Straftheorie des „just deserts“ die dominierende Straftheorie der Strafzumessung. 327 Mit dem CJA 2003 hat der Gesetzgeber sich wieder dem ursprünglichen traditionellen Modell angenähert, indem der CJA 2003 s. 142(1) zwar erstmals in der Rechtsgeschichte Englands Strafzwecke explizit auflistet, diese Liste aber ein weites Spektrum an Strafzwecken aufweist und keine Gewichtung vornimmt. 328 Damit wird entsprechend der neueren kriminalpolitischen Ausrichtung des Home Office der Fokus von der zuvor beherrschenden Just-deserts-Theorie wieder mehr auf präventive Straftheorien verlegt, 329 insofern als nunmehr negative generalpräventive (the reduction of crime including its reduction by deterrence) 325

Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 640 f. Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 640 f. 327 Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 641. 328 So heißt es in CJA 2003 s. 142(1): Any Court dealing with an offender in respect of his offence must have regard to the following purposes of sentencing – (a) the punishment of offenders (b) the reduction of crime (including its reduction by deterrence) (c) the reform and rehabilitation of offenders (d) the protection of the public, and (e) the making of reparation by offenders affected by their offences. 329 Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 642. 326

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und negative spezialpräventive (protection of the public) Aspekte neben positiven spezialpräventiven (the reform and rehabilitation of offenders) Aspekten und der Wiedergutmachung (the making of reparation by offenders affected by their offences) bei der Strafzumessung zur Verfügung stehen. Aspekte des „just deserts“ sind aber nach wie vor im CJA 2003 vorhanden. So kann aus den zuvor angesprochenen Normen des CJA 2003 ss. 152(2), 153(2) und 148(2)(a)(b), die auf die „crime seriousness“ abstellen, die Notwendigkeit der Angemessenheit der Strafe zur Tatschwere herausgelesen werden. Darüber hinaus liest Ashworth den Hinweis auf die Straftheorien des „punishments“ als Hinweis auf „desertspunishment“. 330 Da dies im Konflikt zu den Straftheorien der Abschreckung und Sicherung stehen kann und die Rechtsprechung das Proportionalitätskriterium schon früher aufgeweicht hat, ist es aber fraglich, in welchem Umfang das Proportionalitätskriterium Bestand haben wird; dass es aber ein zentraler Aspekt der Strafzumessung ist, steht außer Zweifel. 331 Von den Strafzwecken enthält CJA 2003 s. 142(2) wiederum eine Reihe von Ausnahmen, unter anderem für Fälle, in denen die Strafe ohnehin schon durch das Gesetz vorgeschrieben ist (s. 142(2)(b), d. h. in Fällen des Mordes) bzw. das Gesetz zwingende Mindeststrafen anordnet (142(2)(c), z. B. PCC(S)A 2000 ss. 110 und 111), da es hier bei der Strafzumessung keiner weiteren Gewichtung der Strafzwecke bedarf. 332 bb) Antinomie der Straftheorien Der Sentencing Guidelines Council (SGC) hat in der bindenden Richtlinie „Overarching Principles: Seriousness“ 333 das Überwiegen der einen oder anderen Straftheorie generell ausgeschlossen. Demnach hängt es vom Einzelfall ab, welche Straftheorie in welcher Gewichtung zur Anwendung kommt. So heißt es unter der Ziffer A.1.2: „The Act does not indicate that any one purpose should be more important than any other and in practice they may all be relevant to a greater or lesser degree in any individual case – the sentencer has the task of determining the manner in which they apply.“ Vor dem Hintergrund einer zur Tatschwere proportionalen Strafzumessung steht die Richterschaft damit vor der Aufgabe, die im Widerspruch zueinander stehenden Straftheorien mit der Tatschwere der Straftat in Einklang zu bringen. 334 Mit anderen Worten: Da es für die Anwendung und den Widerstreit der Straftheorien keine genauen Vorgaben

330

Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 641. Vgl. dazu detailliert: von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 644 f. 332 Vgl. näher zu den Ausnahmen Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.1; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 –53 ff. 333 http://www.sentencing-guidelines.gov.uk/docs/Seriousness_guideline.pdf (01. 12. 2008). 334 Kritisch dazu von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 640 ff. 331

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des Gesetzgebers gibt, lehnt sich die Auswahl und Rangfolge am dominierenden Strafaspekt, der Schwere der Tat, im zu entscheidenden Einzelfall an. Am klarsten scheint dies am unteren und oberen Ende der Tatschwere zu sein. Denn am unteren Ende der Tatschwere wird die Strafzumessung durch die zahlreichen Sanktionsmöglichkeiten der ambulanten Sanktionen, der Geldstrafe, aber auch – nach ihrem Inkrafttreten – bei den Custody-plus-Strafen bestimmt. Diese bringen zum Ausdruck, dass man den Straftäter zwar angemessen zu seiner Straftat bestrafen will, aber seine Integration so wenig wie nötig stören bzw. seine Wiedereingliederung so gut wie möglich fördern will, da so eine bessere Sicherung der Gesellschaft erreicht werden kann. 335 Dass „reform“ und „rehabilitation“ im CJA 2003 erwähnt werden, zeigt daher eine Abkehr vom „nothing works“ und die Hinwendung zu einem „something works“ und spiegelt die Hoffnung neuerer empirischer Untersuchungen wider. 336 Am oberen Ende der Tatschwere bestimmt die sichernde Spezialprävention, sekundär auch die abschreckende Generalprävention, die Strafe, wenn etwa besonders gefährliche Straftäter über die eigentlich angemessene Strafe hinaus mit einer Sicherheitsperiode belastet werden, da die Täter als Gefahr für die Gesellschaft wahrgenommen werden, die es durch Sicherung zu bannen gilt, 337 und die Hoffnung besteht, dass sich der Straftäter und andere potentielle Straftäter durch drakonische Strafen von einer Straftatbegehung abhalten lassen. Abschreckung soll aber nur durch eine der Tatschwere angemessene Strafe erfolgen und nicht durch eine aus Erwägungen der Abschreckung erhöhte Strafe. 338 Sicherung ist mit einer Prognose der Gefährlichkeit des Täters bzw. seines Rückfallrisikos verbunden, die mit Schwierigkeiten behaftet ist, da die Abwägung der Rückfallwahrscheinlichkeit in der Regel zulasten des Täters ausfällt. 339 Die Rechtsprechung des Court of Appeal betont bei schweren Straftaten neben einer angemessenen Strafe und der Sicherung zuweilen auch den Aspekt der abschreckenden Generalprävention. 340 Am schwierigsten wird die Zuweisung der Straftheorien für den mittleren Bereich der Tatschwere fallen, weil die Straftat und damit die Tatschwere in diesem Bereich keine Entscheidung für eine Straftheorie vorzeichnen. In allen Bereichen der Tatschwere ist aber im englisch-walisischen Strafrecht auch der 335

Vgl. auch Halliday, Making Punishments Work, S. 6 f., 1.45 ff. Vgl. Halliday, Making Punishments Work, S. 10, 1.69; von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 644. 337 Vgl. Halliday, Making Punishments Work, S. 9 f., 1.66 ff.; von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 643. 338 Vgl. Halliday, Making Punishments Work, S. 8 f., 1.62 ff.; von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 643. 339 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 94 f. 340 Vgl. näher Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 102 f. m.w. N. 336

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Gedanke der positiven Generalprävention zu berücksichtigen. So hat das Court of Appeal in Howells ausgeführt, dass „courts could not and should not be unmindful of the important public dimension of criminal sentencing and the importance of maintaining public confidence in the sentencing system“ (eigene Hervorhebung). 341, 342 Auch spricht der Halliday-Bericht davon, dass „Sentencing makes important contributions to crime reduction and public confidence ...“ 343 e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika Im Allgemeinen lassen sich in den Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika keine für alle Staaten einheitliche Straftheorien der Strafzumessung bestimmen. Zum einen ist es überhaupt schwierig, eine für alle Staaten gültige Aussage zu treffen, da die Unterschiede in den einzelnen Staaten größer sind als die Übereinstimmungen. Zum anderen wird weiterhin in vielen Staaten eine unbestimmte Form der Strafzumessung praktiziert, mithin eine stark auf den Einzelfall bezogene Strafzumessung, die die Berücksichtigung all jener Straftheorien ermöglicht, die dem Fall – bzw. der Anschauung des Richters – am ehesten entsprechen, ohne dass dies nach außen offen zum Ausdruck kommt. 344 Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass die Straftheorie der Resozialisierung nicht mehr bestimmend ist und in den letzten 25 Jahren keine neue, ähnlich dominierende Straftheorie an ihre Stelle getreten ist. 345 Jedenfalls ist in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Haltung entstanden, die sich mit „get tough on crime“ umschreiben lässt. Auf diese Weise soll eine schleichende Auflösung der Gesellschaft verhindert werden, da nur eine intakte Gesellschaft einen Gemeinschaftssinn entwickeln könne, der dazu führe, dass der Einzelne nicht wegsähe, sondern beherzt einschreite, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen. 346 341

Crim. L. R. (1998), S. 836 und 838. Vgl. weitere Hinweise bei Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 103 f. m.w. N. 343 Vgl. Halliday, Making Punishments Work, S. 10, 1.75. 344 Vgl. Campbell, Law of Sentencing, S. 30 f. m.w. N. 345 Vgl. zu den Gründen für die außergewöhnliche Strafschärfe der Rechtsordnungen der Vereinigten Staaten von Amerika Frase, Geo. Wash. Int’l L. Rev. 36 (2004), S. 227 ff. 346 Reitz sieht in dieser Entwicklung einer Null-Toleranz-Politik Anzeichen einer utilitaristischen Straftheorie, die das Gemeinwesen in den Vordergrund rückt und mit Hilfe der Strafe die Gemeinschaft vor einer inneren Auflösung bewahren will (community-based punishment theory). Nach Reitz ist dieser Ansatz durch drei Elemente geprägt: (1) Er basiert auf einer Wahrnehmung, die Straftaten am unteren Ende des Unrechts mit denen am oberen Ende des Unrechts aus moralischen und utilitaristischen Gründen gleichsetzt und daher Strafen erlaubt, die ansonsten eher dem höheren Unrecht vorbehalten waren. (2) Zum einen bedingt der Schutz der Gemeinschaft eine aggressive Strafverfolgung und Bestrafung, zum anderen rechtfertigt der Erhalt der Gemeinschaft – neben einer mehr am Täter und der Tat ausgerichteten Strafzumessung – die Strafe. (3) Weder beeinträchtigt 342

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Im Besonderen will die Bestimmung der Straftheorie bei den hier näher beleuchteten Rechtsordnungen von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika aber besser gelingen: Im Fall der MSG erfolgt die Zumessung der Strafe mit Bezug auf den „severity level of offense“ proportional zur Tatschwere und orientiert sich damit an der Straftheorie des „just deserts“. Zum anderen erfolgt die Zumessung der Strafe durch den Bezug auf den „criminal history score“ mit seinen gewichteten Vorstrafen und orientiert sich damit an der Wahrscheinlichkeit, mit der der Täter weitere Straftaten begeht. 347 Da die Strafdrohung umso höher ausfällt, je höher der „criminal history score“ ist, liegt darin das Bestreben, weitere Taten des gefährlichen Straftäters zu verhindern bzw. den gefährlichen Straftäter zu sichern, was ebenfalls auf die Straftheorie der „incapacitation“ hinweist. 348 Da der Einstieg in die Bestimmung der Strafe in der Strafzumessungstabelle durch die Tatschwere erfolgt, muss aber die Straftheorie des „just deserts“ als dominierende Straftheorie bei der Strafzumessung in Minnesota angesehen werden, so wie es auch von der Minnesota Sentencing Guidelines Commission angestrebt wurde. 349 Im Fall der USSG wird zwar keine dominierende Straftheorie benannt, aber doch ausdrücklich eine nicht anzuwendende Straftheorie der Rehabilitation, denn der United States Sentencing Commission war es durch den Gesetzgeber verwehrt, sowohl eine dominierende Straftheorie in den USSG festzulegen, als auch die Straftheorie der Rehabilitation auf Freiheitsstrafen anzuwenden. 350 Die Regelungen zu den Straftheorien nennen daher ohne nähere Gewichtung oder Rangfolge die Straftheorien des der Gedanke der Resozialisierung noch verdrängt er die moralischen und utilitaristischen Ziele der Strafverfolgung bzw. Strafe; vgl. Reitz, The Disassembly and Reassembly of U.S. Sentencing Practices, S. 244. 347 Vgl. Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292. 348 Vgl. Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292; zur Entwicklung der MSG zur Straftheorie der incapacitation siehe Frase, Cornell J. L. & Pub. Pol’y 2 (1993), S. 319. 349 Vgl. Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 38 f. 350 Vgl. 28 U.S.C. § 991(b) i.V. m. 18 U.S.C. § 3553(a)(2) und 28 U.S.C. § 994(k). 28 U.S.C. § 991(b): (1) establish sentencing policies and practices for the Federal criminal justice system that(A) assure the meeting of the purposes of sentencing as set forth in section 3553(a)(2) of title 18, United States Code; 18 U.S.C. § 3553(2): (2) the need for the sentence imposed(A) to reflect the seriousness of the offense, to promote respect for the law, and to provide just punishment for the offense; (B) to afford adequate deterrence to criminal conduct; (C) to protect the public from further crimes of the defendant; and ... 28 U.S.C. § 994(k): (k) The Commission shall insure that the guidelines reflect the inappropriateness of imposing a sentence to a term of imprisonment for the purpose of rehabilitating the

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„just deserts“, der „deterrence“ und der „incapacitation“. Auch hier ergibt sich aufgrund der Ausrichtung der Strafzumessungstabelle am „offense level“ und an den „criminal history points“ eine gewisse Dominanz des „just deserts“ und der „incapacitation“. 351 f) Victoria und Commonwealth von Australien Für Victoria sind die Bestimmungen zu den Straftheorien abschließend im Sentencing Act 1991 (Vic) s 1 352 und insbesondere s 5(1) 353 geregelt, für den Commonwealth finden sich die zu berücksichtigenden Straftheorien im Crimes Act 1914 (Cth) s16A(1) und insbesondere (2) 354. Aufgrund ihres gemeinsamen Ursprungs im und der Überlagerungen durch das common law sind – trotz der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen – in der Rechtspraxis zwischen der Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth keine signifikanten defendant or providing the defendant with needed educational or vocational training, medical care, or other correctional treatment. 351 Vgl. auch Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 201 f. 352 Sentencing Act 1991 (Vic) s 1 Purposes The purposes of this Act are– (a) to promote consistency of approach in the sentencing of offenders ... (d) to prevent crime and promote respect for the law by– (i) providing for sentences that are intended to deter the offender or other persons from committing offences of the same or a similar character; and (ii) providing for sentences that facilitate the rehabilitation of offenders; and (iii) providing for sentences that allow the court to denounce the type of conduct in which the offender engaged; and ... 353 Sentencing Act 1991 (Vic) s 5 Sentencing Guidelines (1) The only purposes for which sentences may be imposed are(a) to punish the offender to an extent and in a manner which is just in all of the circumstances; or (b) to deter the offender or other persons from committing offences of the same or a similar character; or (c) to establish conditions within which it is considered by the court that the rehabilitation of the offender may be facilitated; or (d) to manifest the denunciation by the court of the type of conduct in which the offender engaged; or (e) to protect the community from the offender; or (f) a combination of two or more of those purposes. 354 Crimes Act 1914 (Cth) s 16A Matters to which court to have regard when passing sentence etc. (1) In determining the sentence to be passed, or the order to be made, in respect of any person for a federal offence, a court must impose a sentence or make an order that is of a severity appropriate in all the circumstances of the offence.

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Unterschiede in der Anwendung der Straftheorien feststellbar, 355 so dass die Straftheorien für beide in einem dargestellt werden können. aa) Retributive Straftheorien Der Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(a) 356 wie auch der Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(1) 357 verweisen indirekt auf die Straftheorie des „just deserts“, dem in der Strafzumessung eine zentrale Rolle zukommt. 358 Die durch eine proportionale Strafe hergestellte ausgleichende Gerechtigkeit wird als zentrales Element zur Aufrechterhaltung des sozialen Zusammenhalts und zum Schutz der Gesellschaft gesehen. 359 Ein proportionaler Ausgleich kann jedoch nur gelingen, wenn zuvor der Grad der Beeinträchtigung bestimmt wurde. So hat der Victorian Court of Appeal in Storey festgehalten, dass „[i]mposing a just sentence requires the judge to consider what the offender did and why, as well as who the offender is“ 360; d. h. die Umstände der Straftat und die Person des Straftäters müssen gewichtet werden. In Hinblick auf die Straftat kommt die Straftheorie des „just deserts“ in der Rechtspraxis insbesondere bei besonders schweren Straftaten, wie Tötungsdelikten, Gewaltstraftaten (offences of personal violence), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (sexual offences), zur Anwendung. 361 Interessanterweise wird die Straftheorie des „just deserts“ auch dann favorisiert, wenn Straftaten zur Verurteilung anstehen, deren Begehung als weitverbreitet gelten. 362 In Hinblick auf den Straftäter findet die Straftheorie des „just deserts“

(2) In addition to any other matters, the court must take into account such of the following matters as are relevant and known to the court: ... (j) the deterrent effect that any sentence or order under consideration may have on the person; (k) the need to ensure that the person is adequately punished for the offence; ... (n) the prospect of rehabilitation of the person;... 355 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.2 ff. 356 Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(a): „to punish the offender to an extent and in a manner which is just in all of the circumstances“. 357 Crimes Act 1914 (Cth) s 16A: „(1) In determining the sentence to be passed ... in respect of any person for a federal offence, a court must impose a sentence ... that is of a severity appropriate in all the circumstances of the offence.“ 358 Vgl. Freiberg, OT 9 (February, 1998), S. 10. 359 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.3.1 m.w. N. 360 Storey [1998] 1 VR 359 (366). 361 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.3.4 m.w. N. 362 Vgl. Johnston (1995) 80 A. Crim. R. 203 (206) (Crockett ACJ): „[H]aving regard to the prevalence of this type of offence and the way in which the victims of it so often

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insbesondere bei professionellen Straftätern Anwendung, aber auch bei jugendlichen Straftätern, wenn ihnen schwere Straftaten zur Last gelegt werden. 363 bb) Präventive Straftheorien (1) Generalprävention Für Victoria ist die Berücksichtigung der abschreckenden Generalprävention ausdrücklich im Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(b) 364 geregelt, für den Commonwealth ergibt sie sich aus dem common law. Die abschreckende Generalprävention gilt als eines der Hauptziele der Strafe und kommt bei den meisten Strafzumessungsfällen zum Tragen. 365 Dabei wird nicht verkannt, dass für die Abschreckung nicht nur die Strafe, sondern auch die Aufdeckung und Verurteilung wichtig ist. 366 Auch wenn Strafe nicht alle Gesellschaftsmitglieder abschrecken muss, so darf sie doch nicht so gestaltet sein, dass sie nur einzelne ethnische Gruppen abschreckt; 367 vielmehr sollen durch die Strafen potentielle Straftäter von der Begehung von Straftaten abgehalten werden. 368 Demnach kann eine generell abschreckende Strafe auch dann verhängt werden, wenn im konkreten Fall eine Abschreckung des zu Verurteilenden nicht nötig ist. 369 Die Tatsache, dass eine Straftat keine öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat, steht ebenfalls der Anwendung der abschreckenden Generalprävention nicht entgegen. 370 Insbesondere bei besonders schweren Straftaten und besonderer Tatschwere ist eine Abschreckung notwendig. So bei Tötungsdelikten, Gewaltstraftaten, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Drogendelikten, aber auch bei Straftaten, die die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen oder sich gegen besonders verletzliche bzw. schützenswerte Opfer richten. 371

are adversely affected by the offence’s commission, the community is entitled, I think, to expect that there will be a degree of retribution taken into account in the selection of an appropriate sentence to impose.“ 363 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.3.5 m.w. N. 364 Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(b): „to deter ... other persons from committing offences of the same or a similar character“. 365 Vgl. Clare (1984) 14 A. Crim. R. 322 (CCA NSW). 366 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.6. 367 Vgl. Truong [2005] VSCA 147. 368 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.6.1 ff. m.w. N. 369 Vgl. McKormack [1981] VR 104. 370 Vgl. Riordan 6/2/1984 CCA Vic. 371 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.6.2 und 7.6.5 ff. m.w. N.

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(2) Spezialprävention Die abschreckende Spezialprävention (individual deterrence) ist sowohl im Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(b) 372 als auch im Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(j) 373 vorgesehen. In der Rechtspraxis wird auch auf die negative Spezialprävention zurückgegriffen, wobei ihr – bei Anerkennung gegenteiliger Argumente – abschreckende Wirkung unterstellt wird. 374 Einigkeit besteht dahingehend, dass Überlegungen der Abschreckung nicht zu einer disproportionalen Strafzumessung führen dürfen, mithin die Strafe aufgrund negativer spezialpräventiver Aspekte nur im begrenzenden Rahmen der Verhältnismäßigkeit verschoben werden darf. 375 Dabei drückt sich die Berücksichtigung der Abschreckung oftmals darin aus, dass Umstände, die die Strafe unter gängigen Bedingungen mildern würden, bei der Strafzumessung nicht oder nicht im normalerweise angebrachten Umfang berücksichtigt werden. 376 Die Berücksichtigung der negativen Spezialprävention beruht auf der Einschätzung des Strafrichters, dass Umstände, die in der Straftat oder dem Straftäter zu finden sind, eine Abschreckung des einzelnen Straftäters vor zukünftigen Straftaten notwendig machen. 377 Es lässt sich aber keine feste Regel ausmachen, welche Umstände eine negative spezialpräventive Ausrichtung der Strafe nach sich ziehen und welche nicht, insofern wird dies immer im Einzelfall entschieden. 378 Nichtsdestotrotz wird bei Tätern mit Vorstrafen, 379 bei Wiederholungstätern 380 und bei Tätern mit einer hohen 372

Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(b): „to deter the offender ... from committing offences of the same or a similar character“. 373 Crimes Act 1914 (Cth) s 16(2)(j): „the deterrent effect that any sentence ... may have on the person“. 374 Vgl. Yardley v Betts (1979) 1 A. Crim. R. 329; Combey 5/2/1980 CCA Vic; Marasovic 16/2/1982 CCA Vic; Poyser & Ors 15/9/1988 CCA Vic. In Yardley v Betts (1979) 1 A. Crim. R. 329 (332 f.) (King CJ): „It is necessary to keep firmly in mind the fundamental principle that the criminal law exists for the protection of the community. This protection is achieved primarily, in my view, by making the punishment fit the offence and the offender thereby promoting respect in the community for the justice of the criminal law. The aspect of deterrence of the particular offender and of others must not be overlooked. The courts must assume, although evidence is wanting, that the sentences which they impose have the effect of deterring at least some people from committing crime.“ 375 Vgl. Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465. 376 Vgl. Bateman 29/6/1977 CCA Vic; Najpurki v Luker (1993) 117 FLR 148; Liddell [2000] VSCA 37; Raptis & Ors (1988) 36 A. Crim. R. 362 (CCA Vic); Martin (1994) 74 A. Crim. R. 252 (CCA Vic). 377 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.5. 378 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.5.1. 379 Vgl. Patterson 13/11/1986 CCA Vic; Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465; Diep & Phan (1994) 76 A. Crim. R. S. 66; Taudevin (1996) 2 VR 402; Henderson [1999] 1 VR 830; Brown (2002) 5 VR 463; DPP v Devaldez (2003) 141 A. Crim. R. 11 (CA Vic); DPP v Wareham (2002) 5 VR 439.

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Rückfallswahrscheinlichkeit 381 die negativ spezialpräventive Wirkung der Strafe in Betracht gezogen. 382 Da schon im common law der Schutz der Gesellschaft ein Ziel des Strafrechts ist, verwundert es nicht, dass der Schutz der Gesellschaft auch ein Ziel der Strafe sein kann. Dementsprechend ordnet der Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(c) an, dass ein Grund der Strafe auch darin liegen kann, „to protect the community from the offender“. Der Schutz der Gesellschaft durch die Sicherung des einzelnen Straftäters (incapacitation) wird, wenn auch nicht immer zwingend, 383 so doch in aller Regel durch eine freiheitsentziehende Strafe erreicht. Dabei besteht ein Unterschied zwischen der sichernden Kriminalstrafe und der präventiven administrativen Sicherung, die – anders als in England-Wales – in Victoria gesetzlich nicht besteht und auch nicht Teil des common law ist. 384 Nicht zuletzt deshalb kann eine sichernde Strafe nur im Rahmen einer zur Straftat und zum Straftäter proportionalen Strafzumessung verhängt werden, oder anders formuliert: die Strafe darf durch Überlegungen der unter Umständen wünschenswerten Sicherung nicht die Grenze der Proportionalität überschreiten. 385 Nun ist es aber eine Sache, durch Überlegungen der negativen sichernden Spezialprävention die zur Straftat und Straftäter verhältnismäßige Strafe zu übersteigen, aber eine ganz andere Sache, durch Gedanken der negativen sichernden Spezialprävention zu einer anderen Verhältnismäßigkeitsabwägung zu gelangen. 386 Insbesondere ist eine Verschiebung der verhältnismäßigen Strafe dann anzunehmen, wenn Straftaten von einiger Schwere – wie Gewalttaten gegen Personen und Gewalttaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – abgeurteilt werden. 387 Einzelheiten ergeben sich auch hier aus den näheren Umständen von Straftat und Straftäter. Die Begehung verbreiteter Straftaten oder das Ausnutzen des Vertrauens des Opfers können schon Überlegungen der Sicherung rechtfertigen, aber auch Vor380

Vgl. Pickard [1998] VSCA 50 (Charles JA). Vgl. DPP v DAK [2004] VSCA 175; DPP v DCR [2004] VSCA 103. 382 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 7.5.1 ff. 383 Vgl. DPP v Buhagiar & Heathcote [1998] 4 VR 540 (547). 384 Vgl. Chester (1988) 165 CLR 611. 385 Vgl. Roadley (1990) 51 A. Crim. R. 336 (CCA Vic); Taylor (1992) 58 A. Crim. R. 337 (CCA Vic). 386 Vgl. Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465 (473) (Mason CJ, Brennan, Dawson and Toohey JJ): „It is one thing to say that the principle of proportionality precludes the imposition of a sentence extended beyond what is appropriate to the crime merely to protect society; it is another thing to say that the protection of society is not a material factor in fixing an appropriate sentence. The distinction in principle is clear between an extension merely by way of preventive detention, which is impermissible, and an exercise of the sentencing discretion having regard to the protection of society among other factors, which is permissible.“ 387 Vgl. Chester (1988) 165 CLR 611 (618); Taylor (1992) 58 A. Crim. R. 337 (342 ff.) (CCA Vic). 381

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strafen und die Gefahr der Wiederholung verweisen auf eine Gefahr, vor der die Gesellschaft zu schützen ist. 388 Von dem bisher Gesagten macht der Sentencing Act 1991 (Vic)s 6D(1) eine gewichtige Ausnahme, indem er bei der Aburteilung eines „serious offender“ zum einen bestimmt, dass die Straftheorie der negativen Spezialprävention bei der Strafzumessung zwingend als dominierende Straftheorie anzuwenden ist (Sentencing Act 1991 (Vic)s 6D(1)(a)) und zum anderen bestimmt, dass eine nach objektiven Umständen zu bestimmende Verhältnismäßigkeit fakultativ überschritten werden kann (Sentencing Act 1991 (Vic)s 6D(1)(b)). 389, 390 Bevor die Verhältnismäßigkeit außer Acht gelassen werden kann, muss sie sorgfältig bestimmt worden sein. Es kann sich ergeben, dass eine zu den objektiven Umständen der Straftat schon und noch verhältnismäßige Strafe verhängt werden kann, ohne dass dieser Rahmen notwendigerweise verlassen werden muss. Hält der Richter aber eine Strafe außerhalb dieses Rahmens für angemessen, so ist die Verhängung einer solchen von seinem Strafzumessungsermessen umfasst. Da die Durchbrechung der Verhältnismäßigkeit aufgrund der Bestimmungen über den „serious offender“ eine Ausnahme zur eigentlichen 388 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual 7.9.2 ff., m.w. N. 389 Sentencing Act 1991 (Vic)s 6D(1): If under section 5 the Supreme Court or the County Court in sentencing a serious offender for a relevant offence considers that a sentence of imprisonment is justified, the Court, in determining the length of that sentence– (a) must regard the protection of the community from the offender as the principal purpose for which the sentence is imposed; and (b) may, in order to achieve that purpose, impose a sentence longer than that which is proportionate to the gravity of the offence considered in the light of its objective circumstances. 390 Zur vorherigen Kodifizierung über einen serious offender führt Charles JA in Connell aus: „Section 5A does not oblige a sentencing judge to ignore proportionality when sentencing a serious sexual offender. Rather the section requires the sentencing judge to regard the protection of the community, which was already ‚one of the most important results that the criminal law is designed to secure‘ ... as the principal purpose. Proportionality remains, in my view, a very important consideration for the judge; but, where the judge is satisfied by acceptable evidence that a serious sexual offender is so likely to commit further crimes of violence (including sexual offences) that he constitutes a danger to the community, the judge may impose a sentence longer than that which would be justified by the principle of proportionality. In that sense, the judge has, I think, a discretion to be exercised, and one to which the judge’s mind must clearly be directed, before the judge imposes a sentence longer than that which could not be justified as proportionate to the gravity of the crime considered in the light of its objective circumstances. If the judge decides to act under s5A(b) and deprive the prisoner of the benefit of the long-established and entrenched principle of proportionality, the judge should provide adequate reasons for so doing ... For it must have been established, to the satisfaction of the judge, that the prisoner will remain a danger to the community beyond the period that the principle of proportionality would permit his detention to last.“ Connell [1996] 1 VR 436 (443).

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Norm der verhältnismäßigen Zumessung der Strafe darstellt, sind diese Bestimmungen eng auszulegen und nur in ganz besonderen Fällen zur Anwendung zu bringen. 391 Die Straftheorie der Rehabilitation wird sowohl in Act 1991 (Vic) s 5(1)(c) 392 als auch im Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(n) 393 genannt. Die Rehabilitation wird vor dem Hintergrund der Aufgabe des Strafrechts gesehen, die Gesellschaft vor Straftaten zu schützen. 394 Denn dieser Schutz kann unter Umständen eher gewährleistet werden, wenn die Straftheorie der positiven Spezialprävention in den Vordergrund gerückt wird, als abschreckende Aspekte der „deterrence“ oder einen gerechten Ausgleich schaffende Aspekte des „just deserts“, da ein Straftäter, der sich von seiner Straftat lossagt und in die Gemeinschaft integriert bzw. reintegriert wird, sich eher davon abhalten lässt, erneut Straftaten zu begehen. Allerdings ist in der Rechtspraxis anerkannt, dass die Straftheorie der Rehabilitation nicht allein über das Strafmaß bestimmen kann, sondern immer nur ein Aspekt unter anderen ist. 395 Insbesondere muss immer eine zur Straftat und zum Straftäter proportionale Strafe zugemessen werden, da es zu vermeiden gilt, dass der Straftäter durch eine unproportionale Strafe zu seinem Nutzen oder

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Vgl. näher Sheriff 19/3/1998 CA Vic; MAS 29/4/1998 CA Vic. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(c): „to establish conditions within which it is considered by the court that the rehabilitation of the offender may be facilitated“. 393 Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(n): „the prospect of rehabilitation of the person“. 394 Vgl. auch Williscroft & Ors [1975] VR 292 (303) (Starke J): „It is often taken for granted that if leniency for the purpose of rehabilitation is extended to a prisoner when the judge is passing sentence, that this leniency bestows a benefit on the individual alone. Nothing, in my opinion, is further from the truth. Reformation should be the primary objective of the criminal law. The greater the success that can be achieved in this direction, the greater the benefit to the community.“; vgl. auch Vartzokas v Zanker (1989) 44 A. Crim. R. 243 (245) (King CJ): „Rehabilitation as an object of sentencing is aimed at the renunciation by the offender of his wrongdoing and his establishment or reestablishment as an honourable law-abiding citizen. It is not confined to those who fall into wrongdoing by reason of physical or mental infirmity or a disadvantaged background. It applies equally to those who, while not suffering such disadvantages, nevertheless lapse into wrongdoing. The object of the courts is to fashion sentencing measures designed to reclaim such individuals wherever such measures are consistent with the primary object of the criminal law which is the protection of the community. Very often a person who is not disadvantaged and whose character has been formed by a good upbringing, but who has lapsed into criminal behaviour, will be a good subject for rehabilitative measures precisely because he possesses the physical and mental qualities and, by reason of his upbringing, the potential moral fibre to provide a sound basis for rehabilitation. It would be a great mistake to put considerations of rehabilitation aside in fashioning a sentence for such a person.“ 395 Vgl. Ioannou (1985) 16 A. Crim. R. 63 (CCA Vic); Tran (2002) 4 VR 457; DPP v Lawrence (2004) 10 VR 125; [2004] VSCA 154. 392

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zum Nutzen anderer zum bloßen Objekt der Strafzumessung wird. 396 Hinweise auf die Berücksichtigung der Straftheorie der Rehabilitation ergeben sich in der Rechtspraxis aus den Umständen der Straftat und des Straftäters. Wiegen die Umstände der Straftat schwer, so rangiert zum Schutz der Gesellschaft die Abschreckung vor der Integration bzw. Reintegration des Straftäters; 397 bei jugendlichen Straftätern kann davon abgewichen werden. 398 Auch Vorstrafen wird insofern ein Einfluss auf die Berücksichtigung der Rehabilitation zugesprochen, als sie etwa Hinweise liefern können, ob der Täter eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt oder wie die Perspektive einer erfolgreichen Rehabilitation einzuschätzen ist. 399 Entsprechendes gilt für Straftaten, die während der Kautionszeit begangen werden, oder für die erneute Begehung von Straftaten. 400 Alles in allem wird der Gedanke der Rehabilitation bei der Verhängung mehrjähriger Gefängnisstrafen nur selten eine bestimmende Rolle spielen, da hier in der Regel der Schutz der Gesellschaft Vorrang genießt. Kurze Gefängnisstrafen können hingegen das Ergebnis der Rehabilitation sein. cc) Denunciation Gemäß Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(d) kann der Sinn der Strafe auch darin bestehen, das Verhalten des Straftäters anzuprangern oder zu missbilligen (denunciation). 401 In der Missbilligung drückt sich die Entrüstung (indignation) der strafenden Gesellschaft über das strafbare Verhalten und die Verurteilung (condemnation) des Tuns des Straftäters aus. 402 Um dies tun zu können, muss 396 Vgl. auch Freeman v Harris [1980] VR 267 (281) (Murphy J): „In sentencing, the punishment in the particular case should be proportionate to the offence. It is not open to the court to punish an offender more, because he is ill, and because it is considered to be for his own benefit to try to cure him. The gravity of the offence must be the first and paramount consideration.“ 397 Vgl. Kane [1974] VR 759 (malicious wounding of a police officer); Williscroft & Ors [1975] VR 292 (armed robbery and other offences); Dole [1975] VR 754 (indecent assault of a nine year old girl); Taylor (1985) 18 A. Crim. R. 14 (CCA Vic) (armed robbery); Baldwin (1988) 39 A. Crim. R. 465 (CCA Vic) (armed robbery); Ridsdale (1995) 78 A. Crim. R. 486 (CCA Vic) (various sexual offences); PDJ (2002) 7 VR 612 (murder); Tran (2002) 4 VR 457 (culpable driving); DPP v Lawrence (2004) 10 VR 125. 398 Vgl. Mills [1998] 4 VR 235 (241). 399 Vgl. O’Brien & Gloster [1997] 2 VR 714; DPP v Wareham (2002) 5 VR 439; James & Ors [2003] VSCA 13; Connolly [2004] VSCA 24; Taudevin (1996) 2 VR 402 (404). 400 Vgl. Maher 21/5/1998 VSCA; Kane [1974] VR 759; Gray [1977] VR 225; Shaw 4/2/1980 CCA Vic; Treloar & Butler (1989) 43 A. Crim. R. 75 (CCA Vic); Allen & Jackson (1994) 77 A. Crim. R. 99 (CCA Vic). 401 Vgl. Llewellyn-Jones (1967) 51 Cr. App. R. 204; King (1990) 12 Cr. App. R. (S) 76. 402 Vgl. Williscroft & Ors [1975] VR 292 (Adam und Crockett JJ zitieren Sir John Barry): „The aims of punishment are often classified as retributive, preventive, deterrent,

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sich der strafende Richter ein Bild von der gesellschaftlichen Missbilligung des zur Entscheidung stehenden strafrechtlichen Tuns machen, denn nur dann kann er eine Strafe verhängen, die versucht, mit dieser öffentlichen Meinung zu korrespondieren. Da es aber schwierig ist, die öffentliche Meinung einzufangen, ist es möglich, diese Meinung zu objektivieren, in dem sie verstanden wird „as conforming with the community’s generally accepted standards of what is fair and just.“ 403 Dabei muss der Richter der gefundenen öffentlichen Meinung nicht in allen Einzelheiten folgen, er darf sie aber auch nicht außer Acht lassen. Tut er es dennoch, so besteht die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit des Gerichts Schaden nimmt. 404 Allerdings kann es aufgrund von Erwägungen der Verhältnismäßigkeit notwendig sein, von der öffentlichen Meinung abzuweichen. 405 dd) Antinomie der Straftheorien In den gesetzlichen Auflistungen wird keine bestimmte Straftheorie bevorzugt. Vielmehr sollen die Umstände des konkreten Falls darüber entscheiden, welche Straftheorien von Relevanz und wie sie zu gewichten sind. 406 D. h. der Ausgleich der Antinomie der Straftheorien erfolgt in der Synthese des Strafzumessungsand reformative, but this classification is plainly an oversimplification. It ignores or leaves inarticulate, for example, other purposes which the criminal law serves by its solemn procedures as a teacher of minimal standards of morality and behaviour; as an agency for the expression of public indignation and condemnation; and as a force operating to produce cohesion within society ...“; Ryan (2001) 206 CLR 118 (120) (Kirby J): „A fundamental purpose of the criminal law, and of the sentencing of convicted offenders, is to denounce publicly the unlawful conduct of an offender. This objective requires that a sentence should also communicate society’s condemnation of the particular offender’s conduct. The sentence represents ‚a symbolic, collective statement that the offender’s conduct should be punished for encroaching on our society’s basic code of values as enshrined within our substantive criminal law‘.“ 403 Collins 26/11/1984 CCA Vic 5 (Tadgell J zitiert Sir John Barry). 404 Vgl. Inkson 21/3/1996 CCA Tas 10 (Underwood J): „In assessing the weight that ought be given to denunciation, regard may be had to informed public opinion ... It seems to me that ‚informed opinion‘ in this context means rational balanced opinion based upon all the material put to the court for the purpose of imposition of sentence and an awareness of the range of penalties imposed in the past in like cases ... It follows from the foregoing that the prosecutor’s statement about the public outrage that had in fact occurred was immaterial. On the issue of denunciation or retribution, the community delegates to the court the task of identifying, assessing and weighing the outrage and revulsion that an informed and responsible public would have to criminal conduct. The court’s duty is to take that into account in the sentencing process. If the court fails to responsibly discharge the duty that has been entrusted to it by the community, public confidence in the system of justice will be eroded.“ 405 Vgl. Sargeant (1974) 60 Cr. App. R. 74. 406 Vgl. Williscroft & Ors [1975] VR 292 (299) (Adam und Crockett JJ): „[t]he purposes of punishment are manifold and each element will assume a different significance not only in different crimes but in the individual commission of each crime.“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

vorgangs und unterliegt damit dem richterlichen Strafzumessungsermessen. Dennoch ist die Entscheidung für oder wider eine Straftheorie keine rein subjektive Angelegenheit des entscheidenden Richters, da die Wahl der Straftheorien durch die Übung der Rechtspraxis mitbestimmt ist. So lassen sich Fallgruppen typischer Taten, Tatumstände oder bestimmter Tätergruppen festmachen, die in der Regel eine gewisse Wahl bestimmter Straftheorien nach sich ziehen. Auf diese Gruppen typischer Tatbestände oder Fälle wurde schon in der Darstellung der Straftheorien hingewiesen. Für schwere Straftaten lässt sich Folgendes feststellen: Grundlage der Strafe ist die Straftheorie des „just deserts“, die eine zur Tatschwere proportionale Strafe zur Folge hat. Die Ausrichtung am „just deserts“ wird durch Überlegungen der „deterrence“ begleitet. Danach sind die Straftheorien der negativen General- und der Spezialprävention zu berücksichtigen, die aber grundsätzlich nicht zu einer Überschreitung der Proportionalität führen dürfen. Allerdings können diese Umstände zu einer anderen Bewertung der Strafschwere führen und daher die Strafe, dann aber im Rahmen der Tatschwere, erhöhen. Durchbrochen wird dieses Prinzip im Fall der „serious offender“, da dort durch gesetzliche Anordnungen die Straftheorie des „just deserts“ hinter die Sicherung durch „incapacitation“ tritt. Die Rehabilitation spielt nur eine untergeordnete Rolle. Sie tritt dann in den Vordergrund, wenn zum Schutz der Gesellschaft keine Sicherung oder Abschreckung des Straftäters erforderlich ist. 407 Im Hinblick auf die negativen Generalprävention hat Hunt CJ in Gordon denn auch ausgeführt: „Except in well-defined circumstances such as the youth or the mental incapacity of the offender, public deterrence is generally regarded as the main purpose of punishment, and the subjective considerations relating to the particular offender (however persuasive) are necessarily subsidiary to the duty of the courts to see that the sentence which is imposed will operate as a powerful factor in preventing the commission of similar crimes by those who may otherwise be tempted by the prospect that only light punishment will be imposed.“ 408 g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien aa) Zusammenspiel mehrerer Straftheorien durch Rangfolge und Gewichtung nach Straftat und Straftäter Alle betrachteten Rechtsordnungen berücksichtigen mehrere Straftheorien. Besonders evident wird dies in der Rechtsordnung von Deutschland mit der Vereinigungstheorie und in den Rechtsordnungen von England-Wales, Victoria und dem Commonwealth von Australien sowie Frankreich aufgrund eines weiten, vornehmlich dem konkreten Einzelfall verpflichteten Strafzumessungsermessen. Nicht so evident, aber vorhanden, in den Rechtsordnungen Schwedens, Minneso407 408

Vgl. Bell (1981) 5 A. Crim. R. 347 (351) [CCA QLD]. DPP v Gordon (1994) 71 A. Crim. R. 459 (468) (Hunt CJ) (CCA NSW).

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tas und der Vereinigten Staaten von Amerika. Da alle Rechtsordnungen mehrere Straftheorien verfolgen, müssen sie die unterschiedlichen Straftheorien „vereinen“ und in eine Ordnung bringen. Dies geschieht mittels einer, in der jeweiligen Rechtsordnung verankerten und der Rechtstradition verpflichteten Rangordnung der Straftheorien. Diese Rangordnung wird zum einen an der Funktion der Straftheorie im Sanktionssystem festgemacht, zum anderen an der Straftat und dem Straftäter. So betrachtet gibt es immer Haupt- und Nebenstraftheorien. bb) Vorrang der Just-deserts-Theorie Der im Völkergewohnheitsrecht belegte Hinweis auf eine Bevorzugung der retributiven Straftheorie bei schweren Straftaten findet seinen Widerhall in den meisten betrachteten Rechtsordnungen, die ihre Strafzumessung primär an der Repression ausrichten und ihr in der Regel auch den Vorrang vor allen anderen Straftheorien einräumen, sei es in Deutschland durch den Schuldausgleich, in Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika wie auch in Victoria und im Commonwealth von Australien durch den Verweis auf „just deserts“. Dabei dominiert das „just deserts“ eher als begrenzendes Prinzip, denn als bestimmendes Prinzip. Dies wird nicht zuletzt in den Rechtsordnungen am Zusammenspiel von Tatproportionalität und Überlegungen der Prävention deutlich und zeigt sich besonders bei der noch folgenden Betrachtung der Verhältnismäßigkeit. 409 Dass die Straftheorie des „just deserts“ in den untersuchten Rechtsordnungen die Strafzumessung dominiert, mag mit ihrer zentralen Aussage der Tatproportionalität zusammenhängen. cc) Nachrang der positiven Generalprävention Auch wenn die Bedeutung der positiven Generalprävention in den Rechtsordnungen belegt ist, sie sogar in der Rechtsordnung von Schweden dominiert, kommt ihr gerade in den angloamerikanischen Rechtsordnungen nur eine geringe Bedeutung zu. Ihr im Völkergewohnheitsrecht belegter Nachrang lässt sich mithin in der überwiegenden Zahl der betrachteten Rechtsordnungen bestätigen. dd) Nachrang der negativen Generalprävention Bei der Strafzumessung kommt der abschreckenden Generalprävention in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen eine geringe Rolle zu. Einzig in den angloamerikanischen Rechtsordnungen in England-Wales, Victoria und im Commonwealth von Australien mit dem Bestreben des „tough on crime“ spielen sie bei der Bestrafung von schweren Delikten eine gewisse Rolle, besitzen aber bei 409

Siehe dazu näher S. 471, 477 f., 482 f. und 484.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

weitem nicht die Wichtigkeit, die man zuvor vielleicht vermutet hätte. Der Grund dafür mag darin zu sehen sein, dass eine allgemein abschreckende Wirkung empirisch nur schwer zu belegen ist und sich das für die Abschreckung notwendige Maß nur schwer bestimmen lässt. Sind die Aussagen der Straftheorie aber unbestimmt, ist es schwer, daran die Strafe zulasten des Straftäters auszurichten. Die Straftheorie kann daher nur als Nebenstraftheorie gewertet werden. ee) Nachrang der positiven Spezialprävention Eine große Rolle spielt die Rehabilitation in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen von Deutschland und Frankreich. Dominiert sie die Überlegungen zur Strafe in Frankreich, so ist sie in Deutschland insofern von großer Bedeutung, als das Gesetz neben dem Schuldausgleich das Verbot der Entsozialisierung durch Strafe anordnet. Auch in Schweden spielt sie eine Rolle bei der Strafwahl. Eine entsprechende Bedeutung besitzt die Straftheorie in den angloamerikanischen Rechtsordnungen nicht, zumindest dann nicht, wenn Straftaten am oberen Ende der Tatschwere betrachtet werden. Daraus ergibt sich zwar die Gemeinsamkeit, dass die Rehabilitation im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden kann und nicht nur in den Bereich der Strafvollstreckung verbannt ist, eine Gemeinsamkeit dahingehend, dass die Rehabilitation auch auf Fälle mit hoher Tatschwere angewandt werden kann, bestätigt sich aber nicht. ff) Nachrang der negativen abschreckenden Spezialprävention Wenn der negativen abschreckenden Spezialprävention in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen eine Rolle bei der Strafzumessung zukommt, wie dies bei der Strafzumessung in Deutschland und Frankreich der Fall ist, so ist ihre Berücksichtigung aber eine nachrangige: In Deutschland steht sie hinter dem gerechten Schuldausgleich und in Frankreich hinter der Rehabilitation. Gleiches gilt für die angloamerikanischen Rechtsordnungen. Auch dort ist die negative Spezialprävention den Just-deserts-Theorien nachgeordnet, wenn sich die Rechtsordnungen denn überhaupt auf die individuelle Abschreckung berufen (deutlich bei den Rechtsordnungen von Victoria und dem Commonwealth von Australien). Die negative abschreckende Spezialprävention ist daher nur als Nebenstraftheorie zu werten. gg) Sonderrolle der negativen sichernden Spezialprävention Schon im Völkergewohnheitsrecht deutet sich eine Sonderrolle der Sicherungsprävention an, da diese zwar zuweilen als nicht sachgerecht, aber nicht als zweitrangig zur retributiven Straftheorie bezeichnet wird. Diese Sonderrolle bestätigt sich insofern in der Rechtsvergleichung, als in der französischen

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Rechtsordnung und besonders deutlich in den angloamerikanischen Rechtsordnungen die Auswahl der Strafe bei der Verurteilung der „serious offender“ nicht mehr durch eine Proportionalität verlangende Just-deserts-Theorie geprägt ist, sondern durch eine Sicherung, die die Tatschwere signifikant nach oben verschieben kann, aber auch eine über das eigentlich Angemessene hinausgehende Strafzumessung erlaubt. Die negative sichernde Spezialprävention ergänzt somit die Hauptstraftheorie des „just deserts“. hh) Verhältnis der präventiven Straftheorien Das Verhältnis der präventiven Straftheorien zueinander ist durch die hier vorgenommene Rechtsvergleichung nicht zu erfassen, da zum einen – über die Einteilung der Straftheorien in Haupt- und Nebenstraftheorien hinaus – die weitere Gewichtung der Straftheorien noch stärker in der Rechtstradition der jeweiligen Rechtsordnungen verhaftet ist und zum anderen die Anknüpfung an konkrete Straftaten oder Straftäter auch unterschiedliche Straftheorien zum Tragen bringen kann. Daher kann aus der Betrachtung keine verbindliche Aussage zum Verhältnis der präventiven Straftheorien zueinander getroffen werden, ohne bestenfalls in eine „domestic analogy“ oder schlimmstenfalls in Spekulation zu verfallen. Von einer weiteren Betrachtung wird daher Abstand genommen. 2. Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode Mangels eines Nachweises einer Strafzumessungstheorie in den vorherigen Rechtsquellen wird die Suche in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze fortgesetzt. Die Betrachtung berücksichtigt dabei sowohl Strafzumessungstheorien als auch das Strafzumessungsermessen in den einzelnen Rechtsordnungen. Denn beide bedingen sich insofern gegenseitig, als eine Strafzumessungstheorie das Strafzumessungsermessen in den Hintergrund drängt und umgekehrt das Strafzumessungsermessen die Strafzumessungstheorie, so dass mit der Betrachtung des Strafzumessungsermessens auch gleichzeitig eine Aussage über die Straftheorie getroffen wird. Hingegen konnten den Rechtsquellen erste Hinweise auf eine Strafzumessungsmethode entnommen werden. Die weitere Betrachtung in der Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze dient dazu, zuvor Gefundenes zu ergänzen und zu konkretisieren. a) Deutschland: Prävention im Rahmen der Repression Die Strafzumessung steht im deutschen Strafrecht nicht im unbeschränkten Ermessen des Gerichts, sondern gilt als rechtlich gebundene Entscheidung und damit als Rechtsanwendung, die allerdings nach wie vor in der Rechtswirklichkeit den Richtern einen erheblichen Entscheidungsspielraum einräumt, wel-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

cher der höchstrichterlichen Kontrolle entzogen ist. 410 Ausgehend von der im deutschen Strafrecht vorherrschenden Vereinigungstheorie begründet nach der Rechtsprechung 411 und einem Großteil der Literatur 412 die Schuld als Grundlage der Strafe einen Spielraum der schon und noch schuldangemessenen Strafe, von dem der zumessende Strafrichter weder nach oben noch nach unten abweichen darf (Spielraumtheorie). 413 Die Strafzumessungsschuld begründet und begrenzt 410 Vgl. Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, Vor § 46 ff., Rn. 5 m.w. N.; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 871; Zipf, Die Strafzumessung, S. 75 ff. 411 Vgl. BGHSt 7, 28 (32); 20, 264 (267); 24, 132 (133). 412 Zum Meinungsstand in der Literatur vgl. die zahlreichen Nachweise bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 97, in Fn. 265. 413 Eine Übersicht über weitere Strafzumessungstheorien in der Literatur mit zahlreichen Nachweisen bietet die Darstellung bei Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 41 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 252; Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit, S. 30 ff.; Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 97 ff. Im Einzelnen skizzieren sich die Grundgedanken der Strafzumessungstheorien wie folgt: Die Punktstraftheorie setzt die angemessene und gerechte Strafe mit einer richtigen – im Sinne von wahren – Strafe gleich. Da eine Aussage aber entweder nur wahr oder falsch sein kann und immer nur eine Aussage über dieselbe Qualität einer Sache wahr ist, kann es auch nur eine einzig wahre Aussage über die schuldangemessene und gerechte Strafe geben, nicht aber einen Schuldrahmen mit einer noch und einer schon schuldangemessenen Strafe. Daher ist dem Grunde nach die schuldangemessene und gerechte Strafe auf einem Punkt des Strafrahmens zu bestimmen. Dennoch können sich Einschränkungen von dieser theoretischen Grundlage ergeben, da zum einen der Entscheider und die Entscheidungssituation bedacht werden müssen, was dazu führt, dass die getroffene Wahl nur zu annähernd richtigen Ergebnissen führt. Zum anderen ist eine Modifikation durch präventive Überlegungen nicht ausgeschlossen, solange ein innerer Zusammenhang zur Schuldbezogenheit der Strafe verbleibt und dieser vor der Rechtsgemeinschaft Bestand hat (vgl. näher insbesondere Bruns, Zum „Toleranzbereich“ bei der revisionsrechtlichen Kontrolle des Strafmaßes, S. 292 und 294). Die Theorie des sozialen Gestaltungsakts sieht die gerechte Strafe als Ergebnis eines schöpferischen sozialen Gestaltungsakts des Richters. Ausgehend von seinen subjektiven Wertmaßstäben bestimmt der Richter die schuldangemessene Strafe im einschlägigen Strafrahmen (vgl. näher dazu Dreher, JZ 23 (1967), S. 41 ff.; Dreher, Über Strafrahmen, S. 141 ff.). Nach der Stufen- oder Stellenwerttheorie soll die Strafe in zwei klar voneinander zu trennenden Stufen bestimmt werden. Zunächst muss in einem ersten Schritt die Strafhöhe nach Gesichtspunkten der Schuld bestimmt werden. Dazu wird das verschuldete Unrecht in ein fiktives Strafquantum umgesetzt. Dabei soll ebenfalls ein Spielraum bestehen, das Gericht soll die Strafe aber generell am unteren Ende bestimmen, um, wie von § 46 Abs. 1 S. 2 StGB gefordert, eine Entsozialisierung zu vermeiden. Darüber hinaus dürfen präventive Überlegungen auf dieser ersten Stufe aber nicht berücksichtigt werden. Auf einer zweiten Stufe ist dann zu entscheiden, welche Art der Strafe zu verhängen ist und ob diese auch vollstreckt werden soll. Diese Stufe soll ausschließlich durch spezial- und generalpräventive Aspekte geprägt sein (vgl. näher dazu Henkel, Die „richtige“ Strafe. Gedanken zur richterlichen Strafzumessung, S. 23 ff.; Schöch, Grundlage und Wirkung

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so die Strafe und bestimmt einen zwingenden Schuldrahmen. Dieser Rahmen wird durch spezial- und generalpräventive Überlegungen ausgefüllt, die dann auch für die konkrete Bestimmung der Strafe sorgen (Prävention im Rahmen der Repression). 414 Genauer ist nach der Spielraumtheorie die Strafe in drei Schritten zuzumessen, die zwingend nacheinander vom Strafrichter abzuarbeiten sind: 415 Um der abstrakte Wertung des Gesetzgebers über das Unrecht zu genügen, muss in einem ersten Schritt durch Subsumtion unter das Gesetz der zutreffende gesetzliche Strafrahmen bestimmt werden (Strafrahmenwahl). 416 Ist der Normalstrafrahmen aus dem verletzten Straftatbestand im Zusammenspiel mit der Strafe. Zum Realitätsgehalt des § 46 Abs. 1 StGB, S. 255 ff., Horn, Wider die „doppelspurige“ Strafhöhenzumessung, S. 241 ff.). Die Vertreter der Tatschuldtheorie erfassen den Menschen als vernunftgeleitetes und autonomes Wesen, was präventive Überlegungen bei der Strafzumessung verbietet. Die Strafe soll das durch die Straftat gestörte Rechtsgleichheitsverhältnis wieder ausgleichen und über die Freiheitsrechtsminderung das durch die Straftat ausgelöste Ungleichheitsverhältnis verallgemeinern. Um dies zu erreichen, soll die Strafe wertgleich zum Verbrechen verhängt werden. Zur Bestimmung des (Un-)Werts des strafrechtlichen Tuns wird dabei auf die Betroffenheit des Verletzten oder des Opfers, auf die Schuld des Täters im Sinne eines Vernunftwiderspruchs und der allgemeinen Bedeutung des Verbrechens für die Gesamtheit abgestellt (vgl. Köhler, Über den Zusammenhang von Strafrechtsbegründung und Strafzumessung. Erörtert am Beispiel der Generalprävention, Heidelberg 1983; Köhler, Der Begriff der Strafe, Heidelberg 1986; Wolff, ZStW 97 (1985), S. 786 ff.). Die Lehre von der Tatproportionalität erklärt Strafe aus generalpräventiven Erwägungen und greift damit den Wandel des Strafrechts von der reinen Schuldvergeltung zum Rechtsgüterschutz auf. Da aber die Generalprävention das konkrete Strafmaß nicht erklären kann, mündet die präventive Rechtfertigung der Strafe in eine proportionale Zumessung der Strafe, die die Strafe an der quantifizierbaren Unwertigkeit der Straftat ausrichtet. Strafe wird allein durch Unrechts- und Schuldkriterien bestimmt, die sich ausschließlich aus der Schwere der Tat ergeben, nicht aber aus der Persönlichkeit des Täters. Das Unrecht wird dabei anhand des Erfolgs- und Handlungsunwerts quantifiziert, welches durch eventuell schuldmindernde Umstände ergänzt wird (vgl. näher dazu Schünemann, Plädoyer für eine neue Theorie der Strafzumessung, S. 224 ff.). 414 Vgl. Theune, StV 5 (1985), S. 164 m.w. N. Eine Übersicht über die Varianten der Spielraumtheorie in der Literatur gibt die Darstellung bei Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 38 ff. m.w. N.; Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 97 ff. m.w. N. 415 Vgl. BGHSt 29, 319 (320 f.); BGH NStZ 1983, S. 407 f.; BGH NStZ 1985, S. 164; BGH StV 1985, S. 234 BGHR StGB § 13 II Strafrahmenverschiebung 2; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 489 f., § 62, Rn. 14 ff.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 181 ff., Rn. 487 ff.; für eine Strafzumessung in fünf Phasen Bruns, JZ 43 (1988), S. 1053 f.; Hettinger, GA (1993), S. 2; Meine, NStZ 4 (1994), 160 f., Fahl, JuS 8 (1998), S. 748; für eine Strafzumessung in acht Phasen Günther, JZ 44 (1989), S. 1026. 416 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 181, Rn. 487; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 490, § 62, Rn. 15 f.; Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46 Rn. 22; Gribbohm, in: LK StGBKommentar, Vor § 46 ff., Rn. 8 ff.

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den allgemeinen Regelungen des Allgemeinen Teils gefunden, so ist zu entscheiden, ob im Einzelfall die Anwendung eines Sonderstrafrahmens geboten ist. 417 Diese Entscheidung erfolgt aufgrund einer Gesamtabwägung aller für das konkrete Maß der Strafzumessungsschuld relevanten Umstände. Dabei dürfen Umstände, die bereits zu der Annahme eines minder schweren Falls oder der Verneinung eines besonders schweren Falls herangezogen wurden und so einen mildernden Strafrahmen begründeten, nicht noch einmal zu einer weiteren Strafrahmenmilderung führen (Doppelverwertungsverbot). 418 Ist so der anzuwendende Strafrahmen gefunden, so muss in einem zweiten Schritt das konkrete Unrecht der Straftat bewertet werden, indem der Richter gedanklich den Spielraum des schon und noch angemessenen Schuldrahmens innerhalb des Strafrahmens fixiert (Schuldrahmenwahl). 419 Auch dies erfolgt nach dem Maß der Strafzumessungsschuld auf der Grundlage aller strafzumessungserheblichen Umstände, mögen diese auch bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens zur Anwendung gekommen sein. Denn das Doppelverwertungsverbot steht nur der nochmaligen Minderung des Strafrahmens entgegen, nicht aber der nochmaligen Berücksichtigung aller Umstände innerhalb der Gesamtschau. 420 Die Wahl des Schuldrahmens ist ein Wertungsakt und mit allen Zweifeln verbunden, die in einer Entscheidung liegen. 421 Um die Zweifel möglichst gering zu halten, muss die Entscheidung entsprechend der allgemeinen Gerechtigkeitserwartung erfolgen, die zumindest den groben Maßstab bereithält, dass Strafe nicht ungerecht sein darf. 422 Dabei liegt es in der Natur des gedanklichen Spielraums, dass er durch einen sicheren Kern bestimmt wird, innerhalb dessen es keine vernünftigen Zweifel an der Schuldangemessenheit gibt, dann aber an seinen Rändern in einen Graubereich gerät, an dem die Zweifel zunehmen. Allerdings ist der Spielraum weder benannt noch muss er in der schriftlichen Darstellung des Urteils kenntlich gemacht werden, womit die Entscheidung über den Spielraum im konkreten Fall nicht transparent ist. 423 Ist nunmehr der gedankliche Schuldrahmen bestimmt, so kommen in einem dritten Schritt präventive Überlegungen 417 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 212 ff., Rn. 494 ff.; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 490, § 62, Rn. 17. 418 Vgl. näher Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46 Rn. 83 ff.; Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 45 ff. 419 Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 182, Rn. 490 und näher S. 251 ff., Rn. 616 ff. 420 Vgl. BGHSt 26, 311 (311 f.). 421 Vgl. auch Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 508, § 63, Rn. 15. 422 Vgl. Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 508, § 63, Rn. 15. 423 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 40 f.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 146 ff.

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zum Tragen, nach denen die konkrete Strafhöhe (Strafzumessungsentscheidung im engeren Sinn) und die konkrete Strafart (Strafzumessungsentscheidung im weiteren Sinn) innerhalb des Schuldrahmens ebenfalls unter Abwägung aller für die Strafzumessungsschuld erheblichen Umstände zugemessen wird (Präventionswahl). 424 Dabei erfolgt erst die Strafzumessungsentscheidung im engeren Sinn und dann die Strafzumessungsentscheidung im weiteren Sinn, ohne dass die eine Überlegung die andere beeinflussen sollte. 425 Für die Präventionswahl kommt es insbesondere auf den Teil der Persönlichkeit des Straftäters an, der für spezialpräventive Überlegungen von Relevanz ist. 426 Der BGH spricht denn auch insbesondere bei schweren Schuldvorwürfen von „einer sorgfältigen Erörterung der Persönlichkeit des Täters“. 427 Dass bei jedem Schritt immer wieder alle für die Strafzumessungsschuld relevanten Umstände der Straftat und des Straftäters in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind, findet seine Rechtfertigung darin, dass diese Umstände ihren Einfluss auf die Bewertung von Straftat und Straftäter von Schritt zu Schritt ändern können, wenn auch nicht unbedingt müssen, da ihre Berücksichtigung einmal schwächer oder stärker ausfällt oder sie einmal in die eine oder andere Richtung weisen. 428 Zu betonen ist, dass in der Gesamtschau der strafzumessungsrechtlichen Umstände diese nicht einfach nur einander gegenübergestellt werden dürfen, sondern tatsächlich nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht gegeneinander abgewogen werden müssen. 429 b) Schweden: Maß der Strafe und Wahl der Strafart Die Strafzumessung im schwedischen Kriminalgesetzbuch basiert auf der grundsätzlichen Trennung von der Bestimmung des Maßes der Strafe auf der einen Seite (Kap. 29 BrB) und der Wahl der Strafart auf der anderen Seite (Kap. 30 BrB). Ist das Strafmaß gemäß Kap. 29 BrB zunächst vorläufig bestimmt, so folgt dann die Auswahl der Strafart gemäß Kap. 30 BrB. Mit beidem zusammen kann dann endgültig das konkrete Strafmaß für die konkrete Straftat verhängt werden. Auch wenn der Strafzumessungsvorgang durch die beiden Kapitel in zwei Abschnitte geteilt ist, erfordert die konkrete Zumessung der Strafe letzt424 Vgl. BGH NStZ 1985, S. 164; BGH NStZ 1985, S. 234 f.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 183, Rn. 491 und näher S. 261 ff., Rn. 645 ff.; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 490 f., § 62, Rn. 18 f. 425 Vgl. Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 491, § 62, Rn. 20 f. 426 Vgl. Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 534, § 63, Rn. 116. 427 BGH NStZ 1981, S. 389. 428 Vgl. näher dazu Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 183, Rn. 492; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 203 ff. 429 Vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 StGB; Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 6.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

lich doch ein Hin- und Herwechseln zwischen den Bestimmungen über das Maß des Strafens und die Wahl der Strafart. 430 Nach Cornils / Jareborg erfolgt die Bestimmung des Strafmaßes, die sog. Strafbemessung, im Einzelnen dadurch, dass zunächst der Strafrahmen des konkreten Falls und dann der Strafwert bestimmt wird, dann die nicht den Strafwert beeinflussenden schärfenden und mildernden Umstände berücksichtigt, eventuell verbüßte Sanktionen bedacht und schließlich das mögliche Absehen von Sanktionen und die eventuelle Anrechnung eines prozessualen Freiheitsentzuges vergegenwärtig werden. 431 Der Strafrahmen ergibt sich aus den Straftatbeständen und den allgemeinen Regelungen der Strafrahmenverschiebung sowie aus der Möglichkeit, die angedrohte Höchststrafe für Rückfalltäter zu überschreiten 432 oder aber die Mindeststrafe des Strafrahmens zu unterschreiten. 433 Gegebenenfalls wird bei der Verurteilung wegen mehrerer Straftaten ein Gesamtstrafrahmen gebildet (Strafrahmenwahl). 434 Der Strafwert setzt sich aus Aspekten der Schädlichkeit (oder Gefährlichkeit) des Verhaltens und Schuld des Straftäters zusammen und wird durch die in Kap. 29 §§ 2 und 3 BrB aufgeführten erschwerenden oder mindernden Umstände näher bestimmt. Sind diese Gesichtspunkte schon im Tatbestand als tatbestandsinterne Umstände berücksichtigt, so bleiben sie bei der Strafwertbestimmung außen vor (Doppelverwertungsverbot). Ist der erschwerende oder mildernde Umstand jedoch von derart erheblichem Gewicht, dass seine einmalige Berücksichtigung innerhalb des Straftatbestandes nicht ausreicht, um dem Strafwert der Straftat gerecht zu werden, dann kann der Umstand bei der Bestimmung des Strafwertes als tatbestandsexterner Umstand noch einmal berücksichtigt werden. 435 Allerdings sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die auch vom Vorsatz oder von der Fahrlässigkeit des Täters gedeckt sind (Deckungsprinzip). 436 Angesetzt wird der Strafwert meist im unteren Bereich des Strafrahmens (Strafwertbestimmung). 437 Über den Strafwert hinaus sind strafschärfende und strafmildernde Umstände in den Kap. 29 §§ 4 430 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 33; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 217 m.w. N. 431 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34; siehe auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 215 ff. 432 Vgl. Kap. 26 § 3 BrB. 433 Vgl. die Aufzählung bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34, in Fn. 34. 434 Vgl. dazu näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34. 435 Vgl. näher Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 33. 436 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 33; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 213 f. 437 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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und 5 BrB aufgeführt und beruhen auf der Strafwürdigkeit des Straftäters (nicht der Straftat). 438 Dabei wird von der einzigen Strafschärfung (Kap. 29 § 4 BrB) im Fall einer Rückfälligkeit des Täters in der Rechtspraxis nur selten Gebrauch gemacht, da sich der Umstand des Rückfalls vornehmlich in der Wahl der Strafart niederschlägt. 439 Die Möglichkeiten der Strafmilderung (Kap. 29 § 5 BrB) sind dagegen recht zahlreich. 440 Gemäß Kap. 29 § 6 BrB kann das Gericht aus Billigkeitserwägungen von der Strafe absehen. Die Anrechnung des prozessualen Freiheitsentzugs richtet sich nach den Kap. 33 §§ 5 und 6 BrB. Die Wahl der Strafart wird durch Kap. 30 BrB bestimmt (Strafartwahl). Die Wahlmöglichkeiten sind gerade im unteren und mittleren Bereich des Strafwertes zahlreich. 441 Da die Strafen der Kernverbrechen des ICC-Statuts aber am oberen Ende des Strafwertes liegen, muss darauf nicht näher eingegangen werden. Eine Gefängnisstrafe ist als Ultima Ratio zu verhängen und erfolgt aufgrund des Strafwerts, der Art der Straftat oder früherer Straftaten. 442 Nach den Gesetzesmaterialien ist die Gefängnisstrafe ab einem Strafwert von einem Jahr zu berücksichtigen. Demnach ist die Gefängnisstrafe bei Straftatbeständen mit einem hohen oder sehr hohen Strafwert wie Mord, Vergewaltigung, schwerer Raub und schwere Drogendelikte etc. praktisch zwingend. 443 Da die Gefängnisstrafe auch aufgrund der Art der Straftat verhängt werden kann, können auch bereits bei einem geringeren Strafwert generalpräventive Überlegungen den Freiheitsentzug rechtfertigen. Gleiches gilt für Rückfalltäter. 444

438 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34; dazu näher Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 215; siehe auch die ausführlichen Überlegungen zur Legitimation solcher Umstände bei Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 220 ff. 439 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 34; Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 153; siehe die ausführliche rechtsvergleichende Betrachtung dieses Umstandes bei Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 218 ff. 440 Vgl. dazu Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 154; siehe die ausführliche rechtsvergleichende Betrachtung dieses Umstandes bei Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 210 ff. 441 Vgl. dazu ausführlich Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 35; Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 157 ff. 442 Vgl. Kap. 29 § 4 Abs. 2 BrB. 443 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 35; Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 2. 444 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 158.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

c) Frankreich: Richterliches Strafzumessungsermessen (l’individualisation judiciaire) Während es zu den Strafarten zahlreiche Vorgaben gibt, gibt es zum eigentlichen Strafzumessungsvorgang nur spärliche. Dies ist die Folge des weiten und nahezu unbeschränkten richterlichen Strafzumessungsermessens (l’individualisation judiciaire), 445 welches das C. P. dem Richter und Gericht einräumt. War das Strafzumessungsermessen im Ancien Régime noch unbeschränkt, mit der Folge, dass die Zumessung der Strafen willkürlich und ungleich erfolgte, so war es nach der Revolution im Code pénal von 1791 durch fest vorgeschriebene Strafen für viele der Verbrechenstatbestände festgeschrieben, so dass die Strafen harsch ausfielen und ebenfalls ungleich waren, da sie keine Individualisierung erlaubten. 446 Daher hat schon der Code Napoleon von 1810 die Strafzumessung wieder insofern mehr in das Ermessen der Richter bzw. des Gerichts gestellt, als der Code für einige Verbrechenstatbestände wieder Strafrahmen einführte, 447 wenn diese auch mit hohen Mindeststrafen versehen waren. 448 Damit änderte sich auch die Sichtweise auf das Strafzumessungsermessen. Galt ein weites Ermessen während des Ancien Régime als Ausdruck von Willkür und Ungerechtigkeit, half es nunmehr, die harschen Strafbestimmungen des Code Napoleon abzumildern, und war Ausdruck von Humanisierung und Gerechtigkeit. 449 Durch die Einführung von Generalklauseln und zusätzlichen Sanktionsmöglichkeiten wurden die Strafzumessungsmöglichkeiten für die Richter über die Jahre zahlreicher und flexibler. 450 Mit der kriminalpolitischen Strömung der Neuen Sozialverteidigung verstärkte sich dieser Tendenz. Dies nun nicht mehr allein, um die Härte des Gesetzes abzumildern, sondern auch, um eine Individualisierung der Strafe zu erreichen. 451 Entsprechend dieser Tradition ist das C. P. einem weiten Strafzumessungsermessen verpflichtet, welches damals wie heute dem Bestreben nach Milderung und Individualisierung der Strafe nachkommt. 452 Das weite Ermessen 445

Siehe zu dem Begriff Poncela, Droit de la peine, S. 220. Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 933. 447 Vgl. Poncela, Droit de la peine, S. 221. 448 Vgl. Müller, Rechtliche und tatsächliche Kriterien der Strafzumessung im deutschfranzösischen Vergleich, S. 4. 449 Vgl. Müller, Rechtliche und tatsächliche Kriterien der Strafzumessung im deutschfranzösischen Vergleich, S. 4; vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 933. 450 Zu den einzelnen Bestimmungen näher Müller, Rechtliche und tatsächliche Kriterien der Strafzumessung im deutsch-französischen Vergleich, S. 4 f. 451 Vgl. Poncela, Droit de la peine, S. 221. 452 Das weite Strafzumessungsermessen entspricht daher auch der ständigen Rechtsprechung des Kassationsgerichtes. Beispielhaft sei die Entscheidung Cass. crim., 3 Novembre 1955, Bull. crim. n o 540 erwähnt, in der es heißt: „les juges du fond disposent, quant à l’application de la peine, dans les limites fixées par la loi, d’une faculté dis446

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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wird dabei zu einer Individualisierung genutzt, bei der die Strafe eher durch die Auswahl der Strafart als durch die Konkretisierung der Strafhöhe zugemessen wird. 453 Dementsprechend ist die Strafzumessung zunächst durch die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Strafarten geprägt und erst dann durch die allgemeine Strafzumessungsnorm des Art. 132-24 C. P. Ausgangspunkt der Strafzumessungsüberlegungen ist somit die Bestimmung der Strafart. In einem ersten Schritt wird durch das Gericht die Hauptstrafe festgelegt, die das Gesetz für den Rechtsbruch anordnet. Dies ist entweder der Freiheitsentzug oder die Geldstrafe. Bei den Verbrechensstrafen wird ein Strafrahmen durch das C. P. vorgegeben, bei Vergehens- und Übertretungsstrafen hingegen nur die Obergrenzen. Milderungsgründe gibt es nicht. Die Wahl ist nicht weiter bestimmt (Strafartwahl). In einem zweiten Schritt wird die Höhe der Strafe bestimmt, da davon die weiteren Möglichkeiten der Strafvollstreckung abhängen (Strafumfangswahl). In einem dritten Schritt entscheidet das Gericht über die Verhängung von Zusatzstrafen. Der Strafwert der Zusatzstrafen ist unbestimmt. In einem letzten Schritt werden dann die verschiedenen Vollstreckungsmöglichkeiten behandelt (sonstige Strafentscheidung). 454 Dieses durch das Gesetz vorgezeichnete Vorgehen stellt mehr eine Merkliste als eine Konkretisierung der Strafzumessung dar. 455 Denn sieht man von Art. 132-24 C. P. ab, so gibt das Gesetz dem Gericht beim Vollziehen der einzelnen Schritte keine weitere Konkretisierung an die Hand als die Tatbestandvoraussetzungen der einzelnen Strafart. Insbesondere ist der Richter oder die Jury im Verfahren vor dem Geschworenengericht in der Entscheidung zur Strafhöhe frei. Es überrascht daher nicht, dass die Strafzumessungsentscheidung von wenigen Ausnahmen 456 abgesehen keiner Begründung bedarf 457 und nach ständiger Rechtsprechung des Kassationsgerichts weitestgehend der revisionscrétionnaire dont ils ne doivent aucun compte“, und die neuere Entscheidung Cass. crim., 19 Décembre 1996, Bull. crim. n o 482, in der das Gericht zur Wahl der Gefängnisstrafe ohne Bewährung feststellt: „la détermination de la peine par les juges, dans les limites prévues par la loi, relève d’une faculté dont ils ne doivent aucun compte et à laquelle l’article 132-24 nouveau du Code pénal n’a apporté aucune restriction.“; vgl. auch Mayaud / Allain, Code pénal, Art. 132-24 C. P., n os 1 ff. m.w. N.; Danet / Lavielle, Gaz. Pal. 2000, S. 889 in Fn. 7. 453 Als Beleg dafür gelten die zahlreichen, im Abschnitt „des modes de personnalisation des peines“ aufgeführten Regelungen zur Bestimmung der Strafarten. 454 Siehe insgesamt zu den Schritten der Strafzumessung die Darstellung bei Barberger, Égalité et individualisation de la peine, S. 211 f.; vgl. auch Rassat, Droit pénal général, S. 540 f. 455 Vgl. Cotte, Les Facteurs du choix, S. 239. 456 Ausnahmen sind die Begründung der Gefängnisstrafe ohne Bewährung (Art. 13219 C. P.) und die Begründung der Ausweisung; siehe dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 390 ff.; vgl. auch Rassat, Droit pénal général, S. 541. 457 Vgl. zu den möglichen Gründen Müller, Rechtliche und tatsächliche Kriterien der Strafzumessung im deutsch-französischen Vergleich, S. 7 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

rechtlichen Kontrolle entzogen ist. 458 Die Strafzumessungsentscheidung gilt als reine Tatsachenfrage, 459 so dass in der Regel die revisionsrechtliche Kontrolle auf bloße formale Aspekte der gesetzlich vorgeschriebenen Strafart und Strafhöhe beschränkt bleibt. 460 Revisionen, die sich gegen Fehler bei der Strafzumessung wenden, werden daher in der Regel als unzulässig verworfen. 461 Die Strafzumessung im Fall der Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt hierbei keine Ausnahme dar. 462 Die Ermessensfreiheit im materiellen Recht wird auch nicht im formellen Recht, dem Prozessrecht, beschränkt. 463 Neben den Menschenrechten zeigt einzig die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (la Déclaration des droits de l’homme et du citoyen) insofern Beschränkungen des Ermessens auf, als keine disproportionalen Strafen verhängt werden dürfen. d) England-Wales: Strafzumessungsermessen (sentencing discretion) Ist die Strafzumessung auch durch absolute Strafen etwa für Mord und zwingende Mindeststrafen für gefährliche Straftäter gebunden, so besteht dennoch entsprechend der Common-law-Tradition gerade im Bereich der fakultativen Freiheitsstrafen ein Strafzumessungsermessen (sentencing discretion). Bei der Strafzumessung versichert sich der Richter zunächst der rechtlichen Vorgaben, nach denen er die Strafe verhängen kann. Diese Vorgaben setzen sich zusammen zum einen aus der gesetzlich ausdrücklich oder stillschweigend angeordneten Höchststrafe für die Straftat, zum anderen aus den Richtlinienurteilen oder Richtlinien des SGC mit ihren „starting points“ (Grenzen der Strafbemessung). 464 Ist der äußere rechtliche Rahmen der Strafgewalt und der „starting points“ für die Strafe bestimmt, so wendet sich der Richter den Umständen des Einzelfalls zu, um die konkrete Strafart und Strafdauer zu bestimmen. 465 Zentraler Anknüp458

Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 940 m.w. N.; siehe dazu näher Lebois-Happe, Dr. pen. 15 (2003), chron. n o 11, S. 4 ff. 459 Vgl. dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 403 ff. m.w. N. 460 Vgl. Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 406 m.w. N. 461 Vgl. dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 22; dies., Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl, S. 11. 462 Vgl. dazu näher Lelieur-Fischer / Neumann, Frankreich, S. 288 f. m.w. N. 463 Vgl. dazu näher Müller, Sanktionen und Strafauswahl in Frankreich, S. 390 f.; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 201; Danet / Lavielle, Gaz. Pal. (2000), S. 889. 464 Vgl. näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53; siehe zu den Wirkungen der Richtlinienurteile des Court of Appeal Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 222 f.; siehe zu der Rechtskraft der Richtlinien CJA 2003 s. 172; vgl. auch Oosthuizen, [2006] 1 Cr. App. R. (S) 73; Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –9. 465 Vgl. CJA 2003 ss. 152 und 153.

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fungspunkt dafür und für die Strafzumessungsentscheidung überhaupt ist die sich in der Straftat ausdrückende Schwere der Tat, welche sich aus der Schuld (culpability) und dem erfolgten oder angestrebten Schaden (harm) ergibt. 466 Denn die Strafe muss zur Tatschwere angemessen verhängt werden und darf diese keinesfalls übersteigen. 467 Zur Bestimmung der Tatschwere wird der Richter allgemeine Umstände der Tatschwere, wie sie etwa in der Richtlinie „Overarching Principles: Seriousness“ festgehalten sind, und besondere Umstände der Tatschwere aus der Richtlinie des einschlägigen Straftatbestandes in seine Entscheidung einbeziehen, solange sie für die Straftat (aber nicht für den Straftäter) einschlägig sind (Strafwertbestimmung). 468 Dabei ist das Doppelverwertungsverbot zu beachten. 469 Grundlage dafür sind auch eventuelle einschlägige Vorstrafen. Diese erhöhen die Tatschwere und schärfen die Strafe der abzuurteilenden Tat. 470 Die Strafe kann bei der Bewertung der Tatschwere auch über den „starting points“ angesiedelt werden. Ist so schließlich der Grad der Tatschwere bestimmt worden, richtet sich das Augenmerk des Richters auf den Straftäter. 471 Umstände, die in seiner Person liegen, können die Strafe mildern. 472 Die Strafe kann dadurch unter den „starting point“ rutschen. 473 Zur weiteren Einschätzung des Verurteilten kann ein „pre-sentence report“ eingeholt werden, an den der Richter aber nicht gebunden ist. 474 Dann wird das anfängliche Plädoyer des Verurteilten über seine Schuld oder Unschuld berücksichtigt. 475 Hat sich der Verurteilte schuldig 466

Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –8. Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53. 468 Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53 und 22 – 58 ff.; siehe auch die Auflistung strafschärfender und strafmildernder Umstände beim Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 6 f. 469 Vgl. Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 6. 470 Vgl. näher CJA 2003 s. 143. Dieser betont, dass die Vorstrafen bei der Schwere der Tat strafschärfend zu berücksichtigten sind, solange dies vernünftig erscheint, insbesondere wenn zwischen der Natur der zu verurteilenden Tat und den Vorstrafen ein Zusammenhang besteht bzw. die Vorstrafen relevant für die zu verurteilende Tat sind. Dabei ist auch die Zeit zwischen Vorstrafe und erneutem Urteil zu berücksichtigen (CJA 2003 s. 143(2)(a) und (b)). Diese Regelungen beziehen sich grundsätzlich auf Vorstrafen im Vereinigtem Königreich, können aber auch solche außerhalb erfassen (CJA 2003 s. 143(3) und (4)). Siehe ausführlich zur Berücksichtigung der Vorstrafen bei der Strafzumessung von Hirsch / Roberts, Crim. L. R (2004), S. 647 ff.; Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 65. 471 Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53. 472 Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –81 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.7. 473 Vgl. ausführlich zur „mitigation“ Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –81 ff. 474 Vgl. näher CJA 2003 s. 156; dazu ausführlich Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 19 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.18. 467

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bekannt, kann er mit einer substanziellen Reduzierung seiner Strafe rechnen. 476 Danach sind vom Richter gegebenenfalls noch „ancillary orders“ zu treffen (sonstige Strafentscheidung). Zum Schluss hat sich der Richter die Gesamtstrafe vor Augen zu halten und sie auf ihre Angemessenheit zur Straftat zu prüfen. 477 Die Strafzumessung soll immer ausführlich begründet werden. 478 e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika: Typische Strafe (presumptive sentence) Im Fall der Strafzumessungsrichtlinien von Minnesota und den Vereinigten Staaten klang schon bei der Darstellung der Strafbemessung die Methodik der Strafzumessung an. Im Wesentlichen können vier Strafzumessungsschritte dingfest gemacht werden: Zunächst ist der Einstieg in die Strafzumessungstabelle durch die Bestimmung der gewichteten Tatschwere in Form der Bestimmung der „basic offense levels“ bzw. der „specific offense levels“ (USSG) oder der „offense severity“ (MSG) zu bestimmen. Im zweiten Schritt erfolgt die Gewichtung der Vorstrafenbelastung durch „criminal history points“ (USSG) oder durch den „criminal history score“ (MSG). Mit beiden zusammen lässt sich dann die typischerweise angemessene Strafe innerhalb der Strafzumessungstabelle (presumptive sentence) ermitteln. Als letzter Schritt schließt sich die konkrete Bestimmung der Strafe an, welche anhand der Angaben zur Strafdauer aus der Strafzumessungstabelle und den weiteren Regelungen der USSG bzw. MSG zu bestimmen ist. Insbesondere muss der Richter vor dem Hintergrund der berücksichtigungsfähigen Strafumstände entscheiden, ob er eine Strafe innerhalb der Strafzumessungsrichtlinie zumessen will oder ob er mit der Strafe von dieser abweicht (departure). Eine Abweichung muss begründet werden. 479

475 Vgl. dazu ausführlich Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 100 ff.; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 78 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.6. 476 Vgl. ausführlich zum „guilty plea“Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –100 ff. 477 Vgl. Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –53. 478 Vgl. näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 –107 ff. 479 Vgl. knapp Silverman, The Punishment of Serious Crimes in the United States of America, S. 2 ff.; ausführlich Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1473 ff.; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 739 ff.; Campbell, Law of Sentencing, S. 137 ff. m.w. N.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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f) Victoria und Commonwealth von Australien: Intuitive Gesamtbetrachtung (instinctive synthesis approach) Die Strafzumessung gilt in den australischen Rechtsordnungen gemeinhin als eine der schwierigsten Aufgaben der Richter und als zu komplex, als dass sie durch abstrakt bestimmte Regelungen befriedigend gelöst werden könnte. Daher ist der Strafrichter mit einem weiten Strafzumessungsermessen ausgestattet. Um aber eine einheitliche, wenn auch nicht gänzlich „gleiche“ Strafzumessung zu erreichen, wird zumindest eine einheitliche Herangehensweise (consistency of approach) an die Strafzumessung als Ausfluss der dem Recht innewohnenden Gleichheit befürwortet. Der Ruf nach einer einheitlichen Herangehensweise bedeutet aber nicht, dass die Strafzumessung auf der Grundlage einer einheitlichen Strafzumessungsmethode (methodology of sentencing) erfolgen würde. 480, 481 Letztlich konkurrieren zwei Herangehensweisen miteinander: Auf der einen Seite steht der sog. „two stage approach“, der in einem ersten Schritt die objektiven Umstände des Falls berücksichtigt und in einem zweiten Schritt die so hypothetisch ermittelte Strafe durch andere Umstände, die normalerweise, aber nicht immer, in der Person des Täters begründet sind, schärft oder mildert, indem von der hypothetischen Strafe ein Zuschlag oder Abschlag vorgenommen wird. 482 Auf der anderen Seite wird der sog. „instinctive (or intuitive) synthesis approach“ befürwortet, der sich dadurch auszeichnet, dass er die für die Strafzumessung relevanten Umstände auf einmal identifiziert, ihre unterschiedliche Tragweite, Gewichtung und Richtung bestimmt, um diese Evaluation mit der Bestimmung der angemessenen Strafe zu beschließen, die somit in einem einzigen Schritt zugemessen wird. 483 Das Element der Synthese beschreibt dabei die Gesamtbetrachtung der für die Strafzumessung relevanten Umstände, das Element des Instinkts oder der Intuition die Umwertung der Umstände in eine konkrete Strafe nach Strafart und Strafmaß. Allerdings hat das Mehrheitsurteil des High Court in Markarian für schwierig gelagerte Fälle, in denen zahlreiche und komplexe Umstände berücksichtigt werden müssen, der 480

Vgl. Geddes (1936) 36 SR (NSW) 554 (555). In Markarian (2005) 215 ALR 213; [2005] HCA 25 (27) stellt das Mehrheitsurteil des High Court denn auch fest, dass „[e]xpress legislative provisions apart, neither principle, nor any of the grounds of appellate review, dictates the particular path that a sentencer, passing sentence in a case where the penalty is not fixed by statute, must follow in reasoning to the conclusion that the sentence to be imposed should be fixed as it is. The judgment is a discretionary judgment and, as the bases for appellate review reveal, what is required is that the sentencer must take into account all relevant considerations (and only relevant considerations) in forming the conclusion reached. As has now been pointed out more than once, there is no single correct sentence. And judges at first instance are to be allowed as much flexibility in sentencing as is consonant with consistency of approach and as accords with the statutory regime that applies.“ 482 Markarian (2005) 215 ALR 213; [2005] HCA 25 (26). 483 Vgl. Markarian (2005) 215 ALR 213; [2005] HCA 25 (51) (McHugh J). 481

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bloßen Bestimmung der Strafe über einen Zu- oder Abschlag von der zuvor durch objektive Umstände bestimmten Tatschwere eine Absage erteilt, für einfach gelagerte Fälle die mathematische Berücksichtigung einzelner Umstände aber zugelassen. 484 Demnach ist in schwierigen Fällen von einem „two stage approach“ abzusehen und ein „instinctive (or intuitive) synthesis approach“ zu favorisieren. 485 Die Gesamtschau der relevanten Umstände steht aber weder einer ausdrücklichen Benennung, Bestimmung der Tragweite und Gewichtung der Umstände im Urteil noch deren sequenzieller Betrachtung im Wege. 486 Die bei der Gesamtschau zu berücksichtigenden Umstände werden durch den Sentencing Act 1991s 5(2) 487 und durch den Crimes Act 1914s 16A(2) 488 vorgezeichnet, ohne dass diese aber abschließend wären oder dem common law vorgehen würden oder eine bindende Reihenfolge der Betrachtung vorgeschrieben wäre. 489 484 In Markarian (2005) 215 ALR 213; [2005] HCA 25 (39) heißt es: „Following the decision of this Court in Wong it cannot now be doubted that sentencing courts may not add and subtract item by item from some apparently subliminally derived figure, passages of time in order to fix the time which an offender must serve in prison. That is not to say that in a simple case, in which, for example, the circumstances of the crime have to be weighed against one or a small number of other important matters, indulgence in arithmetical deduction by the sentencing judges should be absolutely forbidden. An invitation to a sentencing judge to engage in a process of ‚instinctive synthesis‘, as useful as shorthand terminology may on occasions be, is not desirable if no more is said or understood about what that means. The expression ‚instinctive synthesis‘ may then be understood to suggest an arcane process into the mysteries of which only judges can be initiated. The law strongly favours transparency. Accessible reasoning is necessary in the interests of victims, of the parties, appeal courts, and the public. There may be occasions when some indulgence in an arithmetical process will better serve these ends. This case was not however one of them because of the number and complexity of the considerations which had to be weighed by the trial judge.“ 485 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 2.2.1. 486 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 2.2.2. 487 Sentencing Act 1991 (Vic) s 5 (2) In sentencing an offender a court must have regard to– (a) the maximum penalty prescribed for the offence; and (b) current sentencing practices; and (c) the nature and gravity of the offence; and (d) the offender’s culpability and degree of responsibility for the offence; and (daa) the impact of the offence on any victim of the offence; and (da) the personal circumstances of any victim of the offence; and (db) any injury, loss or damage resulting directly from the offence; and (e) whether the offender pleaded guilty to the offence and, if so, the stage in the proceedings at which the offender did so or indicated an intention to do so; and (f) the offender’s previous character; and (g) the presence of any aggravating or mitigating factor concerning the offender or of any other relevant circumstances. 488 Crimes Act 1914 (Cth) s 16A Matters to which court to have regard when passing sentence etc.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Vor diesem Hintergrund schlägt das „Victorian Sentencing Manual“ als Strafzumessungsmethode fünf gedankliche Schritte vor, die in folgender Reihenfolge bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollen: (1) Ausgangspunkt nimmt die Strafzumessung in den tatbezogenen objektiven Umständen. Diese werden durch die Tatschwere bestimmt, zu der sowohl die Natur der Straftat 490 als auch die konkreten Umstände der Straftat gehören. 491 Die Tatschwere wird dabei auch im Vergleich zu anderen Fällen betrachtet. 492 (2) Daran schließt sich die Berücksichtigung der täterbezogenen subjektiven Umstände mit der Schuld des Täters (culpability) und dem Grad der Verantwortung für die Tat (degree of responsibility for the offence) an. 493 (3) Es folgt die Betrachtung von „policy considerations“. (1) In determining the sentence to be passed, or the order to be made, in respect of any person for a federal offence, a court must impose a sentence or make an order that is of a severity appropriate in all the circumstances of the offence. (2) In addition to any other matters, the court must take into account such of the following matters as are relevant and known to the court: (a) the nature and circumstances of the offence; (b) other offences (if any) that are required or permitted to be taken into account; (c) if the offence forms part of a course of conduct consisting of a series of criminal acts of the same or a similar character – that course of conduct; (d) the personal circumstances of any victim of the offence; (e) any injury, loss or damage resulting from the offence; (f) the degree to which the person has shown contrition for the offence: (i) by taking action to make reparation for any injury, loss or damage resulting from the offence; or ii) in any other manner; (g) if the person has pleaded guilty to the charge in respect of the offence – that fact; (h) the degree to which the person has co-operated with law enforcement agencies in the investigation of the offence or of other offences; (j) the deterrent effect that any sentence or order under consideration may have on the person; (k) the need to ensure that the person is adequately punished for the offence; (m) the character, antecedents, age, means and physical or mental condition of the person; (n) the prospect of rehabilitation of the person; (p) the probable effect that any sentence or order under consideration would have on any of the person’s family or dependants. 489 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 2.3. 490 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(a) und (c) und Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(a). 491 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 2.3.1. 492 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(b); siehe dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.1 ff. m.w. N. 493 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(d) und Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(d), (e), (f).

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

(4) Vor dem Hintergrund des so näher bestimmten Strafzumessungsfalls sollen dann die für den Strafzumessungsfall entscheidenden Straftheorien einbezogen werden. 494 (5) Der letzte Schritt dient der Umwertung des Strafzumessungsfalls in die Strafe. Dabei ist insbesondere das Prinzip der Verhältnismäßigkeit 495 wie auch das Prinzip der zurückhaltenden Strafzumessung (parsimony) 496 zu wahren. 497 g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien aa) Strafzumessungsermessen In dem Wettstreit zwischen einer Strafzumessungstheorie und dem Strafzumessungsermessen dominiert in den betrachteten Rechtsordnungen das Strafzumessungsermessen. Zwar ist auch das Strafzumessungsermessen durch die Strafbestimmung limitiert, aber eben nur durch Strafbestimmungen und nicht durch Theorien über den (richtigen) Vorgang der Strafzumessung. Das in der Rechtsvergleichung aufzufindende Prinzip besagt also, dass die Strafe nicht durch entsprechende Strafzumessungstheorien weiter differenziert und individualisiert wird, sondern durch das Strafzumessungsermessen des entscheidenden Richters. Damit fehlt es an einer rechtlichen Differenzierung außerhalb des Gleichheitssatzes. Einzig findet das Ermessen seine Grenzen in den Strafbestimmungen über Strafart und Strafumfang. bb) Strafzumessungsmethode Allen Rechtsordnungen ist ein methodisches Vorgehen bei der Strafzumessung gemeinsam, auch wenn Art und Weise des Vorgehens eine unterschiedliche Intensität aufweisen. Während in Frankreich die Methode der Strafzumessung recht limitiert ist, ist sie in Deutschland, Schweden, England-Wales, Victoria und dem Commonwealth von Australien, Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika recht ausgefeilt. Ein Weniger an Strafzumessungsmethode ist nicht unbedingt mit einem Mehr an Strafzumessungsermessen verbunden, denn große Strafzumessungsfreiheit genießen die Richter nicht nur in den Rechtsordnungen von Frankreich, sondern auch in den Rechtsordnungen von England-Wales sowie von Victoria und dem Commonwealth von Australien. Allen Unterschieden zum Trotz gibt es auch Übereinstimmungen: Die Strafzumessung beginnt überall mit 494

Vgl. auch Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1) und Crimes Act 1914 (Cth) s 16(2)(n). Vgl. Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(1). 496 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 6.3 ff., m.w. N. 497 Vgl. zum Ablauf der Strafzumessung das Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 2.3.1. 495

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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dem Gesetz. Denn das Gesetz legitimiert und limitiert die Strafentscheidung. Genauer werden dem Gesetz die Strafrahmenwahl und die Strafartwahl entnommen. Ist in allen Rechtsordnungen zur Bestrafung die Wahl beider notwendig, so ist die Reihenfolge des Vorgehens in den Rechtsordnungen uneinheitlich. Gemeinsamkeit ist also, dass sie berücksichtigt werden müssen, nicht unbedingt aber, wie sie berücksichtigt werden. Daran schließt sich, wenn auch unter unterschiedlichen Begrifflichkeiten, zunächst eine Bewertung der Straftat 498 und dann eine des Straftäters 499 an. Der Strafwert der Straftat wird zum großen Teil durch die Tatschwere bestimmt. Abgeschlossen wird die Betrachtung stets durch die Umwertung der Tatumstände in die Strafe. Die Tatumstände werden dabei entweder in einer Gesamtbetrachtung bewertet (Deutschland, Frankreich, Victoria, Commonwealth von Australien und mit Einschränkung England-Wales) oder aber in einer Einzelbetrachtung (Schweden, Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika). Damit können folgende rechtsordnungsübergreifende Prinzipien in den betrachteten Rechtsordnungen als (überwiegend) gemeinsam angesehen werden: (1) Grenzen der Strafbemessung; (2) Strafwertbestimmung, durch a.) Bewertung der Tatschwere (primär), b.) Bewertung des Straftäters (sekundär) und (3) Gesamtbetrachtung der Tatumstände. 3. Bezugspunkte der Strafe und Strafzumessungsumstände In den vorherigen Rechtsquellen wurde der Bezug der Strafe zur Schwere der Straftat und zu den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten aufgezeigt. Beide werden im ICC-Statut und in den Statuten der Ad-hoc-Gerichtshöfe zwar gleichwertig nebeneinander genannt, die Spruchpraxis im Völkergewohnheitsrecht belegt aber eine gewisse Dominanz der Tatschwere bei der Anknüpfung der Strafe. Tatschwere wird durch den Unwertgehalt der Tat bestimmt. Ist die Anknüpfung der Strafe damit schon deutlich, so dient die rechtsvergleichende Betrachtung hier der Ergänzung der Rechtsquellen in zweierlei Hinsicht: Zum einen soll die Dominanz der Tatschwere noch einmal hinterfragt und zum anderen der Unwertgehalt der Tatschwere weiter ausgeleuchtet werden, damit die Tatschwere für die Strafzumessung fruchtbar gemacht werden kann. Denn dominiert die Tatschwere die Anknüpfung, bestimmt sie auch wesentlich den Umfang der Strafe bzw. das Übel der Strafe. Dabei wird es auch noch einmal auf die 498 Vgl. in Deutschland: Schuldrahmenwahl; in Schweden: Strafwertbestimmung; in Frankreich: Gesamtbetrachtung; in England-Wales: Tatschwere; in Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika: gewichtete Tatschwere; in Victoria und dem Commonwealth of Australia: objektive Tatumstände. 499 Vgl. in Deutschland: Präventionswahl; in Schweden: Strafwertbestimmung; in Frankreich: Gesamtbetrachtung; in England-Wales: Plädoyer, Charakter, Vorstrafen, persönliche Strafmilderung; in Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika: gewichtete Vorstrafenbelastung; in Victoria und dem Commonwealth of Australia: subjektive Tatumstände.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Ausfüllung der Bezugspunkte durch die unterschiedlichen Fallgruppen der Strafumstände ankommen, denn wie immer die Tatschwere bestimmt wird, letztlich muss sich diese Bestimmung in den Tatumständen wiederfinden. a) Deutschland: Erfolgs- und Handlungsunrecht Grundlage der Strafe in Deutschland ist die Strafzumessungsschuld, die als Tatschuld verstanden wird und sich aus dem Grad der Vorwerfbarkeit des Erfolgsund Handlungsunwerts der Straftat ergibt. Die Vorwerfbarkeit ist das Wesensmerkmal der Schuld und sowohl bei der Strafbegründungsschuld als auch bei der Strafzumessungsschuld mit der Rechtsprechung in dem Vorwurf zu erblicken, dass sich der Straftäter rechtswidrig verhalten hat, obwohl er sich auch rechtmäßig hätte verhalten können. 500 Anders als die Strafbegründungsschuld, die vorliegt oder nicht, ist die Strafzumessungsschuld mal größer, mal geringer und damit graduierbar. Der Grad der Vorwerfbarkeit richtet sich nach den kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten des Straftäters und wird zum einen über die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erfasst und zum anderen über die Gesinnung des Straftäters, also über seine Einstellung zur Rechtsordnung. Schuld kann entsprechend der Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sowie der Einstellung zur Rechtsordnung mehr oder weniger vorgeworfen werden. Aus dem in der gerechten Strafe verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erwächst die Konsequenz, dass ein höherer Schuldvorwurf auch eine höhere Strafe und ein geringerer Schuldvorwurf auch eine geringere Strafe nach sich zieht. Da Strafzumessungsschuld zunächst einmal Tatschuld ist, ist Grundlage des Schuldvorwurfs und damit primärer Anknüpfungspunkt der Strafe der Erfolgsund Handlungsunwert der Straftat. Generell erfasst der tatbestandliche Erfolgsunwert diejenigen Umstände, die die Gefährdung oder Verletzung für das jeweilige Schutzobjekt aufzeigen, 501 und der tatbestandliche Handlungsunwert diejenigen Umstände, die Art und Weise der Tatbegehung umschreiben. 502 Es wird neben diesem tatbestandlichen auch ein außertatbestandlicher Verhaltensunwert erfasst, solange dieser in einem inneren Zusammenhang mit der Straftat bzw. in Beziehung zur Vorwerfbarkeit von Unrecht und Gesinnung steht. 503 Wie weit genau ein außertatbestandlicher Verhaltensunwert berücksichtigt werden kann, ist im 500 Vgl. die Entscheidung des Großen Senats in Strafsachen BGHSt 2, 194 (200): „Mit dem Unwerturteil der Schuld wird dem Täter vorgeworfen, daß er sich nicht rechtmäßig verhalten, daß er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können. Der innere Grund des Schuldvorwurfs liegt darin, daß der Mensch auf freie, verantwortliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden ...“ 501 Vgl. näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 165 f. m.w. N. 502 Vgl. näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 166. 503 Vgl. dazu näher Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 24.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Einzelnen umstritten. 504 Jedenfalls erstreckt er sich auf die in § 46 Abs. 2 StGB aufgezählten Umstände. 505 Der Verhaltensunwert ist ebenfalls insofern graduierbar, als die vom Erfolgsunwert erfassten Gefährdungen bzw. Verletzungen für ein Schutzobjekt mehr oder weniger vorliegen können und die vom Handlungsunwert erfassten Verhaltensanforderungen und Pflichtwidrigkeiten wie auch die im Tatbestand liegenden Gesinnungs- und Absichtsmerkmale mehr oder weniger verletzt sein können. 506 Trotz der darin liegenden möglichen unterschiedlichen Gewichtungen sind bei der Bewertung der Strafzumessungsschuld Erfolgsunwert und Handlungsunwert gleichrangig zu beachten. Nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist die Strafzumessungsschuld aber nur Grundlage der Strafe. Daneben können und müssen noch präventive Gründe im Rahmen der Schuld herangezogen werden; insbesondere ist gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB eine Entsozialisierung durch Strafe zu vermeiden, indem die Persönlichkeit des Straftäters bei der Strafzumessung berücksichtigt wird. 507, 508 Denn – so der BGH – „ohne Kenntnis der Täterpersönlichkeit lässt sich weder das Maß der persönlichen Schuld, noch Maß und Art seiner Resozialisierungsbedürftigkeit beurteilen.“ 509 Strafe knüpft also entsprechend der Tatschuld primär an die Straftat und entsprechend der präventiven Überlegungen sekundär an den Straftäter an. 510

504 Vgl. näher Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 106 ff., Rn. 321 ff. 505 Vgl. näher Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 104 ff., Rn. 315 ff. m.w. N.; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 509, § 62, Rn. 19 ff. 506 Vgl. Zipf, Grundsätze der Strafzumessung, S. 29. 507 Vgl. Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 4. 508 Im Rahmen von § 46 Abs. 1 S. 2 StGB ist ganz besonders die Strafempfindlichkeit des Straftäters, also die Wirkung der Strafe in Hinblick auf das darin enthaltende Übel, zu beachten. Denn das Postulat des „gerechten Schuldausgleichs“ bezieht sich nicht nur auf die vom Straftäter zu erleidende Strafhöhe, sondern auch auf die Strafschwere; d. h. der Straftäter muss nur ein gleiches bzw. ungleiches Opfer entsprechend seines subjektiven Strafleidens erbringen (vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 139 ff., Rn. 412 ff.; Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 535, § 63, Rn. 118.). Zum Begriff der Strafempfindlichkeit in Abgrenzung zum Begriff der Strafempfänglichkeit (vgl. Henkel, Strafempfindlichkeit und Strafempfänglichkeit des Angeklagten als Strafzumessungsgründe, S. 179 ff.; Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 26a ff.). 509 BGH NStZ 1981, S. 389. 510 Vgl. auch Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 505 f., § 63, Rn. 3 ff.; Zipf, Die Strafzumessung, S. 24.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

b) Schweden: Strafwert der Tat (brottets straffvärde) Grundlage der Strafzumessung im schwedischen Kriminalgesetzbuch ist der Strafwert der Tat (brottets straffvärde). 511 Ansatzweise wird der Begriff des Strafwertes in Kap. 29 § 1 Abs. 2. BrB 512 definiert, wenn dort Aussagen über den Unwert der Tat getroffen werden. 513 Demnach setzt sich der Strafwert der Tat aus Aspekten der Schädlichkeit (oder Gefährlichkeit) des Verhaltens auf der einen Seite und der Schuld des Täters auf der anderen Seite zusammen. 514 Damit verweist der Begriff des Strafwertes zwar vor allem auf die Schwere der Tat, 515 ist aber mit diesem nicht deckungsgleich, da neben der Schädlichkeit und Schuld noch weitere Umstände über den Strafwert bestimmen können. 516 So offenbaren die Gesetzesmaterialien, dass der Strafwert bei bestimmten schweren Delikten mit generell internationalen Bezügen auch im Vergleich zur Strafschwere der Straftatbestände in anderen Ländern bestimmt werden kann und Gründe der negativen Generalprävention Einfluss auf den Strafwert nehmen können. 517 Der Strafwert wird zum einen „abstrakt“ in Hinblick auf die horizontale Vergleichbarkeit des Strafwerts eines Straftatbestandes im Verhältnis zu den anderen Straftatbeständen und zum anderen „konkret“ in Hinblick auf die vertikale Vergleichbarkeit des Strafwerts innerhalb ein und desselben Straftatbestandes verstanden. Der konkrete Strafwert stellt vor allem auf die Tatschwere ab und setzt sich aus objektiven und subjektiven Elementen zusammen. 518 In objektiver Hinsicht ist die Bedeutung des Rechtsgutes und die Intensität der konkret bewirkten Schutzgutsverletzung wesentlich, d. h. die Frage, ob schon ein konkreter Schaden oder eine Gefährdung eingetreten ist oder nur ein relevantes Risiko geschaffen wurde. In subjektiver Hinsicht kommt es insbesondere auf den Grad der Schuld an, d. h. darauf, ob die konkrete Tat vorsätzlich oder nur fahrlässig begangen wurde. 519 511

Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 207. Kap. 29 § 1 Abs. 2. BrB lautet: „Bei der Beurteilung des Strafwertes ist besonders zu berücksichtigen, welchen Schaden, welche Beeinträchtigung oder Gefahr die Tat bewirkt hat, was der Angeklagte davon erkannte oder hätte erkennen müssen und welche Absichten oder Motive er hatte.“, Übersetzung entnommen bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 199. 513 Vgl. Cornils / Mohr, The Punishment of Serious Crimes in Sweden, S. 3. 514 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 32; Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 148; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 206 f. m.w. N. 515 Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 148. 516 Vgl. 29 § 1 Abs. 2. BrB. 517 Vgl. dazu näher Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 150; Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 32 f. 518 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 32. 519 Vgl. Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 32. 512

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Ausgefüllt wird der (konkrete) Strafwert weiter durch die erschwerenden und mildernden Umstände aus Kap. 29 §§ 2 und 3 BrB. 520 Entsprechend der gewollten Ausrichtung der Strafe an der Tat (und nicht am Täter), sind die darin enthaltenen einzelnen Umstände tatbezogen. In objektiver Hinsicht sind diejenigen Umstände erschwerend, die an das Tatverhalten und dort insbesondere an die Tatausführung 521 und Intensität des Täterwillens in der Tat 522, aber auch an die Tatfolgen bzw. angestrebten Tatfolgen 523 anknüpfen. Ferner wird die in der Tat zum Ausdruck kommende Ausnutzung einer besonderen Situation auf Seiten des Opfers, aber auch auf Seiten des Täters als straferschwerend gewertet. 524 In subjektiver Hinsicht wirkt erschwerend, wenn die Tat aus einem diskriminierenden Motiv heraus geschah. 525 Mildernd sind solche Umstände, die die Schuld des Verurteilten mindern, ohne dass freilich der Begriff der Schuld ausdrücklich erwähnt würde. 526 So mildert etwa eine aufgrund von Provokation 527 oder starkem menschlichen Mitgefühl 528 ausgeführte oder aufgrund einer beschränkten Einsichts- und Steuerungsfähigkeit 529 begangene Straftat den Strafwert. Auch ist eine weitere, weitestgehend unbestimmte Milderung möglich, wenn dies mit Rücksicht auf den Strafwert geboten scheint. 530 c) Frankreich: Umstände der Straftat und der Persönlichkeit des Täters (fonction des circonstances de l’infraction et de la personnalité) Die Strafe wird in Frankreich aus den unterschiedlichen Elementen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (la responsabilité pénale) abgeleitet, 531 welche aber nicht als aufeinander und nacheinander folgende Wertungsstufen im Sin520 Vgl. die Umstände des Kap. 29 §§ 4 und 5 BrB, die aufgrund des ausschließenden Wortlautes („Bei der Strafzumessung hat das Gericht neben dem Strafwert ...“) nicht berücksichtigt werden. Dazu näher Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 148; Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 33; siehe auch die ausführliche rechtsvergleichende Betrachtung dieser Umstände bei Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 207 ff. 521 Vgl. näher Kap. 29 § 2 Nr. 2 BrB. 522 Vgl. näher Kap. 29 § 2 Nr. 6 BrB. 523 Vgl. näher Kap. 29 § 2 Nr. 1 BrB. 524 Vgl. näher Kap. 29 § 2 Nr. 3 und 4 BrB. 525 Vgl. näher Kap. 29 § 2 Nr. 7 BrB. 526 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 213 f. m.w. N. 527 Vgl. näher Kap. 29 § 3 Nr. 1 BrB. 528 Vgl. näher Kap. 29 § 3 Nr. 2 BrB. 529 Vgl. näher Kap. 29 § 3 Nr. 2 und 3 BrB. 530 Vgl. näher Kap. 29 § 3 Abs. 2 BrB; vgl. näher dazu Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 214 m.w. N. 531 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n os 430 ff.; Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Strafrecht, S. 2.

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ne der deutschen Handlungslehre begriffen werden können, sondern eher als pragmatische Voraussetzung der Strafbarkeit fungieren. 532 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist daher weder mit der Schuld oder Strafzumessungsschuld des deutschen Rechts gleichzusetzen, noch übernimmt sie deren Funktionen. 533 Das französische Strafrecht mit seiner Verwurzelung in general- und spezialpräventiven Straftheorien straft primär wegen der Gefährlichkeit des Straftäters für die Gesellschaft. 534 Diese tritt auch ohne Unrecht und Schuld auf, so dass Unrechtslehre und Schuldbegriff dem französischen Strafrecht traditionell fremd sind. Der konkrete Anknüpfungspunkt für die Strafzumessung im C.P. ergibt sich daher auch ganz pragmatisch aus der allgemeinen Strafzumessungsregel Art. 132-24 S. 1 C. P., die Ausdruck des mit Verfassungsrang ausgestatteten Prinzips der Individualisierung der Strafe (l’individualisation des peines) ist, nach der die Bestimmung der Strafe in den gesetzlichen Grenzen nach den Umständen der Straftat und der Persönlichkeit des Täters zu erfolgen hat. 535 Begrenzt wird die Strafzumessung durch die einzelnen Strafbestimmungen, die den gesetzlichen Rahmen für die Ermessensentscheidung des Richters vorgeben. Im Allgemeinen wurden diese schon dargestellt. Im Besonderen werden sie unten noch darzustellen sein. Das Gesetz ist sehr zurückhaltend bei der Frage, mit welchen Strafzumessungstatsachen die Umstände der Tat und die Persönlichkeit des Täters qualifiziert werden könnten. 536 Welche Umstände nun in die Strafzumessung einfließen, ist Sache der Richter oder der Jury, die letztlich über die Strafe entscheiden. 537 Diese Zurückhaltung des Gesetzes erklärt sich letztlich aus der großen Ermessensfreiheit, die den Richtern oder der Jury in Fragen der Strafzumessung zukommt, aufgrund derer sie ihre Entscheidung grundsätzlich nicht zu begründen brauchen. Wenn aber keine Notwendigkeit besteht, die Strafzumessung darzulegen, bedarf es auch keiner gesetzlichen Spezifizierung der Strafzumessungsumstände, welche die Darstellung der Strafzumessung stützen müssten. Letztlich ist der Vergleich mit der Rechtsordnung Frankreichs unbefriedigend, da das weite Strafzumessungsermessen die nähere Ausfüllung von Straftat und Straftäter verdeckt. 532 Vgl. dazu knapp die Darstellung bei Hübner / Constantinesco, Einführung in das französische Recht, S. 132 ff.; zu den Gründen für die unterschiedlichen Strafrechtsdogmatiken in Deutschland und Frankreich Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, Versuch über eine gestörte Kommunikation, S. 325 ff. 533 Vgl. Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Strafrecht, S. 2 f. 534 Vgl. Gilly, Deutsche und französische Strafrechtskultur im Kontrast, S. 327 f.; Müller, Schuld, Schuldfeststellung und Strafauswahl im französischen Strafrecht, S. 12. 535 Art. 132-24, S. 1 C. P. lautet: „Dans les limites fixées par la loi, la juridiction prononce les peines et fixe leur régime en fonction des circonstances de l’infraction et de la personnalité de son auteur ...“ 536 Vgl. Delmas-Marty / Lazerges, R.D.P.C. (1997), S. 141; Cotte, Les Facteurs du choix, S. 239. 537 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 938.

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d) England-Wales: Tatschwere (offence seriousness), Schuld und Schaden (culpability and harm) Bei der Entscheidung über die Strafart und Strafdauer ist die Tatschwere (offence seriousness) zentraler und entscheidender Anknüpfungspunkt. Definiert wird dieser gemäß CJA 2003 s. 143(1) sowohl durch die Schuld (culpability) des Täters bei der Begehung der Tat als auch den durch die Tat verursachten Schaden (harm) bzw. das durch die Tat entstandene Risiko eines Schadens. Die Schuld bezieht sich dabei in absteigender Reihenfolge auf die Begehung mit „intent, recklessness, knowledge und negligence“. 538 Der Schaden kann allgemeiner und vor allem zahlreicher individueller Natur sein, ist aber in der Regel auf die Auswirkungen der Tat bzw. die intendierten Auswirkungen der Tat beim Opfer bezogen. 539 Die Bestimmung der Tatschwere erfolgt über eine wechselseitige Betrachtung von Schuld und Schaden. Im Widerstreit der beiden Elemente gebührt der Schuld des Täters bei der Bestimmung der Tatschwere letztlich der Vorrang. 540 Ergänzt wird diese grundlegende Bestimmung der Strafschwere durch weitere Umstände der Straftat, die die Strafe schärfen oder mildern können. Die Umstände setzen auf die bereits bestimmte Strafschwere auf und erhöhen oder senken sie zu der dann neu bestimmten Tatschwere. Diese Umstände dürfen aber nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nicht schon Teil des einschlägigen Straftatbestandes waren, da ansonsten die gleichen Umstände dem Straftäter zweimal zulasten oder zugunsten angerechnet würden (Doppelwertungsverbot) 541. Die Strafzumessungsrichtlinie „Overarching Principles: Seriousness“ des SGC enthält eine Auflistung von strafschärfenden bzw. strafmildernden Umständen, die über konkrete Delikte hinaus eine generelle Rolle bei der Strafzumessung spielen können. 542 Da die zu berücksichtigenden Umstände zahlreich sein können, 543 sollen hier nur diejenigen dargestellt werden, die sich direkt aus den allgemeinen Strafzumessungsnormen der CJA 2003 ss. 142 ss. ergeben. Gemäß CJA 2003 s. 143 (2), (3) müssen einschlägige Vorstrafen und die erneute Begehung einer Straftat während der Freilassung gegen Kaution (bail) die Strafe schär-

538

Vgl. Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 4; dazu Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22-4. 539 Vgl. Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 4; dazu Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22-5. 540 Vgl. Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 5. 541 Vgl. Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 6. 542 Vgl. ausführlich Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, S. 6 f. 543 Vgl. die Auflistung bei Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 571 f.

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fen. 544 Strafschärfend wirkt auch ein religiöser oder rassistischer Tathintergrund (CJA 2003 s. 145) 545 oder die Tatsache, dass die Straftat aufgrund der sexuellen Orientierung oder aufgrund einer Behinderung des Opfers begangen wurde bzw. sich in den Taten die Feindschaft gegen solche Personengruppen ausdrückt (CJA 2003 s. 146). 546 Strafmildernd ist das Plädoyer zu berücksichtigen, mit dem der Angeklagte sich schuldig bekennt (CJA 2003 s. 144). 547 Gemäß CJA 2003 s. 166(1) kann das Gericht darüber hinaus auf alle mildernde Umstände zurückgreifen, die es für angebracht hält. 548 „Sentencing discounts“ können nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise für die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden 549 oder für eine lange Verfahrensdauer 550 gewährt werden. Dies setzt die Gesetzgebungstradition fort, die sich bei der Auflistung strafmildernder Merkmale zurückhält und es den Gerichten überlässt, von Fall zu Fall über strafmildernde Umstände zu entscheiden. e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika: Tatschwere (offense severity) Die Strafzumessungsrichtlinien von Minnesota und den Vereinigten Staaten knüpfen sowohl an die gewichtete Schwere der Tat als auch an die gewichteten Vorstrafen des Täters an. 551 Entsprechend der Ausrichtung am „just deserts“ und der damit einhergehenden Abstufung der beiden Strafzumessungstabellen an der Tatschwere dominiert die Variable der Tatschwere (base offense levels bzw. offense severity) 552. Allerdings tritt diese grundlegende Ausrichtung der Strafzumessung bei den MSG deutlicher zutage als bei den USSG, da letztere die Vorstrafenbelastung des Täters stärker gewichten. 544 Vgl. dazu näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 65 f.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.5. 545 Vgl. dazu näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 67 ff.; dazu ausführlich Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 84 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.9. 546 Vgl. dazu näher Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 67 ff.; dazu ausführlich Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 84 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.10. 547 Vgl. auch Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 573 ff.; Hooper / Ormerod, Blackstone, Criminal Practice, E1.6. 548 Vgl. dazu ausführlich Barnes, Archbold, Magistrates Courts Criminal Practice, § 22 – 81 ff.; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 –90 ff. 549 Vgl. A and B [1999] 1 Cr. App. R. (S) 52; Guy [1999] 2 Cr. App. R. (S) 24; X [1999] 2 Cr. App. R. (S) 294; R [2002] EWCA Crim 267. 550 Vgl. Bird (1987) 9 Cr. App. R. (S) 77; Tiso (1990) 12 Cr. App. R. (S) 122. 551 Vgl. Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 59; vgl. auch U.S.C. 18 § 3553(a)(1). 552 Detailliert dazu Bureau of Justice Assistance, National Assessment of Structured Sentencing, S. 59 ff.

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Aus welchen Umständen die Tatschwere entnommen wird, ist ebenfalls unterschiedlich: Die MSG folgen dem „charge offense sentencing“ (bzw. conviction offense sentencing) und entnehmen die strafzumessungsrelevanten Umstände nur dem Tatbestand des angeklagten Delikts, so dass das Strafzumessungsermessen des Richters auf die Tatumstände der angeklagten Straftat beschränkt bleibt. 553 Ausgehend vom „real offense sentencing“ (bzw. alleged offense sentencing), das dem erkennenden Gericht zugesteht, die strafzumessungsrelevanten Umstände auch solchen Umständen zu entnehmen, die nicht Gegenstand der angeklagten Straftatbestände sind, aber dennoch dem Gericht vorliegen, haben sich die USSG nunmehr dem „charge offense sentencing“ zumindest angenähert, wenn es auch nicht gänzlich übernommen wurde. 554 Heute beschreiben die USSG die Strafzumessungsumstände zwar noch immer losgelöst von den Straftatbeständen, beschränken die zu berücksichtigenden Umstände aber auf solche des „relevant conduct“. 555 f) Victoria und Commonwealth von Australien: Tatschwere (offence gravity) Die grundlegenden Anknüpfungspunkte für die Strafzumessung befinden sich für Victoria im Sentencing Act 1991 (Vic) s 1(d)(iv) 556 und im Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(c-g) 557, für den Commonwealth im Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2) 558. In beiden spiegelt sich die Haltung des common law wider, dem zufolge die Strafe an die konkrete Schwere der Straftat anknüpft, so wie sie sich aus der allgemeinen Natur der Straftat und den besonderen Umständen der Straftat sowie den Umständen des Straftäters ergibt (circumstances of the offence and offender). 559 Diese werden durch „policy considerations“ ergänzt. 553

Vgl. näher Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 53 ff. Vgl. USSG §1A1.4.(a), §1B1.3; vgl. Saltzburg / Capra, American Criminal Procedure, S. 1473 f.; detailliert zum „real offense sentencing“ und den damit verbundenen Auswirkungen Stith / Cabranes, Fear of Judging, S. 66 ff. 555 Dazu ausführlich Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 210 ff.; Hrones, Criminal Practice Handbook, S. 743 ff. m.w. N. 556 Sentencing Act 1991 (Vic) s 1(d)(iv): (iv) ensuring that offenders are only punished to the extent justified by– (A) the nature and gravity of their offences; and (B) their culpability and degree of responsibility for their offences; and (C) the presence of any aggravating or mitigating factor concerning the offender and of any other relevant circumstances; and ... 557 Siehe den Wortlaut von Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(c-g) auf S. 454 in Fn. 487. 558 Siehe den Wortlaut von Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2) auf S. 454 in Fn. 488. 559 Zu den einzelnen Umständen ausführlich Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 9.4 ff. m.w. N. 554

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Die generelle Natur der Straftat wird vor allem durch die gesetzlich vorgeschriebenen Tatbestandselemente und die Höchststrafe vorgegeben. 560 Sie bilden die Ausgangslage, anhand derer die konkrete Tatschwere durch die besonderen Umstände der Straftat und des Straftäters definiert wird. 561 Für die „circumstances of the offence“ sind insbesondere solche Umstände direkt relevant, die die Besonderheiten der Straftat, den Grund der Begehung und die Folgen der Straftat näher umschreiben. 562 Bei der Auswahl der Umstände ist der Richter nicht auf den Straftatbestand beschränkt, vielmehr liegt es grundsätzlich in seinem Strafzumessungsermessen, welche Umstände er für relevant erachtet. So ist es ihm unbenommen, neben dem Tatverhalten auch das Vor- und Nachtatverhalten und die Folgen der Straftat 563 in seine Überlegungen einzubeziehen. Begrenzt ist diese Freiheit durch den „common sense“ und den „moral sense“ des Richters. 564 Von den Gerichten werden die „circumstances of the offence“ gleichgesetzt mit den „surrounding circumstances of the offence“. 565 Allerdings dürfen Umstände, die eigentlich unter einen anderen, nicht angeklagten Straf560 Vgl. ausführlich Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8. ff. m.w. N. 561 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 9.3.2. 562 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 9.1. 563 Vgl. Boyd [1975] VR 168 (172); McCormack [1981] VR 104 (108). 564 Auf den Punkt gebracht hat dies Brooking JA im Fall England: „Aggravating circumstances point towards greater severity of sentence. What are the circumstances of the offence for this purpose? May one look only to circumstances which, judged from the standpoint of strict contemporaneity, accompany the criminal act and at nothing which precedes or follows it? It is absurdly artificial to draw a line and limit the circumstances of the offence to those which existed in the period of time (which may be a single second) between the coming into existence of the first and last elements of the offence. Take the crime with which we are concerned – murder. Where someone is beaten or hacked to death and mutilated, must the sentencer pause to determine the precise moment at which death supervened lest the cutting off of some other part of the anatomy be mistakenly treated as a circumstance of a crime which was complete once the head was hacked off? If the criminal torments the victim with promises of what is about to come, are those threats to be left out of account because they precede by minutes the fatal assault? But the insistence of common sense that the circumstances of a crime be regarded even though technically its commission has yet to begin or has already ended is not confined to cases of what might be called substantial as opposed to strict contemporaneity. Long before the Sentencing Act rose above the horizon judges drew on their common sense and their moral sense, as representing that of the community, in deciding what things about a crime could be said to make it more or less serious. They still do; nothing in the Act stops them doing this. Common sense and moral sense, which are and must ever be the essential foundation of sentencing principles and practices, unite in rejecting the notion that ‚the circumstances of the offence‘, for sentencing purposes, are neatly marked out by two lines, one at the technical beginning and the other at the technical end of the crime.“ DPP v England [1999] 2 VR 258 (263 f.) [17], [18]. 565 Vgl. De Simoni (1981) 147 CLR 383 (396) (Wilson J); Newman and Turnbull [1997] 1 VR 146 (152).

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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tatbestand fallen, nur sehr eingeschränkt verwertet werden. 566 Hinzu kommt, dass Umstände, die als zu weit von der Straftat entfernt angesehen werden, als Umstände des Straftäters reüssieren können. Die „circumstances of the offender“ beruhen auf der Schuld des Verurteilten (moral culpability) und sind insbesondere für die Milde oder Härte der Strafe relevant. Darunter fallen beispielsweise die persönliche und strafrechtliche Vergangenheit des Straftäters, sein guter oder schlechter Charakter, die Möglichkeit der Rehabilitation, nachträgliche Straftaten, Reue, Strafempfindlichkeit und Wiedergutmachung. 567 Ferner fließen „policy considerations“ in die Strafzumessung ein, beispielsweise das Schuldbekenntnis, 568 die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden 569 sowie Verzögerungen des Strafprozesses. 570 Nach der Rechtsprechung gereichen die Umstände, die in der Ethnie, der Kultur und der Rasse verankert sind, per se nicht zu einer anderen Bewertung des Strafzumessungsfalls, da zunächst einmal alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, sie ermöglichen aber unter Umständen eine neue Bewertung persönlicher Strafzumessungsumstände. 571 Insbesondere kommen bei der Bewertung der von 566 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 9.2.3 ff. m.w. N.; Möglichkeiten, Umstände über die eigentlich angeklagte Straftat hinaus zu berücksichtigen, liegen in der Anklage sog. representative counts und rolled-up counts. 567 Ausführlich zu diesen Umständen Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 10.3 ff. m.w. N. 568 Vgl. Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(2)(e) und Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(g). 569 Vgl. Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2)(h). 570 Vgl. näher dazu Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 11.1 ff. m.w. N. 571 So hat Eames JA im Fall Fuller-Cust festgestellt: „To ignore factors personal to the applicant, and his history, in which his Aboriginality was a factor, and to ignore his perception of the impact on his life of his Aboriginality, would be to sentence him as someone other than himself. Not only would that offend principles of individual sentencing which apply to all offenders but in this case it would fail to identify the reasons for his offending and, in turn, the issues which have to be addressed if rehabilitation efforts are to successfully be adopted so as to ensure that he does not re-offend and, in turn, to ensure the long-term safety of the public. To have regard to the fact of the applicant’s Aboriginality would not mean that any factor would necessarily emerge by virtue of his race which was relevant to sentencing, but it would mean that a proper concentration would be given to his antecedents which would render it more likely that any relevant factor for sentencing which did arise from his Aboriginality would be identified, and not be overlooked. Exactly the same approach should be adopted when considering the individual situation of any offender, so that any issue relevant to that offender’s situation which might arise by virtue of the offender’s race or history would not be overlooked by a simplistic assumption that equal treatment of offenders means that differences in their individual circumstances related to their race should be ignored.“ Fuller-Cust [2002] VSCA 168 (2002) 6 VR 496; vgl. ebenfalls McCartney [2006] VSCA 35; DPP v Rose [2005] VSCA 275; DPP v Taylor [2005] VSCA 222; Wordie [2003] VSCA 107; Neal (1982) 149 CLR 305.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Aborigines begangenen Straftaten in den persönlichen Strafzumessungsumständen sozio-ökonomische Nachteile zum Tragen, die Folgen von Kolonialisierung, harschen Lebensbedingungen, schwerwiegenden Gesundheitsproblemen, mangelnder Bildung und Arbeit, Alkohol und Drogenmissbrauch sind. Dabei werden die Lebensbedingungen des zu Verurteilenden ins Verhältnis gesetzt zu den durchschnittlichen Lebensbedingungen seiner Umgebung, nicht notwendig nur seiner Ethnie. 572 Auch kann die kulturelle Ferne zum westlichen Sanktionssystem oder überhaupt zum Eingesperrtsein die Strafempfindlichkeit erhöhen. 573 Die Gerichte berücksichtigen ebenfalls das Übel, das dem zu Verurteilenden oftmals durch weitere harsche gewohnheitsrechtliche Strafen seiner Gemeinschaft auferlegt wird. 574, 575 Da mit der Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht unter Umständen Freiheitsrechte, insbesondere mit Bezug auf sexuelle Selbstbestimmung, und Schutzrechte, insbesondere für Minderjährige, aufgegeben werden, hat sich der Commonwealth entschieden, mit dem Crimes Amendment (Bail and Sentencing) Act 2006 576 den Bezug zum „cultural background“ des Straftäters zu entfernen. 577 So wurden aus dem Crimes Act 1914 (Cth) die Bezüge zum kulturellen Hintergrund der Straftäter getilgt und verfügt, dass Umstände, die im Gewohnheitsrecht oder in der kulturellen Praxis verankert sind, unter anderem weder die Straftat entschuldigen oder rechtfertigen noch die Strafe mildern oder schärfen dürfen. 578

572 Vgl. näher Law Reform Commission of Western Australia, Aboriginal Customary Laws, S. 62 ff. m.w. N. 573 Vgl. Femando (1992) 76 A. Crim. R. 58; Tjami [2000] SASC 311; The Police v Abdulla [1999] SASC 239. 574 Vgl. Minor (1992) 79 NTR 1 (11). 575 Siehe zu Fällen im Zusammenhang mit Aborigines und Torre-Strait-Islanders die Auflistung bei Law Reform Commission of Western Australia, Aboriginal Customary Laws, S. 65 ff. m.w. N. 576 http://www.austlii.edu.au/au/legis/cth/bill/caasb2006308/ (01. 12. 08). 577 Vgl. näher und ausführlich Crimes Amendment (Bail and Sentencing) Bill 2006, 27. November 2006, no. 56, 2006-07, S. 1 ff. 578 Vgl. Crimes Act 1914 (Cth) s 16A(2A): However, the court must not take into account under subsection (1) or (2) any form of customary law or cultural practice as a reason for: (a) excusing, justifying, authorising, requiring or lessening the seriousness of the criminal behaviour to which the offence relates; or (b) aggravating the seriousness of the criminal behaviour to which the offence relates.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien aa) Ausrichtung der Strafe primär an der Tatschwere und sekundär am Täter Alle in der rechtsvergleichenden Betrachtung berücksichtigten kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsordnungen richten die Strafe an der Schwere der Straftat aus. Einige belassen es dabei (z. B. Schweden, Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika), andere wollen daneben auch die Persönlichkeit des Straftäters berücksichtigen (z. B. Deutschland, Frankreich). Selbst dort, wo die Ausrichtung nach beiden Gesichtspunkten erfolgt, knüpft die Strafe aber primär an die Tatschwere und nur sekundär an den Straftäter an. Die zuvor schon im Völkergewohnheitsrecht beobachtete Dominanz der Tatschwere bestätigt sich somit in der Rechtsvergleichung. bb) Konkretisierung der Tatschwere am Grad der Schädlichkeit und am Ausmaß der Verantwortlichkeit Darüber hinaus wird – losgelöst von den in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich gebrauchten Begriffen und auf einer funktionalen Ebene betrachtet – die Tatschwere in den Rechtsordnungen überwiegend von zwei Aspekten bestimmt: Zum einen vom Grad der Schädlichkeit und zum anderen vom Ausmaß der Verantwortlichkeit. Die Schädlichkeit (oder Gefährlichkeit) wird durch die Bedeutung des Rechtsguts und den Grad der Beeinträchtigung des Schutzobjektes des Straftatbestandes bestimmt, das Ausmaß der Verantwortlichkeit durch die Art und Weise der Begehung, wie sie im materiellen Recht der Rechtsordnungen umschrieben sind. cc) Strafzumessungsumstände Grundlage der Bewertung von Schädlichkeit und Vorwerfbarkeit in den Rechtsordnungen sind die Tatumstände. Entsprechend der primären Ausrichtung der Strafe an der Tatschwere werden die Strafumstände (unmittelbar) der angeklagten Straftat entnommen (z. B. Deutschland, Schweden, England-Wales, Minnesota); darüber hinaus werden aber auch solche Tatumstände berücksichtigt, die (mittelbar) im Zusammenhang mit der Straftat stehen (deutlich etwa in Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika, Victoria und dem Commonwealth von Australien). Dort, wo die Strafe auch an den Straftäter anknüpft, können die Tatumstände auch der Person des Straftäters unabhängig von der Straftat entnommen werden (so etwa in Deutschland, Victoria und dem Commonwealth von Australien). Auch dieses Ergebnis deckt sich mit der Darstellung der Fallgruppen relevanter Tatumstände in den anderen Rechtsquellen.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

4. Verhältnismäßigkeit und Graduierung Die Betrachtung von Verhältnismäßigkeit und Graduierung dient der Suche nach einer Strafstruktur, die das Zumessen der Strafe im gleichen Maß erlaubt. Dabei schafft die Verhältnismäßigkeit die Grundlage, und die Graduierung ermöglicht die Umsetzung eines dauerhaft gleichen Strafens. Ausgerichtet wird die Strafstruktur aber an zwei Betrachtungen: einmal in Hinblick auf den gleichen Straftatbestand und einmal in Hinblick auf andere Straftatbestände. Die Betrachtung der Verhältnismäßigkeit und Graduierung in den vorherigen Rechtsquellen belegte zwar schon eine Ausrichtung auf eine solche vertikale und horizontale Strafstruktur, eine abschließende Betrachtung war aber noch nicht möglich. So fanden sich im eigenen Recht des ICC Anhaltspunkte für eine Differenzierung der Kernverbrechen, und die das Völkergewohnheitsrecht belegende Rechtsprechung verwies in den Urteilen auf eine Unterscheidung nach dem Unwertgehalt der Kernverbrechen, aber es mangelte an der weiteren Verifizierung und an Hinweisen, wie eine solche horizontale Ausrichtung in der Strafstruktur umzusetzen sei. Verdichteten sich in den vorherigen Rechtsquellen auch die Hinweise, dass eine vertikale Ausrichtung des Strafwerts an der Strafwürdigkeit möglich ist, so fehlt es auch hier an der weiteren Verifizierung und Konkretisierung. a) Deutschland Vor dem Hintergrund der Rechtfertigung des Strafrechts, die eine gerechte Strafe notwendig macht, und insbesondere der grundgesetzlichen Rechtfertigung der Strafe als Eingriff in die Menschenwürde und Freiheitsrechte des Bestraften, die eine verhältnismäßige Strafe notwendig machen, 579 wird in der deutschen Rechtsordnung die Zumessung der Strafe auf der Grundlage der Strafzumessungsschuld allgemein dahingehend verstanden, dass sie in einem gerechten Verhältnis zu dem sich in der Straftat ausdrückenden vorwerfbaren Unrecht, wie es sich im Erfolgs- und Handlungsunwert der Straftat spiegelt, ergeht, ohne dabei aber im Rahmen der Schuld präventive Überlegungen zur Persönlichkeit des Straftäters, insbesondere spezialpräventive Überlegungen, außer Acht zu lassen. 580 Mit den Worten des BVerfG hat die Strafe denn auch „in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters zu stehen“. 581 579

Vgl. dazu näher Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 34; Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 15. 580 Vgl. Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46, Rn. 7; Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, Vorbem. §§ 38 ff., Rn. 3. Kann die Spezialprävention nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so muss sie doch zumindest zu einer passiven Berücksichtigung führen, so dass die Strafe innerhalb des Schuldrahmens am unteren Ende anzusiedeln ist, da so die Gefahr der Entsozialisierung durch die Strafe am geringsten ist; vgl. näher zur sog. „passiven“ Spezialprävention Horn, in: SK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 35. 581 Vgl. BVerfGE 45, 187 (260).

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Allerdings wird Strafe, die allein auf den gerechten Schuldausgleich ausgerichtet ist, weder der grundgesetzlichen Folgeorientierung gänzlich gerecht, noch kann sie der in der staatspolitischen und sozialpsychologischen Rechtfertigung verankerten Schutzfunktion des Strafrechts Genüge tun. 582 Strafe dient nach der Rechtsprechung sowohl der Repression als auch der Prävention. Zwar kann die Prävention nach der von der Rechtsprechung angewandten Spielraumtheorie grundsätzlich nur im Rahmen der Repression zur Anwendung kommen, allerdings berücksichtigt die Rechtsprechung nunmehr auch vermehrt präventionsnahe Umstände schon bei der Strafrahmenwahl. 583 Insbesondere lässt sich das in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB verankerte Verbot, durch Strafe Entsozialisierung zu vermeiden, nicht nur im Rahmen des Schuldausgleichs als Hinweis auf spezialpräventive Straftheorien deuten, sondern auch darüber hinaus, als besonderer Verweis, die Person des Straftäters generell vor einer Entsozialisierung durch Strafe zu bewahren. 584 Dies kann selbst zu einer De-facto-Unterschreitung des Schuldrahmens führen. 585 Allerdings kann die Auswirkung der Strafe auf den Straftäter nur dann zu einer Unterschreitung des Schuldrahmens führen, wenn dies durch schuldunabhängige besondere Gründe gerechtfertigt ist, die der Gerechtigkeit in der Sache Genüge tun. 586 Denn eine unberechtigte Verschiebung der Strafe, die der Rechtsgemeinschaft nicht vermittelt werden kann, stärkt nicht das Rechtsvertrauen, sondern schwächt es und ist der Rechtstreue abträglich. 587 Nach alldem muss Strafe also nicht nur verhältnismäßig auf der Grundlage der 582

Vgl. BGHSt 24, 40 (42); Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 15. Vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3 und 13. 584 Vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 7 und 13. 585 Vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 7: „Leidet ein Angeklagter unter einer schweren Erkrankung und hat er nur noch eine geringe Lebenserwartung, dann kann ihn eine Freiheitsstrafe besonders hart treffen und ein Ausgleich der Schuld unter Umständen auch durch eine geringere als die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden ...“; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 25: „Bei derart erhöhter Strafempfindlichkeit kann ein Ausgleich der Schuld durch eine geringere als die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden.“ 586 Vgl. auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 140, Rn. 415; ausführlicher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 213 ff.; ähnlich für den Fall der Tatprovokation Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 133 m.w. N. 587 Solche schuldunabhängigen Gründe in der Person des Straftäters knüpfen an die Auswirkung der Strafe auf den Straftäter an (etwa an seiner besonderen Strafempfindlichkeit; vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 54 m.w. N.; ausführlich auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 140 ff., Rn. 416 ff.), also an den Grad der präventiven Ansprechbarkeit für die Art und Weise der Strafe (vgl. Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 534 f., § 63, Rn. 117 ff.); an die Folgen der Straftat (vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 55 m.w. N.; ausführlich auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 144 ff., Rn. 424 ff.) und an die Einwirkungen durch das Strafverfahren (vgl. dazu näher Stree, in: Sch / Sch StGB-Kommentar, § 46, Rn. 57 m.w. N.; ausführlich auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 147 ff., Rn. 433 ff.). 583

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Schuld (unter Einschluss präventiver Überlegungen), sondern auch unter Berücksichtigung der Person des Straftäters zugemessen werden. In der deutschen Rechtsordnung lässt sich eine vertikale und horizontale Strafstruktur belegen. Die horizontale Struktur kommt in den unterschiedlichen Strafrahmen der Straftatbestände zum Ausdruck. Denn diese belegen nicht nur den Willen des Gesetzgebers, bestimmte Verhaltensweisen zu sanktionieren und das Strafzumessungsermessen der Richter zu begrenzen, 588 sondern auch die vom Gesetzgeber vorgegebene abstrakte Bewertung von Unrecht und Schuld. 589 So wie sich das Unrecht der Straftaten in seiner Schwere unterscheidet, so unterscheidet sich auch die Schwere der Strafrahmen. Aus den Strafrahmen ergibt sich auch eine vertikale Struktur. Denn versteht man einen Strafrahmen als kontinuierliche Schwereskala aller möglichen Fälle des Straftatbestandes oder – mit dem BGH – als Stufenfolge zulässiger Strafen, 590 so geben die Strafrahmen mit ihren Eckpunkten der Ober- und Untergrenze der Strafe auch die jeweilige Schweregrenze vor, in deren Rahmen die Strafe durch den Richter gefunden werden muss. 591 Um die Eckpunkte für die Strafzumessung fruchtbar zu machen, muss der sich in den Schweregrenzen ausdrückende Strafwert der Strafe ins Verhältnis gesetzt werden zur Strafwürdigkeit der Straftat. Dies geschieht nach dem BGH durch die Gleichsetzung des Mindestmaßes der Strafskala, der Mindeststrafe, mit dem denkbar leichtesten Fall und durch die Gleichsetzung des Höchstmaßes der Strafskala, der Höchststrafe, mit dem denkbar schwersten Fall. 592 Mit diesen Eckpunkten ist jedoch nicht viel mehr gewonnen, als die äußeren Grenzen der richterlichen Strafentscheidung mit Fällen extremer Strafwürdigkeit gleichzustellen. Um den Strafrahmen darüber hinaus für die Strafzumessung fruchtbar machen zu können, bedarf es einer Entscheidung, wie mit Fällen zu verfahren ist, die von ihrer Strafwürdigkeit her innerhalb der Eckpunkte liegen. Dafür bedarf es eines weiteren Anknüpfungspunktes, der logisch-mathematisch in der Mitte des Strafrahmens zu suchen ist. 593 Der Mitte des Strafwerts muss 588 Zum einen durch die Festlegung der Ober- und Untergrenzen der Strafe. Zum anderen insofern durch das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, als die Umstände, die schon zur Festlegung des Strafrahmens geführt haben, nicht mehr zur Bestimmung der Strafe herangezogen werden dürfen; vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 92 m.w. N. 589 Vgl. Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, Vor § 46 ff., Rn. 8. 590 Vgl. BGHSt 27, 2 (4); siehe auch Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054. 591 Vgl. Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, Vor § 46 ff., Rn. 8; vgl. näher zur Kooperation zwischen Gesetzgeber und Richter Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, S. 488 f., § 62, Rn. 9 ff. 592 Vgl. BHGSt 27, 2 (3). 593 Vgl. Horn, in: SK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 93.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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ein in der Mitte der Strafwürdigkeit liegender Fall, ein mittelschwerer Fall, gegenübergestellt werden. 594 Fraglich ist nun, wie ein solcher mittelschwerer Fall oder auch Durchschnittsfall zu bestimmen ist. Die Bestimmung könnte sowohl über den gedanklichen Durchschnittsfall als auch über den praktischen Durchschnittsfall erfolgen. Da die Eckpunkte der Strafskala bereits an einem gedanklich leichtesten bzw. schwersten Fall ausgerichtet wurden, liegt es nahe, auch den Mittelpunkt der Strafskala einem gedanklich mittelschweren Fall zuzuordnen. 595 Allerdings treten bei der Bestimmung des gedanklich mittelschweren Falls die gleichen Probleme auf, wie bei der Bestimmung des gedanklich leichtesten bzw. schwersten Falls; zudem kann sich die Bestimmung nicht einmal mehr an Eckpunkte anlehnen. 596 Demgegenüber entspricht der praktische Durchschnittsfall der erfahrungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle 597 bzw. der innerhalb eines Straftatbestandes statistisch am häufigsten vorkommenden Fälle, besser bezeichnet als Regelfall, 598 weder dem mittelschweren Fall noch der mathematischen Mitte des Strafrahmens. 599 Denn zum einen liegt der Regelfall nicht zuletzt aufgrund des weiten Strafrahmens statistisch unterhalb des Unwerts- und Schuldgehalts des mittelschweren Falls und erreicht damit im Vergleich zum mittelschweren Fall nur einen „verhältnismäßig geringen Schweregrad“. 600, 601 Zum anderen ist der Strafrahmen als Schwereskala konzipiert und damit der Durchschnittsfall und die mathematische Mitte des Strafrahmens an der Schwere ausgerichtet, nicht aber an der statistischen Häufigkeit. 602 Hinzu kommt, dass eine Gleichsetzung des mittelschweren Falls mit dem Regelfall den Strafrahmen zu sehr einschränken würde, so dass nur noch wenig Spielraum bliebe, schwere, die Alltagskriminalität übersteigende Fälle abzuurteilen und individuell die Strafe zuzumessen. 603 Die Tatsache, dass die statistische Häufigkeit mit zunehmender Deliktsschwere abnimmt, spricht dafür, den Regelfall der „Alltagskriminalität“ nicht nur unterhalb der Mitte, 604 sondern im unteren Drittel des Strafrahmens anzusiedeln. 605 594

Vgl. BGHSt 27, 2 (4). Vgl. BGHSt 27, 2 (4). 596 Vgl. dazu ausführlich Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 259 f., Rn. 493 ff. 597 Vgl. BGHSt 27, 2 (4). 598 Vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. 599 Vgl. BGHSt 27, 2 (4). 600 BGH StV 1999, S. 576 (577). 601 Vgl. dazu näher Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 208. 602 Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 260, Rn. 495. 603 Vgl. BGHSt 27, 2 (4 f.); Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 267. 604 Vgl. BGHSt 27, 2 (4 f.); BGH NStZ 1983, S. 217; BGH NStZ 1984, S. 20; näher dazu Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 267; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 254, Rn. 624 m.w. N. 605 Vgl. Horn, in: SK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 87. 595

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Abgesehen von den Ober- und Untergrenzen des Strafrahmens als Fixpunkten der Strafzumessung bedient sich der BGH trotz der vorherigen Überlegungen keiner weiteren Anknüpfungspunkte, um den Einstieg in den Strafrahmen näher zu bestimmen. 606 Wie bei den Strafzumessungsschritten schon aufgezeigt, erfolgt der Einstieg in den Schuldrahmen und in die Zumessung der Strafart und Strafhöhe über eine Gesamtbetrachtung aller strafzumessungserheblichen Umstände der Straftat und des Straftäters, die sich zu einem Gesamtbild des Strafzumessungsfalls zusammensetzen. 607 Eine solche Gesamtbetrachtung korrespondiert mit dem Strafrahmen, der für alle Strafzumessungsfälle die angemessene Strafe parat hält, und entspricht dem Gebot des § 46 Abs. 2 S. 1 StGB, alle relevanten Umstände für und wider den Straftäter bei der Strafzumessung abzuwägen. 608, 609 b) Schweden Auch für Schweden lässt sich eine vertikale und horizontale Strafstruktur belegen. Grundlage der Strafzumessung im schwedischen Kriminalgesetzbuch ist der Strafwert der Tat (brottets straffvärde). 610 Der Strafwert unterscheidet sich dabei zum einen „abstrakt“ in Hinblick auf die horizontale Vergleichbarkeit des Strafwerts eines Straftatbestandes im Verhältnis zu den anderen Straftatbeständen und zum anderen „konkret“ in Hinblick auf die vertikale Vergleichbarkeit der Strafwerte innerhalb ein und desselben Straftatbestandes: Der abstrakte Strafwert folgt dabei aus den Strafrahmen der einzelnen Straftatbestände. 611 Denn hinter den unterschiedlichen Strafrahmen des BrB verbirgt 606

Vgl. Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 255, Rn. 625. Vgl. BGHSt 28, 318 (319); auch Foth, JR 10 (1985), S. 397 f.; Gribbohm, in: LK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 266 m.w. N.; Franke, in: MüKo StGB-Kommentar, Band 1, § 46 Rn. 23. 608 Vgl. auch Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 257 f., Rn. 633; auch Streng, NStZ 9 (1989), S. 397. 609 Demgegenüber werden in der Literatur unterschiedliche Anknüpfungspunkte favorisiert. Eine Übersicht mit zahlreichen Nachweisen ist zu finden bei Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 304 ff., Rn. 591 ff.; Schäfer / Sander / van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, S. 255 ff., Rn. 626 ff.; Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, S. 98 ff.; Horn, in: SK StGB-Kommentar, § 46, Rn. 93. So wird beispielsweise der Einstieg über den „normativen Normalfall“ (vgl. Theune, StV 5 (1985), S. 162 ff. und StV 5 (1985), S. 205 ff.; Mösl, NStZ 4 (1981), S. 131 ff.), den „statistisch häufigsten Regelfall“ (Horn, StV 6 (1986), S. 168 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 209 f.; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054 ff.), den „tatsächlich vorkommenden Durchschnittsfall“ (Gribbohm, in: LK StGBKommentar, § 46, Rn. 62) und eine „zweistufige Strafzumessungsbegründung“ favorisiert (Streng, NStZ 9 (1989), S. 397). 610 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 207. 611 Beispielsweise zeichnet sich ein Straftatbestand, der einen Strafrahmen von maximal zwei Jahren aufweist, durch einen geringeren Strafwert aus als ein Straftatbestand, der mit einem Strafrahmen von maximal vier Jahren bedroht ist. 607

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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sich die durch den schwedischen Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung der geschützten Rechtgüter oder Interessen (objektives Element) und eine Gewichtung der Schuld (subjektives Element). Die Gewichtung des objektiven Elements basiert auf zwei grundsätzlichen Überlegungen: Erstens ist der Strafwert (und damit auch der Strafrahmen) umso höher, je gewichtiger das durch den Tatbestand geschützte Rechtsgut oder Interesse ist. Zweitens nimmt der Strafwert umso mehr zu, je näher der Straftatbestand an dem Schaden der Güter oder Interessen ausgerichtet ist, d. h. eine bloße Gefährdung wiegt weniger schwer als die Verletzung ein und desselben Rechtguts oder Interesses. 612 Die Gewichtung des subjektiven Elements ist durch den Grad der Schuld geprägt, d. h. je schwerer der Schuldgrad ist, desto höher ist der Strafwert. Bei gleichen Rechtsgütern oder Interessen wiegt ein Straftatbestand, der die vorsätzliche Begehung unter Strafe stellt, schwerer, als eine Straftatbestand, der nur fahrlässige Begehung ahndet. 613 Der abstrakte Strafwert erfasst somit zum einen das Verhältnis zwischen Tatschwere und den äußeren Grenzen des Strafrahmens, zum anderen erlaubt er, die Straftatbestände ihrem Strafwert nach zu vergleichen. Der konkrete Strafwert bestimmt hingegen nun das angemessene Verhältnis zwischen dem durch den abstrakten Strafwert bestimmten Strafrahmen eines Straftatbestandes und einer konkreten, durch den Straftäter begangenen Straftat. Dabei kann die Höchststrafe des gegebenenfalls durch Bestimmungen des Allgemeinen Teils angepassten Strafrahmens nicht überschritten, 614 die Mindeststrafe jedoch aus Billigkeitserwägungen sehr wohl unterschritten werden. 615 Entsprechend den schon dem abstrakten Strafwert zugrunde liegenden Erwägungen wird der konkrete Strafwert an objektiven und subjektiven Aspekten gemessen: In objektiver Hinsicht vor allem an der Bedeutung des Rechtsgutes und der Intensität der konkret bewirkten Schutzgutsverletzung, in subjektiver Hinsicht vor allem am Grad der Schuld. Der Strafrahmen ist mithin auch hier Skala des Strafwerts des Straftatbestandes, der ins Verhältnis gesetzt werden muss zur Strafwürdigkeit der Straftat. Da der Strafwert aber fortschreitend im Strafrahmen der Freiheitsstrafe oder Geldstrafe festgesetzt werden kann, ist es schwierig, in dem weiten Strafrahmen das genaue Strafmaß zu finden. Als erster Anhaltspunkt für den Einstieg in den Strafrahmen kann der Vergleich der abstrakten Strafwerte der einzelnen Straftatbestände dienen. Der schwedischen Strafzumessungstradition zufolge steigen die Gerichte am unteren Ende der Strafskala in den Strafrahmen ein. 616 Nach Jare612

Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 208. Vgl. auch Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 208 f. 614 Vgl. Kap. 26 § 3 BrB. 615 Vgl. Kap. 29 § 5 Abs. 2 BrB; vgl. näher dazu Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 216 m.w. N. 616 Vgl. von Hirsch / Jareborg, Strafmaß und Strafgerechtigkeit, S. 36 f. m.w. N. 613

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

borg nutzt die Rechtspraxis zudem nur wenige Abstufungen auf der Strafskala. 617 Insgesamt käme die Rechtspraxis auf nicht mehr als 25 Abstufungen. 618 Dementsprechend stuft Kap. 29 §§ 2 und 3 BrB die strafzumessungsrelevanten Umstände auch deutlich ab. Beispielsweise sind die Umstände nur dann erschwerend, wenn der Angeklagte „wesentliche schwerwiegendere Folgen“ 619 beabsichtigt hat oder bei der Tat „besondere Rücksichtslosigkeit“ 620 an den Tag legte oder die Straftat „besonders sorgfältig geplant“ 621 wurde. Mildernd sind sie nur dann, wenn die Straftat durch „starkes menschliches Mitgefühl“ 622 erfolgt ist. c) Frankreich Art. 8 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 verbietet die Strafandrohung mit evident unverhältnismäßigen Strafen, ordnet aber nicht das verhältnismäßige Strafen an. Art. 8 enthält zwar das Verfassungsprinzip, dass „das Gesetz nur solche Strafen festsetzen darf, die unbedingt und offenbar notwendig sind“ (la loi ne doit établir que des peines strictement et évidemment nécessaires), denn – so Art. 5 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte – „das Gesetz hat nur das Recht, solche Handlungen zu verbieten, die der Gesellschaft schaden“ (la loi n’a le droit de défendre que les actions nuisibles a la société). Da dem Gesetzgeber aber bei den Bestimmungen der Strafdrohungen eine Prärogative zukommt, legt der Verfassungsrat (le Conseil constitutionnel) die Regelungen eng aus und zieht den Schluss, dass disproportionale bzw. schädliche Strafen nur dann vorliegen, wenn der Gesetzgeber Strafandrohungen verhängt, die in keinem Verhältnis mehr zu der unter Strafe stehenden Handlung stehen bzw. – mit den Worten des Verfassungsrates – „disproportion manifeste“ sind. 623 Was recht für die Strafandrohung ist, ist billig für die Strafzumessung, so dass auch diese nicht disproportional sein darf. 624 Die Tradition der negativen Generalprävention und vor allem die der negativen und positiven Spezialprävention in den Gedanken der Klassischen bzw. Neuen 617

Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 150. Vgl. Jareborg, ZStW 106 (1994), S. 150. 619 Kap. 29 § 2 Nr. 1 BrB; Übersetzung entnommen bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 199. 620 Kap. 29 § 2 Nr. 2 BrB; Übersetzung entnommen bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 199. 621 Vgl. Kap. 29 § 2 Nr. 6 BrB; Übersetzung entnommen bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 199. 622 Vgl. Kap. 29 § 3 Nr. 4 BrB; Übersetzung entnommen bei Cornils / Jareborg, Das schwedische Kriminalgesetzbuch, Brottsbalken, S. 200. 623 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 273 m.w. N. 624 Vgl. Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 201; Syr, R.S.C. (1994), S. 217. 618

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Sozialverteidigung stehen einer Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit über Art. 132-24 C. P. hinaus entgegen. Denn die Ausrichtung an der Persönlichkeit des Täters bedingt, dass für jeden Einzelfall neue individuelle und prognostische Entscheidungen getroffen werden müssen, die letztlich nur vom erkennenden Richter gefällt werden können. Bedenkt man nun, dass die Individualisierung der Strafe durch den Richter (l’individualisation judicaire des peines) Verfassungsrang genießt, wenn nicht gar ebenfalls ein Verfassungsprinzip darstellt, 625 so wird deutlich, dass das Strafzumessungsermessen des Richters einer weiteren Gewichtung und Skalierung der Umstände der Tat wie auch der Persönlichkeit des Täters durch das Gesetz entgegensteht. 626 Dennoch folgt die Herstellung der Strafzumessung zumindest bei den häufig wiederkehrenden Straftaten der mittleren und unteren Kriminalität halbamtlichen Gepflogenheiten, nach denen ein gewisser Strafzumessungstarif für bestimmte Straftaten typischerweise verhängt wird. 627 Natürlich kann auch hier der Richter vom üblichen Strafmaß nach oben wie nach unten abweichen, ohne dies näher begründen zu müssen, so dass ein solcher Straftarif letztlich keine weitere Aufklärung zur Anknüpfung der Strafe bietet. 628 Hinzu kommt, dass ein solcher Tarif bei Straftaten besonderer Schwere, die eben keine Massendelikte sind, nicht festzustellen ist. d) England-Wales Auch für England-Wales kann eine vertikale und horizontale Strafstruktur belegt werden. So wird in Hinblick auf unterschiedliche Strafbewährungen ein Übergang von einer Strafart zur anderen nur zugelassen, wenn der Unwert der Strafart angemessen zur Tatschwere der Straftat ist bzw. eine Tatschwereschwelle (custodial threshold) überschreitet. Gemäß CJA 2003 s. 152(2) kann eine freiheitsentziehende Sanktion der „discretionary custodial sentences“ nur verhängt werden, wenn das Gericht der Überzeugung ist „that the offence ... was so serious that neither a fine alone nor a community sentence can be justified for the offence“. Ähnliches gilt auch für die „community sentence“, die nur dann verhängt werden darf, wenn das Gericht der Meinung ist, „that the offence ... was serious enough to warrant such a sentence“. 629 Die Verhältnismäßigkeitsanforderungen werden für schwere Straftaten und Wiederholungstaten 625 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 273 m.w. N.; Syr, R.S.C. (1994), S. 217; Mayaud / Allain, Code pénal, Art. 132-24 C. P., n o 9 m.w. N. 626 Vgl. Desportes / Le Gunehec, Droit pénal général, n o 940 m.w. N.; siehe auch Lebois-Happe, Dr. pen. 15 (2003), chron. n o 11, S. 4 ff. 627 Vgl. Poncela, Droit de la peine, S. 226 f. m.w. N. 628 Vgl. Poncela, Droit de la peine, S. 227. 629 Vgl. CJA 2003 s. 148(1).

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

allerdings durchbrochen. So können etwa die „community sentences“ und die „discretionary custodial sentences“ durch die Anordnung zwingender Freiheitsstrafen verdrängt werden. 630 Diese horizontale Ausrichtung der Strafstruktur wird durch eine vertikale Ausrichtung ergänzt, indem der Strafwert ins Verhältnis zur Strafwürdigkeit gesetzt wird. So können Geldstrafen nur verhängt werden, wenn die Strafe die Tatschwere reflektiert, eine Freiheitsbeschränkung nicht nur dann, wenn sie am besten für den Täter geeignet ist, sondern auch, wenn sie angemessen zur Schwere der Tat ist. 631 Verhältnismäßigkeitsüberlegungen bestehen auch bei den „discretionary custodial sentences“. Gemäß CJA 2003 s. 153(2) muss der Freiheitsentzug der im Verhältnis zur Schwere der Tat kürzest mögliche sein, d. h. „the custodial sentence must be for the shortest term (not exceeding the permitted maximum) that in the opinion of the court is commensurate with the seriousness of the offence ...“ Allerdings gab es im CJA 1991 schon ähnliche Verhältnismäßigkeitsanforderungen, 632 die durch Urteile des Court of Appeal verwässert wurden. So hat der Court of Appeal unter anderem in Cox 633 entschieden, dass die Frage nach der Notwendigkeit der Gefängnisstrafe entsprechend der Sicht eines „right-thinking members of the public“ 634 zu beantworten ist. Diese Haltung wurde mit Howells 635 1999 für PCC(S)A 2000 s. 79(2)(a) aufgegeben; an die Stelle des Rightthinking-Tests wurde eine Liste gesetzt, die Faktoren zur Schwellenbestimmung enthält, die das Ermessen der Gerichte näher ausfüllen, wenn auch nicht abschließend regeln. 636 Aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungen des CJA 2003 mit den Regelungen im CJA 1991 und PCC(S)A 2000 wird die Rechtsprechung wohl weiterhin Bestand haben 637, so dass weiterhin ein gewisser Freiraum bei der Bestimmung der „seriousness“ im Fall des CJA 2003 s. 152(2) bzw. s. 153(2) zu erwarten ist. 638 Auch im englisch-walisischen Recht spiegelt die Strafskala die Strafwürdigkeit. Dementsprechend ist das Ende der Strafskala, die Höchststrafe, zwar nicht notwendig für das schwerste Delikt, aber doch für die schwersten Delikte vorge630

Vgl. CJA 2003 ss. 150, 163, 152(1). Vgl. CJA 2003 s. 148(2)(b): „commensurate with the seriousness of the offence“. 632 Vgl. CJA 1991 s. 1(2)(a). 633 Cox, [1993] 14 Cr. App. R. (S.) 479. 634 Cox, [1993] 14 Cr. App. R. (S.) 479, 481. 635 Howells [1999] 1 Cr. App. R. (S.) 335; ausführliche Diskussion der Entscheidung bei Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 599 ff.; Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 272. 636 Siehe auch die Auflistung bei Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 600 f. 637 Vgl. Hungerford-Welch, Criminal Litigation and Sentencing, S. 602. 638 Vgl. von Hirsch / Roberts, Crim. L. R. (2004), S. 644 ff. 631

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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sehen. Welche das sind, entscheidet der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen auf Grundlage der praktisch vorkommenden Fälle. D. h. der die Strafe zumessende Richter muss entscheiden, ob ein konkreter Strafzumessungsfall verglichen mit anderen vorkommenden Fällen bereits so schwer wiegt, dass er in die Kategorie der schwersten Fälle einzuordnen ist. Die schwersten Fälle sind also nicht punktgenau zu bestimmen, sondern in einem Rahmen. 639 Ist die Höchststrafe niedrig, kann der Rahmen auch weiter sein. 640 Weitere Führung erhält der Richter traditionell durch die Richtlinienurteile des Court of Appeal und nunmehr auch durch die Richtlinien des SGC. Die Richtlinienurteile sind Urteile, die die Verurteilung zum Anlass nehmen, über den eigentlichen Entscheidungsgegenstand hinaus generelle Aussagen sowohl zu den einzelnen Straftatbeständen als auch zu allgemeinen Prinzipien der Strafzumessung zu treffen. 641 Die Ausführungen betonen oft noch einmal die gesetzlichen Regelungen und erschöpfen sich meist in recht vagen Ausführungen zur Tatschwere und möglichen Einstiegsstellen (starting points). 642 Anders hingegen das Urteil im Fall Martin, dem zu entnehmen ist, dass die Strafzumessungsentscheidung nicht auf einer mathematischen Kalkulation beruht, die den einzelnen Umständen einen bestimmten Wert zuschreibt, die vom Ausgangspunkt addiert bzw. subtrahiert werden können, sondern auf einer Gesamtabwägung aller strafzumessungsrelevanten Umstände. 643 Schon konkreter sind die speziellen, sich auf einzelne Straftatbestände beziehende Richtlinienurteile. Hier werden nicht nur deliktstypische Umstände aufgelistet und ihre Abwägung näher spezifiziert, sondern zuweilen auch eine Einstiegsstelle benannt. 644, 645 Die Tradition der Richtlinienurteile spiegelt sich in den präziseren Richtlinien des SGC 639

Vgl. auch Martin [2006] EWCA Crim 1035. Vgl. näher dazu Richardson, Archbold, Criminal Pleading, Evidence and Practice, § 5 – 282 m.w. N. 641 Die Richtlinienurteile wurden vom Sentencing Guidelines Council im Guideline Judgements Case Compendium zusammengefasst, welches mit seinen Ergänzungen unter http://www.sentencing-guidelines.gov.uk/guidelines/other/courtappeal/default.asp aufgerufen werden kann (01. 12. 08). 642 Hinsichtlich der Tatschwere wird etwa die Verhältnismäßigkeit der Strafe betont, wenn im Zusammenhang mit der fakultativen lebenslangen Strafe ausgeführt wird, die Straftat müsse schwer genug sein, um eine lange bzw. substantielle Strafe nach sich zu ziehen (vgl. Hodgson (1968) 52 Cr. App. R. (S) 113; Chapman [2000] 1 Cr. App. R. (S) 377) oder generell eine Gefängnisstrafe nur verhängt werden kann, wenn diese absolut geboten und nur solange, als sie auch notwendig ist (vgl. Bibi (1980) 2 Cr. App. R. (S) 177; Kellford [2002] 2 Cr. App. R (S) 106). Hinsichtlich einer möglichen Einstiegsstelle können den allgemeinen Prinzipien so generelle Aussagen entnommen werden, wie eine mittlere oder längere Strafe in den meisten Fällen von Raub, Einbruchsdiebstahl, schweren Gewalttaten etc. zu verhängen ist (vgl. Bibi (1980) 2 Cr. App. R. (S) 177). 643 Vgl. näher Martin [2006] EWCA Crim 1035. 644 Vgl. näher dazu die Auflistung der Richtlinienurteile zu einzelnen Straftatbeständen bei Sentencing Guidelines Council, Guidline Judgements Case Compendium, S. 19 ff. 640

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

wider. Auch diese Richtlinien können sich sowohl auf allgemeine Strafzumessungsprinzipien beziehen, wie es die schon erörterte Richtlinie zu „Overarching Principles: Seriousness“ 646 tut, als auch auf bestimmte Straftatbestände. So wird etwa in der Richtlinie zu „Manslaughter by Reason of Provocation“ 647 zunächst auf die komplexen strafzumessungsrelevanten Umstände und deren Abwägung im Zusammenhang mit der Tatprovokation eingegangen, um auf dieser Grundlage Strafrahmen und Einstiegsstellen abzustecken 648, oder etwa in der Richtlinie zu „Robbery“ 649 nach Raubtypen und Tatschwere unterschieden sowie unter Bestimmung und Gewichtung strafzumessungserheblicher Umstände ebenfalls ein Strafrahmen mit Einstiegsstelle vorgegeben. 650 Strafrahmen und Einstiegstellen geben eine Führung, die das Strafzumessungsermessen zwar bindet, nicht aber beschränkt. Sind die vorgegebenen Strafrahmen eigentlich zu weit gesteckt, um eine einheitlichere Strafzumessung allein dadurch zu gewährleisten, so sind die Einstiegsstellen wertvoll, da sie versuchen, die schwierige Frage der sich ihrer Tatschwere nach unterhalb der Höchststrafe befindlichen Fälle zu lösen. Letzt645 So wird etwa für harrassment für die Erstbegehung eine kurze harte Strafe und für den Fall der Zweitbegehung und des Schuldeingeständnisses eine Strafe von 15 Monaten vorgeschlagen (vgl. Liddle and Hayes [2000] 1 Cr. App. R. (S) 131) oder für kidnapping mit Gewaltanwendung bzw. Gebrauch von Waffen bei weiteren schweren Umständen eine Strafe von mehr als acht Jahren Gefängnis veranschlagt; eine Entführung, die dazu dient, das Opfer als Geisel zu benutzen bzw. Geld zu erpressen, soll nur in Ausnahmefällen unter acht Jahren Gefängnis zu bestrafen sein (vgl. Spence and Thomas (1983) 5 Cr. App. R. (S) 413). 646 Sentencing Guidelines Council, Overarching Principles: Seriousness, 2004. 647 Sentencing Guidelines Council, Manslaughter by Reason of Provocation, 2005. 648 Die Tabelle zu Strafrahmen und Einstiegsstelle gliedert sich deliktsspezifisch nach niedriger, gewichtiger und hoher Tatprovokation. Sie bestimmt bei niedriger Provokation ein Strafrahmen von zehn Jahren bis Lebenslang und eine Einstiegsstelle von zwölf Jahren, bei gewichtiger Provokation eine Strafrahmen von vier bis neun Jahren mit einem Einstieg bei acht Jahren und bei starker Provokation ein Strafrahmen von bis zu vier Jahren, wenn denn nötig, mit einem Einstieg bei drei Jahren. Die Einstiegsstellen stehen für eine kurze Provokation, so dass eine Abweichung aufgrund einer längeren Dauer der Provokation und zusätzlicher strafschärfender bzw. strafmildernder Umstände möglich ist, vgl. näher dazu Sentencing Guidelines Council, Manslaughter by Reason of Provocation, S. 3 ff. 649 Sentencing Guidelines Council, Robbery, 2006. 650 Der Strafrahmen mit Einstiegsstelle differenziert nach dem Grad der Gewaltanwendung und der Opferbeeinträchtigung und wird durch zusätzliche strafschärfende und strafmildernde Umstände ergänzt. Bei schweren Verletzungen des Opfers, ausgelöst durch brutale Gewalt oder Waffengebrauch, beträgt der Strafrahmen zwischen sieben und zwölf Jahren und die Einstiegsstelle acht Jahre; wohingegen beim Gebrauch einer Waffe zur Drohung oder Gewalt, die in die Verletzung des Opfers mündet, ein Strafrahmen von zwei bis sieben Jahren und eine Einstiegsstelle von vier Jahren vorgegeben wird und bei einer Tatbegehung mit Drohung und geringer Gewalt und Entwendung von Sachen ein Strafrahmen bis zu drei Jahren und eine Einstiegsstelle von zwölf Monaten bestimmt wird; vgl. näher Sentencing Guidelines Council, Robbery, S. 3 ff.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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lich entscheidet auch hier die Gesamtabwägung der aber nunmehr besonders in den Richtlinien vorgegebenen Umstände über die Zumessung der Strafe. e) Minnesota und Vereinigte Staaten von Amerika Im Fall von Minnesota und den Vereinigten Staaten kann ein erster Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit dem abstrakten Aufbau der Strafzumessungstabellen entnommen werden. Diese stufen nämlich die Strafdrohung von der angenommenen schwersten Straftat zur angenommenen leichtesten Straftat ab und verweisen so auf das Verhältnis zwischen Strafe und Straftat. 651 Auch die konkrete Zumessung der typischerweise angemessenen Strafe (presumptive sentence) entsprechend der Bewertung eines, wenn auch gewichteten Strafschwereindexes und Vorstrafenindexes verweist auf ein proportionales Verhältnis der Strafe. 652 Allerdings können die Richter von der eigentlich für angemessen erachteten Strafdauer der USSG maximal 25% bzw. maximal sechs Monate nach oben abweichen, je nachdem welcher Wert höher ist 653, und von der eigentlich für angemessen erachteten Strafdauer der MSG im Fall einer Gefängnisstrafe um 15% nach unten und um 20% nach oben abweichen. 654 Damit wird anstelle einer einzigen proportionalen Strafe die Möglichkeit einer schon und noch angemessenen Strafe im Sinne eines „limiting retributivism“ eingeräumt. 655 Sind die Richter sowohl hinsichtlich der Strafdauer als auch hinsichtlich der Vollstreckung grundsätzlich an die Strafzumessungstabellen der USSG bzw. MSG gebunden, so lassen dennoch beide Richtlinien unter unterschiedlichen Voraussetzungen Abweichungen (departures) von der ermittelten Strafe zu. 656 Die USSG erlauben insbesondere bei strafschärfenden oder strafmildernden Umständen, die in der Tat oder dem Täter begründet sind, eine Abweichung; dies auch dann, wenn 651

Vgl. Savelsberg, Sentencing Guidelines, S. 292. Anwendungsbeispiele finden sich bei Ashworth, Techniques for Reducing Subjective Disparity in Sentencing, S. 117; ausführlicher bei Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 214 f.; siehe auch zur Proportionalität im Zusammenhang mit den MSG Frase, Cornell J. L. & Pub. Pol’y 2 (1993), S. 319. 653 Vgl. 28 U.S.C. s 994(b)(2): „If a sentence specified by the guidelines includes a term of imprisonment, the maximum of the range established for such a term shall not exceed the minimum of that range by more than the greater of 25 percent or 6 months, except that, if the minimum term of the range is 30 years or more, the maximum may be life imprisonment.“ 654 Detailliert zur „presumptive sentence“ Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. C., Presumptive Sentence, S. 20 ff. 655 Vgl. auch die Formulierung von U.S.C. § 3553(a): „The court shall impose a sentence sufficient, but not greater than necessary ...“; ebenso Frase, Fed. Sent. R. 12 (1999), S. 76 ff. 656 Zu den Hintergründen USSG § 1A1.1.(b). 652

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

diese Umstände nicht oder nicht ausreichend in den Richtlinien berücksichtigt wurden, aber für die Ziele der Richtlinie notwendig sind. 657 Die Abweichung bleibt demnach nach wie vor an die Richtlinie gebunden. Diskriminierende Abweichungen sind ausgeschlossen. 658 Die Abweichung muss schriftlich begründet werden. Dagegen können die Richter den Rahmen der MSG unter einfacheren Voraussetzungen verlassen, vorausgesetzt die Strafe hält sich im Rahmen des gesetzlichen Straftatbestandes. 659 Insbesondere können strafschärfende oder strafmildernde Umstände, die die vorgegebene Strafe nicht mehr als angemessen und „fair“ erscheinen lassen, Anlass für eine Abweichung sein und dies unabhängig von der Richtlinie. 660 Die Richtlinie benennt eine Reihe von Umständen, die eine Abweichung rechtfertigen können oder ausschließen. Unter anderem dürfen sowohl diskriminierende Faktoren als auch verfassungsrechtlich geschützte Verfahrensrechte nicht negativ zu Buche schlagen. 661 Hingegen können bei einer Abweichung nach unten unter anderem Faktoren berücksichtigt werden, die das Unrecht der Tat (z. B. die Provokation zur Tat bzw. die passive Rolle bei der Tatbegehung) oder die Schuld mindern (z. B. erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bzw. Vorliegen sonstiger Umstände, die einem Schuldausschluss nahe kommen) 662, und bei einer Abweichung nach oben Belange des Opferschutzes (z. B. bei einer besonderen Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers oder einer besonders grausamen Behandlung des Opfers) zum Tragen kommen. 663 Vorgaben zum quantitativen Umfang der Abweichungen nach unten oder oben bestehen nicht. Jede Abweichung von der vorgegebenen Strafe bedarf aber einer besonderen schriftlichen Darlegung der „compelling and substantial circumstances“, die eine Abweichung rechtfertigen. 664 657 Vgl. 18 U.S.C. § 3553(b); dazu im Einzelnen USSG §5K2.0(a). Einzeln aufgelistete Gründe finden sich in USSG s 5K2.1- 2.23; vgl. auch Stith / Cabranes, Fear of Judging, S. 72 ff. 658 Dazu und zu weiteren Gründen, die ein Abweichen nicht begründen können USSG §5K2.0(d). 659 Detailliert zu den „Departures from the Guidelines“ Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. D., Departures from the Guidelines, S. 28. 660 Grundsätzlich zur „Departure Policy“ bei Parent, Structuring Criminal Sentences, S. 115 ff. 661 Im Einzelnen Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. D. 1, S. 30; vgl. auch Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 181. 662 Im Einzelnen Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. D. 2. a., S. 31 f.; vgl. auch Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 181 f. 663 Im Einzelnen Minnesota Sentencing Guidelines Commission, Minnesota Sentencing Guidelines and Commentary, revised August 1, 2006, II. D. 2. b., S. 32 f.; vgl. auch Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 182. 664 Zur Abweichung von bindenden Strafzumessungsrichtlinien nach oben siehe auch die Entscheidung des Supreme Court in United States v. Booker, 125 S. Ct. 738 (2005) und

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Das „Eighth Amendment to the United States Constitution“ mit dem Wortlaut „[e]xcessive bail shall not be required, nor excessive fines imposed, nor cruel and unusual punishment inflicted“ wird hergebracht dahingehend interpretiert, dass es unverhältnismäßige Strafen verbietet, nicht aber zwingend verhältnismäßige Strafen gebietet. Dies gilt sowohl für die Todesstrafe als auch für die Freiheitsstrafe. Was genau „unverhältnismäßig“ ist, ist in der Rechtsprechung uneinheitlich bestimmt. 665 Im Fall der Todesstrafe entspricht die Strafe nicht mehr den Vorgaben des „Eighth Amendment“, wenn sie sich, ohne von Strafzielen gedeckt zu sein, in willkürlicher Übelzufügung erschöpft oder grob unverhältnismäßig zur Schwere der Tat ist. 666 Unklarer ist das Bild bei der hier interessierenden Freiheitsstrafe. Zunächst wird zumeist der Vergleich mit der Verhältnismäßigkeit bei der Todesstrafe abgelehnt, dann aber trotzdem nur einer begrenzten Verhältnismäßigkeit das Wort geredet. Diese erschöpft sich zumeist in einem unspezifischen Verweis auf die Tatschwere und – in Ausnahmen – im Vergleich mit anderen Fällen der gleichen oder einer anderen Jurisdiktion. 667 Nach Frase entspricht der von der Rechtsprechung eingeschlagene Weg am ehesten wohl dem eines „limiting retributivism“, wie er etwa von Norval Morris vertreten wird. 668 Dies nicht zuletzt auch deswegen, da damit – wie vom „Eighth Amendment“ ausdrücklich vorgegeben – einer exzessiven Strafzumessung Einhalt geboten wird und in diesem Rahmen, wie von der Rechtsprechung beabsichtigt, andere Straftheorien Berücksichtigung finden können. 669, 670 f) Victoria und Commonwealth von Australien Die Strafe muss auch in den australischen Rechtsordnungen zur Tatschwere verhältnismäßig sein (principle of proportionality). 671 Der Gedanke der ProporBlakely v. Washington, 124 S. Ct. 2531 (2004); dazu im Einzelnen Frase, Colum. L. Rev., 105 (2005) S. 1191 ff. m.w. N.; Pizzi, GJT 6 (2006), Article 3, S. 15 ff. 665 Vgl. Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 574. 666 Vgl. Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 600 m.w. N. in Fn. 132 und 133. 667 Vgl. den Überblick über die neuere Rechtsprechung bei Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 577 ff. m.w. N. 668 Vgl. Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 591 f. 669 Vgl. Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 591.; vgl. auch 18 U.S.C. § 3553(a)(1) und (2). 670 Frase sieht in der Verfassung Anknüpfungen an „limiting retributivism“, „ends proportionality“ und „means proportionality“ und möchte diese auf die Strafzumessung angewendet wissen; vgl. Frase, Minn. L. Rev. 89 (2005), S. 598 ff. 671 Vgl. z. B. Young [1990] VR 951 (953): „[T]here is nothing whatever new in what the learned judge called the principle of proportionality. We shall have to return to the question later but for the moment it is sufficient to say that for as long as any member of the court can remember it has been the law in Victoria that an offender must not be sentenced to a more severe punishment than is appropriate or proportionate to the offence which he has committed.“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

tionalität kann zum einen indirekt über die im Sentencing Act 1991 (Vic) genannte Straftheorie des „just deserts“ festgemacht werden 672 oder aber direkt im Crimes Act 1914 (Cth), in dem die Angemessenheit der Strafe zur Tatschwere verlangt wird. 673 Zum anderen ist es im common law anerkannt, dass eine Strafe die Tatschwere nicht überschreiten darf – es sei denn, eine gesetzliche Regelung erlaubt dies ausnahmsweise. 674 Die proportionale Strafzumessung knüpft zwar an die Tatschwere (offence gravity) an, allerdings wird die Strafe nicht verhältnismäßig zu den Umständen der Straftat und den Umständen des Straftäters bestimmt, sondern nur zu den Umständen der Straftat, d. h. die Strafe darf nicht unverhältnismäßig zu den objektiven Strafzumessungsumständen sein. 675 So hat der High Court in Hoare festgestellt, dass „a basic principle of sentencing law is that a sentence of imprisonment imposed by a court should never exceed that which can be justified as appropriate or proportionate to the gravity of the crime considered in the light of its objective circumstances“. 676 Die obere Grenze der Tatschwere darf aber sehr wohl durch subjektive Umstände unterschritten werden. 677, 678 Damit ist nach ständiger Rechtsprechung des High Courts und der meisten Appellate Courts nicht die Entsprechung der Strafe zur Tatschwere angestrebt, sondern eine Begrenzung der Strafe durch die Tatschwere nach oben (limiting principle) und – weniger deutlich in der Rechtsprechung – auch nach unten (supporting principle). 679 Die Rechtsprechung geht damit davon aus, dass es keine einzig angemessene Strafe gibt, sondern dass mehrere Strafen angemessen sein können, 680 die zusammen einen Rahmen der schon und noch angemessenen Strafe umschreiben. 681 672

Sentencing Act 1991 (Vic) s 5(1)(a). Vgl. Crimes Act 1914 (Cth) s 16(A)(1): „In determining the sentence to be passed ... in respect of any person for a federal offence, a court must impose a sentence ... that is of a severity appropriate in all the circumstances of the offence.“; siehe auch die Regelungen des Crimes Act 1914 (Cth) s 16(A)(2)(k) und (3). 674 Vgl. Fox / Freiberg, Sentencing, S. 219 ff., 3.501. 675 Vgl. z. B. Markarian (2005) 215 ALR 213; [2005] HCA 25 (83); Groom [1999] 2 VR 159 [40]; Fox / Freiberg, Sentencing, S. 224 f., 3.506. 676 Hoare (1989) 167 CLR 348 (354). 677 Vgl. Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 6.2.3. 678 So hat Deane in Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465 (491) erklärt: „It is only within the outer limit of what represents proportionate punishment for the actual crime that the interplay of other relevant favourable and unfavourable factors – such as good character, previous offences, repentance, restitution, possible rehabilitation and intransigence – will point to what is the appropriate sentence in all the circumstances of the particular case.“ 679 Vgl. Freiberg, Three Strikes and You’re Out – It is Not Cricket, S. 38; ders., OT 6 (February 1995), S. 13. 680 Vgl. Fox / Freiberg, Sentencing, S. 196 ff., 3.303 m.w. N. 681 Vgl. Morgan (1993) 70 A. Crim. R. 368 (371). 673

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Das Gericht muss in Victoria und im Commonwealth von Australien bei der Strafzumessung die vom Gesetzgeber vorgegebene Höchststrafe beachten, da diese nicht nur das Strafzumessungsermessen des Richters beschränkt, sondern auch die Tatschwere zum Ausdruck bringt. 682 Dabei wird die Höchststrafe mit dem schwersten Fall gleichgesetzt, 683 der aber uneinheitlich zuweilen als denkbar schwerster Fall und zuweilen als praktisch vorkommender schwerster Fall verstanden wird. 684 Jedenfalls herrscht die Sicht vor, dass sich der schwerste Fall nicht bestimmen lässt und daher eine Straftat bereits immer dann mit der Höchststrafe belegt werden kann, wenn es den strafzumessungserheblichen Umständen von Tat und Täter bereits angemessen ist, und eine Höchststrafe nur dann unrechtmäßig ist, wenn die Umstände diese ganz offensichtlich nicht mehr zulassen. 685 Den Schwierigkeiten bei der Bestimmung des schwersten Falls wird durch eine gröbere Einteilung der Schwereskala begegnet, nicht aber durch eine Lockerung der Anforderungen an den Strafzumessungsfall. So kann der Strafzumessungsfall trotz bestehender Zweifel über seine Schwere einfacher in die schwerste Strafkategorie einsortiert werden, und die Strafe ist dennoch angemessen, da die Höchststrafe eine größere Bandbreite von Strafzumessungsfällen erfasst. 686 Diese Überlegungen werden in Victoria gemäß Sentencing Act 1991s 5(2)(b) und im Commonwealth von Australien aufgrund hergebrachter Prinzipien des common law durch die horizontale Ausrichtung der Strafe an der gängigen Strafpraxis von Victoria bzw. dem Commonwealth und – mit Einschränkungen – auch von anderen Jurisdiktionen 687 zurückhaltend ergänzt. 688 Die Strafpraxis soll da682 Vgl. Hansford v His Honour Judge Neesham and Others [1995] 2 VR 233 (236) (Brooking JA): „The maximum penalty fixed by statute for a particular crime has a twofold significance. In the first place, a sentence which goes beyond that maximum is unlawful as beyond the power of the sentencing court. In the second place, the maximum shows parliament’s view of the gravity of the offence and is a consideration to which regard must be had in determining what is an appropriate sentence, both by the operation of s5(2) and (in the absence of a statutory provision like s5(2)) as a matter of the general law relating to sentencing ... The distinction is important. The duty of a sentencing court not to impose a sentence which goes beyond the maximum penalty prescribed is not the result of the duty cast upon it by s5(2) to ‚have regard to‘ the maximum penalty: it is but an aspect of the duty of all courts not to exceed their jurisdiction or powers.“ Vgl. auch Oliver (1980) 7 A. Crim. R. 174. 683 Vgl. Markarian (2005) 215 ALR 213. 684 Vgl. Dumas [1988] VR 65 (71); Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465. 685 Vgl. Dumas [1988] VR 65 (71); Veen [No 2] (1987) 164 CLR 465. 686 Die Rechtsprechung hält die Notwendigkeit der Angemessenheit der Strafe hoch, indem sie betont, dass trotz der Probleme um die Tatschwere die Höchststrafe verhängt werden muss, und nicht aufgrund der Zweifel eine minderschwere Strafe verhängt werden darf; vgl. Dumas [1988] VR 65, 71. 687 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.2.4 m.w. N.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

bei entweder durch intuitive Bewertung erfasst werden oder durch einen tatsächlichen Fallvergleich und den Bezug auf statistische Quellen. 689 Nach der Rechtsprechung folgen daraus sowohl Aussagen zu Strafmustern als auch zu Strafhöhen. 690 Allerdings sind die gefundenen Strafen, nicht zuletzt aufgrund des Strafzumessungsermessens des Richters im zu entscheidenden Fall, nicht bindend. 691 Entsprechend der Annahme, dass es mehrere angemessene Strafen geben kann, die zusammengenommen einen Rahmen der schon und noch angemessenen Strafe bilden, kann ein Vergleich immer nur ein Verhältnis zu einem Rahmen herstellen, nicht aber zu der Annahme einer einzig richtigen Strafe führen. Das führt dazu, dass aus einem Vergleich mit anderen Fällen und ihren Strafen nicht zu folgern ist, ob die angestrebte Strafe genau einheitlich bzw. uneinheitlich ist, sondern vielmehr nur, ob – gröber betrachtet – eine Strafe „manifestly excessive“ oder „manifestly inadequate“ ist. 692 Als problematisch wird die Auswahl der vergleichbaren Fälle angesehen. Gleiche Strafen sagen nicht zwingend etwas über gleiche Umstände aus, wie auch gleiche Umstände nicht zwingend auf gleiche Strafe schließen lassen, denn eine unterschiedliche Gewichtung kann auch nur eine Gleich- bzw. Ungleichheit vortäuschen. Es wird in der Rechtsprechung anerkannt, dass Strafzumessungsfälle äußerst verschieden sind und ein Vergleich daher schwierig sein kann. 693 Um die Aussagekraft hoch zu halten, müssen immer mehrere Fälle als Vergleichsbasis herangezogen werden 694 und dann aber auch nur solche, die klar vergleichbar sind, d. h. Ausreißer, Ausnahmen etc. müssen erkannt und aussortiert werden. 695 Als zweite 688 Vgl. Oliver (1980) 7 A. Crim. R. 174, 177 (Street CJ): „The second initial consideration is the ascertainment of the existence of the general pattern of sentencing by criminal courts for offences such as those under consideration. The task of the sentencing judge, no less than the task of an appellate court, is to pursue the ideal of even-handedness in the matter of sentencing. Full weight is to be given to the collective wisdom of other sentencing judges in interpreting and carrying into effect the policy of the legislature. That collective wisdom is manifested in the general pattern of sentences currently being passed in cases which can be recognised judicially as relevant to the case in hand.“ 689 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3. 690 Vgl. Oliver (1980) 7 A. Crim. R. 174 178 (Street CJ): „The significance of these three cases decided in this court is dual. In the first place each reflects the understanding of this court of the general pattern of sentences for crimes of this nature currently being passed by sentencing judges. And, in the second place, each may be taken as an indication of the views of this court on the quantum of sentence available and appropriate for such crimes.“ 691 Vgl. Wong (2001) 207 CLR 584 605; De Havilland [1983] Crim. L. R. 489 (1983) 5 Cr. App. R. (S) 109 (114). 692 Vgl. näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.2.3 m.w. N. 693 Vgl. De Havilland [1983] Crim. L. R. 489 (1983) 5 Cr. App. R. (S) 109 114. 694 Vgl. Lawson (1997) 98 A. Crim. R. 463 (465) (Hunt CJ). 695 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.3 m.w. N.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Quelle des Vergleichs werden unterschiedliche Statistiken benutzt. Darunter die vom Court Service veröffentlichten „Victorian Magistrates’ Court: Sentencing Statistics 1997/98 – 2001/02“ und die „Victorian Higher Courts Sentencing Statistics 2002/03“. 696 Auch hier lässt sich die Tendenz feststellen, dass die Mehrzahl der Strafen im unteren Drittel des Möglichen zugemessen wird. Da auch der Vergleich anhand von Statistiken Probleme aufweist, die sich aus der Auswahl und Aussagekraft der Daten ergeben, kommt den Statistiken nur ein begrenzter Einfluss bei der Strafzumessung zu. 697 Entsprechend dem zumindest für schwere Fälle von der Rechtsprechung favorisierten „instinctive“ oder „intuitive synthesis approach“ erfolgt die Strafzumessung im engeren und weiteren Sinn letztlich durch eine Gesamtabwägung aller strafzumessungserheblichen Umstände, die eben intuitiv in ein Strafmaß umgewertet werden. Die Rechtsprechung sieht in der Strafzumessung eine schwer zu vermittelnde Kunst, nicht aber eine Wissenschaft. 698 Daher nimmt in Victoria die Rechtsprechung auch den Standpunkt ein, dass der Strafzumessungsvorgang nicht erklärbar sei und daher auch nicht erklärt werden brauche und schon gar nicht in einzelne Schritte zerlegt werden könne. 699, 700 g) Rechtsordnungsübergreifende Prinzipien In der Mehrzahl der Rechtsordnungen lässt sich eine vertikale und horizontale Ausrichtung der Strafstruktur mit folgenden Eigenschaften belegen:

696 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.4 m.w. N.; Potas, Reform 86 (2005) S. 19 ff. 697 Vgl. dazu näher Judicial College of Victoria, Victorian Sentencing Manual, 8.3.4.2 ff. m.w. N. 698 Vgl. näher Fox / Freiberg, Sentencing, S. 195, 3.301. 699 Vgl. Fox / Freiberg, Sentencing, S. 195, 3.301 f. 700 So wurde in Williscroft [1975] VR 292 (300) von Adam und Crockett JJ etwa entschieden: „Now, ultimately every sentence imposed represents the sentencing judge’s instinctive synthesis of all the various aspects involved in the punitive process. Moreover, in our view, it is profitless ... to attempt to allot to the various considerations their proper part in the assessment of the particular punishments presently under consideration ... We are aware that such a conclusion rests upon what is essentially a subjective judgement largely intuitively reached by an appellate judge as to what punishment is appropriate. Indeed in R. v. Geddes [1936], 36 SR (NSW) 554, Sir Frederick Jordan CJ was sufficiently oppressed by the problems of seeking a rational principle for determining whether a sentence was inadequate, that he was able to find a solution only in the employment of an epigrammatic device. After pointing out that it was easier to see when a wrong principle had been applied than to lay down rules for solving particular cases the learned Chief Justice observed that ... the only golden rule is, that there is no golden rule.“

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

aa) Verhältnismäßigkeit von Strafwert und Strafwürdigkeit In allen Rechtsordnungen besteht ein Verhältnis zwischen der angedrohten Strafe und der angenommenen Strafwürdigkeit des Straftatbestandes. Dabei spiegelt die Höchststrafe den Höchstgrad an Strafwürdigkeit wider und, sofern die Rechtsordnungen Mindeststrafen parat halten, die Mindeststrafe den Mindestgrad an Strafwürdigkeit. Unterscheiden sich die Höchststrafen (oder Strafrahmen) der Straftatbestände, so unterscheidet sich auch die Strafwürdigkeit der Delikte. bb) Gleichsetzung der Eckpunkte der Strafskala mit einer Bandbreite von Fällen Die Mehrzahl der Rechtsordnungen setzt die Höchst- bzw. Mindeststrafe nicht mit dem seiner Strafwürdigkeit nach schwersten bzw. leichtesten Fall gleich, sondern mit einer Bandbreite von schwersten bzw. leichtesten Fällen. Dies vermutlich zum einen deshalb, weil die Ober- und Untergrenzen des Strafrahmens besser zu treffen sind, wenn sie nicht punktgenau bestimmt werden, sondern in einem „Von-bis-Rahmen“; zum anderen, weil der schwerste bzw. leichteste Fall eher anzunehmen ist, wenn es dafür genügt, dass der zu entscheidende Fall in die unmittelbare Nähe des tatsächlich Vorkommenden oder des gedanklich Möglichen gelangt, nicht aber unbedingt das tatsächlich Vorkommende oder gedanklich Mögliche ist. cc) Einteilung der Strafskala nach Stufen Wenn es auch eine fließende Einteilung der Strafrahmen von der Mindeststrafe bis zur Höchststrafe gibt, so messen die Rechtsordnungen überwiegend aber doch die Strafwürdigkeit und den Strafwert in Stufen. Der Grund dafür mag in der besseren Handhabbarkeit der Entscheidung über die Strafe zu finden sein. Denn die Einordnung eines Strafzumessungsfalls wird eher gelingen, wenn nicht jeder denkbare Punkt auf der Skala (gedanklich) bestimmten Strafwürdigkeiten zugeordnet werden muss, sondern einzelne Stufen des Strafrahmens eine Entsprechung zur Strafwürdigkeit haben. Insofern drückt sich eine einheitliche Strafzumessung nicht notwendigerweise in der exakten Strafzahl, sondern in der einheitlichen Anwendung der Strafskala aus. dd) Einteilung der Stufen im Verhältnis zu anderen Straftatbeständen oder Fällen Die Einteilung der Strafskala erfolgt mithilfe eines Vergleichs mit den Strafrahmen anderer Straftatbestände oder anhand entschiedener Fälle zum gleichen oder zu anderen Straftatbeständen. Anstelle eines Vergleichs mit vorkommenden Fäl-

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len kann auch ein Vergleich mit gedanklichen Fällen stehen. In den Rechtsordnungen von England-Wales, Victoria und dem Commonwealth von Australien bestätigt sich die schon aus den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe entnommene Annahme, dass immer nur mehrere (vorkommende) Fälle zum horizontalen Vergleich taugen. Denn nur dann kann auch ein Strafmuster belegt werden, das ein Maß vorgibt, welches sich auf der Skala abmessen lässt. Erfolgt in den Rechtsordnungen die Einteilung der Strafskala nach Stufen, so ist der Vergleich mit anderen Fällen auch nur in Stufen möglich, mit der in den Rechtsordnungen von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika bzw. Victoria und dem Commonwealth von Australien belegten Konsequenz, dass es die entsprechende Strafe nicht geben kann, wohl aber den Rahmen einer entsprechenden Strafe. ee) Einstieg in den Strafrahmen durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit Von zentraler Bedeutung für eine einheitliche Strafzumessung ist die Einordnung des Strafzumessungsfalls in den Strafrahmen eines Straftatbestandes. Letztlich müssen dazu zwei Überlegungen in Übereinstimmung gebracht werden: Zum einen muss der Strafwert dieses Ausgangspunktes auf der Strafskala definiert werden, indem eine Strafzahl oder ein Strafzahlbereich benannt wird, zum anderen muss dem Strafwert durch eine vergleichende Betrachtung einem Grad an Strafwürdigkeit zugeordnet werden. Es liegt in der Natur einer Skala mit einem Anfang und einem Ende, dass ein gegebener Ausgangspunkt der Bewertung auf jedem Punkt der Skala liegen kann. Wo soll daher der Strafwert liegen? Den einzigen Strafwert gibt es nicht, vielmehr bestimmt jede Rechtsordnung den Strafwert für die Straftaten nach eigener Tradition und Werteordnung. Eine Verschiebung der Strafwerte belegt dann auch immer eine Verschiebung der Konvention, nach der gestraft wird. Daher ist dieser Frage auch nicht mit einer Rechtsvergleichung beizukommen. Die Zuordnung der Strafwürdigkeit zu einem, wie dann auch immer lautenden Strafwert gehen die betrachteten Rechtsordnungen unterschiedlich an. Sie reicht von der Zuweisung des Problems in das unbestimmte Strafzumessungsermessen, das keiner weiteren Regelung bedarf, wie es Frankreich, Victoria und der Commonwealth von Australien praktizieren, bis hin zu einer sehr bestimmten Ausrichtung des Einstiegspunktes an stringenten Strafzumessungsrichtlinien, wie es die Strafzumessungsrichtlinien von Minnesota und vor allem der Vereinigten Staaten von Amerika vorgeben. Trotz aller Unterschiede lassen sich auch Übereinstimmungen herausschälen, die letztlich ihre Grundlage in den gemeinsamen Bezugspunkten der Strafe finden. Denn bestimmen die Rechtsordnungen den Strafwert in Abhängigkeit zur Strafwürdigkeit und die Strafwürdigkeit in Abhängigkeit zum Grad der Schädlichkeit und dem Ausmaß der Verantwortlichkeit, so bestimmen sie auch den Strafwert durch den Grad der Schädlichkeit

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

und das Ausmaß der Verantwortlichkeit. Daraus folgt, dass der Grad der Schädlichkeit und das Ausmaß der Verantwortlichkeit des zu entscheidenden Strafzumessungsfalls ins Verhältnis zum Grad der Schädlichkeit und dem Ausmaß der Verantwortlichkeit anderer Strafzumessungsfälle zu setzen ist. Die Gemeinsamkeit der Rechtsordnungen, die sich um eine Konkretisierung der Einstiegspunkte bemühen, besteht nun darin, dass sich der Vergleich an der typischen Strafwürdigkeit ausrichtet. Denn die Bestimmung des Einstiegs über den Vergleich mit dem Regelfall in Deutschland, mit dem Strafwert in Schweden, mit der Festlegung von Strafrahmen durch Richtlinienurteile und Strafzumessungsrichtlinien in England-Wales, mit der Annahme einer normalerweise angemessenen Strafe in den Strafzumessungsrichtlinien Minnesotas und der Vereinigten Staaten von Amerika weisen alle in diese Richtung. Der Einstieg in den Strafrahmen kann also durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit dieses Straftatbestandes hergestellt werden. Da dieser Vergleich auf der Grundlage des Grads der Schädlichkeit und des Ausmaßes der Verantwortlichkeit erfolgt, entscheidet letztlich deren Konkretisierung über die Verankerung des Strafwerts. Kann die typische Strafwürdigkeit für den Fall mittlerer und schwerer Delinquenz in der Rechtsvergleichung nur schwer konkretisiert werden, so kann zumindest für den Fall der Massendelinquenz – deutlicher in den Rechtsordnungen Deutschlands, Schwedens und weniger deutlich in den Rechtsordnungen England-Wales’, Victorias und des Commonwealth – die Tendenz aufgezeigt werden, dass die typische Strafwürdigkeit vor allem im unteren Drittel des Strafrahmens angesiedelt wird. ff) Einordnung des Strafzumessungsfalls durch eine Gesamtbetrachtung Die Einordnung des Strafzumessungsfalls auf der Strafskala erfolgt in den Rechtsordnungen überwiegend mittels einer Gesamtbetrachtung aller strafzumessungserheblichen Umstände und nicht mittels einer ersten Einzelbetrachtung der Strafwürdigkeit, die dann aufgrund besonderer Strafzumessungsumstände modifiziert wird. II. Übertragung ins Völkerstrafrecht und Übereinstimmung mit höherrangigem Recht (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) a. E. und Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut) Aus den Prinzipien können nur dann allgemeine Rechtsgrundsätze erwachsen, wenn sich zum einen die gefundenen gemeinsamen Prinzipien der betrachteten Rechtsordnungen auch jenseits des nationalen Rahmens in das System des Völkerstrafrechts einbetten lassen und seinen Eigenarten gerecht werden. Dazu müssen die gefundenen Übereinstimmungen – jenseits grundsätzlicher

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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völkerrechtlicher Überlegungen – vor allem an der besonderen Funktion des Völkerstrafrechts für die Völkerrechtsordnung, der Natur der Kernverbrechen als Menschheitsverbrechen und der Eigenart der Makrokriminalität gemessen werden. Zum anderen dürfen die Prinzipien nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen (Art. 21 Abs. 1 lit. (c) a. E. und Art. 21 Abs. 3 ICC-Statut). Sie müssen sich also in die Ergebnisse aus den vorherigen Rechtsquellen einfügen lassen, indem sie deren Aussagen ergänzen oder konkretisieren und vor allem Menschenrechte und (sonstige) Normen mit Jus-cogens-Charakter wahren. 1. Prinzipien der Straftheorien Im 2. Kapitel wurde bereits die Übertragbarkeit der Straftheorien in das Völkerstrafrecht und ihre Übereinstimmung mit der Menschenwürde untersucht. 701 Im Folgenden richtet sich daher das Augenmerk zum einen auf die Übereinstimmung der Straftheorien mit den Resultaten der vorherigen Rechtsquellen, zum anderen auf die Rangverhältnisse zwischen Haupt- und Nebenstraftheorien und auf die Vereinigung der Straftheorien. Denn die Vielzahl der Straftheorien muss auch im Völkerstrafrecht für ihre Anwendung und den Fall des Widerstreits geordnet werden. Will diese Vereinigung nicht akzeptabel gelingen, scheidet eine Übertragung der nationalen Straftheorien ins Völkerstrafrecht aus. a) Haupt- und Nebenstraftheorien aa) Hauptstraftheorie des „just deserts“ Die Prinzipien belegen einen Vorrang der retributiven Straftheorien, vor allem der des „just deserts“. Bei den Just-deserts-Theorien dominiert die kommunikative und begrenzende Ausrichtung. 702 Diese Just-deserts-Theorie kann zweifelsohne das Strafmaß rechtfertigen, nicht aber zweifelsfrei die Strafe. Für das Völkerstrafrecht ist insbesondere die Ausrichtung der Strafe an der Tatproportionalität relevant. 703 Denn die Tatproportionalität enthält mit ihren Ausführungen zur ordinalen und kardinalen Proportionalität klare Anwendungshinweise zur Zumessung einer Strafe, die andere Straftheorien in der Form nicht aufbieten können oder nur unter Durchbrechung ihrer Ziele bzw. durch den Bezug auf einen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Anforderungen an die Tatproportionalität übertragen sich auch ins Völkerstrafrecht, da die Strafe eben nur proportional zur Tatschwere verhängt werden muss, aber nicht wertgleich. Freilich müssen die näheren Anwendungsbedingungen der ordinalen und kardi701

Siehe dazu näher S. 102 ff. Siehe näher zu einer kommunikativen und begrenzende Just-deserts-Theorie etwa die Straftheorie von Duff S. 110 ff. 703 Siehe dazu näher S. 114 ff. 702

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

nalen Proportionalität im Völkerstrafrecht noch bestimmt werden; dies ändert aber nichts daran, dass eine Übertragung möglich ist. Hinweise auf die Zumessung der verdienten Strafe finden sich sowohl im ICC-Statut und der ICC-RPE als auch im Völkergewohnheitsrecht. Im eigenem Recht des ICC verweist nicht nur die Präambel des ICC-Statuts auf retributive Straftheorien, sondern auch die Strafbestimmung des Art. 77 ICC-Statut i.V. m. § 145 Abs. 1 lit. (a) ICC-RPE insofern, als dort auf die Schuld abgestellt wird, was als Hinweis auf einen retributiven Ausgleich der durch die Straftat verdienten Strafe verstanden werden kann. Im abgeleiteten Recht des Völkergewohnheitsrechts verdichten sich diese Hinweise. Denn in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe tritt die Just-desertsTheorie als dominierende Rechtfertigung der Strafe und des Strafmaßes deutlich zutage, auch in der Form des betrachteten kommunikativen Retributivismus. 704 Insoweit stehen die Rechtsquellen und das Ergebnis der Rechtsvergleichung im Einklang. Die Just-deserts-Theorie in ihrer kommunikativen und begrenzenden Ausrichtung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, so dass der Rechtsvergleichung der allgemeine Rechtsgrundsatz entnommen werden kann, dass vor allem bei der Strafzumessung der Just-deserts-Theorie und damit der Tatproportionalität Vorrang einzuräumen ist. 705 bb) Hauptstraftheorie der positiven Generalprävention Die Rechtsvergleichung verwies mit unterschiedlicher Bedeutung im Detail auf die positive Generalprävention. Die Rechtfertigung der Institution Strafe im Völkerstrafrecht will auf der Grundlage dieser Straftheorie gut gelingen. Denn wie bereits gesehen, dient das Völkerstrafrecht unter anderem der Durchsetzung des Völkerrechts, so dass aus dieser Funktion auch eine Rechtfertigung der Strafe folgen kann. 706 Diese ist im Völkerstrafrecht auch tragbar, da die Strafe im Völkerstrafrecht ebenfalls vermitteln kann, dass trotz des Verstoßes der Straftat gegen die im Straftatbestand verkörperten rechtlichen (und sozialen) Norm der Völkergemeinschaft die Völkergemeinschaft die Norm mit der Strafe bestätigt und diese weiter Bestand hat. Durch die Unverbrüchlichkeit des Rechts wird das Rechtsbewusstsein der Völkergemeinschaft mit geschaffen und gestärkt und das Vertrauen in die Völkerrechtsordnung gefördert. 707 Die methodischen Voraussetzungen für die Wirkung der positiven Generalprävention greifen auch insofern im Völkerstrafrecht, als die Kenntnisnahme der generalpräventiven Umstände gewährleistet ist und die gleiche Ungewissheit über das Verwendungswissen besteht. Die Motivation ist entsprechend der für die Makrokriminalität 704

Siehe dazu näher S. 335 f. Gegen die Dominanz des Gedanken des Schuldausgleichs im Völkerstrafrecht Werle, ZStW 109 (1997), S. 821; Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 164. 706 Siehe dazu näher S. 128. 707 Siehe dazu näher S. 128 f. 705

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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typischen Tätergruppen unterschiedlich zu beurteilen: Die Motivation für die Führungstäter ist unwahrscheinlich, die Motivation der Gefolgschaftstäter wahrscheinlich. 708 Die Rechtsvergleichung konnte in den nationalen Rechtsordnungen aber die Straftheorie der positiven Generalprävention nur als Nebenstraftheorie belegen. Kann eine solche nachgeordnete Rolle aber auch für das Völkerstrafrecht gelten? Nein! Denn das junge Normbewusstsein im Völkerstrafrecht und damit auch das Normvertrauen sind weiter zu stärken, um den durch das Völkerstrafrecht geschützten Normen und Werten zur Geltung zu verhelfen. Ist die Bildung des Normbewusstseins und Normvertrauens aber noch recht jung, so ist es gerechtfertigt, diesen Prozess im Völkerstrafrecht durch die Ausrichtung der Strafe an den Überlegungen der positiven Generalprävention zu stützen und zu beschleunigen. Zwar kann durch das Strafrecht allein kein Normenbewusstsein gegen bestehende Strömungen geschaffen werden, sehr wohl aber ein sich bereits in den Anfängen bestehendes weiter verstärkt werden. Dies ist im System der Völkerrechts und Völkerstrafrechts vonnöten, so dass es gerechtfertigt ist, die Straftheorie als Hauptstraftheorie gleichberechtigt neben die kommunikative und begrenzende Just-deserts-Theorie zu stellen. 709 Den Stärken in der Rechtfertigung der Strafe stehen Schwächen in der Rechtfertigung des Strafmaßes gegenüber. Denn das Maß, das erforderlich ist, um Rechtstreue und Rechtsbewusstsein zu erhalten und zu stärken, ist schwer zu bestimmen. Mit den Theorien der positiven Generalprävention muss daher die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einhergehen. Die Strafe müsste dann etwa bezogen werden auf das größte Glück für die größte Zahl der Mitglieder einer Gesellschaft oder aber, in Ermangelung eines genauen Maßes, doch auf die Tatschwere. Akzeptiert man diese Verknüpfung, ist die Übertragung ins Völkerstrafrecht möglich. Hinweise auf die positive Generalprävention finden sich schon im ICC-Statut und im Völkergewohnheitsrecht. Im ICC-Statut verwies die Präambel auf die Achtung und Durchsetzung des Völkerstrafrechts und damit auf die Funktion des Völkerstrafrechts, die sich problemlos auf die positive Generalprävention übertragen lässt. Im Völkergewohnheitsrecht tritt die positive Generalprävention als Rechtfertigung der Strafe deutlich hervor, allerdings nur als Nebenstraftheorie. 710 Allerdings ist der Verstoß gegen die Menschenwürde bei der positiven Generalprävention zu bedenken. 711 Ist das Übel der Strafe durch die Straftat gerechtfertigt, so ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde zu verneinen; ist hingegen das Übel durch die Straftat nicht gerechtfertigt, so bestimmt allein der Zweck über die Rechtmäßigkeit der Strafe. Da dieser den Willen des Straftäters nicht um seiner selbst willen, sondern um anderer willen zwingt, missachtet das Übel den Menschen als selbstverantwortliche Persönlichkeit und begründet 708 709 710 711

Siehe dazu näher S. 132. Weitere Argumente bei Nemitz, Strafzumessung im Völkerstrafrecht, S. 167 ff. Siehe dazu näher S. 338 f. Siehe dazu näher S. 131.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Bei einer Verknüpfung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip oder der Tatproportionalitätstheorie ist diese Gefahr gebannt. cc) Ausschluss der negativen Generalprävention Der Rechtsvergleich verwies auf die untergeordnete Rolle der negativen Generalprävention. Ist die allgemeine Abschreckung Grund für die Strafdrohung, so wird sie aber letztlich durch das Risiko der Strafverfolgung und Bestrafung vermittelt. 712 Das Strafverfolgungsrisiko ist mit dem ICC greifbar geworden. Die Vermittlung und Kenntnis der negativen generalpräventiven Umstände ist im Völkerstrafrecht gut gewährleistet. Die Motivierbarkeit ist bei den Führungstätern unmittelbar denkbar, bei den Gefolgschaftstätern hingegen nur mittelbar. 713 Empirische Zweifel erfassen auch das Völkerstrafrecht. Jedenfalls ist die Ausrichtung der Strafe als Ausgleich des durch die Straftat erlangten Vorteils durch einen Nachteil im Völkerstrafrecht nicht hinnehmbar, da es die Eigenarten des Völkerstrafrechts, nämlich den makrokriminellen Charakter der Völkerverbrechen und das Unrecht der Kernverbrechen als Menschheitsverbrechen, verkennt. 714 Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die Menschenwürde greifbar ist, entweder wenn allein auf die Strafdrohung als Abschreckung abgestellt wird, da die Übelzufügung der Strafe von vorneherein zweckentleert ist, oder wenn die Strafe die Abschreckung vermittelt, da der Täter zu Zwecken anderer gezwungen wird, falls das Übel nicht durch die Tat gerechtfertigt ist. 715 dd) Nebenstraftheorie der positiven Spezialprävention Die positive Spezialprävention wird in der Rechtsvergleichung nur als Nebenstraftheorie belegt, die am unteren Ende der Tatschwere zur Anwendung kommt und ansonsten ihre Wirkung in der Strafvollstreckung entfaltet. Für den Führungstäter ist eine Rechtfertigung aus dem Gedanken der positiven Spezialprävention auszuschließen, für den Gefolgschaftstäter im besonderen Fall denkbar. 716 Die Wiederholungsgefahr hängt von der makrokriminellen Situation ab. 717 Der Rechtfertigung des Strafmaßes fehlt es an einem klaren Maßstab. Insofern gilt im Völkerstrafrecht nichts anderes als im nationalen Strafrecht. 718 712 713 714 715 716 717 718

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher näher näher

S. 133 ff. S. 137 ff. S. 139 f. S. 139. S. 143. S. 143 f. S. 142.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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Da aber auch hier die Straftheorie nicht auf alle typischen Täter der Makrokriminalität passt, ist es auch berechtigt, im Völkerstrafrecht die Resozialisation im Rahmen der Strafzumessung als nachrangig zu behandeln und vornehmlich in den Bereich der Strafvollstreckung zu verweisen. Dies deckt sich auch mit den Hinweisen auf die positive Spezialprävention in der Form der Rehabilitation in ICC-Statut und ICC-RPE und im Völkergewohnheitsrecht. 719 Auch dort wird die positive Spezialprävention in die Strafvollstreckung verwiesen bzw. soll nur eine untergeordnete Rolle bei der Strafzumessung spielen. Daher fügt sich das gefundene Ergebnis weitestgehend in den Rahmen der anderen Rechtsquellen ein. Allerdings besteht hier, wie bei allen folgeorientierten Straftheorien, die Gefahr des Verstoßes gegen die Menschenwürde. Dies aber nur, wenn die Grenze zwischen Übel und Hilfe verwischt wird und das Übel die Besserung erfasst. 720 Diese Grenze ist im Völkerstrafrecht zu wahren. ee) Ausschluss der negativen abschreckenden Spezialprävention Der Ebenfalls konnte in der Rechtsvergleichung die negative abschreckende Spezialprävention belegt werden, wenn ihr auch in den Rechtsordnungen nur eine geringe Relevanz zukam. Die Rechtfertigung der Institution Strafe im Völkerstrafrecht durch die Abschreckungsprävention hängt hier ebenfalls von der Vergleichbarkeit der Tätergruppen ab. Beim Gefolgschaftstäter scheint ein „Denkzettel“ möglich, beim Führungstäter hingegen nicht. 721 Die Annahme der Wiederholungsgefahr ist situationsabhängig, aber unwahrscheinlich. 722 Dies führt im Völkerstrafrecht eher zu einer geringen Anwendungsrelevanz der negativen abschreckenden Spezialprävention. Diese geringe Relevanz bestätigt sich auch in den Urteilen der Ad-hoc-Gerichtshöfe, die nicht nur die Nachrangigkeit der Straftheorie feststellen, sondern auch ihre Unangemessenheit im Völkerstrafrecht proklamieren. 723 Damit deckt sich der geringe Widerhall, den die negative abschreckende Spezialprävention in der Rechtsvergleichung findet, mit dem geringen Widerhall in den Rechtsquellen des ICC-Statuts, so dass die negative abschreckende Spezialprävention keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz im ICCStatut begründen kann. ff) Nebenstraftheorie der negativen sichernden Spezialprävention In der Rechtsvergleichung konnte eine Sonderrolle der negativen sichernden Spezialprävention belegt werden. Getragen wird die Sicherungsprävention 719 720 721 722 723

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 307 und 342 ff. S. 144. S. 149. S. 149 f. S. 340 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

durch die Überlegung, dass nicht besserungsfähige Straftäter eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen und daher zum Schutz der Gesellschaft ein- und wegzusperren sind. Wenn erforderlich, kann daher die Strafe auch länger sein, als es ohne den Aspekt der Sicherung vonnöten wäre. Lässt sich diese Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß auch in das Völkerstrafrecht übertragen? Auch hier ist schließlich nach den Tätergruppen zu differenzieren: Der Führungstäter kann präventiv gesichert werden, der Gefolgschaftstäter hingegen nicht. 724 Auch hier muss eine Wiederholungsgefahr hinzu kommen. 725 Diese ist Tatsachenfrage und grundsätzlich wie bei der Abschreckungsprävention zu behandeln, allerdings kommt ein weiterer für das Völkerstrafrecht besonders relevanter Aspekt hinzu. Denn oftmals verbleibt bei dem Führungstäter trotz Verhaftung und Verfahren ein gehöriger Anteil der Macht, der ihn für die Völkergemeinschaft gefährlich bleiben lässt. Diese Gefahr gilt es zu bannen. Daher ist es auch gerechtfertigt, der Sicherungsprävention im Völkerstrafrecht ein hohes Gewicht bei der Strafzumessung zukommen zu lassen. Allerdings wird das Maß der notwendigen Strafe dadurch nur grob bestimmt. Die Sicherungsprävention ist im Völkergewohnheitsrecht als Nebenstraftheorie belegt. 726 Sie ist mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere begründet die Sicherungsprävention keinen Verstoß gegen die Menschenwürde. Denn die Einschränkung der Freiheit zum Schutz der Allgemeinheit wahrt die Eigenständigkeit der Person, vor allem die selbstverantwortliche Persönlichkeit. Ist das Übel durch die Straftat gerechtfertigt, so ist auch die Verfügung gerechtfertigt; ist das Übel durch die Straftat nicht gerechtfertigt, folgt die Rechtfertigung der Strafe nur noch aus dem Zweck. Da der Straftäter Zweck an sich selbst bleibt, scheidet ein Verstoß gegen die Menschenwürde aus. 727 b) Vereinigung Als Differenzierungskriterium im Gleichheitssatz muss die Vielzahl der Straftheorien, genauer: müssen die Haupt- und Nebenstraftheorien im Völkerstrafrecht geordnet werden. Denn nur wenn die Anwendungsbedingungen der Straftheorien transparent und eindeutig sind, können die Straftheorien Leitlinien einer einheitlichen Strafzumessung sein. aa) Hauptstraftheorien Die Vereinigung der Hauptstraftheorien muss zumindest sowohl die Strafe als auch das Strafmaß rechtfertigen. Der normbestätigenden positiven Generalprä724 725 726 727

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu näher S. 147. dazu näher S. 147 f. dazu näher S. 341. dazu näher S. 148 f.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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vention gelingt Ersteres besonders gut, der tatproportionalen Just-deserts-Theorie gelingt Zweiteres besonders gut. Können beide zu einer völkerrechtlichen Straftheorie zusammengefasst werden? (1) Herleitung der Vereinigung (a) Wesen der Strafe Ausgangspunkt der Verknüpfung ist das Wesen der Strafe. Das Wesen der Strafe ist insbesondere durch das Merkmal des Unwerturteils geprägt. 728 Wird das Unwerturteil personenbezogen verstanden, da die Missbilligung wegen der Straftat den Straftäter trifft, 729 so liegt im Unwerturteil auch die Kommunikation eines Tadels. Das Wesensmerkmal der positiven Generalprävention setzt die Kommunikation des Unwerturteils voraus, da Normbewusstsein und Normbestätigung vermittelt werden müssen. Das Unwerturteil schafft den Anreiz zur Normbefolgung. 730 Das Wesensmerkmal des „just deserts“ rückt das Unwerturteil in den Vordergrund, da wesentlicher Bestandteil der Theorie die Kommunikation eines moralischen Tadels ist. 731 Freilich ist die Stoßrichtung eine andere. Während einerseits die strafende Gemeinschaft erreicht werden soll, soll andererseits der Straftäter erreicht werden. Jedoch klingt in den Wesensmerkmalen beider Straftheorien an, dass das bestrafte Verhalten zu missbilligen ist. 732 (b) Menschenwürde Das Zusammenspiel der Wesensmerkmale beider Straftheorien wahrt die Menschenwürde des Bestraften. Aus der Menschenwürde fließt das Postulat, auch in der Strafe nicht das Menschsein des Straftäters und den Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts zu verletzen. 733 Die grundsätzliche Anerkennung des Menschseins liegt in der Kommunikation mit dem Straftäter über die Institution Strafe. Beide Straftheorien leisten diese Kommunikation, und die Institution Strafe vermag so die Anforderungen an die Menschenwürde erfüllen. Der Kernbereich der Persönlichkeit des Straftäters muss vor allem bei der Zumessen der Strafe gewahrt werden. Die Persönlichkeit wird in ihrem Kernbereich aber nicht mehr gewahrt, wenn dem Straftäter ein Strafübel auferlegt wird, welches nicht 728

Siehe dazu näher S. 47 ff. Vgl. von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 23 f.; Kunz, ZStW 98 (1986), S. 826. 730 Vgl. von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 48 ff. 731 Vgl. von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 48 ff. 732 Vgl. von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 29 ff.; Reichert, Intersubjektivität durch Strafzumessungsrichtlinien, S. 255. 733 Siehe zu dem Prüfungsmaßstab der Menschenwürde im Völkerstrafrecht S. 95 f. 729

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

mehr durch die Straftat gerechtfertigt ist. 734 Die Zusammenführung beider Straftheorien und ihre Anwendungsbedingungen müssen diesem Umstand gerecht werden, indem Strafe grundsätzlich nur verhältnismäßig zum (auch präventiv bestimmten) Unwert der Straftat zugemessen wird. Dies liegt im Kern des Wesens des „just deserts“ und lässt sich im Wesen der positiven Generalprävention grob durch das Verhältnis von Präventionsnutzen zu Präventionskosten bestimmen und konkreter durch die Erweiterung der Theorie um den Gedanken der Gerechtigkeit. Letztlich füllt im Zusammenspiel der Wesensmerkmale der Straftheorien die Tatproportionalität den Spielraum zwischen der durch die positive Generalprävention gezogenen Ober- und Untergrenze weiter aus: Nämlich der Obergrenze der Strafe, ab der Strafe nicht mehr normstabilisierend wirkt, weil sie als zu scharf und mitleidserregend empfunden und deshalb von der Gemeinschaft nicht mehr akzeptiert wird, und der Untergrenze der Strafe, ab der Strafe nicht mehr normstabilisierend wirkt, weil sie als zu milde empfunden wird und deshalb von der Gemeinschaft nicht mehr ernst genommen wird. 735 (c) Menschenrechte Eine Verknüpfung beider (völkerrechtlicher) Straftheorien entspricht auch der Ausrichtung des Völkerstrafrechts an den Menschenrechten. 736 Strafe als Institution ist ein Eingriff in die Freiheitsrechte des Bestraften. Ein Eingriff bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit zunächst der grundlegenden Rechtfertigung. Die Rechtfertigung erfolgt dabei durch Umstände, die außerhalb des eigentlichen Eingriffs liegen, d. h. also nicht durch eine bloße Verknüpfung von Straftat und Strafe, sondern aus der Verknüpfung mit über die Strafe hinausgehenden Zielen. Strafe als Institution muss daher folgenorientiert gerechtfertigt werden, 737 die Völkerstrafe also durch die Wesensmerkmale der völkerrechtlichen positiven Generalprävention. Strafe als rechtes Strafmaß konkretisiert dann den Eingriff in die Freiheitsrechte des Bestraften. Ist dieser Eingriff dem Grunde nach durch seine Folgenorientierung gerechtfertigt, so ist er dem Maß nach durch seine Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt, d. h. durch die Verknüpfung mit Erforderlichkeit, Geeignetheit und vor allem Angemessenheit. Diese Verknüpfung kann sowohl durch die Ausrichtung der Strafe an den Wesensmerkmalen der Tatproportionalität oder am ethischen Prinzip der Verhältnismäßigkeit erreicht werden. Letztlich lässt sich die Rechtfertigung des Strafmaßes immer auf die Gerechtigkeit zurückführen. 738 734 735 736 737 738

Vgl. Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 703. Vgl. auch Dreher, Über Strafrahmen, S. 148. Siehe dazu näher S. 55 ff. Vgl. Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 703. Vgl. Hassemer, ZIS 7 (2006), S. 272.

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Strafe muss sich dem Postulat der Gleichbehandlung als Ausfluss aus den Gleichheitsrechten stellen. 739 Strafe als Institution ist insbesondere dem Element des Gleichen in der Gleichbehandlung verpflichtet. Dies verpflichtet dazu, mit Gleichem gleich und Ungleichem ungleich zu verfahren. Die Entscheidung über die Gleichheit bzw. Ungleichheit wird außerhalb des Gleichheitssatzes getroffen. 740 Sie gelingt damit am besten durch den Rückgriff auf soziale und rechtliche Normen der Völkergemeinschaft, wie es das zentrale Wesensmerkmal der positiven Generalprävention ist. Das Element des Behandelns betont die Machtausübung, die im Strafen liegt. Das Spannungsverhältnis zwischen Machtausübung und Menschenrechten wird durch das Postulat des (gleichen) Maßhaltens austariert. Das Maßhalten ist Wesensmerkmal der Tatproportionalität bzw. Gerechtigkeit. 741 Das Zusammenspiel der Wesensmerkmale beider Straftheorien wahrt aber auch das Recht auf Solidarität von Täter und Opfer. 742 Denn in der Kommunikation des Unwerturteils durch die Strafe drückt die Völkergemeinschaft ihre Solidarität mit dem Straftäter aus, nämlich dass die Völkergemeinschaft den Straftäter nicht aufgegeben hat und die Möglichkeit der Wiedereingliederung besteht, und sie sendet zugleich eine Botschaft der Solidarität an das Opfer, nämlich dass er durch eine zu missbilligende Tat verletzt wurde und auf Wiedergutmachung pochen kann. 743 (2) Wesen der Vereinigung Ist in der Verknüpfung von präventiver Rechtfertigung und Just-deserts-Rechtfertigung nicht ein Widerspruch begründet? Denn die Begründung der Strafe mit der positiven Generalprävention ist zweckgebunden, und die Begrenzung des Strafmaßes in der Gerechtigkeit der Tatproportionalität zweckfrei. Zum einen kann zwar zweckfrei ein Maßstab der Gerechtigkeit gefunden werden, der die zweckgebundene Strafe begrenzt, aber dann fallen Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß auseinander und das Strafmaß wird letztlich wieder absolut bestimmt. 744 Zum anderen könnte nicht nur die Strafe zweckgebunden begründet werden, sondern auch das Strafmaß. Allerdings kann ein Maßstab nicht zugleich begründen und begrenzen. Damit kann einerseits die Gerechtigkeit nicht 739

Siehe dazu näher S. 158 f. Siehe dazu näher S. 75 ff. 741 Vgl. auch Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 709. 742 Siehe zur Solidarität S. 61 f. 743 Vgl. auch von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 49 f.; Roxin, Wandlung der Strafzwecklehre, S. 709. 744 Vgl. Hart-Hönig, Gerechte und zweckmäßige Strafzumessung, S. 97; Kunz, ZStW 98 (1986), S. 829. 740

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zweckfrei bestimmt werden und andererseits die Gerechtigkeit nur zweckfrei begrenzen. 745 Zweck und Gerechtigkeit scheinen nicht zusammenzugehen. Die Verknüpfung des Völkerstrafrechts und der Völkerstrafe mit den Werten der Völkergemeinschaft, die insbesondere in den Menschenrechten und den Rechtsgütern der Völkerstraftatbestände festgehalten sind, bedingt aber, dass die Rechtfertigung des Strafmaßes im Völkerstrafrecht der Rechtfertigung der Strafe folgt. Ist die Nützlichkeit von Strafe und Strafmaß mithin zwingend, kann die Lösung des Widerspruchs nicht in der Trennung von Gerechtigkeit und Prävention liegen, sondern nur in der Zusammenführung. Sie liegt darin begründet, dass in den Wesensmerkmalen beider Theorien die Begründung der Strafe und Begrenzung des Strafmaßes in Wahrheit miteinander verwoben sind. Denn die Normengeltung kann nicht ohne den Rückgriff auf die in der Gerechtigkeit wurzelnde Verhältnismäßigkeit begründen werden, und die Verhältnismäßigkeit zwischen Unwert / Tadel und Übel nicht ohne den Rückgriff auf Werte oder Normen. 746 Die Rechtfertigung der Strafe ist also nur insoweit präventiv geboten, wie sie auch gerecht ist, und die Rechtfertigung des Strafmaßes nur insoweit gerecht, wie sie auch präventiv geboten ist. Es erfolgt also nicht zuerst die Begründung und dann die Begrenzung, sondern die Begründung enthält schon die Begrenzung und umgekehrt. 747 Die Leistung des Zusammenwirkens der Wesensmerkmale der Straftheorien liegt in der Aufhebung des Widerspruchs zwischen Gerechtigkeit und Prävention durch die Kommunikation von (gerechter) Strafe und Strafmaß in einem. In der Kommunikation mit der Völkergemeinschaft und dem Straftäter werden die Werte der Völkergemeinschaft vermittelt, die die Strafe und vor allem das Strafmaß zugleich begründen und begrenzen können, und die Normen des Völkerstrafrechts bestätigt und erneuert. bb) Nebenstraftheorien Die Verknüpfung der Hauptstraftheorien muss mit den Nebenstraftheorien in Einklang gebracht werden. In der Rechtsvergleichung sind als Nebenstraftheorien die positive und die sichernde Spezialprävention belegt. Für die positive Spezialprävention konnte dabei sowohl eine untergeordnete Funktion in der Strafzumessung als auch eine dominierende Rolle im Strafvollzug nachgewiesen werden. Diese Rollenteilung lässt sich ins Völkerstrafrecht übertragen. Bei der Strafzumessung kann die positive Spezialprävention bei leichten Fällen 745

Vgl. Kunz, ZStW 98 (1986), S. 828 f. Vgl. auch Hassemer, ZIS 7 (2006), S. 272; Roxin, Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, S. 59; Kunz, ZStW 98 (1986), S. 830 ff. 747 Vgl. auch zum Zusammenhang zwischen Schuldstrafe und positiver Generalprävention Freund, GA (1999), S. 534, m.w. N. in Fn. 92. 746

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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ergänzend an die Seite der positiven Generalprävention treten, ansonsten aber die Ausgestaltung des Strafvollzugs dominieren. Die Rechtsvergleichung hat für die negative sichernde Spezialprävention eine Sonderrolle im Rahmen der Strafzumessung nachgewiesen. Der Gedanke der Gefährlichkeit bzw. Sicherung kann dabei als Erweiterung der Tatproportionalität verstanden werden, da eine durch einen gefährlichen Straftäter begangene Straftat einen höheren Unwertgehalt hat. Dementsprechend kann die negative sichernde Spezialprävention als Erweiterung der Tatproportionalität aufgefasst werden, die die Tatproportionalität nach oben nur verschiebt. Jedenfalls ist sie immer nur Ultima Ratio einer Strafzumessung. Damit ergänzt die positive Spezialprävention die Tatproportionalität am unteren Ende, und die negative sichernde Spezialprävention die Tatproportionalität am oberen Ende der schon und noch normgerechten und tatproportionalen Strafe. cc) Rechtfertigung Das zuvor skizzierte Zusammenspiel der Hauptstraftheorien, mit ihren Ergänzungen durch die Nebenstraftheorien, muss Strafe und Strafmaß ausreichend rechtfertigen können: (1) Rechtfertigung der Strafe Die Rechtfertigung der Strafe wird vor allem durch das in der positiven Generalprävention begründete Wesensmerkmal ausgefüllt. Danach bestätigt Strafe im Völkerstrafrecht, dass trotz des Verstoßes der Straftat gegen die in dem Straftatbestand verkörperten rechtlichen (und sozialen) Normen der Völkergemeinschaft diese weiter Bestand haben. Durch die Unverbrüchlichkeit des Rechts wird das Rechtsbewusstsein der Völkergemeinschaft gestärkt und das Vertrauen in die Völkerrechtsordnung gefördert. (2) Rechtfertigung des Strafmaßes Die Bestimmung des Strafmaßes erfolgt durch den Gedanken der Normbestätigung und den Gedanken der Tatproportionalität. Beide zusammen begründen das Maß des Unwerts der Straftat und das Maß des Übels der Strafe. Ein Mehr an Unwert bedingt ein Mehr an Übel und ein Weniger an Unwert bedingt ein Weniger an Übel. Die Tatproportionalität kann im Völkerstrafrecht nicht als bestimmendes, sondern nur als (begründendes und) begrenzendes Prinzip aufgefasst werden, da präventive Überlegungen bei der Strafzumessung zwar nicht zu einer Überschreitung, so aber doch zur einer Unterschreitung der tatproportionalen Strafe führen können. Die Überschreitung ist ausgeschlossen, da es gerade die Funktion der Gerechtigkeit ist, zu einer verhältnismäßigen Strafe zu kom-

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

men. 748 Allerdings kann die negative sichernde Spezialprävention die nützliche und gerechte Strafe weiter nach oben verschieben. Die Unterschreitung der tatproportionalen Strafe wird vor allem durch Überlegungen der Resozialisierung geleitet. Denn erstens macht es die Verknüpfung des Völkerstrafrechts mit der Menschenwürde und den Menschenrechten notwendig, auch die Fehlbarkeit des Menschen in die Strafzumessung einfließen zu lassen. 749 Zweitens liegt in der kommunikativen Ausrichtung der völkerstrafrechtlichen Straftheorie nicht nur die Missbilligung der Straftat, sondern auch die Anerkennung der Solidarität mit Opfer und Täter, die sowohl eine Wiedergutmachung als auch eine Wiedereingliederung gewährleisten muss. 750 2. Prinzipien der Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethode Auch die im Rahmen der Strafzumessungstheorien und Strafzumessungsmethoden gefundenen Übereinstimmungen müssen sich in das Völkerstrafrecht übertragen lassen, um mögliche allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerstrafrechts zu begründen. Die Rechtsordnungen legen die Strafzumessungsentscheidung überwiegend in das Strafzumessungsermessen des Richters und treten so einer Vereinheitlichung der Strafzumessungsentscheidung durch eine Strafzumessungstheorie entgegen. Die Funktionen des Völkerstrafrechts – Durchsetzung der Völkerrechtsordnung, Wahrung der Gerechtigkeit und Aufarbeitung des Konflikts – können zunächst auch mit einem weiten Strafzumessungsermessen gelingen. Zweifel könnten sich einzig hinsichtlich der Wahrung der Gerechtigkeit einstellen. Denn die Ausrichtung der Strafe an der Gerechtigkeit bedingt auch die Gleichbehandlung der Straftat und des Straftäters in der Strafzumessung. Dies will aber besser gelingen, wenn den Richtern ein außerhalb der Gerechtigkeitsüberlegung liegender Maßstab an die Hand gegeben wird, der es erlaubt, im Sinn des Gleichheitssatzes zu differenzieren. Allerdings ist dies im eigentlichen Sinn keine Eigenart des Völkerstrafrechts, sondern Postulat der Gerechtigkeit und damit jedes rechtsstaatlichen Strafrechts. 751 Verweist die Mehrheit der Rechtsordnungen die Strafzumessung also in das Ermessen der Richter, scheint sich die notwendige Differenzierung vornehmlich anders zu gestalten. Es ist nicht erkennbar, warum dies nicht auch im Völkerstrafrecht möglich sein sollte. Ist eine Strafzumessungstheorie auch wünschenswert, so ist sie doch keine notwendige Bedingung der Strafzumessung im Völkerstrafrecht. Die Notwendigkeit einer Strafzumessungstheorie ergibt sich auch nicht aus den Menschenrechten. Diese 748

Vgl. Roxin, Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, S. 64. Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 327; von Hirsch, Fairness, Verbrechen und Strafe, S. 150 ff. 750 Siehe zur Solidarität S. 61 f. 751 Siehe dazu näher S. 75 ff. 749

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verweisen zwar auf die Differenzierung bei der Strafzumessung, diese kann aber auch ohne Strafzumessungstheorie gelingen, solange die Differenzierung durch Straftheorien und die dadurch bedingte Auswahl von Strafzumessungsumständen erfolgt. Zwar ist eine größere Unverhältnismäßigkeit mangels Strafzumessungstheorie bei der Strafzumessung denkbar, aber diese wird nicht allein aufgrund des Fehlens der Strafzumessungstheorie eine solches Maß erreichen, dass von einer evidenten Unverhältnismäßigkeit auszugehen ist. Daher liegt in der Verneinung einer Strafzumessungstheorie kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Die Übereinstimmungen bei der Strafzumessungsmethode lassen sich ebenfalls ins Völkerstrafrecht übertragen. Die strukturellen Eigenarten des Völkerstrafrechts, insbesondere der Unwertgehalt der Menschheitsverbrechen und die Besonderheit der Makrokriminalität, nehmen auf die gefundenen gemeinsamen Arbeitsschritte der Strafzumessung keinen Einfluss. Denn die Arbeitsschritte der Strafzumessung sind zwar nicht nur bloße technische Abläufe, aber doch auf jedes Sanktionssystem und jede Straftheorie übertragbar. Somit auch auf das Völkerstrafrecht. Gleiches gilt für das Völkerstrafprozessrecht. Strukturelle Unterschiede, die eine Übertragung ausschließen würde, sind auch dort nicht ersichtlich. In der Rechtsvergleichung konnten die schon zuvor im eigenen Recht des ICC und im Völkergewohnheitsrecht gewonnenen Schritte bestätigt und konkretisiert werden. 752 Das Zusammenspiel der Rechtsquellen ergibt folgende stimmige Vorgehensweise: (1) Grenzen der Strafbemessung; (2) Straftheorienbestimmung; (3) Strafwertbestimmung durch a.) Bewertung der Tatschwere (primär) und b.) Bewertung des Straftäters (sekundär); (4) Strafartwahl bzw. Strafrahmenwahl; (5) Strafumfangswahl und (6) Sonstige Strafentscheidungen. Dass in einer solchen Abfolge ein Verstoß gegen Menschenrechte liegen könnte, ist nicht ersichtlich, da die Rechte des Verurteilten durch eine strukturierte Vorgehensweise eher gestärkt als geschwächt werden. Dies ist offensichtlich für die selbstverständliche Berücksichtigung der Strafbemessung, gilt aber auch für die im Völkergewohnheitsrecht zu beobachtende Vergegenwärtigung der Straftheorie, denn durch diese werden die Grundlagen der Strafentscheidung transparent gemacht und die Auswahl und vor allem Gewichtung der Strafzumessungsumstände mitgeprägt. Die Ausrichtung der Strafe an dem Strafwert, welcher primär durch die Tatschwere und sekundär durch den Straftäter bestimmt wird, entspricht der in den Menschenrechten verankerten Ausrichtung der Strafe an der Verantwortlichkeit des Straftäters und dem Gebot der Individualisierung der Strafe. Der nächste Schritt der Strafartwahl bzw. Strafrahmenwahl ist bei den wenigen möglichen Strafen im ICC-Statut unproblematisch. Denn damit ist im Völkerstrafrecht keine Verengung des Strafrahmens verbunden. Die Strafumfangswahl beim ICC, zumeist die Bestimmung der Strafdauer, ist dann der Kern der Strafzumessung. Hier kommen die Gebote und Verbote aus Freiheitsrech752

Siehe dazu näher S. 307 ff. und 345 f.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ten, Gleichheitsrechten und der Solidarität ganz besonders zum Tragen. 753 Der Schritt der Strafzumessung kann aber nur im Einzelfall gegen ein Menschenrecht verstoßen, nicht per se. Eine Verletzung der Menschenrechte in den sonstigen Strafentscheidungen ist zwar denkbar, aber ebenfalls nur am Einzelfall zu belegen. Die Strafzumessungsmethode mit den dargestellten Schritten lässt damit keine Verstöße gegen höherrangiges Recht erkennen. 3. Prinzipien der Bezugspunkte der Strafe und Strafzumessungsumstände Übereinstimmungen konnte die Rechtsvergleichung auch bei der Anknüpfung der Strafe und den Strafzumessungsumständen belegen. Überwiegend richten die Rechtsordnungen die Strafe primär an der Tatschwere und sekundär an der Täterpersönlichkeit aus. Die strukturellen Eigenarten des Völkerstrafrechts stehen einer solchen Ausrichtung der Strafzumessung nicht entgegen, sondern stützen sie. Denn das Unrecht der Menschheitsverbrechen ist durch eine eigene Grausamkeit und Destruktivität geprägt und damit durch die besonderen Auswirkungen der Menschheitsverbrechen auf die Gemeinschaft. 754 Diese Charakteristika der Menschheitsverbrechen vermitteln sich sowohl über die Natur der Kernverbrechen als auch über die Umstände der Begehung, insbesondere die Auswirkungen der Straftat auf die Opfer und das Maß der Pflichtwidrigkeit. Also über Umstände, die die Schwere der Tat näher bestimmen. Dem entspricht dann auch eine primäre Ausrichtung der Strafe an der Tat, wie sie in der Rechtsvergleichung belegt wurde. Aber auch die sekundäre Ausrichtung der Strafe am Täter entspricht den Eigenarten des Völkerstrafrechts. Denn die Grausamkeit und Destruktivität der Menschheitsverbrechen wird nur durch eine Vielzahl von Straftätern ermöglicht. Liegt die Eigenart der Makrokriminalität in der Vielzahl der Straftäter, so müssen deren Eigenarten auch berücksichtigt werden. Es liegt mithin auch in der Natur der individuellen Verantwortung nach Völkerstrafrecht, dass die Persönlichkeit des Straftäters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Dass diese Berücksichtigung im Völkerstrafrecht aber nur nachrangig zur Tatschwere geschehen kann, hat seinen Grund in der Bestrafung der Menschheitsverbrechen zum Schutz gemeinschaftlicher und individueller Rechtsgüter bzw. zur Aufrechterhaltung einer rechtstaatlichen Ordnung, da diese vor allem durch die Eigenarten der Straftat und nicht durch die Eigenarten des Straftäters beeinträchtigt werden. Die Rechtsvergleichung belegte ferner eine Ausfüllung der Tatschwere durch den Grad der Schädlichkeit und das Ausmaß der Verantwortlichkeit. Ersteres wird durch die Bedeutung des Rechtsguts und den Grad der Beeinträchtigung 753 754

Siehe dazu näher S. 62 ff. Siehe dazu näher S. 46 ff.

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geprägt, Letzteres durch die Art und Weise der Begehung. Dass strukturelle Eigenarten des Völkerstrafrechts dem entgegenstehen könnten, ist nicht ersichtlich: Zum einen dient auch das Völkerstrafrecht dem universellen und individuellen Rechtsgüterschutz. Dieser Schutz wird durch die Kernverbrechen in unterschiedlicher Ausprägung gewährleistet. Wie die Schutzobjekte der Kernverbrechen unterschiedlich stark verletzt sein können, so können auch die Rechtsgüter im Völkerstrafrecht zu unterschiedlichen Graden beeinträchtigt sein. Zum anderen bestimmt sich auch im Völkerstrafrecht die Verantwortlichkeit nach der Art und Weise der Begehung, insofern als Täterschaft und Teilnahme, Vorsatz und Fahrlässigkeit etc. unterschiedliches Unrecht auslösen und Verantwortung begründen. Das Ergebnis der Rechtsvergleichung fügt sich in die vorherigen Rechtsquellen ein. Denn auch in ICC-Statut und ICC-RPE wird die Strafe an der Schwere der Straftat und an den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten ausgerichtet, und das Völkergewohnheitsrecht belegt einen stärkeren Bezug der Strafe zur Tatschwere als zur Täterpersönlichkeit. 755 Eine solche Ausrichtung der Strafe kann keinen Verstoß gegen ein Menschenrecht begründen. Im Gegenteil: Die zweifache Ausrichtung der Strafe kommt der Gleichbehandlung insofern entgegen, als durch die Ausrichtung an der Tat die Gleichheit gewahrt werden kann und durch die Ausrichtung am Täter die Individualisierung möglich ist. Dies entspricht auch der Solidarität mit dem Opfer der Straftat und dem Straftäter in Achtung ihrer Menschenwürde. Dass dabei letztlich die Tatschwere betont wird, liegt schon allein am Realgrund der Strafe, der Straftat, begründet aber bei genereller Berücksichtigung beider Aspekte keinen Verstoß gegen die Menschenrechte. Als weiteres Prinzip schälte sich in der Rechtsvergleichung heraus, dass Rechtsordnungen die für die Strafzumessung relevanten Umstände nicht nur der Straftat entnehmen, sondern auch dem Zusammenhang der Straftat, und dass die Rechtsordnungen, die die Strafe darüber hinaus am Straftäter ausrichten, auch konsequenterweise auf Umstände des Täters zurückgreifen können, die nicht ihren Niederschlag in der Straftat gefunden haben. Eine solche Anknüpfung wird auch nicht durch die Struktur des Völkerstrafrechts behindert. Unproblematisch ist dies für die Anknüpfung an die direkten Umstände der Straftat, es gilt aber auch für die Anknüpfung an die indirekten Umstände der Straftat. Denn der Kontext der Makrokriminalität mit seiner Ausnutzung von Machtstrukturen und vor allem seinen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen lässt im besonderen Maße eine Ausdehnung der zu berücksichtigenden Umstände als angemessen erscheinen. Dass darüber hinaus auch im Völkerstrafrecht Umstände des Straftäters bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden können, folgt aus der generellen Anknüpfung der Strafe auch an die Persönlichkeit des Straftäters. Die Anknüpfung an tatbezogene und täterbezogene Umstände ist bereits in den 755

Siehe dazu näher S. 309 f. und 346 ff.

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vorherigen Rechtsquellen belegt worden. Da schon das Abstellen der Strafe auf die Tat und den Täter den Menschenrechten entspricht, muss dies auch für eine weitere Ausdifferenzierung durch tat- und täterbezogene Umstände gelten. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt somit nicht vor. 4. Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Graduierung Die in der Rechtsvergleichung belegte Verknüpfung von Strafwert und Strafwürdigkeit lässt sich auch in das Völkerstrafrecht übertragen. Denn auch hier muss eine Verknüpfung stattfinden, um dem Gleichheitssatz gerecht zu werden. Dies ist trotz des Unrechtgehalts der Menschheitsverbrechen bei einer proportionale Berücksichtigung des Unwerts auch möglich. a) Horizontale Strafstruktur Die Rechtsvergleichung belegte eine horizontale Strafstruktur, insofern als der Strafrahmen in Anlehnung an entschiedene Fälle und Strafrahmen anderer Straftatbestände abgesteckt werden kann. Dies können sowohl die gedanklich erschließbaren oder praktisch vorkommenden Fälle sein. Ist dies ins Völkerstrafrecht übertragbar? Zumindest in struktureller Hinsicht schon. Zwar entstehen im Völkerstrafrecht bei der Ausrichtung an einem gedanklichen Fall die gleichen Probleme wie im nationalen Strafrecht. Denn denklogische Strafzumessungsfälle sind nur schwer zu bestimmen. Wo sollen sie liegen? Aber das ist ein Problem der Strafzumessung, das unabhängig vom Sanktionssystem oder gar den Eigenarten des Völkerstrafrechts besteht. Vorzugswürdig erscheint jedenfalls der Vergleich mit einer Vielzahl von Fällen bzw. Fallgruppen, mit deren Hilfe man sich der Mitte, dem Anfang und dem Ende des Strafrahmens annähern und einzelne Abstufungen auf der Tat- und Strafskala vornehmen kann. Dementsprechend verweist die Rechtsvergleichung auch auf den Abgleich mit mehreren Fällen. Denn nur diese sind in der Lage, ein Strafmuster zu belegen. Die belegten Aspekte der horizontalen Strafstruktur stehen mit der zuvor im ICC-Statut gefundenen und im Völkergewohnheitsrecht bestätigten Abstufung der Kernverbrechen nach ihrem Unwertgehalt im Einklang. 756 Auch hier ist eine Verletzung der Menschenrechte nicht ersichtlich, zumal das Ins-VerhältnisSetzen nur der weiteren Differenzierung im Gleichheitssatz dient. b) Vertikale Strafstruktur Hinsichtlich der vertikalen Strafstruktur gibt es keine der Struktur des Völkerstrafrechts innewohnenden Hindernisse, die einer Übertragung der in den 756

Siehe dazu näher S. 319 f. und 366 f.

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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nationalen Rechtsordnungen gewonnenen Erkenntnisse in das Völkerstrafrecht entgegenstünden. So kann auch im Völkerstrafrecht die Höchststrafe dem Höchstgrad an Strafwürdigkeit und die Mindeststrafe dem Mindestgrad an Strafwürdigkeit entsprechen, und die Ober- und Untergrenzen müssen nicht durch einen Punkt bestimmt werden, sondern durch einen Rahmen, der durch eine Bandbreite von Fällen ausgefüllt wird. Denn die Eigenarten des Völkerstrafrechts, also seine besondere Funktion, der Unwertgehalt der Menschheitsverbrechen und die Besonderheit der Makrokriminalität, erstrecken sich nicht auf die Strukturierung der Strafe. Die Einteilung der Strafskala in Stufen steht ebenfalls nicht den Eigenarten des Völkerstrafrechts entgegen, denn eine Strafskala in Stufen ist nicht in einem Sanktionssystem begründet, sondern in der Strafzumessung als Entscheidungsprozess und damit unabhängig vom Völkerstrafrecht. Darüber hinaus muss gerade im Völkerstrafrecht trotz der weiten Strafrahmen die Handhabbarkeit der Strafzumessungsentscheidung durch Einteilung der Strafskala in Stufen gewährleistet sein. Diese Verdichtung der vertikalen Strafstruktur bestärkt die zuvor in dem Recht der Ad-hoc-Gerichtshöfe gefundenen Anhaltspunkte. 757 Damit weist die Verdichtung keinen Widerspruch zu höherrangigem Recht auf; insbesondere liegt in der Konkretisierung keine Verletzung der Menschenrechte begründet. Die Konkretisierung ist vielmehr im Rahmen der Gleichheitsrechte vonnöten, um eine Differenzierung überhaupt Wirklichkeit werden zu lassen. c) Einstieg in den Strafrahmen Die Rechtvergleichung belegte einen Einstieg in den Strafrahmen durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit. Auch hier kann die Übertragung nicht durch die Eigenarten des Völkerstrafrechts behindert sein. Denn akzeptiert das Völkerstrafrecht – wie oben belegt – die Ausrichtung der Strafe am Grad der Schädlichkeit und Maß der Verantwortlichkeit, so akzeptiert es auch die Ausrichtung der Strafe an der so gebildeten typischen Strafwürdigkeit. Zumindest für den Fall der Massendelinquenz ließ sich ein Einstieg im unteren Drittel des Strafrahmens belegen. Ist ein solcher Einstieg auch für das ICC-Statut denkbar? Zunächst lässt sich der Begriff der Massendelinquenz sicherlich nur schwer mit dem Begriff der Menschheitsverbrechen in Übereinstimmung bringen. Zudem mag die Höchststrafe von 30 Jahren bereits als niedrig empfunden werden, so dass ein Einstieg im unteren Drittel umso unhaltbarer erscheint. Allerdings ist das ICC-Statut eine eigenständige Rechtsordnung, die für das gesamte Spektrum völkerstrafrechtlicher Delinquenz im Rahmen der Zuständigkeit des ICC 757

Siehe dazu näher S. 367 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

geschaffen wurde. Somit werden auch im Rahmen des ICC-Statuts häufiger vorkommende Verbrechen leichterer Kriminalität neben seltener vorkommenden Verbrechen schwererer Kriminalität abzuurteilen sein. Jedenfalls hält das ICCStatut mit der Mindeststrafe von einem Jahr und der Höchststrafe von 30 Jahren einen Strafrahmen bereit, der nach der Auffassung der Vertragsstaaten von Rom wohl in der Lage ist, dem Unwertgehalt der Menschheitsverbrechen Genüge zu tun. Es ist daher nicht nur legitim, sondern vielmehr geboten, Strafen innerhalb des ganzen Strafrahmens zu verhängen, also auch im unteren Drittel des Strafrahmens. Kann vor dem Hintergrund der individuellen Verantwortlichkeit auch eine geringe Strafe den Unwertgehalt der Menschheitsverbrechen erfassen, so kann erst recht eine noch näher zu bestimmende Strafe ihren Ausgangspunkt im unteren Drittel des Strafrahmens nehmen. Dies zeigen auch die Urteile der Ad-hocGerichtshöfe, die trotz eines noch weiter gespannten Strafrahmens gelegentlich Strafen von weniger als zehn Jahren verhängen. Eine weitere Konkretisierung des Einstiegs bzw. eine neue Konvention für den Einstieg ließe sich durch die Vertragsstaaten von Rom setzen. In der Anknüpfung an die typische Strafwürdigkeit und im möglichen Einstieg in den Strafrahmen im unteren Drittel ist kein Verstoß gegen höherrangiges Recht zu erblicken. Vielmehr scheint ein zurückhaltender Einstieg in den Strafrahmen im besonderen Maße dem Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Achtung der Menschenwürde Rechnung zu tragen.

C. Zusammenfassung Die Suche nach Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung wird in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen fortgesetzt. Diese erschließen sich aus dem Rechtsvergleich auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtung. I. Der Rechtsvergleichung vorangestellt ist eine Betrachtung der Sanktionssysteme und der Strafbemessung in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen von Deutschland, Schweden, Frankreich und den angloamerikanischen Rechtsordnungen von England-Wales, Minnesota, den Vereinigten Staaten von Amerika, Victoria und dem Commonwealth von Australien. II. Die Einzelheiten der Betrachtung schlagen sich dann in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen nieder. Das sich dabei herausschälende Gemeinsame ist das zwischen den Rechtsordnungen verbindende Prinzip. Allerdings kann ein gemeinsames Prinzip immer nur dann ein allgemeiner Rechtsgrundsatz sein, wenn es sich aus dem nationalen Kontext in den völkerstrafrechtlichen Kontext des ICC-Statuts übertragen lässt und sich in die anderen Rechtsquellen und Menschenrechte einfügt: 1. a) Da die genauen Einzelheiten zu Aussagen und zur Ordnung der Straftheorien in den vorherigen Rechtsquellen offen geblieben waren, erstreckt sich die Suche nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zunächst auf die erneute Be-

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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trachtung der Straftheorien und ihrer Antinomie: In den Rechtsordnungen ist die Strafzumessung nicht von einer, sondern immer von mehreren Straftheorien geprägt. Für die Anwendung und den Widerstreit der Straftheorien in der Strafzumessung wird die Vielzahl der Straftheorien durch eine oder wenige für dominierend erklärte Straftheorien in Einklang gebracht. Alle Rechtsordnungen weisen als gemeinsames Prinzip also Haupt- und Nebenstraftheorien auf. Dieser Ansatz ist auf das Völkerstrafrecht übertragbar, da auch hier mehrere Straftheorien zur Anwendung kommen und die Eigenarten des Völkerstrafrechts einer Rangordnung der Straftheorien nicht entgegenstehen. aa) Die Rechtsordnungen belegen den Vorrang der retributiven Straftheorien. Aufgrund des Zusammenspiels von Tatproportionalität und präventiven Überlegungen in den Rechtsordnungen und aufgrund der Belege in der Verhältnismäßigkeit wird der Vorrang der retributiven Straftheorien als Vorrang einer kommunikativen und begrenzenden Just-deserts-Theorie gewertet. Zeigt die Justdeserts-Theorie bei der Rechtfertigung der Strafe dem Grunde nach Schwächen, kann hingegen durch die Tatproportionalität die Strafe in ihrem Maß zutreffend gerechtfertigt werden. Eine Übertragung der Aussagen der Just-deserts-Theorie, insbesondere der Tatproportionalität und ihrer ordinalen und kardinalen Ausrichtung, ins Völkerstrafrecht ist möglich. Die Just-deserts-Theorie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, so dass der Rechtsvergleichung der allgemeine Rechtsgrundsatz entnommen werden kann, dass vor allem bei der Strafzumessung einer kommunikativen und begrenzenden Just-deserts-Theorie und damit vor allem der Tatproportionalität Vorrang einzuräumen ist. bb) Übereinstimmungen können auch bei der Anwendung der positiven Generalprävention belegt werden. Deren Gedanke von der Durchsetzung des Rechts fügt sich gut ins Völkerstrafrecht ein und kann damit zweckbezogen die Institution Strafe rechtfertigen. Die Notwendigkeit der Normbestätigung durch die Stärkung von Normbewusstsein und Normvertrauen zum Schutz der kollektiven und individuellen Rechtsgüter des Völkerstrafrechts rechtfertigt die Berücksichtigung der Straftheorie als Hauptstraftheorie. Die Rechtfertigung der Strafe ist durch die Verknüpfung mit der Verhältnismäßigkeit bedingt. So betrachtet bettet sich die Straftheorie in die Rechtsgrundlagen des ICC ein und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Sie stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des ICC-Statuts dar. cc) Die Rechtsvergleichung verweist auf die negative Generalprävention. Die Übertragung der Straftheorie scheitert, da die den Vorteil der Straftat mit einem Nachteil ausgleichende Strafe den durch die Straftat verursachten Schaden unberücksichtigt lässt. Darüber hinaus ist der Verstoß gegen die Menschenwürde greifbar. dd) Die positive Spezialprävention wird in der Rechtsvergleichung auf den unteren Bereich der Tatschwere und auf die Strafvollstreckung verwiesen. Die

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Übertragung in das Völkerstrafrecht entscheidet sich nach der Differenzierung der Tätergruppen der Makrokriminalität. Erscheint eine Resozialisierung für Führungstäter absurd, so ist die Resozialisierung im Sinne einer Eingliederung für die Gefolgschaftstäter denkbar. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Konfliktsituation bestimmt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht besteht nur bei der Vermischung von Übel und Hilfe. Für den Bereich der unteren Tatschwere und der Strafvollstreckung kann die positive Spezialprävention auch im Völkerstrafrecht Wirkung entfalten. ee) In der Rechtsvergleichung kommt der negativen abschreckenden Spezialprävention ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle zu. Diese untergeordnete Rolle entspricht der geringen Anwendungsrelevanz im Völkerstrafrecht. Ein „Denkzettel“ ist nur bei Gefolgschaftstätern denkbar, nicht aber bei Führungstätern. Die notwendige Wiederholungsgefahr ist zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich. Die negative abschreckende Spezialprävention kann nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz im ICC-Statut gelten. ff) Der negativen sichernden Spezialprävention kommt in der Rechtsvergleichung eine Sonderrolle zu, da sie für gefährliche oder rückfällige Straftäter das Maß der „normalerweise“ angemessenen Strafe in den Rechtsordnungen nach oben verschiebt. Der Gedanke lässt sich ins Völkerstrafrecht übertragen. Die Wiederholungsgefahr ist Tatfrage. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht wird nicht begründet. b) Die Vielzahl der Straftheorien muss für die Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß in Einklang gebracht werden. Nur der Einklang schafft klare Anwendungsbedingungen und damit die Differenzierung im Gleichheitssatz. Einklang entsteht durch Vereinigung. Die Vereinigung bezieht sich sowohl auf die zentralen Hauptstraftheorien (der kommunikativen und begrenzenden Just-deserts-Theorie und der positive Generalprävention) als auch auf die ergänzenden Nebenstraftheorien (der positive Spezialprävention und der negative sichernde Spezialprävention). aa) Ausgangspunkt der Vereinigung der beiden Hauptstraftheorien ist das Wesen beider, die Missbilligung der Straftat zu kommunizieren. Begründet ist die Vereinigung in der Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte. Die Achtung der Menschenwürde liegt in der Kommunikation mit dem Straftäter über das Übel und in der Zumessung der Strafe im Verhältnis zum Unwert der Straftat. Die Wahrung der Menschenrechte geschieht zum einen durch die Rechtfertigung der Strafe dem Grunde und dem Maß nach: Der eigentliche Eingriff wird gerechtfertigt durch die Folgenorientierung der positiven Generalprävention und das Ausmaß des Eingriffs durch die Zumessung der Strafe im tatproportionalen oder normstabilisierenden gerechten Maß; zum anderen durch die Gleichbehandlung, da der Gedanke der positiven Generalprävention differenziert und der Gedanke der Tatproportionalität und Gerechtigkeit das Maßhalten

7. Kap.: Allgemeine Rechtsgrundsätze

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begründet. Darüber hinaus verweisen die beiden Straftheorien auf die Solidarität mit dem Straftäter und dem Strafopfer: Der Straftäter wird nicht aufgegeben und das Opfer wird anerkannt. Die Rechtfertigung der Strafe durch die Prävention und die Begrenzung des Strafmaßes durch die Tatproportionalität begründen einen Widerspruch. Einerseits kann bei einer zweckgebundene Institution der Strafe das Strafmaß nicht zweckfrei begründet werden, da zwar die Gerechtigkeit der Strafe einem Maßstab entnommen werden kann, aber die Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß insofern auseinander fallen, als die Strafe präventiv und das Strafmaß absolut gerechtfertigt wird. Andererseits kann bei einer zweckgebundenen Institution der Strafe nicht auch die Rechtfertigung des Strafmaßes zweckgebunden sein, da zwar die Gerechtigkeit des Strafmaßes einem außerhalb der Gerechtigkeit liegenden Zweck folgen kann, aber dann Strafe und Strafmaß aus dem gleichen Zweck begründet und begrenzt würden. Prävention und Gerechtigkeit zusammen betrachtet lösen diesen Widerspruch hingegen auf. Beide sind die zwei Seiten derselben Medaille. In der Begründung der Strafe liegt zugleich die Begrenzung des Strafmaßes. Denn die Normengeltung kann nicht ohne den Rückgriff auf die in der Gerechtigkeit beheimatete Verhältnismäßigkeit begründet werden, und die Verhältnismäßigkeit zwischen Unwert / Tadel und Übel nicht ohne den Rückgriff auf Werte oder Normen. Die Rechtfertigung der Strafe ist also nur insoweit präventiv geboten, wie sie auch gerecht ist, und die Rechtfertigung des Strafmaßes nur insoweit gerecht, wie sie auch präventiv geboten ist. bb) Die Nebenstraftheorien lassen sich in die Hauptstraftheorien einreihen. Die positive Spezialprävention erlaubt bei einem besserungsfähigen Straftäter die Durchbrechung der tatproportionalen und normbestätigenden Strafe nach unten, ist aber ansonsten auf die Strafvollstreckung beschränkt. Die negative sichernde Spezialprävention verschiebt bei zu sichernden Straftätern, die eine Gefahr für die Völkergemeinschaft darstellen, die tatproportionale und normbestätigende Strafe weiter nach oben. Sie ist Ultima Ratio bei der Strafzumessung. cc) Das Zusammenspiel der Straftheorien rechtfertigt Strafe und Strafmaß. Die Strafe rechtfertigt sich aus dem Gedanken der positiven Generalprävention. Strafe im Völkerstrafrecht bestätigt, dass die im Straftatbestand verkörperten rechtlichen (und sozialen) Normen der Völkergemeinschaft trotz Straftat weiter Bestand haben. Die Strafe zeigt die Unverbrüchlichkeit des Rechts und stärkt damit das Rechtsbewusstsein der Völkergemeinschaft und schafft Vertrauen in die Völkerrechtsordnung. Das Strafmaß rechtfertigt sich durch den Gedanken der Normbestätigung aus der positiven Generalprävention und der Tatproportionalität aus der kommunikativen Just-deserts-Theorie. Beide begründen das Maß des Unwerts der Straftat und das Maß des Übels der Strafe. Ein Mehr an Unwert bedingt ein Mehr an Übel und ein Weniger an Unwert bedingt ein Weniger an Übel. Der tatproportionale oder normbestätigende Unwert begründet die Strafe insofern, als er Maßstab für das Strafmaß ist, und begrenzt die Strafe insofern,

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

als er nicht überschritten werden darf. Einzig die negative sichernde Spezialprävention kann die nützliche und gerechte Strafe nach oben verschieben, und die positiven Spezialprävention die nützliche und gerechte Strafe nach unten durchbrechen. 2. Da der Nachweis einer Strafzumessungstheorie in den Rechtsquellen zuvor nicht geführt werden konnte, erstreckt sich die Suche nach einer Theorie auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Konnten auch zuvor erste Hinweise auf eine Strafzumessungsmethode belegt werden, gilt es, diese weiter zu ergänzen und zu konkretisieren. Allerdings kann auch in der Rechtsvergleichung keine dominierende Strafzumessungstheorie belegt werden. In den Rechtsordnungen überwiegt vielmehr ein großzügiges Strafzumessungsermessen, das einer weiteren wünschenswerten Differenzierung durch eine Straftheorie entgegensteht. Aus den Eigenarten des Völkerstrafrechts begründet sich nicht die Konsequenz, dieses Ergebnis zu revidieren. Das weite Strafzumessungsermessen hält auch der Überprüfung durch höherrangiges Recht stand. Hingegen kann die Strafzumessungsmethode anhand der Übereinstimmungen in den verglichenen Rechtsordnungen weiter ergänzt und konkretisiert werden. Eine Übertragung in das Völkerstrafrecht ist in jedem Fall möglich, weil die Eigenarten des Völkerstrafrechts die Schritte der Strafzumessung nicht tangieren können, da sie unabhängig vom Sanktionssystem Bestand haben. Die Konkretisierung durch die Rechtsvergleichung fügt sich in das höherrangige Recht ein. Das Zusammenspiel zwischen den höherrangigen Normen und der Rechtsvergleichung ergibt dann folgendes Bild der Strafzumessungsmethode: (1) Grenzen der Strafbemessung; (2) Straftheorienbestimmung; (3) Strafwertbestimmung, a.) Bewertung der Tatschwere (primär), b.) Bewertung des Straftäters (sekundär); (4) Strafart bzw. Strafrahmenwahl; (5) Strafumfangswahl; (6) Sonstige Strafentscheidungen. 3. Die weitere Suche in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gilt den Bezugspunkten der Strafe und der Ausfüllung der Bezugspunkte durch Fallgruppen von Strafzumessungsumständen. Die Rechtsvergleichung bestätigt die Ausrichtung der Strafe an der Schwere der Straftat und den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten, bei primärer Ausrichtung der Strafe an der Tat und sekundärer Ausrichtung am Täter. In der Rechtsvergleichung kann ebenfalls die Konkretisierung der Tatschwere an dem Grad der Schädlichkeit und dem Ausmaß der Verantwortlichkeit belegt werden. Anknüpfung und Konkretisierung halten einer Übertragung in das Völkerstrafrecht stand und verstoßen auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Menschenrechte. Mit der Anknüpfung an Straftat und Straftäter geht in der Rechtsvergleichung auch die Berücksichtigung tat- und täterbezogener Umstände einher, wie es bereits in den vorherigen Rechtsquellen belegt wurde. Da schon das Abstellen der Strafe auf die Tat und den Täter den Menschenrechten entspricht, muss dies auch für eine weitere Ausdifferenzierung durch tat- und täterbezogene Umstände gelten. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt somit nicht vor.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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4. Die im eigenen Recht des ICC und im Völkergewohnheitsrechts belegten Ansätze einer horizontalen und vertikalen Strafstruktur können in der Rechtsvergleichung konkretisiert werden. Für die horizontale Strafstruktur belegt die Rechtsvergleichung eine Ausrichtung der Strafrahmen an anderen Straftatbeständen oder entschiedenen Straffällen. Dies steht mit der zuvor im ICC-Statut gefundenen und im Völkergewohnheitsrecht bestätigten Abstufung der Kernverbrechen nach ihrem Unwertgehalt im Einklang. Eine Verletzung der Menschenrechte ist nicht ersichtlich. Für die vertikale Strafstruktur konkretisiert die Rechtsvergleichung das zuvor in den anderen Rechtsquellen Gefundene. Als allgemeiner Rechtsgrundsatz ist belegt: Die Gleichsetzung der Strafwürdigkeit mit der Strafskala des Strafrahmens sowie der niedrigen Strafwürdigkeit mit der Mindeststrafe und der hohen Strafwürdigkeit mit der Höchststrafe, die Bestimmung der Strafwürdigkeit durch einen Rahmen und nicht durch einen Punkt und schließlich die Einteilung des Strafrahmens in Stufen. Diese Konkretisierung begründet keine Verletzung der Menschenrechte. Die Rechtvergleichung belegt einen Einstieg in den Strafrahmen durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit und einem möglichen Ankerpunkt im unteren Drittel des Strafrahmens. Damit schließt die Rechtsvergleichung eine ausfüllungsbedürftige Lücke, die nach der Betrachtung des eigenen Rechts des ICC und des Völkergewohnheitsrechts bestand. Hierin ist ebenfalls kein Verstoß gegen höherrangiges Recht zu erblicken.

8. Kapitel

Zusammenfassung der Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im ICC-Statut und der Versuch ihrer anwendungsbezogenen Konkretisierung Ausgangspunkt der Suche nach den Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung im 3. Kapitel war zum einen die sich aus den Menschenrechten ergebende Gleichbehandlung und zum anderen das Verständnis von der Strafzumessung als Entscheidungsprozess. 1 Die Gleichbehandlung bedingt das Behandeln von gleichen und ungleichen Strafzumessungsfällen mit gleichem Maß. Dazu bedarf es normativer Mechanismen, die es erlauben zu differenzieren und zu individualisieren. Die Gleichbehandlung fördert die Erkenntnis, dass die Differenzierung nur im Rahmen einer verhältnismäßigen Strafstruktur gelingen kann. Diese erfordert die Verhältnismäßigkeit innerhalb eines Straftatbestandes (vertikal) und zwischen den Straftatbeständen (horizontal). Die verhältnismäßige 1

Siehe dazu näher S. 158 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Strafstruktur muss eine Graduierung und einen Einstieg aufweisen, mittels denen die Differenzierung und die Individualisierung abgetragen werden können. 2 Das Verständnis vom Entscheidungsprozess erlaubt den Blick auf die Herstellung und Darstellung der Strafentscheidung. In der Herstellung treten die Entscheidung, die Entscheidungssituation und der Entscheider hervor. Die verdeckte und die offene Entscheidungssituation wird sichtbar. Sie fördert die Erkenntnis, dass normative Mechanismen der einheitlichen Strafzumessung primär auf der Seite der Herstellung zu suchen sind und nur sekundär auf der Seite der Darstellung. Die normativen Mechanismen erleichtern die Entscheidung über die Strafe und kommen dem Wunsch nach ihrer Berechenbarkeit entgegen. 3 Ihre dauerhafte Anwendung im gleichen Maß im Rahmen einer verhältnismäßigen Strafstruktur hat eine vereinheitlichende Wirkung auf die Strafzumessung. 4 Im 5., 6. und 7. Kapitel wurden die Mechanismen im ICC-Statut bereits benannt und bestimmt. In diesem Kapitel werden sie zusammengefasst und anwendungsbezogen konkretisiert.

A. Im Kontext der Entscheidung über die Strafe I. Straftheorie: Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß im Völkerstrafrecht Die Völkerstraftheorie legitimiert und limitiert Strafe und Strafmaß im Völkerstrafrecht. Die Völkerstraftheorie überformt die Rechtsetzung und Rechtsanwendung und gibt damit die großen Leitlinien der Strafentscheidung vor. Sie enthält die ersten Gründe zur Differenzierung und Individualisierung im Gleichheitssatz. Die Völkerstraftheorie bzw. der Einklang der Völkerstraftheorien ist eine der Grundbedingungen der einheitlichen Strafentscheidung. 5 1. Herleitung einer tatproportionalen, normbestätigenden Völkerstraftheorie Die Rechtsquellen des ICC-Statuts belegen Haupt- und Nebenstraftheorien im Völkerstrafrecht. Hauptstraftheorien sind die kommunikative, begrenzende Justdeserts-Theorie und die positive Generalprävention. Nebenstraftheorien sind die positive Spezialprävention und die negative sichernde Spezialprävention. 6 Diese

2 3 4 5 6

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 158 ff. S. 162 ff. S. 167 f. S. 170 ff. S. 491 ff.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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Straftheorien müssen für eine einheitliche Strafzumessung in Einklang gebracht werden. 7 Den Anfang machen die Hauptstraftheorien. Möglich wird ihre Vereinigung im Völkerstrafrecht zunächst durch das Wesen der Strafe, stets mit dem Unwerturteil die Missbilligung strafbewehrten Verhaltens zu kommunizieren; dann durch das Bestreben beider Straftheorien, die Menschenwürde in der Verhältnismäßigkeit der Strafzumessung zu achten; und schließlich durch die Verknüpfung des Völkerstrafrechts mit den Menschenrechten. 8 Begründen die Wesensmerkmale der Hauptstraftheorien – der Zweck und die Gerechtigkeit – getrennt voneinander einen Widerspruch, so können Zweck und Gerechtigkeit zusammengeführt den Widerspruch auflösen. Denn die Normengeltung kann nicht ohne den Rückgriff auf die in der Gerechtigkeit beheimatete Verhältnismäßigkeit begründet werden und die Verhältnismäßigkeit zwischen Unwert / Tadel und Übel nicht ohne den Rückgriff auf Werte oder Normen. 9 Auch die Nebenstraftheorien lassen sich dazu in Einklang bringen. Die positive Spezialprävention durchbricht in Fällen leichterer Kriminalität die tatproportionale Strafe am unteren Ende, ist aber ansonsten auf den Strafvollzug begrenzt, und die negative Spezialprävention verschiebt die Tatproportionalität am oberen Ende. 10 2. Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß Die Zusammenführung der Straftheorien im Völkerstrafrecht zu einer tatproportionalen, normbestätigenden Völkerstraftheorie rechtfertigt die Strafe und das Strafmaß im Völkerstrafrecht. a) Rechtfertigung der Strafe Das „Warum“ der Strafe wird durch das Wesensmerkmal der positiven Generalprävention gerechtfertigt. Strafe im Völkerstrafrecht richtet sich an die Allgemeinheit der Völkergemeinschaft und schafft die Einsicht, dass die rechtlichen (und sozialen) Normen der Völkergemeinschaft trotz der Verletzung des Straftatbestands durch die Straftat weiterhin Bestand haben. Die Unverbrüchlichkeit des Rechts stärkt das Rechtsbewusstsein der Völkergemeinschaft und fördert das Vertrauen in die Völkerrechtsordnung. 11 7

Siehe dazu näher S. 496 ff. Siehe dazu näher S. 497 ff. 9 Siehe dazu näher S. 499 f. 10 Siehe dazu näher S. 500 f. 11 Siehe dazu näher S. 501. 8

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

b) Rechtfertigung des Strafmaßes Das „Wie viel“ der Strafe wird durch den Gedanken der gerechten Normbestätigung und den Gedanken der Tatproportionalität gerechtfertigt. Zusammen begründen beide das Maß des Unwerts der Straftat und das Maß des Übels der Strafe. Ein Mehr an Unwert bedingt dann ein Mehr an Übel, und ein Weniger an Unwert bedingt ein Weniger an Übel. Die Tatproportionalität und die Normbestätigung werden dabei sowohl als begründendes als auch als begrenzendes Prinzip verstanden: Als begründendes Prinzip, da sich eine Strafe, die weder zur Normbestätigung noch zum Ausgleich der Tat vonnöten ist, auch nicht rechtfertigen lässt; als begrenzendes Prinzip, da die Strafe zwar nicht über das für die Normbestätigung und den Ausgleich der Tat Notwendige hinaus verhängt werden darf, sehr wohl aus präventiven Gründen aber unter das für den Ausgleich der Tatproportionalität Notwendige fallen kann. Kann die normbestätigende und tatproportionale Strafe aus Gründen der positiven Spezialprävention unterschritten werden, so kann sie auch aus Gründen der negativen Spezialprävention weiter nach oben verschoben werden. Darin liegt keine Beliebigkeit, denn die Anknüpfung an so unterschiedliche Täter wie einerseits den nicht besserungsfähigen, gefährlichen Straftäter und andererseits den besserungsfähigen Zustandstäter erlauben eine sichere Differenzierung. Auch wird eine derartige Differenzierung im Völkerstrafrecht nicht allzu häufig nötig sein, da beide Tätergruppen im Völkerstrafrecht die Ausnahme bilden. Dass Gedanken der positiven Spezialprävention überhaupt zum Tragen kommen, hat zwei Gründe: Zum einen macht es der Ursprung des Völkerstrafrechts in der Menschenwürde und den Menschenrechten notwendig, auch die Fehlbarkeit des Menschen in die Strafzumessung einzubeziehen. Zum anderen liegt in der kommunikativen Ausrichtung der völkerstrafrechtlichen Straftheorie nicht nur die Missbilligung der Straftat, sondern auch die Anerkennung der Solidarität mit Opfern und Tätern, die nicht nur eine Wiedergutmachung, sondern auch eine Wiedereingliederung gewährleisten muss. 12 Damit ergibt sich bei der Anwendung der Straftheorien eine Abstufung: Im ersten Schritt ist die normbestätigende und tatproportionale Strafe zu bestimmen. Aus der Strafwürdigkeit / dem Unwert der Straftat folgt der Strafwert / das Übel der Strafe. Die Strafwürdigkeit der Straftat wird durch die Anknüpfung an die Bezugspunkte der Strafe bestimmt – zuvorderst an die Tatschwere und zuletzt an die persönlichen Umstände des Straftäters. Nur der Ausgleich zwischen Strafwürdigkeit und Strafwert ist gerecht, der auch präventiv geboten ist, und nur der Ausgleich ist präventiv geboten, der auch gerecht ist. Die Tatproportionalität konkretisiert den Spielraum zwischen der durch die positive Generalprävention gezogenen Obergrenze, ab der Strafe nicht mehr normstabilisierend wirkt, weil 12

Siehe dazu näher S. 501 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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sie als zu scharf empfunden wird und daher Mitleidseffekte erzeugt, und der Untergrenze, ab der Strafe nicht mehr normstabilisierend wirkt, weil sie als zu milde empfunden wird und daher nicht mehr ernst genommen wird, weiter aus. In einem zweiten Schritt kann überlegt werden, ob sich die Strafwürdigkeit / der Unwert der Straftat bei einem ausgewiesen gefährlichen Straftäter, insbesondere bei einem durch einschlägige Vorstrafen belasteten Straftäter, nicht erhöht hat. Dann erweitert sich die gerechte und normbestätigende Strafe weiter nach oben. Liegt eine Gefährlichkeit nicht vor, kann in einem dritten Schritt überlegt werden, ob die gerechte und normbestätigende Strafe nicht aus Gründen der Resozialisierung unterschritten werden kann. II. Strafzumessungsmethode: 6 Schritte Der Widerstreit zwischen Strafzumessungsermessen und Strafzumessungsbindung wird nicht dogmatisch über eine Strafzumessungstheorie, sondern pragmatisch über eine einheitliche Strafzumessungsmethode entschieden. 13 Zwar birgt eine Methode der Strafzumessung keine dogmatischen Aussagen, die als Leitlinien einer normativen Differenzierung dienen könnten, so doch aber einen pragmatischen Ablaufplan, der durch die dauerhafte und gleiche Anwendung die einheitliche Strafzumessung fördern kann. 14 Hat die Strafzumessungstheorie den „Nachteil“, dass sie im Einklang mit den Strafrechts- und Straftheorien stehen muss, um tatsächlich eine einheitliche Wirkung zu entfalten, so hat die Strafzumessungsmethode den „Vorteil“, eine einheitliche Wirkung ohne diesen Bezug herzustellen. Sie fügt sich leichter in die Vereinigung von Haupt- und Nebenstraftheorien im Völkerstrafrecht ein. Das Zusammenspiel der Rechtsquellen ergibt folgende abgestufte Konkretisierung der Strafentscheidung: 1. 1. Schritt: Grenzen der Strafbemessung Die Strafzumessung beginnt mit der Betrachtung des ICC-Statuts. Da die Strafbemessung die Strafentscheidung sowohl legitimiert als auch limitiert, müssen sich die Richter zunächst die für die Strafzumessung relevanten Normen aus Statut und Verfahrensordnung vergegenwärtigen. 15 Das ICC-Statut ordnet für alle Kernverbrechen im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit gemäß Art. 5 ICCStatut die gleichen Strafen an. Die Hauptstrafen des ICC-Statuts sind die zeitige und die lebenslange Freiheitsstrafe (Art. 77 Abs. 1 ICC-Statut). Die zeitige Freiheitsstrafe hat eine Mindeststrafe von einem Jahr und eine Höchststrafe von 30 Jahren. Die zeitige Freiheitsstrafe ist der Grundfall der Freiheitsstrafen (Art. 77 13 14 15

Siehe dazu näher S. 502 ff. Siehe dazu näher S. 172 f. Siehe dazu näher S. 298 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

Abs. 1 lit. (a) ICC-Statut). Die lebenslange Freiheitsstrafe kann hingegen nur ausnahmsweise in Fällen verhängt werden, in denen die Schwere der Straftat und die Umstände des Straftäters dies rechtfertigen (Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICCStatut). In beiden Fällen der Freiheitsstrafe kann das Strafmaß der Freiheitsstrafe später herabgesetzt werden. Bei der zeitigen Freiheitsstrafe ist dies erstmals nach zwei Dritteln der Haftzeit möglich, bei der lebenslangen Freiheitsstrafe nach frühestens 25 Jahren (Art. 110 ICC-Statut i.V. m. §§ 223 ff. ICC-RPE). Zur zeitigen Freiheitsstrafe können die Nebenstrafen der Einziehung des Vermögens und der Verhängung einer Geldstrafe hinzutreten (Art. 77 Abs. 2 ICC-Statut). 2. 2. Schritt: Straftheorienbestimmung Nachdem durch die Strafbemessung die Strafkompetenz umrissen wurde, muss durch die Straftheorie der Grund und der Umfang der Strafe umrissen werden. D. h. der Richter hat sich die Rechtfertigung von Strafe und Strafmaß durch die tatproportionale, normbestätigende Völkerstraftheorie vor Augen zu halten und die Ausnahmen der negativen, sichernden und der positiven Spezialprävention zu beachten. 3. 3. Schritt: Strafwertbestimmung Ist der abstrakte Rahmen der Strafentscheidung durch Strafbemessung und Straftheoriebestimmung gezogen, so schließt sich daran eine erste Bewertung des Strafzumessungsfalls an. Dies geschieht auf der Grundlage der Erkenntnisse der Hauptverhandlung durch eine erste Taxierung des Strafzumessungsfalls anhand der Bezugspunkte der Strafe, also der Tatschwere und der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten, wie sie in den allgemeinen sowie den besonderen Strafzumessungsumständen ihren Niederschlag gefunden haben. Zunächst sind dabei die im konkreten Fall einschlägigen Strafzumessungsumstände in Hinblick auf die Völkerstraftheorie einzugrenzen, dann in Hinblick auf ihre Richtung – d. h. ob sie straferhöhend oder strafmindernd, strafschärfend oder strafmildernd sind – zu bewerten. Schließlich gilt es, die einschlägigen Strafzumessungsumstände zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. 4. 4. Schritt: Strafartwahl Die Strafartwahl (bzw. Strafrahmenwahl) führt die abstrakte Wertung des Statuts, die Völkerstraftheorie und die Strafbemessung, mit der konkreten Wertung des Strafzumessungsfalls, der Strafwertbestimmung, zusammen. Auf dieser Grundlage muss der Richter die angemessene Strafart (bzw. den Strafrahmen) bestimmen. Er muss also entscheiden, ob eine Hauptstrafe in der Form der zeitigen oder lebenslangen Freiheitsstrafe der Schuld angemessen ist und ob bei der

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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Wahl der zeitigen Freiheitsstrafe die Hauptstrafe durch eine Nebenstrafe begleitet werden soll. 5. 5. Schritt: Strafumfangswahl Die Strafumfangswahl entscheidet dann über die eigentliche Strafe. Sie erfolgt auf der Grundlage der Strafwertbestimmung und Strafartwahl durch eine Gesamtbetrachtung der Strafumstände und durch die Umwertung des Strafwertes in die Strafe. Dazu ist insbesondere die horizontale und vertikale Strafstruktur im Völkerstrafrecht zu berücksichtigen. Der konkrete Strafrahmen ist durch den Vergleich mit anderen Strafzumessungsfällen zu gewinnen, ebenso die Einordnung des zu entscheidenden Strafzumessungsfalls in die Strafskala des Straftatbestandes. Der Vergleich geschieht nicht punktgenau, sondern stufengenau. Die Konvention verweist auf einen möglichen Einstieg in den Strafrahmen im unteren Drittel. 6. 6. Schritt: Sonstige Strafentscheidungen Es ist eine Gesamtstrafe zu bilden (Art. 78 Abs. 3 ICC-Statut). Vorherige Haftzeiten sind auf die Strafe anzurechnen (Art. 78 Abs. 2 ICC-Statut). III. Bezugspunkte der Strafe: Schwere der Tat und persönliche Umstände des Straftäters Die Bezugspunkte einer einheitlichen Strafzumessung sind in den Art. 77 ICCStatut i.V. m. § 145 Abs. 1 lit. (a) ICC-RPE verankert. Danach muss die Gesamtheit der Strafe der Schuld des Verurteilten entsprechen. Die Schuld des Verurteilten stellt dabei sowohl die Ober- als auch die Untergrenze der Strafzumessung dar. 16 Auf der Grundlage der hier dargestellten tatproportionalen, normbestätigenden Völkerstraftheorie ist die (strafzumessungsrelevante) Schuld sowohl tatproportional als auch präventiv zuzuschreiben. Konkretisiert wird die Schuld jedenfalls durch die Schwere der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten. Findet dieser Bezug zwar auch seine grundsätzliche Bestätigung in den gewohnheitsrechtlichen Rechtsquellen, so zeugen diese doch von einer Betonung der Tatschwere als Bezugspunkt der Strafe. 17 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze konkretisieren die Tatschwere der Straftat weiter durch den Grad der Schädlichkeit (oder Gefährlichkeit) und das Ausmaß der Verantwortlichkeit. Die Schädlichkeit wird dabei an der Bedeutung des Rechtsguts und dem Grad der Beeinträchtigung des Schutzobjektes des Straftatbestandes gemessen, 16 17

Siehe dazu näher S. 309 f. Siehe dazu näher S. 346 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

das Ausmaß der Verantwortlichkeit an der Art und Weise der Begehung; mithin an der Natur der Straftat, den Umständen der Tatbegehung und dem Maß der Pflichtwidrigkeit. 18 Die Schwere der Tat ist damit zwar Ausgangspunkt der Strafzumessung und bestimmt als solche wesentlich die Abwägung der angemessenen Strafe, sie stellt aber nicht den Endpunkt der Strafzumessungserwägungen dar, die auch von den persönlichen Verhältnissen des Verurteilten geleitet sind. Die Strafzumessung wird dadurch spezialpräventiven Aspekten geöffnet. Umstände der Strafzumessung können dabei sowohl den direkten und indirekten Umständen der Straftat als auch den Umständen des Straftäters entnommen werden. 19 IV. Strafzumessungsumstände Art. 78 Abs. 1 ICC-Statut i.V. m. § 145 Abs. 1 und 2 ICC-RPE enthält die zentralen, bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Strafzumessungsumstände. Diese beziehen sich zum einen auf die Schwere der Straftat, zum anderen auf die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten. Die Gesetzessystematik unterscheidet weiter zwischen allgemeinen Strafzumessungsumständen (§ 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE) und besonderen Strafzumessungsumständen (§ 145 Abs. 2 ICCRPE). 20 Die Strafzumessungsumstände und die Völkerstraftheorie sind miteinander verknüpft. Die Strafzumessungsumstände borgen sich von der Völkerstraftheorie die Legitimation, nämlich die Legitimation, im Gleichheitssatz zu differenzieren und zu individualisieren. Die Völkerstraftheorie entscheidet grundsätzlich über den zu berücksichtigenden Strafzumessungssachverhalt und gibt damit Auswahl und Gewichtung der Strafzumessungsumstände vor. 21 Es bedarf daher hier nicht nur der Zusammenfassung der Strafzumessungsumstände, sondern auch der Verknüpfung der Strafzumessungsumstände mit der zuvor dargestellten Völkerstraftheorie. Generell gilt dabei: Insofern die Strafzumessungsumstände an die Tatschwere, insbesondere die Tathandlung und Tatfolge, anknüpfen, ist dies durch den Just-deserts-Charakter und den positiv-generalpräventiven Charakter der Völkerstraftheorie gedeckt. Im ersten Fall trägt der Gedanke der Tatproportionalität und im zweiten Fall der Gedanke der gerechten Normbestätigung. 22 Darüber hinaus kann der Gedanke der Normbestätigung den Umfang des Strafzumessungsfalls erweitern und damit die

18 19 20 21 22

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dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 504 ff. S. 505 f. S. 310 ff. S. 174. S. 501 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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Auswahl der Strafzumessungsumstände, wenn dies für die Normstabilisierung notwendig ist. 23 Insofern die Strafzumessungsumstände an die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten anknüpfen, ist dies durch die positive Spezialprävention im Rahmen der Völkerstraftheorie gedeckt. Der Straftäter wird als Mensch ernst genommen und seine Fehlbarkeit berücksichtigt. Schwierigkeiten bereitet die Einordnung des Vor- und Nachtatverhaltens. Die Berücksichtigung einschlägiger Vorstrafen deckt sich allerdings mit dem Aspekt der sichernden Spezialprävention im Rahmen der Völkerstraftheorie. Der Umstand, dass der Straftäter sich die Vorverurteilung nicht zur Warnung hat gereichen lassen, kann nämlich als Indiz dafür gelten, dass es sich bei dem Straftäter um einen nicht besserungsfähigen Straftäter handelt. 24 Kommt die erkennende Kammer also zu dem Ergebnis, dass der Straftäter aufgrund seiner Tätereigenschaft für die Völkergemeinschaft gefährlich ist und eine Wiederholung von Völkerverbrechen droht, so kann sie das Strafmaß erhöhen und den Straftäter vor der Völkergemeinschaft sichern. Durch den Bezug zur Vorstrafe wird die Entscheidung über die Gefährlichkeit unter eine fassbarere Prämisse gestellt und der Prognose die Willkürlichkeit genommen. Schwieriger ist die Einordnung des Nachtatverhaltens. Dieses ist nicht direkt mit der Tat verknüpft und daher nicht durch den Gedanken der gerechten Normbestätigung oder den Gedanken der Tatproportionalität ohne Weiteres zu erfassen. Allerdings lassen sich die mit dem Nachtatverhalten verknüpften Umstände, wie die Kooperation mit der Staatsanwaltschaft, das Schuldeingeständnis und die Wiedergutmachung, doch als für die Normstabilisierung notwendige Reaktion begreifen. Das Maß, welches zur Normstabilisierung notwendig ist, ist demnach zwar entscheidend, aber nicht nur durch Tatschwere und persönliche Verhältnisse charakterisiert, sondern eben auch durch die Umstände des Nachtatverhaltens. 25 1. Allgemeine Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 1 lit. (c) ICC-RPE) Die allgemeinen Strafzumessungsumstände werden beispielhaft in §145 Abs.1 lit. (c) ICC-RPE aufgelistet. 26 Die geschriebenen Umstände können durch ungeschriebene Umstände ergänzt werden. 27 Die Anknüpfungspunkte der Tatschwere 23

Vgl. dazu näher Frisch, Straftatsystem und Strafzumessung, S. 19 ff. Vgl. dazu näher Frisch, Umstände der Strafzumessung außerhalb der Tat, S. 218 ff. m.w. N. 25 Vgl. dazu näher Frisch, Straftatsystem und Strafzumessung, S. 15 ff. m.w. N.; Freund, GA (1999), S. 526. 26 Siehe dazu näher S. 310 ff. 27 Siehe dazu näher S. 310 ff. 24

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

und der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten finden sich in den Strafumständen wieder. a) Schwere der Tat aa) Tathandlung, insbesondere Natur der Straftat, Umstände der Begehung und Maß der Pflichtwidrigkeit Die Tathandlung wird durch die Natur der Straftat, die Umstände der Begehung und das Maß der Pflichtwidrigkeit näher konkretisiert. 28 Für die Natur der Straftat ist gewohnheitsrechtlich belegt, dass sie nicht nach einer abstrakten Betrachtung der Verbrechenstatbestände, sondern nach einer konkreten Betrachtung der begangenen Straftat evaluiert wird. 29 Wird theoretisch eine unterschiedliche Schwere der Verbrechen abgelehnt, so wird konkret doch eine unterschiedliche Schwere angenommen. Dabei steht der Völkermord an der Spitze, gefolgt von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Kriegsverbrechen. 30 Die Natur der Völkerverbrechen verdient besondere Aufmerksamkeit bei der Strafzumessung. Denn Völkerverbrechen sind Menschheitsverbrechen. Die Umstände der Tatbegehung geben Einblick in die Beeinträchtigung des Schutzgutes. Je stärker das Schutzgut des jeweiligen Tatbestandes beeinträchtigt wird, desto höher muss die Strafe sein und umgekehrt. 31 Das Maß der Pflichtwidrigkeit ist ein weiterer Umstand, an dem die Tatschwere gemessen werden kann. Auch hier gilt: Je höher die mit der Begehung der Kernverbrechen verbundene Pflichtwidrigkeit ist, desto höher muss die Strafe sein und umgekehrt. 32 Das Maß der Pflichtwidrigkeit wird gewohnheitsrechtlich an der konkreten Beteiligung an der Straftat oder an der Rolle des Straftäters im Kontext des Konflikts gemessen. 33 Gewohnheitsrechtlich ist die Tendenz belegt, den Umständen der Begehung ein höheres Gewicht bei der Strafzumessung einzuräumen als dem Maß der Pflichtwidrigkeit. 34

28 29 30 31 32 33 34

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dazu dazu dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher näher näher

S. 311 f. und 351 ff. S. 351. S. 351. S. 351 ff. S. 311 und 351 ff. S. 351 ff. S. 351 ff.

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bb) Tatfolgen, insbesondere Auswirkung auf das Opfer Die Tatfolgen werden näher durch die verursachten Schäden, die erlittene Unbill der Opfer und ihrer Familien charakterisiert. 35 Durch den makrokriminellen Charakter des Völkerstrafrechts können die Auswirkungen auf die Opfer ganz erheblich sein. Die Auswirkungen auf die Opfer ergeben sich zumindest aus den unmittelbaren Folgen der Tat und können sowohl immaterieller als auch materieller Natur sein. 36 Gewohnheitsrechtlich werden die Auswirkungen für die (direkten) Opfer an ihrer Verletzlichkeit, ihrem Leiden und ihrer Zahl gemessen. Aber auch die Auswirkung der Tat auf nicht direkt betroffene Dritte, d. h. Verwandte und Freunde der Opfer, kann in die Strafzumessung einfließen. 37 b) Persönliche Verhältnisse des Verurteilten: Wirkung der Strafe, Rehabilitation Täterbezogene Merkmale finden ihre Entsprechung in der Aufzählung von Alter, Bildung sowie den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen des Verurteilten. Verweisen Alter und soziale Bedingungen insofern auf die Auswirkung der Strafe auf den Verurteilten, als sie über dessen Strafempfindlichkeit und Strafempfänglichkeit mitentscheiden, so verweisen die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen auf dessen Verwurzelung in der Gemeinschaft, was wiederum Konsequenzen für die rehabilative Auswirkung der Strafe haben kann. Gewohnheitsrechtlich spielen die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten nur eine untergeordnete Rolle. 38 2. Besondere Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 ICC-RPE) Ausgangspunkt der strafschärfenden bzw. strafmildernden Umstände ist § 145 Abs. 2 ICC-RPE. 39 Sind die Umstände strafmildernd, beruhen sie vor allem auf persönlichen Umständen des Verurteilten. Sind die Umstände strafschärfend, beruhen sie vor allem auf tatbezogenen Umständen. Im Gewohnheitsrecht ist belegt, dass strafschärfende Umstände von der Staatsanwaltschaft „beyond reasonable doubt“ und strafmildernde Umstände als „balance of probabilities“ bewiesen werden müssen. 40

35 36 37 38 39 40

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dazu näher S. 312. dazu näher S. 312. dazu näher S. 354. dazu näher S. 312 und 355. dazu näher S. 313 ff. dazu näher S. 355.

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a) Strafmildernde Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 lit. (a) ICC-RPE) Die in § 145 Abs. 2 lit. (a) ICC-RPE aufgeführten strafmildernden Faktoren beziehen sich insbesondere auf solche Umstände, die zwar nicht zum Ausschluss, aber doch zur Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen, oder die das Nachtatverhalten des Verurteilten betreffen. 41 Die Formulierung „such as“ zeigt auf, dass diese beiden genannten Gründe nur beispielhaft und nicht abschließend sind, so dass sie durch ähnliche Gründe ergänzt werden können. Das Gewohnheitsrecht verweist auf solche Umstände. 42 Auswahl und Gewichtung der strafmildernden Umstände stehen im Ermessen der Strafkammern. Die strafmildernden Umstände sind im Einzelnen: aa) Tatverhalten, insbesondere Reduzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Umstände, die zwar nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließen, diese aber reduzieren, können eine Strafmilderung begründen. Ausdrücklich erwähnt die ICC-RPE die Umstände der „duress“ und der „diminished responsibility“, also Umstände, die mit der Begehung der Straftat einhergehen. Diese Milderungsgründe sind gewohnheitsrechtlich bestätigt. 43 bb) Nachtatverhalten, insbesondere Kooperation mit dem Gericht und Wiedergutmachung Das Nachtatverhalten reduziert den Strafwert nur dann, wenn darin eine rechtsfreundliche Gesinnung zum Ausdruck kommt. 44 Ein wichtiges Mittel, während eines laufenden Verfahrens den Strafwert der begangenen Tat zu reduzieren, stellt die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft dar und die darin zum Ausdruck kommende Reue und Einsicht in das begangene Unrecht. 45 Nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen muss die Zusammenarbeit „substanziell“ sein, um strafmildernd berücksichtigt werden zu können. Wann dies der Fall ist, steht im Ermessen der Strafkammern. In der Spruchpraxis wird insbesondere auf die Quantität und Qualität der vom Verurteilten übermittelten Information abgestellt sowie auf die Spontanität und Selbstlosigkeit der Kooperation. 46 Besonders signi41 42 43 44 45 46

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näher näher näher näher näher näher

S. 313 f. S. 313. S. 314 und 357. S. 314. S. 314. S. 357 f.

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fikante Strafmilderungen lassen sich durch ein Schuldeingeständnis vor Gericht erreichen. Dabei kommt einem am Anfang der Verhandlung geäußerten Schuldeingeständnis eine größere Bedeutung zu, als einem während des Verfahrens geäußerten Schuldeingeständnis. Denn Ersteres kann nicht nur der Wahrheitsfindung dienen, sondern spart dem Gericht zusätzlich Zeit und die Mühen einer langwierigen Verhandlung und den Opfern die weitere Belastung durch die Verhandlung, was von den Gerichten regelmäßig mit einem größeren Strafabschlag honoriert wird. 47 Macht der Täter den durch seine Tat verursachten Schaden wieder gut, so kann dies zu einer Strafmilderung führen, wenn der Täter mit der Schadenswiedergutmachung Verantwortung für sein Handeln übernehmen will. cc) Guter Charakter Gewohnheitsrechtlich kann auch der (eigentlich) „gute Charakter“ des Verurteilten zu einer Strafmilderung führen: Von besonderer Bedeutung ist gewohnheitsrechtlich die Unterstützung und Hilfe, die der Straftäter trotz der Straftat unbeteiligten Personen, aber auch Gefangenen und Opfern gewährt. Ferner kann sich eine Milderung aus dem Verhalten nach dem Konflikt ergeben, wenn dieses z. B. als Ausdruck von Reue und Abkehr von den begangenen Straftaten zu werten ist. 48 Überhaupt wird in der Regel aufrichtige Reue und der Umstand, dass der Straftäter sich den Strafverfolgungsbehörden freiwillig gestellt hat oder aber keine Vorstrafen hat, ebenfalls strafmildernd bewertet. Gleiches gilt auch für gutes Benehmen in der Haft. 49 dd) Individuelle Umstände des Verurteilten Ebenfalls sind gewohnheitsrechtlich auch die besonderen individuellen Umstände des Verurteilten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Diese Umstände können insbesondere in der Familie, dem Alter und mit Einschränkung in der Gesundheit des Verurteilten ihren Ursprung haben. 50 b) Strafschärfende Strafzumessungsumstände (§ 145 Abs. 2 lit. (b) ICC-RPE) Die strafschärfenden Umstände sind benannt und unbenannt. § 145 Abs. 2 lit. (b) ICC-RPE listet in den Ziffern (i) bis (v) die benannten Umstände auf. Ziffer (vi) stellt den benannten Umständen unbenannte Umstände gleich, so47 48 49 50

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dazu näher S. 358. dazu näher S. 358. dazu näher S. 358 f. dazu näher S. 359.

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lange die in Betracht gezogenen weiteren Umstände ihrer Natur nach jenen in den Ziffern (i) bis (v) genannten Umständen entsprechen. 51 Auswahl und Gewichtung der strafschärfenden Umstände stehen im gebundenen Ermessen der Strafkammern. Die strafschärfenden Umstände sind im Einzelnen: aa) Vorstrafen Vorstrafen können gemäß § 145 Abs. 2 lit. (b) Ziff. (i) ICC-RPE die Strafe schärfen. Vorstrafen können dabei als Teil der Tatschwere der erneut zu verurteilenden Straftat angesehen werden, denn die mit der Vorstrafe verbundene Warnung hat der Täter durch die erneute Tatbegehung ignoriert und so den Strafwert der zu verurteilenden Straftat erhöht. 52 Entsprechend seiner Jurisdiktion berücksichtigt das ICC-Statut nur solche Vorstrafen, die auch wegen der Kernverbrechen verhängt wurden oder aber von gleicher Natur sind. 53 bb) Besondere Umstände der Begehung, insbesondere Grausamkeit der Ausführung und besondere Wehrlosigkeit des Opfers Tathandlung und Tatfolgen standen schon im Zentrum der allgemeinen Strafzumessungsgründe. Die besondere Grausamkeit der Ausführung bzw. die besondere Wehrlosigkeit des Opfers erhöht die Tatschwere. Dementsprechend muss auch die Strafhöhe weiter steigen. Die Natur der Völkerverbrechen als Menschheitsverbrechen kommt auch hier zum Tragen. 54 Die Tatschwere erhöht sich ebenfalls durch sonstige Umstände der Begehung, in denen sich eine erhöhte kriminelle Energie ausdrückt. So kann die ausgedehnte Tatbegehung strafschärfend sein, die besonders eifrige und begeisterte Beteiligung an der Straftat, die besonders gewalttätige, für die Opfer beschämende oder sexuell erniedrigende Begehung. Generell können alle Umstände berücksichtigt werden, die der Straftat einen besonderen Unwertgehalt geben. 55 Die Tatschwere erhöht sich auch bei besonderen Folgen der Straftat für die Opfer. Je stärker die Opfer durch die Straftat beeinträchtigt sind, desto eher wird eine Strafschärfung anzunehmen sein. Eine besondere Beeinträchtigung ist insbesondere bei leicht verwundbaren bzw. verletzbaren Opfern möglich, sei es dass die Opfer jung oder besonders alt sind. Die Tatschwere erhöht sich aber auch, wenn die Opfer besonders zahlreich oder überlebende Opfer besonders traumatisiert sind. 56 Umstände der Tathandlung und der 51 52 53 54 55 56

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dazu dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher näher

S. 314. S. 314. S. 315. S. 315. S. 361 f. S. 362.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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Tatfolge können also im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsumstände als straferhöhend zu berücksichtigen sein oder im Rahmen der besonderen Strafzumessungsumstände als strafschärfend. Wie ist die Wahl zu treffen? Die einfachen Umstände sind nur straferhöhend, hingegen die „besonderen“ Umstände strafschärfend. Nur wenn die Sanktionsschwelle der „Besonderheit“ überschritten ist, kann ein Umstand die Strafe schärfen. cc) Diskriminierende Tatbegehung Die diskriminierende Tatbegehung kann ebenfalls strafschärfend sein. Das Völkerstrafrecht dient im besonderen Maße dem Schutz der Menschenrechte. Die Menschenrechte verweisen auf die Gleichheitsrechte mit dem Gebot der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung. Die Strafschärfung einer Tat aufgrund von diskriminierenden Motiven gemäß des Art. 21 Abs. 3 ICCStatut entspricht daher der Natur des Völkerstrafrechts. 57 dd) Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung Entsprechend der makrokriminellen Natur der Völkerrechtsverbrechen legt das eigene Recht des ICC ein besonderes Augenmerk auf die hierarchische Stellung des Straftäters im gesellschaftlichen Gefüge. Straftäter am oberen Ende der Hierarchie sind in der Regel die Führungstäter. Sie tragen die Verantwortung für die gesamtgesellschaftliche Situation. Missbrauchen die Führungstäter ihre Verantwortung zur Störung der gesellschaftlichen Situation, legen sie den Grundstein für die Makrokriminalität. Wer den Boden für Menschheitsverbrechen bereitet, steht in einer besonderen strafrechtlichen Verantwortung. Diese Verantwortung kann zu einer Schärfung der Strafe führen. 58 Nutzt der Straftäter darüber hinaus bei der Straftat das Vertrauen der Opfer in seine offizielle Stellung oder die von ihm vertretene Institution besonders aus, schärft dies die Strafe weiter, denn diese Straftaten zeugen von einer erhöhten kriminellen Energie des Straftäters. 59 Dem Gedanken der politischen Makrokriminalität entsprechend belegen gewohnheitsrechtliche Rechtsquellen, dass der Missbrauch einer Machtposition oder offiziellen Stellung durch den Täter nicht nur auf militärische und politische Strukturen beschränkt ist, sondern sich auch aus der Ausnutzung einer besonderen Stellung in Wirtschaft, Religion oder Medien ergeben kann. 60

57 58 59 60

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dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher

S. 315 und 360. S. 315. S. 361. S. 361.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

ee) Vergleichbare Strafzumessungsumstände Diese Auflistung der Umstände ist nicht abschließend, so dass weitere äußere (vor der Begehung und bei der Begehung) und innere Umstände (bei der Begehung) strafschärfend sein können, wenn deren Unrechtsgehalt bzw. „nature“ den gleichen Grad erreicht wie die aufgelisteten Umstände. 61 c) Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände zur Bestimmung besonderer, strafschärfender Strafzumessungsumstände? Die Formulierung am § 145 Abs. 1 ICC-RPE verweist auf die allgemeinen Strafzumessungsumstände. Diese können sowohl zulasten als auch zugunsten des Verurteilten gewichtet werden, nicht aber strafschärfend oder strafmildernd sein. Die strafmildernden und strafschärfenden Umstände nennt erst § 145 Abs. 2 ICCRPE. Die Liste der strafmildernden Umstände ist beispielhaft, die Liste der strafschärfenden Umstände abschließend. Ein Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände, um besondere, strafmildernde Umstände zu begründen, ist möglich. Ein Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände, um besondere, strafschärfende Umstände zu begründen, hingegen nicht. 62 3. Berücksichtigung der Strafzumessungsumstände Bei der Berücksichtigung von Strafzumessungsumständen können Strafrahmenverschiebungen auftreten, zwar nicht bei für den Straftäter günstigen Umständen, aber doch bei für den Straftäter ungünstigen Umständen. Denn die Umstände zulasten des Straftäters können den Strafrahmen von einer zeitigen Freiheitsstrafe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verschieben (§ 145 Abs. 3 ICCRPE). Es ist somit entscheidend, ob die zu berücksichtigenden Umstände als allgemeine, straferhöhende bzw. als besondere, strafschärfende Umstände einer zeitigen Freiheitsstrafe berücksichtigt werden oder aber als besondere, strafschärfende Umstände die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe begründen. Die Entscheidung für die Berücksichtigung der Umstände an der einen oder anderen Stelle muss daher besonders sorgfältig getroffen und in der Darstellung des Urteils begründet werden. 63

61 62 63

Siehe dazu näher S. 316. Siehe dazu näher S. 316 f. Siehe dazu näher S. 317.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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4. Tatbestandliche oder außertatbestandliche Strafzumessungsumstände Welche Strafzumessungsumstände darf das Gericht bei der Strafzumessung nunmehr berücksichtigen? Gewohnheitsrechtlich relevant für das ICC ist der Charged-offense-Ansatz, dem zufolge nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die im Zusammenhang mit den angeklagten Straftaten stehen, so dass Umstände nicht angeklagter Straftaten selbst im Falle derselben prozessualen Tat nicht berücksichtigt werden dürfen. Relevant ist dies insbesondere für straferhöhende und strafschärfende Umstände, die nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie mit der angeklagten Straftat zusammenhängen, zweifellos im Sinne eines „beyond reasonable doubt“ bewiesen sind, der Angeklagte sie kennt und die Möglichkeit zur Verteidigung hatte. Hingegen gilt dies nicht für strafmindernde und strafmildernde Umstände. Diese müssen nur mehr wahrscheinlich als unwahrscheinlich sein im Sinne einer „balance of probabilities“ und können auch aus Umständen entnommen werden, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Tat und der Anklage stehen. 64 5. Doppelverwertungsverbot Die Rechtsquellen belegen ein Doppelverwertungsverbot. Zunächst zwar nicht ausdrücklich im eigenen Recht des ICC, so aber doch in den gewohnheitsrechtlichen Rechtsquellen. 65 Das Doppelverwertungsverbot wirkt sich auf die Merkmale des Straftatbestandes und auf die strafbestimmenden Umstände aus: Auf die Merkmale des Straftatbestandes, da die Tatbestandsmerkmale mit der Strafdrohung abschließend den Rahmen der Strafe vorgeben; auf die strafzumessungsrelevanten Umstände, da diese den Strafrahmen näher ausfüllen. Ein tatbestandliches Verhalten darf nicht über die Bestimmung des gesetzlichen Tatbestands hinaus bei der Strafzumessung berücksichtigt werden und ein im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigender Umstand nicht zusätzlich den gesetzlichen Tatbestand ausfüllen. V. Verhältnismäßigkeit und Graduierung: Horizontale und vertikale Strafstruktur Das Völkerstrafrecht ist über die Menschenrechte mit dem Gleichheitssatz verbunden. Der Gleichheitssatz verweist auf ein Ins-Verhältnis-Setzen der Strafe. Die Strafzumessung muss also verhältnismäßig sein. 66 Die Verhältnismäßigkeit 64 65 66

Siehe dazu näher S. 318, 362 f. und 505 f. Siehe dazu näher S. 363 f. Siehe dazu näher S. 67 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

besteht zwischen Strafwürdigkeit und Strafwert. Strafwürdigkeit und Strafwert können nur dann dauerhaft im gleichen Maß ins Verhältnis gesetzt werden, wenn es eine Graduierung gibt, die das einheitliche Abtragen von Strafwürdigkeit und Strafwert ermöglicht. 67 Dazu ist eine Strafstruktur vonnöten, die sich auf horizontaler Ebene zwischen den Straftatbeständen und auf vertikaler Ebene innerhalb eines Straftatbestandes erstreckt. 68 1. Verhältnismäßige Strafzumessung Die Strafe am ICC ist verhältnismäßig zuzumessen. Schon das eigene Recht des ICC verweist auf das Ins-Verhältnis-Setzen von Strafart und Strafdauer: Ausdrücklich der Wortlaut des Art. 76 Abs. 1 ICC-Statut, der die Verhängung einer angemessenen Strafe verlangt, und der Wortlaut des Art. 81 Abs. 2 lit. (a) i.V. m. 83 Abs. 3 ICC-Statut, der es erlaubt, eine unverhältnismäßige Strafe aufzuheben. Deutlich auch die Systematik der Sanktionsschwellen, die ein Ins-VerhältnisSetzen fordern, wenn sie für die lebenslange Freiheitsstrafe verlangen, dass diese durch die außergewöhnliche Schwere des Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten gerechtfertigt sein muss (Art. 77 Abs. 1 lit. (b) ICCStatut), und für die Geldsstrafe, dass diese nur dann verhängt werden kann, wenn die Freiheitsstrafe allein nicht angemessen ist, und dann nur in angemessener Höhe (§ 146 Abs. 1 und 2 ICC-RPE). 69 2. Horizontale Strafstruktur Die Rechtsquellen des ICC-Statuts differenzieren im Sanktionssystem. Erste Ansätze dazu zeigen sich schon im eigenen Recht des ICC. Droht Art. 77 ICCStatut zwar noch unterschiedslos für alle Kernverbrechen die gleichen Hauptund Nebenstrafen an, unterscheiden die Art. 124 ICC-Statut und Art. 33 Abs. 2 ICC-Statut zwischen Kriegsverbrechen auf der einen Seite und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord auf der anderen Seite. 70 Bestätigt wird dieser Ansatz im betrachteten Völkergewohnheitsrecht. Insbesondere die Spruchpraxis belegt, dass Urteile aufgrund von Völkermord harscher ausfallen als jene wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und diese wiederum harscher sind als die Verurteilungen wegen Kriegsverbrechen. 71 Behandeln die Rechtsquellen des ICC-Statuts die Kernverbrechen aber differenziert, so eröffnet dies die Möglichkeit einer auch horizontal ausgerichteten Strafstruktur, die sich diese 67 68 69 70 71

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 167 f. S. 167 f. S. 318 f. S. 319 f. S. 366 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

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Unterschiede zunutze macht und eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Straftatbeständen herstellt. In der Rechtsvergleichung ist die horizontale Strafstruktur zum einen mit den unterschiedlichen Strafrahmen und damit dem Unwert der Straftatbestände verknüpft, zum anderen auch mit den Strafen in unterschiedlichen Straffällen. 72 Der erste Ansatz ist nicht auf das ICC-Statut übertragbar, da es dort an unterschiedlichen Strafrahmen fehlt. Der zweite Ansatz ist hingegen übertragbar, da sich die Straftatbestände unterscheiden lassen und in Straffällen differenziert werden kann. Straffälle können sowohl gedanklich erschließbare als auch praktisch vorkommende Fälle sein. Jedenfalls erfolgt der Vergleich anhand einer Vielzahl von Fällen (gegebenenfalls eingeteilt in Fallgruppen), mittels deren Strafmuster man sich der horizontalen Strafstruktur zwischen den Straftatbeständen annähern kann. 73 3. Vertikale Strafstruktur Eine vertikale Strafstruktur sucht man im eigenen Recht des ICC vergeblich. Die Strafrahmen sind einerseits mit der lebenslangen Freiheitsstrafe zu überbestimmt und andererseits mit der zeitigen Freiheitsstrafe von einem bis zu 30 Jahren zu unterbestimmt. 74 Eine Konkretisierung der vertikalen Strafstruktur durch Vergleiche mit anderen Strafzumessungsfällen des gleichen Straftatbestands erfährt nur zurückhaltende Unterstützung in den gewohnheitsrechtlichen Rechtsquellen. Vielmehr wird der Individualisierung der Strafe Vorrang vor der Gleichheit der Strafe eingeräumt (auch wenn beide Aspekte zur Gleichbehandlung gehören). Die Leitlinienfunktion vergleichbarer Strafzumessungsfälle wird aber zugestanden. 75 Eine Konkretisierung erfährt die vertikale Strafstruktur in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. In den Rechtsordnungen spiegelt die Höchststrafe den Höchstgrad an Strafwürdigkeit und die Mindeststrafe den Mindestgrad an Strafwürdigkeit wider. Der Mindest- bzw. Höchstgrad an Strafwürdigkeit hat dabei seine Entsprechung nicht in einem Strafzumessungsfall, sondern in einem Spektrum von Strafzumessungsfällen. So kann die Höchst- und Mindeststrafe einfacher bestimmt werden, denn sie muss nicht durch einen punktgenauen Bezug bestimmt werden, sondern nur durch einen Bezug in einem Von-bisRahmen, und der zu entscheidende Strafzumessungsfall muss sich dem schwersten bzw. leichtesten Strafzumessungsfall nur annähern, nicht aber der schwerste bzw. leichteste Strafzumessungsfall sein. Weiter werden die Strafwürdigkeit und der Strafwert in Stufen auf der Strafskala abgetragen. Dies fördert die Hand72 73 74 75

Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu näher S. 506 f. dazu näher S. 506 f. dazu näher S. 320 f. dazu näher S. 367 ff.

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2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

habbarkeit der Entscheidung, da der Strafzumessungsfall (bzw. seine Strafwürdigkeit) nicht mit jedem denkbaren Punkt auf der Strafskala des Strafrahmens (gedanklich) abgeglichen werden muss, sondern nur mit einzelnen Stufen. Die eigentliche Einteilung der vertikalen Strafstruktur erfolgt ebenfalls durch den Vergleich mit anderen Strafzumessungsfällen. Diese können bereits entschiedene oder gedankliche Strafzumessungsfälle sein. Die Einteilung der Strafskala in Stufen ermöglicht den Vergleich mit anderen in Stufen eingeteilten Fällen. 76 Damit gibt es nicht die zutreffende Strafe, wohl aber den Rahmen einer zutreffenden Strafe. Insofern drückt sich eine einheitliche Strafzumessung nicht in der exakten Strafzahl, sondern in der einheitlichen Anwendung der Strafskala aus. 77 4. Einstieg in den Strafrahmen Von zentraler Bedeutung für eine einheitliche Strafzumessung ist die Einordnung des Strafzumessungsfalls in den Strafrahmen eines Straftatbestandes. Letztlich müssen dazu zwei Überlegungen in Übereinstimmung gebracht werden: Zum einen muss der Strafwert dieses Ausgangspunktes auf der Strafskala definiert werden, indem eine Strafzahl oder ein Strafzahlbereich benannt wird. Zum anderen muss dem Strafwert durch eine vergleichende Betrachtung ein Grad an Strafwürdigkeit zugeordnet werden. Das eigene Recht des ICC bestimmt die Mindest- und Höchststrafe von Haupt- und Nebenstrafen. Eine Einstiegsstelle auf der Grundlage eines Strafwerts wird im eigenen Recht des ICC nicht genannt. 78 Es liegt aber in der Natur einer Skala mit einem Anfang und einem Ende, dass ein gegebener Ausgangspunkt der Bewertung auf jedem Punkt der Skala liegen kann. Der Einstieg in den Strafrahmen über einen Strafwert ließe sich zwar durch die mathematische Mitte von Mindest- und Höchststrafe bestimmen, die dadurch gewonnene Differenzierung wäre bei der Weite des Strafrahmens des ICC aber nur sehr gering. Die Rechtvergleichung belegt einen Einstieg in den Strafrahmen durch den Vergleich mit der typischen Strafwürdigkeit. 79 Da dieser Vergleich auf der Grundlage des Grads der Schädlichkeit und des Ausmaßes der Verantwortlichkeit erfolgt, entscheidet letztlich deren Konkretisierung über die Verankerung des Strafwerts. Dabei ist ein Einstieg in den Strafrahmen im unteren Drittel des Strafrahmens denkbar, letztlich ist dieser aber durch die Vertragsstaaten von Rom zu setzen. 80

76 77 78 79 80

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dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 488 f. und 507. S. 167 f. S. 321. S. 370 f. S. 507 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

533

B. Im Kontext der Entscheidungssituation im Strafprozess I. Strafzumessungsinformation im Prozess Das eigene Recht des ICC lässt die Entscheidung über Strafe und Strafbarkeit sowohl in einem Verfahren (argumentum e contrario Art. 76 Abs. 2 ICCStatut) als auch in zwei Verfahren (Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut) zu. Demnach ist die Möglichkeit eröffnet, am konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob eine einheitliche Strafzumessung die Entscheidung in einem oder in zwei Verfahren notwendig macht. Diese Flexibilität wird der Komplexität von Entscheidung und Entscheidungssituation gerecht. Ist für die Entscheidung auch kein bestimmter Zeitpunkt im Statut vorgesehen, so ist spätestens im Fall der Verurteilung eine Strafzumessungsanhörung durch die Hauptverfahrenskammer anzuberaumen oder durch die Beteiligten zu beantragen. Dem Angeklagten ist ein solcher Antrag schon zu Anfang der Verhandlung zu raten, da ein zweiaktiges Verfahren am besten seine Rechte wahrt. 81 Im Fall eines Schuldeingeständnisses ist in einem einaktigen Verfahren zu verhandeln, da es in diesem Fall keiner strikten Trennung zwischen Schuldeingeständnis und Strafzumessungsanhörung bedarf, weil der Angeklagte die Strafbarkeit schon eingeräumt hat und so über die Strafe unbelastet entschieden werden kann. 82 Art. 76 Abs. 2 ICC-Statut ist in den Fällen eines Schuldeingeständnisses (guilty plea) gemäß Art. 64 Abs. 8 lit. (a) ICC-Statut nicht anwendbar. Vielmehr wird auf das Verfahren nach Art. 65 ICC-Statut verwiesen. Dieser enthält aber keine ausdrückliche, sich auf das Vorbringen der Strafzumessungstatsachen beziehende Regelung. Auch lässt sich eine solche Annahme nicht aus dem Wortlaut des Art. 65 Abs. 5 a. E. ICC-Statut ziehen. Sinn und Zweck des Verweises kann es aber nicht sein, gerade im Verfahren nach einem Geständnis ein Vorbringen von Strafzumessungstatsachen zu unterbinden. Denn gerade in einem solchen Verfahren ist neben der Wirksamkeit des Geständnisses die Strafzumessung Dreh- und Angelpunkt. Der Verweis kann daher nur so verstanden werden, dass sich eine gesonderte Anhörung nicht – wie im normalen Verfahrensablauf – anschließen kann bzw. soll, sondern dass nach der Entscheidung über die sonstigen Voraussetzungen des Art. 64 Abs. 8 lit. (a) i.V. m. Art. 65 ICC-Statut unmittelbarer mit der Vorbringung und Bewertung der Strafzumessungsfragen begonnen werden kann. Es bedarf keiner strikten Trennung zwischen Schuldeingeständnis und Strafzumessungsanhörung, da der Angeklagte die Strafbarkeit schon eingeräumt und so bewusst auf sein Recht aus dem Nemo-tentur-Prinzip verzichtet hat.

81 82

Siehe dazu näher S. 321 f. Siehe dazu näher S. 322.

534

2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

II. Richtlinienurteile Ein weiterer Mechanismus zur einheitlichen Strafzumessung ist das Richtlinienurteil. Der Vorteil von Richtlinienurteilen liegt darin, dass sie den Richtern eine Führung an die Hand geben und flexibel und praxisnah genug sind, um einen Ausgleich zwischen Gleichheit und Individualisierung der Strafe zu erreichen. 83 Den Rechtsquellen des ICC-Statuts lassen sich nur indirekte Aussagen zu einer möglichen Anwendung von Richtlinienurteilen entnehmen. Schweigen die Statuten des ICC und der Ad-hoc-Gerichtshöfe, so können der Spruchpraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe zumindest Aussagen zur Berücksichtigung von Strafmustern entnommen werden. Nach der Spruchpraxis müssen die Kammern ein Strafmuster zwar zur Kenntnis nehmen, sind dadurch aber nicht gebunden. 84 Strafmuster bilden den Kern von Richtlinienurteilen und sind Ausgangspunkt für die Schaffung von Richtlinienurteilen. Sind Strafmuster in den Rechtsquellen des ICC-Statuts anerkannt, so kann das ICC auch auf Richtlinienurteile zurückgreifen. Richtlinienurteile können somit mögliche Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung sein. III. Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien Strafzumessungskommissionen und Strafzumessungsrichtlinien haben je nach Aufgabe der Kommission und Bindungswirkung der Richtlinie unterschiedliche Auswirkungen auf die Strafzumessungsentscheidung. 85 Der Nutzen für eine einheitliche Strafzumessung hängt von der Fähigkeit der Strafzumessungsrichtlinie ab, einen angemessenen Ausgleich zwischen Gleichheit und Individualisierung der Strafe herzustellen. Kann dem eigenen Recht des ICC weder das Gebot noch das Verbot zur Gründung einer Strafzumessungskommission oder zum Erlass einer Strafzumessungsrichtlinie entnommen werden, so belegt das Völkergewohnheitsrecht in der Spruchpraxis der Ad-hoc-Gerichtshöfe die ausdrückliche Ablehnung von Strafzumessungsrichtlinien (und damit implizit die Ablehnung von Strafzumessungskommissionen, die die Strafzumessungsrichtlinien erlassen müssten). 86 Nach der Spruchpraxis ist der Strafzumessungsvorgang zum einen zu sehr an den Einzelfall gebunden, um in eine einheitliche Strafzumessungsrichtlinie gepresst werden zu können, und zum anderen ausreichend durch die gesetzlichen Vorgaben bestimmt, als dass es eine weiteren Bestimmung durch Strafzumessungsrichtlinien bedürfe. 87 Das ICC kann somit zur Vereinheitlichung 83 84 85 86 87

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 180 f. S. 322 f. und 372 f. S. 181 ff. S. 323 und 373 f. S. 373 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

535

der Strafe nicht auf die Bildung von Strafzumessungskommissionen und auf Strafzumessungsrichtlinien zurückgreifen.

C. Im Kontext der Darstellung der Strafentscheidung I. Begründungspflicht und -umfang Auch wenn die Darstellung der Strafe durch die Begründung im Urteil mit der Herstellung der Strafe durch den Entscheidungsprozess nicht deckungsgleich ist, dient die darstellende Begründung doch der Vereinheitlichung der Strafzumessung. Denn sie lässt überhaupt erst erkennen, ob das Recht bei der Strafzumessung auch gewahrt wurde, und führt dem Richter die inneren Vorgänge der Strafentscheidung vor Augen (bewusste Strafentscheidung). Hinzu kommt, dass die Darstellung der Strafe Öffentlichkeit schafft und Druck erzeugt, das Recht auch dauerhaft einzuhalten (transparente Strafentscheidung). Entscheidend ist aber, dass nur die Darstellung die Möglichkeit bietet, die Strafzumessung durch eine höhere Instanz auf Tatsachen- oder Rechtsfehler hin zu überprüfen (Überprüfbarkeit der Strafentscheidung). Je strenger diese Begründungspflicht ausgestaltet ist, desto mehr engt sie die Strafentscheidung ein und leistet damit einen Beitrag zur einheitlichen Strafzumessung. 88 Wortlaut und Systematik von Art. 74 Abs. 5 S. 1 ICC-Statut und Art. 76 Abs. 1 ICC-Statut verweisen auf die Pflicht zur Begründung (der Schuldfeststellung und) der Straffeststellung. Die Straffeststellung muss dabei schriftlich, vollständig und begründet ergehen. Die Schriftlichkeit ist notwendig, da ansonsten die Begründung nicht Grundlage für die Überprüfung der Strafentscheidung durch eine höhere Instanz sein kann. Die Vollständigkeit und Begründetheit der Darstellung dient der Überprüfbarkeit der Strafentscheidung und fördert eine bewusste und transparente Strafentscheidung. Da die Überprüfbarkeit der Strafentscheidung wesentlich anknüpft an Verfahrensfehler, Tatsachenfehler, fehlerhafte Rechtsanwendungen und die erhebliche Unverhältnismäßigkeit der Strafentscheidung, müssen sich nicht nur das Verfahren aus dem Protokoll, sondern auch die Tatsachen und das Recht, aber auch die Verhältnismäßigkeit der Strafentscheidung aus dem Urteil herauslesen lassen. Die Darstellung der Strafentscheidung muss dabei so eng wie möglich der Herstellung der Strafentscheidung folgen. Die Herstellung hängt aber insbesondere von den Straftheorien, den Anknüpfungspunkten, den allgemeinen und besonderen Strafzumessungsumständen und deren ausdifferenzierter Gewichtung ab. Auf diese muss sich dann auch die vollständige und begründete Darstellung erstrecken. 89

88 89

Siehe dazu näher S. 186 ff. Siehe dazu näher S. 323 f.

536

2. Teil: Mechanismen einer einheitlichen Strafzumessung

II. Strafzumessung in der richterlichen Kontrolle Die Regelungen zum Berufungsverfahren im ICC-Statut (8. Teil des ICC-Statuts) fördern eine einheitliche Strafzumessung, indem durch sie beide Aspekte der Gleichbehandlung zum Tragen kommen: Zum einen wahren die Regelungen die Entscheidung und Entscheidungssituation für die Richter der Hauptverfahrenskammer und ermöglichen damit eine Individualisierung der Strafe, zum anderen heben sie erhebliche Ungleichheiten auf und lassen den Gerichten damit eine Orientierung in Fragen der Strafzumessung zukommen. 90 In dem Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Rechtswahrheit erlaubt das Recht des ICC eine Aufhebung des Urteils der Hauptverfahrenskammer zunächst einmal nur auf der Grundlage, dass das Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafmaß unverhältnismäßig (Art. 81 Abs. 2 lit. (a) ICC-Statut) ist, oder, wie es Art. 83 Abs. 3 ICC-Statut formuliert, „das Strafmaß in keinem Verhältnis zum Verbrechen steht“. Damit markiert zunächst die Unverhältnismäßigkeit (nicht die Verhältnismäßigkeit) die Grenze zwischen dem Entscheidungsspielraum der Hauptverfahrenskammer und der Berufungskammer. Unterhalb dieser ersten Grenze ermöglicht es der Umweg über den Schuldspruch, den Strafspruch auch anhand von Verfahrensfehlern, fehlerhaften Tatsachenfeststellungen und fehlerhaften Rechtsanwendungen auf seine Rechtsmäßigkeit zu überprüfen (Art. 81 Abs. 2 lit. (b) ICC-Statut). Aufheben lässt sich ein Urteil erster Instanz aber nur, wenn der Strafspruch (und das Urteil) „wesentlich beeinträchtigt wurde“ (Art. 83 Abs. 2 Hs. 2 ICCStatut). Wesentlichkeit bedingt neben der Ursächlichkeit des Fehlers für die Entscheidung des Gerichts auch eine gewisse Erheblichkeit des Fehlers. Durch diese Voraussetzungen wird das Verhältnis zwischen der Entscheidungskompetenz der Hauptverfahrenskammer auf der einen Seite und der Berufungskammer auf der anderen Seite austariert. Denn die Beschränkung auf eine „wesentliche“ Fehlerkontrolle erkennt zum einen die größere Nähe der Hauptverfahrenskammer zum Strafzumessungsfall an und wahrt die darauf beruhende Entscheidungskompetenz, zum anderen ermöglicht die Fehlerkontrolle dennoch eine gewisse Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch die Überprüfung des Urteils durch die Berufungskammer. Gleiches gilt für einen möglichen Angriff auf den Strafausspruch wegen der „Unfairness“ des Verfahrens. Auch dieser Angriff wahrt die Entscheidungskompetenz der Hauptverfahrenskammer, indem als unfair qualifiziert wird, was „die Verlässlichkeit des Urteils oder des Strafausspruchs beeinträchtigt“ (Art. 81 Abs. 1 lit. (b) Ziff. (iv) i.V. m. Art. 83 Abs. 2 Hs. 1 ICC-Statut). Im Übrigen mag diese Rüge als eine Art Auffangtatbestand gelten, mit Hilfe dessen ganz beson90

Siehe dazu näher S. 188 f.

8. Kap.: Zusammenfassung im ICC-Statut

537

ders die Uneinheitlichkeit des Strafzumessung gerügt werden kann. Denn die Begriffe „fair“ bzw. „unfair“ verweisen auf die Gerechtigkeit und damit auf den Gleichheitssatz, nach dem eine Strafe dauerhaft im gleichen Maß zugemessen werden muss. 91

91

Siehe dazu näher S. 324 ff.

3. Teil

Ausblick Die Zusammenfassung im 8. Kapitel hat mit den Mechanismen der einheitlichen Strafzumessung im ICC-Statut die Anwendungsbedingungen für eine einheitliche Strafzumessung in den Rechtsquellen des ICC-Statuts dargestellt. Zentrale Anwendungsbedingung für eine einheitliche Strafzumessung ist eine verhältnismäßige und graduierte Strafstruktur. Die Grundlagen einer solchen Strafstruktur wurden bereits in den vorherigen Kapiteln gelegt. Der Entwurf einer konkreten Strafstruktur steht noch aus. Zum Schluss wagt daher das 9. Kapitel den Entwurf einer möglichen Strafstruktur für das ICC und versucht damit, einen Rahmen für das Maß der Strafe bzw. das Messen der Strafe am ICC zu skizzieren.

9. Kapitel

Strafstruktur für das ICC In den Rechtsquellen konnte eine Vielzahl von Straftheorien belegt werden. Diese Straftheorien ließen sich zunächst in Haupt- und Nebenstraftheorien unterscheiden und dann zu einer völkerstrafrechtlichen Straftheorie verdichten. Die Völkerstraftheorie vereinigt den Zweck der positiven Generalprävention und die Gerechtigkeit der kommunikativen Just-deserts-Theorie, denn die Normengeltung kann nicht ohne den Rückgriff auf die in der Gerechtigkeit beheimatete Verhältnismäßigkeit begründet werden und die Verhältnismäßigkeit zwischen Unwert / Tadel und Übel nicht ohne den Rückgriff auf Werte oder Normen. Eine Völkerstraftheorie ist Ausdruck der kollektiv gebildeten und objektivallgemein gedachten Werte der Völkergemeinschaft. 1 Diese Werte können sich ändern, so dass sich auch die hier dargerstellte Völkerstraftheorie ändern kann. Das Völkerstrafrecht ist aber fest mit den Menschenrechten und der Menschenwürde verwoben. 2 Diese zwingen dazu, dass die Strafwürdigkeit des Straffalls und der Strafwert des Strafzumessungsfalls zueinander ins Verhältnis gesetzt 1 2

Siehe dazu näher S. 79 ff. Siehe dazu näher S. 55 ff.

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

539

werden. 3 Mit anderen Worten: Unabhängig davon, wie die Rechtfertigung der Strafe im Völkerstrafrecht erfolgt, muss die Rechtfertigung des Strafmaßes im Völkerstrafrecht immer die Verhältnismäßigkeit von Unwert und Strafe wahren. Die Frage ist nun, wie die Anforderung der Verhältnismäßigkeit umzusetzen ist bzw. bei der Strafzumessung gewahrt bleibt. Wie gezeigt, bedarf es zur Umsetzung der Verhältnismäßigkeit eines Sanktionssystems mit verhältnismäßiger Strafstruktur. Diese muss in zweifacher Hinsicht verhältnismäßig sein: Zum einen in horizontalen Ausrichtung in Hinblick auf die anderen Straftatbestände im Sanktionssystem; zum anderen in vertikalen Ausrichtung in Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit innerhalb des Straftatbestandes. 4 Bei der Strafzumessung gewahrt wird die horizontale und vertikale Verhältnismäßigkeit, wenn das Sanktionssystem eine horizontale und vertikale Graduierung aufweist, die ein Abtragen des Strafwertes des Strafzumessungsfalls im Verhältnis zur Strafwürdigkeit des Straffalls erlaubt. 5 Die Anforderungen an das Sanktionssystem gehen aber noch darüber hinaus. Aus dem Verständnis der Strafzumessung als Entscheidung folgt die Erkenntnis, dass die (Aus-)Wahl der Strafe auf der Skala der Graduierung handhabbar sein muss, um dem Bestreben des Entscheiders nach der Berechenbarkeit seiner Entscheidung zu entsprechen. Die Graduierung muss so ausgerichtet sein, dass sie die für die Abwägung der Strafe relevanten Umstände zusammenfügt und die Gewissensentscheidung bei der Strafzumessung erleichtert. 6 Wie können die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und Handhabbarkeit an das Sanktionssystem umgesetzt werden, damit die „Qual der Wahl“ der Strafzumessung erleichtert und die Strafe vereinheitlicht wird?

A. Horizontale Strafstruktur In der Horizontalen werden die einzelnen Straftatbestände zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dazu ist eine Unterscheidung der Rechtsnatur der einzelnen Straftatbestände vonnöten. Trifft hier das ICC-Statut eine Unterscheidung? Im eigenen Recht nicht direkt, da die Regelung im Statut über den Strafrahmen für alle Straftatbestände gleich ist, indirekt durchaus, da andere Regelungen im Statut zwischen den einzelnen Straftatbeständen unterscheiden. 7 Im abgeleiteten Gewohnheitsrecht ebenfalls nicht direkt, da die nunmehr herrschende Meinung 3 4 5 6 7

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

dazu dazu dazu dazu dazu

näher näher näher näher näher

S. 158 ff. S. 160 f. und 176 f. S. 177 ff. S. 162 ff. und 167 f. S. 319 f.

540

3. Teil: Ausblick

an den Ad-hoc-Gerichtshöfen besagt, dass es a priori keinen Unterschied im Unwert der Straftatbestände gibt, indirekt durchaus, da empirische Untersuchungen zeigen, dass einzelne Urteile sehr wohl Unterscheidungen treffen. 8 Mit anderen Worten: Wenn das Völkerstrafrecht tatsächlich keine abstrakte Differenzierung zwischen den einzelnen Verbrechenstatbeständen erlaubt, warum unterscheidet es dann zwischen den einzelnen Verbrechen und Verbrechenshandlungen? Warum schützt es auch das Leben des Einzelnen, die körperliche Integrität etc. im Rahmen des Tatbestandes des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen? Ein einziger Tatbestand mit Tathandlungen, die die einzelnen Rechtsgüter schützen, würde auch ausreichen. Warum gibt es überhaupt neben der Strafe des lebenslangen Freiheitsentzugs eine Strafe des zeitigen Freiheitsentzugs in einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 30 Jahren? Gibt es die Strafen nur für die unterschiedlichen Tathandlungen der konkreten Strafzumessungsfälle oder auch für die unterschiedlichen abstrakten Strafwerte der Grundtatbestände der Verbrechen? Eine Antwort ist im Schuldspruch im ICC-Statut zu finden. Im Urteil drückt sich unabhängig vom Verständnis der Schuld immer auch die Missbilligung und Vorwerfbarkeit der vom Straftäter begangenen Straftat aus. Dies bedingt schon allein der Begriff der Strafe. 9 Die Missbilligung variiert nach Tatschwere und Maß der Vorwerfbarkeit. Differenziert der Schuldspruch, so muss auch der Strafausspruch differenzieren. Und dies nicht nur in der konkreten Betrachtung des Strafzumessungsfalls, sondern auch in der abstrakten Betrachtung der Verbrechen des ICC-Statuts. Bestimmen die Bezugspunkte der Strafe konkret den Maßstab zur Bewertung des Unwerts der Tat, können die Bezugspunkte, insbesondere die Tatschwere, auch abstrakt den Maßstab zur Bestimmung des Unwerts der Straftatbestände (mit)bestimmen. 10 Die Tatschwere wird durch den Grad der Schädlichkeit und das Maß der Verantwortlichkeit bestimmt. Der Grad der Schädlichkeit richtet sich auch nach der Bedeutung des Rechtsguts. Dabei stehen nicht die individuellen Rechtsgüter der einzelnen Verbrechenselemente im Fokus, sondern die kollektiven und individuellen Rechtsgüter des Grundtatbestands der Menschheitsverbrechen, da diese, materiell und nicht bloß formell verstanden, den Verbrechen gegen die Menschheit ihr Gepräge geben. 11 Die Rechtsgüter der einzelnen Straftatbestände erlauben eine Differenzierung. Der Tatbestand des Völkermords schützt vor der Bedrohung der physischen oder sozialen Existenz einer kollektiven Gruppe. 12 8

Siehe dazu näher S. 366 f. Siehe dazu näher S. 47 ff. 10 Vgl. auch die Unterscheidung zwischen „subjective gravity or gravity in concreto“ und „objective gravity or in abstracto“ bei Carcano, ICLQ 51 (2002), S. 583 ff. 11 Vgl. dazu auch Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 463 f., 484 ff. und 492 ff. 12 Siehe dazu näher S. 90 f. 9

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

541

Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schützt vor der Bedrohung des Mindeststandards der Menschenrechte, bezogen auf eine größere Gruppe von Menschen. 13 Der Tatbestand der Kriegsverbrechen schützt vor der Bedrohung der Menschenrechte des Einzelnen. 14 Auch das Maß der Verantwortlichkeit erlaubt eine Differenzierung. Das Maß richtet sich nach der Art und Weise der Begehung, insbesondere nach dem subjektiven Tatbestand. Der subjektive Tatbestand ist bei den Straftatbeständen unterschiedlich stark ausgeprägt: Völkermord ist ein Verbrechen, das „in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“; 15 die Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen in der Kenntnis begangen werden, Teil „eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“ zu sein, 16 und die Kriegsverbrechen in der Kenntnis der Umstände eines bewaffneten Konflikts. 17 Der Bezug auf die Rechtsnatur und das Maß der Verantwortlichkeit findet Unterstützung in der Völkerstraftheorie (und Völkerstrafrechtstheorie). Denn die Differenzierung durch die Rechtsnatur findet Rückhalt in der Rechtfertigung der Strafe durch das generalpositive Wesensmerkmal der Völkerstraftheorie und lässt sich auf den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und das Wohl der Welt zurückführen. Die Differenzierung durch das Maß der Verantwortlichkeit findet Rückhalt im Just-deserts-Wesensmerkmal mit der darin angelegten Ausrichtung der Strafe an der Schwere der Tat. In einer Hierarchie der Tatbestände des ICCStatuts kommt ganz besonders die kommunikative Struktur der vorgebrachten Völkerstraftheorie zum Ausdruck. 18 Denn mit einer hierarchischen Strafstruktur kann dem Straftäter und der Völkergemeinschaft über die Dauer der Strafe der Tadel und der Wert völkerrechtlicher Normen kommuniziert werden. 19 Der Umstand, dass die Strafrahmen im ICC-Statut für die Verbrechenstatbestände identisch sind, wiegt hingegen nicht zu schwer. Zwar wäre es wünschens13

Siehe dazu näher S. 91 f. Siehe dazu näher S. 92. 15 Vgl. Roßkopf, Die innere Tatseite des Völkerverbrechens, S. 108 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, S. 288, Rn. 711 m.w. N. 16 Vgl. Meseke, Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, S. 115 f. und 165 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, S. 312 ff., Rn. 755 ff.; Roßkopf, Die innere Tatseite des Völkerverbrechens, S. 115 ff.; zu den subjektiven Voraussetzungen für die „menschenunwürdigen Verhaltensweisen“ und die „diskriminierenden Verhaltensweisen“ ebenfalls Meseke, Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, S. 176 ff. und 250 ff.; vgl. auch Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 473 ff. 17 Vgl. Roßkopf, Die innere Tatseite des Völkerverbrechens, S. 120 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, S. 411 f., Rn. 979 ff.; Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 472 ff. 18 Siehe dazu näher S. 496 ff. 19 Vgl. auch Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 489 ff. 14

542

3. Teil: Ausblick

wert gewesen, wenn der unterschiedlichen Rechtsnatur durch unterschiedliche Strafrahmen zusätzlich Ausdruck verliehen worden wäre, jedoch müssen die Richter auch so in der Lage sein, mit dem Strafrahmen die unterschiedlichsten Straftaten bzw. Strafhandlungen zu erfassen. Der generelle Strafrahmen des ICCStatuts muss sich durch die konkrete Strafe des Richters verdichten lassen. Die Weite des Strafrahmens mag sich dabei auch aus dem Spektrum der Völkerverbrechen erklären. Gibt diese Weite auch Anlass zur Sorge in Bezug auf eine einheitliche Strafzumessung, so lässt sie zugleich auch auf eine angemessene Strafe hoffen, da Raum für Differenzierung und Individualisierung besteht. Somit lässt sich bei sonst gleichen Bedingungen für eine Abstufung der Rechtsnatur der Tatbestände des ICC-Statuts argumentieren: An erster Stelle steht das Verbrechen des Völkermords; an zweiter Stelle stehen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und an dritter Stelle die Kriegsverbrechen. 20 Allerdings wird in Zukunft erst noch ein einheitlicher Standpunkt zur hierarchischen Struktur der Tatbestände im ICC-Statut in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft erwachsen müssen. Ist die Differenzierung im Schuldspruch angelegt, so ist die Differenzierung im Strafausspruch noch sicherzustellen. Denn der bloße Umstand der Differenzierung macht die Differenzierung in der Strafzumessung noch nicht greifbar. Wie kann die unterschiedliche Rechtsnatur für die abstrakte Abstufung der Verbrechen des ICC-Statuts in eine Strafzahl gegossen werden? Wie können die unterschiedlichen „Qualitäten“ umgesetzt werden in „Quantitäten“? Ein möglicher Ansatz wäre, den Maßstab für die Abstufung aus dem Vergleich entweder mit der Rechtfolge oder mit dem Tatbestand zu gewinnen. Der erste Vergleich scheidet allerdings aus, da – wie gesehen – das ICC-Statut für alle Straftatbestände die gleiche Mindest- und Höchststrafe bereithält. Es gibt insoweit kein Sanktionssystem, dessen Gesamtzusammenhang als Maßstab für die Differenzierung dienen könnte. Der zweite Vergleich weist daher den Ausweg. Die Anknüpfung an den Tatbestand als Maßstab verweist auf die Anknüpfung an die Tatschwere und damit auf den Grad der Schädlichkeit und das Maß der Verantwortlichkeit, also letztlich auf das (abstrakte) Unrecht, auf die Schuld, die mit der Begehung der einzelnen Verbrechenstatbestände des ICC-Statuts verknüpft ist. Damit stellt sich die Frage nach der Bewertung der Schuld für 20 Die Literatur spricht sich überwiegend für eine Abstufung aus. Im Einzelnen zum Meinungsstand etwa van den Herik, The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law, S. 245 ff. m.w. N. auf S. 247, in Fn. 12; Frulli, EJIL 12 (2001), S. 329 ff.; Olusanya, ICLR 4 (2004), S. 431 ff.; ders., Sentencing War Crimes and Crimes against Humanity under the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, S. 103 ff.; Jia, The Differing Concepts of War Crimes and Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 243 ff.; Carcano, ICLQ 51 (2002), S. 583 ff.; Danner, Va. L. Rev 87 (2001), S. 472 ff.; Nemitz, YIHL 4 (2001), S. 111 ff.

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

543

die Strafe im ICC-Statut. Diese Diskussion wird im Völkerstrafrecht erst noch umfassend zu führen sein. Jedenfalls liegt in der Bewertung der mit den einzelnen Verbrechenstatbeständen des ICC-Statuts verknüpften Schuld der Vergleich von Eigenschaften. 21 Die Auswahl der Eigenschaften ist durch die Völkerstrafrechtstheorie und Völkerstraftheorie mitbestimmt. Die Völkerstrafrechtstheorie rückt dabei als Maßstab den Rechtsgüterschutz in den Vordergrund. Dieser ist im gedeihlichen Zusammenleben der Völker in der Welt begründet und lässt sich auf den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und das Wohl der Welt verdichten. 22 Liegt der Schutz des Völkerstrafrechts im Schutz dieser Güter der Völkergemeinschaft, so ist der Unwert des Völkerverbrechens im Grad der Beeinträchtigung dieser Güter der Völkergemeinschaft zu suchen. 23 Die Völkerstraftheorie betont mit dem Just-deserts-Wesensmerkmal den Ausgleich des Übel des Verbrechens und mit dem generalpositven Wesensmerkmal den Zweck der Bestätigung der Werte der Völkergemeinschaft zum Erhalt des Völkerrechts. Auch dies muss Maßstab bei der Abstufung der Verbrechenstatbestände des ICCStatuts sein. Die letztendliche Konkretisierung des Maßstabs für die Bewertung des Unrechts im Völkerstrafrecht steht noch aus. Ansätze im nationalen Strafrecht stellen etwa auf den Grad der „existentiellen Bedrohung“ oder die Beeinträchtigung der „Interessen“ ab. 24 Jedenfalls ist die Bewertung durch die Anknüpfung an Fallbeispiele oder Gruppen von Umständen umzusetzen. Diese gerinnen dann in der Abstufung der Strafrahmen zu vertyptem Unrecht. An dieser Stelle überschneidet sich der Vergleich mit einem Vergleich, der zur vertikalen Ausrichtung der Strafe vonnöten sein wird. Der horizontale Vergleich kann aber gröber bleiben (und daher auch eher gelingen) und sich auf solche Merkmale konzentrieren, die dem jeweiligen Verbrechen ihr Gepräge geben, während der vertikale Vergleich feiner ist, da er der Bestimmung der Strafskala innerhalb eines Straftatbestandes gilt. Zu beachten ist, dass sich in diesem Vergleich immer eine Konvention ausdrückt. Insoweit ist der Wert des Unwerts nur relativ zu einem vorgegebenen Straftatsystem. 25 Diese Konvention sollte zukünftig durch die Versammlung der Vertragsstaaten des ICC-Statuts gesetzt werden. 26 Denn die Unterscheidung zwi21

Siehe näher zum Vergleichen S. 67 f. Siehe dazu näher S. 88 ff. 23 Vgl. auch Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 76 ff. 24 Vgl. dazu näher Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 76 ff. m.w. N. 25 Vgl. auch Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 69 f. m.w. N. 26 Ein Rückgriff auf die Rechtsprechung der Ad-hoc-Gerichtshöfe im Rahmen des Völkergewohnheitsrechts oder auf die Strafrahmen anderer Rechtsordnungen im Rahmen der allgemeinen Rechtsgrundsätze ist nicht sinnvoll, da diese in der Regel einen anderen Strafrahmen aufweisen und damit eine andere Konvention über den Umfang der Strafe 22

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3. Teil: Ausblick

schen den Straftatbeständen sollte nicht nur de facto gelebt werden, sondern sich de jure in unterschiedlichen Strafrahmen niederschlagen. Eine Bestimmung durch die Vertragsstaaten würde dem Vergleich völkerrechtliche Legitimation verleihen und die zurzeit nur als verdeckte Regel bestehende Graduierung als offene Regel fortführen. Die Vorgaben zur Herstellung der Strafe entsprächen dann normativen und nicht mehr subjektiven Vorgaben. Die Möglichkeit einer einheitlichen Strafzumessung wäre gesetzt.

B. Vertikale Strafstruktur Die vertikale Strafstruktur dient der Verhältnismäßigkeit innerhalb des Straftatbestandes. Das eigene Recht des ICC macht dazu keine Aussagen. 27 Das Gewohnheitsrecht ist bei der Bestimmung einer Strafstruktur zurückhaltend. 28 Hingegen geben die allgemeinen Rechtsgrundsätze erste Antworten: Der Strafrahmen entspricht Grenzwerten. Die Höchststrafe entspricht dem Höchstgrad an Strafwürdigkeit. Die Mindeststrafe entspricht dem Mindestgrad an Strafwürdigkeit. 29 Der Höchstgrad an Strafwürdigkeit und der Mindestgrad an Strafwürdigkeit drücken sich nicht in einem einzigen Punkt aus, sondern in einem Von-bis-Rahmen. 30 Der Grad der Strafwürdigkeit und der des Strafwerts sind in Stufen abzutragen. 31 Denn die Einordnung eines Strafzumessungsfalls gelingt eher, wenn nicht jeder denkbare Punkt auf der Skala (gedanklich) berücksichtigt wird, sondern eine gröbere Abstufung angestrebt wird, die die Komplexität des Ins-VerhältnisSetzen reduziert. 32 Zu fragen bleibt, woran die Abstufung anknüpfen soll. Denn ein Wert kann nur dann zugemessen werden, wenn er in Bezug auf einen Ausgangspunkt bestimmt wird. 33 Es liegt in der Natur einer Skala mit einem Anfang und einem Ende, dass haben. Zum Vergleich der Strafen der Ad-hoc-Gerichtshöfe und der Ableitung eines Strafttarifs für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen Olusanya, Sentencing War Crimes and Crimes against Humanity under the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia, S. 103 ff.; zum Versuch, die Konvention durch den Vergleich mit nationalen Strafrahmen zu bestimmen, vgl. Pickard, Loy. L. A. Int’l. & Comp. L. J. 20 (1997), S. 123 ff. 27 Siehe dazu näher S. 320 f. 28 Siehe dazu näher S. 367 ff. 29 Siehe dazu näher S. 488; Kritik an der sog. „Grenzwerthypothese“ übt z. B. Freund, GA (1999), S. 516 ff. m.w. N.; Streng, NStZ 9 (1989), S. 396. 30 Siehe dazu näher S. 488. 31 Siehe dazu näher S. 488. 32 Siehe dazu näher S. 488; vgl. zu sog. (runden) Hauptstrafeinheiten Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 56 ff. m.w. N. 33 Vgl. Albrecht, Strafzumessung bei schwere Kriminalität, S. 104; Dreher, Über Strafrahmen, S. 150.

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

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ein gegebener Ausgangspunkt der Bewertung nicht nur auf dem oberen oder unteren Ende, sondern auf jedem Punkt der Skala liegen kann. 34 Bedenkt man, dass die Mitte der Skala nicht nur den mathematischen Durchschnitt beider Extreme bildet, sondern auch die gleiche Abweichung der denkbaren Fälle nach oben und unten zulässt, muss die Mitte der Ausgangspunkt für die Graduierung liefern. Dementsprechend ist der Mitte der Strafskala die Mitte der Strafwürdigkeitsskala zuzuordnen. 35 Von dort aus sind dann weitere Zuteilungen bzw. Unterteilungen von Strafwert und Strafwürdigkeit vorzunehmen. Diese Leistung könnte die Versammlung der Vertragsstaaten erbringen. Dann wäre zwar die Zuordnung immer noch schwierig, 36 aber eine tatsächlich vertypte Strafwürdigkeit Ausgangspunkt der Bewertung. 37 Diese Vagheit muss weiter durch die Bestimmung der Strafwürdigkeit durch Umstände und die Zuordnung dieser Umstände zu einem Strafwert konkretisiert werden. Welche Umstände machen den gedanklichen Fall zu einem für den Straftatbestand typischen Fall? Welche Umstände machen den Fall zu einem besonders schweren Fall, welche Umstände den Fall zu einem minder schweren Fall? Wie viel ist letztlich zu strafen? Eine mögliche Antwort liegt in der Anknüpfung an die Rechtsnatur der Verbrechen (wie sie sich in der vorgeschlagenen Strafrahmenabstufung durch die Vertragsstaaten manifestiert) und an die Bezugspunkte der Strafe (wie sie sich in der Tatschwere und den persönlichen Umständen des Straftäters manifestiert). Letztlich kommt es damit wieder auf die Strafzumessungsumstände an – sei es der Tat oder der Vor- und Nachtat, da diese das Reaktionsbedürfnis zur Wiederherstellung der Norm aufzeigen –, wie sie durch die Völkerstraftheorie vorgegeben und im ICC-Statut aufgelistet sind. Dadurch wäre die Verknüpfung von Schuldspruch und Strafspruch gewahrt. Der Unwert der Straftat fände seine Entsprechung im Übel der Strafe. Im Einzelnen müssten die Umstände der Strafwürdigkeit auf der Strafwürdigkeitsskala auf dem Wege der wechselseitigen Betrachtung ins Verhältnis gesetzt

34 Zum Strafrahmen als „Schwereskala“ vgl. näher Dreher, Über Strafrahmen, S. 149 m.w. N.; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054. 35 Vgl. näher Dreher, Über Strafrahmen, S. 150; Bruns, Das Recht der Strafzumessung, S. 61; Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessung, S. 238 f. 36 Vgl. zu den Schwieirgkeiten bei der Bestimmung einer mittelschweren Straftat Streng, NStZ 9 (1989), S. 395 f. m.w. N. 37 Vgl. die Diskussion zur Anknüpfung an einen „normativen Normalfall“ bei Neumann, Zur Bedeutung von Modellen in der Dogmatik des Strafzumessungsunrechts, S. 444 ff. m.w. N.; ders., StV (1991), S. 256, 258 f.; Theune, StV 5 (1985), S. 168; Grasnick , Anmerkung BGH, Beschluß, vom 10. 04. 1987, JZ 43 (1988), S. 157 ff.; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1055; Streng, NStZ 9 (1989), S. 396 m.w. N.; Maurer, Komparative Strafzumessung, S. 110 ff. m.w. N.; Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 33 f.

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3. Teil: Ausblick

werden zu den Strafwerten auf der Strafwertskala. 38 Dies sollte zunächst grob durch die Zuordnung der wesentlichen Strafzumessungsumstände geschehen, also solcher Strafzumessungsumstände, die prägend für die Straftat sind. So könnten die allgemeinen Strafzumessungsumstände dem Grundfall zugeordnet werden und die strafmildernden bzw. strafschärfenden Umstände einem minder schweren Fall bzw. besonders schweren Fall. Legitimation erhalten Auswahl und Abstufung durch die normative Festlegung der Strafwürdigkeit. Im Rahmen der Begrenzungsfunktion des Strafrahmens wäre es möglich, für den Grundfall, den minder schweren Fall und den besonders schweren Fall jedes Straftatbestands des ICC-Statuts eine eigene Höchst- und Mindeststrafe auszuweisen. So gewendet stellt der minder schwere bzw. besonders schwere Fall eine Strafrahmenerweiterung dar. Die Abstufung von Strafwürdigkeit und Strafwert zwischen den einzelnen Verbrechen und innerhalb der einzelnen Verbrechen würde deutlicher werden, und spätere Vergleiche von Gemeinsamkeiten und Unterschieden des zu entscheidenden Strafzumessungsfalls könnten schneller gelingen. Zwar birgt ein Bezug auf Fallgruppen oder Gruppen von Umständen immer die Gefahr, dass immer noch eine weitere Fallgruppe bzw. ein weiterer Umstand gedacht werden kann, der die Gewichtung verschiebt, insofern er noch schwerer oder leichter wiegt, allerdings wird diese Gefahr durch die Konzentration auf übliche oder leitbildende Merkmale wieder reduziert. 39 Im Anschluss daran wäre eine feinere Zuordnung und Gewichtung der Umstände nach der zu bewertenden Tathandlung vonnöten (etwa ein „ganz leicht“, „leicht“, „mittel“, „schwer“ oder „sehr schwer“) und diesen einen Strafwert zuzuteilen (etwa ein „sehr niedriger“, „niedriger“, „mittlerer“, „hoher“ oder „sehr hoher“). 40 Immer können nur mehrere Umstände eine Graduierung bestimmen. Denn nur eine Vielzahl von Umständen begründet ein Strafmuster und macht Abstufungen sichtbar. 41 Bei jeder Rangordnung werden letztlich immer Differenzierungs- und Zuordnungsprobleme bleiben. Deren Behebung ist auch nicht erstrebenswert, da so ein Spielraum für die Individualisierung und Differenzierung der Strafe erhalten bleibt. Die Strafwürdigkeitsbewertung bzw. Strafbarkeitsbewertung weist insoweit nur die mutmaßlich zutreffende Strafe aus, nicht aber die zutreffende Strafe. Die Graduierungsleistung wäre durch die Versammlung der Vertragsstaaten zu leisten. Dies wäre etwa im Statut oder durch zu schaffende „Elements of Crime Severity“ zu bewerkstelligen. Eine solche Verankerung schafft die notwendige positivrechtliche Legitimation und setzt den für die Differenzierung 38 Siehe näher zum Verhältnis von Strafwürdigkeit und Strafwert S. 167 f.; vgl. näher Montenbruck, Abwägung und Umwertung, S. 53 f. 39 Vgl. dazu Dreher, Über Strafrahmen, S. 159 f. 40 Vgl. auch Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054. 41 Vgl. auch Dreher, Über Strafrahmen, S. 160.

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

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und Individualisierung notwendigen normativen Maßstab. Einzelheiten wären auch hier Konvention.

C. Einstieg in den Strafrahmen Durch die Festlegung der üblichen oder mutmaßlichen Strafen durch die Versammlung der Vertragsstaaten würde sich die Frage des Einstiegs vom Einstieg in den Gesamtstrafrahmen zum Einstieg in den Einzelstrafrahmen verdichten. Letztlich bliebe die Schwierigkeit im anderen Gewande bestehen. Wie ist die Strafzumessung zu bewerkstelligen? Wie der Einstieg zu finden? Der Richter muss in der Strafentscheidung zunächst die Umstände des zu entscheidenden Falls mit den vertypten Umständen der Graduierung vergleichen. Also hat der Richter zunächst nach den prägenden Strafzumessungsumständen zu suchen und dann nach den konkreteren Strafzumessungsumständen. Dies ordnet den zu entscheidenden Strafbarkeitsfall nach Strafwürdigkeit und Strafwert in die durch die Versammlung der Vertragsstaaten bestimmte Graduierung ein. 42 Die Zumessung erfolgt dann durch den Vergleich mit der vertypten „Durchschnittswürdigkeit“ der Tat und dem vertypten „Durchschnittswert“ der Strafe bzw. durch den Vergleich mit dem Grad der Abweichung. 43 Zwar ist die Einordnung mit Problemen behaftet, da der Unwertgehalt unterschiedlicher Tathandlungen und Strafzumessungsumstände bewertet und verglichen werden muss, allerdings ist die Legitimation des Vergleichsmaterials gewahrt, da die Versammlung der Vertragsstaaten das Vergleichsmaterial vorgibt. Dann wären innerhalb der Graduierungsstufe die Strafwürdigkeit zu verorten und die weiteren Umstände der Tathandlung zu bewerten, um sie einem Strafwert auf der Strafskala zuzuteilen. Hier wird letztendlich das Gesamtgewicht der Strafwürdigkeit bestimmt und gegebenenfalls im Verhältnis zum Einstieg geschärft oder gemildert. 44 Die individuelle Strafe wird ins Verhältnis zur individuellen Schuld gesetzt. 45 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze haben einen möglichen Einstieg im unteren Drittel aufgezeigt. Entweder folgt man den allge42

Vgl. auch Streng, NStZ 9 (1989), S. 393; Neumann, StV 11 (1991), S. 256, 258 f. Vgl. zur Anknüpfung an den „Durchschnittsfall“ im Einzelnen Lampe, Bedingungen richtiger Strafbemessung, S. 238 f.; Maurer, Komparative Strafzumessung, S. 100 ff. m.w. N.; zur Anknüpfung an den „Regelfall“ im Einzelnen vgl. BGHSt 27, 2 (4 f.); Horn, StV 6 (1986), S. 169; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1056 ff. Der Begriff des Regelfalls in seinem nationalen Verständnis kann im Völkerstrafrecht nicht tragen. Das Wesensmerkmal der Verbrechen des Völkerstrafrechts als Menschheitsverbrechen entspricht nicht der Kategorie der „Alltagskriminalität“. Diese werden auch nicht mit einer der Alltagskriminalität entsprechenden „statistischen Häufigkeit“ auftreten. 44 Vgl. auch Streng, NStZ 9 (1989), S. 399; Neumann, StV 11 (1991), S. 256, 258 f. 45 Vgl. auch Montenbrunck, Abwägung und Umwertung, S. 30 f. 43

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3. Teil: Ausblick

meinen Rechtsgrundsätzen und bestimmt den Einstieg im unteren Drittel oder man gibt den Einstieg durch die Versammlung der Vertragsstaaten vor. Immer sollte schon im Einstieg eine extreme Strafe vermieden und eine angemessene Strafe gefördert werden, da die Graduierung auf angemessene Strafen aufbaut und angemessene Strafen konsensfähig sind. Allerdings wird die einzig zutreffende Strafe nicht zu bestimmen sein. 46 Dies verhindert schon die Diskrepanz zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung und liegt in der Natur der Entscheidung. 47 Strafzumessung bleibt in letzter Konsequenz die persönliche Leistung eines jeden Richters. 48 Dennoch wird eine solche Strafe immer noch gleich zu nennen sein. Zum einen ist die Relativität des Vergleichens der Gleichheit immanent. Zum anderen drückt sich Gleichheit durch das Messen mit dem gleichen Maßstab aus und nicht durch die Nennung derselben Strafzahl. 49 Der Vergleich zwischen vertypten Umständen der Graduierung und den Umständen des zu entscheidenden Strafzumessungsfalls hat seinen Ausgang in der Verknüpfung des Völkerstrafrechts und der Strafe im Völkerrecht mit den Werten der Völkerrechtsordnung und den Menschenrechten. Das Völkerstrafrecht des ICC-Statuts wahrt die Werte der Völkergemeinschaft (im Zusammenschluss der Vertragsstaaten des Vertrages von Rom), wie sie im Völkerrecht zum Ausdruck kommen. Dementsprechend stellt die Völkerstraftheorie mit ihrem generalpositiven Wesensmerkmal auf den Erhalt der Werte und Normen der Völkergemeinschaft ab. Stellt der Straftäter mit seiner Straftat die Normen des Völkerrechts in Frage, so bestätigt die Völkergemeinschaft die Normen durch die Übelzufügung. Dazu spricht die Völkergemeinschaft das Maß an Übel aus, welches zur Versicherung der Normen für die Völkergemeinschaft notwendig ist. Im Namen der Völkergemeinschaft urteilt der Richter über das zur Bestätigung der Normen notwendige Maß. Damit dieser das Maß stellvertretend für die Völkergemeinschaft festlegen kann, versichert er sich des Maßes in der Völkergemeinschaft. Diese Versicherung erfolgt über die Rückkoppelung mit dem vertypten Maß in der Graduierung und dem Vergleich zu Maßen, die in anderen Fällen bereits zugemessen wurden. Sind sie als üblich vorgegeben oder waren sie bereits üblich, werden sie in Zukunft auch als üblich zu gelten haben. Ist diese Strafe angemessen, ist sie auch normstabilisierend. Die typische oder übliche Strafe

46 Vgl. Dreher, Über Strafrahmen, S. 154 ff.; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054; Günther, JZ 44 (1989), S. 1025 f. 47 Siehe näher zur Strafzumessung als Entscheidungsprozess S. 162 ff. 48 Vgl. auch Dreher, Über Strafrahmen, S. 161; Bruns, JZ 43 (1988), S. 1054: „... die Festsetzung des Strafmaßes [beruht] letzten Endes auf einer schöpferisch gestaltenden Zweck- und Wertentscheidung des Richters“. 49 Siehe dazu näher S. 167 f.

9. Kap.: Strafstruktur für das ICC

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kommuniziert den Konsens in der Völkergemeinschaft, der für die Akzeptanz und damit die Sicherung der Normen im Völkerstrafrecht notwendig ist. 50 Zum Schluss sei betont, dass die Verknüpfung des Völkerstrafrechts mit der Menschenwürde und den Menschenrechten in jedem Fall in der Strafzumessung zu beachten ist. In seinem Menschsein hat auch der wegen Verbrechen des Völkerstrafrechts Verurteilte bei der Strafzumessung nicht nur ein Recht auf Gleichheit, sondern auch auf Solidarität und auf Freiheit. Das Recht auf Freiheit mahnt dazu, bei der Strafzumessung sowohl Zurückhaltung im Strafmaß zu üben, als auch die Aussicht des Verurteilten auf die Wiedererlangung der Freiheit zu wahren. Das Recht auf Solidarität mahnt dazu, die Fehlbarkeit des Menschen bei der Zumessung der Strafe zu berücksichtigen und die Chance auf Wiedereingliederung zu erhalten.

50

Vgl. auch Streng, NStZ 9 (1989), S. 394; Freund, GA (1999), S. 536 ff.

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Sachwortverzeichnis Die kursiv gedruckten Seitenzahlen beziehen sich auf die wesentlichen Fundstellen. Abschreckung – als Ergänzung zum Tadel 110, 112, 113, 117 – generalpräventive 133, 136, 137 – spezialpräventive 146, 146 Abstufung der Rechtsnatur der Verbrechen 542 Ad-hoc-Gerichtshöfe als Organ des Sicherheitsrates 269 –273 Ad Hoc Committee on the Establishment of an International Criminal Court (1995) 52 affirmative prevention 338 – 339 Allgemeine Rechtsgrundsätze 205 – 217 Anknüpfung – an die Bezugspunkte der Strafe 545 – an die Rechtsnatur der Verbrechen 545 – an die Tatschwere 542 Anrechnung vorheriger Haftzeit 303 Antinomie der Straftheorien in nationalen Rechtsordnungen 412 – 415, 417, 423, 425 – 427, 437 – 438 Anwendungsbedingung der Straftheorien 333, 496, 497, 516 Assembly of States Parties 54 Aufarbeitung des Konflikts 87 Auslegung des ICC-Statuts 221 – 225 – grammatikalische und systematische 223 – historisch-genetische 225 – teleologische 224 – Treu und Glauben 225

Ausrichtung der Strafe – am Straftäter 469, 504 – an der Tatschwere 469, 504 Ausschluss – der negativen abschreckenden Spezialprävention 495 – der negativen Generalprävention 494 Aussetzung des Strafrests zur Bewährung 384, 388, 395, 400, 402 Auswirkung auf das Opfer 312, 354, 523 Bahutu 266 Batutsi 266 Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit 264 Beeinträchtigung der Lebensqualität 117 Befriedungseffekt 338 Begründung der Strafzumessungsentscheidung 186 –188, 323, 535 Beleg von – Allgemeinen Rechtsgrundsätzen 206 – 217 – Völkergewohnheitsrecht 196, 202 –204 Berliner Vier-Mächte-Erklärung 228 Bewährung 383 Bewährungskommission 286 Bezugspunkte der Strafe 173 –174, 309 – 310, 346 –349, 457 – 469, 519 –520 Bürgerkrieg 263 Buße 110, 114, 117 Charakter, guter 358, 525

Sachwortverzeichnis Charged-offense-System 318, 363, 529 Committee on the Codification of International Law 229 common principle behind 212 Crimes Act 1914 (Cth) 292, 400 Criminal Code Act 1995 (Cth) 292 Criminal Justice Act 2003 (CJA 2003) 284, 393 cultural background 468 custodial threshold 477 Darstellung der Strafe 162, 164, 323 défense sociale 281, 415, 418 défense sociale nouvelle 281, 418 denunciation 436 Deontologie 99 departures 481 determinate sentencing 287 deterrence 336 Deutschland siehe Rechtsordnung von Deutschland Differenzierung – der Strafe 167, 321 – durch das Maß der Verantwortlichkeit 541 – durch den Grad der Schädlichkeit 540 – durch die Rechtsnatur 367, 540, 541 – im Gleichheitssatz 162, 185, 456, 502 Diskriminierungsverbot 68, 219 Doppelverwertungsverbot 318, 363, 444, 446, 529 Dualismus von Körper und Geist 98 Durchschnittsfall 473 Durchschnittswert, vertypter 547 Durchschnittswürdigkeit, vertypte 547 Durchsetzung der Rechtsordnung 84, 117, 128, 492 Eckpunkte der Straftheorien 97 – 102 Eigenarten des Völkerstrafrechts 94, 96, 215, 494, 501, 503, 504, 506, 507

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Eigengewicht, normatives 204, 247, 251, 275 Eigenständigkeit der Person 95, 96, 139, 144, 148, 495 Einheitlichkeit – der Strafentscheidung 167 – des Sanktionssystems 167, 177 Einstieg – im unteren Drittel 490, 507 – in den Strafrahmen 179, 321, 370, 474, 479, 489 – 490, 507 –508, 532, 547 Einwendung gegen den Schuld- bzw. Strafspruch 324 Einzelbetrachtung 309 Einziehung 302, 321 Elements of Crime Severity 546 England-Wales siehe Rechtsordnung von England-Wales Entscheider 166 Entscheidungsprozess 163, 168 Entscheidungssituation der Strafzumessung 164 Entscheidung über die Strafe 164 Entsozialisierung 278, 459, 471 Entstehungsgeschichte – ICC 52 –54 – ICTR 266 –269 – ICTY 262 –266 – IMT 226, 240 –241 – Militärgericht 251 –260 – Militärgerichtshof von Nürnberg 243 – 246 – Nürnberger Prinzipien 229 –230 Erfolgsunwert 458 Erga-omnes-Verpflichtung 55, 57, 84, 130, 153 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 476 Ersatzstrafe 302 Fallgruppen von Strafzumessungsumständen 546

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Sachwortverzeichnis

Folge der Straftat, besondere 362 Frankreich siehe Rechtsordnung von Frankreich Freiheitsrechte 147, 159 Freiheitsstrafe 232, 233, 240, 244, 393, 399, 402 – lebenslange 299 – 301, 332, 381, 383, 386, 390, 396, 403 – zeitige 299, 331, 381, 386, 390 Friedensabkommen von Dayton 266 Führungstäter 43, 96, 118, 132, 138, 143, 144, 147, 149 Funktion – des Strafrechts 81, 122, 128 – des Völkerstrafrechts 83, 88 –90, 117, 502 gatekeeper 166 Gebot – der Differenzierung 69 – der Individualisierung 71 – 72 – der Wiedereingliederung 69 – 70 – der Wiedergutmachung 70 – 71 – der Zurückhaltung 66 Gefährlichkeit des Straftäters 462 Gefangenenzahl 287 Gefolgschaftstäter 43, 96, 118, 132, 138, 143, 144, 147, 149 Geldstrafe 301 –302, 321 Gelegenheitsstraftäter 140, 146, 149 Generalprävention – negative 102, 133 – 140, 336, 412, 421, 424, 431, 494 – positive 102, 120 – 132, 307, 338 – 339, 411 – 412, 416, 422, 492 –494 Gerechtigkeit – ausgleichende 76 – austeilende 76 Gerechtigkeitsidee 75 Gerechtigkeitsmaßstab 76, 77, 158, 502 Gericht der Militärregierung 226

Gericht, internationales 203, 234, 242, 246, 260, 261, 269 –273 Gesamtabwägung 278, 291, 487 Gesamtbetrachtung 309, 457, 490 Gesamtstrafenbildung 303 –304 Gewichtung der Strafzumessungsumstände 546 Gewohnheitsstraftäter 140, 145, 147 Gleichbehandlung 75, 158 –159, 167, 168, 181 Gleichheitssatz 67, 75, 77, 158, 159, 162 Goldene Regel 61 Grad der Schädlichkeit 116 Graduierung – der Strafstruktur 177 –179, 318, 366 – 371, 470 –490, 506 –508 – horizontale 161 – vertikale 161 Grausamkeit der Ausführung, besondere 315, 525 Grenzen der Strafbemessung 308, 345, 457, 503 Handeln oder Unterlassen als Beleg von Völkergewohnheitsrecht 202 Handhabbarkeit der Strafentscheidung 175, 539 Handlungsunwert 458 Hauptstrafe 298 –301, 331, 381, 386, 390 Hauptstraftheorie – Just-deserts-Theorie 491 –492 – positive Generalprävention 492 –494 Herabsetzung der Strafe 304 –305 Herausarbeiten gemeinsamer Prinzipien 208 – 213 Herleitung einer tatproportionalen, normbestätigenden Völkerstraftheorie 514 Herstellung der Strafe 162, 323 Höchststrafe 178, 321, 370, 488, 507 Identität der Gesellschaft 129 indeterminate sentencing 286

Sachwortverzeichnis individual deterrence 340 Individualisierung – der Strafe 162, 167, 174, 181, 185, 308, 368, 462 – im Gleichheitssatz 159, 162 instinctive synthesis approach 291, 453 Integrationsprävention 124 International Law Commission 52, 230 Internationale Sicherheit 88 Internationaler Militärgerichtshof von Nürnberg 226, 226 – 239 Internationaler Militärgerichtshof von Tokio 226, 240 – 242 Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien 262 – 275 Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda 266 – 275 Intervention, juristische 273 Jalta-Memorandum 227 Jus-cogens-Norm 55, 57, 63, 130, 153, 219 Just-deserts-Theorie 102, 103, 110 –120, 491 – 492 Kapitel VII der UN-Charta 269, 272, 273 Kenntnis von Strafdrohung und Strafzumessung 126, 131, 135, 137 Kernbereich der Persönlichkeit 96, 131, 142, 144, 148, 497 Kombinationslösung 198 Kommunikation durch Strafe 110, 111, 113, 118, 119, 124, 335 Kompetenzüberschreitung 272 Komplementarität 89 Kompromiss, diplomatischer 233, 236 Konkretisierung – der Rechtsquellen 220 – 292 – der Tatschwere 469, 504 – des Strafwerts 545 Konsequentialismus 98, 99

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Kontrolle – der Strafzumessung 188 –189, 324 – 326, 536 –537 – soziale 120, 121, 122, 123, 128 Kontrollrat der Alliierten 243 Konvention 116, 119, 489, 543 Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Gericht 314, 357, 524 Kosten-Nutzen-Analyse 135 Kriegsverbrechen 320, 366 Kriegsverbrechen, Rechtsgüterschutz 92 Länder, nordische 278 Legalitätsprinzip 62 Legalverhalten 140, 141 Legitimationskette 78, 234 Leipziger Kriegsverbrecherprozesse 225 Leitlinie für die Strafentscheidung 158, 172, 496, 514 Leitprinzip der Rechtsordnung 213 Lerneffekt 338 Londoner Vier-Mächte-Abkommen 228 Machtverhältnis 159 Makrokriminalität 96, 128, 132, 138, 143, 147, 215, 503, 504, 505, 507 Makrokriminalität, Wesensmerkmale 42 – 47 Maß – der Pflichtwidrigkeit 311, 351, 521 – der Strafe 109, 114, 124, 127, 136, 142, 146 – gleiches 160, 177, 186 Maßstab für die Bewertung des Unrechts 543 Maximierung des Menschenrechtsschutzes 216 Mechanismen – einer einheitlichen Strafzumessung 169 – 189, 305 –326, 333 –375 – normative 158, 165, 166

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Sachwortverzeichnis

Menschenrechte 159, 174, 219, 497, 503, 549 – kollektive 80 – wesentliche 62, 67, 69 Menschenwürde 95, 125, 131, 139, 144, 148, 150, 177, 497, 549 Menschenwürde, Wesensmerkmale 58 – 62 Militärgericht 226, 251 – 262 – amerikanische Besatzungszone 253 – 254 – britische Besatzungszone 254 – 256 – französische Besatzungszone 256 – 258 – sowjetische Besatzungszone 259 – 260 Militärgerichtshof von Nürnberg 243 – 251 Militärkommission 226 Mindeststrafe 178, 321, 488, 507 Minnesota Sentencing Guidelines (MSG) 288, 397 Minnesota und Vereinigten Staaten von Amerika siehe Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika Missbrauch einer offiziellen Stellung bzw. Machtposition 315, 361, 527 Motivation zur Normbefolgung 126, 132 Nachrang – der negativen abschreckenden Spezialprävention 440 – der negativen Generalprävention 439 – der positiven Generalprävention 439 – der positiven Spezialprävention 440 Nachtatverhalten 314, 357, 524 Nachteil der Strafe 106, 109, 136 Nachweis von Völkergewohnheitsrecht 225 – 275 – durch zeitlich nachfolgende Bildung 238 – 239, 242, 250 – 251, 262 – im Statut 231 – 239, 242, 246, 260, 261 – 262, 273 – 274

– im Urteil 234 –235, 242, 246 –247, 260, 261 –262, 274 –275 Natur der Straftat 311, 351, 522 Nebenstrafe 301 –303, 331, 381, 386, 390 Nebenstraftheorie 491 –496 – negative sichernde Spezialprävention 495 – positive Spezialprävention 494 Non-liquet-Situation 205 Norm, soziale 122, 123, 126, 129 Normanerkennung 123, 128 Normbestätigung – als Kern der positiven Generalprävention 128 – begrenzende oder begründende 516 – gerechte 516 Normenhierarchie – des Art. 38 ICJ-Statut 198 – formelle 218 – materielle 219 Normvertrauen im Völkerstrafrecht 129 Notwendigkeit sicherer Normengeltung 121 Nouveau Code Pénal (C. P.) 281, 389 nulla poena sine lege 62, 299 nullum crimen sine lege 273 Nürnberger Prinzipien 230, 235 – 237 Oktoberkrieg 266 Organ, gerichtliches 272 penalty scale 402 Person des Straftäters 173 Pflicht nach Völkerstrafrecht 55 policy considerations 455 Präambel 306 Präjudizien 283 Prävention im Rahmen der Repression 443 Präventionswahl 445 Praxis internationaler Institutionen 203

Sachwortverzeichnis Preparatory Commission for the International Criminal Court 53 Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court (1996) 52 presumptive sentence 398, 452, 481 presumptive sentencing 287 Prinzipien – Bezugspunkte der Strafe und Strafzumessungsumstände 469, 503 – 505 – gemeinsame 212 –213 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 438 – 441, 491 – 502 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 456 – 457, 502 – 504 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 487 – 490, 506 – 508 process of combination and fusion 216 Prognose 140, 142, 146, 146 Proportionalität – begrenzende 115, 501 – begründende 501 – bestimmende 115, 501 – kardinale 116, 491 – ordinale 115, 116, 491 – siehe auch Tatproportionalität protection of society 341 Rache 335 Rangordnung der Straftheorien 439 Real-offense-System 318 Realgrund 100, 101, 306 Recht nach Völkerstrafrecht 57 Rechtfertigung – des Strafgrunds im Völkerstrafrecht 501, 515 – des Strafmaßes im Völkerstrafrecht 501 – 502, 516 – 517 – normative 81 Rechtsbewusstsein 124, 127, 129

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Rechtsfamilie – angloamerikanische 211, 283 – 292 – kontinentaleuropäische 211, 276 – 282 Rechtsfolge 160, 239 Rechtsfrieden 124, 129 Rechtsgüter des Völkerstrafrechts 89 Rechtsgüterschutz 81, 82, 90, 543 Rechtskreis – australischer 289 –292 – britischer 283 –285 – germanischer 276 –278 – nordischer 278 –281 – romanischer 281 –282 – US-amerikanischer 285 –289 – westlicher 210 Rechtsordnung und Gerichtsbarkeit 211 Rechtsordnung von Deutschland – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 458 –459 – Sanktionssystem 276 –278 – Strafbemessung 381 –386 – Strafgesetzbuch (StGB) 277, 381 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 405 –415 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 441 –445 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 470 – 474 – Völkerstrafrecht in der Rechtsordnung 277, 385 Rechtsordnung von England-Wales – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 463 –464 – Criminal Justice Act 2003 (CJA 2003) 393 – Sanktionssystem 283 –285 – Strafbemessung 393 –397 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 424 –427 – Strafverfahren, kontradiktorisches 283

584

Sachwortverzeichnis

– Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 450 – 452 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 477 – 481 Rechtsordnung von Frankreich – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 461 – 462 – Nouveau Code Pénal (C. P.) 389 – Sanktionssystem 281 – Strafbemessung 389 –393 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 417 – 424 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 448 – 450 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 476 – 477 – Völkerstrafrecht in der Rechtsordung 389 Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 464 – 465 – Minnesota Sentencing Guidelines (MSG) 397 – Sanktionssystem 285 – 289 – Strafbemessung 397 –400 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 427 – 429 – Strafzumessungstabelle 397 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 452 – United States Sentencing Guidelines (USSG) 397 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 481 – 483 Rechtsordnung von Schweden – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 460 – 461 – Geldstrafe 387 – Kriminalgesetzbuch (BrB) 386 – Sanktionssystem 278 – 281 – Strafbemessung 386 –389

– Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 415 –417 – Strafverfahren, kontradiktorisches 280 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 445 –447 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 474 – 476 – Völkerstrafrecht in der Rechtsordnung 388 Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien – Bezugspunkte und Strafzumessungsumstände 465 –468 – Crimes Act 1914 (Cth) 400 – Sanktionssystem 289 –292 – Sentencing Act 1991 (Vic) 400 – Strafbemessung 400 –404 – Straftheorie als Leitlinie der Strafzumessung 429 –438 – Strafzumessungstheorie und Strafzumessungsmethode 453 –456 – Verhältnismäßigkeit und Graduierung 483 – 487 – Völkerstrafrecht in der Rechtsordnung 403 Rechtsordnungen zur Bestimmung der Allgemeinen Rechtsgrundsätze 210, 276 – 292 Rechtsstaat, demokratischer 93, 94 Rechtssysteme der Welt 209 –210 Rechtstreue 121, 124, 127, 129 Rechtsüberzeugung 199, 201, 231, 232, 235, 274, 275 Rechtsvergleichung, funktionale 208 – 209 Reduzierung der Verantwortlichkeit 314, 357, 524 Regel der Entscheidungssituation 164, 166 Regelfall 473 Rehabilitation 342 –344

Sachwortverzeichnis Relativität – der Gerechtigkeit 78 – der Gleichheit 78 – der Rechtfertigung 79 – der Strafzumessung 548 Resolution 203 Resozialisierung 141, 142, 143 retribution 335 –336 Richtlinienurteil 180 –181, 322, 372, 479, 534 Ruandische Patriotische Front 267 Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungsumstände 316 – 317, 528 Sanktion des Rechtsbruchs 84 Sanktionsschwelle 299, 301, 318 Sanktionssystem – Ad-hoc-Gerichtshöfe 331 – ICC-Statut 298 – 305 – Rechtsordnung von Deutschland 276 – Rechtsordnung von England-Wales 283 – Rechtsordnung von Frankreich 281 – 282 – Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika 285 – Rechtsordnung von Schweden 278 – Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien 289 – siehe auch Strafbemessung Schuldeingeständnis 322, 342, 358, 372 Schuldrahmenwahl 444 Schutz der Menschenrechte 84, 85 Schweden siehe Rechtsordnung von Schweden Schwere der Tat siehe Tatschwere Schwere des Verbrechens, außergewöhnliche 300 Sentencing Act 1991 (Vic) 292, 400 sentencing orientations 179 Sicherheitsperiode 392

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Sicherung des Friedens 86 Situation des Verurteilten 359, 525 solid line 399 Sonderrolle der negativen sichernden Spezialprävention 440 Sonstige Strafentscheidung 309, 346, 449, 452, 503 Spezialprävention – abschreckende 146, 149, 340, 495 – negative 145, 410, 416, 420, 424, 432 – positive 141 –145, 308, 342 –344, 410, 415, 419, 424, 427, 494 – präventive 103, 140 – sichernde 145, 147, 341, 495 Spielraumtheorie 278, 442, 471 starting points 179, 450 Statut des ICC 195, 218 Strafart 164, 177, 308 Strafartwahl 308, 447, 449, 503 Strafbemessung – Ad-hoc-Gerichtshöfe 331 – ICC-Statut 298 –305 – Rechtsordnung von Deutschland 381 – Rechtsordnung von England-Wales 393 – Rechtsordnung von Frankreich 389 – Rechtsordnung von Minnesota und den Vereinigten Staaten von Amerika 397 – Rechtsordnung von Schweden 386 – Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien 400 Strafdauer 164, 177, 308 Strafdrohung 133, 134 Strafe – als Eingriff 93 – als Leistung 93 – gerechte 110, 118, 125, 127, 134 – Wesensmerkmale 43 –50 Strafempfänglichkeit 312 Strafempfindlichkeit 175, 312, 359 Strafentscheidung 186, 187, 323

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Sachwortverzeichnis

Strafmuster 162, 372, 489, 546 Strafpraxis der Konfliktstaaten 364 –366 Strafrahmen 299, 382, 541 Strafrahmenverschiebung 317, 528 Strafrahmenwahl 346, 443, 446 Strafskala nach Stufen 488, 507 Strafstruktur – für das ICC 538 – horizontale 319, 366, 470, 472, 474, 477 – 490, 506, 530 – 531, 539 – verhältnismäßige 539 – vertikale 320, 367 – 370, 470, 472, 475, 478 – 490, 506 – 507, 531 – 532, 544 Strafsystem 161, 161, 171, 184 Straftat als Gefahr oder Verbrechen 101 Straftäter, gefährlicher 145, 146, 147, 395, 402 Straftheorie 455 – abolitionistisch 81 – Abstufung 516 – als Leitlinie der Strafzumessung 170 – 172, 305 – 307, 333 – 344, 405 – 441 – entweder präventiv oder retributiv 100 – 102 – entweder relativ oder absolut 97 – 98 – entweder utilitaristisch oder deontologisch 98 – 100 – national 93 – präventive 120, 336 –344, 410 – 412, 415 – 416, 419 – 422, 424 – 425, 427, 431 – 436 – retributive 103 –120, 335, 407 – 409, 417, 422, 424, 427, 430 Straftheoriebestimmung 345, 503 Strafumfangswahl 308, 346, 449, 503 Strafverfolgungsrisiko 135, 137 Strafvollzug 133, 134 Strafwert 160, 177, 310, 367, 370 – abstrakter 474 – Ausmaß der Verantwortlichkeit 489, 507

– der Straftatbestände des Völkerstrafrechts 540 – der Strafwertskala 161, 489 – Grad der Schädlichkeit 489, 507 – konkreter 475 Strafwertbestimmung 308, 345, 446, 451 – Bewertung der Tatschwere 457, 503 – Bewertung des Straftäters 457, 503 Strafwertskala 546 Strafwürdigkeit 160, 161, 177, 310, 367, 370, 489 Strafwürdigkeit, typische 488, 489, 506, 507, 532, 545 Strafwürdigkeitsskala 545 Strafzumessung – als Entscheidung 163 – einheitliche 75, 158, 161, 162, 163, 165, 166, 168, 496 – in zwei Schritten 547 – numerisch exakte 168 Strafzumessungsermessen 307, 320, 448, 450, 456, 477, 502 Strafzumessungsinformation im Prozess 179 – 180, 321, 371, 533 Strafzumessungskommission 181, 323, 373, 534 Strafzumessungsmethode 173, 308 –309, 345 – 346, 441 –457, 517 –519 – Grenzen der Strafbemessung 517 – Strafartwahl 518 – Strafentscheidung 519 – Straftheorienbestimmung 518 – Strafumfangswahl 519 – Strafwertbestimmung 518 Strafzumessungspyramide 393 Strafzumessungsrichtlinie 183 –186, 323, 373, 479, 534 Strafzumessungsschuld 278, 309, 458, 459, 470 Strafzumessungstabelle 452, 481

Sachwortverzeichnis Strafzumessungstheorie 172, 307 – 308, 345, 441 –457 Strafzumessungsumstände 174 – 176, 457, 469, 505, 545 – allgemeine 310 – 312, 351 – 355, 521 – 523 – außertatbestandliche 175 – besondere 313 – 316, 355 – 362, 523 – 528 – strafmildernde 313 – 314, 356 – 359, 524 – 525 – strafschärfende 314 – 316, 359 – 362, 525 – 528 – tatbestandliche 175 – tatbestandliche oder außertatbestandliche 318, 362, 529 – tatbezogene 175, 310 – täterbezogene 175 – vergleichbare 316, 528 – wesentliche 546 Strafzumessungsumstände und Völkerstraftheorie 520 –521 Struktur der Rechtsquellen 218 – 220 subsidiary organ 272 System, eklektizistisches 284 Tadel 110, 111, 114, 117 Tatbegehung, diskriminierende 315, 360 Tatbestand 160, 239 Tatfolgen 312, 354, 523 Tathandlung 311 Tatproportionalität 336, 491, 501, 516 – begrenzende oder begründende 516 – bei Menschheitsverbrechen 118 – zwischen Tadel und Übel 114 Tatproportionalität siehe auch Proportionalität Tatschwere 116, 173, 177, 309, 311 – 312, 351 – 354, 451, 463, 464, 465, 484, 522 Tatschwereindex 398, 452 Tatverhalten 314, 357, 524 Tertium Comparationis 68, 78

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Three-strike-Gesetz 289 Todesstrafe 232, 240, 244, 278, 280, 282, 285, 289, 298, 331, 383 two stage approach 453 Übelzufügung 45, 110, 114 Übereinstimmung – mit höherrangigem Recht 216 – 217, 326, 374 –375, 490 –508 – partielle 213 Übermaßverbot 66 Überprüfbarkeit der Strafentscheidung 323 Überschreitung der tatproportionalen Strafe 501, 516 Übertragbarkeit des Rechtsprinzips 214 Übertragung ins Völkerstrafrecht 214 – 216, 490 –508 Übung 199, 200, 231, 232, 235, 274, 275 Ultima Ratio 89, 271, 383, 405, 414, 501 Umstände der Begehung 311, 351, 522 Umstände der Begehung, besondere 361, 526 – 527 Umstände, objektive und subjektive 455 Umwertung 456 UN-Praxis 203 UNAMIR 266 undue prominence 337, 339, 341, 344 Unfair-advantage-Theorie 105 –110 United Nations War Crimes Commission 226 United States Sentencing Guidelines (USSG) 288, 397 Unrecht, vertyptes 543 Unterscheidung der Rechtsnatur 539 Unterschreitung der tatproportionalen Strafe 501, 516 Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung 121, 129 Unverhältnismäßigkeit der Strafe 325 Unwerturteil 44, 111 Utilitarismus 98

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Sachwortverzeichnis

Verantwortung des Einzelnen nach Völkerstrafrecht 56 Verbalpraxis 236, 237, 274 Verbot – als notwendige Konsequenz 113 – der Doppelbestrafung 381 – der Folter 64 – erniedrigender Behandlung oder Bestrafung 65 – grausamer, unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung 64 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 320, 366 Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Rechtsgüterschutz 91 Verbrechenselemente 195, 218 Vereinigung der Straftheorien 438 – Hauptstraftheorien 497 – 500 – Herleitung der Vereinigung 497 – 499 – Nebenstraftheorien 500 – 501 – Wesen der Vereinigung 499 – 500 Vereinigungstheorie 278, 442 Verfahren einaktig oder zweiaktig 179, 180, 321, 371 Verfahrens- und Beweisordnung 195, 218 Vergemeinschaftung 202, 206 Vergleich – mit dem Tatbestand 542 – mit der Rechtsfolge 542 – mit einer Vielzahl von Fällen 488, 506 – mit gedanklichen Fälle 488, 506 – mit typischer Strafwürdigkeit 490 – mit vorkommenden Fälle 488, 506 Vergleichsmaßstab 209 – 212 Verhaltensunwert 459 Verhältnis der präventiven Straftheorien zueinander 441 Verhältnismäßigkeit – der Strafe 66, 176 – 177, 318 – 321, 339, 366 – 371, 470, 476, 478, 481, 483 – 487, 487 – 490, 506 – 508

– horizontale 161 – in den Straftheorien 109, 112, 123, 125, 127, 136 – vertikale 160 – von Strafwürdigkeit und Strafwert 488, 538 Verhältnisse des Verurteilten, persönliche 300, 309, 312, 355, 523 Vermittlung der Norm 126, 131 Versailler Vertrag 225 Verteidigung der Rechtsordnung 124 Vertrag, völkerrechtlicher 51, 195, 221 Vertrauenseffekt 338 Victoria und dem Commonwealth von Australien siehe Rechtsordnung von Victoria und dem Commonwealth von Australien Vielzahl von Strafzumessungsumständen 546 Völkergewohnheitsrecht 197 – 204, 232 Völkermord 320, 366 Völkermord, Rechtsgüterschutz 90 Völkermordkonvention 57 Völkerrechtsordnung 83, 89 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) 277 Völkerstrafrecht – Begriff 42 – Wesensmerkmale 42 – 45 Völkerstrafrechtstheorie 80, 81 – 92 Völkerstraftheorie 80, 541 – Rechtfertigung der Strafe 80 – Rechtfertigung des Strafgrunds und Strafmaßes 92, 501 –502, 513 –517 Von-bis-Rahmen 488, 507 Vorrang der Just-deserts-Theorie 439 Vorstrafe 175, 314, 359, 526 Vorstrafenindex 398, 452 Vorteil der Straftat 106, 109, 136 Vorwerfbarkeit des Verhaltens 116 Wahrung der Gerechtigkeit 87

Sachwortverzeichnis Wehrlosigkeit des Opfers, besondere 315, 526 Weltfrieden 88 Werte – der Völkergemeinschaft 79 – kollektive 80, 538 Werteordnung 93, 130 Wesen der Strafe 44, 46, 93, 497 Wesentlichkeit der Beeinträchtigung 325 Widerspruch zwischen Gerechtigkeit und Prävention 499 –500 Wiederholungsgefahr 140, 143, 144, 147, 149 Wiener Erklärung 80 Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte von 1993 80

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Wirkung – deklaratorische 231 – der Strafe 312 – konstitutive 232 Wissen um die Wirkung der Strafe 126, 132, 136, 138, 141, 144 Wohl der Welt 88 Working Group on Penalties 53 Working Group on Rules Concerning Part 7 54 Zuordnung der Strafzumessungsumstände 546 Zustandsstraftäter 140, 141, 143 Zweckgrund 100, 101, 306