Einführung in die Wirtschafts- und Sozialstatistik [2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Reprint 2018] 9783486784145, 9783486223378

Für den Scheinerwerb in "Statistik II" oder "Wirtschafts- und Sozialstatistik" - nun gibt es für Stu

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German Pages 352 [356] Year 1994

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Kapitel: Historische Wurzeln der Wirtschaftsund Sozialstatistik
2. Kapitel: Ausgewählte generelle Methodenprobleme
3. Kapitel: Bevölkerungsstatistik
4. Kapitel: Erwerbstätigkeitsstatistik
5. Kapitel: Landwirtschaftsstatistik
6. Kapitel: Industriestatistik
7. Kapitel: Dienstleistungsstatistiken
8. Kapitel: Verbrauchsstatistik
9. Kapitel: Investitionsstatistik
10. Kapitel: Preisstatistik
11. Kapitel: Außenhandelsstatistik
12. Kapitel Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
13.Kapitel: Input-Output-Tabellen und Grundlagen der Analyse
14. Kapitel: Zahlungsbilanzstatistik
15. Kapitel: Soziale Indikatoren
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Einführung in die Wirtschafts- und Sozialstatistik [2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Reprint 2018]
 9783486784145, 9783486223378

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Einführung in die Wirtschaftsund Sozialstatistik Von

Dr. Reiner Zwer Fachleiter an der Berufsakademie Mannheim - Staatliche Studienakademie apl. Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Heidelberg

Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Zwer, Reiner: Einführung in die Wirtschafts- und Sozialstatistik / von Reiner Zwer. - 2 . , überarb. und erw. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1994 ISBN 3 - 4 8 6 - 2 2 3 3 7 - 2

© 1994 R.Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk außerhalb lässig und filmungen

einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzustrafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverund die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München

ISBN 3-486-22337-2

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort

XII

Verzeichnis der Abkürzungen

XV

1. Kapitel: HISTORISCHE WURZELN DER WIRTSCHÄFTSUND SOZIALSTATISTIK 1.1 Zum Begriff der Wirtschafts-und Sozialstatistik 1.2 Ihre vier Quellen 1.2.1 Die praktische Statistik 1.2.2 Die Universitätsstatistik 1.2.3 Die Politische Arithmetik 1.2.4 Die Wahrscheinlichkeitsrechnung

1 1 4 4 7 8 10

2. Kapitel: AUSGEWÄHLTE GENERELLE METHODENPROBLEME 2.1 Versuch einer Systematisierung 2.2 Erkenntnisobjekt und seine Eigenarten 2.3 Erkenntnisziele 2.4 Verfahrensweisen

13 13 15 21 24

3. Kapitel: BEVÖLKERUNGSSTATISTIK 3.1 Gegenstand, Bedeutung, Ziele und Gliederung 3.2 Statistiken des Bevölkerungsstandes 3.2.1 Die Bevölkerungseinheit und ihre Identifikationsmerkmale: Begriffe der Bevölkerung 3.2.2 Verfahren zur Ermittlung des Bevölkerungsbestandes . . . . 3.2.3 Prädikatsmerkmale von Völkszählungen

31 31 34 34 38 42

VI

Inhaltsverzeichnis

Seite

3.3

3.2.4 Auswertungen der Bestandsstatistik 45 3.2.4.1 Beziehungen zwischen Bevölkerung und Räche . . 45 3.2.4.2 Bevölkerungspyramiden 50 Statistiken der Bevölkerungsbewegung 55 3.3.1 Ziele und Einteilung 55 3.3.2 Wichtigste Teilgebiete 56 3.3.2.1 Statistiken der natürlichen Bevölkerungsbewegung 56 3.3.2.1.1 Geburtenstatistik und ihre Maßzahlen . . 56 3.3.2.1.2 Statistik der Gestorbenen und Maßzahlen 60 3.3.2.2 Statistiken der sozialen Bevölkerungsbewegung . . 68

4. Kapitel: ERWERBSTÄTIGKEITSSTATISTIK 4.1 Gegenstand, Ziele und Geschichte 4.1.1 Bedeutung und Erkenntnisobjekt 4.1.2 Ziele 4.1.3 Geschichte 4.2 Grundzüge der Erhebungsverfahien 4.3 Statistische Gattungsbegriffe der Erwerbstätigkeit 4.4 Erhebungen und erfaßte Merkmale 4.4.1 Berufszählungen 4.4.2 Mikrozensus 4.4.3 Beschäftigtenstatistik 4.4.4 Arbeitsmarktstatistiken 4.4.5 Weitere Erhebungen 4.5 Maßzahlen 4.5.1 Erwerbsquoten 4.5.2 Arbeitslosenquoten 4.6 Wichtige offene Probleme

69 69 69 72 73 75 76 81 81 83 87 88 89 90 90 92 94

5. Kapitel: LANDWIRTSCHAFTSSTATISTIK 98 5.1 Agrarstatistische Ziele und Abgrenzung der Landwirtschaft . . . 98

Inhaltsverzeichnis

VII Seite

5.2

Informationsgewinnung 5.2.1 Statistiken der landwirtschaftlichen Betriebe 5.2.1.1 Das Erfassungssystem 5.2.1.2 Sonderprobleme inbezug auf Arbeitskräfte und Einkommen 5.2.2 Statistiken der landwirtschaftlichen Produktion 5.2.2.1 Pflanzliche Produktion 5.2.2.2 Tierische Produktion

6.Kapitei: INDUSTRIESTATISTIK 6.1 Statistische Abgrenzungen der Industrie 6.1.1 Weltweite Praxis: Institutionell und funktionell 6.1.2 Vorgehen des Statistischen Bundesamtes vor und nach 1976 6.2 Statistische Gattungsbegriffe der Produktionsstätte 6.2.1 Unternehmen 6.2.2 Örtliche Einheiten 6.2.3 Fachliche Unternehmensteile 6.2.4 Fachliche Betriebsteile 6.3 Das Erhebungssystem des Statistischen Bundesamtes 6.3.1 Allgemeine Kennzeichnung 6.3.2 Wichtige Einzelerhebungen 6.3.2.1 Langfristige Erfassungen 6.3.2.1.1 Arbeitsstättenzählung 6.3.2.1.2 Zensus 6.3.2.1.3 Statistik über den Materialund Wareneingang 6.3.2.2 Jährliche Erfassungen 6.3.2.2.1 Kostenstrukturerhebung und das Produktionskonto 6.3.2.2.2 Invesütionserhebung 6.3.2.3 Kurzfristige Berichterstattung 6.4 Industriestatistische Maßzahlen 6.4.1 Überblick

102 102 102 105 108 108 109 111 111 111 115 117 117 121 124 125 127 127 129 129 129 130 131 132 132 138 140 143 143

vin

Inhaltsverzeichnis

Seite 6.4.2 Produktionsindizes 6.4.2.1 Indizes der Bruttoproduktion für Investiüons- und Verbrauchsgüter 6.4.2.2 Die Indizes der Nettoproduktion im Produzierenden Gewerbe 6.4.3 Produktivitätsmaßzahlen 6.4.3.1 Grundsätzliche Probleme 6.4.3.2 Statistisches Bundesamt 6.4.4 Sonstige Maßzahlen und Informationslücken

144 144 147 154 154 157 158

7. Kapitel: DIENSTLEISTUNGSSTATISTIKEN 7.1 Bedeutung, statistische Heterogenität und Abgrenzungen . . . . 7.2 Ausgewählte Zweige und Dienstleistungen 7.2.1 Handel 7.2.2 Kreditinstitute 7.2.3 Versicherungsunternehmen 7.2.4 Staat

160 160 165 165 166 168 169

8.Kapitel: VERBRAUCHSSTATISTIK 8.1 Bedeutung und Gliederungen 8.2 Abgrenzungen und Erfassungen der beiden großen Aggregate des Verbrauchs 8.2.1 Der private Verbrauch 8.2.1.1 Statistische Gattungsbegriffe 8.2.1.2 Erfassungen 8.2.1.2.1 Überblick 8.2.1.2.2 Laufende Wirtschaftsrechnungen 8.2.1.2.3 Einkommens- und Veibrauchssüchproben 8.2.2 Der Staatsverbrauch 8.3 Quoten des Verbrauchs

171 171

9. Kapitel: INVESTITIONSSTATISTIK 9.1 Ökonomischer Begriff

182 182

173 173 173 174 174 175 176 177 180

IX

Inhaltsverzeichn is

Seite 9.2

9.3 9.4

Statistisch unterschiedene Arten 9.2.1 Anlageinvestitionen und Abschreibungen 9.2.2 Vonratsveränderungen Erfassungen Investitionsquoten

10. Kapitel: PREISSTATISTIK 10.1 Wachsende Bedeutung und Ziele 10.2 Die statistische Einheit und ihre Merkmale sowie Quantifizierungsprobleme 10.3 Zeitvergleiche der Preise 10.3.1 Von einzelnen Gütern 10.3.2 Von Gütergesamtheiten 10.4 Deflationierung: Eliminierumg von Preisschwankumgen . . . 10.5 Preisindizes in der Praxis 10.5.1 Preisindizes für die Lebenshaltumg 10.5.2 Weitere Preisindizes des Statistischen Bundesamtes . 10.5.3 Sonderprobleme 10.5.3.1 Inflationsmessungen 10.5.3.2 Paritätenberechnungen (Regionale Preisvergleiche)

183 183 186 187 190 193 193 196 199 199 203 208 211 211 214 215 215 217

11. Kapitel: AUSSENHANDELSSTATISTIK 11.1 Ziele, Erhebungskreis, statistische Einheit und erfaßte Merkmale 11.2 Statistische Begriffe des Außenhandels 11.3 Die Bewertumg der Aus-und Einfuhr sowie deren Warensystematiken 11.4 Indizes der Außenhandelsstatistik

220

228 230

12. Kapitel: VOLKSWIRTSCHAFTLICHE GESAMTRECHNUNGEN 12.1 Geschichte, Wesen und Bedeutung 12.2 Institutionelle und funktionelle Abgrenzungen

236 236 244

220 224

X

Inhaltsverzeichnis

Seite 12.3 12.4 12.5 12.6

Darstellungsformen Erfaßte wirtschaftliche Tätigkeiten und Transaktionen Die Bewertung Die Abgrenzung der Volkswirtschaft und ihre Sektoren . . . . 12.6.1 Die Volkswirtschaft - Institutionen und Personen . . . 12.6.2 Die Sektoren der VWG 12.7 Theoretische Ansatzpunkte 12.8 Rechenarten und die Ermittlung des Sozialprodukts 12.8.1 Die Entstehungsrechnung 12.8.2 Die Verwendungsrechnung 12.8.3 Die Verteilungsrechnung 12.8.4 Weitere Rechenarten 12.9 Das Kontensystem: Verbindung von Sektoren und Transaktionen 12.10 Deflationierung 12.11 Wohlfahrtsmessung mittels VWG (Bruttozozialprodukt, Ökosozialprodukt und/oder Satellitensysteme) 12.12 Internationale Vergleichsprobleme sowie Grenzen und Erweiterungen der System VWG 13. Kapitel: INPUT-OUTPUT-TABELLEN UND GRUNDLAGEN DER ANALYSE 13.1 Geschichte und Grundgedanke 13.2 Input-Output-Tabellen 13.2.1 Aufbau und Inhalt der offenen, statischevolutorischen Tabelle 13.2.2 Produktionsbereiche, funktioneller Ausweis und Bewertung 13.2.3 Statistische Quellen, Erstellungsmethoden und Integration in die Gesamtrechnung 13.3 Grundlagen der Input-Output-Analyse

245 249 253 255 255 258 260 262 262 268 269 273 275 280 282 285

290 290 293 293 296 301 305

Inhaltsverzeichnis

XI Seite

14. Kapitel: ZAHLUNGSBILANZSTATISTIK 14.1 Wesen und Ziele 14.2 Von Transaktionen zu Teilbilanzen 14.3 Wichtige statistische Lösungen in der Praxis 14.4 Grundkonzepte der Zahlungsbilanz und Ausweise in der Bundesrepublik 14.4.1 Grundkonzepte der Zahlungsbilanz 14.4.2 Amtliche Ausweise in der Bundesrepublik 14.4.2.1 Deutsche Bundesbank 14.4.2.2 Statistisches Bundesamt 14.4.3 Überblick: Die Datengewinnung

308 308 310 312 314 314 315 315 317 318

15. Kapitel: SOZIALE INDIKATOREN 15.1 Ursprung, Wesen und Ziele 15.2 Wichtige Systeme

320 320 322

Literaturverzeichnis

324

Verzeichnis der Abbildungen

328

Personenverzeichnis

330

Sachverzeichnis

332

Vorwort zur zweiten Auflage

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches führte eine Reihe ökonomischer sowie sozialer Wandlungen zu Umgestaltungen der Wirtschafts- und Sozialstatistik - ganz abgesehen von Verbesserungen derartiger Systeme aus der amtlichen Praxis selbst heraus. Die deutsche Statistik war vor allem beeinflußt von dem Einbeschluß der neuen Bundesländer und durch Fortentwicklungen der Systeme Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen zwecks Berücksichtigung der Umweltproblematik. Weitere lassen sich nennen, wie z.B. Änderungen der Außenhandelsstatistik oder die Volkszählungsproblematik. Diese und weitere Gründe erforderten nicht nur eine Aktualisierung der ersten Auflage sondern für mehrere Kapitel auch eine Erweiterung. Mein besonderer Dank gilt dem Oldenbourg-Verlag und vor allem Herrn Diplom-Volkswirt M. Weigert, Lektor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Steuer und Recht, für die verständnisvolle Zusammenarbeit und die Geduld bei der Fertigstellung dieses Buches.

Vorwort zur ersten Auflage

Diese Einführung in die Wirtschafts- und Sozialstatistik ist hauptsächlich an Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gerichtet; sie setzt keine Vorkenntnisse außer den mit der Hochschulreife üblicherweise vorhandenen voraus. Doch kann sie auch zum Selbststudium oder als

Vorwort

xm

Nachschlagewerk für in der Praxis tätige Ökonomen und Sozialwissenschaftler zugrunde gelegt werden, da ihre Gliederung weitgehend Aufgabenbereichen der amtlichen Statistik entspricht, und sowohl deren Methoden als auch Ziele kritisch dargelegt sind. Das für Wirtschaftswissenschaftler fast an allen deutschen Hochschulen während der ersten Studienphase als Pflichtveranstaltung gelehrte Teilgebiet "Wirtschafts- und Sozialstatistik" ist bei seinen studentischen Konsumenten zumeist recht unbeliebt. Man findet es mit Lernstoff, Definitionen, Einzelheiten usw. überlastet und vermag häufig das "Warum", etwa von Kenntnissen über industrielle Produktionsindizes oder die Messung des Staatsverbrauchs, gerade für die (sehr selten bereits vorhandene) Berufspraxis nicht einzusehen. Doch wer später u.a. über "Wachstum" oder "Umweltzerstörung" arbeitet, muß wissen, wie dies gemessen und erfaßt wird, sowie welche Fehlerspielräume derartige Angaben aufweisen können, die häufig Grundlage wichtiger Entscheidungen sind. Erschwerend kommen Eigenarten der Erkenntnisobjekte "Massenerscheinungen der wirtschaftlichen und sozialen Realität" hinzu, die vielen vor Hochschuleintritt unbekannt sind. Bei einer Volkszählung etwa in Mali muß man andere Gegebenheiten berücksichtigen (etwa die religiöse Einstellung, die Großräumigkeit des Landes oder dessen geringe finanzielle Ressourcen) als in der Bundesrepublik Deutschland. Und sicher hatten "Arbeitslose" während der Weltwirtschaftskrise 1929/32 eine andere ökonomische und soziale Bedeutung als heute. Diesem Wandel der Erkenntnisobjekte kann der Wirtschafts- und Sozialstatistiker nur gerecht werden, wenn er seine Informationsgewinnung sachentsprechend, also sachlich, räumlich und zeitlich flexibel darauf einstellt. Die formale Gliederung dieser Einführung geht im wesentlichen von Tätigkeitsbereichen der amtlichen Statistik aus. Die ersten beiden Kapitel (1. Historische Wurzeln und 2. Ausgewählte generelle Methodenprobleme) beinhalten zwecks besseren Verständnisses der aktuellen Situation wissenschaftliche und geschichtliche Verankerungen sowie die allen Teilgebieten der Wirtschafts- und Sozialstatistik gemeinsamen Methodenfragen. Es folgt die einzige von allen erörterten Teilstatistiken (3. Bevölkerungsstatistik), die überwiegend demographisch ausgerichtet ist. Die Erwerbstätigkeits-

XIV

Vorwort

statistik (4.) bildet eine "Brücke" zu den nachfolgenden primär ökonomischen. Diese beginnen mit den für die drei großen Bereiche einer Volkswirtschaft (5. Landwirtschaft, 6. Industrie und 7. Dienstleistungsbereich). Die der beiden "Verwendungskategorien" folgen, 8. Verbrauch und 9. Investitionen; danach Probleme der Preisstatistik (10.). Mit der des Außenhandels (11.) sind die Einzelstatistiken abgeschlossen. Die größten Aggregatstatistiken (12. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 13. InputOutput-Tabellen und 14. Zahlungsbilanzstatistik) beinhalten umfassendere Zielsetzungen und demgemäß teils veränderte Konzepte. Die Sozialen Indikatoren (15.) weisen Ansätze auf, die erheblich über rein ökonomische Zielsetzungen hinausreichen. Dieses Buch ist aus der Lehrveranstaltung entstanden, die ich seit fast zehn Jahren für Anfangssemester an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg in dem von mir vertretenen Fach "Wirtschafts- und Sozialstatistik" halte. Mit vielen der Fragestellungen habe ich mich mehrere Jahre als Mitarbeiter übernationaler Organisationen (O.E.C.D., Paris, und Europäische Gemeinschaften, Luxemburg, Brüssel) und in Rahmen weiterer Tätigkeiten in der Praxis beschäftigt. Ich danke Herrn stud. rer. pol. T. Menges für das sachverständige Korrekturlesen großer Teile. Für die ausgezeichnete und verständnisvolle Zusammenarbeit mit dem R. Oldenbourg-Verlag danke ich herzlich insbesondere dem Leiter seines wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Lektorats, Herrn Diplom-Volkswirt Martin Weigert.

Reiner Zwer

Verzeichnis der Abkürzungen

cif:

cost, insurance, freight (Kosten, Versicherungs- und Frachtkosten: Warenwert der Importe bis zum Grenzeingangspunkt)

E.C.E.:

Economic Commission for Europe (Wirtschaftskommission für Europa)

E.G.:

Europäische Gemeinschaften

E.S.V.G.:

Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen

fob:

free on board ("frei an Bord": Warenwert der Exporte bis zum Grenzausgangspumkt)

I.L.O.:

International Labour Organisation (Internationale Arbeitsorganisation)

M.P.S.:

Material product system (System der materiellen Produktion)

N.A.C.E.: Nomenclature générale des activités économiques dans les Communautés européennes (Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige in den Europäischen Gemeinschaften) O.E.C.D.: Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) R.G.W. :

Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe

S.A.E.G.:

Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften

S.N.A.:

System of national accounts (System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen)

STBA:

Statistisches Bundesamt

U.N.:

United Nations (Vereinte Nationen)

VWG:

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen

1. Kapitel:

Historische Wurzeln der Wirtschaftsund Sozialstatistik

1.1

Zum Begriff der Wirtschafts- und Sozialstatistik

Sucht man nach einer Definition der Wirtschafts- und Sozialstatistik, um von dem Wesen dieses Fachgebietes her im Laufe der Geschichte derartige Beschäftigungen aufzuspüren, so findet man in der Literatur sehr viele und teils verschiedene Antworten auf die allgemeine Frage "Was ist Statistik?" und auf die spezielle "Was ist Wirtschafts- und Sozialstatistik?" Abgrenzungen der Statistik im allgemeinen und damit ihrer beiden großen Gebiete, der theoretischen und der angewandten Statistik mit der Disziplin "Wirtschafts- und Sozialstatistik" reichen von traditionellen, zumeist relativ einfachen bis hin zu wahrscheinlichkeitstheoretisch oder entscheidungstheoretisch geprägten. Hier sei eine Definition weniger ihre generellen Vorteile wegen bevorzugt, sondern weil sie für eine Einführung Vorzüge der Anschaulichkeit und Klarheit aufweist und zudem die Stufen des statistischen Arbeitens sowie die Ziele andeutet. Danach stellen sowohl theoretische als auch angewandte Statistik die Gesamtheit der Ver-

2

1- Kapitel: Historische Wurzeln der Wirtschafis- und

Sozialstatistik

fahrensweisen zur Erfassung, Darstellung und Analyse von Massenerscheinungen einschließlich der dabei gewonnenen Daten dar. Somit sind sowohl diese Daten Statistik, wie z.B. die vom Statistischen Bundesamt über die Bevölkerung oder die von einer Schule veröffentlichten (anonymen!) über Zugänge und Abgänge, als auch die Verfahren ihrer Erfassung, Aufbereitung und Auswertung, also die drei klassischen Stufen statistischen Vorgehens, hier der amtlichen Bevölkerungsstatistik oder der privaten Schulstatistik. Doch keineswegs sind alle Daten überhaupt sowie Verfahren ihrer Gewinnung Statistik. Erforderlich sind vier Charakteristika: -

Ihre Geltung für Massenerscheinungen, ihr objektivierter Charakter, ihre empirische Gewinnung und ihre Orientierung an einer empirischen Theorie.

Es muß sich um Daten für Massenerscheinungen handeln, die keine Schlüsse mehr auf den Einzelfall gestatten. Etwa obige private Schulstatistik der Zu- und Abgänge würde dann keine "Statistik" mehr sein, wenn sie als Namensliste dieser Personen angegeben ist. Die Anonymität der Daten oder das "Entindividualisierungsmoment" sind unerläßliche Voraussetzung insbesondere jeder amtlichen statistischen Informationsgewinnung, die erfolgreich eine gesetzliche Auskunftspflicht in der Praxis nur durchzusetzen vermag, falls sie Firmen, Einzelpersonen usw. die Geheimhaltung der Einzelangaben sichern kann. Zusätzlich müssen die Daten objektiviert sein, d.h. sie müssen aufgrund objektiver und mit kommunizierbarer Zähl- und Meßvorschriften gewonnen werden.1 So wäre die Aussage, daß die betreffende Schule viele Zugänge hat, zwar ein Datum, doch von nicht-statistischer Art. Erst die Zahl der Zugänge, ein Vergleich mit der früherer Jahre oder mit dem Mittelwert der von 10 Jahren beinhaltet objektive Zähl- und Meßregeln.

Dieses und die weiteren Kriterien werden auch genannt von: Menges, G.: Grundriß der Statistik. Teil I: Theorie. Köln und Opladen 1968. S. 25-27. Er formuliert als Statistikbegriff: Statistik ist der Inbegriff von empirischer, objektivierter, am theoretischen Modell orientierter Information.

1. Kapitel:

Historische

Wurzeln der Wirtschafts-

und

Sozialstatistik

3

Ferner ist es unerläßlich, daß die Daten nicht nur objektiviert sondern auch empirisch sind, d.h. die Aussagen müssen aus der Wirklichkeit gewonnen sein. So stellt der Satz des Pythagoras, nach dem in einem rechtwinkligen Dreieck die Summe der Inhalte der Kathetenquadrate gleich dem Inhalt des Hypothenusenquadrates ist, zwar eine objektive, doch keineswegs eine statistische Aussage dar. Denn sie beruht auf Deduktion und ist nicht aus der Realität hergeleitet. Dies bedeutet, daß statistische Angaben oder Aussagen u.a. Informationen über die Empirie darstellen und speziell für die des Fachgebietes dieses Lehrbuches, daß sie derartige Informationen über wirtschaftliche und soziale Sachverhalte beinhalten. Die vierte Bedingung für den statistischen Charakter von objektivierten, empirischen Daten schließlich ist die ihrer Orientiertheit an einer Theorie. So wäre nur das Zählen aller Industrieunternehmen eines Landes und die Angabe ihrer absoluten Zahl zunächst sinnlos, ohne jeden sachlichen Bezug, wenn nicht ökonomische und/oder theoretische Vorstellungen dahinter stehen, etwa über die industrielle Entwicklung oder Strategien und Informationsbedürfnisse der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Derartige Theorien müssen bis ins einzelne das zielsetzungsgerechte statistische Vorgehen bestimmen. Soll z.B. Arbeitslosigkeit durch Umschulung vermindert werden, so benötigt die Arbeitsmarktpolitik sachentsprechende, fundierte Angaben; "ökonomisch" Arbeitslose sind zu definieren, zu erfassen - mit entsprechenden Merkmalen, wie dem Alter, dem erlernten Beruf, den bisher ausgeübten Tätigkeiten usw. Als eines der Teilgebiete der angewandten Statistik ist die Wirtschaftsund Sozialstatistik dann auf bestimmte dieser Massenerscheinungen ausgerichtet. Man versteht darunter alle Verfahrensweisen (einschließlich der aus ihnen resultierenden Daten) mit der Zielsetzung, Informationen über Massenerscheinungen der wirtschaftlichen und sozialen Realität zu gewinnen. Beispiele dafür sind die Zahl der 1980 in der Bundesrepublik Geborenen, der Sterbefälle von 1970 bis 1980, der Erwerbstätigen oder der Arbeitslosen am 31. 12. 1982, ferner die Preise der Lebenshaltung, der private Verbrauch 1981 oder die Zahlungsbilanz der Deutschen Bundesbank für 1991, (letztere nur für die alten Bundesländer oder einschließlich der neuen) auch internationale Vergleiche all dieser Ausweise, wobei jeweils

4

1. Kapitel: Historische

Wurzeln der Wirtschafts- und

Sozialstatistik

derartige Daten und/oder die Verfahren ihrer Erhebung, Aufbereitung und Auswertung Inhalt dieses Fachgebietes sind. Diese Wirtschafts- und Sozialstatistik hat vier historische Wurzeln: (1)

Die praktische Statistik,

(2) (3) (4)

die Universitätsstatistik, die Politische Arithmetik und die Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Die praktische Statistik (1) besteht seit rd. viereinhalb Jahrtausenden, die theoretische hingegen mit den Wurzeln (2), (3) und (4) erst seit rd. drei Jahrhunderten. Sie sind alle im folgenden weniger mit dem Ziel erläutert, Einzelheiten über Geschichte zu vermitteln; vielmehr soll kurz ihr Wesen präzisiert werden, um so wichtige Zielsetzungen der heutigen Wirtschaftsund Sozialstatistik von ihren historischen Ursprüngen her verständlicher zu machen.

1.2

Ihre vier Quellen

1.2.1

Die praktische Statistik

Sie ist die älteste Quelle der Wirtschafts- und Sozialstatistik und weist schon von ihrem Ursprung an eine ihrer entscheidenden gegenwärtigen Charakteristika auf, nämlich die Beobachtung von Massenerscheinungen. Man kann die erste praktische (oder materielle) Statistik von der Phase der Geschichte an erwarten, als es organisierte Gesellschaftsverbände in Form von Großreichen gab - und gleichzeitig der Wunsch oder die Notwendigkeit ihrer systematischen Beobachtung bestand.

1. Kapitel: Historische Wurzeln der Wirtschafts- und Sozialstatistik

5

Sie beginnt2 in Ägypten im Alten Reich (2650-2190 v. Chr.). Wohl wegen fiskalischer Interessen führte man alle zwei Jahre Zählungen des Goldes und der Felder durch. Eine Volkszählung anläßlich des Pyramidenbaus um 2600 v. Chr. vermutet man. Nachweisen lassen sich derartige Zählungen dort für die Zeit um 2000 v. Chr. Auch in China (um 2300 v. Chr.) und im persischen Großreich (um 500 v. Chr.) fanden Erhebungen statt. Und bereits in dieser Epoche erkennt man klar die beiden Anlässe, die auch später noch einzeln oder zusammen zu statistischen Erfassungen führten. Es waren politische Gründe, z.B. daß Herrscher über die Zahl der Wehrfähigen informiert sein wollten, oder Anlässe ökonomisch-administrativer Art, wie Steuerquellen zu kennen, die Überwachung großer staatlicher Bauvorhaben usw. Demgegenüber hatte die Statistik in Griechenland wenig Bedeutung. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß in den Stadtstaaten demographische und wirtschaftliche Verhältnisse relativ überschaubar waren, und somit keine Notwendigkeit solcher Massenbeobachtung bestand. Mit wachsender Größe ihres Reiches entfalteten aber die Römer verstärkte statistische Aktivitäten. Eine Volkszählung römischer Bürger soll der König Servius Tullius bereits 550 v. Chr. veranlaßt haben. Zwei Zensoren übernahmen ab 433 v. Chr. die Leitung eines Büros für diese Zwecke. Der Zensus wurde mehr als vier Jahrhunderte häufig durchgeführt, es war die erste periodische Erhebung in Europa. Unter Kaiser Augustus erstellte man eine Dokumentation über römische Streitkräfte, Staatsfinanzen usw., die seine Nachfolger auf das gesamte Reichsgebiet ausdehnten. Das Mittelalter war entsprechend den damaligen materiellen Notwendigkeiten statistisch relativ unergiebig: Bei territorialer Zersplitterung waren die Kleinstaaten ohne systematische Massenbeobachtung überschaubar, und statistische Erfassungen wurden nur in großen Reichen mit relativ starker Zentralgewalt gepflegt. Unter König William I., the Conqueror: 1086 Erhebung des gesamten unterworfenen Landes und der Bevölkerung; im Hochmittelalter: Wirtschaftsstatistische Verzeichnisse von König Ottokar II. von Böhmen (1253-1278), ferner ein ähnliches, von König Rudolph I. von Habsburg (1218-1291), unter österreichischen Kaisern später fortgesetzt und ausgebaut.

2

Vgl. hierzu auch: Menges, G.: Grundriß ..., a.a.O., S. 2-13.

6

7. Kapitel: Historische Wurzeln der Wirtschafts- und Sozialstatistik

Somit hat man zwar von den Anfängen bis zum Mittelalter einschließlich sowohl Bevölkerungs- als auch wirtschaftliche Sachverhalte erfaßt, doch überwog eindeutig die demographische Statistik. Die Volkswirtschaften waren damals noch nicht so komplex wie etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts die der meisten entwickelten Länder. So ist denn auch der Beginn der Neuzeit durch mehr Bevölkerungsstatistik gekennzeichnet. Beträchtlich stärker als diese expandierten wirtschaftsstatistische Erhebungen erst ab der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das erste nationale statistische Zentralamt Europas wurde in Schweden 1796 gegründet, Norwegen folgte 1797, dann 1800 Frankreich, 1829 Österreich, 1830 Belgien, 1834 Rußland, 1834 Deutschland mit dem Statistischen Zentralbureau des Deutschen Zollvereins (1871 dann das Kaiserliche Statistische Reichsamt). Weitere europäische und andere Länder folgten. Die beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung führte also zu den meisten Gründungen während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, doch reichen sie bis zur Gegenwart. So haben neue asiatische und afrikanische Staaten in der Regel sehr schnell statistische Dienst etabliert, und heute gibt es selbst unter Entwicklungsländern nur noch als sehr seltene Ausnahmen solche ohne derartige Dienststellen.

Die entscheidende Zielsetzung der ersten Jahrtausende materieller Statistik bis zur Verbindungsaufnahme mit den drei weiteren Wurzeln, mit der Universitätsstatistik, der Politischen Arithmetik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung, war die Deskripdon, die wir in ausgeprägterer Form noch als eines der zwei großen Ziele heutiger Wirtschafts- und Sozialstatistiken kennenlernen werden. Doch vor dem Auftreten dieser drei eigentlichen Quellen der theoretischen Statistik war diese Beschreibung wirtschaftlicher und sozialer Sachverhalte unsystematischer, sogar "unwissenschaftlicher"; sie war mehr historischer Natur, weil im wesentlichen durch auftretende politische oder ökonomisch administrative Notwendigkeiten bedingt. Die Deskription, wenn auch mit etwas anderem Schwerpunkt, ist auch das kennzeichnende Erkenntnisziel der zweiten Wurzel der Wirtschafts- und Sozialstatistik, der Universitätsstatistik.

1. Kapitel: Historische

1.2.2

Wurzeln der Wirtschafts- und

Sozialstatistik

7

Die Universitätsstatistik

Es war nur ein kleiner Schritt, vorliegende quantitative Informationen zu systematischen Beschreibungen eines Landes oder mehrerer Länder zu erweitern; mit diesem Sinngehalt beginnt die Wissenschaftsgeschichte der Statistik im 14., 15. und 16. Jahrhundert mit einigen italienischen Autoren als Vorläufern. (F. Sansovino, 1561: Erste systematische Staatenbeschreibung, G. Botero, 1589: Vergleichende Darstellung von Territorium, Verfassung und Religion). Man bezeichnete sie als "Lehre von den Staatsmerkwürdigkeiten" und als "Universitätsstatistik", weil ihre wichtigsten Vertreter an Universitäten lehrten (zumeist in Deutschland). Sie ist die älteste theoretische Wurzel der Statistik, hat sich aber mit der materiellen Statistik erst im 19. Jahrhundert verbunden. Derartige staatenkundliche Arbeiten liegen auch von Holländern vor (Fernosthandel!).

Alle diese Arbeiten gingen über quantitative Informationen hinaus, sie enthielten umfangreiche verbale Interpretationen, so etwa über die Religion oder juristische Gegebenheiten. Die Blüte dieses Zweiges war im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Universitäten. Hermann Conring hielt 1660 in Helmstedt die erste Statistikvorlesung überhaupt, dort führte er auch Staatenkunde als Lehrfach ein. In Halle entwickelte sich Beginn des 18. Jahrhunderts ein Zentrum. Mit seiner dortigen Vorlesung "collegium politico statisticum" wurde Martin Schmeitzel zum Namensgeber der Statistik (italienisch: statista = Staatsmann). Ein weiterer wichtiger Vertreter war Gottfried Achenwall in Göttingen, dessen Hauptwerk 1749 erschien.

Nach einigen unbedeutenden Nachfolgern wurde die Staatenkunde ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts an als selbständiger Wissenschaftszweig nicht mehr vertreten. Die Gründe dafür sind vor allem in der Hinwendung zu den Naturwissenschaften zu sehen, wobei die Verfahrensweisen der Staatenkunde nicht mehr dem neuen Bedürfnis nach quantitativer Sachlichkeit und Exaktheit entsprachen; ferner entwickelten sich damals Nationalökonomie und Geographie als selbständige Disziplinen und übernahmen statistische Teile der Staatenkunde. Wie die Anfänge der materiellen Statistik war also auch die Staatenkunde deskriptiv orientiert, doch interessierte sie sich nicht nur für

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1- Kapitel:

Historische

Wurzeln der Wirtschafts-

und

Sozialstatistik

quantitative Informationen über Bevölkerung und Wirtschaft, sondern erweiterte sie um verbale Erläuterungen, etwa über Religion, Staatsaufbau und Rechtsverhältnisse. Und wie auch die Deskription (verändert) eines der Erkenntnisziele moderner Wirtschafts- und Sozialstatistiken darstellt, hat die heutige sogenannte "außerstatistische Deutung", die Erklärungen weiterer Fachgebiete heranzieht, z.B. der Wirtschaftspolitik (vgl. 2.3), Ähnlichkeiten mit der verbalen Interpretation seitens der Staatenkunde. Durch ein neues, davon grundsätzlich abweichendes Erkenntnisziel, ist die Politische Arithmetik; geprägt, die weitere historische Wurzel der Wirtschafts- und Sozialstatistik.

1.2.3

Die Politische Arithmetik

Die Politische Arithmetik war nicht deskriptiv, sondern analytisch ausgerichtet. Als erste suchte sie nach Gesetzmäßigkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft, doch deutete sie - gemessen an unserem heutigen Wissenschaftsverständnis - diese Gesetze sehr spezifisch und davon abweichend. Kennzeichnend ist dies bereits für ihre Anfänge in England, als man im 17. Jahrhundert Gesetze von naturwissenschaftlichem Charakter zunächst aus Bevölkerungs- und später auch aus Wirtschaftsdaten aufzufinden suchte. J. Graunt veröffentlichte 1662 eine Untersuchung über Bevölkerungsgesetzmäßigkeiten, die er auf Geburts- und Totenlisten der Stadt London basierte. Sir W. Petty setzte dies 1681 fort, bezog aber verstärkt wirtschaftliche Vergleiche ein. Die Schwerpunkte dieser Richtung zeigten sich in England, Belgien, Holland und Frankreich. Nur zwei Ausnahmen gab es in Deutschland, und zwar mit bevölkerungsstatistischen Untersuchungen, die beide wegen ihrer anders begründeten Gesetzmäßigkeiten von Interesse sind: Man sah diese Gesetze durch die göttliche Ordnung bedingt. K. Neumann untersuchte zwischen 1687 und 1691 die Sterblichkeit ausgehend von Geburten- und Sterbeaufzeichnungen der Stadt Breslau und J. P. Süßmilch, preußischer

1. Kapitel: Historische Wurzeln der Wirtschafts- und

Sozialstatistik

9

Geistlicher, trug das damalige Wissen zusammen, erweiterte es und veröffentlichte sein Buch 1741.3 Auch in ihm versucht er, die "göttliche Ordnung" nachzuweisen. Von großer Bedeutung sind die französischen und ein belgischer Vertreter. In Frankreich verbanden sich durch P. S. de Laplace (1749-1827) und J.B.J. Fourier (1768-1830) Wahrscheinlichkeitsrechnung und Politische Arithmetik, also erst rund 200 Jahre nach ihrer Entstehung. Durch Laplace wurde 1801 die erste Volkszählung auf Stichprobenbasis in Frankreich durchgeführt, er berechnete damals ihren wahrscheinlichen Fehler. Fourier versuchte, mathematisch eine allgemeine Theorie der Bevölkerungsbewegung zu begründen. Der Belgier L.AJ. Quetelet (1796-1874) der als letzter Politischer Arithmetiker gilt, steht am Extrem dieser Richtung. Als Physiker und Astronom waren für ihn umfassend und in allem nur noch Naturgesetze wirksam. In seinem 1835 in Paris erschienenen Hauptwerk4, das viele damalige Statistiker prägte, nahm er Stellung zur Bevölkerungsstatistik, zur Anthropologie, zur Moralstatistik und zum Gesellschaftssystem. Seine Vorstellung über den "mittleren Menschen" war ein tragischer Irrtum, Quetelet forschte nicht nach Gesetzen, sondern glaubte, diese mit Formeln für die Berechnung der Gesellschaft zu besitzen. Immerhin entstand aus der Methodenkritik an Quetelet eine bedeutsame Richtung der theoretischen Statistik, die "Kontinentale Schule" oder "Kontinentale Schule der mathematischen Statistik". (Begründet von dem Deutschen W. Lexis - 1837-1914 - war sie eine an der Wahrscheinlichkeitslehre orientierte Theorie der Statistik mit wichtigen Vertretern wie A. Tschuprow und L.V. Bortkiewicz.) Die Politische Arithmetik, die immerhin als erste von allen Zweigen die Suche nach Gesetzmäßigkeiten aufgenommen hatte, er wies sich damit nach r