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German Pages [159] Year 2014
Sabine Demel
Einführung in das Recht der katholischen Kirche Grundlagen- Quellen- Beispiele
WBG~ Wissen verbindet
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
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ISBN 978-3-534-26434-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eßook (PDF): 978-3-534-73903-5 eßook (epub): 978-3-534-73904-2
Inhalt Vorwort.
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Rechtim Leben der Kirche-eine Erfahrungstatsache .
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I.
Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung.
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1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee . . . . . . . .
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1.1 Frieden und Freiheit als Aufgabe und Fu nktion von Recht 1.2 Die Ausrichtung an der Offenbarung als Eigenart des kirchlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Kirchliche Gesetze in der Spannung zwischen göttlicher und menschli cher Wirklichkeit . . . . . . . . . .
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2. Die Herausforderung an Recht in einer Kirche der Liebe .
22
2. 1 Was Kirche als Liebesgemeinschaft meint . . . . . . 2.2 Was Recht aus der Liebesgemeinschaft machen kann
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2.3 Was aus der Liebesgemeinschaft ohne Recht w erden kann.
23
2.4 Was Recht in einer Liebesgemeinschaft leisten kann.
23
2.5 Was der Vorran g der Liebe vor dem Recht bedeutet
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3. Unrechtes Recht und die Bedeutung von Gerechtigkeit, Gehorsa m, M o ral und Zwang . . . . . . . . . . . . .
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3.1 Das Phänomen unrechten Rechts . . . . . . . . .
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3.2 Die Notw endigkeit der Gerechtigkeit als personale Tugend 3.3 Der verantwortete (Un-)Gehorsam als Ausdruck der Gerechtigkeita lsTugend . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.4 Die Spannung zwi schen M ora l und Zwang als Grundlage für eine gerechte Rechtsordnung . . . . . . . . . . . 4. Spezifizierte Theologie und modif iziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts. . . . . . . .
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4.1 Die Enttheologisierung deskirchlichen Rechts. . . . .
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4.2 Die Verbin dung von Theologie und Recht . . . . . . .
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4.3 Die additive Verbindung von Theologie und Recht als dauernde Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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27
4.4 D ie innere Verbindung und W echselwirkung zwischen Theologie und Recht als unabdi ngbare Notwend igkeit.
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5. Bezug und Abgren zung von M oral, Recht und Kirchenrecht
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5.1 Die Straftat des sexuellen Mi ssbrauchs als Beispi el für die Relevanz der Verh ältni sbesti mmung . . . . . . . . . 5.2 Verbindungs- und Trennungslinien . . . . . . . . . .
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5.3 D ie Kirche und der sexuelle Missbrauch - ein Resümee über die Verh ältnisbestimmung . . . . . . . . . . . .
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6
Inhalt
II. Wo die katholische Kirche Recht hat- Rechtsquellen.
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1. Der CIC/ 1983 und CCE0/1990 . . . . . . . . . .
47
1 .1 Die eine katholische Kirche als Gemeinschaft eigenberechtigter Kirchen . . . . . . . . . .
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1 .2 Das Kon zept der Lex Ecclesi ae Fundamentalis (LEF) .
48
1.3 Codex luris Canonici (CIC) . . . . . . . . . . . . 1.4 Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO)
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2. Authentische Interpretationen. . . . . . . . .
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2.1 Das PCI bzw. PCLTals zuständige Behörde
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2.2 Deklarative und konstitutive Interpretation
55
2.3 Kennzeichnung, Fundorte und Beispiele .
55
II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze 1. Das II. Vatikanische Konzil als Bezugsrahmen . . . . . . .
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1.1 Positivismus und Kasuistik vor dem Konzil. . . . . . .
58
1.2 Recht als eine Dimension im Mysterium der Kirche seit dem Konzil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.3 Theologische Grundlegung der rechtlichen Normen imCIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.4 Rechtliches Denken in der Theologie und Theologisches Denken im Recht heute. . . . . . . . . . . . . . .
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1.5 Die Bedeutung der Auslegung und Anwendung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.6 Kein Schlu sspunkt des konziliaren Entwicklungsprozesses. 2. Göttliches und menschliches Recht als zw ei Grundarten kirchlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1 Naturrecht und Offenbarungsrecht als göttliches Recht .
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2.2 Gesetzesrecht und Gew ohnheitsrecht als menschliches bzw. kirchliches Recht . . . . . . . . . . . . . . 3. Pa rtikularrecht als Dezentralisieru ng und Ausdruck des Subsidiaritätsprin zips . . . . . . . . . . . 3.1 Vielfaltpartikularrechtlich er Quellen . . . . . . .
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3.2 Bedeutung und Ausmaß . . . . . . . . . . . . .
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4. Die gesetzwidrige Gewohnheit als kirchliche Rechtsquelle
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4 .1 Rechtsbildende Kraft . . . . . . . . 4.2 Voraussetzungen für die Entstehu ng . . . . . . . .
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4.3 Korrekti v gegen Vereinheitlichung . . . . . . . .
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5. Dispens, kanonische Billigkeit und Epikie als elastische Rechtsprinzipien . . . . .
72
5.1 D ispens . . . . . . . 5.2 Kanonische Billigkeit.
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5.3 Epikie . . . . . . . .
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5.4 Bezug und Abgrenzung. 5.5 Nachprüfbarkeit als Schutz vor Missbrauch
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Inhalt 6. Das Heil der Seelen als oberstes Gesetz . . . . . . . . .
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6.1 Recht und Gesetz in Dienstfunktion . . . . . . . . .
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6.2 Gemeinschaftsperspektive unter Beachtung des/der Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.3 Prinzip der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . .
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7. Von der Gesetzesnorm zur theologisch rückgebundenen Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Laien und ihre Mitwirkungsrec hte in Theorie und Praxis
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1.1 D er Wandel von der Hierarchie- zur CommunioEkklesiologie auf dem II. Vatikanischen Konzil . . . . . . . . . . . . .
81
1.2 Die Communio-Ekklesiologie in den Grundaussagen des CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.3 Die Hierarchie-Ekkl esiologie in der rechtlichen Konkretisierung der kirchlichen Dienste und Ämter des CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 1.4 Von der kleruszentrierten zur laienorientierten Kirche als rechtliches Gebot der Stunde . . . . . . . . . . . . . 1.5 Bischöfliche Selbstbindung an die Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte der Laien als erster konkreter Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Rechtsschutz als Zusage ohne adäquate Au sgestaltung .
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2.1 Nichtzuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Verwaltungsmaßnahmen . . . . . .
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2.2 Fehlende Verwaltungsgerichte . . . . . . . . .
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2.3 Vorwurf der Grundrechtsverl etzung. . . . . . .
92
2.4 Hierarchischer Rekurs als einziger Rechtsw eg bei Verwaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . .
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2.5 Verfa hrensschritte des hierarchischen Rekurses .
93
2.6 Inadäquate Rechtsmittel bei Verstößen im Kontext von Nihil obstat und Lehrüberprüfung . . . . . . . . . . .
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3. Wiederverheiratete Geschiedene al s Kirchenglieder im Abseits
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3.1 Straftat der Bigamie im kirchlichen Gesetzbuch von 1917 3.2 Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Z ulassung zur Kommunion seit 1981 . . . . . . . . . .. . . . . . 3.3 Diskussion über die Kriterien der Nichtzulassung zum Kommunionempfang seit 1983 . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Erinnerung an die Epikie durch die oberrheinischen Bischöfe 1993 .. . . . .. . .. . . . . . . . . . . 3.5 Einschärfen der Kriteri en der Nichtzul assung zum Kommunionempfang durch den Päpstli chen Rat für die Gesetzestexte 2000 .. . . .. . . . . . . . . . . . . 3.6 Neuauflage des Vorschlags der oberrheinischen Bischöfe durch das Seelsorgeamt der Erzdiözese Freiburg 201 3 . .
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98 98
7
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Inhalt 3.7 Wahrheit und Barmherzigkeit in der Frage des Kommunionempfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.8 Leben und Wirken in der Kirche außerhalb der Sakramente
99
3.9 Die Ermöglichung einer zweiten Ehe als Reformvorschlag.
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4. Der Papst und der Anspruch auf Unfehlbarkeit . . . . . .
105
4.1 Unfehlbarkeit in der Lehre des Papstesaufgrund der Unfehlbarkeit der ganzen Kirche . . . . . . . . . .
106
4.2 Dogma der Unfehlbarkeit im Lehren für den Konfliktfall und in Bindung an die Gesamtkirche . . . . . .
106
4.3 Strenge inhaltliche und formale Kriterien für eine unfehlbare Lehrentscheidung. . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die weitere Suche nach der Wahrheit auch nach einer Lehrentscheidung . . . . . . . . . . . 5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
5.1 Der christliche Gehorsam im Gesamt des Glaubens . . . .
109
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5.2 Der Gehorsam im Bewusstsein der eigenen Verantwortung nach c.212§1 CIC . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 5.3 Die Meinungs(äußerungs)freiheit als Unterfall einer einseitigen Gehorsamspflicht nach c.212 §2 und §3 CIC.
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5.4 Reformvorschläge für c.212 CIC mit Hilfe der Lehre vom Glaubenssinn aller Gläubigen . . . . . . . . . . .
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6. Der Zölibat als verpflichtender Ausdruck der ungeteilten Hingabe an Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
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6.1 Die Gedanken der kultischen Reinheit und ungeteilten Hingabe als Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
6.2 Die Verbindung von Charisma und Verpflichtung auf dem II. Vatikanischen Konzil. . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.3 Rechtspflicht um des Himmelrei ches willen für die Kleriker im CIC/1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Auf die Bischöfe eingeschränkte Pflicht im CCE0/1990
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7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
122
7.1 Jedwede Tötung der unreifen Leibesfrucht nach der Empfängnis als kirchliche Straftat . . . . . . . . . .
122
7.2 Erfolg und Vorsatz als Voraussetzungen für die Strafbarkeit. 7.3 Gl eiche Strafandrohung für w esentliche Tatbeteiligung in moralischer oder physischer Weise . . . . . . . . . . .
124 125
7.4 Die Diskussion über die Schwangerschaftskonfliktberatung als Tatbeteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
7.5 Straffreistellungsgründe trotzVorsatzund Erfol g . . . .
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7. 6 Die Tatstrafe der Exkommuni kation für alle wesentlich an der Tat Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.7 Der Strafnachl ass der Exkommunikation . . . . . .
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7.8 Zwischen Lebensrechtdes ungeborenen Kindes und Konfliktlage der Mutter . . . . . . . . . . . . . . .
132
Inhalt 8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zurWeihe . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .
132
8.1 Der Weg zur recht Iichen Gleichwertigkeit von Frauen .
133
8.2 Gleichwertigkeit und die Diskussion um die Frauenordination . .. .. . . . . . . . . .. . .
134
8.3 Die praktische Umsetzung der Gleichwertigkeit als Zeichen der Zeit . . . . . . . . . . . . . . .
137
Recht leben in der Kirche- eine Gabe und Aufgabe aller .
140
Verzeichnisse Abkü rzungen .
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Quellen und Literatur .
144
Stichworte . . . . . .
153
Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils
158
Canones .. . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort Warum diese Einführung in das Recht der katholischen Kirche? Wir haben doch schon drei neue Einführungswerke: Norbert Lüdecke, Ceorg Bier, Das römisch-katholische Kirchenrecht. Eine Einführung, Stuttgart 2012; Heinrich de Wall, Stefan Mucke/, Kirchenrecht. Ein Studienbuch, München 3 2012; Urs Brosi, Recht, Strukturen, Freiräume, Zürich 201 3 ! Daher ist zu Recht die Frage zu stell en: Worin liegtdenn die Besonderh eitdervorliegenden Einführung? Wie j edes andere Fachbuch trägt es die Handschrift seiner Verfasserin. Ihr Anliegen ist es, Interesse für das spannende Fachgebiet des Kirchenrechts zu wecken, das mehr ist als eine Ansammlung von Gesetzesnormen, die es zu verstehen oder schlicht zu befolgen gilt. Als dynamische Beziehungsrealität einer Gemeinschaft ist jedes Recht darauf angewiesen, dass lebendig mit ihm umgegangen wird. in diesem Sinne soll diese Einführung von Anfang an zu kritischem Denken und einem lebendigen Umgang mit dem kirchlichen Recht befähigen und ermuti gen. Dieses Anliegen spiegelt sich auch in der inhaltlichen und didaktischen Konzeption des Buches wider. Inhaltlich werden nicht nur konkrete Regelungen vorgestellt, sondern auch ihre Grundlagen theologischer und rechtlicher Art herausgearbeitet sowie ihre Grenzen und Reformbedürftigkeitgeprüft Auf diese Wei se wird der Blick auf das geltende Recht kontinuierlich mit der Suche nach einem besseren Recht der christlichen Freiheitsordnung verbunden. Al s durchgehende Perspektive wird dadurch deutlich gemacht, dass der Rechtsgemeinschaft und j edem einzelnen Mitglied nicht nur eine Verantwortung vorden Rechtsnormen, sondern auch fürdie Rechtsnormen zukommt. Darüber hinaus wird das Recht der katholischen Kirche so reflektiert und dargestellt, dass zugleich Verbindungs- und Unterscheidungslinien zum weltlichen Recht aufgezeigt werden. Die Inhalte werden didaktisch in dreifach gestufter Form präsentiert. Die Unterteilung in Grundzüge, Q uellentexte und Anregungen zum W eiterdenken ist anhand des unterschiedlichen Schriftbildes leicht erkennbar. Dadurch hat der/die Lesende die W ahl, sich auf die Lektüre und das Studium der Grundzüge zu kon zentrieren, um sich ein elementares Wissen und Verständnis für das Recht im Allgemeinen und speziell für das Kirchenrecht anzueignen. Oder der/die Lesende nutzt das Angebot, an den entsprechenden Stellen maßgebliche Quellentexte nachzulesen, um so noch besser mit der theologischen und spezifisch kirchenrechtlichen Fachsprache wie auch D enkweise vertraut zu w erden. O ptisch sind die Q uellentexte an dem grau hinterl egten Kasten leicht zu erkennen. Ihre Lektüre erl eichtert das Verständnis, weil in ihnen die Kernpunkte zusammengefasst sind, die vorher entfaltet oder anschließend problematisiert werden. Schließlich kann der/die Lesende auch der Einladung folgen, sich mit anderen Auffassungen oder w eiterführenden Aspekten der vorher dargestellten Thematik auseinanderzusetzen. Di ese Einladung wird stets mit dem Hinweis Weiterdenken am Textrand in Verbindung mit einem grauen Ba lken entl ang des entsprechenden Textes ausgesprochen, kann aber problemlos ausgeschl agen w erden, ohne deshalb beim nachfol genden Text in Verständnisschwierigkeiten zu geraten. Durch diese dreistufige Konzeption ist die Einführung sowohl für theologisch und kirchlich Versi erte als auch für neugierige Einsteigerinn en geeig-
Vorwort
net. Sie wendet sich daher an Studierende der katholischen Theologie für den Magister bzw. die Magistra Theologiae und für das Lehramt Religion an der Sekundarstufe I und II, aber auch an Studierende der Rechtswissenschaften ebenso wie an kirchlich Engagierte und Beschäftigte in der katholischen Kirche sowie an Schülerinnen und Lehrerinnen von W-Seminaren im Fach "Katholische Religionslehre" an Gymnasien. Sie alle können sich mit dieser Einführung ein grundlegendes Wissen erwerben über die Chancen und Gefahren von Recht in Gesellschaft und Kirche sowie über die Möglichkeiten, verantwortungsbewusst und kreativ mit (kirchen)rechtlichen Normen umzugehen. Für ihre zahlreichen konstruktiven Hinweise bei der Konzeption und Ausgestaltung des Buches, die Erstellung der Register und die Korrekturarbeiten bei der Endredaktion danke ich insbesondere den Herren Michael Pfleger (wissenschaftlicher Mitarbeiter) und Mattbias Steindl (nebenberufliche wissenschaftliche Hilfskraft) sowie den studentischen Hilfskräften Frau Susanne Fiedler, Herrn Stefan Knott, Frau Sabrina Tutschke und Frau Brunner (Sekretariat).
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Recht im Leben der Kirche eine Erfahrungstatsache Vorschriften
Verstößeungeahndet
Wo man geht und steht, ständig stößt man in der katholischen Kirche auf irgendwelche Vorschriften - so empfinden es zumindest viele Christlnnen. Und viele davon wirken auf sie kleinlich, unverständlich und I oder hinderlich für das Leben aus dem Glauben. Zu denken ist hier z. B. an die Vorgaben für die Predigt von Laien, den Einsatz von Mädchen als Ministrantinnen, die Feier von ökumenischen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen, den Kornrnunionempfang von "wiederverheirateten Geschiedenen", die Lebensführung von Klerikern, die Gestaltung von Diözesansynoden, die Verpflichtung zum "Treueeid". Dass daher solche Vorschriften oft nicht eingehalten werden, verwundert nur wenige. Dagegen löst die Tatsache, dass diese Verstöße gegen die gesetzte Ordnung weitgehend ungeahndet bleiben, sehr wohl immer wieder Erstaunen aus. Wie können erst strenge Regelungen erlassen und nicht selten mit schweren Strafandrohungen versehen werden, wenn dann ihre Übertretungen doch gänzlich folgenlos bleiben? Will man das Recht nicht konsequent durchsetzen? Kann man es nicht? Oder muss man es gar nicht? Werden die Rechtsbestimmungen aus Überzeugung missachtet? Deren Existenz als unwichtig abgetan? Oder lediglich aus Unwissenheit heraus nicht befolgt? Was davon ist mit dem Wesen, mit dem Sinn und Zweck von (kirchlichem) Recht vereinbar? Und wo ist der Punkt erreicht, an dem (kirchliches) Recht ad absurdum geführt wird, weil es nicht meh r Schutz und Sicherheit gewährt, sondern genau dem Gegenteil, nämlich der Willkür und Macht des bzw. der Stärkeren Vorschub leistet? Die Beantwortung dieser Fragen hängt von einem Bündel von Voraussetzungen und Vorentscheidungen ab, die in diesem Buch aufgezeigt, in ihren Konsequenzen bedacht und an konkreten Beispielen verdeutlicht werden .
I. Warum die katholische Kirche Recht hatRechtsbegründung Wie jede Religion kennt auch das Christentum Recht und Gesetz. Sinn und Zweck beider ist es, die von Gott "geschenkte Freiheit zu bew ahren und das Gottesverhältnis zu schützen" ([3 6] 581). Tatsache ist aber, dass viele ChristInnen jede Form von Recht und Gesetz in ihrer geistlichen Gemeinschaft, der Kirche, ablehnen. Gesetzliche Vorschriften in christlichen Gemeinschaften, die ihren Gliedern in verbindlicher Weise mitteilen, durch welches Verhalten sie in der Regel der Auferbauung der Gemeinschaft dienen bzw. schaden ([40] 9), w erden oft gerade nicht als Hilfe zur Auferbauung der kirchlichen Gemeinschaft empfunden, sondern als starr und unflexibel, als lebensfern und " unfähig, den vielfältigen, höchst unterschiedlichen Situationen und der konkreten Lebenswirklichkeit gerecht zu werden" ([144] 59). Deshalb werden von vielen Christinnen immer w ieder die provokanten Fragen gestellt: W as hat Gottesglaube mit Recht zu tun? Und was Liebe und Barmherzigkeit mit Gesetz?
Freiheit und Schutz
lebensfern
1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee "Einigkeit und Recht und Freiheit" - so heißt es in der deutschen Nationalhymne ([28]). ja mehr noch: Einigkeit und Recht und Freiheit stehen als Trias gleich zu Anfang und werden in der gleichen Strophe nochmals wiederholt! Was kommt damit zum Ausdruck? Erstens scheinen Einigkeit und Recht und Freiheit drei wichtige Säul en für eine Gemeinschaft wie den deutschen Staat zu sein! Zw eitens gehören Einigkeit und Recht und Freiheit offensichtlich irgendwie zusammen, das eine ist ohne die anderen zw ei ni cht möglich: Einigkeit scheint es ohne Recht und Freiheit nicht zu geben! Recht nicht ohne Eini gkeit und Freiheit! Freiheit nicht ohne Einigkeit und Recht! Ist hier aus weltlicher Perspektive und auf Deutschland bezogen formuliert, so werden aus Sicht der katholischen Kirche ähnliche und doch andere W orte gebraucht, um zu umschreiben, was für ein Gemeinschaftsleben innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche notwendig ist. Für den " Frieden unter den Völkern" sind hiern ach " W ahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit" die notw endi gen Bausteine - so kann das Rundschreiben zusammengefasst w erden, mit dem sich 1963 Papst j ohannes XXIII. " an die ehrw ürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und die anderen Oberhirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben, an den Klerus und die Chri stgläubigen des ganzen Erdkreises sow ie an all e M enschen guten Willens" geri chtet hat und das den Titel trägt: " Über den Fri eden unter all en Völkern in W ahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit" (lateini scher Kurztitel: Pacem in terris; [29]). Vergleicht man die zentralen Begriffe der deutschen Nationalhymne mit den Schlüsselbegriffen der Enzyklika Pacem in terris,fällt auf, dass beide "Freiheit" nicht nur nennen, sondern jeweils an das Ende ihrer Aufzählung, gleichsam als Gipfelpunkt setzen . Bleiben " Einigkeit und Recht" auf der einen Seite und "Wahr-
Einigkeit und Recht und Freiheit
Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
heit, Gerechtigkeit, Liebe" sowie die übergeordnete Zielgröße 11 Frieden unter allen Völkern" auf der anderen Seite. Ist vielleicht das eine die allgemeine Umschreibung der konkret genannten Aspekte im anderen Text? Ist Gerechtigkeit das gleiche wie Recht oder ist das eine mehr als das andere? Führt "Wahrheit" und " Liebe" zur "Einigkeit"? Oder ist 11 Friede" identisch mit 11 Einigkeit"? Wie passen "Liebe" und "Recht" bzw. "Gerechtigkeit" zusammen? Und was hat "Recht" mit "Wahrheit" zu tun? Kann es überhaupt "Einigkeit und Recht und Freiheit" ohne "Wahrheit" geben?
1. 1 FriedenundFreiheit alsAufgabe undFunktion vonRecht Ideal und Wirklichkeit
Schuld- und Konfliktsituationen
Freiheit sichern und begrenzen
Urideeder Menschheit
Friedens- und Freiheitsordnung
Es gehört zur Alltagserfahrung, dass jeder und j ede von uns bestimmte Ansprüche an sich selbst stellt, bestimmte Ideale verfolgt und zugleich erfährt, dass er und sie oft hinter beiden zurückbleibt. Ideal und Wirklichkeit, Anspruch und Erfüllung- das ist ein Spannungsfeld, mit dem sich jeder Mensch auseinandersetzen muss; denn zum Menschsein gehört die Ausrichtung auf ein Ideal, die Orientierung an einem Anspruch, zugleich aber auch das Erleben und die Erkenntnis, im täglichen Handeln doch mehr von der Wirklichkeit als vom Ideal, mehr vom Zurückbleiben hinter dem Anspruch als von dessen Erfüllung geprägt und bestimmt zu sein. Das ist die Wurzel der Erfahrung von Schuld und Konflikt im menschlichen Zusammenleben und der Ausgangspunkt jeder Rechtsordnung. Denn Recht will und muss Schuldund Konfliktsituationen so weit eindämmen, dass das für den Menschen als Gemeinschaftswesen notwendige Miteinander nicht unmöglich wird. Recht will und muss die zwischenmenschlichen Beziehungen regeln, und zwar so, "dass punktuelle Streitigkeiten nicht aus sich heraus ganze Konfliktketten generieren" ([35] 875), sondern )n Frieden" geklärt werden. Friedliche Klärung meint, dass auf Unterdrückung, Machtmissbrauch, Willkür, Maßlosigkeit, Ausbeutung und Ähnliches verzichtet wird und eine Beziehung der Fairness herrscht. Dementsprechend hat Recht die Aufgabe, Freiheit zu sichern und zugleich zu begrenzen. Es sichert die Freiheit des und der Einzelnen in der Gemeinschaft, begrenzt aber auch diese Freiheit am gleichen Recht des und der Anderen sowie am Anspruch der Gemeinschaft ([42] 71 ). So wird durch Recht jeder Anspruch auf eine sittenwidrige und gewaltsame Ausübung von Freiheit unterbunden ([51] 171 ). Wegen dieser grundlegenden Aufgabe und Funktion wird Recht als eine Uridee der Menschheit und als eines der grundlegendsten Kulturgüter hoch geschätzt. Denn erst das Recht ermöglicht ein wirklich menschliches Zusammenleben, das frei ist von Willkür und Gewalt und von ei nem einseitigen Recht des Stärkeren. Nur das Recht will und kann sowohl die Freiheit des/der Einzelnen schützen wie auch den Frieden und die Eigenart einer Gemeinschaft von Menschen wahren. Das heißt, durch Recht soll eine Friedens- und Freiheitsordnung der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft geschaffen werden, weil erst auf der Grundlage von Frieden und Freiheit die Ausrichtung auf ein Idea l erfol gen und so etwas wie eine Tugend- und Wahrheitsordnung entstehen kann. Deshalb gibt es überall, wo Menschen in einer festen Gemeinschaft leben, eine Rechtsordn ung, die das Mindestmaß an Miteinander festlegt, damit die Gemeinschaft sowoh l als ganze w ie auch in ihrer Eigenart bestehen und funktionieren kann. Implizite Voraussetzung der bisheri gen und weiteren Überlegungen ist, dass hier nicht einfach 11 ein Rechtsbegriff zugrunde gelegt werden [darf], der
1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee aus der Erfahrung des staatlichen Rechts gewonnen und nur auf dieses anwendbar ist. Recht ist philosophisch ein vorstaatliches Phänomen menschlicher Sozialität, die für eine Gemeinschaft verbindlich gewusste Ordnung, die mit dem Anspruch auf volle Verwirklichung auftritt" ([58) 516). Judith Hahn macht zu Recht darauf aufmerksam, dass die Rechtserfahrung der Kirchenglieder primär nicht vom kirchlichen, sondern vom staatlichen Rechtssystem geprägt ist. .. Weil staatliches Recht - gesellschaftliche Rechtskultur, demokratische Gesetzgebungsverfahren, rechtsstaatliche Rechtsprechung- die primären Referenzgrößen unseres Rechtserlebens darstellen, ist unser juristischer Denkhorizont und Argumentationshaushalt staatlich-rechtlich bestückt. Selbst Theologinnen und Theologen, die sich mit der Kirchenstruktur und -Organisation beschäftigen, denken in der Regel bei ,Recht' zunächst an die staatlich-rechtliche Ordnung. Erst in einem zweiten Gedankenschritt kommt in den Sinn, dass auch Kirche rechtlich verfasst ist, mit dem Begriff des Rechts auch Kirchenrecht gemeint sein kann. Die kirchliche Rechtserfahrung entbehrt damit einer Unmittelbarkeit; Kirchenrechtserleben ist kein unmittelbares, sondern ein von der staatlich-rechtlichen Rechtserfahrung abgeleitetes Rechtserleben. ,Kirchenrecht' wird durch den Filter staatlicher Rechtserfahrung gelesen und erlebt" ([34)122f).
Weiterdenken Erfahrung primär mit staatlichem Rechtssystem
1.2 Die Ausrichtung an der Offenbarung als Eigenart des kirchlichen Rechts Wer die Rechtsordnung einer Gemeinschaft verstehen will, muss Ursprung, Sinn und Zweck der betreffenden Gemeinschaft kennen. Denn durch Recht und Gesetz soll ja gerade das Zusammenleben der Menschen so geregelt w erden, dass die Eigenart der j ew eiligen Geme insc haft zum Ausdruc k gebracht und bew ahrt wird. Folg I ich ist es Aufgabe des Rechts jeder christlichen Gemeinschaft, das Zusammenleben ihrer Glieder so zu ermöglichen und zu garantieren, dass es dem Wesen des Christentums entspricht. Ursprung und Wesen des Christentums ist die Offenbarung Gottes in jesus Christus. Die verbindliche Lebensordnung j eder c hristlichen G emeinsc haft muss daher an der Offenbarung Maß nehmen und ihr entsprechend ausgestaltet werden . Spez iell für die c hristliche Gemeinsc haft der katholischen Kirc he fo lgt aus der Offenbarun g in jesus Christus, dass die Gemeinsc haft der Christinnen nic ht nur eine rein menschliche oder rein göttliche Gemeinschaft ist, sondern beides zusammen, sowohl eine innerweltliche Gemeinschaft von Menschen wie auch die von Gott gegründete Heilsgemeinschaft, also die Gemeinschaft von Gott und Menschen. So wie jesus Christus zugle ich Gott und Mensch war, so ist auc h seine Gemeinschaft des G ottesvolkes, seine Kirc he, zugleic h göttlic h und mensc hlic h, hat auc h sie eine göttliche und m ensc hliche N atur z ugleic h. Und wi e die göttliche und menschliche N atur j esu Christi nic ht nebeneinander existieren, sondern eine einzige Wirklichkeit bilden, so auch die göttliche und menschliche Natur der Kirche. Die göttliche und zugleich menschliche Natur der Kirche ist aber nicht wie bei Jesus Christus im Modell einer hypostatischen (griech: personalen) Union zu denken, sondern als epikletische (griech.: geistgewirkte) Union, weil sich .. das Verhältnis von Geist und gesellschaftlichem Gefüge der Kirche ... nicht im Modell einer hypost atischen Union vorstellen [lässt]" ([32) 264). Vielmehr ist davon auszugehen, .. dass der Geist Christi als Hypostase der Kirche bezeichnet werden kann ... [und] dass die Selbstmitteilung des Geistes Christi an die Kirche als eine eigentümliche, hypostatische Funktion des Geistes" ([32]141, Anm. 85) zu verstehen ist.
Offenbarung in jesus Christus
Gemeinschaft von Gott und Menschen
Weiterdenken epikleti sche Union
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat - Rechtsbegründung
Das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) hat diesen schwierigen Sachverhalt für die christliche Gemeinschaft der katholischen Kirche in folgende Worte gekleidet: "Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfasst und erhält sie als solches unablässig; durch sie gießt Er Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft aber und der mystische Leib Christi, die sichtbareVersammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdisch e Kirche unddie mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei Dinge zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschElement zusammenwächst. Deshalb wird sie in einer nicht unlichemundgöttlichem bedeutenden Analogie mit dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes verglichen. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, Ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine nicht unähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes" (LG 8,1)
eine einzige komplexe Wirklichkeit
Identität wahren und sich dem Wirken des Heiligen Geistes nicht verschließen
Instrument des Geistes Christi
Weiterdenken
Aus dieser W esensbestimmung der katholisch en Kirche folgt für ihre Rechtsordnung: Sie muss einerseits die typischen Kennzeichen jeder Rechtsordnun g haben, um der menschlichen Wirklichkeit der Ki rche gerecht zu w erden; sie muss aber andererseits zugleich auch mehr haben als das, was j ede Rechtsordnung ausmacht, um auch der göttlichen Wirklichkeit der Kirche Rechnung zu tragen. Daher musskirchlich es Recht derkirchlichen Gemeinschaft eine Friedens- und Freiheitsordnung geben, die so gestaltet ist, dass sie dem Heilsereignis in, seit und durch j esus Christus gerecht wird. D as heißt ko nkret: Das Recht der katho lischen Kirche verda nkt sich dem geschieht! ichen H ei lsereignis j esu Christi und steht da her in dessen Dienst der Heilsverm ittlung. Sicherlich kan n Kirchenrecht "das Heil nicht selbst verm itteln - d ieses ist ungeschuldetes Gnadengeschenk Gottes-, doch kann und muss es dazu beitragen, dass die Kirche ihre Identität wahrt, ihrem Ursprung in jesus Christus treu bleibt und sich dem Wirken des Heiligen Geistes nicht verschließt" ([39]440). Recht (in) der katholischen Kirche muss somit eine Ordnung sein, die- wie es Papst Jo hannes Paul II. formuli ert hat - " der Li ebe, der G nade und dem Charisma Vorrang einräumt und gleichzeit ig deren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gemeinschaft wie auch der einzelnen M enschen, d ie ihr angehören, erl eichtert" ([6] XIX) . Daher hat das Kirchenrecht wie jedes Recht das Nahziel, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit im Zusammenleben der Kirchenglieder zu gewährleisten. All erdings istdieses Nahziel kei n Selbstzweck, sondern stets Mittel zum Zw eck bzw. immer auf das letzte Z iel hin geordnet, nämlich das in Christus geschehene H eil gegenwärti g zu setzen ([92] 328). ln d iesem Sinn kann Recht in der katho li schen Kirche durchaus als " Instrument des Geistes Christi" ([33 ] 5 7) bezeichnet w erden; den n es soll "ein Hinweis auf den Geist der Kirche sein, aber ihn nicht selbst aussagen; es soll die c hristliche Sittlichkeit und das Gewissen des Einzelnen fördern, aber nicht bis in das letzte Detail regeln " ([33] 57). Es soll also primär die sozialen Beziehungen der Gläubigen in den Bli ck nehmen, gelegentli ch aber auch deren Verhältnis zu Gott, da beide Dimensio nen in einer christlichen Gemeinschaft nicht getrennt werden können; es soll das (äußere) Verh alten regeln, aber unter Berü cksicht igung der sich dahinter verbergenden (inneren) Einstellung, weil der christliche Heilsauftrag den ganzen M enschen umfasst ([44] 8, Rdn. 12).
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Markus Graulich bringt die Eigenart des Rechts der katholischen Kirche folgendermaßen auf den Punkt: " Das Kirchenrecht ist in formaler Hinsicht wirkliches,
1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee
juristisch richtiges und sachliches Recht, auch wenn sein Augenmerk von dem der staatlichen Rechtsordnung verschieden ist, insofern es nicht auf einem Gesellschaftsvertrag beruht, sondern Vorgaben zu entsprechen hat, die es nicht selber schaffen, sondern nur aus der Offenbarung entgegennehmen kann. Dem vom Recht sachlich und gerecht geregelten Sollen geht in der Kirche ein Sein voraus, das den Gliedern des Volkes Gottes durch die in der Taufe erfolgende Aufnahme in die Gemeinschaft der Glaubenden zugesprochen wird. So stellt sich die Frage nach den Grundpflichten und Grundrechten der Gläubigen in einem eigengearteten Kontext, eben dem Kontext der Communio des Volkes Gottes" ([61]409).
7.3 Kirchliche Gesetze in der Spannung zwischen göttlicher und menschlicher Wirklichkeit Ist von "Recht" die Rede, ist meistens das " Gesetzesrecht" gemeint, also das Recht, das durch das autoritative Erlassen von Gesetzen zustande kommt und als "gesatztes" bzw. "geschriebenes" Recht bezeichnet w ird. Die Gesetze sind eine Hauptquelle des Rechts, allerdings nicht die einzige Quelle des Rechts. Denn die Gew ohnheit und die Rechtsprinzipien wie die (höhere) Gerechtigkeit und d ie Rechtssicherheit, Rechtsklarheit, Verhältni smäßigkeit, Z umutbarkeit sowie Zw eckmäßigkeit als deren Teilaspekte sind ebenfall s w ichtige Rechtsquellen wie auch die elastischen Prinzipien der Epikie, Dispens und kanonischen Billigkeit. Im Unterschied zum staatlichen Recht kennt das Gesetzbuch der katholischen Kirche weder eine Definition des kirchlichen Gesetzes noch ein kirchlic hes Gesetzgebungsverfahren. Au ch ein (oberstes) Verfassungsgeri c ht fehlt und damit die geri chtliche Ü berprüf ungsmögli chkeit, ob kirch liche Gesetze die erforderli chen W esensvoraussetzungen erfüll en und mit höherrangigen Normen übereinstimmen ([43] 5, Rdn . 8). Eine Überprüfung kann allenfalls durch den Rat zur authentischen Interpretation der Gesetzestexte (= Pontificium Consilium de legum textibus interpretandis, kurz: PCI, bzw. seit Kurzem auch unter der Selbstbezeichnung: Päpstlicher Rat für di e Gesetzestexte, kurz: PCLT) erfolgen, der aber nach ga nz eigenen Kriteri en täti g wird. Schließlich hat die katholi sche Kirche auch eine eigene Begriffli c hkeit in der Benennung ih rer Rechtsvorschriften. Sie bezeichnet di ese seit j e her nicht als "Gesetze" (gri ech.: nomo i; lat.: Ieges), sondern als " Richtschnüre", " M aßstäbe", "Normen" (griech.: canones) . Canon (auch: Kanon; abgekürzt: c. bzw. can.; im Plural: cc.) "bezeichnet in den neutestamentlichen und frühpatri stischen Schriften di e Richtschnur f ür Glauben und Leben eines Chri sten (Gal 6, 16; Phi I 3, 16), im engeren Sinn seit dem 4. Jahrhundert den Beschluss eines Konz il s bzw. einer Synode (Synodalgesetz) im Unterschied zu päpstlic hen Dekretalen sowie den kaiserli chen Gesetzen (N omoi).... Im Mittelalter ist Kanon die Bezeichnung f ür das kirchli che Recht insgesamt im Gegensatz zum weltlichen (Ieges)" ([41] 366). Daher wird das Recht der katholischen Kirche bis heute auch als "kanonisches" Recht betitelt; desgleichen trägt dessen Zusammenstellung bereits im Titel die spezifische Bezeichnung für die Rechtsvorschriften der katholischen Kirche: Codex lu ris Canonici (= CIC) und CodexCanonum Ecclesiarum Orientalium (= CCEO). a) D er Glaube als zentraler Bezugspunkt D er kirchliche Gesetzgeber hat zwar keine inhaltlichen Kriteri en für ein kirchliches Gesetz festgelegt, w ohl aber hat die Kirchenrechtswissenschaft
Gesetze und Rechtsprinzipien
keine Definition von Gesetz
nicht Ieges, sondern canones
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung gerecht und vernünftig im Licht der Offenbarung
solche entwickelt. Unumstritten gilt als Grundsatz: "Kirchliche Gesetze müssen gerecht und vernünftig sein. - Sie sind gerecht, wenn sie mit der sittlichen Ordnung in Einklang stehen; - sie sind vernünftig, wenn sie auf die Förderung des (recht verstandenen) Gemeinwohls ausgerichtet sind" ([66]161 ). Die beiden Kriterien der "Gerechtigkeit" und "Vernünftigkeit" sind demnach nicht nur in dem allgemeinen Sinn von naturrechtliehen Maximen bzw. einer weltlichen Rechtsordnung zu verstehen, sondern im Licht der göttlichen Offenbarung in jesus Christus. Daher gilt: "Die Gerechtigkeit des kirchlichen Gesetzes ist eine auf dem Glauben beruhende und aus dem Glauben zu erhebende Gerechtigkeit, und die Vernünftigkeit des Gesetzes ist die im Glauben begründete und aus dem Glauben sich ergebende Vernünftigkeit. Umgekehrt gilt: Normen, die zu Glaubenssätzen oder Sittlichkeitsgeboten in Widerspruch treten oder die dem Gemeinwohl schaden, sind unwirksam; der Rechtsanwender darf sie nicht bloß, sondern muss sie unbeachtet lassen " ([66] 161 ). b) Vernünfti ge Glaubensw eisung zur Förderung der kirchlichen Gemeinschaft
drei Wesensmerkmale
Aus dem Grundsatz von der Gerechtigkeit und Vernünftigkeit mit dem Glauben als Bezugsgröße lassen sich drei Wesensmerkmale bzw. innere Merkmale des kirchlichen Gesetzes ableiten. Es ist a) eine allgemeine rechtsverbindliche Glaubensweisung, die b) mit den Mitteln der Vernu nft gestaltet ist und die c) auf die Förderung des Lebens der kirchlichen Gemeinschaft ausgerichtet ist ([1 3/Bd. I] 144-1 52).
1. Allgemeine rechtsverbindliche Glaubensweisung
nicht ordinationes rationis, sondern ordinationes fidei
Wie jedes Gesetz bezieht sich auch das kirchliche Gesetz nicht auf bestimmte Einzelfälle, sondern auf eine unbestimmte Viel zahl von Fällen, und ist in der Regel auf Dauer festgelegt. Diese Tatsache wird durch das Adjektiv "allgemein" zum Ausdruck gebracht. Di e Charakterisi eru ng als "rechtsverbindlich" hebt hervor, dass ein kirchliches Gesetz nicht nur eine Empfehlung oder moralische Vorschrift ist, sondern eine verpflichtende Norm darstellt, die für eine Gemeinschaft recht I ich verbindlich, d. h. gegebenenfalls auch durchsetzbar (erzwingbar) ist ([20/ Bd. I] 58f.). Das Spezifikum des kirchlichen Gesetzes ist in der Umschreibung als "Giaubensweisung'' enthalten. Der Inhalt von kirchlichen Gesetzen verdankt sich nicht der Vernunft, sondern der im Glauben zugänglichen Selbstmitteilung Gottes in j esus Chri stus, also der O ffenbarung. "Erkenntnisquelle ist all ein die Offenbarung" ([47] 106). Kirchliche Gesetze sind daher ni cht Anordnungen der Vernunft, " ordinationes rationis", wie Thomas von Aquin das Wesen von Gesetzen bestimmt hat ([30] 3-1 0), sondern Anordnungen des Glaubens, " ordinationes fidei". Nur im Glauben können kirchliche Gesetze hinreichend erkannt und angewandt werden. Deshalb müsste man korrekterweise sogar sagen, ein kirchliches Gesetz ist nicht eine "Anordnung des Glaubens", sondern "eine im Gl auben zu erkennende Ordnung", also nicht eine "ordinatio fidei", sondern ein ordo fidei" ([72] 11 9). Es folgt nicht einfach " unmittelbar aus dem Glauben," sondern erhält "vom Glauben her seine Rechtfertigung und seine Ausrichtung" ([13/ Bd. I] 146). Deshalb darf die Bestimmung des kirchlichen Gesetzes als " Giaubensweisung" bzw. " als im Glauben zu erkennende Ord-
1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee
nung" nicht so missverstanden werden, als spielte die Vernunft bei einem kirchlichen Gesetz keine Rolle, als wäre die Vernunft gleichsam ausgeschaltet. Das ist keineswegs der Fall, wie aus dem zweiten Wesensmerkmal eines Kirchengesetzes hervorgeht.
2. Mit den Mitteln der Vernunftgestaltet Zwei Aspekte werden in dieser Aussage betont. Zum einen wird festgehalten, dass ein kirchliches Gesetz- wie jedes andere Gesetz auch- nicht aus einer willkürlichen Festlegung hervorgehen darf, sondern vernünftig, d. h. sittlich gut, gerecht und befolgbar sein muss. Zum anderen wird speziell im Hinblick auf das kirchliche Gesetz klargestellt, dass es nicht einfach eine Glaubensweisung ist, sondern eine Weisung, die sich aus dem Gl auben ergibt und von der Vernunft gestaltet ist. ln kirchlichen Gesetzen wird das durch den Glauben Geforderte in vernünftiger Weise konkretisiert. Denn der Glaube schaltet die Vernunft und Freiheit des Menschen nicht aus, sondern setzt diese voraus ([20/ Bd. II] 60f.). Aber im Unterschied zum weltlichen Gesetz ist die menschliche Vernunft nur ein Gestaltungsmittel, nicht auch eine Erkenntnisquelle ([25]155, Nr. 3).
aus dem Glauben und von der Vernunft gestaltet
3. Auf die Förderung des Lebens der kirchlichen Gem einschaft ausgerichtet Jedes Gesetz ist auf das Gemeinwohl der Gemeinschaft, das sog. " bonum commune" für das es erlassen wird, ausgerichtet. Das Gemeinwohl der Kirche als "gottgestifteter Glaubensgemeinschaft" ([13/Bd. I] 148) und Einrichtung in dieser Welt (aber nicht nur von dieser Weit!) ist ein dem Heilswillen Gottes entsprechendes Gemeinschaftsleben. Damit dient dem Gemeinwohl der Kirche alles, was in der kirchlichen Gemeinsc haft und durch sie den unbedingten Heilswillen Gottes im Hier und Jetzt vergegenwärtigt und erfahrbar werden lässt- also alles, was die Sendung Jesu Christi fortsetzt: seine Gerechtigkeit an die Menschen weiterzugeben ([73] 173). Das Gemeinwohl der Kirche ist also das in der Treue zum SendungsauftragJesu Christi gestaltete Leben der kirchlichen Gemeinschaft. Alles, was das Leben der Gemeinschaft in diesem Sinne begünstigt, dient dem Gemeinwohl der Kirche ([1 3/ Bd. 1]1 50).
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Wie für jeden, so gilt insbesondere für den kirchlichen Gesetzgeber der Grundsatz: "So viel Freiheit wie möglich und so viel Bindung wie nötig. Der Gesetzgeber darf sich daher nicht von der Absicht leiten lassen, nur um eines perfekten Systemswillen alles und jedes gesetzlich regeln zu wollen " ([37]479).
dem Heilswillen Gottes entsprechendes Gemeinschaftsleben
Weiterdenken
c) Vo n der zuständigen Autorität für eine Gemeinschaft promulgierter Erl ass Zu den drei inneren W esensmerkmalen eines kirchlichen Gesetzes kommen drei äußere Merkmale dazu. Es muss erstens von der hierfür zuständigen Autorität erlassen sein, zweitens sich an einen bestimmten Personenkreis richten, der als "passive gesetzesfähige Gemeinschaft" bezeichnet werden kann (cc.25; 29 CIC), und drittens promulgiert, d. h. autoritativ bekannt gemacht bzw. in amtlicher Weise veröffentlicht w erden.
drei äußere Merkmale
1. Z uständige kirchliche Autorität Nur der Papst und die Bischöfe können einzeln oder gemeinsam kirchliche Gesetze erlassen. Für gesamtkirchliche bzw. universalkirchliche Gesetze ist die höchste Autorität in der Kirche zuständig- das ist der Papst all ein oder
Papst und Bischöfe
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
zusammen mit dem Bischofskollegium, wobei der Papst auch Behörden der Römischen Kurie an seiner Gesetzgebungsvollmacht teilhaben lassen kann. Partikulare bzw. teilkirchliche Gesetze können je nach Zuständigkeit der Diözesanbischof, die Bischofskonferenz und bestimmte teilkirchliche Konzilien (Pienar- und Provinzialkonzil) erlassen.
bestimmte Personenkreise
amtliche Veröffentlichung
2. Passive gesetzesfähige Gemeinschaft Ein Gesetz kann " für alle erlassen werden, für die ein Gesetzgeber zuständig ist (z. B. die Gläubigen einer Diözese), aber auch für bestimmte Personenkreise, deren Organisation oder Tätigwerden eine rechtliche Regelung erforderlich machen; hierzu gehören u.a. Gesetze, die den pastoralen Dienst von Klerikern oder Laien betreffen oder Struktur und Arbeitsweise der Pfarrgemeinderäte in einer Diözese regeln" ([20/Bd. II] 59). 3. Promulgation desGesetzes Die Veröffentlichung eines Gesetzes ist die "Promulgation". Diese Kundmachung erfolgt autoritativ, d. h. durch den Gesetzgeber oder in seinem Namen. Promulgation ist damit die erste amtliche Veröffentlichung eines Gesetzes für den Personenkreis, dessen Verhältnisse durch die Anordnung geregelt werden sollen. Durch die Promulgation wird das Gesetz "geboren" ([43] 2, Rdn.3f.). Im kirchlichen Gesetzbuch von 1983 ist daher kurz und bündig festgelegt: "Ein Gesetz tritt ins Dasein, indem es promulgiert wird" (c 7 CIC) Der "Geburtsakt" eines kirchlichen Gesetzes ist im kirchlichen Gesetzbuch hinsichtlich "Geburtsort" und Verpflichtungsbeginn genau geregelt. Dabei wird zwischen allgemeinen und partikularen Gesetzen unterschieden. C.8 CIC legt hierzu fest: "§ 1. Allgemeine kirchliche Gesetze werden durch Veröffentlichung im offiziellen Publikationsorgan ActaApostolicae Sedispromulgiert, wenn nicht in einzelnen Fällen eine andere Promulgationsweise vorgeschrieben ist; sie erlangen ihre Rechtskraft erst nach Ablauf von drei Monaten, von dem Tag an gerechnet, der auf der betreffenden Nummer der ActaApostolicae Sedisangegeben ist, wenn sie nicht aus der Natur der Sache sogleich verpflichten oder im Gesetz selbst eine kürzere oder längere Gesetzesschwebe besonders und ausdrücklich festgesetzt ist. §2 Partikulare Gesetze werden auf die vom Gesetzgeber bestimmte Weise promulgiert, und ihre Verpflichtungskraft beginnt einen Monat nach dem Tag der Promulgation, wenn nicht ein anderer Termin im Gesetz selbst festgesetzt wird."
Gesetzesschwebe
Zwischen der Promulgation und dem Eintritt der Geltung des Gesetzes liegt in der Regel eine bestimmte Zeitspanne, die "Gesetzesschwebe". Sie dient dazu, "dass das Gesetz bei seinen Adressaten hinreichend bekanntgemacht wird und die rechtsanwendenden Organe die erforderlichen Vorkehrungen für seine Durchführung treffen können " ([45] 4f., Rdn. Sf.). Bei allgemeinen Gesetzen ist als Regelschwebezeit drei Monate vorgesehen, bei partikularen ein Monat. Mit dieser unterschi edlichen Schwebezeit soll wohl dem größeren bzw. kleineren Adressatenkreis und der damit zusammenhängenden Länge der Informationswege bei allgemeinen und partikularen Gesetzen Rechnung getragen werden. Ausnahmen von dieser Schwebefrist sind nur
1. Recht und Kirchenrecht in ihrer Grundidee
dann statthaft, wenn es sich "aus der Natur der Sache" ergibt, die in einem allgemeinen Gesetz geregelt wird. Das dürfte dann der Fall sein, wenn es sich um Inhalte handelt, die zum Offenbarungsgut gehören, oder die in besonderer W eise dem geistlichen W ohl der Gläubigen dienen, ohne dabei subj ektive Rechte einzuschränken und besondere organisatorische Vorbereitungen zur konkreten Umsetz ung zu benötigen. Wenn es um Inhalte der Offenbarung geht, muss der Geltungsbeginn mit der Promulgation zusammenfallen, ansonsten kann aus Angemessenheitsgründen die Schwebefrist aufgehoben oder zumindest gekürzt werden ([45] 4f., Rdn. 5f.). Als Promulgationsorgan für die allgemeinen Gesetze sind die ActaAposto- Acta Apostolicae licaeSedis(=AAS) vorgeschrieben, für die partikularen Gesetze hat dagegen Sedis der jeweilige Gesetzgeber die Promulgationsweise festzu legen. " Bei den Gesetzen der Deutschen Bischofskonferenz erfolgt die Promulgation dadurch, dass der Vorsitzende die durch den Apostolischen Stuhl überprüften Erlasse den einzelnen Bischöfen der Diözesen oder Jurisdiktionsbereiche zustellt" ([45] 7, Rd. 9). Diözesane Gesetze werden in den Amtsblättern der Diözesen promulgiert.
d) Der Einfluss der Gemeinschaft Ist ein Gesetz promulgiert, ist es rechtlich in Kraft gesetzt (c. 7 CIC), unabhängig davon, ob es von den Adressaten befolgt wird oder nicht. Ob es allerdings tatsächlich Geltungskraft entfaltet oder nicht, hängt von der Annahme oder Nichtannahme bzw. (Nicht-)Rezeption des Gesetzes durch die Gemeinschaft ab, für die es erl assen worden ist. Die Rezeption eines Gesetzes bringt " wirksam die gemeinsame Überzeugung der kirchlichen Gemeinschaft zum Ausdruck, dass die erlassene Vorschrift ihrer Zielsetzung entspricht. Umgekehrt ist aber auch die Ablehnung eines Gesetzes als Ausdruck der geistlichen Kompetenz des vom Charisma belebten Zeugnisses der kirchlichen Gemeinschaft zu werten, als Ausdruck dafür, dass die disziplinäre W eisung, die ergangen ist, nicht mit den Lebensgew ohnheiten und Vorstellungen des christli chen Volkes übereinstimmt, dass sie ni cht eine Hilfe zur Verwirkli chung der kirchlichen Zielsetzung darstellt. ln der Z urückweisung eines Gesetzes liegt d ie öffentliche Erkl ärun g, dass das Gesetz nicht jene Qualitäten besitzt, die es nach der in der Kirche geltenden Rechtstheorie auszeichnen soll " ([40] 10). Wenn daher die Nichteinhaltung eines kirchli chen Gesetzes nicht nur durch einzelne, sondern d urch die ganze Gemeinschaft oder ihre Mehrheit längerfristi g prakti ziert wird, ohne dass der Gesetzgeber einschreitet, kann es durch di ese Nichtbeachtung im Si nne einer gesetzeswidrigen Gewohnheit abgeändert oder völlig außer Kraft gesetzt w erden ([43] 3, Rdn. 6). Damit kommt der fa kt isch gelebten Überzeugung der Gemeinschaft der Gläubigen gleichsam eine rechtsetzende Kraft zu, sofern der zuständige Gesetzgeber keine gesetzlichen Gegenmaßnahmen ergreift und damit zumindest stillschweigend zustimmt. Norbert Lüdecke und Georg Bier differenzieren im Zusammenhang mit der Gesetzesgeltu ng gemäß c.7 weder zw ischen recht licher und t atsächlicher Gesetzesgelt ung (= Rezeption bzw. Nicht rezeption) noch messen sie dem Glaubenssinn der Gemeinschaft eine rechtliche (nicht: gesetzliche) Bedeutung zu. Mit dieser doppelten Redukti on von Kirchenrecht auf Kirchengesetz betonen sie daher: Von der Zustimmung oder Befolgung der Gesetze durch die Gläubigen "die Geltung kirchlicher Rechtssät-
rechtli che und tatsäch Iiche Geltungskraft
Weiterdenken Rezeption nur eine Theorie?
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
ze abhängig zu machen, ist in der Kanonistik zwar immer w ieder angedacht und theoretisch begründet worden. Solche Theorien sind aber kirchenamtlich nicht anerkannt und haben keine Grundlage im Codex. Die Gläubigen sind rechtlich verpflichtet, gehorsam zu befolgen, was die Hirten, die Christus repräsentieren, als Leiter der Kirche bestimmen. Die kirchliche Autorität kann die Befolgung der Gesetze jederzeit einfordern und durch Sanktionen zu erzwingen versuchen" ([21 I 30, Nr. 4) Dieser Auffassung ist mit Winfried Aymans zu entgegnen "Es fällt freilich auf, dass der CIC nicht ein einziges Mal von der Aufnahme des Gesetzes, der receptio legis spricht. Dazu muss bedacht werden, dass die Rezeption nicht ein formaler Rechtsakt ist. Der sich im Gesetz ausdrückende Wille des Gesetzgebers bedarf zu seiner rechtlichen Legitimation nicht noch eines zusätzlichen Formalaktes; die Rezeption ist nicht eine Ratifikation .. .. Die Rezeption oder Aufnahme eines Gesetzes gehört zum Wesen der Gesetzgebung. Ein Gesetz, das nicht rezipiert und infolgedessen nicht praktiziert wird, bleibt toter Buchstabe, mag das Gesetz auch in noch so feierlicher Form promulgiert worden sein" ([13/Bd. I] 207) Insofern kann die (Nicht-)Rezeption eines Gesetzes zwar nicht als legitimierender Rechtsakt, wohl aber als rechtserheblicher Umstand verstanden werden ([13/Bd. 1]211 ).
2 . Die Herausforderung an Recht in einer Kirche der Liebe Liebes- und/oder Rechtskirche?
Liebe und Recht?! Wohl kaum! Hier muss der Partikel " und" durch "oder" ersetzt werden, sonst ergibt das keinen Sinn - mag der eine Leser oder die andere Leserin denken. D enn Liebe und Recht sind nic ht miteinander zu vereinbaren, Recht macht Liebe unmög lich, macht aus der Liebeskirche eine Rechtskirc he, stellt Recht und Gesetz in den Vordergrund und verdrängt Liebe und Barmherzigkeit in den Hintergrund, wenn nic ht sogar ins Abseits. Oder beruht etwa die Kirche als geistliche Gemeinschaft nicht in erster Linie auf der Überzeugungstreue ihrer Glieder statt auf äußerem Gesetzeszwang? Muss sie nicht immer wieder die freie innere Zustimmung fordern statt auf bravem Rechtsverhalten z u bestehen? Natürlich sind beide Fragen mit einem kl aren "Ja" z u beantworten . Aber was fol gt daraus für die Frage nac h der Bedeutung vo n Recht in der Kirc he? Jedenfalls ist damit der Existenz vo n Recht auc h und gerade in der geistlic hen G emeinsc haft "Kirche" keineswegs eine Absage zu erteilen .
2. 7 Was Kirche alsLiebesgemeinschaft meint
Agape, die selbstlose Liebe
Katholi sche Kirche versteht sich als Gemeinschaft der Liebe. D enn schließlich hat ihr Jesus sozusagen ins Stammbuch geschrieben : "Du sollst den H errn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das Zweite. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten" (Mt 22, 37-40). Das D o ppelgebot der Gottes- und Näc hstenliebe ist meh r als die Erotik, mehr als die rein begehrende Liebe unserer Alltagserfahru ng; sie ist die Liebe der Agape, der selbstlosen Liebe. Diese Art der Liebe verschenkt sic h, gibt sich an den Anderen bzw. die Andere hin, ohne dabei einen eigenen Vorteil zu suchen. Wenn der Botschaft des Johannesevangeliums Glauben geschenkt werden darf, dann ist es Gott selbst, der uns Menschen z u dieser Liebe der Agape, der selbstlosen Hingabe an den Anderen, befähigt. Denn in
2. Die Herausforderung an Recht in einer Kirche der Liebe
den johanneischen Abschiedsreden gibt uns Jesus mit auf dem Weg: 11 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe ... Das ist mein Gebot: Liebet einander, so wie ich euch geliebt habe" Uoh 15, 9.12). Die Liebe Christi zu uns M enschen ist es also, die uns befähigt, die Nachfolge seiner Liebe, seiner Agape, anzutreten ([50] 9-11 ).
2.2 Was Recht aus der Liebesgemeinschaft machen kann Katholische Kirche- eine Gemeinschaft der selbstlosen Liebe! Wie kann es dann sein, dass einem Religionslehrer von der katholischen Schule gekündigt wird, nur weil er sich scheiden hat lassen, eine neue Liebe gefunden und ein zweites Mal geheiratet hat? Ist das der Umgang mit M enschen in einer Kirche der Liebe? Oder wie ist die Exkomm unikation, die höchste Kirchenstrafe dafür, dass einige Frauen sich gegen die Rechtsordnung zu Priesterinnen weihen lassen, mit dem Anspruch der Liebe vereinbar? Ganz zu schweigen davon, dass einer schwangeren Frau, die sich nicht anders aus ihrer Not zu befreien weiß, als ihr ungeborenes Kind abzutreiben, von der katholischen Kirche die Exkommunikation angedroht wird. Ist das nicht eine Bankrotterkl ärung für die Liebe in der katholischen Kirche? Kann eine Gemeinschaft der Liebe so auf Verfehlungen ihrer G lieder reagieren? Müsste sie nicht vielmehr diesen Menschen nachgehen, ihnen beistehen und vergeben, statt sie bloßzustellen, zu isolieren und zu bestrafen?
Darf eine Gemeinschaft der Liebe gegen Verfehlungen ihrer Glieder vorgehen?
2.3 Was aus der Liebesgemeinschaft ohne Recht werden kann Liebe ohne Recht - wohin führt das? Das kann eine andere Beispi elliste von Reaktionen der katholischen Kirche auf Verfehlungen in ihren eigenen Reihen deutlich machen: Da schikaniert ein Religionslehrer nachweisbar immer wieder seine Schülerinnen, aber außer einer Ermahnung, dies künftig zu unterlassen, passiert augenscheinlich nichts. Ein stadtbekannter Bordellbesitzer geht jeden Sonntag ganz selbstverständlich zur Kommunion, ohne dass das von Seiten der kirchlichen Autorität unterbunden wird. Ministranten beschweren sich, dass sie wiederholt von ihrem Pfarrer in seltsamer W eise berührt werden, und dennoch bleibt der Pfarrer weiterhin im Amt. Bei solchen Vorfällen tauchen dann genau die entgegengesetzten Fragen von eben auf: Muss hier nicht etwas getan werden? Kann man das einfach so weiterlaufen lassen? Muss nicht auch in der Kirche als Gemeinschaft der Li ebe gegen Verfeh lungen vorgegangen werden, weil sie sonst bald keine Gemeinschaft der Liebe mehr ist, sondern eine Gemeinschaft, in der man die Liebe nach Lust und Laune mit Füßen treten kann ?
Muss eine Gemeinschaft der Liebe gegen Verfehlungen vorgehen?
2.4 Was Recht in einer Liebesgemeinschaft leisten kann Eine Gemeinschaft lebt w esentlich vom freien Impuls der Liebe und der Haltung der Gerechtigkeit ihrer Glieder. Sie lebt aber ebenso wesentlich von der Verbindlichkeit bestimmter Verhaltensnormen, zu deren Einhalten j edes Gemeinschaftsglied verpfli chtet ist und deren Nichteinhalten von der Gemeinschaft geahndet werden kann . Denn das, was die besondere Stärke der Liebe ist, ist zugleich auch ihre entscheidende Schwäche: die Freiwilligkeit. Die Haltung der Liebe kann nur postuliert, nicht aber eingeklagt werden. Folg! ich kann mit Hilfe der Liebe aufgezeigt werden, wie ei n gutes, gedeihliches und
Verbindlichkeit bestimmter Verhaltensnormen
Freiwilligkeit als Stärke und Schwäche der Liebe
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24 I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
Regeln für ein Mindestmaß an Miteinander
Recht als letztes Mittel
Recht und Barmherzigkeit bzw. Glaube und Gesetz
evangeliumsgemäßes sowie glaubwürdiges Miteinander aussieht, aber garantiert werden kann es nicht. Um das Mindestmaß eines gedeihlichen und dem Anspruch des Evangeliums und der Liebe entsprechenden Miteinanders in einer Gemeinschaft sicherzustel len, ist der Einsatz von allgemeinverpflichtenden Regeln notwendig, von Regeln also, die für alle Gemeinschaftsglieder verpflichtend sind, und zwar so sehr verpflichtend, dass deren Einhalten mit sog. "Zwangsmaßnahmen" durchgesetzt werden kann. Allgemein verpflichtende Regeln und Zwangsmaßnahmen sind aber keine Mittel der Liebe, sondern Mittel des Rechts, mitunter sogar des Strafrechts. Der Einsatz von Recht ist sozusagen das letzte Mittel, womit eine Gemeinschaft ihre grundlegenden Güter und Werte- und damit letztlich sich selbst - vor willkürlicher Missachtung und (allmählicher) Zerstörung schützen kann. Recht macht also nicht aus der Liebeskirche eine Rechtskirche, sondern es gilt vielmehr umgekehrt: Eine Liebeskirche ohne Recht wird zu einer Unrechtskirche, führt nicht in die Freiheit, sondern in die Willkür. Liebe und Recht, Gesetz und Barmherzigkeit sind keine Gegensätze, sondern gehören vielmehr zusammen. Das hat schon Thomas von Aquin in der treffenden Sentenz zum Ausdruck gebracht: ßecht und Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit! Aber Barmherzigkeit ohne Recht ist Anarchie und Willkür" ([48] 69). D. h. also: Recht und Barmherzigkeit bzw. Glaube und Gesetz gehören zusammen, weder das eine noch das andere für sich allein genommen kann dem Menschen gerecht werden. 11 Das Wesen der Kirche ist nicht nur gefährdet durch Paragraphen, sondern auch durch eine Schutzlosigkeit, die sie der Willkür und dem Belieben der Parteien aussetzt. ... ln einer Kirche, die sich als sakramentales Miteinander von göttlichem und menschlichem Element versteht, hat sowohl der geistlich-theologische Blick wie auch der soziologisch-juridische Blick sein Recht. Und das Recht muss allen Seiten gerecht werden" ([183] 165).
2.5 Was der Vorrang der Liebe vor dem Recht bedeutet
Recht muss der Liebe dienen
Gnade vorRecht
Nicht das Phänomen des Rechts steht im Widerspruch zur Liebe, sondern die Art und Weise, mit ihm umzugehen, kann in Widerspruch zur Liebe geraten. Dieser Widerspruch zwischen Liebe und Recht kann nur vermieden werden, wenn das Rechtder Liebe dient und nicht umgekehrt die Liebe dem Recht. Diese Dienstfunktion des Rechts gilt insbesondere für die Kirche, die sich als die von Gott gegründete Gemeinschaft der Liebe versteht. Denn dieses Selbstverständnis der Kirche bringt es mit sich, dass das Letztkriterium der Wahrheit des kirchlichen Rechts in der Offenbarung der Liebe Gottes in Jesus Christus liegt. Dementsprechend muss sich in der Kirche alles Recht von der Liebe leiten lassen, und zwar sowohl bei der Ausgestaltung wie auch bei der Auslegung und Anwendung der rechtli chen Bestimmungen ([49] 284). Dieser Grundsatz kan n dann konkret dazu führen, dass im Konfliktfall nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern die dahinter stehende theologische Wahrheit der göttlichen Liebe und seines Erbarmens verpflichtend ist. Und das wiederum kann auch beinhalten, bei einem objektiv schuldig gewordenen Glied der kirchlichen Gemeinschaft 11 Gnade vor Recht" walten und ihm so Gerechtigkeit im christlichen Sinn widerfahren zu lassen. Das heißt aber nicht, dass die Gnade "gänzlich in den Bereich der Willkür verwiesen und die Aussage vertreten w erden darf, dass es in jedem Fall stets ,gerechter' sei,
3. Unrechtes Recht und die Bedeutung von Gerechtigkeit, Gehorsam, Moral und Zwang der Gnade den Vorrang vor der Anwendung des Rechts einzuräumen" ([73] 245). Gnade vor Recht als eine mögliche Ausdrucksform der Gerechtigkeit bzw. Liebe und Barmherzigkeit nicht als Gegensätze, sondern als Teilaspekte oder gar Synonyme für Gerechtigkeit ([73] 244)- das kann es nur in der Rechtsordnung einer Gemeinschaft geben, die sich als eine von Gott gegründete Liebes- und Heilsgemeinschaft versteht. Für jede andere Rechtsordnung, insbesondere für eine staatliche Rechtsordnung, ist das undenkbar. Hier müssen der Gerechtigkeit ganz andere Maßstäbe zugrunde gelegt werden. ln einer staatlichen Rechtsordnung muss "Gerechtigkeit" sehr allgemein und damit inhaltsarm definiert w erden, damit sie von allen Bürgerinnen j edweder W eltanschauung, Wert- und Moralvorstellung akzeptiert wird. ln der Rechtsordnung der katholischen Kirche ist "Gerechtigkeit" dagegen sehr konkret und inhaltsreich definiert, weil sie auf das gemeinsame Bekenntnis des katholischen Glaubens der Glieder Bezug nimmt und nehmen muss ([73] 118). Daher verlangt "Gerechtigkeit" in der katholischen Kirche, am Evangelium und der christlichen Sittenlehre Maß zu nehmen ([73]128), während sie im Staat die Gew ährl eist ung der G leic hbehandlung und die Rechtssicherheit fordert. in der Rechtsordnung des Staates wird daher so etw as wie Liebe, Barmherzigkeit oder Gnade als "eine nicht notwendige Ausnahme vom Recht" verstanden, in der Rechtsordnung der katholischen Kirche dagegen als notwendiger Bestandteil der Gerechtigkeit, so dass eine rigorose Anwendung des Rechts als "ungerecht" gilt ([73] 334).
Liebe als Teilaspekt der Gerechtigkeit in der Kirche, aber nicht im Staat
3. Unrechtes Recht und die Bedeutung von Gerechtigkeit, Gehorsam, Moral und Zwang Recht ist dazu da, um Frieden und Freiheit zu gewährleisten. Nicht selten führt es aber gerade zum Gegenteil dessen, was es soll, nämlich zu Unfrieden und Unfreiheit. W oran liegt das? An einer falschen Anwendung von Recht(svorschriften)? An einem Missverstä ndnis? An einer unerwarteten Entwicklung? Oder kann es auch so etwas wie ein ungerechtes Recht und Gesetz geben? Kann Recht auch Unrecht sein? Und wenn ja: wie ist dann mit ihm umzugehen? Zwei Beispiele aus der Vergangenheit machen die Tragweite der Fragestellung deutlich. ln Deutschland gab es eine Zeit lang folgende Rechtsverordnung: "Die Bibliothek ist täglich von 12-20 Uhr geöffnet. Juden Zutritt verboten!" ([54] 22). Und in der katholisch en Kirche war im kirch lichen Gesetzbuch von 1917 festgelegt: "Ei ne weibl iche Person darf nicht als M essdiener herangezogen werden, außer in Ermangelung einer männlichen Person und aus einem gerechten Grund sowie unter der Bedingung, dass sie nur von ferne die Antworten gibt und in keiner Weise an den Altar herantritt" (c.813 §2 CIC/191 7). Diese beiden sehr unterschied! ichen Beispiele führen zu den Fragen: W odurch unterscheidet sich rechtes Recht von unrechtem Recht? Und: Muss auch Recht, das Unrecht ist, eingehalten und befolgt werden?
3. 7 Das Phänomen unrechten Rechts Was unrechtes Recht im Unterschied zu rechtem Recht ist, kann leider nicht allgemein definiert werden . " Der maßgebliche Grundgedanke lässt sich nur
Kann Recht auch Unrechtsein?
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung Beispielsfälle unrechten Rechts
durch Beispielsfälle anschaulich machen. Da die Mindestanforderung an eine Rechtsordnung darin besteht, dass sie den Menschen in seiner Personhaftigkeit achtet, gehören zu den Beispielen Vorschriften, die den Betroffenen einer Behandlung unterwerfen, welche ihm jegliche Selbstbestimmung vorenthält oder entzieht, wie etwa di e Aberkennung der Rechts- oder Geschäftsfähigkeit gegenüber bestimmten Rassegruppen der Bevölkerung, Zwangsversuche an Menschen" ([51] 564). Auch die mangelnde Einklagemöglichkeit von zustehenden Rechten ist hier zu nennen, das Nichtgewähren von Verfahrensgrundsätzen wie rechtliches Gehör, Angabe der Entscheidungsgründe, Akteneinsicht oder Verteidigungsrechte ebenso wie intransparente Rechtswege bzw. unklare Festlegungen, w elche Angelegenheiten auf dem Gerichtsweg und welche auf dem Verwaltungsweg zu verh andeln sind, welche Regeln für beide gelten und welche Instanzen einzuhalten sind. Weitere Beispiele liefern sittenwidrige Vorschriften sowie Regelungen, die Gemeinschaftsglieder " im Rechtsverkehr untereinander zu einem gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhalten ermächtigen" ([51] 565).
3.2 Die Notwendigkeit der Gerechtigkeit als personale Tugend Handeln aus Überzeugung
Goldene Regel
eingegebener Bewusstseinsinhalt
Weiterdenken
Um unrechtes Recht im Lebensalltag der Rechtsgemeinschaft möglichst weitgehend auszuschalten, reichen Rechtsvorschriften allein nicht aus. Sie müssen vielmehr noch ergänzt, manchmal sogar ersetzt werden durch das, was die personale Tugend der Gerechtigkeit genannt wird. Damit wird das Handeln aus Überzeugung umschrieben bzw. die innere Haltung und Einstellung eines M enschen, " nicht bloß das Gerechte zu tun, sondern es aus einer bestimmten Gesinnung heraus, nämlich deshalb zu tun, w eil es gerecht ist, und nicht etwa deshalb, weil man andernfalls bestraft oder sozial gemieden würde" ([52] 120). Das, was die Tugend der Gerechtigkeit meint, kommt -sozusagen aus einer anderen Perspektive betrachtet- auch in der Goldenen Regel zum Ausdruck ([51] 393): Tue dem Anderen nicht, was Du nicht willst, dass man Dir tut! Oder positiv ausgedrückt: Tue dem Anderen, was Du willst, dass man Dir tut! Ansonsten lässt sich "Gerechtigkeit" ebenso wenig griffig auf den Punkt bringen bzw. definieren wie die Begriffe der Wahrheit, des Guten, des Schönen oder der Liebe und Barmherzigkeit. Anders gesagt: "Gerechtigkeit" ist ein dem Menschen eingegebener Bewusstseinsinhalt, dessen Ursprung rational nicht zu erklären ist und den der Mensch " im Anruf seines Gewissens erl ebt, und zwar als dahingehend verpfli chtend, ihn in den menschlichen Lebensverhältnissen zu verwirklichen" ([51] 395). W äre man nicht allgemein von dieser Grundfähigkeit jedes M enschen zur Tugend der Gerechtigkeit überzeugt, hätte es z. B. wenig Sinn, w eiterhin an der Formulierung von Menschenrechten festzuhalten. Denn deren " Missachtung kann vom Völ kerrecht nur in seltenen Fällen mit Sanktionen belegt werden. Die Durchsetzungsmögl ichkeit der Menschenrechte hat mit ihrer inhaltlichen Normierung und der Plausibilität ihrer Notwendigkeit nicht Schritt halten können " ([55]11). Dennoch fühlt sich die Mehrheit der M enschen, Völker und Staaten an die Beachtung der M enschenrechte gebunden.
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Gerhard Luf gibt zu Recht zu bedenken, .. dass die moralische Motivation nicht unmittelbare Rechtswirkungen besitzt (dies führte zu einer freiheitsbedrohenden Moralisierung des Rechts). Sie soll aber die Chance bekommen, sich im Medium des Rechts zu bewegen und zu artikulieren" ([53] 27)
3. Unrechtes Recht und die Bedeutung von Gerechtigkeit, Gehorsam, Moral und Zwang
3.3 Der verantwortete (Un-)Gehorsam als Ausdruck der Gerechtigkeit als Tugend Wer die personale Tugend der Gerechtigkeit lebt, entlarvt unrechtes Recht und verweigert diesem den Rechtsgehorsam, leistet den sog. "verantworteten Ungehorsam". Verantworteter Ungehorsam wird nicht leichtfertig und vorschnell, sondern nach gründlicher Abwägung und aus tiefer Überzeugung geleistet; er geschieht nicht aus Bequemlichkeit oder Überheblichkeit, sondern aus einem tiefen Verantwortungsgefühl heraus, und sein Motiv und seine Triebfeder sind nicht ein persönlicher Vorteil, sondern der Dienst an der Gemeinschaft. Verantworteter Ungehorsam ist ein "gewissensbestimmter Protest ... mit appel lativer Intention" an die Gemeinschaft, und hier insbesondere an die Verantwortlichen der Gemeinschaft, "die Diskrepanz zwischen Gerechtigkeitsanspruch und seiner defizienten Realisierung" ([53] 29) wahrzunehmen. Nicht die Grundlagen der Gemeinschaft werden in Frage gestellt, sondern Einzelregelungen, die diesen Grundlagen zuwiderlaufen. Daher kann der verantwortete Ungehorsam weder mit einer revolutionären Umsturzbewegung noch mit individueller Willkür gleichgesetzt werden. Denn im Unterschied zur revolutionären Umsturzbewegung werden beim verantworteten Ungehorsam die Grundlagen und das Gemeinschaftssystem als solches nicht in Frage gestellt, sondern dienen gerade umgekehrt als Argumente für den Ungehorsam gegenüber einer als verfehlt eingestuften Einzelregelung. Und im Unterschied zur individuellen Willkür ist die Person, die den verantworteten Ungehorsam leistet, dazu bereit, "für die möglichen rechtlichen Sanktionen einzustehen, also die Folgeverantwortung zu tragen" ([53]23).
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D1e Leg1t1mat1on des verantworteten Ungehorsams 1st n1cht unumstntten . Immer w1eder wird auf d1e Moglichkeit der missbrauchliehen Berufung hingewiesen. Gerhard Luf mahnt h1er zu Recht ein, wegen des magliehen Missbrauchs "Pauschalierungen [zu] verme1den und n1cht e1n von der Verantwortung für das Recht her entWickeltes Institut generell [zu] desavouieren" ([53]29)
gewissensbestimmter Protest mit appellativer Intention
weder revolutionäre Umsturzbewegung noch individuelle Willkür
Weiterdenken
3.4 Die Spannung zwischen Moral und Zwang als Grundlage für eine gerechte Rechtsordnung Die Tugend der Gerechtigkeit und die Notwendigkeit des verantworteten (Un-)Gehorsams führen vor Augen, dass jede gerechte Rechtsordnung aus der Spannung von Moral und Zwang lebt. Zwar muss es Ziel j eder Rechtsgemeinschaft sein, dass ihre Rechtsvorschriften nicht nur aus Angst vor Strafe ei ngehalten werden, sondern auch aus freier Einsicht in deren Sinnhaftigkeit. Doch darf umgekehrt die Verbindlichkeit der Rechtsvorschriften nicht von der individuellen Einsicht in deren Sinnhaftigkeit abhängig gemacht werden, sondern muss durch die Androhung von Zwangsmaßnahmen gesichert werden. Der Rechtszwang ist ein unerlässliches Instrument, die Ernsthaftigkeit des Will ens zum wirksamen Schutz der existentiell en Güter und W erte der Gemeinsc haft zum Ausdruck z u bringen. Wie eine gerechte Rechtsordnung nicht ohne M oral auskommt, so kann sie auch nicht auf den Zwang verzichten. Symbolisch ausgedrückt: Die Waage als Sinnbild der Gerechtigkeit und das Schwert als Sinnbild des geregelten Zwanges gehören zusammen ([56] 16).
freie Einsicht als Ziel
Rechtszwang als unerlässliches Instrument
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung Rechtsordnung als Ganze von einem Zwangscharakter geprägt
Zwangals Ersatzfunktion
sowohl Beständi gkeit als auch Veränderung von Rechtsnormen
Das Zusammenspiel von Moral und Zwang kann aber wiederum nur dann und so gelingen, dass zwar die Rechtsordnung als Ganze von einem Zwangscharakter geprägt ist, nicht aber jede einzelne Norm. Eine Norm erhält also nicht erst dadurch Rechtscharakter, dass sie zwangsbewehrt ist, sondern dadurch, dass si e Teil eines Normgefüges ist, das als Ganzes zwangsbewehrt ist ([92] 317). Nicht ob in jedem Einzelfall Zwangsmaßnahmen zur Einhaltung der Rechtsnorm vorgesehen sind und/oder verhängt werden, ist entscheidend, sondern dass die Rechtsordnung als Ganze so mit Zwangsmaßnahmen ausgestattet ist, dass sie im Großen und Ganzen eingehalten wird, d. h., dass sie im Notfall mit Hilfe der Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden kann ([92] 332). Deshalb geht es in den meisten Fällen nur darum, dass der- bzw. diejenige, der/die gegen ein rechtli ches Gebot oder Verbot verstößt, damit rechnen mu ss, dass ihn bzw. sie möglicherweise eine eventuell vorgesehene Zwangsmaßnahme trifft ([92] 318). Letztendlich hat der Zwang im Recht 11 nur die Rolle einer Ersatzfunktion, er greift nur da Platz, wo die von dem Wesen des Rechts geforderte innere Einsicht und freiheitliche Entscheidung versagt. Der mögliche Zwang ist daher nicht ein Wesensmerkmal des Rechts; er gibt jedoch dem Recht die um seiner sozial en Funktion willen unerlässliche Vervollkommnung" ([1 3/Bd.l] 8). Mit dem Rechtszw ang w erden somit zw ei Ziele verfol gt: Vordergründig und unmittelbar soll vor der Tat abgeschreckt werden; mittelbares und langfristiges Ziel ist es, auf die Motivation des Täters und der Täterin einzuwirken und dadurch nicht nur seine bzw. ihre momentan geplanten, sondern auch seine bzw. ihre künftigen Handlungen zu beeinflussen. Beim Rechtszwang wird also vor allem auf seine Signalwirkung und auf seine vorbeugende Ausstrahlungskraft gebaut. Das für eine gerec hte Rechtsordnung notwendige Zusammenspiel von Moral und Erzwingbarkeit macht die beliebte Frage hinfällig, wer der beiden mehr zu bewirken vermag: der Verpflichtungscharakter ethischer Forderungen oder der Zwangscharakter rechtlicher Normen. Eine realistische Einschätzung weiß, dass beides notwendig ist ([5 5] 13 f.). Denn nur mit beiden zusammen kann das Dilemma vermi eden w erden, das j eder Gemeinschaft droht: W enn die Rechtsvorschriften keine Beständigkeit haben, kann man ihnen kein Vertrauen schenken; die Beständigkeit kann aber nur durch ein gewisses Maß an Zwang gewährleistet werden. Wenn die Rechtsvorschriften jedoch keine Veränderung ermöglichen, dann schließen sie die Menschen gewissermaßen wi e in einem Gefängnis ein; um Veränderung zu ermöglichen, müssen die Rechtsvorschriften hinreichend Raum für Freiheit und Moral lassen ([94] 300f.).
4. Spezifizierte Theologie und modifiziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts
Recht als äußeres oder inneres Element der Kirche?
Recht muss sein - auch in der Kirc he! Dieser Aussage wird wohl kaum eine(r) widersprechen. Aber wie ist dieses kirchliche Recht von seinem Kern her zu verstehen? Als etwas, das von außen auf die Kirche übertragen wird? Oder als etwas, das aus dem Wesen der Kirche selbst erwächst? Dieser heute mehr denn je aktuellen Frage stellte sich erstmals im 19. Jahrhundert der evangelische Kirchenrechti er Rudolph Sohm (1841-1 917). Seine Antw ort
4. Spezifizierte Theologie und modifiziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts
und deren Begründung wurden vom katholischen Kirchenrechtier Klaus Mörsdorf (1909-1989) in Frage gestellt und von ihm zur Entwicklung eines Gegenkonzeptes genutzt. Für Sohm war Recht in der Kirche ein von außen auf die Kirche übertragenes Element, das nichts mit dem geistlichen Wesen der Kirche zu tun hatte, weshalb er jeglichem Recht in der Kirche eine theologische Relevanz absprach. Für Mörsdorf ist Recht in der Kirche nicht ein äußeres, sondern ein inneres Element der Kirche, weshalb er im Gegenzug zu Sohm eine theologische Begründung des Kirchenrechts entwickelte. Es wird sogar behauptet, dass die gesamte Grundlagenforschung zum kirchlichen Recht bzw. zum Verhältnis von Theologie und Recht Reaktion auf die These von Sohm und deshalb in eine Zeit vor und nach Sohm einzuteilen ist ([7 4] 126f.).
4.1 Die Enttheologisierung des kirchlichen Rechts Im Zuge der Aufklärung wurden die Kirchen, ihre Sinnhaftigkeit und Daseinsberechtigung zunehmend in Frage gestellt. Dieser Entwicklung mussten sich die Kirchen stellen und die Grundlagen und das Recht ihrer Existenz begründen. Diese Herausforderun g traf di e evangelischen Kirchen viel früh er und radikal er als die katholische Kirche. D enn in D eutschland wurden in der Zeit des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert die verheerenden Folgen der verfassungsrechtlichen Verflechtungen der Landeskirche mit dem Staat unübersehbar. Eine Auflösung dieser Verflechtung war überlebensnotwendig. Sie konnte nicht nur praktisch voll zogen, sondern musste auch wissenschaftlich begründet werden. Das ist der entscheidende Hintergrund für die radikal neuarti ge Theori e von Rudo lph Sohm über Ursprung und W esen des Christentums, der Kirche und des Rechts in der Kirche ([76] 23). Sie führte zu einem "radikalen Umbruch in der begrifflichen und systematischen Art, wie die theologische Frage der kirchlichen Berechtigung des Kirchenrechts bis damals von Theologen, Kanonisten und Juristen gestellt wurde" ([76] 24). Sohm dachte die "Zwei-Reiche-Lehre" M artin Luthers konsequent zu Ende und präzi sierte sie in die strikte Unterscheidung einer " Geist-" und einer 11 Rechtskirche" mit dem Ergebni s seiner zentralen und bis heute wirkenden These:
Begründungspflicht der Grundlagen in der Aufklärung
Unterscheidung in eine Geist- und Rechtskirche durch R. Sohm
" Das Wesen der Kirche ist geistlich, das Wesen des Rechtes ist weltlich. Das Wesen des Kirchenrechtes steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch" ([77/Bd. 1]700). Recht in der Kirche ist nach diesem Verständnis rein sozio logisch begründet und steht in keinerlei Beziehung mit der Kirche, j a ist dieser sogar entgegengesetzt. Das geistlich-übern atürliche W esen der Kirche und die institutionell-juridische Seite der Kirche stehen in keinerlei Beziehung zueinander, sondern vielmehr in Polarität einander gegenüber. Recht in der Kirche kann hiernach nicht (mehr) theologisch begründet werden; ihm ist insofern der Boden entzogen, als ihm lediglich eine rein regul ative Funktion für das Gemeinschaftsl eben in der Kirche zuerkannt wurde. Recht in der Kirche hat mit dem W esen von Kirche nichts zu tun, sondern ko mmt der Kirche von außen gleichsam als notwendiges Übel zu.
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Die evangelischen Kirchenrechtier Heinrich de Wall und Stefan Muckel weisen darauf hin, dass die Thesen von R. Sohm " inzwischen auch im evangelischen Bereich als
Recht als rein soziologische Größe?
Weiterdenken
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung überwunden [gelten]. Auch hier hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass- entgegen Sohm - sich der Kirchenbegriff der Reformation nicht auf eine unsichtbare, allein geistige Kirche verengen lässt. Inzwischen wird die grundsätzliche Möglichkeit von Recht in der Kirche weder in der evangelischen noch der katholischen Kirche ernsthaft bestritten" ([25] 103, Nr 13) Zu beachten ist hierbei allerdings, dass Verständnis, Bedeutung und Funktion des Rechts in der Kirche davon abhängig ist, welches Kirchenverständnis zugrunde gelegt wird, das "seinerseits als durch den Glaubensbegriff begründet angesehen werden muss" ([32] 63).
4.2 Die Verhindung von Theologie und Recht Der von den Fachgenossen tot Gesagte und tot Geglaubte hat der Kirchenrec htswi ssenschaft einen Stachel eingepflan zt, der sie nicht zur Ruhe kommen lässt" ([67] 488)- so resümierte Klaus Mörsdorf noch 1953 die nachhaltige Wirkung Sohms. Mörsdorf war offensichtlich der erste, der die Brisanz der Theorie Sohms auch für die katholische Kirche erkannte. Ihm wurde bewusst, dass es nicht ausreicht, Kirchenrecht "theologisch zu begründen, um es dann wie jedes beliebige Recht zu behandeln. Die theologische Begründung muss vielmehr so erfolgen, dass sie in eine Theologie des Kirc henrechts mündet. Nur so kann di e Eigenart d es Kirc henrechts erfasst w erden" ([5 8] 519). Mörsdorf stellte sich dieser Herausforderung, indem er sich an den Entwurf einer theologischen Grundlegung des Kirchenrechts machte. Das Ergebnis dieses Unternehmens war bahnbrechend und ist bis heute maßgebend. Denn Mörsdorf ist es gelungen, die doppelte Argumentationsstruktur zu entwickeln, dass erstens die Kirche wesentlich aufgebaut wird durch die b eiden Elem ente Wort und Sakrament als die kommunikativen Mittel, durch die sic h die Sic htbarkeit d er Kirc he als Leib Christi ausdrückt ([75] 34 9), und dass zw eitens diesen beiden konstitutiven Aufbauelem enten Wort und Sakrament von Grund auf "ein rechtliches Moment innewohnt, der Wortverkündigung, insofern sie in der Vollmacht Christi geschieht und Gehorsam fordert, der Sakramentenspendung, insofern die sakramentalen Zeichen ihre Sinnbildlic hkeit und Wirkmäc htigkeit von der Stiftung Christ i herl eiten" ([20/ Bd. l]20). 11
Theologische Grundlegung des Kirchenrechts durch K. Mörsdorf
Wort und Sakrament als Wesenselemente mit rechtlichem Moment
Weiterdenken
pneumatologisch weiterführen
Interakti on im Gebet
Zu Recht wird aus heutiger Sicht auf zwei Dimensionen im Konzept von Mörsdorf aufmerksam gemacht, die im Sinne der Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils weiterzuführen sind. Zum einen bleibt die theologische Grundlegung kirchlichen Rechts bei Mörsdorf "einem christozentrischen Modell der Ekklesiologie verhaftet" ([32]263) Sie ist " pneumatologisch w eiterzuführen beziehungsw eise zu reformulieren. Dies geschieht aufgrund der Einsicht, dass kirchliche Vollzüge und Strukturen w esentlich anamnetisch-epikletischen Charakter haben" ([32] 266), also erinnernd [sc. das Heilsgeschehen in Jesus Christus]-herabrufenden [sc. den Heiligen Geist] Charakter haben. Das heißt konkret: 1. Die entscheidende Grundlage der Kirche ist die unbedingte LiebeGotteszu seinem Volk und den Menschen. Diese ist in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi offenbar geworden. Die Gew issheit für diese Offenbarung wirkt der Heilige Geist. 2. Die Unbedingtheit der Liebe Gottes bedeutet unt er Zeit index die TreueGottes,die w iederum in der Epiklese als der Bitte unt er der Zusage der Erhörungsgewissheit w irksam und erfahrbar w ird . 3. Deshalb ist kirchliche Vollmacht immer Vollmacht zur Liebe, und diese Vollmacht gibt es immer nur anamnetisch-epik letisch, so dass nicht der Rechtscharakter, sondern der epikletische Charakter einer Handlung diese als göttliche Autorität in Anspruch nehmende Handlung der Kirche erweist ([32]301 i.V.m. 310-312) Kirchliches Handeln und Kirche überhaupt "ist, anamnetisch-epikletisch verstanden, Zeichen der Treue Gottes" ([32] 314) und als solche(s) "Interaktion im Gebet" ([32]321) sowie die Epiklese die " Au-
4. Spezifizierte Theol ogie und modifiziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts toritätsform der Kirche und der ekklesiologischen Erkenntnis" ([32] 316) ist; ,.denn die Epiklese realisiert die Achtung vor dem Unbedingten" ([32] 321 ). Zum Zweiten ist Klaus Mörsdorf bei seiner Begründung des Kirchenrechts ,.von einem seinerzeit vorherrschenden instruktionstheoretischen Modell im Verständnis der Offenbarung ausgegangen. Dieses Modell wurde [sc. auf dem II. Vatikanischen Konzil] in der Dogmatischen Konstitution DeiVerbumdurch ein personales Offenbarungsverständnis und ein dementsprechendes kommunikationstheoretisches Modell vertieft und abgelöst. Gott hat durch Jesus Christus nicht irgendetwas in Form von Satzwahrheiten offenbart, sondern sich selbst ,in personaler Form', indem er die Menschen wie Freunde angeredet hat" ([32] 263). Um diesen Hinweis aber nicht in eine Vereinseitigung in die entgegengesetzte Richtung misszuverstehen, als gäbe es keinerlei verbindliche Satzwahrheiten und keinerlei geschuldeten Gehorsam, ist zu beachten: ,.Die Offenbarung Jesu war nicht nur ein personal-dialogisches Geschehen, sondern auch die Weitergabe einer Botschaft (vgl. DV 2; 5; 7; 8). Es gibt also einen inhaltlich bestimmten und inhaltlich bestimmbaren Glaubensgehalt, der in der Bibel und der christlichen Glaubensüberlieferung greifbar und für jeden Christen bindend ist. Mit dem verbindlich vorgegebenen Glauben ist allerdings kein starres Gefüge von Sätzen gemeint, das in ungeschichtlicher Weise und losgelöst vom personalen Bereich tradiert w ird oder werden dürfte" ([20/Bd. 1]26) ln seinen Grundzügen lautet die von M ö rsdorf theologisch grundgelegte Konzeption des Kirchenrechts wie folgt: 11 Die Kirche ist eine Gemeinschaft eigener Art; ihre rechtliche Struktur offenbart sich in ihrem sakramentalen Gepräge .... Es ist kein notwendiges Übel, das man um der kirchlichen Ordnung willen hinnehmen muss. Es ist nicht etwas Äußerliches oder Nebensächliches, das aus einem m enschlichen Sicherheitsbedürfnis oder aus menschlichem Kleinglauben heraus zu der durch Wort und Sakrament aufgebauten Kirche hinz ukommt, sondern wesentliches Element der sakramentalen Zeichenhaftigkeit der Kirche. ln ihrer rechtlichen Gestalt- und nie ohne sie- ist die Kirche das von jesus Christus aufgerichtete Zeichen des Heiles" ([68] 76; 79). ln dieser wegweisenden Konzeption, die Kirchenrecht in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen und der Kirche als seinem Heilsinstrument verankert hat, war sowoh l die rein naturrec htliche Kon zeption der bisherigen Kan o nistik wie auch der Kirchenspiritualismus Sohms überwunden und Kirchenrecht genau in der Mitte von beiden eingespa nnt. 11 M it anderen Worten: Kirche und Recht stehen nicht in einem unversöhnlichen Gegensatz z ueinander .... Die Kirche fordert vielmehr Recht, weil dieses in ihr selbst angelegt ist" ([65] 219). Oder mit Mörsdorf selbst gesprochen, der in bewusster Anspielung aufSohmgenauso pointiert feststellte:
Vertiefung des instruktionstheoretisehen zum personalen Offenbarungsverständnis
personal-dialogisches Geschehen mit Weitergabe einer Botschaft
Überwindung der rein naturrechtliehen Konzeption und des Kirchenspiritual ismusSohms
,.Die Kirche fordertkraft ihres Wesens das Kirchenrecht" ([22/Bd. 1] 24) Recht als Wesenselement der Kirche ist dabei nicht in dem Sinn missz uverstehen, als ob jede einzelne Rechtsnorm in der Kirche zu ihrem Wesen gehörte, sondern vielmehr so gemeint, dass die rechtliche Dimension als Ganzes der Kirc he nic ht erst von außen hinzukommt, sondern ihr von ihrem Wesen her innewohnt. Wegen dieser Verankerung im Wesen der Kirche kann Recht in der Kirche auc h als "hei liges Recht" (ius sacrum) bezeichnet w erden ([69] 4 5; 58). Kon sequent zu Ende gedacht kann daher als Gleic hung formuliert werden: Wie der Kirche ein innerli ch rechtlicher Charakter zukommt, so dem Kirchenrecht ein innerli ch theologischer Charakter. Und genau dieser innerlich theologische Charakter des Kirchenrechts unterscheidet es vom weltlichen Recht.
heil iges Recht
innerlich theologischer Charakter des Kirehenrechts
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
zwischen Enttheologisieru ng und Entrechtl ichung
Kirchenrecht als Instrument des Heils, aber nicht das Heil
Der Offenbarungsglaube und die theologische Dimension können also aus dem kirchlichen Rechtssystem nicht ausgeblendet werden, sie dürfen aber auch nicht überbetont oder gar verabsolutiert werden. Denn dann wäre das eine Extrem der Enttheologisierung durch das andere Extrem der reinen Theologisierung ersetzt. Eine Überbetonung der Theologi e führt letztendlich zu einer Entrechtlichung I Entjuridisierung und damit gleichsam zu einer Entmenschlichung des Kirchenrechts, weil sie zugunsten der Theologie den rechtlichen Charakter des Kirchenrechts so sehr herunterspielt und ausblendet, dass er nivelliert wird. Diese Gefahr kann nur vermieden werden, wenn in aller Deutlichkeit hervorgehoben wird, dass die Kirche zwar das vorzüglichste Instrument des Heils, aber nicht einfachhin das Heil selbst ist, dass die Kirche zwar das Werk Christi fortsetzt, aber nicht der fortlebende Christus ist und dass deshalb auch "die Gnade nicht durch das Gesetz bewirkt werden kann sowie Glauben und Recht nicht identisch sind" ([74]134). Zusammenfassend kann daher formuliert werden: Kirchliches Recht lebt von der Spannungseinheit der theologischen und rechtlichen Dimension. Wird die rechtliche Dimension negiert, kann in der Kirche Frieden und Freiheit zwar postuliert, aber nicht garantiert w erden; Theologie ohne Recht hat keine Mittel, um die Werte der Gemeinschaft gegen Missachtung und Willkür zu schützen. Wird die theologische Dimension in Abrede gestellt, kann Recht in der Kirche zwar für eine Friedens- und Freiheitsordnung nach den Prinzipien der menschlichen Gerechtigkeit sorgen, nicht aber für eine Friedens- und Freiheitsordnung nach den Prinzipien der göttlichen Gerechtigkeit bzw. mit innerem Bezug zur Kirche und ihrer Sendung. Recht ohne Theologie kann nur den Menschen als Individuum und Gemeinschaftswesen in Blick nehmen, nicht aber als Geschöpf und Ebenbild Gottes ([60] 386f.).
4.3 Die additive Verbindung von Theologie und Recht als dauernde Gefahr
re in äußere Verbindung
Kirchenrecht baut aufTheologie auf, ohne selbst Theologie zu sein
Wie jede Spannungseinheit, so ist auch die kirchenrechtliche Spannungseinheit von Theologie und Recht stets der Gefahr ausgesetzt, missverstanden und einseitig interpretiert zu werden. Das ist dann der Fall, wenn die Einheit von Theologie und Recht nur als eine rein äußere Verbindung verstanden wird, so dass die theologischen Grundfragen des Kirchenrechts außerha lb der Kirchenrechtswissenschaft zu klären sind, um dann von ihr übernommen zu werden. So gesehen wird heutzutage in der Kirchenrechtswissenschaft wohl kaum mehr die AuffassungSohms vertreten, dass Recht und Theologie in der Kirche unvereinbar sind. Die Vereinbarkeit, ja sogar die Zusammengehörigkeit von Recht und Theologie in der Kirche gi lt inzwischen gleichsam als unbestrittene Selbstverständlichkeit. Doch indem diese Verbindung und Zusammengehörigkeit in einem strikt äußerlich-add itiven Sinn ausgelegt wird, wonach Kirchenrecht auf die Theologie aufbaut, ohne selbst Theologie zu sein, lebt die Theorie von Sohm letztendlich doch in dieser Richtung weiter. Die sie kennzeichnenden Schlagworte sind die als Forderung und Plädoyer verstandene " Entj uridisierung der Theologie" oder- umgekehrt formuliert - die "Enttheologisierung des Kirchenrechts" und somit das Modell eines rein juristisch konzipierten Kirchenrechts. Am deutlichsten formuliert lautet diese Position wie folgt: "Das eigentliche Fach des Kanonisten ist tatsächlich mehr eine Technik als eine Wissenschaft. Die wissenschaftliche Erkenntnis jener Wirklichkeit, die die Kirche ist ... , ist Sache des Exegeten, des Patrologen, des Kirchenhistorikers, des Dogmatikers, des Moralisten, des Liturgikers, des kirchlichen Soziologen, des Missionswissenschaftlers usw. Der
4. Spezifizierte Theologie und modifiz iertes Recht als Inhalt, M ethode und Z iel des Kirchenrechts
Kanonist kennt lediglich die verschiedenen Möglichkeiten, diese Wirklichkeit mittels obrigkeitlicher Satzungen in eine Ordnung zu bringen" ([62] 680). Noch zugespitzter formuliert gilt hiernach: Was die Pastoral für nötig aufzeigt und die Dogmatik als möglich zulässt, hat Kirchenrecht in die entsprechende Rechtssprache zu übersetzen ([71] 444). Zumindest zwei Kritikpunkte können gegen diese Position geltend gemacht werden. Erstens wird keinerlei Begründung dafür gegeben, warum zu den verschiedenen Perspektiven und damit Fachdisziplinen des theologischen Formalobjektes wie Dogmatik, Moral, Pastoral, Liturgie, Geschichte usw. ausgerechnet die rechtliche Perspektive, respektive Fachdisziplin, nicht gezählt werden können soll ([59] 60). Wie erklärun gsbedürftig eine solche Behauptung ist, kann anhand eines Vergleichs der ki rchenrechtli chen mit der biblischen Fachdisziplin verdeutlicht werden. Genauso wenig wie die Bibelw issenschaft nur Literaturwissenschaft ist, ist Kirchenrecht nur Rechtswissenschaft. Wie Kirchenrecht nicht nur Rechtswissenschaft mit dem Gegenstand der kirchlichen Gemeinschaftsordnung ist, "so ist auch die Bibelwissenschaft nicht einfach hin Literaturwissenschaft mit dem Gegensta nd der altorientalischen Q uell e, die w ir Hl. Schrift nennen. Sie ist vielmehr Gl aubenswissenschaft, w eil ihr Gegensta nd das Glaubensdokument ersten Ranges ist. ln ihrem Wesen ist die Hl. Schrift nur aus dem Glauben der Kirche heraus deutbar; eine bloß textkritische Betrachtung bleibt notwendig an der Außenseite haften" ([57] 65). Zweitens liegt eine verengte Sicht von Theologie und Kirchenrecht vor ([59] 57), die die notwendige Unterscheidung von Theologie und Kirchenrecht zu einer unsachgemäßen Trennung der beiden werden lässt. Denn als das Spezif ikum der Theol ogie w ird die Reflexion des (unsichtbaren) Überzeitlich-Absoluten gesehen, w ährend Kirchenrecht sich mit dem (sichtbaren) Zeitlich-Relativen beschäftigt. Fragt die Theologie nach allen Gegebenheiten der Offenbarung wie z. B. auch nach der unwandelbaren, absolut vorgegebenen Grundstruktur der Kirche, so das Kirchenrecht nach den möglichen Konkretisierungen dieser von der Theologie erkannten Grundstruktur im Leben der Kirche. " Theologie erscheint hiernach als eine statische und ungeschichtliche Wissenschaft, die nicht auf die Prax is des kirchlichen Lebens bezogen ist, w ährend das Kirchenrecht als eine pragmatische und technische Wissenschaft gesehen wird" ([63] 15). Wenn Kirchenrecht zwar auf theologische Erkenntnisse aufbaut, selbst aber keine theologische Erkenntnis leistet, dann besteht zwischen Theologie und Kirchenrecht keine Verbindun g mehr, dann ist Recht in der Kirche eigent lich ohne Grundlage und M aßstab und damit letztendlich der Beliebigkeit ausgeliefert ([64]1 7f.). Die Forderun g nach Enttheologisierung des Kirchenrechts und Entjuridisierung der Theol ogie ist somit von ihren Verfechtern wesentlich radikaler gemeint, als die von ihnen verwendete Begrifflichkeit vermuten lässt. Denn es geht hi er nicht nur darum, die theologische Dimension im Recht und die rechtliche D imension in der Theologie adäquat zu beschränken, wie die W ortbildungen "Enttheologisierung" und "Entjuridi sierung" nahelegen, sondern um eine strikte Trennung der beiden Bereiche der Theologie und des Rechts. Anders gesagt: Nicht nur eine überzogene Theologisierung des Kirchenrechts bzw. Juridisierung der Theo logie wird hier abgelehnt, sondern j egliche Verbindung von Theologie und Recht. Doch wenn Theologie und Recht in der Kirche voneinander getrennt w erden, w ird Kirchenrecht in
W ie Bibelwissenschaft nicht nur Literatu rwissenschaft, so ist Kirchenrecht nicht nur Rechtswissenschaft
Unterscheidung, nicht Trennung
strikte Trennung als Intent ion
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat - Rechtsbegründung
einen theologieleeren Raum verbannt mit der Konsequenz, dass auf der Kirche der Theologie eine eigene Kirche des Kirchenrechts erbaut wird, die beziehungslos oder gar in Gegensatz zu der Kirche der Theologie steht. Damit ist dann zugleich die eine 11 kompl exe Wirklichkeit" der Kirche in zwei Wirklichkeiten aufgespaltet ([71]46 1) und damit letztendlich di e Sa kramenta lität der Kirche geleugnet.
4.4 Die innere Verbindung und Wechselwirkung zwischen Theologie und Recht als unabdingbare Notwendigkeit
theologische und zugleich juristische Disziplin mittheologischer und zugleich juristi scher Methode
Weiterdenken materielle und formelle Richtigkeit
Kirch enrecht ist nicht einfach (weltliches) Recht, das sich auf die Kirche bezi eht, um deren Gemeinschaftsleben in der gleichen Art zu regeln wi e das anderer Gesellschaftsgruppen ([59] 55); es ist also nicht eine Art w eltliches Religions- bzw. Kirchenrecht, sondern es ist vielmehr ein Recht eigener Art, insofern sich das Kirchenrecht aus der Verbindung mit der Theologie ergibt. Weil es sich bei dieser Verbindung nicht nur um eine Addition handelt, sondern um eine Art innerer Verschmel zung, entsteht eine W echselwirkung dergestalt, dass die Theol ogie durch das Recht spezifiziert und das Recht durch die Theologie modif iziert w ird ([66]21 ). Um diese Eigenart des Kirchenrechts in der Spannung aus Recht und Theologie mit der doppelten Gefahr der Enttheologisierung wie auch der Entrechtlichung knapp und präzise auf den Punkt zu bringen, hat Klaus Mörsdorf seinerzeit Kirchenrecht als eine 11theologische Disziplin mit juristischer M ethode" ([16/Bd. I] 39; [22/ Bd. I) 36) qualifiziert. D abei ist mit 11juristischer M eth ode" nicht einfach die M ethode der w eltlichen Rechtswi ssenschaft gemei nt, sondern v ielmehr die spezif ische Logik, die jedem rechtlichen Phänomen zukom mt ([59) 56). W eil aber nun einmal das Missverständnis naheliegt, dass hier die Methode " nicht mit der Grundcharakteristik der Wissenschaftsdisziplin überein[stimmt) " ([58) 61), ist es sin nvoller, Kirchenrecht als eine theologische und zugleich juristische Disziplin mit theologischer und zugleich jurist ischer M ethode zu bestimm en. Beide M ethoden sind nicht äußerli ch bzw. additiv zusa mmengefü gt, sondern innerli ch so m iteinander zu einer Einheit verbunden, dass ei ne neue w issenschaftl iche M ethode entsteht, eben die ki rchenrechtliche bzw . kanonistische, di e dadurch gekennzeichnet ist, dass 11 zugleich die theologische Methode durch die juristische spezifiziert, die juristische Methode durch die theologische modifiz iert wird" ([66) 2 1). Marcus Nelles plädiert dafür, die Abgrenzung und damit die Eigenart des Kirchenrechts nicht mit Hilfe der Begriffe "Disziplin " und " Methode" zu erläutern, weil er diese fü r weitgehend untauglich hält, sondern durch " materielle" und "formelle Richtigkeit" ([73) 228- 234) Kirchenrecht ist demzufolge so zu charakterisieren, dass " sich die materielle Richtigkeit des kirchlichen Rechts nach theologischen Überlegungen richtet, während die formelle Richtigkeit kanonischer Normen und der Anspruch an sie, korrekt, d. h. unter Zuhilfenahme einer eindeutigen Rechtssprache, formuliert zu sein, einzig nach juristi schen Gesichtspunkten gemessen werden darf " ([73) 230f.). Zu beachten ist dabei: "Eine "Vermischu ng von formeller und materieller Richt igkeit einzelner Vorschriften und ihrer übereinstimmenden Beurteilung nach t heolog ischen Kriterien könnte dazu führen, die jurist ische Methode letztlich zur ,Hilfswissenschaft' innerhalb der Kanonistik zu degradieren. Dies würde jedoch dem Stellenwert der Rechtstheorie und Rechtssystematik und seiner Bedeutung für eine korrekte Anwendung auch des kirchlichen Rechts nicht gerecht" ([73] 229) Auf den
4. Spezifizierte Theol ogie und modifiziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts Punkt gebracht "Genuin christlich ist nur der Inhalt, nicht aber die Form des kirchlichen Rechts zu nennen" ([73] 333). Materielle und formelle Richtigkeit des Kirchenrechts bedeutet dann z. B. konkret, dass die materielle Richtigkeit des Kirchenrechts eine stärkere Beachtung der Einzelfallgerechtigkeit als in jedem weltlichen Recht verlangt; die formelle Richtigkeit des Kirchenrechts aber eine andere Terminologie als jede andere theologische Wissenschaft, nämlich eine klare Rechtssprache bzw. die Anwendung der rechtswissenschaftliehen Terminologie ([73] 234) Ferner erweist die formelle Richtigkeit des Kirchenrechts es als unzulässig, "Strafen ohne Nennung der konkreten Rechtsgrundlage nur unter Verwendung allgemeiner und unbestimmter Formulierungen wie ,Notwendigkeit', ,Gefährdung der kirchlichen Communio', ,Ärgernis' oder Ähnlichem zu verhängen, bei der Formulierung neuer Tatbestände die Strafdrohung im Ungewissen zu lassen oder gezielt geheimzuhalten und gesetzlich vorgesehene Ausnahmen unter dem pauschalen Hinweis auf Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zur Regel zu erklären" ([73]230). Die Verwendung solcher unbestimmten Rechtsbegriffe, solcher "Gummi"- bzw. "Containerbegriffe" "schadet sowohl der praktischen Handhabbarkeit als auch dem Ansehen des Kirchenrechts und dem Vertrauen auf seine gerechte Anwendung" ([73]334) Zwar ist Nelles in seinen Ausführungen zur materiellen und formellen Richtigkeit des Kirchenrechts zuzustimmen . Dennoch überzeugt sein Vorschlag im Letzten nicht, weil auch hier die Gefahr droht, dass Theologie und Recht nur in einem rein äußeren, eben additiven Sinn zusammengefügt werden und somit Kirchenrecht doch nur als ein weltliches Religions- bzw. Kirchenrecht missverstanden wird, also als ein Recht, das das Leben der kirchlichen Gemeinschaft in der gleichen Art regelt wie bei jeder anderen gesellschaftlichen Gemeinschaft bzw. als ein Recht, das auf die Kirche der Theologie gestülpt wird.
Gefahr des Missverständnisses als weltliches Religions- bzw. Kirchenrecht
Durch die innere Einheit von Theologie und Recht im Sinne einer spezifiz ierten Th eologie und e ines modifi z ierten Rechts ist die eigene Disziplin und Methode des Kirchenrechts treffend umschrieben.
a) Kirchenrecht als spezifizierte Theologie Spezifiz iert wird die Theol ogie, weil sie in der Ausgestaltung des Kirc henrechts die typisch rec htliche Aufgabe wahrnimmt, für Frieden und Freiheit und damit auch für Ordnung und Sicherheit in der Gemeinschaft der Kirche zu sorgen. Noch konkreter beschrieben kommt der kirchenrechtlichen Disziplin als Spezifizierung der Theologie die rechtliche Aufgabe z u, in der Kirche aufbrechende Konflikte zu entschärfen und zu versöhnen (Friedensfunkt ion), regelungsbedürftige Sachverhalte rechtlich zu ordnen (Regelungsfunktion), im Interesse des Gemeinwohls positive oder negative Anreize für die Gemeinschaftsmitglieder z u setzen (Steuerungsfunktion) und dem aufgestellten Regelungssystem Durchsetzb arkeit zu verleihen (Überwachungsfunktion) ([70] 3). Als kirchenrechtliche Disziplin muss die Theologie die Lebenswirklichkeit der Kirche auf ihre Rechtserheblichkeit hin untersuchen, entsprec hende allgemeingültige Normen festlegen und diese wiederum an der Lebenswirklichkeit überprüfen sowie entsprechend abändern bzw. ergän zen. "Wo Rechtsnormen fehl en, sind sie zu schaffen, wo ihre Anwendun g zu untragbaren Ergebnissen führt, sind sie zu korrigi eren" ([66] 20f.). Entscheidendes Kriterium hierfür muss all erdings immer der Bezug j eder Rechtsnorm zur Offenbarung bzw. zur Sendung der Kirche sein. Damit ist bereits die Modifikation der rechtlichen Aufgabe der kirchenrechtlichen Disz iplin durch die Theologie angesprochen .
Lebenswirklichkeit der Kirche auf ihre Rechtserheb Iichkeit hi n untersuchen
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I. W arum die katholisc he Kirche Recht hat - Rechtsbegründung
b) Kirchenrecht als modifiziertes Recht
O ffenbarung und geistliches Wohl als Bezugspunkte
Der Spezifizierung der Theologie durch das Recht korrespondiert eine Modifizi erung des Rechts durch die Theologie. Diese Modifi kation besteht darin, dass der kirchenrechtlich auszugestaltende Inhalt nicht aus dem Willen einer M ehrheit hergeleitet wird, sondern aus der Offenbarung, und dass dessen Ziel nicht nur das innerweltliche, sondern auch das geistliche Wohl der Menschen ist. Diese Modifikation beinhaltet die Tatsache, dass Kirchenrecht nicht wie eine weltliche bzw. staatliche Rechtsordnung Menschen jedweder Weltanschauung Rechnung tragen muss, sondern nur jenen Menschen, die an das Heil sgeschehen in, mit und seit )esus Christus glauben, deren existentieller Situation es gerecht w erden muss; daher kann sich kirchliches Recht auch nicht nur um die Garantie einer äußeren Friedensordnung bemühen, die aus einer Art Basiskompromiss entwickelt und auf die Minimalforderung zur Sicherstellung des friedlichen Zusammenlebens beschränkt ist, sondern muss vielmehr eine Friedensordnung schaffen, die ihre Grundlage in der Offenbarung hat und die friedliche und freiheitliche Entfaltung des christlichen Glaubens der ki rchlichen Geme inschaft w ie auch des/der Ei nzelnen in der ki rchlichen Gemeinschaft garantiert ([2 13] 495). Diese doppelte Aufgabe des Kirchenrechts führt zu der Eigenart, dass "die Rechtsforderung im kirchlichen Recht von hoher moralischer Spannung getragen [ist], weil sie immer die Glaubensentscheidung mit ihren moralischen Forderungen im Blick hat" ([213]496). Deshalb kann sowohl über die Kirche als auch über das Kirchenrecht gesagt werden, dass siebeidej eweils die irdische W irklichkeit erfassen, diese aber zugleich transzendieren und von daher in ihrer W esensart bestimmt werden ([96] 640).
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht Wie moralisch kann, darf oder muss das Recht sei n? Und umgekehrt: w ie rechtlich kann, darf oder muss die Moral sein ? Gilt die Verh ältnisbestimmung zwischen Recht und Moral im gesellschaftlichen Bereich auch für den kirchlichen Bereich, also für die christliche Moral und das kirchliche Recht? Was ist das Besondere der kirchenrechtlichen Ordnung, insbesondere bei Straftaten? Kann, darf oder muss es in irgendeiner Weise Bezug auf das w eltliche Recht und seine strafrechtliche O rdnun g nehmen?
5. 7 Die Stra ftat des sexuellen Missbrauchs als Beispiel für die Relevanz der Verhältnisbestimmung Di ese Fragen wirken - zugegebenermaßen - ziemlich theoretisch und abstrakt, können aber sehr schnell praktisch und konkret werden. Das Beispiel des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in der Ki rche kann dies verdeutlichen. Für viele Kritikerinn en ist die katholische Kirche beim sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendli chen viel zu spät, viel zu langsam und viel zu zögerlich aktiv geworden, für manche ist sie es größtenteils noch immer. Die Hauptgründe dafür werden darin gesehen, dass es im Gesetzbuch der katholischen Kirche keine direkte Strafbestimmung zu sexuell em Miss-
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht brauch von Minderjährigen gibt, sondern nur eine Regelung, in der dieser sexuelle Missbrauch miterfasst ist, dass diese Bestimmung sehr verklausuliert formuliert ist, dass sie sich nur auf Kleriker, aber nicht auf Laien bezieht, und dass sie nur "gerechte Strafen" vorsieht, ohne ein konkretes Strafmaß zu benennen:
keine direkte Strafbestimmung und nur gerechte Strafe als Androhung
"Ein Kleriker, der sich auf andere Weise [sc. als durch ein eheähnliches Verhältnis) gegen das sechste Gebot des Dekalogs verfehlt hat, soll, wenn nämlich er die Straftat mit Gewalt, durch Drohungen, öffentlich oder an einem Minderjährigen unter sechzehn Jahren begangen hat, mit gerechten Strafen belegt werden, gegebenenfalls die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen " (c. 1395 §2 CIC)
Nicht das Opfer ist hier im Blick, sondern die Verfehlung des Klerikers gegen eine seiner Standespflichten. Dass es sich um sexuelle Gewalt, um Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, handelt, die dazu noch an Minderjährigen verübt wird, ist sekundär; primär ist der Verstoß "gegen das sechste Gebot des D ekalogs", näherhin gegen die Verl etzung der Zölibatspflicht Verl etztes Rechtsgut ist nicht- wie im deutschen Strafrecht(§ 176 und§ 182 Strafgesetzbuch) - die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers, sondern die klerikale Zöl ibatspflicht. Erst im Gefolge des sog. "Missbrauchsskandals" in der Kirche seit Ende der 1990er Jahre, zunächst in Amerika, dann aber auch in vielen anderen Ländern wie hier in Deutschland, haben der Papst und die Bischöfe die kirchliche Strafbestimmung des c. 1395 §2 CIC um die Opferperspektive ergänzt und detaillierte Vorgaben zum Ermittlungsverfahren des Täters festgelegt. So sind 2001 von Papst Johannes Paul II. Vorschriften bez üglich schwerer Straftaten, die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind ([78] ) erlassen und 2002 von der Deutschen Bischofskonferenz Zum Vorgehen bei
Nicht das Opfer ist im Blick, sondern die Verfehlung des Klerikers
Ergänzung um die Opferperspektive
sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz- Leitlinien mit Erläuterungen ([82)) verabschi edet worden. Beide Regelwerke sind 2010 nochmals überprüft und im Sinne des Opferschutzes verschärft worden: Kon gregation für die G laubenslehre, Veränderungen in den Normae de gravioribus delictis ([79]) und Leitlinien für
den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Klerike0 Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz ([80]). Die zuletzt genannten Leitlinien der D eutschen Bischofskonferenz sind sogar bereits 201 3 nochmals überarbeitet undaktualisiert worden( [81 ]). Wie sind diese strafrechtliche Regelung im kirchlichen Gesetzbuch und die sie ergänzenden Regelwerke der Kongregation für die Glaubenslehre und der Deutschen Bischofskonferenz zu beurteilen? Kann die Kirche sich leisten, mit der Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen auf diese Weise kirchenrechtlich umzugehen? Will sie sich das leisten? Oder muss sie es sich gar leisten? Kann sie darauf vertrauen, will sie darauf vertrauen oder muss sie darauf vertrauen, dass die Straftat des sexuell en Missbrauchs von Kindern und Jugend lichen in den Reihen der Kirche auch von der weltlic hen Strafrechtsordnung geahndet wird? Kann, will oder muss sie darauf verzichten, neben der weltlichen Strafrechtsordnung auch selbst in ihrer eigenen Rechtsordnung den Straftatbestand der 11 Sexuellen Gewalt gegenüber Minderjäh ri gen" zu definieren und mit kirchli chen Strafen zu bele-
Aufteilung auf kirchliche Moral und weltliche Rechtsordnung?
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
gen? Kann, will oder muss sie sich damit begnügen, dass solche sexuellen Straftaten seitens ihrer Mitglieder " nur" durch die kirchliche Moralordnung zusammen mit der christlichen Gewissenspflicht auf der einen Seite und durch die weltliche Rechtsordnung auf der anderen Seite hinreichend erfasst sind? Mit diesen Fragen sind wir bei den eingangs genannten Grundsatzfragen zum Verhältnis von Recht und Moral angelangt, die es nun zu beantworten gilt.
5.2 Verbindungs- und Trennungslinien
Strafrecht als Grenze der Trennung von Moral und Recht
Die Frage nach dem Verhältnis von Recht und Moral " spitzt sich immer dann besonders zu, w enn vom Strafrecht die Rede ist. Mag für andere Rechtsgebiete eine weitgehende Unabhängigkeit des Rechts von der Sittlichkeit behauptet werden, so scheitert doch nach einer verbreiteten Auffassung eine solche Trennungsthese mit Notwendigkeit im Feld des Strafrechts. Denn dieses handelt vom staatlichen, strafbewehrten Verbot sittlich verwerflichen Handelns. Die lebhaftesten rechtspolitischen Kontroversen entzünden sich in der Regel an der Frage, ob und in welchem Umfang sittliche Fo rderungen mit Hilfe des Strafrechts durchgesetzt w erden können und dürfen. Die Auseinandersetzungen um den rechtlichen Umgang mit Schwangerschaftskonflikten und die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs bilden dafür ein herausragendes Beispiel" ([88] 385) - in der Gesellschaft wie auch in der Kirche. Wenn über das Verhältnis von Recht und M oral nachgedacht wird, findet in der Regel keine Differenzierun g zwisc hen Recht und Moral im gesellschaftlich-staatlichen Bereich und Recht und Moral im kirchlichen Bereich statt. ln der Tat können die grundlegenden Aspekte über das Verhältnis von Recht und Moral bis auf wenige Ausnahmen auch auf die kirchliche Moral und das kirchliche Recht übertragen werden. a) Abstecken des Freiheitsrahmens als Gemeinsamkeit Recht und Moral haben eine große Gemeinsamkeit: den M enschen und seine Freiheit. Gäbe es den Menschen nicht, gäbe es weder Recht noch Moral; der Mensch ist Ursprung wie auch Zielpunkt beider ([208] 363). Fragt man an dieser Stelle nach einem ersten unterscheidenden Merkmal zwischen Recht und Moral, so rei cht die landläufige Zuordnung der (äußeren) H andlung zum Recht und der (inneren) Gesinnung zur Moral bzw . Sittlichkeit allerdings nicht aus, "um Recht und Sittlichkeit adäquat zu unterscheiden und zugleich ihr gegenseitiges Bezugsverh ältnis zu bestimmen" ([214] 155f.). b) Moral als Voraussetzung für Recht
jede Rechtssetzung verwirklicht bestimmte Werte
Von außen und damit von seiner Funktion her betrachtet, ist Recht als " äußerer Regel- und Zwangsmechanismus" zu charakterisi eren. Von der Innenseite her bzw . inhaltlic h gesehen, verwirkli cht j ede Rechtssetzung bestimmte Werte. So verwirklicht die (äußere) Regel: " wer tötet, wird bestraft mit ... " den Wert Leben. Auch die Verkehrsregelung, bei Rot an zuhalten, dient dem W ert der Lebenserhaltung ([21 0] 64). Frei I ich ist bei so lchen Organisations-
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht
und Verfahrensnormen wie z. B. der genannten Verkehrsregelung nicht der Gehalt moralisch, sondern die Existenz der Regelung. "So ist es sittlich gleichgültig, ob der Straßenverkehr nach der Links- oder Rechtsfahrordnung geregelt ist, wichtig ist aber, dass dies rechtlich geregelt ist" ([14]14). Demnach kan n man sagen: Während sich Recht in seiner spezifischen Funktion von der Moral unterscheidet, hat es vom Inhalt her mit der Moral die ethische Werterhaltung gemeinsam. Zugespitzt formuliert ist daraus folgende Verhältnisbestimmung zwischen Recht und Moral abzuleiten: Recht bezieht sich immer auf eine ethische Norm, aber nicht jede ethische Norm auf eine rechtliche. ,,Das Recht ist zwar in der Moral enthalten, aber nicht die gesamte Moral im Recht. Nicht jedes sittlich gebotene Verhalten lässt sich mit Hilfe der Rechtsordnung erzwingen . Umgekehrt ist ein Verhalten nicht schon dadurch sittlich legitimiert, dass es durch das staatliche Gesetz ni cht verboten bedeutet nicht sittoder bestraft wird. Rechtlich nicht geregelt bzw. straffrei licherlaubt''([212] 80). Recht setzt also immer Moral voraus, Moral aber Recht setzt Moral nicht Recht. Somit ist Recht immer ein Teil der Moral. Oder anders gesagt: voraus, Moral aber Die Moral ist Richterin über das Recht, nicht aber umgekehrt das Recht un- nicht Recht mittelbarer Richter über die Moral. Wird diese Abhängigkeit des Rechts von der M oral geleugnet und somit Recht völlig unabhängig und getrennt von der Moral gesehen, droht die Gefahr eines "unmoralischen " bzw. " unrechten" Rechts. Damit ist von der inhaltlichen Seite her die wesentliche Beziehung, aber auch Abgrenzung von Recht und Moral umschrieben. Von der funktionalen Seite her kann man folgende Abgrenzungen zwischen Recht und Moral vornehmen: c) Schutz des ethischen W ertes durch Recht - Stärkung des ethischen Wertbewusstseins durch Moral Recht hat die Aufgabe, den zu einem Rechtsgut erklärten sittlichen Wert durch Normen zu schützen, die Regelungen für den Konfli ktfall enthalten und so normabweichendes und für die Gemeinschaft schädliches Verhalten verhindern (z. B.: die Werte Leben, Freiheit, Eigentum, sexuelle Selbstbestimmung). Die M oral dagegen stärkt das Wertbewusstsein, indem sie Antwort auf die Frage gibt, "ob ein bestimmtes Handeln auf dem Hintergrund einer umfassenden Güterlehre richtig oder falsch sei. Ihre Funktion ist es, den Menschen durch normative Aussagen zu helfen, bei ihrem persönlichen sittli chen Entscheid die rechte Wahl zu treffen" ([206]134). d) Vollkommen heit in den sozialen Beziehungen als rechtliches Ziel Vollkommenheit in jeder Hinsi cht als moralisches Ziel Die ethische Norm zielt auf die Vollkommenheit des Menschen in jeder Hinsicht, also in Bezug auf sich selbst, auf seine Mit- und Umwelt sowie auf die Transzendenz, die rechtliche Norm nur auf einen Teilaspekt der Vollkommenheit, nämlich auf seine Beziehungen zur Mit- und Umwelt, und hier wiederum nur im Hinblick auf ein friedli ches Zusammen leben in Freiheit. Aufgabe und Funktion des Rechts ist es also, die zwischenmenschlichen Bezieh ungen zu regeln, näherhin die hier auftretenden Schuld- und Konfliktsituationen so weit einzudämmen, dass das für den Menschen als Gemeinschaftswesen notwendige Miteinander nicht unmöglich wird. Dient somit die M oral vor allem der Tugend, kann die Rechtsordnung nicht alle wün-
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
ethisches Minimum
sehenswerten Maximalbedingungen verbindlich festlegen, sondern muss sich auf die Mindestbedingungen eines geordneten Zusammenlebens beschränken. So gesehen stellt jede Rechtsordnung ein ethisches Minimum dar ([91] 825). e) Der Transzendenzbezug als spezifische Eigenart des Kirchenrechts
Transparenz auf das Evangelium
Kirchliches Recht nimmt auch Bezug auf die Gottesbeziehung
Im Regelungsumfang des menschlichen Miteinanders unterscheidet sich kirchliches Recht am stärksten vom weltlichen Recht und kommt im Gegenzug der Moral am nächsten. Denn " beim Kirchenrecht stehen - anders als beim staatlichen Recht - nicht nur die äußere Rechtssicherheit und möglichst umfassende Kontrolle im Vordergrund, sondern die Transparenz auf das Evangelium, und zw ar auf das ganze Evangelium" ([178] 371 ). So regelt kirchliches Recht zwar auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der Gemeinschaft, beschränkt sich aber nicht darauf, wie es beim weltlichen Recht der Fall ist. Vielmehr nimmt kirchliches Recht auch auf die Gottesbeziehung der Kirchenglieder Bezug, insofern diese die Grundlage für bestimmte kirchenrechtliche Verhaltensanforderungen bildet bzw. insofern eine innere Dimension der Gottesbeziehung des/der Einzelnen zu ihrer Verwirklichung oder Wi ederh erstellung unbedingt die Verbindung zur kirchlichen Gemeinschaft braucht. Das ist dann der Fall, wenn ein bestimmter Aspekt der personalen Gottesbeziehung entweder auf das Handeln der kirchlichen Gemeinschaft verwiesen ist oder umgekehrt für das kirchliche Handeln wesentlich ist bzw. in einem gemeinsamen kirchlichen Handeln zum Ausdruck kommen soll. f) Gemeinschaftsbezug der personalen Gottesbeziehung als M aterie des Kirchen rechts
persönliche Gottesbeziehung und (Un-)Giaubwürdigkeit der kirchlichen Gemeinschaft
Paradigmatisches Beispiel für diesen Zusammenhang zw ischen kirchenrechtlich er Normierung und personaler Gottesbeziehung ist die gesetzliche Verpflichtung jedes Katholiken und j eder Katholikin, sich um ein heiliges Leben zu bemühen (c.21 0). Entscheidendes Kriterium für diese Rechtspflicht ist die Tatsache, dass das Bemühen oder Nichtbemühen des/der Einzelnen um ein heiliges Leben nicht nur die Tragfähigkeit ihrer/seiner persönlich en Gottesbeziehung betrifft, sondern auch die (Un-)Giaubwürdigkeit, ja sogar den (Nicht-)Bestand der kirchlichen Gemeinschaft. Denn die Kirche ist von Gott zum Heilssakrament für die Menschen bestimmt worden; aus dieser Tatsache fol gt zum einen, dass die Kirche um ihres Heiligungsdienstes und damit um ihres Selbstverständnisseswillen auf die Heiligkeit ihrer M itglieder angew iesen ist, und zum anderen, dass ein heiliges Leben ohne die Vermittlun g der kirchlichen Heilsmittel gar nicht möglich ist. Will demnach die/der Gläubige ein heiliges Leben führen, so kann sie/er das im vollen Sinn des Wortes nur dann, wenn sie/er sowohl am Heiligungsdienst der Kirche teilnimmt als auch die Heilsmittel der Kirche empfängt. Durch diese doppelte Ausrichtung, in der kirchlichen Gemeinschaft heiligend zu leben und zugleich durch die kirchliche Gemeinschaft geheiligt z u werden, führt die/der einzelne Gläubige ein Leben, das ihre/seine eigene Heiligung wie auch die Heiligung und das Wachstum der Kirche fördert. Nur wenn si ch jede einzelne Christin und jeder einzelne Christ bemüht, das Heilshandeln Gottes an ihr/ ihm in ihrer bzw. seiner Lebensführung zum Ausdruck zu bringen, kann die Kirche in ihrer Heiligkeit bestehen, si ch entfalten und auferbau en.
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht g) Durchsetzbarkeit mit Zwangsmitteln alsMöglichkeit des RechtsFreiwilligkeit der Befolgung als Wesenszug der Moral Mit der Beschränkung des Rechts auf die elementaren sittlichen Werte, im Grunde genommen auf den elementarsten Wert der Gerechtigkeit, geht eine w eitere Unterscheidung zwischen Recht und Moral ei nher: Das Recht kann das Einhalten dieses Wertes erzwingen, wobei der ausgeübte Zwang nicht immer physischer Natur sein muss. Das Recht hat also den Anspruch auf seine Durchsetzbarkeit. Es verfügt über die Mittel, Verstöße gegen die Grundgebote des Gemeinschaftslebens zu ahnden, also die Wirksamkeit der für das menschliche Zusammenleben unentbehrlic hen Werte durchzusetzen. Daher erweist sich das Recht in dieser Hinsic ht geradezu als ein ethisches Maximum([208] 364). Der Zwangsgedanke und die ethische Norm sind dagegen gänzlich unvereinbar; denn "wesentliche Momente der Sittlichkeit würden zerstört, wenn man sie durch Zwang garantieren wollte. Die ethische Gesinnung ist dem Zwang nicht zugänglich" ([97] 167), da diese ganz und gar " von der freien Spontaneität des Menschen" lebt ([83]160).
ethisches Maximum
h) Rein äußerliches Befolgen als Mindestforderung des Rechts - innere Überzeugung als unabdingbare Grundlage der M oral Das Kriterium der Zwangsgewalt führt zu einem vierten unterscheidenden Merkmal zwischen Recht und Moral. Wer wie das Recht mit Zwang arbeiten kann und muss, kann dann auch nicht verlangen, dass seinen Vorschriften nur und ausschließlich aus innerer Überzeugung gefolgt w ird ([97] 167). Zwar muss es Ziel jeder Rechtsordnung sein, dass der/die Einzelne die j ewei1ige Rechtsnorm nic ht nur äußerlich befo lgt, sondern auch innerlich bejaht, doch darf das Einfordern der Rechtsnorm nicht wie bei der ethischen Norm von der inneren Einstellung zu ihr abhängig gemacht werden. Weil aber gerade in dieser Hinsicht eine größtmögliche Annäherung der Rechtsnorm an die Sittlichkeitsnorm erstrebenswert ist, gehört es zu den Aufgaben des Rechts, 11 den Schutz der Existenzwerte der Gemeinschaft dadurch nachhaltig zu stärken, dass die elementaren sozial-ethischen Handlungswerte nicht nur im Gesetz als verbindliche Verh altensregeln für den Bürger statuiert, sondern von ihm auch innerlich angenommen und auf diese Weise zum ,gelebten Recht' fortgebildet werden. Die Wirksamkeit des Rechts hängt ganz entscheidend davon ab, wieweit es ihm gelingt, diese integrierende Kraft zu entfalten und den Bürger nicht lediglich durch Angst und Strafe, sondern durch die innere Anerkennung der N orm zu rechtstreuem Verhalten zu motivieren" ([209]1234).
äußere Befolgung als Minimum
gelebten Recht alsZiel
i) Strafe als letztes Rechtsmittel in Staat und Kirche Das allerletzte Mittel einer Gemeinschaft um ihrer eigenen Existenz willen ist der Einsatz eines ganz bestimmten Rechtsmittels: der Strafe. Wer straft, fügt der bestraften Person in begrenzter W eise ein Übel zu . Mit dieser M aßnahme werden zwei Ziele verfolgt: zum einen soll der durch das Fehlverhalten entstandene und sich w eiter ausbreitende Schaden für das Wohl der Gemeinschaft abgebaut und zum anderen die Bekehrung und die Wiedereingliederung des Täters/der Täterin in die Gemeinschaft angestrebt werden ([87] 128f.). Di ese gemeinschafts- und personenbezogene Zielrichtung der Strafe kommt im Gesetzbuch der katholischen Kirche in der Bestim-
gemeinschafts-und personenbezogene Ziel ri chtung
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I. W arum die katholisc he Kirche Recht hat - Rechtsbegründung
mung zum Ausdruck, wonach durch die Strafe als dem allerletzten Mittel der Kirche ein entstandenes Ärgernis behoben, die Gerechtigkeit wiederhergestellt und der Täter/die Täterin gebessert werden soll (c. 1341 ). Die Strafmittel, die die katholische Kirche dazu verwendet, sind ausschließlich geistlicher Natur, das heißt, sie bestehen in einem Entzug geistli cher Güter wie z. B. der Mitfeier der Gottesdienste, des Empfangs von Sakramenten, der Wahrnehmung bestimmter Dienste und Ämter in der Kirche. Mit diesem Entzug will die katholische Kirche einem Verhalten Einhalt gebieten, das sich gegen grundlegende Pflichten der Gläubigen richtet. ln diesem Sinn ist z. B. die Exkommunikation nicht einfach eine "kalte" Aussperru ng des Betroffenen, sondern ein Appell an ihn, "seine Entscheidung zu überdenken und sein Verh alten zu ändern" ([50]1 8).
j) Der Gewissensanspruch als Grundvoraussetzung für einkirchlich es Strafrecht
doppelte Zi elrichtung der kirchlichen Strafe auf Verhalten und Gesinnung
ke in Bezug auf Gew issen und Heilsauftrag bei w eltlicher Strafe
Kirchliche Strafmaßnahmen wie das Kirchenrecht insgesamt richten sich augenscheinlich an das Verhalten des und der Einzelnen, noch mehr aber an seine bzw. ih re Glaubensüberzeugung. D ies ist auch der Grund dafü r, dass die Kirche zw ar Zwangsmaßnahmen kennt, diese aber ni cht mit äußerer Gewalt durchsetzt, sondern 11 Stets die innere Einsicht und Zustimmung zu ihren Maßnahmen zu gew innen [sucht]. Ihr geht es nicht allein um legales, sondern um heilswirksames Handeln und Verhalten der Gläubigen. Sie strebt danach, äußeren und inneren Bereich, äußeres Legalverh alten und innere Überzeugung zur Deckung zu bri ngen" ([90] 27). Wegen dieser doppelten Zielrichtung, Verhalten und Gesi nnung zugleich zu treffen, ist die kirchliche Strafma ßnahme durch folgende Spannung charakterisiert: 11 Mag eine Kirchenstrafe immer auch nur Anwendung eines äußeren Zwangsmittels bleiben und daher als ungeeignet zum Erzielen einer inneren Änderung des Menschen erscheinen, so steht dennoch dahinter die Grundidee einer Appellation an die sittliche Verantwortlichkeit des Menschen. Eine kirchliche Strafe, die nur ein äußeres Sich-Beugen zur Folge hat und nicht auch als innerer Gewissensanruf verstanden w ird, verfeh lt ih ren Sinn" ([213] 497), ist aber deswegen keineswegs zwecklos, da sie zumindest Ausdruck des Selbstbewusstseins der Kirche ist, sich selbst zu " behaupten in ihrer vom Herrn verliehenen Würde" ([93] 37). Oder nochmals anders gesagt: Kirchliches Strafrecht muss als religiös-geistliches Recht grundsätzlich den Anspruch erh eben, 11 im Gewissen zu verpflichten. Da aber die kirch liche Rechtsordnung auch der Konfli ktl ösung und der Sicherun g der sozialen Ordnung dient, kann und muss sie sich in manchen Fäll en mit der rein äußerlichen Befo lgung der Normen begnügen" ([211] 2 12 f.). Für ein weltliches Strafrecht sind die Voraussetzungen grundlegend anders gelagert. Es kann nämlich gerade nicht wie ein kirchlich es bzw. rel igiös-ethisches Strafrecht "das Vorhandensein eines entsprechenden Gewi ssens beim potentiellen Delinquenten, ihrem M itglied, erwarten" ([85] 503). Daher sind die dem staatlichen Strafrecht gestellten Aufgaben schwieri ger zu bewältigen. 11 Es kann sich nämlich nicht - w ie das kirchliche - weitgehend auf den Gew issensbereich und einen Heil sauftrag zurückziehen; es steht unter ständigem Erfolgsdruck. Kirchliches Strafrecht kann sich eher als staatliches auf das bloße Angebot des Heilmittels Strafe an den Delinquenten beschränken. Nimmt er es an, w ird er also reuig, hat die Strafe ihren Zweck erfüllt; nimmt
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht
er es nicht an, so bleibt er in letzter Konsequenz von der Gemeinschaft [sc. gemeint ist das aktive Gemeinschaftsleben] ausgeschlossen. Damit ist die Angelegenheit für die Kirche erledigt- zumindest vordergründig. Staatliches Strafrecht ist an diesem Punkt erst richtig gefordert" ([85] 503). Aus der Gemeinschaft des Staates kann näm lich kein Bürger, keine Bürgerin ausgeschlossen werden, hier besteht vielmehr der Zwang zum gemeinsamen Zusammenleben aller Bürgerlnnen. Das hat zur Folge, dass der Staat weit weniger als die Kirche strafbares Verhalten einzelner Bürgerinnen tolerieren kann; zur Sicherung des gemeinsamen Zusammenlebens ist der Staat im Vergleich zur Kirche ungleich stärker genötigt, auf den Einzelnen, die Einzelne einzuwirken, das strafbare Tun zu unterlassen. Der Zwang zum gemeinsamen Zusammenleben im Staat führt zu einem deutlichen "Mehr" an Regelungsnotwendigkeit ([86]193). Auch hinsichtlich der Straftatbestände kann es sich die Kirche mit ihrer religiös-ethischen Rechtsordnung um einiges )eichter" machen als der Staat. Denn im Wissen um die weltliche Strafrechtsordnung kann die Kirche entscheiden, ob sie Taten, die bereits durch den Staat bestraft werden, auch noch innerkirchlich bestraft, diese milder bestraft oder ob sie ganz darauf verzichtet, den Straftäter I die Straftäterin mit einer spezifisch kirchli chen Strafe zu belegen. in diesem Sinn weist der kirchliche Gesetzgeber den kirchlichen Strafrichter an, "nach seinem Gewissen und klugem Ermessen" eine mildere Strafe festzulegen oder von einer Strafverhängung abzusehen, wenn der/die Schuldige "hinreichend von einer weltlichen Autorität bestraft worden ist oder diese Bestrafung vorauszusehen ist" (c.1344 n.2 CIC). Überhaupt ist das kirchliche Strafrecht im CIC von dem Grundsatz geprägt, weder solche Verbrechen im kirchlichen Strafrecht zu berücksichtigen, die schon vom weltlichen Recht verurteilt und bestraft werden, noch solche, für die es keine geeigneten Mittel der Nachprüfbarkeit gibt. Anschauliches Beispiel dafür ist die unterschied! iche Strafregelung der Kirche für die beiden Straftaten der Tötung und Abtreibung; ist für Abtreibung die Tatstrafe der Exkommunikation vorgesehen (c .1 398 CIC), wird Tötung ledig! ich mit einer der Schwere der Straftat entsprechenden Spruchstrafe des c. 1336 CiC (wie z. B. Aufenthaltsverbot, Entzug einer Vollmacht, Strafversetzung auf ein anderes Amt, Entl assung aus dem Kl erikerstand) bedroht (c. 1397). Dieses unterschiedliche Strafmaß bei Tötung und Abtreibung wirkt auf den ersten Blick sehr befremdlich, fast schon paradox, zumal die katholische Kirche betont, dass die Abtreibung eine spezielle Form der Tötung darstellt. Es wird nur von dem Grundsatz her verständlich, jene Delikte innerkirchlich milder zu behandeln, die schon durch den weltlichen Gesetzgeber angemessen bestraft werden, um zu vermeiden, dass Straftäterinnen zweimal in derselben Sache bestraft werden. Hintergrund des unterschied! ichen Strafmaßes von Tötung und Abtreibung ist also offensichtlich die Auffassung des kirchlichen Gesetzgebers, dass das Verbrechen der Tötung schon hinreichend durch das weltliche Strafrecht geahndet wird, das Verbrechen der Abtreibung hingegen ni cht. Andernfalls wäre es nicht nachvollziehbar, dass für die Abtreibungstat innerkirchlich ein anderes Strafmaß und ein anderer Strafmodus festgelegt sind als für die Tötung ([207] 268- 270; 293- 296). in dieser Tatsache spiegelt sich der subsidiäre Charakter des kirchlichen (Straf-)Rechts wider, das nur dan n tätig wird, wenn nach Auffassung des ki rch I ichen Gesetzgebers das weit! iche (Straf-)Recht den U nrechtscharakter einer Handlung nicht ausreichend zum Ausdruck bringt und entsprechend ahndet oder es ein spezifisch kirchlich er Bezug verl angt.
Kirche kann auf weltliches Strafrecht aufbauen
unterschied! iche Strafregelung der Kirche bei Tötung und Abtreibung
subsidiärer Charakter des kirchlichen (Straf-)Rechts
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I. Warum die katholische Kirche Recht hat- Rechtsbegründung
5.3 Die Kirche und der sexuelle Missbrauch- ein Resümee über die Verhältnisbestimmung
Konzentration auf die Verletzung der kirchli chen Gemeinschaftsordnung
Opferperspektive als sinnvolle, aber nicht notwendige Ergänzung
Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den weltlichen Strafbehörden
Auf dem Boden der grundsätzlichen Überlegungen zu Moral und Recht in Staat und Kirche liegen die Antworten der eingangs gestellten Fragen auf der Hand: Die Kirche muss es sich nich t leisten, aber sie kann und will es sich von ihrem eigenen Strafrechtsanspruch her leisten, dass die Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen primär in die Regelungsund Ahndungskompetenz der weltlichen Strafrechtsordnung fällt, während sie sich mit ihrer eigenen Strafrechtsordnung darauf konzentriert, gegen diese Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen als schwerwiegende Verletzung der kirchlichen Gemeinschaftsordnung vorzugehen. Von daher erklärt sich, dass der sexuelle Mi ssbrauch von Kindern und Jugendlichen nicht als ein eigener kirchlicher Straftatbestand formuliert, sondern in einer Strafrechtsnorm enthalten ist, die mehrere Straftatbestände erfasst, die ähnlich wie der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen die kirchliche Gemeinschaftsordnung durch die Verletzung des 11 Sechsten Gebots des Dekalogs" schwerwiegend gefährden (c.1 395 CIC). Auch die Einschränkung des Täterkreises auf die Kleriker resultiert aus diesem Gedanken . ln den kirchli chen Dokumenten, die seit 2001 zur Kon kretisi erung und Ergänzung des c.1395 §2 CIC erlassen worden sind, ist der Täterkreis allerdings auch auf Laien im kirchlichen Dienst ausgeweitet worden. Offensichtlich haben der Papst und die deutschen Bischöfe inzwischen realisiert, dass auch viele Laien in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit Dienste und Ämter wahrnehmen, die ehemals Klerikern vorbehalten waren, so dass nicht mehr nur Kleriker als Täter in Frage kommen. ln diesem Zusammenhang ist auch erstmals die Opferperspektive von kirchlicher Seite in den Blick genommen worden und wird seitdem ausführli ch reflektiert sowie mit Zusagen von kirchlichen Hilfsangeboten und künftigen Präventionsmaßnahmen verbunden. Aus rein strafrechtlichen Gründen war das nicht geboten; schließlich nimmt jedes Strafrecht primär die Tat, den Täter/die Täterin, deren/dessen Bestrafung und die Maßnahmen zur Vermeidun g w eiterer Taten in den Blick- w ohlgemerkt zum Schutz potentieller Opfer. Aus moralischen Gründen war der explizite Einbezug der Opferperspektive aber sehr w ohl geboten, um dem weit verbreiteten Missverständnis entgegenzuwirken, der Kirche gehe es nur um die Täter, nicht um die Opfer. Aus strafrechtlichen und moralischen Gründen unerlässlich war es dagegen, dass der Papst und die Bischöfe intensiv auf die kirchliche Geheimhaltungspolitik der Straftaten und ihre fatalen Folgen eingehen. Nicht nur verein zelt, sondern fl ächendeckend und j ahrzehntelang prakti ziert, ist sie eine der Hauptursachen des " Missbrauchsskandals" der kathol ischen Kirche. Statt den weltlichen Strafbehörden zu melden, was in deren Zuständigkeit fällt, ist von den Bischöfen der katholischen Kirche eine rein interne und nach eigenem, oft ausschließlich subjektivem, Gutdünken beschlossene Behebung des "Ärgernisses" erfolgt. Damit haben die Bischöfe nicht nur sich selbst und die Kirche als Institution, sondern auch di e kirchliche (Strafrechts-)Ordnung in ihrer Sinnhaftigkeit, Konzeption und Funktionalität in einem hohen M aß beschädigt. Denn der subsidiäre Strafrechtsanspruch der Kirche setzt voraus, dass die Kirche die w eltliche Strafrechtsordnung nicht gezielt aus ihrem eigenen Bereich herauszuhalten versucht, sondern umgekehrt mit allen Mitteln zu deren effektiver Umsetzung auch in der kirchlichen Gemeinschaft bei-
5. Bezug und Abgrenzung von Moral, Recht und Kirchenrecht
trägt. Andernfalls wird der subsidiäre Strafrechtsanspruch zur Farce und damit letztlich auch die ganze Strafrechtsordnung, wenn nicht sogar die kirch1iche Rechtsordnung insgesamt. Deshalb war es dringend notwendig, dass der Papst und die deutschen Bischöfe in ihren erlassenen Regelungen zum sexuell en Missbrauch in der Kirche seit 2001 die vorbehaltlose und uneingeschränkte Zusammenarbeit der zuständigen kirchlichen Autoritäten mit den weltlichen Strafbehörden nachdrücklich in Erinnerung gerufen und dazu verpflichtet haben. Dass das nötig war, ist allerdings höchst peinlich. Denn es legt die Vermutung nahe, dass die Grundsätze des kirchlichen Strafrechts selbst in den Reihen der Bischöfe der katholischen Kirche kaum präsent sind und ins kirchliche Leben umzusetzen versucht werden. Haben damit nicht augenscheinlich hochrangige Repräsentanten der katholischen Kirche das vermissen lassen, was di e personale Tugend der Gerechtigkeit genannt wird? Eine Rechtsordnung, die nur geschrieben steht, aber nicht ins Leben umgesetzt wird, bleibt toter Buchstabe und führt nicht zu Frieden und Freiheit, sondern zu einem Scheinfrieden und einer Scheinfreiheit Um vom Buchstaben zum Leben zu kommen, ist jede Rechtsordnung, erst recht die kirchliche Rechtsordnung, auf die Moral, auf das sittliche Bewusstsein ihrer Glieder und insbesondere ihrer führenden Glieder angewiesen. Denn Recht wird "i n den entscheidenden Stunden nur vom sittlichen Impuls getragen. Vom Sittlichen her erhält es die drängende und überzeugende Kraft.... Eine auf sich allein angewiesene Rechtsordnung könnte zwar mit rechtlichem Zwang, sofern die Machtmittel ausreichen, sich durchsetzen. Von einem lebenden Recht könnte aber keine Rede sein. Ein in sich isoliertes Recht wäre nicht mehr als ei ne stets auswechselbare Ordnung, die nur so lange Geltungskraft besitzt, als Autorität und Macht sie gewährleisten" ([95] 346). Der Anspruch auf Frieden und Freiheit verträgt sich damit j edenfa ll s nicht.
jede Rechtsordnung lebtvon der Umsetzung
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II. Wo die katholische Kirche Recht hatRechtsquellen
universal und partikular
lateinischer und orientalischer Rechtskreis
Wie jede Rechtsgemeinschaft, so hat auch die katholische Kirche die in ihr geltenden Rechtsvorschriften in Rechtsquellen niedergeschrieben und damit für jedermann und jederfrau zugänglich gemacht. Ebenfalls wie in anderen Rechtsgemeinschaften auch haben diese Rechtsquellen einen unterschiedlichen Rang. Die einen gelten generell (= universal), die anderen nur fü r einen Teilbereich (= partikular). Dabei gilt zum einen, dass partikulare und damit untergeordnete Rechtsbestimmungen nicht in Widerspruch zu übergeordneten bzw. universalen Rechtsvorschriften gültig erlassen werden können (c.135 §2 CIC), und zum anderen, dass ein neu erlassenes universales Gesetz ein bestehendes partikul ares Gesetz ni cht aufhebt, es sei denn, es wird darin ausdrücklich die Aufhebung eines partikularen Gesetzes normiert (c.20 und c.28 CIC). Die für die katholische Kirche zentralen Rechtsquellen sind die beiden Gesetzbücher von 1983 und 1990. Si e werden gemeinhin jeweils als allgemein(kirchlich)es oder gesamtkirchliches bzw. universales Recht bezeichnet in Abhebung zum partikularen Recht, das nur für einen bestimmten Bereich (geographischer, sachlicher oder personeller Art) gilt. D och streng genommen sind beide Gesetzbücher vom gesamtkirchl ichen Gesetzgeber geschaffenes Teil kirchenrecht, insofern das eine Gesetzbuch von 1983 für die katholi sche Kirche des lateinischen Rechtskreises und das andere Gesetzbuch von 1990 für die katholischen Kirchen des orientalischen Rechtskreises gilt. Daher kann es gesamtkirchliche Gesetze im eigentlichen Sinn des Wortes nur außerhalb der beiden kirchlichen Gesetzbücher geben. Dazu zählen z.B. die Apostoli schen Konstitutionen über das Selig- und Heiligsprechungsverfahren Divinus perfectionis magistervon 1983, über die O rdnun g der katholischen Militärseelsorge Spirituali militum curae von 1986, über die Römische Kurie Pastor bonus von 1988 und über die O rdnung zur Papstwah I Universi dominici gregis von 1996, zuletzt geändert durch das Motu Proprio Normas nonnullas von 2013. Gesetzgeber gesamtkirchlicher Gesetze ist die höchste Autorität in der Kirche, also Papst und Bischofskoll egium (c.33 1; c.336), an deren Vollmacht im Rahmen seiner Zuständigkeit auch der Päpstliche Rat zur authentischen Interpretation der kirchlichen Gesetze und j ene Behörden der Röm ischen Kuri e, die der Papst hierzu ausdrücklich bevollmächtigt, teilhaben. Eine weitere Rechtsquelle im Rang des all gemeinen Rechts ist die authentische Interpretation von Rechtsnormen der beiden Gesetzbücher, die nur
Rechtscharakter unklar
einem ganz bestimmten Gremium an der Römi schen Kurie zusteht. W eitere Rechtsq uellen, die teils universalen und teils partikularen Rang haben können, sind lehramtliche Dok um ente und Erlasse. A ll erdi ngs ist hier zu beachten, dass nicht j edes lehramtliche Dokument bzw. jeder lehramtliche Erlass Rechtscharakter hat, sondern auch pastoraler Natur sein kann. ln vielen Fällen ist es nicht leicht, die Bedeutung und den Stellenwert eines solchen Schriftstückes zu bestimmen. Dazu werden die Fachausdrücke wie Apostoli-
1. Der CIC/ 1983 und CCE0/1990
sehe Konstitution, Motu Propria, Enzyklika, Dekret, Instruktion, Reskript, Notificatio, Verordnung, Statut, Richtlinie u.a. zu uneinheitlich und inkonsequent verwendet. Um den Grad der Verpflichtung festzustellen, der mit einem Schreiben dieser Art verbunden ist, muss dessen Inhalt analysiert werden ([99] 13-1 08).
1. Der CIC/1983 und CCE0/1990 Die katholische Kirche hat zwei kirchliche Gesetzbücher, die für unterschiedliche Rechtskreise gelten. Für uns im Abendland, das als lateinischer bzw. westlicher Rechtskreis bezeichnet wird, trägt diese Gesetzessammlung den Titel Codex luris Canonici (= CIC), für den orientalischen bzw. östlichen Rechtskreis Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (= CCEO). Seide Gesetzbücher enthalten nicht Gesetze im strengen Sinn des Wortes, sondern "Canones", und verweisen mit dieser bereits frühkirchlich verwendeten Begrifflichkeit auf die Tatsache, dass kirchliches Recht stets an der Offenbarung und damit am Heilsauftrag Christi und an der kirchlichen Sendung auszurichten ist. D er Inhalt der Canones ist sehr unterschiedlich gestaltet; es gibt "Befehls- und Nicht-Befehlssätze, Erläuterungen von Gesetzesausdrücken, Legaldefinitionen, theologisch-lehrhafte Aussagen, Empfehlungen, Ratschläge und Ermahnungen" ([41] 367).
Canones
1.1 Die eine katholische Kirche als Gemeinschaft eigenberechtigter Kirchen Die Tatsache, dass die eine katholische Kirche z wei Gesetzbücher hat, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, überrascht sicherlich den einen oder die andere. Denn gemeinhin wird "katholische Kirche" mit ",ateinischer Kirche" gleichgesetzt und vergessen, dass es noch weitere katholische Kirchen gibt, nämlich die mit Rom unierten Ostkirchen, auch "katholisch-orientalische Kirchen" oder kurz: "katholische Ostkirchen" genannt.
I
Von den unierten (bzw. katholisch-orientalischen bzw. katholischen) Ostkirchen sind die orthodoxen Kirchen zu unterscheiden, die sich seit 1054 von der kirchlichen Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl getrennt haben und folglich den Jurisdiktionsprimat des Papstes nicht anerkennen (=Abendländisches Schisma).
Die katholischen Ostkirchen stehen gleichberechtigt neben der katholischen Westkirche. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass von den katholischen Ostkirchen im Plural zu sprechen ist, während es die katholische W estkirche nur im Singular gibt. Der Plural der Ostkirchen heißt konkret, dass es derzeit 21 katholische Kirchen des Ostens gibt, di e fünf H auptriten zugeordnet werden können (alexandrinischer, antiochenisch-syrischer, byzantinischer, chaldäischer und armenischer Ritus). Sie " finden sich heute hauptsächlich in folgenden Ländern: Rumäni en, Ukraine, Libanon, Syrien, Jordanien, Irak, Iran, Ägypten, Äthiopien, im Süden Indiens (v.a. Kerala), in den USA und Kanada" ([14]36). Mit dem Blick über di e katholi sche Kirche des lateinischen Rechtskreises hinaus auf die katholischen Ostkirchen wird deutlich, dass die katholische Kirche als eine Gemeinschaft von derzeit 22 sog. "eigenberechtigten Kirchen" bzw. "Kirchen eigenen Rechts" zu charakterisieren ist, für die der Papst als der eine o berste Gesetzgeber der katholischen Kirche zwei ver-
Weiterdenken
gleichberechtigt
eigenberechtigte Kirchen
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II. Wo die kat holische Kirche Recht hat- Rechtsquellen
schiedene Gesetzbücher erlassen hat, eben den CIC/1983 für die lateinische Rituskirche als der zahlenmäßig weitaus größten eigenberechtigten Kirche (ca. 1 Milliarde Angehörige, davon allein in Deutschland ca. 28 Millionen), und den CCE0/ 1990 für die 21 Ostkirchen, die alle zusammen höchstens 15 Millionen Mitglieder haben. 1.2 DasKonzept derLexEcclesiae Fundamentalis (LEF)
Vielfalt in der Einheit
Entwürfe einer LEF
Idee der dezentralen Rechtsentwicklung ist gescheitert
Ursprünglich war geplant gewesen, dem CIC und dem CCEO ein gemeinsames und grundlegendes Gesetzbuch vorzuschalten, die LexEcclesiae Funda(= LEF). Darin sollte das grundsätzlich Katholische und damit beimentalis den Rechtstraditionen als unabdingbar Vorgegebene geregelt werden, während dann im CIC und CCEO jew eils die besonderen Eigenheiten der westlichen und östlichen Tradition aufgenommen worden wären. Mit diesem Dreischritt-gemeinsame LEF und darauf aufbauend CIC und CCEO- sollte einerseits die herkömmliche formale Beziehungslosigkeit der lateinischen und orientalischen Rechtskreise in der katholischen Kirche überwunden und egende EinheitundGemeinschaft auch im Recht sichtbar gemacht die grundl werden; andererseits sollten der CIC für den lateinischen Rechtskreis und der CCEO für den orientalischen Rechtskreis den notw endigen Freiraum fürdie eigeneRechtsgestaltung erhalten und dadurch die Vielfalt in derEinheitder katholischen Kirche zum Ausdruck bringen. Die ersten konkreten Entwürfe einer LEF waren allerdings nicht hinreichend ausgereift und wurden so heftig kritisiert, dass nicht nur die Umsetzung, sondern plötzlich auch das gesamte Projekt eines gemeinsamen kirchlichen Grundgesetzes verworfen wurde. Offensichtlich hatten sich die prinzipiell en Bedenken durchgesetzt, wonach die Zeit für eine LEF noch nicht reif genug sei, weil das II. Vatikanische Konzil manche Fragen noch nicht zum Abschluss gebracht habe, so dass durch eine LEF fruchtbare Anstöße, die vom Konzil ausgegangen seien, vorschnell abgebrochen werden könnten. Ebenso wurde gegen ein gemeinsames grundlegendes Gesetz einSeite festlegen gewendet, dass es die Kirche zu einseitig auf ihre sichtbare würde und damit ihren Mysteri encharakter zu sehr in den Hintergrund geraten ließe. Auch eine Versteinerun g des Rechts, in der eine Rechtsentw icklung nicht mehr möglich ist, wurde durch ein sol ches kirchliche Grundgesetz befürchtet (zum Scheitern der LEF [1 01] 43-51 ). Die Entscheidung, das Projekt der LEF nicht mehr weiterzuverfolgen, brachte das Dilemma mit sich, dass die Überarbeitung des CIC im Blick auf eine LEF erfolgt w ar und j ene Regelungen ausgespart hatte, die für die LEF vorgesehen waren. Um diese Lücke zu schließen, wurde nahezu die Hälfte der Normen des LEF-Entwurfs in den CIC übernommen (wie auch später parallel in den CCEO). Vor allem wegen der ekklesiologischen Bedeutung eines gemeinsamen kirchlichen Grundgesetzes und einer dadurch ermöglichten dezentralen Rechtsentwicklung ist das Scheitern di eses Projektes zu bedau ern. Denn auf der Basis eines gemeinsamen Grundgesetzes, das im Sinne einer Rahmenordnung lediglich die gemeinsamen Verfassungsnormen der Kirche enthält, könnten sich nicht nur zw ei kulturell unterschiedlich geprägte Codices entwickeln, sondern auch eine größere Mehrzahl. So wäre es vielleicht auch möglich gewesen, den jungen Kirchen Afrikas und Asiens, die sich nachweislich auch heute noch mit vielen abendländischen Rechtstraditionen des CIC schwer tun, eine "zwar der lateinischen Tradition verbundene, aber
1. Der CIC/ 1983 und CCE0/1990 doch eigenständigere Rechtsentwicklung" ([1 01] 46) mit entsprechendem eigenständigen Gesetzbuch zu ermöglichen. (CIC) 1.3 CodexlurisCanonici Wer vom "CIC" spricht, meint in der Regel den " CIC/1983". Durch den Zusatz "1983" wird angezeigt, dass es sich um die reformierte Fassung des CIC aus dem Jahr 1917 (= CIC/1917) handelt. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend, dass der CIC/1917 überarbeitet wurde und seit 1983 in einer neuen Fassung vorliegt: ein prinzipieller und ein aktueller. Der prinzipielle Grund liegt darin, dass jeder Rechtsordnung gleichsam ein dynamischer Zug der Fortentwicklung innewohnt. Da nämlich die Rechtsordnung wesentlich die Lebensordnung einer Gemeinschaft bestimmt, muss bestehendes Recht von Zeit zu Zeit auf seinen Lebensbezug hin überprüft und gegebenenfalls den Erfordernissen entsprechend korrigiert werden. Dabei ist die schwierige Gratwanderung zu bestehen, die Zeichen der Zeit vom bloßen Zeitgeist zu unterscheiden. Was muss den Zeichen der Zeit und damit dem Selbstverständnis der Gemeinschaft entsprechend im Recht abgeändert werden und welche Rechtsänderungen wären lediglich eine Anpassung an den Zeitgeist, der nicht dem Selbstverständnis der Gemeinschaft Rechnung trägt, sondern dieses zu verfälschen droht? Diese Frage muss bei jedem Ruf nach Reformen sorgfältig erwogen und entsprechend beantwortet werden. Damit ist der aktuelle Grund angesprochen, der für die Ablösung des CIC/1917 durch den CIC/1983 maßgeblich war. Initiator war Papst Johannes XXIII. Dieser Papst hatte nämlich die Notwendigkeit einer Reform der kirchlichen Lebens- und damit auch Rechtsordnung erkannt. Deshalb berief er nicht nur das bedeutende II. Vatikanische Konzil ein, sondern kündigte auch an, dass zugleich das bestehende Kirchenrecht an die Ergebnisse dieses Kon zils angepasst werde. Er sprach sogar davon, dass diese Anpassung des Kirchenrechts an die Zeichen der Zeit, das zum Schlagwort gewordene aggiornamento, die Krönung des II. Vatikanischen Konzils sein sollte. Deshalb kann der CIC/1983 auch als der im Geist des II. Vatikanischen Konzils überarbeitete CIC von 1917 bezeichnet werden.
Überarbeitung des CIC/1917
Papstjohannes XXIII. als Initiator
aggiornamento
a) Proepiskopale, prolaikale und proliberale Ausgestaltung Die Überarbeitung des kirchlichen Gesetzbuches nahm lange Zeit in Anspruch, nämlich nahezu 20 Jahre; denn sie wurde nicht in einem Alleingang von oben- also nicht nur vom Papst und von einigen seiner vertrauten Kardinäle - vorgenommen, sondern alle erarbeiteten Reformvorschläge wurden weiteren kirchlichen Kreisen und Einrichtungen wie Bischofskonferenzen, theologischen Fakultäten und Ordensvereinigungen übergeben, damit diese Stellung nehmen und Verbesserungsvorschläge einreichen konnten. Durch diesen Arbeitsstil sind viele und verschiedene Glieder der kirchlichen Gemeinschaft an der Reform des Kirchenrechts beteiligt worden, also Laien und Kleriker, Ordenschristinnen ebenso wie in der Forschung, aber auch in der Praxis Tätige. Inkonsequenterweise hatte aber keine(r) außerha lb der mit der Reformarbeit betrauten Kardinalskommission di e Möglichkeit einzusehen, ob, wie und warum welche Eingaben berücksi chtigt worden sind oder nicht. Nicht einmal die Bischöfe hatten 1980, als der erste Gesamtentwurf des künftigen Codex ferti ggestellt war, Einsicht nehmen dürfen, obwohl sie darum gebeten hatten. 11 Papst Johannes Paul II. lehnte jedoch ab. Stattdessen
20 Jahre Reformarbeiten
Kardinalskommission
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II. Wo die katholische Kirche Recht hat- Rechtsquellen
Endredaktion durch Papst
proepiskopal
prolaikal
proliberal
ergänzte er die Kardinalskommission um einige Bischöfe. Die so erweiterte Kommission konnte zum Gesetzentwurf des CIC Stellung nehmen. Die Arbeit der Codexkommission endete 1982 mit der Vorlage eines letzten Gesamtentwurfs beim Papst. Alles Weitere lag allein bei ihm. Er zog sich mit einem kleinen, persönlich ausgewählten Kreis von Beratern auf seine Sommerresidenz in Castelgandolfo zurück und ging mit ihnen Canon für Canon durch. Zahlreiche Bestimmungen wurden noch geändert, gestrichen oder ganz neu aufgenommen" ([21] 28, Nr. 18). Auch für diese Vorgehensweise der Endredaktion sind keine Gründe bekannt gegeben worden. Zweifelsohne hat sie sowohl verfahrensmäßig als auch inhaltlich einen schalen Beigeschmack hinterlassen. Dennoch kann sich das Ergebnis der Reformarbeiten am kirchlichen Gesetzbuch sehen lassen; es ist von einer Vielzahl an Neuerungen geprägt, die in die folgenden drei M erkmale zusammengefasst werden können ([1 08]): - proepiskopal = Aufwertung des Bischofsamtes und damit Dezentralisierung des Papstamtes; - prolaikal = stärkere Ausbildung von Formen kirchlicher Mitverantwortung der Laien; - proliberal = Rückzug rechtlicher Bestimmungen aus Bereichen, die der freien Gestaltung des/der Einzelnen überlassen bleiben. Ein Paradebeispiel für die proepiskopale Ausrichtung des CIC/1983 ist die Rechtstatsache, dass der Bischof als Leiter einer Diözese bisher seine AmtsVollmacht unter der Autorität des Papstes ausgeübt hatte (c.329 §1 CIC/ 1917) und damit in dessen Abhängigkeit als dessen Stellvertreter, während er sie fortan eigenberechtigt ausübt (c.381 §1 CIC/1983), also selbstständig und in eigenem Namen. Der prolaikale Charakter zeigt sich beispielhaft in der rechtlichen Möglichkeit, dass Laien kirchliche Ämter und Aufgaben übernehmen können (c.228 CIC/1983) - eine Regelung, die im Konzept des CIC/ 1917 völlig undenkbar war. Völlig neu sind auch die Mitwirkungsmöglichkeiten von Laien in den Einrichtungen des Pfarrpastoralrates (c.536 CIC/ 1983) und des Diözesanpastoralrates (c.511 CIC/1983) sowie des Vermögensverwaltungsrates auf Pfarr- und Diözesanebene (c.537; c.492 CIC/1983). Beispielhafter Ausdruck für die proliberale Tendenz sind die Aufhebung des Bücherverbotes (cc.1395-1405 i. V. m. c.2318 CIC/1917), die Abschaffung der Strafandrohungen für eine nichtkatholische Trauung oder Kindererziehung bei einer konfessionellen Mischehe (vgl. cc.1 060-1063 i. V. m. c.2319 CIC/1917 mit cc.1124-112 7 i. V. m. c.1366 CIC/1983) und die Streich ung des Straftatbestands der aktiven Mitfeier eines nichtkatholischen Gottesdienstes (c.1258 §1 i. V. m. c.2316 und c.2314 CIC/1917) sowie in positiv-rechtlicher Normierung das explizit genannte Recht auf die eigene Form des geistlichen Lebens (c.214 CIC/1983) sowie auf die Versammlungsund Vereinigungsfreiheit für Zwecke der Caritas, Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt (c.215 CIC/1983), für die es keine vergleichbaren Bestimmungen im CIC/1917 gab. b) Innerkatholischer Geltungsbereich
Einschränkung im Geltungsbereich
Positiv hervorzuheben ist auch der Geltungsbereich des CIC. Waren im CIC/ 1917 (c.12) alle Christinnen des lateinischen Rechtskreises, also auch die nichtkatholischen Ch ristlnnen, prinzipiell den kirchlichen Gesetzen unter-
1. Der CIC/ 1983 und CCE0/1990 warfen, so nimmt der CIC/1983 (c.11) nur noch die katholischen Christinnen in die Pflicht, die kirchlichen Gesetze zu beachten. Diese Einschränkung im Geltungsbereich ist dem Wandel im Selbstverständnis der katholischen Kirche zu verdanken. So lange sich die katholische Kirche als die einzige Verwirk! ichungsform der Kirche Jesu Christi verstand, musste sie fast zwangsläufig davon ausgehen, dass sie für alle Christinnen zuständig sei. Erst seit sie auf dem II. Vatikanischen Konzil ihre absolute Gleichsetzung auf eine relative Gleichsetzung mit der Kirche Jesu Christi hin korrigiert hat, kann sie sich auch für weitere Verwirklichungsformen der Kirche Jesu Christi neben sich öffnen und somit alle nichtkatholischen Christinnen aus ihrem Zuständigkeitsbereich entlassen. in der Kirchenkonstitution Lumen gentium 8,2 wird die katholische Kirche nicht mehr einfachhin mit der Kirche Christi gleichgesetzt, sondern festgestellt, dass die Kirche Christi in der katholischen Kirche verwirklicht ist(= lat.: subsistit in). Die Kirche Jesu Christi hat also in der katholischen Kirche eine konkrete geschichtliche Gestalt bzw. ihre konkrete Existenzform, wie das in diesem Kontext verwendete lateinische Verb subsistit auch wiedergegeben werden kann . Ganz gezielt ist in LG 8,2 est (ist) durch subsistit (ist verwirklicht) ersetzt worden. Dadurch wird die katholische Kirche nunmehr als die konkrete Existenzform der Kirche Christi verstanden, o hne mit dieser in j eder Hinsicht deckun gsgleich zu sein (= relative Gleichsetzung). So heißt es in LG 8,2 und wortgleich in c.204 §2 CIC/1983:
relative Gleichsetzung mit der Kirche jesu Christi
subsistit in
konkrete Existenzform der Kirche Christi
.. Diese Kirche, in dieser Weit als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist in der katholischen Kirche verwirklicht, die von dem Nachfolger Petri und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird."
c) Ekklesiologische Anordnung des Rechtsstoffes Der gesamte Rechtsstoff der 1752 Canones ist im CIC/1983 in sieben Bücher eingeteilt: - Buch 1: Allgemeine Normen, Buch II : Volk Gottes, Buch 111: Verkündi gungsdienst der Kirche, Buch IV: Heiligungsdienst der Kirche, Buch V: Kirchenvermögen, Buch VI: Strafbestimmungen in der Kirche, Buch VII: Prozesse. Damit ist ei ne Systematik der Rechtsmaterie gelungen, die zum einen den Canonesbestand gestrafft hat. Denn im Buch 1: 11 AIIgemeine Normen" sind jene Bestimmungen zusammengefasst, 11 die andernfalls in verschiedenen Z usammenhängen wiederholt werden müssten. Es handelt sich also um eine Vervollkommnung der rechtlich abstrakten Aussageform, die schon dem Gesetzbuch als einer systematischen Ordnung abstrakter Rechtssätze ohnehin eignet. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass das Gesetzbuch als Ganzes knapper gefasst werden kann. Diese Anordnung des Gesetzesstoffes verlangt aber von dem, der mit dem Gesetzbuch umgeht, ein hohes M aß an Übersi cht und Verständnis. Dabei muss beachtet werden, dass besondere abweichende Regelungen, die sich in den übrigen sechs Büchern des Codex finden, vor den allgemeinen Normen des ersten Buches Vorrang beanspruchen" ([13/Bd. I] 141 ). Zum Zweiten sind die Canones unter ekklesiologi-
rechtlich abstrakte Aussageform
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II. Wo die kat holische Kirche Recht hat- Rechtsquellen ekklesiologische Perspektive
scher Perspektive aussagekräftig angeordnet. Im Zentrum des CIC/1983 stehen die Bücher 11-IV, in denen zunächst die Strukturen für den rechtlichen Aufbau des Gottesvolkes behandelt werden (Buch II: " Volk Gottes", das als Verfassungsrecht der Kirche bezeichnet wird), um im Anschluss daran die zentralen Normen darzustell en, wie si ch Sendung und Leben des Gottesvolkes voll ziehen: Verkündigungsdienst (Buch 111) und Heiligungsdienst (Buch IV) ([13/Bd. I] 139). Erst im Anschluss daran folgen die für jede Rechtsgemeinschaft unerlässlichen Regelungen über das Vermögen, die Strafbestimmungen sowie die Prozess- und Verfahrensregelungen in der Kirche (Buch V-VII). Während also die Bücher 11-IV "im Wesentlichen der CommunioStruktur der Kirche und den ekklesiologischen Aufbauelementen von Wort und Sakrament" folgen, sind Buch I sowie die Bücher V-VII " stärker von der Lehre der Kirche als sichtbarer Rechtsverband (compago visibilis) und als rechtlich geordnete Gesellschaft (societas) geprägt" ([1 06] 347f.).
1.4 Codex Ca non um Ecclesiarum Orientalium (CCEO) lange Zeit kein einheit liches Gesetzbuc h
seit 1949 Tei lkodifikationen
Latein als gemeinsame OstkirchenSprache
Die katholischen Ostkirchen hatten lange Zeit kein einheitliches Gesetzbuch. Sie waren ursprünglich lange Zeit wie Mi ssionsgebiete der Kongregation zur Verbreitung des Glaubens zugeordnet; erst im 19. Jahrhundert wurde für sie eine eigene Kongregation errichtet. Die Idee zu einem Gesetzbuch, das für alle katholischen Ostkirchen gelten soll, geht bis in die Vorbereitungsphase des I. Vatikanischen Konzils zurück, in der die orientalischen Patriarchen erstmals die Notwendigkeit eines Codex des kanonischen Rechts für alle in Gemeinschaft mit Rom stehenden Ostkirchen betonten. Mit der Promulgation des CIC/1917 erhielt das Ansinnen eines eigenen O stkirchencodex neue Schubkraft, so dass 1929 von Papst Pius XI. eine Kardinalskommission zur Erarbeitung entsprechender Schemata eingerichtet wurde und 1948 ein im Auftrag des Papstes redigierter Gesamtentwurf in fast promulgationsfähiger Form vorlag. Da einige Ostkirchen in bestimmten Rechtsfragen schnellstmöglich eine Regelung benötigten, wurden ab 1949 Teilkodifikationeil aus dem vorhandenen Gesamtentwurf veröffentlicht. Obwohl auf diese Weise bei der Ankündigung des II. Vatikanischen Kon zils bereits ein Großteil der Canones des Gesamtentwurfs (1574 der insgesamt 2666 Canones) in Kraft gesetzt war, traf Papst Paul VI. nach dem Ende des II. Vatikanischen Konzils die Entscheidung, nicht nur das lateinische, sondern auch das orientalische Kirchenrecht einer vollständigen Revision zu unterzi ehen. Dazu wurde von ihm 1972 die Päpstliche Kommission für die Re vision des Codex der orientalischen Kirchen eingesetzt, die für ihre Kodifikationsarbeit an die Prinzipien gebunden w ar, die auf dem II. Vatikanischen Konzil insgesamt und insbesondere im Dekret für die Ostkirchen O rientalium Ecclesiarum (= OE) formuli ert worden w aren. Wie für die Reform des CIC, so wurden auch für die Überarbeitung des Ostkirchenrechts Richtlinien erarbeitet und vom Papst approbiert. Ebenso wie beim CIC wurden die Teilentwürfe des Gesetzbuches für die O stkirchen verschiedenen Organen zur Stellungnahme übersandt und der endgültige Gesamtentwurf vom Papst vor der Promul gation noch in einigen Punkten geändert ([1 04] 1-9). Wie der CIC ist auch das Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen " in lateinischer Sprache verfasst, obwohl keine der 21 Ostkirchen Latein als Kirchensprache pflegt ... Grund für diese Sprachwahl ist, dass die Vielzahl der in den Ostkirchen gebräuchlichen Sprachen die Einigung auf eine ihnen gemeinsame Ostkirchen-Sprache verunmögli chte" ([14] 38) .
1. Der CIC/ 1983 und CCE0/1990
a) Eigene Riten Die 21 katholischen Ostkirchen und die eine katholische Westkirche haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die das II. Vatikanische Konzil im Dekret über die Ostkirchen aus der Perspektive der katholischen Ostkirchen wie folgt zusammengefasst und gewürdigt hat: si e sind mit der katholischen Kirche des Abendlandes " durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe Leitung im Heiligen Geist organisch geeint" (OE 2); sie unterscheiden sich aber von der katholischen Kirche des Abendlandes(= katholische Kirche des lateinischen Rechtskreises) 11teilweise ... durch ihre sogenannten Riten, d. h. in ihrer Liturgie, ihrer kirchlichen Ordnung und ihrem geistlichen Erbe"; aber alle sind sie )n gleicher Weise der pastoralen Führung des Römischen Bischofs anvertraut, der dem seligen Petrus im Primat über die gesamte Kirche durch göttliche Fügung nachfolgt" (OE 3). Zu diesen eigenen Riten gehören 11 Vor allem die östliche Liturgie, die Kirchensprache (syrisch, griechisch, slawisch etc. statt Latein), das Amt des Patriarchen, die Priesterehe, die Myronsalbung" ([14] 35). Um diesen eigenen Traditionen der katholischen Ostkirchen hinsichtlich ihrer Riten, ihrer Liturgie und ihrer Rechtsgestalt Rechnung zu tragen, ist für sie ein eigenes kirchliches Gesetzbuch geschaffen worden.
Unterschiede in Liturgie, kirchli cher Ordnung und geistlichem Erbe
b) Eigener Titel Das Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen ist am 1. Oktober 1990 in Kraft getreten und trägt den Titel Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, kurz: CCE0/1990. Mit dem CCE0/1990 liegt für die katholischen Ostkirchen erstmals ein einheitliches kirchliches Gesetzbuch vor. Ursprünglich sollte der Ostkirchenkodex den Titel Codex luris Canonici Orientalis (Cl CO) erhalten, wohl um die Verbindung mit der lateinischen Kirche anzudeuten; erst 1988 wurde die derzeitige Bezeichnung Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium gewählt, um zu "vermeiden, dass durch die früh ere Bezeichnung in diesem Codex nur eine Art Anhängsel an den Codex luris Canonici (CIC) der Lateinischen Kirche gesehen werden könnte" ([1 02] 423, Anm. 8) bzw. um dessen Gleichrangigkeit mit dem CIC zum Ausdruck zu bringen. W egen dieser Gleichrangigkeit von CIC und CCEO müsste eigentlich der Titel des CIC abgeändert bzw. ergänzt werden um das Wort Latini: Codex luris Canonici Latini oder ekklesiologisch gewendet: Codex luris Canonici Ecclesiae Latinae. Das würde der Kon zilslehre entsprechen wie auch den beiden cc. 1 der Gesetzbücher ([1 07] 71 ), in denen festgehalten wird, dass die nachfolgenden Canones nur die lateinische Kirche (c. 1 CIC) bzw. die katholi schen Ostkirchen (c.1 CCEO) betreffen.
CICO als ursprünglicher Titel
Gleichrangigkeit mit dem CIC
c) Katholische Alternative A ls Papst Johannes Paul II. den CCEO promulgierte, sprach er davon, dass nun die katholische Kirche " mit den zwei Lungenflügeln des Ostens und W estens atmet und mit einem Herzen, das gleichsam zwei Kammern hat, in der Li ebe Christi glüht" ([8] 37). Damit hat der Papst bi ldhaft ins Wort gebracht, was tech ni sch " Rechtspluralism us" in der katholischen Kirche genannt wird ([1 03] 27) und zum Vergleich des CCEO mit dem CIC einlädt, um zu erforschen, in welchen Rechtsberei chen er als katholische Alternative Anregungen für eine Fortentwicklung des CIC bietet. Nach herrschender Auf-
zwei Lungenflügel des Ostens und Westens Rechtspluralismus
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II. Wo die kat holische Kirche Recht hat- Rechtsquellen
fassungunter den ostkirchenrechtlichen Fachleuten gehören hierzu auf jeden Fall "die Gewichtung synodal-ortskirchlicher Strukturen der Ostkirchen als Ausdruck traditioneller bischöflicher Kollegialität; das ostkirchliche Bischofswahlrecht [cc.180-189 CCEO]; die Regelungen bezüglich der verheirateten Priester [cc.3 73-375 CCEOJ .. .; die Anerkennung der Geltung des nichtkatholischen Eherechtes bei Mischehen (c.780 CCEO); die den Vergeltungsgedanken zurückdrängende Konzeption des Strafrechts" ([1 05] 1242 f.). d) Titelüberschriften als Systematisierungsprinzip
kein ekkl esio logisches Signal
Anders als im CIC/1983 sind die 1546 Canones des CCEO in ihrer Grundeinteilungnicht in Bücher untergliedert, sondern in Titel. Außerdem lässt sich in den insgesamt 30 Titeln kein ekklesiologisches Signal als Aufbauprin zip der rechtlichen Bestimmungen erkennen. Überhaupt lassen sich die 30 Titel nur schwer systematisch zusammenfassen, da- zumindest aus westlicher Perspektive - zusammengehörende Rechtsmaterien eher auseinandergerissen statt einander zugeordnet erscheinen. Dies trifft insbesondere für den Bereich der allgemeinen Normen sowie für die Regelungen des Verkündigungsund Prozessrechtes zu. So sind die allgemeinen Normen sow ohl in den sec hs einleitenden Canones enthalten wie auch in den Titeln 19- 21 und in den abschließenden Titeln 29 und 30; die dem Verkündigungsdienst zuzuordnenden Bestimmungen sind auf die drei Titel 14, 15 und 18 verteilt sowie die prozessrechtlichen Regelungen auf die Titel 22, 24-26 und 28. "Der Aufbau in dreißig Titel unterscheidet sich deutlich vom systematischen Aufbau der westlichen kirchenrechtlichen Kodifikation . Er erinnert- obwohl als neu zeitliche Kodifikation einem anderen Rechtsdenken verpfli chtet- an die systematischen Sammlungen des byzantinischen Kirchenrechts" ([105]1 242).
2. Authentische Interpretationen Unterscheidung zwischen alltäglicher und authent ischer Interpretati on
verbindli ch
Im kirchlichen Gesetzbuch sind einige Grundregeln der Gesetzesauslegung normiert (cc. 16-19 CIC). Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Betonung der sog. " authentischen" Interpretation (c. 16), die von der alltäglichen Interpretation (cc. 17-1 9) abgehoben ist und immer dann Anwendung findet, wenn bei der alltäglichen Gesetzesinterpretation Fragen, Zweifel oder Unklarheiten aufkommen. Authentisch bedeutet zuverlässig verbürgt, echt. Dementsprechend ist eine authentische Interpretation verbindli ch und kann ni cht mehr in Frage gestellt w erden z. B. durch das Anrufen einer höheren Autorität. Einer authentischen Interpretation kommt daher Gesetzescharakter zu; sie hat " dieselbe Rechtskraft w ie das Gesetz selbst" (c. 16 §2). " Authentisch" heißt diese Interpretation nicht wegen der Anwendung anderer als der normalen bzw. alltäglichen Interpretationsmethoden oder wegen einer besonderen Argumentation, sondern aus dem rein formalen Grund, dass si e nur dem Gesetzgeber und der von ihm damit eigens betrauten Behörde zukommt. Ferner w erden bei authentischen Interpretationen in der Regel keine Begründungen dargelegt, w eshalb sie den Eindruck vermitteln können, mehr " M achtspruch" statt " Wahrspruch" zu sein ([21] 33 f., Nr. 10).
2. Authentische Interpretationen
2.1 Das PCI bzw. PCLTals zuständige Behörde Ist die alltägliche Interpretation von jedermann und jederfraubei der Anwendung der kirchlichen Gesetze zu leisten, obliegt die authentische Interpretation einer eigenen Behörde des Apostolischen Stuhls, nämlich dem "Päpstlichen Rat zur Interpretation der Gesetzestexte" bzw. dem "Pontificium Consilium de legum textibus interpretandis" (= PCI). Seit einigen Jahren hat sich eine abgeänderte Bezeichnung für diesen Päpstlichen Rat eingebürgert, ohne dass eine amtliche Umbenennung veröffentlicht worden ist. ln dem von diesem Rat selbst herausgegebenen Mitteilungsblatt "Communicationes" lautet die Selbstbezeichnung seit 1999 "Pontificium Consilium de Leg um Textibus" (= PCLT), in deutscher Übersetzung: " Päpst licher Rat für die Gesetzestexte" . Auch im Päpstlichen Jahrbuch wird er seit 2000 unter dieser Bezeichnung geführt. Demnach ist der Zusatz ",nterpretandis" (für die Interpretation) weggefallen ([1 091 502f.,Anm.1) Das PCI bzw. PCLT setzt sich zusammen aus Kardinälen und einigen Bischöfen unter der Leitung eines Kardinal-Präses, denen Mitarbeiter und Konsultoren zur Seite stehen. ln der Regel haben die authentischen Interpretationen eine feste Form : Es wird der Zweifel (lat. : dubium), der sich bei der Interpretation eines bestimmten Gesetzes ergibt, in Frageform dargeboten und darauf eine kurze bestätigende Antwort (lat.: responsio) mit "Zustimmend" bzw. "Ja" (iat.: affirmative) oder " Verneinend" bzw. " Nein" (lat.: negative) gegeben.
Weiterdenken abgeänderte Bezeichnung
Zweifel (dubium) und Antwort (responsio)
2.2 Oeklarative und konstitutive Interpretation Der kirchliche Gesetzgeber unterscheidet zwei Arten authentischer Interpretationen: die deklarative (erklärende) und konstitutive (neugründende) authentische Interpretation. Entscheidend für diese Einteilung ist die Tatsache, ob durch die authentische Interpretation der Inhalt eines Gesetzes "nur" erläutert bzw. ohne jeglic he inhaltliche Veränderung kommentierend verständlich gemacht wird (dek larativ) oder ob der Inhalt eines Gesetzes verändert und damit ein neuer Inhalt bzw. ein neues Recht festgesetzt wird(= konstitutiv). Da die deklarative Interpretatio n kein neues Gesetz schafft, sondern nur verständlich macht, w as seit lnkrafttreten des Gesetzes ohnehin schon galt, kommt ihr rückwirkende Kraft zu, d. h. sie gilt von dem Zeitpunkt an, seit das Gesetz verbindlich ist, während die konstitutive Interpretation nicht rückwirkend gilt, w eil sie durch Erweiterung oder Einschränkung des Gesetzesinhaltes ein neues Gesetz schafft. Insofern kann die konstitutive Interpretation als ein " verdeckter Gesetzgebungsakt" und als "eine Form der kirchlichen Rechtsfortbildung" bezeichnet w erden ([11 0] 8, Rdn . 14). Die bislang ergangenen Entscheidungen des PCI bzw . PCLT haben überwiegend deklarativen Charakter. Hier ist zu kritisieren, dass der Päpstliche Rat selbst nicht mitteilt, wie seine jeweils vorgelegte authentische Interpretati on einzustufen ist, sondern diese Aufgabe der Fachwissenschaft und/oder den Gesetzesanwendenden überlässt - ein Vorgehen, das nicht unbedingt zur Rechtssicherheit beiträgt.
erläuternd
verdeckter Gesetzgebungsakt
2.3 Kennz eichnung Fundorte und Beispiele ln der deutsch-lateinischen Ausgabe des CIC/1983 ist durch das Anbringen ei nes Asterisk (*) an der Ziffer des entsprechenden Canons angezeigt, dass zu
Asterisk
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II. Wo die katholische Kirche Recht hat- Rechtsquellen dieser Gesetzesbestimmung eine authentische Interpretation erfolgt ist. Am Ende des CIC sind die authentisch interpretierten Canones mit den Fundorten der jeweiligen authentischen Interpretation in einer Übersicht zusammengestellt ([3] 967f.).
Beispiel 1: Maximal zweimaliger Kommunionempfang am Tag ln der ersten Auflage der deutsch-lateinischen Fassung des CIC wurde der Text des c.917 so übersetzt, dass die Eucharistieamselben Tag 11 Wiederum" empfangen werden darf. Das führte 1984 zu folgender authentischen Interpretation: "Z[weifel]. - Darf gemäß c.917 ein Gläubiger, der die heiligste Eucharist ie bereits empfangen hat, diese an demselben Tag nur noch ein zweites Mal empfangen oder sooft er an einer Eucharistie teilnimmt? A[ntwort]. -Zustimmend zum ersten, verneinend zum zweiten Teil " ([9/Bd.l]9).
iterum (wiederum)
deklarativ
Hintergrund dieser Anfrage ist der lateinische Text dieses Canons, in dem ein "zweites Mal" mit iterum formuli ert ist, was zunächst im Deutschen mit "wiederum " übersetzt w ar, so dass die Frage entstand, ob " wiederum" auch im Sinne von 11 ein drittes" und 11 ein viertes M al" zu verstehen ist. Die erfolgte Interpretation ist als eine deklarative einzustufen, da das lateinische iterum eindeutig ein 11 Wiederum" im Sinne von 11 ein zweites Mal " meint und damit ein drittes Mal und erst recht weitere Male ausschließt.
Beispiel 2: Keine Möglichkeit der Dispens vom Vorbehalt der Homilie z ugunsten eines Klerikers konstitutiv
Als Beispiel für eine konstitutive Interpretation, die den Gesetzestext einschränkt, ist die authentische Interpretation von 1987 zu c.767 §1 zu bewerten: "Z[weifel]. - Kann ein Diözesanbischof von der Vorschrift des c. 767 § 1 dispensieren, wonach die Homilie Priester oder Diakon vorbehalten ist ? A[ntwort]. - Verneinend" ([9/Bd I] 21).
Homilievon Laien?
kein Disziplinargesetz
Im Hintergrund dieser Anfrage steht die Überlegung, die bischöfliche Vollmacht zur Dispens (c.87 § 1) auf den Homilievorbehalt des c.767 §1 anzuwenden. Denn nach c.87 §1 kann der Diözesanbischof im Einzelfall auf Antrag bei Vorliegen eines gerechten Grundes von der Verpfli chtungskraft eines Disziplinargesetzes befreien, so oft di es nach seinem Urteil zum geistlichen Wohl der Gläubigen beiträgt. Ist diese Dispensvollmacht auch auf c.767 §1 anwendbar? Kann ein Diözesanbischof vom Vorbehalt der Homilie zugunsten des Priesters und Diakons im Einzelfall Dispens erteilen und somit einen Laien mit der Homilie in der Eucharistiefeier beauftragen? Indem das PCI die Mögli chkeit der Dispens vom Vorbehalt der Homilie für Kleriker verneinte, hat es indirekt erklärt, dass die Regelung des c.767 §1 mehr als nur ein Disziplinargesetz ist, also offensichtlich ein Gesetz, das 11 W esenselemente von Rechtseinrichtungen oder Rechtshandlungen" (c.86) festl egt, von denen nicht dispensiert w erden kann, wie in c.86 expliz it festgelegt ist. Diese Festlegung des PCI kann nicht aus dem Wortlaut des c.767 §1 geschlussfolgert w erden, stellt daher eine Gesetzesänderung dar, und zwar
2. Authentische Interpretationen
eine das bisherige Gesetz einschränkende Gesetzesänderung, da damit das Dispensrecht des Diözesanbischofs eingeschränkt worden ist.
Beispiel 3: Abtreibung istjede Tötung der Leibesfrucht nach der Empfängnis Eine konsti tutive Interpretation, die den Gesetzestext erweitert, stellt die authentische Interpretation zu c.1398 dar:
erweitert
,.Z[weifel]. - Ist unter Abtreibung, von der c.1398 handelt, nur das Ausstoßen der unreifen Leibesfrucht zu verstehen oder auch die Tötung der Leibesfrucht, die auf irgendeine Weise und zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Empfängnis herbeigeführt wird7 A[ntwort].- Verneinend zum ersten Teil, zustimmend zum zweiten" ([9/Bd 1]22). Seit dem 16. Jahrhundert wurde in der katholischen Kirche unter Abtreibung das Ausstoßen der unreifen Leibesfrucht verstanden. Angesichts der modernen Abtreibungsmethoden, bei denen die Leibesfrucht erst im Mutterleib getötet und anschließend ausgestoßen wird, mehrten sich di e Anfragen, wie diese modernen Abtreibungsmethoden zu bewerten sind, da sie offensichtlich nicht der kirchlichen Definition der Abtreibun g entsprachen und somit auch nicht den ki rch I i chen Straftatbestand der Abtreibung erfüllten. Mit der vorgelegten authentischen Interpretation zu c.1398 gilt fortan jede Tötung der unreifen Leibesfrucht als Abtreibung. Das ist eine eindeutige Erweiterung des Abtreibungstatbestandes.
Definition der Abtreibung?
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hatRechtsgrundsätze Die Eigenart kirchlichen Rechts nach katholischem Selbstverständnis kann in Formulierungen zusammengefasst werden wie: es betrifft die irdische Wirklichkeit und transzendiert diese zugleich, es steht in der Spannung von göttlicher Gerechtigkeit und ekklesialer Rechtsgemeinschaft, es ist wirkliches Recht, aber mit dem Vorrang der Liebe, in ihm ist Theologie und Recht zu einer Einheit verbunden . Wie wirkt sich diese Eigenart in dem aus, was das Recht der katholischen Kirche ausmacht? Welche Rechtsgrundsätze gelten hier? Aus welchen Rechtsquellen materieller Art speisen sich Recht und Gesetz der katholischen Kirche?
1. Das II. Vatikanische Konzil als Bezugsrahmen
Verhältni s von Konzil und Codex?
Dass der CIC/1983 und das II. Vatikanische Konzil zusammen gehören, ist unbestritten. Schließlich war bereits 1959 bei der Ankündi gung dieses Konzils vom Papst mitgeteilt worden, dass eine den Konzilserkenntnissen entsprechende Überarbeitun g des kirchlichen Gesetzbuches von 1917 vorgenommen wird. Umstritten ist aber, wie sie zusammen gehören: " Wie interpretiert man den Codex richtig? ln welchem Verhältnis steht er zu jenem Konzil? Oder grundsätzlicher: Was ist in der Kirche wie verbindlich? Wer entscheidet, was in ihr gilt?" ([21] 30, Nr. 2). 1973 hat Papst Paul VI. auf einem kirchenrechtlichen Kon gress unmissverständlich festgestellt:
Theologie des Rechtes
kopernikanische Wende
"Mit dem II. Vatikanischen Konzil ist jene Zeit endgültig vorbei, da sich gewisse Kanonisten weigerten, den theologischen Aspekt der von ihnen vertretenen Disziplinen oder der von ihnen angewandtenGesetze in Betracht zu ziehen. " Und: "Heute ist eine Theologie des Rechtes notwendig, die all das aufnimmt. was die göttliche Offenbarung über das Geheimnis der Kirche aussagt. .. Die vom Konzil vollendete Arbeit fordert eine Theologie des Rechts, die die bereits vom Konzil selbst an gefangene Anstrengung nicht nur vertiefen, sondern vervollkommnen soll " ([114]464; 470). Diese klaren Worte von Papst Paul VI. machen deutlich, dass mit dem II. Vatikanischen Kon zil eine kopernikanische Wende der kirchenrechtlichen Disziplin verbunden ist. Wie ist es zu diesem grundlegend neuen Verständnis des Kirchen rechts gekommen?
1.1 Positivismus und Kasuistik vor dem Konz il
societas perfecta
Im Zuge der Aufklärung und der herrschenden Naturrechtslehre waren die Kirchen herausgefordert, ihre Existenzberechtigung zu verteidigen. Die katholische Kirche löste diese Aufgabe durch das Konzept der sog. societas per-
1. Das II. Vatikanische Konzi l als Bezugsrahmen
fecta (=vollkommene Gesellschaft): Wie der Staat so ist auch die katholische Kirche eine vollkommene Gesellschaft, der absolute Unabhängigkeit und Freiheit von jedweder staatlichen oder weltlichen Einflussnahme zukommt. Das führte im kirchlichen Denken und Leben zu einer zunehmenden Selbstzufri edenheit und Selbstgenügsamkeit, die nur noch rein innerkirchli che Fragestellungen reflektierte. Der Bezug zu und die Auseinandersetzung mit Welt und Gesellschaft geriet immer mehr aus dem Blick. So war in dieser Zeit auch die Kirchenrechtswissenschaft wie die Theologie insgesamt von einem ausgeprägten Positivismus gekennzeichnet. Statt grundsätzliche Fragen nach dem Selbstverständnis der jeweiligen theologischen Disziplin in den Blick zu nehmen, widmete sich die wissenschaftliche Arbeit mehr oder weniger wichtigen und lebensrelevanten Detailfragen der theologischen Einzeldi sziplinen - mit verh eerenden Folgen. Speziell im Fach Kirchenrecht sind hier zu nennen: die ausschließlich naturrechtliche Begründung seiner Existenz mit dem Standardargument ubi societas, ibi ius (Wo eine Gesellschaft ist, dort bildet sich auch Recht) und die rein buchstabengetreue und kasuistische Interpretation und Anwendung der Rechtsnormen. Ein solcher Umgang mit Recht muss früher oder später zu Unbehagen und Unzufriedenheit füh ren, die sich je nach Au smaß der Stimmung in den verschiedenen Formen des Vorwurfs der Verrechtlichung des (kirchlichen) Lebens, der Ablehnung der rechtlichen Bestimmungen bis hin zu einer rechtsfeindlichen Grundeinstellung zum Ausdruck bringen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch auf dem II. Vatikanischen Konzil 11 bei einer Intervention in der Konzilsaula das Wort vom ,Juridismus' [fiel], der als Hauptmakel der vorkonziliaren Kirche erschien" ([76] 30). Um si ch von diesem M akel zu befreien, w urde auf dem Konzil ganz gezielt j ede rechtliche Formulierung vermi eden. Di ese Vermeidungsstrategie ging so weit, dass "selbst Texte, denen juridische Ausdrucksweise zur besseren Verständlichkeit für die nachfolgenden Generationen gut angestanden hätte, eher in schwammigen, pastoralen, ja ambivalenten Formulierungen abgefasst wurden" ([124] 83 f. ).
Selbstzufriedenheit und Selbstgenügsamkeit
ubi societas, ibi ius
Unbehagen und Unzufriedenheit
Juridismus
1.2 Recht als eine Dimension im Mysterium der Kirche seit dem Konz il Um den ausgeprägten Juridismus der Vorkonzilszeit zu überw inden, w äre es sinnvoll und sogar notwendig gewesen, auf dem Konzil grundsätzlich über Wesen und Aufgabe von Recht in der Kirche nachzudenken. Doch das Desinteresse und die Abneigung gegenüber Kirchenrecht w aren zu groß sowie die Vorstellungen über Si nn und Zweck des Kirchenrechts zu verschieden, als dass diese anstehende Grundsatzdebatte in Angriff genommen wurde. Stattdessen waren die Konzil sväter von Anfang bis Ende darum bemüht, jeglichen A nschein eines Juridismus dadurc h zu vermeiden, dass sie ihre Anliegen und Beschlüsse möglichst ohne Verw endung kirchenrechtlicher Begriffe in rein pastoralem Stil formulierten. 11 Einem Konzilstext oder einem Änderungsvorschlag eines Konzilsvaters konnte kein schlimmerer Vorwurf in der Aul a zuteil werden als ,aliquo iuridismo laborat' [=leidet an rechtlicher Au sdrucksw eise] . Selbst, w enn es im Konzi l um eindeut ig rechtlich zu normi erende Materien ging, hat man der pastoralen Redew eise den Vorzug gegeben" ([1 23]452). Isoliert betrachtet kann diese Vorgehensweise als eine kl are kirchenrechtliche Absage im Umfeld von Glaubensfragen verstanden werden. Im Gesamt-
Abneigung gegenüber Kirchenrecht
rein pastoral formuliert
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II I. Was für ein Recht die katholisc he Kirche hat- Rechtsgrundsätze
Zum Mysterium der Kirche gehört auch die rechtliche Dimension
zusammenhang der Konzilstexte interpretiert handelt es sich dabei jedoch gerade nicht um eine solche kirchenrechtliche Absage an sich, sondern um eine Absage an jede Konzeption, in der Kirchenrecht ein der Kirche von außen zukommendes notwendiges Regulativ des Gemeinschaftsl ebens ist. Auch w enn jede kirchenrechtliche Begriff! ichkeit fehlt, so ist dennoch die konziliare Lehre über die Kirche durchzogen von der Gl aubensüberzeugung, dass zum Mysterium der Kirche auch die rechtliche Dimension dazugehörtund zwar wesentlich dazugehört Musterbeispiel dafür ist die Umschreibung der Kirche als " eine einzige komplexe Wirklichkeit" von menschlicher und göttlicher, irdischer und himmlischer sowie sichtbarer und unsichtbarer Gemeinschaft in der Kirchenkonstitution Lumen gentium (Art. 8). Denn dieses Selbstverständnis der katho lischen Kirche als " eine einzige komplexe Wirklichkeit" macht deutlich, dass kirchliche Rechtsnormen zwar der sichtbaren Seite der Kirche zuzurechnen sind, dabei aber zugleich in Beziehung stehen zur unsichtbaren Seite der Kirche. Wegen der unlösbaren Verbindung von sichtbar und unsichtbar muss die Rechtsordnung in der Kirche dieser komplexen Gesamtw irklichkeit der Kirche Rechnung tragen und ist somit selbst als Moment dieser komplexen Gesamtwirklichkeit zu verstehen ([122] 29).
1.3 Theologische Grundlegung der rechtlichen Normen im CIC Vertiefung zur ekklesiologisch verankerten Disziplin
Herleitung aus theologischen Grunddaten
Die ehemals rein rational-naturrechtlich ausgeprägte Disziplin des Kirchenrechts ist damit auf dem Konzil zu einer ekkl esiologisch verankerten Disziplin vertieft worden. Dies bedeutet zugleich eine grundl egend neue Ausrichtung der Fachwissenschaft Kirchenrecht. Erste deutliche Frucht dieser Neuausrichtung ist die Ausgestaltung des CIC/1983 als ein ki rchliches Gesetzbuch, das nicht einfach nur rechtliche Normierungen vorlegt, sondern diese vielmehr aus theologischen Grunddaten herleitet, w ie die zahlreichen theologischen Leitsätze zu Beginn zentraler Gesetzesabschnitte belegen. So w erden z.B. in c.3 30 CIC die rechtlichen Bestimmungen über den Papst und das Bischofskoll egium mit folgendem theologischen Vorwort eingeleitet: "Wie nach der W eisung des Herrn der heilige Pet rus und die übrigen Apostel ein einziges Kollegium bilden, so sind in gleicher Weise der Papst als Nachfolger des Petrus und die Bischöfe als Nachfolger der Apostel untereinander verbunden. "
Als weiteres Beispiel kann die theologische Präambel des Eherechts in c. 1055 § 1 CIC dienen: " Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, w elche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, w urde zwischen Geta ufte n von Christus dem Herrn zur Wü rde eines Sakramentes erh oben. "
j edenfall s ist im CIC/1983 klar " das ,theologische Prinzip' gegenüber dem juristischen in den Vordergrund getreten" ([71 ] 441 ). Um es mit den treffenden Worten von Papstjohannes Paulll. bei der Promulgati on des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 zu sagen: "ja, dieser neue Codex kann gewi sserma-
1. Das II. Vatikanische Konzil als Bezugsrahmen
ßen als ein großes Bemühen aufgefasst werden, eben diese Lehre, nämlich die konziliare Ekklesiologie, in die kanonistische Sprache zu übersetzen. Auch wenn es unmöglich ist, das in der Lehre des Konzils beschriebene Bild der Kirche erschöpfend in die kanonistische Sprache zu übertragen, so muss doch der Codex sich immer auf dieses Bild wie auf ein vorrangiges Beispiel beziehen, dessen Züge er so weit wie möglich gemäß seiner Natur ausdrücken muss" ([6] XIX). ln dieser Übersetzung der konziliaren Ekklesiologie in die kanonistische Sprache wird die "Krönung" des Konzils gesehen, die seinerzeit 1959 Papst Johannes XXIII. bei der Ankündigung des II. Vatikanischen Konzils in Aussicht gestellt hatte, als er davon sprach, dass auch eine den Erkenntnissen des Konzils entsprechende Reform des Kirchenrechts erfolgen werde, mit der die Arbeit des Konzils "gekrönt" werden solle ([11 3]). Doch wie ist diese "Krönung" zu verstehen- als einmaliges statisches Ereignis, das mit der Abfassung des CIC/1983 erfolgt und damit abgeschlossen ist oder als dynamisches Ereignis, das mit der Abfassung des CIC begonnen hat und bleibender Auftrag für die Auslegung und Anwendung des CIC sowie für das Weiterschreiben des CIC ist?
Krönung des Konzils
1.4 Rechtliches Denken in der Theologie und Theologisches Denken im Recht heute Seit dem Konzil gehört zum kirchenrechtlichen Denken, Forschen und Handeln die zweifache Blickrichtung sowohl auf die theologischen Grundlagen des Rechts als auch auf die rechtlichen Dimensionen der Offenbarung und des Glaubens. Dabei ergeben sich allerdings oft sehr verschiedene, ja sogar entgegengesetzte Erkenntnisse - je nachdem, welche Ekklesiologi e als hermeneutischer Schlüssel zugrunde gelegt wird, und je nachdem, wie die Aussage Papst johannes Paul II. bei der Promulgation des CIC/1983 verstanden wird, wonach das kirchliche Gesetzbuch von 1983 das ",etzte Dokument des Konzils" ist ([111] 558).
theologische Grundlagen des Rechts und rechtliche Dimensionen der Offenbarung
a) Hierarchie- oder Communio-Ekklesiologie als Grundlage? Der hermeneutische Schlüssel ergibt sich aus der Beantwortung der Frage, welches ekklesiologische Grundanliegen das II. Vatikanische Konzil verfolgt hat. Seit jeher behaupten die einen, dass es eine Communio-Ekklesiologie ist, die anderen dagegen, dass es eine Hierarchie-Ekklesiologie ist. Hierarchie (griech.: hieros arche) heißt wörtlich übersetzt: hei liger Ursprung. Gemeint ist der heil ige Ursprung der Kirche in Gott durch j esus Christus im Heiligen Geist. Diesen unsichtbaren Ursprun g sichtbar zu vertreten und auf ihn hin die Gemeinschaft der Kirche zu einen, ist Aufgabe und Funktion der geweihten (= ordinierten) Amtsträger bzw. Kleriker. Deshalb werden auch sie, die geweihten Amtsträger bzw. Kleriker, als " Hierarchie" bezeichnet. in der Hierarchie-Ekklesiologie gilt die Existenz der Kleriker als Grundlage der Kirche, wesha lb die Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien betont und in den Klerikern die eigentlichen Träger der Sendung der Kirche gesehen werden, so dass die anderen(= nicht geweihten) G lieder der Kirche, die Laien, nur in Anhängigkeit von den Klerikern - gleichsam als deren verlängerter Arm- an der Sendung der Kirche teilhaben. ln diesem Sinn ist die Hierarchie die Grundlage, auf der sich die Kirche als Gemeinschaft des Volkes Gottes aufbaut.
hermeneutischer Schlüssel
Hierarchie als hei liger Ursprung
HierarchieEkklesiologie
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze CommunioEkklesiologie
ln der Communio-Ekklesiologie bildet nicht die Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien die Grundlage der Kirche, sondern die grundsätzliche Gleichheit, die durch die Taufe zwischen allen Gliedern der Kirche entsteht. Sie bleibt über alle Unterschiede hinweg bestehen, so dass nicht nur die Hierarchie, sondern alle Gläubigen berufen sind, die Sendung der Kirche zu erfüllen. Hier ist die Communio als taufgewirkte Gleichheit aller Gläubigen die Grundlage, auf der sich erst die Unterscheidung in Laien und Klerikern entfaltet.
beide Ekklesiologien aufdem II. Vatikanischen Kon zil
Da beide Ekklesiologien auf dem II. Vatikanischen Konzil vertreten worden sind, lassen sich auch für beide entsprechende Kon zilsbelege finden. Die entscheidende Frage, die in den beiden Ekklesiologien enthalten ist, lautet: "Was ist die Grundlage von was? Ist die Hierarchi e Grundlage der Gemeinschaft, so dass Gemeinschaft aus der Verbundenheit mit der Hierarchie und damit aus einem Rechtsverhältnis besteht? Oder ist die Gemeinschaft Grundlage der Hierarchie, so dass Hierarchie in der Gemeinschaft eine Funktion erfüllt: sie steht in ihrem Dienst. Diese Alternative ist kein akademisches Problem. Im einen Fall steht die Hierarchie über allem, im anderen bildet sie einen Teil des Ganzen" ([11 9] 89). Indem die Rechtsnormen im CIC von den einen in der Hermeneutik einer Hierarchie-Ekklesiologie, von den anderen in der Hermeneutik einer Communio-Ekklesiologie gelesen werden, führt dies zu grundsätzlich verschiedenen Rechtsauslegungen und dementsprechend Rechtsauffassungen. Bei dieser hermeneutischen Schlüsselentscheidung gilt es allerdings zu bedenken, was die Intention der Konzilsväter mit den so unterschiedlichen, ja teilweise sich widersprechenden Texten war. Es spricht einiges dafür, dass das Konzil " in einer Zeit epochalen Umbruchs widerstrebende Anliegen gelten lässt, statt sie in ein Kirchenbild zu pressen, das so (noch) nicht von allen mitgetragen werden kann! Völlige Unentschiedenheit bedeutet dies freilich keineswegs. Der überwältigenden Mehrheit der Konzilsväter schwebte nicht eine zentralistisch geleitete Weltkirche vor, die durch einige ,Communio-Eiemente' ein etwas erfreulicheres Gesicht erhält. Vielmehr wollte sie die auf das Papsttum fixierten Aussagen des Ersten Vatikanums (das w egen des Ausbruchs des deutsch-französischen Krieges vertagt werden musste und sich nicht mit einem bereits vorbereiteten umfassenden Text über die Kirche befassen konnte!) einbetten in ein Gesamtkonzept von Kirche. Der von der Kurie vorgelegte Text über die Kirche strotze nur so von , Triumphal ismus, )uridismus und Klerikalismus', hatte der Bischof von Brügge, de Smedt, im Namen vieler Konzilsväter kritisiert. Nach dem Zweiten Vatikanischen Kon zil ist kein theologisches Lexikon mehr denkbar, in dem sich, wie noch nach dem Ersten, unter Laie der Eintrag findet: s. Clerus!" ([118] 41 ).
keinevöllige Unentschieden heit
Gesamtkonzept von Kirche
b) "Krönung" als statisches oder dynamisches Ereignis?
W er ist Interpretationsrahmen für wen?
Neben dieser ekklesiologischen Hermeneutik ist eine zweite Vorentscheidung für das kirchenrechtliche Denken und Handeln maßgeb lich: Wer ist lnterpretationsrahmen für wen? Das Kon zil für den CIC oder umgekehrt der CIC für das Konzil? Auch hier w erden zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten. Berufen sich die einen auf die päpstliche Aussage, dass "der Codex sich immer auf dieses ... in der Lehre des Konzils beschriebene Bild der Kirche ... wie auf ein vorrangiges Beispiel beziehen" muss, so die anderen auf die päpstliche Redew eise vom CIC als " letztem Dokument des Konzils". Die
1. Das II. Vatikanische Konzi l als Bezugsrahmen
letztgenannte Position ist erst vor einigen Jahren aufgekommen und wird bisher nur von einer Minderheit innerhalb der Kirchenrechtswissenschaft vertreten. Sie fordert, dass mit lnkrafttreten des CIC/1983 nicht die kirchlichen Rechtsnormen im Licht des Konzils, sondern umgekehrt das Konzil im Licht des kirchlichen Gesetzbuches zu interpretieren ist. Nach ihrer Auffassung hat Papst johannes Paul II. in der Apostolischen Konstitution zur Promulgation des CIC erklärt, dass der Codex " nach seiner Entstehung wie nach seinem Inhalt den Geist des Konzils in sich [trage]. Dies ist eine Feststellung, kein Wunsch. Als unerlässliches Instrument zur Wahrung der notwendigen Ordnung im persönlichen und sozialen Leben wie auch für die Tätigkeit der Kirche selbst entspreche der CIC vollkommen dem Wesen der Kirche, wie es vor allem das Lehramt des II. Vatikanischen Konzils allgemein und besonders in seinen ekklesiologischen Lehren dargestellt hat. Der CIC könne als große Anstrengung verstanden werden, die konziliare Ekklesiologie in die kanonistische Sprache zu übersetzen. Zwar könne eine solche Übertragung nicht vollkommen sein. Dennoch müsse sich der CIC auf dieses Kirchenbild wie auf ein vorrangiges Beispiel beziehen und dessen Grundzüge so weit wie möglich entsprechend seiner Natur ausdrücken. Auch damit wird nicht gesagt, der Codex gilt nur, w enn er mit dem Konzil übereinstimmt. Der Konzilsbezug wird als sachliche Notwendigkeit gesehen. Dass ihr angemessen entsprochen wurde, ist vorausgesetzt und unterliegt im Übrigen dem Urteil des Papstes .... Für den Gesetzgeber ist der Codex eine wichtige Autorität für die Anwendung des Konzils. Ob der CIC seinen Zweck als Instrument zur Vervollkommnung der Kirche im Geist des Konzils erreiche, so Papst Johannes Paulll., hänge zu einem guten Teil von der Befolgung der Gesetze ab" ([21] 38f., Nr. 19-22).
Ist Konzil im Licht des kirchlichen Gesetzbuches zu interpretieren?
7.5 Die Bedeutung der Auslegung und Anwendung von Gesetzen Die Verfechter dieser Position sind anzufragen, wie die päpstliche Aussage vom konziliaren Kirchenbild als vorrangiges Beispiel für den CIC verstanden wird. Die Autoren zitieren sie lediglich, lassen sie dann aber unkommentiert stehen und beziehen sie nicht in ihre Argumentation ein. Genau sie müsste aber ja widerl egt werden. Schließlich wird das Gegenteil behauptet: Nicht das Konzil bzw. die Kon zilstexte sind das vorrangige Beispiel für den CIC bzw. die rechtlichen Bestimmungen im CIC, sondern umgekehrt der CIC (und seine Texte) für das Konzil (und seine Texte). Darüber hinaus ist zwa r der Feststellung zuzustimmen, dass die Aussage vom Konzilsbezug nicht bedeutet, der Codex würde nur gelten, w enn er mit dem Konzil übereinstimmt. Natürlich gründet die Geltungskraft der Rechtsnormen in deren rechtmäßiger Promulgation durch den Gesetzgeber. Das ist klar und selbstverständlich und wird von niemandem bestritten. Doch ist die Existenz der Gesetzesnormen nur das eine, das andere ist deren Auslegung und Anwendung, ohne die die Gesetzesnormen keine Entfaltungskraft erlangen können. Diese zweite Seite der gesetzlichen Medaille wird in der genan nten Position nicht thematisiert. Zu erkl ären und transparent zu machen, nach w elchen Kriterien die geltenden Gesetze ausgelegt und angew endet werden, ist aber unerlässlich. Wie aus den hier zitierten und vielen anderen Ansprachen der Päpste hervorgeht, haben die Auslegung und Anwendung der Rechtsnormen des CIC/1983 so zu erfolgen, dass sie Bezug nehmen auf das konziliare Kirchenbild als vorrangiges Beispiel: Das konzili are Kirchen-
unkommentiert
Auslegung und Anwendung der Gesetzesnormen
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze konziliares Kirchenbild als Kontext der kirchlichen Gesetze Zweck und Umstände des Gesetzes
Letzturteil, aber nicht All einurteil des Papstes
bild ist der Kontext der kirchlichen Gesetze des CIC, der bei allen kirchlichen Gesetzen heranzuziehen ist. Das gilt insbesondere dann, wenn das Verständnis kirchlicher Gesetze "zweifelhaft und dunkel bleibt"- wie es in der lnterpretationsregel für die kirchlichen Gesetze in c.17 CIC heißt. ln solchen Fällen - so c. 17 weiter- ist "auf Zweck und Umstände des Gesetzes und auf die Absicht des Gesetzgebers ... zurückzugreifen". Um Zweck, Umstände und Absicht des Gesetzgebers bei der Auslegung und Anwendung der kirchlichen Gesetze adäquat zu berücksichtigen, ist auch- nicht allein, aber eben auch- auf die Konzilstexte Bezug zu nehmen. Schließlich sind die Vertreter der kritisierten Verhältnisbestimmung von Konzil und CIC auch anzufragen, wie sie so selbstverständlich die Aussage treffen können: dass dem Konzilsbezug im CIC "angemessen entsprochen wurde, ist vorausgesetzt und unterliegt im Übrigen dem Urteil des Papstes". Wo steht das? Wer hat die "Angemessenheit" dieser Entsprechung wann und nach welchen Kriterien festgestellt? Und warum sollte eine solche Beurteilung nur dem Papst vorbehalten sein? Zwar kommt dem Papst als obersten Gesetzgeber der Kirche in dieser Frage das Letzturteil zu, aber nicht das AlleinurteiL Wer das Recht auf das Letzturteil als Recht auf das All einurteil auslegt, kann zwar auf der formalrechtlichen Ebene ni cht widerlegt werden, wohl aber auf der der formalrechtlichen Ebene zugrundeliegenden inhaltlichen bzw. ekklesiologischen Ebene. Denn nur eine Hierarchie-Ekklesiologie im strengen, fast schon verabsolutierten Sinn lässt den Raum, das päpstliche Letzturteil mit päpstlichem Alleinurteil gleichzusetzen. Pointiert formuliert: "Formal ist all dies [sc. der Konz ilsbezug im CIC unabhängig von dessen Übereinstimmung mit den Konzilslehren und Alleinurteil des Papstes in di eser Frage] kanonistisch korrekt. Ekklesiologisch ist dieser der Alleinherrschaft des Papstes huldigende Rechtspositivismus, durch den nicht nur der Geist, sondern auch die verabschiedeten Texte des Konzils ausgehebelt werden können, einseitig, verkürzend und deshalb inakzeptabel" ([32] 47).
1.6 Kein Schlusspunkt des konz iliaren Entwicklungsprozesses
kirchenrechtliche Normen nicht als Quintessenz theologischer Erkenntnis
ständiges, wissenschaftliches Studium
Aufgrund dieser und w eiterer Anfragen an die neuerdings entwickelte Theorie vom CIC als Interpretationsrahmen für das Konzil ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der Kirchenrechtlerlnnen die gegenteilige Auffassung vertritt, nämlich den CIC im Licht des Konzils und seiner Ekklesiologie auszulegen und anzuwenden. ln pointierter Weise ausgedrückt lautet die H auptargumentation hier, dass man " den Codex nicht insofern als das letzte Dokument des Kon zils verstehen" darf, "dass er einen Schlusspunkt bildete, dass er den Entwicklungsprozess beendete, der sich bei diesem Kon z il besonders dicht und sichtbar vollzog. Einmal mehr ist vor der Gefahr zu warnen, kirchenrechtliche Normen als Quintessenz theologischer Erkenntnis zu verstehen und als Verbriefung eines in Besitz genommenen und unveräußerlichen Ertrages. Das aggiornamento, vielleicht im Deutschen als der Aufholprozess des kirchlichen Denkens zu bezeichnen, ist noch lange nicht errei cht" ([121] 167f.). Deshalb ist das II. Vatikanische Kon zil der maßgebliche Interpretationsrahmen für die kirchlichen Rechtsnormen . ln diesem Sinn hat Papst Johannes Paulll. nicht nur vom Codex als ",etztem Dokument des Konz ils" gesprochen, sondern auch davon, dass die Kenntnis des Rechts, wie es im CIC enthalten ist, "ein ständiges, wissenschaftliches, gründliches Studium
2. Göttliches und menschliches Recht als zwei Grundarten kirchlichen Rechts
voraus[setzt], das sich nicht darauf beschränkt, die eventuellen Änderungen gegenüber dem früheren Recht festzustellen oder die rein wörtliche bzw. philologische Bedeutung zu bestimmen, sondern das imstande ist, auch die ,mens legislatoris' [=Absicht des Gesetzgebers] und die ,ratio legis' [= Sinn des Gesetzes] zu berücksichtigen, so dass es ... eine Gesamtschau gibt, die ... den Geist des neuen Rechtes ergründen lässt. Darum handelt es sich wesentlich: Der Codex ist ein neues Recht und wird ursprünglich in der Sicht des Zweiten Vatikanischen Konzils bewertet, dem er sich völlig anpassen wollte" ([112] 133).
2. Göttliches und menschliches Recht als zwei Grundarten kirchlichen Rechts ln der Rechtsordnung der katholischen Kirche werden zwei Grundarten von Rechtsvorschriften unterschieden: kirchenrechtliche Normenkraft göttlichen Rechts (lat.: ius divinum) und kirchenrechtliche Normenkraft menschlichen bzw. rein kirchlichen Rechts (lat.: ius humanum bzw. ius mere ecclesiasticum). "Die Unterscheidung von göttlichem und menschlichem Kirchenrecht bezieht sich auf den Ursprung der einzelnen Rechtsnormen. Ersteres wird direkt auf göttlichen Willen zurückgeführt, während letzteres jenes Recht umfasst, das aus dem Willen des kirchlichen Gesetzgebers oder aus rechtsbegründender Gewohnheit hervorgeht" ([126] 698). Beide Rechtsarten stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zueinander.
Ursprung der einzelnen Rechtsnormen
Abhängigkeitsverhältnis
2.1 Naturrecht und Offenbarungsrecht als göttliches Recht Als göttliches Recht gilt sowohl das Naturrecht (lat.: ius naturale) wie auch das von Gott durch di e Offenbarung gesetzte Recht, das daher auch als 11 positives göttliches Recht" (lat.: ius divinum positivum) bezeichnet wird. Während das Naturrecht, also jene " Rechte des M enschen, die mit seiner vom Schöpfer selbst gegebenen N atur als menschliche Person unverli erbar verbunden sind" ([25]107, Nr. 21) wie z.B. das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit, auf Gewissensfreiheit, mit Hilfe der menschlichen Vernunft in der Schöpfungsordnung erkennbar ist und aus ihr abgeleitet werden muss, ist die Rechtsquelle des Offenbarungsrechts die Bibel.
Bibel
a) Die Tradition als hermeneutische Instanz Z um Offenbarungsrecht zähl en j ene biblischen Aussagen, di e sich im Laufe der über 2000-jährigen Kirchengeschichte als überzeitliche und verbindliche Weisungen erwiesen haben. "Welche biblischen Aussagen als Weisungen göttli chen Rechts zu verstehen sind, entscheidet in erster Linie die kirchliche Tradition selbst. So kann man das positive göttliche Recht auch ein durch die Tradition erkennbar oder sichtbar gemachtes Offenbarungsrecht nennen" ([13/Bd. I] 35) oder umgekehrt die Tradition als 11 d ie hermeneutische Instanz" bezeichnen, )n der das kirchliche Wahrheitsbewusstsein wirkt und sich in verschiedenen Formen -auch in der Form der stillen Überzeugung- ausdrückt" ([31] 11 ). Daraus sind zwei wichtige Grenzziehungen abzuleiten: Erstens ist nicht einfach hin die ganze Bibel Quelle der Offenbarung und des
Tradition als hermeneutische Instanz
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
göttlichen Rechts, sondern nur bestimmte Textüberlieferungen. Und zweitens ist das Offenbarungsrecht in der Bibel nicht im Stil eines Katalogs von formulierten Rechtssätzen enthalten, sondern aus verschiedenen Textgattungen, die quer über die Bibel verteilt sind, herauszulesen. b) Notwendigkeit der Übersetzung in die jeweilige Geschichte und Kultur
keine systematische Zusammenstellung
geschichtliche Konkretisierung
Das Offenbarungsrecht ist somit nicht an irgendeinem Ort ein für alle Mal festgeschrieben, sondern muss immer wieder neu aus der kirchlichen Tradition heraus in die jeweilige geschichtliche und kulturelle Situation der Kirche hinein übersetzt werden. Deshalb kennt auch das kirchliche Gesetzbuch keine systematische Zusammenstellung der Rechtsbestimmungen göttlichen Rechts; vielmehr wird lediglich bei den entsprechenden Rechtsnormen auf das göttliche Recht hingewiesen durch Formulierungen wie aufgrund göttlicher Weisung, nach der Weisung des Herrn oder kraftgöttlicher Einsetzung. So gibt es z. B. kraftgöttlichen Rechts die Sakramente in der Kirche (c.840 CIC), die Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien (c.207 §1 CIC), das Weihesakrament (c.1 008 CIC), die Bischöfe als Nachfolger der Apostel (c.375 §1 CIC) sowie Papst und Bi schofskollegium als Nachfolger des Petrus und des Apostelkollegiums (c.330 CIC). Als unveränderli ch gelten diese Rechtsnormen kraftgöttlichen Rechts insofern, als sie bei ihrer notwendigen geschichtlichen Konkretisierung "nicht zu sich selbst in Widerspruch geraten dürfen" ([126] 699). Götti ich es Recht und geschieht! iche Konkretisierung gehören also untrennbar zusammen. Denn wie das Wort Gottes, so liegt auch das göttliche Offenbarungsrecht nicht in abstrakter Reinform vor, sondern stets vermittelt durch M enschen ([130] 134) und damit auch stets bruchstückhaft. Mit anderen Worten: " Das ius divinum lässt sich immer nur in seiner historischen Gestalt vorstellen" ([128] 252). c) Geistig-schöpferischer Prozess der Konkretisierung auf Zukunft hin
lebendige Vermittlung der Offenbarung
in positives Recht transformiert
Den Menschen nur vermittelt durch Menschen zugänglich ist das göttliche Recht fol glich immer auch eine Form des rein kirchlic hen bzw. menschlichen Rechts ([129]1 00). Die Angewiesenheit des göttlichen Rechts auf das menschliche Recht, eben gerade durch das menschliche Recht zum Ausdruck gebracht zu werden, muss in einem weiteren Schritt zu der Feststellung führen, dass sich die Kirche und die in ihrem Dienst stehende Theologie bei ihrer Aufgabe, das göttliche Recht in der Kirche zu verwirklichen, niemals " auf das Angebot einiger Modelle aus der Geschichte beschränken [darf] . Sie bleibt zwar auf die Grundlagen in der Offenbarung konstitutiv verwiesen - jedoch in der W eise der lebendigen Vermittlung der Offenbarung in ihrer Umsetzung und Aneignung im aktuellen Glauben der Kirche. Die Theologie empfängt so einerseits ihre Wahrheit vom Wort Gottes, aber sie holt ebenso in einem geistig-schöpferischen Prozess die Gestalt der Wahrheit auf Zukunft hin erst ein" ([222]129). Das göttliche Recht ist " nicht einfach hin vorgegeben, sondern als j e und je zu ermittelnder Inhalt auch autgegeben, es muss in positives Recht transformiert, verpositiviert werden, wobei der (menschliche) Gesetzgeber nicht einfach hin Vorgegebenes übernimmt, sondern im geschichtlichen Kontext rechtsgestaltend tätig wird" ([96] 636). So gesehen ist das ius divinum weniger "ein erworbener Besitz" der Kirche, sondern vielmehr " der ständige Auftrag zur Selbstbesinnung, Selbstkritik, Bekehrung" ([127]1 70).
2. Göttliches und menschliches Recht als zwei Grundarten kirchlichen Rechts
Damit steht das göttliche Offenbarungsrecht in der Spannungseinheit, einerseits in seinem Inhalt unwandelbar zu sein, andererseits in diesem Inhalt stets tiefer erkennbar und dadurch neu konkretisierbar zu sein ([13/Bd. I] 5). Insofern ist die Anwendung des göttlichen Rechts der doppelten Gefahr der unsachgemäßen Konkretisi erung ausgesetzt, nämlich entweder durch mangelnde Anpassung an die Zeichen der Zeit zu erstarren oder durch die Preisgabe an den Zeitgeist verfälscht zu werden.
Inhalt unwandelbar, aber neu konkretisierbar
2.2 Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht als menschliches bzw. kirchliches Recht Die allermeisten Rechtsvorschriften im CIC sind menschliches bzw. rein kirchliches Recht. Dazu zähl en die Rechtsnormen, die allein auf den Rechtswillen der gesetzgebenden Organe der Kirche zurückgehen (Gesetzesrecht, vgl. cc.7f. CIC) oder aus einer rechtserzeugenden Gewohnheit der Rechtsgemeinschaft (Gewohnheitsrecht; vgl. cc.23-28 CIC) resultieren . So sind z. B. die Eignungskriterien für das Bischofsamt nach c.378 CIC durch den Papst als gesamtkirchlichen Gesetzgeber festgelegt worden, die Predigt von Laien ist durch eine rechtserzeugende Gewohnheit eingeführt worden und in cc.767 f. CIC gesetzlich geregelt, auch der Patinnendienst bei der Taufe (c.872 CIC) und die Zulassungskriterien für den Patinnendienst (c.874 CIC) genauso wie die Regelung des Taufaufschubes (c.868 §1 n.2 CIC) sind rein kirchlichen Rechts. Das menschliche Kirchenrecht steht voll und ganz im Dienst des göttlichen Kirchenrechts; seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage des göttlichen Rechts die Regeln für das alltägliche Miteinander der Glaubensgemeinschaft festzulegen, sozusagen aus dem göttlichen Recht die notwendigen praktischen Konsequenzen zu ziehen und eine dementsprechende Lebensordnung zu schaffen. Zur wirksamen Erfüllung dieser Aufgabe sind die Normen des menschlichen Kirchenrechts stets veränderbar, aber nicht im Sinne einer Beliebigkeit, sondern nur um einer besseren Entfaltung des göttlichen Rechts willen, auf das das menschliche Kirchenrecht stets verwiesen bleibt. Oder anders ausgedrü ckt: "Das menschliche Recht .. . ist in dem vom göttlichen Recht vorgegebenen Rahmen veränderlich" ([13/Bd. I] 5). Die Unterscheidung zwischen göttlichem und menschlichem Recht einerseits und ihre enge Beziehung zueinander andererseits kann an zwei Beispielen verdeutlicht werden: Die Ehe zwi schen zwei Getauften ist kraftgöttlichen Rechts ein Sakrament (c.1055 §1 CIC), die Festlegung, dass j eder kirchlich gültige Ehevertrag zwischen zwei Getauften zugleich das Ehesakrament begründet (c.1 055 §2 CIC) ist dagegen mensch Iichen Rechts; der Papst gilt kraft göttlich er Weisung als der Nachfolger des heiligen Petrus (c.330 CIC), dass er die voll e und höchste Gewalt in der Kirche durch die Annahme der rechtmäßig erfolgten Wahl zusammen mit der Bischofsweihe erhält (c.332 CIC), ist aber durch menschliche Gesetzgebung bestimmt worden. Generell lässt sich Abgrenzung und Bezug von göttlichem und menschlichem Kirchenrecht so bestimmen, dass das göttliche Kirchenrecht das menschliche Kirchenrecht in dreifacher Hinsicht in Pflicht nimmt; es legitimiert, limitiert und normiert das menschliche Kirchenrecht. " Was die Legitimation anbetrifft, so wird hierdurch klar, dass das menschliche Kirchenrecht keinen prinzipiell anderen Existenzgrund hat als das göttliche Recht. Es geht
im Dienst des göttlichen Kirchenrechts
im Rahmen des göttlichen Rechtes veränderbar
Legitimation
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
Limitation
Normierung
aber seinem konkreten Inhalt nach nicht wie dieses aus direkter biblischer Weisung hervor, sondern ist eine indirekte Folge desselben. Das menschliche Kirchenrecht erfährt durch das göttliche Kirchenrecht seine Limitation, insofern es in diesem seine Grenze findet. Menschliches Kirch enrecht darf nie und nimmer zum göttlichen Kirchenrecht in Widerspruch treten und kann göttliches Recht ni cht aus den Angeln heben. Das menschliche Kirchenrecht wird durch das göttliche Kirchenrecht normiert, d.h. es ist seinem Inhalt nach nicht ein beliebiges Recht, sondern wird inhaltlich von dem ius divinum geprägt" ([13/ Bd. I] 36f.).
3. Partikularrecht als Dezentralisierung und Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips
in den und aus den vielen Teilkirchen
Gilt das allgemeinkirchliche (= gesamtkirchliche, universale) Recht in der ganzen (katholi schen) Kirche, so das Partikul arrecht (= Teilkirchenrecht) "nur" in einem bestimmten Bereich der (katholischen) Kirche, wie z. B. für bestimmte Personengruppen, Sachen oder Orte. ln der Unterscheidung zwischen allgemein- und partikularkirch Iiehern Recht spiegeln sich die theologische Überzeugung von der Einheit in der Vielfalt sowie die ekklesiologische Lehre wider, dass die eine Gesamtkirche in den und aus den vielen Teilkirchen besteht (c.3 68 CIC).
3 .1 Vielfalt partikularrechtlicher Q uellen
Diözesanbi schofund Bischofskonferenz
jeder Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Zuständigkeit all gemeinkirchliches oder partikularkirchliches Recht schaffen, wobei der Gesetzgeber für allgemeinkirchliche Gesetze auch partikulare Gesetze erlassen kann, ein Gesetzgeber für partikulare Gesetzgebung aber niemals allgemeinkirchliche Gesetze. Gesetzgeber für das Partikularrecht ist- neben der höchsten Autorität der Kirche - im Bereich der D iözese der Diözesanbischof (c.3 81 §1; c.391 §1 CIC). Typische Beispi ele für diözesanes Partikul arrecht sind die j ew eiligen diözesanen Statuten für den Priesterrat, den Diözesanpastoralrat und den Pfarrgemeinderat Der Bischofskonferenz kommt dagegen nur in sehr eingeschränktem M aße Gesetzgebungskompetenz für ihren Teilkirchenbereich zu, nämlich nur für jene Materien, die ihr explizit im CIC zugewiesen w erden (c.447; c.455 CIC), meist mit Formulierungen w ie: " nach M aßgabe der Vorschriften der Bischofskonferenz" (c.766 CIC), "nach den von der Bischofskonferenz erl assenen Normen" (c.85 1 n.l CIC) u.Ä. So hat die j eweilige Bischofskonferenz Normen zur Laienpredigt (c.766), zur Durchführung des Erwachsenenkatechumenats (c.851 n.l CIC), zur Beauftragung von Lektoren und Akol ythen (c.230 §1 CIC), zur Förderung der Ö kumene (c.755 §2 CIC), zum kirchlichen Ehesc hließungsritus (c.11 20 CIC) u. a. zu erl assen.
3.2 Bedeutung und Ausmaß Gegebenheiten vor Ort
Die Ermöglichung teilkirchlicher Regelungen dient der Dezentralisierung und ist Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips. Dementsprechend soll mit dem Pa rtikul arrecht den Gegebenheiten vor O rt Rechnung getragen werden. Dies
3. Partikularrecht als Dezentralisierung und Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips geschieht zum einen dadurch, dass universalkirchliche Normen an die konkreten Erfordernisse angepasst werden, indem sie konkretisiert, ergänzt oder in ihrer Flexibilität modifiziert werden; zum zweiten dadurch, dass eigene Normen erlassen werden für Bereiche, die im universalen Recht nicht geregelt sind. Nach dem Grundsatz, dass ein untergeordnetes Gesetz/Recht dem übergeordneten Recht nicht widersprechen darf, muss sich jedes Partikularrecht im Rahmen des universalkirchlichen Rechts bewegen, d. h. darf diesem nicht widersprechen, um gültig zu sein. Im CIC wird explizit normiert, dass im Falle einer Konkurrenz zwischen universal- und partikularrechtlicher Regelung einer Materie die partikularrechtliche Bestimmung Vorrang hat:
Konkurrenz zwischen universal- und partikularrechtlich er Regelung
... ein allgemeines Gesetz hebt aber nicht im geringsten partikulares oder besonders Recht auf, wenn nicht etwas anderes im Recht ausdrücklich vorgesehen ist" (c20 CIC)
Hiernach hebt also ein allgemeines Gesetz die Geltung eines bestehenden Partikulargesetzes nicht auf. "Sofern die allgemeine und die partikulare Normierung sich nicht widersprechen oder einander ergänzen, sind beide zu beobachten. So w eit sie ni cht vereinbar sind, gilt nur die partikulare Norm, wird das allgemeine Gesetz in deren Verpflichtungsbereich nicht wirksam" ([131]5, Rdn. 7). Vergleicht man den CIC und den CCEO nach dem Stellenwert partikularrechtlicher Regelungen, so zeigt sich, dass sich der CCEO hier wesentlich stärker als ein Rahmenrecht erweist, als ein Recht also, das viel ausgeprägter als der CIC die Konkretisierun g vieler Rechtsmateri en der untergeordn eten partikul aren Gesetzgebung überl ässt und sich nur auf die Regelung der Rechtsmaterien beschränkt, die für das gemeinsame Wohl aller Teilkirchen als notwendig erachtet werden ([8] 37). Dadurch kommt wesentlich augenfälliger die Lehre des II. Vatikanischen Konzils zum Ausdruck, wonach die eine katholische Kirc he nicht ein Zentrum darstellt, das lediglich der Praktikabilität w egen in verschi edene Teilkirchen als Verwaltungsbezi rke des Zentrums unterteilt ist, sondern vielmehr von ihrem innersten Wesen her eine Gemeinschaft vieler Teilkirchen mit dem Papst als sichtbarem Prinz ip und Fundament der Einheit (LG 23). Deshalb sollte dieser partikularrechtliche Grundzug des CCEO auch für den CIC prägend werden und zugleich mit einem zweiten Grundzug des CCEO verbunden werden, nämlich der Umkehrung der Verhältnisbestimmung zwischen allgemeinkirchlichem und partikul arkirchlichem Recht. "W ährend das lateinische Denken immer in der Tendenz steht, das gemeinsame Recht als vor- und höherran giges Zentralrecht zu verstehen, gilt für die orientalischen Kirc hen ihr gemeinsames Recht als das nachträglich verbindende" ([1 32 ] 200). Dieser Kon zeption des CCEO entsprechend sollte auch der CIC künftig nicht mehr wie bisher von einem einheitlichen Recht ausgehen, das lediglich durch das Partikularrecht der Diözesen ergänzt, spezifiziert oder entfaltet werden kann, so ndern sollte genauso wie der CCEO die umgekehrte Blickrichtung einnehmen, w onach die einzelnen Kirchen mit ihrem spezifischen Rechtserbe im Mittelpunkt stehen, w ährend das allgemeine Recht die rechtli chen Gemeinsamkeiten der verschiedenen eigenberechtigten Kirchen zu einem Gesetzbuch zusammenfasst.
nur die partikulare Norm
CCEO ist mehr Rahmenrecht als CIC
partikularrechtlich er Grundzug des CCEO alsVorbild für CIC
umgekehrte Blickrichtung
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
4. Die gesetzwidrige Gewohnheit als kirchliche Rechtsquelle ständige, dauerhafte Übung
gesetzmäßig
außergesetzlich
gesetzwidrig
negatives Gesetzgebungsrecht
Unter Gewohnheit wird in der Rechtssprache eine ständige, dauerhafte Übung der Gemeinschaft verstanden . Wird im weltlichen Recht zwischen der gesetzmäßigen und der außergesetzlichen Gewohnheit differenziert, gibt es speziell im kirchlichen Recht noch eine weitere Form der Gewohnheit: die gesetzwidrige bzw. widergesetzliche Gewohnheit. - Die gesetzmäßige Gewohnheit stimmt mit dem bestehenden Gesetz bzw. Gesetzeswerk überein und ist somit ein Indiz dafür, dass ein erlassenes Gesetz(eswerk) von der Rechtsgemeinschaft angenommen worden ist, also nicht nur rechtsgültig erlassen, sondern auch rechtswirksam ist. - Die außergesetzliche Gewohnheit ergänzt das Gesetzesrecht bzw. regelt Sachverhalte, die das Gesetzesrecht nicht erfasst (hat). Paradebeispiel einer außergesetzlichen Gewohnheit ist die Einführung der heute so selbstverständlichen Handkommunion. Diese Praxis wird im kirchlichen Gesetzbuch weder geboten noch verboten noch überhaupt erwähnt. Der CIC enthält keinerlei Vorschriften über die Form des Kommunionempfanges. - Die gesetzwidrige Gewohnheit ist das Gegenstück zur gesetzmäßigen Gewohnheit. Sie stimmt nicht mit dem bestehenden Gesetz(eswerk) überein und gilt als Erweis dafür, dass ein erlassenes Gesetz(eswerk) von der Rechtsgemeinschaft nicht rezipiert worden ist. Bei einer gesetzwidrigen Gewohnheit ist zwar ein Gesetz(eswerk) rechtsgültig erlassen, entfaltet aber keine Rechtswirksamkeit Eine gesetzwidrige Gewohnheit kann unter bestimmten Voraussetzungen wie insbesondere der Vernünftigkeit und Dauerhafti gkeit ein geltendes Gesetz außer Kraft setzen. Daher wird sie bisweil en auch als eine Art "negatives Gesetzgebungsrecht" der Gemeinschaft gegenüber dem kirchlichen Gesetzgeber und seinen erlassenen Gesetzen bezeichnet ([73] 322 unter Bezug auf [135] 237).
4. 7 Rechtsbildende Kraft
gleichberechtigte Rechtsquelle
Da die gesetzwidrige Gewohnheit zur Aufhebung eines Gesetzes führen kann, kommt ihr eine rechtsbildende Kraft zu. Deshalb gilt die Gewohnheit in der katholischen Kirche als eine Quelle des kirchlichen Rechts, die gleichberechtigt neben der Rechtsquelle des Gesetzesrechtes steht. Im CIC/1983 finden sich zahlreiche Verweise auf gewohnheitsrechtliche Normen (vgl. z.B. c.38; c.284; c.289 §2; c.438; c.1062 §1; c.1119; c.1276 §2 CIC); siebelegen, dass die Gewohnheit nicht nur in der Rechtstheorie, sondern auch in der Rechtspraxis eine gleichberechtigte Rechtsquell e neben der Gesetzgebung ist. All erdings muss j ede Gewohnheit, die neues Recht schafft, vom Gesetzgeber " genehmigt" (approbiert) sein, wie in c.23 CIC explizit hervorgehoben wird: "Nur die durch eine Gemeinschaft von Gläubigen eingeführte Gewohnheit, die vom Gesetzgeber genehmigt worden ist, hat die Kraft eines Gesetzes, nach Maßgabe der folgenden Canones."
stillschweigende oder explizite Genehmigung
Die hier geforderte Genehmigung kann stillschweigend geschehen oder explizit erfolgen. ln dieser Tatsache, dass Gewohnheitsrecht geltendes Recht abschaffen kann, kommt zum Ausdruck, "dass alle Gläubigen durch den
4. Die gesetzwidrige Gewohnheit als kirch liche Rechtsquelle Heiligen Geist mit dem Glaubenssinn begabt sind, der sie befähigt, die anvertraute Offenbarung immer tiefer zu erkennen und im Leben zu vollziehen" ([136] 2, Rdn . 5). Letztlich kann in der der Gewohnheit zugesprochenen rechtsbildenden Kraft der Wille des kirchlichen Gesetzgebers gesehen werden, "dem Leben der kirchlichen Gemeinschaft den Vorzug vor formal en Werten wie dem der Rechtssicherheit zu geben " ([73] 330). 4.2 Voraussetzungen fürdieEntstehung
Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht sind in c.24 CIC normiert: ., § 1. Keine Gewohnheit kann die Kraft eines Gesetzes erlangen, die dem göttlichen Recht zuwiderläuft. §2. Eine widergesetzliche oder außergesetzliche Gewohnheit kann die Kraft eines Gesetzes nur erlangen, wenn sie vernünftig ist; eine Gewohnheit aber, die im Recht ausdrücklich verworfen wird, ist nicht vernünftig."
Gegen göttliches Recht kann also keine Gewohnheit entstehen. Darüber hinaus wird speziell für die widergesetzliche oder außergesetzliche Gewohnheit verlangt, dass sie " vernünftig" sein muss; als "unvernünftig" gilt sie, wenn sie im Recht ausdrücklich verworfen wird (c.24 §2 CIC). Damit ist das Kriterium der "(Un-)Vernünftigkeit" nicht inhaltlich, sondern rein formal bestimmt ([133] 472f.). Schließlich muss die Gemeinschaft, die eine Gewohnheit einführt, w enigstens passiv gesetzfähig sein (c.25 CIC). Es muss sich also um eine Gemeinschaft handeln, die so dauerh aft und groß ist, dass für sie Gesetze erl assen w erden können. Ferner muss diese Gemeinschaft die Gewohnheit mit der Absicht üben, Recht einzuführen (c.25 CIC). Dabei sind bestimmte Fristen zu beachten: - für die gesetzwidrige und außergesetzlic he Gewohnheit: eine Zeit von 30 Jahren ununterbrochen hindurch (c.26 CIC). W enn diese Frist gegeben ist, spricht man von einem Rechtsbegründungswillen, der mit dieser Gew ohnheitsübung zum Ausdruck kommt. Dieser Rechtsbegründun gswille kann auch gegeben sein, ohne dass die Gemeinschaft w eiß, dass ihre Gepflogenheit geltendem Recht widerspricht, und unabhängig davon, ob sie gutoder bösgläubig an ihrer Übung festhält ([137] 4, Rdn. 10). - gegen ein Gesetz, das die Bildung einer Gewohnheit verbietet, kann nur eine hundertjährige oder unvordenkliche Gewohnheit Geltung erlangen.
Kriterium der (Un-)Vernünfti gkeit
W erden diese Fristen nicht eingehalten, muss der zuständige Gesetzgeber expli z it zustimmen (c.26 CIC). "Es mag oft schwer sein festzustellen, ob alle Voraussetzungen für das Entstehen und Weiterbestehen einer Gewohnheit erfüllt sind. Das rechtfertigt aber nicht ein Schattendasein der Gewohnheit im kirchlichen Rechtsleben. Vielmehr sollten manche Verhaltensweisen [und pastorale Institutionen] positiv daraufhin überprüft w erden, ob sie vielleicht [nach can. 5] rechtmäßig fortbestehende oder sich neu bildende Gewohnheiten darstellen. Trifft dies zu, können sie nicht mehr als rechtlicher Wildwuchs abqualifiziert werden" ([19] 53).
expli zite Zustimmung bei fehlenden Fri sten
Ohne gesetzwidrige Gewohnheit w äre es z. 8. nic ht zur Einführung der Muttersprache in die Liturgie gekommen. Ebenso hat der Ungehorsam gegenüber dem kirchlichen Verbot, eine bekenntnisverschiedene Ehe einzugehen,
Fristen
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72 II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze Beispiele: Muttersprache in der Liturgie, bekenntnisverschiedene Ehe, Laienpredigt, Ministrantinnen
zu einer neuen und positiven Bewertung der bekenntnisverschiedenen Ehe beigetragen, und zwar sowohl im theologischen wie rechtlichen Sinn. Auch die Übertragung der Predigt an Laien war zunächst als eine gesetzwidrige Gewohnheit praktiziert worden, wie schließlich auch die Heranziehung von Mädchen zum Ministrantendienst Zur Vermeidung von Missverständnissen ist allerdings hervorzuheben, dass der Gesetzgeber mit derMöglichkeit einer gesetzwidrigen Gewohnheit nicht den Ungehorsam, sondern die Vernünftigkeit der Übung belohnen will ([19] 51).
4.3 Korrektiv gegen Vereinheitlichung
Beziehungsverhältnis von Gesetz und Gewohnheit
ungeschriebenes Recht
Insgesamt gesehen stellt die Einrichtung des Gewohnheitsrechtes "ein Korrektiv dar gegenüber zu starken Vereinheitli chungstendenzen. Der kirchliche Gesetzgeber muss ja immer angesichts des territorial unbegrenzten Gesetzgebungsbereichs einen Ausgleich finden zwischen dem Erfordernis der Rechtsvereinheitlichung (Einheit der Kirche) einerseits und der örtlichen und sachlichen Angemessenheit andererseits" ([19] 50). Das Bez iehungsverhältnis von Gesetz und Gewohnheit kann wie folgt charakterisiert w erden: "Gesetzgebung und Gewohnheit tragen .. . die für die Kirchenverfassung eigentümlichen Züge des aktiven Zusammenwirkens des ganzen Gottesvolkes an sich. Während in der Gesetzgebung die Recht schaffende Initiative vorwiegend beim Gesetzgeber liegt, erfließt das Gewohnheitsrecht aus der Initiative der die Gewohnheit tragenden Gemeinschaft. Während das Gesetz seine Lebenskraft nur entfalten kann, wenn es und wo es in der Gemeinschaft aufgenommen wird, kann die in der Gemeinschaft geübte Gewohnheit nur zu Recht erstarken, wo die Zustimmung des Gesetzgebers hinzutritt" ([1 00] 94). D er wechselseitige Bezug von Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht kommt in der Bezeichnung des Gewohnheitsrechtes als "ungeschriebenes" oder "nicht-gesatztes" Recht in Abgrenzung zum Gesetzesrecht als "geschriebenem" und "gesatztem" Recht zum Ausdruck ([136] 1, Rdn.1 ).
5. Dispens, kanonische Billigkeit und Epikie als elastische Rechtsprinzipien Gleichbehandlung
mehr schaden als nutzen
Rechtsvorschriften müssen so abgefasst sein und angewendet werden, dass die Gleichbehandlung gleichliegender Fälle garantiert ist im Gegensatz zur beliebigen und willkürlichen Behandlung gleichliegender Fälle. Gleichheit beinhaltet zugleich die N otw endigkeit, individuelle Aspekte außer Acht zu lassen. Deshalb ist jede Rechtsvorschrift und jedes Gesetz abstrakt und allgemeingü ltig formuliert. Das ist die Stärke einer j eden Rechtsvorsc hrift, aber zugleich auch ihre Schwäche, ihre Grenze. Denn so notwendig und sinnvoll solche abstrakten und allgemein gültigen Rechtsvorschriften sind, um typische Handlungskonstellationen zu regeln, so gibt es aber auch immer wieder Situationen, in denen die strikte Anwendun g einer solchen Rechtsvorschrift mehr schaden als nutzen kann. Mehr noch: Es können sogar Situationen eintreten, in denen das Übertreten einer Rechtsvorschrift sowohl dem/der Einzelnen als auch der Gemeinschaft mehr dient als deren Befolgen. So nutzt z. B. im Straßenverkehr das Überfahren einer Sperrlinie dann mehr als deren Einhaltung, wenn dadurch ein Menschenleben gerettet wird. Diese Erkenntnis, dass es immer wieder Umstände im Leben geben kann, die vom Recht
5. Dispens, kanonische Billigkeit und Epikie als elastische Rechtsprin zipien
nicht oder zumindest nicht hinreichend erfasst werden können, hat dazu geführt, Rechtsprinzipien zu entwickeln, die eine gewisse Elastizität bzw. dynamische Anpassung des Rechts an die konkreten Verhältnisse der/des Einzelnen ermöglichen. Das Recht der katholischen Kirche kennt hierfür vor allem drei Prinzipien: Dispens, kanonische Billigkeit und Epikie.
dynamische Anpassung des Rechts
5.1 Dispens Vom lateinischen Verb pendere (=abwägen) abgeleitet, gründet das Rechtsinstitut der Dispens auf der Vorstellung einer Waage, wohl der Waage der Göttin Justitia(= Gerechtigkeit), die für den Menschen das Schicksal abwägt. Im geltenden Gesetzbuch der katholischen Kirche gibt es einen eigenen Abschnitt über die Dispens, der die cc.85-93 CIC umfasst. Hiernach beinhaltet das Prinzip der Dispens, dass die zuständige kirchliche Autorität (= in der Regel der Diözesanbischof, in Ausnahmefällen der Papst bzw. der Apostolische Stuhl) für eine spezifische Einzelperson die Verpflichtungskraft eines kirchlichen Gesetzes (nicht: das Gesetz selbst) aufheben kann. Damit aber die Dispens nicht zu willkürlichen Bevorzugungen führt, darf sie nur erteilt werden, wenn sie für das geistliche Wohl der betroffenen Person notwendig oder förderli ch erscheint bzw. w enn das Einhalten eines bestimmten Gesetzes dieser Person Unrecht, Schaden oder einen schweren Nachteil zufügen würde. Am häufigsten kommt die Dispens im Bereich des Eherechts vor: z. B. die Dispens vom Ehehindernis des fehlenden Mindestalters für eine kirchliche Eheschließung (c.1 083 CIC), der Religionsverschiedenheit (c.1 086 CIC) oder der Blutsverwa ndtschaft ab dem dritten Grad der Seiten I inie (c.1 090 CIC).
Verpflichtungskraft eines kirchlichen Gesetzes aufheben
im Eherecht häufig
5.2 Kanonische Billigkeit Im Gegensatz zur Dispens gibt es im CIC keinen eigenen Abschnitt über die kanonische Billigkeit (lat.: aequitas canonica). Sie wird darin nur an verschiedenen Stellen eingefordert, aber nicht erläutert (cc.19; 122; 221 §2; 271 §3; 686 §3; 702 §2; 1148 §3; 1446 §2; 1752 CIC). Mit billig wird in der Rechtssprache das umschrieben, 11 Was rechtlich als angemessen erachtet wird, ohne dass es durch Gesetz gedeckt ist" ([140] 358f.). Kanonische Billigkeit ist dann gegeben, wenn bei der Rechtsanwendung nicht nur auf die Gesetzmäßigkeit geachtet wird, sondern zugleich auch die örtlichen, zeitlichen und persönlichen Umstände der und des Einzelnen berücksichtigt w erden, um dadurch gegenüber dem Buchstaben des Gesetzes eine höhere Gerechtigkeit zu verwirklichen. Geistesgeschichtlich ist die aequitas als " M aß- und darum auch Rechtsgleichheit" ([73 ] 291) im römischen Recht beheimatet und wird durch christlichen Einfluss allmählich mit dem Gedanken der Barmherzigkeit und Nächstenliebe verbunden. So wurde aus der aequitas Romana die aequitas canonica, die nicht nur wie die aequitas Romana " auf positivrechtliche Normen, sondern auch auf übern atürliche Prinzipien, nämlich die Gebote Gottes und die Forderungen des Evangeliums, angewendet" ([73] 291) wird. Die Barmherzigkeit gilt als passendes Instrument, 11d ie Härte des kirchlichen Gesetzes dort zu mildern, wo dessen strenge Durchführung eine Gefährdung des Seelenheiles bedeuten würde" ([140] 359). Die kanonische Billigkeit wägt bei der Entscheidungsfindung zwischen der Gesetzesstrenge und der Barmherzi gkeit ab. Ziel der ka-
örtliche, zeitliche und persönliche Umstände
Abwägen zwischen Gesetzesstrenge und Barmherzi gkeit
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
Generalklauseln Ermessensspielräume
Rechtsfolgen
Mittel der barmherzigen Anwendung des Rechts
Weiterdenken
nonischen Billigkeit ist es, die Rechtsvorschriften sinnvoll zu ergänzen, nicht sich von ihnen zu befreien ([73] 316), Recht und Gesetz nicht aufzuheben, sondern durch den Geist der Gerechtigkeit zu ihrer Erfüllung zu bringen ganz so, wie es Jesus geboten hat (vgl. Mt 5,17; 15,4-9; [13/ Bd. I] 188). Klassische Anwendungsfälle für die kanonische Billigkeit sind dann gegeben, wenn Gesetzestexte sog. Generalklauseln enthalten, wie z. B. dass das Seelenheil zu wahren ist (c.1752 CIC) oder eine schwere Notlage gegeben sein muss (c.844 §4 CIC). 11Ziel der Generalklausel ist es, Ermessensspielräume in der Rechtsanwendung zu ermöglichen, welche es erlauben, die Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ohne dass sich das Gesetz in zu viele Detailnormen verlieren muss. Um jedoch bei der Anwendung des Gesetzes Beliebigkeil, Unklarheit, Willkür und Mangel an Rechtssicherheit zu verhindern, ist die Generalklausel immer im Sinne der W erte auszulegen, auf die hin der Gesetzgeber orientieren will" ([61] 3 72). Die kanonische Billigkeit richtet ihren Blick ausschließlich auf die Rechtsfolgen, die sie nach dem Kriterium der Billigkeit zu beurteilen hat; die Auslegung einer Norm und/oder die Feststellung, ob ein bestimmter Sachverhalt objektiv vorliegt und damit einen (straf-)rechtlichen Tatbestand erfüllt oder nicht, gehört dagegen nicht in den Bereich der kanonischen Billigkeit, sondern muss im Bereich der streng nachprüfbaren Kriterien verbleiben ([73] 308f.). Es geht also bei der kanonischen Billigkeit ausschließlich um "die Beurteilung der Rechtsfolgen und der Frage, ob eine Vorschrift dem Recht gemäß auch angewendet werden soll" ([73] 308). Durch die Einbeziehung der Billigkeit in den Prozess der Rechtsfindung wird das geschriebene Recht nicht verwässert, sondern bereichert " durch das klare Bekenntnis zu einem Vorrang der Gerechtigkeit gegenüber dem reinen Rechtspositivismus" ([73 ] 316). Somit kann die kanonische Billigkeit auch "als ein Mittel der barmherzigen Anwendung des Rechts" ([73] 317) bezeichnet werden. Bemerkenswerterweise wird in c.221 §2 CIC als Grundrecht jedes Gläubigen festgehalten, dass alle Gerichtsurteile in der katholischen Kirche nicht nur nach Recht (im Sinne von 11 Gesetz"), sondern auch nach Billigkeit gefällt werden müssen. Der Gedanke der Billigkeit wird auch für das staatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland angewendet. "Konkret begegnet die Billigkeit vor allem im Rahmen des richterlichen Ermessensspielraums. Außerdem hält der Gedanke der Billigkeit durch die Formulierung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen wie etwa ,billig und gerecht' auch Einzug in die Rechtsauslegung auf der Tatbestandsseite" ([73]297).
5.3 Epikie
Tugend der Gewissensselbstständigkeit
Aus der griechischen Philosophie übernommen bedeutet Epikie wört lich: "das Gleichende, Wahrscheinliche, Gebührende" ([73] 309). Epikie ist die Überzeugung, dass nach einer Situations- und sachgerechten Beurteilung ein vom W ortl aut her kl ar zutreffendes Gesetz in einem konkreten Fall dennoch nicht greift, w eil der Gesetzgeber diesen spezifischen Fall mit diesem Gesetz nicht verpflichten wollte. Daher gilt die Epikie auch als Tugend der Gewissensselbstständigkeit und damit als primär moralisches Prinz ip. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Begriff der Epikie im CIC nicht vor-
5. Dispens, kanonische Billigkeit und Epikie als elastische Rechtsprin zipien kommt. Dennoch spielt die Epikie seit eh und je auch in der Rechtsanwendung eine große Rolle. Das ist dann der Fall, wenn bei der Epikie eine Gesetzesvorschrift nicht nur nach rein moralischen Gründen, sondern auch nach dem kanonischen Gesetzeszweck beurteiltwird ([73]312f.).ln diesem Fall lautet dann der Gedankengang, der bei der Anwendung der Epikie gilt: Wenn der Gesetzgeber alle Umstände des konkreten Falles gekannt hätte, hätte er ihn von der konkreten Gesetzesverpflichtung ausgenommen. Insofern kann die Epikie auch als die "Korrektur eines Gesetzes" verstanden werden. Um hierbei der Gefahr zu entgehen, "dass aus der Tugend der Epikie ein dem Gesetz spottendes Laster wird" ([13/Bd. I] 176), darf diese Korrektur nicht nach irgendwelchen Kriterien, sondern muss nach denen des Gesetzgebers erfolgen, d. h. das Gesetz wird in der konkreten Situation so verbessert, wie es der Gesetzgeber getan hätte, wenn er selbst anwesend gewesen wäre. Deshalb muss die Korrektur, die sich konkret als Gesetzesverstoß auswirkt, rational nachvollziehbare Kriterien aufweisen. Zielpunkt der Epikie ist also nicht ein Handeln gegen Recht und Gesetz, sondern ein Handeln nach bestem Wissen und Gewissen, über die konkrete Rechtsvorschrift hinaus (siehe dazu [177] 267-283). Durch die Anerkennung der Epikie als Rechtsprinzip sind die einzelnen Gläubigen als Rechtsad ressaten )n den Prozess der Rechtw erdung und -anwendung in der Kirche" miteinbezogen; ihnen wird "eine eigene Kompetenz in der Auslegung und Bewertung der Rechtsvorschriften" zugebilligt, "die ihrerseits natürlich der Nachprüfbarkeit durch die zuständigen Instanzen unter I iegt" ([73] 318).
I
Epikie und kanonische Billigkeit werden oft verwechselt bzw gleichgesetzt- wohl deshalb, weil aequitas vom ursprünglichen Wortsinn her die lateinische Übersetzung des griechischen Begriffs der epikeia ist ([73]314).
Korrektur eines Gesetzes
rational nachvollziehbare Kriterien
Weiterdenken
5.4 Bezug und Abgrenzung Die Gemeinsamkeit aller drei Rechtsprinzipien besteht darin, dass alle ein und dasselbe Ziel verfolgen: nicht nur nach dem Buchstaben, sondern nach dem tieferen Sinn des Gesetzes zu handeln, um dadurch dem einzelnen M enschen in seiner konkreten Lebenssituation des Alltags gerecht zu w erden. Ihr Z ielpunkt ist also nicht die Gesetzesauslegung, sondern die Gesetzesanwendung, nicht die theoretische Auseinandersetzung mit einer Gesetzesnorm, sondern deren Überführung in das konkrete Handeln. Dazu bedarf es w esentlich des Moments der Entscheidung, deren Bezugspunkt nicht wie bei der Auslegung das Rechtssystem, sondern der konkrete Fall ist. D er bzw. die "Rechtsanwendende hat das abstrakte Recht zu konkretisieren, d. h. einem notw endig allgemeinen Rechtssatz dadurch Bestimmtheit zu verlei hen, dass dieser mit M erkmalen von außen, also nicht aus seinem eigenen Inhalt, aufgefüllt wird. Dazu sind Überlegungen und Urteile erforderlich, die sich aus dem Ermessen von Sinnzusammenhängen und dem Verständnis für W erte und Erfahrungen ergeben sowie die Konsequenzen der Entscheidung bedenken. Diese steht in der Kirche immer im Dienste des Glaubens und ist immer an Auftrag und Sendung der Kirche gebunden" ([140] 366). Sie unterscheiden sich darin, dass sie sich jeweils an einen anderen Personenkreis wenden: Die Dispens bezieht sich auf das Z usammenwirken eines geweihten Amtsträgers und eines einzelnen Gläubigen, während sich die kanonische Billigkeit an den/die Amtsträgerln wendet, der/die in der Rechtsanw endung das für die Einzelne bzw. den Einzelnen Angemessene finden
Gerechtigkeit im Alltag
abstraktes Recht konkretisieren
unterschied! iche Adressaten
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze muss. Die Epikierichtet sich schließlich an die einzelnen Gläubigen und fordert dazu auf, eigenständig die Entscheidung zu treffen, inwieweit das konkrete Gesetz für sie oder ihn gilt.
5.5 Nachprüfbarkeit alsSchutzvorMissbrauch
nachprüfbare Voraussetzungen und Kriterien
Ohne die elastischen Rechtsprinzipien " wäre das Kirchenrecht nicht dazu in der Lage, sein Ziel der Förderung des Gemeinwohls und der Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrages zu erreichen" ([73] 316) . Um andererseits aber zu vermeiden, dass die elastischen Rechtsprinzipien rein subjektiv, beliebig und willkürlich angewendet werden, ist deren Inanspruchnahme an nachprüfbare Voraussetzungen und Kriterien gebunden. Andernfalls könnten sie zu leicht als Instrumente missbraucht w erden, um unter dem Scheinargument der (göttlichen) Gerechtigkeit bzw. Barmherzigkeit zwar unangenehme, aber durchaus gerecht(fertigt)e, Gesetzesverpflichtungen für sich selbst oder für bestimmte Personen außer Kraft zu setzen. Daher kann auch die Nachfrage nach der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung bzw. Handlung nicht einfach mit dem plakativen Hinweis beantwortet werden, dass die (göttliche) Gerechtigkeit, Liebe, Gnade oder Barmherzigkeit das Außerachtlassen oder Übertreten einer oder mehrerer Gesetzesbestimmungen notw endig gemacht habe ([73] 316). Auch die Rechtmäßigkeit im Sinne der (göttlichen) Gerechtigkeit verlangt erstens nachprüfbare Details und zweitens solche nachprüfbaren Details eines Falles, "die auch in ähnlich gelagerten Sachverhalten auftreten und auch dort die recht I iche Entscheidung beeinflussen könnten, die also ,generalisierbar' sind. Nur aufgrund dieser Generalisierbarkeit ist es möglich, allgemeine Prinzipien zum Schutz und zur Verwirklichung der Einzelfall gerechtigkeit zu entwickeln und deren Anwendbarkeit ebenfalls an rechtlich relevanten Voraussetzungen und Merkmalen auszurichten" ([73] 129 unter Bezug auf [135] 235).
6. Das Hei I derSeelenalsoberstesGesetz Eine Kirche, die sich als Sakrament des H eils für die W elt, als Zeichen und Werkzeug der Liebe und Barmherzigkeit Gottes versteht- wie es die kathol isehe Kirche tut und pointiert auf dem II. Vatikanischen Konzil in der Kirchenkonstitution Lumengentium(1; 9; 48; 59) zum Ausdruck gebracht hat benötigt zur Umsetzung ihres Anspruchs auch ein Rechtsverständnis, eine Rechtsordnung und eine Rechtsanwendung, die diesen Heilsdienst der Kirche unterstützen, garantieren und in geordn eten Bahnen len ken . Auf diesem Hintergrund gewinnen die Schlussworte des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 paradigmatische Bedeutung: ... und das Heil der Seelen vor Augen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss" (c.1752 CIC)
Weiterdenken
I
Peter Erdo we1st darauf hin, dass d1e Aussage uber das He1l der Seelen als oberstes Gesetz in der K1rche e1ne Abwandlung des spatrömischen Grundsatzes ist: "Das Hell des Volkes muss oberstes Gesetz se1n" (salus popul1 suprema Iex esto) Er ist von CIcero 1n se111em Werk "Uber die Gesetze" (lat De leg1bus 3,3,8} uberl1efert W1e das Hell des Volkes " hochster Grundsatz des offentliehen Rechts der spatrom1schen Re-
6. Das Heil der Seelen als oberstes Gesetz publik" war, so ist das Heil der Seelen " das höchste und für die Kirche spezifische Gemeinwohl" ([143]286f.) Von dem Schlussakkord in c.1752 abgesehen wird dasHeilderSeelen an fünf weiteren Stellen im CIC/1983 explizit genannt (cc. 747 §2; 978; 1152 §2; 1736 §2; 1737 §3). Im Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen kommt dagegen der Ausdruck Heil der Seelennicht vor, auch nicht in c.1400 CCEO, der die Parallelbestimmung zu c.1752 darstellt ([143]288)
Abwandlung des spätrömischen Grundsatzes
Der CIC/1917 hat ähnlich und doch ganz anders geendet, nämlich mit den Buchstaben: A. M. D . G. (= Ad Maiorem Dei Gloriam - Zur größeren Ehre Gottes). Damit war die Zielsetzung allen Rechts in der Kirche zusammengefasst: die größere Ehre Gottes, der die M enschen zu dienen haben ([145] 1).
6. 1 Recht und Gesetz in Dienstfunktion Beide gesetzlichen Schlussakkorde passen gut zusammen und können miteinander verbunden werden: Recht und Gesetz in der Kirche gereichen zur größeren Ehre Gottes, wenn bei ihrer Normierung, Interpretation und konkreten Anwendung stets das Heil der Seelen vor Augen steht, das in der Ki rche das oberste Gesetz ist. ln dieser Sichtweise si nd zw ei w esentliche Aspekte enthalten, die sich gegenseitig bedingen: - Recht und Gesetz in der Kirche stehen- idealiter- nicht in Widerspruch zum Heil der Seelen, sondern vielmehr in dessen Dienst. Recht und Gesetz in der Kirche bilden die Grundlage des Heils der Seelen, dürfen deshalb aber nicht zu dessen Grenze w erden. D enn das H eil der Seelen steht über Recht und Gesetz, nic ht unter ihnen, w eil die Erfüllung des H eil s der Seelen die Barmherzigkeit ist, die sich an Recht und Gesetz orient iert, diese aber auch übersteigt ([1 46] 306). D as heißt, dass das Heil der Seelen weder ausschließlich durch Barmherzigkeit, also gänzlich ohne Recht und Gesetz, noch umgekehrt gänzlich ohne Barmherzigkeit, also allein mit Recht und Gesetz, verwirklicht w erden kann, sondern nur im Zusammenspiel beider. - D as Heil der Seelen ist nicht nur ein Ziel von Recht und Gesetz in der Kirche, sondern deren eigentliches Z iel. Recht und Gesetz in der Kirche haben nicht nur der diesseits-irdischen, sondern auch der jenseits-himmlischen Friedens- und Freiheitsordnung der Menschen zu dienen. Deshalb haben sie die Menschen nicht nur als Freiheitswesen im Blick, sondern auch als reli giöse W esen, und sind w eniger auf das körperlich-geistige als auf das geistliche W ohl der M enschen ausgerichtet. Das Letztkriterium für die Geltung und Inanspruchnahme vo n Recht und Gesetz in der Kirche ist somit nicht die innerweltliche, sondern die überweltliche Ordnung, w eshalb im Zw eifelsfall die überweltliche O rdnung Vorrang hat vor der innerweltlichen und Recht und Gesetz so zu interpretieren und auszulegen sind, dass dem Heil der Seelen der Vorrang zukommt.
Grundlage, aber nicht Grenze des Hei ls der Seelen
Nicht nur ein, sondern das Ziel
6.2 Gemeinschaftsperspektive unter Beachtung des/der Einzelnen Z ur Vermeidung von Missverständnissen ist expliz it darauf hinzuweisen, dass hier vom "Heil der Seelen" im Plural die Rede ist, nicht vom " H eil der Seele" im Singular. Somit kann das Seelenheil des/der Einzelnen nicht über das Seelenheil der Gemeinschaft gestellt w erden . Umgekehrt kann aber ebenfalls formuliert werden, dass ein Seelenheil der Gemeinschaft unter
Plural
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
keine isolierte Grundsatznorm
Nichtbeachtung des Seelenheiles des/ der Einzelnen einen Widerspruch darstellt. Beide Aspekte gehören zusammen. "Daher dürfen Heil der Gläubigen und Heil des Einzelnen nicht nach numerischen Erwägungen gegeneinander ausgespielt werden, sondern das Spannungsverhältnis von Einzelnem und Gemeinschaft muss je neu nach Situation unter dem Primat der Heilszuwendung zunächst ausgehalten, dann abgewogen und schließlich einer Rechtsentscheidung zugefügt werden" ([146] 318). Das Hei I der Seelen als oberstes Gesetz in der Kirche und damit als Richtschnur allen kirchlichen Handeins wie auch "Prüfstein allen kirchlichen Rechtes" ([145] 1) schließt also das Heil des/der Einzelnen und das Heil der unmittelbar betroffenen Gemeinschaft wie auch des Gottesvolkes insgesamt ein. Vielleicht war das ein oder sogar der entscheidende Grund dafür, dass der kirchliche Gesetzgeber die Maxime kirchlichen Rechts nicht als eine isolierte Grundsatznorm formuliert, sondern sie in ein konkretes rechtliches Verfahren eingebunden hat, nämlich in die Versetzung von Pfarrern gegen deren Willen (cc.1748-1752 CIC): "Bei Versetzungssachen sind die Vorschriften des can. 1747 anzuwenden, unter Wahrung der kanonischen Billigkeit und das Heil der Seelen vor Augen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss" (c.1 752). Hier wird deutlich ins Bewusstsein gehoben, dass bei der rechtlichen Entscheidung nicht nur das Seelenheil des betroffenen Pfarrers oder das derbetroffenen Gemeinschaft der Pfarrei zu berücksichtigen ist, sondern das Heil der Seelen beider, aber ebenso auch das der künftigen Pfarrei, in die der Pfarrer versetzt werden soll, wie auch das des (übergeordneten) diözesanen Gottesvolkes und der Kirche insgesamt.
6.3 Prinzip der Rechtsanwendung
übergesetzliche Rechtsinstitute
zurwahren Gerechtigkeit hin korrigieren
Dieses konkrete Beispiel der Versetzung von Pfarrern gegen ihren Willen zeigt aber auch noch ein zweites wichtiges M oment auf: Für die Berufung auf das Seelenheil genügt es nicht, gesetzeskonforme Entscheidungen zu treffen. Die unterschiedlichen Interessen und Umstände, die unter dem Aspekt des Heils der Seelen zu beachten sind, können nur berücksichtigt und miteinander abgewogen werden, wenn zur Beachtung des Gesetzes weitere übergesetzliche Rechtsinstitute gelten und angewendet werden wie z. B. die kanonische Billigkeit - die in diesem Zusammenhang der Versetzung von Pfarrern gegen ihren Willen vom Gesetzgeber selbst schon genannt ist-, die Dispens und die Epikie. Je nachdem, ob sich unter Einbeziehung dieser Rechtsinstitute die Anwendung eines Gesetzes als bester Beitrag zum H eil der Seelen erweist oder nicht, ist es zu befolgen oder (teilweise) nicht zu befolgen. Denn jedes Gesetz soll dem Heil der Christinnen in der Kirche und in der Welt dienen, und nur insoweit es dazu beiträgt, soll es beachtet, ausgelegt und angewendet werden. Daher ist primär nicht der Buchstabe des Gesetzes verpflichtend, sondern die dahinter stehende theologische W ahrheit der göttlichen Liebe und seines Erbarmens. Sie berechtigen und verpfli chten dazu, bei Bedarf ein Gesetz zur wahren Gerechtigkeit hin zu korri gieren ([134] 41; 47; 51). Das Heil der Seelen ist somit "vor allem ein Prinzip der Rechtsapplikation, das jedoch, um den Anspruch der Heilszuwendung rechtlich umzusetzen, weiterer Rechtsinstitute bedarf" ([146] 319), und hier vor
7. Von der Gesetzesnorm zur theologisch rückgebundenen Rechtsanwendung
allem der kanonischen Billigkeit. Zugespitzt formuliert kann sogar gesagt werden: Wenn immer das Heil der Seelen oberstes Gesetz der Kirche sein muss, dann muss auch immer die kanonische Billigkeit den Prozess der kirchlichen Rechtsanwendung bestimmen und gestalten ([146]420).
7. Von der Gesetzesnorm zur theologisch rückgebundenen Rechtsanwendung Eine Hauptgefahr, die jeder Rechtsordnung droht, ist die Gleichsetzung von Recht und Gesetz. Doch zum Recht gehört mehr als nur das Gesetz; "Gesetze [sind] nicht das Recht schlechthin ..., sondern seine vornehmliehe Erkenntnisquelle" ([92] 306). Demzufolge kann und darf rechtliches Denken und Handeln auch nicht nur auf eine Buchstabengerechtigkeit und einen Gesetzesgehorsam reduziert werden; rechtliches Denken und Handeln verlangt vielmehr, nicht nur auf den Wortlaut eines Gesetzes zu achten, sondern mit Hilfe übergeordneter Rechtsprinzipien wie der (höheren) Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit sowie Zweckmäßigkeit als deren Teilaspekte den Sinn des Gesetzes auf die konkrete Situation anzuwenden. Im Grunde genommen ist diese Verkürzung von Recht auf Gesetz die Hauptursache dafür, dass Skepsis, Ablehnung und Gleichgültigkeit gegenüber jedem Recht und vor allem gegenüber Recht in der Kirche entstehen. D eshalb kann und darf "Recht" nicht einfach nur auf die beiden Rechtsebenen der Rechtsvorschrift (= Gesetz) und der Rechtsanwendung reduziert werden. Zum Recht gehört vielmehr eine weitere Ebene w esentlich dazu, nämlich die Metaebene des Rechts. Denn auf der Metaebene des Rechts werden die entscheidenden Fragen nach Sinn und Zweck wie auch nach den Auswirkungen einer konkreten Rechtsvorschrift gestellt. Demzufolge kann und darf eine Rechtsvorschrift nicht einfach nur befolgt und angewendet werden; geschieht dies, ist der Vorwurf einer rein positivistischen Rechtsanwendung zu erheben, die nur und direkt den Buchstaben des Gesetzes beachtet und einen reinen Gesetzesgehorsam leistet, ohne dessen Voraussetzungen, Z ielrichtung und Konsequenzen zu bedenken. Wer nicht nur nach der Rechtsvorschrift bzw. nach dem Gesetz handeln will, sondern auch gerecht sein will, ist verpflichtet, vor der Anwendung des Gesetzes die Metaebene des Rechts zu beachten und zu befragen . Hier auf der Metaebene des Rechts wird die Frage nach dem geltenden Recht durch die Frage nach dem rechten bzw. gerechten Recht ergänzt. Diese Rl.ickbindung an die Metaebene des Rechts kann als präpositive Rechtsanwendung bezeichnet w erden. D enn sie prüft, ob die konkrete Rechtsvorschrift dem Frieden und der Freiheit, aber auch der Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit sowie dem Wohl der Gemeinschaft und des/ der Einzelnen dient. je nach dem Ergebnis der Prüfung wird dann ein verantworteter Gehorsam bzw. Ungehorsam gegenüber der Rechtsvorschrift und ihrer Anwendung geleistet. Speziell im Kirchenrecht muss aber vor der präpositiven Rechtsanwendung noch eine weitere M etaebene bedacht w erden, näm lich die der theologischen Grundlagen der konkreten Rechtsvorsc hrift Gerechtigkeit in der Kirche verlangt, eine kirchliche Rechtsvorschrift an den zentralen Glaubensüberzeugungen und Lehren der katholischen Kirche zu überprüfen wie z. B. an den Glaubenslehren über die Kirche als Heilsgemeinschaft Gottes und
Recht ist mehr als Gesetz
Rechtsebenen
positivistische Rechtsanwendung
präpositive Rechtsanwendung
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II I. Was für ein Recht die katholische Kirche hat- Rechtsgrundsätze
theologisch rückgebundene präpositive Rechtsanwendung
nicht bei jedem kirchlichen Lebensbereich im gleichen Ausmaß
gesetzliche Verbesserungsmöglichkeiten und Reformmodelle
im Dienst (Gottes und) des Menschen
der Menschen, über die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, den Glaubenssinn aller Gläubigen, das gemeinsame und amtliche Priestertum. Deshalb kann hier gleichsam von einer theologisch rückgebundenen präpositiven Rechtsanwendung gesprochen w erden. Ihre Kennzeichen sind di e beiden Fragestellungen: Welches theologische Anliegen steht hinter den Rechtsbestimmungen? Und kommt dieses theologische Anliegen durch die konkrete Rechtsvorschrift hinreichend zum Tragen? Werden hier theologische Fragwürdigkeiten oder Widersprüche festgestellt, werden diese im Sinne der Theologie zu lösen versucht. Natürlich müssen solche theologisch rückgebundene Überlegungen nicht bei jedem kirchlichen Lebensbereich im gleichen Au smaß angewendet werden und auch nicht bei jeder Einzelnorm erfolgen. Hier gibt es eindeutig ein qualitatives Gefälle. Das zeigen folgende Beispiele: So ist etwa das kirchliche Verfassungs-, Verkündigungs- und Sakramentenrecht wesentlich mehr auf seine theologischen Grundlagen und Grenzen zu befragen als etwa das kirchliche Vermögens- und Prozessrecht Andererseits ist z.B . die vermögensrechtliche Grundnorm, dass alle Gläubigen "verpflichtet sind, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfü gung stehen, die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig sind" (c.222 §1 i.V.m. c.1261 §2 CIC) theologisch wichtiger als manche Einzelnorm aus dem Verkündigungsrecht wie etwa die des c.765 CIC, dass "zur Predigt vor Ordensleuten in ihren Kirchen oder Kapellen ... die Erlaubni s des nach Maßgabe der Konstitutionen zuständigen Oberen erforderli ch [ist] ". Generell ist aber festzuhalten, dass erst die theologisch rückgebundene Gesetzesvorschrift mit den übergeordneten Rechtsprinzipien, also der Metaebene des Rechts, konfrontiert werden darf. Gegebenenfall s werden im Anschluss daran für die konkrete Situation die theologischen Rechtsprinzipien des Seelenheiles, der Dispens, kanonischen Billigkeit oder Epikie angewendet. Langfristig werden gesetzliche Verbesserungsmöglichkeiten und Reformmodelle entwickelt, indem z. B. Gesetze geändert, gestrichen oder auch neue hinzugefügt werden. Nur wo und wenn diese versch iedenen Ebenen des Rechts beachtet werden, kann Recht (in der Kirche) den Anforderungen des Lebens entsprechend angewendet sowie fortentwickelt werden und so eine gerechte Ordnung bleiben bzw. werden, die im Dienst (Gottes und) des Menschen steht und nicht umgekehrt (Gott und) den Mensch zu ihrem Diener macht.
IV. Welches Recht die katholische Kirche hatRechtsbereiche in exemplarischer Auswahl Wie ist das kirchliche Leben konkret geregelt? Wie wirkt sich die Verbindung von spezifischer Theologie und modifiziertem Recht auf die Gemeinschaft der katholischen Kirche aus? Was ist hier wie und warum rechtlich festgelegt? Wel che Bereiche kirchlichen Lebens brauchen kirchenrechtliche Vorgaben? Wo sind Grenzen der rechtlichen Normierbarkeit zu beachten ? Im Folgenden wird diesen Fragen an einigen konkreten Regelungen und deren Auswirkungen in der Praxis exemplarisch nachgegangen. Dafür sind zum einen Themen ausgesucht worden, die seit Jahrzehnten in der katholischen Kirche diskutiert werden, weil für sie bis heute keine zufriedenstellenden kirchenrechtlichen Lösungen gefunden worden sind (Laien, Frauen, wiederverheiratet Geschiedene, Rechtsschutz), und zum anderen Themen, die immer wieder in verkürzter oder sogar fa lscher Weise dargestellt und probl ematisiert werden (christliche Gehorsamspflicht, Unfehlbarkeit "des" Papstes, Abtreibung, Zölibat).
1. Laien und ihre Mitwirkungsrechte in Theorie und Praxis Kirche als Volk Gottes gehört seit dem II. Vatikanischen Konzil zu den Schlüsselbegriffen der katholischen Kirche. Doch so bekannt das Bildwort vom Volk Gottes ist, so diffus und vielschichtig sind die Inhalte, die damit verbunden werden . So ist für die einen Kirche als Volk Gottes wie im modernen Staat als eine Art Volksherrschaft und damit als Demokratie zu verstehen mit möglichst vielen Mitwirkungsrechten für alle Glieder des Volkes Gottes sowohl bei Glaubensfragen wie auch bei Ämterbesetzungen . Für die anderen ist die Kirche als Volk Gottes gerade nicht eine Demokratie im Sinne der Herrschaft des Volkes, sondern eine Hierarchie, eine Gottesherrschaft bzw. eine Herrschaft des Heiligen, und deshalb eine Gemeinschaft, in der den Klerikern (Papst, Bi schöfen, Priestern, Di akonen) als den Repräsentanten des Heiligen Ursprungs in j esus Chri stus eine klare Vorrangstellung zukommt und auch zukommen muss. Und eine dritte Position vertritt salomonisch offen : Die Kirche ist keine Demokratie, denn wir stehen alle unter dem einen Herrn. Die Kirche ist aber auch keine Monarchie bzw. Hierarchie des Klerus, denn wir alle sind Schwestern und Brüder. Welche der drei Positionen entspri cht dem Volk Gottes-Verständnis der katholischen Kirche?
7. 7 Der WandelvonderHierarchie- zurCommunio -Ekklesiologie aufdem Konzil II. Vatikanischen Volk Gottes ist ursprünglich die christliche Gemeinde als Ganzes; jedes Gemeindemitglied gehört zum Volk Gottes. So heißt es im Neuen Testament:
Bildwortvom Volk Gottes
weder Demokratie noch Hierarchie
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
"Ihr (alle) aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk ... " (1 Petr 2,9)
Amtsstrukturen entstehen
zwei Arten von Christen als ungleiche Personenstände
Perspektivenwechsel
CommunioEkklesio logie
lebendige und wechselseitige Beziehung
Mit der Ausbreitung des Chri stentums ändert sich das allerdings allmählich. Die christlichen Gemeinden wurden immer größer. Amtsstrukturen entstanden und wurden im Laufe der Zeit in ihrer Bedeutung so überbewertet, dass bereits in den ersten Jahrhunderten die klare Unterscheidung zwischen dem Klerus als eigenem Stand der amtlich bestellten Diener der Kirche und dem Stand der Laien, dem einfachen Volk ohne besondere Beauftragung der Kirche und in der Kirche, entstand. Damit war aus dem einen Volk Gottes die Zweiteilung des eigentlichen Volkes Gottes der Kleriker und des " uneigentlichen" Volkes Gottes der Laien geworden. Spätestens seit dem 12. Jahrhundert wurde jahrhundertelang gelehrt, dass es in der Kirche zwei Arten von Christen gibt, die Kleriker und die Laien. Und es wurde beharrlich betont, dass es sich hierbei um zwei ungleiche Personenstände handelt, weil die Kleriker als das eigentliche Volk Gottes die Kirche bilden und deshalb die Befehlenden sind, während die Laien das minderberechtigte Volk sind und als Untertanen zu gehorchen haben. Erst auf dem II. Vatikanischen Konzil setzt eine grundlegend neue Sicht und Bewertung der Laien ein. Maßgeblich dafür war der Perspektivenwechsel im Selbstverständnis der katholischen Kirche, der auf diesem Konzil vollzogen wurde. Dieser ist vor allem mit Hilfe des Bildbegriffes vom Volk Gottes gelungen, der in Rückbesinnung auf die biblische Tradition ausgelegt und entfaltet worden ist: Volk Gottes ist die Kirche insofern, als sie die Versammlung all derer ist, die an Christus glauben; Gottes Volk insofern, als diese Versammlung sich nicht einer menschlichen Initiative verdankt, sondern der Erwählung Gottes. Denn weil Gott die Menschen nicht vereinzelt zum Heil führt, ruft er sie als Gemeinschaft zusammen und sendet sie zugleich als Zeichen und Werkzeug des göttlichen Heils in alle Weit (LG 9). ln dieserneuen Si chtw eise wird in der Regel ein entscheidender Wandel in der Ekklesiologie ausgemacht, der schl agw ortarti g als Communio-Ekkl esiologie bezeichnet w erden kann und in Abhebung zu der vorher herrschenden Hierarchie-Ekkl esiologie verstanden wird. Zielpunkt der Communio-Ekkl esiologie ist nicht die Infragestellung der Hierarchie- verstanden als die Existenz von Klerikern in der Kirche-, sondern das Aufbrechen der Einseitigkeiten, die in der Hierarchie-Ekklesiologie gegeben sind. Denn in der Hierarchie-Ekklesiologie, die ihren Höhepunkt in den Kon zilslehren des I. Vatikanischen Konzils (1 870) erreicht hatte, ist der Papst der absolute Bezugspunkt für die kirchliche Gemeinschaft und ausschließlich die Kleriker als die geweihten Amtsträger sind die entscheidenden Akteure (in) der Kirche, während die " übrigen" Gläubigen, also die Laien, keine eigene Verantwortung und Tätigkeit ausüben, sondern ganz und gar von den Aktionen und Entscheidungen der Kleriker abhängig sind. Im neuen Kirchenbild der Communio-Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzil s sind dagegen all e, die Kl eriker wie die Laien als die "anderen" Gläubigen, gleichermaßen berufen, die Sendung der Kirche zu erfüll en, w enn auch mit sendungsspezifischen Unterschieden. Sie alle, Laien und Kleriker, stehen in einer lebendigen und wechselseitigen Beziehung zu- und miteinander, so dass di e Entscheidungen des Papstes wie auch alle weiteren Ent-
1. Laien und ihre Mitwirkungsrechte in Theorie und Praxis scheidungen der geweihten Amtsträger nicht im Alleingang, sondern in Rückbindung an die Gemeinschaft und im Bemühen um einen Konsens getroffen werden. ln der Communio-Ekklesiologie wird die Hierarchie nicht als Hierarchiestruktur der Kirche mit einer Über- und Unterordnung des Volkes Gottes in den ordinierten Amtsträgern als Befehlshabern hier und der " übrigen" Glaubensgemeinschaft als Befehlsempfängerin dort verstanden, sondern vielmehr als ein vielschichtiges Miteinander aller, der Kleriker und der " anderen" Gläubigen, um in gestufter Verantwortung die eine und gemeinsame Sendung der Kirche wahrzunehmen. Das kommt besonders in der Konzilslehre über das gemeinsame und amtliche Priestertum (LG 1 0) zum Ausdruck:
gestufte Verantwortung
"Die Getauften werden nämlich durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist zu einem geistigen Haus und einem heiligen Priestertum geweiht, ... Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das amtliche bzw. hierarchische Priestertum sind, auch wenn sie sich dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach unterscheiden, dennoch einander zugeordnet; das eine wie das andere nämlich nimmt auf seine besondere Weise am einen Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet aufgrund der heiligen Vollmacht, derer er sich erfreut, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar." Nach LG 10 sind also nicht nur einzelne Glieder des Volkes Gottes zum Priestertum in der Kirche berufen, sondern alleGlieder. Denn kraftder Taufe werden alle Gläubigen- wi e das Konzil sagt- zu "einem heiligen Priestertum gewei ht" (LG 10, 1) und sind dadurch befähi gt wie auch beauftragt, die göttliche Heilsbotschaft allen M enschen kundzutun. Gemeinsames Priestertum heißt also, dass jedes einzelne Glied des Volkes Gottes in, mit und durch die Taufe berufen ist, an der Sendung der Kirche mitzuwirken. Das ist die erste zentrale Aussage des II. Vatikanischen Konzils. Auf ihrer Grundlage wird dann das zweite Element der Lehre über das "Amtspriestertum" wi e folgt entwickelt: Wie alle Gläubigenkraft der Taufe zum gemeinsamen Priestertum gehö ren, so sind eini ge darüber hinauskraftder Weihe zum "Pri estertum des Dienstes" bestellt, das auc h als das "amtliche", "hierarchische" oder " besondere" Priestertum bezeichnet wird. Berufung und Funktion des amtlichen Priestertums ist der Dienst am Volk Gottes, nämlich dieses heranzubilden und zu leiten durch die Repräsentation als realsymbolische Darstellung Christi in Verkündigung, Gemeindeleitung und Sakramentenspendung (LG 10,2). Für diesen sendungsspezifischen Dienst am Volk Gottes und damit am gemeinsamen Priestertum ist das Amtspri estertum über die Taufe hinaus mit einer besonderen Vollmacht(= heilige Vollmacht bzw. lat.: sacra potestas), die in der Weihe verlieh en wird, beschenkt. Norbert Lüdecke und Georg Bier vertreten hier eine andere Auffassung: "Um das alle Gläubigen Verbindende in den Blick zu nehmen, auch die Laien ekklesiologisch zu profilieren und dennoch die hierarchische Struktur der Kirche nicht anzutasten, wurden in die Konzilslehren subtile, aber effektive Hierarchie-Sicherungen eingebaut" ([21] 101, Nr. 4) Dazu gehören für Lüdecke und Bier die Systemat ik der Konstitution LumenGentiummit ihrer hierarchischen Rahmung der Volk-Gottes-Kategorie, die katholisch spezifizierte Gleichheit ohne Gleichberechtigung, die wesensverschiedenen Priestertümer in LG 10 und die suo-modo-Kiausel sowie die Sicherung der Klerikermonopole ([21] 101f, Nrr. 5-9). Das, was als .,Aufwertung der Laien"
allGetauften sind zu einem heiligen Priestertum geweiht
amtliches Priestertum zum Dienst am Volk Gottes
heil ige Vollmacht
Weiterdenken HierarchieSicherungen ?
suo-modo-Kiausel
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IV. W elches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarisc her Ausw ahl
drei Aspekte der Communio-Ekklesiologie: Gemeinschaft der Gläubigen, hierarchische Gemeinschaft und Gemeinschaft von Teilkirchen
besondere Stellung des Weihe-Amtes
bezeichnet w ird, ist demnach nichts anderes als nur eine geklärte Sicht dessen, w as nach dem II. Vatikanischen Konzil genauso weiter gilt wie davor: " Hatte der alte CIC [von 1917] die pyramidale Struktur der Kirche so ausgeleuchtet, dass nur die klerikale Spitze erkennbar w ar, stellte das Konzil die Scheinwerfer so, dass die ganze Pyramide, samt ihres riesigen Unterbaus zu erkennen w ar" ([21] 103, Nr. 10) Auch auf dem und nach dem II. Vatikanischen Konzil und demzufolge auch im CIC/1983 ist die katholische Kirche eine ständisch geordnete Gesellschaft von Ungleichen ([21] 37f, Nr.18; 94; 203, Nr. 19; 239, Nr. 6) - von Lüdecke und Bier in dem warnenden Hinweisschild der Londoner U-Bahn ins Bild gebracht "Mind the Gap" ([21] 97), das zum Beachten der Lücke zwischen Bahnsteig und Türschwelle des Zugwaggons auffordert ln dieser Rechtsauffassung von Lüdecke und Bier diagnostiziert Peter Krämer zutreffend ein einseitiges Verständnis der kat holischen Kirche als rein hierarchisch, letztendlich "als eine absolute kleri kale Monarch ie" ([152]1 7 1f.), von dem er das gesamte Studienbuch von Lüdecke und Bier durchzogen sieht Zur Überwindung dieser Einseitigkeit empfiehlt Krämer zu Recht, "auf die vom Zw eiten Vatikanischen Konzil angestoßene und in der Nachkonzilszeit weiterentwickelte Communio-Ekklesiologie zurückzugreifen. Hiernach sind drei Aspekte der Communio-Ekklesiologie voneinander zu unterscheiden, die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, als hierarchische Gemeinschaft und als Gemeinschaft von Teilkirchen. Diese drei Aspekte stehen nicht in einem zeit lichen Nacheinander, sondern müssen immer zugleich und gleich ursprünglich gesehen werden. Schon mit dem Begriff christ ifidelis kommt in den Blick, dass alle Glieder der Kirche zur aktiven Mitarbeit berufen und berechtigt sind (vgl. c.204 CIC) und es nicht angemessen ist , die Gemeinschaft der Gläubigen und die hierarchische Struktur der Kirche im Kontrast zueinander bestimmen zu wollen " ([152]172). Auch Hugo Schw endenw ein hebt unmissverständlich hervor: " Das II. Vatikanische Konzil hat aus dem Bestreben, ein überholtes St andesdenken zu überw inden, die gemeinsame Gliedschaft von Hierarchie bzw. Kleri kern und Laien im Volk Gottes bet ont, ohne f reilich deshalb die besondere Stellung des kirchlichen [Weihe-]Amtes und den besonderen, sich aus der Weihe ergebenden Charakter in ihrer Bedeutung zu mindern" ([24] 16). Und er erläutert w eiter: "Wenn Vat II und CIC 1983 vom geistlichen bzw vom klerikalen Stand (z B. can. 290; PO Art 17 Abs. 2 ,Standespflichten des Priesters' usw.) sprechen, so ist dies nicht im Sinne des Standesdenkens vergangener Zeiten, sondern im Sinne einer besonderen rechtlichen Situation und besonderer Verpflicht ungen zu verstehen, die mit Amt und Weihe gegeben sind und die auch besondere Anforderu ngen an die Lebensweise der Kleriker implizieren" ([24] 16f , Anm. 84)
1.2 Die Communio-Ekklesiologie in den Grundaussagen des C/C/1983 zentrale Bedeutung
Di e neu e Sic htwe ise d er Kirc he al s Vol k Gottes und G em e insc haft a ller G läubigen ist auc h in den CIC/1983 ei n gegangen und hat dort eine zentra le Bedeut ung erl angt. D as zeigt sic h bereits d aran, dass die Rechtsb estimmungen übe r den grundl egende n A ufba u und die Stru ktur der Kirc he (= Buc h II, cc.2 04-746) gleichsam programmatisch mit dem Titel " Volk Gottes" überschrieben sind. Drei Aspekte verdienen innerhalb dieser Bestimmungen besonders hervo rgeh oben zu w erden: a) Das Vo l k Gottes in seiner G rundstruktur (cc.204 ; 2 0 7; 208 C IC)
auf ihre Wei se (suo modo)
Z um Vo l k Gottes gehö ren nach der Einle itungsbestimmu ng z u m Verfassun gsrecht-das ist c .2 04 §1 -alle in der katholisc hen Kirc he Getauften. Kennzeichen dieser G etauften ist es, d ass sie durch eben diese Taufe auf ihre
Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teil-
1. Laien und ihre Mitwirkungsrechte in Theorie und Praxis
haftgeworden sind und deshalb gemäß ihrer übung der kirchlichen Sendung berufen sind:
je eigenen Stellung zur Aus-
gemäß ihrer je eigenen Stellung
"Gläubige sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volke Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christiteilhaft geworden sind; sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Weit anvertraut hat" (c.204 § 1). Der Ausdruck aufihre Weise [sc. sind die Gläubigen des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden] ist die deutsche Übersetzung der lateinischen Wendung: suomodo. Sie wird bereits in den zugrunde liegenden Texten des II. Vatikanischen Konzils verwendet (z.B. LG 31,1) und bringt nach herrschender Auffassung den sendungsspezifischen Unterschied von Laien und Klerikern formelhaft zum Ausdruck. Norbert Lüdecke und Georg Bier sehen darin dagegen nicht nur einen sendungsspezifischen, sondern einen wesensmäßigen Unterschied: "Alle sind kraft der Taufe ,Priester, Propheten, Könige', aber Kleriker und Laien sind es auf ihre je eigene, nämlich wesensverschiedene Weise. Dieser Unterschied wird entweder formelhaft durch die ,suo-modo-Kiausel' angezeigt und/oder in der Benennung jeweiliger Zuständigkeitsbereiche entfaltet" ([21] 102, Nr. 8). Denn für Lüdecke und Bier sind das gemeinsame und amtliche Priestertum gemäß LG 10 "wesensverschiedene Priestertümer", weil die amtlichen Priester durch den Empfang des Weihesakraments "ganz anders als andere Menschen" sind ([21]1 01 , Nr. 7). Entgegen dieser Auslegung von Lüdecke und Bier ist zu betonen, dass die Aussage in LG 10, 2, wonach sich das amtliche Priestertum "dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach" vom gemeinsamen Priestertum unterscheidet, nicht so zu verstehen ist, dass der gew eihte Priester "durch die Weihe seinsmäßig verändert würde [andernfalls könnte nicht für zwei verschiedene Weisen der gemeinsame Begriff sacerdotium verwendet werden]. Mit dieser Formulierung wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass die Inhaber des Amtspriestertums eine wesentlich andere Berufung und Sendung haben" ([154]99f.)
Weiterdenken
Ist der sendungsspezifische auch als wesensmäßiger Unterschied zu verstehen?
wesensverschiedene Priestertümer?
dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach
andere Berufung und Sendung
Diese Aussagen des c.204 werden einige Canones später nochma ls, nämlic h in c.208, aufgegriffen und präz isiert. Unmissverständlic h wird dort festgeh a lten: "Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufg rundihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraftder alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken."
Die fundamentale Gleichheit unter allen Gläubigen bezieht sich somit nic ht nur auf die eine gemeinsame Tauf-Würde, sondern auch auf die eine gemeinsame Tauf-Tätigkeit, nämlich den Sendungsauftrag der Kirche zu erfüllen. Zu Recht wird d aher festgestellt, dass nicht m ehr die Kl e ri ker die Hauptpersonen in der Verfassun g der Kirche sind, sondern (wieder) die Gläubigen, die ab sofort den zentralen Platz einnehmen. Die doppelte Gemeinsamkeit in der Taufwürde wie auc h in der Tätigke it kraftder Taufe ist e inerse its grundl egend und andererseits z ug leich offen dafür, dass sich auf dieser Grundlage sendungsspezifische Unterschiede entfalten können. Diese Tatsache wird in dem eben genannten c.208 durch die Fo rmuli erung zum Ausdruck gebracht, dass alle je nach ihrer eigenen Stel-
fundamentale Gleichheit
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
JungundAufgabedie gemeinsame Tätigkeit ausüben. Noch deutlicher hebt dies c.207 §1 herv or, wenn er festlegt: "Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter [lat inter] den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden; die übrigen dagegen heißen Laien." Die geistlichen Amtsträger bzw. Kleriker sind also geweihte bzw. ordinierte Gläubige; sie stehen nicht über den anderen Gläubigen und diesen gegenüber, sondern gehen aus der Gemeinschaft aller Gläubigen hervor.
Weiterdenken
Entkoppelung von Gleichwürdigkeit und G leichberechtigu ng?
Was bedeutetwahre G leichheit?
Gleichheit ist nicht Uniformität
Norbert Lüdecke und Georg Bier sind wiederum anderer Auffassung Sie postulieren, dass die Unterschiede grundlegender sind als die Gleichheit: "Alle Katholiken sind vor Gott gleich, ihnen allen kommt aus der Taufe die gleiche Würde in Christus zu. Diese umfängt und durchprägt alle von Gott gewollten hierarchischen Unterschiede, hebt sie aber nicht auf. Gleichwürdigkeit und Gleichberechtigung sind in der katholischen Kirche entkoppelt" ([21] 23, Nr. 20; ähnlich 62, Nr. 12; 77 f. , Nr. 2; 101, Nr. 6). Wegen der vom Lehramt der katholischen Kirche vertretenen Geschlechteranthropologie sind demzufolge Frauen "rechtlich Minderlaien" ([21]67, Nr. 18; ähnlich 171, Nr. 23)- eine Bezeichnung und Kategorie, die es im Recht der kath olischen Kirche überhaupt nicht gibt, wie Klaus Lüdicke in einer Rezension zu dem Buch von Lüdecke und Bier über das römisch-katholische Kirchenrecht zutreffend hervorhebt ([153]). Für Lüdecke und Bier liegt "die Gleichheit des Hauptsatzes von c. 208 ... auf einer anderen Ebene als die Ungleichheiten des Nebensatzes" ([21]61 , Nr. 9). Die Grundlage dafür sehen sie in dem das Substantiv "Gleichheit" spezifizierenden Adjektiv "wahre" (lat vera) in c.208 : " Das Adjektiv hat eine doppelte Funktion: Es unterstreicht die Gleichheit als eine wirkliche, tatsächlich vorhandene. Der Papst musste damit rechnen, dass eine Gleichheit mit der Lizenz zur Ungleichbehandlung im wie vor dem Gesetz die Berechtigung bestritten würde. Darüber hinaus besitzt das Adjektiv eine normative Komponente. Die ,wahre' Gleichheit, also die von der der Gleichberechtigung entkoppelte und so auf die Gleichw ürdigkeit beschränkte Gleichheit, ist jene, die von anderen kursierenden Gleichheitsvorstellungen als die richtige abzuheben ist " ([21] 63, Nr. 13; ähnlich 72, Nr. 29; 105, Nr. 12; 197, Nr. 11 , 201, Nr. 18) Ein Beleg für diese dem Papst unterlegte Auffassu ng des Ausdrucks "wahre Gleichheit" in c.208 - der im Übrigen schon im Grundlagentext für c.208, nämlich in LG 32,3 verwend et wird - w ird von den Autoren nicht angeführt Allerdings wird deutlich, dass die von Lüdecke und Bier entwickelte Auslegung des c.208 -von ihnen selbst als "das Vera-Prinzip" bezeichnet ([21] 57)- in der von ihnen vertretenen Prämisse von der katholischen Kirche als ständisch geord net er Gesellschaft von Ungleichen grundgelegt ist wenn sie die Frage stellen: "Wie soll ein Gleichheitssatz in einer Kirche aussehen, die nach göttlichem Willen als eine sichtbare Gemeinschaft von Ungleichen gestiftet wu rde" ([21]64, Nr. 14)7 Gegen die Auffassung von Norbert Lüdecke und Georg Bier ist mit Hugo Schwendenwein festzuhalten: "Die Gleichheit von der das Konzil [und der CIC/1983] spricht, bezieht sich auf die Würde als Kinder Gottes und auf jene Wirksamkeit für den Aufbau der Kirche, die allen gemeinsam ist Aber Gleichheit ist nicht Uniformität .... Dem Prinzip der Verschiedenheit liegt zugrunde, dass die aus der Taufe resultierende Berufung (Heiligkeit und Apostolat) verschiedenen Wegen f olgen kann" ([24] 30f, Anm.144)
b) Der Katalog von Pflichten und Rechten für a ll e Gläubigen (cc.2 08- 223 CIC) füralleGläubigen
Begrüßenswert im Sinne der aktiven Rolle a ller Gläubigen in der Kirche ist die Tatsac he zu bewerten, dass es in der katholischen Kirc he zum ersten M al
1. Laien und ihre Mitwirkungsrechte in Theorie und Praxis
in ihrer Geschichte seit 1983 eine Zusammenstellung grundlegender Pflichten und Rechte gibt, die für alle Gläubigen gelten, unabhängig davon, ob sie Laien oder Kleriker sind. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass die hier zusammengestellten Pflichten und Rechte "als fundamental oder grundlegend bezeichnet werden [können], w eil sie die kirchliche Grundstellung der Gläubigen umschreiben (Grundrechte), und ... teils in der Würde der menschlichen Person, teils in der durch die Taufe bewirkten Zugehörigkeit zur Kirche verwurzelt [sind]" ([151] 148). An Pflichten werden jeder/jedem Gläubigen auferlegt, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (cc.209, 223 §1), sich um ein heiliges Leben zu bemühen und dadurch die Heiligkeit der Kirche zu fördern (c.21 0), Vorlagen der geistlichen Hirten )m Bewusstsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen" (c.212 §1), Beiträge für di e Bedürfnisse der Kirche zu leisten sowie die soziale Gerechtigkeit zu fördern (c.222). Als den Pflichten korrespondierende Rechte werden jeder/jedem Gläubigen zugestanden: den geistlichen Hirten Anliegen und Wünsche zu eröffnen (c.212 §2), die Meinung über das Wohl der Kirche mitzuteilen (c.212 §3), geistliche Hilfen in Wort und Sakrament (c.213) zu empfangen, den eigenen Ritus und die eigene Form des geistlichen Lebens zu pflegen (c.214) wie auch das Recht auf freie Vereinigung und Versammlung (c.215), apostolische Tätigkeit (cc.211, 216), christliche Erziehung (c.217), Forschungs- und Veröffentlichungsfreiheit (c.218), freie Wahl des Lebensstandes (c.219), Schutz des guten Rufes und der Intimsphäre (c.220) sowie Rechtsschutz (c.221). in diesem Kata log wird allen Gliedern der Kirche kl ar und deutlich ein Mitwirkungs recht an der Sendung der Kirche garantiert, ja sogar eine Mitwirkungspflicht auferlegt. Negativ ist allerdings die Tatsache, dass ein zentrales Recht fehlt, nämlich das Recht auf die Teilhabe am königlichen Amt Christi, also auf die Mitwirkung am Leitungsamt der Kirche, zu dem doch alle Glieder des Volkes Gottes durch die Taufe ausdrücklich berufen sind (c.204 §1).
Pflichten
korrespondierende Rechte
Mitwirkungsrecht und Mitwirkungspflicht
c) Der spezielle Pflichten- und Rechtekatalog für Laien (cc.224-231 CIC) Um die Rechtsstellung der Laien in der Kirche zu stärken, ist im kirc hlichen Gesetzbuch von 1983 ein eigener Abschnitt über die Laien mit ihren Pfl ichten und Rechten eingebaut worden. Darin werden die Laien als Erstes dazu verpflichtet wie auch berechtigt, die göttliche Heilsbotschaft zu verbreiten (c.225 §1), dann in die besondere Pilicht genommen, die weltliche Ordnung im Geist des Evangeliums zu gestalten (cc.225 §2, 227) sowie durch Ehe und Fam ilie am Aufbau des Volkes Gottes mitzuwirken (c.226). Sie haben die Pflicht zur und das Recht auf eine christliche und theologische Bildung (c.229) wie auch die Möglichkeit (nicht das Recht und auch nicht die Pflicht!), für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben "herangezogen" zu werden, die sie "gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen" (c.228). Nach den Aussagen dieses Katalogs können Laien als Sachverständige und Ratgeberinnen tätig sein (c.228 §2), in der theologischen Wissenschaft mit der Lehre beauftragt werden (c.229 §3), den Dienst einer Lektorin, eines Akolythen, einer Kantorin oder andere Aufgaben nach M aßgabe des Rechts w ahrnehmen sowie liturgische Gebete leiten, die Taufe spenden und die Kommunion austeilen (c.230 §3). Über die im Katalog genannten Möglichkeiten hinaus können Laien unter bestimmten Bedingungen auch beauftragt w erden zu predigen (c.766), einer Eheschließung zu
Rechtsstellung der Laien stärken
Möglichkeit, für kirchliche Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
assistieren (c.1112) und einzelne Sakramentalien (Segnungen) zu spenden (c.1168) sowie als Kateehetin (c.776), Religionslehrer (cc.803 §2, 805) und Theologieprofessorin (c.81 0) tätig zu sein. Des Weiteren können sie innerhalb eines kirchlichen Gerichtes mit dem Amt des erkennenden Richters in einem Richterkoll egium (c. 1421 §2), der Beisitzerin oder des Vern ehmungsrichters (cc.1424, 1428 §2), der Kirchenanwältin und des Ehebandverteidigers (c.1435) betraut werden sowie partikularrechtlich eingerichtete Leitungs- und Führungspositionen wie z. B. Ordinariatsrat, Akademiedirektorin, Seelsorgeamtsleiter, Caritasdirektorin, Finanzdirektor, Sekretärin einer Bischofskonferenz oder Leiter eines katholischen Büros wahrnehmen. Schließlich können sie auch bei der kirchlichen Vermögensverwaltung mitwirken (cc.492, 494, 537, 1279 §2 u. a.), in den kirchlichen Beratungsgremien aktiv sein (cc .512 §2, 536 §1), an Konzilen und Synoden teilnehmen (cc.33 9 §2, 443 §4, 463 §2) und in der Pfarrseelsorge mitarbeiten (cc.51 7 §2, 519). Doppelung
Dieser spezielle Pflichten- und Rechtekatalog für Laien stellt an vielen Stellen eine Doppelung zu den Rechten und Pflichten aller Gläubigen dar und enthält im Grunde genommen keine spezifischen Rechte für die Laien. Denn nach Abzug der für alle Katholikinnen geltenden Rechte und Pfli chten gibt es keinen spezifisch Iaikaien Rechtsanspruch mehr, sondern nur noch eine Iaikaie Möglichkeit: Laien können je nach Bedarf und Fähigkeit für bestimmte Ämter und Aufgaben herangezogen werden (c.228; c.230). in derrechtlichen Konkreti sierungder 1.3 DieHierarchie-Ekklesiologie kirchlichenDiensteundÄmte r des C/C/1983
Dienste und Ämter
Gremien der Mitverantwortung
Besetzung wichtiger Ämter
Rechtliche Grundaussagen sind die eine Seite der M edaille. Sie verl angen nach der dazugehörenden zweiten Seite: der konkreten Umsetzung in den vielen Einzelbereichen des kirchlichen Alltags. Wie spiegeln sich also die Grundaussagen vom Volk Gottes, von der wahren Gleichheit mit den sendungsspezifischen Unterschieden und von der aktiven Rolle aller Gläubigen in der Ausgestaltung der Dienste und Ämter in der Kirche w ider? Nur unbefri edigend. Denn hier zeigt sich deutlich, dass die alten Einseitigkeiten der Hierarchie-Ekklesiologie keineswegs überwunden sind, sondern durchaus w eiter bestehen. M ehrere Bel ege können dafür angeführt w erden: 1. Fast alle Dienste und Ämter sind auf die Kleriker ausgerichtet und stehen nur in Ausnahmefällen- vor allem in Zeiten des Priestermangels-den anderen Gläubi gen offen. 2. Die sog. Grem ien der Mitverantwortun g des ganzen Gottesvolkes wie z. B. Pfarrpastoralrat, Diözesanpastoralrat sind rechtlich unzureichend konzipiert. Denn für alle diese repräsentativen Einrichtungen des gemeinsamen Priestertums ist ausschließlich eine Mitwirkung in der Form der Beratung vorgesehen . Damit ist ein Kommunikationsprozess von Papst, Bischof oder Pfarrer mit dem jeweiligen ihm zur Leitung anvertrauten Volk Gottes rechtlich nicht abgesichert, sondern hängt vom guten Will en des j ew eiligen Papstes, Bischofs und Pfarrers ab. 3. Bei der Besetzung wichtiger Ämter in der Kirche (wie z. B. Pfarr-, Bischofs-, Papstamt) wird Lai en höchstens eine Mitwirkung in der Form der Beratung zugestanden. Diese kleruszentrierte Ausgestaltung der kirchlichen Dienste und Ämter steht klar in Spannung zu den grundsätzlichen Aussagen über di e Teilhabe aller
1. Laien und ihre Mitwirkungsrechte in Theorie und Praxis
Gläubigen am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi (c.204 §1 ). Ebenso ist sie nicht mit der wahren Gleichheit aller Gläubigen in Würde und Tätigkeit (c.208) in Einklang zu bringen.
7.4 Von der kleruszentrierten zur laienorientierten Kirche als rechtliches Gebot der Stunde Kirche als Gemeinschaft des Volkes Gottes heißt, dass die jeweils unterschiedlichen Begabungen, Dienste und Ämter sich gegenseitig fordern, fördern und ergänzen und durch diese Wechselbeziehung zusammenwirken. Damit dies nicht nur in der abstrakten Theorie gelehrt, sondern auch bei den konkreten kirchlichen Lebensvoll zügen Wirklichkeit wird, muss allen Laien - ob Mann oder Frau- künftig durchgängig mehr Beteiligung an allen kirchI ichen Vollzügen, Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen zukommen, und zwar nicht nur im Sinne eines Zugeständnisses der kirchlichen Autorität, sondern rechtlich garantiert aufgrundder ihnen von Gott in der Taufe verliehenen Würde, Autorität und Teilhabe an seinem dreifachen Amt des Lehrens, Heiligens und Leitens der Kirche. Dazu sind grundlegende Änderungen der geltenden Rechtsnormen notwendig:
mehr Beteiligung
a) Mehr Ausübungsrechte der Laien Laien sind rechtlich zu wesentlich mehr kirchlichen Aufgaben, Diensten und Ämtern zuzulassen als bisher. Viele davon sollten sie nicht nur in der Notsituation des Klerikermangels oder mit Ausnahmegenehmigung wahrnehmen können, sondern prinzipiell und unabhängig vom klerikalen Personalbestand, wie z. B.: Predigt in der Eucharisti efeier, Beerdigungsdienst, Richteramt in einem kirchlichen Gericht, Amt einer Caritasdirektorin, Leitung des katholischen Büros.
unabhängig vom klerikalen Personalbestand
b) Mehr Mitspracherechte der Laien Laien muss auf allen kirchlichen Ebenen und in allen zentralen Rechtsbereichen das Rechtder Mitsprache zukommen. Das betrifft alle wichtigen Personalentscheidungen, Fragen der Gestaltung und Organisation des liturgischen Lebens, der pastoralen Schwerpunktsetzung und der ökumenischen Arbeit wie auch alle finan ziellen Angelegenheiten. Verwirklicht werden sollte dieses durchgängige Mitspracherecht mit Hilfe des Instituts des Beispruchsrechts, das die Anhörung oder Zustimmung bestimmter Personen zur Gültigkeit der Amtshandlung verpflichtend vorschreibt (c.127). Konkret: Die schon bestehenden Vertretungsorgane auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen wie Pfarrpastoralrat (c.536), pfarrlich er Vermögensverwaltun gsrat (c.53 7), Diözesanpastoralrat (cc.511 ff.) und diözesaner Vermögensverwaltungsrat (cc.492 ff.) werden so mit Anhörungs- und Zustimmungsrechten ausgestattet, dass die Taufsendung der Laien ebenso deutlich zum Tragen kommt wie die Letztverantwortung der Kleriker.
in allen zentralen Rechtsbereichen
c) M ehr Mitentscheidungsrechte der Laien Laien sollten auch das Recht der aktiven Mitbestimmung bzw. Mitgestaltung erhalten, indem (1.) der Anteil der Repräsentanten der Laien bei den verschiedenen Versammlungsformen der Kirche erhöht wird; (2.) alle dort ver-
Versammlungsformen
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
Würzburger Synode
wirkliche Teilhabe am Leitungsamt
sammelten Teilnehmerinnen mit dem gleichen entscheidenden Stimmrecht ausgestattet und (3.) die Einspruchsrechte der zuständigen kirchlichen Autorität auf ein notwendiges Mindestmaß beschränkt werden. Eine konkrete Umsetzung dieses Gedankens stellten bereits die Regelungen über die Beschlussfassung und Gesetzgebung der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971-1975) dar, die nach ihrem Tagungsortauch kurz als Würzburger Synode bezeichnet wird. Denn erstens waren hier die Laien in einem zahlenmäßig adäquaten Verhältnis vertreten, da nicht nur eine Minderheit von Laien teilnehmen durfte, sondern die Vielfalt des ganzen Gottesvolkes repräsentati v vertreten war. Zweitens hatten alle Teilnehmerinnen gleiches beschließendes Stimmrecht bei der Beschlussfassung. Drittens war für die Beschlussfassung nicht die Einmütigkeit notwendig, sondern bereits eine Zweidrittelmehrheit ausreichend. Viertens mussten die Bischöfe den Beschlüssen der Synodalen in einem zusätzlichen Akt explizit zustimmen, damit diese verbindliche Normen wurden; allerdings durfte diese Zustimmung nur dann verweigert werden, wenn Glaubens- und Sittengründe oder tragende Rechtsverletzungen geltend gemacht werden konnten. ln der Konzeption der Würzburger Synode war durch die Anzahl der Laien wie auch durch deren Stimmrecht eine wirkliche Teilhabe des ganzen Gottesvolkes am Leitungsamt der Kirche ebenso gewährleistet wie die besondere Verantwortung der Kleriker gewahrt war, da letztere das Recht auf ein- begründungspflichtiges- Veto hatten. Diese Regelungen der Würzburger Synode sollten auf die synodalen Einrichtungen des Ökumenischen Konzils (cc.337ff.), des Partikularkonzils (cc.439ff.) und der Diözesansynode (cc.460ff.) übertragen werden.
1.5 Bischöfliche Selbstbindung an die Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte der Laien als erster konkreter Schritt vorauseilender Gehorsam
beratendes zu einem entscheidenden Stimmrecht erheben
freiwilliger Verzicht auf Rechtspositionen
Gesamtkirchliche Reformen, vor allem rechtlicher Art, sind in der Regel langwierige Prozesse. Die Zeit bis dahin kann aber bisweilen durch eine Art vorauseilenden Gehorsams überbrückt werden . ln der Frage der Mitspracheund Mitentscheidungsrechte der Laien auf den kirchlichen Ebenen der Diözese und der Pfarreien kann ein solcher vorauseilender Gehorsam in der Form einer freiwilligen Selbstbindung des Diözesanbischofs geschehen: Der Diözesanbischof bindet sich selbst an den repräsentativ erteilten Rat des diözesanen Gottesvolkes, indem er das beratende Stimmrecht der Mitglieder in den verschiedenen Einrichtungen auf Diözesa nebene wie z. B. des Diözesanpastoralrates und der Diözesansynode zu einem entscheidenden Stimmrecht erhebt und analog auch für die Piarrebene vorschreibt, dass dem Pfarrgemeinderat auch in seiner Funktion als Pfarrpastoralrat entscheidendes Stimmrecht zukommt. Als einziger Gesetzgeber in der Diözese kann der Diözesanbischof zwar von niemandem dazu gezwungen, aber auch von niemandem daran gehindert werden. Der freiwillige Verzicht auf bestimmte Rechtspositionen in Form einer freiwilligen Selbstbindung steht nämlich jedem Rechtsträger offen. Konkret auf die diözesanen und pfarrlichen Versammlungsformen bezogen könnte die rechtli che Selbstbindung des Bischofs in der Ordnung festgesch rieben sein, die er für die Einrichtung des Diözesanpastoralrates und des
2. Rechtsschutz als Zusage ohne adäquate Ausgestaltung pfarrgemeinderates und für die Durchführung der Diözesansynode oder der anderen Versammlungsformen zu erlassen hat. Mit einer solchen bischöflichen Selbstbindung an die Beschlüsse der Konsultationsprozesse wären diese repräsentativ besetzten Versammlungsformen des diözesanen und pfarrlichen Gottesvolkes relativ einfach von unverbindlichen Gesprächskreisen zu wirklichen Mitwirkungsorganen im Sinne des kirchlichen Selbstverständnisses als Volk Gottes umgestaltet. Darüber hinaus hätte dadurch die bewährte Rechtsordnung der Würzburger Synode zumindest im diözesanen Bereich eine gewisse Fortsetzung erfahren, die nicht erst gesamtkirchlich verankert werden müsste, sondern schon jetzt in jeder Diözese durch den Diözesanbischof verwirklicht werden kann.
wi rkliche Mitwirkungsorgane
2. Rechtsschutz alsZusageohneadäquate Ausgestaltung Im kirchlichen Gesetzbuch von 1983 wird den Gläubigen innerhalb des Katalogs der Pflichten und Rechte aller Gläubigen (cc.208-223) explizit zugesichert: .,Den Gläubigen steht es zu, ihre Rechte, die sie in der Kirche besitzen, rechtmäßig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor der zuständigen kirchlichen Behörde zu verteidigen" (c.221 § 1). Um den hier gewährten Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, existieren kirchliche Gerichte, für die neben einer allgemeinen Prozessordnung (cc.1400-1500) auch die speziellen Prozessordnungen für Streit(cc.1501-1670), Eheprozess- (cc.1671-1691) und Strafprozessverfahren (cc.1 717-1731) erlassen worden sind.
2. 1 Nichtz uständigkeit der ordentlichen Gerichte für Verwaltungsmaßnahmen Für Rechtsschutzfragen bei Verwaltungsmaßnahmen existiert aber keine Verfahrensordnung. Diese fehlt, weil der kirchliche Gesetzgeber festgelegt hat, dass die kirchlichen Gerichte für diesen Bereich nicht zuständig sind. Dementsprechend ist der Aufgabenbereich der kirchlichen Gerichte in c.1400 wie folgt umschrieben : "§ 1. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind:
1o die Verfolgung oder der Schutz von Rechten natürlicher oder juristischer Personen oder die Feststellung rechtserheblicher Tatbestände; 2° Straftaten im Hinblick auf die Verhängung oder Feststellung einer Strafe. §2 Streitigkeiten jedoch, die sich aus einer Maßnahme der ausführenden Gewalt ergeben, können nur einem Oberen oder einem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden." Die ordentlichen Gerichte der Kirche sind also neben der Strafverfolgung und der Feststellung rechtserheb licher Tatbestä nde prinzipiell auc h für den
keine Verfahrensordnung
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl Rechtsschutz bei Verwaltungsmaßnahme?
Rechtsschutz in der Kirche zuständig (c.1400 §1), eigenartigerweise aber nicht für den Rechtsschutz bei einer Maßnahme der ausführenden Gewalt bzw. bei einer Verwaltungsmaßnahme, also wenn sich eine Person durch die Entscheidung eines gew eihten Amtsträgers in ihren Rechten verletzt fühlt (c.1400 §2). Anstell e derordentlic hen Gerichte erklärt der kirchlich e Gesetzgeber hierfür den " Oberen" oder ein "Verwaltungsgericht" für zuständig (c.1400 §2). Das sieht auf den ersten BI ick durchaus nach adäquaten Alternativen aus, doch der Eindruck trügt.
2.2 Fehlende Verwaltungsgerichte Obwohl in c.1400 §2 erkl ärt wird, dass Verwaltungsgeri chte für den Rechtsschutz im Bereich von Verwaltungsmaßnahmen zuständig sind, existiert bis heute noch kein einziges Verwaltungsgericht auf diözesaner Ebene. Das ist insgesamt verwunderlich, insbesondere aber für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Denn schon in den 1970er Jahren sind im Vorfeld der
Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Entwürfe für ein Verwaltungsgerichtsverfahren
mehrere Entwürfe über besondere Verwaltungsgeri chtsverfahren erarbeitet und auf der Synode selbst eine eigene Verwaltungsgerichtsordnun g erstellt worden ([156]). Hiernach sollte es Verwaltungsgerichte in mehreren Instanzen geben, die vor allem für folgende Fälle zuständig sein sollten: "wenn behauptet wird, es sei ein Rechtsirrtum in der Entscheidung unterlaufen, es liege eine Gesetzesverletzung im Verfahren vor, die allgemeinen Grundsätze des Rechts und der kanonischen Billigkeit seien nicht eingehalten oder die in der Entscheidung angegebenen Gründe seien fal sch" ([161)182).
2.3 Vorwurf der Grundrechtsverletzung
Untätigkeit der kirchlichen Autorität
verpasste Chance teilkirchlicher Erfahrungen
Angesichts der Tatsache, dass gerade Verwaltungsmaßnahmen den Hauptgrund für Streitigkeiten in der Kirche darstellen, dass also gerade in diesem Bereich am häufigsten von Gläubigen ein rechtliches Fehlverh alten gew eihter Amtsträger geltend gemacht wird, ist die Untätigkeit der kirchlichen Autorität bei der Errichtung von Verwaltungsgerichten unverständlic h und verletzt das in c.221 CIC zugesicherte Grundrecht auf Rechtsschutz. Gegen diese Kritik greift auch nicht der Hinweis, "dass eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dem hierarchischen Prinzip der Kirche nicht zu vereinbaren sei. Diese Rechtsauffassung beachtet nämlich nicht, dass die Überprüfun g von Handlungen der Exekutive sich nicht gegen d ie Hierarchie selbst und schon gar nicht gegen die Kirchenverfassung, sondern nur gegen etwaige Gesetzesverstöße, durch Handlungen, Unterl assungen oder Ermessensfehlgebrauch seiner Organe richtet" ([160) 781 ). Dieser Vorwurf der Grundrechtsverl etzung richtet sich in erster Linie an die höchste Autorität der Kirche, den Papst und das Bischofsko llegium, aber auch an die Autoritäten der Teilkirchen, die einzelnen D iözesanbischöfe und die Bi schofskonferenzen. Schließlich hätte in den Teilkirchen bereits das konkretisiert w erden können, w as der kirchlic he Gesetzgeber vorgesehen, aber selbst noch nic ht in die Tat umgesetzt hat. Außerdem hätten die teilkirchlichen Erfahrungen mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit für die gesamtkirchliche Ausgestaltung fruchtbar gemacht werden können .
2. Rechtsschutz als Zusage ohne adäquate Ausgestaltung
2.4 Hierarchischer Rekurs als einziger Rechtsweg bei Verwaltungsmaßnahmen Weil die ordentlichen Gerichte nicht zuständig sind und besondere Verwaltungsgerichte fehlen, bleibt den Gläubigen als einzige Möglichkeit, sich bei Rechtsst reitigkeiten aufgrund von Verwaltun gsmaßnahmen an den j ewei ls zuständigen, nächsthöheren "Oberen" zu wenden (c.1400 §2). Dazu müssen sie allerdings ein bestimmtes und umständliches Verfahren einhalten, das in den cc.1732-1739 geregelt ist und als hierarchischer Rekurs bezeichnet wird. 1. Der hierarchische Rekurs wird auch als hierarchische Beschwerde, Verwalt ungsrekurs, Verwaltungsbeschwerd e und Beschwerdeverfahren bezeichnet ([158] 54, Anm. 214). 2. Der beim hierarchischen Rekursweg genannte "Obere" (lat.: " Superior hierarchicus") ist "verwaltungstechnisch zu verstehen als die jeweils übergeordnete Behörde mit der Befugnis, Entscheidungen der untergeordneten Behörde zu kontrollieren und gegebenenfalls zu ändern (c.1739). Mit Hierarchie ist Verwaltungshierarchie gemeint" ([158] 115) Das heißt konkret "Oberer" gegenüber .. Entscheidungen des Pfarrers [ist] i. d. R. der Generalvikar, gegenüber Entscheidungen des Bischofs diejenige Kongregation, der der betroffene Problembereich durch die Apostolische Konstitution Pastor Bonus sachlich zugewiesen ist, sofern nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist" ([158]117) Ausgangspunkt dieses Beschwerdeweges ist die Maßnahme eines geweihten Amtsträgers, die er in einem schriftlichen D ekret darl egt und summarisch begründet (vgl. c.S l ), durch die sich aber ein Gläubiger bzw. eine Gläubige in seinen/ ihren Rechten verl etzt fühlt. Die möglichen Stationen eines solchen hierarchischen Rekurses laufen vom Bischof über eine der Kongregationen der Römischen Kurie (richtet sich nach dem Sachgegenstand) zur Apostolischen Signatur, dem höchsten Gericht der katholischen Kirche (c.1445 §2 ). Wenn der Beschwerdeweg bis zur Apostolischen Signatur gelangt ist, erfolgt nun eine Gerichtsentscheidung, wird das Beschwerdeverfahren also zu einem Gerichtsverfahren. Denn die zweite Sektion der Apostolischen Signatur urteilt als Verwaltungsgeri cht auf höchster Ebene über Verwaltungsakte der Kongregationen und damit auch über eine Kl age (nicht: Beschwerde) gegen die Entscheidung einer Kongregation. Ihre Aufgabe besteht dann darin zu urteilen, ob die Kongregation bei ihrer Entscheidung ein (kirchliches) Gesetz verletzt hat und somit die Beschwerde anzunehmen ist oder ob keine Gesetzesverletzung, sondern die Gesetzlichkeit des angefochtenen Aktes gegeben ist und demzufolge die Beschwerde (endgültig) abzu lehnen ist. Z u beachten ist hier, dass die Apostolisch e Signatur in ihrer Verwaltungsrechtsprechung 11 nicht über die Zw eckmäßigkeit von Verwaltungsakten, sondern lediglich über ihre Rechtmäßigkeit" ([157] 203) urteilt. Es wird nur geprüft, ob irgendein positives kirchliches Gesetz verletzt worden ist- im Vorgehen oder bei der Entscheidung selbst.
umständliches Verfahren
Weiterdenken
Bischof- Kongregation -Apostolische Signatur
2.5 Verfahrensschritte des hierarchischen Rekurses Um den Rekursweg beschreiten zu können, wird von dem/der Beschwerdeführerln zunächst verl angt, die Rücknahme der Entscheidung zu beantragen. So schreibt c.1734 § 1 vor:
Antrag auf Rücknahme der Entscheidung
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
"Bevor jemand Beschwerde einlegt, muss er die Rücknahme oder Abänderung des Dekretes schriftlich bei dem beantragen, der es erlassen hat; durch die Einreichung des Antrages gilt ohne weiteres auch die Aussetzung des Vollzugs als beantragt." Fristen
Dieser Antrag muss innerhalb von zehn Tagen nach Bekanntgabe des Dekretes erfolgen und der Adressat innerhalb von 30 Tagen auf den Antrag reagieren, indem er ihn akzeptiert oder ablehnt. Erst wenn dieser Antrag abgelehnt oder die Beantwortungsfrist nicht eingehalten wird, kann innerhalb der folgenden 15 Tage der hierarchische Beschwerdeweg eingeschlagen werden, wie ihn c.173 7 § 1 festgelegt hat: "Wer sich durch ein Dekret beschwert füh lt, kann aus jedem gerechten Grund Beschwerde beim hierarchischen Oberen dessen einlegen, der das Dekret erlassen hat. Die Beschwerde kann eingereicht werden bei jedem, der das Dekret erlassen hat; dieser muss sie sofort an den hierarchischen Oberen weiterleiten."
w ichtige Verfahrensgrundsätze fehlen
Für diesen Beschwerdeweg kann der/ die Gläubi ge einen Anwalt bzw. Bevollmächt igten hinzuzi ehen; allerdings kann der Obere auch j ederzeit anordnen, dass der/ die Beschwerdeführerln " persönlich zur Befragung erscheint" (c.1738). Der Obere schließlich kann das Dekret ganz oder teilweise bestätigen, verbessern, ersetzen oder gänzlich aufheben (c.1739). Fühlt sich danach der/die Gläubige w eiterhin ungerecht behandelt, gibt es als letzte Möglichkeit nur noch die Appellation an die Apostolische Signatur. Mit Recht w ird an dem Verfahren des hi erarchischen Rekurses kri tisiert, dass hierbei " die Mühen zu groß, ... der Abstand zu den Autoritäten zu hoch" ([1 59] 446) und wichtige Verfa hrensgrundsätze wie rechtliches Gehör, Angabe der Entscheidungsgründe oder Verteidigungsrechte nicht garantiert sind ([161] 187). Das ist ein niederschmetternder Befund, vor allem angesichts dessen, dass der hierarchische Rekurs das einzige Rechtsmittel des Rechtsschutzes bei Verwaltungsmaßnahmen ist, das die katholische Kirche bis heute zur Verfügung stellt.
2 .6 Inadäquate Rechtsmittel bei Verstößen im Kontext von Nihil obstat und Lehrüberprüfung
kein anderes Rechtsschutzmittel
unterschiedliche Rechtsfolgen
Selbst für so w eitreic hende Entscheidungen wi e der Verweigerung des Nihil obstat- der kirchlich en Unbedenklichkeitserklärung bei der Berufung von Theologieprofessorinnen - gibt es kein anderes Rechtsschutzmittel als den im Vergleich mit den üblichen Rechtsstandards mangelhaft ausgestalteten hierarchischen Rekurs. Sehr fragwürdig ist auch der Rechtsschutz, der durch die " Ordnung für die Lehrüberprüfung" der Kongregation für die Glaubenslehre aus dem Jahr 1997 gewährt wird. Hiernach wird bei entsprechenden Zweifeln geprüft, ob ein(e) Autorln eine irrige oder gefährli che Lehre vertritt, di e nicht mit der Gl aubens- und Sittenlehre der katholi schen Kirche übereinstimmt. Je nach Ausga ng dieser als Verwaltungsmaßnahme gestalteten Prüfung können unterschiedliche Rechtsfol gen eintreten wie z. B. Verweigerung bzw . Entzug der kirchlichen Lehrbeauftragung, aber auch die Feststellung der Exkommunikation. Doch der bei der Überprüfung gewährte Rechtsschutz für die betroffene Person bleibt auch in diesem Verfahren weit hinter so lchen Selbst-
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits
verständlichkeiten zurück wie dem Recht auf Information über das Einleiten eines solchen Verfahrens, auf Transparenz des Verfahrens, auf Akteneinsicht, Rekurs und gesondertes Rechtsfolgen- bzw. Strafverfahren (lnstanzenzug).
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits Gelingt eine Ehe- aus welchen Gründen auch immer- nicht, sind für die Ehepartner (mit und ohne Familie) viele Gefühle zu verarbeiten, Fragen zu klären und Probleme zu lösen. Für gläubige Menschen entstehen durch diese Lebenswirklichkeit zusätzliche Belastungen, die sich für Mitglieder der katholischen Kirche in einer besonderen Weise zuspitzen, wie es in keiner anderen Glaubensgemeinschaft der Fall ist. Denn die katholische Kirche kennt keine Scheidung, wie sie aus dem weltlichen Recht bekannt ist. Nach dem zivilen Recht ist jede Ehe relativ einfach scheidbar und eine anschließende zweite Heirat möglich. Diese zivilrechtliche Wiederheirat von Geschiedenen wird in der katholischen Kirche als Ehebruch betrachtet und dam it als schwere Sünde bewertet. Nach kirch lichem Recht besteht nämlich die (zivilrechtlich) geschiedene Ehe weiterhin, so dass die zivilrechtliche Wiederheirat eine zweite Ehe neben der ersten Ehe begründet (= Doppelehe). Solcherart Ehebruch begehen nicht nur zwei zivilrechtlich geschiedene Partner, die wieder zivilrechtlich heiraten, sondern auch die Partner, von denen nur einer zivilrechtlich geschieden ist, die andere aber zum ersten Mal heiratet. Die kirchliche Bewertung einer zivilrechtliehen Wiederheirat nach Scheidung als Ehebruch trifft also nicht nur geschiedene und wiederverheiratete Katholiklnnen, sondern auch verheiratete Katholiklnnen, die selbst nicht geschieden sind, wohl aber einen geschiedenen Partner geheiratet haben. Sie alle geraten innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in mehrfacher Hinsicht in ein Abseits: bei der Eucharisti e und bezüglich des Sakramentenempfangs überhaupt, bei der Wahrnehmung kirchlicher Tätigkeiten, Dienste und Ämter sowie im kirchlichen Dienst- und Arbeitsrecht.
Scheidung
Ehebruch- schwere Sünde
3. 1 Straftat der Bigamie im kirchlichen Gesetzbuch von 1917 Nach dem früher geltenden Recht des CIC/191 7 (c.2356) w urden alle zivi Irechtlich wiederverheirateten Geschiedenen als Straftäter betrachtet. Sie machten sich nämlich der Strafe der Bigamie (= Doppelehe) schuldig, die den rechtlichen Ehrverlust nach sich zog, so dass sie keine Patlnnendienste, I iturgischen Dienste und kirchlichen Ehrendienste übernehmen durften. Darl.iber hinaus kon nten sie bei Aufrechterhaltung der Z ivilehetrotz Ermahnung des Bischofs auch noch mit der Strafe der Exkommunikation belegt werden, wodurch sie zusätzlich vor allem vom Sakramentenempfang ausgeschlossen waren .
3.2 Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Zulassung z ur Kommunion seit 1981 Eine wesentliche Entschärfung in der Beurteilung einer W iederheirat nach Scheidung nahm erst Papst Johannes Paul II . im Jahre 1981 vor, und zwar in dem Apostolischen Schreiben über die christliche Fam ili e mit dem Titel
rechtlicher Ehrverlust
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Ausw ahl Familiaris Consortio
Fürsorgende Liebe
nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen objektivem Widerspruch
Wiederversöhnung im Sakrament der Buße
völlig enthaltsam leben
Familiaris Consortio ([166]). Darin betont der Papst zunächst, "die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotzaufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob j em and eine kirchlic h gültige Ehe durc h eigene schwere Schuld zerstört hat" (Nr. 84). D och unabhängig davo n, w elc her Grund auc h immer z ur Sc heidung und Wiederh eirat geführt hat, gilt für die Hirten und die ganze Gemeinschaft der Gläubigen die Ermahnung des Papstes "den Geschiedenen in fürsorgender Liebe beizustehen, damit sie sich nicht als von der Kirche getrennt betrachten, da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu verpf lichtet sind". Allerdings nimmt der Papst im Ansc hluss daran fol gende Einsc hränkung vor: " Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung. Die Wiederversöhnung im Sakrament der Buße, das den Weg zum Sakrament der Eucharistie öffnet, kann nur denen gewährt werden, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret, dass, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen - zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu ent halten, welche Eheleuten vorbehalten sind" (Nr. 84).
3.3 Diskussion überdieKriterien derNicht zulassung zum onempfa ng seit1983 Kommuni
an keiner Stelle explizit genannt
Wie hat sic h nun diese A uffassung des Papstes in dem nu r zw ei Jahre später von ihm in Kraft gesetzten kirchlichen Gesetzbuch von 1983 niedergeschlagen? Im CIC/ 1983 w erden wiederverheiratete Geschiedene nicht mehr wie im CIC/191 7 als Straftäter betrachtet, j a sie werden sogar an keiner Stelle expl izit genannt bzw. in ihren Rechten eingeschränkt. A ber sie müssen die Rechtsno rm des c.9 15 CIC/1983 beachten. Dort heißt es: "Zur heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden ... , die hart näcki g in einer offenkundigen schweren Sünde verharren."
heftige Diskussionen
Über die Tragweite dieser Bestimmung für wi ederverhei ratete G esc hiedene w ird in der Wi ssenschaft b is heute hefti g diskutiert (siehe z um Folgenden [20/Bd . I] 136- 138; [1 76] 2 40- 24 7; [1 74] 256- 259; 265 f .; [175 ] 695- 704). Die einen argument ieren, dass die d ort genannten fünf Kriteri en - Sü nde, Sc hwere, Offenkundigkeit, Hartnäcki gkeit und Verharren - bei jedem/j eder wiederverheirateten Geschiedenen zutreffen, weshalb keine/ keiner von ihnen zur Ko mmunion zu gelassen werden darf. Die anderen führen dagegen
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits aus, dass zumindest die in c.915 genannte 11schwere Sünde" eine subjektive Kategorie darstellt, die sich einer objektiven Beurteilung durch eine andere Person entzieht. Als Schlussfolgerung ergibt sich daraus, dass alle wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion zuzulassen sind, weil kein(e) Kommunionspenderln einer/einem wiederverheirateten Geschiedenen die "schwere Sünde" als das zentrale Kriterium für die Nichtzulassung zur Kommunion nachweisen kann. Und eine dritte Gruppe vertritt die Position, dass der Einzelfall beachtet werden muss; hiernach muss bei jeder/jedem wiederverheirateten Geschiedenen einzeln geprüft werden, ob alle fünf Kriterien bei ihr/ihm zutreffen oder nicht, um sie/ ihn dann je nach Ergebnis der Prüfung zur Kommunion zuzulassen oder nicht zuzulassen. Denn wenn nur eines der fünf Kriterien nicht zweifelsfrei gegeben ist, kann die Nichtzu lassung nicht mehr geltend gemacht w erden. Diese verschiedenen Auffassungen haben dazu geführt, dass in der konkreten Pastoral vor Ort mit den wiederverheirateten Geschiedenen ganz unterschiedlich umgegangen wird: vom rigorosen Ausschluss jedes und jeder wiederverheirateten Geschiedenen von der Kommunion bis zu deren bedenkenloser Zulassung zur Kommunion. Die wiederverheirateten Geschiedenen sind somit einer gewissen Willkür und Unsicherheit ausgesetzt.
Pastoral vor Ort
Willkür und Unsicherheit
3.4 Die Erinnerung an die Epikie durch die oberrheinischen Bischöfe 1993 Um zumindest in ihrem Verantwortungsbereich den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen bei der Kommunionspendung möglichst transparent und nachvoll ziehbar zu gestalten, haben die oberrh einischen Bischöfe 1993 ein gemeinsames Hirtenschreiben verfasst, in dem sie das Prinzip der Epikie in Erinnerung gerufen haben und für dessen Anwendung bei der Frage des Kommunionempfanges von wiederverheirateten Gesch iedenen eingetreten sind. D emnach dürfen wi ederverheiratete Geschiedene zwar nicht generell und nicht amtlich zur Kommunion zugelassen werden, wohl aber können sie im Ein zelfall nach einem seelsorglichen Gespräch aufgrund einer Gewissensentscheidung zur Kommunion hinzutreten, die ihnen dann nicht verweigert werden darf. Die Betonung liegt hier auf der Unterscheidung zwischen amtlicher Nicht-Zulassung und Gewähren-lassen des Hinzutretens. Wörtlich haben die Bischöfe dazu ausgeführt: .,Die neueren kirchlichen Verlautbarungen [sc. des Papstes] erklären in Treue zur Weisung Jesu, dass die wiederverheirateten Gesch iedenen nicht generell zum eucharistischen Mahl zugelassen werden können, da sie sich in Lebensverhältnissen befinden, die in objektivem Widerspruch sind zum Wesen der kirchlichen Ehe. Wer anders handelt, tut dies gegen die Ordnung der Kirche. Das kirchliche Recht kann aber nur eine allgemein gültige Ordnung aufstellen, es kann jedoch nicht alle, oft sehr komplexen, einzelnen Fälle regeln. Deshalb ist im seelsorglichen Gespräch zu klären, ob das, was im Allgemeinen gilt, auch in der konkreten Situation zutrifft. Dies kann nicht generell vorausgesetzt werden" ([1 63]1 3) Allerdings hat die Kongregation für die Glaubenslehre diesen Lösungsweg abgelehnt ([167] 9f.). Deshalb haben die oberrheinischen Bischöfe ihren Ansatz in einem w eiteren Schreiben nochmal s präzisiert und erklärt:
Epikie
Unterscheidung zwischen amtlicher Nicht-Zulassung und Gewähren-lassen des Hinzutretens
Seelsorgliches Gespräch
Ablehnung der Kongregation für die Glaubenslehre
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl "Als Bischöfe wissen wir uns sowohl der allgemeingültigen Lehre der Kirche und ihrer Einheit verpflichtet wie auch den Menschen in existentiell schwierigen Situationen. Daraus ergibt sich auch unsere Solidarität mit Ihnen als den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Sie oft ganz konkret mit diesen Problemen befasst sind. . . Wir vertrauen darauf, dass Sie im Licht der obengenannten Grundsätze pastoral verantwortlich handeln und die Ihnen anvertrauten Menschen in rechter Weise beraten" ([162]26f.)
3.5 Einschärf en derKriteri en der Nichtzulassung zumKommunion empfang 2000 RatfürdieGesetzestexte durchdenPäpstlichen
frühere Kriteriologie der Unwürdigkeit wegen Sünde
Auch von Seiten des Apostolischen Stuhles ist noch ein weiteres Schreiben in der Frage des Kommunionempfangs von wiederverheirateten Geschiedenen verfasst worden. Im Jahr 2000 wurde eine "Entscheidung" des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte veröffentlicht ([169]). Darin wird betont, dass die Kriterien des c.91S CIC auf die wiederverheirateten Geschiedenen zutreffen. Aus formal-recht! icher Sicht ist diese "Erklärung" probl ematisch, da es sich nicht um eine "authentische Interpretation" handelt, der Rechtsverbindlichkeit zukäme (vgl. Art. 1SS PastorBonus),sondern nur um eine "Erklärung", die eigentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich dieses Päpstlichen Rates fällt, sondern in den der Kongregation für die Glaubenslehre. lnsofern ist die Feststellung zutreffend: " Einer ,Erklärung' des PCI [bzw. PCLT] kommt keine Kraft zu, ein päpstliches Gesetz (den CIC) zu ändern; auch handelt es sich nicht um eine authentische Interpretation. Das Recht der wiederverheirateten Geschiedenen auf den Empfang der Eucharistie richtet sich also w eiterhin allein nach c.9 12 i. V. m. cc.91S und 916" ([170] 6, Rdn . Sb). Darüber hinaus ist die "Erklärung" auch inhaltlich problematisch. Denn sie greift auf die frühere Kriteriologie der Unwürdigkeit wegen Sünde zurück, die zwar für die Regelung des Kommunionempfangs im CIC/1917 maßgeblich war, im CIC/1983 jedoch gar keine Rolle (mehr) spielt. Demnach bleiben auch jene Personen unwürdig, die ihre Sünde im Bu ßsa krament bereut und die Absolution empfangen haben. Wegen dieser Unwürdigkeit w erden sie angewiesen, die Kommuni on nicht öffentli ch zu empfangen, sondern nur im Verborgenen. Diese Interpretation ist aber durch c.912 CIC/1983 in keiner Weise gedeckt ([170] 6, Rdn. Sb).
3.6 Neuaufl agedesVorschlags deroberrheinischen Bischöfe durch das Seelsor geamtder Erzdiözese Freiburg 2073
spezielle Gebetsfeiern
Mit dem Z iel einer umfassenden Begleitung und Unterstützung von M enschen, deren Ehe gescheitert ist, hat das Seelsorgeamt (nicht der Diözesanbischof!) der Erzdiözese Freiburg 201 3 eine Handreichung für Seelsorgende herausgegeben ([1 6S]). Dieses Schreiben nimmt nicht nur di e wiederverh eirateten Geschiedenen in Blick, sondern auch die Geschiedenen, die nicht wieder heiraten; darüber hinaus w ird nicht nur die Frage des Sakramentenempfangs behandelt, sondern auch spezielle Gebetsfeiern (n icht: Segnungsfei ern) für zum zweiten M al z ivil verheiratete Paare. ln der nach wie vor in Theorie und Praxis strittigen Frage des Sakramentenempfangs- insbesondere der Eucharistie- knüpft die Handreichung inhaltlich an den Vorschlag der oberrheinischen Bischöfe von 1993 an und führt aus:
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits
,.Ein seelsorglicher und theologisch fundierter Gesprächsprozess der Partner bzw. eines der Partner mit dem Pfarrer zielt darauf hin, dass das Paar bzw. einer der Partner für sich eine verantwortete wirkliche Gewissensentscheidung treffen kann. Diese vor Gott, im Glauben an Ihn und im gemeinsamen Gespräch entwickelte geistliche Überzeugung gilt es, sowohl vom Pfarrer als auch von der Gemeinde zu respektieren. ln besonderer Weise ist es angezeigt, die geistliche Entscheidung, am Leben der Kirche vielfältig teilzuhaben und bewusst auf den Empfang der Sakramente zu verzichten, zu respektieren und pastoral zu begleiten. ln der Folge einer verantwortlich getroffenen Gewissensentscheidung kann in der konkreten Situation aber auch die Möglichkeit gegeben sein, die Sakramente der Taufe, der Heiligen Kommunion, der Firmung, der Versöhnung und der Krankensalbung zu empfangen, insofern die erforderliche konkrete Glaubensdisposition vorhanden ist" ([165]9)
Gewissensentscheidung
3.7 Wahrheit und Barmherzigkeit in der Frage des Kommunionempfangs Sicherli ch wird es auch in Zukunft keine einfac he, glatte und generelle Lösung für die Pastoral von gescheiterten Ehen geben . D en n schließlich muss hier die Spannung ausgehalten werden, sowohl die kirchlic he Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe ernst zu nehmen als auch den konkreten Menschen aus einer gescheiterten Ehe beizustehen. Deshalb bleibt es jeder Seelsorgerin und jedem Seelsorger auch weiterhin nicht erspart, sich je neu und individuell der Gratwanderung auszusetzen, weder die Barmherzigkeit der Wahrheit zu opfern noch die Wahrheit der Barmherzigkeit, sondern mit dem Betroffenen zusammen eine verantwortungsvolle Lösung zu finden, in der die Treue zur Botschaft Jesu und zur Gemeinschaft der ganzen Kirche ebenso zum Tragen kommt wie die Solidarität mit dem konkreten Menschen und seiner Situation.
Spannung zwischen Wahrheit und Barmherzi gkeit
3.8 Leben und Wirken in der Kirche außerhalb der Sakramente Bei aller Diskussion um die Frage des Kommunionempfangs von wiederverheirateten Geschiedenen darf aber nicht übersehen werden, dass wiederverheiratete Geschiedene zwar nicht amtlich zur Kommunion und zu den anderen Sakramenten zugelassen werden können, wohl aber in allen kirc hlichen Gremien wie Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung ebenso als gewählte Mitglieder mitarbeiten können wie auch in der Katechese. Außerdem können sie -im Gegensatz zur Rechtslage vor 1983- dann zu Tauf- und Firmpatinnen bestellt werden, wenn ihre Lebensführung von der Wied erh eirat nach Scheidung abgesehen ansonsten dem G lauben der Kirche und dem Taufpatendienst entsprechen (c.874; c.893 CIC). Ferner darf ihnen das kirch liche Begräbnis nur im Fa ll des öffentlichen Ärgerni sses verweigert w erden (c.1184 CIC). D arüber hinaus wird jenen, die in der Kirche beschäftigt sind, nicht mehr wie früher bei einer Wiederheirat nach Scheidung unterschiedslos gekündigt, sondern nach dem Tätigkeitsfeld bzw. der Nähe der Tätigkeit der betreffenden Person zum Verkündigungsdienst differenziert. N ach der seit 1993 geltenden "Grundordnung des ki rchlichen Dienstes im Rahmen kirchli cher Arbeitsverhä ltnisse" ([1 64]) gi lt der G rundsatz, dass bei Personen, die pastoral, katechetisch oder leitend bzw . mit einer Missio canonica tätig sind, Wiederheirat nac h Scheidung generell als Kündigungsgrund gilt; jedoch kann auch hier in Einzelfällen, wenn schwerwiegende Gründe eine Kündigung als unangemessen erscheinen lassen, von einer Kündigung abge-
in allen kirchlichen Gremien Tauf- und Firmpatinnen
keine schematische Kündigung
pastoral, katechetisch oder leitend bzw. mitMissio canonica
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
mögliche Weiterbeschäftigung auch im kirchlichen Dienst
Einzelumstände
sehen und eine W eiterbeschäftigung unter Änderung des Vertragsinhaltes ermöglicht werden (Art. 4f.). Das heißt also: in besonders gelagerten Einzelfällen ist eine Weiterbeschäftigung möglich, allerdings ni cht mehr in dem pastoral en, katechetischen oder leitenden Bereich (Versetzung, Änderungskündi gung gemäß Art. 5 Abs. 1). Bei den sonstigen Mitarbeiterinnen macht die Grundordnung die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelumständen abhängig. Wichtige Kriterien dabei bilden neben der Nähe der Tätigkeit zum kirchlichen Verkündigungsauftrag die Fragen, ob eine kirchliche Lehre bekämpft wird oder nur aus persönlichem Versagen nicht gelebt werden konnte, ob die Glaubw ürdigkeit der Kirche bzw. der kirchlichen Einrichtung gefährdet ist, und w ie groß die Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft ist. Folglich muss bei Wiederh eirat nach Scheidung dem H ausmeister in einem kirchlichen Krankenhaus nicht zwangsläufig gekündigt werden, während der Leiterin eines kirchlichen Kindergartens sehr wohl die Kündigung droht.
3.9 Die Ermöglichung einer zweiten Ehe als Reformvorschlag ungewohnte Anfragen
neue Bewertung
Seit Ende der 1990er Jahre werden in der Kirchenrechtswissenschaft neue und ungewohnte Anfragen im Kontext von Wiederheirat und Scheidung gestellt, wie z.B.: " Kann vielleicht die Kirche alle Ehen auflösen, aber sie weiß es noch nicht" ([1 79] 438)? Oder: Ist die kirchliche Auflösung einiger Ehen in Wahrheit die Zulassung zu einer zweiten Ehe? ([1 73] 67). Die Antworten auf diese Fragen fall en ähnlich ungewohnt aus und enthalten interessante Zu kunftsperspektiven für eine neue Bewertung und einen dementsprechend neuen U mgang mit wiederverheiratet geschiedenen M enschen in der katholischen Kirche.
a) Kirchenrechtlic he Grunddaten als Ausgangspunkt Um die neueren Fragestellungen und die damit verbun denen Thesen verstehen und w eiterentwickeln zu können, sind fo lgende Bestimmungen des kirchlichen Gesetzbuches maßgeblich: 1. DieEhealspersonale Lebensgemeinschaft Im kirchlichen Gesetzbuch von 1983 w ird gleich zu Beginn der eherechtliehen Bestimmungen herausgestellt: Mann und Frau begründen durch den Ehebund "eine Gemeinschaft des ganzen Lebens ... , welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist" (c.1 055). " Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, ... Der Ehekonsens ist der Willensakt, durch den Mann und Frau sich in einem unwiderruflichen Bund gegenseitig schenken und annehmen, um eine Ehe zu gründen " (c. 10 57).
personale Lebensgemeinschaft
Die Ehe - und zw ar j ede Ehe, ob chri stli ch oder nichtchri stlich - w ird hier als eine personale Lebensgemeinschaft verstanden, in der Sexualität und Nachkommenschaft nicht mehr die Funktion eines Vertragszweckes haben wie früher, sondern Ausdruck der wechselseitigen Liebe und Krönung der umfassenden Lebensgemein schaft sind.
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits
2. Die Unauflöslichkeit jeder Ehe als Konsequenz Ehe als personale Lebensgemeinschaft ist nur dort gegeben, wo die Partner sich vorbehaltlos einander als Person schenken und annehmen. Diese vorbehaltlose Ganzheitlichkeit der wechselseitigen Hingabe und Hinnahme ist aber nichts anderes als die Unauflöslichkeit der Ehe. D enn "wer bei der Eheschließung seinen Ehewillen bekundet und damit ausdrückt, dass er den Partner als ganze Person annimmt und sich ihm schenkt, tut dies auch im Blick auf die gemeinsame Zukunft, die des Partners ebenso wie die eigene. Es ist ihm nicht möglich, diese Zusage der gemeinsamen Zukunft zeitlich zu beschränken, weil dies eine Einschränkung der Annahme der Person des anderen Partners bedeuten und ihn so in seiner Würde als Ebenbild Gottes herabsetzen würde" ([172] 109). Prägnant auf den Punkt gebracht heißt das: "D ie Unauflöslichkeit der Ehe ist die zeitliche Dimension der Unbedingtheit der personalen Annahme" ([172] 109). Und das wiederum bedeutet, dass "die Unauflöslichkeit der Ehe durch den Konsens bewirkt wird .. .. Mit anderen Worten: Eine Ehe ist nur als eine unauflösliche denkbar, anderenfalls wäre es keine Ehe" ([172]111 ). Dementsprechend hat auch der kirchliche Gesetzgeber formuliert: ,.Die Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit erlangen" (c 1056).
vorbehaltlose Ganzheit! ichkeit
Unauflösl ichkeit als zeitliche Dimension der Unbedingtheit der personalen Annahme
jede Ehe
Hier ist eindeutig festgelegt, dass erstens jeder Ehe, nicht erst oder nur der christlichen Ehe die Unauflöslichkeit zukommt. Zweitens ist nicht nur von der Unauflöslichkeit j eder Ehe die Rede, sondern diese Unauflöslichkeit der Ehe ist als Wesenseigenschaft qua I ifiziert, d. h. kommt jeder Ehe von Natur aus zu.
3. Vollzug und Sakrament als Folgewirkungen (nicht: Ursache) der Unauflöslichkeit der Ehe Kon sequent zu Ende gedacht bedeutet dieses (neue) Eheverständnis, dass der gesch lechtliche Voll zug und die Sakramentalität der Ehe, die durch den Austausch des Ehekonsenses zustande gekommen ist, keine neue Qualität hinzufügen können, insbesondere nicht, was deren Qualität der Unauflöslichkeit betrifft. Vielmehr gilt umgekehrt, dass der geschlechtliche Vollzug aus der ehelichen Liebe erwächst. Ähnliches ist für die Sakramentalität der Ehe zu konstatieren. Wenn in c.1 056 CIC festgestellt wird, dass di e W esenseigenschaften der Ehe "in der christlichen Ehe im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit erlangen", dann dürfte damit gemeint sein, "dass die sakramentale Gnade die christlichen Eheleute befähigt, die ihrer Gemeinschaft innewohnende Ewigkeitsdimension tatsächlich z u leben- jedenfalls in dem Maße, wie die Partner die Gnade Christi als Gabe annehmen und als Aufgabe ernst nehmen. M an wird hingegen nicht sagen können, dass die ,besondere Festigkeit', von der can. 1056 spricht, in der Weise zu verstehen ist, dass damit eine andere Art von Unauflöslichkeit ausgesagt werden soll" ([1 72] 115). Demzufolge ist die gängige A uffass ung falsch, dass die c hristliche Ehe unauflöslich sei, weil sie Sakrament ist. Vielmehr gilt umgekehrt, dass die christliche Ehe Sakrament ist, "weil sie ihrem vom Schöpfer vorgegebenen Wesen nach unauflöslich und demzufolge geeignet ist, den unwiderruflichen Bund Christi mit der Kirche sakramental zu vergegenwärti-
keine neue Qualität
innewohnende Ewigkeitsdimension
keine andere Art von Unauflöslichkeit Sakrament, weil unauflöslich
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl gen. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist Voraussetzung ihrer Sakramentalität, nicht umgekehrt" ([172] 116). b) Di e Auflösbarkeit von Ehen als rechtlicher Widerspruch Der Theologie von der Ehe als personaler Lebensgemeinschaft, die aus sich heraus unauflöslich ist, widerspricht allerdings die Regelung der katholischen Kirche, dass eine Ehe unter bestimmten Bedingungen aufgelöst werden kann, wie aus c.1141 hervorgeht: "Die [sc. unter Getauften] gültige und [sc. geschlechtlich] vollzogene Ehe kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden." nichtsakramentale und/oder nichtvollzogene Ehe
paulinisches Privileg
Im Umkehrschluss folgt aus dieser Bestimmung, dass die geschlechtlich nicht vollzogene Ehe und die nichtsakramentale Ehe aufgelöst werden kann, so dass letztlich die Unauflöslichkeit nur für die sakramentale und geschlechtlich vollzogene Ehe gilt. Und in der Tat kennt die katholische Kirche Eheauflösungsverfahren für beide Fälle: - Eine nichtvollzogene Ehe kann (nicht: muss! Es besteht kein Rechtsanspruch!) vom Papst in einem Gnadenakt aufgelöst werden. Voraussetzung dafür ist, dass in einem besonderen Verfahren bewiesen worden ist, dass die Ehe nicht vollzogen ist, nicht aber, dass noch nie ein Geschlechtsverkehr erfolgt ist. D enn j eder voreheliche Geschlechtsverkehr ist kirchenrechtlich nicht von Belang (cc.1 061; 1142 CIC). - Eine nichtsakramentale Ehe von zwei Ungetauften kann dann nach kirchlichem Recht geschieden werden, wenn einer der beiden sich taufen lässt und der Ungetaufte sich von ihm trennt, indem er nicht mehr bereit ist, die Ehe mit dem Getauften weiterzuführen oder dem Getauften keine freie Glaubensausübung gewährt (cc.1143-1150 CIC). Hier w ird die Ehe zugunsten des Glaubens aufgelöst (sog. paulinisches Privileg nach 1 Kor 7, 12-15) : Der Glaube hat Vorrang vor dem Eheband. Deshalb hat der/die Getaufte unter den genannten Voraussetzungen ei nen Rechtsanspru ch auf die Ehescheidung. Sie erfol gt dadurch, dass der/die getaufte Partnerin eine neue Ehe eingeht.
petrinisches Privileg
Neben diesen beiden Eheauflösungsverfahren, die im CIC geregelt sind, gibt es auch noch ein drittes Eheauflösungsverfahren, das außerhalb des CIC geregelt ist ([168]). Hiernach kann auch eine Ehe zwischen zwei Ungetauften ohne anschließender Taufe einer der beiden oder zwischen einem Getauften und einem Ungetauften dann aufgelöst w erden, wenn es dem Seelen- bzw. Glaubensheil einer dritten, nämlich katholisch getauften Person dient, die einen der Ehepartner heiraten möchte. Diese Ehescheidung erfolgt durch den Papstkraft eines päpstlichen Gnadenaktes (sog. petrinisches Privileg).
Ist die Unauflöslichkeit wirklich eine Wesenseigenschaft der Ehe?
7. Offene Fragen Durch die Rechtstatsache, dass die ni chtsakramentale und/oder nicht geschlechtlich vollzogene Ehe aufgelöst w erden können, stellt sich die Frage: Ist die Unaufl öslichkeit wirklich eine Wesenseigenschaft der Ehe? Wenn ja, wie können dann bestimmte (sc. nichtsakramentale und nicht geschlechtlich vo llzogene) Ehen aufgelöst werden? Wenn nein, w arum ist die Auflösbarkeit
ohne anschließender Taufe
3. Wiederverheiratete Geschiedene als Kirchenglieder im Abseits der Ehe auf die beiden Kriterien der Nichtsakramentalität und des Nichtvollzugs einer Ehe beschränkt?
2. Antwortmöglichkeiten - W enn die Unauflöslichkeit eine Wesenseigensc haft der Ehe ist, dann ist das, was als Auflösung der Ehe bezeichnet wird, faktisch die Zulassung zu einer zweiten Ehe. Das ist rechtlich nur so denkbar, dass in diesen Fällen von den Rechtswirkungen der ersten Ehe (nicht: von der ersten Ehe selbst) Dispens erteilt wird. - Wenn die Unauflöslichkeit keine Wesenseigenschaft der Ehe ist, dann sind von der Kirche Kriterien für die Auflösbarkeit von Ehen festzulegen und im Laufe der Zeit immer wieder neu an die Zeichen der Zeit anzupassen. Beide Lösungsmöglichkeiten zeigen, dass die Kirche, repräsentiert durch den Papst als deren obersten Gesetzgeber, eine Rechtsvollmacht über die Ehe innehat und ausübt. Das wird durch einen Blick in das kirchliche Gesetzbuch bestätigt.
Dispens von den Rechtswirkungen der ersten Ehe Kriterien für die Auflösbarkeit von Ehen
Rechtsvoll macht über die Ehe
c) Die Rechtsvollmacht der Kirche über das Sakrament der Ehe Die katholische Kirche lehrt, dass die Sakramente von Christus, dem Herrn eingesetzt und der Kirche anvertraut sind, sodass sie zugleich Handlungen Christi und der Kirche sind (c.840 CIC) . Deshalb wird auch im kirchlichen
Handlungen Christi und der Kirche
Gesetzbuch expli zit hervorgehoben, dass die Kirche, vertreten durch die höchste kirchliche Autorität, die für die Feier der Sakramente maßgeb lic hen Kriteri en jedes ein zelnen Sakramentes festlegen kann und muss. Wörtlic h heißt es in diesem Zusammenhang: "Da die Sakramente für die ganze Kirche dieselben sind und zu dem von Gott anvertrauten Gut gehören. hat allein die höchste kirchliche Autorität zu beurteilen oder festzulegen, was zu ihrer Gült igkeit erforderlich ist; dieselbe bzw. eine andere nach Maßgabe des can. 838, §§ 3 und 4 zuständige Autorität hat zu entscheiden, was für die Erlaubtheit zur Feier, zur Spendung und zum Empfang der Sakramente und was zu der bei ihrer Feier einzuhaltenden Ordnung gehört " (c.841 CIC). Aus dieser rechtlichen Bestimmung geht eindeutig hervor, dass die Ausgestaltung der Sakramente von Seiten der Kirche festzulegen ist. Es ist gesetzlich genau geregelt, wer die Kriterien f ür die Gültigkeit und die Erlaubtheit der Feier der Sakramente festlegt. Diese ihr prinzipiell z uko mmende Rechtsvo llmacht hat die katho lisc he Kirche gerade im Hinblic k auf die Ehe reichhaltig angewendet. D eutliche Niederschläge dafür sind die zahlreichen Rechtsbestimmungen über die Ehehindernisse (cc.1 073-1094 CIC), die Konsensmängel (cc. 1095-1107 C IC) und die einzuhaltenden Formalitäten, damit der eheliche Konsensaustausc h gültig zustande kommt (cc.11 08-1117 CIC). Auch die Regelungen für die Gültigmachung ei ner ungültigen Ehe durch die " H eilung in der Wurzel" (cc.ll61 - 1165 CIC) sind Ausdruck dieser Rechtsvollmac ht Denn der Heilungsvorgang der ungültigen Ehe besteht darin, d ass die kirchliche A utorität der "Ehe" die Rechtswirkungen zuspric ht bzw. gewährt, die sie aufgrund ihrer Ungültigkeit ga r nicht hat- und diese Rechtswirkungen werden sogar rüc kwirkend verliehen .
Rechtsvoll macht reichhaltig angewendet
Rechtswirkungen sogar rückwirkend verliehen
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
d) Befreiung von den Rechtswirkungen der ersten Ehe durch Dispens als rechtliche Zukunftsoption
Reformvorschlag
eine zweite Eheschließung gewähren
Prozess der Buße
Weiterdenken Restbestand von etwas Ehelichem
Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte und mit den davon Betroffenen
W enn erstens das Heil der Seelen das eigentliche Ziel von Recht und Gesetz in der Kirche ist (c.1752 CIC), wenn zweitens der Kirche nicht nur die Sakramente an sich, sondern insbesondere auch deren rechtlich e Ausgestaltung anvertraut sind (c.841 CIC), und wenn drittens die Kirche von dieser rechtlichen Ausgestaltungskompetenz im Bereich des Ehesakraments bisher schon in vielfältiger Weise Gebrauch gemacht hat (cc.1 073-1117; 1142-1150; 1161-1165 CIC), dann I iegt im BI ick auf die recht I iche Situation der zivil geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen ein Reformvorschlag nahe, der sowohl die Unauflöslichkeit der Ehe als Wesenseigenschaft als auch die Rechtsvollmacht der Kirche über die Ehe ernst nimmt und konsequent zu Ende denkt ([172] 216-222). Beide, der Grundsatz von der Unauflöslichkeit der Ehe und die Überzeugung von der Rechtsvollmacht der Kirche über die Ehe sollten so miteinander verbunden werden, dass künftig bei jeder Ehe- also auch bei der sakramentalen und geschlechtlich vollzogenen Ehe- unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtswirkungen der Eheschließung aufgehoben und eine zweite Eheschließung gewährt werden können . Zu diesen Voraussetzungen müsste zum einen das aufrichtige Bekenntnis beider Ehepartner gehören, dass aus ihrer beider Sicht ihre Ehe unwiederbringlich gescheitert ist und sich keiner vom anderen als böswillig verlassen erachtet. Zum anderen müsste der erneut heiratswillige Partner glaubhaft bezeugen, dass er in einem Prozess der Buße das Scheitern seiner ersten Ehe aufgearbeitet und seine eigenen Anteile daran, insbesondere die der eigenen Schuld, erkannt hat und demzufolge die zweite Ehe im Bewusstsein der Reue eingehen wird. Auch bei einer Trennung wird die lebenslange Bindung der Ehepartner nicht aufgelöst Eva-Maria Faber verweist als Deutungshilfe für diese Tatsache auf eine Aussage des Augustinus: "in seinen frühen Schriften hielt er [sc Augustinus] nicht das Eheband als solches für untrennbar, sondern ging davon aus, dass immer ein Restbestand von ,etwas Ehelichem' (quiddam coniugale) auch nach der Trennung der Ehegatten bestehen bleibt. Das dürfte der Erfahrung von Geschiedenen durchaus entsprechen. Eine eingegangene Bindung lässt sich nicht auslöschen, als wäre sie nicht gewesen. Wenn zwei Menschen in eine personale Lebensgemeinschaft eintreten, sind sie bereit oder nehmen sie jedenfalls in Kauf, davon so sehr geprägt zu werden, dass selbst eine Trennung die Spuren und Blessuren nicht verwischen kann. ln den menschlichen Beziehungsgeschichten gibt es keine Taste für Delete " ([ 171] 261 f.). Deshalb ist es auch so wichtig, dass gerade bei bzw. nach einer Trennung und Scheidung und vor dem Einlassen auf eine neue Partnerschaft "die Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte und mit denen, die von der Situation mit betroffen sind " ([165] 6), erfolgt - w ie die Handreichung der Erzdiözese Freiburg zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung 2013 knapp und präzise auf den Punkt gebracht hat Denn - so wird in der Handreichung weiter treffend ausgeführt - "wenn die eigene Verantwortung und eine mögliche Schuld angenommen werden, wächst die Chance, eine neue Perspektive zu finden und ggf . in einer neuen Partnerschaft nicht wieder aus den alten Gründen zu scheitern. Viele Paare bzw. Frauen und Männer haben eine hohe Bereitschaft, sich diesen Fragen zu stellen, weil sie sich nichts mehr wünschen, als dass ihr weiteres Leben und eine mögliche zweite Partnerschaft gelingen" ([165]6).
4. Der Papst und der Anspruch auf Unfehlbarkeit 1 OS
Dieser Reformvorschlag resultiert aus zwei Schlussfolgerungen, die sich aus der bisher praktizierten Rechtsvollmacht der Kirche über die Ehe ergeben: 1. Wenn es der Kirche zukommt, die Kriterien für das Zustandekommen der Rechtswirkungen einer Ehe festzulegen, dann kommt es ihr auch zu, die Kriteri en für deren Beendigung zu bestimmen. 2. Wenn die Kirche einer ungültigen Ehe die Rechtswirkungen einer gültigen Ehe gewähren kann, wie das bei der Heilung der Ehe in der Wurzel der Fall ist, dann muss sie auch umgekehrt die Rechtswirkungen einer Ehe aufheben können. Bei der sich daraus ergebenden Rechtsvollmacht in bestimmten Fällen von den Rechtswirkungen der ersten Ehe durch Dispens zu befreien, sind vor allem zw ei Aspekte besonders hervorzuheben: a) Nicht die erste Ehe wird aufgehoben, sondern "nur" die Rechtswirkungen der ersten Ehe werden beendet. Die entscheidende theologisch-rechtliche Grundlage dafür ist die Unterscheidung zwischen der Unauflösl ichkeit der (konkreten) Ehe einerseits und der Aufhebbarkeit der rechtlichen Wirkung der unauflöslichen Ehe andererseits. Die Unauflösl ichkeit ist die innere Folge des einander ausgetauschten Ehekonsenses und daher sowohl für die Gatten wie auch für die Kirche unverfügbar, während die Rechtswirkungen der unauflöslichen Ehe für das Ehepaar durch die Kirche aufgehoben werden können. Deshalb bleibt bei der künftigen Aufhebung der Rechtswirkungen der Ehe die persönliche Verbundenheit und Lebensgemeinschaft der Partner unberührt. b) Die Befreiung von den rechtlichen Wirkungen des gültigen Ehebandes stellt nicht den Regelfall, sondern den Ausnahmefall für gescheiterte Ehen dar. Andernfalls würde di e Unauflöslichkeitslehre nicht mehr ernstgenommen werden. Dementsprechend gibt es keinen Rechtsanspruch der Partner auf diese Befreiung, sondern nur die rechtliche Möglichkeit, diese als Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Das Rechtsmittel dazu ist die Dispens; Grundlage für eine solche Dispens ist das Vorliegen eines gerechten Grundes (z. B. menschlicher und geistlicher Schaden), aufgrunddessen das Ehepaar oder eine(r) der beiden Partner einen Antrag stellt und die zuständige kirchliche Autorität beurteilt, ob die Befreiung von den rechtlichen Verpflichtungen des Ehebandesangesichts der unheilbaren Zerrüttung dieser Ehe und der Aufarbeitung ihres Scheiterns zum geistlichen Wohl der Partner beiträgt oder nicht. Mit dieserneuen Regelung und Praxis der Befreiung von den Rechtswirkungen der ersten Ehe durch Dispens würde erstens die Widersprüchlichkeit zwischen Unauflöslichkeit und Auflösung der Ehe überwunden und zweitens die Seelennot vieler wiederverheiratet Geschiedener und deren Familien einerseits sowie Seelsorgerinnen andererseits gelindert werden.
4. Der Papst und der Anspruch auf Unfehlbarkeit Es wird kaum einen Katholiken oder ei ne Katholikin geben, der/die nicht schon über die " Unfehlbarkeit des Papstes" nachgedacht und diskutiert hat. Den wenigsten ist dabei allerdings bewusst, dass die umgangssprachliche Redeweise von der " Unfehlbarkeit des Papstes" nicht die Unfehlbarkeit der
Rechtsvoll macht der Kirche über die Ehe
nicht die erste Ehe wird aufgehoben, sondern ihre Rechtswirkungen werden beendet
Ausnahmefall
Dispens
geistliche Wohl
weniger Widersprüchl ichkeit weniger Seelennot
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
Lehrverkündigung
Person des Papstes meint, sondern die Unfehlbarkeit der Lehrverkündigung, und zwar nicht jeder Lehrverkündigung, sondern nur einer ganz bestimmten, die genau geregelte Kriterien erfüllen muss. Eine unfehlbare Lehrverkündigung heißt, dass diese nicht nur wie jede Lehrverkündigung verbindlich ist, sondern letztverbindlich. 4. 7 Unfehlbarkeit in derLehredesPapstesaufgrund derUnfehlbarkeit der ganzenKirche
Verheißung an die Kirche
Unverirrlichkeit
Konsultationsprozess
Die theologische Grundlage für die Rechtsfigur der unfehlbaren Lehrentscheidung ist die biblisch überlieferte Verheißung an die Kirche, dass sie der Heilige Geist in der Wahrheit halten wird . W en n nämlich dem Volk Gottes als Ganzem verheißen ist, dass die Kirche durch den Geist Gottes grundsätzlich in der Wahrheit erhalten wird, dass also der heilige-heilende Geist die Unverirrlichkeit des Gottesvolkes garantiert, dann muss es für den Konfliktfall eine Instanz geben, der die letztverantwortliche Lehrautorität zukommt, d. h. die letztverbindlich und damit unfehlbar feststellt, was Konsens der Kirche ist. 11 Um [also] überhaupt aktionsfähig zu sein, bedarf die Unfehlbarkeit der Gesamtkirche der Unfehlbarkeit des Papstes" ([182] 46), die ihrerseits wiederum auf den Glaubenssinn der ganzen Kirche verwiesen ist. Deshalb muss vor einer unfehlbaren Lehrentscheidung des Papstes ein Konsultationsprozess des ganzen Volkes Gottes stattfinden, dessen Ergebnisse über die repräsentativen Vertretungsorgane bis zur höchsten Lehrautorität gelangen. Was nach diesem Wahrheitsfindungsprozess festgestellt wird, ist dann der Konsens der Kirche, kann also nicht selber nochmals auf diesen hinterfragt werden. 4.2 DogmaderUnfehlbarkeit imLehrenfürdenKonfliktfall undin Bindung andieGesamtkirche
Unfehlbarkeitsdogma
aus sich, nicht erst durch die Zustimmung der Kirche (ex sese)
Autonomie des Papstes, aber nicht Autarkie im Prozess
Lehrmäßig definitiv festgeschrieben wurde die Überzeugung von der unfehlbaren Lehrentscheidung auf dem I. Vatikanischen Konzil (1869/70) in dem sog. Unfehlbarkeitsdogma ([4] Nr. 3074). Hiernach ist die Lehrverkündigung des Papstes (nicht: die Person des Papstes) dann unfehlbar und damit irrtumslos, wenn er erstens im Konfliktfall als Letztinstanz das Bleiben der Kirche in der Wahrheit verbürgt und dabei zweitens in Bindung an den Glauben und die Verkündigung der Gesamtkirche steht. Allerdings werden diese beiden Bedingungen vom I. Vatikanischen Konzil nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Denn die gewählte Formulierung, dass der Papst "aus sich, nicht erst durch die Zustimmung der Kirche" (ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae) eine unfeh lbare Lehrentscheidung trifft, scheint gerade nicht diesen beiden Bedingungen Rechnung zu tragen, sondern vielmehr ein absolutistisch-monarchisches Vorgehen des Papstes zu begründen. Zumindest wird diese Ansicht sowohl als Kritik wie auch als Anspruch bis heute immer dann vertreten, wenn der historische Kontext nicht beachtet wird: Die Formu lierung "aus sich und nicht erst durch die Zustimmung der Kirche" sollte verh indern, dass 11 der Papst zum Spielball von irgendwelchen übergeordneten Instanzen wird" ([181] 195). Die Formulierung ex sesewill die 11 Autonomie des Papstes in der endgültigen Entscheidung [garantieren], nicht aber di e Autarkie im Prozess der Entscheidungsfindung" ([40]15).
4. Der Papst und der Anspruch auf Unfehlbarkeit
4.3 Strenge inhaltliche undformale Kriterien füreineunfehlbare Lehrentscheidung Im geltenden Recht des CIC/1983 ist klar festgelegt: Eine unfehlbare Lehrent- Papst oder scheidung kann nur der Papst persönlich vornehmen (= Ex-cathedra-Ent- Bischofskollegium scheidung = vom päpstlichen Stuhl aus, der das Lehr- und Leitungsamt des Papstes symbolisiert, d.h. kraftseiner Vollmacht als Nachfolger Petri) oder das Bischofskollegium zusammen mit dem Papst, und zwar entweder auf einem Ökumenischen Konzil oder durch eine gemeinsame Übereinkunft, dass eine Aussage als endgültig verbindlich zu gelten hat(= sog. ordentliches und universales Lehramt). Zum anderen sind Lehrentscheidungen nur dann unfehlbar, wenn bei ihrer Verkündigung bestimmte Kriterien inhaltlicher und strikte Kriterien formaler Art strikt eingehalten worden sind. So muss der Papst oder das Bi- inhaltlicher und schofskollegium bei einer solchen Verkündigung erstens explizit seine formaler Art höchste Autorität in der Kirche in Anspruch nehmen, zweitens darf es sich nur um eine geoffenbarte oder zum Verständnis der Offenbarung notwendige Glaubens- und Sittenlehre handeln, die drittens durch die Art und Weise der Verkündigung eindeutig als unfehlbare Lehre qualifiziert wird, indem sie als definitiv(= endgültig) verpflichtend verkündet wird. Sofern der Papst persönlich di e Unfehlbarkeit einer Lehrverkündigung in Anspruch nimmt, ist noch ein weiteres viertes Kriterium zu beachten, nämlich die Erklärung, dass er dies zur Stärkung seiner Brüder im Glauben tut. Sowohl die Träger (Papst und Bischofskollegium) wie auch die eben genannten Kriterien unfehlbarer Lehrentscheidungen sind im ki rch I ichen Gesetzbuch von 1983 genau festgelegt, und zwar in c. 749 CIC: .. §1. Unfehlbarkeit im Lehramt besitztkraftseines Amtes der Papst, wann immer er als oberster Hirt und Lehrer aller Gläubigen, dessen Aufgabe es ist, seine Brüder im Glauben zu stärken, eine Glaubens- oder Sittenlehre definitiv als verpflichtend verkündet. §2 Unfehlbarkeit im Lehramt besitzt auch das Bischofskollegium, wann immer die Bischöfe, auf einem Ökumenischen Konzil versammelt. ihr Lehramt ausüben, indem sie als Lehrer und Richter über Glaube und Sitte für die ganze Kirche eine Glaubensoder Sittenlehre definitiv als verpflichtend erklären; oder wann immer sie, über die Weit verstreut, unter Wahrung der Gemeinschaft untereinander und mit dem Nachfolger Petri, zusammen mit eben dem Papst in authentischer Lehre über Sachen des Glaubens oder der Sitte zu ein und demselben, als definitiv verpflichtenden Urteil gelangen. §3 Als unfehlbar definiert ist eine Lehre nur anzusehen, wenn dies offensichtlich feststeht."
Eine feste Form, wie die hier normierten Kriteri en geltend zu mach en sind, ist vom kirchlichen Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Das ist umso verwunderlicher, weil in §3 dieser Rechtsnorm explizit hervorgehoben wird, dass keine Lehre als unfehlbar definiert verstanden wird, wenn dies nicht offenkundig feststeht. Besteht also irgendein objektiv begründeter Zweifel an der Unfehlbarkeit, so gilt die Lehre nicht als unfehlbar. Mit anderen Worten: Unfehlbar ist eine Lehre erst, w enn dies zw eifelsfrei erwi esen ist. Um die in c.749 §3 geforderte Offensic htlichkeit gewährleisten zu können, w erden deshalb in der Kirchenrechtswissenschaft die drei Formerfordernisse genannt: Ausdrücklichkeit, sprachliche Formelhaftigkeit und Förmlichkeit ([1 84] 3, Rdn. 4).
keine feste Form
objektiv begründeter Zweifel
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
4.4 Die weitere Suche nach der Wahrheit auch nach einer Lehrentscheidung
weiteres Nachdenken
in den W eg zur Wahrheit Gottes verlässlich eingewiesen
fortschreitende Differenzierung
kritische Reflexion
Die Kirche braucht für ihre (Über-)Lebensfähigkeit letztverbind I iche Lehrentscheidungen. Allerdings dürfen diese auch nicht überbewertet werden. Letztverbindlichkeit bzw. Unfehlbarkeit heißt nicht automatisch, "dass diese Entscheidungen optimal wären, keines weiteren Nachdenkens, keiner Ergänzung, Erläuterung und Verbesserung mehr bedürften oder dass sie gar die Wahrheit Gottes erschöpfend ausdrücken würden. ,Unfehlbarkeit' [bzw. Letztverbindlichkeit] bedeutet hier nur, dass erstens derjenige, der sich auf diese Entscheidungen im Glauben einlässt, gewiss sein kann, nicht von der Wahrheit Gottes weggeführt, sondern (zusammen mit vielen anderen wichtigen Wegw ei sern) in den W eg zur Wahrheit Gottes verlässlich eingewiesen zu werden, und dass zweitens derjenige, der das Gegenteil solcher Lehrentscheidungen in der kirchlichen Öffentlichkeit bewusst, ausdrücklich und beständig behauptet, ernsthaft befürchten muss, dass er sich vom verbindlichen Glauben der Kirche getrennt hat" ([187] 358f.). Deshalb kann und muss das Suchen des allgemeinen Lehramtes nach der Wahrheit, wie der Glaube evangeliumsgemäß weitergegeben w erden ka nn und muss, auch dann fortgesetzt w erden, w en n das besondere Lehramt eine (letzt-)verbindli che Lehrentscheidung getroffen hat. Denn die Wahrheit des Glaubens und seiner Weitergabe ist immer größer als ihre sprachliche Fassung und deshalb prinzipiell immer der fortschreitenden Differenzierung, Erweiterung und Vertiefung zugänglich. jede sprachliche Fassung der Wahrheit ist situationsbedingt und kontextbestimmt Im Sinn der weiteren Suche nach der Wahrheit ist die lehramtliche Position auf ihre Begründungszusammenhänge hin kritisch zu refl ektieren. Dabei sind die historischen Umstände ebenso zu beachten wie die Aussageabsicht, die Einordnung in den Gesamtglauben und der Rang innerhalb der Hierarchie der Wahrheiten ([180] 753). Diese Aufgabe der kritischen Reflexion kommt allen Gliedern der Kirche zu, insbesondere aber der Theologin und dem Theologen. Schließlich hat die theologische Wissenschaft den Auftrag, dadurch zum Aufbau der Kirche beizutragen, dass die der Kirche anvertraute W ahrheit immer tiefer erforscht, wissenschaftlich-argumentativ dargestellt sowie zeitgemäß verkündet wird.
5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung Zählt nur d ie Autorität des Lehramtes und der Gehorsam?
ln den letzten Jahren und Jahrzehnten konnte man den Eindruck gewinnen, dass in etlichen Iehramtlichen Äußerungen und Dokumenten, aber auch zunehmend bei deren Interpretation durch Dritte nur die Autorität des Lehramtes betont und der Gehorsam eingefordert werden, während der Glaube der Gemeinschaft und deren M einungsfreiheit unerwähnt bleiben. Die Einheit wird als entscheidendes Moment der Kirche dargestellt, über die Vielfalt dagegen nichts ausgesagt. Die Lehrautorität scheint gleichsam zu einem Monopol erh oben. Inw iew eit entspricht dieser Eindruck der katholischen Auffassung vom Gehorsam und dessen rechtlicher Normi erung im kirchlichen Gesetzbuch von 1983?
5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung
5. 1 Der christliche Gehorsam im Gesamt des Glaubens Unzweifelhaft umfasst Christsein mehr als das Bekenntnis einer Reihe von Glaubensaussagen; allerdings gilt auch umgekehrt, dass Christsein ohne Bekenntnis zu gewissen Glaubensinhalten nicht möglich ist. Für katholische Christinnen sind die zentralen Glaubensinhalte in der Offenbarung durch Jesus Christus vorgegeben. Damit aber nicht jede Christin und jeder Christ aus der göttlichen, die menschliche Vernunft übersteigenden Offenbarung individuell je gänzlich Verschiedenes herausliest und somit jeder und jede etwas anderes glaubt, bedarf es einer Instanz, die in einer von der Gemeinschaft anerkannten Weise die grundlegenden Bezugspunkte des Glaubensinhaltes festlegt, d. h. es bedarf einer Autorität. in der katholischen Christenheit ist das die Autorität des kirchlichen Lehramtes, das jeder Bischof für die Gl äubigen seiner Diözese ausübt und der Papst wie auch das Bischofskollegium für die Gesamtheit der katholischen Gläubigen. Im Vergleich zu anderen Autoritäten ist diese lehramtliche Autorität der Christenheit nicht nur durch die Gemeinschaft der Gläubigen legitimiert, sondern auch von Jesus Christus selbst durch seine eigene Verheißung und den Beistand des Heiligen Geistes. Ist von Autorität die Rede, muss zwangsl äufig auch von Gehorsam gesprochen werden. D enn zu jeder Autorität gehört als Gegenpol der Gehorsam d er Gemeinschaft. Auf das Christsein bezogen folgt daraus, dass Bekenntnis, Autorität und Gehorsam drei wesentliche Elemente des Christseins, aber nicht alle wesentlichen Elemente des Christseins sind. Vielmehr gibt es noch eine Reihe weiterer Elemente, die ebenfalls unabdingbar und konstitutiv für das Christsein sind. Dazu zählt die Freiheit und Verantwortlichkeit genauso wie die Rationalität, Spiritualität, Individualität, Subjektivität und Geschichtlichkeit des Glaubens. Damit auch sie hinreichend zum Tragen kommen und der christliche Glaube nicht nur auf das Bekenntnis, die lehramtliche Autorität und den Gehorsam verkürzt wird, sind die zwei zentralen Glaubensgrundsätze vom Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes sowie von der Hierarchie der Glaubenswahrheiten zu beachten.
mehr als das Bekenntnis
Notwendigkeit einer Autorität
Beistand des Hei ligen Geistes
wesentliche Elemente des Christseins
a) Die Lehre vom Glaubenssinn der Gläubigen in dem zentralen Dokument des II. Vatikanischen Konzils über das Wesen der Kirche Lumen gentium wird in Kapitel 12 Folgendes über den Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes dargelegt: .. Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. Joh 2,20 und 27), kann im Glauben nicht fehlgehen, und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie mittels des übernatürlichen Glaubenssinns des ganzen Volkes immer dann kund, wenn sie ,von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien' ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und erhalten wird, hängt das Volk Gottes unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wahrhaft das Wort Gottes empfängt (vgl. 1 Thess 2, 13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unwiderruflich an, dringt mit rechtem Urteil tiefer in ihn ein und wendet ihn im Leben voller an" (LG 12, 1). Die Lehre vom Glaubenssinn des ganzen Volkes Gottes besagt also klar, dass nicht etwa nur das kirchliche Lehramt (Papst und Bischöfe) die Gabe der
Gabe der Wahrheitstindung
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110 IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes
Wahrheitstindung besitzt, sondern auch jeder und jede einzelne Gläubige. Ebenso bringt diese Lehre vom Glaubenssinn aller Gläubigen deutlich zum Ausdruck, dass Papst und Bischöfe als Vertreter des kirchlichen Lehramtes nicht über, sondern innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft der Gläubigen stehen und dem Glaubenssinn, dem Glaubensbewusstsein dieser Gemeinschaft verpflichtet sind. Ihre Lehrautorität ist damit an die Wahrnehmung und Beachtung des Glaubenssinnes im Gottesvolk gebunden. Mit der Erkenntnis und der Formulierung der Wahrheit über den Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes auf dem II. Vatikanischen Konzil ist aus der "Kirche für das Volk" wieder eine "Kirche des Volkes" geworden, aus der Kleruskirche wieder eine Beteiligungskirche. Das Glaubensbewusstsein der Gemeinschaft als ein, aber auch wiederum nicht als das alleinige Kriterium bei dergöttlichen Wahrheitsfindung bringt somit auch die Subjektivität und den soziokulturellen Kontext der bzw. des Glaubenden bei der Ausgestaltung der kirchlichen Glaubenslehre zur Geltung.
b) Der Grundsatz von der Hierarchie der Wahrheiten Die Formulierung dieses Grundsatzes geht auf das II. Vatikanische Konzil zurück. Dort heißt es im Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio: "Beim Vergleich der Lehren sollen sie [sc die katholischen Theologen beim ökumenischen Dialog) daran denken, dass es eine Ordnung bzw. ,Hierarchie' der Wahrheiten der katholischen Lehre gibt, da ihr Zusammenhang mit dem Fundament des christlichen Glaubens verschieden ist" (UR 11 ,3).
unverzichtbares Zentrum
eschatologische Heil des Menschen
inhaltliche Korrektiv zur formalen Autorität
Die "Hierarchie" bzw. die Rangfolge der Wahrheiten besagt somit, dass keineswegs alle von der katholischen Kirche tradierten Glaubenswahrheiten gleichermaßen konstitutiv für das Wesen des Christlichen sind. Es gibt vielmehr ein unverzichtbares Zentrum, zu dem der Glaube an di e göttliche Dreifaltigkeit, an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und die Sendung des Heiligen Geistes gehört, und eine Peripherie, zu der etwa die marialogischen Dogmen und die Lehre von der Unfehlbarkeit des höchsten kirchlichen Lehramtes in Fragen des Glaubens und der Sitten zu zählen sind. Entscheidendes Kriterium für diese Rangfolge der Glaubenswahrheiten ist die Frage nach der Bedeutung einer Lehre für das eschatologische Heil des Menschen. Je nach dem Grad ihrer Heilsbedeutsamkeit ist eine Glaubenswahrheit entweder explizit zu bejahen oder implizit anzuerkennen; sie darf aber kein esfalls explizit geleugnet werden . Damit ist der Grundsatz von der Hierarchi e der Wahrheiten gleichsam das inhaltlic he Korrektiv zur formalen Autorität des Lehramtes, weil hier der Verbindlichkeitsgrad von der inhaltlichen Nähe zum Geheimnis Christi und zur Dreifaltigkeit abhängt. Somit läuft eine rein formale Berufung auf die Lehrautorität dann ins Leere, wenn keine entsprechenden inhaltlichen Gründe für den Gehorsamsanspruch angegeben werden können. Demzufolge ermöglicht das Kriterium von der Hierarchie der Wahrheiten, den einen Glauben bzw. das Zentrale des Glaubens innerhalb eines gewissen Rahmens individuell zu konkretisieren, d. h. Unterschiede im Glaubensvollzug und in der Glaubensauffassung bis zu einem bestimmten Maß zuzulassen und nicht gleich als Glaubensabweichung oder gar Glaubensabfall zu bewerten, sondern vielmehr als Vielfalt in der Einheit zu sehen.
5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung
Lehrautorität und Gehorsamspflicht auf der einen Seite, Glaubenssinn der Gemeinschaft und Hierarchie der Wahrheiten auf der anderen Seite gehören also unabdingbar zusammen und bilden eine Spannungseinheit, die weder in die eine noch die andere Richtung aufgelöst w erden darf, um nicht in eine Schieflage zu geraten. Daraus folgt, dass bei der theologischen Wahrheitsfindung das Miteinander von Lehramt und Gemeinschaft nicht von Befehl und Gehorsam geprägt sein darf, sondern von der gegenseitigen Haltung der Offenheit, der Neugierde und des Verstehen Wollens des/der Anderen getragen sein muss. Um das zu ermöglichen, muss jede Gesprächspartnerin und jeder Gesprächspartner die Fähigkeit wie auch die Möglichkeit haben, sowohl konstruktive Kritik aneinander zu üben wie auch miteinander um die Wahrheit zu ringen, d. h. "ri chtige" Streitgespräche zu führen. Für das Verhältni s des einzelnen Christen, der einzelnen Chri stin zum Lehramt bedeutet das konkret Folgendes: Weil zum Christsein in der katholischen Kirche das Anerkennen des kirchlichen Lehramtes dazugehört, ist jede katholische Christin und jeder katholische Christ verpflichtet, die vom kirchlichen Lehramt vorgetragene Lehre unvoreingenommen zu würdigen und die sich daraus ergebende Praxis der Kirche als verbindli ch anzuerkennen sowie in der Regel einzuhalten. Da aber zum Christsein auch dazugehört, gemäß der je eigenen Stellung der Sendung der Kirche zu dienen, ist jede Katholikin und jeder Katholik ebenso verpflichtet, selbst über den Inhalt des Glaubens und der Lehre nachzudenken und darüber in und mit der kirchlichen Gemeinschaft im Dienst der Wahrheitsfindung einen Dialog zu führen, der gegebenenfalls auch von einem verantworteten Ungehorsam begleitet sein kann . Um dieser Aufgabe in christlicher Verantwortung nachzukommen, muss sie bzw. er sowohl das inhaltliche Kriterium der Hierarchie der Wahrheiten wie auch das formale Element der Autoritätsstufe der jeweiligen Glaubenslehre beachten und darf eigene Auffassungen weder als indiskutable Schlussfolgerungen noch als lehramtliche Aussage darstellen. Auch w enn nach oder in einer Diskussion bzw. einem Streit das kirchliche Lehramt eine (letzt)verbindliche Entscheidung getroffen hat, kann und muss das Suchen nach der W ahrheit w eitergehen, freili ch nicht so, als wäre alles noch lehramtlich ungeklärt, sondern vielmehr so, dass die lehramtliche Position auf ihre Begrü ndungszusammenhänge hin kritisch reflektiert w ird. D iese Aufgabe kommt insbesondere der Theologin und dem Theol ogen zu; denn deren Recht und Pflicht ist es ja gerade, den Inhalt eines jeden lehramtliehen Dokumentes kritisch zu prüfen und auf formale und inhaltliche Fehler in einer wissenschaftli ch adäquaten und zugleich von Loyalität geprägten Form aufmerksam zu machen. Die Theori e über die Grun dlagen und Grenzen der christlichen Gehorsamspflicht ist von einer Spannung zw ischen Einheit und Vi elfalt, Gehorsam und Freiheit geprägt. D adurch soll sowohl ein indifferenter Pluralismus w ie auch ein totalitärer Uniformismus vermieden w erden. Denn Vielfalt ohne Einheit wie auch Freiheit ohne Gehorsam führen letztendlich zu einem unverbundenen Wirrwa rr wie auch umgekehrt Einheit ohne Vielfa lt und Gehorsa m ohne Freiheit eine monolithische Vereinh eitlichung bedeuten.
Miteinander von Lehramtund Gemeinschaft
konstruktive Kritik
Hierarchie der Wahrheiten und Autori tätsstufe der jewei ligen Glaubenslehre beachten
Begründungszusammenhänge reflektieren
Gehorsam und Freiheit
5.2 Der Gehorsam im Bewusstsein der eigenen Verantwortung nach c.212 §1 C/C
Für die Frage nach der rechtlichen Verankerung des Zusammenspiels von Lehrautorität und Glaubenssinn, Gehorsam und Freiheit im Sinne des II . Va-
Lehrautorität und Glaubenssinn
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl tikanischen Konzils ist vor allem c.212 CIC maßgeblich. ln dessen §1 heißt es:
"§ 1. Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewu ssts ein ihrereigenenVerantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen."
kein blinder Gehorsam
Weiterdenken Gehorsam als Verantwortung?
qua I ifizierter Gehorsam
Autonomie des Gewi ssens
Einsicht in die moralische Wahrheit
ln dieser Rechtsnorm wird nicht einfach nur christlicher Gehorsam eingefordert, sondern hier ist der christliche Gehorsam verbunden mit dem Hinweis, diesen im Bewusstsein der eigenen Verantwortung zu le isten. Damit ist der christliche Gehorsam kl ar von einem blinden und erzwungenen Gehorsam , von einem "Kadavergehorsam" abgegrenzt und a ls e in reifer bzw. mündige r und vernünftiger Gehorsam charakterisiert, der in Freiheit angenommen und verantwortet wird. Reife, Mündigkeit und Vernünftigkeit verlangen ein erhebliches Maß an Urteilsvermögen wie auch an christlicher Courage. Denn die Wahrnehmung der Verantwortung, d. h. die gewissenhafte Prüfung ohne subjektive Überheblichkeit und voreilige Besserwisserei, kann unter Umständen nic ht zu dem gewün schten Gehorsa m , sondern im Gegenteil zu e inem Ungehorsam und Widerstand führen, d er al s v erantworteter Ungehorsam bez eichnet werden kann ([188] 362). Norbert Lüdecke und Georg Bier vertreten hier eine entgegengesetzte Auffassung : Unter der Randüberschrift "Gehorsam als Verantwortung" legen sie dar, dass nach c.212 § 1 der Gehorsam als Grundlage für die Verantwortung zu sehen ist. "Die angerufene eigene Verantwortung ist die eines Katholiken, der unt er der rechtlichen Gehorsamspflicht steht. Nicht die eigene Verantwortung ist Maßstab des Gehorsams, sondern umgekehrt gilt: Wer gehorcht, wird seiner Katholikenverantwortung gerecht" ([21]87, Nr. 20). Diese Ansicht spiegelt ein funktionalistisch-reduziertes und objektivistisch-akzentuiertes Verständnis von Gehorsam wider, in dem die Dialektik von eigener Verantwortung und Gehorsam eingeebnet wird . Diese Dialektik besteht darin, dass die eigene Verantwortung sich sowohl dem Gehorsam verpflichtet weiß als auch zugleich dem Gehorsam kritisch gegenübertritt und ihn auf die legitimen (nicht legalen) Grundlagen seiner Forderung überprüft. Christlicher Gehorsam ist immer ein qualifizierter Gehorsam, also ein Gehorsam, der nur zu leisten ist, w enn grundlegende Prinzipien des christlichen Sendungsauftrages der Kirche gew ahrt sind bzw. bleiben. Wie für das Gewissen so gilt auch für das "Bewusstsein der eigenen Verantw ortung", das durchaus als Synonym für das Gewissen verstanden werden kann, dass es "alle rechtlichen Bindungen transzendiert " ([53] 31) Demzufolge ist der christliche Gehorsam " nicht schlechthin zu leisten .. ., sondern [wird] nochmals unter den Anspruch des Gewissens gestellt und damit in seiner Freiheit lichkeit erkannt und anerkannt" ([53] 31). Die Autonomie des Gewissens bedeutet ja gerade " nicht, wie von manchen gemutmaßt wird, autarkistische Selbstset zung bzw. inhaltlich-irrationale Beliebigkeit. Denn das Gewissen erzeugt die Regeln ja im Wesentlichen nicht im Sinne einer creatio ex nihilo, sondern orientiert sich an geschichtlich vorgegebenen Normen .... Es ist zu einer solchen Orientierung auch verpflichtet, hat sie aber - das macht seine Unbedingtheit aus- der Rechtfertigung im Hinblick auf seine Verantwortung zu unterstellen" ([53] 22) Auf den Punkt gebracht kann daher f estgestellt w erden: " Anordnungen der rechtlichen Autorität erzeugen nicht per se und automatisch f ür alle von der An ordnung Bet roffenen Gewissensverbindlichkeit Diese tritt vielmehr für den Einzelnen ein nach Maßgabe seiner Einsicht in die moralische Wahrheit dessen, was er angesichtsdieser Anordnung hier und jetzt zu tun oder zu unterlassen hat. Die rechtliche Anordnung w ird im Gewissen verbindlich, sobald der recht liche Befolgungsanspruch auch im Gew issen als verbindlich erkannt worden ist. Das
5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung Gewissensurteil ist somit zwischen Anordnung durch die rechtliche Autorität und konkreter Gewissenverbindlichkeit immer notwendigerweise dazwischen geschaltet" ([193] 45). Dementsprechend kann eine rechtmäßige Anordnung nicht schon unter Berufung auf das eigene Gewissen als subjektiv abweichende Meinung legitimerweise nicht befolgt werden. "Einem rechtmäßig ergangenen rechtlichen Gebot oder Verbot darf moralisch legitim nur dann zuwider gehandelt werden, wenn entweder die Befolgung gegen das Gewissen verstoßen würde, also für den Handelnden Sünde wäre (und nicht schon dann, wenn der von der Anordnung Betroffene anderer Meinung ist), oder wenn in einer dringenden Entscheidungssituation das sittliche Handlungsurteil zu dem Ergebnis führt, die rechtliche Anordnung verpflichte in diesem konkreten Fall auf Grund der besonderen Umstände nicht (Epikie)" ([193]
Gewissensurtei I
46).
Mit der recht lichen Forderung, die christliche Gehorsamspflicht " im Bewusstsein der eigenen Verantwortung" wahrzunehmen, wird deutlich, dass die entscheidende Trennlinie nicht zwischen Freiheit und Gehorsam zu ziehen ist, sondern zwischen der Freiheit, die der eigenen Verantwortung gehorcht, und der Freiheit, die anderen Autoritäten gehorcht. " Es gibt also gar nicht zunächst eine Alternative zwischen Freiheit und Gehorsam, sondern genauer zwischen einer Freiheit, die der eigenen Einsicht und dem Gewissensanspruch gehorsam ist, und einer Freiheit, die sich dem bloßen Formalismus von Autoritäten kirchlicher, staatlicher, wissenschaftlicher und charismatischer Herkunft unterwirft" ([191] 28). Konsequent zu Ende gedacht kommt damit jeder/jedem Gläubigen gemäß c.212 §1 das Recht, aber auch die Pflicht zu, sich nicht einfach blind den von der kirchlichen Autorität angeordneten Gesetzen und Vorschriften zu unterwerfen, sondern diese in einem aktiven Akt der Einsicht in das Gebotene anzuerkennen und in verantwortetem Gehorsam zu befol gen oder nach kritischer Prüfung aus Überzeugung bzw. verantwortetem Ungehorsam abzulehnen. Ein recht verstandener (Kirchen-)Rechtsgehorsam bedeutet somit nicht einfach unkritische Annahme jeder (kirchlichen) Vorschrift, sondern eine kreative Auseinandersetzung mit der Vorschrift unter dem Aspekt der Liebe bzw. Gerechtigkeit Gottes, die zu erfüll en die Sendung der Kirche als Ganzer wi e auch j edes einzelnen Gliedes ist. Wird ein verantworteter Ungehorsam geleistet, ist für ein sinnvolles Z usammenspiel von kirchlicher Autorität und einzelnem I einzelner Gläubigen ein Aufeinanderzugehen und -hören, ein wechselseitiges Befragen und miteinander Reden entscheidend, zumal beide, die kirchliche Autorität wie der bzw. die einzelne Gläubige die Zusage des Geistes haben ([194] 97). Doch genau dieses w echselseitige Miteinander von kirchlicher Autorität und Einzelnem, Ein zelner wird durch die weiteren Aussagen des c .2 12 nicht gewährleistet.
5.3 Die Meinungs(äußerungs)fre iheitals Unterfalleinereinseitigen Gehorsamspflicht nach c.212 §2 und§3 C/C Nachdem die Gläubigen in §1 in die Pflicht des verantworteten Gehorsams genommen worden sind, ist in den§§ 2 und 3 von ihren " Wünschen und Anliegen" sowie von der " Mitteilung" ihrer M einung zum Wohl der Kirche die Rede, bei der etliche Bedingungen zu beachten sind:
Freiheit, die der eigenen Verantwortung gehorcht
aktiver Akt der Einsicht oder Ablehnung
wechselseitiges Befragen und miteinanderReden
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114 IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl "§1 ... §2 Den Gläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen. §3 Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Eh rfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun " (c212).
einseitiges Gegenüber
bloße Mitteilung der Meinung
Rechtsschranken der Rechtsausübung?
primäre Adressaten der Meinungsmitteilung
Die positive Aussage des §1 , w onach die christliche Gehorsamspflicht an das Bewusstsein der eigenen Verantwortung gebunden ist, wird offensichtlich durch die §§ 2 und 3 konterkariert und damit letztendlich wieder zurückgenommen. Völlig zu Recht wird an c.212 beanstandet, dass die Meinungs(äußerungs)freiheit der Gläubigen in §3 lediglich wie ein Anhang, ja wie ein Unterfall der Gehorsamspflicht wirkt und die Fülle der Bedingungen eher in einen Katalog von Tugendpflichten passt als in ein Rechtsbuch. Beschäftigt man sich noch intensiver mit dem Text des c.21 2, so tritt ein weiterer Mangel zutage, der besonders für das Z usammenspiel von Lehramt und Gläubigen bei der Wahrheitssuche negative Folgen hat: Die gesamte Struktur des c.212 läuft nämlich auf ein einseitiges Gegenüber von geistlichen Hirten und Gläubigen, auf Befehl und Gehorsam und auf eine reine Überund Unterordnung hinaus, wie die drei folgenden Beobachtungen am Text zeigen: - Erstens wird hier freie M ei nungsäußerung lediglich als Mitteilung der M einung verstanden. Doch eine rechtlich ga ranti erte Meinungs(äußerungs)freiheit sollte mehr umfassen als die bloße Mitteilung der Meinung; sie müsste vielmehr einen kommunikativen Vorgang garantieren, der den Gläubigen eine eigenverantwortete und selbstständige Artikulation ihrer Auffassungen im Gesamtraum der kirchlichen Gemeinschaft ermöglicht, an deren Aufbau alle gemeinsam teilhaben. - Zweitens wird die Wahrnehmung des Rechts auf freie Mitteilung der Meinung so eng mit den drei Kriterien: Wissen, fachliche Zuständigkeit und amtliche Stellung verknüpft, dass di ese zu Rechtsschranken der Rechtsausübung werden. So selbstverständlich und berechtigt das Anliegen ist, das Ideal der sachlichen und zugleich zweckdienlichen Meinungsäußerung hervorzuheben, so selbstverständlic h muss auch sein, dass die Inanspruchnahme des Rechts auf freie M einungsäußerung davon nicht abhängig gemacht werden darf. Andernfall s kann die freie M einungsäußerung nicht als Grundrecht garantiert w erden, sondern wird nach Beli eben der Autorität mit dem Hinweis auf entsprechende Kenntnis, Zuständigkeit und Stellung gewährt oder verweigert. - Drittens versteht der kirchliche Gesetzgeber die "geistlichen Hirten" als die primären Adressaten der Meinungsmitteilung, während die kirchliche Gemeinschaft erst in zweiter Linie in Betracht kommt. Di es geht eindeutig aus dem Satzbau des §3 hervor; durch das wiederholende Pronomen " und sie [sc. die Mitteilung der M einung]" (lat.: eamque) wird nämlich eine Satzteilung bewirkt, welche die freie Mitteilung der M einung gegenüber den Hirten einerseits und den übrigen Gläubigen andererseits als zwei qualitativ verschiedene Weisen der Ausübung dieses Grundrechts erscheinen lässt und dem erstgenannten Adressaten einen kla ren Vorzug ein-
5. Die christliche Gehorsamspflicht im Bewusstsein der eigenen Verantwortung räumt. Eine solche Rangfolge, kombiniert mit den vielen Auflagen, was dabei zu beachten ist- die Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten, die Ehrfurcht gegenüber den Hirten, die Beachtung des allgemeinen Nutzens und die Würde der Personen -, muss einfach den Eindruck erwecken, dass offensichtlich an der Bildung der öffentlichen M einung durch Meinungsaustausch, Diskussionen und Streitgespräche im Volk Gottes nur wenig Interesse besteht. ja, man könnte fast meinen, diese Rangfolge zusammen mit dieser Reihe von Auflagen verfolgt den Zweck, dass die guten und gesetzestreuen Katholiklnnnen vor der freien Meinungsäußerung ob der vielen Bedingungen zurückschrecken. Denn abgesehen von der Kritik, dass die hier in §3 aufgestellten Bedingungen eher an einen Tugendkatalog erinnern als an rechtliche Vorgaben, stellen sie auch eine Doppelung z u c.223 §1 dar, in dem generell für die Wahrnehmung aller im Katalog (cc.208-223) genannten Rechte der Gläubigen festgelegt ist:
viele Auflagen
Doppelung
.. Bei der Ausübung ihrer Rechte müssen die Gläubigen sowohl als einzelne wie auch in Vereinigungen auf das Gemeinwohl der Kirche, die Rechte anderer und ihre Pflichten gegenüber anderen Rücksicht nehmen." Zusammenfassend kann daher gesagt werden: in der rechtlichen Normierung der freien Meinungsäußerung wird zu einseitig der Glaubensgehorsam betont; im Gegenzug wird dadurch dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Dialog als Ausdrucksform für den Glaubenssinn des Volkes Gottes zu wenig bis gar nicht Rechnung getragen. Bezeichnenderweise ist auch die vom Konzil verkündete Lehre über den Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes im gesamten kirchlichen Gesetzbuch nicht aufgenommen worden. Sie wird nur an einer einzigen Stelle angedeutet, und dazu noch in einem verkürzten Sinn. Innerhalb des Verkündigungsrechts ist in c.750 §1 CIC davon die Rede, dass das universale und ordentliche Lehramt der Kirche offenkundig gemacht wird "durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes". in dieser Formulierung hat der Glaubenssinn all er Gläubigen lediglich die Funktion, ei ne vom Lehramt als unfehlbar vorgelegte Offenbarungswahrheit zu bestätigen. Damit droht die Lehre über die Unfehlbarkeit der Kirche gleichsam auf den Kopf gestellt zu werden. Denn zumindest das II. Vatikanische Konzil hat genau umgekehrt die Unfehlbarkeit des Lehramtes in die Unfehlbarkeit des ganzen Gottesvolkes eingebettet. jedenfalls wird in c.750 §1 CIC der Eindruck vermittelt, dass die Gläubigen " von oben" über die W ahrheit des Glaubens bel ehrt w erden . Es scheint ausgeschlossen, " dass es in der Kirche so etwas wie eine W ahrheitsfindung von unten gibt, die nicht identisch ist mit der Narrnativität der Faktizität. Christlicher Glaube ist nicht einfach das Ergebnis einer Meinungsbildung von unten; aber er ist auch nicht einfach Indoktrination von oben. Er ergibt sich aus einem gemeinsamen angestrengten Hinhören auf die Botschaft Christi. Das fordert vom [geweihten) Amt freilich, dass es das Zeugnis, die Fragen und Einwände sowie die Kritik von unten ernst nehmen muss. Erst in der Rezeption, die es ,von unten ' findet, wie in der Akzeptation [sie!], die die Gemeinde ,oben' findet, entscheidet sich, was endgültig als christliche Lehre zu gelten hat" ([189) 358- 361; 408f.).
zu einseitige Betonung des Glaubensgehorsams
Lehre von der Unfehlbarkeit auf den Kopf gestellt
gemeinsames angestrengtes Hinhören
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5.4 Reformvors chlägefürc.212C/C mitHilfederLehrevo m Glaubenssinn allerGläubigen defi zitäre Ausgesta Itung
institutionell gesicherte Freiheit
Legaldefinition des Glaubenssinnes als erster Schritt
Mit der defizitären Ausgestaltung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der fehl enden Übern ahme der Lehre über den G laubenssinn aller Gläubigen im kirchlichen Gesetzbuch von 1983 ist das für das (kirchl iche) Rechtsleben notwendige wechselseitige Zusammenspiel von Autorität und Gemeinschaft der Gläubigen kaum rechtlich abgesichert, sondern allein vom guten Willen der Autorität abhängig. Überhaupt gibt es im kirchlichen Gesetzbuch keinerlei Rechte gegenüber der kirchlichen A utorität, auf die sich die Gemeinschaft oder der/die Einzelne berufen könnte. "Das w äre aber wichtig nicht nur f ür den einzelnen, sondern auch f ür di e Institut ion selbst, dass sie durch interne Kritik vor Erstarrun g und Verkn öcherun g bew ahrt w ird. Gerade die institutionell gesicherte Freiheit ermöglicht und fördert die Kreativität der Mitglieder.... Diese institutionell verankerte Sicherheit, nicht auf den guten Willen der Autoritätsträger angewiesen zu sein, ist ein Ziel des modernen Autonomiestrebens, begründet in der Personenw ürde. Es stünde der Kirc he gut an, solche ,rechtsstaatli chen' Sicherungen auch in ihre eigene institutionell e Verfasst heit zu integrieren" ([190] 68) . Dies könnte in einem ersten Schritt dadurch geschehen, dass die Lehre vom Glaubenssi nn ins kirchliche Gesetzbuch explizit aufgenommen wird, und zw ar nicht nur begrifflich, sondern auch mit einer kurzen Umschreibung. Dieser Reformgedanke ist keineswegs neu. Denn als das kirchliche Recht im Z uge des II. Vatikanischen Kon zils überarbeitet wurde, gab es auch Textentwürfe, in denen die Lehre über den Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes explizit genannt und andeutungsweise dargelegt war. Die Formul ierungen wa ren dabei weitgehend aus LG 12 übernommen ([192] 81 f.) . W arum sie dann doch nicht in die Endfassung des CIC Eingang gefunden haben, geht aus den vorhandenen Dokumenten über die Reformarbeiten nicht hervor. Zumindest aus heutiger Sicht ist diese Streichung zu kritisieren. Sie sollte insofern rückgängig gemacht w erden, als der damalige Textentwurf überarbeitet und an geeigneter Stelle in den CIC eingefügt w erden sollte. Für beides gibt es bereits ei nen guten Vorschlag. Da der G laubenssinn die Befähigung ist, Gottes W ort zu hören und zu bezeugen, liegt es nahe, zu Beginn des Verkündigun gsrechtes eine Legaldefiniti o n des Glaubenssinnes vorzunehmen. D aher w äre es sinnvoll, die derzeitige Einleitungsbestimmung zum Verkündigungsrecht (c.747 CIC) um einen Paragraphen zu erweitern, der den vorhandenen beiden Paragraphen dieses c.747 vorgeordnet werden sollte. D essen Text könnte wie fo lgt lauten: " Kraft Taufe und Firmung besitzt die Gesamtheit der Gläubigen Unfehlbarkeit im Glauben . Diese besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie ,von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien' ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn der Gläubigen hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen t reuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt, das einmal anvert raute Glaubensgut unverlierbar fest. Durch dieses dringt es mit rechtem Urteil immer t iefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an" ([ 192] 82).
als Auftakt zum Verkündigungsrecht
D as wäre ein gelungener Auftakt zum Verkündigungsrecht, dem im Sinne einer theologischen Präambel grundl egende Bedeutung f ür das gesamte Ver-
6. Der Zölibat als verpflichtender Ausdruck der ungeteilten Hingabe an Gott kündigungsrecht zukäme. Um dies in aller Klarheit zum Ausdruck zu bringen, sollte deshalb auch in c.750 §1 nicht mehr davon die Rede sein, dass das universale und ordentliche Lehramt der Kirche "durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig" gemacht wird. Di e rein reaktiv-passive Formulierung "durch das gemeinsame Festhalten aller Gläubigen" müsste vielmehr ersetzt werden durch die aktivische Aussage: "durch den Glaubenssinn der Gläubigen" ([192] 81, Anm. 77). Als Folgewirkung des neuen c.747 §1 für das kirchliche Verkündigungsrecht wäre auch die Rechtsbestimmung über die allgemeine Gehorsamspflicht aller Gläubigen in c.212 §1 um den Hinweis auf den Glaubenssinn aller Gläubigen zu ergänzen, und zwar wie folgt:
bisher rein reaktivpassive Formulierung
Hinweis auf den Glaubenssinn aller Gläubigen ergänzen
,. Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi unter Beachtung des Glaubenssinnes der Gläubigen als Lehrer des Glaubens oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewusstsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen" ([192] 81, Anm. 76, allerdings mit dem Ausdruck ,.Wertschätzung" statt ,. Beachtung " des Glaubenssinnes der Gläubigen). Ferner wäre das Recht auf freie Meinungsäußerung in c.212 §3 der Kritik entsprechend von der Aufzählung der vielen Bedingungen zu bereinigen, im Satzbau der Lehre vom Gottesvolk entsprechend zu korrigieren sowie mit dem Hinweis auf den Glaubenssinn zu verbinden. §3 könnte dann lauten:
die vielen Bedingungen streichen
,.§3. Mit dem Glaubenssinn begabt, haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, sowohl den geistlichen Hirten als auch der Gemeinschaft des Gottesvolkes kundzutun. "
6. Der Zölibat als verpfli chtender Ausdruck der ungeteilten Hingabe an Gott Zu den Dauerdiskussionen in der katholischen Kirche gehört zweifelsohne das Thema Zölibat. Vom lateinischen Ausdruck caelebs (= allein lebend, ehelos) abgeleitet, umschreibt Zölibat die vollkommene geschlechtli che Enthaltsamkeit, die vor all em in der ehelosen Lebenswei se zum Ausdruck kommt. in der katholischen Kirche des lateinischen Rechtskreises ist der Zölibat für Kl eriker verpflichtend(= Pflichtzölibat, Zölibatspflicht). Er ist kein Dogma (= Glaubenssatz), sondern eine disziplinarische Vorschrift, deren Wurzeln bis ins 3. Jahrhundert zurückreichen. Inhaltlich umfasst die Zölibatspflicht ein Verbot und ein Gebot: Sie verbi etet, eine Ehe einzugehen, und sie gebietet, vollkommen keusch zu sein, d. h. sich im Tun, Denken und Wollen geschlechtlich zu enthalten ([22/ Bd. I] 262). Die entscheidenden Argumente für und gegen die Zölibatspflicht sind seit dem 19. Jahrhundert im Wesentlichen gleich geblieben . Die Gegner der Zölibatspflicht machen geltend, dass der Zwangscharakter des Zölibats eine Diskrimini erung der Ehe darstellt, die Kl eriker in eine kastenmäßige Sonder-
disziplinarische Vorschrift
Argumente pro und contra
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stellung drängt, das päpstliche Herrschaftsstreben durch einen familienlosen Klerus erleichtert und die Kleriker zu Unzuchtshandlungen treibt. Von den Befürwortern wird dagegen auf die Freiwilligkeit der Übernahme des Zölibats verwiesen, die mit der Freiwilligkeit zum Empfang des Weihesakramentes gegeben ist, auf die umfassende Verfügbarkeit des Priesters für die Gemeinde durch die zölibatäre Lebensform und auf den Ausdruck des Zölibats als Nachahmung Christi im Eheverzicht, als völlige Ausrichtung an jesus Christus und am Evangelium, als Vorwegnahme des Lebens nach der Auferstehung sowie als symbolische Ganzhingabe an Christus, den mystischen Bräutigam der Kirche ([198] 3, Rdn. 4).
6.1 Oie Gedanken der kultischen Reinheit und ungeteilten Hingabe als Wurzeln ln der frühen Kirche gab es sowohl das verheiratete Familienoberhaupt als Gemeindevorsteher (vgl. 1 Tim 3,12; Tit 1,6) als auch den 11 Um des Himmel-
Idee des heiligen Priesters
Heilmittel der Begierde
von der zeitweisen zur prinzipiellen Enthaltsamkeit
reiches wegen" (Mt 19,12) ehe- und familienlos lebenden Gemeindevorsteher, wobei das Wort Jesu von der Ehelosigkeit um des Himmelreicheswillen allgemein und nicht auf die Jünger mit einer besonderen Funktion hin gesagt ist. Allerdings stand schon sehr bald die sexuell enthaltsame Lebensweise als "zeichenhafte Repräsentation des Priestertums Christi" ([195] 9) in höherem Ansehen als die eheliche Lebensform und führte zu der Idee des heiligen Priesters, der dem profanen Bereich enthoben ist. Hinzu kam die aus der griechischen Philosophie übernommene leibfeindliche Sicht der katholischen Kirche und die damit verbundene negative Sicht der Ehe, die im Sinne der paulinischen Formulierung in 1 Kor 7,2 als " Heilmittel der Begierde" galt. Damit war der Grundstein für die Diskussionen um die Vereinbarkeit von Priestertum und Ehe gelegt. Sie brachten die beiden Gedanken von der kultischen Reinheit bzw. deren Befleckung durch den Geschlechtsverkehr und der ungeteilten Hingabe des Priesters an Gott hervor. So wurde den verheirateten Priestern zunächst empfohlen, sich an den Tagen der Eucharistiefeier des Geschlechtsverkehrs zu enthalten als Ausdruck der Ehrfurcht vor der Heiligkeit des (kultischen) Dienstes und der Bereitschaft zum ausschließlichen Dienst am Evangelium ([197] 911 ). Aus der Empfehlung wurde sehr bald eine Vorschrift und aus der zeitweisen geschlechtlichen Enthaltsamkeit in der Ehe die Forderung nach einer prinzipiellen Ehelosigkeit für die Priester. Päpste und Konzilien wiederholen seit dem 3. Jahrhundert immer wieder diese Vorschrift, deren Nichtbeachtung seit dem 11. Jahrhundert teilweise sogar unter Strafe gestellt wurde- ein Indiz dafür, dass die Pflicht zum Zölibat seit jeher nur schwer durchzusetzen war und ist.
6.2 Die Verbindung von Charisma und Verpflichtung auf dem II. Vatikanischen Konzil theologisch neue Entfaltung
Das II. Vatikanische Konzil hat sich ausführlich mit der Zölibatspflicht beschäftigt und diese theologisch neu entfaltet. Das war angesichts der neuen Sichtweise von der ehelichen Sexualität als Ausdruck der personalen Hingabe (GS 47-52) anstelle der früheren Auffassung der ehelichen Sexualität als Heilmittel der Begierde (c.1 013 §1 CIC/1917) nahezu zwangsläufig. Denn das Konzil hat mit seiner Lehre von der Ehe als umfassender Liebes- und Lebensgemeinschaft der Zölibatspflicht die traditionelle Begründung der kulti-
6. Der Zölibat als verpflichtender Ausdruck der ungeteilten Hingabe an Gott sehen Reinheit entzogen ([12] 439). Sie wird durch die Argumente der Ganzhingabe, der endzeitliehen Zeichenhaftigkeit und der freien Verfügbarkeit für den Sendungsauftrag Christi ersetzt. Dabei betont das Konzil, dass der Zölibat in der Kirche zwar durchweg hoch geachtet, aber zu keiner Zeit vom Wesen des Priestertums abgeleitet worden ist. Das beweist die Praxis der verheirateten Priester, die in der Urkirche üblich und bis heute in den Ostkirchen bewahrt ist. Wörtlich führt das Konzil aus:
"Die von Christus, dem Herrn, empfohlene vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, die im Ablauf der Zeiten und auch in unseren Tagen von nicht w enigen Christgläubigen gern angenommen und in lobenswerter Weise beobachtet worden ist, wurde von der Kirche in besonderer Weise für das priesterliche Leben immer sehr hoch gehalten. Sie ist nämlich zugleich ein Zeichen und ein Ansporn der Hirtenliebe und ein besonderer Quell der geistlichen Fruchtbarkeit in der Weit. Sie wird zwar nicht vom Priestertum seinem Wesen nach erfordert, wie aus der Praxis der Urkirche und aus der Tradition der Ostkirchen deutlich wird, wo es außer jenen, die mit allen Bischöfenaufgrund des Geschenkes der Gnade die Wahrung des Zölibats erwählt haben, auch höchst verdiente verheiratete Presbyter gibt. Der Zölibat hat aber eine vielfältige Übereinstimmung mit dem Priestertum. Die Sendung des Priesters widmet sich nämlich vollständig dem Dienst an der neuen M enschheit, die Christus, der Sieger über den Tod, durch seinen Geist in derWeit erweckt und die ihren Ursprung ,nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott' (Joh 1, 13) hat. Durch die Jungfräulichkeit aber bzw. den um des Himmelreicheswillen bewahrten Zölibat werden die Presbyter in einer neuen und außerordentlichen Weise Christus geweiht. hangen ihm leichter mit ungeteiltem Herzen an, widmen sich freier in Ihm und durch Ihn dem Dienst an Gott und den Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der von oben kommenden Wiedergeburt und werden so geeigneter, die Vaterschaft in Christus umfassender zu empfangen. Auf diese Weise also bekennen sie vor den Menschen, dass sie sich ungeteilt dem ihnen anvertrauten Amt widmen wollen, nämlich die Gläubigen mit einem Manne zu vermählen und sie als keusche Jungfrau Christus darzubieten, und rufen so jenen geheimnisvollen Ehebund in Erinnerung, der von Gott begründet ist und in Zukunft voll offenkundig werden soll, in dem die Kirche als einzigen Bräutigam Christus hat. Überdies w erden sie zum lebendigen Zeichen jener durch den Glauben und die Liebe schon gegenwärtigen künftigen Weit, in der die Kinder der Auferstehung weder heiraten noch geheiratet w erden. Da diese Überlegungen im Mysterium Christi und seiner Sendung begründet sind, wurde der Zölibat, der früher den Priestern empfohlen wurde, später in der lateinischen Kirche allen, die zur heiligen Weihe befördert werden sollten, durch das Gesetz auferlegt. Diese Gesetzgebung bestätigt und bekräftigt, was diejenigen betrifft, die zum Presbyterat bestimmt werden, diese Hoch heilige Synode wiederum, indem sie im Geist darauf vertraut, dass das Geschenk des Zölibats, das dem Priestertum des Neuen Testamentes so angemessen ist, vom Vater großzügig gegeben wird ... "(PO 16).
Das II. Vatikanische Konzil hat argumentativ nahezu alles aufgeboten, um die zölibatäre Lebenswe ise mit d em Presbyterat theologisch zu verbinden und beides a ls gegenseitige Stütz e z u kon zipi eren. Der Zölibat wird in Superlativen geschildert und in fast exklusiver Weise als Zeic hen und A usdruc k für die Grundwahrheiten d es Gl aubens bewertet. Hier scheinen die Konz il sväter au s dem Blick verloren z u haben, d ass auc h de r Lebensform d er Ehe zeic h en hafter Charakter für den Glauben zukommt, dass die Ehe unter zwei Getauften Sakrament für die unverbrüchliche Treue Christi zu seiner Kirche ist und dass a uc h die e helic he Treue "ein Vo llzug der Ent ha ltsamke it ist, zwar anders, aber
gehört nicht zum Wesen des Priestertums
Hi rtenliebe und geist! iche Fruchtbarkeit in der Weit
Dienst an der neuen Menschheit
um des Himmelreiches wi Iien ungeteiltes Herz
geheimnisvoller Ehebund
Geschenk des Zölibats
gegenseitige Stütze
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freies Charisma und kirchliches Gesetz
fehlende Begründung für den Diakonat
mit der gleichen Qualität wie die Keuschheit der Ehelosigkeit" ([196] 504). Die Symbolik des Zölibats wird so ausgemalt, dass fast der Eindruck entsteht, "als würde nicht das presbyterale Sakrament die zölibatäre Lebensform anz iehen, sondern umgekehrt: als stünde das ,Sakrament' des Zölibats im Zentrum, um aus diesem heraus die presbyteral e Existenz zu entwerfen" ([1 96] 504). Von daher erklärt sich auch das Bemühen des Konz ils, die Quadratur des Kreises zu schaffen, nämlich die zöl ibatäre Lebensform "als freies Charisma und kirchliches Gesetz zusammen zu binden" ([196] 504). Daher wird auch heute noch zu Recht gefordert, "sich der Realität [zu] stellen, dass für etliche zum Priesteramt Berufene diese Berufung wichtiger erscheint als das Charisma zur Ehelosigkeit und dass sie deshalb als Gesetz auf sich nehmen, was als freies Charisma fiktional isiert wird. Die Bedingung des Chari smas für das Presbyteramt wird dann als Gesetz erfahren" ([196]512, Anm. 306) . So ausführlich in Presbyterorum ordinisdie Angemessenheit der zölibatären Lebensweise für das amtliche Priestertum betont und theologisch entfaltet wird, so mangelhaft geschieht das für den Diakonat, ja fehlt für diesen kom-
plett. Die Konzilsväter begnügen sich nämlich damit- nicht im Kontext mit dem Presbyterat, sondern an ganz anderer Stelle-, ledig! ich die Feststellung zu treffen, dass für die (Ständigen) Diakone " das Gesetz des Zölibats in Kraft bleiben muss" (LG 29, 2). Diese Vergehensweise ist nicht ganz unproblematisch. Denn da in Presbyterorum ordinis der argumentative Schlüssel für den Zölibat in dessen Angemessen heit für den Presbyterat I iegt, stellt sich die Frage: 11 Aus welchem theologischem Grunde unterliegt ein Diakon der Zölibatspflicht?" ([12]461) .
6.3 Rechtspflicht umdes Himm elreicheswill en fürdie Kleriker imC/C/1983
absolute Freiheit des Herzens und Universalität der Liebe zu Gott
vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit
gebotene Klugheit gegenüber Personen
Ausnahmefall des Ständigen Diakonats bleibt unerwähnt
Der kirchliche Gesetzgeber unterscheidet bei der Normierung der Zölibatspflicht nicht zwischen Diakonat und Presbyterat, sondern unterwirft unterschiedslos alle Kleriker mit der gleichen Argumentation der Rechtspflicht des Zölibats. Inhaltlich hat er dies im A nschluss an die Ausführungen des Kon zils in PO 16 getan und dementsprechend auf die absolute Freiheit des H erzens und die Universalität der Liebe zu Gott als Begründung für den Pflichtzölibat abgehoben. Dazu gehört auch ein entsprechender Umgang mit jenen Personen, die die Einhaltung der Zölibatspflicht in Gefahr bringen oder Ärgernis bei den Gläubigen erregen können. Beides ist zu vermeiden: " § 1 Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Ent haltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet , der eine besondere Gabe Gottes ist durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können. §2 Die Kleriker haben sich mit der gebotenen Klugheit gegenüber Personen zu verhalten, mit denen umzugehen die Pflicht zur Bewahrung der Enthaltsamkeit in Gefahr bringen oder bei den Gläubigen Anstoß erregen könnte. §3 Dem Diözesanbischof steht es zu, darüber eingehendere Normen zu erlassen und über die Befolgung dieser Pflicht in einzelnen Fällen zu urteilen" (c.277).
Die generelle lnpflichtnahme aller Kleriker geht so weit, dass hier sogar der Ausnahmefall des verheirateten Anwärters für den Ständigen Diakonat unerwähnt bl eibt. Nicht einmal in Verweisform wird auf die Ausnahmeregelung
6. Der Zölibat als verpflichtender Ausdruck der ungeteilten Hingabe an Gott
des c.1 031 §2 hingewiesen, dass der Ständige Diakon von der Verpflichtung zum Zölibat ausgenommen ist, wenn er als Verheirateter die Diakonenweihe empfängt. Die gesetzliche Verpflichtung zum Zölibat gilt für j eden, der die Diakonenweihe empfangen hat. Dementsprechend hat der kirchliche Gesetzgeber festgelegt, dass der Weihekandidat vor der Diakonenweihe die Übernahme der Zölibatspflicht in einem vorgeschriebenen Ritus öffentlich bekundet (c. 1037) und eine schriftliche Erklärung abgibt, dass er von sich aus und frei den Empfang der Weihe erbittet (c.1 036). Die Übernahme der Zölibatspflicht "in einem rituellen Akt soll dem Weihebewerber vor allem die Bedeutung der künftigen Verpflichtung bewusst machen. Die Zölibatspflicht selbst entsteht nicht durch diesen rituellen Akt, auch wenn der Ritus Anklänge an ein Versprechen/Gelübde erkennen lässt bzw. so aufgefasst wird (der entsprechende Textteil hat die Überschrift ,das Zölibatsversprechen'. Die Formel lautet: ,Seid ihr bereit .. ., den Zölibat auf euch zu nehmen ... ?' Die Antwort lautet: ,Ich bin bereit.'). Die Zölibatspflicht entsteht durch Gesetz, und zwar mit der Diakonenweihe und von da an. W er nach der Weihe die Zölibatspflicht verletzt, begeht keinen Versprechens- oder Gelübdebruch, sondern (unbeschadet der Sündhaftigkeit des Tuns) eine Gesetzesverl etzung" ([198] 4). Von der mit dem Empfang der Diakonenweihe geltenden Pflicht zur Einhaltung des Zölibats kann einzig und allein der Papst befreien. Dies gilt auch für den Fall der Entlassung aus dem Klerikerstand, der den Verlust aller Rechte und Pflichten des Klerikerstandes nach sich zieht mit Ausnahme der Zölibatspflicht, so dass die Befreiung von der Zölibatspflicht in einem eigenen Akt beantragt und nur vom Papst gewährt werden kann (c.291 ).
Ritus
Anklänge an ein Versprechen/Gelübde
Gesetzesverletzung
Befreiung von der Zölibatspflicht
Um die Zölibatspflicht zu schützen, ist die Ehe ein Weihehi ndernis (c.1042 n.1 ), von dem nur der Ständige Diakon ausgenommen ist (c.1 031 §2), und die Weihe ein Ehehindernis (c.1 087). Ferner ist die (versuchte) Eheschließung eines Klerikers ein Amtsenthebungsgrund (c.194 §1 n.3) und führt zur Irregularität (cc.1 041f.). Und die Verletzung der Zölibatspflicht kann in bestimmten Fällen zu einem kirchlichen Straftatbestand werden . Das ist bei der Eheschließung ei nes Klerikers der Fall, bei einem eheähnlichen Verhältnis oder bei ei ner anderen äußeren Sünde gegen das sechste Gebot. Die dafür vorgesehenen Strafen können bis zur Entlassung aus dem Klerikerstand reichen (cc.1394f.). eingeschränkt e PflichtimCCE0/1990 6.4 AufdieBischöfe Die Entwicklung zur Zölibatsvorschrift wurde von den Ostkirchen nicht in gleicher W eise wie in der Westkirche vollzogen. Bis heute gilt in all en Ostkirchen, also auch in den katholischen Ostkirchen, dass die Pflicht zur Ehelosigkeit nur für die Inhaber des Bischofsamtes verlangt wird (vgl. c.180 n.3 CCEO), auch wenn der Zölibat für alle Kleriker sehr hoch zu schätzen ist. So heißt es in c.373 CCEO : ,.Der Zölibat der Kleriker, um des Himmelreiches willen gewählt und dem Priestertum sehr angemessen, ist überall sehr hoch zu schätzen, so wie es Tradition der Kirche ist; ebenso ist der Stand der verheirateten Kleriker, der in der Praxis der jungen Kirche und der orientalischen Kirchen durch die Jahrhunderte bestätigt ist, in Ehren zu halten."
andere Rege lung in den Ostkirchen
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation menschliches Einwirken
Zu allen Zeiten und in fast allen Kulturen gab und gibt es das Phänomen, dass der Ablauf einer Schwangerschaft durch menschliches Einwirken vorzeitig beendet wird und dadurch nicht zu seinem natürlichen Ziel gelangt, dass ein lebender und lebensfähiger Mensch geboren wird. Ebenso wurde und wird diese Tatsache sehr unterschiedlich bewertet; für die einen ist es das Entfernen eines "Zellklumpens", für die anderen das Töten eines ungeborenen Menschen. Die katholische Kirche verwendet für diesen menschlichen Eingriff in die Schwangersc haft seit jeher den Begriff der "Abtreibung" , die sie strikt verurteilt und im CIC/1983 in die Strafbestimmung gekl eidet hat: "Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu" (c.1398 CIC).
Anfragen
Kurz und bündig, wie diese Strafbestimmung ist, löst sie in der kirchlichen Öffentlichkeit oft verständnisl ose bis fassun gslose Anfragen aus wie z. B.: W erden in der katholisc hen Kirche tatsächlich nur die Personen bestraft, die die Abtreibungstat direkt ausüben, während alle anderen, die zwar die Tat nicht selbst ausführen, wohl aber zur Tat raten oder gar drängen, unbestraft bleiben? Und wird die abtreibende Frau wirklich -wie aus dem Wortlaut hervorgeht- ohne Wenn und Aber, ohne Rücksicht auf ihre persönliche Situation bestraft? Unterscheidet die katholische Kirche hier nicht, ob z. B. ein 14-jähriges Mädchen in Panik abtreibt oder ob das eine 30-jährige Frau nac h reiflicher Überlegung tut? Wird überhaupt nicht Rücksicht darauf genommen, ob Furcht oder eine Notsituation im Spiel war?
Tötun g derunreifen Leibesfrucht nach derEmpf ängnisals 7. 7 }edwede kirchliche Straftat
Austreibung
Kind als Leibesfrucht
unreif, (noch) nicht reif
W as genau unter " Abtreibung" als Straftatbestand zu verstehen ist, wurde erstmals im 16. Jahrhundert genau festgelegt. D er damalige Papst Sixtus V. (1585-1590) legte in der Konstitution Effrenatam ([205]) als Definition vor: der(noch)unreifen Lebensfrucht (lat.: eiectio Abtreibung ist die Austreibung immaturi foetus). - eiectio heißt wörtlich übersetzt Austreibung und meint hier die durch einen M enschen künstlich herbeigeführte Austreibung des Fötu s aus dem Mutterschoß. - foetus meint im Z usammenhang mit der menschlichen Fortpflanzung die Leibesfrucht bzw. das Kindals Leibesfrucht oder das Kindim Mutterleib und setzt definitionsgemäß einen Zeugungsakt voraus. Der Tatbestand der Austreibung kann also erst nach der Keimkernverschmelzung vorgenommen w erden. - immaturus bedeutet unreif, (noch) nicht reifund w ird in eine zw eifache Richtung ausgedeutet. Z um einen besagt es, dass die Leibesfrucht lebt und nicht etw a (schon) tot ist, zum anderen, dass die lebende Leibesfrucht (noch) nicht außerhalb des Mutterleibes alleine lebensfähig ist; die selbstständige Lebensfähigkeit nimmt man heute mit dem Erreichen der 23. Schwangerschaftswoche an.
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
Diese Definition wurde in der katholischen Kirche bis zum Jahr 1988 beibehalten, liegt also der entsprechenden Strafbestimmung sowohl des CIC/1917 als auch des CIC/ 1983 zugrunde. Das war insofern zunehmend problematisch, als sich die Abtreibungsmethoden allmählich grundsätzlich veränderten . Wurde zur Zeit von Papst Sixtus V. das lebende Kind künstlich ausgetrieben, wird seit dem 19. Jahrhundert das Kind zunächst im Mutterleib künstlich getötet und dann ausgetrieben oder operativ entfernt. Mit dem Aufkommen dieser modernen Abtreibungsmethoden ist die Frage entstanden, unter welchen kirchenrechtlichen Straftatbestand die dadurch erfolgte Abtreibung einzuordnen ist. Sinngemäß handelt es sich hierbei eindeutig um Abtreibungstechniken. Doch für die Anwendung eines kirchlichen Strafgesetzes rei cht der sinngemäße Gehalt nicht aus; denn Strafgesetze unterli egen der engen Interpretation (c.1 8 CIC/1983), müssen und dürfen also nur dem genauen Wortlaut entsprechend angew endet werden. Und dem genauen Wortlaut nach sind diese modernen Abtreibungstechniken keine Austreibungs-, sondern Tötungsmethoden, die deshalb nicht das Vergehen der Abtreibung (c.1398), sondern das der Tötung (c.1397) erfüllen. Dieses Zuordnungsproblem ist insofern von strafrechtlicher Bedeutung, als der kirchliche Gesetzgeber das Tötungsdelikt mit einer anderen Strafe ahndet als die Abtreibung; ist für die Abtreibung die Tatstrafe der Exkommunikation vorgesehen, wird die Tötung lediglich mit einer der Schwere der Straftat entsprechenden Spruchstrafe des c.1336 bedroht (c.1397 CIC/1983). Angesichts der modernen chemischen und chirurgischen Abtreibungsmethoden, die nicht von der sixtinischen D efinition der Abtreibung als Austreibung der lebenden Leibesfrucht erfasst werden, w ar es mehr als nur begrüßenswert, dass immer nachdrücklicher eine neue Definition der Abtreibun g gefordert wurde. Obwohl diese Forderung schon zur Geltungszeit des CIC/ 191 7 vertreten wurde, erfolgte dennoch erst 1988 eine Art Neudefinition von Abtreibung, ausgelöst durch folgende Anfrage an die PCI :
Problem mit den modernen Abtreibungsmethoden
Tötungsmethoden
andere Strafe
Ruf nach einerneuen Definition
"Z[weifel]. - Ist unter der Abtreibung, von der c.1398 handelt, nur das Ausstoßen der unreifen Leibesfrucht zu verstehen oder auch die Tötung der Leibesfrucht, die auf irgendeine Weise und zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Empfängnis herbeigeführt wird? A[ntwort].- Verneinend zum ersten Teil; zustimmend zum zweiten " ([9/Bd. 1]23).
Mit dieser vorgelegten Frage und deren Beantwortung gilt nun seit 1988 in der katholischen Kirche, dass unter Abtreibung gemäß c.1398 jede Tötung der unreifen Leibesfru cht zu verstehen ist, unabhängig davon, auf welche Art und zu w elchem Zeitpunkt nach der Empfängnis diese vorgenommen w ird. Ferner ist zu beachten, dass es keine Rolle spielt, ob die Tötung innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes erfolgt. Denn eine Einschränkung auf die Tötung im Mutterleib ist w eder bei der A nfrage noch bei ihrer Beantwortung vorgenommen worden. Deshalb ist fortan auch die sog. "verbrauchende"(= Embryonen tötende) Forschung mit einem künstlich gezeugten mensc hlichen Embryo als Straftatbestand der Abtreibung des c. 1398 zu bewerten. Z u wünschen bleibt aber immer noch, dass diese klare Begriffsbestimmung des Straftatbestandes der Abtreibung nun auch möglichst bald ins kirchliche Gesetzbuch selbst eingetragen wird. Sie könnte in c. 1398 CIC folgendermaßen vorgenommen w erden :
jede Tötung der unreifen Leibesfrucht
innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes
klare Begriffsbestimmung des Straftatbestandes
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
"Wer eine Abtreibung vornimmt, dasistdie Tötungdes ungebo renenKindesnach der Keimzellkernve rschmelzung,zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu."
Weiterdenken gegen sprachliche Verharmlosung
gegen spitzfindige Differenzierungen
Signalfunktion
Weiterdenken sprachliche Verschiebung
Nidationskriterium
ln dieser vorgeschlagenen Neuformulierung des c.1398 könnte anstelle des Ausdrucks ungeborenes Kindauch der lateinische Begriff foetusbeibehalten werden; allerdings trägt dieser die Tendenz der sprachlichen Verharmlosung in sich, insofern foetusgerne als eine Art Vorstufe zum Kind bzw. Mensch verstanden wird. Der Ausdruck Leibesfrucht sollte dagegen vermieden werden, damit nicht eine neue Diskussion darüber entsteht, ob man von Leibesfrucht auch außerhalb des Mutterleibes sprechen kann oder nicht Der medizinische Begriff Keim zellkernve rschmel zung ist gezielt dem naheliegenderen und leichter verständlicheren Ausdruck Empf ängni s bew usst vorgezogen w orden, um auch hier keinerlei Raum für spitzfindige Differenzierungen zu lassen, z.B in der Form, dass ein künstlich gezeugtes Kind nicht im klassischen Sinn empfangen sei. Einer solchen im Gesetzestext selbst eingetragenen Präzisierung wohnt eine wichti ge Signalfunktion inn e; sie m acht mit N achdruck d ie Sc hutzwürdigkeit wi e auc h die Sc hutzbedürft igkeit d es ungeborenen M enschen v om ersten Zeitpunkt seiner Existenz an deutlich, die beide zu den zentralen Anliegen der katholischen Kirche gehören und auf die mehr denn je eindringlich zu verweisen ist. Im deutschen Strafrecht wird nicht der Begriff Abtreibung verwendet. sondern Schw angerschaftsabbruch (§218 StGB). Hier hat im deutschen Strafgesetzbuch eine bemerkensw erte sprachliche Verschiebung stattgefund en: Aus der Tötung derLeibesfr ucht (Reichsstrafgesetzbuch von 1871) wurde in der nationalsozialistischen Zeit die Abtötung und in den 1970er Jahren schließlich der Schwangerschaftsabbruch, gelegentlich sogar die Schwangerschaftsu nterbrechung ([207]1 46-148}. Im Unterschied zum kirchlichen Strafrecht ist im Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland seit 1976 auch klar geregelt: "Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eint ritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes" (§21 8 StGB) Das hier genannte Nidationskriterium beinhaltet die zeit liche Einschränkung, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtlich (nicht: moralisch) erst dann relevant ist, w enn er nach Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutter erfolgt ist Somit fallen alle Eingriffe vor der abgeschlossenen Einnistung wie z. B. die Anwendung einer Intrauterinspirale oder einer sog. " Pille danach" für den welt lichen Gesetzgeber nicht unter die strafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs.
7.2 Erfol g undVorsatz als Voraussetzungen fürdie Strafbarkeit
tatsächlich erfolgt
Strafrechtlich relevant wird die Abtreibungstat als Tötung des ungeborenen Kindes erst, wenn sie die zwei Kriterien des Vorsatzes und Erfolges erfüllt. Erfolgr eiche Abtreibung m eint die vollendete bzw. tatsächlic h erfolgte Abtreibun g. Dies bringt d er Gesetzgeber durc h die Wendung " bei erfol gter Wirkung" z um Au sdruck. D as Strafbarkeitskriterium d er erfol greic hen bzw. vollendeten Straftat ergibt im Umkehrschluss, d ass die versuc hte, aber aus irgendwelchen Gründen nic ht z um Ziel gelangte Abtreibungstat kirchlic h nicht bestraft wird. Das Kriterium der vorsätzlichen Abtreibung wird im Gesetzestext mit dem Verb "vornehmen " z um Ausdruck gebracht. Vorsät zliche Abtreibung besagt, dass die Abtreibungstat mit bewu sster Absic ht begangen,
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
also sowohl im Wissen um die Gesetzwidrigkeit bzw. Tragw eite der HandJung als auch mit dem (freien) Willen zur Verwirklichung des rechtswidrigen Erfolgs vorgenommen wird, und nicht etwa nur befürchtet, in Kauf genommen wird (z. B. als Folge, aber nicht als direktes Mittel zur Rettung der Mutter) oder sekundäre Folge einer anderen Tat ist (z. B. körperliche oder seelische Misshandlung). Das Strafbarkeitserfordernis des Vorsatzes schließt im Umkehrschluss die Fahrlässigkeit als Strafgrund aus. Würde also beispielsweise im Zusammenhang eines operativen Eingriffs die gebotene Sorgfalt unterlassen, die zum Tod oder zur Ausspülung des ungeborenen Kindes führt, zieht sich der/die Betreffende nicht die Tatstrafe der Exkommunikation wegen fahrlässiger Abtreibung zu.
bewusste Absicht
7.3 Gleiche Strafandrohung für wesentliche Tatbeteiligung in moralischer oder physischer Weise Im kirchlichen Strafrecht gilt der Grundsatz, dass die Mitwirkung an einer Straftat genauso geahndet wird wie die Straftat selbst, sofern diese Mitwirkung wesentlich für das Zustandekommen der Straftat ist bzw. war. Die w esentliche Mitwirkung an der Straftat ist also mit der gleichen Strafe belegt wie die Straftat selbst, so dass wesentliche Tatbeteiligte genauso bestraft w erden wie die Täterinnen selbst (c.1 329 CIC). Als Täterinnen im eigentlichen Sinn kommen die schwangere Frau und die ärztliche Person, die die Abtreibung vornimmt, in Frage; wesentliche Tatbeteiligte können moralisch Tatbeteiligte sein, die durch ihren w esentlichen Einfluss die schwangere Frau zur Abtreibung veranlasst haben (z. B. der biologische Vater des ungeborenen Kindes, die Eitern der schwangeren Frau, aber auch andere Angehörige, Freunde und Freundinnen bis hin z ur/zum professionellen Beraterln, die/der im Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung nicht nach den gesetzlichen Vorgaben berät) oder physisch Tatbeteiligte (z. B. die bei der Operation assistierenden Ärztinnen und Krankenpflegende). ln der Liste der möglichen Tatbeteiligten wird am meisten über die Funktion der beratenden Person nachgedacht, die im Z usammenhang mit der vom w eltlichen Strafrecht vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfl iktberatung tätig ist. Wann wird ihre Tätigkeit zu einer wesentlichen Tatbeteiligung? Reicht hierfür bereits die Tatsache aus, einen Beratungsschein ausgestellt zu haben, wenn im Anschluss an die Beratung eine Abtreibung vorgenommen wird?
wesentlich für das Zustandekommen
moralisch Tatbeteiligte
physisch Tatbeteiligte
beratende Person
7.4 Oie Diskussion über die Schwangerschaftskonfliktberatung als Tatbeteiligung Im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz wird seit der letzten Reform der weltlichen Strafregelung des Schwangerschaftsabbruchs im Jahr 1995 heftig diskutiert, ob die katholische Kirche als Institution und einzelne ihrer Mitglieder weiterhin im staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung mitwirken können. Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist im deutschen Strafrecht seit 1976 fest verankert. Sie wurde aus der Erkenntnis heraus eingeführt, dass die Strafdrohung allein kein wirksames Mittel zum Schutz des ungeborenen Kindes darstellt und deshalb um eine Pflichtberatung zu ergän zen ist, in der positive Hilfen zur Fortsetzung der Schwangerschaft aufgezeigt werden sollen.
heftige Diskussionen
Pflichtberatung als Ergänzung zur reinen Strafdrohung
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
konfessionell geprägte Beratungsstellen
Caritas und des Sozialdienstes katholischer Frauen
geänderter Steilenwert der Beratung
geänderter Inhalt der Beratung
zielgerichtete und ergebnisoffene Beratung
Brief von Papst johannes Paul II. (1998)
Zweideutigkeit des Beratungsscheines
Institution Kirche
Da diese vom weltlichen Gesetzgeber vorgeschriebene Pflichtberatung einen wichtigen Dienst sowohl für die in Not geratene schwangere Frau wie auch für das ungeborene Kind darstellt, haben auch die evangelische und katholische Kirche von Anfang an eigene, konfessionell geprägte Beratungsstellen eingerichtet, in denen diese Pflichtberatung von jeder Frau wahrgenommen werden kann. Im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz sind im Laufe der Zeit ca. 260 kirchliche Beratungsstellen - meist im Rahmen der Caritas und des Sozialdienstes katholischer Frauen - aufgebaut worden, in denen dieser Beratungsdienst angeboten wird. Doch im Zusammenhang mit der Neufassung der deutschen Abtreibungsregelung von 1995 sind immer wieder Stimmen laut geworden, die einen Rückzug der Kirche mit den ihr zugeordneten Beratungsstellen der Caritas und des Sozialdienstes katholischer Frauen(= SkF)- umgangssprachlich einfach, aber missverständlich als kirchliche Beratungsstellen bezeichnet ([149] 287f.)- aus dem staatlichen Beratungs-System gefordert haben, um nicht in irgendeiner Form mit der nach §218a StGB straffreien Tötung ungeborener Kinder in Verbindung zu stehen. Ursache dafür ist die Tatsache, dass sich der Stellenwert der Beratung in strafrechtlicher Hinsicht grundlegend geändert hat. War sie im Strafgesetzbuch von 1976 nur eine )lankierende" Maßnahme zur Strafandrohung, ist sie seit der Neufassung der §§218 und 219 StGB eine von drei Bedingungen (Beratung, ärztliche Durchführung und Dreimonatsfrist), um trotz vorgenommenen Schwangerschaftsabbruchs straffrei zu bleiben. Zusammen mit dem geänderten Stellenwert ist auch der Inhalt der Beratung neu gefasst worden . W ar die Beratung im Strafgesetzbuch von 1976 lediglich als Information über Hilfsmittel zur Fortsetzung der Schwangerschaft konzipiert (§219 StGB i. d. F. 1976), ist sie nun grundlegend umgestaltet worden zu einer Beratung zugunsten des ungeborenen Kindes (§2 19 StGB i. d. F. 1995). Die zwei maßgeblichen Stichworte dieser neuen Beratungskonzeption lauten: z ielgerichtet (auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes) und zugleich ergebnisoffen (da das Festlegen des Beratungsinhaltes bzw. -zieles definitionsgemäß noch nichts über das Ergebnis der Beratung aussagt und auch nicht aussagen kann). Die Diskussion um die (Nicht-)Beteiligung der Kirche an der staatlichen Pflichtberatung zugunsten des ungeborenen Kindes, die neben der Dreimonatsfrist und der ärztlichen Durchführung die dritte Bedingung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch darstellt, beschäftigt die katholische Kirche in Deutschland bis heute. Ausschlaggebend dafür ist ei n Brief von Papstjohannes Paulll., der aus dem Jahr 1998 stammt und eine Schlüsselstellung in der Diskussion einnimmt. Dieser Brief ist an die deutschen Bischöfe gerichtet und enthält die eindringliche Bitte des Papstes, die deutschen Bischöfe mögen dafür sorgen, dass in den "kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen" künftig keine Beratungsscheine mehr ausgestellt werden . Denn diesen Beratungsscheinen haftet eine Zweideutigkeit an, insofern sie einerseits eine Beratung zugunsten des Lebensrechtes des ungeborenen Kindes dokumentieren, andererseits aber zugleich neben anderen Bedingungen zur Straffreiheit ei ner Abtreibungstat führen . Diese Bitte, keine Beratungsnachweise mehr auszustellen, ist gleich bedeutend mit einem Rückzug der Institution Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung. Für den Papst wird dadurch das kirchliche Zeugnis
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
für den Schutz des ungeborenen Kindes glaubwürdiger, weil entschiedener und von keiner Zweideutigkeit verdunkelt ([202]; [203]; [204]). Die deutschen Bischöfe kamen dieser Bitte nach, wenn auch teilweise mit etlicher Verzögerung. Jedenfalls gibt es seit dem Frühjahr 2002 keine der katholischen Kirche zugeordnete Beratungsstelle mehr, die die besagten Beratungsscheine ausstellt. Dadurch soll vermieden werden, dass die Institution der katholischen Kirche in irgendeiner Form mit der nach §218a StGB straffreien Tötung ungeborener Kinder in Verbindung gebracht werden kann. Die dadurch entstandene Lücke wollen eine Reihe von Katholikinnen schließen und setzen sich dafür ein, dass es dennoch weiterhin ein konfessionell katholisch geprägtes Beratungsangebot mit der entsprechenden schriftlichen Bestätigung im staatlichen Konfliktberatungssystem gibt. D enn so sehr sie mit dem Papst im Grundsätzlichen übereinstimmen, nämlich dass gegen die Abtreibung vorgegangen werden muss, weil Abtreibung Tötung eines ungeborenen Kindes und deshalb eine Straftat ist, so sind sie ebenso fest davon überzeugt- aber das nun anders als der Papst-, dass nur mit der Aussicht auf einen Beratungsschein auch noch viele der bereits abtreibungswilligen oder gar abtreibungsentschlossenen Frauen in die Beratung kommen. Und das wiederum ist eine zentra le Gelegenheit, mit diesen Frauen persönlich in Kontakt zu kommen und sich mit ihnen zusammen um eine bessere Lösung als die Abtreibung zu bemühen. Diese Gelegenheit wahrzunehmen ist für diese Katholikinnen ein wichtiger Einsatz für das Lebensrecht des ungeborenen M enschen, den sie sicherstellen möchten. Deshalb haben sie zur wirksameren Umsetzu ng ihrer gemeinsamen Bemühung 1999 den nach weltlichem Recht verfassten Verein Donum Vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens e. V gegründet. Die Beratung in der Trägerschaft dieses Vereins Donum Vitae, die mit dem nach weltlichem Strafrecht vorgesehenen Beratungsnachweis bestätigt wird, versteht sich als konfessionell katholisch, zielgerichtet auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und im Beratungsprozess ergebnisoffen; sie erfolgt aus christlicher Verantwortung, aber nicht mit kirchenamtlicher Anerkennung, also nicht im Namen und Auftrag der Kirche ([199]). Daher sind sowohl Donum Vitae als auch die Beratungsstellen dieses Vereins weder als " kirchliche" noch als "der Kirche z ugeordnete" Beratungsstellen zu charakterisieren, wohl aber als Beratungsstellen in der katholischen Kirche. Die kirchliche Berechtigung für diese Vereinsinitiative von Katholikinnen li egt in der Tatsache, dass die "päpstlichen W eisungen zur Beratung von Frauen in Not .. . nur eine ,institutionelle Mitwirkung' [untersagenL durch welche die Kirche selbst und zwar als Institution belastet wird" ([215] 108). Nicht davon betroffen sind dagegen Beratungsstellen, die weder kirchlich verfasst noch kirchenamtlich anerkannt sind. Denn in der Kirche kann es auch Einrichtungen geben, die ohne kirchenamtlichen Auftrag tätig sind wie z. B. Organisationen von katholi schen Christlnnen, die nur nach w eltlichem Recht verfasst sind " und damit außerhalb der gesatzten kirchlichen Rechtsordnung existieren" ([21 5] 99). Die hier durchgeführte Beratung ist nicht anders zu beurteilen, 11 als w enn andere katholische Christen in nichtkirchlichen Beratungsstellen beraten, z. B. in einem staatlichen Gesundheitsamt oder in Beratungsstellen eines nichtkatholischen Trägers" ([215] 105). Dennoch wird bis heute das Ausstellen des Beratungsnachweises von katholischen Beraterinnen gelegentlich als w esentliche Tatbeteiligung an der Ab-
Bischöfe lassen in den ihnen zugeordneten Beratungsstellen keinen Schein mehr ausstellen
konfessionelle Lücke im staatlichen Konfl ikberatungssystem Übereinstimmung im Gru ndsätzlichen
Vereinsgründung von Don um Vitae
nicht im Namen und Auftrag der Kirche, aber in der Kirche tätig
weder kirchlich verfasst noch ki rehenamtlich anerkannt
wesentliche Tatbeteiligung an der Abtreibung?
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
institutionelle Mitwirkung
Pflicht, für das Leben des ungeborenen Kindes einzutreten
Kein Verein außerhalb der Kirche, sondern ein kirchlicher Verein gemäß c.21 5
treibung betrachtet, dann nämlich, w enn die beratene Frau anschließend eine Abtreibung vornimmt bzw. vornehmen lässt, die nach deutschem Recht straffrei ist, sofern sie nach dieser Beratung zugunsten des Lebensrechtes des ungeborenen Kindes innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate von einer ärztlichen Person durchgeführt wird. Zumindest zwei Aspekte sprechen gegen diese Interpretation: a) ln allen Schreiben des Apostolischen Stuhles wird nur die institutionelle Mitwirkung der Kirche problematisiert, nicht aber das Handeln der einzelnen katholischen Christinnen beim Ausstellen des Beratungsscheines. Durch dessen Zweideutigkeit, sowohl Nachweis einer dem Leben dienenden Beratung zu sein als auch Hilfsmittel zu einer straffreien Abtreibung, steht die Glaubwürdigkeit der Kirche als Institution in Frage. b) Die in der Schwangerschaftskonfliktberatung tätige Person ist nach w eltlichem Recht (§219 StGB) dazu verpflichtet, für das Leben des ungeborenen Kindes einzutreten, also mit allen Mitteln der Beratung zu versuchen, die Abtreibungstat zu verhindern. Das ist das Gegenteil von einer (materiellen oder formellen ) Mitwirkung an der Tötung eines unschuldigen Menschen. Die Tatsache, dass die Beratung ergebnisoffen geschieht, dass also die Entscheidung der schwangeren Frau gegen das ungeborene Kind und für die Abtreibung von der Beraterin in Kauf genommen wird, ist sprachlich und sachlich etwas vollkommen anderes als an einer Abtreibungstat mitzuwirken, geschweige denn willentlich und vorsätzlich daran mitzuwirken. Auch wenn die Beratungstätigkeit in der Verantwortung von Donum Vitae unter institutioneller Perspektive als nicht kirchlich- im Sinne von nicht kirchenamtlich anerkannt bzw. nicht der Kirche (sc. in ihrer institutionellen Verfasstheit) z ugeordnet- zu betrachten ist, kann Donum Vitae ni cht einfach als ein Verein "außerhalb der katholischen Kirche" bezeichnet werden, wie das die deutschen Bischöfe 2006 in einer offiziellen Erklärung dargelegt haben ([200]). Nach dem Recht der katholischen Kirche ist Donum Vitae vielmehr als ein Verein zu qualifizieren, der von Katholikinnen unter Berufung auf ihre Taufsendung und Taufverantwortung zum caritativen Zweck des Schutzes des ungeborenen Lebens und "zur Förderun g der christlichen Berufun g in der W elt" (c.21 5 CIC) in diesem Bereich des vorgeburtlichen Lebens gegründet worden ist und tätig ist ([149] 316- 322). Daran ändert auc h die Tatsache nichts, dass die Vereinsstrukturen nach weltlichem Recht als ein "eingetragener Verein (= e. V.)" gestaltet sind. Denn weltliches und kirchliches Vereinsrecht stehen in keiner Wechselbeziehung.
7.5 Straffreistellungsgründe trotz Vorsatz und Erfolg trotz Vorsatzes und Erfolges
Im Fall e einer vorsätzlich und erfolgreich verübten Abtreibungstat ist zu prüfen, ob einer der im kirchlichen Strafrecht normierten Straffreistellungs- oder Strafmilderungsgründe (c.1323 f. CIC) zutrifft. Hierbei ist zu beachten, dass im Falle einer Tatstrafe, wie sie bei der Abtreibungstat angedroht ist, die Strafmilderungsgründe wie Straffreistellungsgründe wirken (c.1324 §3 CIC). D emnach wird nach kirchlichem Recht einer w esentlich an der Abtreibungstat beteiligten Person trotz Vorsatzes und Erfolges der Abtreibungstat Straffreiheit gew ährt, wenn einer der folgenden Gründe gegeben ist: Minderj ährigkeit, schuldloses Nichtwissen um die Strafbarkeit der Abtreibun g, Handeln aus schwerer Furcht oder aus Zwang, eine Notlage im Sinne der doppelt-vital en (=Lebensgefahr für Mutter und Kind) und einfach-vitalen in-
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
dikation (=schwere Gefahr für Leben oder körperliche Gesundheit der Mutter), mangelnde Zurechenbarkeit der Tat z. B. bei einer Abtreibung infolge einer Vergewaltigung (= kriminologische Indikation). Daher kann es durchaus vorkommen, dass z. B. eine schwangere Frau, die unter Druck abtreiben lässt, w egen des Straffreistellungsgrundes des Handeins aus Furcht und Zwang straffrei bleibt, während sich die Person, die den Druck ausübt, aber nicht selbst die Abtreibung vornimmt, als wesentliche Tatbeteiligte im moralischen Sinn die angedrohte Tatstrafe der Exkommunikation zuzieht. 7.6 DieTatstrafe derExkommunikation fürallewesentlich anderTat Beteiligten Die Höchststrafe in der katholischen Kirche ist die Exkommunikation. Sie kann als Spruchstrafe (= Urteilsstrafe) verhängt werden oder als Tatstrafe in einer ersten Stufe von selbst eintreten und in einer zweiten Stufe amtlich festgestellt werden. Ist sie amtlich festgestellt, entfaltet sie die gleichen Wirkungen wie die Exkommunikation als Spruchstrafe. a) Der Strafinhalt der Exkommunikation Wörtlich übersetzt bedeutet Exkommunikation "Ausgemeinschaftung", gemeint ist die Ausgemeinschaftung aus der katholischen Kirche. Diese AusgeAusschluss aus der kameinschaftung darf aber nicht als ein vollkommener tholischen Kirche missverstanden werden; denn ein gänzlicher Ausschluss würde in Widerspruch zu dem unverlierbaren Taufcharakter bzw. zu der mit der Taufe unverlierbar erfolgten Eingliederung in die Kirche stehen. Die Exkommunikation ist daher nic ht eine gänzliche Aus-sondern ledigli ch eine vorübergehende Absonderung von der kirchlichen Gemeinschaft, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass bestimmte Rechte und Pflichten nicht in Anspruch genommen werden können. So schließt die Exkommunikation von der Spendung und dem Empfang aller Sakramente aus sowie von der Ausübung und Wahrnehmung liturgischer und kirchlicher Ämter, Dienste und Aufgaben, wie in c.1331 CIC normiert: ,. § 1. Dem Exkommunizierten ist untersagt: 1o jeglicher Dienst bei der Feier des eucharistischen Opfers oder bei irgendwelchen anderen gottesdienstlichen Feiern; 2° Sakramente oder Sakramentalien zu spenden und Sakramente zu empfangen; 3° jedwede kirchlichen Ämter, Dienste oder Aufgaben auszuüben oder Akte der Leitungsgewalt zu setzen . §2 . W enn aber die Exkommuni kation verhä ngt oder festgestellt worden ist: 1o muss der Täter ferngehalten oder muss von der liturgischen Handlung abgesehen werden, w enn er der Vorschrift von § 1, n.1 zuw iderhandeln will, es sei denn, es steht ein schwerwiegender Grund dagegen; 2° setzt der Täter ungültig Akte der Leitungsgewalt, die gemäß § 1, n.3 unerlaubt sind; 3° ist dem Täter der Gebrauch vorher gewährter Privilegien untersagt; 4° kann der Täter gü ltig keine Würde, kein Amt und keinen anderen Dienst in der Kirche erlangen; so erwirbt der Täter die Erträge einer Würde, eines Amtes, jedw eden Dienstes, einer Pension, die er etwa in der Kirche hat, nicht zu eigen."
kein vollkommener Ausschluss
vorübergehende Absonderung
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl b) Die Formen des Strafeintritts Spruch- und Tatstrafe
Im Unterschied zum weltlichen Strafrecht kennt die katholische Kirche nicht nur die Strafform der Spruch- bzw. Urtei lsstrafe, sondern auch die der Tatstrafe. Der kirchliche Gesetzgeber hat hier folgenden Grundsatz aufgestellt: "Die Strafe ist meistens eine Spruch strafe, so dass sie den Schuldigen erst dann trifft, wenn sie verhängt ist; sie ist jedoch, wenn das Strafgesetz oder das Strafgebot dies ausdrücklich festlegt. eine Tatstrafe, so dass sie von selbst durch Begehen der Straftateintritt" (c.1314CIC)
Tatstrafe tritt von selbst ein
zweistufige Wirkweise Strafverschärfung
festgeste llte in Abhebung zur eingetretenen Tatstrafe
gleiche Wirkungen wie die Spruchstrafe
sittliche Schuld erzeugt zugleich rechtliche Wirkungen
Die Tatstrafe ist in Abhebung zur Urteils- bzw. Spruchstrafe zu sehen. Der Hauptunterschied zwischen beiden Strafarten liegt darin, dass die Urteilsstrafe von der zuständigen kirchlichen Autorität verhängt werden muss, während die Tatstrafe bereits mit Begehen der Straftat- genauer gesagt: mit Vollendung der Straftat- von selbst, d. h. ohne Eingreifen ei ner kirchlichen Autorität, eintritt. Ein weiteres Kennzeichen der Tatstrafe ist )hre z weistufige Wirkweise: Wird die mit dieser Strafe bedrohte Tat begangen, tritt mit Vollendung der Tat die Strafe ein, die der Täter an sich selbst vollziehen muss; wird darüber hinaus die Tat öffentlich bekannt, kommt es zu einer Strafverschärfung durch die Feststellung der eingetretenen Strafe durch einen Dritten bzw. den kirchlichen Richter" ([89] 715), sofern 11 die übergeordneten Interessen des kirchlichen Gemeinwohles die Herbeiführung der vollen Publizität des Strafeintrittes erforderlich erscheinen lassen" ([98] 197). Daher muss bei der Tatstrafe zwischen der nur eingetretenen bzw. nicht festgestellten und der festgestellten (nicht: verhängten) Tatstrafe unterschieden werden. Erstere gilt vorwiegend im inneren Rechtsbereich (lat.: forum internum), letztere im äußeren (lat.: forum externum) und bringt zugleich mehr Rechtseinschränkungen mit sich als die nur eingetretene, also (noch) nicht festgestellte Tatstrafe. Handelt es sich bei der Tatstrafe z. B. um die Tatstrafe der Exkommunikation, bewirkt die nur eingetretene Tatstrafe insofern noch nicht die vol len Strafwirkungen, als dem/der Exkommuni zierten led iglich untersagt, aber bei Nichtbeachtung dieses Verbotes nicht unmöglich ist, Sakramente zu spenden oder zu empfangen wie auch kirchliche Aufgaben, Dienste oder Ämter wahrzunehmen; erst bei der festgestellten Tatstrafe wird das, was untersagt ist, auch unmöglich. Denn die festgestellte Tatstrafe, die die gleichen Wirkungen hat wie die Urteils- bzw. Spruchstrafe der Exkommun ikation, führt dazu, dass der/die Exkommuni z ierte von den Sakramenten wie auch von der Wahrnehmung kirch licher Ämter, Dienste und Aufgaben ferngehalten werden muss (c.1331 CIC). Die Einrichtung der Tatstrafe wird oft als eine unsichere und unbestimmte Strafart missverstanden, weil "der spezifische Charakter der kirchlichen Tatstrafe übersehen [wird], der dari n liegt, dass sittliche Schuld zugleich rechtliche Wirkungen erzeugt. Es gi lt der Grundsatz: Die Tatstrafe bindet einen Täter sowohl im inneren wie im äußeren Bereich in dem Augenb lick, da er sich seines begangenen Deliktes bewusst geworden ist. Die Strafe tritt mit dem Bewusstwerden der eigenen Schuld und sittlichen Verantwortung ein" ([98]195f.).
7. Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation
7.7 Der Strafnachlass der Exkommunikation Wie jede Tatstrafe ist auch die Exkommunikation eine Besserungsstrafe, die nachgelassen wird, sobald der/die Betreffende von seiner/ ihrer sog. "Widersetzlichkeit" ablässt, indem er/sie die Straftat bereut und eine angemessene Wiedergutmachung der Schäden und die Behebung des Ärgernisses leistet bzw. zu leisten verspricht (vgl. c.1347 §2 i. V. m. c.1358 CIC). Diese Lossprechung von der Strafe geschieht normalerweise im äußeren Bereich (c.1355f. CIC), kann aber auch im inneren Bereich des Bußsakramentes erfolgen. Hier ist die Empfehlung der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1983 zu beachten, wonach beim Vergehen der Abtreibung für den Strafnachlass im Dringlichkeitsfall einhellig in folgender Weise verfahren wird :
Besserungsstrafe
Lossprechung
Dringlichkeitsfall
"Wenn ein Priester im Dringlichkeitsfall des c.1357 § 1 von der Exkommunikation des c.1398 wegen Abtreibung absolviert hat, wird auf den gemäß c.1357 §2 erforderlichen Rekurs an den Diözesanbischof verzichtet mit der Weisung, dass der Beichtvater selbst dem Pönitenten eine angemessene Buße und die Wiedergutmachung des etwa entstandenen Ärgernisses auferlegt" ([201] 545). Diese Empfehlung, auf den nach universalkirchlichem Recht geforderten Rekurs zu verzichten, entsprach der in vielen Diözesen bereits geübten Praxis. Bei der Veröffentlichung dieser Empfehlung der Deutschen Bischofskonferenz in den verschiedenen Amtsblättern der deutschen Diözesen wurden sowohl das Dringlichkeitskriterium als auch der Verzicht auf die Rekurspflicht näher erläutert. So wurde hinsic htlic h des Dringlic hkeitskriteriums ausgeführt:
Verzicht auf Rekurs
Dringlichkeitskriterium
"Bei einer jungen Frau nach einer Abtreibung, die sich nach schweren Gewissenskämpfen zu einer Beichte aufrafft, wird solcher Dringlichkeitsfall durchweg festzustellen sein" ([20 1] 546)
Hatte man hier den Eindruc k, dass zu einer gro ßz ügigen Auslegung des Dringlic hkeitskriteriums ermuntert wurde, sc heint die Begründung für den Verzicht auf die Rekurspflicht vor einem leichtfertigen Umgang bzw. vor einer oberflächlichen Bewertung des Abtreibungsvergehens warnen zu wollen: "Wohl ist der absolvierende Beichtvater dann gehalten, seinerseits dem Pönitenten eine der Schwere der Straf e angemessene Buße und die Wiedergutmachung des etwa entstandenen Ärgernisses aufzuerlegen. Für den dargelegten Verzicht auf den Rekurs sind allein seelsorgliche Gründe maßgebend. Pastorale Erfahrung lehrt, dass gerade beim Delikt der Abtreibung, das der Pönitent im besonderen Maß von völliger Verschwiegenheit umgeben wissen will, die Pflicht eines weiteren Rekurses blockierende Hemmungen auslöst, die selbst den BuBwilligen allzu leicht zurückschrecken lassen. Der Seelsorger wird oft genug dankbar sein, wenn er, ohne den Ernst des Delikts im Mindesten abschwächen zu w ollen, von sich aus dem Pönitenten abschließend die Aussöhnung gew ähren kann" ([201] 546 f.)
kein leichtfertiger Umgang
seelsorgliche Gründe
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
7.8 Zwischen Lebensrecht des ungeborenen Kindes und Konfliktlage der Mutter nicht die Bestrafung steht im Mittelpunkt
Hilfestellungen
Im Mittelpunkt des kirchlichen Interesses steht nicht die Bestrafung der schwangeren Frau, sondern der Lebensschutz des ungeborenen Kindes. Das wird eindrucksvoll daran deutlich, dass z. B. eine minderjährige Frau ebenso wenig unter die Strafdrohung der Exkommunikation fällt wie eine Frau, die nur auf Drängen anderer die Abtreibungstat begeht, und dass umgekehrt sich auch der zur Abtreibung drängende Kindsvater die Exkommunikation zuziehen kann. Auch und gerade die Kirche ist sich bewusst, in welche Konfliktlage eine schwangere Frau geraten kann und weiß sich daher auch verpflichtet, schwangeren Frauen nicht nur mit der Exkommunikation für Abtreibung zu drohen, sondern ihr alle erdenklichen Hilfestellungen anzubieten, angefangen von der Konfliktberatung über längerfristige Begleitung bis hin zur konkreten finanziellen Unterstützung. Das jahrelange, zähe Ringen zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Deutschen Bischofskonferenz, ob und wie eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Staat in der Frage des schriftlichen Beratungsnachweises möglich ist, hat eindrucksvoll das Bemühen gezeigt, sowohl dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes als auch der Konfliktlage der schwangeren Frau möglichst gerecht werden zu wollen. Um die hier getroffene Entscheidung der deutschen Bischöfe, dass die ihnen zugeordneten Beratungsstellen der Caritas und des Sozialdienstes katholischer Frauen keine Beratungsnachweise mehr ausstellen und somit aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung aussteigen, nicht als generellen Ausstieg aus dem Beistand und der Unterstützung für schwangere Frauen misszuverstehen, sind in allen Diözesen der Bundesrepublik Deutsch land zu den bestehenden noch weitere Hilfsfonds für schwangere Frauen eingerichtet worden.
8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zur Weihe
Erscheinung und Mentalität ist stark männlich geprägt
Entwicklu ngen
Das Verhältnis "Frauen und Katholische Kirche" ist seit Jahrhunderten und zum Teil bis heute stark belastet. So durfte z. B. noch 1959 die Mutter bei der Priesterweihe ihres Sohnes in Rom nicht den Speisesaal des dortigen Priesterseminars betreten, sondern musste sich während des Festessens an einem anderen Ort aufhalten. Und ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass die katholische Kirche auch heute noch in ihrer Erschei nung und Mentalität ebenso wie in ihrer Sprache und Spiritualität sehr stark männlich geprägt ist. Doch es gibt auch gewaltige Fortschritte, die sich seit den 1960er Jahren getan haben, etwa, dass damals noch Ministrantinnen strikt verboten waren, während sie heute zum Normalbild des Gottesdienstes gehören, oder dass es damals in den theologischen Hörsälen kaum eine Studentin gab, während es heute sogar schon Theologieprofessorinnen gibt, desgleichen Ordinariatsrätinnen und Direktorinnen katholischer Akademien. Darüber hinaus ist in vielen Bereichen der pastoralen Arbeit das Bemühen zu erkennen, all e möglichen Gremien möglichst paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen . Diese Entwicklungen sind Auswirkungen dessen, dass seit dem II. Vatikanischen Konzil auch in der katholischen Kirche die Gleichwertigkeit der Frauen anerkannt wird.
8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zur Weihe
8. 1 Der Weg zur rechtlichen Gleichwertigkeit von Frauen Frauen wurden jahrhundertelang in der katholischen Kirche nur in ihrer biologischen Funktion als Ehefrau und Mutter gesehen. Deshalb hatten sie nicht nur den Klerikern zu gehorchen, sondern auch ihren Ehemännern, und sich ganz für die Familie aufzuopfern . Jeder Versuch, die Frauen aus dieser fest gefügten Rolle zu befreien, wurde von kirchlicher Seite als widernatürlich gegeißelt. So sah Papst Pius XI. in diesem Versuch eine " Schändung des weiblichen Empfindens und der Mutterwürde, eine Umkehrung der ganzen Familienordnung, die sich zum eigenen Verderben der Frau auswirken wird" -wie er 1930 unmissverständlich in der Enzyklika Casti connubii darlegte ([216]11 3). Wie sehr die Frauen in der Zeit vor dem II. Vatikanischen Kon zil in der Kirche diskriminiert und entwürdigt w aren, zeigt eindrucksvoll ein Blick in das frühere Gesetzbuch von 1917, das immerhin bis zum 1. Advent 1983 in Kraft war. Hiernach durften z. B. Frauen im Normalfall nicht den Ministrantendienst versehen. Nur in Ausnahmefällen war er ihnen gestattet, und dann auch nur unter der Auflage, den Ministrantendienst aus der Ferne zu verrichten, ohne in irgendeiner Weise an den Altarraum heranzutreten (c.813 §2 CIC/1917). Ebenso frauenfeindlich, fast schon grotesk, waren schließlich auch die Bestimmungen, dass der Gesang von Klosterfrauen in einer Kirche oder Kapelle von einem für das Volk nicht einsehbaren Platz zu erfolgen hatte (c.1264 §2 CIC/1917), bei der Vermögensverwaltung nur Männer dem Bischof behilflich sein konnten (c.1520 §1; c.1521 §lf. CIC/1917) und nur ein Mann Antragsteller für einen Selig- und Heiligsprechungsprozess sein konnte (2004 §1 CIC/1917). Erst auf dem II. Vatikanischen Konzil ist nicht mehr von der Untero rdnun g der Frau unter den M ann und nicht mehr nur von der Berufung der Frau als Mutter die Rede, sondern von der Würde der menschlichen Person und von gleichen Rechten der Frau (vgl. GS 29; AA 9). Diese neue Sichtweise des Konzils ist auch in das kirchliche Gesetzbuch von 1983 eingegangen. Der CIC/1983 betrachtet die Frau als in jeder Hinsicht ebenbürtig mit dem Mann; dies geht kl ar aus den beiden Katalogen über die Pflichten und Rechte der Gläubigen und der Laien (cc.208-231 CIC) hervor; denn hier wird in der Regel nicht zwischen M ann und Frau unterschieden. Die Regel, dass bei den Pflichten und Rechten der Gläubigen und Laien nicht zwisehen Mann und Frau unterschieden wird, ist an einer Stelle nicht eingehalten worden. ln c.230 CIC ist geregelt, dass die Dienste des Lektorats und Akolythats lediglich Männern auf Dauer übertragen werden können (c.230 § 1), Frauen dagegen nur zeitlich begrenzt (c.230 §2). Diese Regelung ist nicht einsichtig bzw. als ein Relikt der altkodikarischen Diskriminierung der Frau zu bewerten. Theoretisch ist damit die Gleichwertigkeit der Frau weitgehend garantiert, doch praktisch und strukturell hat sich diese Tatsache noch nicht besonders effektiv niedergeschlagen. Nach wie vor ist die katholische Kirche in ihrer Erscheinungsform und Mentalität einseitig männlich ausdifferenziert: in ihrer Sprache und Spiritualität fehlt w eiterhin die weibliche Dimension; auch die Strukturen sind nach wie vor männlich geprägt, da Frauen in kirchlichen Leitungs- und Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind; bis heute gibt es nur vereinzelt Frauen in kirchlichen Leitungspositionen wie z. B. Ordi nariatsräti nnen, Seelsorgeamtsleiteri nnen, Caritasdi rektori nnen, Theologieprofessorinnen, Akademiedirektorinnen oder Leiterinnen eines katholi-
nur als Ehefrau und Mutter gesehen
Würdeder menschIichen Person
Weiterdenken
Relikt der altkodikarischen Diskrimi nierung
in kirchlichen Leitungs- und Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert
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134 IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
entgegen den Lippenbekenntnissen doch nicht gleichwertig?
sehen Büros. Hierfür können keine theologischen und auch keine kirchenrechtlichen Hindernisse verantwortlich gemacht werden . Ebenso wenig dafür, dass Frauen immer noch nur vereinzelt in kirchliche Gremien und Kommissionen berufen sowie in kirchliche Leitungspositionen ernannt werden. Kurzum: Einiges hat sich also in der Beziehungsgeschichte "Frau und Katholische Kirche" schon zum Positiven geändert, aber vieles muss sich noch zum Positiven hin wandeln. Für viele Menschen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche zählt dazu die Zulassung der Frauen zum Empfang des Weihesakraments und damit zur Ausübung des Weiheamtes. Denntrotz aller prinzipiellen Gleichstellung von Frau und Mann bleibt auch nach dem kirchlichen Gesetzbuch von 1983 die Weihe von Frauen, die Frauenordination, rechtlich ausgeschlossen. Diese Tatsache sorgt schon seit langem für Diskussionen innerhalb wie auch außerhalb der katholischen Kirche. Viele sehen darin den schlagenden Beweis dafür, dass die Frauen in der katholischen Kirche entgegen den Lippenbekenntnissen doch nicht gleichwertig sind. Deshalb werden seit einigen Jahrzehnten heftige Debatten darüber geführt, ob künftig Frauen zum Sakrament der Priesterweihe zugelassen werden können, ja zugelassen w erden müssen, oder ob der Empfang der Priesterweihe weiterhin strikt an das männliche Geschlecht gebunden bleiben muss. Außerdem wird neuerdings mit Nachdruck nach der Möglichkeit gefragt, Frauen zur Diakonatsweihe zuzulassen.
8.2 Gleichwertigkeit und die Diskussion um die Frauenordination
keine Gleichsetzung
Die Diskussion über die Öffnung des Weiheamtes für Frauen ist vielfach emotional sehr aufgeladen und zugleich inhaltlich sehr komplex. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Thematik setzt voraus, die Frage nach der Zulassung von Frauen zum Weiheamt nicht einfach hin mit der Gleichwertigkeitsfrage gleichzusetzen. Natürlich hängen beide Fragen miteinander zusammen, aber jede der beiden umfasst zugleich mehr: Die Gleichwertigkeitsfrage umfasst mehr als nur die Zulassung von Frauen; zu ihr gehört ganz wesentlich auch die Frage nach einem Wandel in der bisher stark männlich geprägten Mentalität der Kirche, in der Sprache ebenso wie in der Spiritualität und in den kirchlichen Strukturen. Und auch umgekehrt gilt: Die Frage nach der Gestalt des Weiheamtes umfasst ebenfalls mehr als nur die Gleichwertigkeitsfrage. Hier sind viele weitere Aspekte zu bedenken wie die Bedeutung des Zwölferkreises, die geschichtliche Entwicklung der kirchlichen Ämter vom Zwölferkreis und Apostelkreis hin zum Amt des Bischofs, Priesters und Diakons sowie welche theologische Bedeutung hierbei dem Geschlecht zukommt. Um sich mit der wichtigen Diskussion der Frauenordination möglichst sachgerecht auseinanderzusetzen, empfiehlt es sich, zunächst die Rechtslage zu betrachten, die lehramtliche Begründung dazu zu analysieren und schließlich die Erkenntnisse der theologischen Wissenschaft in dieser Frage zu bedenken. a) Rechtslage Dreh- und Angelpunkt für die Frage nach der Frauenordination bildet die Festlegung der katholischen Kirche, dass nur ein Mann das Weihesakrament empfangen kann. Im derzeit geltenden kirchlichen Gesetzbuch ist diese Bestimmung kurz und bündig in die Worte gefasst:
8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zur Weihe
"Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann" (c.l 024 CIC) Dieser Wortlaut allein genommen ist für eine rechtliche Änderung offen. Denn hier ist von keiner "göttlichen Weisung" und damit von keinem "göttlichen Recht" die Rede, so dass c.1 024 dem menschlichen Kirchenrecht zuzuordnen ist. Allerdings ist zu beachten, dass die rechtliche Seite nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern im Kontext der lehramtliehen Verkündigung gesehen werden muss. Denn kirchenrechtliche Bestimmungen stehen nicht im theologieleeren Raum, sondern sind vielmehr Ausdruck der theologischen Überzeugungen des höchsten kirchlichen Lehramtes. Wie lautet dessen Begründung für die Nichtzulassung von Frauen zur heiligen Weihe?
Kontextder lehramtIichen Verkündigung
b) Lehramtliche Begründung Nach den Aussagen des kirchlichen Lehramtes ist nach den drei Weiheformen der Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe zu differenzieren: 1. Warum Frauen nicht zur Bischofsweihe zugelassen werden können, ist bislang weder angefragt noch lehramtlich näher erläutert worden. 2. Ob Frauen die Diakonatsweihe empfangen können, wird dagegen zurzeit heftig in Kirche und Wissenschaft diskutiert, da es bereits in der frühen Geschichte der katholischen Kirche phasenweise und regional einen Frauendiakonat mit eigenem Profil gab, da der Ständige Diakonat erst vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführt worden ist und vor allem da die Argumente für die Wiedereinführung des Ständigen Diakonats für M änner in den 1960er Jahren schon seit Längerem genau auf die heutige Situation vieler Frauen in der Kirche zutreffen: Frauen sind in Funktionen tätig, die für den Diakonat als sakramentaler Vergegenwärtigung der dienenden Grundhaltung )esu Christi und der Kirche charakteristisch sind: sie nehmen in den Gemeinden die verschiedenen Dienste der kirchlichen Liebestätigkeit wahr und haben oft auch deren Leitung inne, üben liturgische Dienste aus wie die Austeilung der Eucharisti e, die Verkündigung des Wortes Gottes sowie die Leitung von Wortgottesdiensten und Gebeten der Gläubigen. Das kirchliche Lehramt hat bisher zu dieser Diskussion noch nicht Stellung bezogen, so dass die Frage eines Frauendiakonats lehramtlieh (noch) offen ist. 3. 1m Unterschied dazu ist eine Öffnung der Priesterweih e für Frauen bereits in mehreren lehramtliehen Dokumenten klar ausgeschlossen worden. Nach deren zentralen Aussagen gründet dieser Ausschluss in keiner Weise in einer Minderbewertun g der Frau, sondern vielmehr in der unwandelbaren Identität der Priesterweihe. Denn zu dieser unwandelbaren Identität der Priesterweihe gehört es, dass die sakramentale Vergegenwärtigung )esu Christi durch den geweihten Priester an das männliche Geschlecht gebunden ist. So wurde bereits 1976 von der Kongregation für die Glaubenslehre in dem es dargelegt, dass sich die Kirche aus Treue zum Schreiben Interinsignior Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt hält, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Diese Treue zum Vorbild des Herrn hat ihre Grundlage (1 .) im Verhalten jesu Christi, nur Männerinden Zwölferkreis berufen und damit als Apostel bestellt zu haben, (2.) der Handlungsweise der Apostel, ebenso nur Männer als ihre Nachfolger ausgesucht zu haben, (3.) der dadurch
drei Weiheformen
Diakonatsweihe von Frauen
lehramtlich (noch) offen Priesterweihe für Frauen ausgeschlossen
Treue zumVorbild des Herrn
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl
keinerlei Vollmacht der Kirche
grundgelegten Tradition und (4.) der bleibenden Bedeutung dieser Praxis ([219]13-21). Diese theologische Begründung, wie sie von Kongregation für die Glaubensl ehre 1976 vorgelegt worden ist, hat Papst johannes Paul II. 1994 in dem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis noch einmal aufgegriffen und bekräftigt, ja sogar in der Formulierung noch schärfer gefasst, indem er davon spricht, dass "die Kirche keinerlei Vollmacht hat Frauen die Priesterweihe zu spenden", und indem er betont, "dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben" ([218] 6, Nr. 4). c) Theologische Reflexion
ständige Wahrheitssuche
Bedeutung des Zwölferkreises?
Gleichsetzung: die Zwölf= die Apostel =die Priester? Überbetonung des M ann-Seins jesu?
Diese Rechtslage und Lehre in der katholischen Kirche ist von allen katholischen Christinnen anzuerkennen und einzuhalten. Gleichzeitig gilt aber ebenso, dass die Suche nach der Wahrheit weitergehen muss; denn die Wahrheit ist stets größer als ihre sprachliche Fassung und deshalb prinzipiell immer der fortschreitenden Differenzierung, Erweiterung und Verti efung zugänglich. Diese Aufgabe der ständigen Wahrheitssuche kommtkraftdes Hl. Geistes allen Gliedern der Kirche zu, insbesondere aber den Theologlnnen. Die theologische Wissenschaft hat sich schon seit 1960 bis heute immer wieder intensiv mit der Lehre auseinandergesetzt, dass Frauen nicht zum Empfang der Priesterweihe zugelassen werden können. ln den zahlreichen Veröffentlichungen der Theologie zu diesem Thema werden vor allem folgende Anfragen geäußert und zur Diskussion gestellt (zum Folgenden [221] 191-201 ): 1. Ein erster kritischer Hinweis betrifft die Bedeutung des Zwölferkreises. Hier wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es bei der Berufung der Apostel nicht um die Frage von Mann und Frau geht, sondern um eine Zeichenhandlung, die sich auf die zwölf Stämme des Volkes Israel bezieht. Die zwölf von jesus ausgewählten Männer stehen für die neuen Stammväter des zu erneuernden Israels. Diese prophetische Zeichenhandlung konnte nur durch (1) z wölf (2) jüdische (3) Männer symbolisiert werden (und nicht durch irgendeine andere An zahl, nicht durch eine Mischung von Juden und Samaritern, nicht durch eine Gemeinschaft von Frauen und Männern). Allerdings spielte diese Zeichenhandlung offensichtlich schon bald keine Rolle mehr. Denn zwei der drei Merkmale werden kurze Zeit später nicht mehr beachtet: Die Zahi 11Zwölf" wird ebenso nicht wieder hergestellt wie auch Nichtjuden als Apostel hinzukommen. Von daher stellt sich die Frage: Warum hält die Kirche ausgerechnet am dritten Merkmal, dem Geschlecht, so eisern fest, um den Dienst der "Zwölf" bzw. der Apostel wahrnehmen zu können? 2. Ebenso werden immer wieder Bedenken gegen die Gleichsetzung erhoben: die Zwölfsind gleich die Apostel sind gleich die Priester. Denn erstens war der Apostel kreis größer als der Zwölferkreis und zweitens gelten nicht die Priester, sondern nur die Bischöfe als Nachfolger der Apostel. 3. 1nsbesondere wird auch immer wieder die Überbetonung des Mann-Seins jesu problematisiert. Denn im Neuen Testament wird nirgendwo erkennbar, dass das Mann-Sein j esu für seine Erlösungstat entscheidend war, sondern einzig seine liebende Hingabe an die Menschen. Anders gesagt: Ausschlaggebend ist nicht das Mann-Werden Gottes in jesus Christus, sondern sein Mensch-Werden. Nicht durch das Mann-Sei n stellt der Weiheamtsträ-
8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zur Weihe
gerdie erlösende Rolle Christi als des Hauptes gegenüber seiner Kirche sakramental dar, sondern durch die Weihe, durch die ein Mensch kirchlichsichtbar von Gott zu diesem Dienst bestellt und befähigt wird. Aus diesen theologischen Anfragen an die Lehre über den Ausschluss der Frauen vom Empfang der Weihe ergibt sich die theologisch-rechtliche Schlussfolgerung: Die 1994 von Papst johannes Paul II. getroffene Entscheidung ist universalkirchlich verbindlich und deshalb von allen Gliedern der katholischen Kirche zu respektieren. Es gibt aber keine zwingenden theologischen Gründe gegen eine spätere Korrektur. Denn die Kirchengeschichte lehrt, dass auch als verbindlich eingestufte Lehren (noch) abgeändert werden können. Paradebeispiel dafür ist der innerkirchliche Wandel von der lehrmäßigen Verurteilung der Religions- und Gewissensfreiheit als irrige und absurde Auffassung, die noch 1953 von Papst Pius XII. mit Nachdruck vertreten wurde, hin zu deren lehrmäßigen Anerkennung als Bestandteil der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, wie sie in der Erklärung des II. Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit Oignitatis humanae erfolgt ist.
universalkirchlich verb indlich Korrektur ist möglich
8.3 Die praktische Umsetzung der Gleichwertigkeit als Zeichen der Zeit Frauen sind genauso wie Männer Ebenbild Gottes. Sie leben aber ihr Ebenbild-Sein anders als Männer, weil sie andere Erfahrungen gemacht haben, anders sozialisiert worden sind und eine andere Biographie haben. Für die Kirche als Sakrament des Heils für die Welt (vgl. LG 1; 9; 48; 59), also als Zeichen und Werkzeug des Heil s folgt daraus als zentrale Aufgabe, eben dieser W elt vorzuleben, dass sie ei n beispielhafter, j a mustergültiger Ort ist, wo Männer und Frauen (bereits) gleichberechtigt und partnerschaftlieh leben und wirken. Doch die Wirklichkeit (in) der katholischen Kirche ist davon noch weit entfernt. Warum? Hier sind die Ergebnisse einer soziologischen Studie aufschlussreich, die 1992 für die Diözese Rottenburg-Stuttgart Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Leitungsebenen erhoben hat. Diese soziologische Studie ist u. a. zu dem Ergebnis gekommen: " Die für hohe Leitungsebenen nicht nur, aber auch in der Kirche übliche Rekrutierungspraxis und geschlechtsspezifische Segregation behindert, so die Studie, die Besetzung von Leitungsämtern mit Frauen" ([223] 463 mit Bezug auf [220]). Um zu verhindern bzw. zu überwinden, dass diese- oft unterbewusst ablaufende - Geschlechterpsychologie der Stellenbesetzung in der katholischen Kirche (weiterhin) erfolgt, sind zwei strukturelle Maßnahmen unabdingbar. Zum einen ist in den Diözesen und in der Bischofskonferenz umgehend eine Frauenquote für leitende Aufgaben und Ämter festzulegen, die so lange gilt, bis eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen erreicht ist. Die Frauenquote hat keinen Selbstzweck, sondern ist Mittel zum Zweck, die bisher praktizierte Benachteiligung von Frauen zu überwinden. Es geht bei der Frauenquote nicht um Bevorzugung, sondern um das Beenden der Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen in Führungspositionen- auch in der katholischen Kirche. Zum Zweiten ist mittelfristig eine Gleichstellungsordnung in den Diözesen und in der Bischofskonferenz einzuführen mit verbindlich und transparent formulierten Selbstverpflichtungen zur Förderung der Gleichstellung, die kontinui erli ch auf ihre Umsetzung zu überprüfen sind. M aßgebliche Stich-
Frauen leben ihr Ebenbild-Sein Gottes anders als Männer
katholische Ki rche als mustergültiger Ort?
Frauenquote für leitende Aufgaben und Ämter
Gleichstellungsordnungen einführen
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IV. Welches Recht die katholische Kirche hat- Rechtsbereiche in exemplarischer Auswahl worte sind hier: regelmäßige Gleichstellungsanalysen und Kontrolle der Ziel- und Maßnahmenkataloge sowie des Zeitplans möglichst durch eine GI eichstell u ngsbeauftragte. geschIechtersensible Selbst- und Fremdwahrnehmung schulen
Selbstverpflichtung der evangelischen Kirche als Vorbild
Unterschiede fruchtbar machen
angestammte Vorrechte aufgeben
innovativer und kreativer
systematisch an einer Gleichstellung arbeiten
Parallel zu diesen beiden st rukturellen Maßnahmen ist sofort und kontinuierlich auf allen Ebenen, vor allem in den Führungsebenen, intensiv die geschlechtersensible Selbst- und Fremdwahrnehmung zu schulen und gezielt weiterzubilden, damit "Geschlechterfallen", Denkblockaden und unbewusste Handlungsmuster identifiziert, wahrgenommen, ernst genommen und abgebaut werden (können). Was in der katholischen Kirche jetzt erst allmähli ch ins kollektive Bewusstsein zu gelangen beginnt, ist- zumindest in Deutschland- schon seit einigen Jahrzehnten von der evangelischen Kirche als Zielgröße formuliert worden: "Gerechtigkeit gegenüber Frauen erfordert ihre Einbeziehung in alle kirchlichen Bereiche, eine neue Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten für Männer und Frauen und eine frauengerechte Sprache ... . Gerecht igkeit bedeutet hier, dass Unterschiede anerkannt und fruchtbar gemacht, Benachteiligungen aufgrund dieser Unterschiede aber vermieden werden. ln einer Gemeinschaft von Frauen und Männern müssen beide ihre Gaben entwickeln und ausbauen können, die wegen der bisherigen Rollen- und Machtverteilung unterentwickelt geblieben oder unterdrückt worden sind .... ln einer gerechten Gemeinschaft müssen Männer angestammte Vorrechte aufgeben, sich auf die Veränderung von Strukturen einlassen und in der Auseinandersetzung mit Frauen neue Verhaltensweisen lernen" ([21 7]796; 799f ). Die katholische Kirche kann es sich nicht leisten- und zwar nicht aus pragmatischen, sondern aus zutiefst theologischen Gründen - , hinter einer solchen Selbstverpflichtung, wie sie die evangelische Kirche in Deutschland bereits 1989 in einem Synodenbeschluss eingegangen ist, zurückzubl eiben. D enn schließlich ist die katho li sche Kirch e von ihrem Schöpfungsglauben her davon überzeugt, dass " erst die sich gegenseitig ergänzende Zusammenarbeit von M ann und Frau die Fülle hervorbrin gt und widerscheinen lässt, die im Menschen angelegt ist" ([224] 650). Wie zutreffend diese Überzeugung ist, deckt sich mit den Ergebnissen von Studien, wonach " Unternehmen mit hoher Heterogenität auf der Entscheidungsebene innovativer und kreativer arbeiten. ln der gegenwärt igen Situation kann die Kirche Innovation und Kreativität zw eifelsohne gut gebrauchen" ([22 3] 465). W as ist das für eine Signalwirkung, w enn die deutschen Bischöfe tatsächlich nicht mehr nur vereinzelt Frauen in Führungspositionen bringen, sondern systematisch an einer Gleichstellung von Männern und Frauen arbeiten!? W enn die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer nächsten Vollversammlung beschließt, ab sofo rt und kontinuierli ch in allen Diözesen alle bestehenden W erte, Normen und Strukturen sowie all e Entscheidungen und Handlungen auf ihre Geschlechterbezogenheit in Herkunft und Au swirkung zu überprüfen und im Sinne der Gesc hl echtergerechtigkeit zu verändern!? W enn " katholische Kirche" und " Gendermainstreaming" sowie " Gieichstellungsordnungen" keine Gegensätze mehr bilden!? Wenn zur katholischen Kirche regelmäßige Gleichstellungsanalysen und Kontrolle der Ziel- und M aßnah-
8. Frauen im Spagat von Gleichwertigkeit und Nichtzulassung zur Weihe
menkataloge sowie des Zeitplans durch eine(n) Gleichstellungsbeauftragte(n) gehören!?- Das wäre eine wirkliche Überraschung, ein großes Hoffnungszeichenfür die Reformfähigkeit der Kirche und ein immenser Motivationsschub für viele enttäuschte und frustrierte Frauen, ihrer Kirche doch nicht den Rücken zu kehren!
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Recht leben in der Kircheeine Gabe und Aufgabe aller eigenverantwortete Entscheidung
Geistbegabung aller
Rechtder christlichen Freiheit im Geist
stützende Aufgabe
nach dem Wi IIen Gottes und den Bedürfnissen der Menschen entsprechend
"Eine Rechtsordnung, und sei sie noch so perfekt konzipiert, nimmt die Last eigenverantworteter Entscheidung nicht ab, dennoch leistet sie einen unschätzbaren Dienst, indem sie dafür sorgt, dass der einzelne Rechtsgenosse von dieser Last nicht erdrückt wird. Sie schenkt Luft zum Atmen, Wissen und Erfahrung der Rechtsgemeinschaft stehen jedermann zur Verfügung" ([84) 213). Noch schärfer formuliert: "Es darf nicht dazu kommen, dass der Mensch auf der Ebene des Rechts zum reinen Rollenträger abfällt. Recht muss, in Begründung wie Anwendung, sittlich verantwortbar bleiben" ([84) 214). Das gilt flir jede (ge)rechte Rechtsordnung, aber insbesondere für die Rechtsordnung der katholischen Kirche, die von der Geistbegabung aller ihrer Glieder kraft der Taufe ausgeht. Denn genau diese Geistbegabung ist es, die j eden und jede dazu befähigt, damit aber auch verpflichtet, aktiv - ob gelegen oder ungelegen - dazu beizutragen, "dass das Recht in der Kirche rechtes Recht, d. h. Recht der christlichen Freiheit im Geist" ([38) 38) ist und wird. Sie haben die Gabe und damit auch die Aufgabe, aus ihrer gelebten Beziehung zu Gott heraus die Rechtsordnung mit ihren Gesetzen und Prinzipien unter dem Aspekt der Gerechtigkeit Gottes und seines Geistes zu prüfen und dementsprechend auszulegen, anzuwenden und gegebenenfalls Reformen vorzuschlagen. Soll und will katholische Kirche also eine lebendige und einladende Wirklichkeit im Dienst des Heils der Menschen sein, braucht sie rechtliche Normen, darf diese aber nicht zum Allheilmittel oder allein gültigen Maßstab erheben. Die rechtlichen Strukturen müssen vielmehr so gestaltet sein und werden, dass sie für das Wirken des Heiligen Geistes und die Antwort des Menschen offen sind und bleiben. " Recht [hat) die tragende, stützende Aufgabe eines Skeletts, ohne das Lebewesen nicht sein können. Das Skelett soll ja nicht sichtbar, aber es muss da sein. So hat das Recht zu stützen, Formen zu bieten, zu dienen, zu helfen, anzuspornen, Lebensart zu beeinflussen, Ordnung zu sichern, jedem Glied des Volkes Gottes das Seine zuzuteilen, auf dass das christliche Leben verwirklicht, das Heil gefunden, die Kirche als Stadt auf dem Berge sichtbar und die Jüngerschaft Christi zum durchwirkenden Sauerteig dieser Weit werde" ([42) 77). Entscheidend ist, dass auf der Grundl age von Recht die vielfältigen Dimensionen der Kirche so zum Tragen kommen, dass eine Kirche entsteht, die nach dem Will en Gottes ist und den Bedürfnissen der Menschen in ihrer Zeit und Kultur entspricht. Das wiederum kann aber nur gelingen, wenn die Rechtsnormen nicht nur von der kirchlichen Autorität im Alleingang, sondern in Rückbindung an den Rechtssinn und die faktisch gelebte Rechtsüberzeugung des gesamten Volkes Gottes gestaltet und angewendet w erden. Und im gleichen Maße unabdingbar dafür ist die Bereitschaft sowohl der kirchlichen Autorität als auch des gesamten Volkes Gottes der Kirche, sich stets von Neuem darum zu bemühen, Recht so zu leben, dass sie die Spannung aushalten, ja sogar suchen, zwischen Frieden (in der Gemeinschaft) und Gerechtigkeit (im Einzelfall), zwischen 11 Rechtsgerechtigkeit und Heilsgerechtigkeit" ([61) 408), zwischen spi-
Recht leben in der Kirche- eine Gabe und Aufgabe aller
ritua I i sti scher Rechtsüberhöhung und kategorischer Rechtsverweigerung ([46] 727t zwischen rechtlichem Formalismus und reinem Subjektivismus, zwischen unrechter (= positivistischer) Gesetzesstrenge und unrechter (= wi II kürl ich er) Barmherzigkeit. Wo und wenn in diesem Sinn die Verantwortung vor der und für die Rechtskultur in der Kirche von allen Gliedern gemeinsam wahrgenommen wird, und zwar als Gabe wie auch als Aufgabe, spricht vieles dafür, dass Rechtsforderungen weder nach Belieben und Willkür gestaltet und eingesetzt noch als Zwangsjacke zur Durchsetzung der Macht verwendet oder empfunden werden . Vielmehr werden dann die treffenden Worte von Papst Paul VI. nicht mehr nur Zielvorgabe sein, sondern auch erfahrbare Realität werden : "Recht in der Kirche ist nicht Hindernis, sondern pastorale Hilfe; es tötet nicht, sondern macht lebendig. Seine Hauptaufgabe ist es nicht, zu unterdrücken, zu hemmen oder gegen etwas anzugehen, sondern es soll anregen, fördern, behüten und den echten Freiheitsraum schützen " ([115] 4f.).
gemeinsame Verantwortung aller GI ieder vor der und für die Rechtskultur in der Kirche
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Abkürzungen a. a.M. AA AAS Abi Abs. AfkKRIAkathKR AG AnzSS Apo II ASS
articulus am Main Apostolicam actuositatem (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Laienapostolat vom 18. November 1965) Acta Apostolicae Sedis (offizielles Publikationsorgan des Apostolischen Stuhles ab 1909) (kirchliches) Amtsblatt Absatz Archiv für katholisches Kirchenrecht (Zeitschrift) Ad gentes (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Missionstätigkeit der Bischöfe vom 7. Dezember 1965) Anzeiger für die Seelsorge (Zeitschrift) Apollinaris. Commentarius luris Canonici (Zeitschrift) Acta Sanctae Sedis (offizielles Publikationsorgan des Apostolischen Stuhles von 1865- 1908)
Bd., Bde.
Band, Bände
c. bzw. can. I cc. bzw. cann. Cath CCEO I CCEOI1990 CD
Canonl canones Catholica (Zeitschrift) Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium von 1990 Christus Dominus (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche vom 28. November 1965) Codex luris Canonici von 1983 Codex luris Canonici von 191 7 Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie
CIC I CIC/1983 CIC/1917 Conc(D) DBK DH Diak Die deutschen Bischöfe DPM
dt. DV
Deutsche Bischofskonferenz Dignitatis humanae (Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit vom 7. Dezember 1965) Diakonia. Internationale Zeitschrift für praktische Theologie hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn (Schriftenreihe) De Processibus Matrimonialibus (Zeitschrift) deutsch Dei Verbum (Dogmatische Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die göttliche Offenbarung vom 18. Dezember 1965)
EKD Erg.-Lfg.
Evangelische Kirche in Deutschland Ergänzungs-Lieferung
FamRZ
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht Festschrift
FS
GuL
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23 . Mai 1949 Gaudium et spes (Pastorale Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute vom 7. Dezember 1965) Geist und Leben. Zeitschrift für Aszese und Mystik
H erKorr
H erder-Korrespondenz (Zeitschrift)
GG GS
Abkürzungen hrsg. v.
herausgegeben von
i. Br. i.d. F. i.V.m. IKaZ insb.
im Breisgau in der Fassung in Verbindung mit Internationale katholische Zeitschrift Communio insbesondere
JC
Jus canonicum (Zeitschrift)
KuR
Kirche und Recht (Zeitschrift)
lat.-dt. Lfg. LG LKStKR LThK
lateinisch-deutsch Lieferung Lumen gentium (Dogmatische Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzi ls über die Kirche vom 21. November 1964) Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Lexikon für Theologie und Ki rche
MKCIC MP MThZ
Münsterischer Kommentar zum Codex luris Canonici Motu Proprio Münchener Theologische Zeitschrift
ÖAKR öarr OE
Österreichisches Arch iv für Kirchenrecht (Zeitschrift) Österreichisches Archiv für Recht und Re ligion (Zeitschrift) Orientalium Eccles iarum (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die katholischen Ostkirchen vom 2 1. November 1964) L'Osservatore Rarnano (Zeitung) L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache (Zeitung)
OR ORdt PCI
PCLT PerRMCL PO
seit 1967: Pontificia Commisi o Decretis Concilii Vati cani lllnterpretand is seit 1984: Pontificia Commissio ad Codicem iuris ca nonici authentice interpretandum seit 1989: Pontificium Consilium de legum textibus interpretandis seit 2000: PCLT (als Selbstbezeichnung) Pontificium Consilium de Legum Textibus (neue Selbstbezeich nung des PCI) Periodi ca de re (morali liturgica) canonica (Zeitschrift) Presbyterorum Ordinis (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzi ls über Dienst und Leben der Priester vom 7. Dezember 1965)
q.
quaestio (= Frage)
Rdn. Ren sog. StGB StZ
Randnummer Renovatio (Zeitschrift) scilicet (=nämlich, das heißt) so genannte/r/s Strafgesetzbuch Stimmen der Zeit (Zeitschrift)
ThPQ ThQ TihZ
Theologisch-praktische Quartalschrift (Zeitschrift) Theologische Quartalschrift (Zeitschrift) Trierer Theologische Zeitschrift
UR
Unitatis redintegratio (Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzil s über den Ökumenismus vom 21. November 1964)
VAS
Verlautbarungen des Aposto lischen Stuhles, hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn (Schriftenreihe) Verfasseri n
SC.
Verf.in
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Quellen und Literatur Quellen (kapitelübergreifend)
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Literatur (kapitelübergreifend)
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Quellen und Literatur Quellen und Literatur entlang der Einzelkapitel
I. Warum die katholische Kirche Recht hatRechtsbegründung
1.1 Rechtund Kirchenrechtin ihrer Grundidee
Quellen: [28] Deutsche Nationalhymne (Text und Melodie), zugänglich auf: http://www.bundesregierung.de/ Content/DE/Stati seheSeiteniß regldi e-national hym ne-der-bundesrepublik-deutschl and.html. [29] Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris. Rundschreiben vom 11.4.1 963, zugänglich auf: http:// www. vatican.va/holy_father/john_xxi ii/encyc l i cals/documents/hf_j-xxiii_enc_ll 041963_pacem _ge.html. [30] Thomas von Aquin, S.Th. 1-11, q. 90, a. 4 (zitiert nach Thomas von Aquin, Summa Theologica. Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa Theologica, hrsg. v. der PhilosophischTheologischen Hochschule W alberberg bei Köln, Bd. 13, Heidelberg 1977).
[42] Scheuermann, A., Die Rechtsgestalt der Kirche, in: Die Kirche. Fünfzehn Betrachtungen, hrsg. v. Sandfuchs, W., Würzburg 1978, 69-82. [43] Socha, H., Gesetzesverkündigung, in: MKCIC 7 (13 . Erg.-Lfg., November 1990). [44] Socha, H., Kirchliche Gesetze, in MKCIC Einführung vor 7 (13. Erg.-Lfg, November 1990). [45] Socha, H., Promulgationsweisen und lnkrafttreten, in: MKCIC 8 (13. Erg.-Lfg., November 1990). [46] Thiel, M., Rezension zu: Marcus Nelles, Summa ius summa iniuria?, in: ZSRf.K 92 (2006), 725- 730. [47] Wächter, L., Gesetz, kirchliches. II. Kath., in: LKStKR2 Bd. 2, 105- 107. 1.2 Die Herausforderung an Recht in einer Kirche der Liebe
Quellen: [48] Thomas von Aquin, Kommentar zum Matthäusevangelium, in: S. Thomae Aqu inatis, Super Evangelium S. Matthaei Lectura, hrsg. v. Cai, R., Rom 195 1.
Literatur:
Literatur:
[31] Bertone, T., Anmerkungen zur Rezeption lehramtlicher Dokumente und dem Problem des öffentlichen D issenses, in: ORdt Nr. 8 vom 21.2.1997, S.10- 12. [32] ßöhnke, M., Kirche in der Glaubenskrise. Eine pneumatologische Ekklesiologie, Freiburg i. Br. 2013. [33] Gradauer, P., Das Kirchenrecht im Dienst der Seelsorge, in: ThPQ 125 (1977), 55-65. [34] Hahn, j., "Gesetz der Wahrheit". Rechtstheoretische Überlegungen im Anschluss an aktuelle päpstliche Äußerungen zur Rechtsbegründung, in: AfkKR 181 (2012), 106- 128. [3 5] Hilpert, K., Recht. VI. Theologisch, in: LThK3 Bd. 8, Freiburg i. Br. 1999, 873- 876. [36] Hossfeld, F.-L., Gesetz. II. Altes Testament, in: LThK3 Bd. 4, Freiburg i. ßr. 1995, 580-583. [37] Kaiser, M., Die Rolle des Gesetzgebers in der Kirche. Überlegungen in Hinblick auf die Revision des kirchlichen Gesetzbuches, in: lus populi DeiMiscellanea in honorem R. Bidagor 1., Rom 1972, 465-484. [3 8] Kasper, W., Die Kirche als Sakrament des Geistes, in: Ders., Sauter, G., Kirche- Ort des Geistes, Freiburg i. ßr. 1976, 14- 55. [39] Krämer, P., Kirchenrecht, in: Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, hrsg. v. Görres-Gesellschaft, Bd. 3, Freiburg i. Br. 7 1987, 435-440. [40] Müller, H., Das Gesetz in der Kirche "zwischen" amtlichem Anspruch und konkretem Vollzug - Annahme und Ablehnung universalkirchlicher Gesetze als Anfrage an die Kirchenrechtswissenschaft, München 1978. [41] Rees, W., Kanon, in: LKStKR2 ßd. 2, 366-368.
[49] Hartelt, K., Kirche und Recht. Überlegungen zur theologischen Legitimierung des Kirchenrechts, in: Zeiten des Übergangs. FS F. G. Friemel, hrsg. v. Pittner, B., u.a., Leipzig 2000, 280- 286. [50] Krämer, P., Strafen in einer Ki rche der Liebe, in: "Strafrecht" in einer Kirche der Liebe: Notwendigkeit oder Widerspruch, hrsg. v. Müller, L., u. a., Berlin 2006, 9-22. 1.3 Unrechtes Recht und die Bedeutung von Gerechtigkeit, Gehorsam, M oral und Zwang [51] Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie, München 1977. [52] Höffe, 0., Moral und Recht. Eine philosophische Perspektive, in: StZ 198 (1980), 111-121. [53] Luf, G., Gewissen und Recht. Erwägungen zu strukturellen Gemeinsamkeiten im staatlichen und im kirchlichen Recht, in: ÖAKR 38 (1989), 18- 36. [54] Menath, D., Recht und Gerechtigkeit. Ein Arbeitsbuch für die Oberstufe des Gymnasiums, München 1997. [55] Wolfinger, F., Die Religionen und die M enschenrechte. Eine noch unentdeckte Allianz, München 2000. [56] Zippelius, R., Einführung in das Recht, Heidelberg 2000. 1.4 Spezifizierte Theologie und modifiziertes Recht als Inhalt, Methode und Ziel des Kirchenrechts [57] Aymans, W., Die wissenschaftliche Methode der Kanonistik, in: Fides et ius. FS G. May, hrsg. v. Aymans, W., u. a., Regensburg 1991 , 59-74.
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