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German Pages 119 [140] Year 1954
SAMMLUNG
GÖSCHEN
BAND
76
Einführung in die theoretische Physik Band I
Mechanik Von Dr.-Ing. W e r n e r D ö r i n g o. Prof. an der Justus-Liebig-Hochschule Gießen
Mit 29 A b b i l d u n g e n
W a l t e r
de
G r u y t e r
&
Co.
vorm. G. J . Göschen'ache Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagabuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit äc Comp.
BERLIN
1954
Alle Rechte, einschl. der Höchte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten
Copyright 1954 by W A L T E R D E G R U Y T E R & CO Berlin W 35, Genthiner Str. 13
Archiv-Nr. 1100 76 Satz und Druck von Mercedes-Bruck, Berlin SW f>l Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis I. Kinematik § 1. Grundgrößen und abgeleitete Größen § 2. Geschwindigkeit und Beschleunigung bei geradliniger Bewegung.. § 3. Die Grundaufgaben der Kinematik § 4. Geschwindigkeit und Beschleunigung bei beliebiger Bewegung . . . S 5. Die Planetenbewegung § 6. Die Bewegung des starren Körpers § 7. Die Kelativbewegung II. Statik § 8. Die Kraft als Grundgröße S 9. Aktio gleich Reaktio S 10. Addition von Kräften S U . Das Gleichgewicht der Kräfte § 12. Das Drehmoment 8 13. Der Schwerpunkt § 14. Die Waage
5 5 B 9 15 22 26 31 35 35 38 39 40 42 45 48
III. Dynamik S 15. Die Masse § 16. Das Newtonsche Bewegungsgegetz § 17. Der Impuls § 18. Der Drehimpuls § 19. Das Gravitationsgesetz 5 20. Das Zwei-Körper-Problem 5 21. Arbeit und Leistung § 22. Die potentielle Energie § 23. Der Energiesatz für ein System von Massenpunkten
49 49 52 55 58 61 65 66 69 74
IV. Die Mechanik des starren Körpers § 24. Die Drehbewegung um eine feste Achse § 25. Das physikalische Pendel § 26. Der Trägheitstensor § 27. Die kräftefreie Bewegung des starren Körpers § 28. Der schwere symmetrische Kreisel
76 76 79 81 88 93
V . Analytische Mechanik 99 § 29. Das d'Alembertsche Prinzip 99 5 30. Die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art 104 § 31. Zyklische Koordinaten 109 § 32. Die kanonischen Gleichungen 111 5 33. Die Hamiltonfunktion eines Elektrons im elektromagnetischen Feld 114 Namen- und Sachregister 117
Verzeichnis einiger einschlägiger Werke a) Werke über das Gesamtgebiet der theoretischen Physik F. H u n d : Einführung in die theor. Physik (5 kleinere Bände), 1. Band: Mechanik, Leipzig 1945. G. J o o s : Lehrbuch der theor. Physik, 6. Aufl., Leipzig 1945. L. P a g e : Introduction to theor. Physics, 3. Aufl., Toronto, New York, London 1952. M. P l a n c k : Einführung in die allgemeine Mechanik, 3. Aufl.. Leipzig 1921; Einführung in die Mechanik deformierbarer Körper, 2. Aufl., Leipzig 1922 und 4 weitere Bände.
Cl. S c h ä f e r : Einführung in die theor. Physik (3 umfangreiche, z. T. mehrteilige Bände). I.Mechanik materieller Punkte, starrer Körper und Kontinua, 5. Aufl. Berlin 1950. A. S o m m e r f e l d : Vorlesungen über theor. Physik (6 Bände). B a n d J . Mechanik, Leipzig 1943. Band I I . Mechanik der deformierbaren Körper. Leipzig 1947. W. W e i z e l : Lehrbuch der theor. Physik (2 Bände), Berlin, Göttingen, Heidelberg 1950.
b) Werke über theoretisch-physikalische Mechanik Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften, Bd. IV, Teil 1 bis 4, Mechanik, Leipzig 1901 bis 1935. G. H a i n e 1: Theoretische Mechanik (Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Bd. 57), Berlin, Göttingen, Heidelberg 1949. Handbuch der Physik, herausgegeben von Geiger und Scheel, Bd. V. Grundlagen der Mechanik. Mechanik der Punkte und starren Körper, Berlin 1027. E . M a c h : Die Mechanik in ihrer EntWicklung, Leipzig 1904 (historischkritische Darstellung).
G. Mie: Die Grundlagen der Mechanik, Stuttgart 1950. C. M ü l l e r . G. P r a n g e : Allgemeine Mechanik, 2. Aufl., Hannover 1923. T h . P ö s c h l : Einführung in die analytische Mechanik, Karlsruhe 1949. J.C. S l a t e r , N . H . F r a n k : Mechanics, New York, London 1947. A. G. W e b s t e r : The dynamics of particles and of rigid, elastic and fluid bodies, Leipzig 1925. E . T. W h i t t a k e r : A treatise on the analytical dynamics of particles and rigid bodies, 4. Aufl. 1937.
c) Einige Werke, welche in die angewandte Mechanik und die Mechanik der Kontinua einführen A. F ö p p l : Vorlesungen über technische Mechanik, 6 Bände, 12. Aufl. 1943. A. F ö p p l und L. F ö p p l : Drang und Zwang (2 Bände über Elastizitätslehre), 3. Aufl. 1943. E . G r a m m e l : Der Kreisel, Braunschweig 1920. Handbuch der Physik, herausgegeben von Geiger und Scheel. Band VI. Mechanik der elastischen Körper, Berlin 1927. Band VII. Mechanik . der flüssigen und gasförmigen Körper, Berlin 1927. F. K l e i n und A. S o m m e r f e l d : Über die Theorie des Kreis fix, 4 Bände, Leipzig 1897/1914.
H . L a m b : Lehrbuch der Hydrodynamik, Leipzig 1931. A. E . H . L o v e : Lehrbuch der Elastizität, Leipzig und Berlin 1907. T h . P ö s c h l : Lehrbuch der technischen Mechanik. 2. Aufl. 1930. L. P r a n d t l : Führer durch die Strömungslehre, 2. Aufl., Braunschweig 1944. L. P r a n d t l und O . T i e t j e n s : Hydround Aerodynamik, 2 Bände, Berlin 1929 und 1931. K . W o l f : Lehrbuch der technischen Mechanik starrer Systeme, Wien 1930.
I. Kinematik §1. G r u n d g r ö ß e n und a b g e l e i t e t e G r ö ß e n Die Aufgabe der Physik besteht darin, die Erscheinungen der unbelebten Natur kurz und vollständig zu beschreiben. Die Mechanik speziell befaßt sich mit dieser Aufgabe an den Bewegungen und Kräften. Alle physikalischen Aussagen beruhen auf der Erfahrung. Wenn wir experimentell feststellen, daß eine Erscheinung stets in der gleichen Weise abläuft oder daß gewisse Erscheinungen immer gekoppelt auftreten, so sprechen wir diesen Tatbestand als ein Naturgesetz aus. Wir fügen^also — über die Erfahrung hinausgehend — die Annahme hinzu, daß dieser Zusammenhang ausnahmslos gültig sei. Der nächste Schritt der physikalischen Arbeit pflegt darin zu bestehen, unter immer neuen Bedingungen die Richtigkeit dieses Naturgesetzes an der Erfahrung zu prüfen. Es wird sich dann entweder als nur eingeschränkt gültig erweisen oder als ein allgemeines Naturgesetz bewähren, welches einen großen, umfassenden Erfahrungsbereich beschreibt. Man formuliert die Naturgesetze in der Regel als eine mathematische Beziehung zwischen verschiedenen Beobachtungsresultaten. Das Ergebnis einer quantitativen Beobachtung'bezeichnet man in der Physik als Größe. Die erste und grundlegende Aufgabe der Physik, ohne die sie ihre Arbeit gar nicht beginnen kann, besteht in einer möglichst einwandfreien Definition aller vorkommenden physikalischen Größen. Damit hat der Mensch im Grunde schon lange vor Beginn bewußter physikalischer Arbeit angefangen. Begriffe wie Entfernung, Länge, Geschwindigkeit, Arbeit usw. sind jedem Menschen mehr oder weniger verständlich. Für die Benutzung in der Physik bedürfen diese Begriffe einer Präzisierung, und darin besteht die wichtigste Aufgabe einer Einführung in die theoretische Physik.
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Kinematik
Hinsichtlich der Art ihrer Definition teilt man alle Größen in zwei Gruppen ein: Die G r u n d g r ö ß e n definiert man durch das Verfahren, wie man sie beobachtet, also durch eine Meßvorschrift. Die a b g e l e i t e t e n Größen werden durch eine mathematische Beziehung zu den Grundgrößen definiert. Leider besteht in"der Physik keine vollständige Einmütigkeit darüber, welchesJ die Grundgrößen sind und durch welche Beziehungen die abgeleiteten Größen definiert werden. Die Unterschiede in dieser Hinsicht sind die Ursache für das Auftreten verschiedener Maßsysteme. In der Kinematik, der Bewegungslehre, werden aber einheitlich Länge und Zeit als Grundgrößen aufgefaßt, alle anderen als abgeleitete Größen. Das Verfahren, wie die Länge einer geradlinigen Strecke durch wiederholtes Anlegen eines Maßstabes gemessen wird, ist im Prinzip jedermann bekannt. Auf die Voraussetzungen, die diesem Verfahren zugrunde liegen — Existenz unveränderlicher Körper, Definition der Geraden usw. — sei hier nicht näher eingegangen. Das Resultat einer Längenmessung, die Länge l der Strecke, besteht in der Angabe einer Zahl mal der Länge des benutzten Maßstabes, z. B . I = 37 m. Das Symbol m, Meter, besagt dabei nicht nur, daß als Vergleichskörper mittelbar oder unmittelbar das in Paris aufbewahrte Normalmeter benutzt wurde, sondern außerdem, daß die Strecke nach einem Verfahren der Längenmessung mit ihm verglichen wurde. Die Methode des Vergleiches bestimmt die Qualität der Größe oder ihre Dimension. Man darf die Dimension einer Größe nicht verwechseln mit der Einheit, ein weit verbreiteter Fehler. Im obigen Beispiel heißt die Dimension „Länge", die Einheit „Meter". Oft kann man zwar die Dimension an der Einheit erkennen. Der Metermaßstab wird nur zu Längenmessungen verwendet und bestimmt daher auch die Qualität der Messung. Das Normalkilogramm dagegen wird bei zwei verschiedenen Messungen als Einheitskörper verwendet (vgl. § 8 und 15) und legt daher durch seinen Namen nicht die Dimension der gemessenen Größe fest. E s sei darauf hingewiesen, daß man die Länge einer Strecke natürlich auch noch auf andere "Weise messen kann als durch wiederholtes Anlegen eines Maßstabes. Bei der Landesver-
§ 1. Grundgrößen und abgeleitete Größen
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messung z. B. werden die Winkel in Dreiecken aus Lichtstrahlen gemessen und dadurch unbekannte Strecken mit einer direkt ausgemessenen Strecke verglichen. Ein anderes Verfahren besteht in der Messung der Laufzeit eines Radarsignales, welches die Strecke hin und zurück durchläuft. Diese Meßverfahren nutzen irgendwelche bewährten Naturgesetze zur Messung aus. Im ersten Fall wird die Tatsache benutzt, daß für Dreiecke aus Lichtstrahlen die Gesetze der Euklidischen Geometrie gelten, im zweiten Fall die Konstanz der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Radarwellen. Solche Meßverfahren, die nur unter der Voraussetzung der Gültigkeit der benutzten Naturgesetze richtig sind, nennt man abgeleitete Meßverfahren. Viel Unklarheit ist in der Physik dadurch entstanden, daß man bei einzelnen Größen nicht eindeutig festgelegt hat, welches das definierende Meßverfahren und welches abgeleitete Verfahren sind. Wenn aus unbekannten Ursachen irgendwelche Unstimmigkeiten auftraten, hat man gelegentlich verschieden definierte Größen gleichwertig nebeneinander benutzt und durch Beiworte unterschieden. Im obigen Beispiel könnte man etwa eine trigonometrische Länge von einer Radarlänge unterscheiden. Wenn man es auf die Spitze treibt — und das ist in der Elektrizitätslehre geschehen — könnte man diesen verschiedenen Längen sogar eine verschiedene Dimension zuschreiben, denn sie sind in der Tat durch qualitativ verschiedene Vergleichsverfahren erhalten worden. Die dadurch entstehenden Begriffsverwirrungen kann man nur vermeiden, wenn man bei jeder Grundgröße ein und nur ein Meßverfahren als definierendes Meßverfahren auszeichnet und alle anderen als abgeleitete Meßverfahren bezeichnet. Auf das Verfahren, wie man durch Vergleich mit einer Uhr, d. h. mit irgendeinem periodisch ablaufenden Vorgang, die Zeit mißt, brauchen wir hier nicht näher einzugehen. Dieses Verfahren definiert eine Grundgröße der Dimension „Zeit". Die übliche Einheit ist die Sekunde. Nach Erläuterung der Begriffe Länge und Zeit kann nun auch der Begriff der Bewegung erklärt werden. Wir bezeichnen einen Körper als bewegt, wenn sich die Entfernungen seiner
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Kinematik
Punkte von denen anderer Körper, die wir -willkürlich als ruhend bezeichnen, mit der Zeit ändern. Oft wird die Erwähnung des ruhenden Bezugskörpers stillschweigend übergangen. Es ist aber wichtig zu betonen, daß man in der Physik den Begriff einer absoluten Bewegung nicht kennt. Es gibt nur Relativbewegungen. Denn es ist nicht gelungen, irgendeine Erscheinung zu finden, an der sich eine Bewegung kundtut, ohne daß dazu ein ruhender Vergleichskörper benötigt würde. Eine absolute Bewegung ist also nicht beobachtbar. Was nicht beobachtbar ist, gehört aber nicht zur Physik. §2. Geschwindigkeit und Beschleunigung bei geradliniger Bewegung Wenn sich ein Punkt P auf einer Geraden bewegt, genügt zur Festlegung seiner Lage die Angabe der Entfernung s von einem beliebigen ruhenden Punkt P0 der Geraden (vgl. Abb. 1). Die Zeit t bedeutet das Zeitintervall von einem beliebigen Zeitnullpunkt an. Die Bewegung ist vollständig beschrieben, wenn zu jeder Zeit t der zugehörige Weg s bekannt ist: s = s( 0. (1) Abb. 1. Der Weg s in Abhängigkeit Unter der mittleren Geschwinvon der Zeit t. (tga ist proportional zur Geschwindigkeit) digkeit v in dem Zeitintervall von tx bis t2 versteht man den Quotienten aus dem Wegintervall s2 — s15 welches der betrachtete Punkt in diesem Zeitintervall zurücklegt, dividiert durch das Zeitintervall:
Zu der Geschwindigkeit v(it) im Zeitpunkt ^ gelangt man durch den Grenzübergang zu einem beliebig kleinen Zeitintervall /Jt = t2 — ->• 0, bei fester Anfangszeit tv Das
§ 3. Grandaufgaben der Kinematik
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Wegintervall A s = s2 — sx geht natürlich gleichzeitig gegen null. As ds In dem Bestreben, den Begriff der Geschwindigkeit in einem bestimmten Zeitpunkt zu definieren, gelangte auf diese Weise Newton zu dem Begriff des Differentialquotienten. Er nannte diesen Grenzwert-Fluxion und bezeichnete ihn mit 's. Das ist seitdem in der Mechanik als Bezeichnung für Differentialquotienten nach der Zeit noch vielfach üblich. Wenn man den Weg s über der Zeit aufträgt (graphischer Fahrplan), wird v durch die Neigung der Kurve dargestellt (vgl. Abb. 1). Da die mittlere Geschwindigkeit und desgleichen ihr Grenzwert durch Division einer Länge s durch eine Zeit t gebildet wird, hat die Geschwindigkeit die Dimension Länge durch Zeit. Bei Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit wird häufig gesagt, die Geschwindigkeit sei gleich dem Weg, der in der Zeiteinheit zurückgelegt wird. Dementsprechend wird die Geschwindigkeit in Kilometern oder sogar in Stundenkilometern angegeben. Diese Ausdrucksweise ist nicht korrekt, denn die Geschwindigkeit kann niemals gleich irgendeinem Wege sein. Weg und Geschwindigkeit haben verschiedene Dimension, also verschiedene Qualität. Die Beschleunigung b definiert man ganz entsprechend als den Differentialquotienten der Geschwindigkeit nach der Zeit bzw. als den zweiten Differentialquotienten des Weges nach der Zeit: dv d2s . . . h = di = d i > = v = s^ Die Beschleunigung hat die Dimension Länge durch Quadrat der Zeit. § 3. Die G r u n d a u f g a b e n der K i n e m a t i k Wenn von den vier Größen Weg, Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung eine Größe als Funktion einer anderen bekannt ist, läßt sich die ganze Bewegung bis auf gewisse Anfangsdaten angeben. Wir behandeln hier die Methoden, wie'man in den verschiedenen Fällen die anderen Größen findet.
Kinematik
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1. Ist die Funktion s = s ( die Richtung der an den Hodographen hat. Tangente Sein Betrag |6| = + + ist gleich der Ableitung der Bogenlänge der Hodographenkurve nach der Zeit. Das ist aber nicht identisch mit der zweiten Ableitung des Weges s nach der Zeit. Aus (1) folgt nämlich d2s
dv
..
Av
(3)
Abb. 6 läßt aber erkennen, daß die Zunahme des Geschwindigkeitsbetrages, AV = V2 — V1, nicht identisch ist mit dem Betrag des Vektors des Geschwindigkeitszuwachses A ü. Die Endpunkte der Geschwindigkeitsvektoren bj und b2 zu den Zeiten und t2 in Abb. 6 seien Qt und Q2. Die Kugel um den Ursprung mit dem Radius vl schneidet den Vektor t)2 in
§ 4. Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor
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Qa. Wenn das Zeitintervall At = t2 — tx genügend klein ist, kann man die Figur Q2 Q0 angenähert als rechtwinkliges Dreieck mit einem rechten Winkel bei Q0 ansehen. Die Hypotenuse dieses Dreiecks ist der Betrag des Vektors Aü. Die eine Kathete Av = v2 — v1 ist angenähert gleich der Projektion des Vektors Aü auf die Richtung des Vektors b2. Also ist auch
angenähert die Projektion des Vektors ^ y
auf die Richtung von D2. Im Limes A t ^ O folgt daraus: cl v d2s Der Differentialquotient ^ = ist gleich der Projektion des Vektors
= h auf die Richtung der Geschwindigkeit, oder
mit anderen Worten: Die Projektion des Beschleunigungsvektors b auf die Richtung der Bahntangente ist gleich der zweiten Ableitung der Bogenlänge der Bahnkurve nach der Zeit. Man nennt diese Größe die Bahnbeschleunigung: j,otang _-
dv d t
s — - d^i 2 •
fd\ W
Rechnerisch erhält man Jtang am einfachsten durch skalare Multiplikation des Beschleunigungsvektors t» mit einem Vektor vom Betrag 1 in Richtung von D. Ein solcher Vektor ist t)° = £ . Also folgt: T
_ (Bö) _ ¿x+ v -
yy + zz +
+
. ( J )
Um die Bedeutung der Komponente des Beschleunigungsvektors senkrecht zur Bahntangente 6norm anschaulich zu übersehen, zeichnen wir im Ortsraum (Abb. 5) die Ebene durch P 1 ; in welcher der Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektor zu diesem Zeitpunkt liegt. Wenn nicht gerade b parallel zu t) ist, ist diese Ebene eindeutig festgelegt. Der Punkt P 2 liegt nahezu auch in dieser Ebene, und zwar um so genauer, je kleiner At ist. Wir zeichnen in dieser Ebene die Normalen auf der Bahnkurve in den Punkten P x und P 2 , bzw. strenggenommen die Normalen auf der Projektion der Bahnkurve auf diese Ebene. Der Schnittpunkt M dieser 2
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Kinematik
Normalen — genaugenommen der Grenzwert des Schnittpunktes bei unbegrenzter Annäherung von P 2 an P1 oder A t —> 0 — heißt der Krümmungsmittelpunkt der Bahnkurve. Die Strecke MP± heißt Krümmungsradius q. Wenn die Bahnkurve s ein _Kreis ist, ist q gleich; dem Kreisradius. Ist A (p der Winkel zwischen den beiden Normalen und A s die Bogenlänge der Kurve von I \ bis P 2 , so gilt angenähert As m qA
2 in Abb. 6 noch einmal vor. Die Projektion des ' Beschleunigungsvektors auf die Ebene senkrecht zur Geschwindigkeit ist angenähert gleich - j l mal der Projektion des Vektors A o auf diese Ebene, und diese ist bei genügend kleinem At angenähert gleich der Länge des Kreisbogens QxQa in Abb. 6, also gleich vlA 0; dann geht —r über in den Betrag der Geschwindigzj t keit. Also folgt allgemein:
v2
&norm = ~ •
(7)
Die Projektion des Beschleunigungsvektors auf die Ebene senkrecht zur Bahn ist dem Betrage nach gleich dem Quadrat der Geschwindigkeit dividiert durch den Krümmungsradius. Man nennt sie die Normalbeschleunigung oder Zentripetalbeschleunigung. Als Anwendung dieser Überlegungen behandeln wir die Bewegung auf einem Kreis mit dem Radius a. Legen wir den Koordinatenursprung in den Kreismittelpunkt und die z-Achse senkrecht zur Kreisebene, so erhält man bei Einführung des Azimutalwinkels
x .l+ dcoy . + da)z„ t+a>dx
dr-dr -dfi -dt
* dt+dt + dt • (10) di
dt
Setzt man hier die Ausdrücke (8) ein, so entsteht aus den letzten drei Summanden zusammen das Vektorprodukt von o mit sich selbst, also null. Man erhält daher do _ da>x . ,do)y_ . dt ~ dt li~ d f J
, +
| n
dt'1'
Die zeitliche Änderung von o kann man demnach so berechnen, als ob i, j, f konstante Vektoren wären, oder mit anderen Worten: Die Änderungsgeschwindigkeit des Drehvektors o für einen ruhenden Beobachter ist die gleiche wie die, welche ein mit dem starren Körper mitbewegter Beobachter feststellen würde. Daraus ergibt sich eine anschauliche Beschreibung der Drehbewegung. Wenn man sich die Drehvektoren zu verschiedenen Zeiten alle v o m Bezugspunkt 0 aus abgetragen denkt, so wird dadurch ein im Körper festliegender allgemeiner Kegel beschrieben. Seine Spitze liegt in 0 . Die Bahn des Endpunktes v o n o liegt auf seinem Mantel. Man nennt diesen Kegel den Gangpolkegel oder Polhodie (Polweg). Genau so kann auch ein ruhender Beobachter einen entsprechenden, im Raum festliegenden Kegel konstruieren. Diesen zweiten Kegel bezeichnet man als Rastpolkegel oder Herpolhodie. Legt man durch Parallelverschiebung die Spitzen beider Kegel zusammen, so haben sie in jedem Augenblick eine Mantellinie gemeinsam, nämlich gerade diejenige, in der der jeweilige Drehvektor liegt. Wenn die Lage der körperfesten Achsen t, j;, f eine kleine Zeit At lang konstant wäre,
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Kinematik
würde sich der Endpunkt des Drehvektors auf dem körperfesten Kegel um die kleine Strecke
i+ ^^ j+
iJ A t
verschieben. In Wirklichkeit wandert er auf dem raumfesten Kegel um die Strecke ^ At.
Nach (11) sind beide Strecken
identisch. Das bedeutet: Der körperfeste und der raumfeste Kegel des Drehvektors berühren sich an der Stelle des momentanen Drehvektors. Denn wenn man den körperfesten Kegel in Gedanken festhält und auf ihm weiterwandert von dem Drehvektor zur Zeit t zu demjenigen zurZeit t+At, so erhält man bis auf Größen proportional (A t)2 und höherer Ordnung denselben Drehvektor wie beim Fortschreiten längs des raumfesten Kegels. Wenn man also von der Bewegung des Bezugspunktes 0 absieht und die Scheitel der beiden Kegel desDrehvektors in einen Punkt verschiebt, so erscheint die Drehbewegung des Abb. 10. Das Abrollen der beiden allgemeinen Kegel des Drehvektors 0 aufeinander starren Körpers als ein Abrollen des körperfesten Gangpolkegels auf dem raumfesten Rastpolkegel ohne Gleitung (vgl. Abb. 10). Man erkennt daraus insbesondere anschaulich: Wenn der Drehvektor im Raum seine Richtung ändert, muß er auch im Körper wandern, denn ein im Körper festliegender Drehvektor entspricht einem entarteten Gangpolkegel, dessen Öffnung sich auf null zusammengezogen hat. Dieser kann durch Rollen nicht im Raum fortschreiten. Auf diese Ergebnisse werden wir in § 27 zurückkommen.
§ 7. Relativbewegung
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§ 7. D i e R e l a t i v b e w e g u n g In vielen Fällen betrachtet man Bewegungen relativ zu einem starren Körper, der sich selber bewegt. Man interessiert sich dann für die Geschwindigkeit und Beschleunigung, die ein ruhender Beobachter feststellen würde. Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil unsere Erdkugel sich dreht. Wir denken uns in dem bewegten Körper ein rechtwinkliges Koordinatensystem festgelegt mit dem Ursprung 0 und den Einheitsvektoren t, j, i in den Achsenrichtungen. Wir betrachten einen Punkt P, der in diesem Koordinatensystem den Ortsvektor r ' mit den Komponenten x', y', z' besitzt. Es ist also (i) x> = X ' i + y , j + Z ' i 0 habe in einem ruhenden Koordinatensystem den Ortsvektor r 0 . Der Ortsvektor von P im Ruhesystem ist demnach r = r„ + r'. (2) Die Geschwindigkeit von P beträgt dx d r„ dx' .„. ö j
-
dt
=
~dt~ +
dt '
(ö)
-jjj = ö 0 ist die Geschwindigkeit des Koordinatenursprungs 0. Bei der Bildung von dx' ist zu beachten, daß sich nicht nur die Koordinaten x', y', z' zeitlich ändern, sondern wegen der Drehung des bewegten Koordinatensystems auch i, j, f. Die Geschwindigkeit von P für einen mit dem starren Körper mitbewegten Beobachter ist dx' ,
dy' ,
=
dz' „ I i 1
Beachtet man die Gleichungen ( § 6 ; 8) für die Ableitungen der Vektoren i, j, i nach der Zeit, so ergibt sich für die vollständige zeitliche Ableitung von r ' : dx'
r
,
— = t i ' + [or']
und daher wegen (3) b = b „ + [ o f ] + t>'.
...
(4) (5)
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Kinematik
Um die Beschleunigung b zu erhalten, differenzieren wir diese Gleichung nochmals nach der Zeit: di , dü„ T dr'l Tdo >' Genau so wie bei der Differentiation von t ' ergibt sich § ' = b ' + [ob']. (7) Darin bedeutet b' den Beschleunigungsvektor für einen mit dem starren Körper mitbewegten Beobachter, der die Einheitsvektoren i, j, i als konstant ansieht. Setzt man (4) und (7) in (6) ein und führt für die Beschleunigung des Punktes 0 dü die Bezeichnung b0 = ein, so erhält man: r]. (8) b = 6, + b' + 2 [Ob'] + [0 [ o r ] ] + Wir betrachten einige Spezialfälle dieser allgemeinen Formel. Dreht sich der bewegte Körper nicht, ist also o = 0, so erhalten wir b = b0 + b'. (9) Die Gesamtbeschleunigung ist in diesem Fall gleich der Vektorsumme aus der Relativbeschleunigung b', die der mitbewegte Beobachter mißt, und der Beschleunigung des Koordinatenursprunges 0. Wenn der Bezugspunkt 0 des bewegten Koordinatensystems ruht und der Drehvektor o konstant ist, erhält man b = b'+2[oö']+[o[of]]. .(10) Der zweite Vektor senkrecht zu o und zu b' heißt die Coriolisbeschleunigung. Der dritte Summand ist die Zentripetalbeschleunigung eines Punktes, der im bewegten Koordinatensystem ruht und demnach eine Kreisbewegung in einer Ebene senkrecht zu o um die durch o gegebene Gerade durch den Ursprung vollführt. Man kann sich leicht davon überzeugen, daß [o [or']] senkrecht zu o ist und dem Betrage nach gleich dem Quadrat der Winkelgeschwindigkeit w = |o| mal dem Abstand von der Drehachse (vgl. §4; 10). Als Anwendung dieser Ergebnisse wollen wir die Fallbewegung auf der sich drehenden Erde behandeln. Wenn man den Luftwiderstand vernachlässigen kann, erfährt der Mittelpunkt einer frei fallenden Kugel auf der Erde eine Beschleu-
§ 7. Relativbewegung
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nigung g 0 , die zum Erdmittelpunkt hin gerichtet ist. Das gilt jedoch nur für einen Beobachter, der relativ zum Fixsternhimmel ruht, d. h. in (8) ist 6 = g 0 . F ü r die Beschleunigung t>' relativ zur Erde ergibt sich aus (8) ein anderer Wert. Der Drehvektor o der Erde ist konstant. Also verschwindet das letzte Glied in (8). Die fallende Kugel soll zu Anfang ihrer Bewegung relativ zur Erde ruhen. Den Anfangspunkt der Bahn machen wir zum Ursprung 0 des bewegten Koordinatensystems. Dann ist b0 nicht gleich null, bewegt sich doch 0 auf einem Kreis um die Erdachse und mit der Erde um die Sonne. Man kann aber g 0 mit dem gegen g 0 kleinen Vektor i>0 zusammenfassen zu einem Vektor g = g 0 — b 0 . Dann folgt aus (8) beim Auflösen nach b ' : b'=g -2[oü'] Der Vektor g ist die Beschleunigung, die ein im Ursprung 0 momentan ruhender Körper (d. h. ö' = 0 und X' = 0) beim freien Fall vom Standpunkt des mitbewegten Beobachters aus erfährt. Die Richtung von g nennt man auf der Erde die Vertikale. Wir schreiben jetzt (11) in Komponenten aus. Die s-Achse des Koordinatensystems legen wir in Abb. 11. Zur Fallbewegung auf der sich drehenden Erde die Richtung entgegengesetzt zu g, die «-Achse horizontal genau nach Süden (vgl. Abb. 11). Die y-Achse weist dann nach Osten. D a o parallel zur Erdachse ist, gilt unter der geographischen Breite cp für die Komponenten von o : cox=
— o) cos cp; coy = 0 ; coz =
co sin cp.
Die Komponenten von (11) lauten dann:
cPx' -jp =
2 oj sin cp y' +
-¿¿ä"= — 2 co (sin
8 ist demnach eine benannte Größe, keine Zahl. Man erkennt jetzt, wie zweckmäßig es war, bei der Definition der Kraft-
§ 16. Newtonsches Bewegungsgesetz
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einheit 1 Kp und der Masseneinheit 1 kg denselben Normalkörper heranzuziehen und bei der Festlegung des Ortes, an dem das Normalkilogramm durch sein Gewicht die Kraft 1 Kp realisiert, nicht einen bestimmten geographischen Platz festzulegen, sondern den Wert der Fallbeschleunigung g0 an dieser Stelle. Das hat zur Folge, daß der Zahlenwert der Größe d in den oben angegebenen Einheiten definitionsgemäß festgelegt ist. Das macht man in der Physik oft. Hier wird die Einheit 1 Kp so festgelegt, daß der Zahlenwert der -universellen Größe d einen vorgeschriebenen Wert hat. Genau so wird in der Elektrizitätslehre die Ladungseinheit 1 Coulomb durch Verfügen über den Zahlenwert der Induktionskonstanten fi„ festgelegt. Da das obige Bewegungsgesetz ungeheuer oft benutzt wird, ist das Auftreten des Faktors ö lästig. Man kann ihn auf zwei verschiedene Weisen beseitigen und gelangt dadurch zu zwei verschiedenen Begriffssystemen. a) Das physikalische Begriffssystem verwirft die in § 8 angegebene Definition der Kraft und setzt stattdessen fest, daß unter der Kraft ^phys die Größe
fy verstanden werden
soll, also eine Größe anderer Dimension, nämlich Masse' mal Länge durch Zeit zum Quadrat. Man nennt 3fphyB gelegentlich auch „dynamisches" Kraftmaß im Gegensatz zur Größe dem „statischen" Kraftmaß. Mit dieser neuen Kraftdefinition gilt: gphye=«b. (3) Es wäre falsch, zu sagen, man ändert im physikalischen Begriffssystem die Einheit der Kraft so ab, daß d = 1 wird. Eine Änderung der Einheit kann niemals die Dimension einer Größe ändern und aus der benannten Größe d eine Zahl machen. Vielmehr wird das Meßverfahren, durch das die Grundgröße Kraft definiert wird, abgeändert. Bei der Eichung einer zu Kraftmessungen benützten Feder mit Hilfe von Gewichtsstücken (vgl. §8) wird die gemessene Kraft nicht mehr als Vielfaches irgendeiner Einheitsgewichtskraft ausgedrückt, sondern durch das Produkt aus Masse m der Gewichtsstücke mal Fallbeschleunigung g am Ort der Messung. Auf Grund
Dynamik
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des Erfahrungssatzes (1) ist dies Produkt der Schwerkraft proportional. An verschiedenen Orten mit verschiedenen g tritt bei gleichem Produkt mg die gleiche Dehnung der Feder auf. Da im physikalischen Begriffssystem Produkte aus Massen und Beschleunigungen häufig auftreten, hat man den gebräuchlichsten Einheiten dieser Größen eigene Namen gegeben, nämlich = 1 g cm/sek2 und 1 dyn 1 Newton = 1 kg m/sek2 = 105 dyn. b) Das technische Begriffssystem verwirft die bisherige Definition der Masse und bezeichnet stattdessen als Masse die Größe mtechn = d - m, also eine Größe der Dimension Kraft durch Beschleunigung. Man kann mtechn auch als den Quotienten aus dem Betrage des Gewichtes G und der Fallbeschleunigung g am gleichen Ort erklären: G mtechn = — . (4) In beiden Fällen tauchen in der Bewegungsgleichung nur noch die Dimensionen von drei Grundgrößen auf. Die vierte — im physikalischen Begriffssystem die der Kraft und im technischen die der Masse, — wird gewissermaßen verschleiert, indem in die Meßverfahren zur Definition dieser Größen die Multiplikation mit der universellen benannten Größe (5 bzw. eingefügt wird. Die hier gegebene Darstellung läßt klar hervortreten, daß das Newtonsche Bewegungsgesetz (3) keinesfalls eine Definition des Begriffes Kraft darstellt, wie es vor einem knappen Jahrhundert manchmal behauptet worden ist. Das Newtonsche Bewegungsgesetz ist ein Erfahrungsgesetz, welches die drei unabhängig voneinander meßbaren Größen Kraft, Masse und Beschleunigung miteinander verknüpft. Die Tatsache, daß die Kraft nicht nur eine Abkürzung für Masse mal Beschleunigung ist, erkennt man besonders deutlich daran, daß nach der Relativitätstheorie, in Übereinstimmung mit der Erfahrung an Elektronen, die Proportionalität zwischen Kraft
§ 17. Impuls
55
und Beschleunigung bei hohen Geschwindigkeiten verloren geht. Dann gilt stattdessen gp,
y s
=m|(y==).
(5)
(c— Lichtgeschwindigkeit). Die Funktion F(t>, ü) hat also bei hohen Geschwindigkeiten die Gestalt
W> = *!i(ydy-
(6)
Wenn definitionsgemäß 2rPhys = mb wäre, könnte die Erfahrung nicht für hohe Geschwindigkeiten etwas anderes ergeben. Gelegentlich schreibt man das relativistische Bewegungsgesetz (5) auch d g p h y s = -^(TOrelt>), (7) m — „ „ als die relativistische, von der Ge|/1—«a/ca schwindigkeit abhängige Masse bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu heißt die in § 15 definierte Masse m die Ruhemasse. Im folgenden wollen wir uns auf so kleine Geschwindigkeiten beschränken, daß das nichtrelativistische Bewegungsgesetz gilt. Wir schreiben es fortan in der Gestalt g = mb (8) und verstehen dabei unter % entweder die physikalische Kraft, die bisher mit grPhys bezeichnet wurde, oder unter m die technische Masse mtechn. wobei m ie1 =
§ 17. Der I m p u l s Bisher haben wir nur solche Bewegungen betrachtet, bei denen alle Teile des betrachteten Körpers die gleiche Beschleunigung erfahren. Um auch Aussagen für kompliziertere Bewegungen machen zu können, untersuchen wir zunächst ein System von N Massenpunkten. Wir bezeichnen wie in § 12 mit % ik die Kraft des i-ten Massenpunktes auf den i-ten und mit die Summe aller Kräfte auf den i-ten Massenpunkt, welche von Körpern außerhalb des betrachteten Systems herrühren. Ist r,- der Ortsvektor zum i-ten Massenpunkt und
56 Ami s e i n e Masse, gleichung für ihn
Dynamik so lautet
die Newtonsche Bewegungs-
Mm, = & +
k= 1
(1)
Summiert man diese Gleichungen auch noch über i von 1 bis N, so heben sich die inneren Kräfte mit Doppelindizes paarweis fort, weil nach dem Satz von Aktio gleich Reaktio g r i s t - Also erhält man Ä / l m . - i g i . (2) i-1 Da die Massen/Im,- zeitlich konstant sind, ist die linke Seite gleich der zeitlichen Ableitung der Größe N
(3) i-1 Diese Größe nennt man den Impuls des Körpers. E r steht in engem Zusammenhang mit der Geschwindigkeit des Schwerpunktes. Da die Gewichte den Massen proportional sind, gilt nach (§ 13; 2) für den Ortsvektor r 3 zum Schwerpunkt eines Körpers mit der Gesamtmasse m ts = ^ i : t i A m i . m
i=l
(4)
Daraus folgt
Die Gleichung (2) läßt sich demnach auch in folgender Form schreiben: (6)
Sie besagt: Die Ableitung des Impulses ijß nach der Zeit bzw. das Produkt aus der Gesamtmasse und der Beschleunigung des Schwerpunktes ist gleich der Summe der äußeren Kräfte auf den betrachteten Körper und unabhängig von den inneren Kräften zwischen seinen einzelnen Teilen. Ist die Summe der äußeren Kräfte gleich null, so ist der Impuls bzw. die Gcschwin-
§ 17. Impuls
57
digkeit des Schwerpunktes konstant. Diese letzte Aussage nennt man auch den Satz von der Erhaltung des Impulses oder von der Erhaltung des Schwerpunktes. Der Satz gilt nicht nur für ein System von Massenpunkten, sondern hat sich als ein allgemein gültiges Naturgesetz erwiesen. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir den Stoßprozeß zwischen zwei Körpern mit den Massen m 1 und m2, welche vor dem Zusammenstoß die Geschwindigkeiten und t>2 haben mögen. Da man während der kurzen Zeit der Wechselwirkung die äußeren Kräfte vernachlässigen kann, ist der Gesamtimpuls vorher und nachher gleich. Daraus ergibt sich für die Geschwindigkeiten t)/ und ö 2 ' nach dem Stoß m i V + m2 ü 2 ' = m 1 ^ + m 2 ti2. (7) Als zweites Beispiel berechnen wir die Beschleunigung einer Rakete. In der kleinen Zeit At möge die Masse fiAt mit der Geschwindigkeit v0 relativ zum Raketenkörper nach hinten ausgestoßen werden, m sei die Masse der Rakete einschließlich Treibstoff zu Beginn der Zeit At. Die Geschwindigkeit der dv Rakete wollen wir v nennen, -^j At ist ihre Zunahme in der Zeit At. Der Gesamtimpuls zu Beginn des Zeitintervalles At ist mv. Nachher hat die Masse fiAt die Geschwindigkeit (v — v0), die Restmasse dagegen v + ^ At. Läßt
man
die
Schwerkraft und den Luftwiderstand außer Betracht, so gilt also mv = (m — /uAt) (v + ~ At) + /uAt • (v —v0). Durch Ausmultiplizieren und Division durch At ergibt sich nach Durchführung des Grenzüberganges At-*0 dV (l /QS (8) di=mv a2 wird, aber noch \ < b2 und ct < c2, so sclmeiden sich die Ellipsoide längs zweier Kurven, die die p-Achse umschließen. Die eine liegt ganz im Bereich positiver p, die andere ganz bei negativen p. Vergrößert man |9i s | weiter, so wächst die Ausdehnung dieser Schnittkurven, bis schließlich \ = b2 geworden ist. Dann berühren sich die Ellipsoide auf der g-Achse und schneiden sich zugleich längs vier Kurvenbögen, die auf der g-Achse beginnen, die p-r-Ebene schneiden und auf der negativen q-Achse enden. Jeder Kurvenbogen trifft gerade einen der vier Quadranten der p-r-Ebene. Wenn man |3l s | noch weiter vergrößert, schneiden sich die Ellipsoide auf der p-g-Ebene nicht mehr, denn dann ist at > a2 und \ > b2. Dann entstehen also zwei getrennte Schnittkurven, die die r-Achse umschließen, und von denen die eine ganz im Bereich positiver r, die andere ganz im Bereich negativer r 1f
Abb. 26. Die Projektionen der Schnittkurven zwischen Schwungellipsoid und Triigheitsellipsoid auf die p-r-Ebene für festes L T r ot und verschiedene Werte von
§ 28. Der schwere symmetrische Kreisel
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liegt. Mit wachsendem |$Rä| ziehen sich diese Kurven auf die r-Achse zusammen, bis schließlich, wenn = c2 geworden ist, die beiden Ellipsoide sich nur noch in zwei Punkten auf der r-Achse berühren. Abb. 26 zeigt eine qualitative Darstellung der Projektionen der Schnittkurven auf die p-r-Ebene. Aus diesen anschaulichen Betrachtungen ergibt sich in Verbindung mit den Differentialgleichungen (6): Die einzigen Bewegungen, bei welchen der Drehvektor im Körper konstant ist, sind die Drehungen um eine der Hauptträgheitsachsen. Wenn man den Körper so anstößt, daß der Drehvektor anfänglich sehr nahe bei einer der Hauptträgheitsachsen liegt, so bleibt er bei der p- und r-Achse ständig in ihrer Nähe, dagegen entfernt er sich von der g-Achse beträchtlich. Denn es gibt keine Schnittkurve der Ellipsoide, die in der Nähe der g-Achse vorbei läuft und nicht zugleich bis in das Gebiet mit entgegengesetztem Vorzeichen von q führt. Bei einem Anstoß, bei welchem anfänglich p0 und r0 sehr klein gegen qa waren, ändert sich also o im Lauf der Zeit stets so, daß einmal q = 0 wird und nach einiger Zeit wieder nahezu eine Drehung um die g-Achse entsteht, aber mit entgegengesetztem Drehsinn. Diese Tatbestände pflegt man kurz in folgender Weise auszudrücken: Die Eichtungen des größten und kleinsten Hauptträgheitsmomentes sind bei der freien Rotation stabile Rotationsachsen; die des mittleren Hauptträgheitsmomentes dagegen ist labil. In ähnlicher Weise kann man auch anschaulich zeigen, daß bei einem Körper mit zwei gleichen Hauptträgheitsmomenten A = B die Bahn des Endpunktes von o stets ein Kreis um die r-Achse parallel zur p-g-Ebene ist, wie wir das analytisch bereits gefunden hatten. § 28. Der schwere symmetrische K r e i s e l Als einziges Beispiel von den zahlreichen Problemen der Kreiseltheorie soll hier die Bewegung des gewöhnlichen Spielkreisels behandelt werden. Er besteht aus einem rotationssymmetrischen Körper, der im Idealfall reibungsfrei in einem Punkt der Achse, aber unterhalb des Schwerpunktes unterstützt ist. Die Schwerkraft bewirkt ein Drehmoment, welches
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Mechanik des starren Körpers
horizontal und senkrecht zur Rotationssache gerichtet ist und den Kreisel umwerfen würde, wenn dies nicht durch die Rotationsbewegung verhindert würde. Zur Beschreibung seiner Bewegung benutzen wir zwei Koordinatensysteme. Das raumfeste X-, Y-, Z-System möge eine vertikale Z-Achse haben. Das im Kreisel festliegende x-, y-, «-System soll mit der 2Achse in der Symmetrieachse des Kreisels liegen, welche man meist als die Figurenachse bezeichnet. Der Einfachheit wollen wir die Ursprünge beider Koordinatensysteme in den Schwerpunkt des Kreisels legen, obwohl dann das X-, Y-, Z-System eigentlich nicht im Räume festliegt. Da wir von der Diskussion der Schwerpunktsbez wegung absehen wollen, spielt das keine Rolle.
A b b . 2 7 . D a s körperfeste x, y , z - K o o r d i n a t e n -
Die gegenseitige Lage der beiden Koordinatensysteme wird meist durch die drei Eulerschen Winkel y>,
, y , be-
§ 28. Der schwere symmetrische Kreisel
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rechnen. W e n n y> u n d rp k o n s t a n t sind u n d n u n ? veränderlich ist, h a t der D r e h v e k t o r die R i c h t u n g der Knotenlinie u n d die Größe 4. D a n n b e t r a g e n die K o m p o n e n t e n von o sin = 0. = # cos = — W e n n n u r ip sich ä n d e r t u n d & u n d