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German Pages [391] Year 2015
EINE ARCHÄOLOGIE DER DIREKTOREN
MITTELMEERSTUDIEN
Herausgegeben von
Mihran Dabag, Dieter Haller, Nikolas Jaspert und Achim Lichtenberger
BAND 5
Ioannis Andreas Panteleon
EINE ARCHÄOLOGIE DER DIREKTOREN Die Erforschung Milets im Namen der Berliner Museen 1899–1914
Wilhelm Fink | Ferdinand Schöningh
Titelillustration: Hubert Knackfuß und Theodor Wiegand auf dem überschwemmten Hafenlöwen. NL Knackfuß, SMK/A, 03/0514 Nr. 88.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. Von der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen im Jahre 2011. © 2015 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.fink.de | www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5676-2 (Fink) ISBN 978-3-506-77263-3 (Schöningh)
INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG ..........................................................................................7 VORWORT ................................................................................................9 1. EINLEITUNG .......................................................................................11 2. FELDARCHÄOLOGIE IN DER ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹ IN GRIECHENLAND UND KLEINASIEN ................................................25 2.1. Feldforschung als interdisziplinäre wissenschaftliche Praxis ......25 2.2. Rechtliche Grundlagen ............................................................56 2.3. Engagement der Berliner Museen im Osmanischen Reich .......65 3. MILET ...............................................................................................107 3.1. Ein Sehnsuchtsort der Altertumswissenschaften .....................107 3.2. Die Grabung 1899 bis 1914 ..................................................112 3.3. Wissenschaftlicher Ertrag der Grabung..................................174 3.4. Akteure..................................................................................204 4. ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹ ODER GROßE ZEIT DER AUSGRABUNGEN?.........................................................................247 5. ERGEBNIS..........................................................................................259 Abkürzungsverzeichnis .................................................................261 Literaturverzeichnis ......................................................................262 Abbildungsnachweis .....................................................................290 Personenindex ..............................................................................291 Ortsindex .....................................................................................295
6 ANHÄNGE............................................................................................. 299 A Ausgewählte Primärquellen ....................................................... 299 B. Fotoalben aus dem Nachlaß Hubert Knackfuß ........................ 317 C Georg Kaweraus Gedichte ........................................................ 335 D Vorläufiges Schriftenverzeichnis Theodor Wiegand.................. 340 E Verschiedene Tabellen .............................................................. 345 TAFELN................................................................................................. 351 Verzeichnis................................................................................... 351
DANKSAGUNG
Diese Arbeit ist eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die an der Fakultät für Geschichtswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum 2011 eingereicht und angenommen wurde. Sie wurde durch die Unterstützung zahlreicher Personen und Einrichtungen möglich, denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte: Nach der Festlegung des Themas 2003 betreute zunächst Volkmar von Graeve das Dissertationsvorhaben. Rasch aufeinanderfolgende personelle Veränderungen am Bochumer Institut brachten es mit sich, dass zunächst Erich Kistler und schließlich Achim Lichtenberger die Arbeit als Betreuer begleiteten. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang dem Zweitgutachter Norbert Ehrhardt (Münster), dessen andauerndes Engagement für Kontinuität sorgte. Neben dem Zentrum für Mittelmeerstudien (Bochum), das einen Teil der Druckkosten übernahm, danke ich insbesondere den Mitarbeitern folgender Archive und Institutionen, ohne deren Hilfestellung und Fachwissen die Arbeit nicht möglich gewesen wäre: Archiv der Antikensammlungen und Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Archiv des Deutschen Archäologischen Institutes (Berlin), Archiv der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Institutes, Archiv des Stadtmuseums Kassel, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz (Berlin), Staatsarchiv Graubünden (Chur), Archiv des Archäologischen Institutes Göttingen, Archiv der Universität Basel, Museum Bensheim, Militärgeschichtliches Forschungsamt (Potsdam), Bundesarchiv-Militärarchiv (Freiburg), Historisches Institut der Deutschen Bank – Corporate Cultural Affairs (Frankfurt a. M.), Stiftung Ruhr Museum (Essen) und Deutsches Volksliederarchiv (Freiburg). Helen und Walter (†) Voegeli-von Salis (Zürich) stellten den Nachlaß Arnold von Salis’ zur Verfügung. Darüber hinaus bin ich folgenden Personen aus unterschiedlichen Gründen besonders dankbar: Ali Akkaya (Istanbul), Helga Bumke (Halle), Ruth Canova (Basel), Uta Dirschedl (Berlin), Edhem Eldem (Istanbul), Axel Filges (Frankfurt a. M.), Volker Kästner (Berlin), Waltraud LinderBeroud (Freiburg), Alexander Link (Kassel), Wulf Raeck (Frankfurt a. M.) und Urs Schocher (Chur). Mein Dank gilt darüber hinaus allen Mitarbeitern der Miletgrabung; namentlich nenne ich an dieser Stelle stellvertretend Berthold F. Weber (†), Justus Cobet (Essen), Helga Eiwanger-Donder (Bonn), Gerhard Joehrens (Falkensee), Michael Kerschner (Wien), Norbert Kunisch (Oxford), Martin Maischberger (Berlin), Wolf-Dietrich Niemeier (Athen), Fikret Özcan (Isparta), Nadine Panteleon (Witten), Michael Pfanner (München), Peter I. Schneider (Berlin), Reinhard Senff (Athen), Sergey Solovyov (St. Petersburg) und Frank Wascheck (Köln). Sollte ein Beitrag ungenannt geblieben sein, so bitte ich dies zu enschuldigen.
VORWORT
»Wie sehr das rationale Verständnis dieser Architektur uns auch die Vorstellung erlaubt, daß wir diese Bauten zerlegen und sie Stück für Stück in ferne Länder abtransportieren können – so sehr fürchte ich, daß uns damit einzig und allein der Transport eines Haufens wertlosen Materials gelänge.« Giorgos Seferis1
Mein erster unmittelbarer Kontakt mit der Ausgrabung der Berliner Museen von 1899 bis 1914 in Milet bestand in der 1997 durchgeführten Ausgrabung eines zerstörten Fundmagazins jener Unternehmung2. Bei der anschließenden Bearbeitung zeigte sich, dass die am Ort verbliebenen Funde der Vorkriegsgrabung zum überwiegenden Teil nicht »verschollen« oder durch »Kriegswirren« zerstört, sondern in Milet oder im Museum in Izmir erhalten geblieben waren. Ferner zeigte sich, dass die Dokumentation der Ausgrabung, von der ähnliches behauptet wurde, sich ebenfalls nahezu komplett im Archiv des Pergamonmuseums befindet. Besonders die Entdeckung dieses letztgenannten Sachverhaltes schuf eine Grundlage, von der ausgehend sich die Grabung differenziert beschreiben lassen würde. Eine solche Darstellung anzugehen erschien mir wünschenswert, um auszuloten, welche Bedeutungsvielfalt eigentlich in Begriffen wie »Milet« und »Miletgrabung« steckt. Hierbei wäre das Beziehungsgeflecht zu analysieren, in dem die heute an diesem Ort anzutreffende Ruinenlandschaft, die dort gemachten Funde, die historische Überlieferung zur antiken Stadt, die archäologische Ausgrabung, die »Milet« betreffenden wissenschaftlichen Publikationen und nicht zuletzt die beteiligten Personen zueinander stehen. Die Miletgrabung Theodor Wiegands wird dabei als ein geographisch und zeitlich fixierter Ort verstanden, von dem aus sich die Formierung der deutschen archäologischen Feldforschung vor den Weltkriegen, also der Wandel wissenschaftlicher Fragestellungen und die Aneignung der zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nötigen Kompetenzen und Mittel, aufzeigen lässt.
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Zit. in der Übersetzung von Asteris Koutoulas nach Giorgos Seferis, Alles voller Götter. Essays (Leipzig 1989) 246. I. A. Panteleon, Funde aus Milet XVI. Zum Schicksal der am Ort verbliebenen Funde der Wiegandschen Grabung nach 1914, AA 2005, 27–39.
1. EINLEITUNG
Milet ist eine der wichtigsten griechischen Poleis3 in der Geschichte des klassischen Altertums und als ›Geburtsort der ionischen Naturphilosophie‹ für die europäische Geistesgeschichte ein bedeutender Fixpunkt. Die Ausgrabung der Berliner Museen von 1899 bis 1914 an diesem symbolträchtigen Ort stellt die erste Phase der systematischen Erforschung dieser Stadt dar. Milet war zwar schon vorher von Wissenschaftlern besucht worden, wobei Olivier Rayet 1872 auch erste Ausgrabungen vorgenommen hatte4, aber diese früheren Unternehmungen führten nicht zu einer Verstetigung der Forschung an diesem Ort. In der Zeit zwischen den Weltkriegen versuchte 1938 Carl Weickert5 die Feldarbeit fortzusetzen6, aber erst in einem zweiten Anlauf ab 1955 gelang es ihm tatsächlich. Seit 1937 obliegt die Durchführung der praktischen Tätigkeit in Milet dem Deutschen Archäologischen Institut7 (DAI)8, dessen oberstes Gremium, die Zentraldirektion, die Arbeiten in Milet an einen gewählten Grabungsleiter delegiert (›ZDGrabung‹). Die aktuelle Bibliographie9 zu Forschungen in Milet verzeichnet ohne Anspruch auf Vollständigkeit bis zum Jahr 2006 insgesamt 767 wissenschaftliche Aufsätze, Lexikonartikel und Monographien, von denen 144 vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht wurden. Dabei weist die Autorenliste durchgängig zahlreiche prominente Personen auf, deren Arbeiten prägend für die Geschichte der Klassischen Altertumswissenschaften insgesamt waren. Bislang liegt keine ausführliche Abhandlung zur Geschichte der Miletgrabung vor. Abgesehen von kursorischen Erwähnungen berücksichtigen Wissenschaftler, die in späterer Zeit zu diesem Ort arbeiteten, die Vorkriegsgrabung lediglich anlassbezogen und selektiv im Rahmen ihrer eigenen Forschungen. Die bislang umfangreichste zusammenhängende Darstellung von Arbeiten und Resultaten der 3
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Ausführlicher zur historischen Bedeutung Milets vgl. Kap. 3.1.; RE XV 2 (1932) 1586–1622 s. v. Miletos 1 (F. Hiller von Gaertringen); DNP VIII (2000) 170–180 s. v. Miletos 2 (J. Cobet – V. von Graeve – F. Starke); H.-J. Gehrke, Jenseits von Athen und Sparta. Das Dritte Griechenland und seine Staatenwelt (München 1986) 133–136. O. Rayet – A. Thomas, Milet et le Golfe Latmique. Tralles, Magnésie du Méandre, Priene, Milet, Didymes, Heraclee du Latmos. Fouilles et explorations archéologiques 1-2 (Paris 1877– 1880). W. Schiering, Carl Weickert. 1885–1975, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 230 f. C. Weickert, Grabungen in Milet 1938, in: Bericht über den VI. Internationalen Kongress für Archäologie, Berlin 21.–26. August 1939 (Berlin 1940) 325–332. DNP XIII (1999) 749–760 s. v. Deutsches Archäologisches Institut (H. Kyrieleis). Vgl. Anhang A.8. N. Ehrhardt – H. Lohmann – B. F. Weber, Milet. Bibliographie vom Beginn der Forschungen im 19. Jahrhundert bis zum Jahre 2006, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 745–788.
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EINLEITUNG
Vorkriegsgrabung gab Reinhard Senff in seiner Habilitationsschrift10. Diese bezog sich aber explizit auf die Erkenntnisse zum archaischen11 Milet und gliederte diese in eine umfassendere Darstellung aller bis zum Jahre 2002 erlangten Ergebnisse zur archaischen Zeit in Milet ein. Die Dissertation Elke Forbecks zu den Nekropolen der Stadt gab ebenfalls einen Überblick über einen Teilbereich der alten Grabungen, der aber auch wieder in den größeren Zusammenhang ihrer eigenen Forschungen in Milet eingebettet wurde12. Vergleichbares gilt für zahlreiche Einzeldarstellungen zu Forschungsgegenständen, die schon im Rahmen der alten Grabung aufgegriffen wurden; die Forschungsgeschichte zum Athenatempel von Winfried Held im Rahmen einer Neubearbeitung der Funde und Befunde ist hierfür ein gutes Beispiel13. Außerhalb dieser primär auf die Ergebnisse fokussierten wissenschaftlichen »Forschungsgeschichten« spielt die Miletgrabung als geschichtliches Ereignis in der reichhaltigen Literatur zur Geschichte der Archäologie14 nur eine untergeordnete Rolle und ist im Wesentlichen als Herkunftsort der heute im Pergamonmuseum in Berlin befindlichen Fassade des »Markttores« in Erinnerung15. Lediglich der Leiter der Vorkriegsunternehmung, Theodor Wiegand (Taf. 7a), ist als eine der zentralen Figuren der »Archäologie als Eroberungswissenschaft«16 Gegenstand eines größeren Interesses17. Angesichts der zuvor skizzierten Sachverhalte überrascht dieser Befund und führt erneut ein dringliches Desiderat der Forschung zur Geschichte der Archäologie vor Augen, das Adolf H. Borbein schon 1972 anmahnte18: In der Rezension einer Arbeit zu den allgemeinen Grundlagen der Archäologie im Rahmen des Handbuches der Altertumswissenschaft19 warnte er nämlich davor, dass die dort 10
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R. Senff, Milet. Die archaische Stadt. Die Ausgrabungen in den Wohngebieten und den städtischen Heiligtümern 1899 – 2001. Baugeschichte und Stratigraphie (unpublizierte Habilitationsschrift Ruhr-Universität Bochum 2002). Die Zeit etwa vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Zum Epochenbegriff vgl. T. Hölscher, Klassische Archäologie. Grundwissen (Darmstadt 2002) 31–45, zur Kritik vgl. G. W. Most, Zur Archäologie der Archaik, AuA 35, 1989, 1–23. E. Forbeck, Die Nekropolen von Milet. Grabungen und Untersuchungen in den Jahren 1900– 1907 und 1993–1995 (unpublizierte Dissertation Ruhr-Universität Bochum 1998). W. Held, Das Heiligtum der Athena in Milet, MilForsch 2 (Mainz 2000) 3 f. Zur Geschichte und Theorie einer allgemeiner verstandenen Archäologie vgl. den »Bibliographi2 cal Essay« in: B. G. Trigger, A history of archaeological thought (Cambridge 2006) 549–581; zur Geschichte der Klassischen Archäologie vgl. z. B. die Bibliographie bei S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 279–304. Beispielhaft bei S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 116. 145. F. G. Maier, Von Winckelmann zu Schliemann – Archäologie als Eroberungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (Opladen 1992). Bibliographische Angaben vgl. Anm. 595. Ausführlicher Kap. 2.3.5. und Kap. 3.4.2.1.; K. Bittel, Theodor Wiegand. 1864–1936, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 154 f. A. Borbein, Gnomon 44/3, 1972, 280–300. U. Hausmann (Hrsg.), Allgemeine Grundlagen der Archäologie. Begriff und Methode, Geschichte, Problem der Form, Schriftzeugnisse. HdArch (München 1969).
EINLEITUNG
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geschilderte »Geschichte der Archäologie« aufgrund ihrer gedrängten Form dazu führen könne, dass sie »als Wissenschaft unglaubwürdig« werden könnte, »wenn ihre Geschichte … als Summe individueller Karrieren und hektischer, selbstbezogener Aktivität erscheint«20. Diese Warnung ist tatsächlich auch heute noch aktuell, denn eine von Borbein stattdessen vorgeschlagene Geschichte »der Methoden der Ausgrabung«, die »Zusammenhänge zwischen archäologischer Zielsetzung, Methode und Erkenntnis«21 aufzeigen könnte, ist für die klassischen Altertumswissenschaften bis heute nicht geschrieben22. Mit einem weniger an den erreichten Ergebnissen, als an der Evolution von Fragestellungen und Methoden orientierten Verständnis konnte Alain Schnapp 1993 in seinem grundlegenden Werk »La conquête du passé«23 zwar diejenigen geistesgeschichtlichen und handwerklichpraktischen Traditionslinien nachzeichnen, die zu einer Verwissenschaftlichung der Archäologie führten, aber für die spätere Geschichte des wissenschaftlichen Ausgrabungswesens nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, fehlt bislang ein ähnlich fokussiertes Überblickswerk. Im Wesentlichen erscheint in der vorliegenden Literatur der lange Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart im Hinblick auf den Wandel der Methoden des Ausgrabungswesens schlicht zweigeteilt: Zwar wird anerkannt, dass ab diesem Zeitpunkt die Ausgrabung zunehmend »wissenschaftlich« betrieben wurde24 und zahlreiche wichtige »Entdeckungen« erbrachte, doch erst die langsame und zögerliche Übernahme der »Schichtbeschreibung«25 soll für das Ausgrabungswesen der Klassischen Altertumswissenschaften zu modernen, d. h. nachprüfbaren und mit heutigen Ergebnissen direkt vergleichbaren Resultaten geführt haben. Hinter dieser prägnanten Begrifflichkeit verbirgt sich ein methodischer ›Paradigmenwechsel‹ in den späten 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts: Der englische Archäologe Mortimer Wheeler hatte erfolgreich zwei bekannte Ausgrabungspraktiken – die Beobachtung bzw. Trennung von Erdschichten und die Ausgrabung nach einem regelmäßigen Netz – kombiniert26. Mit dieser Kombination lassen sich theoretisch beliebige Ausgrabungsgegenstände sowohl in ihrer horizontalen wie auch ihrer vertikalen Ausdehnung anhand von Planums- und Profilzeichnungen genau dokumentieren. Tat20 21 22
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Borbein a. O. (Anm. 18) 292. Borbein a. O. (Anm. 18) 291. S. Altekamp, The resistance of classical archaeology against stratigraphic excavation, in: G. Carver (Hrsg.), Digging in the dirt. Excavating in an new millenium (Oxford 2004) 146 m. Anm. 11. Für das ur- und frühgeschichtliche Ausgrabungswesen vgl. G. Eberhardt, Deutsche Ausgrabungen im »langen« 19. Jahrhundert. Eine problemorientierte Untersuchung zur archäologischen Praxis (Darmstadt 2011). A. Schnapp, La conquête du passé. Aux origines de l’archéologie (Paris 1993), dt. Übersetzung: Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie (Stuttgart 2009). Vgl. etwa F. Lang, Klassische Archäologie. Eine Einführung in Methode, Theorie und Praxis (Tübingen 2002) 49 f. Lang a. O. (Anm. 25) 79. M. K. H. Eggert, Archäologie. Grundzüge einer Historischen Kulturwissenschaft (Darmstadt 2006) 29, 96; S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 205 f.; B. G. Trigger, A history of ar2 chaeological thought (Cambridge 2006) 294.
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EINLEITUNG
sächlich wendeten schon vorher Ausgräber beide Methoden an und zogen Schlüsse daraus, nur geschah dies eben nicht systematisch zusammen. Das Revolutionäre an Wheelers Methode war daher auch nicht so sehr, dass sie eine grundsätzlich neue Technik des Ausgrabens darstellte, sondern dass dieses System es erlaubte, unabhängig vom jeweiligen Ausgrabungsobjekt aus dem Vorgang des Ausgrabens selbst nachvollziehbare Ordnungskriterien für Funde und Befunde zu konstruieren und vor allem in Publikationen darzustellen. Es wird sich im Verlauf dieser Arbeit zeigen, dass diese praktische Neuerung hauptsächlich technischer Natur war und dass das Erkenntnisinteresse der Ausgräber auch schon davor innovative Grabungsmethoden hervorgebracht hatte, die wissenschaftliche Fragen beantworten konnten. Allerdings waren Ausgräber bis zur Einführung der ›WheelerMethode‹ viel stärker von einem günstigen Erhaltungszustand ihrer jeweiligen Grabungsobjekte abhängig. Die Miletgrabung war das längste kontinuierlich an einem Ort durchgeführte Unternehmen im Rahmen des rund 50-jährigen Engagements der Berliner Museen im Osmanischen Reich. Es begann 1878 mit der Auffindung der Friesplatten des Pergamonaltares27 und endete 1928 mit der Umwandlung der Istanbuler Außenstelle der Berliner Museen in eine Abteilung des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI)28. Daher sollte eine von der Miletgrabung ausgehende geschichtliche Darstellung auch zu einem besseren Verständnis ihres unmittelbar übergeordneten wissenschaftsgeschichtlichen Kontextes beitragen können. Weiterhin sind die im Auftrag der Berliner Museen durchgeführten Ausgrabungen selbst wesentliche Bestandteile einer bestimmten Phase innerhalb der Formierung des wissenschaftlichen Ausgrabungswesens, die als die »Periode der großen Ausgrabungen«29 oder als »militante Phase«30 der Archäologie bezeichnet worden ist. Diese ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ fiel ihrerseits mit der Endphase eines ›langen 19. Jahrhunderts‹31 zusammen, die von Eric Hobsbawm als »Age of Empire« charakterisiert worden ist und mit der Zäsur des Ersten Weltkriegs endete32: Die Reichsgründung 1871 in Deutschland und der Beginn des Sultanats Abdülhamids II.33 im Osmanischen Reich 187634 markierten 27 28
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Ausführlicher zu Pergamon und zum Altar vgl. Kap. 2.3.2. K. Bittel, Abteilung Istanbul, in: K. Bittel – F. W. Deichmann – W. Grünhagen – W. Kaiser – Th. Kraus – H. Kyrieleis (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts von 1929 bis 1979 1, DAIGeschDok 3 (Mainz 1979) 65–91. A. Rumpf, Archäologie 1, Sammlung Göschen 538 (Berlin 1953) 92. Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 41 m. Anm. 5. F. J. Bauer, Das ‘lange’ 19. Jahrhundert (1789–1917) – Profil einer Epoche (Stuttgart 2004); N. Freytag – D. Petzold (Hrsg.), Das »lange« 19. Jahrhundert. Alte Fragen und neue Perspektiven (München 2007). E. Hobsbawm, The age of Empire. 1875–1914 (London 1987), dt. Übersetzung: Das imperiale Zeitalter 1875–1914 (Frankfurt a. M. 2004). EOE 6–9 s. v. Abdülhamid II (S. A. Somel) s. dort auch die Chronology S. 615; M. Bernath – F. von Schroeder (Hrsg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas 1 (München 1974) 4–7 s. v. Abdülhamid II. (H.-J. Kornrumpf); F. Georgeon, Abdulhamid II. Le sultan calife (1876–1909) (Paris 2003).
EINLEITUNG
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dabei tiefgreifende Einschnitte in die staatliche Verfasstheit der beiden relevanten Länder, und der Erste Weltkrieg35 brachte in beiden Staaten wiederum einen radikalen Wandel der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit sich. Die »militante Phase« der Archäologie wird in diesem Zusammenhang des Öfteren – implizit und explizit – als ein komplementär zur politischen Geschichte36 verlaufendes kulturgeschichtliches Phänomen verstanden. Auch in diesem Rahmen kann eine genauere Untersuchung der Miletgrabung unter Berücksichtigung weiterer zeitlich und geographisch naher feldarchäologischer Projekte neue wissenschaftsgeschichtliche Erkenntnisse liefern, die auch für allgemeinere Geschichtsschreibungen relevant sein könnten. Durch das Fehlen einer an Fragestellungen und Methoden orientierten Wissenschaftgeschichte besteht in der Tat ein Erklärungsbedarf, der nicht nur innerdisziplinär relevant ist37, sondern auch darüber hinaus weitreichende Folgen hat, denn die historische Figur des grabenden Archäologen erweckte anscheinend auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen Interesse. Da aber für die ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ eine fundierte Darstellung in der von Borbein geforderten Art fehlt, besteht das Risiko, dass solche fachfremden Arbeiten von falschen Voraussetzungen ausgehen und somit in Teilen oder sogar insgesamt zu falschen Schlussfolgerungen gelangen können. Dass diese Besorgnis zu Recht besteht, zeigt etwa die Rezeption der 1996 erschienenen Arbeit »Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany 1750-1970« von Suzanne L. Marchand38. Obwohl diese Arbeit explizit keine »history of the discipline of classical archaeology« sein sollte, sondern auf »the evolving relationships between humanistic scholarship and the state« fokussierte39, wurde sie von Bruce G. Trigger dennoch als beispielhaft für eine Geschichte der Archäologie empfohlen40 und von anderen Autoren wiederholt als eine solche begriffen: Malte Fuhrmann beruft sich etwa 2006 in seiner Arbeit, »Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918«41, in hohem Maße auf das Werk Marchands. Dieser Beitrag zu kolonialistischen Bestrebungen 34 35 36
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M. Ş. Hanioğlu, A brief history of the late Ottoman empire (Princeton 2008) bes. 109–149. Für die Türkei vgl. EOE 598–602 s. v. World War I (B. S. Bilgiç). EOE 228–231 s. v. Germany (S. Ch. Gummer); Etwa G. Schöllgen, Imperialismus und Gleichgewicht. Deutschland, England und die orientalische Frage 1871–1914 (München 1984); S. McMeekin, The Berlin-Baghdad Express. The Ottoman Empire and Germany’s Bid for World Power (Cambridge MA 2010). Zur innerdisziplinären Relevanz der wissenschaftsgeschichtlichen Reflektion vgl. B. G. Trigger, A 2 history of archaeological thought (Cambridge 2006) 1–3. S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany (Princeton 1996). Marchand a. O. (Anm. 38) S. XXI. 2 B. G. Trigger, A history of archaeological thought (Cambridge 2006) 561: »Marchand (1996) provides a brilliantly researched analysis of classical archaeology in Germany from the late eighteenth to the mid-twentieth century. Her book also constitutes a model of how the history of archaeology should be written.« M. Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918 (Frankfurt a. M. 2006).
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EINLEITUNG
Deutscher im Osmanischen Reich versucht unter anderem auch die Aktivitäten deutscher Archäologen umfassend in einem kolonialistischen Sinne auszudeuten und wäre daher auf sorgfältig aufbereitete Quellen und Materialien aus dem Umfeld archäologischer Feldforschung dringend angewiesen. Aber der Autor sieht eine »erschöpfende Darstellung deutscher Grabungstätigkeiten in Westanatolien« für seine Zwecke als »nicht notwendig« an, da es »bereits andere Darstellungen« gäbe und führt als Referenz nur das Werk Marchands und eine kurze, sehr spezifische Abhandlung aus einem Ausstellungskatalog von 198442 an43. Konsequenterweise sind dann auch manche Argumente Fuhrmanns nur schwer nachzuvollziehen; beispielhaft sei für diese Behauptung auf die Kap. 3.4.4. und 3.4.4.1. der vorliegenden Arbeit verwiesen. Innerhalb der Klassischen Archäologie begegnet ein vergleichbares Problem, obwohl auch Archäologen schon früh begannen, die Geschichte der eigenen Arbeit und den historischen Wandel ihrer Wissenschaftsdiziplin zu beschreiben44. Allerdings war über lange Zeiträume hinweg das Verhältnis der an den Universitäten gelehrten Wissenschaft zu ihrer wohl erfolgreichsten Methode des Erkenntnisgewinns, der Ausgrabung, durchaus zwiespältig45 und die Geschichte des Faches wurde primär als eine Methoden- oder Ideengeschichte der an den Universitäten gelehrten kunstgeschichtlichen Klassischen Archäologie verstanden, so dass die Bedeutung des Ausgrabungswesens für die Formierung der Disziplin bislang nicht klar herausgearbeitet wurde. Dadurch ist eine Situation entstanden, in der die Deutungshoheit auf fachfremde Wissenschaftler übergehen konnte, die historische Phänomene des Ausgrabungswesens dann eben nicht mehr in ihrem ursächlichen (wissenschafts-)geschichtlichen Kontext darstellen und begreifen, sondern vielmehr losgelöst in die Narration allgemeinerer Betrachtungen, etwa kulturgeschichtlicher Art, einbanden. Eine allgemeine Darstellung der Geschichte der archäologischen Feldforschung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung ihrer Zielsetzungen und Methoden hätte größere Schwierigkeiten methodischer und formaler Art zu bewältigen, denn der offensichtliche Erfolg der Ausgrabung als Mittel des Erkenntnisgewinns führte zum einen zu einem sprunghaften Anstieg derartiger Unternehmungen und zum anderen zu einer großen Menge an neuen wissenschaftlichen Fragestellungen. Es sind gerade die Vielfältigkeit und die Unübersichtlichkeit feldarchäologischer Arbeiten jener Zeit, die auf der einen Seite eine ereignisgeschichtliche Darstellung jenseits einer simplen Aneinander42
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Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985). Fuhrmann a. O. (Anm. 41) 101 Anm. 57. Zur älteren Literatur: A. Borbein, Gnomon 44/3, 1972, 286–288 (Rez. zu U. Hausmann (Hrsg.), Allgemeine Grundlagen der Archäologie. Begriff und Methode, Geschichte, Problem der Form, Schriftzeugnisse, HdArch (München 1969)). Vgl. hierzu ausführlicher M. K. H. Eggert, Archäologie. Grundzüge einer Historischen Kulturwissenschaft (Darmstadt 2006) 110–132 (Kap. VII.5 »Konzeptuelle Grundlagen und Arbeitsweise«).
EINLEITUNG
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reihung von »Entdeckungen« in Form chronologischer Listen usw. stark erschweren und auf der anderen Seite dazu führen, dass einzeln herausgegriffene archäologische Projekte ohne Berücksichtigung ihres wissenschaftsgeschichtlichen Kontextes einseitig bewertet und interpretiert werden. Die Karte auf Taf. 1 und die Zeittafel auf Taf. 2 illustrieren lediglich diejenigen Projekte aus der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹, die unmittelbar für das Verständnis der Miletgrabung notwendig sind, aber schon diese sehr selektive Zusammenstellung zeigt anschaulich, wie vielfältig die Forschungsunternehmen in dieser Zeit waren. Dabei sind prominente Unternehmungen wie Olympia46 oder Pergamon, die einer weiteren Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb der Wissenschaft in Erinnerung blieben, eingerahmt von einer Vielzahl kleinerer und kleinster Unternehmungen, die aber teilweise für die Formierung und Ausgestaltung des wissenschaftlichen Ausgrabungswesens von viel entscheidenderer Bedeutung als die »großen« Grabungen waren. Der weitere Verlauf dieser Untersuchung wird beispielsweise zeigen, dass der Historiker und Epigraphiker47 Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen48, der hauptsächlich für seine Mitarbeit am Corpuswerk der griechischen Inschriften, Inscriptiones Graecae, in Erinnerung blieb49, in dieser Zeit maßgeblich an der methodischen Weiterentwicklung des Ausgrabungswesens beteiligt war, und für den Fall der Miletgrabung wird sich der spätere Direktor der Kasseler Antikensammlung Johannes Boehlau50 als einer der wichtigsten methodischen Vordenker für die konkrete Ausgestaltung der dort durchgeführten Arbeiten erweisen, obwohl er in den Publikationen der Miletgrabung überhaupt keine Rolle spielt. Es sind solche inhaltlichen Querverbindungen, die auf den ersten Blick nicht ohne Weiteres erkennbar sind, aber ohne deren Kenntnis kaum sinnvoll über die Ereignisgeschichte geurteilt werden kann.
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RE XVIII 1 (1939) 1–174 s. v. Olympia (L. Ziehen – J. Wiesner); DNP VIII (2000) 1169–1184 s. v. Olympia (W. Decker – U. Sinn – E. Olshausen); Forschungsgeschichte: DNP XV,1 (2001) 1169–1184 s. v. Olympia (U. Sinn); A. Mallwitz, Olympia und seine Bauten (München 1972); 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 45–66; H. H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.–11. November 2000 (Mainz 2002). 2 G. Klaffenbach, Griechische Epigraphik (Göttingen 1966); L. Robert, Die Epigraphik der klassischen Welt (Bonn 1970). NDB 9 (1972) 155 s. v. Hiller von Gaertringen (U. Schindel); F. Hiller von Gaertringen, Griechische Epigraphik, Einleitung in die Altertumswissenschaft 1, 9 (Leipzig 1924) 1–3; F. Hiller von Gaertringen, Erinnerungen und Betrachtungen eines alten Epigraphikers, Neue Jahrbücher für Antike und deutsche Bildung 5, 1942, 108–112; G. Klaffenbach, Friedrich Freiherr Hiller von Gaetringen, Gnomon 21, 1949, 274–277; K. Hallof, Bibliographie Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen, Klio 69/2, 1987, 573–598. K. Hallof, »… aber gerade darum ist es eine akademische Aufgabe«. Das griechische Inschriftenwerk der Berliner Akademie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: A. M. Baertschi – C. G. King (Hrsg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts (Berlin 2009) 423–443. bes. 429–435 mit Fotografie Hiller von Gaertringens (Abb. 2). P. Gercke, Johannes Boehlau. 1861–1941, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 146 f.
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EINLEITUNG
Mit der Arbeit Donald F. Eastons zu Heinrich Schliemanns51 Ausgrabung in Troja von 1870 bis 187352 und dem hervorragenden53 Werk zur Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa von Hubert D. Szemethy54 liegen zwei stark an den Primärquellen orientierte Beiträge zur Wissenschaftgeschichte des Ausgrabungswesens vor, die aufgrund der vorgelegten Dokumente die historischen Ereignisse55 auf eine Weise nachvollziehbar machen, dass sachlich überzeugende Interpretationen und weitergehende Verknüpfungen der ereignisgeschichtlichen Befunde überhaupt erst möglich werden. Erstere bleibt in ihrer Zielrichtung im Wesentlichen positivistisch, indem sie auf eine reine Vorlage der Primärquellen beschränkt ist und mit dem Wunsch verbunden wurde, dass sie für die weitere praktische Forschung in Troja nützlich sein möge56. Szemethys Arbeit geht aber über die reine Materialvorlage hinaus, denn mit dem Fokus auf die Erwerbungsgeschichte eines heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindlichen antiken Monumentes, werden die Ereignisse der österreichischen Expeditionen nach Trysa 1881 bis 1884 in einem größeren kulturpolitischen Kontext verortet. Beide Arbeiten zeigen anschaulich, wie eine wissenschaftsgeschichtliche Aufarbeitung von Grabungsunternehmungen angemessen dargestellt werden kann. Für Ephesos57, eine mit Milet gut vergleichbare österreichische Grabung, die 1895 begonnen worden war, legte Traute Wohlers-Scharf 1995 eine monographische Forschungsgeschichte58 vor. Dieser Beitrag sollte »den Grabungsplatz Ephesos in seiner archäologischen Entwicklung und in seiner Gesamtheit«59 darstellen und zeigte den Verlauf der Unternehmung von seinen Anfängen bis in die jüngste Vergangenheit auf. Mit diesem Werk informierte Wohlers-Scharf genau über den zeitlichen Ablauf der Forschungen an diesem Ort, aber die vielfältigen Quellen der dort vollzogenen wissenschaftlichen Praxis und ihre weitreichenden Wechselwirkungen mit anderen Grabungsprojekten konnten nur am Rande thematisiert werden. So vermutete sie beispielsweise in der ursprünglichen Wahl des
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H. Döhl, Heinrich Schliemann. 1822–1890, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 45 f. D. F. Easton, Schliemann’s Excavations at Troia 1870–1873, Studia Troica Monographien II (2002). Vgl. W. Radt, Gnomon 80/1, 2008, 44–50 (Rezension des Werkes). H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005). Für eine vielschichtige und quellennahe Annäherung an eine historische Forscherpersönlichkeit vgl. K. Fittschen (Hrsg.), Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland. Akten des Symposiums veranstaltet aus Anlass des 100. Todestages von H. G. Lolling (1848–1894) in Athen vom 28. bis 30.9.1994 (Münster 2007). D. F. Easton, Schliemann’s Excavations at Troia 1870–1873, Studia Troica Monographien II (2002) 1. Ausführlicher zu Ephesos vgl. Kap. 2.3.2.; RE V 2 (1905) 2773–2822 s. v. Ephesos 1 (L. Bürchner); DNP III (1997) 1078–1085 s. v. Ephesos (P. Scherrer – E. Wirbelauer – C. Höcker). T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995). Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 58) 2. 71.
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Grabungsortes eine »Imitatio germanica«60 und erklärte diesen Begriff so, dass Ephesos »im Wetteifer mit den deutschen Grabungen in Pergamon, Priene und Milet« gewählt wurde, damit die neue Unternehmung auch »eines Kaiserreiches würdig« sei. Ein Blick auf die Zeittafel auf Taf. 2 und die Tabelle der ›big digs‹ (Anhang E.1) zeigt allerdings, dass in Pergamon 1895 schon seit fast zehn Jahren keine systematische Ausgrabung mehr stattgefunden hatte und die beiden anderen deutschen Grabungen erst nach Ephesos begonnen wurden, so dass es eigentlich keinen unmittelbaren Anlass für einen Wetteifer gab. An anderer Stelle führte Wohlers-Scharf dann sogar aus, dass es der deutsche Entdecker des Pergamonaltars Carl Humann61 gewesen war, der als erster die offizielle Grabungsgenehmigung für Ephesos beantragt hatte, damit sie den Österreichern erhalten blieb, als sich russische Archäologen plötzlich für Ephesos interessierten62. In diesem Verhalten Humanns deutet sich eine Kooperationsbereitschaft unter den praktisch tätigen Ausgräbern an, deren Auswirkungen vielleicht genauer und differenzierter dargestellt werden könnten, als es bisher geschah. Auch aus diesem Grunde wurde in der vorliegenden Arbeit von vornherein auf den Versuch verzichtet, die Miletgrabung in ihrer gesamten Geschichte von 1899 bis zur Gegenwart darzustellen; es sollte vielmehr die wissenschaftshistorische Bedeutung der ersten Grabungsphase und ihre Verschränkungen mit anderen Unternehmungen herausgearbeitet werden. Es erscheint symptomatisch, dass bislang über die Miletgrabung als geschichtliches Ereignis kaum reflektiert wurde, obwohl diese Unternehmung für den Werdegang der beteiligten altertumswissenschaftlichen Disziplinen – Alte Geschichte, historische Bauforschung63 und Klassische Archäologie – offensichtlich von zentraler Bedeutung war. Während der Beschäftigung mit den Archivalien der Grabung und dem nachgelassenen Material der Beteiligten zeigte sich immer deutlicher, dass die etablierten Ordnungsmerkmale mit denen geschichtliche Darstellungen zur Feldarchäologie bislang strukturiert wurden – auf die großen »Entdecker« oder den einzelnen bedeutenden Ausgrabungsort fokussiert, nach den Herkunftsländern der Ausführenden oder nach den von ihnen repräsentierten wissenschaftlichen Institutionen – nur bedingt geeignet waren, um ein komplexes historisches Forschungsunternehmen wie die Miletgrabung differenziert zu beschreiben64. Da eine an Fragestellungen und Methoden orientierte Geschichte des Ausgrabungswesens fehlte, die einen Kontext für die Miletgrabung hätte liefern können, musste daher ein alternativer Lösungsansatz gefunden werden. Dabei erwies es sich als ein gangbarer Weg zunächst überhaupt erst einmal die für Milet um die Jahrhundertwende infragekommenden wissenschaftlichen Fragestellungen und die zu ihrer Beantwortung gefundenen Methoden zu artikulieren. 60 61 62 63 64
Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 58) 9. Biographische Angaben vgl. Anm. 339 und Kap. 2.3. Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 58) 74 f. vgl. dazu auch Kap. 2.3.2. und Anhang A.2. DNP XIII (1999) 196–200 s. v. Archäologische Bauforschung (E.-L. Schwandner). Vgl. zu dieser Herangehensweise: B. Olsen - M. Shanks - T. Webmoor - Chr. Witmore, Archaeology. The Discipline of Things (Berkeley 2012) 36 f.
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Erst auf dieser Grundlage konnte dann über vorangegangene und gleichzeitige Ausgrabungsprojekte hinweg dem Wandel und den Kontinuitäten des Erkenntnisinteresses und der verwendeten Methoden nachgegangen werden. Daraus ergab sich schließlich ein räumliches und zeitliches ›Koordinatensystem‹ von Projektorten (Taf. 1), in dem die praktischen Handlungen der Akteure und ihre Beziehungen untereinander über einen längeren Zeitraum hinweg abgebildet und sinnvoll beschrieben werden konnten. Mit dieser Vorgehensweise wurde deutlich, dass bei den Arbeiten in Milet zwei klar unterscheidbare Grabungskonzepte miteinander kombiniert worden waren, die an anderen Orten erdacht und ausprobiert worden waren und die jeweils eigene Traditionslinien aufwiesen: Neben einer ›Stadtgrabung‹ in der Tradition der früheren Projekte der Berliner Museen fand in Milet eine spezielle ›Nekropolengrabung‹ statt; eine zu dieser Zeit innovative Grabungsmethode, die kurz zuvor von Vertretern der Klassischen Archäologie ersonnen worden war, um bestimmte wissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten. Mehrere Sachverhalte führten in der Folge dazu, dass dieser Umstand verunklärt wurde65, wobei einer der Hauptgründe wohl darin zu sehen ist, dass der Leiter der Miletgrabung Theodor Wiegand es unterlassen hatte, in den Publikationen der Grabung auch über ihren Ablauf und die äußeren Umstände zu berichten. Ein solcher Bericht entsprach allerdings guter wissenschaftlicher Praxis der Zeit66 und Wiegand selbst hatte der Veröffentlichung des vorhergehenden Projektes der Berliner Museen, der Ausgrabung Prienes67, eine kurze erläuternde Darstellung vorangestellt68. Für diese historische Verortung der Miletgrabung war es also notwendig einen Kontext zu etablieren, aus dem die beiden genannten Grabungskonzepte hergeleitet werden konnten. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit ist der beschriebene Erkenntnisgang in der vorliegenden Arbeit in eine annähernd chronologische Abfolge übersetzt worden, so dass der eigentlichen Beschreibung der Miletgrabung (Kap. 3.) eine ausführlichere Erörterung (Kap. 2.) der wissenschaftlichen Ideologie69 des Ausgrabungswesens sowie hauptsächlich aber ausgewählter vorangegangener und zeitgleicher Projekte vorangestellt ist:
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V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 242. A. Conze – A. Hauser – G. Niemann, Archaeologische Untersuchungen auf Samothrake 1. (Wien 1875) 1-15; R. Weil, Geschichte der Ausgrabung von Olympia, in: E. Curtius – F. Adler (Hrsg.), Topographie und Geschichte, Olympia 1 (Berlin 1897) 101-154. Ausführlicher zu Priene vgl. Kap. 2.3.4. Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 1–6. Ideologie hier im Sinne einer Definition Stephen L. Dysons: S. L. Dyson, The Role of Ideology and Institutions in Shaping Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Century, in: A. L. Christenson, Tracing Archaeology’s Past. The Historiography of Archaeology (Carbondale 1989) 128: »By ideology, I mean simply the larger justifications we provide for why and how we do what we do.«
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Nach einer Einführung in die wissenschaftliche Praxis der archäologischen Feldforschung (Kap. 2.1. und 2.1.1.) wird zunächst das Konzept der ›Nekropolengrabung‹ (Kap. 2.1.2.) hergeleitet, das insbesondere für die Klassische Archäologie von Bedeutung war. Das Kap. 2.1.3. stellt eine Reihe von Feldforschungsprojekten vor, die in methodischer und zeitlicher Hinsicht voneinander abhingen und auf die Aufklärung größerer archäologischer oder lebensweltlicher Zusammenhänge zielten. Bei diesen Unternehmungen wurde meist versucht, die neue ›Nekropolengrabung‹ in das ausgreifendere Konzept zu integrieren. Sie begannen in der Zeit zwischen dem Ende der Museumsgrabung in Pergamon und der Miletgrabung, so dass diese Kombination daher methodisch betrachtet zwischen der ersten großen Grabung des Berliner Museums in Pergamon und der Miletgrabung stand, die diese methodische Kombination dann zum ersten Mal im Rahmen der Unternehmungen der Berliner Museen einführte. Gleichzeitig vermittelt die Vorstellung dieser Projekte eine notwendige Vergleichsgrundlage für die Miletgrabung, indem sie ein Spektrum der äußeren Rahmenbedingungen feldarchäologischer Projekte aufzeigt. Daran schließt sich mit Kap. 2.2. ein Referat der rechtlichen Grundlagen für Grabungsprojekte im Osmanischen Reich an, bevor mit Kap. 2.3. der Einstieg in die Ereignisgeschichte des Engagements der Berliner Museen erfolgt. Nach grundsätzlichen Bemerkungen (Kap. 2.3.), wird zunächst Osman Hamdi Bey, der auf türkischer Seite maßgebliche Akteur und Ansprechpartner für archäologische Forschungsprojekte, und die von ihm repräsentierte Institution ausführlicher vorgestellt (Kap. 2.3.1.). Ausgehend von der Pergamongrabung wird sodann das Konzept ›Stadtgrabung‹ in der Ereignisgeschichte bis an den Vorabend der Ausgrabung in Priene verfolgt (Kap 2.3.2.). Die zeitlich parallel dazu ablaufenden Bemühungen um eine Ausgrabung in Milet oder Didyma sind im folgenden Kap. 2.3.3. dargelegt, weil die Vorgeschichten der drei Grabungen auf das Engste miteinander verbunden waren und aufgrund neu berücksichtiger Dokumente eine ausführlichere Erörterung notwendig wurde. Mit Kap. 2.3.4. ist das unmittelbare Vorläuferprojekt Priene erreicht, das ausführlich beschrieben wird, und Kap. 2.3.5. schließt mit einer Vorstellung des späteren Leiters der Grabung in Milet diesen Teil der Arbeit ab. Mit einer Ausgrabung Milets verbanden die Akteure gewisse Erwartungen, die zum einen aus dem historischen Vorwissen um diesen Ort und zum anderen aus den praktischen Erfahrungen bei vorherigen Projekte gespeist wurden; Kap. 3.1. fasst daher das 1899 bei den Akteuren vorauszusetzende historische Wissen zusammen. Die eingehende Beschreibung der praktischen Feldarbeit in Milet ist Kap. 3.2. vorbehalten: Auf formal-praktische Aspekte (Kap. 3.2.1.) folgen die ›Stadtgrabung‹ (Kap. 3.2.2.) und die ›Nekropolengrabung‹ (Kap. 3.2.3.). Beide Grabungen hatten archaische Funde und Befunde ergeben, denen ein eigenes Unterkapitel (Kap. 3.2.4.) gewidmet ist und die ausführlicher mit zeitgleichen Forschungen zur archaischen Zeit verglichen werden (Kap. 3.2.4.1.). Als letzter Bereich der praktischen Arbeit werden über das Ruinengelände hinausgehende Forschungen thematisiert (Kap. 3.2.5.). Kap. 3.3. schildert den Ertrag der Ausgrabung in Form von Publikationen (Kap. 3.3.1.) und in die Museen ver-
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brachter Funde (Kap. 3.3.2.). Den Akteuren und ihrem Verhältnis zu den Arbeiten in Milet ist Kap. 3.4. gewidmet: Nach den Arbeitern (Kap. 3.4.1.) und den Vorarbeitern (Kap. 3.4.2.) erfolgt noch einmal ein genauerer Blick auf den Leiter der Ausgrabung und seine wissenschaftliche Persönlichkeit, wobei auch das letzte vor dem Ersten Weltkrieg begonnene Projekt der Berliner Museum, das Heraion von Samos, besprochen wird (Kap. 3.4.3.1.). Es schließen sich biographische Skizzen zweier Mitarbeiter an (Kap. 3.4.3.2. und Kap. 3.4.3.3.), die für die in Milet durchgeführten Arbeiten von entscheidender Bedeutung waren. Ein Blick auf das Leben neben der Arbeit und dessen Organisation (Kap. 3.4.4.) beschließt die Beschreibung der Ausgrabung in Milet. In Kap. 4. wird auf der Grundlage des bis hierher erarbeiteten ein erneuter Blick auf die ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ geworfen und die Praxis der Wissenschaftsorganisation innerhalb der Feldarchäologie nach der Jahrhundertwende anhand einiger historischer Phänomene nachvollzogen. Ein abschließendes Fazit (Kap. 5.) beendet den Textteil der Arbeit. Es erwies sich als hilfreich, dass der Verfasser nicht nur viele der im Text behandelten Grabungsorte aus eigener Anschauung kannte, sondern auch als langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Organisation und Durchführung einer modernen archäologischen Stadtforschung mitwirken konnte und dabei in Milet während der Jahre 2005 bis 2008 im Auftrag der Grabungsleitung selbst eine größere Ausgrabung leitete. Durch diese Vorbedingungen war nicht nur eine Vertrautheit mit den realen Verhältnissen vor Ort, sondern zugleich auch eine vertiefte Kenntnis der praktischen Seite des Grabungsgeschäftes gegeben. Auf dieser Wissensgrundlage konnten die Handlungen der Akteure der historischen Grabungen eingeschätzt werden, denn der prozessartige Ablauf wissenschaftlicher Ausgrabungen70 von einer Fragestellung über die Wahl und Anwendung bestimmter Methoden hin zur Veröffentlichung der Resultate ist im Lauf der Zeit grundsätzlich gleich geblieben, wenn sich auch das methodische Instrumentarium ausdifferenziert hat. Die Begriffe »Klassische Archäologie« bzw. »Klassischer Archäologe« werden in dieser Untersuchung stets im engeren Wortsinne gebraucht für die Bezeichnung derjenigen altertumswissenschaftlichen Disziplin und ihrer Vertreter, die sich in der Hauptsache mit den beweglichen und bildlichen dinglichen Hinterlassenschaften der alten Griechen und Römer beschäftigten. Im Kontext dieser Arbeit dient er vornehmlich zur Abhebung von den Vertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen, die gemeinsam mit denen der Klassischen Archäologie daran interessiert, praktische Forschung in den Ländern am Mittelmeer zu betreiben. Der allgemeinere Begriff »Archäologie« bzw. »Archäologe« meint diese altertumswissenschaftliche Praxis insgesamt, wobei zusätzlich die Begriffe »Ausgrabungswesen« und »Feldarbeit« synonym gebraucht werden. Bei der Schreibweise der osmanischen Namen und Ortsbezeichnungen wurde keine wissenschaftlich korrekte 70
B. Olsen - M. Shanks - T. Webmoor - Chr. Witmore, Archaeology. The Discipline of Things (Berkeley 2012) 61f.
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Transkription vorgenommen, sondern lediglich die Schreibweisen den modernen türkischen Namen und Bezeichnungen angepasst. In der Regel werden die jeweils in der fraglichen Zeit gebäuchlichen Ortsnamen verwendet (also etwa Smyrna statt Izmir); bei nicht primär auf die entsprechende Zeit bezogenen Aussagen werden selbstverständlich die heute gültigen Namen verwendet.
2. FELDARCHÄOLOGIE IN DER ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹ IN GRIECHENLAND UND KLEINASIEN
2.1. Feldforschung als interdisziplinäre wissenschaftliche Praxis Die Verwissenschaftlichung der archäologischen Feldforschung im engeren Sinne vollzog sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und kann als eine praktische Auswirkung der in dieser Zeit dominierenden geschichtswissenschaftlichen Strömung des Historismus71 gesehen werden. Erst seit dieser Zeit wird eine kritische Reflektion der Akteure über Fragestellungen, die durch die Ausgrabung beantwortet werden sollen und über die Wirksamkeit der verwendeten Methoden deutlicher fassbar. Eine Zäsur in dieser Hinsicht stellte etwa die Ausgrabung Pompeiis72 dar, die seit 1860 unter der Leitung Guiseppe Fiorellis systematisiert wurde73. Es waren insbesondere Historiker, Philologen, Architekten und Klassische Archäologen, die sich für die Durchführung wissenschaftlicher Expeditionen und Projekte in jenen Mittelmeerländern, in denen Sachüberreste der für sie relevanten antiken Kulturen anzutreffen waren, interessierten74. Für Historiker und Philologen ging es dabei darum, neue Fakten aus Inschriften zu gewinnen und um die Verortung der in den antiken Quellen benannten Ortsbezeichnungen. Archi-
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DNP XIV (2000) 469–485 s. v. Historismus I. (S. Rebenich). RE XXI 2 (1952) 1999–2038 s. v. Pompeii (A. W. Van Buren); DNP X (2001) 89–98 s. v. Pompeji (V. Kockel – M. I. Gulletta). DNP XV 2 (2002) 472–490 s. v. Pompeji (V. Kockel). Vgl. auch M. Schwegman, Pompeii and the Last Days of the Italian Risorgimento, Giuseppe Garibaldi, Alexandre Dumas and Giuseppe Fiorelli in Naples, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 7–18. Ein Bericht Otto Benndorfs bezüglich einer projektierten großen Grabung in Ephesos aus dem Jahre 1893 schilderte die idealtypische Zusammensetzung einer Grabungsmannschaft: »… Nehme ich an, daß ein Architekt mit einem Gehilfen, ein Ingenieur, ein Archäologe und ein Epigraphiker hierzu berufen würden, wozu noch ein Arzt, der von der türkischen Regierung bestellte Commissär und ein im Gipsformen und Zusammensetzen von Skulpturenfragmenten geübter Bildhauer käme …« Zitiert nach T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 73 (O. Benndorf, Bericht an das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht. 29.9.1893, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Präsidium Unterricht, 1893.). Vgl. auch Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1. 1 (München 1939) 98.
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FELDARCHÄOLOGIE IN DER ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹
tekten vermaßen die dort anzutreffenden Reste antiker Bauten und Klassische Archäologen sammelten Daten zu beweglichen und bildlichen antiken Objekten. Die ›Ressourcen‹, aus denen Daten gewonnen werden konnten, sind endlich und mussten aufgesucht werden, d. h. ähnlich wie Geologen, Botaniker, Zoologen usw. waren Vertreter der Klassischen Altertumswissenschaften gezwungen, an ganz bestimmte Orte zu gelangen, an denen sie ihre Daten erheben konnten. Dabei waren die ›Ressourcen‹ vielgestaltig, und Adolf Michaelis75 machte sich 1908 diesen Umstand in seinem populären Überblickswerk über »Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen«76 zu Nutze, indem er die »Entdeckungen« nicht streng chronologisch aneinander reihte, sondern nach geographischen77, zeitlichen78 und besonders auch typologischen Kriterien ordnete: Sein Kap. IV verwies im Titel auf die »Grabstätten Etruriens«, die zu den Hauptentstehungsorten des wissenschaftlichen Ausgrabungswesens zählten, und die Kapitel VI »Griechische Heiligtümer« und VII »Antike Städte« weisen auf zwei weitere Arten von Grabunsobjekten hin, die die Feldarchäologie um die Jahrhundertwende neben der Ausgrabung von Nekropolen kannte79: Die Erforschung des räumlich begrenzten Einzelmonumentes und die von einem festen Punkt ausgreifende Erkundung größerer archäologisch-historischer Zusammenhänge.
2.1.1. Wissenschaftliche Expeditionen Um die »wissenschaftliche Aufsuchung der Denkmäler«80 in die Tat umzusetzen, mussten ökonomische und logistische Lösungen gefunden werden. Die Gründung des Istituto di corrispondenza archeologica, dem Vorläufer des späteren Deutschen Archäologischen Institutes (DAI)81, 1829 in Rom, erfolgte aus der 75
H. Döhl, Adolf Michaelis. 1835–1910, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 61 f. 76 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908). Die erste Auflage erschien 1906 unter dem Titel » Die archäologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts.« 77 Kap. V: »Entdeckungen im Osten«, Kap. IX: »Einzelentdeckungen in den klassischen Ländern«, Kap. X: »Einzelentdeckungen in den Außenländern«. 78 Kap. VIII: »Prähistorische und griechische Vorzeit«. 79 Vgl. ausführlicher M. Shanks, Classical Archaeology of Greece. Experiences of the Discipline (London 1996) 22–52. 80 Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 85. 81 Vgl. die vom DAI herausgegebene grundlegende Reihe »Das Deutsche Archäologische Institut. Geschichte und Dokumente«, bes. A. Rieche, Die Satzungen des Deutschen Archäologischen Instituts 1828 bis 1972, DAIGeschDok 1 (Mainz 1979); L. Wickert, Beiträge zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts von 1879 bis 1929, DAIGeschDok 2 (Mainz 1979); K. Bittel – F. W. Deichmann – W. Grünhagen – W. Kaiser – Th. Kraus – H. Kyrieleis (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts von 1929 bis 1979. Teil 1, DAIGeschDok 3 (Mainz 1979); H.-G. Kolbe, Wilhelm Henzen und das Institut auf dem Kapitol. Eine Auswahl seiner Briefe an Eduard Gerhard, DAIGeschDok 5 (Mainz 1981); F. W. Deichmann, Vom internationalen Privatverein zur preußischen Staatsanstalt, DAIGeschDok 9 (Mainz
FELDFORSCHUNG ALS INTERDISZIPLINÄRE WISSENSCHAFTLICHE PRAXIS
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Anerkenntnis heraus, dass die bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Unternehmungen zur Vermehrung der Daten zum griechisch-römischen Altertum zu unkoordiniert und planlos erfolgt waren82. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis versuchte die wissenschaftliche Gemeinschaft, eine institutionalisierte Verflechtung mit staatlichen Strukturen zu erreichen, um auf diese Weise ihre Anstrengungen für eine systematische Wissensakkumulation in eine bestandssichernde Form zu überführen, die einen andauernden Zufluss neuer Daten sicherstellen konnte. Dabei spiegelt die Geschichte des Deutschen Archäologischen Institutes diesen organisatorischen Wandel der wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen der Klassischen Altertumswissenschaften am augenfälligsten wider: Von einer internationalen Personengruppe zunächst als eine private Initiative gegründet, erfolgte schon ab 1833 eine zunehmende finanzielle Unterstützung seitens des Preussischen Staates und eine Verlegung des Direktionssitzes von Rom nach Berlin83. Mit der Reichsgründung 1871 ging die Umwandlung des Institutes in eine preussische Staatsanstalt einher, welche ihrerseits 1874 in ein Reichsinstitut umgewandelt wurde. Zur selben Zeit erfolgte auch die Gründung einer neuen Zweigstelle in Athen, mithin eine bedeutende Ausweitung des Aktionsrahmens der vor Ort tätigen Altertumswissenschaftler. In diesen Zusammenhang gehörte allerdings auch, dass Wissenschaftler schon bestehende staatliche und private Infrastrukturen und Ressourcen für ihre Zwecke nutzten. So erfolgten die archäologischen Expeditionen Alexander Conzes84 nach Samothrake85 1873 bis 1875 und Otto Benndorfs86 nach Gölbaşı/Trysa87 1881 bis 1884 unter Benutzung von Schiffen der österreichischen
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1985); U. Jantzen, Einhundert Jahre Athener Institut 1874–1974, DAIGeschDok 10 (Mainz 1986). Ferner (in Auswahl): G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. 1829–1929 (Berlin 1929); Archäologisches Institut des Deutschen Reiches (Hrsg.), Bericht über die Hundertjahrfeier 21–25 April 1929 (Berlin 1930); E. von Mercklin, Archäologische Institute, in: L. Bauer – A. Mendelssohn Bartholdy – A. Meyer (Hrsg.), Forschungsinstitute. Ihre Geschichte, Organisation und Ziele 1 (Hamburg 1930) 280–301; A. Rieche, 150 Jahre Deutsches Archäologisches Institut Rom. Ausstellungskatalog Bonn (Essen 1979); H. Blanck, The Instituto di Corrispondenza Archeologica, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 63–78; Chr. Jansen, The German Archaeological Institute Between Transnational Scholarship and Foreign Cultural Policy, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 151–181. S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany (Princeton 1996) 56–60. G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. 1829–1929 (Berlin 1929) 16. A. H. Borbein, Alexander Conze. 1831–1914, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 59 f. RE I A 2 (1920) 2224–2226 s. v. Samothrake (C. Fredrich); DNP XI (2001) 24–29 s. v. Samothrake (A. Külzer – Ch. Tsochos). H. Kenner, Otto Benndorf. 1838–1907, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 67 f. RE VII A 1 (1939) 746–748 s. v. Trysa (W. Ruge); DNP XII 1 (2002) 887 s. v. Trysa (M. Zimmermann).
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FELDARCHÄOLOGIE IN DER ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹
Marine88. Dieser naheliegende Gedanke, im Ausland schon bestehende Infrastrukturen für den Wissenserwerb nutzbar zum machen, kam nicht nur Vertretern der Klassischen Altertumswissenschaften; sie sind nur eine Gruppierung unter vielen, die auf empirische Daten von entfernten Orten angewiesen sind: 1875 erschien, von Georg von Neumayer herausgegeben, eine »Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen«, die bis 1906 zwei weitere Auflagen erfuhr89. Dieses zweibändige Sammelwerk brachte verständliche Anleitungen zum Sammeln wissenschaftlicher Daten für die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen, die vorgebildete Laien in den Stand versetzten, auf eine wissenschaftlich korrekte Art und Weise Daten zu erheben90. Dieses Werk war primär zur Verwendung in der kaiserlichen Marine gedacht und sollte auf diese Weise zur Wissensvermehrung beitragen91. Dasselbe Phänomen zeigte sich auch beim deutschen Eisenbahnbau92 im Osmanischen Reich93: Für die Strecke Izmit-Ankara verfasste Gustav Hirschfeld 1889 aus eigenem Antrieb ein Brevier mit Anleitungen zum Sammeln wissenschaftlicher Daten94, und Theodor Wiegand griff 1911 die Idee auf und ließ mit Mitteln der Deutschen Bank95 »Instruktionen für geographische, topographische und archäologische Beobachtungen«96 drucken, welche an die Be-
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H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 41 m. Anm. 135 u. 136. G. von Neumayer (Hrsg.), Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen in Einzel3 abhandlungen (Hannover 1906). Das Inhaltsverzeichnis der Ausgabe von 1906 nennt Abhandlungen zu folgenden Themen: Band 1: geographische Ortsbestimmung auf Reisen, Aufnahme des Reiseweges, Photogrammetrie als Hilfsmittel der Geländeaufnahme, Geologie, Erdbebenbeobachtungen, magnetische Beobachtungen an Land und zur See, nautische Vermessungen, Gezeitenbeobachtungen, allgmeine Meeresforschung, meteorologische und klimatologische Beobachtungen, Verwendung von Flugdrachen für meteorologische Zwecke, Himmelsbeobachtungen, Fahrwasserbeobachtung in ungeregelten Flüssen, Ausrüstungs- und Ausführungshinweise für Forschungsreisen. Band 2: Anthropologie, Ethnographie und Urgeschichte, Landeskunde, politische Geographie und Statistik, Heilkunde, Landwirtschaft und Kulturpflanzen, Pflanzengeographie, geographische Verbreitung von Seegräsern, Sammeln und Konservieren von höheren Pflanzen, Linguistik, Beobachten und Sammeln von Säugetieren, Beobachtung von Robben, Sirenen und Waltieren, Sammeln und Beobachten von Vöglen, Sammeln von Reptilien und Fischen, Sammeln wirbelloser Seetiere, Sammeln von Land- und Süsswasser Mollusken, Sammeln von Plankton, Sammeln von Gliedertieren, Benutzung von Mikroskop und fotographischem Apparat. G. von Neumayer (Hrsg.), Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen in Einzel3 abhandlungen (Hannover 1906) S. XII. EOE 478–484 s. v. railroads (Y. Bektaş). Vgl. auch Heimsoth, Die Bagdadbahn und die Archäologie. Wirtschaftliche und wissenschaftliche Planungen im Osmanischen Reich, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 354–369. G. Hirschfeld, An die Ingenieure der Bahnlinie Ismid – Esikschehir – Angora (Berlin 1889). Sitzungsbericht der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin vom 7.11.1911, AA 1912, 54 f. Th. Wiegand, Instruktionen für geographische, topographische und archäologische Beobachtungen (Berlin 1911).
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schäftigten beim Bau der Bagdadbahn verteilt wurden97. In dieser Schrift stellte Wiegand den Ingenieuren für den Wissenserwerb lediglich Ruhm und Ehre in Aussicht; die Tätigkeit des Datensammelns an sich wurde als wert- und sinnvoll dargestellt, wobei Wiegand eine weitergehende Erklärung oder Deutung des Sinngehaltes nicht gab. Diese positivistische, vorgeblich wertneutrale Position war nicht in jedem Fall gegeben: Die letzte Auflage des Neumayer’schen Sammelwerkes von 1906 war nicht mehr so sehr der Marine zugeeignet, obwohl sie noch 400 Exemplare abnahm, sondern sollte ganz explizit den »deutschen kolonialen Bestrebungen« dienen98. Dass solcherlei Aufrufe zur aktiven Mitarbeit an der praktisch tätigen Altertumswissenschaft nicht als gutgemeinter Aktionismus ins Leere lief, sondern konkrete Erfolge zeitigen konnte, zeigt das Beispiel der Lokalisierung der antiken Stadt Gordion99 in der Nähe von Ankara, denn sie gelang erst aufgrund des Hinweises eines Ingenieurs der anatolischen Eisenbahn100. Seine Fundangaben nutzend, konnte Alfred Körte101 hauptsächlich anhand einer Wegbeschreibung bei Livius102 die Lage des Ortes eindeutig bestimmen, wobei er vor Ort die in der Quelle gegebene Marschroute im Gelände praktisch nachvollzog103. Die von ihm anschließend zusammen mit seinem Bruder, dem Archäologen Gustav Körte104, im Jahre 1900 vorgenommene Ausgrabung an diesem Ort105 stellt eine Pionierleistung der archäologischen Erforschung des anatolischen Binnenlandes dar106. Dieser Aufbau einer sachgerechten Infrastruktur vor Ort schuf die Grundlage für weitere Forschungsprojekte und die nun immer zahlreicher werdenden Er97
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Es handelte sich dabei auch nicht um ein rein deutsches Phänomen; vgl. etwa S. Reinach, Conseils aux voyageurs archéologues en Grèce et dans l’Orient Hellénique (Paris 1886) mit praktischen Hinweisen zu den Themen: Épigraphie, Beaux-Arts, Numismatique, Topographie. G. von Neumayer (Hrsg.), Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen in Einzel3 abhandlungen (Hannover 1906) S. X. Dieser Sachverhalt wirft im Vergleich mit Wiegands Position ein bezeichnendes Licht auf die Varianz im Verständnis des aufklärerischen Charakters wissenschaftlicher Tätigkeit. RE VII 2 (1912) 1590 s. v. Gordion (W. Ruge); DNP IV (1998) 1146 s. v. Gordion (T. DrewBear). A. Körte, Kleinasiatische Studien II. Gordion und der Zug des Manlius gegen die Galater, AM 22, 1897, 4. NDB 12 (1980) 394 s. v. Körte, Alfred (A. Thierfelder). Liv. 38, 12–17. Auch Carl Humann hatte anlässlich seiner Expedition zur Abformung des Monumentum Ankyranum 1882 schon topographische Überlegungen anhand des Livius-Berichtes angestellt: K. Humann – O. Puchstein, Reisen in Kleinasien und Nordsyrien. Textband (Berlin 1890) 36–38. A. Körte, Kleinasiatische Studien II. Gordion und der Zug des Manlius gegen die Galater, AM 22, 1897, 1–51. Chr. Schwingenstein, Gustav Körte. 1852–1917, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 102; R. Stremmel, Der Archäologe und der Industrielle. Wie Gustav Körte und Friedrich Alfred Krupp in Kleinasien den gordischen Knoten lösten, AW 2008/3, 78–80. G. Körte – A. Körte, Gordion, AA 1901, 1–11. G. Körte – A. Körte, Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900, JdI Ergh. 5 (Berlin 1904) Vgl. dort auch besonders im Vorwort, S. VIII–IX, den Dank der Beiden für die vielfältige Unterstützung ihrer Unternehmung durch die Angehörigen der Eisenbahn.
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gebnisse mussten in einer Weise vorgelegt werden, die ihrerseits wissenschaftlichen Kriterien genügte: Bis heute ist die geordnete systematische Vorlage neu gewonnener Daten eines der Hauptziele der praktisch tätigen Altertumswissenschaften. Diese grundlegende methodische Ausrichtung, die maßgeblich durch Eduard Gerhard107, der treibenden Kraft hinter der Gründung des Istituto, propagiert wurde108, steht in der Tradition des Historismus und transferierte Methoden und Verfahren des Erkenntnisgewinns aus den Naturwissenschaften in die Geisteswissenschaften. Charakteristisch ist dafür, dass die ›Laborergebnisse‹ der Altertumswissenschaftler seit dieser Zeit verstärkt in groß angelegten Corpuswerken, Enzyklopädien und Publikationsreihen109 – gleichsam Datenbanken der vordigitalen Zeit – zusammengefasst wurden. Spezialisierte Fachzeitschriften ermöglichten zudem mit zeitnah erstellten Einzelbeiträgen, Bibliographien und Überblicksberichten eine strukturierte Datenvorlage, die den Leser über aktuelle innerdisziplinäre Entwicklungen informierte und zugleich Raum für die Darstellung von erreichten Zwischenzielen bot110. Im weiteren Verlauf der Formierung und der praktischen Ausgestaltung archäologischer Feldforschung wurde dieser positivistische Ansatz nicht in Frage gestellt. Dissenz ergab sich in der Regel nur über die Frage, welche Funde und Befunde aus der Gesamtsumme der bei archäologischen Unternehmungen angetroffenen Sachverhalte und Dinge überhaupt einer Dokumentation und Vorlage wert erschienen111. Während die Relevanz der Auffindung neuer Inschriften und der Kenntnis von antiken Bauformen und -techniken dabei niemals angezweifelt wurde, entwickelten sich die Maßstäbe und Kriterien für diesen Selektionsprozess innerhalb der Klassischen Archäologie im kontrovers geführten Dialog zwischen den in der Feldforschung praktisch tätigen Wissenschaftlern und jenen an Universitäten, Museen und Akademien etablierten Forschern, die unter Berufung auf Johann Joachim Winckelmann112 eine tiefere Bedeutung in der Erarbeitung einer
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H. B. Jessen, Eduard Gerhard. 1795–1867, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 20 f.; V. Stürmer, Eduard Gerhard – Begründer der institutionellen Archäologie in Berlin, in: A. M. Baertschi – C. G. King (Hrsg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts (Berlin 2009) 145–164; A. Schnapp, Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie (Stuttgart 2009) 327–334. G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. 1829–1929 (Berlin 1929) 5–9. z. B. 1825 – Corpus Inscriptionum Graecarum, 1837 – Real Encyclopaedie der classischen Altertumswissenschaft, 1847 – Corpus Inscriptionum Latinarum, 1885 – Handbuch der Alterumswissenschaften. S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 159: 1876 – Bulletin de correspondence hellénique, 1876 –Athenische Mitteilungen, 1880 – The Journal of Hellenic Studies, 1885 – American Journal of Archaeology. S. Altekamp, The resistance of classical archaeology against stratigraphic excavation, in: G. Carver (Hrsg.), Digging in the dirt. Excavating in an new millenium (Oxford 2004) 143, 145. W. Schiering, Johann Joachim Winckelmann. 1717–1768, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 5–7.
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Kunstgeschichte113 des Altertums sahen114. Dabei schritt das Erkenntnisinteresse – vereinfacht gesagt – von ›hoher Kunst‹ im Sinne figürlicher Großplastik über Produkte des Kunsthandwerks wie weitgehend vollständige Grabbeigaben hin zu weniger ansehnlichen Artefakten wie z. B. die in Massen bei Ausgrabungen anzutreffenden Gefäßscherben fort. Die hartnäckige Beschränkung einer an den Museen und Universitäten vertretenen kunstgeschichtlich orientierten Klassischen Archäologie, der ›archeologia elegante‹115, auf eine »Mischung von Schatzgräberei und antiquierter Kunstgeschichte«116 kollidierte dabei mit den Erfahrungen der bei den Feldprojekten, der ›archeologia militante‹117, tatsächlich tätigen, meist jungen Wissenschaftler, für die aus der Konfrontation mit den antiken Objekten in situ allmählich neue und andere Interessen und Fragestellungen erwuchsen und die deshalb auch intensiv nach neuen Methoden suchten, die ihre Fragen umfassender beantworten konnten. Der Reisestipendiat Hans Dragendorff118, dem 1896 die Chance einer von ihm selbst zu gestaltenden Ausgrabung eröffnet worden war, formulierte diesen Sachverhalt in den einleitenden Worten seiner Grabungspublikation so: – Und dann – wer einmal die Funde einer größeren Ausgrabung veröffentlicht hat, weiß, wie zahlreiche und verschiedenartige Fragen angeregt werden. Alle sofort zu erledigen, ist kaum möglich119.
Auch sein späterer Schüler, Arnold von Salis120, der 1906 an der Miletgrabung teilnahm (Taf. 10a), fand anlässlich des Besuches einer Antikenauktion in München 1910, als er selbst schon habilitiert war, gegenüber seinen Eltern ebenfalls die Sache treffende Worte: Unsere Archäologie ist ja eine ganz nette Wissenschaft, und über die Archäologen und ihre Art werde ich schon deshalb wohlweislich nicht schimpfen, weil ich ja selber zur Zunft gehöre: allein sie hat den üblen Fehler, dass sie viel zu wissenschaftlich ist, zu dogmatisch, zu akademisch: die Professoren machen in erster Linie die Archäologie, und das ist nicht gut. Denn so bildet sich ein Schein-Kennertum heran und eine Stubenweisheit, die oft gar fern von den wahren und wirklichen Dingen sind. Was nicht in eines der Schubfächer passt, wird verworfen, denn es ist nicht 113
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E. S. Sünderhauf, Griechensehnsucht und Kulturkritik. Die deutsche Rezeption von Winckelmanns Antikenideal 1840–1945 (Berlin 2004); A. Schnapp, Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie (Stuttgart 2009) 280–288. Die Ansicht, dass das Ausgrabungswesen innerhalb der Klassischen Archäologie nur eine untergeordnete Rolle spiele, ist immer noch zu finden. Vgl. etwa H. Sichtermann, Kulturgeschichte der klassischen Archäologie (München 1996) bes. 9–21. F. G. Maier, Von Winckelmann zu Schliemann – Archäologie als Eroberungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (Opladen 1992) 12. M. I. Finley, Quellen und Modelle in der Alten Geschichte (Frankfurt a. Main 1987) 30. Maier a. O. (Anm. 115) 12. G. Grimm, Hans Dragendorff. 1870–1941, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 179 f. H. Dragendorff (Hrsg.), Theraeische Gräber, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902 2 (Berlin 1903) 8. H. Jucker, Arnold von Salis. 1881–1958, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 210 f.
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echt; was man auf Grund der wissenschaftlich feststehenden Tatsachen nicht erklären kann, ist nicht echt – aus diesem Grunde ist es höchst heilsam und nützlich, wenn man von Zeit zu Zeit Gelegenheit hat sich zu überzeugen, dass die Wirklichkeit reicher ist und vielgestaltiger – und dass es mehr Dinge gibt zwischen dem Trojanischen Krieg und der Geburt des Herrn, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt121.
Zur praktischen Umsetzung neuer wissenschaftlicher Methoden und Konzepte musste einerseits eine innerdiziplinäre Akzeptanz derselben herbeigeführt werden, aber natürlich waren andererseits auch Mittelgeber dazu zu bewegen, die Forschungen zu finanzieren. Dabei hielt sich die Vorstellung hartnäckig, dass die Ausgrabung ein bloßes Mittel zu dem Zweck darstellte, Objekte zu erlangen, an denen dann Professoren und Kustoden in gesicherten Räumen ihre Wissenschaft vollziehen konnten. Dass diese Beschaffungsdienstleistung selbst zu einem wissenschaftlichen Verfahren verfeinert werden konnte, das belegbare und vielleicht sogar faktisch richtigere Daten lieferte, war nur schwer nachzuvollziehen und erschien manchem vielleicht besorgniserregend122. In der deutschen Klassischen Archäologie manifestierte sich dieser Konflikt hauptsächlich in einer Kontroverse um die Kleinfunde, der »Vasenarchäologie«123 der ›jungen Wilden‹, und blieb damit weitgehend auf einen kunstgeschichtlichen Rahmen beschränkt. Die andere Thematik, an der sich aus heutiger Sicht ein Disput um die Deutungshoheit über das Ausgrabungswesen hätte entzünden können, die wissenschaftliche Nutzbarmachung von Schichtbeobachtungen, hat innerhalb der Klassischen Archäologie zunächst keine größere Rolle gespielt.
2.1.2. »Vasenarchäologie« und Ausgrabungswesen Wenn die Ausführungen in diesem Kapitel hauptsächlich die Erforschung der bemalten griechischen Keramik124 zum Gegenstand haben, geschieht dies aus dem Grund, dass sie bis heute aufgrund der massenhaften Verbreitung der Objekte ein elementares Forschungsfeld der Klassischen Archäologie darstellt und sich an ihr am klarsten das Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und 121 122
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A. von Salis an die Eltern, 30.6.1910, NL von Salis. S. Altekamp, The resistance of classical archaeology against stratigraphic excavation, in: G. Carver (Hrsg.), Digging in the dirt. Excavating in an new millenium (Oxford 2004) 144. J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 2. Ein Begriff von dem Boehlau meint, er habe »von der Beschäftigung mit jener Zeit erfolgreich abgeschreckt.« Gemeint sind die vorklassischen Epochen der griechischen Kunst im ostgriechischen Gebiet. Zur allgemeinen Forschungsgeschichte der »Vasen« vgl. I. Scheibler, Griechische Töpferkunst. 2 Herstellung, Handel und Gebrauch der antiken Tongefäße (München 1995) 11–15; DNP XII 1 (2002) 675–679 s. v. Tongefäße II. (I. Scheibler); DNP XII 1 (2002) 1147–1149 s. v. Vasenmaler (I. Scheibler); J. Boardman, The History of Greek Vases (London 2001); S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 160–167.
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Wandel des Verfahrens zur Erlangung von Denkmälern aufzeigen lässt125. Die Vasen als »Leitfossil« des Ausgrabungswesens stehen hier als pars pro toto, und das Gesagte gilt in vergleichbarer Weise für sämtliche Kleinfunde126. Die wissenschaftliche Bearbeitung der oft aufwendig verzierten griechischen Gefäße hatte in der Klassischen Archäologie eine lange Tradition, die – wie so vieles andere127 – von Eduard Gerhard auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt wurde128. Die von Raubgräbern und adeligen Enthusiasten zu Zehntausenden aus den Nekropolen der Etrusker und der griechischen Kolonien auf italienischem Boden zu Tage geförderten »schönen« Vasen erwiesen sich als eine Monumentgattung, deren systematische Erforschung prägend auf den weiteren Werdegang sowohl der Klassischen Archäologie als Wissenschaftsdiziplin als auch auf ihr Erkenntnisinteresse innerhalb des Ausgrabungswesens einwirkte. Als Denkmälergattung waren die Vasen besser noch als die viel seltener aufgefundene Großplastik geeignet, an ihnen das neu zu entwickelnde, systematisierende Instrumentarium zu erproben129: Die zahlreichen gleichförmigen Einzelobjekte konnten untereinander verglichen und nach verschiedenen Gesichtspunkten geordnet werden, woraus sich für eine Kunstgeschichte der Griechen ungeahnte neue Daten ergaben. Eine erste Ordnung des Materials erfolgte unter ikonographischen Gesichtspunkten, wobei sich oft eine bemerkenswerte Kongruenz von bildlicher Darstellung auf den Vasen und literarischer Überlieferung griechischer Mythen ergab, was wohl als einer der wichtigsten Impulse für eine als Philologie der Denkmäler130 verstandene, kunstgeschichtliche Archäologie angesehen werden kann. Parallel dazu erfolgte eine Ordnung des Materials unter geographischen Gesichtspunkten, denn sobald offenbar wurde, dass die dem italienischen Boden entnommenen Objekte dort nicht hergestellt worden waren, galt es, für die verschiedenartig dekorierten Gefäße Herkunftsorte zu bestimmen und erste Erwägungen zu einer chronologischen Ordnung anzustellen. Für diese ersten Schritte stand den Klassischen Archäologen zunächst fast ausschließlich die auf vergleichender Anschauung beruhende Methode der Stilkritik zur Verfügung, denn die Aussagekraft dieses frühen Denkmälerbestandes war auf Fragen beschränkt, die unmittelbar mit 125
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Vgl. auch grundsätzlich zur Erforschung der Vasen M. Shanks, Classical Archaeology of Greece. Experiences of the Discipline (London 1996) 22–37. Eine historische Skizze der Rezeption griechischer Lampen, also einer weiteren Kleinfundgattung, bei: U. Hübinger, Die archaischen Lampen aus Olympia. Entwurf für eine systematische Darstellung der Formen griechischer Lampen (Diss. Freie Universität Berlin 2003) 14–20, (6.4.2014). z. B. beschäftigte sich Eduard Gerhard auch mit figürlich verzierten Bronzespiegeln und Urnen: 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstgeschichtlicher Entdeckungen (Leipzig 1908) 57. Michaelis a. O. (Anm. 127) 59–65. bes. 62. S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750 – 1970 (Princeton 1996) 112. R. Bianchi Bandinelli, Klassische Archäologie. Eine kritische Einführung (München 1978) 40– 73.; A. Schnapp, Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie (Stuttgart 2009) 327–334.
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den Vasen selbst beantwortet werden konnten; ihre Auffindungskontexte waren durch Raubgrabungen und ein noch in den Anfängen steckendes wissenschaftliches Ausgrabungswesen verloren gegangen. Johannes Boehlau formulierte rund siebzig Jahre später diesen Umstand so: Die Gewinnsucht der scavatori und der Fleiß der italienischen Archäologen hat aus den italischen Gräbern tausende von nichtattischen Gefäßen ans Licht gefördert, die von der ältesten geometrischen Periode bis zu den schwarzfigurigen Vasen herabreichen, aber sie sind Museumsbestand, kein Besitz der Wissenschaft131.
Bedeutende Arbeiten am Ende dieser ›stilkritischen‹ Phase der Vasenforschung waren Alexander Conzes Publikationen zur »geometrischen« Keramik132 sowie Adolf Furtwänglers133 und Georg Loeschckes134 zu »mykenischen« Vasen135 aus den 70er- und 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts, und diese genannten Autoren werden sich im Weiteren auch als wichtige Impulsgeber für eine Professionalisierung der praktische n Feldforschung in den Folgejahren erweisen. Die ersten Vasen stammten, wie erwähnt, aus antiken Nekropolen. Dort waren sie den Verstorbenen mit ins Grab gegeben worden. Diese auf den Friedhöfen in Serie auftretenden Befunde stellen einander ähnliche, fest umrissene Kontexte dar, und alle in einem Grab befindlichen Objekte waren durch das Begräbnis zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam in die Erde gelangt136, so dass jedes Grab einen relativen Terminus ante quem ergeben musste. Objekte aus solchen Befunden waren also in hohem Maße für diachrone und synchrone Vergleiche, Gruppierungen und Reihungen geeignet137. Durch die Natur dieser Fundkontexte war gleichzeitig sichergestellt, dass die Gefäße vollständig bzw. mit geringem Zerscherbungsgrad erhalten waren. Diese spezifischen Charakteristika von Nekropolen als Ausgrabungsorten unterscheiden sie deutlich sowohl von der Ausgrabung isolierter Einzelmonumente, etwa der ›Heiligtumsgrabung‹, als auch von der 131
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J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 2. A. Conze, Zur Geschichte der Anfänge griechischer Kunst, SBWien 64, 1870, 505–533; A. Conze, Zur Geschichte der Anfänge griechischer Kunst, SBWien 73, 1873, 221–250. R. Lullies, Adolf Furtwängler. 1853–1907, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 110 f. W.-R. Megow, Georg Loeschcke. 1852–1915, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 106 f. A. Furtwängler – G. Loeschcke, Mykenische Thongefäße (Berlin 1879); A. Furtwängler – G. Loeschcke, Mykenische Vasen. Vorhellenische Thongefäße aus dem Gebiete des Mittelmeres (Berlin 1886). In der Publikation der Ausgrabung zweier schwedischer Archäologen im Poseidonheiligtum auf der Insel Kalaureia (moderner Name: Poros) im Saronischen Golf konnten die Einzelfunde 1895 aus verschiedenen Gründen nicht chronologisch dargeboten werden; einzig bei der Vorlage der »mykenischen Funde« hielt sich der Bearbeiter an eine Chronologie, »weil diese Epoche eine scharfe Scheidung im Einzelnen und auf allen Gebieten« zuließ: S. Wide – L. Kjellberg, Ausgrabungen auf Kalaureia, AM 20, 1895, 296. Ausnahmephänomene wie Überschneidungen von Gräbern, Doppel- und Mehrfachbestattungen sind hier ausgeblendet, um die grundsätzlichen Charakteristika herauszustellen. T. Hölscher, Klassische Archäologie. Grundwissen (Darmstadt 2002) 137 f. (Beitrag D. Graepler).
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großflächigen Ausgrabung ganzer Siedlungen, der ›Stadtgrabung‹: Das Heiligtum mochte zwar massenhaft gut erhaltene Kleinfunde in Form von dort deponierten Weihegaben in sich bergen, doch lagen diese nicht in derselben Weise wie in den Gräbern in räumlich und zeitlich klar definierten Kontexten vor. Die großangelegte Stadtgrabung konnte zwar auch zahlreiche Kleinfunde erbringen, doch sind dort die Auffindungskontexte in der Regel noch mehr durch Umlagerungsprozesse erzeugt und weniger klar zu lesen bzw. zu interpretieren. Auf der einen Seite ergab sich also für die kunstgeschichtlich orientierte Klassische Archäologie eine äußerst umfangreiche und komplexe Aufgabenstellung mit der systematischen Erforschung der griechischen Vasen; auf der anderen Seite konnte mit einer zielgerichteten Ausbeutung von Nekropolen138 das hierzu benötigte Material mittels einer Methode bereitgestellt werden, die eine technisch noch nicht beherrschte und vielleicht mit Vorbehalten139 behaftete Schichtbeobachtung bei Ausgrabungen weitgehend unnötig machte. Ein wesentliches Ordnungsmerkmal für die Vasen war die Herkunftsbestimmung140. Dabei erfolgte zunächst eine Gruppierung und Lokalisierung in ›athenische‹ und ›orientalisierende‹, bzw. ›korinthische‹ Vasen141. 1863 schied Adolf Kirchhoff aus der bis dahin als ›korinthisch‹ bezeichneten großen Menge an Vasen eine Gruppe aufgrund von epigraphischen Indizien (Alphabet) aus, die er als aus der ionischen Stadt Chalkis auf Euböa stammend erkannte142. Während weitere Forschungen bald dazu führten, dass attische und korinthische Vasengattungen sicher und fundiert unterschieden werden konnten, dauern die Forschungen zu ostgriechischen (u. a. ›ionischen‹) Herstellungszentren verzierter Gefäße bis heute an143. Diese Untersuchung ist nicht der Ort, die Geschichte der Erforschung der ostgriechischen Keramikproduktion inhaltlich detailliert nachzuzeichnen144, doch war offenbar dieses »vasenarchäologische« Forschungsfeld besonders geeignet, ei138
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Selbstverständlich galt um die Jahrhundertwende die Ausgrabung von Nekropolen normalerweise nicht allein der Auffindung von Keramik. Der weitere Verlauf dieser Arbeit wird zeigen, dass neben einer vielgestaltigen ›normalen‹ Nekropolenforschung, tatsächlich der Gedanke aufkam, dass eine Ausgrabung von Gräbern spezifische Forschungsfragen zur Keramik beantworten konnte. S. Altekamp, The resistance of classical archaeology against stratigraphic excavation, in: G. Carver (Hrsg.), Digging in the dirt. Excavating in an new millenium (Oxford 2004) passim, 143. G. Ceserani, Italy’s Lost Greece. Magna Graecia and the Making of Modern Archaeology (Oxford 2012) 172–179. 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstgeschichtlicher Entdeckungen (Leipzig 1908) 64. Michaelis a. O. (Anm. 141) 229. Ein 1976 abgehaltenes internationales Kolloquium trägt dieses Forschungsproblem im Titel: Centre Jean Bérard (Hrsg.), Le céramiques de la Grèce de l’est et leur diffusion en occident. Centre Jean Bérard. Institut Français de Naples, 6–9 juillet 1976, Colloques internationaux du Centre national de la recherche scientifique, Sciences humaines 569 = Bibliothèque de l'Institut français de Naples, 2. Ser., 4 (Paris 1978). DNP IX (2000) 92–96 s. v. Ostgriechische Vasenmalerei (G. P. Schaus); Eine Darstellung der Forschungsgeschichte bietet M. Kerschner in M. Akurgal – M. Kerschner – H. Mommsen – W.D. Niemeier, Töpferzentren der Ostägäis. Archäometrische Untersuchungen zur mykenischen, geometrischen und archaischen Keramik aus Fundorten in Westkleinasien, ÖJh Ergh. 3 (Wien 2002) 28–36.
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ner speziellen ›Nekropolengrabung‹ als Methode zur Erlangung von Fundmaterial zur Beantwortung einer spezifischen wissenschaftlichen Fragestellung Auftrieb zu geben: Auguste Salzmann und Alfred Biliotti145 hatten in den Jahren 1858 bis 1865 in der antiken Stadt Kamiros146 auf Rhodos147 auch die Nekropolen ausgegraben. Leider erschien von der Publikation 1875 nur der Tafelband148, da Salzmann plötzlich verstarb. Diese Ausgrabungen hatten den Denkmälerbestand an archaischen ostgriechischen Vasen und sonstigen Kleinfunden erheblich erweitert; unter anderem wurden dort ostgriechische Gefäße gefunden, die in einer bis dato unbekannten Weise verziert waren. Diese Gefäße wurden in der Folge als ›Fikellura-Keramik‹ bezeichnet, nach dem modernen Flurnamen einer der Nekropolen von Kamiros. Aber die Fundumstände der Objekte waren eben nicht bekannt. Daher bemühten sich die »Vasenarchäologen« darum, nähere Details über die Ausgrabung in Erfahrung zu bringen149. Besonders hervorgehoben werden soll Georg Loeschckes Versuch einer Rekonstruktion der ehemaligen Fundumstände in Kamiros aus dem Jahre 1881150, denn sein Schüler Boehlau führte 1894 auf Samos151 eine Nekropolengrabung152 mit dem klar definierten Ziel durch, die vorattischen Vasenimporte in Italien besser verstehen zu wollen153. Zu diesem Zweck bereiste Boehlau zunächst die Westküste Kleinasiens154 und suchte eine aus grabungstechnischer Sicht besonders geeignete Nekropole, um dort exemplarisch Keramik zu ergraben155. Dabei hoffte er darauf, lokal produzierte Keramiksorten identifizieren zu können und so nicht nur den Denkmälerbestand durch Neufunde zu bereichern, sondern auch die von Loeschcke vertretenen Thesen zur 145
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D. Barchard, The Fearless and Self-Reliant Servant. The Life and Career of Sir Alfred Biliotti (1833–1915), an Italian Levantine in British Service, Studi Micenei ed Egeo-Anatolici 48, 2006, 5–53. RE X 2 (1919) 1839–1841 s. v. Kamiros 2 (L. Bürchner); DNP VI (1999) 225 f. s. v. Kamiros (H. Sonnabend). RE S V (1931) 731–840 s. v. Rhodos (F. Hiller von Gaertringen); Forschungsgeschichte: DNP XV 3 (2003) 1322–1334 s. v. Rhodos (I. Papachristodoulou). A. Salzmann (Hrsg.), Nécropole de Camiros. Journal des fouilles exécutées dans cette nécropole pendant les années 1858 a 1865 (Paris 1875). H. Hofmann, Aus südwestdeutschen Museen, AA 1904, 47 gibt einen kurzen Überblick dieser Bemühungen. G. Loeschcke, Mittheilungen aus Kameiros, AM 6, 1881, 1–9. RE I A 2 (1920) 2162–2218 s. v. Samos 4 (L. Bürchner); DNP XI (2001) 17–23 s. v. Samos 3 (H. Sonnabend); Forschungsgeschichte: DNP XV 2 (2002) 1054–1061 s. v. Samos (H. Kienast). Zur Einschätzung und wissenschaftsgeschichtlichen Position dieser Unternehmung vgl. auch W. Löwe, Die Kasseler Grabung 1894 in der Nekropole der archaischen Stadt, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 24–107. bes. 92 f. Für aktuellere Forschungen vgl. K. Tsakos, Die archaischen Gräber der Westnekropole von Samos und die Datierung der samischen Anthemienstelen, AA 2001/3, 451–466. J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898). u. a. besuchte Boehlau Phokaia und Klazomenai. Boehlau a. O. (Anm. 153) 3 f.
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Herkunft bestimmter Keramiktypen aus Milet, Samos und Mytilene156 zu überprüfen und ggf. neue Herkunftsorte für bestimmte Sorten von Importkeramik in Italien zu erschließen, die er zuvor mit Georg F. Dümmler157 bearbeitet hatte. Zwar waren die Schlüsse, die Boehlau aus den bei seiner Ausgrabung gewonnenen Materialien zog, teilweise bald überholt158, doch begegnet mit dieser Unternehmung zum ersten Mal ein Grabungsprojekt, bei dem eine ›Nekropolengrabung‹ von vornherein so konzeptioniert wurde, dass die zu erwartenden Ergebnisse geeignet waren, spezifisch wissenschaftliche Fragestellungen der ›Vasenarchäologie‹ zu beantworten, wobei sich Boehlau auch tatsächlich hauptsächlich für die Kleinfunde aus seiner Ausgrabung interessierte: Die von ihm aufgefundenen Statuen, zwei archaische Kourostorsi, sowie einen verzierten Sarkophag, überließ er Theodor Wiegand zur Publikation159. Zu diesem Zeitpunkt, 1894, war allerdings eine Akzeptanz dieser selektiven Methode Boehlaus, die Grabungsort und methode an der Fragestellung ausrichtete, nur nach wissenschaftlichen Kriterien gegeben; zur Finanzierung seiner Unternehmung war Boehlau noch allein auf private Mittel angewiesen (vgl. ausführlich Kap. 2.1.3.). An der Westküste Kleinasiens grub Boehlau auch noch 1902 und 1932 bis 1934 in Larisa am Hermos160 und 1906/07 in Pyrrha161 auf der Insel Lesvos. Daneben war er im Übrigen auch als Ausgräber in seinem Heimatland Hessen tätig: 1894 legte Boehlau ein bedeutendes Steinkammergrab162 in Züschen (Fritzlar, Hessen) frei163, das zu den größten in Mitteleuropa erhaltenen Anlagen dieser Art zählt, und leitete von 1905 bis 1908 die Ausgrabung einer eisenzeitlichen Ringwallanlage auf der Altenburg bei Niederstein (Schwalm-EderKreis, Hessen)164. Daher könnte Boehlau im Hinblick auf die Methoden der Aus156 157
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G. Loeschcke, Vase aus Aegina, AM 22, 1897, 261 f. R. Lullies, Ferdinand Dümmler. 1859–1896, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 128 f. Diese Konsequenz hatte Boehlau erwartet: Boehlau a. O. (Anm. 153) 4: »Die Abbildungen zeigen, daß es Scherben und Bruchstücke sind, die aus den samischen Gräbern zum Vorschein gekommen sind, fragmentarisch ist auch das erhaltene Resultat. Mögen neue Funde und Forschungen bald hier und dort zu einem Ganzen verhelfen. Das vorliegende Buch hat dann seinen Zweck erfüllt, wenn es schnell veraltet.« Boehlau a. O. (Anm. 153) 10; Th. Wiegand, Antike Skulpturen in Samos, AM 25, 1900, 145. Zu Larisa am Hermos ausführlicher Kap. 3.2.4.1.; RE XII 1 (1924) 871 f. s. v. Larisa Phrikonis (L. Bürchner); DNP VI (1999) 1154 s. v. Larisa 6 (H. Kaletsch). RE XXIV (1963) 80, 1403–1420 s. v. Pyrrha 17 (M. Paraskevaidis); DNP X (2001) 641 f. s. v. Pyrrha 3 (H. Sonnabend). Die Grabung auf Lesvos blieb unpubliziert: W. Schiering, Pyrrha auf Lesbos. Nachlese einer Grabung, AA 1989, 339–377. Theodor Wiegand setzte sich ab 1905 für diese Grabung ein, indem er u. a. den deutschen Konsul auf Lesvos in seiner Absicht bestärkte, das entsprechende Grundstück für die Ausgrabung zu erwerben: Watzinger 1944, 190. I. Kappel, Das Steinkammergrab bei Züschen. Denkmal europäischer Bedeutung in Nordhessen. Führungsblatt zu der Grabstätte der Jungsteinzeit in der Gemarkung Lohne, Stadt Fritzlar, 2 Schwalm-Eder-Kreis. Archäologische Denkmäler in Hessen 22 (Wiesbaden 1989). J. Boehlau – F. von Gilsa zu Gilsa, Neolithische Denkmäler aus Hessen (Kassel 1898). J. Boehlau – G. Eisentraut – H. Hofmeister – W. Lange, Die Ausgrabungen auf der Altenburg bei Niederstein, Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 43, 1909, 9– 49.
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grabung als ein Vermittler zwischen der Prähistorischen und der Klassischen Archäologie begriffen werden165. Boehlaus methodischer Ansatz fiel innerhalb der Feldarchäologie auf fruchtbaren Boden, denn beispielsweise verwendeten Ronald M. Burrows und Percy N. Ure166 1907/08 bei ihrer Nekropolengrabung in Rhitsóna167, Böotien168 mit einer vergleichbaren Begründung dieselbe Vorgehensweise169 um Datierungsfragen der archaischen böotischen Keramik zu bewältigen. Interessanterweise hatte Boehlau auch für dieses Forschungsfeld stilkritische Grundlagenarbeit geleistet170, und die beiden englischen Ausgräber setzten sich intensiv mit Boehlaus früheren Ergebnissen auseinander. In zeitlicher und geographischer Nähe zu der Boehlau’schen Unternehmung auf Samos führte Hans Dragendorff, auch ein Schüler Loeschckes, im Rahmen eines umfassenderen archäologischen Projektes ebenfalls eine Nekropolengrabung durch: Dragendorff war während seines Aufenthaltes als Reisestipendiat des DAI in Athen von dem Historiker und Epigraphiker Friedrich Hiller von Gaertringen eingeladen worden, an dessen Erforschung der Insel Thera171 mitzuwirken172. Diese Untersuchung wurde in den Jahren 1895 bis 1902 (1908) praktisch durchgeführt und die Ergebnisse in vier Bänden vorgelegt173. Dabei handelte der erste Band die Insel Thera in Altertum und Gegenwart mit Ausschluss der Nekropolen ab. Der Publikation der letztgenannten räumte Hiller von Gaertringen den ge165
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Boehlau setzte sich auch für die Einrichtung des ersten deutschen Lehrstuhls für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Marburg 1927 ein: P. Gercke, Johannes Boehlau. 1861–1941, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 147. Zur Bedeutung der beiden englischen Archäologen vgl. V. Sabetai, Ronald. M. Burrows and Percy N. Ure in Boeotia, 2006. (6.4.2014); A. Rumpf, Percy Neville Ure, Gnomon 22, 1950, 318 f. Das antike Mykalessos: RE XVI 1 (1933) 1005–1015 s. v. Mykalessos 1 (K. Fiehn); RE S VII (1940) 495–510 s. v. Mykalessos (P. N. Ure). R. M. Burrows – P. N. Ure, Excavations at Rhitsóna in Boeotia, BSA 16, 1907/08, 226–318. Burrows – Ure a. O. (Anm. 168): »The chief importance of the Rhitsóna graves does not lie in the value of the individual vases, interesting as some of them are, but rather in the simple fact that for the first time in the history of Boeotian grave digging every vase from each grave opened has been preserved, and the full contents of each grave kept carefully separate. Boeotia has contributed not a little to fill the museums of Europe with vases and figurines, but their exact provenance and environment is in almost all cases unknown, and their date can only be judged from internal considerations of style. Current statements for instance as to the date of what we have decided to call the ›Boeotian Kylix Style‹ rest on almost entirely a priori arguments.« J. Boehlau, Böotische Vasen, JdI 3, 1888, 325–364. RE V A 2 (1934) 2260–2302 s. v. Thera 1 (F. Hiller von Gaertringen); DNP XII 1 (2002) 406– 408 s. v. Thera (A. Külzer – R. Jung); Forschungsgeschichte: DNP XV 3 (2003) 470–480 s. v. Thera (W. Schiering). Thera 1, 31; H. Dragendorff (Hrsg.), Theraeische Gräber, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902 2 (Berlin 1903). F. Hiller von Gaertringen (Hrsg.), Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902: Band 1: F. Hiller von Gaertringen. (Hrsg.), Die Insel Thera in Altertum und Gegenwart. Mit Ausschluß der Nekropolen (Berlin 1899) – Gewidmet Carl Robert und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Band 2: H. Dragendorff (Hrsg.), Theraeische Gräber (Berlin 1903) – Gewidmet: Alexander Conze und Georg Loeschcke, Band 3: F. Hiller von Gaertringen – P. Wilski, Stadtgeschichte von Thera (Berlin 1904) – Gewidmet Otto Kern, Band 4: P. Wilski, Klimatologische Betrachtungen aus Thera 1, 2 (Berlin 1902, 1909).
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samten zweiten Band ein, wobei der Hauptausgräber Dragendorff auch als Herausgeber des Bandes fungierte. Die sich hier manifestierende Großzügigkeit Hiller von Gaertringens gegenüber einem in der wissenschaftlichen Hierarchie unter ihm stehenden Reisestipendiaten stellt eine große Ausnahme dar174. Die Vorlage der Nekropole durch Dragendorff entsprach den wissenschaftlichen Erfordernissen der Zeit und war nicht so deutlich wie Boehlaus Publikation primär auf »vasenarchäologische« Forschungsfragen konzentriert. Vielmehr schloß er seine Vorlage formal an vorangegangene »normale« Ausgrabungen archaischer Nekropolen an und diskutierte z. B. auch ausführlich die von ihm beobachteten Bestattungsarten im Vergleich mit denen in anderen bekannten archaischen Nekropolen175. Aber Dragendorff sah es im Vorwort des Bandes als »eine der wichtigsten Aufgaben der Archäologie«, die »archaischen Fundschichten auf den Kykladen« gründlich zu erforschen176. Spätere Gräber wurden zwar auch sorgfältig behandelt, aber den breitesten Raum nimmt die Erörterung der archaischen Funde und Befunde ein, wobei der Vorlage der archaischen Keramik ein eigenes äußerst umfangreiches Kapitel gewidmet war177. Die günstigen Finanzierungsbedingungen dieser Unternehmung ermöglichten es Dragendorff auch, seine Ausgrabung so zu gestalten, wie er es methodisch für angemessen hielt. Dies zeigt sich etwa daran, dass er in dem Moment, als die Ausgrabung aufgrund zu vieler Funde unübersichtlich zu werden drohte, die Arbeiterzahl auf 6 bis 8 Arbeiter reduzieren konnte, die zudem noch in zwei Gruppen geteilt wurden178. Dragendorff setzte also ein Arbeitssystem ein, dessen Personalaufwand und Aufgabenteilung sachgerecht im Sinne der wissenschaftlichen Zielsetzung erfolgte und mit vergleichbarem Personalaufwand auch heute noch betrieben wird. Bei Boehlaus Projekt179 und – wie sich im Verlauf dieser Arbeit noch zeigen wird – auch bei der Nekropolengrabung in Milet lagen die Arbeiterzahlen jedoch durchgängig weit höher. Als sich nach Abschluss der Arbeiten Dragendorffs vor Ort neue Hinweise auf eine größere Ausdehnung der Nekropole ergaben, zog Hiller von Gaertringen
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»Hiller gebührt noch ein besonderer Dank für das freundschaftliche Verständnis, mit dem er als Herausgeber … auf alle meine Wünsche eingegangen ist und mir die Möglichkeit gegeben hat, so frei in jeder Richtung zu schaffen, wie es wohl selten einem Autor vergönnt ist.« Dragendorff a. O. (Anm. 172) 9. Hiller von Gaertringens Großzügigkeit wird auch im Nachruf G. Klaffenbach, Friedrich Freiherr Hiller von Gaetringen, Gnomon 21, 1949, 274–277, deutlich hervorgehoben. Dragendorff a. O. (Anm. 172) 83 f. Dragendorff a. O. (Anm. 172) 4. Dragendorff a. O. (Anm. 172) 127–235. A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstgeschichtlicher 2 Entdeckungen (Leipzig 1908) 193 f. betont die Bedeutung des Fundplatzes für die Erforschung der vorklassischen Keramik. Dragendorff a. O. (Anm. 172) 6. »Durchschnittlich wurden täglich 28 Arbeiter beschäftigt; die Zahl war für die Ausgrabung einer Nekropole vielleicht hochgegriffen, zumal da mir eine Hülfe zur Beobachtung nicht zur Seite stand. Aber die Kürze der Zeit … zwang zu intensiver Arbeit …« J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 10.
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noch einen weiteren Stipendiaten, Ernst Pfuhl180, zu einer ergänzenden Untersuchung heran181, die getrennt publiziert wurde182. Auch hierin zeigt sich der Vorteil der freien Finanzierung, denn es ist fraglich, ob unter anderen Bedingungen eine mehr ergänzende Untersuchung neben dem umfangreichen Hauptwerk überhaupt finanziert worden wäre. Im speziellen Teil dieser Arbeit wird die in Milet neben der Stadtgrabung veranstaltete Nekropolengrabung eingehender vorgestellt (Kap. 3.2.3.). Es wird sich dort zeigen, dass diese Grabung und ihr Ergebnis von elementarer Bedeutung für das Gesamtverständnis der Ausgrabungen in Milet sind.
2.1.3. Inselforschungen oder die wissenschaftliche Ausgrabung und ihre äußeren Bedingungen Friedrich Hiller von Gaertringen, der das Ausgraben von Carl Humann183, dem Entdecker des Pergamonaltars und »Meister der Ausgrabungskunst«184 in Magnesia185 am Mäander gelernt hatte, finanzierte das im vorherigen Kapitel thematisierte Forschungsprojekt auf Thera in den Jahren 1895 bis 1902 gänzlich aus eigenen Mitteln; das DAI stellte lediglich den Antrag auf Grabungsgenehmigung, da Hiller von Gaertringen als Privatperson dazu nicht befugt war186. Dieses Unternehmen war personell vielfältig innerhalb der wissenschaftlichen Community mit anderen Projekten verflochten187, und der Leiter betonte mehrfach nachdrücklich, dass die Untersuchung eine Gemeinschaftsaufgabe war:
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K. Schefold, Ernst Pfuhl. 1876–1940, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 192 f. Thera 3, 25. E. Pfuhl, Der archaische Friedhof am Stadtberge von Thera, AM 28, 1903, 1–290. Zur Person vgl. Anm. 339. F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 27. RE XIV 1 (1928) 471 f. s. v. Magnesia 2 (L. Bürchner); DNP VII (1999) 695 s. v. Magnesia 2 (W. Blümel); O. Bingöl, Überlegungen zu Palaimagnesia, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 413–418; O. Bingöl, Magnesia am Mäander. Magnesia ad Maeandrum (Istanbul) 2007. Thera 1, 26. Allein folgende Personen begegnen später als direkt Beteiligte oder im unmittelbaren Umfeld der Miletgrabung: Friedrich Hiller von Gaertringen, Paul Wilski, Alfred Philippson, Carl Watzinger, Robert Zahn, Rudolf Heyne und Hans Schrader. Theodor Wiegand war vom 8.–11. August 1898 anwesend und untersuchte eingehend »den Tempel des Apollon Karneios und das Ptolemäergymnasion«: Thera 1, 32 f.; Wilski arbeitete während seiner Aufenthalte auf Thera auch an der Karte der milesischen Halbinsel (Milet 1, 1): Thera 3, 15.
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So ward jeder unserer Gäste sogleich zum Mitarbeiter, um so wertvoller, als jeder neue Gesichtspunkte und frisches Vergleichsmaterial an die alten Reste heranbrachte. Nur schade, daß die Zeit des Bleibens meist nur so kurz bemessen war188.
Am Ende des letzten Bandes wurden alle Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Beiträgen – egal ob sie als eigenständige Kapitel mit Autorennennung erfolgten oder nicht – aufgelistet189. Große Sorgfalt verwendete Hiller von Gaertringen auch auf die Darstellung des Ablaufes der Arbeiten, so dass sein chronologischer Bericht190 eine sehr lesenswerte und informative Quelle zu den äußeren Bedingungen, Zielsetzungen und Methoden des Ausgrabungswesens um die Jahrhundertwende ist191. Hiller von Gaertringens Forschungsprojekt vereinigte schließlich epigraphische Forschungen mit einer geographisch/topographischen Aufnahme der Insel, einer Ausgrabung des eisenzeitlichen »dorischen« Hauptortes – wobei in dieser Siedlung hauptsächlich nachklassische Baureste angetroffen wurden192 – und einer Ausgrabung der Nekropolen, bei der das Hauptaugenmerk auf archaischen Funden und Befunden lag. Neben der historischen Untersuchung der Insel ermöglichte der Herausgeber und Finanzier dem Vermessungsingenieur Paul Wilski langjährige geographische und »klimatologische« Forschungen, die im vier-
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Vgl. etwa Thera 1, 32. P. Wilski, Klimatologische Betrachtungen aus Thera, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895–1902 4, 2 (Berlin 1909) 201 f. Thera 1, 24–35; Thera 3, 1–34. Seine Erfahrungen hat Hiller von Gaertringen auch in einem nicht minder lesenswerten Redemanuskript zusammengefasst und in eine allgemeinere Darstellung des Ausgrabungswesens eingebettet: F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901). F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 5 f.: Es gereicht mir zur besonderen Freude … hier vor Ihnen zu stehen, um Ihnen von einer Thätigkeit zu erzählen, welche Theorie und Praxis, Wissenschaft und Leben in glücklichster Weise verbindet, keineswegs Selbstzweck ist, wol aber eins der wirksamsten und vornehmsten Mittel, der Geschichtswissenschaft neuen wertvollen Stoff zuzuführen, alte Streitfragen zu entscheiden, neue aufzuwerfen und ganz unbekannte Gebiete der Forschung zu erschliessen, nicht zum wenigsten aber auch, den Sinn für die ehrwürdigen Monumente der Vergangenheit zu vermehren, aus denen wir lernen, wie wir unsere eigenen grossen Männer zu ehren haben. – Das Wort Ausgraben ist uns allen wolvertraut, und wol jeder Gebildete in Deutschland hat im Grunde seines Herzens mehr oder weniger Sympathie für diese Beschäftigung übrig … Nicht jeder wird sich selbst Rechenschaft geben können über das, was dem Ausgraben seinen besonderen Reiz und Zauber verleiht. Oft wird dieser Reiz auch nur in dem Unbekannten, Fremdartigen liegen, das die Arbeit und Lebensweise des Grabenden umgiebt, oder in dem aufregenden Lotteriespiel, das dem einen herrliche Funde, dem anderen leere Nieten in den Schooss wirft. Aber genug, der Reiz ist vorhanden, und er hat auch seine Berechtigung. Es wird verlocken, den Gründen nachzugehen, und dabei nach den Methoden und Zielen einer Ausgrabung, auch etwas nach dem äusseren Verlauf zu fragen. Vgl. W. Hoepfner (Hrsg.), Stadtgeschichte und Kultstätten am nördlichen Stadtrand, Das dorische Thera 5 (Berlin 1997).
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ten Band separat publiziert wurden, so dass dieses Projekt in einem sehr umfassenden und modernen Sinne interdisziplinär ausgerichtet war193. Mit seiner theräischen Unternehmung legte Hiller von Gaertringen schließlich eine sehr gut dokumentierte Fallstudie194 dafür vor, wie ein größerer lebensweltlicher Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in wissenschaftlichem Sinne umfassend und erfolgreich erschlossen werden konnte195. In Kap. 2.3.2. wird sich zeigen, dass die ersten Ausgräber in Pergamon – Richard Schöne196, Alexander Conze und Carl Humann – ab 1878 ein ähnliches Konzept verfolgt hatten, aber bei der konkreten Umsetzung über das Jahr 1886 hinaus zunächst keine Verstetigung ihres Projektes erreichen konnten, obwohl aus ihrer Sicht in wissenschaftlicher Hinsicht kein sachgerechter Abschluss erreicht worden war. Die 1895 begonnene Erforschung Theras durch einen finanziell unabhängigen Privatmann könnte daher auch für die ab 1900 einsetzende zweite Phase der systematischen Erforschung Pergamons entscheidende Impulse geliefert haben. Dass Hiller von Gaetringens erfolgreiche Umsetzung tatsächlich einen modellhaften Charakter in der weiteren Geschichte der Feldarchäologie annahm, zeigen eine Reihe von gut vergleichbaren, aber sich zeitlich anschließenden Projekten: Noch während der laufenden Arbeiten auf Thera erfolgte die Untersuchung der Insel Paros197 durch Otto Rubensohn198 in den Jahren 1898 und 1899199, die orga193
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An das Ende des 4. Bandes stellte Hiller von Gaertringen ein thematisches Register, dessen Gliederung die Bandbreite der Arbeiten anschaulich wiedergibt. Titel: »Thera 1895–1902. Uebersicht über das Gesamtwerk«: P. Wilski, Klimatologische Betrachtungen aus Thera, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895–1902 4, 2 (Berlin 1909) 197– 200: 1. Erforschunggeschichte, 2. Geographie und verwandte Naturwissenschaften, darin u. a.: 2.1: Topographische Aufnahmen, 2.3: Das Klima von Thera, 2.4.: Die Flora der Insel, 2.5: Züge aus dem Volksleben, 3. Topographie des alten Thera, 4. Gräber, 5. Geschichte der Stadt Thera, 6. Architektur, 7. Skulptur, 8. Keramik, 9. Inschriften, 10. Andere Inseln, 11. Karten von Thera, 12. Andere Beilagen (Geologie, Meteologie, Geschichte der Kartographie). »Thera ist ein Beispiel dafür, wie untrennbar Epigraphik, Geschichte und Archäologie als Kinder der einen großen Altertumswissenschaft zusammengehören. – Nur Statuen ersten Ranges mag man woanders suchen!«, F. Hiller von Gaertringen, Erinnerungen und Betrachtungen eines alten Epigraphikers, Neue Jahrbücher für Antike und deutsche Bildung 5, 1942, 111. Vgl. Th. Sauciuc, Andros. Untersuchungen zur Geschichte und Topographie der Insel, Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 8 (Wien 1914). S. V: »Die vorliegende Arbeit will sich der Reihe monographischer Untersuchungen anschließen, wie sie in letzter Zeit für verschiedene Punkte des Orbis antiquus in der Absicht geführt worden sind, die Schicksale der einzelnen Mikrokosmen in ihren Beziehungen zur Gesamtentwicklung der griechischen Kulturwelt darzustellen.« Der weitere Text legt nahe, dass Sauciuc über seine epigraphischen Studien hinaus eine ähnlich umfassende Erforschung der Insel Andros einleiten wollte, zu der es aber scheinbar nicht mehr gekommen ist. C. Bohm, Richard Schöne. 1840–1922, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 75–77; L. Pallat, Richard Schöne. Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Kunstverwaltung 1872 – 1905 (Berlin 1959). RE XVIII 4 (1949) 1781–1872 s. v. Paros (O. Rubensohn); DNP IX (2000) 353–356 s. v. Paros (H. Sonnabend). K. Schefold, Otto Rubensohn. 1867–1964, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 166 f.
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nisatorisch ein Unternehmen der Athener Abteilung des DAI war. Wie die Insel Thera sollte auch diese Insel offenbar in historisch-epigraphischer, archäologischer und geographisch-topographischer Hinsicht erforscht werden. Die Publikation der Ergebnisse dieser Feldforschung Rubensohns erstreckte sich letzlich über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren200. Rubensohn begann zwar wie Hiller von Gaertringen für Thera die Vorstellung seiner Ergebnisse mit einem Kapitel über die »Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung von Paros«, aber anders als der theräische Bericht schwieg sich Rubensohn in seinen Arbeiten über die äußeren Bedingungen und den Ablauf seiner eigenen Feldforschungen weitgehend aus und präsentierte lediglich die in engerem Sinne wissenschaftlich relevanten Ergebnisse der Unternehmung. Auf der Suche nach weitergehenden Informationen zu den Bedingungen des Paros-Projektes stößt man auf zwei Sitzungsberichte der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin201 aus dem Jahr 1900, aus denen hervorgeht, dass Hiller von Gaertringen teilweise auf Paros mitarbeitete und auch einen Teilbereich, die Ausgrabung der »Nekropolis im Osten der Stadt«, finanzierte202. Hiller von Gaertringens Thera-Bericht bestätigt dann die aktive Teilnahme nicht nur des Autors selbst203, sondern auch seines Mitarbeiters204 Robert Zahn205; zudem wird deutlich, dass Hiller von Gaertringen die parischen Arbeiten mit Arbeitsmaterial unterstützte206. Auch bei dem nun folgenden Projekt wird sich zeigen, dass es hauptsächlich ökonomische Grenzen und Probleme waren, die dazu führten, dass die Arbeiten nicht wie bei dem Vorbild Thera erfolgreich abgeschlossen, bzw. vorgelegt werden konnten, obwohl der Ausgräber augenscheinlich ähnlich umfassende Ziele verfolgte: Rudolf Herzogs207 Forschungen auf Kos208 in den Jahren 1898 bis 1904 und 1907 zeigen grundsätzlich dasselbe methodische Forschungsverständnis209,
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Funde, AM 24, 1899, 352 f. O. Rubensohn, Paros I. Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung von Paros, AM 25, 1900, 341–372; O. Rubensohn, Paros II. Topographie, AM 26, 1901, 157–222; O. Rubensohn, Paros III. Pythion und Asklepieion, AM 27, 1902, 189–238; O. Rubensohn, Die prähistorischen und frühgeschichtlichen Funde auf dem Burghügel von Paros, AM 42, 1917, 1–98; Sitzungsberichte der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin, AA 1923/24, 278–294; RE XVIII 4 (1949) 1781– 1872 s. v. Paros (O. Rubensohn); O. Rubensohn, Das Delion von Paros (Wiesbaden 1962). Sitzungsberichte der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin, AA 1900, 19–21. 23 f. Sitzungsberichte der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin, AA 1900, 21. Thera 3, 2 f. 191. Thera 3, 8. R. Lullies, Robert Zahn. 1870–1945, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 175 f. Thera 3, 18. M. Giebel, »Mein romantischer Plan«. Rudolf Herzog. Klassischer Philologe, Archäologe, Medizinhistoriker, AW 30, 1999, 201 f. RE XI 2 (1922) 1467–1480 s. v. Kos 2 (L. Bürchner); DNP VI (1999) 762–766 s. v. Kos (H. Sonnabend). Herzog hatte ähnlich wie Johannes Boehlau schon Ausgrabungen in seinem Heimatland Württemberg geleitet: F. Hettner, Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission von Mitte Dezember 1894 bis Ende November 1895, AA 1895, 196. 207; F. Hettner, Bericht über die
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doch verfügte er selbst nicht über nennenswerte eigene Mittel, so dass dieser Fall auch die materiellen Herausforderungen bei der Realisierung feldarchäologischer Projekte anschaulich macht. Im Gegensatz zu Thera fasste Herzog für Kos zunächst ein Einzelmonument, das im Altertum weithin bekannte koische Heiligtum210 des Asklepios, ins Auge, trieb aber seine Forschungen weit darüber hinaus: Schon als Stipendiat des DAI211 hatte Herzog 1898 die Insel besucht in der Hoffnung, das Asklepieion zu lokalisieren212. Auf der Grundlage der Ergebnisse213 dieser ersten Reise war es ihm gelungen, von der Berliner Akademie den Auftrag zur Bearbeitung der Inschriften von Kos und Kalymnos zu erhalten, aber weder Akademie noch DAI wollten seine Pläne für Ausgrabungen neben der Aufnahme der obertägig sichtbaren Inschriften zunächst finanziell unterstützen214. Auch das Königreich Württemberg beschränkte sich auf die Bewilligung des notwendigen bezahlten Urlaubs für Herzog, so dass er seine »epigraphische Aufgabe« im Jahr 1900 nur »durch private Grabungen in bescheidenem Maße« ergänzen konnte215. Trotzdem gelang Herzog mit den guten Ergebnissen dieser Expedition der Durchbruch auch bei der Einwerbung von Mitteln, so dass ihm für die Folgeexpedition des Jahres 1902 insgesamt 12.500 M. zur Verfügung standen: 5.000 M. trug die Zentraldirektion des DAI216 für die Untersuchung zweier Lokalheiligtümer und für kartographische Aufnahmen bei, 2.500 M. flossen aus dem Dipositionsfonds des württembergischen Königs, 3.000 M. gab es vom Johanniterorden217 für die Erforschung der »Monumente der Rhodiserherrschaft«, und insgesamt 2.000 M. erbrachte »werktätiges Interesse« von Privatleuten. Die Freistellung des Biologen Julius Vosseler, die Überlassung notwendiger technischer Geräte sowie »eine wohlassortierte Kiste« der »Nahrungsmittelpräparate für die Tropen« der Firma C. H. Knorr rundeten den ökonomischen Rahmen der Expedition ab218. In dieser Kampagne konnte Herzog das Hauptziel seines Programms, die Auffindung des koischen Asklepieions und eine teilweise Freilegung des ausgedehnten Heiligtumareals, realisieren, wobei sich die von William R. Paton219 vermutete geographische Lage220 bestätigte221. Der erwähnte Biologe Vosseler blieb
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Thätigkeit der Reichslimeskommission von Ende November 1896 bis Ende November 1897, AA 1898, 1. 32. 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 401–410. Institutsnachrichten, AA 1897, 87. R. Herzog, Reisebericht aus Kos, AM 23, 1898, 441–461. R. Herzog, Koische Forschungen und Funde (Leipzig 1899). R. Herzog, Bericht über eine epigraphisch-archäologische Expedition auf der Insel Kos im Sommer 1900, AA 1901, 131. Herzog a. O. (Anm. 214) 132. Besonders Alexander Conze förderte diese Unternehmung. Vgl. P. Schazmann, Asklepieion. Baubeschreibung und Baugeschichte, Kos. Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen und Forschungen 1 (Berlin 1932) S. XXVI (Vorwort R. Herzog). EOE 313 s. v. Knights of St. John (M. Greene); EOE 489 s. v. Rhodes (M. Greene). R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die archäologische Expedition auf der Insel Kos im Jahre 1902, AA 1903, 1 f. Zu Paton vgl. U. von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen. 1848–1914 (Leipzig 1928) 225. W. R. Paton – E. L. Hicks, The Inscriptions of Cos (Oxford 1891) 137.
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nicht die gesamte Zeit auf Kos, sondern folgte am 6. September einer »Einladung« Theodor Wiegands »von Milet aus die Flora und Fauna des unteren Mäandertals zu erforschen«222. Dieser Bericht schloß mit dem bezeichnenden Wunsch, dass »auch dieses Programm seine werbende Kraft« »für eine neue Expedition« erweisen möge, deren Ziel die »vollständige Aufdeckung des Asklepieions« sein sollte223. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Im Folgejahr verfügte er über insgesamt 17.600 M., wieder aus unterschiedlichen Quellen, und die Firma Knorr vermittelte sogar noch Gaben einer Fleisch- und einer Gemüsekonservenfabrik224. Beteiligt war diesmal auch sein Stipendiatenkollege Albert Rehm225, der nach Abschluss der Kampagne im Oktober direkt weiter nach Milet fuhr226. Der Bericht über die Abschlusskampagne 1904 listete wieder die Geldgeber auf und Herzog schilderte die Problematik des neuerlichen Fundraisings mit eindringlichen Worten, obwohl er schließlich auf einen Betrag von mehr als 14.400 M. kam227. Mit dieser finanziellen Ausstattung konnte die praktische Feldarbeit zu einem sinnvollen Abschluss gebracht und ausgedehnte Exkursionen des Grabungsteams über die Insel selbst sowie nach Rhodos und Bodrum228 im Hinblick auf weitere Forschungen unternommen werden229. Während die Entdeckung und Freilegung des berühmten Asklepieions als sachliche Begründung ausreichten, um Mittel einzuwerben, mit denen dann auch weitergehende Studien betrieben werden konnten, gestaltete sich die Realisierung der notwendigen Folgearbeiten äußerst schwierig: Im einleitenden Vorwort zur Publikation des Baubefundes230 schilderte Herzog ausführlich, wie Mitarbeiter, die 221 222
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Herzog a. O. (Anm. 218) 6 f. Herzog a. O. (Anm. 218) 4. Über die Ergebnisse seiner Exkursion berichtete Vosseler am 18. Januar 1903 in der Winterversammlung des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg: Sitzungsberichte, Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 59, 1903, S. LXI–LXII. Die Ergebnisse der Exkursion flossen in Publikationen Franz Werners ein: Vgl. u. a. J. Eiselt – F. Spitzenberger, Ergebnisse zoologischer Sammelreisen in der Türkei: Testudines, Annalen des Naturhistorischen Museums Wien 70, 1967, 364. Theodor Wiegand teilte auch eine Beobachtung Vosselers in Milet mit: Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1904, 10. Herzog a. O. (Anm. 218) 13. R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die koische Expedition im Jahre 1903, AA 1903, 186. H. Haffter, Albert Rehm, Gnomon 22, 1950, 315–318; H. Hommel, Albert Rehm zum Gedächtnis, Gymnasium 59, 1952, 193–195; R. Schumak (Hrsg.), Neubeginn nach dem Dritten Reich. Die Wiederaufnahme wissenschaftlichen Arbeitens an der Ludwig-MaximiliansUniversität und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Tagebuchaufzeichnungen des Altphilologen Albert Rehm 1945 bis 1946, Studien zur Zeitgeschichte 73 (Hamburg 2009). Herzog a. O. (Anm. 224) 188, 199; Th. Wiegand, [Zusammenfassung 20.–24.10.1903], GrTB III, 25. Herzog besuchte auch die Ausgrabungen in Milet: G. Kawerau, 2.11.1904, GrTB IV, 68. R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die koische Expedition im Jahre 1904, AA 1905, 1. Als Georg Karo 1919 die Ergebnisse einer Untersuchung des Kastells von Bodrum vorstellte, verwies er in einer Anmerkung darauf, dass man damit keineswegs Herzog etwas vorwegnehmen wolle, sondern bloß ergänzendes Material liefern wolle: Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 2. Juni 1919, AA 1919, Sp. 60 m. Anm. 1. Herzog a. O. (Anm. 227) 13 f. P. Schazmann. Asklepieion. Baubeschreibung und Baugeschichte, Kos. Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen und Forschungen 1 (Berlin 1932) S. XXVIII–XXXII.
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bestimmte Veröffentlichungen vornehmen sollten, aus verschiedenen Gründen wechselten und er selbst Nachuntersuchungen auf Kos 1907 nur unter Schwierigkeiten realisieren konnte231, so dass die abschließende Publikation sich immer weiter hinauszögerte und schließlich unvollendet geblieben ist232. Auch Adolf Furtwängler233, seit 1894 in einer gesicherten und selbständigen Position in München, reihte sich in die Gruppe der ›Inselforscher‹234 ein: Ähnlich wie Herzog begründete Furtwängler sein Projekt anfänglich mit einer kunsthistorisch/historisch bedeutsamen Einzelheit, verfolgte aber vor Ort viel weitergehende Forschungsfragen: Das Ziel seiner Unternehmung war die Insel Ägina235 im Saronischen Golf. Die erste Expedition 1901 wurde begründet mit dem Ziel für die in der Münchner Glyptothek befindlichen Giebelskulpturen236 des äginetischen Aphaiatempels237 durch Nachgrabung am Ort womöglich neue noch fehlende Fragmente aufzufinden. Im Ausgrabungsbericht der Abschlusspublikation wurden die wenigen tatsächlich gefundenen Fragmente auch zuerst thematisiert238, aber der weitere Bericht macht deutlich, dass das Unternehmen weit über die blosse Suche nach ergänzenden Fragmenten hinausging und einer systematischen Erforschung des gesamten Heiligtums239 und – darin selbstverständlich eingeschlossen – der Suche nach Kleinfunden galt. Am Heiligtum fanden 1901 insgesamt drei Grabungskampagnen statt; die Zwischenzeiten nutzten die Forscher für Erkundungsreisen über die Insel und Studien im Lokalmuseum, die ihrerseits der 231 232
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Schazmann a. O. (Anm. 230) S. XXX–XXXI. Schazmann a. O. (Anm. 230) S. XXVIII–XXXII. Am Ende des einleitenden Vorworts stellte Herzog noch zwei weitere Bände in Aussicht: In Band 2 sollte über die kleineren Grabungen außerhalb des Asklepieions berichtet werden. Kurt Müller, bzw. Margarete Bieber, sollte in diesem Band auch die Einzelfunde behandeln. Letztere stellte das Manuskript bis 1927 fertig, es ist aber nie veröffentlicht worden (L. Bonfante, Margarete Bieber, Gnomon 51/6, 1979, 622.). Band 3 sollte schließlich eine Geschichte der Insel Kos aus Herzogs Feder werden. Die Vorlage der Inschriften von Kos, die Herzog übertragen worden war, kam ebenfallls nicht zustande und erst 2010 konnte der erste Teilband im Rahmen der Inscriptiones Graecae vorgelegt werden. R. Lullies, Adolf Furtwängler. 1853–1907, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 110 f.; M. Flashar (Hrsg.), Adolf Furtwängler, der Archäologe, Schriften der Archäologischen Sammlung Freiburg 8. Ausstellungskatalog Freiburg (München 2003); V. M. Strocka (Hrsg.), Meisterwerke. Internationales Symposion anläßlich des 150. Geburtstages von Adolf Furtwängler, Freiburg im Breisgau 30. Juni – 3. Juli 2003 (München 2005); A. Greifenhagen (Hrsg.), Adolf Furtwängler. Briefe aus dem Bonner Privatdozentenjahr 1879/80 und der Zeit seiner Tätigkeit an den Berliner Museen 1880–1894 (Stuttgart 1965). Inseln boten als überschaubare und geographisch abgeschlossene Einheiten offenbar gute natürliche Voraussetzungen für eine historische Erforschung der Beziehungen des Menschen und seiner Umwelt. RE I 1 (1893) 964–968 s. v. Aigina 1 (G. Hirschfeld); RE S I (1903) 36 s. v. Aigina (Th. Büttner-Wobst); DNP I (1996) 320–323 s. v. Aigina (H. Kalcyk); Forschungsgeschichte: DNP XIII (1999) 27–32 s. v. Aigina (W. Gauss); allgemein: G. Welter, Aigina (Berlin 1938). A. Furtwängler, Die Aegineten der Glyptothek König Ludwigs I. (München 1906); V. Brinkmann, Der Prinz und die Göttin. Die wiederentdeckte Farbigkeit der Giebelskulpturen des Aphaia-Tempels, in: V. Brinkmann – R. Wünsche (Hrsg.), Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur. Ausstellungskatalog München (München 2003) 84–107. 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 115–121. A. Furtwängler (Hrsg.), Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (München 1906) S. II f. »Licht in die Geschichte des Heiligtums«: Furtwängler a. O. (Anm. 238) S. III.
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Projektierung weiterer Forschungsvorhaben auf Ägina dienten. Die Vorlage der Ergebnisse begann mit einem Band über das Heiligtum, der 1906 erschien. Dabei umfasste die Materialvorlage nicht nur den Tempel und andere Bauten des Heiligtums, Skulpturen und Inschriften, sondern auch die massenhaft gefundenen Kleinfunde. Furtwängler publizierte keine vorläufigen Berichte in den einschlägigen archäologischen Zeitschriften, sondern zeigte die Grabungsergebnisse so zeitnah wie um die Jahrhundertwende möglich, parallel zu den Arbeiten in einer Wochenschrift an240 und hielt eine internationale Öffentlichkeit mit einer englischsprachigen Zusammenfassung der Arbeiten auf Ägina auf dem Laufenden241. Daheim in Bayern konnten die Ergebnisse dieser ersten Expedition genutzt werden, um durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften Zugriff auf Mittel für weitere Expeditionen zu erhalten242. Diese setzten 1902 ein und führten hauptsächlich zu anderen Fundorten auf der Insel und 1903 sogar nach Orchomenos in Böotien243 oder 1904 auf die Peloponnes nach Lakonien244, wobei Furtwänglers kurze Erklärung angesichts der schon beschriebenen Projekte anderer Feldarchäologen vertraut klingt: Diese auf die ganze Insel sich erstreckenden Studien ergaben immer deutlicher, wie notwendig und vielversprechend eine gründliche Untersuchung der wichtigsten Ruinen und Heiligtümer der Insel Aigina ist245.
Durch Furtwänglers plötzlichen Tod im Oktober 1907 in Athen konnte die Grabung am Aphroditetempel auf Ägina zunächst nicht abgeschlossen werden246 und das Projekt in Lakonien ging an die griechische Archäologische Gesellschaft (H Εν Αθήναις Αρχαιολογική Εταιρεία) über247. Zudem scheint Furtwänglers 240 241
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A. Furtwängler, Berliner Philologische Wochenschrift 1901, 560. 637. 700. 1001. 1595. A. Furtwängler, New Excavations at Aegina, The International Quarterly 5, 1902, 10–33. Beachte dort auch den kurzen historischen Abriss zur Feldarchäologie allgemein (S. 10–15). Furtwängler a. O. (Anm. 238) S. VIII–IX. Tatsächlich handelte es sich um »eine hochherzige Schenkung des Herrn Kommerzienrat Bassermann-Jordan«, die Furtwängler »in den Stand setzte … in Griechenland wissenschaftliche Ausgrabungen veranstalten zu können.«: E. Fiechter, Amyklae. Der Thron des Apollon, JdI 33, 1918, 109. Vgl. dazu auch P. Zanker, Antike Lebenswelten am Mittelmeer. Zur Geschichte der Klassischen Archäologie an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Akademie Aktuell. Zeitschrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 29, 2009, 44–46. bes. 45. H. Bulle, Orchomenos I. Die älteren Ansiedlungsschichten, AbhMünchen 24/2, 1907. Furtwängler a. O. (Anm. 238) S. VIII f.; E. Fiechter, Amyklae. Der Thron des Apollon, JdI 33, 1918, 107–245. Furtwängler a. O. (Anm. 238) VIII. P. Wolters, Ausgrabungen am Aphroditetempel in Ägina 1924, Gnomon 1/1, 1925, 46. An diesem Ort hatte 1894 die griechische Archäologische Gesellschaft »mehrere über einander gelagerte Ansiedlungsschichten, reich an Vasenscherben, …« gefunden: Archäologische Funde im Jahre 1894, AA 1895, 98 f. Archäologische Funde im Jahre 1907, AA 1908, 138; Φ. Βερςάκης, AEphem 1912, 183–192; Α. Σκιάς, AEphem 1918, 32–35. In den 20er-Jahren wurde die Unternehmung dann von der Athener Abteilung des DAI wieder aufgenommen: E. Buschor – W. von Massow, Vom Amyklaion, AM 52, 1927, 1–85.
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Tod die Publikation des von ihm angekündigten zweiten Bandes248 der Grabungspublikation zu den weitergehenden Forschungen auf Ägina verhindert zu haben249. Diese Strategie zur Realisierung eines längerfristigen und umfassender verstandenen Grabungsunternehmens lässt auch Furtwänglers wissenschaftliche Persönlichkeit in einem etwas anderen Licht erscheinen, wird er doch heute angesichts seines Hauptwerkes »Meisterwerke der griechischen Plastik«250 hauptsächlich als dominierender Vertreter einer ›philologisch‹251 verstandenen Klassischen Archäologie in der Tradition seines Lehrers Heinrich Brunn252 wahrgenommen253. Mit dem Ägina-Projekt erweist sich Furtwängler hingegen auch als ein innovativ agierender Feldarchäologe, der schlicht abwartete, bis er sich selbst in einer sicheren Stellung innerhalb des Wissenschaftsbetriebes befand, bevor er ein eigenes Grabungsunternehmen initierte. In diesem feldarchäologischen Sinne kann die Ausgrabung auf Ägina als eine programmatische Konsequenz aus Furtwänglers früherer Arbeit in Olympia gesehen werden254, denn zum einen thematisierte Furtwängler schon für diesen Ort die Beziehung von Ausgrabungsobjekt und seinem weiteren Umland255 und zum anderen bemängelte er in Bezug auf den Umgang mit Kleinfunden in Olympia 1890, dass nur in »verhältnismäßig wenigen Fällen« genaue Fundbeobachtungen zu den Funden vorgelegen hätten256. An diese Kritik schloß Furtwängler folgende methodische Skizze an: Um solche [genaue Fundbeobachtungen] bei der Ausdehnung der Ausgrabung konsequent und überall auszuführen, wäre ein großes und dafür eigens geschultes Per248 249
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Furtwängler a. O. (Anm. 238) VIII f. Vgl. für das Äginaprojekt: E. Pfuhl, GGA 169/9, 1907, 671–691 (Rez. zu A. Furtwängler (Hrsg.), Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (München 1906)). A. Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik. Kunstgeschichtliche Untersuchungen (Leipzig 1893). R. Bianchi Bandinelli, Klassische Archäologie. Eine kritische Einführung (München 1978) 40– 73. R. Lullies, Heinrich Brunn. 1822–1894, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 47 f. S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 157–159; S. Marchand, Adolf Furtwängler in Olympia. On Excavation, the Antiquarian Tradition, and Philhellenism in Nineteenth-Century Germany, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.–11. November 2000 (Mainz 2002) 157 f.; V. M. Strocka (Hrsg.), Meisterwerke. Internationales Symposion anläßlich des 150. Geburtstages von Adolf Furtwängler, Freiburg im Breisgau 30. Juni – 3. Juli 2003 (München 2005); F. G. Maier, Von Winckelmann zu Schliemann – Archäologie als Eroberungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (Opladen 1992) 15. Vgl. auch A. Borbein, Olympia als Experimentierfeld archäologischer Methoden, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.–11. November 2000 (Mainz 2002) 163–176. bes. 167–169. A. Furtwängler, Aus der Umgebung Olympias, Literarische Beilage der Karlsruher Zeitung vom 8. und 15. Februar 1880 = J. Sieveking – L. Curtius (Hrsg.), Kleine Schriften von Adolf Furtwängler 1 (München 1912) 227–244. A. Furtwängler, Die Bronzen und übrigen kleineren Funde von Olympia, Olympia 4 (Berlin 1890) S. I.
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sonal und ein langsames, vorsichtiges Abheben aller einzelnen Schichten nötig gewesen, was die Verhältnisse nicht gestattet haben257.
Der Reisestipendiat Furtwängler konnte zwar die Verhältnisse in Olympia nicht entscheidend beeinflussen, aber nachdem er selbst in eine Position gekommen war, aus der heraus er ein Grabungsunternehmen selbstständig gestalten konnte, ergriff er die Gelegenheit, diese 1890 formulierten Gedanken auf Ägina ab 1901 in die Tat umzusetzen Allerdings gelang es Furtwängler dann am Aphaiatempel nicht, eine umfangreichere stratigraphische Abfolge zu dokumentieren, denn der fundreichste Teil der Ausgrabung, die »Ostterrasse«258, stellte sich den Ausgräbern als »Schutt von mehr als einem halben Jahrtausend« dar, der »bei der Neugestaltung des Heiligtums im Anfang des fünften Jahrhunderts durcheinandergewühlt worden«259 war. Aus heutiger Sicht sind selbstverständlich mit der geeigneten Grabungsmethode auch die Einfüllschichten von Terrassenbauten klar von einander zu trennen260. Da aber davon auszugehen ist, dass die Anlage einer Terrasse auch in der Antike in einem begrenzten Zeitraum vonstatten ging und dabei heterogenes Einfüllmaterial verwendet wurde, hatte Furtwängler insofern Recht mit seiner Einschätzung, als dass aus einer Abfolge von Füllschichten sicher keine allgemeine Stratigraphie abgeleitet werden konnte, die eine chronologische Abfolge der Funde ergeben hätte. Für die Erstellung einer Chronologie der Kleinfunde wäre zu diesem Zeitpunkt eine möglichst umfangreich ergrabene Nekropole der angemessene methodische Weg gewesen, aber leider hatten sich die äginetischen Gräber als nicht ergiebig erwiesen: Bekanntlich ist die ganze Umgebung der Stadt Aegina voll von antiken Gräbern. Diese sind namentlich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auf das rücksichtsloseste ausgebeutet und geplündert worden. Es erschien als eine wissenschaftliche Pflicht, wenigstens eine Anzahl Gräber sorgfältig auszugraben, um von ihrer Anlage und ihrem Inhalte einen genauen Begriff zu bekommen. Vom 1.– 3. Juli wurden an verschiedenen Stellen Gräber geöffnet: aber alle erwiesen sich als
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Furtwängler a. O. (Anm. 256) S. I. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Schnitte durch das Heiligtum, die die Auffüllungen der verschiedenen Terrassen als einen homogenen Bereich zeigen: A. Furtwängler (Hrsg.), Aegina. Das Heiligtum der Aphaia. Tafelband (München 1906) Taf. 26. Auf der folgenden Tafel 27 geben dann die Schnitte durch die »Ostterrasse« lediglich die erhaltenen architektonischen Reste wieder. Insgesamt besser lösten und dokumentierten die dänischen Archäologen Karl F. Kinch und Christian Blinkenberg eine ähnliche Befundsituation 1903 auf der Akropolis von Lindos (Rhodos); Chr. Blinkenberg, Les petits objets, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914, Lindos. Fouilles et Recherches 1902–1914 1 (Berlin 1931) 46–55 m. Abb. 4–6: Das auf der Akropolis gefundene »Grand dépot d’ex-voto«, eine große Deponierung von Weihegaben, wird in Aufsicht und Schnitt mit Angabe der fundführenden Schichten abgebildet (ausführlicher zu der dänischen Ausgrabung auf Lindos: Kap. 3.2.4.1.). A. Furtwängler (Hrsg.), Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (München 1906) 370. Vgl. etwa. I. A. Panteleon – R. Senff, Die Grabung im Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe bei Milet in den Jahren 2003–2005, AA 2008/2, 33–46. bes. 36–41.
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längst ausgeraubt. Die architektonisch wichtigeren Grabanlagen wurden aufgenommen261.
An Furtwänglers Ägina-Projekt zeigt sich besonders deutlich ein häufig auftretendes Dilemma der Feldforschung im Rahmen der Klassischen Altertumswissenschaften, weil die Verhältnisse an einem historisch oder kunsthistorisch bedeutsamen Ort häufig so beschaffen waren, dass sie aufgrund der Erhaltungssituation der dinglichen Hinterlassenschaften schlicht nicht dazu geeignet waren, bestimmte Forschungsfragen befriedigend zu beantworten. Andererseits mochten die Feldforscher selbst zwar wie Friedrich Hiller von Gaertringen und Johannes Boehlau durch eine Überprüfung der Zustände vor Ort wissen, dass weniger bekannte Plätze besser geeignet waren, um zu bestimmten Fragen Auskunft zu geben, aber gleichzeitig benötigten sie in der Regel den bekannten Ort oder die berühmte Einzelheit, um etwaige Geldgeber für ihr Unternehmen interessieren zu können. Obwohl die Grabung Boehlaus auf Samos 1894 zeitlich vor der TheraUnternehmung lag, soll an dieser Stelle auch eine ausführlichere Beschreibung ihrer Umstände angeschlossen werden, denn dieser Fall illustriert – vergleichbar mit Thera – die umgekehrte Herangehensweise, bei der der Grabungsort ausgewählt wurde, weil es dem Ausgräber nach einer Prüfung der Sachlage vor Ort wahrscheinlich erschien, dass eine Ausgrabung dort seine Fragen beantworten konnte. Weiterhin ist eine ausführlichere Darstellung an dieser Stelle auch deshalb zweckmäßig, weil mit diesem Projekt inhaltlich und thematisch zur zweiten für die spätere Miletgrabung relevanten Traditionslinie der deutschen Feldarchäologie, den ›Stadtgrabungen‹ der Berliner Museen, übergeleitet werden kann: Es begegnet zum ersten Male »unser unvergeßlicher Meister«262 der Feldarchäologen Carl Humann und gleichzeitig vermittelt dieses Projekt einen ersten Eindruck von den spezifischen äußeren Bedingungen der Ausgrabungstätigkeit im Osmanischen Reich263. Zusätzlich ist dieses Projekt auch aufschlussreich für das prominente Thema des Antikenerwerbs durch ausländische Forscher während ihrer Reisen. Boehlaus Grabung auf Samos wurde vollständig von dem Kasseler Kaufmann Eduard Habich finanziert; Humann leistete nur administrative Hilfestellung bei der Erlangung der Genehmigungen und stellte einen Vorarbeiter zur Verfügung264. Neben der eigentlichen Grabungspublikation265, die dem Finanzier Ha261 262 263
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Furtwängler a. O. (Anm. 259) S. VII. Thera 3, S. VIII. Die Insel Samos war von 1832 bis 1912 ein abhängiges osmanisches Vasallenfürstentum: Vgl. Θ. Καλπαξής, Αρχαιολογία και πολιτική, Ι, Σαμιακά αρχαιολογικά 1850–1914 (Rethymon 1990). Der Vorarbeiter musste von Boehlau entlohnt werden. Er erhielt 100 Mark pro Monat: J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 170. Humann vermittelte häufiger geeignetes Personal an andere Unternehmungen. Ein frühes Beispiel ist schon 1875 in
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bich gewidmet war, publizierten die Staatlichen Museen Kassel 1996 eine Reihe von Briefen Boehlaus, die jener während seines Aufenthaltes an der kleinasiatischen Küste und auf Samos an seinen Geldgeber schrieb266. In diesen 30 Briefen berichtete Boehlau nahezu regelmäßig im Wochenrhythmus seinem Mäzen von den Fortschritten der Nekropolensuche und schließlich auch von der Grabung auf Samos, so dass sich aus diesen Quellen der Verlauf der Unternehmung genau rekonstruieren lässt. Boehlau kam von Wien aus mit dem Orientexpress am 21. Juli 1894 in Konstantinopel an, wo er direkt den Generaldirektor der Ottomanischen Museen, Osman Hamdi Bey267 (vgl. Kap. 2.3.1.) aufsuchte, um den Antrag auf eine Genehmigung für seine Erkundungsreise zu stellen. Hamdi Bey und Humann waren bei dem notwendigen Verwaltungsakt behilflich, so dass er seinen normalen Gang nahm268. Anfang August konnte Boehlau weiter nach Smyrna reisen; dort stattete ihn Humann mit einem Vorarbeiter aus und während er auf das erforderliche Placet des zuständigen Valis (Provinzgouverneur) wartete, gelang ihm der Erwerb eines klazomenischen Sarkophages269. Nachdem die Erlaubnis vorlag, bereiste er die Westküste Kleinasiens, wo er verschiedene Orte besichtigte und auch kleinere Probegrabungen veranstaltete. Daneben nutzte Boehlau die Zeit für Exkursionen, die wenig mit dem Anlass seines Aufenthaltes zu tun hatten und hauptsächlich seiner eigenen Bildung dienten270. Schließlich fiel seine Entscheidung für einen Grabungsplatz auf Samos, für den er auch die notwenige Erlaubnis erhielt. Von dort kehrte er nach Smyrna zurück und traf angeblich Vorbereitungen für die Ausgrabung. Allerdings reiste er gleich weiter nach dem etwas nördlicher gelegenen Ort Menemen, wo er auf der Erkundungsreise einen für ihn interessanten, aber nicht zu seiner Fragestellung passenden Fundort untersucht hatte. Es handelte sich dabei um Larisa am Hermos, wo er 1902 zusammen mit Lennart Kjellberg mit Mitteln des schwedischen Königs und privater Stockholmer »Kunstfreunde« eine Ausgrabung realisierte271 (vgl. Kap. 3.2.4.1.). Während dieser Zeit kam es zu einer ersten Lücke in sei-
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Olympia faßbar: R. Weil, Geschichte der Ausgrabung von Olympia, in: E. Curtius – F. Adler (Hrsg.), Topographie und Geschichte, Olympia 1 (Berlin 1897) 115. J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898). J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 160–221. Bibliographische Angaben vgl. u. Anm. 349. Für eine Beschreibung des administrativen Prozederes vgl. H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 275–293. bes. 277–282: Beitrag Şule Pfeiffer-Taş, Osmanische Belege zur Erwerbungsgeschichte der Bauskulpturen des Heroons von Trysa. Boehlau a. O. (Anm. 266) 171. Boehlau a. O. (Anm. 266) 177: »… die Kenntniss der dortigen Ruinen ist für meine nächsten Zwecke nicht wichtig …«, gemeint ist Magnesia am Mäander. Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Juli-Sitzung, AA 1906, 265. Die schwedisch-deutsche Ausgrabung wurde in den 30er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit Mitteln der Notgemein-
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nen wöchentlichen Berichten nach Kassel, die offenbar von Habich auch getadelt wurde272. In seinem folgenden Brief versuchte er Habich zu beschwichtigen, indem er breit seine Bemühungen um den Erwerb von Antiken schilderte und die sicherlich aufwendigen Voruntersuchungen in Larisa herunterspielte. Mitte Oktober begann er mit der eigentlichen Ausgrabung auf Samos, die Ende November endete. Deutlich wird in den Briefen der enorme Erfolgsdruck, der auf Boehlau lastete und der erst nachließ, als er tatsächlich archaische Gräber fand273. In dieser Zeit schrieb er mehrmals davon, dass er besonders schöne Stücke für »Haie bich & C « aus den Ausgrabungen »stehle«274. Da aber im Kasseler Museum letztendlich nur wenig mehr als ein Drittel der tatsächlich inventarisierten Funde ankamen275, ist davon auszugehen, dass dieses Drittel lediglich der dem Ausgräber gesetzlich zustehende Anteil war276, den Boehlau sowieso ganz legal erhielt: Am 13. November erwähnte er beiläufig, dass er sich »einige Sachen von der samischen Regierung schenken« ließ und bemerkte, dass er ihnen »einige Kapitalstücke gelassen« hätte277. Sein »Stehlen« hat also wahrscheinlich nicht wirklich in dem von ihm dargestellten Umfang stattgefunden, sondern ist eher eine rhetorische Figur, die sein persönliches Engagement für den materiellen Gewinn des Finanziers278 illustrieren sollte. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Boehlau mehrmals eindringlich darum bat, die von ihm nach Deutschland gesandten Kisten mit Funden auf gar keinen Fall zu öffnen279. Zwei dieser Kisten sollten sogar ungeöffnet weiter an seine Mutter geliefert werden; sie würden nur »Mandeln und Rosinen, sowie Taback« enthalten280. In der Rückschau über die Ereignisse dieser Expediton er-
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schaft der Deutschen Wissenschaft fortgesetzt. Obwohl Boehlau die treibende Kraft hinter diesem Projekt war, erscheint sie bei Suzanne L. Marchand als schwedische Ausgrabung an der Deutsche lediglich teilnehmen: S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany (Princeton 1996) 277. Boehlau a. O. (Anm. 266) 185: »Sie haben mit Ihrem Vorwurfe Ihres Briefes vom 5. d. M. sehr Recht … Die Zeit war voller Aufregung und ich wollte vermeiden, dass meine innere Unruhe aus meinen Zeilen spräche.« Boehlau a. O. (Anm. 266) 196. Boehlau a. O. (Anm. 266) 192. 194. 195. P. Gehrke, Einführung, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 10. J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 163 m. Anm. 14. Boehlau a. O. (Anm. 276) 199. Auch die Objekte aus der samischen Grabung, die nach Deutschland gelangten, waren Eigentum Habichs. Dieser überließ sie per Leihvertrag und mit genauen Vorgaben für die Präsentation der Funde dem Kasseler Museum auf 99 Jahre: P. Gehrke, Einführung, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 8 m. Anm. 9, 10. Boehlau a. O. (Anm. 276) 193. 206. Boehlau a. O. (Anm. 279) 210.
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scheint es wahrscheinlich, dass Boehlau damit sicherlich verhindern wollte, dass die in den Kisten geordnet verpackten Funde von Dritten durcheinandergebracht wurden, aber man könnte auch vermuten, dass Boehlau vielleicht in einigen Kisten Fundmaterial, etwa aus Larisa oder von anderen Probegrabungen281, verborgen hatte, das seinem Mäzen nicht unkommentiert bekannt werden sollte. Antikenerwerb und Verbringung ins Ausland im Rahmen der Boehlau’schen Reise geschahen also aus zweierlei Gründen: Auf der einen Seite handelte es sich um seinerzeit materiell geringwertig eingeschätzte Kleinfunde, Terrakotten-282 und Vasenfragmente, die aber in wissenschaftlicher Hinsicht für Boehlau von Interesse waren, wobei er sich weitgehend über diese Gruppe ausschwieg. Auf der anderen Seite ging es um wertvolle Gegenstände, klazomenische Sarkophage283, deren Verkauf im Kunsthandel den Einsatz des »Mäzens« vergelten sollte. Diese Erwerbungen werden in den Berichten betont und sogar stark übertrieben: Boehlaus Beschreibung der Verschiffung der »gestohlenen« Funde aus der Nekropolengrabung passt nicht zu den Fakten, denn er machte daraus eine phantasievoll ausgemalte konspirative Aktion, die ihn sich »schlaflos« auf seinem »Lager« herumwerfen ließ284. Ganz im Gegenteil gewinnt man den Eindruck, dass Boehlau in seinen Schilderungen darauf bedacht war, seine Bemühungen um den materiellen Nutzen des Geldgebers zu betonen285 und ihn nicht mit seinen für einen Laien schwer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Absichten über Gebühr behelligen wollte. Die in diesem Kapitel geschilderten Fälle machen insgesamt deutlich, dass sich die Realisierung und Ausgestaltung feldarchäologischer Projekte stets in einem Kräftefeld zwischen dem von den eigentlichen Akteuren wissenschaftlich Erwünschten, den Bedingungen vor Ort, den legalen, ökonomischen und logistischen Rahmenbedingungen sowie dem handwerklich-praktischen Vermögen der Akteure vollzog. Bei Hiller von Gaertringens Thera-Projekt lag die Entschei281
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Die Boehlau’sche Sammlung von Keramikfragmenten aus seinen Ausgrabungen in Larisa am Hermos und Pyrrha, Lesvos gelangte mit seinem Nachlass an das Archäologische Institut Göttingen: D. Graepler, Die Originalsammlung des Archäologischen Instituts, in: D. Hoffmann - K. Maack-Rheinländer (Hrsg.), »Ganz für das Studium angelegt«. Die Museen, Sammlungen und Gärten der Universität Göttingen (Göttingen 2001) 58. Aktualiserte Fassung: D. Graepler, Die Sammlung antiker Originale im Archäologischen Institut der Universität Göttingen, 6. (6.4.2014). »archaisches Köpfchen«. Boehlau a. O. (Anm. 276) 190. Vgl. o. Anm. 269 und Boehlau a. O. (Anm. 276) 207. Boehlau a. O. (Anm. 276) 204–206: 16.11.1894 – »Morgen entscheidet sich das Schicksal der Kiste. Ich bin in einer Aufregung, die unbeschreiblich ist, da eben wieder sehr böse Nachrichten einlaufen …«; 17.11.1894 – »… Aber die Kiste, die Kiste! Heute soll sie an Bord des Lloyd: ein Königreich für eine Sonnenfinsterniss. Angstvoll harre ich des verabredeten Telephonems …, das mein »Mann« nach gut vollbrachter Arbeit mir senden will. Von 12-3 habe ich mich schlaflos auf meinem Lager herumgeworfen …«; 18.11.1894 – »Wir haben gesiegt! … Mir ist eine Centnerlast vom Herzen …« Vgl. auch die Formulierungen im Brief, der den Schenkungsakt durch die samische Regierung erwähnt (199 f.): 13.11.1894 – »Dass der Export der Kiste gelingt, hoffe ich sicher, aber welche Schwierigkeiten er macht, ahnen Sie nicht … Wäre sie nur erst an Bord! Die Sorge, die Unruhe!« Vgl. dort auch die Beschreibung der Versendung der klazomenischen Sarkophage: Boehlau a. O. (Anm. 276) 211 f.
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dungsgewalt bei ein und derselben Person, so dass die Mittelverwendung nicht von den Interessen Dritter beeinflusst wurde286. Ähnlich verhielt es sich bei Furtwänglers Ägina-Unternehmung, der aus einer gesicherten, hohen beruflichen Position heraus agierte und daher damit rechnen konnte, die Arbeiten zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen, wenn sein plötzlicher Tod nicht zum Abbruch der weiteren Arbeiten geführt hätte. Beide Projekte erbrachten zeitnah abschließende Publikationen, die bei der Auswahl der zu veröffentlichenden Daten nicht durch Vorgaben Dritter beschränkt waren, so dass in beiden Fällen auch Kleinfunde gleichberechtigt neben den anderen etablierten Fundgattungen behandelt wurden. Boehlau konnte ebenfalls zeitnah eine endgültige Vorlage der Ergebnisse realisieren, weil er sein Forschungsprogramm von vornherein so beschränkt hatte, dass er es mit den vorhandenen Mitteln tatsächlich bewältigen konnte. Dies steht im Gegensatz zur parischen und koischen Expedition Otto Rubensohns, bzw. Rudolf Herzogs: Ersterer konnte über einen sehr langen Zeitraum verteilt immer wieder Teilergebnisse veröffentlichen, wobei manches – etwa die Nekropolengrabung – weitgehend unpubliziert blieb. Herzog konnte zwar mit einiger Verzögerung und Hilfe Dritter eine monographische Abschlusspublikation beginnen, die aber auch fragmentarisch blieb. Beiden war es zwar gelungen, durch Mischfinanzierung die Grabung an sich sicherzustellen, nachher fehlten aber die Mittel und der institutionelle Rahmen, die einen sachgerechten Abschluss der Arbeit hätten sicherstellen können. Symptomatisch ist hierfür auch, dass Herzog schon zwei Jahre nach Abschluss der Arbeiten keine Mittel mehr zur Verfügung standen, um den von ihm angestellten Wächter für das Ausgrabungsgelände287 zu bezahlen288. Diese geschilderten Fälle ereigneten sich in unmittelbarer zeitlicher oder örtlicher Nähe zur Miletgrabung der Berliner Museen, mit der sie aufgrund von intensiven persönlichen und sachlichen Verbindungen verpflochten sind. Sie bilden daher einen Teil des methodischen und historischen Bezugsrahmens für das Unternehmen in Milet. Nach einer Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Ausgrabungen im Osmanischen Reich im folgenden Kapitel, wird der bis hierhin entwickelte Erzählstrang wieder aufgenommen, indem die zweite Traditionslinie der Miletgrabung, die Unternehmungen der Berliner Museen in Kleinasien seit der Pergamongrabung, umrissen wird. Diese Unterbrechung ist an die286
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Für eine weitere Pionierleistung, die von einem wissenschaftlich interessierten Privatmann finanziert worden war und deren Ergebnisse den wissenschaftlichen Diskurs vielfältig bereicherten, vgl. die in den Jahren 1884 und 1885 durchgeführte Expedition Karl Graf Lanckorońskis mit George Niemann und Eugen Petersen durch die historischen Landschaften Pamphylien und Pisidien an der Südküste der Türkei: K. Lanckoroński (Hrsg.), Städte Pamphyliens und Pisidiens 1-2 (Wien 1890–1892), parallele Publikationen auf französisch und polnisch: K. Lanckoroński (Hrsg.), Les Villes de la Pamphylie et de la Pisidie 1-2 (Paris 1890–1893); K. Lanckoroński (Hrsg.), Pizydya, Miasta Pamfilii i Pizydyi 1-2 (Kraków 1896). Vgl. auch A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstar2 chäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 188 f. Bei diesem Projekt wurde von vornherein »ausdrücklich auf Erwerbung und Wegführung von antiken Gegenständen verzichtet«: K. Lanckoroński (Hrsg.), Pamphylien, Städte Pamphyliens und Pisidiens 1 (Wien 1890) S. II. R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die koische Expedition im Jahre 1904, AA 1905, 15. Watzinger 1944, 193.
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ser Stelle notwendig, da eine genauere Darstellung des rechtlichen Rahmens eine weitere notwendige Voraussetzung für das Verständnis der Feldarchäologie im Osmanischen Reich darstellt.
2.2. Rechtliche Grundlagen Die Durchführung eines Forschungsunternehmens im Ausland erfordert eine Unterordnung unter die ggf. gesetzlich relevanten Bestimmungen des Gastlandes. Dieser Umstand wird in der Literatur zur historischen Feldarchäologie häufig entweder vollständig übergangen oder nur oberflächlich erwähnt. Selten findet eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Grundvoraussetzung statt. Thanassis Kalpaxis leitet seinen Beitrag anlässlich des Symposiums zum 125. Jubiläum der deutschen Ausgrabungen in Olympia mit einer Fundamentalkritik an den bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen geschichtlichen Darstellungen von Nichtgriechen sowohl zur Olympiagrabung als auch zu Ausgrabungen auf griechischem Boden insgesamt ein289: Er benennt als eklatanten Mangel dieser Werke, dass sie es regelmäßig versäumten, die rechtlichen Gegebenheiten des Gastlandes angemessen zu berücksichtigen. Durch dieses Versäumnis scheinen die infrage stehenden Unternehmungen quasi in einem rechtsfreien geographischen Raum und nicht in einem souveränen Staat stattgefunden zu haben. Diese Kritik lässt sich unmittelbar auch auf Beiträge zu archäologischen Unternehmungen im osmanischen Herrschaftsgebiet übertragen. Von der sehr verdienstvollen und wichtigen Ausnahme der Publikation zur Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa abgesehen290, blenden derlei Darstellungen in der Regel die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Gastlandes entweder vollständig aus oder greifen beliebig einzelne Details auf. So wird – um nur das jüngste Beispiel zu nennen – in der Einleitung des Begleitbuches zur Ausstellung »Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus« behauptet, dass für die »Zuteilung der Funde« »ein Geheimabkommen von 1899 zwischen dem Osmanischen und dem Deutschen Reich« entscheidend gewesen sei291. Zwar existierte dieses »Abkommen«, doch wurde es erst nach 1906 tatsächlich für Fundteilungen relevant und dann auch nur in sehr speziellen Einzelfällen292. Die Rechtslage, mit der Feldforscher im Osmanischen Reich konfrontiert waren, war auch schon vor der Jahrhundertwende wesentlich differenzierter und regelte nicht nur die Aufteilung von Funden. In diesem Zusammenhang sind zwei Themenfelder relevant: Zunächst interessiert die völkerrechtliche Praxis der damaligen Zeit – die aus heutiger Sicht 289
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Th. Kalpaxis, Die Vorgeschichte und die Nachwirkungen des Olympia-Vertrages aus griechischer Sicht, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.–11. November 2000 (Mainz 2002) 19 f. H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005). Ch. Trümpler, Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860– 1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 17. Th. Wiegand an J. H. von Bernstorff, 6.5.1918, zitiert bei Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 13.
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merkwürdig erscheinenden ›Kapitulationen‹293 – und dann die konkreten Bestimmungen zum Umgang mit Antiken im Osmanischen Reich. Auf dieser Grundlage folgt ein näherer Blick auf das besagte »Geheimabkommen«.
2.2.1. ›Kapitulationen‹ Seit dem 16. Jahrhundert war es den »christlichen Mächten« gelungen, sich weitgehende Sonderrechte für ihre Untertanen auf dem Staatsgebiet des Osmanischen Reiches zu sichern294. Frankreich hatte 1528 von der Hohe Pforte die erste derartige Vereinbarung schließen können. Diese wurde in der Folge wiederholt bestätigt und war an der Wende zum 20. Jahrhundert noch in voller Gültigkeit295. Diese französisch-osmanische Vereinbarung war das Vorbild und die Grundlage aller späteren von anderen Staaten mit dem Osmanischen Reich geschlossenen Abkommen. In Bezug auf die deutschen Staaten existierte zunächst ein preussisch türkisches Freundschafts- und Handelsabkommen vom 22. März 1761. Am 13. März 1871 trat das Deutsche Reich mit einem Folgeabkommen die Rechtsnachfolge an, die erneut durch den Artikel 24 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrts Vertrags vom 26. August 1890 verlängert wurde296. Diese als »Kapitulationen« bezeichneten Abkommen waren als durch den Sultan persönlich gewährte Privilegien formuliert297 und sicherten den Fremden so weitreichende Rechte wie Niederlassungsfreiheit, Freiheit des Handels und des Verkehrs, eine weitgehende Befreiung von der lokalen Besteuerung, die Unverletzlichkeit der Wohnung und eine Nichtzuständigkeit der lokalen Gerichte298. Vielmehr unterstanden die Fremden ihrer heimatlichen Gerichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen, wobei die Konsuln dieses Recht ausübten, bzw. wurden Fremde in bestimmten Rechtsangelegenheiten vor den lokalen Gerichten von den Konsuln vertreten299. Die westeuropäische juristische Literatur der Jahrhundertwende führte für diese besonderen Rechtsverhältnisse für Fremde einen erweiterten Begriff der Exterritorialität300 ein, der eben nicht nur auf die Souveräne fremder Mächte
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EOE 118–119 s. v. capitulations (B. Masters); EOE 21–22 s. v. Ahdname (S. Papp); M. H. van den Boogert, The Ottoman Capitulations. Text and Context, Oriente Moderno 83, Neue Ser. 22, 3 (Rom 2004). S. Antonopoulos – F. Meyer, Ueber die Exterritorialität der Ausländer in der Türkei mit Rücksicht auf die Gerichtsbarkeit in Civil- und Strafprozessen, Jahrbuch der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirthschaftslehre 1, 1895, 95 f. Antonopoulos – Meyer a. O. (Anm. 294) 101. Antonopoulos – Meyer a. O. (Anm. 294) 102 m. Anm 4. E. L. Déligeorges, Die Kapitulationen der Türkei (Heidelberg 1907) 29. Déligeorges a. O. (Anm. 297) 2. Die ›Konsulargerichtsbarkeit‹: H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 2 (Berlin 1961) 278–281 s. v. Konsulargerichtsbarkeit (H. Sasse). H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 1 (Berlin 1960) 499–404 s. v. Exterritorialität (S. Verosta).
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und deren diplomatisches Personal zutraf, sondern auf alle Untertanen und Schutzbefohlene jener Länder ausgedehnt wurde301. Auf die ›Konsulargerichtsbarkeit‹ und ihre Implikationen für das Engagement der Berliner Museen im Osmanischen Reich machte Theodor Wiegand selbst aufmerksam: Ein Brief, den er im Mai 1918 an den Kaiserlichen Botschafter in Konstantinopel, Johann Heinrich Graf von Bernstorff, schrieb, wies in einem Nebensatz302 darauf hin, dass mit dem Wegfall der Konsulargerichtsbarkeit 1918 der »Schleichhandel« mit antiken Objekten als einzige Form des europäischen Antikenerwerbs im Osmanischen Reich übrig bleibe und dass dieser Weg des Antikenerwerbs nunmehr mit »Konsequenzen übelster Art« verbunden sein könnte, was im Umkehrschluss bedeutet, dass diese »Konsequenzen« vor Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit nicht bestanden hatten. Dieser tiefgreifende Zustand rechtlicher Ohnmacht des osmanischen Staates zog offenbar bei weniger erfahrenen Forschern die irrige Vorstellung nach sich, dass sie entweder völlig selbstherrlich im Lande agieren oder aber sich notfalls durch konsularische Gewalt schützen lassen konnten.
2.2.2 Antikengesetzgebung des Osmanischen Reiches In der als ›Tanzimat‹303 bezeichneten Reformperiode des Osmanischen Reiches in der Mitte des 19. Jahrhunderts304 gab es u. a. Bestrebungen, das traditionelle osmanische Rechtssystem an die Rechtsprechung der westlichen Länder anzugleichen305. Dabei kam es auch zu ersten ernsthaften Anstrengungen einen gesetzlichen Schutz archäologischer Kulturgüter zu etablieren. Das Strafgesetzbuch vom 9. August 1858 sah bereits eine Bestrafung für Beschmutzung, Beschädigung oder die Zerstörung von historischen Denkmälern und religiösen Gebäuden vor306. Das erste eigenständige Kulturgüterschutzgesetz von 1869 fiel mit sieben Paragraphen 301 302
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Antonopoulos – Meyer a. O. (Anm. 294) 96 f. »Wir sind dann auf den archäologischen Schleichhandel angewiesen, der nach Aufhebung der Konsular Gerichtsbarkeit Konsequenzen übelster Art nach sich zieht.« [Hervorhebung d. d. Verf.] Zitiert bei: Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 42. EOE 553–555 s. v. Tanzimat (C. Çakır). E. Kürşat, Der Verwestlichungsprozess des Osmanischen Reiches im 18. und 19. Jahrhundert. Zur Komplementarität von Staatenbildungs- und Intellektualisierungsprozessen 2, Zwischenwelten. Theorien, Prozesse und Migrationen 7, 2 (Frankfurt a. M. 2003); Z. Toprak, From Plurality to Unity. Codification and Jurisprudence in the Late Ottoman Empire, in: A. Frangoudaki – C. Keyder (Hrsg.), Ways to Modernity in Greece and Turkey. Encounters with Europe, 1850– 1950, Library of Eurpean Stuides 1 (London 2007) bes. 30–33. M. Hamid, Das Fremdenrecht in der Türkei. Mit einer Darstellung über das Türkische Recht und die Kapitulationen, Die Welt des Islam 7, 1919, 10–12. Vgl. Topal-Gökceli, Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes in der Türkei. Das Gesetz zum Schutz von Kultur- und Naturgut 1983 idF vom 14.7.2004, Ludwig Boltzmann Institut für Europarecht. Vorlesungen und Vorträge 26 (Wien 2006) 15.
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noch sehr rudimentär aus und konstatierte insbesondere noch keinen grundsätzlichen Staatsbesitz an noch nicht gefundenem Kulturgut. Vielmehr war das Fundgut Eigentum des Grundbesitzers307. Erst mit der Novellierung 1874308 hielt dieser Gedanke, wenn auch eingeschränkt, Einzug in das osmanische Recht, da mit dieser eine Drittelung der Funde zwischen Finder, Grundstückseigentümer und Staat festgeschrieben wurde309. Die auf Initiative von Osman Hamdi Bey am 21. Februar 1884 erlassene Verordnung310 (Asar-i Atika Nizamname311) läutete dann eine »neue Ära des türkischen Kulturgüterschutzes« ein und ist in seinen Grundzügen bis heute gültig312. In diesem Gesetz wurde ein striktes Staatseigentum an allen Kulturgütern, die als Ergebnis von Ausgrabungen zu Tage kamen, festgestellt und ein absolutes Ausfuhrverbot erlassen. Vielmehr standen solche Objekte nunmehr zur Gänze im Eigentum der Staatsmuseen, der Ausgräber hatte lediglich das Recht, Fotos und Abdrücke anzufertigen313. Die Neufassung des Gesetzes vom 24. März 1906314 baute eng auf dem vorhergehenden Gesetz auf, erweiterte aber entscheidend die Kompetenzen des Unterrichtsministeriums und der Generaldirektion der Museen dahin, dass diese nunmehr nicht mehr nur Eigentümer der aufgefundenen Objekte wurden, sondern darüber hinaus das alleinige Recht auf Suche, Sondierungen und Ausgrabungen aller Art bekamen315; die Museumsdirektion sicherte sich auf diese Weise das Monopol, inländische und ausländische Wissenschaftsinstitutionen mit Sondierungen und Ausgrabungen zu beauftragen316. Eine Erweiterung erfuhr der türkische Kulturgüterschutz unter Hamdi Beys Nachfolger und Bruder, Halil Edhem Bey317, der am 27. Februar 1911 einen Ver307 308
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Topal-Gökceli a. O. (Anm. 306) 15. Gesetzestext in neutürkischer und französischer Übersetzung: H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 346–349. Topal-Gökceli a. O. (Anm. 306) 18. Gesetzestext in französischer Übersetzung: G. Young, Corps de Droit Ottoman. Recueil des Codes, Lois, Règlements, Ordonnances et Actes le plus importants du Droit Intérieur, et d’Études sur le Droit Coutumier de l’Empire Ottoman 2 (Oxford 1905) 389–394. Ebenfalls vollständig wiedergegeben in S. Reinach, Chronique d'Orient, RA 3. Ser. 3, 1884, 336–343. Im Rahmen des Modernisierungsprozesses im Osmanischen Reich änderten sich auch die Bezeichnungen für Verfügungen des Gesetzgebers: Anstelle der älteren Bezeichnung »Kanun« (Kanon) wurden zunehmend Wortbildungen verwendet, die auf dem Wort »nizam« (Ordnung, reglementieren) beruhten: Kürşat a. O. (Anm. 304) 242. Zu »Kanun« vgl. EOE 306–307 s. v. kanun (G. Ágoston). Topal-Gökceli a. O. (Anm. 306) 21 f. Topal-Gökceli a. O. (Anm. 306) 23. Gesetzestext in französischer Übersetzung: Empire Ottoman, Règlement sur les Antiquitès (Konstantinopel 1907). Eine auszugsweise deutsche Übersetzung verwahrt das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes (s. u. Anm. 315). Abschrift zu IIIb.8087, Anlage zu Bericht vom 16.5.06.J.Nr.1396, Auszugsweise Übersetzung des neuen Antikengesetzes vom 29. Safer 1324 = 10 Nissan 1322 (23. April 1906), Fünfter Abschnitt, Artikel 10, PA/AA, R 64440. Topal-Gökceli a. O. (Anm. 306) 26. L. A. Mayer, In Memoriam. Halil Edhem Eldem (1861–1938), Ars Islamica 6/2, 1939, 198–201 mit ausgewählter Bibliographie 199–201.
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ein für Denkmalschutz gründete, zahlreichen illegal ins Ausland verbrachten Objekten nachspürte und einige wieder rückführen konnte318. Insbesondere wurde ab 1912 der Schutz auch auf unbewegliche Sachen ausgedehnt, wobei das Ziel war, historische Bausubstanz nachhaltig vor Beschädigung oder Zerstörung zu schützen319. Theodor Wiegand scheint an dieser Erweiterung größeren Anteil gehabt zu haben320. In Bezug auf den Einfluss Hamdi Beys auf die Antikengesetzgebung fällt auf, dass in der Regel versucht wird, ihn auf eine individualisierende Art und Weise aus seiner Persönlichkeit heraus zu erklären. Dabei wird zudem unterstellt, dass das von Hamdi Bey angeregte Gesetz und seine Novellierungen in Reaktion auf das Verhalten ausländischer Forscher entstanden sei321. Damit wird ausgeblendet, dass die osmanische Gesetzgebung zum Kulturgüterschutz genauso gut aus der innenpolitischen Verfasstheit des Osmanischen Reiches und Hamdi Beys Einstellungen zu ihr erklärt werden kann. Schon Carl Watzinger322, der Biograph Theodor Wiegands, führte Hamdi Beys Sympathien für die jungtürkische Bewegung323 an324, aber weder ihm noch den meisten späteren Autoren gelingt es, diese beiden Sachverhalte – Antikengesetzgebung und eine Affinität zu den Jungtürken – inhaltlich enger zueinander in Beziehung zu setzen. Dem westlich orientierten Hamdi Bey, der wesentlich von den Reformern der Tanzimat geprägt war325, musste das zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Museumsdirektor 1881 gel318
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Vgl. Topal-Gökceli, Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes in der Türkei. Das Gesetz zum Schutz von Kultur- und Naturgut 1983 idF vom 14.7.2004, Ludwig Boltzmann Institut für Europarecht. Vorlesungen und Vorträge 26 (Wien 2006) 27 m. Anm. 44. Topal-Gökceli a. O. (Anm. 318) 27 f. Watzinger 1944, 182. Ganz im Gegenteil warnte Hamdi Bey, als er 1894 erfuhr, dass russische Archäologen an eine Ausgrabung in Ephesos dachten, am 1. Juli Humann, man solle so schnell wie möglich bei ihm um »eine Grabungsgenehmigung für Benndorf« ersuchen, damit die österreichischen Bemühungen um eine Grabung in Ephesos nicht behindert wurden: T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 74 f. m. Anm. 9. Auch bei der 1909 einsetzenden Erforschung von Sardes durch amerikanische Archäologen liegt ein klar entgegengesetzter Fall vor, der anschaulich zeigt, dass es Hamdi Bey keineswegs nur darum ging, einseitig Begehrlichkeiten ausländischer Archäologen einzudämmen, denn offenbar hatte er Howard C. Butler ausdrücklich eingeladen, eine Ausgrabung in Sardis zu beantragen: F. K. Yegül, From the Lofty Halls of Academia to the Dusty Hills of Anatolia. Howard Crosby Butler and the First Sardis Expedition through Peace and War. 1909–1926, in: S. Redford – N. Ergin (Hrsg.), Perceptions of the past in the Turkish Republic. Classical and Byzantine Periods, AncNearEastSt. Supplement 31 (Leuven 2010) 63. U. Hausmann, Carl Watzinger. 1877–1948, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 194 f. EOE 604–607 s. v. Young Turks (M. Ş. Hanıoğlu); F. Ahmad, The Young Turks. The Commitee of Union and Progress in Turkish Politics 1808–1914 (Oxford 1969); M. Ş. Hanioğlu, The Young Turks in Opposition (Ney York 1995); M. Ş. Hanioğlu, Preparation for a Revolution (Oxford 2001). Watzinger 1944, 224 f. 231. E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842– 1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 123 f.
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tende Gesetz widerstreben, da es das veraltete und willkürliche Recht der autokratischen Privilegienvergabe durch den Sultan reflektierte: Die erste Änderung des Gesetzes während seiner Zeit als Direktor der ottomanischen Museen brachte 1884 nicht nur – wie geschildert – eine wesentliche Neuausrichtung und sachliche Ausdifferenzierung des Kulturgüterschutzes, sondern änderte auch die Verwaltungsabläufe bei den Genehmigungsverfahren für archäologische Forschungen: Seit dieser Zeit waren nicht mehr allein die ausländischen Diplomaten befugt, Anträge zu stellen, sondern erstmals auch Vertreter wissenschaftlicher Institutionen326. Die Genehmigung erfolgte nun nach einer Beurteilung des Vorhabens durch die Osmanischen Museen und war nicht mehr primär ein vom Sultan auf diplomatischem Wege erteiltes Sonderrecht. Diese ältere Verfahrensweise ähnelte wohl zu sehr den Kapitulationen, die auch als durch den Sultan erteilte Privilegien formuliert waren, und deren schwerwiegende Konsequenzen für das Osmanische Reich, so dass die Modernisierer in der ottomanischen Staatsverwaltung eine sachgerechtere Alternative entwickelten. Offenbar wollte Hamdi Bey in dem von ihm beeinflussbaren Umfeld seine Überzeugung von der Notwendigkeit moderner administrativer Verhältnisse auf der Grundlage eines kodifizierten Rechts umsetzen, was in diesem Fall bedeutete, das eine in der Sache kompetente Behörde die unmittelbare Zuständigkeit für die Antragstellung von Grabungen usw. erhielt. Die in der Novelle vom März 1906 festgeschriebenen Änderungen drückten das Verfahren der Antragstellung noch weiter hinunter auf eine reine Verwaltungsebene, die nur noch vom Unterrichtsministerium und der Museumsdirektion kontrolliert wurde. Diese letzte Änderung brach im Übrigen nicht plötzlich und unerwartet über die ausländischen Archäologen herein: Beispielsweise hatte Carl Humann schon 1888 »im Auftrag« des Ottomanischen Museums eine Ausgrabung veranstaltet327, und auch die Unternehmung Rudolf Herzogs auf Kos erfolgte ab 1901 im Auftrag der Osmanischen Museen, wofür Herzog sich in der Publikation ausdrücklich bedankte328. Für die lediglich an der Durchführung wissenschaftlicher Projekte im Osmanischen Reich interessierten Forscher bedeuteten die von Hamdi Bey initierten Gesetzesänderungen daher eine wesentliche Verbesserung ihrer Lage, denn nach der ersten Novelle konnten sie erstmals eigenständig Anträge auf Untersuchungen stellen und waren damit nicht mehr von der diplomatischen Vertretung ihres Landes abhängig329. 326
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Realisiert durch einen Wechsel im bürokratischen Ablauf: Vorher mussten die Anträge bei der ›Hohen Pforte‹ (Bab’ı Ali) gestellt werden: H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 101. Zur Hohen Pforte vgl. EOE 10–13 s. v. administration, central(G. Àgoston). C. Humann – W. Dörpfeld, Ausgrabungen in Tralles, AM 18, 1893, 395. P. Schazmann. Asklepieion. Baubeschreibung und Baugeschichte, Kos I (Berlin 1932) S. XXVI. Die Vorgeschichte der zweiten Lykien-Expedition Otto Benndorfs 1882 ist ein beeindruckendes Zeugnis dafür, wie unbefriedigend und umständlich es für alle Beteiligten – Archäologen und Diplomaten – war, dass Grabungsgenehmigungen zunächst hauptsächlich als eine diplomatische Angelegenheit betrachtet wurden: Vgl. die Darstellung der Ereignisse bei H. D. Szemethy, Die
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Dabei wirft die offizielle deutsche Reaktion auf die Gesetzesnovelle von 1906 ein bezeichnendes Licht auf die übergeordnete Bedeutung der Kapitulationen: Als mit dem Gesetz die alleinige Zuständigkeit des Unterrichtsministeriums und des Ottomanischen Museums festgestellt wurde, fiel dem Auswärtigen Amt offenbar nichts Besseres ein, als darauf zu verweisen, dass die Botschafter weiterhin das Recht hätten, Anträge zu stellen, dass die Kapitulationen nicht außer Kraft gesetzt seien und dass die Fundteilungsvereinbarung von 1899 weiterhin Bestand habe330. Hierin zeigt sich ein Sinnzusammenhang zwischen den Kapitulationen und der Fundteilungsvereinbarung, der im Folgenden näher betrachtet werden soll.
2.2.3. Das »Geheimabkommen« Dem auf Betreiben von Reinhard Kekulé und Theodor Wiegand mit Hilfe Kaiser Wilhelms II. zustande gekommenen »Geheimabkommen«331 (vgl. auch Kap. 2.3.5.) gingen ähnliche Vereinbarungen zwischen dem Osmanischen Reich und Österreich332 sowie Rußland333 voraus. Die türkisch-deutsche Fundteilungsvereinbarung wurde schließlich durch einen diplomatischen Notenwechsel334 dokumentiert, der ein Iradé, einen Erlass des Sultans, wiedergab335. Die entscheidende Verbalnote336 der Hohen Pforte hat folgenden Text337:
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Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 87–103. Watzinger 1944, 177. Für die völkerrechtliche Dimension derartiger ›Geheimdiplomatie‹ vgl. H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 1 (Berlin 1960) 633–635 s. v. Geheimverträge (K. Zemanek). T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 87 f. Die Fundteilungsvereinbarung mit Rußland stand in Zusammenhang mit der Einrichtung eines Russischen Archäologischen Institutes in Konstantinopel, das von 1894 bis 1914 bestand. Zu diesem Institut: E. J. Basargina, Russkii Arkheologicheskii Institut v Konstantinopole. Ocherki Istorii (St. Petersburg 1999) m. dt. Zusammenfassung; K. Papoulidis, The Russian Archaeological Institute of Constantinople (1894–1914). From its Establishment until Today, in: S. Redford – N. Ergin (Hrsg.), Perceptions of the past in the Turkish Republic. Classical and Byzantine Periods, AncNearEastSt. Supplement 31 (Leuven 2010) 187–192. H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 2 (Berlin 1961) 632 f. s. v. Note (G. von Haeften). Watzinger 1944, 89–91. H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 3 (Berlin 1962) 488 f. s. v. Verbalnote (G. von Haeften). Als Faksimile abgebildet bei J. Cobet, Theodor Wiegand – Das Osmanische Reich und die Berliner Museen, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 350.
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Sublime Porte, le 15 novembre 1899. Note verbale. Le Ministère des Affaires Etrangères a l’honneur d’informer l’Ambassade des S. M. l’Empereur d’Allemagne, qu’un Iradé de S. M. Impériale le Sultan autorise le Musée der Berlin à garder pour lui la moitié des antiquités qu’il découvrirait au moyen des recherches autorisées, en en laissant l’autre moitié au Gouvernement Impérial. Le communications nécessaires à ce sujet ont été faites au Ministère Impl. de l’Instructions Publique.
Der Erlass des Sultans autorisierte also die Berliner Museen, die Hälfte der Funde, die bei ihren genehmigten Ausgrabungen zu Tage kamen, zu behalten. Die Übersetzung einer im Staatlichen Archiv, Istanbul befindlichen Kabinettsorder vom 28. Oktober 1899 hat grundsätzlich den gleichen Inhalt, unterschied sich aber in einem kleinen, allerdings wichtigen Detail: Wird auf den zu stellenden Antrag hin die Ausgrabung von Altertümern für das Berliner Museum im Rahmen der Bestimmungen genehmigt, so ist in Befolgung der auf diese Bitte ergangenen erhabenen Order Seiner khalifischen Majestät die Hälfte der dabei zu Tage geförderten Altertümer der Regierung seiner Majestät und die andere Hälfte dem Berliner Museum auszufolgen, wobei sämtliche Anweisungen und Verfügungen bei Seiner Majestät als dem alleinigen Weisungsträger liegen. (Gez.) Tahsin, Erster Sekretär Seiner Kaiserlichen Majestät / Am 22. Cemaziye’lahir des Jahres (1)317 und am 15. Oktober des Jahres (1)315338.
In der kurzen Zeit zwischen der Kabinettsorder und der diplomatischen Note hatte sich die Weisungsbefugnis in der Angelegenheit der Fundteilung geändert, denn die Kabinettsorder bestimmte noch den Sultan als alleinigen »Weisungsträger«, während die Verbalnote im letzten Absatz das Unterrichtsministerium für die notwendigen »communications« zuständig erklärte. In diesen beiden Primärquellen zum »Geheimabkommen« begegnen also zwei gegensätzliche Bestimmungen, die wahrscheinlich als Ausdruck unterschiedlicher Auffassungen innerhalb der osmanischen Administration gesehen werden können. Das frühere Dokument spiegelt dabei eine Sichtweise wider, die die Verhandlungen über Funde als eine diplomatische Angelegenheit in der Verfügungsgewalt des Sultans begriff, während das spätere, dem deutschen Botschafter übermittelte Dokument eher der modernen Sichtweise Hamdi Beys entsprach, wonach archäologische Angelegenheiten in die Zuständigkeit des Unterrichtsministeriums fielen. Mit der – letzlich bindenden – Verbalnote schrieb die osmanische Seite also den von Hamdi Bey gewünschten Status der Fundteilungsangelegenheiten als einer Verwaltungssache 338
Wörtlich zitiert nach U. Kästner, Carl Humann und die Entdeckung des Pergamonaltars. Vom Privatunternehmen zum Staatsauftrag, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Austellungskatalog Essen (Köln 2008) 330 m. Anm. 3: Istanbul, Staatliches Archiv, Iradé Hususi / Kabinettsorder-Spezial / vom 22. Cemaziye’l-ahir / 6. Monat des Mondjahres 1317 (1899), Nr. 35. Übersetzung von H. A. Schmiede und E. Christoffel.
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fest, denn Hamdi Bey hatte ja schon vorher als zuständiger Angehöriger des Unterrichtsministeriums die Verhandlungen über Fundteilungen geführt. So erhielt die deutsche Seite zwar das verbriefte Recht auf die Hälfte der Funde, konnte aber auf der Grundlage der auf ihre eigene Initiative zurückgehenden Vereinbarung keine Fundteilungen ohne Hamdi Beys Mitsprache von der türkischen Seite erwarten, die sie zweifellos erhofft hatte.
2.3. Engagement der Berliner Museen im Osmanischen Reich Anlass und Ausgangspunkt der archäologischen Feldforschung durch die Berliner Museen im Osmanischen Reich war die Auffindung der ersten Friesplatten des Pergamonaltares durch den freischaffenden Unternehmer Carl Humann339 in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts340. Mit einiger Verzögerung realisierte eine anfänglich im Verdeckten341 operierende Gruppe, bestehend aus Humann, Alexander Conze und Richard Schöne die ersten Grabungskampagnen in den Jahren 1878 bis 1886, um die restlichen Friesplatten zu bergen. Schon vor dieser Zeit betätigte sich Humann als Dienstleister für wissenschaftliche Expeditionen und forschte auch auf eigene Rechnung. Erst 1884 wurde Humann durch die Ernennung zum auswärtigen Direktor der Berliner Museen dauerhaft an diese staatliche Institution gebunden, und seine Tätigkeit erhielt damit eine für beide Seiten vorteilhafte, weil auf Kontinuität gerichtete, Grundlage. In der Zeit seines Nachfolgers als auswärtigem Direktor Theodor Wiegand342 blieb diese Konstruktion ab 1898 grundsätzlich unverändert343, bis 1929 unter den mittlerweile radikal veränderten gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten des Gast- und des Entsendelandes die Umwandlung der Istanbuler Außenstelle des Museums in ei339
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Zur Person: D. Pinkwart, Carl Humann. 1839–1896, in: Archäologenbildnisse 69 f. Weitere Li2 teratur (in Auswahl): C. Schuchhardt – Th. Wiegand, Carl Humann. Ein Lebensbild (1931); E. Schulte, Der Pergamonaltar, entdeckt, beschrieben und gezeichnet von Carl Humann, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 1 (Dortmund 1959); E. Schulte, Chronik der Ausgrabung von Pergamon 1871–1886, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 2 (Dortmund o. J. [1963]); E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971); R. Stupperich, Carl Humann, Westfälische Lebensbilder 13, 1985, 130–155; U. Kästner, Carl Humann und die Entdeckung des Pergamonaltars. Vom Privatunternehmen zum Staatsauftrag, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Austellungskatalog Essen (Köln 2008) 325-335. U. Kästner, Carl Humann und die Entdeckung des Pergamonaltars. Vom Privatunternehmen zum Staatsauftrag, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Austellungskatalog Essen (Köln 2008) 325–335. A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 15: »An den Museen selbst brachte, was jetzt zu erzählen nicht lohnt, die Lage der Anstalt es mit sich, daß von dem Unternehmen zu schweigen war. Aber auch sonst verfuhren wir nach jenem Wahne, in dem Goethe tiefen Sinn findet, daß man, um einen Schatz wirklich zu heben und zu ergreifen, stillschweigend verfahren müsse.«; W. Radt, Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole (Darmstadt 1999). Ausführlicher zu Wiegand vgl. Kap. 2.3.5. Mit Wiegands Weggang aus dem Osmanischen Reich und dem Antritt der Direktorenstelle der Antikensammlung behielt Wiegand zunächst die auswärtige Zuständigkeit (Watzinger 1944, 258.). Später trat Martin Schede als »Kustos« an Wiegands Stelle als Leiter der Museumsstation in der Türkei. In: Archäologisches Institut des Deutschen Reiches (Hrsg.), Bericht über die Hundertjahrfeier 21–25 April 1929 (Berlin 1930) 68, wird Schede als »Dr., Dir., Prof, Kustos an der Antikenabteilung der Preuß. Staatl. Museen (im Orient), Konstantinopel« bezeichnet.
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ne Abteilung des Deutschen Archäologischen Institutes erfolgte344, wodurch diese spezielle Konstruktion formal ihr Ende fand. Die Besonderheit dieses rund ein halbes Jahrhundert andauernden Engagements der Berliner Museen auf türkischem Boden lag darin, dass ein Museum als federführende Institution auftrat und ein lokaler Vertreter desselben nicht nur die Unternehmungen des eigenen Hauses vertrat, sondern zunehmend auch die Aufgabe übernahm, alle anderen deutschen archäologischen Interessen im Gastland zu koordinieren. Auffällig ist dabei, dass bei den im Lauf der Zeit auftretenden Veränderungen und Anpassungen dieser Konstruktion regelmäßig ein de factoZustand erst im Nachhinein auch de iure legalisiert wurde und nicht umgekehrt: Erst auf Humanns Initiative hin wurde das Berliner Museum überhaupt in Pergamon tätig, und bei seiner Ernennung zum Direktor folgte die Bezeichnung des Dienstsitzes seinem Wohnort – ein Umstand der nicht weiter auffiele, änderte sie sich nicht plötzlich bei Wiegands Umsiedlung nach Konstantinopel im Jahre 1900 und bei Martin Schedes345 Umzug 1912 nach Moda346. Auch die Funktion des Direktors als zentrale Anlaufstelle für Projekte Dritter war lange vor der Berufung Wiegands zum wissenschaftlichen Attachè der deutschen Botschaft faktische Realität. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen, doch wird auch so ein Muster deutlich: Das Handeln der Vorgesetzten in Berlin reagierte meist nur auf die Initiativen des auswärtigen Direktors. Dies galt im Übrigen nicht allein für die administrative Handlungsebene, sondern trat besonders deutlich auf der wissenschaftlichen zu Tage, was der weitere Verlauf dieser Untersuchung zeigen wird. Weiterhin war an dieser Konstruktion bemerkenswert, dass ein Museum, das seine Ausstellungsobjekte in der Regel durch Ankauf oder Schenkung erhielt, einen beträchtlichen Teil seiner ihm zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel über lange Zeit für eigene Ausgrabungen verwendete347. Nach der überaus erfolgreichen »Initialzündung« – dem erfolgreichen Erwerb der Friesplatten aus Pergamon – sah man offenbar darin einen gangbaren und ökonomisch vertretbaren Weg des Antikenerwerbs. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen diesen expliziten Erwerbsinteressen der beauftragenden Institution und dem wissenschaftlichen und persönlichen Handeln der ausführenden Individuen entstand eine sehr spezielle Art der Durchführung feldarchäologischer Unternehmungen348. 344
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K. Bittel, Abteilung Istanbul, in: K. Bittel – F. W. Deichmann – W. Grünhagen – W. Kaiser – Th. Kraus – H. Kyrieleis (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts von 1929 bis 1979. Teil 1, DAIGeschDok 3 (Mainz 1979) 65–91. K. Bittel, Martin Schede. 1883–1947, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 220 f. Vgl. Anm. 343. Nach Wiegands Weggang aus der Türkei 1911 trat Schede an dessen Stelle als de facto Leiter der Museumsstation.: Bittel a. O. (Anm. 344) 71. Richard Schöne hatte, noch als Vortragender Rat im Kultusministerium, bis 1878 die hierfür notwendige größere Finanzautonomie der Abteilungsdirektoren durchgesetzt. Vgl. L. Pallat, Richard Schöne. Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Kunstverwaltung 1872 – 1905 (Berlin 1959) 138–147. A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 30: »Das Vorgehen bei der Neuaufnahme der Untersuchungen durch das Ar-
ENGAGEMENT DER BERLINER MUSEEN IM OSMANISCHEN REICH
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Es überrascht ebenfalls, dass ein zwar mit wohlklingendem Titel versehener, aber von seiner formalen Stellung her unselbständiger Beschäftigter einer nachgeordneten Institution eines deutschen Bundesstaates – die Berliner Museen unterstanden dem preussischen Kultusministerium – für die länderübergreifende Angelegenheit der Organisation von wissenschaftlichen Arbeiten auf fremden Territorium eine so bedeutende Funktion erlangte. Mit dem Deutschen Archäologischen Institut gab es schon eine etablierte und beim Auswärtigen Amt des Reiches angesiedelte Einrichtung, die genau diesem Zweck gewidmet war; daher wäre erwartbar gewesen, dass für Humann bei dieser Institution eine Stelle geschaffen worden wäre. Dass aber die tatsächlich geschaffene Konstruktion weit über Humanns Tod hinaus erfolgreich Bestand hatte und erst 1929 darin mündete, dass die Vertretung deutscher archäologischer Interessen auf türkischem Boden tatsächlich an das DAI überging, erklärt sich vielleicht dadurch, dass sie die institutionellen Verhältnisse des Gastlandes nachahmte und auf diese Weise viel eher eine von Vertrauen getragene, konstruktive Zusammenarbeit ermöglichte, als es durch einen Vertreter des DAI hätte geschehen können. Denn auf türkischer Seite lag die Antikenverwaltung in den Händen des Museumsdirektors Osman Hamdi Bey, auch sein Museum war einem Ministerium, dem Unterrichtsministerium, unterstellt. Ihn unterschied von seinem deutschen Gegenüber lediglich, dass er der oberste Direktor war. Auf der anderen Seite hätte eine Vertretung deutscher archäologischer Interessen durch eine mit dem Auswärtigen Amt assozierte Person sicherlich viel eher auf Widerstände im Osmanischen Reich stossen können, da sie als offene Einmischung einer fremden Macht interpretiert werden konnte. Aber so wie die Dinge lagen, verhandelten zwei Museumsdirektoren auf der Grundlage eines von osmanischer Seite geschaffenen gesetzlichen Rahmens über Umfang, Ausgestaltung und Ertragsverwendung deutscher archäologischer Forschung im Osmanischen Reich. Es wird sich im Weiteren zeigen, dass dieser auf den ersten Blick triviale Sachverhalt von elementarer Bedeutung für die spezifische Ausformung deutscher archäologischer Feldforschung im Osmanischen Reich war. Insbesondere lenkt er das Augenmerk auf eine weitere Interessengruppe mit der zu rechnen ist, wenn man die Besonderheiten archäologischer Feldforschung im Osmanischen Reich verstehen will. Denn es hat den Anschein, als ob den deutschen Direktor Humann und den osmanischen Direktor Hamdi Bey öfter gleichgerichtete Interessen verbanden und dass diese ›Solidargemeinschaft‹ eher eigene Ziele verfolgte als die ihrer Vorgesetzten.
chäologische Institut [In Pergamon ab 1900.] fand unter wesentlich anderen Umständen statt, als die früher für die im Auftrage der Museen maßgebend waren. Damals stand für die Museen Entdeckung von Kunstwerken im Vordergrunde der Interessen, wobei man allerdings bestrebt war, den wissenschaftlichen Forderungen an eine Ausgrabung zugleich gerecht zu werden.«
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2.3.1. Osman Hamdi Bey Das Bild des Direktors der Ottomanischen Museen, Osman Hamdi Bey349 (1842 –1910), war in der einschlägigen deutschsprachigen Literatur lange Zeit durch die knappe Charakterisierung geprägt, die Carl Watzinger in seiner Biographie Theodor Wiegands 1944 von ihm gezeichnet hatte350. Erst in jüngster Zeit verbreitet sich im deutschen Sprachraum ein differenzierteres Bild Hamdi Beys; insbesondere ist hier ein Beitrag Wolfgang Radts zu nennen351, der Hamdi Bey und Carl Humann 2003 schon im Titel explizit als zwei »Gründerväter der Archäologie in der Türkei« bezeichnet, und Hamdi Bey auch klar als eine politisch agierende Persönlichkeit vorstellt. Suzanne L. Marchand berücksichtigte 1996 im Rahmen ihrer Arbeit über den deutschen Philhellenismus bei der Darstellung der deutschen Feldarchäologie im Osmanischen Reich im Wesentlichen noch Watzingers Angaben352 und in ihrem 2009 erschienenen Werk zum »German Orientalism in the Age of Empire« verweist353 Marchand für weitergehende Informationen zu Hamdi Bey ohne Seitenangaben pauschal auf eine Arbeit Wendy M. K. Shaws aus dem Jahr 2003 zu »Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire«354, die ihre wesentlichen Daten zu Hamdi Bey offenbar aus der 1995 erschienenen umfangreichen Biographie von Mustafa Cezar bezieht355. Weniger pauschal und sachdienlicher im Sinne der vorliegenden Arbeit erweist sich eine Analyse des Verhältnisses Hamdi Beys zum Ausgrabungswesen und den ausländischen Archäologen, die Edhem Eldem 2004 vorlegte356.
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Die wesentliche biographische Literatur zu Osman Hamdi Bey ist zusammengefasst bei H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 329. Vgl. auch W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 97–107. 350 Watzinger 1944, 79–80. 87–88. 169–172. 180; Vgl. auch G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 35 f. 65 f. 72 f. 77 f. 79. 90. 142. 212. 351 W. Radt, Carl Humann und Osman Hamdi Bey – zwei Gründerväter der Archäologie in der Türkei, IstMitt 53, 2003, 491–507. 352 S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750–1970 (Princeton 1996) 200 m. Anm. 44. 353 S. L. Marchand, German Orientalism in the Age of Empire. Religion, Race, and Scholarship (Cambridge 2009) 431 Anm. 6. 354 W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003). 355 M. Cezar, Sanatta Batı’ya Açılış ve Osman Hamdi I, II (Istanbul 1995). Von den insgesamt sieben bei Szemethy (s. Anm. 349) bibliographierten Werken zu Osman Hamdi Bey findet sich lediglich das Genannte in der Bibliographie Shaws. 356 E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842– 1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 121–149. Mit weiteren bibliographischen Angaben in den Anmerkungen: 148 f.
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Osman Hamdi Bey war einer von vier Söhnen Ibrahim Edhem Paşas357, der aus einem griechischen Dorf auf Chios358 stammte und nach dem ›Massaker von Chios‹359 1822 als Sklave Koca Mehmet Hüsrev Paşas – zu der Zeit Großadmiral der Osmanischen Flotte – nach Konstantinopel gelangt war. Hüsrev Paşa adoptierte Edhem Paşa und sandte ihn zum Studium nach Frankreich360, wo dieser zum Bergbauingenieur ausgebildet wurde. In der Folge bekleidete Edhem Paşa verschiedene hohe Ämter in der Administration des Osmanischen Reiches, darunter das des Großvezirs361. Edhem Paşa sah für seine Söhne einen ähnlichen Weg vor362: Nach einer Ausbildung in Paris gelangte Hamdi Bey, der sich in Frankreich anstelle des Jurastudiums bald der Malerei zugewandt hatte, im Gefolge Midhat Paşas363, einem der wichtigsten Reformer der Tanzimat-Zeit, nach Bagdad, wo er Direktor für das Fremdenwesen wurde. Nach verschiedenen anderen Positionen in der politischen Administration des Reiches zog sich Hamdi Bey 1878 zunächst ins Privatleben zurück. Im Februar dieses Jahres hatte Sultan Abdülhamid II. die erste osmanische Verfassung (Kanun-ı Esasi) von 1876364, an deren Ausarbeitung Midhat Paşa maßgeblich beteiligt war, außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst365. 1878 wurde Hamdi Bey Mitglied einer vorbereitenden Museumskommission und 1881 zum Direktor des Kaiserlichen Museums (Müze-i Hümayun) ernannt. Wolfgang Radt vermutet, dass Hamdi Bey dieses Amt aufgrund seines unpolitischen Charakters gerne annahm366. Gleichzeitig zeigt aber die in Kap. 2.2.2. skizzierte Einflussnahme Hamdi Beys auf die Gesetzgebung zum 357
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M. Bernath – F. von Schroeder (Hrsg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas 2, Südosteuropäische Arbeiten 75 (München 1976) 208–209 s. v. Ibrahim Edhem Pascha (H.-J. Kornrumpf). Anders Shaw a. O. (Anm. 354) 97, wo »Sakız«, der türkische Name Chios’, für ein griechischorthodoxes Dorf gehalten wird, in dem Ibrahim Edhem Paşa während einer »village revolt« gefangen genommen worden sein soll. 2 H. Long, Greek Fire. Massacres of Chios (London 1992); Chr. Belles, Mastiha Island (Chios 2008), 175–179; Vgl. auch das 1824 erstmals ausgestellte Bild »Scène des massacres de Scio« von Eugène Delacroix (Musée du Louvre): W. Hofmann, Das entzweite Jahrhundert. Kunst zwischen 1750 und 1830 (München 1995) 592 Abb. 489. 490. Eldem a. O. (Anm. 356) 125 Anm. 1. EOE 235–235 s. v. grand vizier (G. Ágoston). H. Metzger (Hrsg.), La correspondance passive d’Osman Hamdi Bey, Mémoires de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Nouvelle Série 11 (Paris 1990) 9 f.; H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 228 Anm. 1001: Noch zwei Brüder Hamdi Beys waren als Wissenschaftler aktiv: Halil Edhem wurde ab 1910 Hamdi Beys Nachfolger an den Museen und Ismail Galib Bey gilt als der erste türkische Numismatiker. EOE 378–379 s. v. Midhat Pasha (B. Masters); M. Bernath – F. von Schroeder (Hrsg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas 3 (München 1979) 192–194 s. v. Midhat Pascha, Ahmed Şefık (H.-J. Kornrumpf). EOE 144–145 s. v. constitution/Constitutional Periods (S. A. Somel). M. Ş. Hanioğlu, A brief history of the late Ottoman empire (Princeton 2008) 120–121. W. Radt, Carl Humann und Osman Hamdi Bey – zwei Gründerväter der Archäologie in der Türkei, IstMitt 53, 2003, 496.
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Kulturgüterschutz, dass er in der Folge diese Position nutzte, um in einem »unverdächtigen« Teilbereich der Staatsverwaltung sachgerechte Verwaltungsabläufe zu realisieren und dabei erfolgreich im Sinne einer Modernisierung agierte. In der neuen Position als Generaldirektor der Kaiserlichen Museen, die er bis zu seinem Tod 1910 inne hatte, engagierte sich Hamdi Bey aber nicht nur für die rechtliche Reform des Antikenwesens, sondern ging auch daran, aus dem ihm unterstellten Museum eine wissenschaftliche Einrichtung mit eigenständigem Profil zu formen367, die einen internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchte. Für die praktische Seite eignete sich Hamdi Bey zunächst mit Hilfe des Mitgliedes der École française d'Athènes368 Salomon Reinach369 das notwendige archäologische Grundlagenwissen an und begann ab 1883 damit, archäologische Feldforschungsprojekte unter der Ägide des Museums zu realisieren, indem er eine Expedition zum Nemrud Dağ durchführte370. In der Folge ging von den Ottomanischen Museen eine äußerst rege feldarchäologische Aktivität aus, die sich – gut vergleichbar mit der Entwicklung der praktischen Feldarchäologie anderer Länder – zunehmend professionalisierte. Allerdings wird in der Regel in Bezug auf Hamdi Bey neben der Expedition zum Nemrud Dağ hauptsächlich seine Ausgrabung der ›sidonischen‹ Sarkophage371 – darunter der berühmte ›Alexander367
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E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842– 1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 129 f.; s. a. E. Eldem, Greece an the Greeks in Ottoman History and Turkish Historiography, The Historical Revue 6, 2009, 27–40. bes. 27–30. C. Valenti, L’École Française d’Athènes (Paris 2006); Ph. Foro – S. Rey, Archaeology Without Identity Antiquity and French Archaeological Research Around the Mediterranean (1850–1945), in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 95–107. H. Duchêne, Un Athénien. Salomon Reinach, BCH 120, 1996, 273–284. Reinach besorgte auch den ersten Katalog des Museums: S. Reinach, Catalogue du Musée impérial d’antiquités (Konstantinopel 1882). Dort befindet sich das monumentale Grabmal Antiochos I. Grabungspublikation: O. Hamdy Bey – Osgan Effendi, Le tumulus de Nemroud-Dagh. Voyage, description, inscriptions avec plans et photographies (Konstantinopel 1883). E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der HermannBröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 100–106; E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842–1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 130 f. O. Hamdy Bey – Th. Reinach, Une nécropole royale à Sidon. Fouilles de Hamdy Bey (Paris 1892); S. Reinach, Chronique d'Orient, RA 10, 3. Ser., 1887, 100–106. Die Grabungen in Sidon wurden nach der Jahrhundertwende von Theodor Macridy Bey (s. u.) außerhalb der Nekropole fortgesetzt: Th. Macridy, Le temple d’Echmoun à Sidon, Fouilles du Musée Impérial Ottoman (Paris 1904); E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842–1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 138 f.
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sarkophag‹372 – in den Jahren 1887 und 1888 thematisiert, wodurch leicht ein einseitiger Eindruck entstehen kann. Die Erregung, die dieser spektakuläre Fund in Sidon in der Fachwelt auslöste, läßt sich in einer Reihe von Eduard Schulte zusammengetragenen Primärquellen gut nachvollziehen373. Einer breiteren deutschen Öffentlichkeit führte Adolf Michaelis 1908 allerdings die Sarkophage und ihren Ausgräber auf eine recht eigentümliche Weise vor374, indem er schrieb, dass der Fund »durch Zufall erfolgte« und für den Ausgräber folgende Worte fand: Wenn heute der Tschinili-Kiosk (Porzellan-Pavillion) des Serai und das daneben eingerichtete Museum zu den vornehmsten Antikenmuseen gehören, so ist dies das ausschließliche Verdienst Hamdy-Beys, eines in Paris ausgebildeten Türken, der dem Kunststudium einen Platz im türkischen Unterricht erobert hat, nebst seinem Bruder Halil Edhem-Bey die Antiken im weiten türkischen Reich beaufsichtigt und sie, so weit sie nicht besser an ihren Fundplätzen belassen werden, aus ihren oft unsicheren Schlupfwinkeln nach Konstantinopel schafft. Das neue Museum ward 1881 gegründet; im Laufe weniger Jahre füllten sich seine Räume mit ansehnlichen Antiken, bis es im Jahre 1887 durch die Erwerbung jenes sidonischen Grabfundes, den Hamdy-Bey sogleich für Konstantinopel sicherte, sich auf eine Stufe emporschwang, von welcher aus sein Glanz weit über die ganze gebildete Welt erstrahlt.
Während in den von Schulte versammelten Quellen die Wissenschaftler ganz klar von den »Hamdischen« Sarkophagen schrieben375 und der Bearbeiter des ›Alexandersarkophages‹, Franz Winter376, Hamdi Bey als Entdecker pries, vermied es offensichtlich Michaelis in seinem populären Buch, einen Osmanen sprachlich auf eine Stufe mit seinen westeuropäischen Kollegen zu stellen377, da er Hamdi Bey in seiner Darstellung nicht als aktiven Ausgräber bezeichnete, sondern nur als Erwerber des »Grabfundes«. Tatsächlich stellte die sensationelle Entdeckung in Sidon für Hamdi Beys museologische und archäologische Anliegen einen ähnlich wichtigen Impuls dar, wie der Fund und die erfolgreiche Verbringung der Friesplatten des Pergamonaltars für die deutsche Feldarchäologie im Osmanischen Reich. In diesem Zusammenhang belegen gerade die vielen anderen von den Ottomanischen Museen ausgehenden Aktivitäten ein anhaltendes Engagement zur Etablierung einer eigenen wissenschaftlichen Feldarchäologie; da sie aber 372 373
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V. von Graeve, Der Alexandersarkophag und seine Werkstatt, IstForsch 28 (Berlin 1970). E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 121–124. 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 270–281. Schulte a. O. (Anm. 373) 124, 221 D. F. Winter, Der Alexandersarkophag aus Sidon (Strassburg 1912); vgl. auch W. Judeich, Der Grabherr des »Alexandersarkophags«, JdI 10, 1895, 165–182. Dieser merkwürdige Sprachgebrauch findet sich auch noch heute: T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 170 f.: »1887 wurde der Alexander-Sarkophag in Sidon gefunden. O. Hamdi war bei den Ausgrabungen anwesend und verfaßte darüber das Werk »La Nécropole royale de Sidon««; er habe von »1883 bis 1885« persönlich Grabungen geleitet.
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gemeinhin ausgespart werden und eigens für die folgende – sicher nicht vollständige – Darstellung zusammengesucht werden mussten, fehlt für die beiden ›wichtigen‹ Ausgrabungen der Ottomanischen Museen auch der unmittelbare Sachzusammenhang: Nach der Expedition zum Nemrud Dağ 1883 erhielten die Museen einen jährlichen Betrag in Höhe von 2.000 osmanischen Pfund, entsprechend 46.000 Francs, für weitere Ausgrabungen378. Es folgte im Winter 1885/1886 eine Ausgrabung in Smyrna379 und 1886 grub Hamdi Bey gemeinsam mit Demosthenes Baltazzi380 in Aigai381 (vgl. Kap. 2.3.2.). Im folgenden Jahr gelang der aufsehenerregende Fund in Sidon und 1891 entdeckte Hamdi Bey in Dara (heutige Provinz Mardin) einen Relieffries aus architektonischem Zusammenhang382. 1891/1892 arbeitete Hamdi Bey mit einem Angehörigen der französischen Schule383 im Heiligtum der Hekate in Lagina384. Ebenfalls auf das Jahr 1892 geht Hamdi Beys Plan einer größeren Ausgrabung in Aphrodisias385 zurück, die aber nicht verwirklicht werden konnte386. Erst an den Ausgrabungen der Ottomanischen Museen nach der Jahrhundertwende in Tralles387 und Alabanda388 war Hamdi Bey offenbar nicht mehr persönlich beteiligt; die Arbeiten an diesen Orten wurden von seinem Sohn Edhem Bey geleitet. Als weitere Grabungsplätze der Ottomanischen Museen sind Sardes389, Notion390 und Klaros391 fassbar; ferner Hüjük392 (Alaca Höyük, heutige Pro378
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S. Reinach, Chronique d'Orient, RA 3. Ser. 5, 85. 2.000 osmanische Pfund entsprachen rund 30.000 Reichsmark. Umrechnung nach einer Kontrollrechnung mit dem angegebenen FrancBetrag aufgrund einer Wechseltabelle der Währungen im Goldstandard in H. K. Brooks, Brooks' Foreign Exchange Text Book. An Elementary Treatise on Foreign Exchange and the Monetary Systems of the World (Chicago 1906) 72. A. L. Frothingham, Archaeological News, AJA 1, 1885, 226. H. Engelmann (Hrsg.), Die Inschriften von Kyme, Inschriften griechischer Städte in Kleinasien 5 (Bonn 1976) S. VII: Dieses Buch ist Demosthenes Baltazzi für seine vielfältigen Verdienste um die behandelten Inschriften gewidmet. A. L. Frothingham, Archaeological News, AJA 2, 1886, 214. A. L. Frothingham, Archaeological News, AJA 7, 1891, 511 f. Hamdi Bey hatte Théophile Homolle, den Leiter der französischen Schule, brieflich eingeladen, ein Mitglied zur Unterstützung zu senden: J. Havet, Bulletin mensuel de l’Académie des Inscriptions. Séance du 2 Septembre 1892, RA 3. Ser. 20, 1892, 371; J. Chamonard, Les sculptures de la frise du temple d’Hécate à Lagina, BCH 19, 1895, 235–262. A. L. Frothingham, Archaeological News, AJA 8, 1893, 151; RE XII 1 (1924) 456 s. v. Lagina (L. Bürchner); DNP VI (1999) 1063 s. v. Lagina (H. Kaletsch). RE I 2 (1894) 2726 s. v. Aphrodisias (G. Hirschfeld). G. Mendel, Seconde note sur les fouilles exécutées à Aphrodisias par M. Paul Gaudin. Campagne de 1905, CRAI 50, 1906, 158 Anm. 1; s. a. K. T. Erim, De Aphrodisiade, AJA 71, 1967, 233. Edhem Bey, Fouilles des Tralles (1902–1903), BCH 28, 1904, 54–92; Edhem Bey, Fouilles et Découvertes a Tralles RA 4. Ser. 4, 1904, 348–362; RE VI A 2 (1937) 2093–2128 s. v. Tralleis 2 (W. Ruge); DNP XII 1 (2002) 750 f. s. v. Tralleis 2 (H. Kaletsch). Edhem Bey, Fouilles d’Alabanda en Carie. Rapport sommaire sur la première campagne, CRAI 49, 1905, 443–459; Edhem Bey, Fouilles d’Alabanda. Rapport sommaire sur la seconde campagne (1905), CRAI 50, 1906, 407–422; RE I 1 (1893) 1270 s. v. Alabanda (G. Hirschfeld); DNP I (1996) 426 f. s. v. Alabanda (H. Kaletsch). G. Mendel, Sardes, La Revue de l'art ancien et moderne 18, 1905, 29–41; 127–135. Th. Macridy, Altertümer von Notion, ÖJh 8, 1905, 155–173; Th. Macridy, Antiquités de Notion II, ÖJh. 15, 1912, 36–67; RE XVII 1 (1936) 1075–1077 s. v. Notion 1 (J. Keil).
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vinz Çorum), Samsun am Schwarzen Meer (Kara-Samsun393, Ak-Alan394) und Boğazköy395. Theodor Macridy Bey396, seit 1892 »conservateur« der Ottomanischen Museen, führte diese letztgenannten Grabungen, teilweise in Kooperation mit ausländischen Kollegen, durch. 1909 untersuchte Macridy Bey ein Artemisheiligtum auf Thasos397 und 1910 einen Tumulus nördlich von Thessaloniki398. In Klaros setzte Macridy Bey die Arbeiten gemeinsam mit der École Française d'Athènes 1913 fort399 und war auch nach dem Ersten Weltkrieg weiterhin als Ausgräber und Archäologe aktiv. Es fehlte eigentlich nur noch ein eigenes Publikationsorgan, in dem die Ergebnisse der Feldforschungen bekannt gemacht werden konnten. Tatsächlich wollte Hamdi Bey nach dem Vorbild der griechischen Aρχαιολογική Έφημερίς eine eigene Zeitschrift gründen, aber der türkischgriechische Krieg um Kreta 1896/97400 vereitelte offenbar diesen Plan401. Mit dem eindrucksvollen Ensemble der sidonischen Sarkophage konnte die Direktion des Imperialen Museums erfolgreich um Mittel für eine substantielle Erweiterung der Museumsgebäude werben, so dass 1891 ein Neubau gegenüber dem alten Museum fertiggestellt werden konnte402. Die Außenhaut dieses neuen 391
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Archäologische Funde im Jahre 1904, AA 1905, 55; RE XI 1 (1921) 552 f. s. v. Klaros (L. Bürchner); J. de la Genière, Sanctuaire d'Apollon à Claros. Etat de la question, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 179–188. Th. Macridy Bey, La porte des sphinx à Euyuk. Fouilles du Musée Impérial Ottoman, Mitteilungen der Vorderasiatisch-Ägyptischen Gesellschaft 13, 1908, 177–205. L. Summerer, Hellenistische Terrakotten aus Amisos. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des Pontosgebietes, Geographica historica 13 (Stuttgart 1999) 139. Th. Marcridy, Une citadelle archaïque du Pont, Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 12, 1907, 167–175. Archäologische Funde im Jahre 1907, AA 1908, Sp. 113 f. Zu Boğazköy und der Zusammenarbeit Macridys mit Hugo Winckler vgl. S. Alaura, »Nach Boghasköi!«. Zur Vorgeschichte der Ausgrabungen in Boğazköy-Hattuša und zu den archäologischen Forschungen bis zum Ersten Weltkrieg. Darstellungen und Dokumente, Sendschrift der Deutschen Orient-Gesellschaft 13 (Berlin 2006). Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie 7 (1990) 192–193 s. v. Macridy, Theodor (K. Bittel). Nach dem Weggang aus der Türkei wurde Macridy 1930 der erste Direktor des Athener Benaki Museums: A. Delivorrias, Das Benaki Museum. Seine Vergangenheit, seine Gegenwart und seine Zukunft, in: E. Paul – R. Vollkommer (Hrsg.), Antikenpräsentation in der heutigen Zeit – zwischen Tradition und Moderne. Internationales Kolloquium 22. Oktober 1994 in Leipzig (Leipzig 1995) 21–25 m. weiterführender Literatur. Th. Macridy, Un hieron d’Artemis ΠΩΛΩ a Thasos. Fouilles du Musée Impérial Ottoman, JdI 27, 1912, 1–19; RE V A 2 (1934) 1310–1327 s. v. Thasos 1 (F. Hiller von Gaertringen).] Th. Macridy, Un tumulus Macédonien à Langaza, JdI 26, 1911, 193–215. Th. Macridy-Bey – Ch. Picard, Fouilles du hiéron d’Apollon Clarios, à Colophon. Première campagne, BCH 39, 1915, 33–52. EOE 158 s. v. Crete (M. Greene). Vgl. dort auch die »Chronology« S. 615. S. Reinach, Hamdi Bey, RA 4. Ser. 15, 1910, 411. H. Edhem, Das Osmanische Antikenmuseum in Konstantinopel, in: Hilprecht Anniversary Volume. Studies in Assyriology and Archaeology. Festschrift Hermann V. Hilprecht (Leipzig 1909) 370–373. Vgl a. G. Mendel, Les nouvelles salles du Musée de Constantinople, La Revue de l'art ancien et moderne 26, 1909, 251–266; 337–352.
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Antikenmuseums zitiert in ihrer Gestaltung und Form den ›Klagefrauensarkophag‹ aus der sidonischen Nekropole403 und die Ausstellung im Inneren zielte auf die bestmögliche Präsentation des Sarkophag-Ensembles. Dass es mit diesem Erweiterungsbau auch darum ging, das Museum zu einer wissenschaftlichen Arbeitsstätte auszubauen, zeigt sich daran, dass ebenfalls Raum und Mittel für eine archäologisch-historische Handbibliothek geschaffen wurden404. Aber die Pläne zu einem umfassenden und modernen osmanischen Antikendienst gingen noch weiter: Offenbar beabsichtigte Hamdi Bey ein mit der Situation in Griechenland405 vergleichbares Netz von Lokalmuseen im Osmanischen Reich einzurichten406 – ein Gedanke, der auch in die Novellierung des Antikengesetzes von 1906 Eingang fand407. Allerdings scheint die Realisierung dieses ausgreifenden Planes mit Schwierigkeiten verbunden gewesen zu sein: Lediglich zwei Lokalmuseen in Konya408 und Bursa409 konnten vor dem Ersten Weltkrieg tatsächlich eröffnet werden, obwohl die Pläne größere Museen in Thessaloniki, Sivas, Izmir und Jerusalem vorsahen410. Es scheint, als ob hauptsächlich fehlende finanzielle Mittel für diese Situation verantwortlich waren. Mindestens Rudolf Herzog411, und Alexan-
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W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of Histroy in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 156–161. bes. 157 m. Anm. 16. Shaw, deren Arbeit eine andere Zielrichtung als die vorliegende verfolgt, sieht die Tatsache, dass das Museum auf ein Objekt griechisch-römischer Kunst Bezug nimmt, in einem ganz anderen Kontext: Sie betont, dass der Sarkophag im Osmanischen Reich gefunden worden ist, so dass das Modell des Museums die gemeinsamen Wurzeln der Ottomanen und Europäer visualisiere; durch die Aneignung einer westlichen Formensprache würden die osmanischen Völkerschaften als die rechtmäßigen Erben der griechisch-römischen Hinterlassenschaften repositioniert. Edhem a. O. (Anm. 402) 372: Bis 1909 war diese Bibliothek auf über 15.000 Bände angewachsen. Vgl. zum Bibliothekswesen im Osmanischen Reich auch EOE 333–336 s. v. libraries (C. Çavdar). Anschaulich geschildert bei: W. von Mengden, Bericht über den ersten Internationalen Archäologischen Kongreß in Athen im April 1905 und die sich daran schließenden Exkursionsreisen. Erstattet am 12./25. November 1905 dem Rigaschen Kunstverein, Baltische Monatsschrift 62, 1906, 177 f.: »Die griechische Regierung hat nicht nur eine finanziell kluge, sondern auch in vielen sonstigen Beziehungen glückliche Maßregel damit getroffen, daß sie für die Aufbewahrung von archäologisch oder künstlerisch wertvollen Fundstücken aufs strengste das Lokalprinzip durchführt. An allen Ausgrabungsstätten gibt es Lokalmuseen, und der Reisende ist gezwungen, will er seine Neugier oder Wißbegierde befriedigen, alle Fundorte, auch die schwer erreichbaren, persönlich aufzusuchen. Dadurch hat das Land den Gewinn größeren Fremdenverkehrs, aber auch die Museumsgegenstände kommen in unmittelbarer Nähe ihrer Fundorte bedeutend besser zur Geltung – und es vorteilen alle.« Shaw a. O. (Anm. 403) 169–171 sieht die Bemühungen um die Etablierung einer modernen Museumslandschaft als einen nationalistisch motivierten Akt seitens des Osmanischen Staates, der u. a. darauf abzielte, den Begehrlichkeiten ausländischer Forscher nach dem Besitz von Antiken entgegenzuwirken. Empire Ottoman, Règlement sur les Antiquitès (Konstantinopel 1907) 1, Kapitel 1, Artikel 2. G. Mendel, Le Musée de Konia, BCH 26, 1902, 209–246. G. Mendel, Catalogue des monuments grecs, romains et byzantins du Musée Impérial Ottoman de Brousse, BCH 33, 1909, 245–435. Mendel a. O. (Anm. 409) 245; Shaw a. O. (Anm. 403) 169–171. R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die koische Expedition im Jahre 1904, AA 1905, 11 f.
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der Conze412 unterstützten ihrerseits dieses Konzept, indem sie – wie Friedrich Hiller von Gaertringen auf Thera (Griechenland)413 – an den jeweiligen Ausgrabungsorten entsprechend ihrer Möglichkeiten kleine Lokalmuseen einrichteten414. Diese enge Kooperation mit dem Ottomanischen Museum hatte zumindest für Herzog, dessen Unternehmung keine gesicherte finanzielle Grundlage hatte, auch einen materiellen Vorteil, denn Hamdi Bey unterstützte seinerseits Herzog mit einer Anweisung von 1.000 Francs415. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sich zeigen, dass auch in Milet mehrere »Museen« entstanden, die in diesem Sinne interpretiert werden können (vgl. Kap. 3.2.1.2.)416. Osman Hamdi Bey verfuhr also als Direktor der Imperialen Museen mehrgleisig beim Aufbau eines sachgerecht organisierten staatlichen Antikendienstes. Neben der Reform der Gesetzeslage versuchte er das Museum in den Stand zu setzen, eigene Feldforschung betreiben zu können, und durch eine erfolgreiche Feldforschung konnte er wiederum das Profil des Museums als wissenschaftliche Anstalt wesentlich stärken. Dass diese Konzeption in manchen Teilen, etwa in der Frage der Lokalmuseen, nur in geringem Umfang von Erfolg 412
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A. Conze, Kaiserlich Ottomanisches Museum in Pergamon, AA 1898, 221–223; A. Conze, Vorbericht über die Arbeiten zu Pergamon 1900–1901, AM 27, 1902, 2., A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 27 f.; W. Radt, The Museum in Bergama as an Example of Turkish Politics of Culture and GermanTurkish Collaboration, in: S. Redford – N. Ergin (Hrsg.), Perceptions of the past in the Turkish Republic. Classical and Byzantine Periods, AncNearEastSt. Supplement 31 (Leuven 2010) 161– 185. Thera 3, 1–34. In Griechenland unterstützte noch in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts der englische Archäologe Humfry Payne die Einrichtung eines Lokalmuseums in Perachora, in dem die Funde aus seiner Ausgrabung im Heraheiligtum von Perachora ausgestellt werden sollten: D. Powell, An Affair of the heart (London 1957) 23 f.; Α. Μαντής, Humfry Payne. Ελλάδος Περιηγήσις. Αρχαιολογία και νεοελληνική πραγματικότητα στα χρόνια του μεσοπολέμο (Athen 2008) 58 f. Ende November 1909 berechnete der Architekt Hubert Knackfuß in Milet die »Träger« für das »Samosmuseum« (H. Knackfuß, 28/29.11.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16.). Den »Museumsneubau« in Vathy bekam er erstmals am 5. Dezember 1911 zu Gesicht: H. Knackfuß, 5.12.1911, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, SMK/A 03/127.18. R. Herzog, Bericht über eine epigraphisch-archäologische Expedition auf der Insel Kos im Sommer 1900, AA 1901, 137: »Die ersten Funde hatten bei der ottomanischen Museumsdirektion ein so wohlwollendes Interesse geweckt, daß Se. Excellenz Hamdy Bey mich durch die gütige Anweisung von 1000 frcs überraschte, um die Grabungen zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen und die Bergung und den Transport der Funde namentlich der Mosaike, nach Konstantinopel in die Wege zu leiten.« Archäologische Funde im Jahre 1904, AA 1905, 55 f.: »Besonders erfreulich ist es ferner, daß auch die Bildung von Lokalmuseen unter dem Patronate des Ottomanischen Museums begünstigt wurde, wie in Brussa gleich eine solche Sammlung mit einem reichen Bestande eröffnet worden ist … Auch die als Ottomanisches Museum in Pergamon verbleibende Sammlung dortiger Fundstücke aus den deutschen Ausgrabungen hat im vorigen Jahre einigen Zuwachs gewonnen, und auf Kos und in Milet ist mit der Gründung solcher Lokalsammlungen fortgefahren, wie auch in Priene die am Platze verbleibenden Fundstücke in einem besonderen Raume gesichert worden sind. … Nur mit solcher Dezentralisation kann man ja der Erhaltung auch der weniger hervorragenden und doch wissenschaftlich unentbehrlichen Altertümer Herr werden.«
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gekrönt war, könnte vielleicht an einem Desinteresse übergeordneter staatlicher Institutionen liegen417, aber die Kontinuität und Konsequenz dieser Bemühungen seitens des Ottomanischen Museums sind deutlich erkennbar. Sie waren auch keine besondere nationale Eigenheit des Osmanischen Reiches; vielmehr sind diese Anstrengungen zur Etablierung eines institutionalisierten Antikendienstes bzw. Denkmalschutzes und die dabei auftretenden Probleme in ihrem zeitlichen Ablauf gut vergleichbar mit den Entwicklungen418 in anderen europäischen Ländern419 und entsprechen exakt den denkmalpflegerischen Gedanken und Konzepten, die im Netzwerk der Feldarchäologie zur selben Zeit entwickelt wurden420. Abschließend sei noch die Gründung einer Akademie der Schönen Künste (Sanayi-i Nefise Mekteb-i) durch Hamdi Bey im Jahre 1883421 angeführt, die in denselben Kontext der Reform des Antikenwesens gehörte. Im allgemeineren Zusammenhang der osmanischen Bildungspolitik trug Hamdi Bey mit dieser Akademiegründung auch zur Etablierung moderner Bildungsinstitutionen im
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In diesem Zusammenhang wird gern eine drastische Anekdote referenziert, nach der Hamdi Bey gedroht haben soll, sich auf den sidonischen Sarkophagen zu erschiessen, falls der Sultan sie den Deutschen verkaufen sollte: Vgl. E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842–1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 122 m. Anm. 1. Auch der bei Watzinger 1944, 170, überlieferte Spruch des Sultans, nachdem er dem deutschen Kaiser eine reichverzierte islamische Prachfassade geschenkt hatte: »Voilà ces imbéciles étrangers, je les console de pierres cassées.« erweckt ein ähnliches Bild. Ob das ›Desinteresse‹ des Sultans vielleicht einem ökonomischen Sachzwang geschuldet war – das Osmanische Reich hatte 1875 einen Staatsbankrott erlitten und stand unter strengen Auflagen der Gläubigerländer, kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden; zu dieser Problematik allgemein vgl. EOE 180–183 s. v. debt and the Public Debt Administration (H. Al); M. Birdal, The Political Economy of Ottoman Public Debt. Insolvency and European Financial Control in the late Nineteenth Century (London 2010). Vgl. allgemein J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (München 2009) 37–41. Vgl. einen nach Ländern geordneten Überblick aus dem Jahr 1905: G. B. Brown, The Care of Ancient Monuments. An Account of the Legislative and other Measures Adopted in European Countries for Protecting Ancient Monuments and Objects and Scenes of Natural Beauty, and for Preserving the Aspect of Historical Cities (Cambridge 1905) 73–248; für die deutschen Staaten: F. Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht 51 (Tübingen 1995) bes. 81–187; allgemeine Einführungen in die Denkmalpflege mit Darstellungen ihrer Geschichte: A. Hubel, Denkmalpflege. Geschichte, Themen, Aufgaben. Eine Einführung (Stuttgart 2006); L. Schmidt, Einführung in die Denkmalpflege (Stuttgart 2008). Vgl. etwa die von Theodor Wiegand auf dem 1. Internationalen Archäologenkongress 1905 in Athen geäußerten Gedanken, die schon die Grundzüge seiner späteren theoretischen Schrift zum re Denkmalschutz enthalten: Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905) 244 f. W. Radt, Carl Humann und Osman Hamdi Bey – zwei Gründerväter der Archäologie in der Türkei, IstMitt 53, 2003, 498: »1883 … eröffnete Osman Hamdi Bey … eine Kunstakademie zur Ausbildung von geeignetem Personal für eine kulturell hochstehende Denkmälerverwaltung …«
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Osmanischen Reich bei422. An dieser Akademie wurden die Studenten ähnlich wie in Frankreich an antiken Objekten bzw. Kopien derselben ausgebildet423. Im Jahr der Gründung wurde diese Akademie auf Kosten des Berliner Museums und des Preussischen Kultusministeriums mit Gipsabgüssen der pergamenischen Funde und »der wichtigsten von den in Olympia zu Tage gekommenen Skulpturen«424 ausgestattet425. Diese Schenkung ist auf der deutschen Seite sicherlich als ein Bemühen zu sehen, die eigenen Erwerbungsinteressen zu unterstützen, aber für Hamdi Bey ergab sich damit aus den diplomatischen Ereignissen um die erste deutsche Pergamongrabung ein handfester Vorteil für seine Bemühungen um die Etablierung moderner bildungspolitischer Verhältnisse in seinem Heimatland.
2.3.2. Die ›Friesische‹ Phase Die ersten Kampagnen in Pergamon426 in den Jahren 1878 bis 1886 galten der Bergung der Reliefplatten des großen Altares427, seinem Fundament und im Wesentlichen den unmittelbar benachbarten Bauten auf der Akropolis, griffen also von der Ausgrabung eines bedeutenden Einzelmonumentes auf dessen nächstgrößeren Siedlungskontext über428. Damit begegnet direkt am Anfang des Engagements der Berliner Museen in Kleinasien das zweite für die spätere Miletgrabung relevante Grabungskonzept, das einer ›Stadtgrabung‹.
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Auch diese Akademiegründung stellt Hamdi Bey in eine Reihe mit den Reformern der TanzimatZeit, da 1869 mit einer Verordnung über die allgemeine Bildung die Grundlage für ein modernes türkisches Bildungswesen geschaffen wurde, in deren Folge z. B. 1870 die Hochschule Darülfünun-u osmani gegründet wurde: M. Kreutz, Modernismus und Europaidee in der Östlichen Mittelmeerwelt, 1821–1939 (Diss. Ruhr-Universität Bochum 2005) 125. (6.4.2014). Vgl. auch EOE 175–177 s. v. darülfünun (S. Kadıoğlu). Allgemein zur Modernisierung des Bildungswesens: S. A. Somel, The Modernization of Public Education in the Ottoman Empire 1839–1908. Islamization, Autocracy, and Discipline, The Ottoman Empire and its Heritage. Politics, Society and Economy 22 (Leiden 2001). W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 99. E. Schulte, Chronik der Ausgrabung von Pergamon 1871–1886, Schriften der HermannBröckelschen Stiftung 2 (Dortmund o. J. [1963]) 103, 226 M. Schulte a. O. (Anm. 424) 103–105, 226 M, 228 M, 231 M. RE XIX 1 (1937) 691, 1235–1263 s. v. Pergamon 3 (W. Zietschmann); DNP IX (2000) 543– 561 s. v. Pergamon (W. Radt – W. Eder – A. Berger); Forschungsgeschichte: DNP XV 2 (2002) 203–211 s. v. Pergamon (W. Radt), A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 1–34. bes. 15–34; allgemein: W. Radt, Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole (Darmstadt 1999); G. Gruben, Die 4 Tempel der Griechen (München 1986) 421–445. DNP XV 2 (2002) 211–215 s. v. Pergamonaltar (H.-J. Schalles). Bibliographie zum Pergamonaltar: G. de Luca – W. Radt, Sondagen im Fundament des großen Altars (Berlin 1999) S. XV-XIX. RE XXXVII (1937) 1235–1236 s. v. Pergamon (W. Zietschmann); A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1.1 (Berlin 1912) 17, 19; 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 164 f.
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Diese programmatische Ausrichtung ist aus den Erfahrungen und dem methodischen Verständnis der ersten Organisatoren der Ausgrabung erklärbar: Richard Schöne, der Generaldirektor der Berliner Museen, war 1864 an der Ausgrabung Pompeiis429 beteiligt gewesen430, hatte also an der ersten systematischen Stadtgrabung selbst mitgewirkt431. Alexander Conze, der seit 1877 Direktor der Berliner Antikensammlungen432 und ein Schüler Eduard Gerhards war, hatte in den Jahren 1873 und 1875 noch als Professor in Wien für den deutschsprachigen Raum die erste rein wissenschaftlich begründete und modern dokumentierte Ausgrabung auf Samothrake durchgeführt433. Carl Humann, der Initiator, verfügte über die notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen, um ein so komplexes Unternehmen überhaupt realisieren zu können. Wie die Nekropolengrabung, stammte die Idee der Ausgrabung ganzer Siedlungen ursprünglich aus Italien, wo die bei einem Vulkanausbruch am 24. August 79 n. Chr. verschüttete Stadt Pompeii ideale Voraussetzungen für eine systematisierte Ausgrabung einer Stadtanlage bot434. Ein methodischer Vorläufer im griechischen Osten waren dabei die Untersuchungen Charles T. Newtons in Knidos im Jahre 1859, der dort einen Stadtplan rekonstruierte435. Eine ›Stadtgrabung‹ als Methode des Erkenntnisgewinns konnte auch innerhalb der Klassischen Archäologie durch den Gedanken eines schon lange erkannten systemischen Zusammenhangs436 zwischen Architektur und Skulptur Akzeptanz erlangen, so dass der antike urbane Raum als ein unmittelbares Umfeld für Skulpturen und ähnliche Objekte angesehen werden konnte; die Ausgrabung der repräsentatvien Bauten in den Zentren antiker Städte – im griechischen Osten der ›Agorai‹437 – al429
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RE XXI 2 (1952) 1999–2038 s. v. Pompeii (A. W. Van Buren); DNP X (2001) 89–98 s. v. Pompeji (V. Kockel – M. I. Gulletta). L. Pallat, Richard Schöne. Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Kunstverwaltung 1872 – 1905 (Berlin 1959) 29 f. Vgl. auch 184– 186 für die Rolle Schönes bei dieser Unternehmung. Die systematische Erforschung des Stadtgebietes von Pompeii setzte mit Guiseppe Fiorelli 1860 ein. DNP XV 2 (2002) 472–490 s. v. Pompeji (V. Kockel). Vgl. auch M. Schwegman, Pompeii and the Last Days of the Italian Risorgimento, Giuseppe Garibaldi, Alexandre Dumas and Giuseppe Fiorelli in Naples, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 7–18. Der Schöne-Biograph Ludwig Pallat vermutet, dass Schöne schon vor der Berufung Alexander Conzes an eine Ausgrabung Pergamons gedacht hatte und sich deshalb vielleicht für den erfahrenen Ausgräber entschied: Pallat a. O. (Anm. 430) 137. A. Conze – A. Hauser – G. Niemann, Archaeologische Untersuchungen auf Samothrake 1, 2. (Wien 1875/ 1880). 2 A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 153–160; F. G. Maier, Von Winckelmann zu Schliemann – Archäologie als Eroberungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (Opladen 1992) 20. Michaelis a. O. (Anm. 434) 96 f. Näher erläutert bei A. Borbein, Klassische Archäologie in Berlin vom 18. zum 20. Jahrhundert, in: W. Arenhövel – Chr. Schreiber (Hrsg.), Berlin und die Antike (Berlin 1979) 108. Zur baulichen Gestalt von Agorai: W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen in der Antike (München 1988) 162–166.
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so einen Kontext für Museumsstücke lieferte438. Die anlässlich der Grabung in Pergamon erfolgte Erweiterung dieses Konzeptes bestand darin, dass die programmatische Ausrichtung nunmehr grundsätzlich offener gefasst wurde, so dass alle bei einer Ausgrabung auftretenden Phänomene und Sachverhalte als wissenschaftlich relevant deklariert werden konnten. Dies geschah auch in zunehmendem Maße439, indem etwa die Wasserversorgung Pergamons auf Anregung Schönes im Sommer 1886 untersucht440 und in den darauf folgenden Jahren als eigenständige Fragestellung sowohl in Pergamon selbst weitergeführt als auch kontinuierlich durch den Elsässer Georg Weber, einem Lehrer der französischen evangelischen Schule441 in Smyrna, auf weitere kleinasiatische Städte ausgedehnt wurde442. Zugleich griff die Grabung in das nähere Umland aus443. Dabei beteiligten sich die deutschen Feldforscher unter anderem 1885/86 an der Erforschung von Ai-
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In der deutschen Denkmalpflege wird der Wert von »Ensembles« erst nach der Jahrhunderwende »entdeckt«: Vgl. A. Hubel, Denkmalpflege. Geschichte, Themen, Aufgaben. Eine Einführung (Stuttgart 2006) 89–93. Interessanterweise spielte dabei eine Auseinandersetzung zwischen Feldarchäologen und Alois Riegl, einem österreichischen Kunsthistoriker, dessen Wirken einen großen Einfluss auf die kunstgeschichtlich orientierte Klassische Archäologie hatte, eine modellhafte Rolle: Erstere wollten die mittelalterlichen Bauten über dem diokletianischen Kaiserpalast in Split abreissen lassen, aber die Denkmalschutzkommission des österreichischen Kaiserreiches sorgte ab 1903 dafür, dass dieses mittelalterliche Ensemble erhalten blieb. Vgl. dazu A. Riegl, Bericht über eine im Auftrag des Präsidiums der K. K. Zentral-Kommission zur Wahrung der Interessen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Denkmale innerhalb des ehemaligen diokletianischen Palastes zu Spalato durchgeführte Untersuchung, Mitteilungen der k.k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 2, 3. Folge, 1903, Sp. 333–341 = E. Bacher (Hrsg.), Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls Schriften zur Denkmalpflege, Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 15 (Wien 1995) 173–181. Vgl. dazu A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 26 f. In der aktuellen wissenschaftlichen Terminologie würde diese konzeptionelle Erweiterung eher als ›Siedlungsarchäologie‹ bezeichnet werden. Zur modernen Verständnis der Siedlungsarchäologie vgl. H. Lohmann, Quellen, Methoden und Ziele der Siedlungsarchäologie, in: T. Mattern – A. Vött (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Spiegel der Zeit. Aspekte geoarchäologischer Forschung im östlichen Mittelmeergebiet (Wiesbaden 2009) 28–74. In Pergamon wurde in der zweiten Phase der Grabungaktivität ab 1900 dieser ausgreifende Ansatz unter der Ägide des DAI dann konsequent weiter verfolgt: Vgl. etwa Theodor Wiegands Forschungsreise in Mysien 1902: Th. Wiegand, Reisen in Mysien, AM 24, 1904, 254: »Die mysische Landschaft war gewählt worden, weil es wünschenswert erschien, das Hinterland der Troas einerseits, der Pergamene andererseits früheren Forschungen anzugliedern, denn mit seinen ungewöhnlich stark durchschnittenen und deshalb sehr unübersichtlichen Formationen schiebt sich dieses Bergland wie ein trennender Keil gerade zwischen jene beiden Landschaften, die bisher am meisten von deutschen Gelehrten durchforscht worden sind.« Diese Forschungsreise hatte zudem einen interdisziplinären Charakter, da Wiegand gemeinsam mit dem Geographen Alfred Philippson reiste, der das Gebiet kartographisch aufnahm. F. Gräber, Die Wasserleitungen von Pergamon, AbhBerlin 1887, 1–31. TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22. G. Weber, Die Hochdruck-Wasserleitung von Laodicea ad Lycum, JdI 13, 1898, 1–12; G. Weber, Die Wasserleitungen von Smyrna, JdI 13, 1899, 167–187; G. Weber, Wasserleitungen in kleinasiatischen Städten, JdI 1904, 86–101. A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1.1 (Berlin 1912) 27.
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gai444, die 1881 von Salomon Reinach, William M. Ramsay und Demosthenes Baltazzi begonnen worden war445. Michel A. Clerc hatte dann 1882 dort Ausgrabungen im Stadtgebiet und der Nekropole veranstaltet446, aber die architektonischen Reste nicht umfassend aufgenommen. Diese Aufgabe holte nun die deutsche Abordnung 1886 nach447, denn »eine genauere Durchforschung und Aufnahme der teilweise ungleich besser erhaltenen Denkmäler von Nemrud-Kalessi [Aigai] für die vergleichende Beurteilung mancher in Pergamon zweifelhafter Punkte« erschien ihnen »gewinnbringend«448. Mit der Erforschung von Aigai begegnen zwei weitere Charakteristika der archäologischen Feldarbeit: zum einen zeigt sie, dass die Feldforscher nicht erst auf den Inseln auf die Idee kamen, das Umland miteinzubeziehen, und zum anderen zeigt gerade Aigai, dass Forscher unterschiedlicher Nationalitäten durchaus zusammen an der Erforschung eines Ortes arbeiten konnten, wenn ihre Interessen zusammenfielen449. Im Falle von Aigai galt das Hauptinteresse der Deutschen den architektonischen Resten als Vergleiche für ihre Ergebnisse aus Pergamon, die Franzosen suchten wohl hauptsächlich Vergleiche für ihre Ergebnisse in der nahegelegenen Nekropole von Myrina450, und Baltazzi – zu dieser Zeit Aufseher über die Antiken der Provinz Smyrna – setzte sogar gemeinsam mit Osman Hamdi Bey die Grabungen in der Nekropole fort451, um ebenfalls noch weitere Grabfunde für das Ottomanische Museum zu erlangen452. In Pergamon selbst konnten die Deutschen aber über 1886 hinaus zunächst keine Verstetigung der Grabung erreichen453, obwohl aus ihrer Sicht sicher noch 444
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R. Bohn (Hrsg.), Altertümer von Aegae, JdI Ergh. 2 (Berlin 1889); RE I 1 (1893) 944 f. s. v. Aigai 5 (G. Hirschfeld); DNP I (1996) 313 f. s. v. Aigai 3 (E. Schwertheim). W. M. Ramsay, Contributions to the History of Southern Aeolis, JHS 2, 1881, 292–308; S. Reinach, Une forteresse greque à Nimroud-Kalessi, BCH 5, 1881, 131–136. M. A. Clerc, Les ruines d’Aegae en Éolie, BCH 10, 1886, 275–296; M. A. Clerc, Fouilles d’Aegae en Éolide, BCH 15, 1891, 213–237. Richard Bohn und Demosthenes Baltazzi hatten schon 1885 eine Exkursion nach Aigai unternommen: Vgl. E. Fabricius, Der Tempel des Apollon Chresterios bei Aigai, AM 10, 1885, 272– 274. Bohn a. O. (Anm. 444) 3. Sitzungsberichte, AM 25, 1900, 135: »Getrennt marschiren und vereint schlagen! Das gilt auch für unsere Arbeit. Jedes Institut dringt auf seinem eigenen Wege vor, alle aber haben wir ein und dasselbe Ziel, die Auffindung der Wahrheit zur Förderung unserer gemeinsamen Wissenschaft.« (Aus der Rede Wilhelm Dörpfelds am Winckelmannstag anlässlich des 25. Jubiläums der Athener Abteilung.). Zu Myrina vgl. auch Anm. 585. RE S VI (1935) 615–621 s. v. Myrina 1 (W. Ruge); DNP VIII (2000) 596 f. s. v. Myrina (E. Schwertheim). A. L. Frothingham, Archaeological News, AJA 2/2, 1886, 214. Die Ausgrabungen in Myrina hatten zahlreiche, zu dieser Zeit auch wirtschaftlich relevante Terrakotten ergeben, was dazu führte, dass sich in der Provinz Smyrna ein umfangreiches Raubgrabungs- und Fälscherwesen etablierte: Vgl. S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 199 m. Anm. 116. Vor diesem Hintergrund könnte es sich bei der Ausgrabung Baltazzis und Hamdi Beys in Aigai auch um eine ›echte‹ Notgrabung im Sinne des Denkmalschutzes gehandelt haben. Vgl. die bei E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund
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ein weites und lohnendes Betätigungsfeld vorhanden war. Das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse musste sich im Wesentlichen auf die Aufklärung des unmittelbaren, repräsentativen Umfeldes des Altars beschränken454. Es gelang allerdings, für Humann 1884 eine feste Stelle bei den Berliner Museen als auswärtiger Direktor zu schaffen455, so dass wenigstens die Forschung an sich durch dauerhaft vor Ort anwesendes Personal verstetigt werden konnte. Mit dem Ausscheiden Conzes aus dem Dienst bei den Berliner Museen 1887 ist zu beobachten, dass Humann in der Folge vor Ort versuchte, seinen neuen Vorgesetzten auch gegen große Vorbehalte dazu zu bringen, die Umsetzung des Konzeptes einer umfassender verstandenen kontinuierlichen Stadtgrabung zu finanzieren. Die anschließende Zeit brachte innerhalb der deutschen Feldforschung eine erhöhte Akzeptanz für derartige Vorhaben mit sich, die ab 1898 schließlich auch dem DAI und Conze als seinem Leiter zu Gute kam, da ab diesem Zeitpunkt die Reichsregierung jährliche Mittel für eine erweiterte Untersuchung des Stadtgebietes von Pergamon zur Verfügung stellte456. Der Weg dahin erwies sich allerdings als schwierig und zeitraubend. In seiner Position als auswärtiger Direktor übernahm Humann nach 1884 verschiedenste kleinere und größere Forschungssaufgaben457, etwa eine Ausgrabung in Zincirli in der heutigen türkischen Provinz Gaziantep im Jahre 1888. Aber eine größere Ausgrabung eines im Sinne der klassischen Altertumswissenschaften relevanten Objektes sollte bis 1890 auf sich warten lassen. 1887, dem Jahr des Ausscheidens Conzes aus dem Dienst der Berliner Museen, unternahm Humann mit Conrad Cichorius und zwei Stipendiaten des DAI, Franz Winter und
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Walther Judeich458, eine Expedition durch das Mäandertal nach Hierapolis459, aus der zwei auf unterschiedliche Art und Weise folgenreiche Grabungsunternehmen erwuchsen: Tralles (Aydın) und Magnesia am Mäander460. Erstere erweist sich als ein Beispiel für die enge Kooperation, die Humann mit den Ottomanischen Museen einging, und Magnesia wird die nächste größere Unternehmung der Berliner Museen. Zudem sind beide Unternehmungen weitere Beispiele dafür, wie die Akteure der feldarchäologischen Community innerhalb der ihnen gesetzten Grenzen Grabungsunternehmungen realisierten und das Jahr 1887 kann als Beginn einer Konzentrierung der Aktivitäten auf das Mäandertal angesehen werden. In Hierapolis nahmen die vier Genannten vom 24. Juni bis 7. Juli 1887 die obertägig sichtbaren antiken Sachüberreste auf461. Auf dem Weg dorthin musste die Reisegesellschaft zwangsläufig auch das antike Tralles passieren462. Im folgenden Jahr trafen in Konstantinopel Humann und Osman Hamdi Bey den Präsidenten des Berliner Orient-Comités463, den sie für die Finanzierung einer Ausgrabung in Tralles gewinnen konnten464. Die Ottomanischen Museen hatten kurz vorher einen überlebensgroßen Dionysoskopf von dort erhalten und man erhoffte sich, vielleicht weitere Fragmente der Statue aufzufinden. Diese Unternehmung wurde nicht im Auftrag der Berliner Museen oder des DAI umgesetzt, sondern auf Humanns Initiative und um »zeitraubende Formalitäten zu vermeiden«465 im Auftrag der Ottomanischen Museen ausgeführt – eine Konstruktion, über die sich Conze, mit dem Humann weiterhin in regem Austausch stand, sehr amüsierte466. An der Unternehmung ist mit Wilhelm Dörpfeld467 auch ein Beschäftigter des DAI beteiligt, der das dortige Theater aufnahm, nachdem er »die Ausgrabungen daselbst noch etwas weiter« geführt hatte468. In dem abschließenden Bericht über die Sondierungskampagne fällt ein die Qualität des Grabungsplatzes abwertender Ton auf und Humann 458
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Die beiden Stipendiaten besuchen auf ihrer Kleinasienexkursion auch die Bodrumhalbinsel: W. Judeich, Pedasa, AM 12, 1887, 331–346. RE VIII 2 (1913) 1404 s. v. Hierapolis 2 (L. Bürchner); DNP V (1998) 533 s. v. Hierapolis 1 (T. Drew-Bear). RE XIV 1 (1928) 471 f. s. v. Magnesia 2 (L. Bürchner); DNP VII (1999) 695 s. v. Magnesia 2 (W. Blümel); O. Bingöl, Magnesia am Mäander. Magnesia ad Maeandrum (Istanbul) 2007. C. Humann – C. Cichorius – W. Judeich – F. Winter (Hrsg.), Altertümer von Hierapolis (Berlin 1898) S. VII. C. Humann – W. Dörpfeld, Ausgrabungen in Tralles, AM 18, 1893, 395–413. J. Renger, Die Geschichte der Altorientalistik und der vorderasiatischen Archäologie in Berlin von 1875–1945, in: W. Arenhövel – Chr. Schreiber (Hrsg.), Berlin und die Antike (Berlin 1979), 158 f. Humann – Dörpfeld a. O. (Anm. 462) 395. Humann – Dörpfeld a. O. (Anm. 462) 395. Schulte a. O. (Anm. 457) 129 241D: »Ihr Arrangement für Tralles ist genial; ich habe mich sehr darüber amüsirt.« P. Goessler, Wilhelm Dörpfeld. Ein Leben im Dienst der Antike (Stuttgart1951); K. Herrmann, Wilhelm Dörpfeld. 1853–1940, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 112 f. Schulte a. O. (Anm. 457) 129 242D.
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schloß mit den Worten, dass die Funde dort »rein dem Zufalle« zu verdanken waren, so dass sie »keine Aufmunterung« boten, »in dieser Weise fortzufahren«469. Zur Vermeidung »zeitraubender Formalitäten« war also der Grabungsplatz den Ottomanischen Museen gesichert worden und Humann hatte dort mit Mitteln des Orient-Comités, das eigentlich zur Unterstützung der vorderasiatischen Archäologie470 gegründet worden war, für das Ottomanische Museum eine Probegrabung durchgeführt. Als dann in den Jahren 1901 bis 1903 Edhem Bey, Hamdi Beys Sohn, die Ausgrabungen in Tralles wieder aufnahm471, erbrachten sie schon in der ersten Kampagne hervorragende Skulpturenfunde472. Bei deren vorläufiger Bekanntmachung im Archäologischen Anzeiger erwähnte Conze die Vorarbeiten Humanns nicht und nannte stattdessen nur einen unmittelbaren Anlass, Skulpturenfunde während der Zerstörung einer »späten Mauer« zur Gewinnung von Baumaterial, der eine systematische Ausgrabung in Tralles durch die Ottomanischen Museen angeregt habe. Der Ausgrabungsbericht Edhem Beys im Bulletin de Correspondance Hellénique schilderte hingegen ganz selbstverständlich den Bezug seiner Unternehmung auf die Voruntersuchung Humanns473. Es zeigt sich also, dass Humann im Fall der Stadt Tralles nicht nur dem Ottomanischen Museum tätig und mit fremden Mitteln zuarbeitete, sondern im Verbund mit Edhem Bey und DAI auch dafür Sorge trug, dass das Ausmaß ihrer Zusammenarbeit nicht mehr als nötig publik wurde. Zusätzlich erbrachte diese zweite Grabungsphase in Tralles für das deutsche Erkenntnisinteresse mindestens ein konkretes Ergebnis, denn Georg Weber, der seit Jahren die Wasserversorgungssysteme antiker Städte in Kleinasien untersuchte (s. o.), forschte augenscheinlich vor November 1903 auch in Tralles474. Die beiden »Archäologen« Winter und Judeich fanden – so Humanns Diktion – 1887 in Magnesia noch ca. 20 Meter eines Relieffrieses aus architektonischem Kontext, von dem französische Archäologen schon 1842 den größten Teil nach Frankreich verbracht hatten475. Hamdi Bey ließ diesen Fund in das Konstantinopler Museum überführen. Der auswärtige Direktor der Berliner Museen, Humann, fertigte im folgenden Jahr bloß ein »Kärtchen« des Geländes an, wobei man wissen muß, dass die Anfertigung und Einreichung einer Karte des betreffenden Ortes eine formale Notwendigkeit war, um einen Antrag auf Grabungsgenehmigung einreichen zu können476. Im Dezember 1890 wohnten dann Ot-
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Humann – Dörpfeld a. O. (Anm. 462) 403. DNP XV 3 (2003) 1049–1056 s. v. Vorderasiatische Archäologie I. (H. J. Nissen). Edhem Bey, Fouilles de Tralles (1902–1903), BCH 28, 1904, 54–92. A. Conze, Skulpturen aus Tralles, AA 1902, 102–104; S. Reinach, Sculptures en marbres découvertes à Tralles (Turquie), CRAI 46, 1902, 284–287. Edhem Bey a. O. (Anm. 471) 54. G. Weber, Wasserleitungen in kleinasiatischen Städten, AA 1904, 89 f. C. Humann, Magnesia am Maeander. Bericht über die Ergebnisse der Ausgrabungen der Jahre 1891 – 1893 (Berlin 1904) 2 f. Vgl. Anm. 520.
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to Kern477 »als Archäologe« und Friedrich Hiller von Gaertringen einer kleinen Ausgrabung des Tempels im Auftrag der Athener Abteilung des DAI bei478. Durch diese Ausgrabung »hatte man die Überzeugung gewonnen, daß es bei einer vollständigen Ausgrabung gelingen würde, ein genaues Bild des ganzen einstigen Bauwerks zu gewinnen und noch viele Friesstücke zu finden.« Aufgrund dieses Ergebnisses konnten die Berliner Museen für eine weitere Finanzierung der Ausgrabung gewonnen werden. Da aber die Museen die Gelder nicht unmittelbar bereitstellen konnten, sprang Hiller von Gaertringen mit eigenen Mitteln ein und finanzierte in der Zwischenzeit eine Ausgrabung des Theaters von Magnesia, die auch getrennt publiziert wurde479. Humanns eigentümliche Darstellung dieser Ereignisse480 lässt einige Sachverhalte scheinbar bewusst im Unklaren: Die Stipendiaten Winter und Judeich waren doch wohl 1887 nicht allein im Mäandertal unterwegs481, sondern reisten dort mit Humann und Cichorius wegen der Tour nach Hierapolis. Auch ließ der Bericht seine eigene Rolle bis zu diesem Zeitpunkt im Vagen und benannte Humann erst explizit als Leiter der Unternehmung, als die Grabung auf Rechnung der Berliner Museen am 1. März 1891 einsetzte482. In Magnesia erwuchs demnach aus einer Zusammenarbeit Humanns mit dem DAI das nächste größere Ausgrabungsprojekt, das von den Berliner Museen finanziert wurde. Dabei stand das Heiligtum483 der Artemis Leukophryene als Träger des schon bekannten figürlichen Frieses im Mittelpunkt. Nach Vitruv484, der wichtigsten Primärquelle zur antiken Baukunst, soll der Architekt Hermogenes485 diesen Tempel erbaut haben. Zusätzlich zum bekannten Relieffries ergab sich dann während der Ausgrabung eine weitere Vergleichsmöglichkeit für die Grabungsergebnisse von Pergamon, als der zum Tempel gehörige monumentale Altar gefunden wurde, der auch Figurenschmuck trug486. Mittel für eine größere Ausgrabung aus dem Etat der Berliner Museen konnten in dieser Phase offenbar nur dadurch erlangt werden, dass der auswärtige Direktor Ergebnisse in Aussicht stellte, die programmatisch unmittelbar an die Ergebnisse zum Pergamonaltar anschlossen. Diese Fixiertheit an den Berliner Museen auf Friese aus architektoni477
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F. Hiller von Gaertringen, Otto Kern, Gnomon 18, 1942, 124 f.; NDB 11 (1977) 522 f. s. v. Kern, Otto (W. Peek). Humann a. O. (Anm. 475) 2 f. F. Hiller von Gaertringen – W. Dörpfeld – R. Heyne – O. Kern, Ausgrabungen im Theater von Magnesia am Maiandros (Athen 1894) (Humann als Geburtstagsgabe gewidmet). Humann a. O. (Anm. 475) 2 f. Vgl. dazu: F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 18: »Mehr als 40 Jahre später kam Humann mit Winter und Judeich an der Stelle vorbei … und sah noch ganze Friesreliefs aus dem Sumpfe herausragen.«. Humann a. O. (Anm. 475) 3. 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 385–394. Vitr. 3, 2, 6. RE VIII 1 (1912) 879–881 s. v. Hermogenes 29 (E. Fabricius); DNP V (1998) 442–444 s. v. Hermogenes 4 (H. Knell). Beachte auch die suggestive Rekonstruktionszeichnung, die dem Band vorangestellt ist.
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schem Zusammenhang ist auch bei den folgenden Projekten im Mäandertal erkennbar und wurde erst 1898 unmittelbar vor dem Beginn der Ausgrabung Milets aufgegeben. Sie scheint daher auch im folgenden Kapitel auf und mag sich zum einen aus dem Wunsch nach vergleichbaren Ergebnissen zu der vorangegangenen Forschung in Pergamon erklären, aber zum anderen stellen Relieffriese natürlich auch unter grabungsökonomischen Gesichtspunkten äußerst wünschenswerte Objekte dar, denn sie können große, spektakulär inszenierbare Ausstellungstücke ergeben. Die Grabung in Magnesia beschränkte sich im Heiligtum selbst allerdings nur auf das zur Erreichung der unmittelbaren Ziele absolut Notwendige: Arbeitskraft wurde an dieser Stelle lediglich dazu eingesetzt, das Sturzfeld des Tempels und den Bereich des Altars freizulegen. Das restliche Umfeld des Tempels nach Norden, Süden und Osten blieb ungeklärt487. Stattdessen griff die Ausgrabung auf das repräsentative Stadtzentrum, die Agora, über, das mehr als 100 Meter weiter westlich liegt. Dies stellte ein Wagnis für die Ausgräber dar, da die Lokalisierung nur auf einer Vermutung Humanns beruhte und ihnen keineswegs klar war, was eine Ausgrabung an diesem Ort erbringen könnte488. Dort schälten die Arbeiter und Ausgräber aber tatsächlich einen Teil der Agora mit ihren vielgestaltigen öffentlichen Bauten aus dem versumpften und meterhoch anstehenden Erdreich heraus, für dessen Trockenlegung Humann noch ein Konzept entwickelte489, und fanden dort auch zahlreiche Skulpturen für die Museen. Nimmt man noch die von Hiller von Gaertringen finanzierte Ausgrabung des Theaters hinzu, so entsteht für Magnesia das Bild einer Ausgrabung, bei der die Ausgräber das Vorhandensein eines historisch bedeutenden Einzelobjektes zum Anlass nahmen, eine umfassendere Untersuchung einer hellenistischen Stadtanlage einzuleiten, die aufgrund positiver Ergebnisse mit den Erkenntnissen vorangegangener Forschungen in Beziehung gesetzt werden konnten. Dabei schöpften die unmittelbar Beteiligten den ihnen durch äußere Umstände vorgegebenen Handlungsspielraum so weit wie möglich aus. Nach Abschluss der Arbeiten in Magnesia kam es zwischen Frühjahr 1894 und Herbst 1895, dem Beginn der Arbeiten in Priene, zu einem Intermezzo in Ephesos490. Der erfahrene und methodisch orientierte Ausgräber491 Otto Benndorf war 487
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C. Humann, Magnesia am Maeander. Bericht über die Ergebnisse der Ausgrabungen der Jahre 1891 – 1893 (Berlin 1904) 6. Humann a. O. (Anm. 487) 7. Für eine Beschreibung und Einschätzung der grabungstechnischen Leistung Humanns in Magnesia vgl. Hiller von Gaertringen a. O. (Anm. 481) 18 f. RE V 2 (1905) 2773–2822 s. v. Ephesos 1 (L. Bürchner); DNP III (1997) 1078–1085 s. v. Ephesos (P. Scherrer – E. Wirbelauer – C. Höcker); Forschungsgeschichte: DNP XIII (1999) 975–981 s. v. Ephesos (G. Wiplinger); W. Alzinger, Ziele der Ephesosforschung von 1863 bis heute, in: B. Otto – F. Ehrl (Hrsg.), Echo. Beiträge zur Archäologie des mediterranen und alpinen Raumes, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Festschrift Johannes B. Trentini (Innsbruck 1990) 17–19; T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entde2 ckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt am 2 Main 1996); G. Wiplinger – G. Wlach, Ephesos. 100 Jahre österreichische Forschungen (Wien
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vom österreichischen Kultusministerium beauftragt worden, eine größere Ausgrabung im Osmanischen Reich zu projektieren und hatte sich für diesen Ort entschieden492. Er war ein langjähriger Vertrauter Richard Schönes493, hatte schon Alexander Conze nach Samothrake begleitet und während seiner eigenen Expeditionen nach Lykien in den Jahren 1881 bis 1884 auch Humann persönlich kennengelernt494. Diese Unternehmung hatte Humann auf vielfältige Weise, u. a. administrativ und durch Überlassung eines seiner Vorarbeiter, tatkräftig unterstützt495. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Benndorf sich für die Vorbereitungen der neuen großen Ausgrabung an Humann wandte. In seinem ersten Akademiebericht von 1897 ließ Benndorf die »Voruntersuchung« erst im Frühjahr 1895 beginnen496, obwohl Humann schon 1893 für Benndorf ein Gutachten zu Ephesos erstellt hatte497 und die praktischen Vorarbeiten zur Umsetzung des Unternehmens bereits im April 1894 begonnen hatten, als Humann das Gelände erneut in Augenschein nahm und einen Plan des Ausgrabungsgebietes anfertigte498. Die Grabung 1895 knüpfte auch wieder an ein historisch bedeutendes Einzelmonument, den Tempel der Ephesischen Artemis499 an, an dem der Engländer James T. Wood500 in den Jahren 1869 bis 1874 gegraben hatte501 und der von den übrigen Ruinen isoliert lag. Allerdings war schon vor Beginn der Arbeiten klar, dass die Ausgrabung weiter ausgreifen sollte502. Tatsächlich gingen die Archäologen während der ersten Kampagne bald dazu über, die
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1996); F. Krinzinger, Ephesos, in: W. Radt (Hrsg.), Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien. Geplantes und Erreichtes. Internationales Kolloquium 6./7. August 2004 in Bergama (Türkei), Byzas 3 (Istanbul 2006) 81–100. H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 34 f. O. Benndorf, AnzWien 34, 1897, 12. L. Pallat, Richard Schöne. Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Kunstverwaltung 1872 – 1905 (Berlin 1959) 25 f. 28. 31–34. 36 f. 221. 364. Szemethy a. O. (Anm. 491) 38 f. 49. 103. zusammenfassend: 325. Szemethy a. O. (Anm. 491) 111 m. Anm. 399. O. Benndorf, AnzWien 34, 1897, 12. F. Krinzinger, Ephesos, in: W. Radt (Hrsg.), Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien. Geplantes und Erreichtes. Internationales Kolloquium 6./7. August 2004 in Bergama (Türkei), Byzas 3 (Istanbul 2006) 82. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 155, 326ChA. DNP XIII (1999) 836–844 s. v. Diana von Ephesus (A. Goesch); A. Bammer – U. Muss, Das Artemision von Ephesos. Das Weltwunder Ioniens in archaischer und klassischer Zeit (Mainz 4 1996); G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 348–359. T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 185 f. J. T. Wood, Discoveries at Ephesus (London 1877). Schulte a. O. (Anm. 498) 156, 330D.
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»Agora«503 auszugraben. Dort stießen sie aber auf einen hohen Grundwasserstand, so dass Humann wieder – wie in Magnesia – ein Konzept zur Entwässerung erstellen musste504. Traute Wohlers-Scharf machte größere Teile des Berichtes505 Benndorfs von 1893 bezüglich der geplanten Grabung an das österreichische Unterrichtsministerium bekannt; ein Zitat daraus soll hier noch einmal wiedergegeben werden, weil es auch im Kontext dieser Arbeit recht erhellend ist506: Es ist nicht wünschenswert, daß die große Arbeit in kurzer Zeit forciert werde. In raschen, überhasteten Grabungen gehen oft die wichtigsten Beobachtungen, für die ein ganzes Personal von Sachverständigen thätig sein muß, verloren. Ich schätze die Dauer einer solchen gründlichen Arbeit auf etwa fünf Jahre.
Benndorf betonte also die Wichtigkeit einer langfristigen, gründlichen Unternehmung. Damit stand er in vollem Einklang mit Conzes und Humanns Ideen bezüglich einer längerfristigen Stadtgrabung, die sie selbst aber bis zu diesem Zeitpunkt nur bedingt hatten realisieren können. Wenn es aber Benndorf 1893 gelingen würde, eine solche umfassende Grabung auf den Weg zu bringen507, dann könnte diese konkrete Umsetzung zum einen beweisen, dass dieses Konzept erfolgreich sein würde und zum anderen durch diesen Erfolg eine größere allgemeine Akzeptanz bei Geldgebern für derartige Unternehmungen bewirken. Tatsächlich konnte Benndorf dann diese Grabung, die von vornherein ausgreifend geplant war508, erfolgreich auf den Weg bringen. Er selbst führte mit Drittmitteln509 noch die ersten Kampagnen 1895 und 1896 durch und wechselte mit Gründung des Österreichischen Archäologischen Institutes (ÖAI) 1897 an dessen Spitze510, während sein Assistent Rudolf Heberdey511 die Leitung in Ephesos übernahm. Seit diesem Zeitpunkt verfügte die Grabung über ein regelmäßiges Budget und wurde auch kontinuierlich als Stadtgrabung weiter geführt512. 503
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Schulte a. O. (Anm. 498) 156, 330D. Tatsächlich hatten die Ausgräber die ›Hafenthermen‹ gefunden. Die eigentliche Agora von Ephesos wurde erst ab 1901 ausgegraben: Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 500) 78, 93 f. Schulte a. O. (Anm. 498) 158, 332Ch. O. Benndorf, Bericht an das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht. 29.9.1893, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Präsidium Unterricht, 1893. Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 500) 73. Solche länderübergreifenden strategischen Überlegungen traten auch schon 1880 bei den Vorbereitungen der Lykien-Expedition Benndorfs zu Tage, denn er hatte Reinhard Kekulé gebeten »Schützenhilfe« für seinen Antrag zu leisten, indem er die Samothrake-Publikation besprechen sollte: H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 37. Krinzinger a. O. (Anm. 497) 82. Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 500) 75. Wohlers-Scharf a. O. (Anm. 500) 85. E. Diez, Rudolf Heberdey. 1864–1936, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 152 f. Vgl. für eine weitere frühe, längerfristig geplante Stadtgrabung auch die von der American School of Classical Studies at Athens 1895 (Offenbar nicht 1896, wie das Datum offiziell meist angegeben wird!) begonnene Erforschung Korinths: Archäologische Funde im Jahre 1895, AA 1896, 73
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Für Humann, der kurz vorher für Magnesia noch allerlei »Tricks und Kniffe« anwenden musste, um eine nur etwas über das Einzelmonument hinausgehende Untersuchung von deutscher Seite finanziert zu bekommen, mussten diese in Ephesos geschaffenen Forschungsbedingungen höchst wünschenswert erscheinen. Mit Priene stand im Anschluss an die Zeit in Ephesos für Humann nun eine eigene Stadtgrabung unmittelbar bevor. Im folgenden Kapitel wird sich zeigen, wie Humann – parallel zu den Ereignissen in Magnesia und Ephesos – die Berliner Museen schließlich doch dazu bekommen hatte, eine umfänglichere Stadtgrabung zu finanzieren. Dabei sind die Vorgeschichten der Grabungen in Priene, Milet und Didyma auf das Engste miteinander verflochten.
2.3.3. Carl Humanns langer Kampf um Milet Obwohl erst 1899 unter der Leitung von Theodor Wiegand tatsächlich begonnen, war die Ausgrabung Milets ein Projekt, das schon Anfang der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts konkret in das Blickfeld der Direktoren rückte. Dabei setzte sich hauptsächlich Carl Humann im Besonderen für Milet ein, während sein neuer Berliner Vorgesetzter, Reinhard Kekulé von Stradonitz513, das benachbarte Didyma514 für die Museen als Grabungsplatz sichern wollte. Die folgenden Ereignisse zeigen anschaulich, wie eigenmächtig Humann vor Ort agierte und wie wenig sein Vorgesetzter dagegen ausrichten konnte. Während eines Heimaturlaubes im Sommer 1890 traf sich Humann in Essen mit dem Industriellen Friedrich A. Krupp und sondierte eine mögliche finanzielle Unterstützung seiner Vorhaben. Im Gespräch waren dabei Milet und Magnesia. Diese Aktion Humanns schien eher einer privaten Initiative zu entspringen, ob-
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f.: »Sodann hat die amerikanische Schule, nachdem ihre Ausgrabung in Eretria am Theater und Gymnasium beendet wurde, in Korinth auszugraben begonnen. Durch Versuchsgräben hat man zunächst unter dem durch Erdbeben zerstörten und seitdem großentheils verlassenen Orte das Vorhandensein byzantinischer, römischer und tiefer gelegen griechischer Reste festgestellt. Nach den Nachrichten griechischer Zeitungen sind auch schon namentlich die Ruinen des Theaters gefunden und damit erscheint ein Fixpunkt für die Stadt-Topographie gewonnen. Die Ausgrabungen sollen mit Ankauf von Ländereien in größerem Maaßstabe fortgesetzt werden.« W. Schiering, Reinhard Kekulé von Stradonitz. 1839–1911, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 73 f. Zu Geschichte und Topographie vgl. RE V 1 (1903) 437–441 s. v. Didyma (L. Bürchner); DNP III (1997) 544–549 s. v. Didyma (K. Tuchelt); K. Tuchelt, Branchidai – Didyma. Geschichte und Ausgrabung eines antiken Heiligtums, Zaberns Bildbände zur Archäologie 3 (Mainz 1992); K. Tuchelt, Vorarbeiten zu einer Topographie von Didyma, IstMitt Beih. 9, 1973; K. Tuchelt, Überlegungen zum archaischen Didyma, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 393–412; G. Gruben, 4 Die Tempel der Griechen (München 1986) 359–378; zum Heiligtum: H. Knackfuß, Die Baubeschreibung in drei Bänden, Didyma 1 (Berlin 1941). Inschriften: A. Rehm, Die Inschriften, Didyma 2 (Berlin 1958).
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wohl er Richard Schöne, den Generaldirektor der Berliner Museen, über den Stand der Dinge auf dem Laufenden hielt515. Am 8. Juni 1891 ritt Humann mit dem Regierungskommissar Edib Bey und Friedrich Hiller von Gaertringen von Magnesia aus auf die milesische Halbinsel. Bis zum folgenden Sonntag, den 13. Juni, erkundete er die lokalen Gegebenheiten in Milet und Didyma zwecks einer späteren Ausgrabung. Dieser Besuch ist durch einen Bericht Humanns an die Berliner Museen vom 20. Juni 1891 (Anhang A.1), dem eine erste Karte des Stadtgebietes von Milet und vier Fotos beigegeben sind, dokumentiert. Hinzu kommt ein Auszug aus Hiller von Gaertringens privatem Tagebuch, den dieser 1899 für Wiegand in Milet anfertigte, sowie ein Brief Humanns an Otto Kern, der in der Biographie von Eduard Schulte wiedergegeben ist516, als unmittelbare Quellen. Humanns Bericht mit der beigegebenen Karte ist ein beeindruckendes Zeugnis seiner Fähigkeit, ein unbekanntes Gelände im Hinblick auf eine wissenschaftliche Erforschung hin zu verstehen, und er erweist sich damit als programmatisch und zielorientiert denkender Wissenschaftler517. Der Bericht begann mit einer Beschreibung der Anreise, in der er darauf hinwies, dass für den Fall des Abtransportes von Antiken der Mäander benutzt werden könnte, da er dort »mehrere Segelboote von 30-40 Tonnen Gehalt« sah518. Es folgte eine Aufzählung der sichtbaren antiken Reste, wobei Humann gleichzeitig eine detaillierte Einschätzung ihres wissenschaftlichen Wertes gab. Er war der erste Besucher dieses Ortes, der die halbinselartige Lage der antiken Stadt anhand von Beobachtungen des Bewuchses und der geographischen Gegebenheiten aus der Landschaft ableiten konnte. Auf diese Weise konnte Humann den ungefähren Umfang des Stadtgebietes bestimmen und die Häfen lokalisieren. So benannte er beispielsweise den später als »Löwenbucht« 519 bezeichneten Hafen als »Haupthafen« der Stadt und vermutete richtig das Stadtzentrum südlich davon. Im Südwesten fand er römische Gräber und erhielt so auch einen Hinweis, wie weit sich die Stadt in dieser Zeit auf das Festland erstreckte. Über die Gräber hinaus wies der Kalabaktepe, den er »ursprünglich« für die Akropolis hielt. Da er dort keine sichtbaren baulichen Reste fand, konnte er nur vermuten, dass sich die Stadt zu einer früheren Zeit bis hierhin erstreckte. Abschließend führte er ein Nivellement zum Meer hin durch, um 515
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E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 146 f. 304S. Schulte a. O. (Anm. 515) 140 f. 283ChA. Vgl. auch das Lob für die Leistungen Humanns bei seiner Grabung 1862 am Heratempel auf Samos: Th. Wiegand, Erster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos, AbhBerlin 1911, Anh. 5, 4. Die dort erwähnte Dokumentation der Grabung ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Dies erwies sich später allerdings nicht als ein gangbarer Weg. Th. Wiegand, 3.10.1899, GrTb I, 9: »Da am Eingang in diesen Hafen im vorigen Jahr ein colossaler Marmorlöwe gefunden wurde und nunmehr ein zweiter, noch grösserer dazugekommen ist, so nennen wir von jetzt ab dieses Gebiet zur Unterscheidung von anderen Häfen der alten Stadt »die Löwenbucht.««
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festzustellen, ob eine Ausgrabung an diesem Ort überhaupt technisch möglich war. Es folgte eine sehr knappe Beschreibung der Situation in Didyma, die mit dem Hinweis schloß, dass eine Ausgrabung dort wegen der vielen durcheinander liegenden Bauteile sehr kostspielig werden würde. Es fällt auf, dass Humann zwar einen Plan des Stadtgebietes von Milet anfertigte, aber keinen von der Situation in Didyma. Tatsächlich diente ein Plan des Ausgrabungsgeländes nicht nur als Planungsgrundlage für ein neues Projekt, sondern war gleichzeitig auch eine formale Notwendigkeit, da dem Antrag auf eine Grabungsgenehmigung auch ein Plan des Geländes beizufügen war520 – ein Umstand, der im weiteren Verlauf der Ereignisse noch bedeutsam werden wird. Nach Beendigung der Kampagne in Magnesia reiste Humann 1891 wiederum zur Villa Hügel in Essen, diesmal, so schrieb er an seinen Vertrauten Kern im August521, mit dem »formellen Auftrag«, sich bei Krupp für Didyma einzusetzen, wobei es ihm unbenommen bleiben sollte, auch in Milet einige Gräben anzulegen. Ein finanzielles Engagement Krupps unterblieb letztendlich522, und das Projekt Milet-Didyma lag bis zum Abschluss der Arbeiten in Magnesia im Winter 1893 auf Eis. Die Frage, wo eigentlich gegraben werden sollte, in Milet oder Didyma, stand noch ungeklärt im Raum. Otto Puchstein523 hatte sich schon 1890 für Didyma stark gemacht524, und Kekulé drängte 1894 ebenso wie schon drei Jahre vorher auf eine Grabung an diesem Tempel. Humann hielt an Milet fest und wusste eine mächtige altertumswissenschaftliche Interessengruppe auf seiner Seite, mit der er in intensivem Austausch stand525: Am 13. Oktober 1892 unter520
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Artikel 15 der Asar-ı Atîka Nizamnamesi von 1884. In der vorherigen Verordnung findet sich eine entsprechende Regelung (Artikel 13). Anders W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 110–124, wo ein Hauptargument eines ganzen Unterkapitels (»The Antiquities Law of 1884«) auf der falschen Annahme beruht, dass erst mit dem Gesetz von 1884 diese Verpflichtung eingeführt wurde (Auch ist dort der Gesetzesabschnitt mit »article 10« (S. 113) falsch wiedergegeben.). Vgl. dazu auch die Erklärungen Humanns im Vorfeld von Otto Benndorfs zweiter Lykien-Expedition 1882, zit. bei H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 94 f. m. Anm. 313. Schulte a. O. (Anm. 515) 141 285ChA. Krupp unterstützte erst später die Gordion-Unternehmung seines persönlichen Freundes Gustav Körte: R. Stremmel, Der Archäologe und der Industrielle. Wie Gustav Körte und Friedrich Alfred Krupp in Kleinasien den gordischen Knoten lösten, AW 2008/3, 78–80. D. Mertens, Otto Puchstein. 1856–1911, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 118 f. Schulte a. O. (Anm. 515) 140 282D. Puchstein hatte sich schon für die Grabung in Magnesia eingesetzt: F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 18. Die Humann zugeschriebene Äußerung, dass ein Philologe zwei linke Hände habe und bei ihm von der Burg falle (Watzinger 1944, 67.), führt in die Irre, wenn sie als eine pauschale Ablehnung der ›Philologen‹ und der von diesen vertretenen Ideen und Konzepte interpretiert wird (Vgl. etwa S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750–1970 (Princeton 1996) 93.). Vielmehr ist sie ganz wörtlich zu verstehen als eine ironisch-
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richtete Kern Humann davon, dass Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff526, in dessen Zeit in Greifswald die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Humann fiel, sich nach Mitteln für Milet und Humann umgehört hätte527. Einer der Gründe, warum den ›Philologen‹528 Milet als das lohnendere Ziel erschien, ging aus demselben Brief hervor, denn nach Wilamowitz’ Ansicht ging »nur von Milet die alte ionische Kultur aus«. Eine bessere Kenntnis der Geschichte Ioniens wöge mehr als »Kilikien und auch als Rhodos«. Eine Formulierung in einem früheren Brief Kerns brachte dieses spezifische Interesse der ›Philologen‹ für Milet pointiert auf den Punkt, denn er wünschte Humann, dass »der Spaten auf der Agora von Milet möglichst bald angesetzt werden kann«529. Diese Stelle spielte nicht nur auf das Grabungsverfahren an, das auf die Aufdeckung der Stadtzentren zielte, sondern hat für Milet noch eine besondere Konnotation: Eine Anekdote bei Plutarch in der Vita des Solon530 überliefert, dass der Philosoph Thales für den Ort seines Grabes eine Stelle auswählte, von der er sagte, dass dort einmal die Agora der Milesier liegen möge. Den ›Philologen‹ erschien also Milet deshalb als der wünschenswertere Grabungsplatz, weil sie sich eine Überprüfung und ggf. ergänzendes Wissen zu den ihnen aus den schriftlichen antiken Quellen schon bekannten Fakten zur Rolle dieser Polis in der archaischen Zeit erhofften. Auf dem ersten Plan des Stadtgebietes hatte Humann auch die vermutete Lage einer »Agora« eingetragen, die sich im Nachhinein als annähernd richtig herausstellte531. Den Berliner Archäologen hingegen erschien Didyma wohl als ein insgesamt überschaubareres Grabungsprojekt. Kekulé bemerkte 1894, dass man im »Notfall« eine Ausgrabung an diesem Ort auch nur aus dem »regulären Fonds« aufrechterhalten könne532. Auch war der Tempel sicher lokalisiert und das Areal begrenzt. Humann hob im August 1891 gegenüber Kern die nicht primär an archaischen Fragestellungen interessierte Position der Pro-Didyma-Fraktion hervor,
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liebevolle Beschreibung der von Humann an seinen langjährigen ›Philologen‹-Weg- und Arbeitsgefährten subjektiv wahrgenommenen Unbrauchbarkeit für praktische Arbeiten. Vgl. dazu auch den Umstand, dass Otto Kern sich gegenüber Humann selbst als einen Philologen bezeichnete: Schulte a. O. (Anm. 515) 141 284D. Zur Person: U. von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen. 1848–1914 (Leipzig 1928); K. Reinhard, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, in: H. Heimpel – Th. Heuss – B. Reifenberg (Hrsg.), Die großen Deutschen. Deutsche Biographie 5 (Berlin 1957) 415–421; M. Hose, »… und Pflicht geht vor Neigung«. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und das Leiden am Großbetrieb der Wissenschaft, in: A. M. Baertschi – C. G. King (Hrsg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts (Berlin 2009) 445–480. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 142 290D. Der Begriff Philologe ist in diesem Zusammenhang in einem allgemeineren Sinne für alle vornehmlich textorientierten Altertumswissenschaftler gebraucht. Schulte a. O. (Anm. 527) 141 284D. Plut. Solon 12. B. F. Weber, Der Stadtplan von Milet, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 327–362. s. Anhang A.2.
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die lediglich den Tempel wie in Magnesia ausgraben und rekonstruieren wolle533. Allerdings war dies eine sehr einseitige Einschätzung Humanns, die unerwähnt ließ, dass an den Berliner Museen zu diesem Zeitpunkt ein größeres und aktuelles wissenschaftliches Erkenntnisinteresse an archaischen Funden und Befunden in Didyma vorhanden war: Durch die Funde von archaischer Großplastik, die Charles T. Newton in den Jahren 1857/58 an der ›Heiligen Straße‹ in unmittelbarer Nähe zum Tempel gemacht hatte534, bestand die berechtigte Hoffnung, dass eine Unternehmung in Didyma neue Exemplare archaischer Marmorplastik erbringen könnte, deren Erwerb auch für das Museum von großem Interesse war. Aber in einem weniger materiell ausdeutbaren Sinne setzte sich mit Otto Puchstein, der zu der Zeit Direktorialassistent der Berliner Antikensammlung war, 1890/91 ein explizit an der Geschichte der ionischen Architekturordnung interessierter Wissenschaftler für die Ausgrabung in Didyma ein535. Schon 1887 hatte sich Puchstein mit dem ionischen Kapitell auseinandergesetzt536 und untersuchte später zusammen mit Robert Koldewey537 in den Jahren 1892 bis 1894 die griechischen Tempel in Unteritalien538. 1889 realisierte Koldewey auf Anregung Adolf Furtwänglers539 – zu dieser Zeit auch an den Berliner Museen beschäftigt – eine Ausgrabung in Neandria540 (Troas). Diese Grabung wurde dadurch veranlasst, dass Koldewey in Neandria während seiner Teilnahme an den amerikanischen Ausgrabungen541 im nahegelegenen Assos542 im Jahr 1882 ein frühes ›äolisches‹ Kapitell543 gefunden hatte, das für die Entstehung des ionischen Kapitells von Bedeutung war. Weitere Funde dieses Typs durch Koldewey auf Lesvos in den Jahren 1885 und 1886544 hatten dann das Interesse und die Hoffnung entstehen lassen, in Neandria vielleicht genauere Erkenntnisse über die übrige zu diesem Kapitelltyp gehörende Architektur zu erhalten. Tatsächlich er533 534
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Schulte a. O. (Anm. 527) 141 285ChA. Ch. T. Newton – R. P. Pullan, A history of discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae 2 (London 1863) 527–553. Schulte a. O. (Anm. 527) 140. 148 282D. 310D. O. Puchstein, Das ionische Capitell, BWPr 47 (Berlin 1887). R. Lullies, Robert Koldewey. 1855–1925, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 116 f.; R.-B. Wartke (Hrsg.), Auf dem Weg nach Babylon. Robert Koldewey – Ein Archäologenleben (Mainz 2008). R. Koldewey – O. Puchstein, Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien (Berlin 1899). R. Koldewey, Neandria, BWPr 51 (Berlin 1891) 3. RE XVI 2 (1935) 2106–2108 s. v. Neandr(e)ia (W. Ruge); DNP VIII (2000) 772 s. v. Neandr(e)ia (E. Schwertheim). J. T. Clarke – F. H. Bacon – R. Koldewey, Investigations at Assos. Drawings and Photographs of the Buildings and Objects Discovered during the Excavations of 1881–1883 (London 1902– 1921). RE II 2 (1896) 1748 s. v. Assos (L. Bürchner); DNP II (1997) 112 f. s. v. Assos (E. Schwertheim). W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen in der Antike (München 1988) 130–132. Die 1907 von Johannes Boehlau in Pyrrha, Lesvos unternommene Ausgrabung war eine direkte Folge der früheren Forschungen Alexander Conzes und Koldeweys auf dieser Insel. Vgl. dazu W. Schiering, Pyrrha auf Lesbos. Nachlese einer Grabung, AA 1989, 339–377.
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füllte sich diese Hoffnung, so dass wiederum Puchstein 1907 die Entstehungsgeschichte der ionischen Architekturordnung erneut, diesmal auf breiterer Materialgrundlage als noch 1887, thematisieren konnte545. Die Frage nach den Frühformen der ionischen Architekturordnung war also zu Beginn der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts tatsächlich ein aktuelles Forschungsthema und der Fund archaischer Bauteile in Didyma – ein Heiligtum, das nach Herodot neben Delphi, Abai und Dodona zu den berühmtesten antiken Orakelstätten gehörte546 – hätte diese Fragestellung wesentlich bereichern können. Auch die Beweggründe der Berliner Interessengruppe brachte ein Nebensatz aus einem Brief Humanns aus dem Juli 1891 auf den Punkt: Kekulé habe zu ihm gesagt, wenn er [Humann] den Tempel ausgrabe, hätte er einen Fries gehabt, sonst nicht547. Humann seinerseits beharrte allerdings auf einer Ausgrabung in Milet und antwortete am 31. August 1894 auf die offensichtlichen argumentativen Schwierigkeiten bei den Berliner Museen, eine Ausgrabung an diesem Ort zu begründen, denn der Ansicht, »Milet habe keine bedeutenden öffentlichen Heiligtümer besessen«, hielt er entgegen, dass man diese lediglich nicht kenne. Was hätte man denn vorher von »Pergamon …, was von Magnesia’s Agora und der von Ephesos« gewußt?«548 Während die Mittelverwendung der Berliner Museen also eine Begründung notwendig machte, die von einem bekannten Einzelmonument ausging, argumentierte Humann aus der Sicht des praktisch tätigen Wissenschaftlers für die anlasslose Erforschung eines Platzes. Er versprach sich mehr Erkenntnisgewinn durch eine systematische und kontinuierliche Stadtgrabung, als von einer Grabung am Tempel in Didyma, da er erwartete, dass beim Tempel aufgrund der späteren intensiven Bautätigkeit »von den ältesten Dingen nicht viel übrig« geblieben sei, wie es ihn das Beispiel aus Magnesia gelehrt habe549. Nicht explizit ausgesprochen wurde ein weiterer möglicher Beweggrund Humanns, denn die Stadtgrabung in Milet wäre gerade auch wegen des schwierigen Terrains für den Ausgräber eine interessantere Herausforderung, als es das Auseinanderräumen und Ordnen der Bauteile des monumentalen Tempelbaues in Didyma (Taf. 12a) sein könnten. Hinzu kam der angegriffene Gesundheitszustand Humanns; nicht nur deshalb hatte er wiederholt um eine Versetzung nach Deutschland gebeten, die allerdings nicht genehmigt worden war550. Eine jahrelang andauernde Grabung in Milet, das von seinem Wohnsitz in Smyrna bequem zu erreichen war,
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O. Puchstein, Die ionische Säule als klassisches Bauglied orientalischer Herkunft, Sendschriften der Deutschen Orient-Gesellschaft 4 (Leipzig 1907). Hdt. 1, 46. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 141 285ChA. Schulte a. O. (Anm. 547) 144 295D. Schulte a. O. (Anm. 547) 143 294ChA. Schulte a. O. (Anm. 547) 187 406Wat.
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hätte für Humann unter den gegebenen Umständen eine bedeutende Erleichterung dargestellt. Theodor Wiegand beschrieb im ersten Band seines privaten Tagebuches die nun folgenden Ereignisse so: Dieses Firmangesuch [Antrag auf Grabungsgenehmigung] im Winter 1894 war schon auf dem Wege durch die Ministerien, als die Franzosen davon erfuhren & da sie selbst gern dort graben wollten – vielleicht leiteten Sie ein älteres Anrecht darauf von O[livier]. Rayets Untersuchungen her – so bewogen sie ihren Botschafter Paul Cambon zu einem ganz besonderen Schritte. Obwohl er von dem amtlichen deutschen Gesuch wusste, bat er den Sultan bei einem Diner persönlich um die Erlaubnis für die Franzosen, mit Verweigung der deutschen Concurrenz. Der Sultan nickte Gewährung & Didymi ward den Franzosen zuteil, nicht ohne dass eine sehr ernste Aussprache des Fürsten Radolin gegen Cambon stattgefunden hätte … Da uns das Didymaion entgangen war, so legten wir wenigstens 1895 sofort die Hand auf die Stadt Milet & Humann reichte ein diesbez[übliches]. Gesuch ein. Zugleich beschlossen H[umann]. & Kekulé aber aus Courtoisie gegen die Franzosen, das Stadtgebiet Milets erst zu berühren, wenn die Arbeiten in Jeronda fertig wären551.
In der Korrespondenz der unmittelbar Beteiligten stellt sich der Verlauf der Ereignisse allerdings wesentlich anders dar552: Humann traf wegen der anstehenden Teilungsverhandlungen um die Funde aus Zincirli am Samstag, den 14. Juli 1894, in Konstantinopel ein. Den folgenden Montag besuchte er Hamdi Bey, der ihm im Vertrauen von einem »billet« des französischen Botschafters Paul Cambon erzählte. Darin fragte dieser bei Hamdi Bey an, welches die zur Ersuchung um eine Ausgrabung in Didyma nötigen Schritte wären. Alarmiert von diesem Schritt der Franzosen, informierte Humann den deutschen Botschafter am nächsten Tag, der seinerseits eine übergeordnete Stelle in Deutschland von den Vorkommnissen in Kenntnis setzte553. Am Montag, den 23. Juli, machte dann Humann auf seinen Namen für Milet »eine Eingabe« und zeitgleich der deutsche Botschafter Hugo Fürst von Radolin für Didyma, da die Konzessionen »nicht auf den selben Namen« lauten dürften554. Als der französische Botschafter von der Initiative des deutschen Botschafters erfuhr, nutzte dieser eine Audienz beim Sultan, um die Angelegenheit anzusprechen, wodurch es dazu kam, dass die Konzession für Didyma zunächst an die Franzosen fiel. Entgegen der Darstellung Wiegands war es also die deutsche Seite, die die ersten offiziellen Schritte zur Abwehr französischer Konkurrenz um Didyma unternahm. Weiterhin erschließt sich die tiefere Bedeutung der einzelnen Glieder der tatsächlichen Ereigniskette nicht ohne weiteres Hintergrundwissen: Die ›Eingaben‹, die Humann und von Radolin machten, mussten sich zwangsläufig wesentlich voneinander unterscheiden, denn Humann konnte seinem Gesuch die Karte des Ruinengeländes beigeben und damit formale Vorarbeiten vorwei551 552 553 554
TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22. Vgl. Anhänge A.2. A.3; Milet. Acta I, SMB/AS, Mil1; Schulte a. O. (Anm. 547) 142–145. Anhang A.2. Schulte a. O. (Anm. 547) 143 294ChA.
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sen, während der Botschafter im Wesentlichen nur eine Absichtserklärung abgeben konnte, da Humann ja keine Karte des didymeischen Ruinengeländes angefertigt hatte. Zu diesem Zeitpunkt standen also nur zwei Absichtserklärungen bezüglich Didyma im Raum, wobei die französische Seite durch die Expedition Olivier Rayets ›ältere Rechte‹ geltend machen konnte, deren Relevanz Humann mehrfach betont. Bei dieser Sachlage konnte Hamdi Bey höchstwahrscheinlich, auch ohne die Intervention des französischen Gesandten beim Sultan, nicht viel anders entscheiden. Nach »langem Berathen« kamen daraufhin Humann und der Botschafter überein, das offizielle Gesuch für Didyma zurückzuziehen. In einem ausührlichen Brief Humanns an Kekulé vom 31. August klingen die Selbstzweifel Humanns nicht glaubwürdig555: Er frage sich, was er getan oder unterlassen hätte, um dieses Fiasko herbeizuführen, dabei hat er sein persönliches Ziel, sich Milet als Ausgrabungsstätte anstelle von Didyma zu sichern, doch erreicht! In diesem Brief fuhr er nun fort, detailreich die Vorzüge einer Ausgrabung von Milet zu preisen, nicht ohne Ephesos als ein bald einsetzendes Grabungsprojekt zu erwähnen und daran zu erinnern, dass man auch in Magnesia »noch einige Räthsel« lösen könne. Zu dieser Zeit kurte Reinhard Kekulé in Igls. Von dort schrieb er am 26. August 1894 an Humann einen Brief, der noch einmal seine Sicht der Ereignisse resümierte: Didymoi war eine sichere Sache, wie sie das Museum brauchte; Milet ist eine Chance, eine Lotterie, in der freilich ihr Findertakt und ihr Finderglück eingesetzt sind. Aber in Milet graben, während uns der falsche Welsche Didymoi abgenommen hat, ist doch auch keine rechte Situation! Ich kann meine Gedanken und Ueberlegungen noch nicht recht ordnen. Ich muß in ein paar Wochen alles mit dem Generaldirektor besprechen, dann hoffentlich mit Ihnen selbst. Schriftlich läßt sich über all dergleichen nicht verhandeln556.
Im Oktober reiste Kekulé persönlich in die Türkei. Vorher, am 22. September, informierte ihn Humann, dass das Milet-Gesuch seinen normalen Dienstweg ginge und nunmehr die verbindliche Anfrage an den Vali gekommen sei557. Auch in diesem Brief unterließ es Humann nicht, Magnesia zu erwähnen, wo sie hoffentlich »noch etwas buddeln« werden könnten, wofür er schon bei Hamdi Bey die nötigen Schritte unternehmen wolle. Wenn Kekulé vor Ort sei, könne man gemeinsam »in Milet … Dispositionen treffen.« Außerdem verdeutlicht dieser Brief noch einmal die Relevanz eines Geländeplans für Grabungsgesuche, da er Kekulé auch mitteilte, dass den Franzosen auferlegt worden sei, »zunächst die Carte von Didymi« einzureichen, so dass sie »schwerlich im Frühjahr graben können.«
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Schulte a. O. (Anm. 547) 143 295D. R. Kekulé an C. Humann, 26.8.1894, SMB/AS, Mil1. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 145 296D.
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Bei diesem Treffen der Direktoren im Mäandertal konnte sich Humann offenbar schließlich nicht durchsetzen. Wahrscheinlich erschien Kekulé eine Grabung in Milet immer noch als ein zu großes finanzielles Risiko, und es musste ein Kompromiss gefunden werden, der beide Seiten zufrieden stellte.
2.3.4. Plan B: Priene Die ›Pattsituation‹ im Mäandertal zwischen Reinhard Kekulé und Carl Humann im Herbst 1894 führte zu dem Kompromiss, dass Humann eine Ausgrabung von Priene558 anstelle von Milet oder einer Fortsetzung der Arbeit in Magnesia angehen sollte, wobei diese Entscheidung wohl im persönlichen Gespräch zwischen den beiden fiel und daher die letztendlich ausschlaggebenden Gründe nicht bekannt sind. Theodor Wiegand überlieferte in der Einleitung der PrienePublikation nur den ersten Satz des heute verlorenen Grabungstagebuches von Priene, wonach am 29. Oktober 1894 Kekulé und Humann auf der Rückreise von Milet nach Sokia einen Abstecher nach Priene machten und dort vom »Reichthum und der Feinheit der dortigen Ruinen« überrascht waren559. Priene, eine weitere aus den antiken Quellen gut bekannte ionische Stadt, liegt Milet gegenüber auf der Nordseite des Mäandertals auf einem Geländeabsatz des Mykale560-Gebirges. Richard P. Pullan hatte dort 1868/69 im Auftrag der englischen Society of Dilletanti an der Stelle des aus antiken Quellen bekannten Athenatempels561 gegraben und dort figürliche Reliefs aus architektonischem Zusammenhang gefunden562. Das Stadtgebiet ist wesentlich kleiner als das von Milet und zudem scharf durch steil abfallende Geländekanten begrenzt. Diese geographische Gegebenheit erlaubte es, den Aufwand einer Ausgrabung im Vorhinein einzuschätzen und erleichterte außerdem den Abtransport von Grabungsabraum, wodurch die Kosten für eine Ausgrabung an diesem Ort zusätzlich im Rahmen gehalten werden konnten.
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Zu Topographie und Geschichte vgl. RE S IX (1962) 1181–1221 s. v. Priene (G. Kleiner); DNP X (2001) 310–314 s. v. Priene (F. Rumscheid); Forschungsgeschichte: DNP 15,2 (2002) 559– 567 s. v. Priene (F. Rumscheid); allgemein: M. Schede, Ruinen von Priene. Eine kurze Beschreibung (Berlin 1934), F. Rumscheid, Priene. Führer durch das »Pompeji Kleinasiens« (Istanbul 1998); W. Raeck, Priene, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 315–324; W. Raeck, Spaten und Steuergelder. Deutsche Traditionsgrabungen im Wandel der Interessen von Wissenschaft un Öffentlichkeit, in: S. Altekamp – M. R. Hofter – M. Krumme (Hrsg.), Posthumanistische Klassische Archäologie. Historizität und Wissenschaftlichkeit von Interessen und Methoden. Kolloquium Berlin 1999 (München 2001) 39-47. Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 1. RE XVI 1 (1933) 1003 f. s. v. Mykale 2 (J. Keil). Heute Dilek Dağları oder Samsun Dağı. 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 378–385. The Society of Dilletanti (Hrsg.), Antiquitites of Ionia 4 (London 1881).
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Diese überschaubare Aufgabe trug beiden Seiten Rechnung: Humann erlangte eine auf mehrere Jahre angelegte Stadtgrabung, die keine aufwendigen Reisen notwendig machte, und für die Berliner Museen blieb die Aufgabe finanziell kalkulierbar. Die archäologischen Vorarbeiten an diesem Ort erlaubten einen direkten inhaltlichen Anschluss der Ergebnisse an den schon in Pergamon und Magnesia erlangten Kenntnisstand563, wobei ein Brief Friedrich Hiller von Gaertringens vom 5. Januar 1895 noch einmal die Vorteile für Humann benannte und die Erwartungshaltung der Historiker zusammenfasste564: Die »wahrscheinlich völlig gesunde und trockene Lage« des Ausgrabungsplatzes ermögliche Humann, anders als in Magnesia und Ephesos, eine »Tiefgrabung«, die zum »ersten Male altjonische Kultur mit Architektur, Skulptur, Terrakotten und Vasen und last not least Inschriften« erbringen könnte565. Gleichzeitig verwies Hiller von Gaertringen auf Forschungsfragen, die im Umland zu klären wären, nämlich der Grenzverlauf zwischen den Territorien von Priene und den angrenzenden Poleis Samos, Magnesia und Ephesos, sowie die wünschenswerte Entdeckung des gemeinsamen Heiligtums der Ionier, des Panionions566. Eine Ausgrabung an diesem Platz wäre also eine Lösung, mit der sowohl der auswärtige Direktor, als auch sein Berliner Vorgesetzter leben könnten. Kurzerhand fertigte Humann im November 1894 den erforderlichen Geländeplan Prienes an und reichte im Dezember den Antrag auf die Grabungsgenehmigung ein567. Die Grabung568 begann im Herbst 1895 und war gleichzeitig auch die erste Bewähungsprobe für Wiegand, der Humann assistieren sollte: Kekulé reiste im Herbst des Jahres zum Beginn der Ausgrabungen in Priene über Athen an und wollte dort eigentlich seinen Schüler Hans Schrader569 zur Unterstützung Humanns gewinnen. Doch dieser war durch eine größere Arbeit gebunden und der erste Plan war, dass ihn bis zu ihrer Beendigung Wiegand in Priene vertreten sollte570. 563
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Vgl. etwa die Kontroverse um die Rekonstruktion und Datierung des figürlich verzierten Altars des Athenatempels: In Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 559) 120–126 war der Altar langrechteckig und niedrig rekonstruiert, während bei A. von Gerkan, Der Altar des Athenatempels in Priene, BJb 129, 1924, 15–35 eine Form rekonstruiert wurde, die dem Pergamonaltar entsprach. Erst neuere Untersuchungen, J. C. Carter, The Sculpture of the Sanctuary of Athena Polias at Priene (London 1983) 181–209, bestätigten dann wieder die Schrader‹sche Rekonstruktion. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 161 340D. Tatsächlich erwies sich das an diesem Ort gelegene Priene als eine hellenistische Neugründung; die Lage der archaischen Polis ist bis heute nicht positiv geklärt. 1906 behandelte dann Wilamowitz diese Fragen zusammenfassend auf der Grundlage der Forschungsergebnisse aus historischer Sicht: U. von Wilamowitz-Moellendorff, Panionion, SBBerlin 1906, 38–57. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 559) 1. Grabungspublikationen: Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904); F. Hiller von Gaertringen (Hrsg.), Inschriften von Priene (Berlin 1906); K. Regling, Die Münzen von Priene (Leipzig 1921). P. Hommel, Hans Schrader. 1869–1948, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 170–172. Watzinger 1944, 64 f.
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Von der ersten Kampagne berichtete Humann im Oktober 1895 an Otto Kern und Hiller von Gaertringen, dass sie in Priene in der »glücklichen Lage« waren, nicht sofort Funde machen zu müssen, sondern »systematisch vorgehen« könnten, da die Unternehmung auf »4-6« Kampagnen angelegt war571. Es war also mit dem Kompromiss Priene tatsächlich gelungen, eine umfassendere Stadtgrabung auf den Weg zu bringen, bei der Humann auf eine Weise graben konnte, die ihm wissenschaftlich angemessen erschien. Tatsächlich blieb das Tempelareal, das oberhalb am Rand des Ruinengeländes liegt und von Pullan schon methodisch höchst fortschrittlich (Erste Ausgrabung nach einem Netz) ausgegraben worden war572, zunächst unangetastet und wurde erst 1897 gereinigt573. Schon während der ersten Kampagne verschlechterte sich Humanns Gesundheitszustand, so dass er selbst die Arbeiten nicht mehr leiten konnte, und Wiegand trat allmählich an seine Stelle. Er und sein Stipendiatenkollege Schrader brachten die Arbeiten nach Humanns Tod am 12. April 1896 bis April 1899 zuende, wobei sich die umfassendere Vorgehensweise nicht änderte574: Die Grabung begann am westlichen Stadttor und verfolgte eine Straße auf die Agora zu. Gleichzeitig wurde das Gebiet zwischen dieser Straße und der südlich gelegenen Stadtmauer freigelegt, wo sich gut erhaltene private Wohnbebauung befand. Dieser Befund veranlasste Wiegand zu der bezeichnenden Bemerkung, dass hier ein ›hellenistisches Pompeii‹ gefunden worden sei575; er verband also die Grabung in Priene gedanklich mit der »Urahnin« der Stadtgrabungen. In der Folge wurde neben der Wohnbebauung und einer Reihe repräsentativer öffentlicher Gebäude auch die Stadtanlage als Ganzes576 und die Wasserversorgung577 systematisch untersucht. Daneben gingen die Ausgräber den von Hiller von Gaertringen skizzierten Fragen nach und unternahmen auch kleinere Ausgrabungen in der Umgebung; erwähnt sind Forschungen 1895 in Theben an der Mykale578 und 1897 auf der Nordseite der Mykale in Tschangly579 (Güzelçamlı). Ein letztes Kapitel der Grabungspublikation war den byzantinischen Resten gewidmet, die ebenfalls untersucht worden waren580. Auffällig ist an der Grabungspublikation, dass die Nekropolen der Stadt nur sehr summarisch abgehandelt wurden581 und im weiteren Text lediglich als Orte 571 572 573 574 575
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Schulte a. O. (Anm. 564) 163 349ChA. J. C. Carter, The Sculpture of the Sanctuary of Athena Polias at Priene (London 1983) 5–23. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 568) 3. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 568) 1–6. E. Schulte, Carl Humann. Der Entdecker des Weltwunders von Pergamon in Zeugnissen seiner Zeit 1839–1896, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 3 (Dortmund 1971) 163 349ChA. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 568) 35–56. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 568) 68–80. Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 469–474. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 26. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 469–492. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 54 f.
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erscheinen, von denen Objekte in die Stadt verschleppt worden sein könnten582. Weiterhin fällt auf, dass den in der Wohnbebauung aufgefundenen Kleinfunden in der Publikation erstmals breiter Raum eingeräumt wurde583. Ersteres hing wohl mit dem Sachverhalt zusammen, dass die Ausgräber in Priene nicht »ein einziges … archaisches Werkstück oder … vorhellenistische Vasenscherben«584 gefunden hatten, die Stadt sich also als eine hellenistische Neugründung erwiesen hatte. Infolgedessen waren auch in den Nekropolen keine archaischen Funde zu erwarten, die zur Klärung aktueller Forschungsfragen der »Vasenarchäologen« zu den Herkunftsorten ostgriechischer Keramik hätten beitragen können585. Zur Integration einer Nekropolengrabung in das umfassendere Konzept einer Stadtgrabung kam es erst in Milet, die dann unmittelbar auf Johannes Boehlaus samische Unternehmung Bezug nehmen wird (Kap. 3.2.2.). Die ausführliche Berücksichtigung von Kleinfunden aus Siedlungskontexten im Rahmen einer Grabungspublikation der Berliner Museen griff dabei sicher auf die in Pompeii entwickelten Methoden zurück, da die für kleinasiatische Verhältnisse außerordentlich gute Erhaltung der Wohnbebauung in Priene ähnlich
582 583 584 585
Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 325. 375. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 329–468. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 578) 35. Hellenistische Nekropolen waren ein eigenes Forschungsfeld, für das Edmond Pottier, Salomon Reinach und Alphonse Veyries in den Jahren 1880 bis 1882 für Kleinasien in Myrina Pionierarbeit geleistet hatten (E. Pottier – S. Reinach – A. Veyries, La nécropole de Myrina (Paris 1887)). Neben den allgemeinen Fragen und Zielsetzungen der Nekropolenforschung lag das Hauptaugenmerk der Forschung in hellenistischen Friedhöfen zu jener Zeit auf figürlichen Terrakotten (E. Pottier – S. Reinach, Terres cuites et autres antiquités trouvées dans la nécropole des Myrina (Paris 1886)). Ein Vorläufer in Griechenland waren die Ausgrabungen ab 1874 in Tanagra. Vgl dazu auch S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 118 f. Zu einem Blick auf die Akteure der Ausgrabung in Myrina vgl. H. Duchêne, Aventure archéologique et amitié épistolaire: Edmond Pottier, Salomon Reinach et les fouilles de Myrina, Journal des savants 2, 2002, 379–440. Die deutsche altertumswissenschaftliche Feldarchäologie nahm erst in den Jahren 1898 bis 1902 mit der Nekropole von Kôm-Esch-Schukafa bei Alexandria, Ägypten, die systematische Ausgrabung eines nachklassischen (ptolemäischen) Friedhofs im Rahmen einer größeren Forschungsunternehmung in Angriff (Th. Schreiber, Die Nekropole von Kôm-Esch-Schukafa, Expedition Ernst von Sieglin. Ausgrabungen in Alexandria 1 (Leipzig 1908)). Diese Untersuchung fand im Rahmen der ‚Ernst von Sieglin-Expedition‹ statt, die ab 1898 die wissenschaftliche Erforschung der archäologischen Reste in Alexandria verfolgte (Publikationsreihe: Ernst von Sieglin (Hrsg.), Expedition Ernst von Sieglin. Ausgrabungen in Alexandria: Band 1: Th. Schreiber, Die Nekropole von Kôm-Esch-Schukafa (Leipzig 1908); Band 2: Die griechisch-ägyptische Sammlung Ernst von Sieglin: 1: R. Pagenstecher, Malerei und Plastik 1, 1 (Leipzig 1923); C. Watzinger, Malerei und Plastik 1, 2 (Leipzig 1927), 2: J. Vogt, Terrakotten (Leipzig 1924), 3: R. Pagenstecher, Die Gefässe in Stein und Ton Knochenschnitzereien (Leipzig 1913); Band 3: Ausgrabungen im Königsviertel und im Sarapeion von Alexandria (angekündigt, nicht erschienen)). Der Finanzier dieser größeren Unternehmung, Ernst von Sieglin, war ebenfalls einer der privaten Finanziers der Koischen Expedition Rudolf Herzogs (R. Herzog, Vorläufiger Bericht über die archäologische Expedition auf der Insel Kos im Jahre 1902, AA 1903, 4) und das Projekt in Alexandria war über die Beteiligten Carl Watzinger und Alfred Schiff mit Friedrich Hiller von Gaertringens TheraUnternehmen verbunden.
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wie dort die eindeutige Trennung einzelner ›Hauskontexte‹ ermöglichte586. Diese Fundbedingungen erlaubten es also, mit Argumenten, die aus architektonischen Beobachtungen hergeleitet wurden, Ordnungskriterien für das Fundmaterial zu definieren. Gut vergleichbar ist hierfür die Ausgrabung des isoliert angetroffenen Rundmonumentes auf dem »Panajirdagh« in Ephesos 1897, für die Rudolf Heberdey auch die Kleinfunde vorlegte587. Der Sachverhalt selbst wies eine direkte personelle und inhaltliche Verbindung mit den unter der Leitung Hiller von Gaertringens durchgeführten Arbeiten auf Thera auf: Robert Zahn588, der auf Thera Hans Dragendorff unterstützt589 sowie eine eigene kleinere Ausgrabung geleitet hatte590, bearbeitete die Keramik aus Priene591, und Dragendorff, 1902 Direktor der Römisch-Germanischen Kommission geworden, rezipierte Zahns Ergebnisse aus Priene sofort für seine eigenen Forschungen zur Entstehung der römischen Reliefkeramik592. Die von Zahn vorgelegten Prienefunde halfen ihm dabei, die Abhängigkeiten zwischen der ›arretinischen‹ Terra sigillata und der von Alexander Conze kurz zuvor mit pergamenischen Funden bekannt gemachten593, kleinasiatischen, hellenistischen Reliefkeramik auf wesentlich breiterer Datenbasis exakter zu bestimmen. Auch die feldarchäologische Community jener Jahre sah einen engeren Zusammenhang zwischen diesen beiden Unternehmungen, was sich darin zeigte, dass Conze 1904, als zeitgleich die Grabungspublikationen von Magnesia, Priene und der dritte Band der Thera-Reihe erschienen, im Archäologischen Anzeiger explizit auf diesen Sachverhalt hinwies594. In den genannten Ausgrabungsunter586
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Vgl. dazu die Erläuterung Alexander Conzes in: Archäologische Funde im Jahre 1896, AA 1897, 70 f.: »Was ein so viel älteres »Pompeji« für unsere Kenntnis bedeutet, liegt auf der Hand. Der Horizontaldurchschnitt, um sich so auszudrücken, der durch die eine und die andere Stadt, Pompeji und Priene, durch Zerstörung und Verschüttung hergestellt ist, so daß von den Bauten nur das unterhalb Befindliche aufrecht geblieben ist, verläuft allerdings in Priene bedeutend niedriger, als in Pompeji. Mehr noch als in Pompeji bedarf es in Priene eines sachkundigen Auges um zu sehen was einst war. Wir vertrauen der mit Analogien arbeitenden Untersuchung, daß sie darin weit kommen wird, wenn auch nicht so hoch in der Rekonstruktion der Bauten hinauf, wie es in der Vesuvstadt immer mehr gelingt.« R. Heberdey, Der Rundbau auf dem Panajirdagh. Kleinfunde, in: O. Benndorf (Hrsg.), Forschungen in Ephesos, FiE 1 (Wien 1906) 167–180. Robert Zahn war darüber hinaus wie Friedrich Hiller von Gaertringen, Wilhelm Dörpfeld, Adolf Furtwängler und Johannes Boehlau ein wichtiger Vermittler im feldarchäologischen Netzwerk, der international große Anerkennung genoss. Vgl. etwa R. M. Burrows – P. N. Ure, Excavations at Rhitsóna in Boeotia, BSA 16, 1907/08, 226. H. Dragendorff (Hrsg.), Theraeische Gräber, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902 2 (Berlin 1903) 9. Thera 3, 8–10. Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 394–448. H. Dragendorff, Provinziale Keramik, BerRGK 1, 1904 (1905), 57–59. A. Conze, Die Kleinfunde von Pergamon, AbhBerlin 1902 (1903) 22 f. A. Conze, Thera, Magnesia, Priene, AA 1904, 207. Conze setzte später auch die ab 1898 wieder einsetzende Pergamongrabung in eine gedankliche Beziehung zu den Grabungen auf Thera und in Priene: A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1.1 (Berlin 1912) 33.
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nehmungen sind die unmittelbaren zeitlichen Vorläufer der folgenden Miletgrabung hinsichtlich der wissenschaftlichen Fragestellungen und der zu ihrer Beantwortung notwendigen Methoden des Ausgrabungswesens zu sehen. Allerdings stand mit Humanns Nachfolger Wiegand ab 1897 eine neue Person an der für die eigentliche Ausgrabungsarbeit zentralen Position des auswärtigen Direktors der Berliner Museen, die erst noch beweisen musste, dass sie auch selbstständig ein größeres Grabungsunternehmen auf den Weg und zu einem erfolgreichen Ende bringen konnte.
2.3.5. 1895 – Auftritt Theodor Wiegand Mit Carl Humanns Nachfolger als auswärtigem Direktor der Berliner Museen im Osmanischen Reich begegnet im unmittelbaren Vorfeld der Ausgrabung Milets mit Theodor Wiegand595 die Person, die als Leiter der Unternehmung deren praktische Umsetzung entscheidend mitgestaltet hat. Sein Doktorvater Franz Studniczka beurteilte Wiegand 1894 in einem Empfehlungsschreiben, das Wiegands Bewerbung um ein Reisestipendium begleitete, als eher ungeeignet für eine akademische Laufbahn; als Beamter an einem kleineren deutschen Museum könne er sich ihn besser vorstellen596. Trotz dieser Prognose war es Wiegand aber am Ende seines Lebens als einem der letzten Vertreter des Faches gelungen, den gesamten »cursus honorum« der deutschen Feldarchäologie, vom einfachen Reisetipendiaten über Stationen in der Hierarchie der Berliner Museen bis hin zum Präsidenten des DAI, zu durchlaufen und als einer der prominentesten Ausgräber seiner Generation in die Wissenschaftsgeschichte einzugehen. Vor diesem sachlichen Hintergrund entsteht in der späteren biographischen Literatur zu Wiegand zu Recht das Bild eines effektiven und erfolgreichen Wissenschaftsorganisators, aber zum Verständnis der Abläufe und Bedingungen einer bestimmten Ausgra595
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Zur Person: K. Bittel, Theodor Wiegand. 1864–1936, in: Archäologenbildnisse 154 f.; C. Watzinger, Theodor Wiegand. Ein deutscher Archäologe (München 1944); G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970); Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) – Die Verfasserin dieser Publikation ist Silke Wenk, sie umfasst die Kapitel »Theodor Wiegand – Chronik«, 2–39, »Die Arbeit eines deutschen Archäologen an der Modernisierung des antiken Ideals. Theodor Wiegand und die Funktion der Antike vom Kaiserreich bis zum deutschen Faschismus«, 41–56, und eine chronologische Liste der Veröffentlichungen Wiegands, 56 f.; S. Wenk, Geheimrat Dr. Theodor Wiegand und die Deutsche Bank. Notizen zum Verhältnis von Klassischer Archäologie, Architektur und Imperialismus an der Wende zum 20. Jahrhundert, Hephaistos 7/8, 1985/1986, 179–190; J. Althoff, Ein Meister des Verwirklichens. Der Archäologe Theodor Wiegand, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 135–159; J. Cobet, Theodor Wiegand – Das Osmanische Reich und die Berliner Museen, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 346–353. Watzinger 1944, 56.
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bung trägt ein resumierender Blick nicht viel bei, denn am Beginn der Ausgrabung Milets war Wiegand eben nicht der gesellschaftlich fest etablierte, einflussreiche und souveräne Organisator großer feldarchäologischer Projekte, sondern zunächt einmal nur ein junger Wissenschaftler unter vielen, den eher der Zufall in diese Position gebracht hatte. Daher spielen die vor und in dieser Zeit entstandenen Zeugnisse eine entscheidende Rolle und müssen in ihrer zeitlichen Abfolge exakt rekonstruiert und bewertet werden. Obwohl Humann im April 1896 verstorben war, sollte es bis zum 1. Oktober 1897 dauern, bevor Wiegand auf zwei Jahre zunächst zum kommissarischen Direktor der Außenstelle der Berliner Museen ernannt wurde597. Die endgültige Ernennung erfolgte sogar erst im April 1899598. Man beobachtete den neuen Mann offenbar sehr genau und holte auch die Meinung Dritter über seine Arbeit ein599, wie ein Brief Otto Benndorfss vom 4. Oktober 1897 an Richard Schöne600 zeigt, aus dem Carl Watzinger die positive Einschätzung der Eignung Wiegands für die neue Position in einem längeren wörtlichen Zitat wiedergibt601. Parallel zur Grabungsarbeit in Priene war Wiegand als kommissarischer Direktor zunächst hauptsächlich gehalten, die administrative Vorbereitung der neuen Grabung voranzutreiben. Neben dem Antrag auf eine Grabungsgenehmigung für Milet gehörte dazu die Erlangung einer Fundteilungsvereinbarung, und im Winter 1897/98 reiste Wiegand zur Erledigung dieser Aufgaben nach Konstantinopel. Der Antrag auf Grabungsgenehmigung stellte offenbar kein größeres Problem dar602: Das Unterrichtsministerium sandte das Humann’sche Gesuch wieder auf den Verwaltungsweg603, und Wiegand konnte nach zwei Monaten die Genehmigung in Empfang nehmen. Aber der Fall der Fundteilungsvereinbarung lag naturgemäß anders, denn dabei handelte es sich nicht um einen normalen Verwaltungsakt, sondern um eine politische Einflussnahme auf diplomatischer Ebene, die außerhalb der unmittelbaren Möglichkeiten der Archäologen lag. Rein597 598 599
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Watzinger 1944, 75 f. Watzinger 1944, 90. Bei der ersten Kampagne in Milet 1899 war dann Theodor Macridy Bey, der langjährige »conservateur« an den Ottomanischen Museen, der erste Regierungsvertreter: Watzinger 1944, 109. Auch die osmanische Seite beobachtete offenbar die Situation. Richard Schöne und Otto Benndorf waren seit einer in den Jahren 1864 bis 1868 in Italien und Griechenland gemeinsam verbrachten Zeit enge Freunde und hatten auch andere Personalentscheidungen untereinander beraten: L. Pallat, Richard Schöne. Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Kunstverwaltung 1872 – 1905 (Berlin 1959) 24–35, Austausch der Beiden über die Berufung Reinhard Kekulés als Direktor der Antikenabteilung: 220 f. Watzinger 1944, 76. Watzinger 1944, 80 f. Vgl. für eine Einschätzung der tendenziösen Darstellung Watzingers die Beschreibung des administrativen Prozederes anhand osmanischer Archivalien für das Beispiel der Unternehmung in Trysa bei H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik (Wien 2005) 275–293. bes. 277–282: Beitrag Şule PfeifferTaş, Osmanische Belege zur Erwerbungsgeschichte der Bauskulpturen des Heroons von Trysa.
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hard Kekulé setzte nun Wiegand, der sich als kommissarischer Direktor keineswegs in einer gesicherten Position befand, darauf an, beim deutschen Kaiser, der 1898 anlässlich seiner zweiten Orientreise604 Konstantinopel besuchte, wenn möglich persönlich Werbung zu machen, was auch gelang605. Auf diese Weise hoffte Kekulé offenbar, endlich seinen langgehegten Wunsch nach einer diplomatischen Garantie auf Funde aus den Grabungen zu realisieren606. Direktor Humann hatte in der Vergangenheit diplomatische Einmischungen in seine Arbeit erfolgreich abwehren können607, und auch der seit 1897 amtierende deutsche Botschafter stand dem Plan ablehnend gegenüber608. Doch Wiegand konnte sich offenbar dem Anliegen Kekulés nicht entziehen und so kam es dazu, dass es den beiden ein Jahr und einige diplomatische Verwicklungen später tatsächlich gelungen war, den Sultanserlass zur Fundteilung zu erwirken609. Wahrscheinlich erklärt sich aus diesen Ereignissen auch der Umschwung in Kekulés Meinung bezüglich einer Ausgrabung in Milet610, die er ja noch 1894 nicht beginnen wollte: Die persönliche Anwesenheit des Kaisers im Osmanischen Reich war eine günstige Gelegenheit und Milet durch die administrativen Vorarbeiten Humanns der einzige Grabungsplatz von Rang, der in kurzer Zeit sicher und ohne zusätzlichen Aufwand zu erlangen war: Die Franzosen Bernard Haussoullier und Edmond Pontremoli hatten zwar nur in den Jahren 1895 und 1896 tatsächlich in Didyma gegraben611, aber erst 1902 erfuhren die Deutschen indirekt, dass die französischen Archäologen die Weiterführung der Grabung endgültig aufgegeben hatten612. Es ist anzunehmen, dass Kekulé sich mit der Erlangung der Fundteilungsvereinbarung auch einen größeren Einfluss gegenüber dem auswärtigen Direktor si604
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L. Petersen, Die Orientreise des deutschen Kaisers 1898 und die Ausgrabungen in Baalbek, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 398–409 m. weiterführender Literatur. Watzinger 1944, 84–86. Anhang A.3. E. Schulte, Chronik der Ausgrabung von Pergamon 1871–1886, Schriften der HermannBröckelschen Stiftung 2 (Dortmund o. J. [1963]) 146 f. 355D: C. Humann an R. Schöne, 19.12.1885: »Auf eine Deutsche Consular-Agentur in Pergamon thun wir wohl am besten, zu verzichten aus Mangel an einer geeigneten Persönlichkeit. Ich fürchte, der Agent wird nur zu einer Last mehr, und Verantwortlichkeit nimmt er Einem doch keine ab, so wenig wie ein Consul. Man verläßt sich hier im Oriente am besten stets auf sich selbst.« Watzinger 1944, 89. Watzinger 1944, 89–91. Anders Watzinger 1944, 75: »Es kam hinzu, daß bei Kekule das Interesse an dem PrieneUnternehmen etwas erkaltet war; er wollte möglichst bald eine neue große Grabung in Milet beginnen, von der er sich eine besondere Bereicherung der Museen durch Denkmäler altionischer Kunst erhoffte.« B. Haussoullier – E. Pontremoli, Didymes. Fouilles de 1895 et 1896 (Paris 1904). Watzinger 1944, 119. Anders Wiegand in TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22: »Nachdem die Franzosen über ein Jahr lang die Arbeit ruhen liessen, nachdem ferner Priene der Vollendung entgegen ging, war kein Grund mehr, Milet hinauszuschieben & ich erhielt den Auftrag, mich nach Constantinopel zu begeben und den Firman zu extrahieren.« Der erste Band von Wiegands persönlichem Tagebuch ist eine nachträglich verfasste kontinuierliche Erzählung.
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chern wollte, um Eigenmächtigkeiten wie zu Humanns Zeiten von vornherein zu minimieren. Allerdings erwies sich Wiegand, je mehr er in seine neue Funktion hereinfand, als mindestens ebenso schwer zu kontrollierender auswärtiger Direktor wie sein Vorgänger. Schon bei den persönlichen Verhandlungen über Wiegands Stellung als Nachfolger Humanns kam es zu Verstimmungen zwischen den beiden613 und Wiegand hatte im September 1897 noch nicht einmal die offizielle Ernennung zum kommissarischen Direktor in den Händen, als er schon Sondierungen für eine Fortsetzung einer Grabung Humanns auf Samos unternahm, für die Friedrich Sarre, ein Schwiegersohn Humanns, finanziell aufkommen wollte (Vgl. zu Wiegand und Samos Kap. 3.4.3.1.)614. Neben den administrativen Vorarbeiten waren auch vor Ort praktische Probleme zu lösen. Konkret war das Ruinengelände Milets zu entwässern und da Wiegand nicht über Humanns Kompetenzen verfügte, der ähnlich schwierige Bedingungen des Terrains schon in Ephesos und Magnesia erfolgreich bewältigt hatte, wurden Wiegand 1898 der Spezialist für antike Wasserversorgung, Georg Weber, und zwei Direktoren des deutschen Eisenbahnbaus im Osmanischen Reich für die Planung der Entwässerung des Ausgrabungsgebietes in Milet an die Seite gestellt615. Geradezu unentbehrlich für den neuen Direktor war auch von Anfang an der langjährige griechische Mitarbeiter Humanns, Athanasios Apergis. Deutlich wird dies daran, dass Wiegand sich heftig gegen den Versuch Otto Benndorfs wehrte, Apergis für die Ephesosgrabung abzuwerben616. Der Vorarbeiter leitete in dieser Übergangszeit den Bau des neuen Grabungshauses für Milet617 und konstruierte für den Fundtransport in Priene spezielle Gefährte, nachdem erste Transportversuche gescheitert waren (Ausfürlich zu Apergis vgl. Kap. 3.4.2.)618.
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Watzinger 1944, 75. Watzinger 1944, 76 f. 155. Watzinger 1944, 108 f. Die in Milet angelegten Entwässerungsgräben sind in P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906) eingetragen. Watzinger 1944, 72. Watzinger 1944, 104. Watzinger 1944, 88.
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Damit waren vor Ort die grundlegenden Voraussetzungen für die folgende Grabung619 geschaffen und bevor diese Unternehmung ausführlich besprochen wird, soll es nun zunächst darum gehen, welches historische Vorwissen Milet für die Altertumswissenschaftler eigentlich interessant machte.
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Im Herbst 1898 kam auch der schwedische Fotograf Guillaume Berggren, der ein Atelier in Konstantinopel hatte, nach Milet, um »eine Reihe wohlgelungener Bilder von Priene und Milet« aufzunehmen (TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22.). Offenbar war den Ausgräbern daran gelegen, den Zustand der Ruinen vor der Ausgrabung zu dokumentieren.
3. MILET
3.1. Ein Sehnsuchtsort der Altertumswissenschaften Milet620 (Taf. 3) war eine reiche Handelsstadt in der archaischen Zeit und gründete eine Vielzahl von Kolonien hauptsächlich in der Propontis und am Schwarzen Meer621. Aus dieser Polis stammten die drei ältesten vorsokratischen Philosophen622 Thales623, Anaximander und Anaximenes624, so dass Milet als »Geburtsort des abendländischen Denkens« und der auf Naturbeobachtung beruhenden, empirischen Wissenschaften angesehen wird625. Für die europäische Geistesgeschichte ist Milet daher ein bedeutender Topos626, wenn auch nicht so sehr wie das perikleische Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. einer breiteren Öffentlichkeit in Erinnerung. In der antiken griechischen Geschichtsschreibung nimmt Milet für die archaische und – mit Einschränkungen – klassische Zeit eine Schlüsselstellung ein. 620
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Aktuelle Bibliographie: N. Ehrhardt – H. Lohmann – B. F. Weber, Milet. Bibliographie vom Beginn der Forschungen im 19. Jahrhundert bis zum Jahre 2006, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 745–788. Zur Geschichte Milets: RE XV 2 (1932) 1586–1622 s. v. Miletos 1 (F. Hiller von Gaertringen); DNP VIII (2000) 170–180 s. v. Miletos 2 (J. Cobet – V. von Graeve – F. Starke); V. B. Gorman, Miletos, the ornament of Ionia. A history of the city to 400 B. C. E. (Ann Arbor 2001). Zur Forschungsgeschichte: DNP XV 1 (2001) 420–431 s. v. Milet (V. von Graeve). Allgemein: G. Kleiner, Die Ruinen von Milet (Berlin 1968), A. M. Greaves, Miletos. A history (London 2002); V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 241–261. N. Ehrhardt, Milet und seine Kolonien. Vergleichende Untersuchung der kultischen und politi2 schen Einrichtungen (Frankfurt 1988). DNP VIII (2000) 169 f. s. v. Milesische Schule (I. Bodnár). RE V A 1 (1934) 1210–1212 s. v. Thales 1 (W. Nestle); RE S X (1965) 930–947 s. v. Thales 1 (C. J. Classen); DNP XII,1 (2002) 236–238 s. v. Thales (G. Belegh); G. Wöhrle (Hrsg.), Die Milesier: Thales, Traditio Praesocratica. Zeugnisse frühgriechischer Philosophie und ihres Fortlebens 1 (Berlin 2009). RE I 2 (1894) 2085 s. v. Anaximandros 1 (E. Wellmann); RE S XII (1970) 30–69. 1355 s. v. Anaximandros (C. J. Classen); DNP I (1996) 672 f. s. v. Anaximander (I. Bodnár); RE I 2 (1894) 2086 s. v. Anaximenes 2 (E. Wellmann); RE S XII (1970) 69–71 s. v. Anaximenes 1 (C. J. Classen); DNP I (1996) 673 s. v. Anaximenes (I. Bodnár); G. Wöhrle (Hrsg.), Die Milesier: Anaximander und Anaximenes, Traditio Praesocratica. Zeugnisse frühgriechischer Philosophie und ihres Fortlebens 2 (Berlin 2011). E. Heitsch, Ionien und die Anfänge der griechischen Philosophie, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 701–712. z. B. spielt Milet neben anderen griechischen Orten eine symbolhafte Rolle in den Werken Christoph M. Wielands. Vgl. etwa J.-D. Müller, Wielands späte Romane. Untersuchungen zur Erzählweise und zur erzählten Wirklichkeit (München 1971) 127.
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MILET
Der ›Vater der Geschichtsschreibung‹ Herodot ist hierfür die bedeutendste Quelle627. Als mächtigste Stadt Ioniens führten Milesier den Aufstand dieser Region gegen das Persische Großreich an628. 494 v. Chr. brach der Aufstand zusammen, und Milet wurde laut Herodot zerstört, die Bevölkerung versklavt und vom Ort fortgeführt629. Die Athener, die sich ebenfalls als Ionier sahen, hatten zur Unterstützung des Aufstandes Kriegsschiffe ausgesandt. Dieser Umstand diente als Vorwand für den ersten persischen Feldzug gegen Griechenland630, der bekanntlich mit der Niederlage der Perser bei Marathon 490 v. Chr. endete631. Milet konnte die alte Größe nach dieser Zäsur nicht wieder erlangen, war aber spätestens seit dem Hellenismus erneut eine bedeutende überregionale Größe, obwohl die zunehmende Verlandung der Meeresbucht632, in der Milet halbinselartig lag, eine Seeanbindung der Stadt zunehmend behinderte. Alexander der Große belagerte 334 v. Chr. die unter persischer Kontrolle stehende Stadt633. In byzantinischer Zeit war Milet Bischofssitz634 und im 15. Jahrhundert Hafen und Sitz des seldschukischen Herrschergeschlechtes von Menteşe aus Milas635, das dort intensive Beziehungen mit den Venezianern unterhielt. Neben den genannten historischen Personen und Sachverhalten verbanden die Altertumswissenschaftler mit Milet auch den Stadtplaner Hippodamos636, der aus dieser Stadt stammen soll. Aristoteles hatte Hippodamos als Erfinder des nach
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Vgl. die bei RE XV 2 (1932) 1586–1622 s. v. Miletos 1 (F. Hiller von Gaertringen) zusammengetragenen Quellen. J. Cobet, Das alte Ionien in der Geschichtsschreibung, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 729–743. Hdt. 5. bes. 5, 23–38. Hdt. 6, 18–21. Die moderne Forschung hat diese von Herodot geschilderte Entvölkerung Milets relativieren können. Vgl. J. Cobet, Milet 1994–1995. Die Mauern sind die Stadt. Zur Stadtbefestigung des antiken Milet, AA 1997, 262–263; N. Ehrhardt, Milet nach den Perserkriegen: Ein Neubeginn?, in: E. Schwertheim – E. Winter (Hrsg.), Stadt und Stadtentwicklung in Kleinasien, AMS 50 (Bonn 2003) bes. 7–11. Hdt. 5, 105. Hdt. 6, 103–120. M. Müllenhoff, Geoarchäologische, sedimentologische und morphodynamische Untersuchungen im Mündungsgebiet des Büyük Menderes (Mäander), Westtürkei, Marburger Geographische Schriften 141 (Marburg 2004). J. Cobet, Milet 1994–1995. Die Mauern sind die Stadt. Zur Stadtbefestigung des antiken Milet, AA 1997, 268–269; V. von Graeve, Die Belagerung Milets durch Alexander den Grossen, in: A. Avram – M. Babeş (Hrsg.) Civilisation greque et cultures antiques périphériques. Hommage à Petre Alexandrescu à son 70e Anniversaire (Bukarest 2000) 113–129. W. Müller-Wiener, Milet 1976–1986. Ergebnisse aus 10 Jahren Ausgrabungstätigkeit, AW 19/4, 1988, 31–42. P. Wittek, Das Fürstentum Mentesche. Studie zur Geschichte Westkleinasiens im 13.–15. Jahrhundert (Istanbul 1943). RE VIII 2 (1913) 1731–1734 s. v. Hippodamos 3 (E. Fabricius); DNP V (1998) 582 f. s. v. Hippodamos (C. Höcker).
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ihm benannten ›hippodamischen‹ Systems637 bezeichnet638. Wichtigster Aspekt dieses stadtplanerischen Konzeptes639 waren orthogonale Straßenzüge und gleichmäßig große Grundstücke, die ›insulae‹. Gesichert war, dass Hippodamos die Stadtanlagen des Athener Piräus um 450 v. Chr. und von Thurii in Süditalien 445/44 v. Chr. nach diesem System geplant hatte. Die Überlieferung des Herkunftsortes des Hippodamos’ und das Wissen um die persische Zerstörung Milets konnte bei den Wissenschaftlern die Vorstellung hervorrufen640, dass mit einer Ausgrabung Milets vielleicht in den Überresten des Wiederaufbaus nach der Perserzerstörung der ›ursprüngliche‹ hippodamische Entwurf einer griechischen Stadtanlage zu Tage treten könnte. Der Ort selbst war in der Neuzeit nie gänzlich unbewohnt, und als Carl Humann 1891 dort mit Geländeaufnahmen begann, existierte an dieser Stelle ein türkisches Dorf namens Balat, und die Identifizierung dieses Ortes mit der Lage des antiken Milets war nicht in Frage gestellt. Zwar existierte mit der mächtigen Theaterruine eine beeindruckende Landmarke641, doch ein Großteil des Geländes war entweder meterhoch mit Schwemmerde bedeckt oder aber versumpft und stand mehrere Monate des Jahres unter Wasser. Hinzu kam das weitläufige Dorf, das sich mitten im Ruinengelände befand (Taf. 3) und zusammenhängende Flächenausgrabungen erschwerte. Die schwierigen Bedingungen des Terrains, die lange spätere Siedlungskontinuität und das Wissen um die persische Zerstörung des Ortes stellten vor Beginn der Ausgrabungen auch eine befriedigende Aufklärung der Zustände der »großen« Zeit Milets vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. infrage. Darüber hinaus hatte zwar eine Expedition Olivier Rayets 1872 museumstaugliche Großplastik an diesem Ort angetroffen und in den Louvre verbracht, doch erscheint auch eine systematische Ausbeutung dieses Platzes auf der Suche nach Museumsstücken angesichts der Weitläufigkeit des Geländes wenig kalkulierbar. Trotz aller genannten Probleme kam es an diesem Ort zu der längsten unter der Ägide der Berliner Museen kontinuierlich durchgeführten Ausgrabung von 637
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H.-J. Gehrke, Bemerkungen zu Hippodamos von Milet, in: W. Schuller (Hrsg.), Demokratie und Architektur. Der hippodamische Städtebau und die Entstehung der Demokratie (München 1989) 58–63; Ch. Triebel-Schubert – U. Muss, Hippodamos von Milet. Staatstheoretiker oder Städteplaner, Hephaistos 5/6, 1983, 37–60. Aristot. Ath. pol. 2, 8; 7, 11. Vgl. K.-J. Krause, Raumplanung im griechischen Altertum, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 82 (Dortmund 1998) 10–17; W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen in der Antike (München 1988) 184–191. 1898, also unmittelbar vor dem Beginn der Miletgrabung griff Theodor Schreiber das Thema Hippodamos wieder auf: Th. Schreiber, Vorbemerkungen zu einer Typologie der hellenistischen Stadtgründungen, in: Beiträge zur Alten Geschichte und Geographie. Festschrift Heinrich Kiepert (Berlin 1898) 333–348. Schon Cyriacus von Ancona, der frühe Forschungsreisende (Vgl. E. W. Bodnar – C. Foss, Cyriac of Ancona. Later Travels (Harvard 2003)), hatte 1446 die Ruinenstätte Milets besucht und insbesondere das Theater beschrieben: E. Ziebarth, Cyriacus von Ancona als Begründer der Inschriftenforschung, Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur 5, 1902, 221 f.
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15-jähriger Dauer. Für den langjährigen späteren Leiter der Miletgrabung, Volkmar von Graeve, bestand »kein Zweifel«, dass dieses Vorkriegsunternehmen dem archaischen »Großmilet«642 galt, während sein Vorgänger in diesem Amt, Wolfgang Müller-Wiener, davon ausging, dass Theodor Wiegand hoffte, »ähnlich wie in Priene, eine hellenistische Stadt auszugraben«643. Diese beiden gegensätzlichen Meinungen zweier in der Sache kompetenter Wissenschaftler zeigen eindrucksvoll die Schwierigkeiten einer adäquaten Beurteilung dieser Vorkriegsunternehmung. Beiden gemeinsam ist aber eine Reduzierung der Akteure der alten Grabung auf jeweils ein angebliches Ziel ihrer Arbeiten, das aber in dieser pointierten Form weder in der einen noch in der anderen Richtung zutreffend sein kann644. Vielmehr muß den Wissenschaftlern durch ihr historisches Vorwissen und die Erfahrungen von anderen Grabungsplätzen vor Beginn der Ausgrabung klar gewesen sein, dass eine Ausgrabung in Milet äußerst verschiedenartige Funde und Befunde unterschiedlicher Zeitstellungen würde bewältigen müssen und dass dafür auch unterschiedliche Verfahren angewendet werden mussten. Diese Unwägbarkeiten erklärten die Zögerlichkeit seitens der Berliner Museen, eine Grabung an diesem Ort zu finanzieren, aber auch die Hartnäckigkeit Humanns, für den eine längerwährende Ausgrabung an diesem Ort sicher eine höchst interessante Herausforderung gewesen wäre. Was Milet letztendlich so attraktiv für eine Ausgrabung machte, war eben nicht das Interesse an einer einzigen eingeschränkten Fragestellung oder Epoche, sondern das durchaus anspruchsvolle Anliegen, einen aus der Geschichtsschreibung bekannten und berühmten Ort mit allen zur Verfügung stehenden archäologischen Mitteln möglichst umfassend in räumlicher und zeitlicher Ausdehnung zu erfassen645. Mit dieser Herangehensweise geriet die Miletgrabung der Berliner Museen zu einem der programmatischen Höhepunkte eines positivistisch-historistischen Ausgrabungswesens, bei dem die drei beteiligten altertumswissenschaftlichen Disziplinen – Historiker, Klassische Archäologen und Bauforscher – gleichberechtigt nebeneinander wirken konnten. Diese umfassende und integrierende Herangehensweise zieht sich bis in die Bände der Grabungspublikation, wo die Ergebnisse dieser drei Gruppen mit großer Konsequenz zusammengeführt wurden. Es ist daher sinnvoll, die Miletgrabung von 1899 bis 1914 in wissenschaftlicher Hinsicht als eine gemeinaltertumswissenschaftliche Unternehmung zu begreifen und es ist das Verdienst Theodor Wiegands, dass er als Nachfolger Humanns die zur gedeihlichen Gestal-
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V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 241. W. Müller-Wiener, Milet 1976–1986. Ergebnisse aus 10 Jahren Ausgrabungstätigkeit, AW 19/4, 1988, 31. A. Rumpf, Zu den Klazomenischen Denkmälern, JdI 48, 1933, 56: »Th. Wiegands alle Perioden gleichmäßig berücksichtigenden Grabungen haben in Milet, in Didyma und am Kap Poseidonion archaische Reste ergeben …« Watzinger 1944, 116 f. schreibt diesen Gedanken im Nachhinein Theodor Wiegand zu.
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tung dieser kooperativen Unternehmung notwendige Moderation offenbar erfolgreich gemeistert hat.
3.2. Die Grabung 1899 bis 1914 Für den Zeitgenossen Adolf Michaelis »sicherte« die Ausgrabung Milets Theodor Wiegand »den ersten Platz unter den Ausgräbern neuester Zeit«646, während 1953 für Andreas Rumpf Wiegands Miletgrabung »eine Mahnung dafür« war, dass »man allzu weit ausgreifende Aufgaben nicht ungestraft in Angriff nimmt«647. Sein Biograph Carl Watzinger bezeichnete explizit »Didyma und Pergamon«648 als die Höhepunkte seines Lebenswerkes und erwähnte Milet in seinen resümierenden Schlussworten nur am Rande. Es konnte gezeigt werden, dass der neuerliche Anlauf zu einer Ausgrabung Milets 1898 eher eine strategische Entscheidung war, die von spezifischen äußeren Umständen abhing. Für Reinhard Kekulé stellte Milet wohl eher eine Verlegenheitslösung auf dem Weg zum lange schon bevorzugten Tempel in Didyma dar, dessen Ausgrabung Wiegand auch bei nächster Gelegenheit – die Vorarbeiten begannen ab 1903 – in die Tat umzusetzen hatte649. In der Zwischenzeit sollte der auswärtige Direktor dem Ort eine wissenschaftliche Ausgrabung angedeihen lassen, freilich möglichst auch mit dem Ziel, »Funde künstlerisch bedeutender Einzelheiten«650, wie Alexander Conze den Preis für das finanzielle Engagement der Berliner Museen bei anderer Gelegenheit beschrieb, zu erlangen. Vor Ort bestand die primäre Aufgabe zunächst darin, die von Carl Humann 1891 ermittelten Daten zur Topographie des Ortes zu verifizieren und um neue Erkenntnisse zu erweitern. Dabei bediente sich Wiegand während seines »bescheidenen« Anfangs der von Humann in Priene erlernten Vorgehensweise651: Die Grabung begann am 26. September 1899 an der Stelle einer obertägig sichtbaren Inschrift Trajans652, die eine Instandsetzung der ›Heiligen Straße‹653 von Milet zum 646 647 648 649 650 651
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A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 178. A. Rumpf, Archäologie 1, Sammlung Göschen 538 (Berlin 1953) 99 f. Watzinger 1944, 461. Watzinger 1944, 118–121. A. Conze, Archäologische Funde im Jahre 1894, AA 1895/2, 98. An dieser Stelle sei der Hinweis auf eine sehr lesenswerte »biographie romancée« erlaubt (H. A. Stoll, Götter und Giganten. Der Roman des Pergamon-Altars (Berlin 1964) 377 f.), die diesen Vorgang in ihrer Romanform unterhaltsam thematisiert. A. von Gerkan, Die Stadtmauern, Milet 2, 3 (Berlin 1935) 133 f. n. 402; R. Kekulé von Stradonitz, Vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1900, 106 f. Allgemein zu ›Heiligen Staßen‹: A. M. Greaves, The Land of Ionia. Society and Economy in the Archaic Period (Chichester 2010) 180–193. Zur Heiligen Straße zwischen Milet und Didyma: Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 547; K. B. Gödecken, Beobachtungen und Funde an der Heiligen Straße zwischen Milet und Didyma, 1984, ZPE 66, 1986, 217–253; P. Schneider, Zur Topographie der Heiligen Straße von Milet nach Didyma, AA 1987, 101-129; A. Herda, Der ApollonDelphinios-Kult in Milet und die Neujahrsprozession nach Didyma. Ein neuer Kommentar der sog. Molpoi-Satzung, MilForsch 4 (Mainz 2006); N. Ehrhardt – P. Weiss, Eine monumentale Dankesgabe: Trajans Neubau der Heiligen Straße von Milet nach Didyma, Chiron 41, 2011,
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Apollonheiligtum in Didyma anzeigte und unmittelbar vor einem Stadttor der antiken Stadt aufgestellt worden war654. Von dort aus wurde die antike Straße ins Stadtinnere verfolgt und gleichzeitig den Fundamenten der Stadtmauer nachgegraben. Zum einen sollte auf diese Weise anhand der Verkehrswege die innere Struktur der Stadt ermittelt und zum anderen der exakte Umfang des Gebietes bestimmt werden. Zugleich setzte die Grabung im Stadtgebiet auf isolierten Grundstücken ein, die zuvor erworben worden waren. Während der ersten Kampagne drückte Wiegand in einem Begleitschreiben zu den nach Berlin zu sendenden Tagebuchkopien sein Bedauern darüber aus, dass er angesichts der geringen personellen Ausstattung nicht in der Lage sei, auch Sondierungen in der Nekropole vorzunehmen, wo wohl am ehesten bedeutende Einzelfunde zu erwarten wären655. Damit ist die wesentliche Programmatik der Grabung umrissen: Milet sollte mit den Grabungskonzepten einer ›Stadtgrabung‹ und einer ›Nekropolengrabung‹ bewältigt werden. Erstere stand in der Tradition der vorherigen Ausgrabungsprojekte der Berliner Museen; sie diente der Aufklärung der Topographie des Ortes und lieferte vornehmlich Resultate in Form von Gebäuderekonstruktionen, Inschriften und Skulpturen, die den vorher erreichten Denkmälerbestand der klassischen Altertumswissenschaften bereichern konnten. Dabei durften die Wissenschaftler aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit ›Stadtgrabungen‹ in Kleinasien hauptsächlich mit Ergebnissen zur hellenistischrömischen Zeit rechnen. Auf der anderen Seite war mit der »vasenarchäologisch« verstandenen Nekropolengrabung gerade ein neues Grabungskonzept entwickelt worden, das geeignet war wissenschaftliche Fragestellungen zu Funden und Befunden der archaischen Zeit zu beantworten, die angesichts der Erwartungen der Altertumswissenschaftler an diesem Ort ebenfalls in den Griff zu bekommen waren. Zudem wurde die Nekropole beim Beginn der Ausgrabung als der aussichtsreichste Ort für die zielgerichtete Auffindung von museal bedeutsamen Objekten angesehen, was Wiegand in dem angeführten Brief explizit ausspricht. Die Nekropolengrabung in Milet trat also an die Stelle des bedeutenden Einzelmonumentes, das in Pergamon, Magnesia, Ephesos und Priene noch als Anlass für eine Durchführung von Ausgrabungen dienen musste.
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217–262. Vgl. auch N. Ehrhardt, Didyma und Milet in archaischer Zeit, Chiron 28, 1998, 11– 20. Th. Wiegand, 26.9.1899, GrTb I, 1: Die Ausgrabung begann vorm. 9 Uhr mit 18 Mann an der Stelle wo die in situ stehende Inschr. Kaiser Trajans den heiligen Weg nach Didymi anzeigt: … Hier ist offenbar schon einmal von Rayet gegraben worden. Dichtes Gestrüpp überwucherte die Trümmer, es wurde teils ausgehauen teils abgebrannt. Dadurch kam ein längerer Quadermauerzug wieder zu Tage, der ganz den Eindruck einer starken hellenistischen Stadtmauer erweckt. Alsbald zeigt sich auch an der Stelle der Inschrift ein Eingang in diesen Mauerzug. Th. Wiegand an Herr Geheimrath [R. Kekulé], 4.11.1899, SMB/AS, Mil1: »Hoffentlich bin ich bald in der Lage auch einmal über einen Fund berichten zu können, das wäre doch einmal was aufregendes. Am ehesten wäre das wohl in der Nekropolis gegangen, ich kann diese Untersuchung aber jetzt mit dem besten Willen nicht durchführen, weil wir nicht die Möglichkeit ständiger, unablässig sich ablösender Beaufsichtigung haben.«
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Diese Kombination von Grabungskonzepten ist insofern ein Novum in der Geschichte des Engagements der Berliner Museen im Osmanischen Reich, als dass sie schließlich die von Humann ursprünglich geforderte anlasslose und systematische Erforschung einer antiken Stadt zum Gegenstand hatte. Gab es in Priene mit dem Athenatempel noch ein vor der Grabung bekanntes »Feigenblatt«, an dem eine Begründung im Sinne der Interessen des Museums anknüpfen konnte, fiel in Milet auch diese letzte Bastion, denn von der archaischen Nekropole gab es nur vage Vermutungen: Olivier Rayets Expedition hatte zwar archaische Plastik angeblich in der milesischen Nekropole angetroffen656, aber Johannes Boehlau hatte im Bericht über seine Erkundungsreise 1894 schon auf das hoffnunglose Unterfangen hingewiesen, an diesem Ort in kurzer Zeit tatsächlich eine archaische Nekropole aufzufinden657. Erst mit dem nächsten Grabungsort Didyma erlangte Kekulé die Deutungshoheit über das von den Berliner Museen finanzierte Ausgrabungswesen zurück. Diesem Sachverhalt wohnt eine gewisse Tragik inne, denn auf der einen Seite setzte sich Humann am Ende vollständig gegen Kekulé durch, konnte aber die Umsetzung seiner Konzeption selbst nicht mehr erleben. Eine vergleichbar tragische Ereigniskette begegnet später auch bei Direktor Wiegand und seinem jahrelangen Engagement für eine Ausgrabung im Heraion von Samos. Es setzte 1897 etwa zeitgleich mit seiner Anstellung als kommissarischem Direktor ein und führte erst ab 1910 tatsächlich zu einer Ausgrabung an diesem Ort. Aufgrund der äußeren Umstände konnte Wiegand sie aber kaum noch persönlich begleiten (Vgl. Kap. 3.4.3.1.). In Milet verliefen die Stadtgrabung und die Nekropolengrabung parallel, wobei die Stadtgrabung offenbar eine deutlich höhere Priorität hatte. Erst im Frühjahr 1906 setzte die Nekropolengrabung in größerem Umfang – parallel zu den weiterlaufenden Arbeiten der Stadtgrabung – ein. Hierbei zeigt sich ein weiteres Novum bei den Ausgrabungen der Berliner Museen, denn in Milet leiteten Stipendiaten des DAI in sich abgeschlossene Grabungsprojekte und waren nicht nur wie bei älteren Unternehmungen für Hilfsarbeiten eingeteilt. Dieser Umstand könnte auf Wiegands und Hans Schraders Rolle in Priene zurückzuführen sein, denn dort wie auch schon bei Friedrich Hiller von Gaertringens erfolgreicher Einführung dieser Personalpolitik auf Thera hatte sich gezeigt, dass dieses Vorgehen in wissenschaftlichem Sinne erfolgreich sein konnte. Beide Untersuchungen, Stadt- (Kap. 3.2.2.) und Nekropolengrabung (Kap. 3.2.3.), erbrachten archaische Funde und Befunde, denen ein eigenes Kapitel gewidmet ist (Kap. 3.3.4.). Bei dieser Darstellung der Arbeiten liegt der Fokus nicht so sehr auf den Resultaten der Grabung, sondern eher auf den angewende656
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O. Rayet – A. Thomas, Milet et le Golfe Latmique. Tralles, Magnésie du Méandre, Priene, Milet, Didymes, Heraclee du Latmos. Fouilles et explorations archéologiques, Tafelband (Paris 1877) Taf. 21. 22 zeigen eine archaische Sitzfigur und einen liegenden Löwen, die aus der Nekropole stammen sollen. Der Textteil ging allerdings nicht näher auf die Nekropole ein. J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 5 f.
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ten Methoden, soweit sie sich aus der Grabungsdokumentation rekonstruieren lassen. Dadurch wird sich erweisen, dass der durch praktische Arbeit erreichte Wissensstand in den späteren Publikationen (Kap. 3.3.1.) nur selektiv abgebildet wurde. Im Folgenden sind zunächst einige allgemeine Aspekte der Ausgrabung vorangestellt.
3.2.1 Feldarbeit oder wie gräbt man einen Sehnsuchtsort aus? Ein Ausgräber muss eine ganze Reihe von ihm selbst nur schwer beeinflussbarer Herausforderungen bewältigen, wenn mit einer Ausgrabung wissenschaftliche Fragestellungen in befriedigender Weise beantwortet werden sollen. Die übergeordneten rechtlichen, ökonomischen und personellen Rahmenbedingungen sind in dieser Arbeit umrissen worden, und es wurde die Bewältigung der mit diesen äußeren Faktoren verbundenen Probleme für die Miletgrabung dargestellt. Bildlich gesprochen sind nun die Wissenschaftler am konkreten Ort angelangt und könnten »den Spaten ansetzen.« Aber die zu bewältigenden Herausforderungen hören nicht auf, sie verlagern sich nur auf eine eher praktische Ebene: Schon beschrieben wurde die problematische Grundwassersituation im Ruinengelände von Milet, für die eine technische Lösung gefunden werden musste. Hinzu kommen die für eine Grabung notwendigen Entscheidungen, welche Plätze innerhalb des Ruinengeländes wohl am ehesten geeignet wären, um die wissenschaftlichen Fragestellungen an diesen Ort zu beantworten, denn natürlich mußten die zur Verfügung stehenden Mittel so ökonomisch wie möglich verwendet werden. Sind diese Entscheidungen getroffen, müssen die betreffenden Grundstücke erworben werden, was langwierige Verhandlungen mit den Eigentümern notwendig macht658 und die keineswegs immer erfolgreich verliefen. Weiterhin muss für eine auf längere Dauer angelegte Untersuchung vor Ort eine Infrastruktur aufgebaut werden, die die Befriedigung der Elementarbedürfnisse der dort arbeitenden Personen sicherstellen kann (Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Kap. 3.4.4.)659. Für die Ausgrabung selbst sind Personal und Arbeitswerkzeug zu beschaffen660 und die Arbeitsabläufe genau zu planen; d. h., dass z. B. im Vorhinein die Orte zu bestimmen waren, an denen der massenhaft anfallende Grabungsabraum deponiert werden sollte, damit er weitere Arbeiten nicht behinderte661. Die Ausgra658 659
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Watzinger 1944, 109–112. Vgl. für eine informative Beschreibung der Logistik kleinerer Grabungsprojekte: A. Conze – P. Schazmann, Mamurt-Kaleh. Ein Tempel der Göttermutter unweit Pergamon, JdI Ergh. 9 (Berlin 1911) 9. Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 96–106. Vgl. die bei A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 21 f. 23 erwähnten Schwierigkeiten mit Grabungsabraum, die auch auf Thera auftraten: Thera 3, passim, etwa 5: »Aber ach, da wo das Koilon sein mußte, lag wieder eine unserer unglückseligen Schutthalden!«. Komprimierter: F. Hiller von Gaertrin-
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bungsarbeit selbst erbrachte eine Fülle von Objekten, die geordnet aufbewahrt werden mussten. Weiterhin ist ja das primäre Ziel einer Ausgrabung die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen. Daher sind auch Mittel und Wege zu finden, die Arbeiten auf eine Weise zu dokumentieren, die es erlaubt, im Anschluss die Ergebnisse in wissenschaftlich akzeptabler Form zu publizieren. Für das konkrete Beispiel Milet werden im Folgenden einige dieser methodischen Aspekte der Ausgrabungsarbeit beschrieben.
3.2.1.1. Dokumentation In seinem Beitrag zum Handbuch der Archäologie »Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung« beschrieb Theodor Wiegand im Unterkapitel »Die Methode der wissenschaftlichen Ausgrabung« auch die Art und Weise der Dokumentation von Ausgrabungsergebnissen662. Zu einer Ausgrabung gehörten demnach als elementare Grundbestandteile der Dokumentation die Führung eines wissenschaftlichen Tagebuches, von dem auf jeden Fall eine Kopie existieren musste, und ein Fundjournal, in dem Tag, Ort, Umstände des Fundes, sowie Maße, Skizze, bzw. Fotonummer verzeichnet werden sollen. Ferner waren die Fotonegative geordnet aufzuheben, Abzüge in zerlegbaren Alben aufzubewahren und ein Verzeichnis der Negative anzufertigen. Zeichnungen und Pläne sollten am Besten direkt vor Ort schon publikationsfähig ausgeführt werden, da am Platz die Kontrolle von Maßen u. ä. direkt möglich war. Im Pergamonmuseum, so teilte Wiegand im selben Beitrag an anderer Stelle mit663, gab es ein »besonderes Archiv für alle Zeichnungen, Pläne, Vermessungsblätter, Tagebücher, Photos der vom Museum ausgegangenen Ausgrabungen und Forschungsreisen in Kleinasien, Syrien, Palästina usf.« Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde das Material neu geordnet, so dass ein systematischer Zugriff auf das Dokumentationsmaterial der Miletgrabung im Archiv der Antikensammlung in Berlin wieder möglich wurde. Dort befinden sich die Originale der insgesamt sechs Haupttagebücher664, die von Milet aus im zweiwöchigen Rhythmus nach Berlin gesandten Kopien derselben, ein Sondertagebuch der Nekropolengrabung665, ca. 20 in der Mehrzahl zerlegbare Fotoalben, Pläne, Skizzen usw. Auch die epigraphische Dokumentation der Altgrabung, die Abklatsche und Scheden, blieben erhalten666. Die eher administrativen Archivalien der Miletgrabung von 1899 bis 1914 ver-
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gen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 26 f. Wiegand a. O. (Anm. 660) 103–106. Wiegand a. O. (Anm. 660) 131. SMB/AS, Mil30-35. SMB/AS, Mil17. Der genaue Titel des Bandes lautet: »Milet. Nekropole. Frühjahr 1906–«, später ergänzt um: »Kalabaktepe, Deirmentepe – Pernice, Fricken.« Die Abklatsche befinden sich heute in der Obhut der Forschungsstelle »Inscriptiones Graecae« der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die Scheden im Nachlass von Albert Rehm, der in der Bayrischen Staatsbibliothek München aufbewahrt wird.
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wahrt das Zentralarchiv der Berliner Museen667. Eine sorgfältige Sichtung dieses Dokumentenbestandes, aber auch der Vergleich mit versteuten Nachrichten über Dokumentationsmaterial in der nachgelassenen Korrespondenz der Mitarbeiter, zeigt, dass entgegen der wiederholt geäußerten Vermutung, größere Teile der vor Ort angefertigten wissenschaftlichen Dokumentation der Miletgrabung seien verloren oder vernichtet668, diese annähernd vollständig erhalten ist. Nur der Verlust der Pläne, die Erich Pernice669 (Taf. 11b) von seinen Gräben im Gebiet zwischen Kalabaktepe und Stadtmauer angefertigt hatte670, muss spätestens seit 1922 als gesichert angesehen werden, wobei die Umstände des Verlustes niemals explizit genannt werden. Armin von Gerkan671 (Taf. 11b), der zu diesem Zeitpunkt am Manuskript von Milet 1, 8 arbeitete, schrieb am 15. Februar 1922 an Wiegand: … Von den Albumblättern habe ich nur 5 zurückbehalten, da ich von den übrigen Abzüge habe; mir fehlten nur die Perniceschen Gräben … (gr. Format 267 und kl. Format 1149, keine Kenntnis über Inhalt) … Dagegen muss doch wohl jede Hoffnung aufgegeben werden, dass die Zeichnungen von den Gräben sich noch wiederfinden. Das ist schade, »und wenn’s allen so sollt’ gehen … Es ist nämlich m. E. eine ganz unmotivierte Einbusse von wissenschaftlichem Material. Knackfuss, den ich fragte, weiss wieder einmal nichts …, er hofft aber, sie seien beim »Nekropolenmaterial«, wo auch z. B. Salis’sche Skizzen sein sollen.672
Die Legenden zu diesen Plänen sind im Nekropolentagebuch erhalten Ebenfalls verloren, aber niemals offiziell Teil der Dokumentation, ist das private Feldskizzenbuch des Arnold von Salis. Im Januar 1955 erwähnte er es noch gegenüber Carl Weickert, zusammen mit einigen privaten Fotos und den Briefen an seine Eltern, als in seinem Besitz befindlich673. In seinem Nachlass war es dann aber bei Durchsicht im Jahre 2005 nicht mehr vorhanden, allerdings haben sich einige von dieser Vorlage angefertigte Negative erhalten. Die Konzentrierung der wissenschaftlichen Dokumentation der Ausgrabung am Pergamonmuseum zeigte sich auch bei der Durchsicht der Nachlässe Wiegands, von Salis’ und Hubert Knackfuss’674 (Taf. 6a, 9b), denn in ihnen fand sich hauptsächlich privates Material, das in Milet angefertigt wurde, bzw. auf den Ort Bezug nimmt. Für die folgende Beschreibung der Grabung ist noch wichtig zu 667 668
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SMB/AS, I/AS 003-020. 039-041. 046. 048. 058. W. Held, Das Heiligtum der Athena in Milet, MilForsch 2 (Mainz 2000) 3 m. Anm. 4 unter Bezugnahme auf W. Kolbe, GGA 190, 1928, 97–99. Zur Person: R. Lullies – W. Schiering, Erich Pernice. 1864–1945, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 156 f. R. Senff, Milet. Die archaische Stadt. Die Ausgrabungen in den Wohngebieten und den städtischen Heiligtümern 1899 – 2001. Baugeschichte und Stratigraphie (unpublizierte Habilitationsschrift Ruhr-Universität Bochum 2002) 9 m. Anm. 59. R. Naumann, Armin von Gerkan. 1884–1969, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 226 f. A. von Gerkan an Th. Wiegand, 15.2.1922, DAI, NL Wiegand, Kasten 3, Briefe E-G. A. von Salis an C. Weickert, 31.1.1955, NL von Salis. E. Altenhöfer, Hubert Knackfuß. 1866–1948, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 164 f.
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wissen, dass für die Feldforschung in Milet nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur die regulären Tagebücher und nicht das Nekropolentagebuch zur Verfügung standen. Dieses Sondertagebuch wurde erst 1990 von Max Kunze, dem damaligen Direktor der Berliner Antikensammlungen, im dortigen Archiv wiederentdeckt und zugänglich gemacht675.
3.2.1.1.1. Tagebücher Die sechs Haupttagebücher der Miletgrabung decken den gesamten Zeitraum der insgesamt 21 Grabungskampagnen in Milet in den Jahren 1899-1914 ab: Band I II III IV V VI
Von 26.09.1899 06.10.1902 12.09.1903 05.04.1904 03.11.1904 07.04.1906
Bis 13.12.1901 02.05.1903 06.04.1904 02.11.1904 19.12.1905 10.01.1914
Während der Kampagnen erfolgte in der Regel an jedem Arbeitstag eine Eintragung, die in Fließtext abgefasst ist. Im weiteren Verlauf der Grabung können auch summarische Wocheneinträge vorkommen. Bis in den Herbst 1902 führte fast ausschließlich Theodor Wiegand das Haupttagebuch (Anhang E.3). Ab diesem Zeitpunkt wechselten sich hauptsächlich Wiegand, Hubert Knackfuß und Georg Kawerau676 (Taf. 7b) ab. Mit Beginn der Ausgrabung in Didyma 1906 nahm Wiegands Anteil an den Einträgen in den milesischen Tagebüchern ab, und nach Kaweraus Tod 1909 finden sich fast nur noch Einträge von Erich Pernice und hauptsächlich von Armin von Gerkan. Die Dokumentationsweise der verschiedenen Autoren war unterschiedlich und trug den jeweiligen Interessen Rechnung. Die Architekten Kawerau und Knackfuß illustrierten ihre Einträge mit zahlreichen Plänen und Skizzen, während Wiegand weniger zeichnete, dafür aber sorgfältig Inschriften abschrieb. Ein interessantes Detail ist dabei, dass Knackfuß ursprünglich seine Einträge in deutscher Kurrentschrift verfasste, aber schon bald zur besser lesbaren ›lateinischen‹ Schrift überging677. Er ist auch der erste der Tagebuchautoren, der seine Schreibweisen 675
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V. von Graeve, Milet 1994-1995. Vorbericht über die Grabungsarbeiten und Geländeerkundungen, die Denkmälerrestaurierung und die naturwissenschaftlichen Begleitprogramme der Miletgrabung in den Jahren 1994 und 1995, AA 1997/2, 112. Biographische Angaben zu Kawerau s. Anhang C. Vgl. F. Beck, Die ›deutsche‹ Schrift. Ein Medium in fünf Jahrhunderten deutscher Geschichte, Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 37, 1991, 453–479; H. Gutzwiller, Die Entwicklung der Schrift in der Neuzeit, Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 38, 1992, 381–488.
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den Beschlüssen der Zweiten Orthographischen Konferenz von 1901678 anpasste: Die Behauchung des »T« in Worten wie Tor, Tür, beispielsweise unterließ Knackfuß zunehmend ab dem 8. Dezember 1904, während die anderen Autoren sie teilweise noch bis 1908 beibehielten. Die Kopien der Tagebücher, die verpflichtend in zweiwöchigem Rhythmus nach Berlin gesandt werden mussten, sind ab September 1903 bis 1906 als Schreibmaschinendurchschlag ausgeführt, während das Tagebuch vor Ort durchgehend von Hand geführt wurde. In einem Brief an Knackfuß vom 5. Juni 1903 schrieb Wiegand aus Konstantinopel679: »… Wir leben hier ruhig und behaglich, das viele Correspondieren nimmt mir grässlich viel der schönsten Arbeitszeit, aber mit der neuen Schreibmaschine soll es nun wohl demnächst fixer gehen, wenngleich sie jetzt, wie Sie sehen noch manchmal eklich bockt und anders will als ich …«680
Formal lassen sich in den Tagebüchern gewisse Änderungen in der Art und Weise der Dokumentation konstatieren. Die Ausgräber hielten seit Beginn der Grabung 1899 zunächst in einem einzigen Tagebuch in fortlaufender Folge die ihnen wesentlich erscheinenden Ereignisse und Ergebnisse der Grabung fest. 1904 wurde diese fortlaufende und zusammenfassende Dokumentationsweise am 26. September unterbrochen. Kawerau notierte, dass Emil Herkenrath (Taf. 8b) die Aufsicht über die wieder aufgenommenen Grabungen am damals noch nicht identifizierten Athenatempel übernehmen soll, und ab dem nächsten Tag wurde das Haupttagebuch von Kawerau jeweils auf der linken Seite des Buches geführt, während Herkenrath auf den rechten Seiten gesondert über seine Grabung berichtete. Diese Trennung wurde auch durch die Seitenzählung angezeigt, denn die der Grabung am Athenatempel gewidmeten Seiten erhielten eine zum Hauptstrang parallel laufende Zählung und als Zusatz zur Seitenzahl ein kleines »a«. Diese Aufteilung der Dokumentation wird vermutlich vorgenommen worden sein, da man dem Grabungsplatz aufgrund reicher archaischer Funde große Bedeutung beimaß und die Ergebnisse der Grabung entsprechend ausführlich dokumentieren wollte. Die nächste größere formale Änderung ist 1906 zu beobachten681, als man begann, ein eigenes Tagebuch für die Grabungen in der Nekropole zu führen. Es waren auch schon in den Vorjahren immer wieder Nekropolenuntersuchungen
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D. Nerius (Hrsg.), Die orthographischen Konferenzen von 1876 und 1901, Documenta Orthographica B, 5 (Hildesheim 2006); H. Strunk (Hrsg.), Dokumentation zur Geschichte der deutschen Orthographie in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 1, Documenta Orthographica B, 7, 1 (Hildesheim 2006). Th. Wiegand an H. Knackfuß, 5.6.1903, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. Die Bemerkung bezieht sich auf das unregelmäßige Schriftbild des Originalbriefes. G. Kawerau, 21.4.1906, GrTB IV, 15: »Es wird zunächst am Kalabaktepe die … Grabung fortgesetzt unter der Leitung von H. v. Salis der von jetzt ab über die Nekropolis-Arbeiten getrennt berichtet.«
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veranstaltet worden, diese wurden aber im Haupttagebuch dokumentiert682. Die Anlage des Sonderbandes zu den Nekropolen ist ein weiteres deutliches Indiz dafür, dass in Milet zwei unterschiedliche Grabungskonzepte verfolgt wurden.
3.2.1.2. Umgang mit Funden Eine so umfangreiche und personalintensive Unternehmung wie die Miletgrabung erbrachte eine große Anzahl an Funden, die für die Ausgräber logistische Herausforderungen bereithielt. Bewegliche Funde aus den Ausgrabungen unterlagen einem mehrfachen Selektionsprozess: Zunächst wurde am Grabungsplatz selbst entschieden, welche Objekte magaziniert werden sollten und welche liegengelassen wurden683. Die Kriterien dieser ersten Selektion sind im Einzelnen kaum noch nachzuvollziehen. August Frickenhaus684 notierte in der Frühjahrskampagne 1907, dass er von nun an »systematisch sämtliche Scherben« aus der Grabung am Kalabaktepe aufheben wolle685, während Arnold von Salis noch bei der Freilegung des wichtigen archaischen ›Löwengrabes‹ in der Herbstkampagne des Vorjahres eine größere Menge der dort gefundenen Keramikfragmente am Ort, d. h. am Ende des Dromos und im benachbarten Schachtgrab XXVII, beließ686. Es ist also anzunehmen, dass es keine etablierten Standards zum Umgang mit Keramikfragmenten gab und die Art und Weise der Fundbearbeitung vielmehr vom Kenntnisstand und Interesse des jeweiligen Ausgräbers abhing. Dieses Phänomen, dass die praktische Ausgestaltung der Grabungstätigkeit im Wesentlichen dem eigentlichen Ausgräber überlassen blieb, ist gut vergleichbar mit dem Umstand, dass Art, Umfang und Qualität der Dokumentation des Arbeitsfortschritts im Tagebuch in hohem Maße vom jeweiligen Autor abhingen. Während man größere architektonische Bauteile geordnet in der Nähe der Grabungsplätze lagerte687, wurden die beweglichen Funde auf mehrere »Museen« und »Magazine« verteilt688: Dabei war die Wahl der Benennung als Museum oder Magazin durchaus nicht willkürlich gewählt, sondern zeigte an, dass die Aufbe682
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Dies galt auch für die 1900 erfolgte Expedition Wiegands nach »τα μάρμαρα« im Süden der milesischen Halbinsel. Vom 8.10.–18.11. grub Wiegand dort einen Grabbau aus und berichtete anschließend im Haupttagebuch darüber. Während seiner Abwesenheit führte Kawerau die Dokumentation in Milet. E. Forbeck, Die Nekropolen Milets. Die Arbeiten der Jahre 1993 bis 1996 und die Grabungen 1901 bis 1909 (unpublizierte Dissertation Ruhr-Universität Bochum 1998) 98. Zur Person: E. Thomas, August Frickenhaus. 1882–1925, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 216 f. A. Frickenhaus, 9.4.1907, GrTb Nekropole, 134. E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136, 1997, 41. Th. Wiegand, 25.3.1903, GrTb II, 85: »Auf der Wiese vor dem Theater wird alles durch Herrn R[egierungs]. B[au]m[ei]st[e]r. Knackfuß sortiert aufgereiht, sodass mit der Zeit eine Uebersicht über die verschiedenen Bauperioden der Bühne zu erreichen sein wird.« Ausführlich zu den Aufbewahrungsorten: I. A. Panteleon, Funde aus Milet. XVI. Zum Schicksal der am Ort verbliebenen Funde der Wiegandschen Grabung nach 1914, AA 2005/2, 28 f.
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wahrungsorte unterschiedlichen Zwecken dienten689. Neben dem Grabungshaus in Akköy, das im Herbst 1904 zusätzlich einen Anbau zur Lagerung von Funden erhielt690 (Taf. 12b), existierten insgesamt fünf Aufbewahrungsorte im Ruinengelände, die alle eindeutig zu lokalisieren sind: Ein »Sculpturenmuseum« im Theater (Taf. 13a), ein »Museum« für Inschriften im »seldschuckischen Bad«, ein »Architekturmuseum«, ein »Antiquarium für Kleinfunde«691 (Taf. 13b) und das in der ersten Kampagne 1899 angelegte692 »Museum … nahe dem grossen römischen Theater« (Taf. 14a). Auffallend ist dabei, dass sich in dieser typologischen Einteilung der Museen auch die Kleinfunde wiederfinden, die später in den Publikationen kaum berücksichtigt wurden. Auch sonst lässt sich erkennen, dass diese Fundgattungen vor Ort durchaus sorgfältig und angemessen im Sinne der Zeit bearbeitet wurden. Es werden vor Ort eben nicht nur, wie man sich aufgrund der Publikationen vorstellen könnte, die neugefundenen Inschriften abgeklatscht (Taf. 14b), Skulpturen für die Museen gesammelt und architektonische Pläne und Bauteile gezeichnet, sondern auch die Kleinfunde geordnet, sortiert und für eine spätere Publikation vorbereitet693. Arnold von Salis berichtete Reinhard Kekulé im Dezember 1906, dass die Funde aus seiner Nekropolengrabung nach Grabinventaren geordnet im »kleinen Museum« aufgestellt worden wären und sie am Besten »vorläufig noch nicht aus ihrem Verbande« zu trennen seien694. Die Ordnung der Funde erfolgte in Milet also nicht nur typologisch, sondern auch sachgerechter im Sinne von Fundvergesellschaftungen, wobei auffällt, dass dieses Beispiel den »natürlichen« Kontext von Gräbern aufgreift, der in der Nekropolenforschung etabliert und publikationsfähig gemacht wurde. In den einleitenden Worten zum letzten Vorbericht führte Theodor Wiegand aus, dass für »die Bearbeitung der Stadtmauern und der Nekropolen … das Material durch … Dr. von Gerkan und Prof. Dr. Wulzinger vorbereitet« worden sei695. Im Grabungstagebuch stellt sich eine solche Vorbereitung folgendermassen dar: Im Herbst 1910 ließ Armin von Gerkan Fragmente gestempelter Ziegel aus den Magazinen im Ruinengelände zum Grabungshaus transportieren696. Dort schien er diese Fundgruppe ausgewertet zu haben, denn eine Woche später beschrieb er im Tagebuch, welche Ziegeltypen in dem von ihm als »Basisheiligtum« bezeichneten ›Heroon III‹ vorkommen697. 689
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Th. Wiegand, 14.2.1903, GrTb II, 66: »In den ausgeleerten Kammern der westlichen Parodos richtet Herr Knackfuß Architektur-Museum ein.Magazine ein, wodurch die Uebersicht ausserordentlich gefördert wird.« G. Kawerau, 13.10.1904, GrTb IV, 55. Th. Wiegand, 2.11.1900, GrTb I, 81 f. Th. Wiegand, 18.11.1899, GrTb I, 37. Vgl. zu diesem Gedanken auch I. A. Panteleon, Inventa Inventorum, in: M. Baumbach (Hrsg.), Tradita et. Inventa. Beiträge zur Rezeption der Antike (Heidelberg 2000) 491–493. Anhang A.6. Th. Wiegand, Achter vorläufiger Bericht über die von den staatlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1924, 3. A. von Gerkan, 12.10.1910, GrTb VI, 196, sowie die beiden folgenden Tage. A. von Gerkan, 19.10.1910, GrTb VI, 197.
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Hinsichtlich der Keramikfragmente ist Ähnliches fassbar: In der Zeit zwischen der Herbstkampagne 1903 und der Frühjahrskampagne 1904 blieben Georg Kawerau und Hubert Knackfuß in Milet. Der eine nahm die architektonischen Reste an der ›Löwenbucht‹ auf, während der letztgenannte in der Hauptsache das Theater vermaß. Kawerau, der das Grabungstagebuch in dieser Zeit führte, notierte am 14. März698, dass sich Knackfuß daneben »ganz besonders um die Sichtung und Ordnung der Vasenfunde bemüht« habe, »wobei sich durch Zusammenpassen getrennter Bruchstücke manches für die Erkenntnis der Gefäßformen und der Dekoration« ergeben hätte; auch »um die Ordnung der zahlreicheren kleineren Bronzefragmente« wäre er ebenso »bemüht« gewesen. Dazu ist aus den privaten Tagebüchern Knackfuß’ zu ergänzen, dass die Kleinfundbearbeitung und -ordnung zu seinen regelmäßigen Beschäftigungen in Milet zählte; um den folgenden Jahreswechsel 1904/05 reinigte, leimte699 und gipste700 er beispielsweise nicht nur Vasen- und Bronzefragmente, sondern auch Marmore701 und restaurierte Lanzenspitzen.702 Als Wiegand 1924 in die Türkei zurückkehrte, fand er die »sorgfältig geordneten Sammlungen milesischer Keramik« durch Soldaten, die die Regale als Brennholz verwendet hatten, durcheinander geworfen703. Martin Schede und der Generalinspekteur der kleinasiatischen Altertümer, Aziz Bey, ordneten die Reste im folgenden Jahr704, was zeigt, dass auch über die Beendigung der eigentlichen Feldarbeit hinaus die Archäologen dafür Sorge trugen, dass die von ihnen hinterlassenen antiken Objekte einer weiteren Bearbeitung zugänglich blieben. Die Fundbearbeitung vor Ort folgte demnach guter wissenschaftlicher Praxis der Zeit, wenn auch die Überlieferungslage und die primären Zielsetzungen zunächst keinen Raum für eine zeitnahe und sachgerechte Vorlage der Kleinfunde boten. Dieser Sachverhalt ist gut vergleichbar mit den Verhältnissen bei der anderen großen Ausgrabung der Berliner Museen in Pergamon. Dort blieb den Ausgräbern der ersten Kampagnen unter Aufsicht der Berliner Museen bis 1886 kaum Zeit, sich auch der wissenschaftlichen Bearbeitung der Kleinfunde zu widmen705, so dass Alexander Conze erst 1902 als Leiter der nunmehr in die Verantwortung des DAI übergegangenen Grabung einen ersten Überblick über die Kleinfunde der Grabungsperiode von 1878 bis 1886 geben konnte706. Vor Ort wurden allerdings auch in den ersten Kampagnen die Kleinfunde nicht übergangen, sondern für Publikationen vorbereitet, was Conze selbst auch andeutete707. Ein Bericht Johannes Boehlaus über seine Stipendiatenreise erhellt dabei die Be698 699 700 701 702 703 704 705 706 707
G. Kawerau, 14.3.1904, GrTb III, 73 f. H. Knackfuß, 5.3.1905, TB 3, NL Knackfuß, SMK/A 03/0127.13. H. Knackfuß, 9.3.1905, 10.3.1905, 12.3.1905, TB 3, NL Knackfuß, SMK/A 03/0127.13. H. Knackfuß, 6.3.1905 TB 3, NL Knackfuß, SMK/A 03/0127.13. H. Knackfuß, 16.3.1905, TB 3, NL Knackfuß, SMK/A 03/0127.13. Th. Wiegand, Die milesische Landschaft, Milet 2, 2 (1929), 17 f. Wiegand a. O. (Anm. 703) 17 f. A. Conze, Die Kleinfunde von Pergamon, AbhBerlin 1902 (1903), 4. Conze a. O. (Anm. 705) 1–28. Conze a. O. (Anm. 705) 4.
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dingungen vor Ort genauer: Boehlau hielt sich als Reisestipendiat des DAI vom 22. November 1885 bis zum 3. März 1886 auf Veranlassung Conzes in Pergamon auf, um Inschriften abzuschreiben sowie Skulpturen und »Anticaglien«, also die Kleinfunde, aufzunehmen.708 Außerdem begann er aus eigenem Antrieb auch eine »Sammlung und Sichtung« der Gefäßscherben709, die ihn anregte, eine »Behandlung der Keramik des 4ten & 3ten Jahrhunderts« in Aussicht zu stellen710, die aber später offenbar nicht von ihm realisiert wurde.
3.2.2. Stadtgrabung Die Miletgrabung war in der Hauptsache eine ›Stadtgrabung‹ in der Tradition der früheren Projekte der Berliner Museen711. Als solche hatte sie im Ruinengelände selbst die großflächige Freilegung repräsentativer urbaner Baustrukturen zum Ziel, wobei die einzelnen Bauten als »natürliche« Kontexte begriffen wurden. Die freigelegten Monumente sah man als Muster bestimmter Bautypen712 an713 und die Vorlage der Bauten zielte darauf ab, den wissenschaftlichen Diskursen über einzelne Typen neue Argumente zu liefern714. Auch produzierte die Stadtgrabung auf diese Weise anschaulich darstellbare Ergebnisse und kann daher als der ›repräsentative‹ Teil der Unternehmung begriffen werden. Bezeichnend für diesen Umstand ist die Tatsache, dass Theodor Wiegand die offizielle Eröffnung der Grabung im Beisein des deutschen Botschafters am 3. Oktober 1899 mitten im Ruinengelände, »wo Humann die Agora vermutet« 715, inszenierte, obwohl die eigentliche Grabungsarbeit schon am 26. September begonnen hatte. Die anschließenden 21 Grabungskampagnen (Anhang E.2) zwischen dem 26. September 1899 und dem 10. Januar 1914 lassen sich in drei größere Abschnitte gliedern: In den vier Kampagnen vom Herbst 1899 bis in den Herbst 1901 verschaffte man sich zunächst einen grundsätzlichen Überblick über das Gelände. Die folgenden 12 Kampagnen bis Herbst 1908 waren ausgehend 708
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J. Boehlau, Bericht ueber die Stipendienreise 1885/1886, 1 f. (Handschriftlicher Entwurf (?) des Berichtes, NL Boehlau, Archäologisches Institut der Georg-August-Universität Göttingen); A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 26. Boehlau a. O. (Anm. 708) 3. Boehlau a. O. (Anm. 708) 5. Zu den Resultaten der Stadtforschung in Milet vgl. G. Kleiner, Die Ruinen von Milet (Berlin 1968). Ihr resultativer Ereignisgang lässt sich in den Vorberichten der Grabung verfolgen. Vgl. Anm. 1083 für die Bibliographie der Vorberichte der Vorkriegsgrabung. Allgemeiner Überblick zu Bautypen: W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen in der Antike (München 1988) 138–183. A. Borbein, Olympia als Experimentierfeld archäologischer Methoden, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.– 11. November 2000 (Mainz 2002) 171. Vgl. etwa die leidenschaftlich geführte Diskussion zur Gestalt der Bühne im griechischen Theater: H.-D. Blume, Einführung in das antike Theaterwesen (Darmstadt 1984) 54 f. Th. Wiegand, 3.10.1899, GrTb I, 9.
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von den gewonnenen Erkenntnissen der systematischen Ausgrabung gewidmet, und die letzten fünf Kampagnen bis in den Winter 1913/14 galten eher der Klärung von noch unbeantworteten Einzelfragen bzw. den Bauaufnahmen. Die mittlere Phase der Grabungsaktivität war dadurch gekennzeichnet, dass in diesem Zeitraum regelmäßig zwei Kampagnen pro Jahr stattfanden, die zudem noch durch ein »Winterprogramm«716 verbunden sein konnten. Im allgemeinen unterstellt man den Archäologen vor dem Ersten Weltkrieg eher grobe Grabungsmethoden, bei denen mit hohem Personalaufwand große Flächen freigelegt wurden und die die nachantike Bebauung häufig zerstörten. Bei einer detailierteren Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der praktische Ablauf der Arbeiten angesichts der zu klärenden Fragen durchaus sachgerecht angelegt war und die zur Verfügung stehenden Mittel differenziert verwendet wurden717. Dieser Umstand wird sich besonders deutlich in den beiden folgenden Kapiteln zeigen, doch auch die Stadtgrabung verlief in diesem Sinne. Als Hauptkritikpunkt bleibt lediglich die Zerstörung nachantiker Befunde übrig; die hierfür nötigen Entscheidungen sind aber wohl eher bewusst im Sinne einer Güterabwägung getroffen worden und stellten keineswegs die Regel dar. Vier Tage nach der offiziellen »Eröffnung« der Ausgrabung, am 7. Oktober 1899, wurde in unmittelbarer Nähe zum Eröffnungsort der »erste feste antike Rest« in diesem Gebiet gefunden718. Diese Spuren eines »theaterförmigen« Gebäudes von dem die Ausgräber zunächst vermuteten, dass es sich um ein »Odeion«719 handeln könnte, erwiesen sich durch einen Inschriftenfund720 im Herbst 1900 sicher als Reste eines Bouleuterions (Rathaus)721. Ab der Herbstkampagne des Jahres 1902722 gehörte die weitere Untersuchung und Rekonstruktion des Bouleuterions zu den Aufgaben des Architekten Hubert Knackfuß, der dann 1908 auch die Abschlusspublikation zu diesem Gebäude vorlegte723. Diese Entdeckung gleich zu Beginn der Ausgrabung stellte einen Glücksfall dar, denn mit dem Inschriftenfund konnte ein aus den historischen Quellen bekannter Bautypus724 zum ersten Mal eindeutig identifiziert werden725. In Priene726 und an anderen
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G. Kawerau, Winter 1903/1904, GrTb III, 63. Die 5. Kampagne dauerte sogar regulär über den Jahreswechsel 1902/03 hinaus bis in den Mai an. Beispielsweise setzte man zur Prospektion auch »Sondiereisen«, lange Eisenstangen, ein: G. Kawerau, 4.11.1905, GrTb V, 109.110; A. v. Gerkan, 22.–27.12.1913, GrTb VI, 239. Auch schaffte man eine Wasserpumpe an, die aber über eine begrenzte Pumpleistung verfügte, so dass sie nur in Spezialfällen eingesetzt werden konnte: Th. Wiegand, 4.11.1903, GrTb III, 29; Th. Wiegand, 7.11.1903, GrTb III, 33 (Grab); G. Kawerau, 26.9.1904, GrTb IV, 39 (Zisterne). Th. Wiegand, 7.10.1899, GrTb I, 13. Th. Wiegand, 22.10.1899, GrTb I, 23. Die ›Lichasbasis‹: H. Knackfuß, Das Rathaus von Milet, Milet 1, 2 (Berlin 1908) 115–117, n. 12. Th. Wiegand, 16.9.1900, GrTb I, 67 f. Th. Wiegand an H. Knackfuß, 4.8.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. H. Knackfuß, Das Rathaus von Milet, Milet 1, 2 (Berlin 1908). Zum allgemeinen Bautyp des Versammlungshauses: W. Müller-Wiener, Griechisches Bauwesen in der Antike (München 1988) 157–162.
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Orten727 hatten die Ausgräber zwar auch Gebäude gefunden, die als Versammlungsbauten gedeutet wurden, aber den eindeutigen inschriftlichen Nachweis lieferte erst Milet. Von diesem ersten Fixpunkt aus zog man in der dritten Kampagne728 im Herbst 1900 einen Graben in Richtung auf »das Brunnenhaus aus römischer Zeit, welches den Endpunkt der grossen oberirdischen Wasserleitung« bildete und obertägig sichtbar war729. Dieses Verfahren – durch Versuchsgräben zwischen zwei bekannten topographischen Punkten das Gebiet dazwischen zu erkunden – war bei der Grabung im Stadtgebiet selbst die Standardmethode; Suchgräben ohne unmittelbaren festen Anschluss an schon bekannte Areale wurden nur in Ausnahmefällen angelegt, um einen Eindruck von einem sonst nicht leicht erreichbaren Gebiet zu gewinnen730, ansonsten dienten solche isolierten Gräben nur dazu, die Orte für geplante Schutthalden zu untersuchen731. Bei dem erwähnten Brunnenbau handelte es sich um das Nymphäum732, das vergleichbar mit dem Bouleuterion für eine damalige aktuelle Forschungsdiskussion einen wertvollen Beitrag lieferte733 (Vgl. Kap. 3.3.1.3.); bei dieser Anlage wurden direkt zahlreiche Fragmente der Skulpturenausstattung der Brunnenfassade gefunden734. Gleichzeitig zeigte sich im Anschluss an das Bouleuterion nach Norden eine große Hallenanlage, der ›Nordmarkt‹735, und an anderer Stelle wurde eine aus Spolien736 erbaute »späte Stadtmauer« festgestellt737, die in den nächsten 725
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Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902, 151 m. Abb. 9. 10; Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 3. März 1908, AA 1908, Sp. 499–502. Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 219–234. bes. 229–231. Wiegand – Schrader a. O. (Anm. 726) 231. Die sehr kurze zweite Kampagne im Frühjahr 1900 diente allein der Nekropolensuche außerhalb des Ruinengeländes. Th. Wiegand, 18.9.1900, GrTb I, 69. Theaterhügel: Th. Wiegand, 21.11.1903, GrTb III, 45: »In der Löwenbucht sind dann noch 2 Versuchsgräben am Theaterhügelabhang angefangen worden, zwischen Rundmonument & Hafenausfahrt, um auch diesen Teil nicht ununtersucht zu lassen.« Humeitepe: H. Knackfuß, 20.4.1905, GrTb V, 48: »Zur Aufklärung des Gebietes auf dem nördlichen Teil des Humé Tepé wird ein Versuchsgraben angelegt.« Th. Wiegand, 7.12.1900, GrTb I, 139; Autor B, 9.10.1903, G. Kawerau, 24.10.1905, GrTb V, 98; GrTb III, 15; H. Knackfuß, 23.12.1909, GrTb VI, 174 f.: »Da jetzt in dieser Gegend mehrere Straßenquartiere durch die Versuchsgräben genügend aufgeklärt und die vorgefundenen Hausreste so weit erforderlich zeichnerisch festgelegt sind, so können diese Gebiete zur Schuttablagerung verwendet werden.« Publikation: J. Hülsen, Das Nymphaeum, Milet 1, 5 (Berlin 1919). Th. Wiegand, 12.2.1903, GrTb II, 63: »Also ist der Bau damit definitiv datiert, und wir haben ein sicheres römisches Monument aus Titus’ Zeit, vielleicht das einzige i[n]. s[einer]. Art ausser dem Septizonium des Sept[imius]. Sev[erus]. das fest zu datieren ist.« Th. Wiegand, 20.9.1900, GrTb I, 73–75. Th. Wiegand, 29.9.1900, GrTb I, 79; A. von Gerkan, Der Nordmarkt und der Hafen an der Löwenbucht, Milet 1, 6 (Berlin 1922). A. Esch, Wiederverwendung von Antike im Mittelalter. Die Sicht des Archäologen und die Sicht des Historikers, Hans-Lietzmann-Vorlesungen 7 (Berlin 2005). F. Grosse [?], 24.10.1900, GrTb I, 99.
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Jahren zu einer der Hauptquellen für Skulpturen und Bauteile in Milet werden sollte. Diese zunächst als »Gothenmauer«738 bezeichneten späteren Befestigungsanlagen739 glichen damit in ihrer Funktion für die Grabung der byzantinischen Festungsmauer auf dem Burgberg von Pergamon, in der die Mehrzahl der Relief des großen Altars verbaut gefunden worden waren740. Die vierte Kampagne im Herbst 1901 war hauptsächlich der Aufarbeitung der bislang erlangten Resultate gewidmet und erst im Folgejahr begannen die Ausgrabungen in wirklich größerem Maßstab: Erst jetzt wurde das große Theater741 in Angriff genommen742 (Taf. 15a; 33a-b) und der ›Nordmarkt‹ weiter untersucht; ebenso der große ›Südmarkt‹743 und die ›Ionische Halle‹, die beide in der Nähe des Nymphäum entdeckt worden waren. Aufgrund des Vorhandenseins der ›Heiligen Straße‹ vermutete man an ihrem Endpunkt im Stadtzentrum ein »städtisches Apollonion«744 und grub daher im März 1903 zunächst am Endpunkt der linearen Verlängerung der Trasse des Prozessionswegs am Westrand der Löwenbucht, fand dort aber nicht das erhoffte Apollonheiligtum, sondern das ›Hafenmonument‹745. Das tatsächliche Apollonheiligtum, das ›Delphinion‹ am östlichen Rand der Bucht, wurde erst im Herbst des Jahres sicher identifiziert746, nachdem es sich vorher schon als Fundort zahlreicher offizieller Inschriften erwiesen hatte (Taf. 15b)747. Im Endeffekt waren in diesem Bauwerk ca. 150 derartiger Inschriften gefunden worden, so dass es den Ausgräbern schließlich gelungen war, das »Gedächtnis« der hellenistisch-römischen Stadt zu finden; vergleichbar mit dem Wissenszuwachs durch Bouleuterion und Nymphäum für die Bautypen, stellte dieser Fund eine wissenschaftliche Sensation auf dem Gebiet der Epigraphik dar.
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F. Grosse [?], 13.11.1900, GrTb I, 113. Tatsächlich gehörten diese Spolienmauern verschiedenen Zeitstufen an. Vgl. dazu Ph. Niewöhner, Sind die Mauern die Stadt? Vorbericht über die siedlungsgeschichtlichen Ergebnisse neuer Grabungen im spätantiken und byzantinischen Milet, AA 2008/1, 181–201 m. Abb. 1. W. Radt, Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole (Darmstadt 1999) 60; Vgl. a. M. Klinkott, Die byzantinischen Befestigungsanlagen von Pergamon mit ihrer Wehr- und Baugeschichte, AvP 16, 1 (Berlin 2001). F. Krauss, Das hellenistische Theater. Der römische Zuschauerbau, Das Theater von Milet 1, Milet 4, 1 (Berlin 1973). H. Knackfuß, 30.10.1902, GrTb II, 23. H. Knackfuß, Der südliche Markt und die benachbarten Bauanlagen, Milet 1, 7 (Berlin 1924). Th. Wiegand, 9.3.1903, GrTb II, 74 f. [Verschrieben zu 8. Maerz]. A. von Gerkan, Der Nordmarkt und der Hafen an der Löwenbucht Milet 1, 6 (Berlin 1922) 5582. G. Kawerau, 2.12.1903, GrTb III, 54: »Da in einer der letzgefundenen Inschriften von einem Heiligtum des Apollo Delphinios die Rede ist, sind wir der Meinung einem Apollo-Tempel (oder Altar?) nahe zu sein. Die Grabungen werden an dieser Stelle mit besonderer Energie betrieben, um diese Tempelfrage möglichst noch aufzuklären, ehe das steigende Wasser hier die Weiterarbeit verbietet.« Th. Wiegand, [Zusammenfassung 16.–19.11.1903], GrTb III, 39–41; Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 542–545.
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Die Forschungen zum Straßensystem auf der Suche nach dem ›hippodamischen‹ System748, die kontinuierlich seit Beginn der Ausgrabungen parallel zu den übrigen Arbeiten durchgeführt worden waren, führten 1903 zur Entdeckung der ›Eumenesbasis‹ im Westen der Stadt749, in deren Nähe dann im September 1903 der Athenatempel entdeckt wurde (Vgl. Kap. 3.2.4.). Von diesen Fixpunkten griff in den folgenden Jahren bis 1908 die systematische Untersuchung des Stadtgebietes aus. Als Hauptziel ist dabei von Anfang an zu erkennen, dass es den Ausgräbern darum ging, repräsentative öffentliche Bebauung freizulegen und an den beiden identifizierten Zentren »Löwenbucht« und Athenatempel ein möglichst geschlossenes Bild der topographischen Gesamtsituation750 zu gewinnen. Dabei war ein linearer Fortgang der Arbeit aufgrund einer Reihe von Faktoren unmöglich751; hierzu gehörten die problematische Grundwassersituation in den tieferliegenden Teilen752, Grundstücksfragen753 und die teilwei748
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A. v. Gerkan, Griechische Städteanlagen. Untersuchungen zur Entwicklung des Städtebaues im Altertum (Berlin 1924). Th. Wiegand, 30.1.1903, GrTb II, 57. Autor B, 16.10.1903, GrTb III, 20 f.: »Heute ist ein wichtiger Fortschritt in der Topographie der Löwenbucht zu verzeichnen, denn in situ gefunden ist die Ecksäule der Halle hinter dem Rundmonument, die von da ab rechtwinklig umbiegt und zwar liegt die neue Flucht in derselben Linie, wie diejenige Halle des Nordmarktes, die sich gegen Norden auf die Löwenbucht öffnete, sodaß wir nunmehr den ganzen großen Zug haben mit dem das antike Hafenbassin architektonisch eingefasst ist.« Vgl. folgende informative Passage, die fast alle notwendigen Erwägungen in sich vereinigt: Th. Wiegand, 5.12.1900, GrTb I, 135 f.: »100 Meter nordöstlich von dem bisher ausgegr. Brunnen [Nymphäum] direct südöstlich von dem seldjouk. Bad, … liegt der zweithöchste Punkt der Löwenbucht. Er ist bedeckt von einer grossen römischen Ruine von basilicaler Form [›CapitoThermen‹], neben welcher u. a. auch ein kreisrunder Bau (zugehörig) liegt. Es wird beschlossen, diesen basilicalen Bau auszugraben, was eine kurze Arbeit ist und zwar aus folgenden Gründen. 1) Das Grundwasser zwingt uns in kürze, die niedrigen Teile der Löwenbucht zu verlassen, 2) Diese Stelle ist so hervorragend gelegen, dass sie nicht nur in römischer Zeit, sondern überhaupt immer bedeutend gewesen sein muss. Sie gehört in das Ensemble der Löwenbucht. 3) Der römische Brunnen hat gelehrt, dass in späteren Gebäuden öfter ältere Sculpturen aufgestellt wurden, insbesondere lehrte dies auch die oesterreichische Ausgrabung zu Ephesos. 4) Durch die Ausleerung des Raumes wird ein neuer geschlossener Raum for die Sicherung von Fundstücken geschaffen, dessen wir dringend bedürfen. 5) Die Abfuhr des Schuttes gegen den Maeander ist […] […] und dient zur Abhaltung von Ueberschwemmung. 6) Das Terrain gehört den Kgl. Museen und es braucht nicht darum verhandelt zu werden.« Zu den Bauaktivitäten des Cn. Vergilius Capito vgl. W. Günther – N. Ehrhardt, »Retter und Wohltäter.« Zu einer neuen Ehreninschrift für Cn. Vergilius Capito, in: H. Börm – N. Ehrhardt – J. Wiesehöfer (Hrsg.), Monumentum et instrumentum inscriptum. Beschriftete Objekte aus Kaiserzeit und Spätantike als historische Zeugnisse. Festschrift Peter Weiß (Stuttgart 2008) 103-116. Th. Wiegand, 19.11.1900, GrTb I, 125: »Es gilt diesen Brunnen [Nymphäum] noch ganz freizulegen, bevor uns das steigende Grundwasser hindert. Der ausgehobene Schutt wird benutzt um tieferliegende Aecker der Bauern von Balat zu beschütten, wofür diese uns dankbar sind und ewige Freundschaft schwören.« H. Knackfuß, 18.4.1905, GrTb V, 47 f.: »Nur eine geringe Anzahl Arbeiter, dieselben werden hauptsächlich verwendet, um neue Abzugsgräben für das Überschwemmungswasser im Ausgrabungsgebiet anzulegen.« A. von Gerkan, 18.10.1910, GrTb VI, 197: »Da die Anlage des Grabens zur Bestimmung der Länge des Stadion auf Widerstand bei den Grundstückbesitzern stösst, und mit ihnen verhandelt werden muss, wird einstweilen der Graben in der Faustinahalle in Angriff genommen.«
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se meterhohe Verschüttung an anderen Stellen, die etwa beim großen Südmarkt nur eine teilweise Freilegung erlaubte (Taf. 16a)754. Daher lässt sich der systematische Charakter der Grabung nur anhand der Grabungsdokumentation genau nachvollziehen; die Ergebnispublikationen und das Ruinengelände im ausgegrabenen Zustand geben ohne Berücksichtigung dieser Hintergrundinformationen kaum eine vollständige Vorstellung: Zuviele Gebiete mussten wieder verschüttet werden, und zudem erzwangen die Grundwasserbedingungen regelmäßig im Winter die Einstellung bestimmter Arbeiten755, die erst wieder fortgesetzt werden konnten, wenn die Überschwemmung zurückging. In diesen Zeiten wich man dann zu höher gelegenen Objekten aus; das hellenistische ›Heroon I‹ (Taf. 16b) am Südabhang des Theaterhügels war beispielsweise ein Monument, das aufgrund dieser Situation stückweise über mehrere Jahre verteilt ausgegraben wurde756. Bis 1909 waren die beiden Ausgrabungsfelder »Löwenbucht« und Athenatempel so angewachsen, dass zu diesem Zeitpunkt mit einem Graben zwischen den Faustina-Thermen und dem Stadion die Lücke zwischen den beiden Bereichen überbrückt werden konnte757. Bei diesen Arbeiten in den urbanistischen Zentren interessierten sich die Ausgräber wirklich fast ausschließlich für die repräsentative öffentliche Bebauung: Obwohl sie an zahlreichen Stellen auch Wohnbebauung antrafen758, nahmen sie solche Reste zwar zeichnerisch auf759, untersuchten sie aber anders als in Priene nur in wenigen Fällen eingehender. Dies galt im Übrigen für Befunde aller Zeitstufen, wobei in Milet besonders auch mehrere reich ausgestattete byzantinische Häuser angetroffen wurden760. Die Untersuchung des Straßensystems761 und des Nymphäums sowie später auch der Thermenanlagen762 gehör.
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Für die vollständige Freilegung des kleineren Nordmarktes, der wesentlich geringer verschüttet war, veranschlagten die Ausgräber vier bis fünf Wochen: G. Kawerau, Herbst 1905 [Bericht 17.8. – 3.9.1905], GrTb V, 60 f : »Beschluß zunächst mit ganzer Kraft den Nordmarkt vorzunehmen, an zwei Langseiten eine Feldbahn anzulegen und das ganze Gebiet des Marktes freizulegen. Arbeiterzahl möglichst bald auf 200 und mehr zu bringen. Alle Erde draußen in der Löwenbucht zu lagern … Andre größere Objekte (Athena Tempel, Stadion, Thermen) erst vorzunehmen, nachdem der Nordmarkt, für den die ganze Feldbahn gebraucht wird, geklärt ist, wofür wir 4–5 Wochen veranschlagen.« Vgl. Anm. 746. H. Knackfuß, 15.10.1902, GrTb II, 11; G. Kawerau, 1.–6.2.1904, GrTb III, 69; E. Pernice, Die übrigen Grabungen Herbst 1908, GrTb VI, 137 (Die Angaben beziehen sich jeweils auf den Beginn der Arbeiten an diesem Ort.) H. Knackfuß, 16.12.1909, GrTb VI, 172. Beispielsweise: F. Grosse [?], 7.10.1900, GrTb I, 85; Th. Wiegand, 13.2.1903, GrTb II, 64; H. Knackfuß, 31.3.1903, GrTb II, 88; G. Kawerau, 22.3.1904, GrTb III, 82; E. Pernice, Die übrigen Grabungen Herbst 1908, GrTb VI, 137; Th. Wiegand, 14.–19.12.1908, GrTb VI, 147 f.; H. Knackfuß, 14.12.1909, GrTb VI, 171. Vgl. Anm. 731. Th. Wiegand, 12.2.1903, GrTb II, 63 f.; G. Kawerau, 13.4.1904, GrTb IV, 5; H. Knackfuß, 14.9.1906, GrTb VI, 52; H. Knackfuß, 8.1.1910, GrTb VI, 182. Die Straßen waren regelmäßig mit einem Abwasserkanal ausgetattet, der auch im Falle eines Fehlens des Straßenbelages den Verlauf einer Straße bestimmte. A. von Gerkan – F. Krischen, Thermen und Palaestren, Milet 1, 9 (Berlin 1928).
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ten ihrerseits wiederum in den Kontext einer Erforschung der Wasserversorgung763 der Stadt, die vergleichbar mit früheren Unternehmungen auch an diesem Ort einen thematischen Schwerpunkt bildete. Besonders deutlich wird dies daran, dass bei der Ausgrabung angetroffenen Wasserbaueinrichtungen – Kanäle764, Brunnen765 und Zisternen766 – gewöhnlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als etwa der Wohnbebauung767. Mit der kontinuierlichen Untersuchung der Befestigungsanlagen768 und des Straßensystems769 ergaben sich zwei weitere größere Forschungsschwerpunkte dieser Vorkriegsgrabung, so dass sie am Ende tatsächlich, wie von Arnold von Salis artikuliert770, einen differenzierten Einblick in die urbanistische Gestaltung eines geplanten und nicht gewachsenen771, großen hellenistisch-römischen Stadtzentrums liefern konnte, der in dieser Vollständigkeit zu dieser Zeit eine wissenschaftliche Neuigkeit war und mit dem kleineren Priene verglichen werden konnte. Bei diesen Arbeiten zu den repräsentativen Architekturen in den Stadtzentren erfolgte die Ordnung und Interpretation der Befunde in der Regel durch Beobachtung der Bauausführung und der Beziehungen der Reste untereinander772, wobei etwa das Wissen um die Zeitstellung unterschiedlicher Mauertechniken schon sehr differenziert war. Weitere Datierungsanhalte lieferten gelegentliche Münzfunde: Als beim Abbruch der »Gothenmauer« im Mauerwerk verbaut eine römische Münze des 3. Jahrhunderts n. Chr. gefunden worden war, wollte der Schreiber des Tagebuches darin zunächst auch eine genauere Datierung der Mau763
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Vgl. die modernen Forschungen: G. Tuttahs, Milet und das Wasser. Ein Leben in Wohlstand und Not in Antike, Mittelalter und Gegenwart, Schriften der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft, Sonderband 5 (Siegburg 2007). F. Grosse [?], 7.11.1900, GrTb I, 109; E. Herkenrath, 7.10.1904, GrTb IV, 49a; Autor B, 9.10.1903, GrTb III, 15; H. Knackfuß, 10.4.1905, GrTb V, 43 f.; G. Kawerau, 21.10.1905, GrTb V, 97; Th. Wiegand, Frühjahr 1908, GrTb VI, 114. Th. Wiegand, 7.3.1903, GrTb II, 73 [Verschrieben zu 6. Maerz.]; G. Kawerau, 30.11.1903, GrTb III, 49 f.; E. Pernice, 28.11.–5.12.1909, GrTb »Nekropole«, o. S. Auch diese Untersuchungen umfassten Befunde aller Zeitstellungen. Noch Ende 1913 wurde der Verlauf der Stadtmauer am »Südrande der Theaterbucht« untersucht: A. von Gerkan, 8.–13.12.1913, GrTb VI, 238. 1910 wurde die systematische Untersuchung des Straßensystems mit einer Untersuchung auf dem Humeitepe abgeschlossen, die es erlaubte, eine »Normalinsula« für diesen Teil der Stadt zu berechnen: A. von Gerkan, 1.11.–2.12.1910, GrTb VI, 200–206. A. von Salis, Die Ausgrabungen in Milet und Didyma, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur, 1910, 103–132. Diese Unterscheidung einer älteren gewachsenen und einer planmäßig angelegten Stadt ermöglichte es, einen neuen Typus des Städtebaues zu definieren: Vgl. etwa F. Koepp, GGA 1926, 39– 41 (Rez. zu A. v. Gerkan, Griechische Städteanlagen. Untersuchungen zur Entwicklung des Städtebaues im Altertum (Berlin 1924)). H. Knackfuß, 25.4.1905, GrTb V, 51: »Südlich vom Thore der Gothenmauer zeigt sich, daß die äußere Werkstückverkleidung der Mauer, aus Bindern und Orthostaten bestehend, umgestürzt ist und noch in ihrer Falllage vor dem Mauerkern liegt. Nach diesem Befund hatte die Mauer zur Zeit des Einsturzes noch eine Höhe von etwa 4 m.« G. Kawerau, 19.9.1905, GrTb V, 70: »Beim Marktthor zeigt sich, daß die zum Tabernakel der Ostseite des Thors gehörigen Baustücke in ihrer Falllage auf eine dichte Schuttschicht von 60–80 cm Höhe, aus Ziegelbrocken und Kalk bestehend, aufgelagert sind.
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er erkennen, weil er damit eine historische Nachricht in Einklang bringen konnte773. Aber eine derartig einfache Verknüpfung war auch zu dieser Zeit nicht zulässig, da solch ein Münzfund natürlich nur angeben kann, nach welchem Zeitpunkt der Kontext zustandegekommen sein muß, in dem er sich befand, und eben kein genaues Datum. Interessanterweise sind die in den Tagebüchern verzeichneten Interpretationen von Münzfunden durch Theodor Wiegand in dieser Hinsicht nicht einheitlich: Seine Datierung der »Gothenmauer« war etwa 1900 korrekt in der Bezeichnung eines terminus post quem774, aber seine Datierung eines byzantinischen Hauses im Theater durch einen Münzfund in das 9. Jahrhundert war hingegen zu bestimmt775; die zwei Datierungen aufgrund von Münzen durch Georg Kawerau waren jedoch beide methodisch einwandfrei776. Auch Schichtbeobachtungen777 gehörten zum Standardrepertoire der Ausgräber, wobei auch hierbei gilt, dass die Art der Durchführung vom Vorwissen bzw. Verständnis des Ausführenden abhingen. Einen Eindruck von den Möglichkeiten der Schichtbeobachtung bei der Ausgrabung von Architekturen gibt folgender Tagebucheintrag Kaweraus: Im oberen Saal [der Faustinathermen] liegt unmittelbar auf dem Ziegelschutt vom Einsturz der Gewölbe eine Brandschicht, die wohl die Reste der verbrannten Dach773
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F. Grosse [?], 13.11.1900, GrTb I, 113: »Heute wird im Mörtel der Mauer eine Kupfermünze des Gallienus (259–268) entdeckt; es scheint also, als ob die Mauer zu seiner Zeit errichtet ist, als die Gothen wiederholt vom Meere her die kleinasiatischen Küsten bedrohten und plünderten und z. B. den Tempel in Ephesos zerstörten (258 o. 9; 269). Die Funde in der Mauer widersprechen dieser Datierung bisher nicht. Dass die Mauer in aller Eile aus zusammengerafften Baugliedern zusammengestellt ist, spricht dafür. Ebenso, dass (mit einer erklärbaren Ausnahme vgl. zum 27.X.) nur archaische Skulpturen verbaut sind. Ferner, dass trotz der sichtbaren Beschleunigung des Baues doch eine bedeutende Technik und eine Sorgfalt (besonders an der Aussenseite) in der Schichtung erkennbar sind.« Th. Wiegand, 3.12.1900, GrTb I, 135: »An der späten Stadtmauer wird ein Münschatz gefunden, der aus der Zeit des Theodosius zu stammen scheint (um 38[…]). Dieser Münzschatz ist sehr wichtig für die Datierung der Mauer. Er ist dicht an der Aussenseite gefunden, aber einen Meter höher als der Mauerfuss, in einer Aufhöhung. Somit ist die Mauer älter als 387 n. Chr.« Th. Wiegand, 12.2.1903, GrTb II, 63 f., »Es findet sich in der Mittelaxe der Orchestra, auf Höhe der Bühne ein byz. Haus mit Marmorplattenfussboden & Wandbelag. Dort finden sich, neben einer Brunnenmündung, drei Goldmünzen des bilderstürmerischen Kaisers Theofilos und 2 Silbermünzen seiner 15 Jahre regierenden, den Bilderdienst wiederherstellenden Gemahlin Theodora. Damit ist dieses Haus in das neunte Jahrhundert datiert.« G. Kawerau, 13.9.1905, GrTb V, 67 f.: »Für die Zeitbestimmung dieser röm. Kammern [an der Westseite des Nordmarktes] ergiebt sich ein Anhalt durch einen heute gemachten Münzfund. Innerhalb dieser Kammern, etwa 25 cm über ihrem Fußboden fand sich ein kleiner Münzschatz – etwa [leer] Stück gleichartiger Münzen, die meist das Bild des Domitian zeigen – auf einem Exemplar ist bisher auch das Bild einer Kaiserin erkannt. Die Hauptmasse jedoch ist Domitian. Diese Kammern können daher nicht später als in domitianischer Zeit erbaut sein.« Faustinathermen: G. Kawerau, 24.4.1906, GrTb VI, 18: »Auf dem Fußboden, unter dem Ziegelschutt finden sich zwei Münzen, wovon die eine sicher byzantinisch: Beweis, daß der Einsturz der Decke erst nach der Zeit dieser Münze erfolgt ist.« Die Beachtung von Schichten ist auch ein Thema im Kapitel 3.2.4. zum archaischen Milet. Im Rahmen der Nekropolensuche hatte Theodor Wiegand 1903 im Tagebuch schon eine Schichtenabfolge skizziert und beschrieben: Th. Wiegand, [Zusammenfassung 20.–24.10.1903], GrTb III, 22 f.
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konstruktion bezeichnet und die deutlich geschieden ist von mehreren höher liegenden Brandschichten, die erst in späterer Zeit nach Zerstörung der Thermen bei Wiederbesiedlung des Trümmerfeldes entstanden sind. In den oberen Schichten über der alten Brandschicht werden seldschukische Gefäßscherben und jüngere türkische Thonware gefunden. Auch auf dem Fußboden selbst finden sich an einzelnen Stellen alte Brandspuren, so unmittelbar vor der Apsis bei A. Es ist also hier erwiesen, daß die Zerstörung durch Feuer erfolgt ist. Auch im unteren Saal liegt direkt auf dem Fußboden eine starke Brandschicht und auch an den herabgestürzten Theilen des Gewölbes sind die Spuren des Feuers zu sehen778.
Hubert Knackfuß war sogar in der Lage, Böden sicher festzustellen, die nicht besonders durch Pflasterung, Estrich o. ä. markiert waren, und konnte selbst das Verhältnis von baulichen Resten und begleitenden Schichten in komplizierten Befundlagen sinnvoll und nachvollziehbar beschreiben779. Genauere Beobachtungen von Einzelbefunden traten ebenso auf, auch wenn sie später wie die Schichtbeobachtungen kaum Eingang in die Publikationen fanden780. Die bei der Anlage der »Versuchsgräben« oder bei anschließender Freilegung angetroffenen Mauern wurden während der Arbeit zunächst sämtlich stehengelassen und erst, wenn eine erste Interpretation der Befunde erreicht worden war, konnten ggf. spätere Mauern abgerissen werden. Die Entscheidung scheint dabei jeweils im Einzelfall getroffen worden zu sein, denn der Abbruch und sein Anlass wurden oft extra notiert. Dabei wurden die betreffenden Objekte zeichnerisch aufgenommen, falls es zu einer Niederlegung kam. Ein sicheres Ausschlusskriterium für derartige Maßnahmen war offenbar das Vorhandensein von Mosaiken781 oder vergleichbarer Innenausstattung; auch Pflasterungen oder Plattenbeläge
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G. Kawerau, 19.4.1906, GrTb VI, 13 f. H. Knackfuß, 8.10.1902, GrTb II, 7: »[Beschreibung einer Skizze im Tagebuch, Graben vom Bouleuterion nach Süden über die NW-Ecke des Südmarktes hinweg] … c. ist eine gute Quadermauer, ebenso d, zwischen beiden findet sich unterhalb der gestern erwähnten Ziegelschuttlage fester scherbenfreier, lehmig-sandiger Boden in welchem die beiden Mauern noch hineinreichen… östlich von der Bossenquadermauer b. reicht die moderne Schuttschicht mit seldschuckischen Scherben zu wesentlich bedeutenderer Tiefe, so daß b. als ›Futtermauer‹ angelegt ist. In rd. 2,50 m Tiefe stößt man auf die betonartige Porosunterlage des Hallenbodens und in gleicher Entfernung von der Bossenquadermauer wie an der entsprechenden Halle der Nordhalle (rd. 14,00 m) kommt die zweite Stufe der Westhalle zum Vorschein, die Oberfläche ist an dieser Stelle zerstört.« G. Kawerau, 25.11.1905, GrTb V, 126: »In den Thermen stoßen wir in der ersten Kammer der Ostseite des großen Saals auf Schichten von sehr feinen Ziegelbrocken, kleinen haselnußgroßen Stückchen, die in großen Mengen hier angehäuft sind. Es muß ein Depot von Ziegelkleinschlag sein, wahrscheinlich zur Anfertigung von Estrich oder Ziegelbeton hier gelagert.« H. Knackfuß, 28.11.1906, GrTb VI, 69 f.: »In der byz. Kirche sind die Untersuchungen des Untergrundes wieder aufgenommen worden, nachdem die erhaltnen Mosaikreste durch Cementeinfassungen gesichert worden sind.«; H. Knackfuß, 22.1.1910, GrTb VI, 186: »Der Graben hinter dem Buleuterium hat wegen starker spätantiker Bebauung kein klares Bild im Westen der aufgedeckten Ostmauer der langen Halle ergeben, daher wird diese Mauer jetzt nördlich verfolgt.« (Am 8. Januar waren in diesem Graben »byz. Häuser mit Mosaikboden« entdeckt worden.).
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wurden nicht zerstört782. Eine Ausnahme könnten ›türkische‹ bzw. ›späte‹ Mauern gebildet haben, die die Ausgräber an mehreren Stellen klar von ›seldschukischen‹ Mauern unterschieden783, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei diesen Mauern in der Regel tatsächlich um eher rezente Befunde gehandelt haben dürfte. Die größten Verluste durch Eingriffe in die bauliche Substanz sind aus heutiger Sicht sicher die teilweise Niederlegung der späteren Befestigungsanlagen784, der Abbruch der nachantiken Gebäudereste über dem Sturzfeld des Markttores785 und die weitgehende Beseitigung der byzantinischen Siedlungsspuren in der Cavea des Theaters786. Erstere war nach der Freilegung wohl auch eine denkmalpflegerische Notwendigkeit, da die zahlreichen dort verbauten wertvollen Skulpturen787 vor Diebstahl und Zerstörung geschützt und zu diesem Zweck in die Museen verbracht werden mussten. Am 30. September 1900 wurde zum ersten Mal erwähnt, dass diese Mauer » später ev[entuell]. ganz abgebrochen«788 werden sollte. Mit dem »völligen Abbruch« wurde erst am 12. November begonnen789. Da Theodor Wiegand in dieser Zeit nach Konstantinopel reiste790 und mit dem Abbruch der Mauer erst begonnen wurde, nachdem Wiegand wieder in Milet eintraf791, könnte man vermuten, dass für den Abbruch des Monumentes zuerst eine offizielle Genehmigung eingeholt werden musste; aus den berücksichtigten Dokumenten geht dies allerdings nicht explizit hervor. Mit den beiden anderen Maßnahmen begegnet eine wissenschaftliche Güterabwägung, die heute in dieser Weise nicht mehr angestellt werden würde und deshalb aus der Zeit heraus verstanden werden sollte. Insbesondere bedeutete sie keine grundsätzliche Geringschätzung nachantiker Befunde, denn an anderen Stellen im Stadtgebiet792 782
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H. Knackfuß, 21.3.1905, GrTb V, 37 f.: »In dem mittleren Diazomaflure des Theaters wird eine Stelle, an der einige Fußbodenplatten fehlen, aufgegraben um den Querschnitt des Entwässerungskanales festzustellen.« Beispielsweise H. Knackfuß, 10.12.1909, GrTb VI, 169 f.:»In dem Graben westlich parallel der heil. Straße werden byz. Plattengräber, seldschukische und spätere türkische Hausmauern sowie spätantike und unter diesen griechische … gefunden.« F. Grosse [?], 30.10.1900, GrTb I, 101 f. Th. Wiegand, 15–16.9.1904, GrTb IV, 29: »Am Markttor kommen wir in mittelalterliche Häuser in denen sehr viel schoene Architektur verbaut ist.« Vgl. für den heutigen Umgang: B. F. Weber, Die Restaurierungsmassnahmen im Theater von Milet. Arbeiten in den Kampagnen 1998–1999, AA 2001, 443 f. F. Grosse [?], 28.10.1900, GrTb I, 101: »Einige m. nördlich von der Fundstelle der archaischen Mädchenfigur stecken drei arch. Sitzfiguren in der Mauer …« F. Grosse [?], 30.10.1900, GrTb I, 101 f. F. Grosse [?], 12.11.1900, GrTb I, 111. F. Grosse [?], 22.9.1900, GrTb I, 95. F. Grosse [?], 7.11.1900, GrTb I, 109. Zu den zwei von den alten Ausgräbern im Stadtgebiet entdeckten großen byzantinischen Kirchen, deren eine sicher wichtige antike Reste überbaute, vgl. den Überblick W. Müller-Wiener, Milet 1976–1986. Ergebnisse aus 10 Jahren Ausgrabungstätigkeit, AW 19/4, 1988, 31–42. Im einzelnen: W. Müller-Wiener, Milet 1972. Die »Große Kirche« (sog. Bischofskirche) in Milet, IstMitt 23/24, 1973/74, 131–134; O. Feld, Zur kunstgeschichtlichen Stellung der »Großen Kirche«, IstMitt 23/24, 1973/74, 135–137; W. Müller-Wiener, Milet 1973–1975. Michaelskirche und Dionysos-Tempel. Baubefunde und Phasengliederung, IstMitt 27/28, 1977/78, 94–103; O. Feld, Bautypus und Ausstattung der Michaelskirche, IstMitt, 27/28, 1977/78, 197–209; W.
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und auch außerhalb793 wurden byzantinische und seldschukische794 Reste sorgfältig ausgegraben, dokumentiert795 und in der selben Weise wie antike Monumente erhalten. Ein anderer Eingriff in erhaltene Bausubstanz illustriert das systematische Vorgehen bei derartigen Anlässen, das in seinem zeitlichen Ablauf durchaus nachzuvollziehen ist, aber dessen Ergebnis anschaulich zeigt, warum heute derartig weitreichende Manipulationen nicht mehr vorgenommen werden dürfen; im Anhang A.5 sind die wesentlichen Tagebucheinträge hierzu versammelt: Demnach spielte sich das Ereignis zwischen dem 9. Oktober und dem 3. November 1905 zwischen Delphinion und Seldschukischem Bad ab. Der Fund einer sehr gut erhaltenen, längeren archaischen Inschrift796, die bei Reinigungsarbeiten verbaut im Fundament des Delphinions erschien, führte zunächst dazu, dass eine Platte des sie bedeckenden Pflasters »vorsichtig« angehoben wurde, um die Inschrift vollständig untersuchen zu können. Weitere Säuberungsarbeiten an der Südwand des Delphinions zeigten, dass sich noch ein weiterer zugehöriger Inschriftenblock in einer ähnlichen Lage befand, aber von der Vorterrasse des Seldschukischen Bades derart überbaut worden war, dass ein unmittelbarer Zugang nicht möglich war. Daher wurde zunächst entschieden, dass ein Teil der Vorterrassenmauer abgerissen werden sollte. Während dieser Arbeiten zeigte sich, dass die Mauer auf einer älteren Stufenkonstruktion saß, die nun ihrerseits das Vordringen zu der Inschrift verhinderte. Auch dieser Bauverband wurde aufgelöst, aber die schließlich freiliegende Inschrift erwies sich dann leider als so sehr beschädigt, dass der Aufwand gar nicht gelohnt hatte, denn die wenigen erhaltenen Worte stellten keine wesentliche Ergänzung zum ersten Block dar. Die Ausgräber hatten also zunächst eine fragmentierte Inschrift entdeckt, deren Inhalt sie in wissenschaftlicher Hinsicht für sehr relevant hielten. Als dann ein zugehöriger Block sichtbar wurde, lag es nahe, dass dieses Fragment ergänzende Teile der Inschrift enthalten könnte, weshalb enschieden wurde in den Erhaltungszustand der Ruinen einzugreifen. Dabei ging man mit Bedacht vor und dokumentierte den jeweiligen Zustand und die vorgenommenen Schritte. Aber schließlich erbrachten die vorgenommenen Maßnahmen ein negatives Ergebnis797.
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Müller-Wiener, Milet 1981. Arbeiten im Stadtgebiet. Untersuchungen in der ›Großen Kirche‹, IstMitt 32, 1982, 6–14; W. Müller-Wiener, Milet 1987. Untersuchungen im Bischofspalast in Milet (1977–1979), IstMitt 38, 1988, 279–290; W. Müller-Wiener, Milet 1989. Arbeiten in der Großen Kirche, IstMitt 40, 1990, 72–78. Th. Wiegand, Der Latmos, Milet 3, 1 (Berlin 1913). Vgl. auch die Ausgrabung der byzantinischen Kirche »Aja Paraskevi« südlich von Akköy: Th. Wiegand, 26.1.–7.2.1903, GrTb II, 54–60; H. Knackfuß, 21.–28.3.1903, GrTb II, 82–87. K. Wulzinger – P. Wittek – F. Sarre, Das islamische Milet, Milet 3, 4 (Berlin 1935). A. von Salis, 3.6.1906, GrTb VI, 49: »In dem türkischen Bad in der N.O. Ecke des Moscheehofes wird der Schutt entfernt, um Herrn Zippelius die Aufmessung des Gebäudes zu ermöglichen.« G. Kawerau – A. Rehm, Das Delphinion in Milet, Milet 1, 3 (Berlin 1914) 139. 163–166 n. 31. Nicht nur in Bezug auf diese Frage nach größeren baulichen Veränderungen an den antiken Resten wäre es interessant, die Sicht des Regierungsvertreters bei den Ausgrabungen anhand seiner Berichte nach Konstantinopel, die es sicher gegeben hat, kennenzulernen, falls sie noch erhalten sind.
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Zeitlich parallel zu dieser unglücklichen Aktion liefen in Milet aber auch umfangreiche Restaurierungsarbeiten798 an der Ilyas-Bey Moschee, womit ein letzter Aspekt der Arbeiten im Stadtgebiet berührt wird, der dieses Kapitel beschließen soll: Die Feldarchäologen sorgten eben nicht nur für die Ordnung und Sicherung ihrer Funde, sondern waren sich auch ihrer denkmalpflegerischen Verantwortung für die ausgegrabenen Reste bewusst. Dieses Bemühen um den Schutz der erhaltenen Bausubstanz ist naturgemäß besonders bei der ›Stadtgrabung‹ fassbar, da dort substanzielle Reste angetroffen wurden, die entweder schon vor Beginn der Ausgrabungen sichtbar waren oder nach der Freilegung zugänglich bleiben sollten. Solche Maßnahmen wurden während der gesamten Zeit der Ausgrabung kontinierlich vorgenommen und besonders in den letzten Jahren der Grabung steigerte sich der Arbeitsaufwand für diese Arbeiten beträchtlich: Schon 1903 fanden »Sicherungsarbeiten« im Theater statt, nachdem dort ein »Einsturz grosser Blöcke stattgefunden« hatte799, und im Sommer 1904 waren für die Restaurierungsarbeiten an der großen Moschee »Dachziegel in Menge gebrannt«800 worden. In der folgenden Herbstkampagne ließ man nicht nur am »Wasserleitungspfeiler am Ende der Gothenmauer … einige gefährliche Stellen durch Ausmauerung«801 reparieren, sondern führte auch im Theater weitere »dringend nöthige Reparaturarbeiten«802 aus. 1904803, 1905804 und 1906805 (Taf. 17a; 17b) fanden ebenfalls umfangreiche Sicherungsarbeiten am gut erhaltenen aufgehenden Mauerwerk der Faustinathermen statt. Ab 1910 bis Ende 1913 beaufsichtigte schließlich Armin von Gerkan neben seinen Aufnahmearbeiten im Ruinengelände immer wieder auch die Errichtung von »Trocken-« oder »Schutzmauern«, die die einzelnen Grabungsareale umfassten, und führte weitere Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten aus806. Auch das denkmalpflegerische Handeln der Aus798
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G. Kawerau, 1.11.1905, GrTb V, 104 f.: »Die Restaurierungs-Arbeit an der Moschee, Dacheindeckung und Reparatur der oberen Gesimse, ist nahezu fertig. Es fehlt nur noch Reparatur des Minaretts und des ersten großen Gesimses vor dem Übergang ins Achteck. Die erforderlichen Schieferplatten zur Abdeckung dieses Gesimses sowie die Minarettziegel müssen noch hergestellt werden.« Th. Wiegand, 5.2.1903, GrTb II, 59. Th. Wiegand an H. Knackfuß, 9.7.1904, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. G. Kawerau, 12.–17.12.1904, GrTB V, 22 G. Kawerau, 19.–24.12.1904, GrTB V, 23: »Am Theater werden durch den Maurer einige dringend nöthige Reparaturarbeiten ausgeführt, bei A an dem östlichen Zugang der zum 1. Diazoma führt, wird ein Thürbogen der angrenzenden Kammern durch einen gemauerten Pfeiler gestützt und die überwölbung selbst reparirt. Bei B an der halbrunden Außenfront wird ein Gerüst gebaut, um hier die Fassade zu repariren.« Weitere Sicherungsarbeiten im Theater: H. Knackfuß, 25.2.1905, GrTb V, 32 G. Kawerau, 18.3.1904, GrTb III, 79; G. Kawerau, 21.3.1904, GrTb III, 81; G. Kawerau, 22.3.1904, GrTb III, 81. G. Kawerau, 22.11.1905, GrTb V, 122. A. von Salis, 24.4.1906, GrTB VI, 20: »Bei IV beginnen wir heute mit Abstützung und Reparatur des Pfeilers E.« A. v. Gerkan, 10.10.1910, GrTB VI, 195: »Es wird mit der Weiterführung der Trockenmauern beim Delphinion und bei der Löwenbucht begonnen.«; A. v. Gerkan, 13.10.1910, GrTB VI, 196: »Steine zum Bau der Trockenmauern werden mit einem Karren zusammengesammelt.«; A.
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gräber entsprach also den von ihnen vertretenen Konzepten807 und beschränkte sich keineswegs etwa nur auf nachlässig ausgeführte Alibimaßnahmen. Insbesondere die Anlage der weitläufigen Schutzmauern stellte eine höchst sinnvolle Maßnahme dar, da weidende Tiere auch heute noch ein Hauptauslöser für nachhaltige Zerstörungen an der erhaltenen Bausubstanz sind808. In der Zusammenschau lässt sich also sagen, dass sich die Ausgräber mit einer Beschränkung auf wenige grundlegende Fragestellungen – Stadtzentrum, Wasserversorgung, Stadtbefestigung und Stadtplan – ein Arbeitsprogramm gegeben hatten, das Struktur in das weiträumige und unübersichliche Ruinengelände des antiken Milets bringen konnte und mit ihren Mitteln durchführbar war. Bei diesen Arbeiten verfuhren sie planvoll, und es wird sich in Kap. 3.3.1. zeigen, dass die in der Folge vorgelegten Publikationen die Ergebnisse im Sinne dieser Programmatik auch weitgehend abbildeten. Darüber hinaus hinterließen sie ein wohlgeordnetes Ausgrabungsgelände, das vergleichbar mit den geordnet gelagerten Einzelfunden grundsätzlich eingehendere Forschungen erlaubte; denn ihre Arbeiten hatten hierfür – etwa für die Wohnbebauung – ebenfalls eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten ergeben, die sorgfältig dokumentiert worden waren, so dass ggf. neue Forschungsprogramme sinnvoll formuliert und initiert werden konnten.
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v. Gerkan, Herbst 1911, GrTB VI, 209: »… die Schutzmauer um den Ausgrabungsplatz weitergeführt (Südseite).«; A. v. Gerkan, 18.–25.11.1911, GrTB VI, 211: »Die Schutzmauer um den Hafenhallenbezirk wird beendet.«; A. v. Gerkan, 7.–12.10.1912, GrTB VI, 218: »In den Faustinathermen ist zum Dorf hin noch am Hof je eine Schutzmauer gebaut.«; A. v. Gerkan, 11.– 16.11.1912, GrTB VI, 222: »In den Faustinathermen ist zum Dorf hin noch am Hof je eine Schutzmauer gebaut.«; A. von Gerkan, 16.–21.12.1912, GrTb VI, 227: »Das Gewölbe am Heroon ist fertiggestellt; die Lücken sind durch Mörtel geschlossen, und die Oberfläche ist in Mörtelmauerwerk abgeglichen. Im Innern sind die besonders stark beanspruchten Stützen zwischen den Grabnischen untermauert.«; A. v. Gerkan, 27.–1.11.1913, GrTB VI, 234: »Der römische Grabtempel an der Theaterbucht ist […] […] von innen abgestützt und gedeckt worden. Das Heroon am Theaterhügel ist neu gereinigt worden und einige Platten vom Fussbodenbelag sind an ihren Platz gelegt worden.«; A. v. Gerkan, 3.–9.11.1913, GrTB VI, 234 f.: »Die Schutzmauer nördlich von der Zippeliustherme ist ordentlich aufgebaut worden, die grossen Reliefplatten vom Hafenrundbau gerade aufgestellt worden, und die Zugänge zum römischen Ehrengrab (Basisheiligtum) zugebaut worden.« re Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905) 244 f.; Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 104 f. 106 f. Dass diese Trockenmauern heute nicht mehr sichtbar sind, könnte damit zusammenhängen, dass nach einem schweren Erdbeben 1955 bei der Neuanlage Balats außerhalb des Ruinengeländes sehr viel Baumaterial benötigt wurde.
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3.2.3. Nekropolengrabung Erste Sondierungen zur Auffindung der milesischen Nekropolen809 wurden in einer kurzen Frühjahrskampagne im April 1900 an sieben verschiedenen Stellen im Süden der Stadt durchgeführt810. Im Tagebuch notierte Theodor Wiegand die Ergebnisse von insgesamt vier dieser Stellen811: Ein Suchgraben durch einen Hügel nordöstlich vom Kalabaktepe erbrachte nur Keramikscherben, während ein Hang noch weiter südlich und der Hügel, der dem Kazartepe gegenüber lag, gar keine Funde aufwiesen. Fündig wurde man nur auf dem genannten Kazartepe, der direkt am Weg nach Akköy liegt. Dort fanden sich eine »Porosmauer mit Grabgewölbeansatz« und zwei hellenistische Grabsteine812. In der Herbstkampagne 1901 wurde diese Grabung vom Stipendiaten Carl Watzinger weitergeführt813, wobei ein rechts (nördlich) von diesem Grab angelegter Graben und auch eine Versuchsgrabung »östlich von dem Sammelbecken der römischen Wasserleitung« keine weiteren Funde erbrachte. Watzingers Arbeitergruppe wurde darauf hin geteilt, wobei der größere Teil am ›Heiligen Tor‹ die Straße nach Didyma stadtauswärts verfolgte. Die kleinere Gruppe untersuchte zunächst die Fundstelle einer Ehreninschrift für Trajan814; einen Hügel zwischen der Stadtmauer und dem Kalabaktepe, wo sie spätere Hausmauern fand und ging am 25. Oktober an den Nordwestabhang des Kalabaktepe über, wo u. a. hellenistische Ziegelgräber gefunden wurden815. Im Jahr 1903 kehrte Watzinger noch einmal für Untersuchungen am ›Heiligen Tor‹ nach Milet zurück, wo er Tiefgrabungen veranstaltete, in deren Verlauf archaische Brandbestattungen aufgedeckt wurden; einen weiteren Suchgraben, der »lediglich auf die archaische Nekropolis« zielen sollte, legte Wat-
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E. Forbeck, Die Nekropolen von Milet. Grabungen und Untersuchungen in den Jahren 1900– 1907 und 1993–1995 (unpublizierte Dissertation Ruhr-Universität Bochum 1998); E. Forbeck, Gräber des hellenistischen und kaiserzeitlichen Milet, in: Ch. Berns – H. von Hesberg – L. Vandeput – M. Waelkens (Hrsg.), Patris und Imperium. Kulturelle und politische Identität in den Städten der römischen Provinzen in der frühen Kaiserzeit. Kolloquium Köln, November 1998 (Leuven 2002) 97–105; Zusammenfassung der Untersuchungen der alten Ausgräber zu den Nekropolen: E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997) 47–49. 50; eine zusammenfassende Darstellung der Sondierungen der Vorkriegsgrabung, die archaische Funde und Befunde erbrachten: R. Senff, Milet. Die archaische Stadt. Die Ausgrabungen in den Wohngebieten und den städtischen Heiligtümern 1899 – 2001. Baugeschichte und Stratigraphie (unpublizierte Habilitationsschrift Ruhr-Universität Bochum 2002) 3–11. Th. Wiegand an Herr Geheimrat [R. Kekulé], 3.5.1900, SMB/AS, Mil1. Th. Wiegand, Milet im Frühjahr 1900, GrTb I, 55–57. P. Herrmann, Inschriften von Milet. Inschriften n. 407–1019, Milet 6, 2 (Berlin 1998) 8 n. 434; 16 n. 478. C. Watzinger, 5.10.1901–7.10.1901, GrTb I, 147–151. H. Knackfuß, Der südliche Markt und die benachbarten Bauanlagen, Milet 1, 7 (Berlin 1924) 310 n. 227. Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902, 148.
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zinger in einem größeren Abstand zum ›Heiligen Tor‹ an816. Der Stipendiat Emil Herkenrath setzte 1904 die Untersuchungen am Kalabaktepe fort817. Erst 1906 kam es zu einer umfangreicheren Untersuchung des Gebietes durch Arnold von Salis. Aus der Frühjahrskampagne diesen Jahres datiert auch die Anlage des Sondertagebuches für die Nekropolengrabung818. Wiegand notierte auf dessen Vorsatzblatt als Motto die pessimistische Einschätzung Johannes Boehlaus, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen wäre, in der heutigen Ruinenstätte Milets in kurzer Zeit einen archaischen Friedhof zu finden819. Die Anlage des Sondertagebuches zeigt dabei an, dass die Nekropolengrabung von diesem Zeitpunkt an systematischer angegangen wurde. Durch die Voruntersuchungen hatten sich zwei Bereiche herauskristallisiert, die nun ausführlicher untersucht wurden: Zum einen der schon erwähnte Kalabaktepe und zum anderen das Gebiet um den östlich davon gelegenen Kazartepe. Von Salis begann am 21. April 1906 die Nekropolenuntersuchung auf der Ostterrasse des Kalabaktepe und führte auch das Sondertagebuch. Dort legte er hauptsächlich Fundamentmauern frei. Am 7. Mai nahm Wiegand einmal die Tagebucheintragung vor und erklärte, dass beschlossen worden sei, von nun an in größerem Maßstab zu arbeiten820. Dafür wurde ein Aufseher angestellt und Teile der Feldbahn zum Kalabaktepe transportiert. Am folgenden Tag notierte Wiegand auch den Grund dafür, denn er stellte fest, dass die auf der Ostterrasse gefundenen Hausmauern nichts mit der archaischen Nekropole zu tun haben821. Hatte von Salis bis zu diesem Zeitpunkt mit acht bis zehn Arbeitern gearbeitet, wurde die Mannschaft nun auf 17 bis 20 Arbeiter erhöht und die Ostterrasse in Streifen abgegraben (Taf. 18a). Diese Grabung wurde am 26. Mai 1906 bis zum Herbst eingestellt822 und im September im selben Umfang weiter geführt. Der Kalabaktepe war also zunächst aufgrund der Voruntersuchungen als ein möglicher Ort der Nekropole angesehen worden. Von Salis berichtete seinen Eltern am 29. April 1906 folgendes von seiner Ausgrabung und fasste damit die Erwartungen der Ausgräber am Beginn der Grabung auf dem Kalabaktepe zusammen: Eine Woche reich an Erfolgen liegt hinter mir - über alles Erwarten reich! Ich habe gefunden, was ich suchte. Böhlau hat in seinem Buch über die ionischen Nekropolen Kleinasiens gesagt: »Wer je die Trümmerstätte gesehen hat, welche die Lage des
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E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997) 50. E. Herkenrath, Bericht von Dr. Herkenrath über die Grabungen am Kalabaktepe. 1904 (eingeklebt in GrTB Nekropole). GrTb Nekropole. Die Dokumentation beginnt am 21. April 1906, der genaue Titel des Bandes lautet: »Milet. Nekropole. Frühjahr 1906 –«, später ergänzt um: »Kalabaktepe, Deirmentepe – Pernice, Fricken.« J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 5. Th. Wiegand, 7.5.1906, GrTb Nekropole, o. S. Th. Wiegand, 8.5.1906, GrTb Nekropole, o. S. A. von Salis, 26.5.1906, GrTb Nekropole, o. S.
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alten Milet bezeichnet, begreift das Hoffnungslose des Unternehmens, hier in kurzer Zeit die Stelle des alten Friedhofs aus dem 6. Jahrhundert aufzufinden.« So ganz hoffnungslos war nun doch die Sache auch von vornherein nicht. Es war selbstverständlich, dass man die alten Gräber nicht im flachen Fruchtland zu suchen habe, denn die archaischen Friedhöfe wurden meistens an Hängen angelegt, auf steinigem Boden, um den es nicht schad war. Bei Milet fällt einem da sogleich der sogenannte Kalabak-Tepe ein, der »Becherberg« (weil er einer umgestürzten Tasse gleicht), ein hoher Hügel mit auffällig flachem Rücken, der etwa zehn Minuten südlich von der alten Stadtmauer liegt, und sich überall durch seine charakteristische Form bemerkbar macht. In halber Höhe stösst er eine breite Terrasse zungenförmig gegen die Stadt zu. Das Plateau und die Hänge sind besät mit antiken Scherben. Hier erwartete ich die alten Nekropole zu finden, und haben es auch andere schon vor mir gethan. Man hat schon verschiedene Stollen in den steinigen Hügel getrieben, aber ohne Erfolg. Ich zog nun einen 4 Meter breiten tiefen Graben von unten nach der Terrasse hinauf u. geriet mit ihm zufällig zwischen zwei merkwürdige, sehr alte Stützmauern823, von denen ich nun noch mehrere andere an diesem Hang festgestellt und ausgegraben habe, und die ich nach Analogien als Grabanlagen ansprechen darf. Gräber selbst mit unberührtem Inhalt habe ich noch keine gefunden, sondern erst Dinge, die aus zerstörten, wohl oben gelegenen Gräbern stammen müssen, aber in grosser Menge. Vasenscherben, zum Teil sehr wichtige und interessante, in unglaublicher Zahl, Münzen und Terracotten, vor allem aber archaische Skulpturen, über die Ihr später einmal mehr zu hören bekommt824.
Tatsächlich hatten die Ausgräber aber bald erkannt, dass die auf der Ostterrasse des Kalabaktepe ausgegrabenen Mauern und Funde Siedlungsreste waren und nicht von einer Nekropole stammten825. Aber die Vorstellung, dass die Funde und Befunde auf der Ostterrasse doch irgendwie mit einer archaischen Nekropole in Verbindung standen, hielt sich hartnäckig: Im Bericht über seine Arbeiten in der Frühjahrskampagne formulierte von Salis den Gedanken, dass die beim Bau der Häuser auf der Ostterrasse verwendeten archaischen Spolien teilweise aus einer »Zerstörung archaischer Gräber« stammen könnten826, und sein zweiter Bericht über die Herbstkampagne griff diesen Gedanken noch einmal auf827. Die weiteren Untersuchungen auf dem Kalabaktepe und seiner Umgebung werden weiter unten im folgenden Kapitel zur archaischen Stadt thematisiert, zunächst sollen jedoch chronologisch die anschließenden Bemühungen zur Auffindung der archaischen Nekropole beschrieben werden. In der Sommerpause zwischen den Kampagnen 1906 hatte der Vorarbeiter Hasan Çavuş das Fragment einer archaischen Löwenskulptur am Kazartepe ent823
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Dabei handelt es sich wohl um die eine Mauer des ›Rampentores‹, die Emil Herkenrath schon 1904 aufgedeckt hatte, und die gegenüberliegende Mauer, die von Salis am 24. April 1906 freigelegt hatte. A. von Salis an die Eltern, 29.4.1906, NL von Salis. M. Kerschner, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1995, 214–220; M. Kerschner – R. Senff, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1997, 120–122. A. von Salis, Bericht über die Frühjahrscampagne 1906 in Milet. 9. April – 6. Juni, SMB/AS, Mil1, 19. Anhang A.6.
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deckt828. An diesem Hügel begann von Salis am 24. September parallel zur Arbeit am Kalabaktepe damit, einen älteren Suchgraben, der wieder zugeschüttet worden war, erneut freizulegen und zu erweitern. Am 1. Oktober setzte die eigentliche Freiräumung des Osthangs des Kazartepe ein829. Zunächst waren dort acht Arbeiter beschäftigt – eine vergleichbare Anzahl wie sie Hans Dragendorff auf Thera verwendet hatte, um die Gräber sachgerecht auszugraben. Aber in Milet schien diese kleine Arbeitsgruppe typisch für Voruntersuchungen zu sein: Schon am Kalabaktepe begann ja die Arbeit im Frühjahr mit acht Arbeitern, und als die ersten Erkundungen abgeschlossen waren, wurden die Arbeiten mit wesentlich mehr Personal fortgesetzt. Dieses Bild zeigte sich nun auch am Kazartepe, wo nach Auffindung einer zweiten, fast vollständigen Löwenskulptur (Taf. 18b) am 3. Oktober im »grösseren Masstab gearbeitet werden« sollte; »der ganze Hang« müsse »weg«830. Die Arbeiterzahl wurde auf 25 zuzüglich Vorarbeiter heraufgesetzt, damit das Areal großflächig freigelegt werden konnte. Zusätzlich zu diesen Arbeiten am Kazartepe musste von Salis noch die Arbeiten am Kalabaktepe und eine weitere Arbeitsgruppe, die den Stadtmauerverlauf weiter verfolgen sollte, beaufsichtigen, worin ein zweiter gravierender Unterschied zu der theräischen Unternehmung deutlich wird, denn Dragendorff konnte sich auf Thera auf eine einzige konkrete Aufgabenstellung, die Ausgrabung der Nekropole, konzentrieren. An diesem Osthang des Kazartepe wurde tatsächlich ein archaisches Grab gefunden831. Allerdings enthielt die Grabkammer leider keinen »Sarkophag832 …, auch keine bemalten Vasen«833. Lediglich im Dromos, der zur eigentlichen Grabkammer führte, fand von Salis archaische Keramikscherben, die er in seinem Bericht (Vgl. Anhang A.6) mit den archaischen Keramikfunden vom Kalabaktepe und dem Athenatempel in Beziehung setzte: Mit diesem ersten archaischen Grab gäbe es »nun endlich sicheren Anhalt … für die Bestimmung des altionischen Gebrauchsgeschirrs« und seine daran anknüpfenden Erwägungen zu dem vorliegenden Keramikmaterial sah er als »ein bemerkenswertes Resultat der milesischen Ausgrabungen überhaupt«, so »daß mit der Scheidung der altionischen Vasenmalerei in viele Lokalstile künftig etwas vorsichtiger umgegangen« werden müsse. Mit dieser Aussage nahm von Salis direkt Bezug auf die Ergebnisse Boehlaus834, 828 829
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A. von Salis, 1.10.1906, GrTb Nekropole, o. S.: »Sollte auch hier ein archaischer Friedhof sein?« Vgl. den Bericht von Salis’ über »Grabungen in der Necropolis« in E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997) 4–8. A. von Salis, 4.10.1906, GrTb Nekropole, o. S. Umfassend publiziert in: E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997). Das Fragment eines bemalten »klazomenischen« Tonsarkophages hatte A. von Salis zuvor auf dem Kalabaktepe gefunden. Diese Denkmälergattung war ebenfalls relevant für die Geschichte der Erforschung der ostgriechischen Vasenmalerei: Vgl. auch Michaelis, Ein Jahrhundert kunst2 archäologischer Entdeckungen (Leipzig 1908) 230 f. Wörtlich zit. nach dem Zusatzbericht von Salis’ bei E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997) 8. Auch im Bericht »Grabungen in der Necropolis«, in Forbeck – Heres a. O. (Anm. 833) 6, vergleicht von Salis einen Befund des Löwengrabes mit einem aus Boehlaus Grabung auf Samos.
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der angenommen hatte, dass die ›Fikellura‹-Keramik in Samos produziert worden sei835: Von Salis sah dieses zentrale Ergebnis Boehlaus als widerlegt an. Dieses »vasenarchäologische« Ergebnis der milesischen Nekropolensuche stellte in der Tat einen wesentlichen Erfolg der Forschungen zur ostgriechischen Keramik dar. Dies war auch Wiegand sehr wohl bewusst: Im sechsten Vorbericht referierte er 1908 ausführlich die bisherigen Ergebnisse zur milesischen Keramik836, und als 1907 August Frickenhaus mykenische Gräber (s. u.) gefunden hatte, berichtete Wiegand seiner Frau, dass er »wirklich sehr zufrieden« sei, »nun das milesische Werk mit der Lösung der keramischen Fragen krönen zu können.«837 Bot das »Löwengrab« für von Salis einen ersten Anhaltspunkt für eine Ordnung der übrigen archaischen Keramikfunde in Milet, reichte doch ein einziges Grab nicht aus, um eine wirklich belastbare Ordnung der Keramik herbeizuführen. Für die »vasenarchäologische« Grabungsmethodik, die auf geschlossene »natürliche« Kontexte in Form von Gräbern angewiesen war, um chronologische Reihen des Fundmaterials erstellen zu können, mussten zwangsläufig weitere archaische Gräber lokalisiert werden. Allerdings erfüllte sich die Hoffnung, am Osthang des Kazartepe weitere archaische Gräber zu finden, nicht, auch wenn von Salis in seinem Bericht über »Die Grabungen in der Necropolis« noch in dem Fund archaischer Vasenscherben an der Nordwest-Ecke des Ausgrabungsfeldes einen Anhaltspunkt für weitere archaische Gräber an diesem Ort sah838. Stattdessen lag das archaische »Löwengrab« isoliert in einer hellenistischen Nekropole839. Im folgenden Jahr übernahm der Reisestipendiat August Frickenhaus die Nekropolengrabung in der Frühjahrs- und Herbstkampagne, aber der Kazartepe selbst wurde zunächst nicht berührt. Stattdessen oblagen Frickenhaus die Arbeiten am Kalabaktepe und – von dort ausgreifend – die Arbeiten am westlich vom Kalabaktepe gelegenen Değirmentepe. Zudem sollte er die Arbeiten an den Faustina-Thermen im Stadtgebiet leiten; dabei musste er ähnlich große Arbeitsgruppen wie von Salis beaufsichtigen. Am Kalabaktepe begann die Grabung am 22. April 1907 wieder auf der Ostterrasse840. Am nächsten Tag wurde gleichzeitig ein Suchgraben am nordwestlichen »Abhang des 32m Hügels, der den westlichen Ausläufer der an die Salissche Nekropole anschließenden Hügelkette bildet« angelegt, denn »die hellenistische Nekropole muss doch nach dem W[esten]. zu einmal aufhören« und dort wäre hoffentlich »die Masse der archaischen Gräber zu erwarten«841. Leider erwies sich 835
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J. Boehlau, Aus ionischen und italischen Nekropolen. Ausgrabungen und Untersuchungen zur Geschichte der nachmykenischen griechischen Kunst (Leipzig 1898) 164. Th. Wiegand, Sechster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1908, Anh. 7 f. G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 92. Forbeck – Heres a. O. (Anm. 833) 8. Vgl. den Übersichtsplan Forbeck – Heres a. O. (Anm. 833) 3 Abb. 2. A. Frickenhaus, 22.4.1907, GrTb Nekropole, 119. A. Frickenhaus, 23.4.1907, GrTb Nekropole, 120 f.
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schnell, am 24. April, dass sich die hellenistische Nekropole bis an diesen Ort zog. Der Graben wurde aufgegeben, denn: »Wir haben wirklich genug hellenistische Gräber«842. Mit zwei weiteren Gräben, deren genaue Lage nicht eindeutig beschrieben ist, hatte Frickenhaus auch das Gebiet südlich des Kalabaktepe erkundet. In seinem Resumee der ersten Arbeitswoche schloss er am 27. April aus, dass archaische Gräber im Süden oder Südosten des Kalabaktepe liegen könnten. Seiner Meinung nach blieb »nur der Westen übrig«; der Değirmentepe843. Wieder war es der Vorarbeiter Hasan Çavuş gewesen, der die Archäologen auf einen wichtigen Fund hingewiesen hatte: Am 23. April zeigte er Frickenhaus im Tal zwischen Kalabaktepe und Değirmentepe ein archaisches Relief844 und wusste am 27. April von Höhlen in der Ostseite des Değirmentepe zu berichten845. Diese Argumente führte Frickenhaus für seinen Entschluss an, die Nekropolensuche in der folgenden Woche auf den Değirmentepe auszudehnen. Am 19. Mai war diese Nekropolensuche am Değirmentepe für ihn im »Wesentlichen beendet«846 und er notierte etwas resigniert im Tagebuch: Die Hoffnung am Deirmentepe die archaische Nekropole zu finden, ist nicht erfüllt. An 2 Stellen sind archaische Spuren gefunden worden (Grab 2 und 21); eine um 400 anzusetzende attische Scherbe an einer 3. Stelle (vgl. [leer]). Sonst nur hellenistisches (meist spät) und römisches, allerdings auch gute Sachen dabei. Die einzelnen archaischen Reste beweisen, dass hier auch archaische Gräber liegen müssen; aber wahrscheinlich wieder in derselben splendig isolation wie der Herr des Löwengrabes. Wenn man sie suchen wollte, würde man grosse Massen später Gräber mit in Kauf nehmen müssen und der Erfolg bliebe immer noch zweifelhaft.
Aber am nächsten Tag, den 20. Mai, war das Finderglück auf seiner Seite: Frickenhaus entdeckte am Ostabhang des Değirmentepe zwar kein archaisches, dafür aber ein noch älteres mykenisches Grab. Sein Fundbericht847 kontrastiert denkbar deutlich mit der unmittelbar vorangegangenen Tagebucheintragung: Mykenisches Felsgrab 20. V. Pfingstmontag. Das älteste milesische Grab. Ich glaubte die Grabung am Deirmentepe beendet und aussichtslos, da findet sich das 1. mykenische Grab! In dem späten Grab 10 war mir früher schon die Verkümmerung der Kammer IV aufgefallen; ich führte sie darauf zurück, dass man bei ihrer Herstellung hörte, dass eine Höhle dahinter läge. Diese war bei der Freilegung von 10 schon konstatiert worden, indem die Arbeiter die Wand durchschlagen hatten und ich mit dem Lot eine 11/2 m tiefe Höhlung konstatierte. 842 843 844 845 846 847
A. Frickenhaus, 24.4.1907, GrTb Nekropole, 123. A. Frickenhaus, 27.4.1907, GrTb Nekropole, 126. A. Frickenhaus, 24.4.1907, GrTb Nekropole, 121. A. Frickenhaus, 27.4.1907, GrTb Nekropole, 126. A. Frickenhaus, 19.5.1907, GrTb Nekropole, 142. A. Frickenhaus, 20.5.1907, GrTb Nekropole, 144 f.
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Dieses Loch liess ich heute erweitern und kletterte mit Hassan Tsouts [sic!] herunter. Während sich die Augen an das Halbdunkel gewöhnten, entdeckte ich 2 grosse Gefässe ganz erhalten. Das grössere hat eine ungewöhnliche Form, ich beleuchte es mit der Kerze und pralle zurück – mykenische Ornamente! Einige Minuten lang konnte ich fast nur »Donnerwetter« stammeln! Dann untersuchten wir, was aus der dünnen Erdschicht herausragte: nur die 2 ganz erhaltenen Gefässe, das Halsfragment des einhenkligen Wasserkrugs und einige Knochen. Dann begannen wir der Reihe nach das ganze Grab zu untersuchen und bargen in etwa 21/2 Std. alles. Die Thür des Grabes ist noch fest mit unregelmäßigen Steinen verschlossen; vor ihr liegt noch viel Schutt, so dass es sich empfiehlt, erst im Herbst mit Hilfe einer Eisenbahn den Schutt zu entfernen und gleichzeitig an der ganzen Stelle den Fels freizulegen. Im Dromos wird es noch weitere mykenische Scherben geben. Eine genaue Beschreibung des Grabes werde ich morgen geben, wenn die Graberde herausgeschafft und die Kammer vermessen ist.
Diese unverhoffte Wendung eröffnete für die Miletgrabung ganz neue Möglichkeiten, denn mit vorarchaischen Grabkontexten konnte Milet nun auch zu anderen wesentlichen »vasenarchäologischen« Forschungsfragen beitragen, so dass Frickenhaus mit dem Grab direkt die Hoffnung verband, nun »den Anfangspunkt der jonischen Kultur« in Milet erfassen zu können848. Es ist eine interessante Koinzidenz, dass Frickenhaus unmittelbar vor seinen Arbeiten in Milet, im März bis Anfang April des Jahres, noch mit Wilhelm Dörpfeld an dem bedeutenden mykenischen Fundplatz Tiryns auf der Peloponnes gegraben849 und dabei auch »geometrische« Gräber aufgedeckt hatte850. Diese Grabungserfahrung spiegelt sich in der ausführlichen Beschreibung des Grabbefundes vom 21. Mai wider (Anhang A.7), die zeigt, dass er den Inhalt des Grabes als einen geschlossenen Kontext begriff, in dem alle angetroffenen Objekte in einer unmittelbaren Beziehung zueinander stehen, die genau dokumentiert werden musste. Deshalb verzeichnete er auch, dass ein undekorierter, einhenkliger »Napf«, der rechts vom Toten lag, »nicht ganz gesichert in seiner Lage« war, »aber ca. 50 cm von den Knochen entfernt« gelegen habe und benannte mit mehreren Fragmenten von Bleidraht und einem Webgewicht, diejenigen Objekte, deren ursprüngliche Lage nicht mehr rekonstruierbar war, weil sie »im Schutt« gefunden wurden. In der folgenden Herbstkampagne begann die Nekropolengrabung am 1. September. Das mykenische Grab wurde auch als erstes weiter ausgegraben
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A. Frickenhaus, 21.5.1907, GrTb Nekropole, 147. W. Dörpfeld, Tiryns, Olympia, Pylos, AM 32, 1907, S. II. Frickenhaus bekam im Übrigen die Gelegenheit sich über Ergebnisse dieser Ausgrabung zu habilitieren: A. Frickenhaus, Die Hera von Tiryns, Tiryns 1 (Athen 1912) 1. Diese Arbeit vereinigte eine Interpretation des Baubefundes eines Heiligtums mit der Vorlage und Bearbeitung der zugehörigen Kleinfunde. W. Müller – F. Oelmann, Die Nekropole der ›geometrischen‹ Periode, Tiryns 1 (Athen 1912) 127.
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und die Suche in seiner Umgebung ausgedehnt851, wobei noch zehn weitere mykenische Gräber852 und zahlreiche hellenistisch-römische Gräber gefunden wurden. Ein Suchgraben unterhalb am Ostabhang erbrachte archaische Scherben853 und schließlich ein Ziegelgrab, das Frickenhaus für archaisch hielt854. Dieses Grab lag in einem »dafür ausgehauenen Viereck« und Frickenhaus fand darin »nur spätarchaische Scherben«, die »in ihrer Zusammensetzung höchst lehrreich« waren, »weil dieser Fund die Synchronismen einer Menge spätarchaischer Gefässorten« gäbe. Auch bei diesem Grab zeigt sich deutlich, dass es dem Ausgräber darum ging, mit dem Inventar des Befundes »vasenarchäologische« Forschungsfragen nach der Chronologie der Keramik zu beantworten. Frickenhaus setzte die Suche nach einer größeren archaischen Nekropole fort und erhielt dabei auch Hilfe von kompetenter Seite: Am Samstag, den 21. September 1907, traf abends Johannes Boehlau in Milet ein855, und am folgenden Mittwoch besichtige er zusammen mit Frickenhaus »die archaische Stadt und Nekropole«, wobei sie »die möglichen Stätten archaischer Gräber« besprachen und besuchten856. Eine von Boehlau angeregte Grabung an der »Brunnenstelle« südöstlich vom Kalabaktepe begann am 2. Oktober hoffnungsvoll, denn dort erschien »viel gemeine archaische Gebrauchsware.«857 Aber bis zum 5. Oktober ergab sich an dieser Stelle »nichts«. Parallel dazu wurden die Arbeiten am »34m-Hügel« in der Nähe des Kazartepe wieder aufgenommen858. Am 7. Oktober erreichte diese Grabung den Kazartepe und Frickenhaus hoffte, dort archaische »Grabdromoi« zu finden859, doch brachte auch dieser Versuch kein Ergebnis und wurde offenbar nach dem 12. Oktober aufgegeben. Eine Nachuntersuchung der »Brunnenstelle« am 17. Oktober ließ noch einmal Hoffnung aufkeimen, denn dort war »der gewachsene Fels« noch nicht erreicht worden860. Mit Wiedereinsetzen der Arbeiten zeigten »sich hier Gruben, die wie Schachtgräber« aussahen. Am 22. Oktober war die »Brunnenstelle« »fertig freigelegt und saubergemacht«, wobei sich nur archaische Scherben fanden. Die Gruben waren in den »weichen gewachsenen Kalkstein« eingeschnitten und hatten »meist gerade Linien«. Theodor Wiegand hielt diesen Befund für einen »Steinbruch«861. Es hatten sich also auch dort keine archaischen Gräber ergeben. 851
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A. Frickenhaus, 8.9.1907, GrTb Nekropole, 164: »Am Deirmentepe soll ein regelrechtes Netz gelegt werden zur weiteren Auffindung vorpersischer Gräber.« B. Niemeier – W.-D. Niemeier, Milet 1994–1995. Projekt »Minoisch-mykenisches bis protogeometrisches Milet«: Zielsetzungen und Grabungen auf dem Stadionhügel und am Athenatempel, AA 1997, 190 m. Anm. 10. A. Frickenhaus, 17.10.1907, GrTb Nekropole, 191. A. Frickenhaus, 24.10.1907, GrTb Nekropole, 195. A. Frickenhaus, 21.9.1907, GrTb Nekropole, 174. A. Frickenhaus, 25.9.1907, GrTb Nekropole, 175. A. Frickenhaus, 2.10.1907, GrTb Nekropole, 178. A. Frickenhaus, 30.9.1907, GrTb Nekropole 176. A. Frickenhaus, 7.10.1907, GrTb Nekropole 184. A. Frickenhaus, 17.10.1907, GrTb Nekropole, 191. A. Frickenhaus, 22.10.1907, GrTb Nekropole, 194.
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Mit Erich Pernice führte im Herbst 1908 ein etablierter Wissenschaftler die Nekropolensuche weiter862. Auch er war wie Frickenhaus ein erfahrener Nekropolenausgräber und hatte unter der Leitung vonValerios Stais und Georg Kawerau 1891 an der Ausgrabung einer Nekropole in Athen mitgewirkt863. Am 17. September begann die Arbeit wieder am Değirmentepe, aber schon am nächsten Tag stellte Pernice fest, dass dieser »erschöpft« sei864. Eine Sondage am Kalabaktepe und weitere zwischen Kalabaktepe und Kazartepe erbrachten ebenfalls kein wesentliches Ergebnis865. »Endlich«, wie Pernice notierte, wurde ein Graben im »Acker des Mahmud Mullah«, nordöstlich vom Kalabaktepe angelegt866. Dort fanden sie »zwar auch keine Gräber, aber ein Stück archaischer Mauer«. Da »hier was los« war, wollte Pernice an dieser Stelle weiter graben. Damit wandelte sich die Nekropolengrabung fast867 vollständig in eine Grabung zur Siedlung der archaischen Zeit und Pernice verbrachte diese und auch die Folgekampagne im Herbst 1909 im Wesentlichen mit Untersuchungen am Athenatempel und im Gebiet zwischen der jüngeren Landmauer Milets und dem Kalabaktepe (Kap. 3.2.4.). Die Suche nach einer zusammenhängenden archaischen Nekropole in Milet hatte also trotz intensiver jahrelanger Bemühungen kein positives Resultat gebracht. Eine Publikation der Ergebnisse zu »vasenarchäologischen« Forschungsfragen zur archaischen ostgriechischen Keramik in Milet konnte damit nicht in einer für die damalige Zeit sachgerechten Form vorgelegt werden, für die eine größere Menge an Grabinventaren nötig war, um eine belastbare chronologische Reihung der Gefäße konstruieren zu können. In der Umgebung Milets konnte bis heute keine zusammenhängende archaische Nekropole aufgefunden werden868, so dass die Frage nach den archaischen Nekropolen weiterhin ein wichtiges Desiderat der Forschungen an diesem Ort darstellt, auch wenn Nekropolen für die Beantwortung »vasenarchäologischer« Forschungsfragen nicht mehr dieselbe Bedeutung haben. Neben dem ›Löwengrab‹ wurden bei neueren Grabungen bislang lediglich einige archaische Sarkophagbestattungen in den Jahren 1975 und 1987 zufällig bei Kanalarbeiten im modernen Dorf Balat entdeckt869. Elke Forbeck vermutet daher in ihrer Erörte862
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Th. Wiegand, Herbst 1908, GrTb VI, 118: »Die neue Arbeit begann Montag, den 14. September unter Beteiligung von … Prof. Dr. Erich Pernice aus Greifswald, welcher sich der Nekropolenforschung widmen soll«. A. Brueckner – E. Pernice, Ein attischer Friedhof, AM 18, 1893, 73–191. E. Pernice, 18.9.1908, GrTb Nekropole, o. S. E. Pernice, 20.9.–5.10.1908, GrTb Nekropole, o. S. E. Pernice, 20.9.–5.10.1908, GrTb Nekropole, o. S. Zwei vereinzelte Versuche archaische Gräber zu finden erbrachten kein Ergebnis: E. Pernice, 24.10.–15.11.1908, GrTb »Nekropole«, o. S; E. Pernice, 8.–14.11.1909, GrTb »Nekropole«, o. S. V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 255. W. Müller-Wiener – D. Göksel – V. von Graeve, Notgrabung in der archaischen Nekropole von Milet, IstMitt 38, 1988, 253–278.
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rung der Beziehungen zwischen dem Löwengrab und den archaischen Nekropolen Milets870, dass die archaischen Nekropolen vielleicht eher an den zwei bislang nicht genau zu lokalisierenden Verkehrswegen Richtung Osten nach Assesos871 oder Richtung Westen nach dem Aphroditeheiligtum872 in Oikous873 zu liegen könnten.
3.2.4. Suche nach dem archaischen Milet Am Anfang der Ausgrabungen in Milet stand zunächst ein aus historischem Vorwissen resultierendes Interesse an archaischen Überresten dieser Stadt und erst mit einer tatsächlichen Auffindung von archaischen Funden und Befunden inmitten der späteren Ruinen konnten entsprechende Forschungsfragen beantwortet werden874. Da der Grabungsort von vornherein feststand, konnte das Erkenntnisinteresse nur auf die gegebenen Verhältnisse reagieren. Bei diesen Voraussetzungen war vor der Ausgrabung keineswegs gesichert, dass in größerem Umfang eine archäologische Aufklärung der Verhältnisse in archaischer Zeit erzielt werden oder tatsächlich in signifikanter Weise zur Beantwortung übergeordneter Forschungsfragen zur archaischen Zeit beigetragen werden konnte875. Für die vornehmlich an der Auffindung von Inschriften interessierten Historiker spielte dieser Umstand keine größere Rolle. Eine Inschrift in situ zu finden, mochte zwar wünschenswert sein, aber letztendlich konnte sogar nur eine spätere 870 871 872
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E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997) 49–52. RE II 2 (1896) 1746 s. v. Assesos (L. Bürchner); DNP II (1997) 111 s. v. Assesos (H. Lohmann). Zuletzt: I. A. Panteleon – R. Senff, Die Grabung im Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe bei Milet in den Jahren 2003-2005, AA 2008/2, 33-46. Für weiterführende Literatur vgl. dort Anm. 3. P. Herrmann, Inschriften, AA 1995, 282–284. Das von 1989 bis 2009 laufende Forschungsprogramm unter der Leitung von Volkmar von Graeve zielte auf die Aufklärung des archaischen Milets, so dass diese Forschungen eine große Menge an neuem Wissen erbrachten. Schon während des laufenden Progamms erschienen zahlreiche Publikationen, wobei der Publikationsprozess längst nicht abgeschlossen ist. Vgl. die regelmäßigen Vorberichte von 1990 bis 1992 in den Istanbuler Mitteilungen und ab 1995 im Archäologischen Anzeiger sowie die jährlichen Berichte in Kazı Sonuçları Toplantısı. Für einen Überblick vgl. V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 241–261; R. Senff, Die Ergebnisse der neuen Grabungen im archaischen Milet. Stratigraphie und Chronologie, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 319–326. Für eine Gesamtdarstellung aller Kenntnisse zum archaischen Milet bis zum Jahr 2002 vgl. R. Senff, Milet. Die archaische Stadt. Die Ausgrabungen in den Wohngebieten und den städtischen Heiligtümern 1899 – 2001. Baugeschichte und Stratigraphie (unpublizierte Habilitationsschrift Ruhr-Universität Bochum 2002). Angesichts der Befunde von Magnesia und Priene, wo die archaischen Siedlungen an anderen Orten lagen als die hellenistisch-römischen, war das Risiko, im Ruinengelände von Milet vielleicht nur wenige Spuren älterer Bauphasen aufzufinden, nicht von der Hand zu weisen.
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Abschrift genügen876, denn das methodische Instrumentarium der Epigraphiker erlaubte es meist auch in solchen Fällen, die wesentlichen Informationen sicher zu extrahieren. Für Klassische Archäologen und Bauforscher war die Situation in Milet wesentlich problematischer: Zwar konnten beide Gruppen damit rechnen, etwa als Spolien verbaute archaische Objekte zu finden, die auch ohne ihren ursprünglichen Kontext aussagekräftig genug waren, um Einzelfragen zur archaischen Zeit zu beantworten, aber auf eine umfänglichere Aufklärung der archaischen Zeit Milets konnte nur mit Glück gehofft werden. Im vorherigen Kapitel zeigte sich, dass die eine wissenschaftliche Herangehensweise, die hauptsächlich für Klassische Archäologen von Interesse war, aufgrund eines negativen Ergebnisses – die archaischen Nekropolen waren nicht gefunden worden – nicht zum Ziel geführt hatte. Für die archaischen Kleinfunde hatte sich somit kein tragender Rahmen ergeben, der eine Vorlage auch der sonstigen archaischen Kleinfunde jenseits einer rein stilkritischen Ordnung wissenschaftlich angemessen darstellbar gemacht hätte. Daher blieb nur eine Vorlage der architektonische Reste übrig. In Milet wurden während der Vorkriegsgrabung substantielle archaische Baureste an mehreren Stellen im Stadtgebiet festgestellt (von Süd nach Nord)877: Ein größerer Siedlungskontext mit einem Heiligtum878 auf dem Kalabaktepe genannten Hügel, Reste archaischer Bebauung im Gebiet zwischen Kalabaktepe und hellenistischer Quermauer und in der Abfolge der Gebäude eines der Hauptheiligtümer der Stadt, dem Athenatempel. Erwähnenswert sind noch ein am Theater gelegenes Fundament eines archaischen Turmes der Stadtmauer und stark überbaute archaische Hausmauern westlich des Bouleuterion. Das große Interesse der Ausgräber an archaischen Funden und Befunden ist in den Tagebüchern kontinuierlich spürbar, wo selbst der Fund einzelner archaischer Scherben immer wieder verzeichnet wird. Die erste Erwähnung in diesem Sinne findet sich schon am Ende der ersten Arbeitswoche am 30. September 1899879, und auch in der Folge tauchen häufig ähnliche Fundnennungen auf880. Der Fund zweier Greifenprotomen am 26. September 1903 führte 876
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Vgl. hierzu die Beschäftigung mit der ›Molpeninschrift‹: U. von Wilamowitz-Moellendorff, Satzungen einer milesischen Sängergilde, SBBerlin 1904, 619–640; A. Herda, Der ApollonDelphinios-Kult in Milet und die Neujahrsprozession nach Didyma. Ein neuer Kommentar der sog. Molpoi-Satzung, MilForsch 4 (Mainz 2006). Vgl. auch die Zusammenstellung bei: F. Lang, Archaische Siedlungen in Griechenland. Struktur und Entwicklung (Berlin 1996) 198–217. Spätere Forschungen zeigten, dass die genaue Lokalisierung des Heiligtums falsch war: die alten Ausgräber hatten knapp an den tatsächlich zum Heiligtum gehörenden Gebäuderesten vorbei gegraben: M. Kerschner, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1995, 214–220; M. Kerschner – R. Senff, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1997, 120–122; M. Kerschner, Das Artemisheiligtum auf der Ostterrasse des Kalabaktepe in Milet. Stratigraphie und Keramikfunde der Sondagen des Jahres 1995, AA 1999, 7–51. Th. Wiegand, 30.9.1899, GrTb I, 7. Th. Wiegand, 7./8.5.1906, GrTb VI, 30 verzeichnet z. B. den Fund des Fragmentes einer Vogelschale an einer Stelle des Stadtgebietes, an der sehr viel später in größerem Umfang archaische Befunde ausgegraben wurden: W. Voigtländer, Grabung westlich des Buleuterion, IstMitt 30,
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die Ausgräber an die Stelle des Athenatempels881 und im Zuge der Nekropolensuche stellte sich im Mai 1906 heraus, dass die zahlreichen archaischen Funde auf der Ostterrasse des Kalabaktepe nicht einer Nekropole angehörten, sondern dass sich dort eine Siedlung befunden hatte. An beiden Stellen wurde in der Folge kontinuierlich gearbeitet. Dabei fällt auch beim Athenatempel auf, dass zwar Theodor Wiegand die Grabung dort 1903 durchführte, aber die Fortsetzung der Arbeiten ab dem 26. September 1904 wieder Reisestipendiaten, Emil Herkenrath und Walter Müller, übertragen wurde. Diese archaische Grabung war also – wie die Nekropolengrabung – ein Experimentierfeld für junge Wissenschaftler und archäologische Methoden. Nach Abschluss der praktischen Feldarbeit in Milet begann eine langanhaltende Kontroverse um die Datierung der zwei aufeinander folgenden Tempelbauten des Athenaheiligtums, die erst in jüngster Zeit mit archäologischen Mitteln überzeugend gelöst wurde882. Diesen zähen wissenschaftlichen Streit hatte der Autor des Milet-Bandes zum Kalabaktepe und Athenatempel, Armin von Gerkan, begonnen, als er 1925 im Widerspruch zu den eigentlichen Ausgräbern883 die Errichtung beider Tempelbauten in die Zeit nach der Zerstörung Milets durch die Perser 494 v. Chr. datierte. Daher wird in Kap. 3.3.1.2. zu den Publikationen noch einmal eingehender auf diese Thematik einzugehen sein; zunächst soll es darum gehen, wie der Erkenntnisgang während der Ausgrabung fortschritt, denn erst auf dieser Grundlage lässt sich der anschließende Disput überhaupt beurteilen. Zudem wird diese eng an den Grabungstagebüchern orientierte Rekonstruktion der Ereignisse überraschende Ergebnisse in Bezug auf die methodischen und technischen Fähigkeiten der Ausgräber erbringen, die in dieser Form bislang nicht erkannt worden sind. Die zwei Greifenprotomen aus einem Graben westlich des Fundortes der ›Eumenesbasis‹884 waren im September 1903 ein deutlicher Hinweis auf einen größeren vorklassischen Befund an dieser Stelle. Bei der Fortsetzung des Grabens wurden unmittelbar weitere zahlreiche archaische Einzelfunde gemacht885, so dass die Ausgräber eine archaische »Fundschicht« von größerer Ausdehnung identifizieren konnten. Am 6. Oktober wurde daher der »Acker … käuflich erworben« und
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1980, 39–47; W. Voigtländer, Grabung westlich des Buleuterion, IstMitt 31, 1981, 106–130; W. Voigtländer, Die Grabung westlich des Bouleuterion, IstMitt 32, 1982, 17–25. Th. Wiegand, 26.9.1903, GrTb III, 6. W.-D. Niemeier, ›Die Zierde Ioniens‹. Ein archaischer Brunnen, der jüngere Athenatempel und Milet vor der Perserzerstörung, AA 1999, 373–413; B. F. Weber, Die Bauteile des Athenatempels in Milet, AA 1999, 415–438. Armin von Gerkan hatte zwar ab 1908 auf Vermittlung Wilhelm Dörpfelds an der Miletgrabung teilgenommen, war dort aber mit anderen Arbeiten beschäftigt; erst 1913 führte er an den schon ausgegrabenen Resten des Athenatempels Bauaufnahmen durch. A. Rehm – P. Herrmann, Inschriften von Milet. A. Inschriften n. 187–406 (Nachdruck aus den Bänden I 5–II 3. B. Nachträge und Übersetzungen zu den Inschriften n. 1–406, Milet 6, 1 (Berlin 1997) 91–98, Abb. 129 n. 306. Th. Wiegand, 28.9.1903, GrTb III, 7.
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zwar »soweit die Fundschicht verfolgbar« war886. Die weitere Ausgrabung wurde sorgfältig geplant: Bevor man die »systematische Freilegung« der Fundschicht begann, wurde mit »Einzelgräben die weitere Umgebung« erkundet, um Schuttablagerungsorte festzulegen887. Erst als das geschehen war, ging man daran, die späteren oberen Schichten systematisch abzutragen. Es ist bemerkenswert, dass bei dieser Arbeit extra vermerkt wurde, dass sie mit »Tragkörben«888 durchgeführt wurde und nicht etwa mit der Feldbahn889, einer handbetriebenen Lorenbahn, die sonst das übliche Arbeitsmittel bei den Ausgrabungen war. Man kann also davon ausgehen, dass die Arbeit an diesem als wichtig eingestuften Fundort tatsächlich von Beginn an sehr sorgfältig durchgeführt wurde. Dies zeigt sich im Übrigen auch daran, dass diese Grabung die einzige war, bei der im Tagebuch eine Verringerung der Arbeitskräfte zum Zwecke der besseren Beobachtung notiert wurde890. Erst als man die oberen Schichten abgetragen und dabei ein großes Rostfundament aus Gneisquadern entdeckt hatte, das sich als ein Tempelunterbau erwies891, öffnete man in der Fläche die fundführende archaische Schicht und am 21. November konnte Theodor Wiegand eine erste stratigraphische Interpretation im Tagebuch festhalten892: Dies Bronzeblech lag etwa 20 cm über einer geraden, schwarzen Erdschicht, diese giebt das Niveau des Marmorbaues an, da unterhalb das Fundament der erwähnten Mauer beginnt. Der Schutt, in dem das Relief gefunden wurde, ist also Aufschüttung welche gemacht wurde, als das grosse Tempelfundament auf einer schon vorhandenen archaischen Schicht errichtet wurde. Diese schwarz-erdige archaische Schicht ist 1-2 m stark, in ihr finden sich die zahlreichen Scherben, deren bisher öfters Erwähnung gethan worden ist. Diese Schicht wird Abends auch im Innern des Grundrisses wieder erreicht. Der obere Teil war gefüllt mit Kalksteinen & weissen Splittern ohne jegliche Funde. Davon setzt sich die schwarze Schicht dann mit einem mal scharf ab.
Auffällig ist in dieser Passage die begriffliche Unterscheidung zwischen »Aufschüttung« und Schicht, die auch in der folgenden Kampagne wiederholt getroffen wurde893 und von einer sorgfältigen Schichtbeobachtung zeugt. Es waren also 886 887 888
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Autor B, 6.10.1903, GrTb III, 13. Autor B, 9.10.1903, GrTb III, 15. Th. Wiegand, [Zusammenfassung 20.–24.10.1903], GrTb III, 25: »Fundort der Greifen: Mit Tragkörben ist hier während der ganzen Woche oberer Schutt abgetragen worden. In die archaische Fundschicht wird man erst in einigen Tagen gelangen können.« Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1. 1 (München 1939) 101. G. Kawerau, 2.12.1903, GrTb III, 55: »Am Tempel wird in der gleichen Weise weitergearbeitet. Auch heute eine Reihe von kleineren Broncestücken und reichlich Vasenscherben. Da hier der vielen kleinen Fundstücke wegen (z. Th. Broncesplitter kleinsten Formats) sehr vorsichtig vorgegangen werden muß, soll die Arbeiterzahl hier verkleinert werden.« Th. Wiegand, [Zusammenfassung 9.–14.11.1903], GrTb III, 36. Th. Wiegand, 21.11.1903, GrTb III, 44. G. Kawerau, 26.9.1904, GrTb IV, 40; E. Herkenrath, 28.9.1904, GrTb IV, 40a; E. Herkenrath, 1.10.1904, GrTb IV, 43a. Abgesehen von den hier zitierten Stellen werden leider in den Tagebü-
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insgesamt drei Schichten identifiziert worden (von oben nach unten): Innerhalb des Tempelfundamentes eine fundleere Schicht aus »Kalksteinen & weissen Splittern«894; darunter und außerhalb des Fundamentes nach Süden eine ein bis zwei Meter mächtige »schwarz-erdige« »Aufschüttung«, in der die ersten Greifen gefunden worden waren und die die Hauptmasse der Einzelfunde in sich barg; unter ihr folgte eine gerade verlaufende »schwarze Erdschicht«, die als Horizont des älteren Tempels erkannt wurde, da dessen Fundamente darunter begannen. Diese Differenzierung entspricht dem zu einem späteren Zeitpunkt festgestellten Befund, dass der spätere Athenatempel auf einer Terrasse erbaut worden war, die aufgeschüttetes Füllmaterial enthalten haben muß. Es zeigt sich also, dass die Ausgräber schon in der ersten Kampagne am Athenatempel, als noch gar keine Übersicht über die Gesamtsituation an diesem Ort erreicht worden war, in der Lage waren, mit sorgfältigen Schichtbeobachtungen Ordnung in die Befundlage zu bringen und zielführende Interpretationen vorzunehmen. Man könnte daher auf der Grundlage der Tagebucheintragungen davon ausgehen, dass es sich bei der im Fundament und südlich davon angetroffenen, fundführenden, »schwarzerdigen« »Aufschüttung« um den nicht von späteren Baumaßnahmen berührten Rest der Terrassenfüllung gehandelt hat. Dafür spricht auch, dass in dieser Schicht zahlreiche archaische Funde sehr unterschiedlicher Zeitstellung gemeinsam gefunden wurden. In der Herbstkampagne 1904 wurden die Arbeiten am Athenatempel in der gleichen Weise fortgesetzt, nur dass jetzt der Reisestipendiat Emil Herkenrath die Aufsicht über die Arbeiten führte895: Zunächst grub er unmittelbar südlich des jüngeren Tempelfundamentes noch eine kalkhaltige »kegelförmige Anschüttung, deren Höhe vor der Mitte des kleinen Tempels«896 lag, auf897 und erweiterte an-
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chern die Begriffe »Schüttung« und »Schicht« nicht immer scharf getrennt; aus der im Text zitierten Befundinterpretation Wiegands geht jedoch eindeutig hervor, dass die Begriffe im Kontext der Grabung unmittelbar am und im Fundament des jüngeren Athenatempels eine spezifische Bedeutung hatten. A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 54 f.: »Darüber bestand die Füllung aus Gneisabfall, kleinen Lesesteinen und weißem Ton, wie sie noch in der Nordostecke der Cella erhalten ist (Abb. 36), und es handelt sich dabei nicht um Erdreich, in welches etwa das Fundament gebettet wäre, sondern um eine frische Auffüllung des Fundamentes, die weder archaische, noch hellenistische Scherben enthielt.« Gleichartig fundleere Auffüllschichten beobachtete der Verfasser 2007 auch unter der Fundamentierung des Aphroditetempels auf dem Zeytintepe (noch nicht veröffentlicht). G. Kawerau, 26.9.1904, GrTb IV, 40: Wiederbeginn der Arbeiten am Athenatempel: »Wir lassen zunächst jene späteren Schüttungen abtragen um dann, von oben nach unten vordringend, die alte Schüttung möglichst genau zu untersuchen. Herr Herkenrath übernimmt die specielle Beaufsichtigung dieser Arbeit.« E. Herkenrath, 28.9.1904, GrTb IV, 40a. Von Gerkan deutete diesen Schuttkegel als Substruktion des Altars des jüngeren Tempels und behauptete, dass die Kalkschicht fundleer gewesen sei (A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 57.), was allerdings durch das Tagebuch anders dargestellt wird: E. Herkenrath, 27.9.1904, GrTb IV, 39a: »Man kommt bis auf die Kalkschicht, welche die Bronzefunde des vorigen Jahres enthielt.« Winfried Held interpretierte die Kalkschicht versuchsweise als »Tonmergel von dem flachen Tempeldach« des älteren Tempels, der
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schließend diese Fundstelle durch stückweise nach Westen und Osten verlängerte Gräben898. Die kegelförmige Anschüttung kann als ein weiterer Hinweis darauf gesehen werden, dass unmittelbar südlich vor dem Fundament des jüngeren Tempels noch Füllmaterial einer Terrassierung unberührt stehengeblieben war, das von den Ausgräbern auch richtig interpretiert wurde. Für diese Annahme spricht erstens die Kegelform der Anschüttung, da Terrassen in Milet nachweislich durch nebeneinander geschüttete gleichförmige Schuttkegel errichtet wurden899, und zweitens das kalkhaltige Material selbst, das bei Durchfeuchtung verhärtet und aufgrund dieser Eigenschaft gerne in Terrassenbauten verwendet wurde900; auch ist damit zu rechnen, dass bei Terrassierungen unterschiedliches Einfüllmaterial verwendet wurde: Neben dem »schwarz-erdigen« Füllmaterial und dem kalkigem Schutt fand man bei Nachuntersuchungen nach dem Zweiten Weltkrieg auch eine »Düne« aus reinem »Meeressand mit Muschelbruch durchsetzt« innerhalb des großen Fundamentes an der Nordmauer des älteren Tempels901, die als Flugsand aus der Zeit nach der Zerstörung Milets durch die Perser gedeutet wurde. Da sich dieser Sandhügel oberhalb des Horizontes des älteren Tempels befand, ist eher anzunehmen, dass dieser Sandhaufen ebenfalls ein weiteres Füllmaterial der Terrasse war. Damit ergäbe sich innerhalb des Fundamentrostes und südlich davon eine sehr einfache Befundsituation, die von den alten Ausgräbern auch richtig erkannt worden war und die erst in späterer Zeit durch die Publikation von Gerkans nachhaltig in Vergessenheit geriet. Mit der anschließenden Erweiterung nach Westen und Osten des Areals sollte Frickenhaus in der Herbstkampagne 1904 offensichtlich auch den urbanistischen Zusammenhang des Tempels klären, denn während der Arbeiten in den Folgejahren untersuchte man in gleicher Weise die übrigen Seiten des Tempelfundamentes902. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Erweiterungen in kleinen, zwischen drei903 und sieben904 Meter langen Abschnitten vorgenommen wurde, die nachein-
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dort als »wasserabweisende Schicht ausgebreitet war, und von dort herabgeworfen wurde, um an das darunterliegende, wertvolle Holz heranzukommen« (W. Held, Das Heiligtum der Athena in Milet, MilForsch 2 (Mainz 2000) 25.). E. Herkenrath, 1.–17.10.1904, GrTb IV, 43a–56a. Die von Volkmar von Graeve seit langem vertretene These, dass der Kalabaktepe nach der Perserzerstörung als eine planvoll angelegte Schutthalde seine charakteristische Form erhielt, ist mittlerweile nicht nur durch Ausgrabungen, sondern auch durch geophysikalische Untersuchungen erwiesen, die genau den Aufbau der Halde durch nebeneinandergesetzte Schuttkegel sichtbar machen: Vgl. V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 244–246. Abb. 1.2; V. von Graeve, Grabung auf dem Kalabaktepe, IstMitt 36, 1986, 37–43; H. Stümpel – S. Wölz – P. Musmann – W. Rabbel, Geophysikalische Prospektion in Milet. Arbeiten in den Kampagnen 2000–2002, AA 2005/1, 192–194. I. A. Panteleon – R. Senff, Die Grabung im Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe bei Milet in den Jahren 2003–2005, AA 2008/2, 38–41 bes. 39 f. A. Mallwitz – W. Schiering, Der alte Athena-Tempel von Milet, IstMitt 18, 1968, 110 f. A. Frickenhaus, Herbst 1907, GrTb VI, 77; W. Müller, 6.11.1907, GrTb VI, 101. E. Herkenrath, 3.10.1904, GrTb IV, 45a. E. Herkenrath, 4.10.1904, GrTb IV, 45a.
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ander abgetieft wurden. Der erfahrene Ausgräber Erich Pernice setzte 1908 diese Grabungen im Norden und hauptsächlich im Osten des Tempelfundamentes fort. Besonders die Ausgrabung im Osten des Athenatempels erlaubt dabei einen Einblick in die Arbeitsweise und Pernice erweist sich als ein methodisch sehr versierter Ausgräber, der auch angesichts schwieriger Befundlagen die Übersicht behielt905: Durch die Arbeiten der Vorjahre war klar, dass über dem »Niveau« des älteren Tempels eine archaische Anschüttung bestand, die ihrerseits von späteren Anschüttungen überdeckt906 und an ihren Seiten durch spätere Bautätigkeit beschnitten worden war. Daher begann Pernice seine Arbeit dort damit, zunächst die oberen Schichten bis in eine Tiefe »von etwa 3 M[eter].« abzugraben, um danach von der ungestörten archaischen Schicht »eine besonders klare Vorstellung«907 gewinnen zu können. Im Zuge dieser Abtiefungsmaßnahmen notierte Pernice die Fundhöhen der Scherbenfunde; eine Maßnahme, die in neuerer Zeit dahingehend interpretiert wurde, dass es sich dabei um einen mißglückten Versuch gehandelt hätte, eine stratigraphische Auswertung vorzunehmen908. Tatsächlich waren die Höhennivellements aber notwendige Arbeitsschritte bei der planmäßigen Abtiefung, die Pernice eher ergänzend auch dazu nutzte, das Ausmaß der schon erkannten »Anschüttungen« zu kontollieren909. Sorgfältige Nivellements waren an dieser Stelle unabdingbar, da Pernice erklärtermaßen wie seine Vorgänger in der Fläche tiefergehen wollte, um die archaische Fundschicht zu erreichen. Aber sein Grabungsareal war durch »ein unübersichtliches und unerfreuliches Gewirr« späterer Mauern durchzogen910, daher konnte Pernice die einzelnen, von diesen Mauern kompartimentierten Bereiche nur hintereinander ausgraben. Um dabei die Übersicht zu behalten und um die verschiedenen, räumlich getrennten Bereiche vergleichen zu können, waren Nivellements das Mittel der Wahl. In der Erde über der von ihm erwarteten archaischen Fundschicht beobachtete Pernice neben den baulichen Resten eine Reihe von Fundkontexten, u. a. mehre905
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Anders W. Held, Das Heiligtum der Athena in Milet, MilForsch 2 (Mainz 2000) 3: »Vor allem 1904 und 1908 finden sich zahlreiche Skizzen von Funden und Befunden, darunter sogar erste Versuche einer stratigraphischen Auswertung, die sich jedoch allein auf die Fundnivellements der Keramik bezog. Sie konnte nur ein heilloses Durcheinander aller Epochen feststellen, da spätere Störungen in frühen Schichten nicht als solche erkannt und unterschieden wurden.« Vgl. Anm. 895. E. Pernice, 22.–24.9.1908, GrTb VI, 122: »Es wird jetzt zunächst nur etwa 3 M. tief gegraben und die unterste Schicht, die die ältesten Anlagen (s. Plan e) enthalten muss, bleibt noch bedeckt, um später auf einmal freigelegt zu werden. Auf diese Weise hoffen wir von dieser Schicht eine besonders klare Vorstellung zu gewinnen.« Vgl. Anm. 905. E. Pernice, 22.–24.9.1908, GrTb VI, 122: »Ich habe den Versuch gemacht, von den Scherbenfunden die Schichthöhe, in der sie gemacht wurden, zu notiren. Das Ergebnis war wenig erfreulich – es zeigte sich, wie ungeheuer stark das Erdreich durcheinander gewühlt war.«; E. Pernice, Uebersicht über Fundhöhen beim Athenatempel (in den Räumen bei x. x’. x2 z u. s. w., GrTb VI, 131–133: »Es ergiebt sich aus dieser Statistik, wie sehr die verschiedenen Schichten durcheinandergeraten sind; bis in große Tiefe hinein; kein Wunder bei der dauernden Bebauung desselben Terrains, wie sie sich aus dem Gewirr über- und nebeneinander verlaufender Mauern ergiebt.« A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 82.
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re Vergesellschaftungen von Weihegaben (›Bothroi‹), die er sorgfältig notierte und interpretierte911. Aus einer Kombination von Beobachtungen an den baulichen Resten und den Fundkontexten formulierte Pernice schließlich eine relative Chronologie der Befunde912. Insgesamt reichten aber in diesem Gebiet östlich des Tempels die jüngeren Schichten so tief hinab, dass Pernice bis zum 24. Oktober offenbar gar nicht zu dem erhofften, ungestörten archaischen Niveau vordringen konnte913. Zwar notierte er, dass die Arbeiten nur »einstweilen« eingestellt worden seien914, aber bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Arbeit an diesem Ort nicht fortgesetzt. Trotzdem war es aber den Ausgräbern am Athenatempel gelungen, durch sorgfältige Schichtbeobachtungen eine in sich stimmige Aufklärung der Situation in archaischer Zeit herbeizuführen, so dass Theodor Wiegand schon im vierten Vorbericht 1906 den jüngeren Tempel auf der Terrassierung, die ihrerseits den älteren Tempel überschnitt, in die »spätarchaische Zeit« datierte915, was mit den oben erwähnten Ergebnissen neuerer Zeit übereinstimmt916. Wie es trotz der eindeutigen Beobachtungen zur Ausgrabungszeit in der Folge bis 1999 dazu kommen konnte, dass der jüngere Tempel als nacharchaisch angesehen wurde, soll, wie erwähnt, in Kap. 3.3.1.2. noch einmal thematisiert werden, wobei ein von von Gerkan als spätarchaisches Amphorenlager bezeichneter917 Befund in dem von Pernice ausgegrabenen Gebiet östlich des Tempelfundamentes eine Rolle spielen wird. Nachdem im Zuge der Nekropolenforschung Besiedlungsspuren auf der Ostterrasse des Kalabaktepe entdeckt worden waren, zog dies auch dort eine systematische Aufklärung nach sich, die in der Folge ausgeweitet wurde: Neben rein archaischen Stützmauern am Nordrand der Terrasse, erkannte Arnold von Salis im Frühjahr 1906 zunächst eine einheitliche Besiedlung der Ostterrasse918, bei der archaische Spolien verwendet worden waren919, und stellte eine »künstliche Nivellie911
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Vgl. W. Held, Heiligtum und Wohnhaus. Ein Beitrag zur Topographie des klassischen Milet, IstMitt 43, 1993, 371–380. E. Pernice, 11.–18.10.1908, GrTb VI, 135:»Das älteste wäre hier also 1) der Amphorenraum 2) der Rusticabau, etwa IV. Jhdt.; dann der Kalkestrichbau, etwa 3. Jhdt. Im IV. Jhdt. bestand vielleicht zwischen dem Athenatempel und dem Bau ein grosser freier Platz. Der Rusticabau könnte zu dem Heiligtum gehört haben; er könnte aber […] selbst Kultzwecken gedient haben u. damit die Funde X. X. [Markierungen auf einer zugehörigen Skizze] von Terrakotten u. Hydrien (s. o.) in Zusammenhang stehen. Das könnten Weihgeschenke sein, die gelegentlich als unbrauchbar im Hofe beseitigt worden wären.« Vgl. dazu Held a. O. (Anm. 911) 371–380. Vgl. Anm. 909. E. Pernice, 18.–24.10.1908, GrTb VI, 136 f. Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 545. Vgl. Anm. 882. A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 80 f. A. von Salis, 11.5.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Wir finden überall dasselbe System von Hausmauern«. A. von Salis, Bericht über die Frühjahrscampagne 1906 in Milet. 9. April – 6. Juni, SMB/AS, Mil1, 19: »Ein ärmliches Nest ist da oben gewesen. Auffällig aber ist, dass in diese Mauern sehr viele Steine von archaischen Bauten versetzt sind, besonders kleine sorgfältig bearbeitete Kalksteinquadern, … auch einige Marmorfragmente. Wie das heutige Dorf Balat auf dem Boden des
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rung« 920 dieser Ostterrasse fest921. In der folgenden Herbstkampagne wurde die Ostterrasse weiter in der Fläche freigelegt922; daneben widmete sich von Salis aber auch der weiteren Aufklärung der von ihm formulierten These von der künstlichen Nivellierung des Hügels, von der andere Grabungsteilnehmer nicht überzeugt waren923. Dazu wurde auf der Ostterrasse ein Graben von Osten her gegen den Hang zwischen den beiden Plateaus und in diesen hinein geführt, der »natürlich überall bis auf den gewachsenen Fels« ausgegraben werden sollte924. Parallel dazu begann er eine Erforschung des Gipfelplateaus »nahe dem Westrand«, wo er »die Kanten einiger Felsblöcke bemerkt hatte, die eine deutliche γραμμή [Linie] bildeten« 925. Am nächsten Tag ließ er zusätzlich »am nördlichen Rand der kleinen Felskuppe im Süden des [oberen] Plateaus« ein Tastloch anlegen926; ganz so wie bei der Stadtgrabung, diente das Tastloch dazu, einen weiteren Fixpunkt zu schaffen, um dann später zwischen zwei bekannten Punkten einen Versuchsgraben anzulegen927. Trotz des vielversprechenden Inhalts des Tastloches928, ergab aber dieser Graben leider »gar nichts«, so dass die »Versuche auf dem oberen Plateau eingestellt« wurden929. Immerhin hatte das Grabungsareal im Nordwesten
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alten Milet alte Architekturstücke in Menge für seinen Häuserbau genommen hat, so ist hier oben schon im Altertum mit älteren Bauresten gewirtschaftet worden.« A. von Salis, Bericht über die Frühjahrscampagne 1906 in Milet. 9. April – 6. Juni, SMB/AS, Mil1, 14: »Sein ausgedehntes, breites Plateau ist topfeben und man möchte glauben, dass es teilweise künstlich geglättet sei: Das Relief der Kalksteinformationen ringsum sieht ganz anders aus. Und für die untere Terrasse, die sich in halber Höhe des Hügels zungenförmig gegen Osten vorschiebt, hat sich eine künstliche Nivellierung jetzt feststellen lassen.« A. von Salis, 27.4.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »[An der Rundmauer (Graben II)] Aussen reicht der Humus nur bis zum Fundament, dann kommt eine Geröllmasse von kleinen Steinen, übermannshoch, in deutlich erkennbaren Schichten, Schutt von der Terrasse.« A. von Salis, 29.9.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Die Abräumung der ganzen Terrasse hat grosse Schuttablagerungen zur Folge. Wahrscheinlich muss der ganze Ostabhang als Schutthalde dienen, sobald es sicher steht, dass auf dieser Strecke nichts zu finden ist. Ich habe deshalb auf dieser Ostseite des Hanges, unmittelbar neben dem bisherigen Schuttkegel, einen grossen Versuchsgraben (IV) begonnen.« A. von Salis, 5.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Wichtig ist mir, dass – was bisher stets bestritten wurde – die auffällig flache Form der beiden Plateaus des Kalabaktepe nun doch, wenigstens teilweise, durch künstliche Umgestaltung des Felsbodens zu erklären ist.« A. von Salis, 5.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. von Salis, 5.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. von Salis, 6.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Am nördlichen Rand der kleinen Felskuppe im Süden des Plateaus graben 2 Arbeiter ein Tastloch. In einer Tiefe von 1 m. finden sie menschliche Knochen, Thongewichte, Vasenscherben, u. a. Henkel und Füsse von schwarzgefirnissten Schalen. Also alte Gräber hier!« A. von Salis, 18.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »… ein neuer Versuchsgraben (4 m breit) wird in nord-südlicher Richtung über das Plateau hier [von der Grabungstelle im Nordwesten] gezogen. Vgl. Anm. 926. A. von Salis, 26.–31.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »An den Rändern wird noch viel zu holen sein, aber es fehlt an Arbeitskräften u. genügender Aufsicht.« Vgl. zum Nord-Süd Graben auch V. von Graeve, Der Schnitt auf dem Gipfelplateau des Kalabaktepe 1988, IstMitt 40, 1990, 39, wo die Lage des Schnittes noch ohne Kenntnis des Nekropolentagebuches schon richtig aus seinem publizierten Ergebnis (A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 7 f.) hergeleitet wurde.
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aber eine mächtige archaische Mauer am Nordrand ergeben930, an die sich auf der Plateauseite »auch solche Mauerzüge aus kleinen aber sehr schön bearbeiteten Marmorquadern … wie auf dem unteren Plateau«931 anschlossen932. Aussagekräftiger für die Überprüfung der Terrassierungshypothese erwies sich der gegen den Hang geführte Graben auf der Ostterrasse: Nach Abschluss der Arbeiten auf dem oberen Plateau sollte nunmehr der südliche Bereich des Ostterrasse freigelegt werden933. Dabei stieß von Salis am Hang zum oberen Plateau auf »wohlerhaltene« archaische Reste, die von einer »über 3 m. hohen Geröllmasse von Steinen« bedeckt waren934, u. a. eine Treppenanlage935 und ein Marmorpflaster936. Aber leider war von Salis in dieser Kampagne derart von der sorgfältigen Dokumentation der Nekropolengrabung in Anspruch genommen, dass er ab dem 7. November bis zum Ende der Kampagne keine weiteren Ergebnisse der Ausgrabungen auf dem Kalabaktepe notieren konnte, obwohl die Grabung dort weiter lief (vgl. auch Anhang A.6). Dasselbe galt auch für August Frickenhaus’ Arbeiten auf dem Kalabaktepe in der folgenden Frühjahrskampagne, die im Süden der Ostterrasse das von von Salis ergrabene Gebiet erweiterten937, aber im Tagebuch zu Gunsten einer ausführlicheren Beschreibung der Nekropolengrabung nur in geringem Umfang dokumentiert wurde. Es zeigt sich also, dass bei der Miletgrabung eine übermäßige Arbeitsbelastung der Stipendiaten dazu führte, dass eine in der damaligen Zeit wissenschaftlich angemessene Dokumentation nicht für alle Grabungsaktivitäten gleichmäßig durchgeführt werden konnte und die Ausgräber gezwungen waren eine willkürliche Auswahl zu treffen. Immerhin blieb Frickenhaus in der folgenden Herbstkampagne genügend Zeit, neben der Nekropolengrabung auch seine Forschungen am Kalabaktepe etwas ausführlicher zu dokumentieren. Er grub nun am Westabhang archaische Wohnhäuser aus938 und am Südhang lokalisierte er eine archaische Stadtmauer, die als Befund von überge-
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A. von Salis, 6.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.; A. von Salis, 18.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. von Salis, 5.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. Vgl. die Nachuntersuchungen an diesem Ort 1995: R. Senff, Die Grabung auf dem Gipfelplateau des Kalabaktepe 1995, AA 1997, 122–124. A. von Salis, 26.–31.10.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. von Salis, 3.11.1906, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Beim Abräumen der unteren Terrasse nach Süden hin stossen wir hart am Fuss des oberen Hanges wieder auf zahlreiche archaische Reste, hier ohne Zweifel Fallschutt von oben … Und nun treffen wir auch wieder auf eine wohlerhaltene hohe archaische Mauer, die schon stark in den Hang hineingeht. Letzterer ist, wie es sich nun herausstellt, noch lange nicht gewachsener Fels, sondern eine über 3 m. hohe dichte Geröllmasse von Steinen; dazwischen Ziegelbrocken in Menge. Die Mauer an der besterhaltenen Stelle über 1,80 m. hoch und biegt mit einer scharfen schönen Ecke nach S. um.« A. von Salis, 5.11.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. von Salis, 7.11.1906, GrTb »Nekropole«, o. S. A. Frickenhaus, 22.4.1907, GrTb »Nekropole«, 119. A. Frickenhaus, 2.9.1907, GrTb »Nekropole«, 150: »Gegenüber am Kalabaktepe sollen die im Frühjahr gefundenen und so gut erhaltenen Häuser ganz aufgedeckt werden.«
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ordneter Wichtigkeit939 in der folgenden Zeit auch eingehender untersucht und beschrieben wurde. Der Abschlussbericht Arnold von Salis’ an Reinhard Kekulé über seine Arbeiten in Milet vom 14. Dezember 1906 (Anhang A.6) fasste nicht nur die bis zu diesem Zeitpunkt durch Ausgrabungen gewonnenen Ergebnisse zum archaischen Milet zusammen, vielmehr leitete von Salis aus einem Vergleich des archäologischen Befundes mit historischen Nachrichten weitergehende Schlüsse zum Siedlungsbild der archaischen Stadt ab und skizzierte, welche Untersuchungen nötig wären, um seine Überlegungen zu überprüfen. Dabei fällt auf, dass er an den Gebäuderesten auf der Ostterrasse des Kalabaktepe erkannt hatte, dass sie teilweise »mit älterem Material« erbaut worden waren und die Vermutung äußerte, es könne sich dabei vielleicht um eine Siedlung »nach den Persertagen« handeln. Tatsächlich haben spätere Forschungen diese Vermutung bestätigt: Die in den oberen Schichten auf der Ostterrasse liegenden Gebäudereste gehören in der Mehrzahl einer Phase der Wiederbesiedlung Milets nach Zerstörung der Polis 494 v. Chr. durch die Perser an940, und erst unter der hohen Verschüttung des Hanges finden sich tatsächlich archaische Reste in situ. Aber auch seine weiteren Überlegungen bezüglich der archaischen Stadt fanden letztlich ihre archäologische Bestätigung, denn von Salis schloss aufgrund der ihm bekannten archäologischen und historischen Daten, dass die »ganze Westseite der milesischen Halbinsel« von der archaischen Stadt »bedeckt« gewesen war. Neuere geophysikalische Untersuchungen im Gebiet zwischen Kalabaktepe und der späteren Stadtmauer zeigten nun, dass sich in diesem Gebiet das orthogonale Straßensystem941 fortsetzte, wobei dieses Straßenraster an der Küste im Westen zudem ein älteres, anders orientiertes System überschnitt942. Von Salis schlug nicht nur – offenbar erfolgreich – seinen »Berliner Freund«943 August Frickenhaus für die Fortsetzung seiner Forschungen in Milet vor944, sondern wies auch darauf hin945, dass »weitere Versuchsgrabungen am Kalabaktepe und im Felde zwischen ihm u[nd]. der späteren Stadtgrenze … reichen und überaus wichtigen Aufschluss geben« könnten. Mit diesem Vorschlag zeigte er also einen mit den damaligen technischen Möglichkeiten realisierbaren Lösungsweg für 939
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A. Frickenhaus, 5.9.1907, GrTb »Nekropole«, 158: »Ihre Weiterverfolgung ist eine der ersten Pflichten der nächsten Zeit.« V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 243 f. Nach aktuellem Kenntnisstand ist dieses Straßenraster spätarchaischen Ursprungs. Vgl. von Graeve a. O. (Anm. 940) 257–259; B. F. Weber, Der Stadtplan von Milet. Einhundert Jahre Stadtforschung, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 327–362. von Graeve a. O. (Anm. 881) 259, Abb. 8, 9. A. von Salis an die Eltern, 20.11.1906, NL von Salis. A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. Anhang A.6.
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eine Forschungsfrage auf, der in sehr viel späterer Zeit dann mit modernen geophysikalischen Methoden beschritten wurde. Aber dieser Vorschlag blieb auch im Rahmen der Vorkriegsgrabung nicht ohne Wirkung, denn auch wenn Erich Pernices Tagebucheintragungen ab dem Herbst 1908 den Eindruck erwecken, als ob er aus eigenem Gutdünken seine Grabungsstellen aussuchen konnte, fällt doch auf, dass er die Nekropolensuche sehr bald aufgab und sich neben der Arbeit am Athenatempel auf das Gebiet zwischen Kalabaktepe und späterer Stadtmauer konzentrierte, wo er mehrere Suchgräben anlegte946, die zahlreiche archaische Befunde schnitten. Vielleicht war es die Tatsache, dass Pernice im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein etablierter Wissenschaftler war, die es ihm ermöglichte, sein Arbeitsprogramm auf ein realistisches Maß zu reduzieren. Auch bei diesen Forschungen im Gebiet zwischen Kalabaktepe und späterer Stadtmauer erwies sich Pernice als ein sehr begabter Ausgräber, der methodisch vorging947 und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in der Lage war, genaue Beobachtungen durchzuführen948. Dabei war ein Hauptziel zunächst die archäologische Bestätigung der von Salis’schen Theorie über die Ausdehnung der archaischen Stadt949, wobei Pernice die im ersten langen Graben aufgefundenen Befunde dahingehend interpretierte, dass sich die archaische Stadt wahrscheinlich »in einer Breite von 250 Metern an der Meeresküste entlang gezogen« hätte950. In dem zur Überprüfung erweiterten Graben konnte Pernice nicht nur die Grenze der archaischen Bebauung feststellen, sondern auch das archaische Landschaftsrelief in diesem Gebiet – einen sanft nach dem Westen zu abfallenden Höhenrücken, dessen Ostseite ein wesentlich stärkeres Gefälle hatte – rekonstruieren951. 946
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Die Lage der Suchgräben ist verzeichnet in A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925), Beilage 1. E. Pernice, 11.–17.10.1908, GrTb »Nekropole«, o. S: »Die Grundidee ist, den Graben einerseits westlich bis zum Antiken Meerufer fortzusetzen u. östlich bis zur Stadtgrenze. Wir hoffen später die Mauern der älteren Stadt aufzufinden und alsdann können wir vor der Mauer nach Weiterem suchen.« E. Pernice, 17.–24.10.1908, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Die Ausgrabung wird in der Westrichtung fortgesetzt … Fortgesetzt werden sehr gute Scherben gefunden, alle in einer bestimmten Schicht, in der Höhe der Mauern; Scherben und Mauern gehören also zusammen … Scherben, die später wären als Anfang des V. Jahrhunderts kommen überhaupt nicht mehr vor, höchstens einmal eine ganz vereinzelte. Man kann daher sagen, dass an dieser Stelle die Stadt gefunden ist, die bis 494 v. Chr. bestand, dann aber nicht wieder bebaut wurde. Es ist interessant zu sehen, wie 40-50 M. weiter östlich, also vom Meere ab in den höher gelegenen Teilen, noch manches hellenistisches gefunden wird und wie hier entsprechend auch Mauern ziemlich dicht (70 cm) unter dem heutigen Niveau erscheinen – weiter westlich sehen wir die völlig unberührte archaische Stadt vor uns.« Vgl. auch E. Pernice, 23.11.–3.12.1908, GrTb »Nekropole«, o. S. E. Pernice, 24.10.–15.11.1908, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Es soll in den nächsten 3 Wochen noch die Ausdehnung der alten Stadt festgestellt werden und weitere Versuche über die archaische Mauer.« E. Pernice, 24.10.–15.11.1908, GrTb Nekropole, o. S. Von Gerkan übernahm dann diese Überlegungen: von Gerkan a. O. (Anm. 946) 40, vgl. auch S. 3. E. Pernice, 15–21.11.1908, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Die Beobachtung des Erdreichs lehrte, dass sich das natürliche Terrain je weiter nach Osten um so mehr hob. Zuerst am Anfang liegt das natürliche Erdreich 1.20 tief unter der Oberfläche, bei 25 m Entfernung östlich 0.80 M. dann bleibt es mit geringem […] bei. Die Wasserleitung 4 (s. d. Plan) liegt in gewachsenem Bo-
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Im Herbst 1909 begann die Arbeit zunächst mit einem neuerlichen Versuch, den weiteren Verlauf der Heiligen Straße außerhalb des Stadtgebietes aufzuklären952. Daraufhin wurde aber das Gebiet zwischen dem ersten langen Suchgraben und dem Kalabaktepe mit weiteren Gräben untersucht953. Wie in Kap. 3.2.1.1. erwähnt, sind die genauen Pläne dieser Suchschnitte verloren, lediglich ausführliche Legenden haben sich in den Tagebüchern erhalten954. Im Gegensatz zum ersten Graben von 1908, wurden in dieser Kampagne nunmehr kürzere Gräben angelegt. Abgesehen von weiteren Mauern und späten Gräbern, die Pernices Überlegungen aus dem Vorjahr im wesentlichen bestätigten, fand sich in mehreren Gräben auch die Fortsetzung einer archaischen Straße, die schon im ersten Graben vermutet worden war955. Dabei erwies sich der im Graben V956 angetroffene Straßenrest als am besten erhalten, so dass an dieser Stelle der Graben auch erweitert wurde. Ein weiterer Einzelfund von übergeordneter Bedeutung für die von den Ausgräbern verfolgten Fragen war der Fund einer Zisterne in Graben VI, die im Gegensatz zu allen anderen Gräben nicht wieder verschüttet wurde, sondern für weitere Untersuchungen zugänglich bleiben sollte957. Ganz im Einklang mit dem Erkenntnisinteresse im Rahmen der ›Stadtgrabung‹ zielten also die Forschungen zur archaischen Besiedlung darauf ab, zunächst ihre Ausdehnung festzustellen und neben repräsentativen Architekturen grundlegende Fragen der Urbanistik – Wasserversorgung, Stadtbefestigung und Straßensystem – aufzuklären. Für diese Fragen war eine umfängliche Untersuchung der Wohnbebauung nicht notwendig; es reichte vielmehr aus, ausschnitthaft ihr Vorhandensein zu überprüfen, wozu die von Pernice angelegten Suchgräben auch ein angemessenes Mittel waren. Insgesamt lässt sich also feststellen, dass bei den drei größeren Bereichen, in denen archaische Befunde ausführlicher untersucht wurden, die Ausgräber aufgrund genauer Beobachtung der vorgefundenen Reste zunächst vorläufige Thesen formulierten und in einem
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den, etwa bei 0.20 Tiefe. Also von hier nach dem Meere zu ein sanft abfallender Hügel, der von der Stadt in einem schmalen Streifen besetzt war. Jenseits der türk. Wasserleitung ist das Terrain wieder erheblich gefallen. Denn bei dem ersten Graben b. heil Thor haben wir 4 M. graben müssen, ohne die Naturerde gefunden zu haben.« E. Pernice, 22.–26.9.1909, GrTb »Nekropole«, o. S. Zur Lage der Gräben vgl. A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) Beil. 1. Die von von Gerkan auf diesem Plan vorgenommene Nummerierung stimmt nicht mit der Nummerierung durch Pernice überein. Der auf der Karte eingetragene Graben I entspricht dem von Pernice nicht nummerierten Graben aus dem Herbst 1908, daher ist die Benennung der folgenden Gräben aus dem Jahr 1909 auf dem Plan jeweils eine Nummer höher. Vgl. auch A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 3, wo auch die sorgfältige Ausführung der Pläne betont wird. 24.10.–15.11.1908, GrTb »Nekropole«, o. S. Graben V auf der publizierten Karte entspricht dem Graben IV im Tagebuch. Vgl. Anm. 953. E. Pernice, 28.11.–5.12.1909, GrTb »Nekropole«, o. S.: »Die Gräben werden, nachdem sie aufgenommen sind, wieder zugeschüttet. Offen soll der Dromos in die Cisterne bleiben, die genauer untersucht werden sollen, was wegen der Feuchtigkeit und der damit verbundenen Gefahr jetzt nicht möglich ist.« Offenbar kam es aber nicht später nicht mehr zu einer genaueren Untersuchung.
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zweiten Schritt zielgerichtet der Überprüfung ihrer Ideen nachgingen. In den Fällen, wo diese Überprüfung nicht vollständig durchgeführt werden konnte, waren äußere Gründe ausschlaggebend. Durch diese jahrelangen Arbeiten zum archaischen Milet hatte sich nach Ausweis der Tagebücher und der Vorberichte zur Ausgrabungszeit ein differenziertes und weitgehend richtiges Bild vom archaischen Milet ergeben, das dann allerdings durch die Endpublikation 1925 derartig verzerrt wurde, dass im Rahmen der Feldforschung in Milet nach dem Zweiten Weltkrieg beträchtliche Anstrengungen darauf verwendet werden mussten, im Nachhinein mühsam die publizierten Ergebnisse zu widerlegen958.
3.2.4.1. Zeitgleiche Feldforschung an anderen archaischen Fundplätzen Ereignisgeschichtlich und inhaltlich gut vergleichbar959 mit der Miletgrabung sind die zeitlich parallel ablaufenden Arbeiten dänischer Archäologen auf der Insel Rhodos. Christian S. Blinkenberg und Karl F. Kinch waren beauftragt worden, eine größere Ausgrabung im Osmanischen Reich zu projektieren. Nachdem sich der Plan einer Ausgrabung in Kyrene (Libyen) zerschlagen hatte960, entschieden sich die Dänen für eine Erforschung der antiken rhodischen Polis Lindos961, wobei 958
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Zur Rolle von Gerkans vgl. V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 242 f.; V. von Graeve, Neue Ausgrabungen und Forschungen im archaischen Milet, NüBlA 14, 1997/98, 73–75. Mit der Geschichte der Feldarchäologie vertraute Leser könnten in diesem Kapitel die Ausgrabung David G. Hogarths in den Jahren 1904/05 am Artemision von Ephesos (D. G. Hogarth, Excavations at Ephesus. The Archaic Artemisia (London 1908).) vermissen, die eine wesentliche Aufklärung der archaischen Zeit des Tempels und reiche archaische Funde erbrachte. Dieses Projekt war durch eine Schichtgrabung, den Einsatz einer Wasserpumpe sowie dem weitgehenden Verzicht auf Funde für die englischen Museen methodisch innovativ und vorbildlich. Weil es sich bei dieser Grabung aber um eine reine Heiligtumsgrabung handelte, die parallel zu den österreichischen Arbeiten in Ephesos durchgeführt wurde und sich deshalb auch ganz ausschließlich auf ein umgrenztes Ausgrabungsobjekt beschränken konnte, ist sie nicht ohne weiteres mit dem viel ausgreifenderen Progamm der Miletgrabung zu vergleichen, weshalb sie sonst nicht weiter thematisiert wird. Es soll lediglich noch erwähnt werden, dass man natürlich Interesse an der Arbeit zeigte: »Morgens zur englischen Ausgrabung des Artemisions. Freundliche Führung durch Mr. Hogarth und besonders Mr. Henderson.« H. Knackfuß, 20.5.1905, 1904 (15./VIII.) bis 1905 (31./V.), TB 3, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.13. Zur englischen Ausgrabung vgl. ausführlicher T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995). Vgl. die Darstellung der Geschichte der Unternehmung in: L. W. Sørensen – P. Pentz, Excavations and surveys in Southern Rhodes. The post-Mycenaean period until Roman times and the Medieval period, Results of the Carlsberg Foundation excavations in Rhodes, 1902–1914, Lindos 4, 2 (Kopenhagen 1992) 7. RE S V (1931) 731–840 s. v. Rhodos (F. Hiller von Gaertringen); DNP VII (1999) 239 f. s. v. Lindos (H. Sonnabend). Grabungspublikationen: Chr. Blinkenberg, Les petits objets, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914, Lindos 1 (Berlin 1931); Chr. Blinkenberg, Inscriptions, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914, Lindos 2 (Berlin 1941); E. Dyggve, Le sanctuaire d’Athana Lindia et l’architecture Lindienne, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914 et 1952, Lindos 3 (Berlin 1960); S. Dietz, Excavations and surveys in Southern Rhodes. The Mycenaean
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Alexander Conze und Wilhelm Dörpfeld offenbar an der Entscheidungsfindung bezüglich des Grabungsplatzes beteiligt waren962. In denselben zeitlichen Kontext dieser Entscheidungsphase fällt auch eine persönliche Begegnung Kinchs mit Theodor Wiegand in Milet am Freitag, den 7. Dezember 1900963. Am folgenden Tag gesellte sich noch Rudolf Heberdey, seit 1897 Leiter der österreichischen Ephesosgrabung, zu ihnen und gemeinsam besichtigten sie die laufenden Arbeiten in Milet. Zum Abschluss führte Wiegand die Gäste am 11. Dezember in Priene964. Friedrich Hiller von Gaertringen, der 1895 den Rhodos-Band der Inscriptiones Graecae ediert hatte965, hielt die Archäologische Gesellschaft zu Berlin regelmäßig über den Fortgang der dänischen Arbeiten auf Rhodos auf dem Laufenden; dabei stützte er sich teilweise auf eine private Korrespondenz mit Kinch966. Eine erste Sondierungskampagne fand 1902 statt, an die sich in den Jahren 1903 bis 1905 und 1914 die großflächige Ausgrabung der Akropolis von Lindos anschloss967. Wie in Milet griff auch dort die archäologische Forschung in das nähere und weitere Umland aus; u. a. grub Kinch in den Jahren 1907 und 1908 eine archaische Siedlung mit zugehöriger Nekropole in Vroulia an der Südspitze der Insel aus968.
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period. Results of the Carlsberg Foundation excavation in Southern Rhodes, Lindos 4, 1 (Kopenhagen 1984); L. W. Sørensen – P. Pentz, Excavations and surveys in Southern Rhodes. The post-Mycenaean period until Roman times and the Medieval period, Results of the Carlsberg Foundation excavations in Rhodes, 1902–1914, Lindos 4, 2 (Kopenhagen 1992). Sørensen – Pentz a. O. (Anm. 960) 7. Th. Wiegand, 7.12.1900, GrTb I, 139. Wiegand besuchte mindestens einmal im Mai 1906 Lindos: Watzinger 1944, 193. Vgl. auch die Beschreibung eines ebenfalls anwesenden Gastes: C. Schäfer – G. Biedermann (Hrsg.), Harry Graf Kessler. Das Tagebuch. Dritter Band 1897–1905 (Stuttgart 2004) 358–360. Inscriptiones Graecae, Bd. XII, Fasc. I: Inscriptiones Graecae Rhodi, Chalces, Carpati cum Saro, Casi, hrsg. von Friedrich Hiller von Gaertringen (1895). Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar-Sitzung, AA 1903, 41 f.; Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Juli-Sitzung, AA 1904, 185 f.; Archäologische Gesellschaft zu Berlin. JuliSitzung, AA 1905, 119; Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Mai-Sitzung 1907, 411 f. 1909 war Kinch selbst Gast der Gesellschaft: Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Juni-Sitzung, AA 1909, 570–572. Vgl. auch F. Hiller von Gaertringen, Lindos im Lichte der dänischen Ausgrabungen, AA 1904, 208–213. Offenbar war vorgesehen, dass Kinch das Lemma Ῥόδος zur RE beitragen sollte. Durch »seine plötzliche unvorhergesehene Abreise (Dezember 1913) nach Rhodos« konnte er das Manuskript allerdings nicht abschließen. Darauf wird an der entsprechenden Stelle des RE-Bandes in einer Anmerkung hingewiesen: RE I A 1 (1914) 958. Das Lemma verfasste dann später Hiller von Gaertringen: RE S V (1931) 731–840 s. v. Rhodos (F. Hiller von Gaertringen). Die Ausgrabung erfolgte systematisch mit Hilfe eines Netzes von Planquadraten: Vgl. den Plan in Chr. Blinkenberg, Les petits objets, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914, Lindos 1 (Berlin 1931) Taf. 1. K. F. Kinch, Vroulia, Fouilles de Vroulia (Rhodes) (Berlin 1914); T. Melander, Vroulia. Town Plan and Gate, in: S. Dietz – I. Papachristodoulou (Hrsg.), Archaeology in the Dodecanese (Kopenhagen 1988) 83–87.
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Auf der Akropolis von Lindos waren die Ausgräber mit einem Ruinenensemble aus hellenistischen bis mittelalterlichen Einbauten konfrontiert969. In den Quadranten X 7-10 und XI 7-10 stießen die Ausgräber dann 1903 auch auf archaische Schichten970, die sehr reich an Kleinfunden waren und auf ein »Grand dépot d’ex-voto«971, eine große ungestörte Deponierung archaischer Weihegaben in einer Felsgrube. Der weitere Verlauf der Forschungen brachte auch eine Suche nach der Nekropole von Lindos972, die aber in Bezug auf archaische Gräber nicht sonderlich erfolgreich verlief. Daher erhielt die oben erwähnte Ausgrabung Kinchs in Vroulia in den Jahren 1907 und 1908 eine besondere Bedeutung, die sich dann auch in der Abfolge der Publikationen zeigte: Obwohl die Grabungen in Lindos zuerst begonnen worden waren, erschien zunächst 1914 die Grabungspublikation von Vroulia, während die Vorlage der Kleinfunde von Lindos bis 1931 auf sich warten ließ. Da Vroulia in nacharchaischer Zeit kaum noch überbaut worden war, waren dort gute Erhaltungsbedingungen für archaische Befunde zu erwarten. Schließlich konnte Kinch über 70 archaische Gräber öffnen und erhielt damit eine Grundlage, auf der die Kenntnisse zu archaischen Kleinfunden auf Rhodos entscheidend erweitert werden konnten. Dies war auf der einen Seite sicher deshalb nützlich, weil mit einer Vorlage der Funde von Vroulia auch fundiertere Aussagen über die in den archaischen Heiligtumsschichten und der großen Deponierung von Lindos angetroffenen Objekte erzielt werden konnten973, aber auf der anderen Seite konnte so auch die zuvor durch den Tod Auguste Salzmanns entstandene Wissenslücke bezüglich der Funde von Kamiros abgemildert werden. Im Gegensatz zu dieser Vorgehensweise in Milet und Lindos, die an einem aus der Geschichtsschreibung gut bekannten Ort eine möglichst umfassende Aufklärung der Situation herbeiführen wollte, steht Johannes Boehlaus Unternehmung in Larisa am Hermos, einem Grabungsort, der durch eine Besichtigung der Gegebenheiten vor Ort geeignet erschien, konkrete Fragen zur archaischen Zeit zu beantworten. 1894 hatte Boehlau an diesem Ort archaische Reste angetroffen974, 969
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G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 410–421. Der Eingangsbereich zum Athenaheiligtum auf der Akropolis lieferte auch einen Vergleich für den Pergamonaltar: A. von Salis, Der Altar von Pergamon. Ein Beitrag zur Erklärung des hellenistischen Barockstils in Kleinasien (Berlin 1912) 16 f.; H. J. Schalles, Der Pergamonaltar zwischen Bewertung und Verwertbarkeit (Frankfurt a. M. 1986) 27. Blinkenberg a. O. (Anm. 967) Sp. 5 f. Blinkenberg a. O. (Anm. 967) Sp. 7. 46–55. G. Karo, Funde, AM 31, 1906, 368. Blinkenberg a. O. (Anm. 967) 44–46; Vgl. auch die Rezension E. Pfuhl, GGA 177/6, 1915, 313–353. J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 175: »Von Yeniköyi aus ging ich nach Larissa, wie Neonteichos und Temnos eine altgriechische Siedelung am Abhang des Sardenegebirges, nördlich der eminent fruchtbaren Hermosebene. Hier fand ich zwar die Nekropole nicht (– ich vermute, dass sie unter dem Dorfe Burundjik liegt –) aber ich habe mich auch kaum um sie bemüht. Der ganze Berg ist gepflastert mit antiken Scherben bester ältes-
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die nicht in späterer Zeit überbaut worden waren. Nachdem ihm und Lennart Kjellberg die Einwerbung von Mitteln gelungen war, begannen die beiden 1902 an diesem Ort zum ersten Mal975 ausdrücklich mit der Aufklärung einer archaischen »Stadt«976 (Siedlung)977. Ähnlich wie schon mit seiner Unternehmung auf Samos agierte Boehlau damit methodisch innovativ, aber diese Pionierleistung konnte 1902 aufgrund beschränkter Mittel und der noch nicht ausreichend beherrschten Grabungsmethodik nur eingeschränkte Resultate bringen. Erst mit der Wiederaufnahme der Untersuchung 1932, als dann eine systematische Schichtgrabung durchgeführt wurde978, konnte ein Ordnungssystem etabliert werden, in das auch die reichen Funde der Kampagne 1902 eingeordnet werden konnten. Auf dieser Grundlage war dann eine wissenschaftlich sachgerechte Publikation möglich. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, eine übergreifende Forschungsfrage, zu der Larisa und Milet beitragen konnten, in einer kleinen Fallstudie zu verfolgen, die das Phänomen der Latenz979 und ihre Bedingungen für den Erkenntnisgang archäologischer Forschung anschaulich macht: Ein Nebensatz in dem im Anhang wiedergegebenen Bericht Arnold von Salis’ (Anhang A.6) erwähnte, dass die »massenhaften Reste von Dachziegeln … nun, nachdem genaue Studien über die auf Ägina gefundenen vorliegen, ebenfalls früher Zeit zugeschrieben werden« könnten. Bei den erwähnten »Dachziegeln« handelt es sich um eine sehr vielfältige Denkmälergruppe, deren Studium die Rekonstruktion der aufwendig konstruierten Tondächer antiker Bauten ermöglicht980.
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ter Art. Im Schutt, der in den Wasserrinnen vom Stadtplateau hinunterschwemmt, stecken sie, oben auf dem Plateau liegen sie, wo man hin sieht, alles alte, keine jungen. Unter den Dutzenden, die ich aufgelesen habe, sind äusserst wichtige Sachen. Eine Ausgrabung ist hier unbedingt erfolgreich, und dabei wird noch manches andere herauskommen. Die Grundeigentümer werde ich mit Hilfe meines Wirtes in Yeniköyi kriegen, wenn es nötig ist.« (Brief vom 30.8.1894). R. Naumann, Gnomon 18/6, 311 f. (Rez. zu J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902 – 1934 1 (Berlin 1940) und L. Kjellberg, Die architektonischen Terrakotten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902 – 1934 2 (Stockholm 1940)). J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902 – 1934 1 (Berlin 1940) S. IX–XIII. Grabungspublikation: J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902 – 1934 1 (Berlin 1940); Å. Åkerstöm (Hrsg.), Die architektonischen Terrakotten von Lennart Kjellberg, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902–1934 2 (Stockholm 1940); J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Kleinfunde, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902–1934 (Berlin 1942). J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902–1934 1 (Berlin 1940) S. XI f.: Die Schichtengrabung führte Knut O. Dalman durch, der für diese Aufgabe »mit Wiegands Einwilligung seine Arbeit … in Pergamon« unterbrach. Schon 1911 war Armin von Gerkan »von Milet« herübergekommen und hatte sich an den Forschungen in Larisa beteiligt. Vgl. zur Schichtengrabung auch R. Naumann, Gnomon 18/6, 312. H. U. Gumbrecht – F. Klinger (Hrsg.), Latenz. Blinde Passagiere in den Geisteswissenschaften (Göttingen 2011). N. A. Winter, Greek architectural terracottas. From the prehistoric to the end of the archaic period (Oxford 1993); N. A. Winter (Hrsg.), Proceedings of the first international conference on archaic Greek architectural terracottas. December 2–4, 1988, Hesp. 59, 1990, 1–323; G. Hüb-
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Neben diesem eher architektonisch-technischen Aspekt ist diese Denkmälergruppe auch für die kunsthistorisch orientierte Klassische Archäologie interessant, weil die antiken Dächer oftmals reich mit Reliefschmuck und/oder entsprechender Bemalung verziert waren. Von Salis sah also durch die Vorarbeiten Ernst R. Fiechters981 im Rahmen der Ägina-Unternehmung Adolf Furtwänglers nun auch die Gelegenheit, die milesischen Dachterrakotten zu ordnen. Schon 1901 wurde im milesischen Grabungstagebuch der Fund von Resten »altertümlichen Dachschmuckes aus gebranntem Thon« verzeichnet982. Im weiteren Verlauf der Arbeiten hatten dann besonders die archaischen Grabungen am Kalabaktepe983 und Erich Pernices984 zwischen diesem Hügel und späterer Stadtmauer zahlreiche Dachterrakotten erbracht. Eine kleine Auswahl aus diesen Funden legte Herbert Koch985 bereits 1915 an etwas entlegenerer Stelle in den Römischen Mitteilungen vor986. 1925 konnte Armin von Gerkan in der Endpublikation aus der großen Menge an Fundgut lediglich eine aufwendig gearbeitete Tonsima vom Kalabaktepe987, drei verzierte Stirnziegel988 und ein isoliert in der Nähe des Athenatempels gefundenes Fragment einer Tonsima989 präsentieren, so dass aus der Vorkriegsgrabung nur ein kleiner Teil der tatsächlich vorhandenen Objekte vorgelegt wurde. Grundlegend für die Erforschung der architektonischen Terrakotten in Kleinasien waren dann die Forschungen in Gordion 1900990, Theodor Macridys Ausgrabung 1906 in Ak-Alan991 bei Samsun am Schwarzen Meer, Sardes992 ab 1909993,
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ner, Zur Forschungsgeschichte griechischer Dachziegel aus gebranntem Ton. Leitvorstellungen und Annäherungen, AEphem 134, 1995, 115–161. E. R. Fiechter, Reste von Basen, Verschiedene Tektonische Stücke, Geräte aus Stein und Dachziegel, in: A. Furtwängler (Hrsg.), Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (München 1906) 168–173. Bei seiner Ordnung des äginetischen Materials zog Fiechter u. a. Vergleiche aus Didyma heran, die die französischen Ausgräber publiziert hatten (S. 173). Zur Person Fiechters: E.-L. Schwandner, Ernst Robert Fiechter. 1875–1948, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 190 f. Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902, 149. In Auswahl: A. von Salis, 23.4.1906, GrTB Nekropole, o. S.; A. von Salis, 24.4.1906, GrTB Nekropole, o. S.; A. von Salis, 11.5.1906, GrTB Nekropole, o. S.; A. von Salis, 3.11.1906, GrTB Nekropole, o. S. E. Pernice, 11.–17.10.1908, GrTB Nekropole, o. S. E. Paul, Ernst Robert Fiechter. 1880–1962, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 206 f. Koch war zu dieser Zeit einer der führenden deutschen Experten für architektonische Dachterrakotten. H. Koch, Studien zu den campanischen Dachterrakotten, RM 30, 1915, 33–38. A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 19–23. von Gerkan a. O. (Anm. 987) 23–26. von Gerkan a. O. (Anm. 987) 69. G. Körte – A. Körte, Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900, JdI Ergh. 5 (Berlin 1904). Th. Marcridy, Une citadelle archaïque du Pont, Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 12, 1907, 167–175. RE I A 2 (1920) 2475–2478 s. v. Sardeis (L. Bürchner); DNP XI (2001) 54–65 s. v. Sardeis (H. Kaletsch).
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Pazarlı994 1937/38 und besonders eben Larisa am Hermos mit den reichen Funden von 1902; also abgesehen von Sardes und Gordion alles Fundstätten, die in der Geschichtsschreibung wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatten, aber eben gute Erhaltungsbedingungen für derartige Funde aufwiesen. Aus den oben genannten Gründen und weil der Verfasser Lennart Kjellberg verstarb, konnte der Band der Grabungspublikation zu den architektonischen Terrakotten aus Larisa erst 1940 erscheinen995, und dessen Herausgeber Åke Åkerström996 veröffentlichte schließlich 1966 das Standardwerk997 zu dieser Denkmälergruppe in Kleinasien998, in dem er auch die wenigen publizierten Funde aus Milet besprach. Hans P. Laubscher kritisierte 1967 entsprechend der Überlieferungssituation an Åkerströms Werk lediglich, dass solange »das kleine Larisa wichtige Zentren ersetzen muß,« die Ergebnisse »notgedrungen einseitig und unvollständig« bleiben müssten999. Eine vollständige Materialvorlage der architektonischen Dachterrakotten aus Milet zu einem möglichst frühen Zeitpunkt hätte also die Forschung zu dieser speziellen Fragestellung wesentlich bereichern können. Da aber die milesischen Stücke nur in wenigen Einzelfällen auch Gebäuden zugeordnet werden konnten, wäre eine Fundvorlage zwar für die übergeordnete Forschungsfrage von Bedeutung gewesen, aber für die Aufklärung der lokalen Verhältnisse in Milet hätte sie nur wenig Neues erbracht. Armin von Gerkan entschuldigte dann 1925 die geringe Fundanzahl in seiner Publikation offiziell damit, dass die in Milet verbliebenen Stücke nun aufgrund der »Umstände« nicht mehr zugänglich seien1000. Tatsächlich war dies aber nicht die ganze Wahrheit1001, da Milet mindestens seit 1924 wieder von deutschen Archäologen besucht wurde und die Funde dort noch vorhanden waren1002. Allerdings schien von Gerkan persönlich mit der Sachlage unzufrieden zu sein, denn am 6. September 1924 schrieb er an Wiegand: 993
A. Ramage, Lydian Houses and Architectural Terracottas, Archaeological Exploration of Sardis 5 (Cambridge MA 1978). 994 H. Z. Koşay, Pazarlı hafriyatı raporu. Türk Tarih Kurumu Tarafından Yapılan, Türk Tarih Kurumu Yayınlarından 5, 4 = Les fouilles de Pazarlı. Entreprises par la Société d’Histoire Turque (Ankara 1941). 995 L. Kjellberg, Die architektonischen Terrakotten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902–1934 2 (Stockholm 1940). 996 P. Åström, Åke Åkerstöm, Ur Kungliga Vitterhets Historie och Antikvitets Akademiens Årsbok 1992, 1–4. 997 Rezensionen: C. le Roy, RA 1967, 127–142; H. Plommer, ClR N. S. 17, 1967, 365–367; H. P. Laubscher, Gnomon 39/6, 1967, 613–617; N. Bookidis, AJA 72, 1968, 81f; A. Bammer, AnzAW 23, 1970, 53–55. 998 Å. Åkerström, Die architektonischen Terrakotten Kleinasiens, Skrifter utgivna av Svenska Institutet i Athen 4 (Lund 1966). 999 H. P. Laubscher, Gnomon 39/6, 1967, 613 (Rez. zu Å. Åkerström, Die architektonischen Terrakotten Kleinasiens, Skrifter utgivna av Svenska Institutet i Athen 4 (Lund 1966)). 1000 von Gerkan a. O. (Anm. 987) 1f; 23 m. Anm. 1. 1001 Ausführlich hierzu: I. A. Panteleon, Funde aus Milet XVI. Zum Schicksal der am Ort verbliebenen Funde der Wiegandschen Grabung nach 1914, AA 2005, 29–33. 1002 Th. Wiegand, Die milesische Landschaft, Milet 2, 2 (Berlin 1929) 17 f.
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… erst jetzt fällt es mir ein zu fragen, ob dieser objektiv wichtige Band [Milet 1, 8] ohne ein Geleitwort von Ihnen erscheinen soll? Als Thema würde ich, vielleicht neben einer Bemerkung über die wieder aufgenommene praktische Arbeit, die Beantwortung auf eine mir immer wieder vorgelegte Frage zur Erwägung stellen: was mit den mobilen Funden der archaischen Zeit geschehen soll, oder worauf hierbei zu hoffen übrig bleibt. Ich glaube beinahe, dass die Öffentlichkeit ein gewisses Recht hat zu erfahren, wie es damit steht1003.
Es bleibt bislang durchaus rätselhaft, warum unter den geänderten Verhältnissen nach dem Ersten Weltkrieg nicht wenigstens einzelne Fundgruppen vorgelegt wurden (vgl. u. Kap. 3.4.3.1. für eine mögliche Erklärung). Erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg wurde tatsächlich ein Anlauf unternommen, sich erneut den architektonischen Terrakotten zu widmen1004. Doch zu diesem späten Zeitpunkt waren die Funde in Milet wirklich nicht mehr in der ursprünglichen Ordnung und der Bearbeiter brachte diese Arbeit nie zuende, so dass die milesischen Ergebnisse zu dieser Fundgruppe immer noch ein wesentliches Desiderat der Forschung darstellen1005.
3.2.5. Ausgreifen der Arbeiten in Milet Wie bei anderen Projekten und wie von Theodor Wiegand später in seiner theoretischen Schrift gefordert1006, beschränkten sich die Ausgräber nicht auf den engeren Bereich der Stadt Milet, sondern erforschten auch das Umland. Im näheren Einzugsgebiet Milets wäre unter historischen Gesichtspunkten sicher zunächst die Grabung in Didyma unter derartige Unternehmungen einzuordnen, da aber diese Grabung eine umfangreiche eigene Geschichte aufweist, wird sie in diesem Kapitel ausgespart, weil sie besser zusammenhängend und ausführlich für sich dargestellt werden sollte. Vergleichbares gilt für die von Milet aus begonnenen vielgestaltigen Forschungen im Latmos-Gebirge1007, die ebenfalls für sich betrachtet ein großes wissenschaftsgeschichtliches Potential aufweisen. Allerdings würde eine sachgerechte Darstellung dieser Forschungen sehr viel Raum benötigen, aber für das Hauptthema dieser Untersuchung keine Details ergeben, die nicht auch mit anderen Unternehmungen aufgezeigt werden könnten und thematisch enger mit Milet verbunden sind. 1003
A. von Gerkan an Th. Wiegand, 6.9.1924, NL Wiegand, DAI, Kasten 3, Briefe E-G. Åkerström a. O. (Anm. 998) 106. Vgl. K. Zimmermann, Altfunde vom Kalabaktepe. Zu wiederentdeckten Dachterrakotten aus Milet, in: R. Biering – V. Brinkmann – U. Schlotzhauer – B. F. Weber (Hrsg.), Maiandros. Festschrift für Volkmar von Graeve (München 2006) 285–293; K. Zimmermann, Frühe Dachterrakotten aus Milet und dem Pontosgebiet, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamli 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 631–636. 1006 Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 71–134. 1007 RE XII 1 (1924) 964–966 s. v. Latmos (L. Bürchner) 1004 1005
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3.2.5.1. Milesische Halbinsel Schon in den ersten beiden Kampagnen war der Vermesser Paul Wilski mit der Aufnahme der milesischen Halbinsel1008 (Taf. 4) beschäftigt1009. Gegenüber seinem Vorgesetzten in Berlin formulierte Wiegand im Jahr 1900, dass »durch Wilskis Aufnahme der weiteren Umgebung die Grundlage für die Erforschung derselben« gelegt worden sei, daher müsse »im nächsten Jahr … kreuz und quer geritten werden …, damit … die Gegend so genau« kennen gelernt werden würde, »wie die Mykale.«1010 1939 beschäftigte Carl Weickert, der als neuer Grabungsleiter im Vorjahr eine Kampagne in Milet durchgeführt hatte, die Frage, wer denn eigentlich als Entdecker der ›Heiligen Straße‹1011 von Milet nach Didyma zu gelten habe1012: Wilski, der doch schon 1900 die Geländeaufnahme der milesischen Halbinsel angefertigt habe, oder aber Wiegand, der erst 19031013 die Straße erkundet hatte. Dieser Gedanke rührt an die grundsätzliche Frage nach der Arbeitsweise der Wissenschaftler. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die zur Erstellung der 1906 erschienenen Wilski’schen Karte notwendigen Daten arbeitsteilig erhoben wurden, wobei Wilski sicherlich die Hauptarbeit leistete, die Archäologen aber Beobachtungen beisteuerten, für die sie eigens Erkundungstouren unternahmen. Ein Ereignis im Jahr 1900 erlaubt dabei einen direkten Einblick in diesen Vorgang, denn am Sonntag, den 10. September 19001014, ritt Wiegand zusammen mit Athanasios Apergis über die Stephania genannte Hochebene der milesischen Halbinsel, um die Ruinenstelle ›Ta Marmara‹ zu inspizieren. Die Information über diesen Ort hatten sie von einer viel älteren Karte1015, auf die im Tagebucheintrag mehrfach Bezug genommen wird. Zusätzlich wurden auf dem Weg dorthin auch andere antike Reste in Augenschein genommen. So stießen die beiden auf halbem Weg zwischen den auf der älteren Karte angegebenen Lokalitäten »Yakly« und »R[uine]. ta Marmara« auf eine neue Fundstelle, an der antike Quadern und eine 1008
DNP VIII (2000) 166 f. s. v. Milesia (H. Lohmann); H. Lohmann, Die Chora Milets in archaischer Zeit, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 363–392. 1009 P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906) 1: Die Geländeaufnahme erfolgte vom 8.12.1899 bis 16.1.1900 und vom 27.9. bis 6.12.1900. Die Ausarbeitung der Karte nahm Wilski teilweise während seiner Aufenthalte auf Thera vor: Thera 3, 11, 15. 1010 Th. Wiegand an Herr Geheimrat [R. Kekulé], 22.8.1900, SMB/AS Mil1. 1011 Die Existenz einer ›Heiligen Straße‹ war schon vor der Ausgrabung durch eine Inschrift am ›Heiligen Tor‹ in Milet bekannt, die die Instandsetzung des Weges durch Trajan schilderte: A. von Gerkan, Die Stadtmauern, Milet 2, 3 (Berlin 1935) 133 f. n. 402; R. Kekulé von Stradonitz, Vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1900, 106 f. 1012 C. Weickert an H. Knackfuß, 2.1.1939, NL Knackfuß, SMK/A 03/0163.02. 1013 Th. Wiegand, 5.11.1903, GrTb III, 31 f., Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 547. 1014 Th. Wiegand, 10.9.1900, GrTb I, 61–63. 1015 H. Kiepert, Specialkarte vom westlichen Kleinasien (Berlin 1890) Blatt 10.
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zertrümmerte Löwenstatue lagen1016. In der Wilski’schen Karte sind dementsprechend im Planquadrat G7 »Hellenistische Blöcke Marmorlöwe« eingetragen. Um auf die Frage Weickerts zurückzukommen, wird man also antworten können, dass es keinen einzelnen benennbaren »Entdecker« des Verlaufes der Heiligen Straße gegeben haben wird, sondern dass verschiedene Beobachtungen zusammenflossen1017. Oftmals folgte das Ausgreifen der Arbeit aber auch Impulsen von außen, etwa wenn den Ausgräbern durch Einheimische von außergewöhnlichen Funden berichtet wurde. So etwa am Sonntag, den 3. November 1901, als Wiegand zusammen mit dem Stipendiaten Carl Watzinger zunächst ein größeres Gebiet der Halbinsel auf der Suche nach antiken Resten abritt1018 und schließlich den Fundort1019 eines Inschriftenfragmentes untersuchte, das ihnen zuvor gebracht worden war1020. Dort fanden sie das Fragment einer archaischen Sitzstatue mit Inschrift, die sie abklatschten. Interessanterweise ließen sie das Statuenfragment am Ort liegen, und es wurde erst anderthalb Jahre später, am 4. Februar 1905, abgeholt1021. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass diese Ausritte regelmäßig am arbeitsfreien Sonntag stattfanden. Es gab also eine deutliche Trennung zwischen normaler Arbeit und zusätzlichen Unternehmungen. Andere Ausflüge konnten auch Ausgangspunkt umfangreicherer Unternehmungen sein. Auf der oben erwähnten Tour 1900 nach Ta marmara1022 wurde festgestellt, dass es sich bei der Stelle um substantielle Reste eines hellenistischen 1016
Th. Wiegand, 10.9.1900, GrTb I, 63. Noch 1906, dem Erscheinungsjahr der Wilski’schen Karte, beschäftigen sich die Archäologen mit anderen archäologischen Fundplätzen auf der milesischen Halbinsel: A. von Salis an die Eltern, 30.9.1906, NL von Salis: »Letzten Donnerstag habe ich mit Wiegand und Knackfuß einen ganztägigen Recognoszierungsritt über das weite Kalksteinplateau von Didyma gemacht, um die paar antiken Reste aufzunehmen, die in dieser Einöde noch über dem Boden stehen.« Der Ritt führte »über Janiköy[?], »Pyrrha«, den Teich Borekis durch die östlichen Berge und über das Plateau nach Jeronda.« H. Knackfuß, 27.9.1906, 1905 (1. VI.) bis 1907 (17./VII.), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.14. 1018 Th. Wiegand, 3.11.1901, GrTb I, 173. 1019 Die genaue Lokalisierung dieses Ortes, im Tagebuch σ’ δύο Βρύσεις genannt, war längere Zeit unklar, da auf der Wilski’schen Karte zwei Orte einen ähnlichen Namen tragen. Die bei H. Lohmann, Zum Fundort der archaischen Nympheninschrift Milet VI/3,1298, in: R. Biering – V. Brinkmann – U. Schlotzhauer – B. F. Weber, Maiandros. Festschrift für Volkmar von Graeve (München 2006) 201–204, überzeugend vertretene Auffassung, dass der Fundort der in der Wilski’schen Karte als »I Dyo Wrisses«, Planquadrat G5, benannte Platz ist, entspricht den Angaben des Augenzeugen Carl Watzinger, die jener 1939 gegenüber Weickert machte: »Durch eine Mitteilung Watzingers hat sich die Lage des Nymphenheiligtumes schon geklärt. Es lag nicht in einem »Saltranorhevma« und nicht in irgend einer Verbindung mit der Heiligen Straße, sondern in dem Tal der Dio Wrissis südwestlich von Sakysburnu, ein wenig südöstlich der Stelle, wo Wilski … die antike Lage von Pyrrha eingetragen hat.« C. Weickert an H. Knackfuß, 20.1.1939, NL Knackfuß, SMK/A 03/0163.02. Die Angaben zur Lokalisierung in P. Herrmann – W. Günther – N. Ehrhardt, Inschriften von Milet. Inschriften n. 1020–1580, Milet 6, 3 (Berlin 2006) 186 konnten noch nicht die Ergebnisse Lohmanns berücksichtigen. 1020 Th. Wiegand, 3.11.1901, GrTb I, 173. 1021 H. Knackfuß, 4.2.1905, GrTb V, 29. 1022 Th. Wiegand, 10.9.1900, GrTb I, 61. 1017
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Gebäudes handelte, dessen nähere Untersuchung lohnenswert schien. Wiegand plante daher, an dieser Stelle eine umfangreichere Erforschung durchzuführen1023. Dazu benötigte er allerdings die Genehmigung seines Vorgesetzten1024, und erst als er diese erhalten hatte, reichte er am 1. Oktober telegraphisch einen Antrag auf »Excursionen und Recherchen« bei Osman Hamdi Bey ein1025, der auch postwendend genehmigt wurde1026. Wiegand ging daraufhin für drei Wochen mit 30 Arbeitern nach Ta Marmara, wo ein vom Thera-Projekt geliehenes Zelt als Unterkunft diente1027, und berichtete über die Ausgrabung zusammenhängend im Tagebuch am 18. November1028. Der Grabungsleiter vor Ort hatte also nicht nur den legalen Rahmenbedingungen des Gastlandes zu genügen, sondern musste sich Untersuchungen, die nicht vom Forschungsprogramm erfasst waren, von seinem Arbeitgeber genehmigen lassen. Der auswärtige Direktor war also keineswegs so ungebunden in seinem Handeln vor Ort, wie es etwa die Darstellung Wiegands in Watzingers Biographie nahelegt.
3.2.5.2. Myus Eine Ausgrabung in Myus1029, der im 2. Jahrhundert v. Chr. aufgegebenen östlichen Nachbarpolis Milets, veranstaltete Wiegand zusammen mit seinem Vorarbeiter Mastro Ianni1030 und Karl Lyncker in der Zeit vom 15. Oktober bis 26. November 19081031. Dieser Ort war schon zur Zeit der Ausgrabung von Priene ein Ausflugsziel der Wissenschaftler gewesen, an dem Überreste zweier archaischer ionischer Tempel lokalisiert worden waren, von denen Bauteile zusammen mit den Prienefunden nach Berlin gelangten1032. Zusätzlich zeigte sich während der Ausgrabung Milets dann der ungewöhnliche Befund, dass zahlreiche weitere
1023
Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902, 149 f. 1024 Th. Wiegand an Geheimrat [R. Kekulé], 15.9.1900, SMB/AS, Mil 1: »… füge ich die eilige Bitte bei, mich so bald als möglich wissen zu lassen, ob Sie mit einer Sondierung bei τὰ μάρμαρα zufrieden sein würden …« 1025 Th. Wiegand, 1.10.1900, GrTb I, 81. 1026 Th. Wiegand, 2.10.1900, GrTb I, 81. 1027 Th. Wiegand, 18.11.1900, GrTb I, 125. 1028 Th. Wiegand, 18.11.1900, GrTb I, 115–125. 1029 RE XVI 2 (1935) 1430–1437 s. v. Myus 2 (W. Ruge); DNP VIII (2000) 654 s. v. Myus (H. Lohmann); W. Günther, Milesische Bürgerrechts- und Proxenieverleihungen der hellenistischen Zeit, Chiron 18, 1988, 383–419. 1030 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 116. 1031 H. Knackfuß, 15.10.–26.11.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1032 M. Miller, Die Forschungen der Berliner Museen in Myus, Eos. Nachrichten für Freunde auf der Museumsinsel Berlin 1, 2000, 11.
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Bauteile aus Myus offenbar in der Antike im Theater und im Stadion in Milet verbaut worden waren1033. In den Unterlagen der Miletgrabung ist diese Ausgrabung nicht dokumentiert und Wiegand führte vor Ort wohl kein Tagebuch, sondern hielt die ihm wichtig erscheinenden Ergebnisse der Ausgrabungen lediglich in Briefen an seine Frau und Hans Schrader fest1034. Die Ausgrabung erbrachte mehrere Exemplare archaischer Großplastik1035, 400 bis 500 weitere Fragmente archaischer Bauteile und insbesondere ca. 35 Fragmente eines figürlich verzierten Relieffrieses des älteren der beiden Tempel1036. Diese Funde aus Myus ließ Wiegand auf Büffelwagen nach Milet schaffen1037, nachdem Hubert Knackfuß am 4. November die Marmore vor Ort geordnet hatte, wofür er extra am Tag zuvor aus Milet anreiste1038. Ein Teil dieser Funde gelangte 1927 als Geschenk des türkischen Ministerrates nach Berlin (s. u. Kap. 3.3.2.1.) und Hubert Knackfuß rekonstruierte aus den Fragmenten eine Säule, deren Abguss im Magazin des Pergamonmuseums erhalten ist1039. Die jahrelangen Forschungen zur archaischen Nekropole in Milet hatten bis 1908 schließlich kein positives Ergebnis gebracht und neben dem Athenatempelkomplex, bei dem nur sehr wenige Teile der aufgehenden Architektur gefunden worden waren, hatten die Grabungen auch keine gut erhaltene, repräsentative archaische Architektur in situ ergeben. In dieser Situation mochte die Untersuchung der Tempel in Myus eine inhaltliche Ergänzung darstellen, die mit einem geographisch nahgelegenen Ziel doch noch eine substantielle Vermehrung des Wissens zum archaischen Ionien ermöglichen konnte1040. Es sprechen zwei Argumente dafür, dass dies tatsächlich die Absicht Wiegands war: Am 27. September 1907, zwei Tage nachdem Johannes Boehlau die Arbeiten zur archaischen Stadt in Milet besichtigt und dort Hinweise für das weitere Vorgehen gegeben hatte, unternahmen Wiegand und Frickenhaus mit ihm auch eine Exkursion nach Myus1041. Weiterhin umfasste die Genehmigung, die Wiegand auch 1033
R. Bol, Der ›Torso von Milet‹ und das Kultbild des Apollon Termintheus in Myus, IstMitt 55, 2005, 37–64. Miller a. O. (Anm. 1032) 12. Vgl. die in Wiegand a. O. (Anm. 1030) 116–119 wiedergegebenen Briefauszüge. 1035 2 C. Blümel, Die archaisch griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin (Berlin 1964) 63 f. 1036 2 C. Blümel, Die archaisch griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin (Berlin 1964) 61 f. 1037 Wiegand a. O. (Anm. 1030) 119. 1038 H. Knackfuß, 4.11.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1039 Miller a. O. (Anm. 1032) 12. 1040 Diese Zielrichtung erhellt auch aus folgender Bemerkung Wiegands (Wiegand a. O. (Anm. 1030) 119): » Ich bin nun soweit, daß das ganze altjonische Kapitell und die Basis sowie der Säulenhals beieinander sind, und trotz der Zerschlagung … wird man daraus ein Ganzes herstellen, eine schöne Bereicherung an archaischer Architektur … Es hat ja doch seinen großen Reiz, gerade aus den anscheinend verzweifeltsten Dingen doch noch ein Ergebnis zu gewinnen, gerade da noch etwas zu erreichen, wo andere vielleicht alle Hoffnung fahren lassen.« 1041 A. Frickenhaus, 26.9.1907, GrTb Nekropole 176. 1034
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für diese Unternehmung selbstverständlich benötigte, nicht nur das Gelände von Myus, sondern zusätzlich auch das Gebiet um Sakysburnu, wo mit der Sitzfigur ein archaischer Fund gemacht worden war und wo die alten Ausgräber das antike Pyrrha1042 vermuteten. Tatsächlich konnte in der Nähe dieses Ortes 1993 das antike Assesos1043 lokalisiert werden, dessen Athenatempel um 600 v. Chr. von dem lydischen König Alyattes zerstört worden war1044. Zu einer tatsächlichen Ausgrabung in Sakysburnu durch Wiegand ist es aber offenbar nicht mehr gekommen1045. Dennoch zeigt auch diese weiter gefasste Genehmigung an, dass es Wiegand 1908 nun konkret darum ging, die in Milet manifest werdenden Defizite in der Erforschung der archaischen Stadt durch Ergebnisse im Umland zu kompensieren. Im Rahmen der aktuellen Forschungen zum archaischen Milet zeigt sich im Übrigen eine gut vergleichbare Vorgehensweise: Nachdem während eines Surveys auf dem Mengerevtepe eine Weihinschrift an Athena gefunden worden war, lag zum einen der Schluss nahe, dass dort das von Herodot bekannte Heiligtum von Assesos gelegen haben könnte, und zum anderen konnte damit gerechnet werden, mit einer Grabung an diesem Ort vielleicht einen weiteren chronologischen Fixpunkt archäologisch fassen zu können, der für die Forschungen im benachbarten Milet bedeutsam sein mochte1046.
1042
RE XXIV (1963) 80 f. s. v. Pyrrha 19 (K. Ziegler); DNP X (2001) 642 s. v. Pyrrha (H. Lohmann). 1043 RE II 2 (1896) 1746 s. v. Assesos (L. Bürchner); DNP II (1997) 111 s. v. Assesos (H. Lohmann); U. von Wilamowitz-Moellendorff, GGA 168/2, 1906, 639 f. hatte diese Lage schon aus den Quellen als wahrscheinlich hergeleitet. 1044 H. Lohmann, Survey in der Chora von Milet. Vorbericht über die Kampagnen der Jahre 1990, 1992 und 1993, AA 1995, 311–328; R. Senff, Milet 1992–1993. Sondierungen am Südhang des Mengerevtepe (›Assesos‹), AA 1995, 224–228; B. F. Weber, Milet 1992–1993. Ein spätarchaischer Tempel auf dem Mengerevtepe bei Milet, AA 1995, 228–238; B. F. Weber, Zum spätarchaischen Tempel auf dem Mengerevtepe bei Milet, DiskAB 6, 1995, 84–89; G. Kalaizoglou, Assesos. Ein geschlossener Befund südionischer Keramik aus dem Heiligtum der Athena Assesia, MilForsch 6 (Mainz 2008). 1045 Während der Ausgrabung in Myus war das Wetter besonders im November derart ungeeignet zur Arbeit, dass Wiegand etwa am 23. November eine erneute Anreise nach Myus »wegen des Unwetters« abbrechen mußte. Erst am nächsten Tag konnten Wiegand und Lyncker noch einmal nach Myus gelangen. Hubert Knackfuß hatte in dieser Zeit starkes Fieber. H. Knackfuß, 6.– 23.11.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1046 V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 248, 252 f.
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3.2.5.3. Unternehmungen im weiteren Umland Ein Ausflug in die Mykale vom 10. bis 14. Oktober 19031047 wurde angeregt durch einen anonym bleibenden Führer, einen Hirten, der Wiegand »schon manches alte Kastell im Gebirge gezeigt« hatte1048, und führte auf die Nordseite des Gebirges. Die Südseite, also die der Mäanderebene zugewandte Seite, hatte Wiegand schon in den Jahren der Prienegrabung erkundet1049. Marie Wiegand berichtete ausführlich über diese Tour an ihre Mutter1050. Mit von der Partie waren sie selbst, der Maler Hermann Knackfuß1051, der Wächter des Grabungshauses von Priene und »Georgi mit dem Packpferd, das Feldbetten und Proviant … aufgebunden hatte«1052. Stolz schrieb Marie Wiegand, dass alle Reiter, also sie selbst eingeschlossen, »rittlings«geritten wären (Taf. 18c). Obwohl ihr Bericht nicht frei von romantisierenden Beschreibungen ist und mit ihr und dem Maler Knackfuß zwei Nichtwissenschaftler an der Exkursion teilnahmen, handelte es sich offenbar um einen straff organisierten Ausflug mit im Vorhinein festgelegten wissenschaftlichen Programmpunkten: Der Tagebucheintrag vom 10. Oktober verzeichnete schon exakt dieselben Wegstationen, an denen sich »neues für die Topographie der Gegend« ergeben hätte1053, die Marie Wiegand dann im Nachhinein beschrieb. Der Zweck der Reise war also eine geplante wissenschaftliche Erkundung. Daneben war es sicher unter den damaligen Umständen auch notwendig, im Notfall zu wissen, wo sich eine Reisegruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhielt. Von den zahlreichen Exkursionen, die in den Fotoalben Hubert Knackfuß’ dokumentiert sind, zeigt eine zu Beginn der Herbstkampagne 1902 durchgeführte Rundreise, dass die auswärtigen Unternehmungen nicht nur der eigenen Fortbildung und Forschung dienten, sondern auch die Kooperation mit Dritten zum Gegenstand hatten. Wiegand lud zu diesem Zeitpunkt Knackfuß auf eine »hochinteressante Tour« ein1054, denn Osman Hamdi Bey hatte ihn aufgefordert, die Arbeiten in Tralles (Aydın) zu besichtigen sowie den »Fries von Lagina1055 zu stu1047
Autor B, 10.10.1903 u. 14.10.1903, GrTb III, 17, 19. G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 50 f. 1049 Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 2. 1050 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 50–53. 1051 NDB 12 (1979) 149 f. s. v. Knackfuß, Hermann (B. Lohkamp); H. Vollmer, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart (1927) 560–562 s. v. Knackfuß, Hermann Joseph Wilhelm. 1052 Wiegand a. O. (Anm. 1050) 51. 1053 Autor B, 10.10.1903, GrTb III, 17. 1054 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 4.8.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1055 J. Chamonard, Les sculptures de la frise du temple d’Hécate à Lagina, BCH 19, 1895, 235–262; P. Baumeister, Der Fries des Hekateions von Lagina. Neue Untersuchungen zu Monument und 1048
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dieren«. Für diese Aufgabe müsse Wiegand die architektonischen Reste des dortigen Nemesisheiligtums genau kennen, daher würden sie von Tralles noch nach Lagina weiterreisen, bevor die Kampagne in Milet beginne. Diese kleine Expedition Wiegands und Knackfuß’ lässt sich anhand des privaten Fotoalbums Knackfuß’ rekonstruieren (Taf. 19a-b): Am 27. September 1902 befand sich Knackfuß noch auf dem Schiff nach Smyrna, während die Gesellschaft einen Tag später schon in Tralles war, wo sie gemeinsam mit dem Grabungsleiter Edhem Bey die Ausgrabungen der Konstantinopler Museen besichtigten1056. Bis zum 3. Oktober reiste die Gesellschaft zu Pferd über Alabanda nach Lagina, wo Knackfuß drei Fotos anfertigte (Taf. 20a). In seinem Nachlass hat sich ein »Skizzenbuch Kleinasien« erhalten1057, in dem er auf dieser Reise Skizzen anfertigte, allerdings keine in Lagina. Laut Tagebuch verbrachte er aber den Vormittag mit einer Aufnahme des Tempels1058. Auf dem Rückweg wurden noch Labranda und Euromos besucht. Der Besuch der Grabungen in Tralles entsprach den üblichen Gepflogenheiten der Archäologen, die sich häufig wechselseitig während der laufenden Grabungen besuchten und einander die jeweiligen Resultate zeigten und diskutierten. In den Tagebüchern der Miletgrabung sind eine ganze Reihe derartiger Besuche, etwa von Teilnehmern der ephesischen oder pergamenischen Ausgrabungen, verzeichnet, und auch ein Besuch Edhem Beys in Milet ist belegt1059. Das Besondere dieser Exkursion liegt in der in Lagina erfolgten Ruinenbesichtigung und -aufnahme: Dabei handelte es sich in der Hauptsache um unmittelbare Zuarbeiten für den Katalog der Ottomanischen Museen, für die Wiegand seinen Mitarbeiter Knackfuß zur Verfügung stellte1060. Zusätzlich hatte sich Hamdi Bey offenbar auch mit der Absicht getragen, das Heiligtum mitsamt dem Fries im Garten des Ottomanischen Museums wiederaufbauen zu lassen, wozu eine fachgerechte Bauaufnahme ebenfalls notwendig war1061. Ähnlich wie Carl Humann kooperierte also auch sein Nachfolger mit den Ottomanischen Museen. Zwei abschließende Beispiele illustrieren, wie durch eine systematische räumliche Ausdehnung der Forschung der Wissensbestand kontinuierlich erweitert wurde: Ende Mai 1907 unternahmen Wiegand und Knackfuß mit Oberst Walther von Diest und dessen Sohn1062 mit dem Boot1063 eine Exkursion nach Iasos1064. Kontext, Byzas 6 (Istanbul 2007); G. Mendel, Catalogue des sculptures greques, romaines et byzantines 1 (Konstantinopel 1912) 428–524. H. Knackfuß, 28.9.1902, TB 2, o. S., SMK/A, 03/0127.13. 1057 H. Knackfuß, Skizzenbuch Kleinasien, SMK/A, 03/0127.08. 1058 H. Knackfuß, 2.10.1902, TB 2, o. S. SMK/A, 03/0127.13. Die Aufnahme fand Eingang in Mendel a. O. (Anm. 1055) 432–433. 1059 Th. Wiegand, 24.9.1903, GrTb III, 5. 1060 Mendel a. O. (Anm. 1055) 430 f. 1061 W. Radt, Carl Humann und Osman Hamdi Bey – zwei Gründerväter der Archäologie in der Türkei, IstMitt 53, 2003, 504 m. Anm. 25. 1062 W. von Diest, Nysa ad Maeandrum nach Forschungen und Aufnahmen in den Jahren 1907 und 1909, JdI Ergh. 10 (Berlin 1913) 1. 1063 Das »Kaik« gehörte »Mastro Georgi Orologos«. H. Knackfuß, 24.5.1907, 1905 (1. VI.) bis 1907 (17./VII.), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.14. 1056
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Im Anschluss daran besichtigten die Archäologen noch das etwas südlicher gelegene Bargylia1065 (Taf. 20b)1066. Von Diest aber reiste über Land am 26. Mai 1907 über die Kazıklı Halbinsel1067 zurück, von der er eine archäologische Spezialkarte anfertigte1068. Mit dieser Karte wurde der südlich an die milesische Halbinsel anschließende Küstenstreifen erschlossen, so dass sich eine sinnvolle Ergänzung zur Wilski’schen Karte ergab. Weiterhin konnte so eine Grundlage geschaffen werden, von der aus die Grenzen des milesischen Territoriums genauer bestimmt werden konnten1069 – eine historische Fragestellung, die schon in Priene eine Rolle gespielt hatte (Vgl. o. Kap. 2.3.4.). Carl Watzinger erwähnte in diesem Zusammenhang, dass Wiegand von Diest veranlasst hätte, »eine Untersuchung und erste Aufnahme von Nysa1070 am Mäander … ins Auge zu fassen«1071, die dann in den Jahren 1907 und 1909 auch tatsächlich durchgeführt wurde. Aus der Publikation dieser Unternehmung1072 erhellt, dass die Anregung von Wiegand 1907 direkt bei der Ankunft von Diests in Smyrna geäußert worden war und die erste Erkundung Nysas noch vor der Exkursion nach Bargylia und Iasos durchgeführt wurde. An der zweiten Reise 1909 war dann u. a. auch ein Archäologe, Heinrich Pringsheim1073, beteiligt und diese Untersuchungen erbrachten die »erste und bis heute grundlegende Darstellung der Stadt, ihrer Geschichte und Topgraphie«1074. Im Anhang zur Nysa-Publikation findet sich ein Beitrag Friedrich Hiller von Gaertringens1075, in dem er in der einleitenden Worten darauf hinwies, dass er selbst und Otto Kern schon am 27. November 1890 von Magnesia aus Nysa besucht hatten. Dort hatten sie eine historisch höchst bedeutsame Inschrift gefunden1076 und Ulrich von Wilamowitz-
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RE IX 1 (1914) 785–790 s. v. Iasos (L. Bürchner); DNP V (1998) 870f s. v. Iasos 5 (H. Kaletsch). RE III 1 (1897) 15 f. s. v. Bargylia (L. Bürchner); DNP II (1997) 447 f. s. v. Bargylia (H. Kaletsch). 1066 Watzinger 1944, 151: Offenbar entstand der Plan einen Stadtplan von Bargylia aufzunehmen, weil Wiegand die Anlage gut vergleichbar mit Priene erschien. 1067 H. Lohmann, Ein Survey bei Kazıklı (Muğla) (Möhnesee 2005). Zu von Diest vgl. dort S. 5 f. 1068 W. von Diest, Quer durch Karien, Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt 55, 1909, 264–269, Taf. 19. 1069 Mit modernen Methoden in jüngster Zeit wieder aufgegriffen: Lohmann a. O. (Anm. 1067) 3–4. 1070 RE XVII 2 (1937) 1631–1640 s. v. Nysa 10 (W. Ruge); DNP VIII (2000) 1075 f. s. v. Nysa (H. Kaletsch). 1071 Watzinger 1944, 151. Wieder referiert bei G. Hiesel – V. M. Strocka, Die Bibliothek von Nysa am Mäander. Vorläufiger Bericht über die Kampagnen 2002–2006, AA 2006, 81 m. Anm. 1. 1072 W. von Diest, Nysa ad Maeandrum nach Forschungen und Aufnahmen in den Jahren 1907 und 1909, JdI Ergh. 10 (Berlin 1913). 1073 Ein Schwager Thomas Manns. Kurze biographische Notiz bei Hiesel – Strocka a. O. (Anm. 1071) 81 Anm. 3. 1074 Hiesel – Strocka a. O. (Anm. 1071) 81. 1075 F. Hiller von Gaertringen, Eine Urkundenwand von Nysa, JdI Ergh. 10 (Berlin 1913) 62–69. 1076 F. Hiller von Gaertringen, Das Denkmal Chairemon’s von Nysa, AA 16, 1891, 95–106, 441 [Mit einem Beitrag Th. Mommsens unter dem selben Titel: 101–106.] 1065
DIE GRABUNG 1899 BIS 1914
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Moellendorff und Theodor Mommsen um Hilfe bei der Lesung gebeten1077. Der in der Inschriftpublikation 1891 angekündigte Bericht Kerns über den Besuch Nysas erschien allerdings nicht. Die Anregung Wiegands zur Erforschung Nysas erfolgte also nicht ohne wissenschaftliche Vorgeschichte und es zeigt sich, dass der auswärtige Direktor in diesem Fall dafür Sorge trug, dass liegengebliebene Arbeiten wieder aufgenommen wurden.
1077
Der Fund dieser Inschrift und der sich daraus ergebende Kontakt mit Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff bedeutete im Übrigen für Hiller von Gaertringen einen »Wendepunkt im Leben«, denn in der Folge war er mit der Herausgabe des Rhodos-Bandes der IG beauftragt worden: K. Hallof, »… aber gerade darum ist es eine akademische Aufgabe«. Das griechische Inschriftenwerk der Berliner Akademie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: A. M. Baertschi – C. G. King (Hrsg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts (Berlin 2009) 429–435.
3.3. Wissenschaftlicher Ertrag der Grabung 3.3.1. Publikationen 3.3.1.1. Vorberichte und Endpublikationen »Eine Ausgrabung ohne Veröffentlichung ist nichts«, stellte Theodor Wiegand in seiner theoretischen Schrift über das Ausgrabungswesen kategorisch fest1078. Für ein so großes Unternehmen wie Milet dachte er 1902 dabei an »Einzelpublicationen« und bat den während des Sommers in Berlin weilenden Hubert Knackfuß Anfang September, doch bitte beim Generaldirektor Richard Schöne »leise« anzufragen, ob er mit diesem Plan einverstanden sei1079, denn auf »diese Weise erfährt Schoene dann, dass Kekule die Sache immer noch unerledigt auf dem Schreibtisch liegen hat«. Offenbar hatte Wiegand schon vor Ende Juli dem direkten Vorgesetzten Kekulé seine Vorstellungen zu den Publikationen mitgeteilt1080, von ihm aber keine Antwort erhalten. Im Vorwort des ersten Bandes umriss Wiegand 1906 die Publikationsstrategie genauer: Um » raschere Kenntnis der Resultate zu vermitteln, werden die Ergebnisse der Milesischen Arbeiten in zwangloser Zeitund Reihenfolge einzeln veröffentlicht … In dieser Weise werden die nächsten Hefte die ausführliche Darstellung des Bouleuterion, des Theaters, des Nymphaeums, der Heiligtümer des Apollon Delphinios und der Athena, der Märkte und Häfen, der Thermen und des Stadion, der Befestigungen, der Nekropolis, der christlichen und muhammedanischen Altertümer bringen. Epigraphische Funde werden zusammen mit den Monumenten, zu denen sie in Beziehung stehen veröffentlicht. Am Schluß wird es die Aufgabe des Herausgebers sein, alle Ergebnisse unter gleichzeitiger Veröffentlichung des Stadtplanes zusammenzufassen.« 1081 Die Vorlage der wissenschaftlichen Resultate der Miletgrabung entsprach formal denen von anderen Unternehmungen aus der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹: Mit Vorberichten in den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und dem Archäologischen Anzeiger des DAI1082 wurden die Resul1078
Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 105 f. 1079 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 4.9.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1080 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 25.7.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1081 Th. Wiegand, Vorwort, in: P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906) S. V. 1082 Von 1899 bis 1906 erschienen die milesischen Vorberichte jeweils in beiden Organen, wobei der Bericht im Anzeiger außer 1904 jeweils nach dem Akademiebericht erschien. 1908 fiel der Vorbericht im Anzeiger aus; der nächste Bericht 1911 wurde aber wieder parallel publiziert. Der letzte Bericht erschien 1924 mit erheblicher Verzögerung nur bei der Akademie (s. u. Anm. 1083). Ein vergleichbares Phänomen gibt es auch bei den Vorberichten der österreichischen Ephesosgrabung (T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlichkeiten, Europäische Hochschulschriften 54 (Frankfurt a. M. 1995) 301).
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tate der laufenden Grabung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zunächst zeitnah mitgeteilt1083, während die Publikation abschließender »Ergebnisse« einer eigenen Veröffentlichungsreihe vorbehalten war1084. Diese Reihe war durch ihr großes Format und ihre aufwendige Gestaltung geeignet, Abbildungen und Pläne in hoher Qualität zu präsentieren; sie war gegliedert in ›Bände‹, innerhalb derer in ›Heften‹ die eigentlichen Resultate vorgelegt wurden1085. Als grundsätzlicher Unterschied zu vergleichbaren Publikationsreihen ist festzuhalten, dass in den Einzelheften der Miletreihe von Anfang an die Erträge der beteiligten Disziplinen – Bauforschung, Epigraphik und Klassische Archäologie – gemeinsam veröffentlicht wurden1086. Wie in Olympia1087, Magnesia1088 und Priene1089 zielte die Miletreihe dem Titel nach auf die Vorlage von »Ergebnissen«, während die Publikationsreihe zu Pergamon eher neutraler die »Altertümer« der Stadt vorlegen sollte1090. Diese Unterscheidung ist insofern interessant, als dass der Begriff Ergebnis das Endprodukt eines Vorganges betont. Otto Benndorf hatte im Gegensatz dazu die Publikationsreihe der österreichischen Ephesosgrabung von vornherein als »Forschungen« 1083
R. Kekulé von Stradonitz, Vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1900, 104–115; Th. Wiegand, Ausgrabungen zu Milet, AA 1901, 191–199; Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1901, 903–913; Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902, 147– 155; Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1904, 72–91; Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1904, 2–10; Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 533–548; Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Berlin, AA 1906, Sp. 1–41; Th. Wiegand, Fünfter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet unternommenen Ausgrabungen, SBBerlin 1906, 249–265; Th. Wiegand, Sechster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1908, Anhang.; Th. Wiegand, Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1911, Anhang.; M. Schede – Th. Wiegand, Ausgrabungen in Milet und Didyma, AA 1911, Sp. 419–443; Th. Wiegand, Achter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1924. 1084 Th. Wiegand (Hrsg.), Milet. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Berlin 1906– ). 1085 Aufstellung: N. Ehrhardt – H. Lohmann – B. F. Weber, Milet. Bibliographie vom Beginn der Forschungen im 19. Jahrhundert bis zum Jahre 2006, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 751–754. 1086 Für Priene waren die Inschriften, wie anderen Orts auch üblich, noch getrennt veröffentlicht worden. 1087 A. Furtwängler, Die Bronzen und übrigen kleineren Funde von Olympia, Olympia. Die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung 4 (Berlin 1890). 1088 C. Humann, Magnesia am Maeander. Bericht über die Ergebnisse der Ausgrabungen der Jahre 1891 – 1893 (Berlin 1904). 1089 Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904). 1090 R. Bohn, Das Heiligtum der Athena Polias Nikephoros, Altertümer von Pergamon 2 (Berlin 1885).
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betitelt. Dass es sich bei dieser unterschiedlichen Wortwahl nicht um eine Marginalie handelte, zeigt eine Rezension des ersten Bandes der »Forschungen in Ephesos« von Friedrich Hiller von Gaertringen1091, die einen Gedanken Benndorfs aus dem Vorwort des Bandes aufgriff1092 und auch für das Verständnis der Publikationspolitik bei der Milet-Reihe erhellend ist: Es sind ›Forschungen‹ keine abschließende Darstellung. Und wer könnte sich auch ermessen in Ephesos abschließen zu wollen? Das geht nur bei kleinen Objekten; bei großen unterfängt sich dessen nur der Laie. Wer die Unendlichkeit des Gegenstandes erfaßt, der wird nur streben, tiefer und weiter zu forschen und davon zeitweilig Rechenschaft zu geben. Je größer die Summe der methodisch aufgewandten Arbeit ist, desto reicher wird der Gewinn sein. Wenn aber das Ganze unerschöpflich ist, so werden sich kleine Aufgaben auch frühzeitig in leidlicher Vollständigkeit lösen lassen. Am leichtesten solche, die sich von dem eigentlichen Thema, der Entwicklung des alten Stadtbildes, sondern ließen1093.
Im Vergleich hatten also die Österreicher einen Reihentitel gewählt, der die praktische Tätigkeit und ihren ergebnisoffenen Charakter in den Mittelpunkt stellte und nicht ihr Resultat. Dieser, im Reihentitel1094 zum Ausdruck kommende, einengende programmatische Anspruch der Deutschen könnte ein Ausdruck jener spezifischen Arbeitsbedingungen sein, die die Tätigkeit der vor Ort tätigen Wissenschaftler bestimmten1095, wobei die Benennung der pergamenischen Reihe eine wirklich bemerkenswerte Ausnahme darstellt. Bei der Beschreibung der Feldforschung hatte sich gezeigt, dass die in Milet durchgeführte praktische Arbeit systematisch abgelaufen und in wissenschaftlicher Hinsicht sachgerecht durchgeführt worden war; lediglich im Rahmen der Sonderuntersuchungen zur Nekropole und zum archaischen Milet waren Teilbereiche der Forschungen nicht vollständig dokumentiert, bzw. abgeschlossen worden. Weiterhin hatte sich gezeigt, dass sich durch die Feldarbeit ein differenziertes Bild der Ausgrabungsstätte im Sinne der Programmatik der Ausgräber ergeben hatte. Auf dieser Grundlage wird sich der letzte Schritt der wissenschaftlichen Ausgrabung – die abschließende Publikation der Ergebnisse – als der eigentliche Ort erweisen, an dem die in Milet erlangten Erkenntnisse in eine Form gegossen wurden, die zum einen wesentliche Details aussparte und zum anderen dazu führte, dass »die wissenschaftliche
1091
F. Hiller von Gaertringen, Berliner Philologische Wochenschrift 26/47, 24.11.1906, Sp. 1489– 1494. 1092 O. Benndorf, Vorwort, in: O. Benndorf (Hrsg.), Forschungen in Ephesos, FiE 1 (Wien 1906) 6. 1093 Hiller von Gaertringen a. O. (Anm. 1091) Sp. 1490. 1094 Erst sehr viel später wurden für die deutschen Traditionsgrabungen in Olympia (OF 1: 1944), Pergamon (PF 1: 1972) und Milet (MilForsch 1: 1999) eigene Publikationsreihen für »Forschungen« neben den großen Reihen begonnen. 1095 Vgl. die Titel der Thera- und der Äginareihe, die beide den Begriff Ergebnis nicht im Titel führen.
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Welt am Ende der ersten Grabungsperiode den Eindruck« hatte, »als ob ein gegebenes Versprechen nicht eingehalten«1096 worden sei. Bis zum Tode Wiegands 1936 erschienen insgesamt 16 Hefte, wobei während der laufenden Grabung bis 1914 nur vier herausgegeben wurden; die überwiegende Mehrheit erschien also erst nach dem Ersten Weltkrieg. An der Abfolge der Publikationen ist eine gewisse Priorisierung zu erkennen: Die erste Veröffentlichung in der Reihe war 1906 die Karte der milesischen Halbinsel von Paul Wilski1097, die quasi die Grundlage der Forschung in Milet bildete und gleichzeitig den programmatischen Anspruch illustrierte, dass sich diese Unternehmung nicht nur auf den engeren Platz des milesischen Ruinengeländes beschränken sollte1098. Es folgte 1908 mit der Publikation des Rathauses durch Knackfuß1099 ein hervorragendes Resultat der Miletgrabung auf dem Feld der Bauforschung, da dieser Bautypus mit den milesischen Befunden zum ersten Male umfänglich vorgelegt werden konnte. Erst wieder 1913 erschien mit der Latmospublikation ein Heft der Miletreihe1100. Waren die beiden ersten Veröffentlichungen noch dem ersten Band der Reihe zugeordnet, so kam mit dem Latmos nun das erste Heft des dritten Bandes. Auch dies könnte geschehen sein, weil man den ausgreifenden und umfassenden Charakter der milesischen Forschungen untersteichen wollte. Gesichert ist aber, dass die Forschungen im Latmos durch einen dringlichen Bericht Wiegands an Richard Schöne ausgelöst worden waren, der die Gefahren schilderte, »denen diese letzten Reste byzantinischer Mönchskultur im Latmos täglich ausgesetzt« wären1101. Schöne hatte nämlich den Bericht an Kaiser Wilhelm II. gesandt, der daraufhin aus seinem persönlichen Dispositionsfonds die nötigen Mittel für die ausgedehnten Feldforschungen im Latmos zur Verfügung stellte. Durch dieses Eingreifen von höchster Stelle dürfte dann wohl auch eine zeitnahe Publikation günstig gewesen sein, die dem Kaiser vorgelegt werden konnte (Vgl. auch Kap. 3.3.1.3.). Dabei fällt auf, dass das Vorwort dieses Heftes im Wesentlichen aus der Schilderung einer Exkursion in die wild-romantische Bergwelt des Latmos aus der Ich-Perspektive besteht.1102. Als letztes Heft vor dem Krieg erschien 1914 das Delphinion des 1909 verstorbenen Georg Kawerau und Albert Rehm1103. Diese Schrift setzte wieder den ersten Band fort und es ist davon auszugehen, dass sich sein Erscheinen durch den Tod Kaweraus verzögert hatte. 1096
V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 242. 1097 P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906). 1098 Vgl. U. von Wilamowitz-Moellendorff, GGA 168/2, 1906, 635: »… machen wir uns klar, welcher Fortschritt darin liegt, daß ein Museum eine Karte der Landschaft herausgibt, in der es gräbt. So hat die Wissenschaft sich ganz und gar als die Herrin eines Unternehmens bewährt, das scheinen könnte, einzelne Museumsstücke gewinnen zu wollen.« 1099 H. Knackfuß, Das Rathaus von Milet, Milet 1, 2 (Berlin 1908). 1100 Th. Wiegand, Der Latmos, Milet 3, 1 (Berlin 1913). 1101 Watzinger 1944, 147. 1102 Th. Wiegand, Der Latmos, Milet 3, 1 (Berlin 1913) S. V–VII. 1103 G. Kawerau – A. Rehm, Das Delphinion in Milet, Milet 1, 3 (Berlin 1914).
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Das milesische Delphinion stellte den größten Erfolg der Forschungen in Milet auf dem Gebiet der Epigraphik dar, denn dort hatten die Ausgräber rund 150 offizielle Urkunden des milesischen Staates gefunden. Ausführlich würdigte Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff dieses Ergebnis in einer umfangreichen Rezension dieses Heftes im selben Jahr1104, die weit über eine Buchbesprechung hinausging und vielmehr auf der Grundlage der durch die Ausgrabungen gewonnenen neuen materiellen und epigraphischen Zeugnisse einen weitgespannten Überblick über die Stadtgeschichte Milets gab1105. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren also während der Ausgrabungszeit im ersten Band der Miletreihe die hervorragensten wissenschaftlichen Ergebnisse vorgelegt worden. Das in den ersten Kampagnen ausgegrabene Nymphäum1106, dessen anschauliche Farbrekonstruktion1107 von Julius Hülsen (Taf. 9b) schon 1908 der Archäologischen Gesellschaft in Berlin vorgelegt worden war1108, erschien erst 19191109, aber auch das Erscheinungsdatum dieses Heftes hatte sich offenbar massiv verzögert1110. Diesen monumentalen Brunnenbau sah Wiegand ebenfalls als ein strategisch wichtiges Ergebnis der Ausgrabungen an, worauf in Kap. 3.3.1.3. noch einmal ausführlicher einzugehen sein wird. Nach dem Krieg bis zu Wiegands Tod 1936 setzte sich die Publikationsreihe des ersten Bandes mit Vorlagen der übrigen Großbauten fort1111, wobei es sich im wesentlichen um die beiden großen Marktanlagen an der Löwenbucht, die Thermenanlagen und das Heft zum archaischen Milet handelte (ausführlich Kap. 3.3.1.2.), so dass der erste Band schließlich die zentralen Ergebnisse der Grabung vereinigte. Der zweite Band der Miletreihe begann erst 1921 mit der Vorlage des Stadions1112. Das folgende Heft Wiegands zur milesischen Landschaft1113 hätte sich in
1104
U. von Wilamowitz-Moellendorff, GGA 1914, 65–109 (= Kleine Schriften 5, 1 (Berlin 1937) 417–466) (Rez. zu G. Kawerau – A. Rehm, Das Delphinion in Milet, Milet 1, 3 (Berlin 1914)). Vgl. die Einschätzung dieser Rezension bei: R. Kassel, Versinschrift aus Didyma, ZPE 12, 1973, 14 (=H.-G. Nesselrath, Kleine Schriften. Rudolf Kassel (Berlin 1991) 415). 1106 H. von Hesberg, Römische Baukunst (München 2005) 183–186. 1107 J. Hülsen, Das Nymphaeum, Milet 1, 5 (Berlin 1919) Taf. 63. Auch abgebildet bei Hesberg a. O. (Anm. 1106) 184 Abb. 152 b. 1108 Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 3. März 1908, AA 1908, Sp. 503. 1109 J. Hülsen, Das Nymphaeum, Milet 1, 5 (Berlin 1919). 1110 Vgl. auch u. Kap. 3.4.3.2.; Th. Wiegand an H. Knackfuß, 1917 (Feldpost, Damaskus), NL Knackfuß, SMK/A 03/0500: »Wfld. [Winnefeld] schreibt mir, dass sie wieder einmal auf Hülsen Einfluß nehmen wollen: Ich flehe Sie an, bringen Sie die Sache zu Ende, ich werde noch ganz krank davon & die Sache wurmt mich grimmig, mehr als Sie denken!« 1111 A. von Gerkan, Der Nordmarkt und der Hafen an der Löwenbucht, Milet 1, 6 (Berlin 1922); H. Knackfuß, Der südliche Markt und die benachbarten Bauanlagen, Milet 1, 7 (Berlin 1924); A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925); A. von Gerkan – F. Krischen, Thermen und Palaestren, Milet 1, 9 (Berlin 1928). A. von Gerkan, Der Altar von Kap Monodendri, Milet 1, 4 (Berlin 1915) ist nur scheinbar eine thematische Ausnahme im ersten Band, denn der Altar wurde als nächstes Vergleichsobjekt für den Altar des Delphinions angesehen (Vgl. dort die anonyme editorische Notiz). 1112 A. von Gerkan, Das Stadion, Milet 2, 1 (Berlin 1921). 1113 Th. Wiegand, Die milesische Landschaft, Milet 2, 2 (Berlin 1929). 1105
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Analogie zur entsprechenden Publikation der Pergamongrabung1114 angeboten, auch über den Verlauf und die äußeren Umstände der Miletgrabung zu berichten. Stattdessen fokussierte dieses Wilamowitz gewidmete Heft auf nicht unmittelbar archäologische Themen. Milet 2, 3 erschien erst 19351115. Dieses Heft behandelte die Stadtmauern, brachte aber daneben auch einen revidierten Stadtplan1116. Im dritten Band versammelte der Herausgeber die Ergebnisse zu nachantiken Themen1117, wobei lediglich das zweite Heft zu den Befestigungen Herakleias am Latmos thematisch aus der Reihe fiel1118. Da aber der Band mit dem Latmos begonnen hatte, war zumindest eine inhaltliche Überschneidung gegeben1119. 1936 wurde diesem Band noch von Wiegand1120 eine ältere Karte Karl Lynckers des südlichen Ioniens mit einem begleitenden Text Alfred Philippsons1121 beigefügt1122. Der renommierte Geograph und Sohn eines Rabbiners Philippson war seit 1933 mit einem Lehrverbot belegt und als Jude im Dritten Reich vielfältigen Repressionen ausgesetzt. Später, Ende April 1945, war im Konzentrationslager Theresienstadt schon der Abtransport der Familie befohlen worden, und nur durch die Befreiung am 3. Mai entgingen die Philippsons der Vernichtung im Holocaust. Er war im selben Jahr wie Wiegand geboren worden und hatte ausgedehnte Feldforschungen in Griechenland und Kleinasien unternommen1123; u. a. war er 1902 gemeinsam mit Wiegand durch das Bergland zwischen 1114
A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) A. von Gerkan, Die Stadtmauern, Milet 2, 3 (Berlin 1935). 1116 Vgl. B. F. Weber, Der Stadtplan von Milet. Einhundert Jahre Stadtforschung, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 327–362. 1117 Th. Wiegand, Der Latmos, Milet 3, 1 (Berlin 1913); K. Wulzinger – P. Wittek – F. Sarre, Das islamische Milet, Milet 3, 4 (Berlin 1935). 1118 F. Krischen, Die Befestigungen von Herakleia am Latmos, Milet 3, 2 (Berlin 1922). 1119 Eine entsprechende Überlegung liegt wohl der Entscheidung zugrunde, die Forschungen Anneliese Peschlow-Bindokats im Latmos 2005 ebenfalls in die Miletreihe aufzunehmen, obwohl die Forschungen im Latmos und in Milet schon seit langem kaum noch Berührungspunkte hatten. A. Peschlow-Bindokat, Die karische Stadt Latmos, Milet 3, 6 (Berlin 2005). 1120 Im Verlagsarchiv de Gruyter ließ sich kein genaues Auslieferungsdatum mehr ermitteln. Aus einem Brief vom 2.2.1935 geht aber hervor, dass die Auslieferung nun bald vonstatten gehen könnte ([Verlag de Gruyter] an Th. Wiegand, 2.2.1935, StBB/PK, Dep. 42, Mappe IV.). Die Bibliothek der Berliner Museen erhielt den Band am 21.12.1936 (Auskunft nach dem Inventar durch Petra Thiele, Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin). Die Athener Abteilung des DAI inventarisierte den Band als einen der letzten Zugänge im Jahre 1936 (Auskunft nach dem Inventar durch Soi Agelidis, DAI Athen, Bibliothek). 1121 NDB 20 (2001) 399 f. s. v. Philippson, Alfred (A. Mehmel); H. Böhm – A. Mehmel (Hrsg.), Alfred Philippson. Wie ich zum Geographen wurde. Aufgezeichnet im Konzentrationslager The2 resienstadt zwischen 1942 und 1945, (Bonn 2000); A. Mehmel, »Wie ich zum Geographen wurde« – Aspekte zum Leben Alfred Philippsons, Geographische Zeitschrift 82, 1994, 116–132. 1122 A. Philippson, Das südliche Jonien, Milet 3, 5 (Berlin 1936). 1123 A. Philippson, Der Peloponnes. Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage (Berlin 1891); A. Philippson, Reisen und Forschungen im westlichen Kleinasien 1–5, Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus J. Perthes’ Geographischer Anstalt, Ergänzungsheft 167. 172. 177. 180. 183. (Gotha 1910–1915); A. Philippson, Land und See der Griechen (Bonn 1947). Phi1115
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Pergamon und Troja gereist1124. Der Lyncker’schen Karte 1936 einen begleitenden Text des langjährigen Kollegen beizugeben und diese Publikation durchzusetzen, war demnach eine klare Absage an eine politische Einmischung in die wissenschaftliche Arbeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Carl Weickert als frisch ernannter Direktor der Antikensammlung im Februar 1937 offenbar noch nicht über das Erscheinen von Milet 3, 5 informiert war und ebenfalls daran dachte, das Heft in dieser Ausstattung zu veröffentlichen1125. Bezogen auf die Programmatik der Grabung, soweit sie sich aus der Dokumentation rekonstruieren ließ, waren also bis zu Wiegands Tod die wesentlichen Forschungsresultate vorgelegt worden (Vgl. vor diesem Hintergrund auch Anh. A.9.). Den breitesten Raum nahmen dabei die Rekonstruktionen der repräsentativen Gebäude ein, was mit dem Hauptziel der Grabung – einen Überblick über die Stadtzentren zu gewinnen – übereinstimmt. Die ergänzenden Themen der Stadtforschung – ihre Befestigung und ihr Straßensystem – fanden Eingang in ein eigenes Heft; die Wasserversorgung wurde nicht monographisch abgehandelt, sondern war schließlich nur durch die Vorlage der zugehörigen repräsentativen Bauten in den Publikationen vertreten, obwohl weitergehende Resultate erlangt worden waren. Die Veröffentlichung zum archaischen Milet stellt einen Sonderfall dar, der ausführlicher besprochen werden muß.
3.3.1.2. Milet 1, 8 Es ist davon auszugehen, dass eine ausgedehnte archaische Nekropole in Milet sicher auch als umfangreiche Einzelpublikation vorgelegt worden wäre1126, wenn man sie denn gefunden hätte. Für die verschiedenen Bereiche, an denen archaische Spuren gefunden worden waren, erschien 1925 eine Sammelpublikation, die eigentlich entlang der dokumentierten Befunde ohne großen Aufwand ein Gesamtergebnis hätte umreißen können, das auch die Grundlage für weitergehende Forschungen bilden konnte. Stattdessen legte Armin von Gerkan eine Publikation vor, bei der er erklärtermaßen1127 in einen Konflikt geriet, da er der im Gegenlippson führte auch im Jahr 1901 die Teilnehmer der jährlichen Inselrundreise des DAI Athen auf Mykonos, in den Ausgrabungen Otto Rubensohns auf Paros und auf Thera: F. Seiler, Institutsreisen, Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst 61/38, 1902, 650–658. 1124 Th. Wiegand, Reisen in Mysien, AM 24, 1904, 254–239. 1125 Anhang A.7. 1126 Dass die gut ergrabene hellenistisch-römische Nekropole nicht weiter behandelt wurde, mag damit zusammenhängen, dass der hierzu nötige beträchtliche Zeitaufwand keine größere Priorität hatte, weil schon in Priene und Ephesos zu Kleinfundthemen wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden konnten. 1127 A. von Gerkan, Zur Lage des archaischen Milet, in: Bericht über den VI. Internationalen Kongress für Archäologie, Berlin 21.– 26. August 1939 (Berlin 1940) 323–325 = E. Boehringer (Hrsg.), Von antiker Architektur und Topographie. Gesammelte Aufsätze von Armin von Gerkan (Stuttgart 1959) 286–288 Nr. 52 (vgl. dort auch den »Nachtrag«); A. von Gerkan an C. Weickert, 19.2.1958, DAI, NL Weickert, Kasten 7, Mappe »Korrespondenz Milet I«: »… NS. In beiden Miletbänden, Kalabaktepe und Stadtmauern, habe ich mit dem Text viel Plage gehabt,
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satz zu seinen Kollegen1128 der Ansicht war, dass das archaische Milet nicht unter der hellenistisch-römischen Ruine gelegen hätte. Erst durch die neueren Forschungen zum archaischen Milet seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts unter der Leitung von Volkmar von Graeve wurde diese Meinung von Gerkans abschließend widerlegt. Dabei zeigten sich erhebliche Abweichungen und Unstimmigkeiten zwischen den in Milet 1, 8 publizierten »Ergebnissen« und den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort, sowohl in Bezug auf die Befunde vom Kalabaktepe1129 als auch in der Frage der Datierung des Athenatempels1130. Vor diesem Hintergrund ist auch die zunehmend deutlicher formulierte Kritik von Graeves an von Gerkan zu verstehen1131. Daher verwundert es nicht, dass sich beim Abgleich der Grabungstagebücher mit der Publikation für die vorliegende Arbeit weitere Unstimmigkeiten zeigten: Schon in Milet 1, 8 selbst zeigt sich eine erstaunliche Inkongruenz: Auf der dortigen Beilage 1 ist der rekonstruierte Verlauf einer archaischen Straße eingetragen, die Erich Pernice in mehreren seiner Gräben festgestellt hatte. Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage, wie von Gerkan den Verlauf der Straße rekonstruieren konnte, obwohl ihm doch die Pläne der Pernice’schen Suchgräben nicht vorlagen1132. Sorgfältig dokumentiert wurde zur Ausgrabungszeit nur das am besten erhaltene Straßenstück in Graben V, das fotografiert1133 und zusätzlich in einem bemaßten Plan in Aufsicht und Schnitt veröffentlicht wurde1134. Nun weisen diese bemaßte Aufnahme des Straßenstückes in Graben V und seine Entsprechung auf weil ich es vermieden habe, die Entwicklung so darzulegen, als habe die archaische Stadt an gleicher Stelle gelegen, es aber auch nicht aussprechen durfte, dass es anders wäre. Mit Rücksicht auf Wiegand, dessen Aufgabe es gewesen wäre. Das hat mir manche Missverständnisse der Leser und ihre Vorwürfe eingetragen.« 1128 Vgl. etwa M. Schede an A. Rehm, 1.6.1921, NL Rehm: »An der von Gerkan angenommenen Neugründung des Delphinions im 4. Jhdt. Habe ich Zweifel, 1) wegen Milet III No 31 … Der Stein kann seinem Inhalt nach nicht woanders gestanden haben als im alten vorpersischen Delphinion, dem Hauptheiligtum und Archiv. Welch merkwürdiger Zufall, wenn gerade ein so großer Stein aus dem alten Delphinion ins neue verschleppt worden wäre! Sollten etwa die Milesier ihre steinernen Akten aus Saltranorhevma nach Neumilet mitgenommen haben, um sie dann in die Fundamente zu verbauen?« 1129 M. Kerschner, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1995, 214–220; M. Kerschner – R. Senff, Die Ostterrasse des Kalabaktepe, AA 1997, 120–122; M. Kerschner, Das Artemisheiligtum auf der Ostterrasse des Kalabaktepe in Milet. Stratigraphie und Keramikfunde der Sondagen des Jahres 1995, AA 1999, 7–51. 1130 W.-D. Niemeier, ›Die Zierde Ioniens‹. Ein archaischer Brunnen, der jüngere Athenatempel und Milet vor der Perserzerstörung, AA 1999, 373–413; B. F. Weber, Die Bauteile des Athenatempels in Milet, AA 1999, 415–438. 1131 V. von Graeve, Neue Ausgrabungen und Forschungen im archaischen Milet, NüBlA 14, 1997/98, 73–75; V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 242 f. 1132 Vgl. o. S. 117 m. Anm. 672. 1133 A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 42 Abb. 29. 1134 von Gerkan a. O. (Anm. 1133) 43 Abb. 30: »Querschnitt und Plan der archaischen Straße in Graben V.«
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Beilage 1 eine unterschiedliche Orientierung auf; richtet man den bemaßten Plan und die Beilage entlang ihrer Nordpfeile parallel aus (Taf. 5), so weist das im bemaßten Plan wiedergegebene Straßenstück eine Orientierung auf, die eher der Richtung des orthogonalen Systems im Süden der Stadt entsprach1135. Dieser Umstand überrascht angesichts des geophysikalischen Befundes in diesem Bereich der Stadt keineswegs, der dort die Fortsetzung des orthogonalen Straßensystems belegt1136. Nimmt man noch hinzu, dass von Gerkan im Einklang mit Pernices Tagebuchnotizen mitteilte, dass die Abmessungen der Straße – Trottoirs und Fahrbahn – so beschaffen waren, wie sie »auch bei den normalen Straßen der hellenistischen und römischen Stadt eingehalten«1137 wurden, so ist eine derartig abweichende Rekonstruktion nicht zu verstehen. Eine weitere Inkongruenz ergibt sich in Bezug auf das spätarchaische Amphorenlager‹, das Pernice 1908 östlich des Athenatempels freigelegt hatte; die hierfür relevanten Tagebucheintragungen sind in Anhang A.8 versammelt. Seit der Publikation1138 ist auf diesen ungewöhnlichen Befund mehrfach in der Literatur Bezug genommen worden1139, allerdings wird in Milet 1, 8 keinerlei Beleg für eine archaische Datierung des Amphorenlagers angegeben. Dies wäre deshalb wünschenswert, weil Pernice im Amphorenlager einen Amphorenstempel1140 und Dachziegel1141 unter den Amphoren gefunden hatte, die beide deutliche Anhaltspunkte für eine spätere Datierung des Befundes ergeben. Einmal benannte der Ausgräber den Befund als »Weinkeller«1142, und die späteren Eintragungen könnten auch so zu verstehen sein, dass Pernice in dem Lager einen Keller des von ihm als »Rusticabau« bezeichneten Fundamentes sah, die er dann abschließend beide in das 4. Jahrhundert datierte1143. Dieses Ergebnis würde ebenfalls dem Umstand entsprechen, dass Pernice an diesem Grabungsort 1909 gar nicht in ungestörte archaische Schichten gelangt war. Der Bearbeiter von Gerkan gab in seiner Beschreibung des Befundes an, dass die Mauern »nur nach innen eine halbwegs glat1135
Angesichts der zur Ausgrabungszeit verfügbaren Meßmethoden könnte die reale absolute Position der Suchgräben größere Abweichungen zum Plan aufweisen; ihr Lageverhältnis untereinander sollte aber – sorgfältige Messung vorausgesetzt – recht genau wiedergegeben sein. 1136 V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 257–259. Vgl. auch B. F. Weber, Der Stadtplan von Milet. Einhundert Jahre Stadtforschung, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, Panionion-Symposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 327–362. 1137 von Gerkan a. O. (Anm. 1133) 43. 1138 von Gerkan a. O. (Anm. 1133) 80 f. Abb. 45. 1139 C. Weickert, Typen der archaischen Architektur in Griechenland und Kleinasien (Augsburg 1929) 169; W. Schiering, Milet. Eine Erweiterung der Grabung östlich des Athenatempels, IstMitt 29, 1979, 90; F. Lang, Archaische Siedlungen in Griechenland. Struktur und Entwicklung (Berlin 1996) 202; F. Wascheck, Fikellura-Amphoren und -Amphoriskoi von Milet. Ein Gefäßlager am Kalabaktepe?, AA 2008/2, 69. 1140 E. Pernice, 7.10.1908, GrTb VI, 129. 1141 E. Pernice, 11.–18.10.1908, GrTb VI, 133 f. 1142 E. Pernice, 11.–18.10.1908, GrTb VI, 133 f. 1143 E. Pernice, 11.–18.10.1908, GrTb VI, 135.
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te Fassade«1144 zeigten, wie man es auch von einem Keller erwarten würde. Allerdings sah von Gerkan darin einen Beleg, dass man in spätarchaischer Zeit ein »Weinlager« dort dergestalt angelegt hätte, dass man die Amphoren zunächst »im offenen Hofraum« aufgestapelt, danach mit einer Trockenmauer umgeben und schließlich mit angeschütteter Erde »offenbar zum Schutze gegen die Hitze« bedeckt hätte – für ein Weinlager, dessen Inhalt sicher verwendet werden sollte, eine eher überraschende Konstruktionsweise. Im Zuge einer Nachuntersuchung deutete dann Wolfgang Schiering 1979 den Befund aufgrund verschiedener Indizien als Lager einer in der Nähe gelegenen Töpferei1145. Diese Interpretation zeigt anschaulich den großen normativen Einfluss, den von Gerkans Publikation auf die nachfolgenden Wissenschaftler hatte, denn obwohl es Schiering und Alfred Mallwitz1146 durch ihre Nachuntersuchungen gelungen war, die Datierung des älteren Tempelfundamentes richtigzustellen1147, bemühten sie sich in anderen Fragen darum, ihre Ergebnisse mit von Gerkans Publikation in Einklang zu bringen. So war das vermeintlich archaische Amphorenlager für Schiering ein weiteres Indiz für eine »lebhafte handwerkliche Tätigkeit des 6. Jahrhunderts gerade auch im Abschnitt östlich des alten Athenatempels«1148; die anderen Hinweise auf eine handwerkliche Tätigkeit stammten dabei aus Schierings eigener Grabung, aber diese Interpretation steht noch ganz im Sinne von Gerkans, der für die archaische Zeit im Gebiet des Athenatempels nur »Warenschuppen« eines Hafens gelten lassen wollte, wobei für diese Deutung als aussagekräftiges Argument eben jenes Amphorenlager herangezogen wurde1149. Im Vorwort von Milet 1, 8 äußerte sich von Gerkan eher abwertend über die ihm zur Verfügung stehende Dokumentation der Ausgräber, wobei im Nachhinein besonders unangenehm auffällt, dass er lediglich das Material seiner beiden Doktorväter, Fritz Krischen (Taf. 11a) und Erich Pernice, lobender erwähnte1150, während er für die Tagebücher folgende Worte fand: »… abgesehen davon, daß einzelne begrenzte Ausgrabungsplätze im späteren, umfassend ausgegrabenen Gebiet oft nicht mehr genau festzustellen sind, … spiegeln sich in den Blättern eines Tagebuches zu sehr die vorläufigen Vermutungen und Hoffnungen des Beobachters wider, so daß es einer übermenschlichen Sorgfalt bedurft hätte, um die Aufzeichnungen zu einer zuverlässigen Quelle zu gestalten«1151. 1144
von Gerkan a. O. (Anm. 1133) 80. W. Schiering, Milet. Eine Erweiterung der Grabung östlich des Athenatempels, IstMitt 29, 1979, 90 m. Anm. 52. 1146 K. Herrmann, Alfred Mallwitz. 1919–1986, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 325 f. 1147 A. Mallwitz – W. Schiering, Der alte Athena-Tempel von Milet, IstMitt 18, 1968, 87–160. Vgl. auch W.-D. Niemeier, ›Die Zierde Ioniens‹. Ein archaischer Brunnen, der jüngere Athenatempel und Milet vor der Perserzerstörung, AA 1999, 375 f. 1148 Schiering a. O. (Anm. 1145) 90. 1149 A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 81. 1150 von Gerkan a. O. (Anm. 1149) 2 f. 1151 von Gerkan a. O. (Anm. 1149) 2. Ebenfalls kritisch annotiert bei: B. F. Weber, Die Bauteile des Athenatempels in Milet, AA 1999, 417 Anm. 27. 1145
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Tatsächlich ist es möglich, aus den Tagebüchern ein differenziertes und akkurates Bild von der Vorkriegsgrabung zu gewinnen, wenn es auch dazu einiger Anstrengungen bedurfte. Die bislang bekannt gewordenen Unstimmigkeiten zwischen dem publizierten Ergebnis, der Dokumentation und den späteren Forschungen erwecken eher den Eindruck, als ob von Gerkan beim Thema des archaischen Milets nicht von den tatsächlich dokumentierten Befunden zu einer Theoriebildung gelangte, sondern umgekehrt mit einer vorgefassten Theorie die Befunde erklären wollte. Hinweise für diese zeitliche Abfolge von primärer Theoriebildung und erst anschließender Ausdeutung der Befunde finden sich auch in seinem Publikationsverhalten: Schon 1924, ein Jahr vor Milet 1, 8, war von Gerkans Dissertationsschrift zu Griechischen Städteanlagen erschienen1152, mit der er 1922 in Greifswald von Pernice zum Dr. phil. promoviert worden war. In dieser Dissertation, wie auch in einem Lexikonartikel zu Hippodamos1153, hatte er sich schon dahingehend festgelegt, dass das orthogonale Straßensystem in Milet erst 479 entstanden sein konnte, so dass es mit der historischen Nachricht über Hippodamos als Erfinder des nach ihm benannten städtebaulichen Systems in Einklang zu bringen war. In seiner Dissertationsschrift hatte von Gerkan den hohen methodischen Anspruch artikuliert, dass sie »unter strenger Vermeidung der bisher üblichen spekulativen Entwicklungstheorien das wirklich greifbare sachliche und historische Material« sichten »und zu einer Systematik der griechischen Stadtanlagen« verarbeiten sollte1154. Diese Systematik von Gerkans ging von einer dreischrittigen Entwicklung der Urbanistik von der ungeplant gewachsenen, über die geplante griechische, hin zur römischen Städteplanung aus, wobei er insbesondere den markanten Schritt zur geplanten griechischen Stadt unmittelbar mit Milet und Hippodamos verband1155, so dass die milesischen Resultate für seine Argumentation eine Schlüsselrolle einnahmen. Mit dieser Festlegung war eine Frühdatierung der beiden Tempelfundamente des Athenaheiligtums unvereinbar, da beide klar auf das orthogonale Straßenraster ausgerichtet waren, so dass von Gerkan bei der Abfassung von Milet 1, 8 in ein klassisches Dilemma geriet: Entweder gab er zu, dass er in seiner Arbeit zum Städtebau geirrt hatte, oder er musste die Erkenntnisse zum archaischen Milet in einer Weise ausdeuten, die seiner Festlegung nicht zuwiderlief. Aus diesem Dilemma könnte dann die wortreich und hartnäckig verteidigte Theorie der unterschiedlichen Ortslagen entstanden 1152
A. von Gerkan, Griechische Städteanlagen. Untersuchungen zur Entwicklung des Städtebaues im Altertum (Berlin 1924). H. Vollmer (Hrsg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 17 (Leipzig 1924) 124 f. s. v. Hippodamos (A. von Gerkan). 1154 von Gerkan a. O. (Anm. 1152) S. IX. Das Vorwort dieser Arbeit ist datiert auf »Juli 1922« (S. XIV). 1155 von Gerkan a. O. (Anm. 1152) 30: »In der Tat kennen wir gegenwärtig in Kleinasien eine Stadt, welche die folgerichtig regelmäßig durchgeführte Anlage schon beträchtlich früher aufweist, als die hippodamischen Schöpfungen, der Piraeus und Thurioi: es ist keine andere, als Hippodamos Vaterstadt Milet in der Gestalt, wie sie nach der Zerstörung durch die Perser im jonischen Freiheitskampf neu entstanden war.« 1153
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sein, die wenigstens mit den Fällen Magnesias und Prienes nicht ohne Beispiel war. Bei aller Kritik am Autor von Milet 1, 8 darf aber nicht darüber hinweggesehen werden, dass es in Wiegands Verantwortung als Grabungsleiter und Herausgeber lag, nicht nur von Gerkan daran zu hindern, seine Ortstheorie auszusprechen, sondern notfalls auch die Publikation insgesamt zu verhindern. Dass Milet 1, 8 schließlich in dieser Form veröffentlicht worden ist, war eine Fehlentscheidung mit langwierigen Konsequenzen, die der Wissenschaft schwer geschadet hat.
3.3.1.3. Sonstige Veröffentlichungen und publikationsstrategische Überlegungen Außerhalb der Vorberichte und der Grabungspublikation wurden einzelne herausragende Monumente auch in eigenen Zeitschriftenbeiträgen bekannt gemacht. So berichtete beispielsweise Reinhard Kekulé von Stradonitz im Rahmen der Akademie der Wissenschaften 1904 über eine im Jahr zuvor in Milet gefundene Reliefplatte mit der Darstellung des ›Kanachos-Apoll‹1156, und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff legte im selben Jahr die ebenfalls 1903 gefundene ›MolpenInschrift‹1157 vor1158. Darüber hinaus berichteten einige der teilnehmenden Stipendiaten zusammenfassend über die Arbeiten in Milet in Publikationsorganen, die an ein breiteres Publikum gerichtet waren1159. Neben dem gedruckten Wort ist aber auch die Bedeutung der Wissensvermittlung in Vorträgen, Reden usw. nicht zu unterschätzen. Gut lässt sich diese Form der wissenschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit an den regelmäßigen Sitzungen der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin nachvollziehen, an denen nicht nur Fachpublikum teilnahm, sondern oft auch ein Bildungspublikum, darunter finanzstarke oder einflussreiche archäologieinteressierte Personen. Durch die Veröffentlichung der Sitzungsberichte im Archäologischen Anzeiger war zudem gesichert, dass eine weitere Öffentlichkeit erreicht wurde: Die Sitzung der Gesellschaft am prominenten Datum des ›Win1156
R. Kekulé von Stradonitz, Über den Apoll des Kanachos, SBBerlin 23, 1904, 786–801. A. Herda, Der Apollon-Delphinios-Kult in Milet und die Neujahrsprozession nach Didyma. Ein neuer Kommentar der sog. Molpoi-Satzung (Milet I 3 Nr. 133), MilForsch 4 (Mainz 2006). 1158 U. von Wilamowitz-Moellendorff, Satzungen einer milesischen Sängergilde, SBBerlin 1904, 619–640. 1159 C. Watzinger, Die Ausgrabungen von Milet, Die Umschau. Übersicht über die Fortschritte und Bewegungen auf dem Gesamtgebiet der Wissenschaft, Technik, Litteratur und Kunst 12, 6. Jg., 15.3.1902, 223–227; C. Watzinger, Die Ausgrabungen von Milet, Die Umschau. Übersicht über die Fortschritte und Bewegungen auf dem Gesamtgebiet der Wissenschaft, Technik, Litteratur und Kunst 13, 6. Jg., 22.3.1902, 243–246; C. Fredrich, Milet, Velhagen und Klasings Monatshefte 17, 1902/1903, 449–465; A. von Salis, Die Ausgrabungen in Milet und Didyma, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 25, 1910, 103–132. Vgl. zu Letztgenanntem auch Kap. 3.4.3.3.: Über archaische Funde durfte von Salis nicht vor einer Publikation seitens der Berliner Museen berichten. 1157
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ckelmannsfestes‹ im Dezember 1897 wurde gleich in zweifacher Hinsicht für das ›Marketing‹ der Feldarchäologie genutzt1160, denn zunächst hielt Alexander Conze einen Vortrag, der nachdrücklich eine Wiederaufnahme der Pergamongrabung forderte1161, und gleich anschließend trug Hans Schrader in Vertretung Wiegands den ersten Bericht von den Grabungen in Priene vor. Auf diese Weise konnten die ›jungen‹ Ausgräber Wiegand und Schrader ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, aber auch für Conze mochte ein begeistert aufgenommener Bericht1162 von einer tatsächlich durchgeführten Stadtgrabung seinen Absichten nützlich sein. Zwei Jahre später hielt dann Wiegand selbst »mit Hülfe von Projektionsbildern« – wie extra vermerkt wird – einen Vortrag bei der Gesellschaft1163. 1901 begegnet diese mediale Unterstützung dann in einer etwas anderen Form: Wieder ist es das Winckelmannsfest am 9. Dezember und der Vortrag des Abends behandelte die Ausgrabungen in Haltern (Westfalen), allerdings waren die Räumlichkeiten mit zahlreichen »auf die Ausgrabungen in Milet« bezüglichen Blättern »in Originalzeichnung« geschmückt1164. Schließlich wurde anlässlich der Publikation des Rathauses (Milet 1, 2) noch eine andere Form der Bekanntmachung gewählt: Nachdem Wiegand in der März-Sitzung 19081165 einen einleitenden Überblick über »den Stand der Arbeiten« in Milet gegeben hatte, »sprach« der renommierte Bauforscher und Olympia-Veteran Richard Borrmann1166 ausführlich und »mit Abbildungen« über das Bouleuterion von Milet. Diese Strategie, von einem Dritten die Bedeutung und Wichtigkeit der Ergebnisse erklären zu lassen, hatte Borrmann schon einmal für Wiegand am selben Ort umgesetzt, als er das 1904 erschiene Werk Wiegands zur »Poros-Architektur«1167 der Athener Akropolis in der Januar-Sitzung ausführlich besprach1168. Unter den beim Winckelmannsfest 1901 präsentierten »Originalzeichnungen« befand sich auch eine »Rekonstruktion des römischen Prachtbrunnens (Septizonium)«1169. Mit dieser mißverständlichen Bezeichnung war das milesische Nymphäum gemeint, das im Jahre 1900 ausgegraben worden war und erst 1919 1160
Archäologische Gesellschaft zu Berlin 1897. Dezember. Winckelmannsfest, AA 1897, 170–187. A. Conze, Pro Pergamo. Vortrag gehalten in der Berliner Archäologischen Gesellschaft am 9. December 1897 (Berlin 1898). 1162 Watzinger 1944, 96. 1163 Sitzungsberichte der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin. 1899. Juni, AA 1899, 133. 1164 Archäologische Gesellschaft zu Berlin. 1901. Dezember. Winckelmannsfest, AA 1901, 220: »Übersichtskarte des neu erworbenen Geländes für die künftigen Grabungen, Plan des Stadtthors des heiligen Weges zum Apollontempel in Didyma, Rekonstruktion des Buleuterions von Milet, Rekonstruktion des römischen Prachtbrunnens (Septizonium), Rekonstruktion des dorischen Heroons zu Ta Marmara südlich von Milet; in lithographischem Farbendruck: fünf Probetafeln des … erscheinenden Werkes von Dr. Wiegand über die älteste Architektur der Akropolis zu Athen.« 1165 Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 3. März 1908, AA 1908, Sp. 499–502. 1166 K. Herrmann, Richard Borrmann. 1852–1931, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 108 f. 1167 Th. Wiegand (Hrsg.), Die archaische Poros-Architektur der Akropolis zu Athen (Kassel 1904). 1168 Archäologische Gesellschaft zu Berlin. 1904, Januar-Sitzung, AA 1904, 63 f. 1169 Vgl. Anm. 1164. 1161
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publiziert wurde (Milet 1, 5). Eine Begebenheit im Jahre 1903 zeigt dabei eindrucksvoll, wie strategisch Wiegand als Administrator wissenschaftlicher Projekte seine Ziele verfolgte: In einem Brief1170 vom 4. März 1903 an Knackfuß versicherte Wiegand, dass er auf jeden Fall rechtzeitig in Milet sein werde, damit Knackfuß seine »Reise nach Unteritalien beginnen« könne. Tatsächlich reiste der Architekt dann nach Italien, aber diese Reise hatte auch für Milet einen direkten Nutzen, denn dort sollte Knackfuß bei den beiden Sekretären der Römischen Abteilung des DAI, Eugen Petersen1171 und Christian Hülsen1172, »Stimmung« für eine Ausgrabung des Septizoniums1173 des Septimius Severus machen, einer monumentalen römischen Brunnenanlage, die im 16. Jahrhundert abgerissen worden war. Lage und Aussehen des Gebäudes waren zu diesem Zeitpunkt nur aus einem Fragment der »Forma Urbis Romae«1174, einem Stadtplan Roms aus Marmor, der unter Septimius Severus im Templum Pacis angebracht worden war, bekannt. Hülsen hatte schon 1886 eine Publikation zu diesem Bauwerk vorgelegt1175, so dass bei ihm vielleicht ein Interesse an einer Ausgrabung gegeben war. Im Juni hoffte Wiegand dann, dass schon »der Spaten in Aktion getreten« wäre, denn eine Ausgrabung dieses Monumentes käme ihm »ausserordentlich zu statten«1176. Allerdings war im August schon die Hoffnung auf eine Ausgrabung dieser Brunnenanlage aufgrund von Grundstücksfragen zunichte gemacht, und Wiegand fand es recht »ärgerlich«, dass auch Alexander Conze ihm mitgeteilt habe, eine Ausgrabung dort wäre »ausichtslos geworden«1177. Ein Vergleich des Nymphäums in Milet mit einer stadtrömischen Brunnenanlage hätte zum einen das milesische Ergebnis aufwerten können und zum anderen die Kenntnisse zu römischen Brunnenanlagen insgesamt erweitern können1178. Im dritten Vorbericht1179 wies Wiegand dann 1904 darauf hin, dass die römischen Nymphäen »neuerdings«, u. a. durch die Entdeckungen in Baalbek1180, die Auf1170
Th. Wiegand an H. Knackfuß, 4.3.1903, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. H.Blanck, Eugen Petersen. 1836–1919, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988). 1172 H.-G. Kolbe, Christian Hülsen. 1858–1935, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 126 f. 1173 RE II A 2 (1923) 1578–1586 s. v. Septizonium (Th. Dombart); DNP XI (2001) 437 s. v. Septizodium (C. Höcker). 1174 DNP IV (1998) 590 s. v. Forma Urbis Romae (K. Brodersen). 1175 Ch. Hülsen, Das Septizonium des Septimius Severus, BWPr 46 (Berlin 1886). 1176 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 22.6.1903, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1177 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 2.8.1903, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1178 Noch in H. von Hesberg, Römische Baukunst (München 2005) 184 Abb. 152 sind Septizonium und das milesische Nymphäum nebeneinander zur Illustration römischer Nymphäen abgebildet. 1179 Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1904, 1. 1180 O. Puchstein – D. Krencker – B. Schulz – H. Kohl, Zweiter Jahresbericht über die Ausgrabungen in Baalbek, JdI 17, 1902, 121: »Zum Schluß verdient von den syrischen Profanbauten noch eine Gebäudegattung, die Nymphaeen, besonders genannt und auch etwas ausführlicher charakterisiert zu werden. Man kennt diese echt römischen Dekorations- und Luxusbauten monumentaler Art … durch einige, freilich immer nur schlecht erhaltene Beispiele aus Rom, aus Griechenland und Kleinasien«. 1171
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merksamkeit auf sich gezogen hätten. Die gleichzeitige Bekanntmachung eines Fragmentes der Bauinschrift mit Nennung des divus Vespasianus unterstrich dabei die wissenschaftliche Relevanz der in Milet freigelegten Brunnenanlage, da sie durch die eindeutige Datierung »zeitlich an die Spitze der bisher bekannt gewordenen Nymphäen« rücke1181. Eine frühzeitigere Publikation des Nymphäums hätte also einen großen wissenschaftlichen Erfolg der Grabung dargestellt, der dann allerdings erst nach dem Ersten Weltkrieg vorgelegt werden konnte. Das Jahr 1904 war im Hinblick auf Grabungspublikationen auffällig. Für dieses Jahr verzeichnet die Milet-Bibliographie insgesamt sechs Beiträge, zwei Vorberichte Wiegands1182 und vier epigraphische Beiträge1183, zu denen noch der oben angeführte Beitrag Kekulés hinzukommt, während in den Vorjahren die Zahl der Publikationen niedriger lag. Aber auch im weiteren Umfeld der Miletgrabung war dieses Jahr in Bezug auf Publikationen ungewöhnlich ertragreich: In Kap. 2.3.4. wurde schon darauf hingewiesen, dass Alexander Conze den Umstand besonders herausstellte, dass 1904 die Priene- und Magnesiapublikation und der dritte Band zu Thera erschienen1184, und in Wiegands sonstigem Publikationsverhalten ist dieses Jahr ebenfalls außergewöhnlich (s. Anhang D): Zu den genannten Publikationen, an denen Wiegand beteiligt war, treten mit der Herausgabe der »Poros-Architektur«1185 noch ein weiteres umfangreiches Werk und drei weitere Beiträge hinzu1186, so dass er für dieses Jahr auf eine Gesamtzahl von sieben Veröffentlichungen kam. Bezüglich der Priene-Publikation zeigt ein Brief Wiegands an Hubert Knackfuß vom 9. Juli 19041187, dass in diesem Jahr offenbar tatsächlich eine gewisse Dringlichkeit vorhanden war: Das Prienewerk stokt [sic!] wieder fatal, infolge des Zahnschen Mikrokosmos. Ich hätte grösste Lust vorzuschlagen, dass die Prieneschen Scherben nun auch noch auf Infusorien und Bazillen mikroskopisch untersucht, publiziert werden.
Diese gesteigerte Publikationstätigkeit 1904 könnte mit zwei Ereignissen zusammenhängen: Zum einen sollte im April 1905 der erste Internationale Kongress 1181
Wiegand a. O. (Anm. 1179) 1 Abb. 1. Die Rekonstruktion und Datierung des Nymphäums ist bis heute umstritten. 1182 Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1904, 72–91; Th. Wiegand, Dritter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1904, 2–10. 1183 H. Dessau, Zu den Milesischen Kalenderfragmenten, SBBerlin 1904, 266–268; H. Diels – A. Rehm, Parapegmenfragmente aus Milet, SBBerlin 1904, 92–111; A. Rehm, Weiteres zu den milesischen Parapegmen, SBBerlin 1904, 752–759; U. von Wilamowitz-Moellendorff, Satzungen einer milesischen Sängergilde, SBBerlin 1904, 619–640. 1184 A. Conze, Thera, Magnesia, Priene, AA 1904, 207. 1185 Th. Wiegand (Hrsg.), Die archaische Poros-Architektur der Akropolis zu Athen (Kassel 1904). 1186 Th. Wiegand – U. von Wilamowitz-Moellendorf: Ein Gesetz von Samos über die Beschaffung von Brotkorn aus öffentlichen Mitteln, SBBerlin 1904, 917–931; Th. Wiegand, Reisen in Mysien, AM 24, 1904, 254–339; Th.Wiegand, Le temple étrusque d’après Vitruve (München 1904) (Sonderabdruck aus: P. Arndt (Hrsg.), Glyptothèque Ny-Carlsberg. Les monuments antiques. Texte (München 1912)). 1187 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 9.7.1904, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500.
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der Archäologie stattfinden1188, so dass die einzelnen Akteure der Feldarchäologie, aber sicher auch ihr deutscher Teil als Ganzes vielleicht bis zu diesem Zeitpunkt möglichst eindrucksvolle Leistungen vorweisen wollten, um im friedlichen »Wettkampfe«1189 zur Förderung der »gemeinsamen Wissenschaft« mit den Archäologen anderer Nationen punkten zu können. Für Milet und den Grabungsleiter selbst waren diese in Form von Büchern und Sonderdrucken vorzeigbaren Ergebnisse sicher auch deshalb relevant, weil Wiegand für den Oktober 1904 eine exklusive Bildungskreuzfahrt organisiert hatte – die ›Schleswig-Fahrt‹: An dieser Rundreise zu Ausgrabungsstätten an der Ägäis nahmen finanzstarke Vertreter der deutschen Eliten teil, und sie erbrachte schließlich eine Spendensumme in Höhe von 44.000 Mark für die Projekte Wiegands, die er für die Vorbereitungen der Didyma-Grabung verwendete1190. Das private Fotoalbum Knackfuß’ enthält sechs Fotos mit Eindrücken vom Besuch dieser Reisegesellschaft in Milet. Vier dieser Fotos zeigen einen für den Anlass dieses Besuches veranstalteten Ringkampf sowie die deutschen Betrachter des Spektakels (Taf. 21a) und zwei weitere fangen die Reaktion der örtlichen Bevölkerung ein (Taf. 21b)1191. Wenn Wiegand bei dieser Gelegenheit seine eigene wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und die der Berliner Museen den bei der Bildungskreuzfahrt versammelten potentiellen Geldgebern durch die Präsentation oder Übergabe von Publikationen anschaulich machen konnte, war dies seinen Absichten sicherlich förderlich. In der Abfolge der Publikationen hatte sich gezeigt, dass die Hefte mit den bedeutendsten wissenschaftlichen Ergebnissen zuerst vorgelegt wurden und dass darunter mit dem Latmos-Heft (Milet 3, 1) auch ein Werk war, das direkt auf eine Intervention des Kaisers zurückging. Daher können abschließend diese Überlegungen zur Verwendung wissenschaftlicher Publikationen bei der Einwerbung von Mitteln um ein weiteres Detail ergänzt werden: Vom deutschen Kaiser Wilhelm II. – der ab 1911 selbst auch auf Korfu eine Ausgrabung »leitete«1192 – ist überliefert, dass er sich nicht nur lebhaft für die Archäologie interessierte, sondern offenbar auch gerne mit Gästen bei Hof archäologische Publikationen studier-
1188
re
Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905). 1189 re Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905) 101 (Wilhelm Dörpfelds Eröffnungsrede). 1190 S. Wenk, Geheimrat Dr. Theodor Wiegand und die Deutsche Bank. Notizen zum Verhältnis von Klassischer Archäologie und Imperialismus an der Wende zum 20. Jahrhundert, Hephaistos 7/8, 1985/1986, 179–190. bes. 181. 1191 G. Kawerau, 16.10.1904, GrTB IV, 57: »Heute der große Besuch von der »Schleswig«. Führung durch Milet und Erklärung der Ruinen. Frühstück im Hauptsaal der großen Thermen. Ringkämpfe im Theater und allgemeine Zufriedenheit mit dem Erfolg dieser Besuchsreise.« 1192 Wilhelm II., Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878–1918 (Leipzig 1922) 168–171; Wilhelm II., Erinnerungen an Korfu (Berlin 1924); Vgl. auch Watzinger 1944, 263–268 und den Augenzeugen G. Karo, Fünfzig Jahre aus dem Leben eines Archäologen (Baden-Baden 1959) 83– 90.
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te1193. Wiegand, der wiederholt persönlich auf den Kaiser traf1194, kalkulierte diesen Umstand sicher in seine Pläne ein. Für die Publikationstätigkeit insgesamt ist also auch eine Bedingtheit durch nicht unmittelbar wissenschaftliche Sachverhalte und Überlegungen festzustellen. Die »Ergebnisse« mussten so zeitnah wie möglich veröffentlicht werden, wobei sie sowohl in wissenschaftlicher als auch in Hinsicht auf potentielle Geldgeber wirksam sein mussten. Dabei hatte der Herausgeber eine Form gewählt, die einen sachgerechten Kompromiss zwischen diesen beiden Polen erreichte: Mit der gemeinsamen Vorlage der Bautypen, der zugehörigen Inschriften und ggf. den gefundenen Skulpturen, konnten Beiträge zu wissenschaftlichen Diskursen geliefert werden, die ihrerseits wiederum durch ihre Anschaulichkeit auch Laien ansprechen mochten. Spezialfragen wie der Wasserbau gerieten durch diese Form zwar etwas aus dem Blickfeld, aber vor Ort hatten die Ausgräber – quasi im Verborgenen – durch eine sorgfältige Dokumentation sowie eine Sicherung der Funde und Befunde auch dafür Sorge getragen, dass derartige Fragen grundsätzlich bearbeitet und weiter vertieft werden konnten.
3.3.2. Verbleib der Funde Das Schicksal der am Ort verbliebenen Funde konnte schon rekonstruiert werden1195. Darüber hinaus gelangten Funde aus den Ausgrabungen nach Berlin und Konstantinopel. Mit Gründung des Museums von Smyrna 1927 wurden auch dorthin Objekte überführt1196. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Fundteilungen, in deren Folge antike Objekte nach Deutschland gelangten, eingehender thematisiert werden. Anschließend folgt ein Blick auf ihre Präsentation in Berlin.
1193
W. Kinzig, Der Kaiser und der »Evangelist des Rassismus«. Houston Stewart Chamberlains Brief an Anne Guthrie über seine erste Begegnung mit Wilhelm II., Zeitschrift für neuere Theologiegrschichte 11, 2004, 100: »Then he called for a large album of photographs of Syria and of all the region leading from the coast to Bagdad, explaining each one to me, and adding all sorts of information and anecdotes. The book was laid on the billard [sic] table; he and I bent over, and the others stood about.« Bei dem Buch handelt es sich um M. von Oppenheim, Vom Mittelmeer zum Persischen Golf durch den Hauran, die Syrische Wüste und Mesopotamien 1-2 (Berlin 1899–1900). Dieser Hinweis wird Axel Heimsoth, Essen, verdankt. Vgl. auch A. Heimsoth, Die Bagdadbahn und die Archäologie. Wirtschaftliche und wissenschaftliche Planungen im Osmanischen Reich, in: in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 364–365. 1194 Watzinger 1944, 84–86. 90. 147. 158 f. 241. 249. 254 f. 261. 263–268. 347. 425 f. 441. 1195 I. A. Panteleon, Funde aus Milet XVI. Zum Schicksal der am Ort verbliebenen Funde der Wiegandschen Grabung nach 1914, AA 2005, 27–39. 1196 G. Kleiner, Die Ruinen von Milet (1968) 114.
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3.3.2.1. Fundteilungen Aus der Gesamtmenge der vor Ort aufgefundenen Antiken wurde eine Anzahl an Objekten vom Ausgrabungsort entfernt. Die Auswahl erfolgte durch persönliche Verhandlungen zwischen Osman Hamdi Bey und dem auswärtigen deutschen Direktor – im Falle Milets Theodor Wiegand1197. Auf der Grundlage des von den beiden erzielten Ergebnisses konnten Funde nach Deutschland ausgeführt werden, wobei für die eigentliche Ausfuhr noch ein Erlass des Sultans notwendig war1198. Für Milet sind drei derartige Fundteilungen im Dezember 1903, Oktober 1904 und im Frühjahr 1908 belegt, wobei die Fundteilung 1904 wohl nur stattfand, weil die ›Schleswig-Fahrt‹, die von Milet aus nach Konstantinopel führte, eine günstige Transportmöglichkeit bot, und eher von geringem Umfang war1199. Diese Teilungen hatten einen langen administrativen Vorlauf: Am 9. November 1903 »wurde die Kaiserliche Iradè zur Ausfuhr der miles[ischen]. Funde erteilt«1200. Daraufhin wurde in Milet mit dem Abtransport der Kisten begonnen. Aber die Verhandlungen zwischen Wiegand und Hamdi Bey hatten schon Ende April / Anfang Mai des Jahres in Konstantinopel stattgefunden, wobei Wiegand »gemäß den Wünschen« Reinhard Kekulés mit Hamdi Bey verhandelt hatte1201. Dabei sind die konkreten Teilungsmodalitäten in den zur Verfügung stehenden Archivalien nicht verzeichnet; allerdings lässt sich das Ergebnis beurteilen. Bezüglich der zwei großen Fundteilungen 1903 und 1908 existieren Verzeichnisse im Archiv der Berliner Antikensammlung1202, die den Inhalt der Transportkisten auflisten (Taf. 22a). In der Liste von 1903 sind die Kisten ihrem Bestimmungsort nach gekennzeichnet, so dass ein quantitativer Vergleich zwischen den nach Berlin und nach Konstantinopel verbrachten Objekten möglich ist. Von den 165 Kisten waren lediglich 33 für Konstantinopel bestimmt, eine einzige Kiste, Nr. 165 »Löwenvorderteil«, sollte nach Smyrna1203 gehen. Gliedert man die Liste inhaltlich nach Objekttypen, ergibt sich folgendes Bild:
1197
Th. Wiegand an Herr Geheimrat [R. Kekulé], 28.2.1903, Milet. Acta I, SMB/AS, Mil1: »Von Hamdi bey habe ich einen langen Brief erhalten, in dem er mir vorschlägt, die Funde jetzt in Kisten zu verpacken und nach der Beendigung der Ausgrabung in Constantinopel eine endgültige Besprechung eintreten zu lassen.« 1198 Th. Wiegand an J. H. von Bernstorff, 6.5.1918, zit. bei S. Wenk, Theodor Wiegand – Chronik, in: Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 13. 1199 G. Kawerau, 13.10.1904, GrTb IV, 56: »Der Kistentransport ist beendet. Da von Constant[inopel], noch keine Anweisung für den Commissar eingetroffen ist, die Kisten herauszulassen, wird an Hamdy-Bei und Naily-Bei telegraphiert.« Am 16. Oktober traf dann die ›Schleswig-Fahrt‹ ein. 1200 Th. Wiegand, 9.11.1903, GrTb III, 37. 1201 Th. Wiegand an Herr Geheimrat [R. Kekulé], 9.5.1903, Milet. Acta I, SMB/AS, Mil1. 1202 Die Kistenliste für 1903 ist Bestandteil der Akte Mil2, diejenige für 1908 trägt die Signatur Mil193. SMB/AS. 1203 Es wird nicht klar, warum und an wen dieses Objekt in Smyrna geliefert werden sollte.
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Objekttyp Plastik Figürliche Reliefs Inschriften Architekton. Fragmente Sonstiges Gesamt
Berlin 11 4 28 86 2 131
Konstantinopel / Smyrna 11 17 0 6 0 34
Es zeigt sich, dass die Hauptmasse der der deutsche Seite übergebenen Objekte zum überwiegenden Teil aus architektonischen Fragmenten und Inschriftträgern bestand. Der größte Teil davon, 88 Kisten, waren Bauteile des Bouleuterions und die Fragmente der ›Eumenesbasis‹1204. Die Rundplastik wurde nach der Kistenanzahl gleich verteilt, wobei sich unter den je 11 Kisten jeweils vier mit archaischen Skulpturen befanden, und von figürlichen Reliefs erhielt Konstantinopel deutlich mehr, da ein umfangreicheres Waffenrelief fast vollständig dorthin ging. Wiegands Bericht über die Ergebnisse der Teilungsverhandlungen mit Hamdi Bey vom 9. Mai 1903 an Kekulé1205 enthält folgende Passage, die auf die Aufteilung der archaischen Skulpturen Bezug nimmt: Also ihrem [nachträglich eingefügt: und nicht minder meinem] Wunsche, nach so vielen Opfern möglichst gut zu teilen, glaube ich Rechnung getragen zu haben. Wenn die Action so ausgeht, wie sie jetzt im Gange ist – und daran möchte ich nicht zweifeln, obwohl ich diesen Vorbehalt mache – so erhalten wir für Berlin in der That die bemerkenswertesten der bisher gemachten Funde … Im übrigen also von den von uns gefundenen Dingen, erhalten wir die drei besten archaischen Figuren, nämlich zwei sitzende und die stehende mit Taube, von deren näherer Beschaffenheit Hamdi keine Ahnung hat …
Laut Liste erhielten sowohl Berlin als auch Konstantinopel jeweils drei archaische Sitzfiguren und ein zusätzliches archaisches Kunstwerk: Berlin die genannte Kore mit Taube1206 und Konstantinopel einen archaischen Stier1207. Auch wenn Hamdi Bey tatsächlich »keine Ahnung« von der Beschaffenheit der Mädchenfigur gehabt hätte, erhielt das Konstantinopler Museum mit dem archaischen Tierbild ebenfalls ein äußerst seltenes und in kunstgeschichtlicher Hinsicht extrem wertvolles Ausstellungsstück, das der Mädchenfigur an musealer Bedeutung durchaus gleich 1204
A. Rehm – P. Herrmann, Inschriften von Milet. A. Inschriften n. 187–406 (Nachdruck aus den Bänden I 5–II 3. B. Nachträge und Übersetzungen zu den Inschriften n. 1–406, Milet 6, 1 (Berlin 1997) 91–98 Abb. 129. 1205 s. o. Anm. 1197. Vgl. auch J. Cobet, Theodor Wiegand – Das Osmanische Reich und die Berliner Museen, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 349 m. Anm. 6 für ein Zitat ähnlichen Inhalts aus einem Brief Wiegand an einen nicht namentlich genannten Freund. 1206 C. Blümel, Die archaisch griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin (Berlin 1963) 52 Nr. 49. 1207 G. Mendel, Catalogue des sculptures greques, romaines et byzantines 3 (Konstantinopel 1914) 373 Nr. 1359.
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kommt. Daher erscheint, entgegen Wiegands Rhetorik, die erfolgte Aufteilung der archaischen Skulpturenfunde als ein Verhandlungsergebnis durchaus gerecht. Die Dominanz der architektonischen Fragmente ist für die zweite Fundteilung 1907/08 aufgrund der Überführung der Bauteile des Markttores nach Berlin unmittelbar einsichtig. Die Vorbereitungen für den Abtransport begannen im September 19071208 und erst am 22. Mai 1908 waren alle Kisten eingeschifft1209. Suzanne L. Marchand1210 zitiert unter Bezugnahme auf Silke Wenk1211 einen Eintrag aus Wiegands persönlichem Tagebuch, wonach der Transport in insgesamt 533 Kisten vonstatten ging. Davon sollen lediglich 33 für Konstantinopel bestimmt gewesen sein. Durch diese isolierte Quelle entsteht der Eindruck eines krassen Missverhältnisses in der Verteilung. Die Kistenliste dieser Fundteilung 1908 ist betitelt1212: »Verzeichnis der Kisten mit Ausnahme derjenigen des Markttores« und umfasst 62 Positionen. Anders als die Liste von 1903 enthält diese Liste keine expliziten Zuweisungen an Bestimmungsorte. Allerdings sind die Kisten nicht einfach nummeriert, sondern die Nummern zusätzlich mit einem »R« oder »S« versehen. Die Anzahl der Kisten mit einem zusätzlichen »S« beläuft sich auf 33. Eine Überprüfung der Inhaltsangaben zeigt, dass sich in den Kisten mit zusätzlichem »S« Objekte befanden, die sicher nach Konstantinopel gelangten, z. B. die Musengruppe aus den Faustinathermen1213. Entsprechendes gilt für die mit »R« bezeichneten Kisten. Die typologische Gliederung dieser Liste zeigt folgende Verteilung der 62 Kisten: Objekttyp Plastik Inschriften Architektonische Bauteile Sonstiges Gesamt
Berlin (R) 8 12 7 2 29
Konstantinopel (S) 14 7 11 1 33
Rechnet man also bei diesen beiden Fundteilungen die architektonischen Bauteile heraus, so entsteht ein recht ausgeglichenes Verteilungsbild zwischen dem Berliner und dem Konstantinopler Museum bezüglich der Objekte, die nach allgemeinem Verständnis als Ausstellungstücke für ein Museum hauptsächlich geeig1208
G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 101. 1209 Wiegand a. O. (Anm. 1208) 102. 1210 S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany. 1750–1970 (Princeton 1996) 215 f. 1211 S. Wenk, Theodor Wiegand – Chronik, in: Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 10. 1212 SMB/AS, Mil193. 1213 Der Apoll, Typ Kyrene, aus der Gruppe trägt die Nr. 33 der Kistenliste. Die Skulptur ist beschrieben in C. Schneider, Die Musengruppe von Milet, MilForsch 1 (Mainz 1999) 11 Taf. 15– 17.
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net waren, wobei die Unterschiede vielleicht das jeweils etwas anders gelagerte Sammlungsinteresse der beiden Museen widerspiegeln. Demzufolge wäre in Bezug auf die beiden Fundteilungen hauptsächlich der Überhang an Architekturteilen für Berlin zu klären. Dieser könnte darauf zurückzuführen sein, dass Fragmente von Architektur für die türkische Seite, abgesehen von einzelnen charakteristischen Proben, nicht geeignet für eine Präsentation im Museum in Konstantiopel erschienen und der weitaus größte Teil dieser Objekte sowieso an Ort und Stelle im Land verblieb. Für den auswärtigen Direktor andererseits könnte der Wert von Architekturteilen auch darin gelegen haben, dass sich mit diesen die absolute Anzahl der nach Deutschland zu verbringenden Objekte massiv erhöhen ließ, wodurch er bei seinen Vorgesetzten den Eindruck eines »guten Geschäftes« für die Museen erwecken konnte. Der Fall des Markttores liegt scheinbar etwas anders, da vermeintlich ein komplettes Bauwerk abtransportiert wurde. In dem oben angeführten Tagebucheintrag1214 bemerkt Wiegand, dass die Ausfuhr gelang, ohne dass den »türkischen Behörden« bekannt wurde, dass sie ein ganzes Monument überlassen hätten. Dabei stellt sich die Frage, welche »Behörden« Wiegand meint. Denn es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass es dem Vertreter Hamdi Beys vor Ort während des monatelang andauernden Abtransportes nicht aufgefallen wäre, dass dort ein großes Monument komplett verpackt und abtransportiert wurde, wobei auch Marchand davon ausgeht, dass der Abtransport des Markttores mit Billigung Hamdi Beys geschah1215. Daher ist eher anzunehmen, dass Wiegand mit den »Behörden« Verwaltungsebenen oberhalb Hamdi Beys und des Museums gemeint haben könnte. Auch fällt schon bei der ersten Fundteilung dieser Überhang an Bauteilen ins Auge, wobei für 1903 an keiner Stelle die Rede davon ist, dass dieses Mehr der türkischen Seite nicht bekannt gewesen sein sollte. Das Markttor wurde zudem vor Ort nicht etwa abgebaut, sondern die Bauteile lagen als Sturzfeld vor dem eigentlichen Fundament. Dieser Befund traf in vergleichbarer Weise auch auf zwei weitere repräsentative Fassadenbauten in Milet zu: die römische Skene des Theaters und der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Markttor gelegene »Prachtbrunnen«, dem ›Nymphäum‹ mit reicher Skulpturenausstattung, die beide ebenfalls gute, wenn nicht sogar eindrucksvollere Museumsstücke als das Markttor ergeben hätten, dessen Ausführung qualitativ eher minderwertig war1216. Zudem gelangte auch nicht das gesamte Markttor nach Deutschland, der noch in situ befindliche Unterbau des Tores wurde – im Einklang mit den osmanischen Gesetzen zum Kulturgüterschutz – nicht angetastet
1214
s. o. Anm. 1211. S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany. 1750–1970 (Princeton 1996) 216. 1216 M. Pfanner – J. Pfanner – A. Fendt – S. Langer, Das Markttor von Milet. Die Sanierung der römischen Prachtfassade im Pergamonmuseum, JbPreussKul 40, 2003 (2004), 190–195. 1215
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und blieb vor Ort1217. Man könnte also annehmen, dass im Fall des Markttores die verhandelnden Direktoren lediglich den vorgegebenen gesetzlichen Rahmen etwas großzügiger auslegten1218 und dass die türkische Seite mit den beiden anderen genannten Fassadenbauten die interessanteren Objekte im Land behielt, während Wiegand sich mit einem quantitativ größeren, aber qualitativ weniger bedeutenden Werk für Berlin begnügte. Beide Fundteilungen erfolgten also in der vorliegenden Form wahrscheinlich einvernehmlich auf der Grundlage von persönlichen Verhandlungen zwischen dem Direktor der osmanischen Museen und dem auswärtigen Direktor des Berliner Museums, ohne dass es dabei zu Übervorteilungen kam. Der osmanische Direktor entschied dabei primär im Interesse seines Hauses, dessen Reputation als international anerkannte Antikensammlung ihm ein Herzensanliegen war. Der auswärtige Direktor hatte die Interessen seines Arbeitgebers zu vertreten, und dabei war es vorteilhaft für ihn, das nach Hause berichtete Ergebnis so positiv wie möglich zu formulieren. Dazu passt auch die unübersichtliche Gestaltung der beiden Kistenlisten, in denen die Objekte nicht nach dem Bestimmungsort sortiert waren, so dass eine objektive Einschätzung der Fundverteilung nicht ohne weiteres möglich war. Dieser Sachverhalt erinnert deutlich an Johannes Boehlaus Verhalten 1894 gegenüber seinem privaten Geldgeber (s. o. Kap. 2.1.3.) Im Herbst 1927 kam es zu einer letzten Teilung von Funden aus Milet und Didyma. Carl Watzinger schrieb in seiner Wiegand-Biographie, dass dieser am 11. August 1927 »aus Ankara die Nachricht« erhielt, »daß der türkische Ministerrat beschlossen habe, ihm persönlich zum Andenken an die Ausgrabungen von Milet und Didyma eine größere Anzahl der dortigen Fundstücke zu überlassen«1219. Die schließlich nach Berlin gelangten 32 Kisten »übergab« Wiegand dem Pergamonmuseum. Die näheren Umstände dieser Teilung sind durch mehrere Briefe Martin Schedes an Hubert Knackfuß dokumentiert, in denen Schede den Architekten über den Fortgang der Angelegenheit auf dem Laufenden hielt und technische Rückfragen stellte. Neben Funden aus Didyma drehte sich die Teilung auch um einige wenige Objekte, die noch im Grabungshaus von Akköy lagerten; im Wesentlichen eine Reliefplatte mit einer Apollondarstellung, die schon 1904 publiziert worden war1220, und eine Anzahl der 1908 in Myus1221 ausgegrabe1217
M. Pfanner – J. Pfanner – A. Fendt – S. Langer – L. Reichenbach – M. Maischberger, Forschungen im Sumpf. Neue Untersuchungen zum Markttor und zur Agora in Milet, AW 36/2, 2005, 82 f. 1218 Dass Osman Hamdi Bey in Verhandlungen mit ausländischen Archäologen Verhandlungspielräume an der Grenze des gesetzlichen Rahmens gelten ließ, wenn es seinen Interessen diente, zeigt Edhem Eldem am Beispiel französischer Archäologen auf: E. Eldem, An Ottoman Archaeologist caught between two worlds: Osman Hamdi Bey (1842–1910) in: D. Shankland (Hrsg.), Archaeology, Anthropology and Heritage in the Balkans and Anatolia. The life and times of F. W. Hasluck, 1878–1920 (Istanbul 2004) 140–147. 1219 Watzinger 1944, 395. 1220 R. Kekulé von Stradonitz, Über den Apoll des Kanachos, SBBerlin 23, 1904, 786–801. 1221 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 116–119.
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nen Antiken. Aus dem ersten Brief1222 dieser Reihe vom 25. Oktober geht hervor, dass Schede, Theodor Macridy und Aziz Ogan Bey1223 die konkrete Aufteilung der Funde vor Ort vornahmen und entschieden, welche Objekte »nach Berlin bzw. nach Smyrna« gehen sollen. Die endgültige Aufteilung stand noch nicht fest, denn zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes hoffte Schede noch, dass er »die Myusbruchstücke und den Kanachos-Apoll aus Akköy« bekommen kann. Im nächsten Brief vom 4. Dezember war die Frage dieser Funde aus Akköy immer noch »unsicher«, aber Aziz Bey, dessen Loyalität er sich sicher sei, wäre sehr »zuversichtlich«1224. Am 26. Dezember berichtete Schede schließlich, dass aus Ankara die Entscheidung eingetroffen sei, dass den Deutschen »die verlangten Sachen aus Akköy« zugesprochen worden waren1225. Auch in diesem Fall, der unter gänzlich anderen politischen Rahmenbedingungen stattfand, ist eine enge und vertrauensvolle Kooperation zwischen dem türkischen und dem deutschen Museumsvertreter festzustellen. Sie standen als solche höchstens in einem Konkurrenzverhältnis um die Funde, die in die jeweiligen Museen verbracht werden sollten, und Aziz Bey, zu dieser Zeit der Verantwortliche für die Altertümer der Provinz Smyrna, schien Schede sogar bei seinen Bemühungen um die Funde in Akköy unterstützt zu haben. Die verkürzte Darstellung dieser Episode bei Watzinger spart aus, dass es sich bei dieser Angelegenheit faktisch um eine Teilung von Funden zwischen den Museen in Berlin und in Smyrna handelte. Mit einer an Wiegand persönlich gerichteten Schenkung war für diese Fundteilung eine legale Form gefunden worden, die es der deutschen Seite erlaubte, ihre Interessen zu wahren, denn das Museum wollte sicher noch Funde aus der Ausgrabung in Didyma erlangen, die bei der zweiten Fundteilung 1908 offenbar noch nicht Gegenstand der Verhandlungen waren. Es ist davon auszugehen, dass die weitere politische Entwicklung und besonders der Beginn des Ersten Weltkrieges eine beabsichtigte offizielle Fundteilung bezüglich der didymeischen Funde zunächst verhinderten. Mit dem Schenkungsakt konnten diese Funde dann unter den geänderten Umständen auf eine legale Weise erlangt werden. Diese letzte Fundteilung war also ein diplomatischer Kompromiss, der von übergeordneten politischen Rahmenbedingungen abhing. In diesem vorgegebenen Rahmen agierten die beteiligten türkischen und deutschen Archäologen nach ihren Möglichkeiten, und sie taten es einvernehmlich.
1222
M. Schede an H. Knackfuß, 25.10.1927, SMK/A, 03/0163.06. Zur Person Aziz Ogans vgl. W. Radt, Jale Inan, Gnomon 74/3, 2002, 285–288. 1927 war Aziz Bey Verwalter der Antiken im Vilayet (Provinz) Smyrna. 1931 wurde er Nachfolger Halil Edhem Beys in Konstantinopel. 1224 M. Schede an H. Knackfuß, 4.12.1927, SMK/A, 03/0163.06. 1225 M. Schede an H. Knackfuß, 26.12.1927, SMK/A, 03/0163.06. 1223
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3.3.2.2. Fundverbringungen außerhalb von Fundteilungen Neben den beschriebenen Fundteilungen ist zu beobachten, dass offenbar im Umfeld der Ausgrabungen der Berliner Museen gemachte Funde auch auf andere Weise nach Deutschland gelangen konnten. Schon Carl Humann soll heimlich Objekte aus Priene nach Deutschland geschafft haben, die der frisch ernannte auswärtige Direktor Theodor Wiegand 1899 wieder zurückbringen ließ: Einerseits, weil er es mit seinem »wissenschaftlichen Gewissen nicht vereinbaren« konnte, und andererseits, weil er sich »in jeder Weise den Türken gegenüber einwandfrei für die Zukunft« machen wollte1226. Derselbe Wiegand riet allerdings auch Max von Oppenheim im Frühjahr 1912 angesichts der drohenden Gefahr, keine Funde aus seinen Ausgrabungen am Tell Halaf zu erhalten, die Kleinfunde ohne Erlaubnis der türkischen Regierung nach Deutschland zu senden – ein Vorgang, über den auch Wilhelm von Bode, der Generaldirektor der Berliner Museen, informiert war1227. Es finden sich in den berücksichtigten Archivalien zur Miletgrabung verstreut einzelne Stellen, die auf Fundverbringungen außerhalb der Fundteilungen hindeuten könnten. Der Verfasser sieht sich allerdings aufgrund der schwierigen Quellenlage nicht imstande, diese Stellen zu beurteilen, da nicht überprüft werden kann, ob die betreffenden Einlassungen vielleicht wieder nur Übertreibungen oder Falschdarstellungen seitens der vor Ort tätigen Wissenschaftler gegenüber übergeordneten Stellen in Deutschland waren. Insbesondere erscheint eine unbedachte Veröffentlichung solcher nicht zweifelsfrei belegbarer Verdachtsmomente von dritter Seite eher kontraproduktiv für die sehr wünschenswerte sachliche Aufklärung zweifelhafter Provenienzen von Antiken in Deutschland, da der Verfasser der Auffassung ist, dass solche Sachverhalte am besten im Dialog zwischen den betroffenen deutschen und türkischen Institutionen geklärt werden sollten. Der Verfasser vertraut deshalb darauf, dass im Rahmen des Verbundprojektes »Berliner Skulpturennetzwerk«1228, das u. a. die »Publikation der bislang unzureichend erforschten antiken Skulpturen und Gipsabgüsse der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin« zum Gegenstand hat, in naher Zukunft von maßgeblicher Seite auch über ggf. unklare Herkunftsverhältnisse von Objekten aus Milet Auskunft gegeben wird. Denn dieses Netzwerk soll durch eine umfassende »datenbankgestützte Erschließung aller Skulpturen … sowie der zugehöri-
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TB Wiegand, 20.6.1899, zit. bei S. Wenk, Theodor Wiegand – Chronik, in: Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 8. 1227 J. von Bothmer, Die Gründungsgeschichte des Tell-Halaf-Museums (Dissertation Freie Universität Berlin 2006) 62. (6.4.2014). 1228 A. Fendt – M. Hofter, Das »Berliner Skulpturennetzwerk« – ein aktuelles Großforschungsprojekt, AW 2011/1, 31–33.
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gen Archivalien«1229 die Erkenntnisse zu den in Berlin befindlichen Skulpturen zusammenfassen.
3.3.2.3. Milet und das Pergamonmuseum Das 1930 nach einem langen »Museumskrieg«1230 schließlich in Berlin eröffnete Pergamonmuseum1231 ist ein Kuriosum: Obwohl aus den Ausgrabungen der Berliner Museen eine große Anzahl kunstgeschichtlich höchst bedeutsamer Objekte nach Berlin gelangten, beherbergt das Museum abgesehen von dem namengebenden monumental inszenierten Relieffries in der Hauptsache eine Sammlung von antiken Architekturproben und -rekonstruktionen. Dabei erinnerten etwa die »Teilrekonstruktionen aus Priene« selbst den langjährigen Direktor der Berliner Antikensammlungen Wolf-Dieter Heilmeyer eher an »Kollagen der DadaZeit« als an »Kulissen der klassischen und hellenistischen Kleinstadt …, deren Gesamtdarstellung man sich durch die Ausgrabungen doch gerade vergewissern wollte«1232. Der heute auf der Museumsinsel zwischen Bode-Museum und Neuem Museum stehende Bau folgt im Wesentlichen den Entwürfen Alfred Messels von 1907, die nach seinem Tod Ludwig Hoffmann bis 1930 umsetzte. An der Konzeption einer Ausstellung von griechisch-römischen Architekturen1233 in diesem Neubau
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Freie Universität Berlin – Institut für Klassische Archäologie, 1,55 Millionen Euro für Kooperationsprojekt zwischen der Antikensammlung und dem Institut für Klassische Archäologie bewilligt, zuletzt aktualisiert 04.08.2009, (21.09.2010) 1230 K. Kratz-Kessemeier, Kunst für die Republik. Die Kunstpolitik des preußischen Kultusministeriums 1918 bis 1932 (Berlin 2008) bes. 388–390; K. Scheffler, Berliner Museumskrieg (Berlin 1921); Watzinger 1944, 248–256. 341–356. 365–367. 376–396. 437–439; G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 137 f.; Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 14. 16–18. 24–26. 28. 30. 46–50; S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750 – 1970 (Princeton 1996) 288–293; V. Kästner, Visionen und Realitäten. Theodor Wiegand, Hermann Winnefeld und der Neubau des Pergamonmuseums, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 109–133. 1231 Th. W. Gaethgens, Die Berliner Museumsinsel im Deutschen Kaiserreich. Zur Kulturpolitik der Museen in der wilhelminischen Epoche (München 1992); Th. Wiegand, Das Pergamonmuseum, BerlMus 51/5, 1930, 94–100; W. von Massow, Bilderheft für den Besucher des PergamonMuseums in Berlin (Leipzig 1930). 1232 W.-D. Heilmeyer, Kontextarchäologie und frühes Sammeln – die Berliner Museen heute, in: E. Paul – R. Vollkommer (Hrsg.), Antikenpräsentation in der heutigen Zeit – zwischen Tradition und Moderne. Internationales Kolloquium 22. Oktober 1994 in Leipzig (Leipzig 1995) 27. 1233 V. Kästner, Visionen und Realitäten. Theodor Wiegand, Hermann Winnefeld und der Neubau des Pergamonmuseums, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 109–133; M. Pfanner – J. Pfanner – S. Langer, Das »Wiegandsche Konzept«. Ein einmaliges Architekturensemble im Pergamonmuseum zu Berlin,
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war Theodor Wiegand maßgeblich beteiligt. Dieses von Wiegand und anderen vehement vertretene Konzept eines Architekturmuseums stieß vielerorts auf Widerstand, der auch ein wesentlicher Gegenstand des »Berliner Museumskrieges« in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde. Bis zur Eröffnung 1930 hatten die Feldwissenschaftler zäh an ihrem Konzept festgehalten, und die von Wiegand anlässlich der Eröffnung gegebene Ausdeutung des Ausstellungsensembles als »Ort der Volksbildung und der akademischen Belehrung«1234 wird bis heute in der Auseinandersetzung mit diesem Museum und seinen Ausstellungsstücken nicht weiter hinterfragt. Ein Grund dafür könnte sein, dass diese außergewöhnliche Sammlung mit viel Sorgfalt arrangiert wurde und das Ergebnis als Ganzes geeignet ist, die beabsichtigte Wirkung auf den Betrachter zu erzielen1235. Darüberhinaus wird der Gebäudekomplex insgesamt aber in der Rückschau als ein Zeugnis der »Hybris staatlichen Repräsentationsdenkens in der deutschen Museumsgeschichte«1236 des Kaiserreiches gesehen, das erst unter den veränderten Bedingungen der Weimarer Republik mit großer Verspätung realisiert wurde. Allerdings können der Bau und die Ausstellung mit guten Argumenten auch etwas anders gelesen werden, denn es existieren mehrere Hinweise darauf, dass sich die Feldarchäologen selbst vom Pergamonmuseum eine spezifische Funktion erhofften. Vielleicht war nämlich das staatliche Repräsentationsbedürfnis zwar ausschlaggebend für die äußerliche Ausgestaltung des Museums, aber es wäre zu fragen, ob die feldarchäologische Community nicht auch eigene innerwissenschaftliche Zielsetzungen in eine für den Geldgeber akzeptable Form übersetzte. Zunächst einmal ist festzustellen, dass das Gebäude unmittelbar auf den größten Fund der Ausgräber, den großen Altar von Pergamon, bezogen ist. Die spektakuläre Rekonstruktion des großen Monumentes konnte tatsächlich zum Repräsentationsobjekt erklärt werden, so dass eine grundsätzliche Akzeptanz für die Errichtung eines eigenen Museums gegeben war. Flankiert wird dieses Kernstück der Ausstellung allerdings von wenig attraktiven Architekturproben und nur wenigen Skulpturen. Das Gebäude selbst nimmt mit der auf dem Dach über dem zentralen Eingang angebrachten monumentalen Silhouette des Pergamonaltares, quasi auf seiner Außenhaut, direkt Bezug auf das wichtigste Ausstellungsstück in seinem Inneren. Für die Kombination dieser beiden Phänomene, die Orientierung der Ausstellung auf einen bedeutenden Fund und dessen Zitat auf der Außenhaut des Gebäudes, existiert mit dem 1891 in Konstantinopel für die Ottomanischen Museen errichteten Museumsneubau ein unmittelbarer Vorläufer: Dieses nach einem Entwurf von Alexandre Valaury im Auftrag Osman HamVDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 2, 2006, 99–111, s. 111 für weitere Literatur. Th. Wiegand, Das Pergamonmuseum, BerlMus 51/5, 1930, 100. 1235 Vgl. die Beschreibung und Analyse bei M. Pfanner – J. Pfanner – S. Langer, Das »Wiegandsche Konzept«. Ein einmaliges Architekturensemble im Pergamonmuseum zu Berlin, VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 2, 2006, 101–109. 1236 Th. W. Gaethgens, Die Berliner Museumsinsel im Deutschen Kaiserreich. Zur Kulturpolitik der Museen in der wilhelminischen Epoche (München 1992) 119 m. Anm. 216. 1234
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di Beys errichtete Gebäude beherbergt eine Antikensammlung, die unmittelbar auf die bestmögliche Präsentation des bedeutendsten Fundkomplexes aus einer Ausgrabung der Ottomanischen Museen, die sidonischen Sarkophage, abzielte (s. o. Kap. 2.3.1.)1237. Auch die äußere Erscheinung dieses Gebäudes ist ein Zitat dieses Fundes, denn seine langgestreckte Architektur stellt eine Adaption des ›Klagefrauen‹-Sarkophages aus der Nekropole von Sidon dar1238. Diese klare Parallele, die nach Wissen des Verfassers bislang nicht thematisiert wurde1239, schafft einen viel engeren thematischen Zusammenhang zwischen den beiden Museen als etwa zwischen dem Pergamonmuseum und den älteren westeuropäischen Museen, die gemeinhin als engerer Kontext für die Berliner Museen angesehen werden1240. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Sachverhalt nicht um eine zufällige Koinzidenz handelt, kann auch darin gesehen werden, dass die beiden verantwortlichen Direktoren die Funktion der neuen Museen als wissenschaftliche Arbeitsstätten betonten1241, so dass in beiden Museenkonzepten tatsächlich die gleiche wissenschaftliche Ethik der Feldarchäologie verwirklicht wurde, die die Akteure dieser Wissenschaft in ihren Schriften vertraten. Die Einrichtung beider Museen bedurfte eines anfänglichen Impulses durch eine spektakuläre Einzelheit, um überhaupt die erforderlichen Mittel zur Realisation erhalten zu können. Im weiteren zeitlichen Ablauf fällt auf, dass nach dieser »Initialzündung« von den Ausgrabungsplätzen der auswärtigen Direktoren nunmehr – neben gleichmäßig zwischen Konstantinopel und Berlin verteilten museumstauglichen Stücken – hauptsächlich Architekturteile das Land verließen. Ferner zeigte sich, dass für die Finanzierung von Ausgrabungen durch die Berliner Museen weiterhin ein Antikenerwerb notwendig war, allerdings betrieben die auswärtigen Direktoren diesen offensichtlich mit bemerkenswert geringem Enthusiasmus. Sobald Conze etwa aus seiner Stellung an den Berliner Museen an das DAI gewechselt war und ab 1900 die Grabungen in Pergamon wieder aufnehmen konnte, spielten Fundverbringungen aus Pergamon nach Deutschland keine größere Rolle mehr; vielmehr waren Conze und Wiegand im November 1904 übereingekommen, dass aus den pergamenischen Ausgrabungen zunächst keine Funde für Deutschland beansprucht werden sollten1242. Theodor Wiegand 1237
H. Edhem, Das Osmanische Antikenmuseum in Konstantinopel, in: Hilprecht Anniversary Volume. Studies in Assyriology and Archaeology. Festschrift Hermann V. Hilprecht (Leipzig 1909) 370–373. 1238 W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 156–161. bes. 157 m. Anm. 16. 1239 Auch dem Verf. war dieser Zusammenhang nicht aufgefallen. Er dankt vielmehr seiner Frau herzlich dafür, dass sie anlässlich eines Vortrages Edhem Eldems zu Osman Hamdi Bey in Essen diese Idee mit ihm teilte. 1240 Vgl. etwa S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 133–171. 1241 Für das Ottomanische Museum vgl. o. S. 74 m. Anm. 404; für Berlin: Th. Wiegand, Das Pergamonmuseum, BerlMus 51/5, 1930, 100. 1242 Watzinger 1944, 120.
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selbst konnte die beiden von ihm zu verantworteten Fundteilungen 1903 und 1908 relativ unbehelligt von den zeitnah stattfindenden diplomatischen1243 und politischen1244 Turbulenzen um Fundverbringungen von anderen Orten (Mschatta1245 1903, Assur und Babylon1246 ab 1905) durchführen und beharrte zu dieser Zeit offenbar nicht auf den Ansprüchen der Berliner Museen auf Funde aus Didyma, obwohl weiterhin bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges von anderer Seite der Erwerb von antiken Objekten im Osmanischen Reich betrieben wurde. Auf einer sehr elementaren Ebene erscheint das Pergamonmuseum darüber hinaus als ein Denkmal des auswärtigen Direktors, also als eine entpersönlichte Leistungsschau der deutschen Feldarchäologie im Osmanischen Reich, die sich lediglich mit einer dezent platzierten Portraitbüste Carl Humanns im Altarsaal explizit zu erkennen gibt. Allein schon die zentrale Anordnung des Pergamonaltares und damit der griechisch-römischen Ausstellungsstücke insgesamt innerhalb des Gebäudekomplexes vergegenständlichen die dominante Position des auswärtigen Direktors gegenüber den Akteuren der vorderasiatischen Grabungen, deren Fehler im Umgang mit der osmanischen Administration der auswärtige Direktor
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Th. Wiegand an H. Knackfuß, 22.6.1903, SMK/A, 03/0500: »Ich habe die ersten 14 Tage [in Konstantinopel] nichts wie Briefe geschrieben & dann kam die grosse Staatsaction mit Mschatta, wo ich durchgreifen mußte nach 2 Seiten, auf der Einen die Botschaft, die nicht recht dran wollte, auf der anderen Hamdi, der Feuer & Flamme spuckt. Endlich ist es so gekommen, daß wir uns die ganze Palastruine vom Sultan für den Kaiser haben schenken lassen & so ist denn auch Dr. Schumacher von Haifa aus schon unterwegs, um die Ornamente abzutragen. Es ist höchste Zeit, da die Mekkabahn schon auf 11 Kilometer nahe gerückt ist. Der Kaiser hat ein schoenes Danktelegramm gesandt. Echt preussische Sparsamkeit: als Gegengabe will man ein Buch, Gedichte des Sultan Selim, überreichen. Wir haben etwas dagegen reagiert & hoffe ich, daß es hilft.« Ein interessantes Detail in dieser an sich schon sehr informativen Passage ist Wiegands Verwendung des Begriffes »Staatsaction«. Damit benutzte er einen alten Ausdruck aus der Theaterwelt, der ursprünglich – um 1700 – ein Schauspiel (»action«) meinte, in dem Staatsbegebenheiten dargestellt wurden. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war der Begriff dann in der Bedeutung »über eine unbedeutende Sache, besonders ein vergehen, mit umständlicher wichtigkeit verhandeln« oder auch als »eine pomphaft in scene gesetzte verhandlung« gebräuchlich (DWB 17 (1919) 287–289 s. v. »Staatsaction«.). Im thematischen Umfeld der Fundverbringungen hatte Wiegand den Ausdruck schon einmal im Februar 1903 in der verkürzten Form »Action« benutzt (s. o. S. 192 m. Anm. 1197). Im selben Brief benutzte Wiegand allerdings auch die Schreibweise »Aktion« mit »k« in der landläufigen neutralen Bedeutung von Handlung oder Unternehmung in Bezug auf eine mögliche Ausgrabung des Septizoniums in Rom (Th. Wiegand an H. Knackfuß, 22.6.1903, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500). Wiegands wiederholte Verwendung der Schreibweise mit »c« im Zusammenhang mit Fundverbringungen könnte daher ein Hinweis darauf sein, dass er persönlich derartige Angelegenheiten eher ironisch distanziert sah, was auch der Auffassung entspräche, dass Fragen im Sinne des Denkmalschutzes am besten von in der Sache kompetenten Verwaltungseinrichtungen entschieden werden sollten und nicht von der Diplomatie. 1244 Die jungtürkische Revolution von 1908: M. Ş. Hanioğlu, A brief history of the late Ottoman empire (Princeton 2008) 150–202. 1245 V. Enderlein, Die Erwerbung der Palastfassade von Mschatta. Ein kaiserliches Geschenk, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860– 1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 410–419. 1246 O. Matthes, Robert Koldewey im Orient, in: R.-B. Wartke (Hrsg.), Auf dem Weg nach Babylon. Robert Koldewey – Ein Archäologenleben (Mainz 2008) 75–84; Watzinger 1944, 245–248.
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wiederholt bereinigen musste1247. Ferner manifestiert sich diese Lesart ganz konkret in der Tatsache, dass die Besucherströme das milesische Markttor, das zweite große Objekt des griechisch-römischen Ensembles, bis heute durchschreiten müssen, um zu der Rekonstruktion1248 des babylonischen Ishtartores zu gelangen, die in dem schmalen Seitentrakt kaum angemessen präsentiert wird. Ganz plakativ bildet also die Anordnung der Ausstellungsstücke das Verhältnis von Feldarchäologen der Klassischen Altertumswissenschaften zu jenen der Orientalistik aus der Sicht der Erstgenannten ab. Neben der offiziellen Ausdeutung des Architekturensembles durch Wiegand existieren auch deutliche Hinweise auf eine »interne« Intention seitens der Feldarchäologen für dieses Ensemble: In einem Brief an Hubert Knackfuß hoffte Wiegand 1903, dass die architektonischen Miletfunde vielleicht zunächst im Alten Museum aufgestellt werden könnten, von wo sie später, »in Jahren etwa, in ein neuzuerrichtendes Miletmuseum« transferiert werden könnten1249. Hierin zeigt sich, dass die Feldarchäologen schon zu diesem frühen Zeitpunkt, als von einem Neubau des Pergamonmuseums noch keine Rede war, sich schon mit dem Gedanken an ein eigenes Museum trugen. 1931 wendete sich Armin von Gerkan, der auch unmittelbar an der Einrichtung des Museums beteiligt war1250, an Albert Rehm und schilderte, dass er sich wünsche, nach einer Pensionierung Knackfuß’ dessen Lehrstuhl in München zu übernehmen1251. Allerdings machte er sich keine großen Hoffnungen, denn die »Animosität gegen die Wissenschaft1252, wie sie nicht allein in München, sondern … an fast allen Architekturabteilungen herrscht«, stünde seinem Wunsch entgegen. Grund zu einer optimistischeren Sicht auf die Zukunft sah der darin, dass diese Animosität nun allmählich »ihrem Ende entgegen geht, wie Wiegand meint, dank dem Museumsneubau, aber vorläufig« wäre sie da. Das Pergamonmuseum wurde also von den Akteuren als ein strategisches Mittel begriffen, mit dem ihre Position in der deutschen Wissenschaftslandschaft gestärkt werden könnte. Diesen Gedanken hatte Wiegand 1930 auch öffentlich ausgesprochen, als er darauf hinwies, dass für »Gelehrte, die in 1247
Watzinger 1944, 170–177. 209; S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750 – 1970 (Princeton 1996) 212–215. 1248 N. Crüsemann, Das grosse Puzzle. Von Ziegelbruchstücken aus Babylon zum Berliner IschtarTor, in: Ch. Trümpler (Hrsg.), Das Große Spiel. Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus (1860–1940). Ausstellungskatalog Essen (Köln 2008) 336–345; B. Salje, Robert Koldewey und das Vorderasiatische Museum Berlin, in: R.-B. Wartke (Hrsg.), Auf dem Weg nach Babylon. Robert Koldewey – Ein Archäologenleben (Mainz 2008) 124–143. 1249 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 2.8.1903, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0500. 1250 V. Kästner, Visionen und Realitäten. Theodor Wiegand, Hermann Winnefeld und der Neubau des Pergamonmuseums, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 131 m. Anm. 41. In der Anmerkung wird ein Manuskript Armin von Gerkans vom 26.1.1926 mit dem Titel »Zur Aufstellung der Architekturen im Museumsneubau« erwähnt. Im Nachlass Hubert Knackfuß fand sich ein undatierter machinenschriftlicher Durchschlag mit demselben Titel und vom selben Autor im Umfang von 22 Seiten (SMK/A, 03/0163.05). 1251 A. von Gerkan an A. Rehm, 18.3.1903, NL Rehm. 1252 Die griechisch-römische Bauforschung.
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diesem modernsten Institut für antike Bauforschung arbeiten wollen«, im Pergamonmuseum ein angemessener Arbeitsplatz geschaffen worden wäre1253. Dass dieser hier anklingende Gedanke über Wiegands Tod hinaus Bedeutung hatte, zeigt ein Brief des späteren Direktors der Antikensammlung, Carl Weickert, vom 3. März 1937 an Knackfuß (Vgl. Anhang A.10.)1254. Dieser Brief ging auf die nach Weickerts Meinung gefährliche Situation der Bauforschung in Deutschland ein, die mit dem fortgesetzten Weggang junger Architekten aus der Bauforschung und durch die Pensionierung Knackfuß’ in eine Lage geraten sei, die »das Ende der antiken Architekturforschung überhaupt« in Deutschland bedeuten könnte. Diese ausführliche Situationsdarstellung mündete schließlich in der von Weickert skizzierten Hoffnung, dass man an der Technischen Universität Berlin vielleicht eine Professur für antike Bauforschung einrichten könnte, die in Verbindung mit einem Lehrauftrag an der Universität geeignet wäre, Architekturforschung und Klassische Archäologie stärker miteinander zu verbinden. Berlin erschien ihm hierfür deshalb auch der geeignete Ort für eine solche Konstruktion zu sein, weil »das Pergamonmuseum als Lehr- und Studienmaterial für alle in Frage kommenden Arbeiten zur Hand« wäre. Die Feldarchäologen hatten also zunächst mit der Verbringung von Architekturteilen nach Deutschland bei ihren Geldgebern den Eindruck eines vorteilhaften Geschäftes erwecken können und als sie selbst später mit dem Problem konfrontiert waren, aus den nach Deutschland verbrachten Objekten eine Ausstellung zu konzipieren, konnten sie zum einen natürlich nur mit den tatsächlich vorhandenen Antiken arbeiten und zum anderen realisierten sie dies schließlich in einer Art und Weise, die auf eine weitere Verstetigung und Sicherung des Ausgrabungswesens – hier der Bauforschung als einem bedeutenden Zweig desselben1255 – zielte. Die Ausstellung von griechisch-römischen Architekturproben im Pergamonmuseum kann also auch so verstanden werden, dass die Feldarchäologen dem deutschen Staat eine ins Monumentale übersteigerte Lehrsammlung unterschoben.
1253
Th. Wiegand, Das Pergamonmuseum, BerlMus 51/5, 1930, 94–100. BF C. Weickert an H. Knackfuß, 3.3.1937, NL Knackfuß, SMK/A 03/0163.02. 1255 DNP XIII (1999) 196–200 s. v. Archäologische Bauforschung (E.-L. Schwandner). Die Gründung des Berufsverbandes der historischen Bauforscher, der Koldewey-Gesellschaft, erfolgte am 25. Juni 1926. Unter den 24 Gründern befanden sich mit Hubert Knackfuß, Armin von Gerkan, Manfred Bühlmann, Hans Hörmann, Fritz Krischen und Karl Wulzinger sechs unmittelbar an den Ausgrabungen der Berliner Museen beteiligte Architekten. Zit. nach der maschinenschriftlichen Liste »Gründer der Koldewey-Gesellschaft«, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.04. 1254
3.4. Akteure 3.4.1. Arbeiter In den Tagebüchern der Grabung wurde wahrscheinlich für Abrechnungszwecke1256 regelmäßig die Anzahl der von dem Grabungsunternehmen beschäftigten Arbeiter verzeichnet. Das wissenschaftliche Unternehmen war ein bedeutender Arbeitgeber: In der Regel changierten die Beschäftigungszahlen zwischen 50 und 150 Arbeitern, Spitzenwerte lagen um 200 gleichzeitig Beschäftigte. Diese Belegschaft leistete fast ausschließlich mit Muskelkraft enorme Erdbewegungsarbeiten, durch die erst die wissenschaftliche Bearbeitung der freigelegten Funde und Befunde möglich wurde. Die Lebens- und Arbeitsrealität dieser Menschen lässt sich nur sehr bruchstückhaft rekonstruieren, und ihr Blick auf die Tätigkeiten der Wissenschaftler ist nicht direkt fassbar. Aus den berücksichtigten Quellen lassen sich dennoch indirekt einige Sachverhalte erschließen. Wenn diese im Folgenden eher den Charakter einer bloßen Aufzählung haben, so liegt dies unmittelbar an dem fehlenden größeren Kontext1257. Arnold von Salis war in seiner ersten Kampagne froh, einmal die Lohnauszahlung (Taf. 22b) vornehmen zu dürfen, da man so »die Leute … alle kennen lernt«1258. Ihre Arbeitszeit teilte er auch mit: Von 6.00 bis 13.00 Uhr mit einer kurzen Pause um 8.30 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr1259, ein 11 stündiger Arbeitstag. Namentlich erscheinen die normalen Arbeiter in den Tagebüchern der Grabung äußerst selten und nur dann, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, starben oder ernsthaft erkrankten. Am 8. April 1904 wurde eine Messerstecherei in Balat erwähnt, bei der Periklis Melissianos von dem »Tscherkessen« Ali »geschlagen und … in die Hüfte gestochen worden« war1260. Der Verwundete wurde in Akköy ärztlich versorgt. Nach einer »Schiesserei« am 27. November 1912 zwi1256
In seiner theoretischen Schrift zum Ausgrabungswesen benennt Theodor Wiegand den Arbeiterlohn in der Provinz Smyrna mit 8–10 Piastern: Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 103. Eine zeitnahe publizierte Zahl zu Arbeiterlöhnen findet sich bei G. Körte – A. Körte, Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900, JdI Ergh. 5 (Berlin 1904) S. IX: Die Ausgräber zahlten einen Tageslohn in Höhe von 7 Piastern. Als die Erntearbeiten begannen und Arbeiter fort blieben, erhöhten sie auf 8 Piaster. Der Gegenwert wird dort mit 1,26 bzw. 1,44 Mk. angegeben. 1257 Eine online verfügbare Masterarbeit beschäftigt sich unter Berücksichtigung der lokalen oral history mit der späteren Geschichte von Akköy, wo das Grabungshaus steht: Yaşar Ozan Say, The Balkan Muhacirs of Akköy. Memory and Identity in a Western Anatolian Village (Masterarbeit Boğaziçi Üniversitesi Istanbul 2006). (29.03.2011). 1258 A. von Salis an die Eltern, 13.5.1906, NL von Salis. 1259 A. von Salis an die Eltern, 29.4.1906, NL von Salis. 1260 G. Kawerau, 8.4.1904, GrTb IV, 3.
DIE AKTEURE
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schen Griechen und »Saptichs« in Akköy wurden die Grabungsmitarbeiter Grigorios Likas und der Zimmermann Luka verhaftet1261, obwohl die Arbeiter zum Zeitpunkt des Vorfalles »noch nicht zu Hause« waren. Es gelang zwar, den Zimmermann Luka unmittelbar zu entlasten und zu befreien, doch Likas blieb in Haft und eine Untersuchungskommission reiste am 30. November an. Likas wurde erst in der Folgewoche, einen Tag nach den übrigen Beschuldigten, in Sokia aus der Haft entlassen. Alle Gefangenen waren dort misshandelt worden. Wegen der Ereignisse wurde von den Wissenschaftlern Protest beim Generalkonsulat in Smyrna eingelegt und in der Woche vom 9. bis 14 Dezember traf die Nachricht des Konsulates ein, »dass in der Angelegenheit der Verhaftungen Schritte unternommen worden« waren1262. Es ist wahrscheinlich, dass dieser letztgenannte Fall ein lokaler Reflex auf den Beginn der ›Balkan-Kriege‹1263 von 1912/13 waren1264. In der Herbstkampagne 1903 starben die Arbeiter Hamal Hussein1265 und A. Tsandarliotis1266. In beiden Fällen wird keine Todesursache angegeben. Allerdings war ein Arbeiter namens Hamal Hussein schon zu Beginn der Ausgrabungen 1899 mit »gequetschtem Fuß in das Krankenhaus nach Smyrna« gebracht worden1267. Dort musste der Fuß amputiert werden, und Theodor Wiegand kümmerte sich im folgenden Jahr um die Anfertigung einer Prothese1268. Der Tod des A. Tsandarliotis wird im Zusammenhang mit mehreren Erkrankungen erwähnt: Zwei Erkrankte wurden nach Sokia gesandt und ein nicht transportfähiger »Araber« wurde in Balat behandelt. Da in diesen Tagen ein »infames Regenwetter« herrschte, mag der letzgenannte Sterbefall mit Erkrankungen zusammenhängen, die durch das Arbeiten in der Nässe ausgelöst worden sein könnten. In seiner theoretischen Schrift zum Ausgrabungswesen, ging Wiegand auch auf die Arbeiter ein, die man mit »gleichmäßiger Festigkeit bei scharfer und mitunter überraschender Kontrolle« behandeln solle. Bei »guter Aufsicht und guter Behandlung« habe er sowohl mit Griechen, Türken und Kurden »vorzügliche Erfahrungen gemacht« 1269. In Milet arbeiteten Christen und Moslems in der Regel friedlich nebeneinander. Die religiösen Feiertage beider Religionen wurden respektiert und an den betreffenden Tagen arbeitete die jeweils andere Gruppe allein
1261
A. von Gerkan, 25.–30.11.1912, GrTb VI, 223–224. A. von Gerkan, 9.–14.12.1912, GrTb VI, 226. 1263 Vgl. auch Kap. 3.4.3.2.; Hellenic Army General Staff – Army History Directorate (Hrsg.), A Concise History of the Balkan Wars 1912–1913 (Athen 1998) 134–145. 1264 Say a. O. (Anm. 1257) 61 f. 1265 Autor B, 17.10.1903, GrTb III, 21. 1266 Th. Wiegand, 27.11.1903, GrTb III, 48. 1267 Th. Wiegand, 27.9.1899, GrTb I, 29. 1268 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 46. 1269 Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 103. 1262
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weiter1270. Ähnliches galt für die Arbeiten in der Nähe des Delphinions: Als in einem dort gelegenen osmanischen Friedhof »viele Knochen zum Vorschein«1271 kamen, wurden die türkischen Arbeiter am Theater eingesetzt und vor Ort nur mit Griechen weiter gearbeitet. Auf Verhalten, das den Arbeitsablauf stören könnte, reagierte der Arbeitgeber energisch: Während der »Wahlmänner-Wahlen zum türkischen Parlament« in der Woche vom 21.-28. September 1908, war der »Arbeitsbetrieb … sehr unregelmäßig und fiel Donnerstags ganz aus.« Drei »Leute«, die durch »Drohungen die Arbeiter zum Streik zwingen wollten, wurden sofort festgenommen & nach Sokia ins Gefängnis expediert«1272. Zu Beginn der Herbstkampagne 1901 besichtigte Wiegand im Ruinengelände die im Winter dort errichteten vier »Arbeiterhäuser« und die »Krankenhütte«1273. Diese Gebäude werden ansonsten nicht weiter erwähnt und der Zweck der »Arbeiterhäuser« nicht näher erläutert. Es könnte sich dabei vielleicht um Unterkünfte für Arbeiter aus Akköy oder von noch entfernteren Orten1274 handeln, die während der Arbeitswoche nicht nach Hause zurückkehrten. Diese Häuser und die »Krankenhütte« sind nicht mehr erhalten, allerdings kann anhand noch sichtbarer Fundamente im Ruinengelände ihre Lage sicher rekonstruiert werden. Sie gruppierten sich lose um das Wächterhaus und das Museum der Grabung am südlichen Abhang des Theaterhügels, wo auch ein Brunnen die Wasserversorgung sicherstellte (Taf. 23a).
3.4.2. Vorarbeiter »Es geht eben nicht ohne vernünftige Epistaten!«1275, notierte August Frickenhaus 1907 verzweifelt im Sondertagebuch der Nekropolengrabung, als Athanasios Apergis nach Smyrna reiste, Antoni in Didyma eingesetzt wurde und die Vorarbeiter Markos und Stratis an Fieber erkrankten, obwohl momentan am Athenatempel und gleichzeitig am West- und Südabhang des Kalabaktepe gearbeitet wurde. Übrig blieb nur Hasan Çavuş, so dass am folgenden Tag die Arbeitsgruppe von Stratis, die eigentlich am Kalabaktepe tätig war, am Athenatempel eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu der großen Masse der einfachen Arbeiter werden eine ganze Reihe von Vorarbeitern oder Aufsehern regelmäßig namentlich im Tagebuch erwähnt. Theodor Wiegand bemerkte zu den Aufsehern, dass man »wenn möglich 1270
Beispielsweise G. Kawerau, 7.4.1904, GrTB IV, 1; A. Frickenhaus, 11.9.1907, GrTb Nekopole, 166. G. Kawerau, 12.4.1904, GrTB IV, 4. 1272 Th. Wiegand, 30.9.1908, GrTb VI, 126. Vgl. a. Watzinger 1944, 231. 1273 Th. Wiegand, 3.10.1901, GrTb I, 147. 1274 z. B. stellte Wiegand im Herbst 1905 Samioten ein, die wegen der politischen Verhältnisse die Insel verlassen mussten: Watzinger 1944, 155 f. 1275 A. Frickenhaus, 16.9.1907, GrTb Nekropole, 170. 1271
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Leute, die ein nützliches Handwerk gelernt haben … oder durch eine längere militärische Ausbildung eine soziale Stufe höher stehen als die Arbeiter«, einsetzen sollte1276. Die Gruppe der Aufseher scheint hierarchisch differenziert gewesen zu sein: 1907 benannte Frickenhaus Salid Kypräos als »Unteraufseher« an einer seiner Arbeitsstellen1277; andere wurden als »Mastro« bezeichnet, so dass zu vermuten ist, dass es sich bei ihnen um Handwerksmeister, vielleicht Steinmetze, Maurer oder Schmiede handelte, deren Anstellung Wiegand ebenfalls empfahl1278. Angaben zum Arbeitslohn der Vorarbeiter sind in den berücksichtigten Dokumenten der Miletgrabung nicht erhalten. 1894 betrug der Lohn für den Vorarbeiter Humann’scher Schule laut Johannes Boehlau pro Monat »100 M[ark].«1279. Manche Vorarbeiter erhielten regelmäßig über den Jahreswechsel oder danach einen längeren »Urlaub«1280, so dass vermutet werden kann, dass sie eine Festanstellung hatten. Aus Hubert Knackfuß’ persönlichem Tagebuch geht hervor1281, dass er regelmäßig mit den Vorarbeitern Athanasios Apergis und Antonis das Arbeitsprogramm besprach und auch mit den beiden »abrechnete«, so dass davon auszugehen ist, dass sie selbstständig bestimmte Ausgaben für die Grabung tätigen konnten. Über die blosse Namensnennung hinaus sind im Wesentlichen Hasan Çavuş1282, Athanasios Apergis und Antonis, dessen Nachname nicht überliefert ist, näher fassbar, wobei besonders Apergis für die Miletgrabung eine Sonderstellung einnahm. Er hatte schon mit Carl Humann gearbeitet und blieb nach dessen Tod beim auswärtigen Direktor. Wie in Kap. 2.3.5. beschrieben, hatte Apergis schon zu Beginn der Grabung wesentliche Arbeiten selbstständig ausgeführt und neben der normalen Aufseherarbeit sind eine Vielzahl ihm übertragener Sonderaufgaben belegt: Als Wiegand 1895 in Priene von einer entfernt liegenden Fundstelle erfuhr, sandte er Apergis zur Aufklärung dorthin. Dieser klatschte dort eine archaische Inschrift ab1283; er konnte also wahrscheinlich die wissenschaftliche Relevanz 1276
Wiegand a. O. (Anm. 1269) 102. A. Frickenhaus, 10.10.1907, GrTb Nekropole, 185. 1278 Wiegand a. O. (Anm.1269) 102. 1279 J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 170. 1280 Beispielhaft H. Knackfuß, 20.12.1907, 1907 (18/VII) bis 1908 (29/VIII), TB 5, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.15; G. Kawerau, 3.–8.1.1903, GrTB III, 68. 1281 Beispielhaft H. Knackfuß, 20.10.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1282 Ihm gehörte das auf Taf. 23b gezeigte Haus. In einem am 11. März 1954 vor »Hellas« und der Kunst-Historiker-Vereinigung Zürich gehaltenen Vortrag erinnerte sich Arnold von Salis: »Hassan Tschausch (»Feldwebel«), war einst im russisch-türkischen Krieg Ordonnanz von Osman Pascha gewesen. Er war Araber, aber seine Frau war Negerin, und die Kinder trafen mehr oder weniger auch ins Schwarze.« Zit. nach dem maschinenschriftlichen Vortragsmanuskript, S. 18, NL von Salis. In einem Brief an die Eltern attestierte von Salis ihm »eine gute Ortskenntnis und einen ausgezeichneten Blick«. Als Aufseher wäre er »zu wenig energisch«. A. von Salis an die Eltern, 30.9.1906, NL von Salis. 1283 Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 469. Wiegand bildete offenbar auch einen Jungen, Nikolaki, 1277
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antiker Objekte einschätzen und beherrschte mindestens eine Technik zur Dokumentation derselben. Dieses Ergebnis veranlasste Wiegand, zusammen mit Apergis an diesem Ort eine Nachgrabung vorzunehmen1284. 1900 begleitete Apergis Wiegand zu seiner ersten auswärtigen Grabung, die er von Milet aus unternahm, nach Ta Marmara1285. Von Ende Januar bis Mitte Mai 1902 lieh Wiegand ihn an Johannes Boehlau für dessen erste Grabungskampagne in Larisa am Hermos aus1286. Im Rahmen der Fundteilung 1903 führte er die Verhandlungen mit den samischen Bootsführern, beaufsichtigte die Verladung auf die Dampfer und rechnete anschließend mit den Bootsführern ab1287. Auch den Antikentransport 1908 bereitete Apergis maßgeblich mit vor, indem er das Material für die Verstärkung des Landesteges besorgte und auf Samos die Verladeboote mietete1288. 1910 eröffnete er mit Wiegand die Grabung im Heraion von Samos1289. Im Ersten Weltkrieg kontrollierte Apergis die Grabungshäuser in Priene, Milet und Didyma1290. Dabei reparierte er 1917 zusammen mit Iannis Kritikos1291, einem anderen langjährigen Vorarbeiter, in Didyma die Beschädigungen des Grabungshauses durch deutsche1292(!) Truppen1293 und brachte am Ort verbliebene wissenschaftliche Dokumentation nach Konstantinopel in Sicherheit1294. Währenddessen sammelte Apergis auch Informationen über das Befinden von Hubert Knackfuß’ Verlobter, Chrysanthe Stergiou, der Haushälterin Katherina(Taf. 9a), des Aufsehers Antoni und anderer, die sich auf der von der Entente besetzten Insel Samos aufhielten1295. Apergis hatte demnach großen Anteil am Erfolg der Unternehmungen, erscheint aber in den Personenregistern Carl Watzingers Wiegand-Biographie und der Briefsammlung »Halbmond im letzten Viertel« nicht, obwohl er in beiden darin aus, Abklatsche zu erstellen: G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 28. 1284 Th. Wiegand – H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895–1898 (Berlin 1904) 469. 1285 Th Wiegand, 9.9.1900, GrTb I, 61. 1286 J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902–1934 1 (Berlin 1940) S. X. Für die Grabungen Boehlaus in Pyrrha (Lesvos) und Larisa 1907 stellte Wiegand einen anderen Vorarbeiter namens Stratis zur Verfügung: A. Frickenhaus, 28.9.1907, GrTb Nekropole, 176. 1287 G. Kawerau, 15.12.1903–8.1.1904, GrTB III, 63–68. 1288 Th. Wiegand, Frühjahr 1908, GrTb VI, 112, 114. 1289 Th. Wiegand, Erster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos, AbhBerlin 1911, 6. 1290 G. Karo an H. Knackfuß, 22.6.1917, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11. 1291 Iannis Kritikos hatte an der Ausgrabung der Franzosen in Didyma teilgenommen (TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22.) und begleitete Wiegand 1908 zu der Ausgrabung in Myus: G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 116. 1292 Watzinger 1944, 315 f. 1293 G. Karo an H. Knackfuß, 12.11.1917, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11. 1294 G. Karo an H. Knackfuß, 22.6.1917, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11. 1295 Watzinger 1944, 315, G. Karo an H. Knackfuß, 18.4.1917, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11.
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Büchern erwähnt wird1296. Vielmehr führen die Personenindices der beiden Werke ›Fremde‹ erst ab der Ebene der Regierungsvertreter bei den Ausgrabungen auf. Ein Sachverhalt, der eine ähnlich selektive Wahrnehmung der Autoren offenbart, die schon in Bezug auf Osman Hamdi Bey als Ausgräber in Kap. 2.3.1. thematisiert wurde: In der populären, verschriftlichten und publizierten Ereignisgeschichte wird von Seiten des ausländischen Betrachters manchmal der Anteil der ›Einheimischen‹ rhetorisch heruntergespielt bzw. ausgespart. Man könnte daher vermuten, dass die Feldarchäologen der Zeit insgesamt eher bemüht waren, den Anteil der Einheimischen am Erfolg ihrer Arbeit auszublenden. Aber vielleicht manifestiert sich in diesen Fällen wieder nur eine spezifische Eigenheit der Arbeiten unter einschränkenden Finanzierungsbedingungen, die sich dann in den späteren Publikationen zu diesen Unternehmungen tradierte. Die Ausgräber und Forscher von anderen Grabungsplätzen waren nämlich nicht so schweigsam in Bezug auf ihre Vorarbeiter. In diesem Zusammenhang sticht besonders eine ›Vorarbeiterdynastie‹1297 aus dem kleinen Dorf Magouliana auf der Peloponnes hervor, deren Aktivitäten auch einmal Milet berührten: Der so gründlich dokumentierende Friedrich Hiller von Gaertringen beschrieb in seinem Bericht zu den Arbeiten auf Thera auch die vielfältigen Verdienste der einheimischen Mitarbeiter sehr eindeutig und klar1298; sein Vorarbeiter, Angelis Kosmopoulos, hatte schon 1874 gemeinsam mit seinem Vater an der deutschen Olympiagrabung teilge-
1296
Watzinger 1944, 104, 109, 161; G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 24, 33, 41, 102, 149. 1297 Griechenland und Kleinasien, Meyers Reisebücher 5 (Leipzig 1901) [Bearbeiter dieser Ausgabe: Otto Kern – Robert Zahn] 19: »Für längere Touren empfehlen wir den Agogiaten Angelis Kosmópulos aus Maguliana … mit seinen beiden jungen Söhnen Georgios und Vasili, die als Reisediener und Köche für jede Reise im Innern Griechenlands warm zu empfehlen sind, weil sie den Verkehr mit Deutschen seit Jahren gewohnt sind … und ihre Bedürfnisse kennen … Man erkundigt sich nach ihrem Aufenthaltsort am besten in Athen im Deutschen Archäologischen Institut …, sonst kann man sie auch telegraphisch oder brieflich in ihrem Wohnort benachrichtigen.« 1298 Thera 1, 31: »Unweit der höchsten Stelle der Stadt stieß Angelis am 13. Juli auf die Ecke einer Marmorbasis, die sich als ein Altar der Hestia erwies. Aus eigener Initiative ließ er weitergraben und fand eine gute Gebäudeecke.«; Thera 3, 32: »Angelis aber ging auf Entdeckungen aus. Er hatte von einer Felsinschrift am Abhange des Eliasberges … gehört, und als er wiederkam, meldete er zwanzig an … Die Technik hatte Angelis schon ausgebildet, aus langen Stangen … wurden die Leitern gezimmert, zusammengesetzt und nach Bedarf umgeändert; sobald Angelis alles als sicher erprobt hatte, holte er mich und ich that meine Arbeit.«; S. 211: »Gegenüber der Nische und ein Stückchen weiter oberhalb entdeckte Angelis einige sehr kleine, aber doch mit Sicherheit erkennbare auf dem Felsen klebende Reste von Bimssteinmörtel … Die archaische Zeit hat nun in Thera nirgens mit Mörtel gebaut … Die Mörtelspuren bei der Weihenische zeigen daher, daß der römische oder der byzantinische Aufgang zur Stadt hier mit der alten Straße zusammenfiel.«; S. 213: »Im Jahre 1900 erkannte er zuerst von uns allen die außerordentliche Gunst des Geländes, die sich einer Straßenanlage bei Benutzung jenes Naturweges darbietet, und ihm kam auch zuerst der Gedanke, daß die antike Straße nur dort entlang gegangen sein könne.« Für weitere Details vgl. F. Hiller von Gaertringen, Ausgrabungen in Griechenland. Vortrag gehalten am 12. November 1900 in der Aula der Universität Rostock zum Besten der Errichtung einer Bismarcksäule (Berlin 1901) 24 f.
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nommen1299, und mit seinen Söhnen Giorgos und Vasili1300 war er in der Folge bis ins hohe Alter für Wilhelm Dörpfeld tätig gewesen1301. Daneben arbeitete die Familie aber auch mit anderen Forschern; u. a. bereiste Angelis Kosmopoulos ab 1887 mit Alfred Philippson die Peloponnes1302 und andere Teile Griechenlands. Mit Wiedereinsetzen der Pergamongrabung 1900 war er dort selbstverständlich wieder dabei1303, ebenso wie bei der dänischen Grabung in Lindos1304 auf Rhodos, bei englischen Grabungen auf Melos1305, noch als über 70-Jähriger1306 1911 wieder mit Hiller von Gaertringen in Arkadien1307 und bei den Ausgrabungen des deutschen Kaisers auf Korfu1308. Sein Sohn Giorgos arbeitete 1900 sicher in Milet dem Landvermesser Paul Wilski zu1309 und genauso wie auch sein Vater war er Vorarbeiter bei den amerikanischen Ausgrabungen in Korinth und an anderen Orten1310. Giorgos heiratete im April 1924 die amerikanische Archäologin AliceL. Walker, die ebenfalls ein enges Verhältnis mit Dörpfeld verband1311. Das alltägliche Verhältnis der in Milet tätigen Wissenschaftler zu ihren Vorarbeitern entsprach also weitgehend einem auch andernorts anzutreffendem Muster, wobei sich für Athanasios Apergis und Antoni noch weitere Details zeigen lassen: Apergis ist der einzige Aufseher, der durch die Fotoalben Knackfuß’, in
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F. Seiler, Institutsreisen, Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst 61/39, 1902, 714. 1300 O. Kern, Zum Orakel des Apollon Koropaios, in: Beiträge zur Alten Geschichte und GriechischRömischen Alterthumskunde. Festschrift Otto Hirschfeld (Berlin 1903) 323. 1301 So war Kosmopoulos auch an den Peloponnesrundreisen des DAI Athens beteiligt: Seiler a. O. (Anm. 1299) 714 f. Vgl. dort auch ausführlicher zu Angelis Kosmopoulos. 1302 A. Philippson, Der Peloponnes. Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage (Berlin 1891) 8. 1303 A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 3 (Berlin 1913) 414 f. 1304 K. F. Kinch, Exploration archéologique de Rhodes (Fondation Carlsberg) par Chr. Blinkenberg et K.-F. Kinch. IIe Rapport, Oversigt over det Kongelige Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger 1904/1905, 70. 1305 Annual Meeting of Subscribers, BSA 17, 1910/1911, 289. 1306 Der über 80-jährige Dörpfeld und der über 90-jährige Kosmopoulos nahmen am 10. April 1937 als Ehrengäste an der feierlichen Wiedereröffnung der Olympiagabung teil: D. M. Robinson – E. P. Blegen, Archaeological News and Discussions, AJA 41/2, 1937, 338. 1307 F. Hiller von Gaertringen – H. Lattermann, Arkadische Forschungen, AbhBerlin 1911, Anhang, 7. 1308 G. Karo, Fünfzig Jahre aus dem Leben eines Archäologen (Baden–Baden 1959) 83. 1309 P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906) 3. In der ersten Kampagne im Herbst 1899 fanden die Untersuchungen zum Verlauf der ›Heiligen Straße‹ stadteinwärts unter der Aufsicht des »Epistaten Angelis« statt (Th. Wiegand, 18.11.1899, GrTB I, 37.). Ein Vorarbeiter dieses Namens ist sonst in den Tagebüchern nicht erwähnt und am 23. Oktober war Friedrich Hiller von Gaertringen von Thera aus nach Milet gekommen (Th. Wiegand, 23.10.1899, GrTB I, 19.), so dass man vermuten könnte, dass sogar Giorgos’ Vater Angelis Kosmopoulos mindestens einmal in Milet mitgearbeitet hatte. 1310 J. C. Lavezzi, Alice Leslie Walker (1895–1954), in: M. Sharp Joukowsky – B. S. Lesko (Hrsg.), Breaking Ground. Women in Old World Archaeology. (6.4.2014). 1311 P. Goessler, Wilhelm Dörpfeld. Ein Leben im Dienst der Antike (Stuttgart 1951) 52.
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denen er mehrfach abgebildet wurde, ein Gesicht bekommt1312. Dort erscheint er in Posen und Motiven, in denen auch die Wissenschaftler abgebildet werden: In westlicher Kleidung hoch zu Pferde (Taf. 24a)1313 und – besonders aufschlussreich – als ›lebender Maßstab‹ im Delphinion (Taf. 24b)1314. Isoliert betrachtet, mag dieses Motiv herabwürdigend erscheinen, doch im Kontext der Ausgrabung Milets, wie sie der fotografische Blick Knackfuß’ dokumentierte, charakterisiert gerade dieses Bild Apergis als geschätzten Mitarbeiter. Es ist der allgegenwärtige Kampf mit dem Wasser, der in diesem wie auch in dem Bild Knackfuß’ und Wiegands auf dem Kopf des überschwemmten Hafenlöwens (Taf. 24c) thematisiert wird. Beide Bilder sind eine humorvolle Auseinandersetzung mit einem Thema, das Wiegand im Tagebuch als frustrierend beschrieb (s. u. Kap. 3.4.3.1.), wobei gerade die Einbeziehung Apergis’ in diesen Spaß für die hohe Wertschätzung spricht, die ihm Knackfuß’ entgegen brachte1315. Etwas anders verhielt es sich mit dem Vorarbeiter Antonis, den Knackfuß zwar nicht in seinem Fotoalbum abbildete, aber auch privat in Smyrna besuchte1316 und in seiner Zeit als zweiter Sekretär der Athener Abteilung des DAI ab 1912 bei den Grabungen im Athener Kerameikos1317 und in Olympia1318 als Vorarbeiter beschäftigte, wofür Antonis jeweils extra von Samos aus anreiste. Ein bemerkenswertes Detail in Bezug auf Antonis ist zudem, dass am griechischen Ostermontag des Jahres 1904 mit »Rücksicht« auf Antonis die Arbeit komplett »ausgesetzt«1319 wurde, da er als einziger Aufseher während des Osterfestes bei den Archäologen verblieben war.
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Es existiert noch ein Foto von Mastro Ianni (Kritikos?) auf der Tempeltreppe von Didyma (Anhang B.1, Nr. 114), allerdings zeigt es ihn lediglich als kleine Gestalt ohne individuelle Züge. 1313 Apergis ist ebenfalls abgebildet auf dem Foto »Transport im Büffelwagen« in J. Althoff, Ein Meister des Verwirklichens. Der Archäologe Theodor Wiegand, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 150. Es zeigt den Fundtransport im Dezember 1903 und ist im Tal zwischen Balat und Akköy etwas oberhalb der Stelle des heutigen Friedhofs aufgenommen worden. Diese Position ist durch die Felsformationen im Bildhintergrund heute noch eindeutig bestimmbar. Apergis ist der zweite von links und von den insgesamt neun abgebildeten Personen ist er der Einzige in westlicher Kleidung. 1314 Entspricht G. Kawerau – A. Rehm, Das Delphinion in Milet, Milet 1, 3 (Berlin 1914) 1 Abb. 1. Dort ist das Foto betitelt »Rundbasis im Hof des Delphinions«. Über den eigentlichen Text gestellt ist das Bild wohl als eine persönliche Anspielung zu verstehen, denn die Rundbasis hat an dieser Stelle keinerlei Relevanz. 1315 Knackfuß besuchte Apergis und andere alte Mitarbeiter später auch privat in Smyrna: H. Knackfuß, 6.6.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, SMK/A 03/127.19. Wiegand hatte 1898 in Smyrna an der Taufe von Apergis’ Sohn Petros teilgenommen: G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 33 f. 1316 H. Knackfuß, 6.6.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1317 H. Knackfuß, 26.3.1914, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19; H. Knackfuß, 30.10.1914, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß SMK/A 03/127.20. 1318 H. Knackfuß, 23.7.1915, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, SMK/A 03/127.20. 1319 G. Kawerau, 11.4.1904, GrTB IV, 4.
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Apergis bildete gemeinsam mit der Haushälterin Katherina (Taf. 25a) und dem Hausdiener Georgi1320 gewissermaßen das örtliche Kernpersonal der Grabung. Die langjährige Haushälterin ist als weibliches Pendant zu Apergis anzusehen und nahm als Verwalterin des Hauses eine ähnlich bedeutende Position ein wie der Vorarbeiter1321. Im traditionellen Verständnis bürgerlicher Lebenswelt des 19. Jahrhunderts ersetzte sie die »Frau des Hauses« für diese Männergesellschaft, die das »Heim« für die von der Arbeit zurückkehrenden Männer bereitete1322. Für diese Aufgabe war sie »das begabteste Frauenzimmer«, das Arnold von Salis »je begegnet« war1323. Ganz konkret übernahm sie die Funktion, die Luise Humann nach dem Tod ihres Mannes für die weiterlaufende Prienegrabung übernommen hatte1324. Aber anders als bei Apergis sind bei Katherina darüber hinaus kaum weitere inhaltliche Angaben aufzufinden. Diese äußerst vielschichtige und langjährige Kooperation der Wissenschaftler mit bestimmten Vorarbeitern wirft ein interessantes Licht auf die Feldforschung um die Jahrhundertwende und auf ihren praktischen Vollzug, denn offenbar war dieses sehr enge Arbeitsverhältnis ein elementares Charakteristikum der Feldarbeit, von dem das Gelingen der Arbeiten unmittelbar abhing.
3.4.2.1. Sorge um die Mitarbeiter nach Abschluss der Arbeiten Während des Ersten Weltkrieges und der anschließenden griechisch-türkischen Konflikte sorgten sich die milesischen Wissenschaftler um das Schicksal ihrer einheimischen Mitarbeiter und unterstützten sie auf vielfältige Art und Weise, auch finanziell. Einige, darunter Katherina und Antoni, hielten sich 1917 zunächst auf Samos auf1325. In der Zeit der griechisch-türkischen Konflikte nach dem Ersten Weltkrieg hielt der Architekt Paul Schazmann1326, der sich als Angehöriger des Internationalen Roten Kreuzes in Smyrna aufhielt, die Archäologen auch über das Schicksal ihrer ehemaligen Mitarbeiter auf dem Laufenden1327: Hasan Çavuş war in Balat geblieben, wo er erblindete und 1923 von seinem Sohn gepflegt wurde. Im selben Brief teilte Paul Schazmann auch den Tod Evangelos 1320
In späteren Jahren scheint noch eine Person namens »Albert« bei den Ausgrabungen beschäftigt gewesen zu sein: H. Knackfuß, 21–23.1.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1321 Auch Katharina wird in den Personenindices nicht erwähnt. Sie erscheint in Wiegand a. O. (Anm. 1315) 69 f. 1322 M. Perrot (Hrsg.), Geschichte des privaten Lebens 4, Von der Revolution zum Großen Krieg (Frankfurt a. M. 1992) 148–152. 1323 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1324 Watzinger 1944, 70. 1325 Vgl. o. Anm. 1295. 1326 P. Collart, Paul Schazmann. Archéologue Suisse. 14 Mars 1871 – 5 Juin 1946, Collection des études de lettres 9 (Lausanne 1946); E. Boehringer, Erinnerungen an Paul Schazmann und Hugo Hepding, in: E. Boehringer (Hrsg.), Pergamon. Gesammelte Aufsätze, PF 1 (Berlin 1972) S. IX– XIX. 1327 P. Schazmann an H. Knackfuß, 27.11.1923, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.06.
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Maimaroglous (s. u.) mit, dem langjährigen Regierungsvertreter bei der Ausgrabung. Katherina und Chrysante Stergiou befanden sich offenbar nach 1918 dauerhaft in Athen, wo Hubert Knackfuß seit 1912 zweiter Sekretär des Institutes war. Theodor Wiegand kümmerte sich 1924, als sich die Lage in der Türkei soweit beruhigt hatte, dass er dorthin reisen konnte, auch um Katherinas Konto bei der »Bank von Salonik«; er teilte Knackfuß mit, auf welchem formalen Weg Katherina das dort gesparte Geld zurück erlangen könne1328. Auch nachdem Knackfuß 1919 eine Professur in München angetreten hatte, sorgte er noch für Katherina; belegt sind Zahlungen im Jahr 19301329. Zu diesem Zeitpunkt überlegte sie, mit Athanasios Apergis zusammenzuziehen, dafür reichten aber offensichtlich die Mittel der beiden nicht aus. Katherina starb am 15. April 1932 in Athen1330.
3.4.3. Wissenschaftler Für Otto Benndorf gehörte 1893 auch »der von der türkischen Regierung bestellte Commissär«1331 zum Personal einer Grabung, und in den Grabungstagebüchern finden sich Hinweise für eine weitergehende Kooperation des Regierungsvertreters mit den deutschen Archäologen: Dabei ist in Milet neben Macridy Bey in der ersten Kampagne, hauptsächlich die Tätigkeit Evangelos Maimaroglous (Taf. 29b) gesichert. Er führte im Winter 1903/04 in Didyma Aufnahmearbeiten für die Grabung durch1332, regelte 1905 die Formalitäten von Grundstücksankäufen1333 und regte eine Grabung auf dem Kiliktepe an, wo er neolithische Funde gemacht hatte1334.
1328
Th. Wiegand an H. Knackfuß, 7.12.1924, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500: »Natürlich ist es Papiergeld geworden, das schoene & sauer ersparte Gold.« Der Kontostand betrug ohne Zinsen 349,63 Ltq. (Osmanische Lira). Dieser Betrag hätte ca. 5.300 Reichsmark in Gold entsprochen (Umrechnung nach einer Wechseltabelle der Währungen im Goldstandard in H. K. Brooks, Brooks' Foreign Exchange Text Book. An Elementary Treatise on Foreign Exchange and the Monetary Systems of the World (Chicago 1906) 72.). Katharina hatte also eine erhebliche Summe Geld sparen können, die dann durch den Ersten Weltkrieg und die anschließenden Ereignisse stark entwertet wurde. 1329 G. Karo an H. Knackfuß, 24.6., 20.9., 8.12.1930, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11. 1330 G. Karo an H. Knackfuß, 16.4.1932, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.11 1331 Vgl. Anm. 74. 1332 G. Kawerau, Winter 1903/1904, GrTb III, 63: »In Didyma soll zur Festlegung unseres Besitzes sowie für weiteres Vorgehen eine Aufnahme des Dorfes gemacht werden, die den Tempel und seine Umgebung umfaßt. Diese Arbeit wird Herrn Meïmaroglu übertragen.« G. Kawerau, 17.12.1903, GrTb III, 65. 1333 G. Kawerau, 6.10.1905, GrTb V, 81. 1334 E. Pernice, 14.-22.11.1909, GrTb »Nekropole«, o. S.; Th. Wiegand, Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1911, Anhang 4 f.
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3.4.3.1 Der Grabungsleiter – Theodor Wiegand Für die Äußerungen Wiegands spielt eine sorgfältige Quellenkritik eine besondere Rolle, denn bei näherer Betrachtung erweist sich, dass selbst das von ihm anscheinend privat entworfene Selbstbild stets einer sehr sorgsamen Filterung und Selektion unterlag. Sein umfangreiches persönliches Tagebuch begann erst im zweiten Band als tatsächlich chronologisch erfolgte Aufzeichnung1335, und die Ereignisse der Anfangsjahre in Milet sind eine offensichtlich im Nachhinein verfasste kontinuierliche Erzählung. Dabei ermöglicht ein Eintrag des milesischen Grabungstagebuches vom 7. November 1903 einmal die Möglichkeit, hinter diesen sorgfältig gewebten Schleier zu schauen und einen Blick auf Wiegands Verständnis seiner amtlichen Tätigkeit in Milet zu erhaschen: Die Ausgrabungen von Milet sind in diesem Jahre noch complicierter & schwerer wie jemals früher. Gräbt man an Stellen mit viel Verschüttung, so ist viel Aufwand, Geduld und Anstrengung nötig, der Sachbestand in der Regel sehr durch spätere Epochen verhüllt und entstellt. Gräbt man an den Höhen, so ist der kahle Fels bald da und das meiste verschwunden. Da mag der Teufel Ausgrabungsleiter sein. [Hervorhebung Wiegand] Führt uns ein böser Geist im Kreis herum? Die Oberfläche der Stadt verrät fast nie etwas vor Beginn der Grabung und auch das scharfsinnigste Combinieren hat hier seine Schranken. Am meisten bieten bisher noch die niedrigsten Teile der Stadt. Aber hier der ewige Kampf mit dem Grundwasser. Dabei weiss man genau, dass wir nicht Sieger bleiben können gegen solche Naturkräfte. Die Ausgrabung wird sich niemals gut darbieten. Das meiste wird wieder untergehen, wie in Magnesia1336.
Dieser emotionale Ausbruch könnte als Folge einer besonders anstrengenden Arbeitswoche abgetan werden, allerdings ist eine so ausführliche persönliche Äußerung wirklich singulär in den Grabungstagebüchern, die offizielle Dokumente waren. In ihnen sollte das »Wesentliche« des Arbeitsfortschrittes dokumentiert werden1337 und sie mussten regelmäßig kopiert, und an die Vorgesetzten in Berlin weitergeleitet werden. Wiegands pessimistische Sicht der Lage passt inhaltlich überhaupt nicht zur tatsächlichen Situation in jener Kampagne, die gerade zu diesem Zeitpunkt einem gut geschmierten Motor glich und auf allen Ebenen höchst erfolgreich verlief: Die Nekropolensuche war im Gang, eine höchst ertragreiche Fundstelle, das »Greifennest«, die später als Athenatempel identifiziert wurde, lieferte eine bis dato einmalige Dichte archaischer Funde und Befunde in situ, aus der »Gothenmauer« kamen weiterhin in großer Zahl exzeptionelle Skulpturenfunde und die Grabung im Stadtzentrum erbrachte nicht nur neue Erkenntnisse zur Topographie, sondern auch die Entdeckung der Staatsverträge u. ä. im Delphinion. Von diesen letztgenannten Ergebnissen berichtete Wiegand dann auch stolz Hans 1335
TB Wiegand 1, NL Wiegand, DAI, Kasten 22. Th. Wiegand, 7.11.1903, GrTb III, 34. 1337 Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 103 f. 1336
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Schrader in einem Brief am folgenden Tag1338. Die Gründe für Wiegands Einlassung müssen anderswo liegen: Im Sommer 1903 war er das erste Mal zwei Monate lang schwer an Malaria erkrankt1339, und am Beginn der Kampagne hatte Wiegand telegraphisch vom Selbstmord seines und Schraders »lieben Prienekameraden«1340 Hans von Prott erfahren, der sich in seinem Zimmer im Athener Institut erschossen hatte. Ein ausführlicher Nachruf Schraders schilderte eindringlich, wie sehr sich von Prott durch seine Hilfsarbeiterstelle am DAI Athen in Anspruch genommen fühlte und nur »in großen Zwischenräumen« »eigene wissenschaftliche Arbeiten ausführen« konnte, die »Höhepunkte des Daseins« waren, in denen er »mit erstaunlicher Leichtigkeit produzierte.«1341 Wiegand konnte die Verzweiflung von Protts ähnlich gut nachvollziehen wie Schrader und sah immer weniger Raum für selbstständige wissenschaftliche Forschung1342 neben seinen so erfolgreichen und zeitraubenden Leitungsaufgaben in Milet, zu denen es auch gehörte, die immer zahlreicher werdenden Besucher der Ausgrabung zu unterhalten. Anders als von Prott verfügte Wiegand aber aufgrund seiner höheren beruflichen Stellung über einen etwas erweiterten Handlungsspielraum, der es ihm ermöglichte, dem auf ihm lastenden Druck teilweise auszuweichen: Er war in der privilegierten Position, Arbeiten delegieren zu können1343, und es hat zu diesem Zeitpunkt den Eindruck, dass er sich selbst kaum noch aktiv an der eigentlichen Ausgrabungsarbeit in Milet beteiligte. Freie Zeit nutzte er für vielfältige Aktivitäten außerhalb: Drei Wochen vor dem zitierten Tagebucheintrag hatte Wiegand mit seiner Frau und Hermann Knackfuß, dem Bruder des Architekten, noch eine mehrtägige Exkursion in das Mykale-Gebirge unternommen und dabei neue wissenschaftliche Daten sammeln können1344 und zwei Tage vorher untersuchte er ausführlich den Verlauf des ›Heiligen Weges‹ von Milet nach Didyma1345. Doch konnte er dem Arbeitsalltag eines auswärtigen Direktors nicht dauerhaft entfliehen: In der folgenden Arbeitswoche traf die Genehmigung zur Ausfuhr der Funde in Milet ein und Wiegand ging dazu über, die Tagebucheintragungen nicht mehr täglich vorzunehmen, sondern Wochenberichte zu verfassen. Neben der intensiven Grabungstätigkeit, die weiter lief, mussten nun Personal und wertvolle Arbeitszeit dafür verwendet werden, tonnenschwere Funde in insgesamt 165 Kisten zu verpacken und ca. 10 Kilometer auf Feldwegen zum nächsten schiffbaren Hafen am Kap Plaka, dem heutigen Taş Burun, zu transportieren. Dies war rein technische Arbeit, die zwar zur Aufrechterhaltung der Finanzierung notwendig 1338
G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 55 f. Watzinger 1944, 112. 1340 Th. Wiegand, Milet, Herbst 1903, GrTb III, 1. 1341 H. Schrader, Hans von Prott, Biographisches Jahrbuch für Altertumskunde 1905, 7. 1342 Watzinger 1944, 206 f. 1343 Watzinger 1944, 116: »Man muß verstehen, andere für sich arbeiten zu lassen. Wo wäre ich hingekommen, wenn ich alles hätte allein machen wollen!«. 1344 Wiegand a. O. (Anm. 1338) 50–53. 1345 Th. Wiegand, 5.11.1903, GrTb III, 31 f.; Th. Wiegand, Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905,547. 1339
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war, aber für die Feldarchäologie wie Wiegand sie verstand, darüber hinaus keinen unmittelbaren Nutzen brachte, sondern im Gegenteil in hohem Maße Zeit und Arbeitskraft band. Bis zum 29. November waren erst 33 Kisten zur Anlegestelle überführt worden. An diesem Tag übernahm Georg Kawerau die Leitung in Milet und Wiegand reiste mit Knackfuß bis zum 6. Dezember nach Pergamon1346. Erst am 10. Dezember war der Kistentransport abgeschlossen und nebenher hatte Wiegand mit ersten Grundstücksankäufen in Didyma begonnen1347. Diese kleine Betrachtung des näheren ereignisgeschichtlichen Umfelds einer ungewöhnlichen Tagebucheintragung zeigt deutlich zwei Dinge: Zum einen, dass der auswärtige Direktor in einem durch äußere Bedingungen vorgegebenen engen Handlungsspielraum agieren musste, und zum anderen, dass Wiegand immer wieder nach Wegen suchte, um über seine engeren Dienstaufgaben hinaus eigenständige wissenschaftliche Akzente zu setzen1348. Mit Blick auf die Miletgrabung ist das beharrliche Engagement Wiegands für eine Ausgrabung im Heraheiligtum1349 auf Samos1350 besonders aufschlussreich, mit der er sich vielleicht in die Gruppe der ›Inselforscher‹ in der Tradition Friedrich Hiller von Gaertringens einreihen wollte: Die Arbeiten zu einem Katalog der Skulpturen des samischen Museums hatte er schon 1896 aufgenommen1351, und Planungen für eine Ausgrabung auf der Insel hatten spätestens im Herbst 1897 begonnen1352. Die Idee zu diesem Forschungsvorhaben mochte aus der Erfahrung resultieren, dass eine Heiligtumsgrabung dort aufgrund des genauer definierten Grabungsobjektes viel eher als eine Stadtgrabung geeignet war, zielgerichtet bestimmte Forschungsfragen zu beantworten. Da an den Berliner Museen ein ähnlich begründetes Interesse an Didyma vorhanden war, lohnt ein Blick auf die Unterschiede der beiden Vorhaben. Beide Projekte haben eine deutliche Zielrichtung auf archaische Funde und Befunde, wobei beide Plätze einen monumentalen Tempelbau aufweisen und an beiden Stellen schon archaische Bildwerke gefunden worden waren. Allerdings handelte es sich bei der in Didyma erhaltenen Ruine um ein hellenistisches Bauwerk, während sich für den Tempel auf Samos durch die Voruntersuchungen Carl Humanns (1862), Paul Girards (1879) und der griechischen Archäologi-
1346
G. Kawerau, 29.11.1903, GrTB III, 49. Th. Wiegand, 8.–11.12.1903, GrTB III, 59–61. 1348 Vgl. auch seine im Hochsommer 1906 durchgeführte kleine Grabung in Gebze (Libyssa) auf der Suche nach dem Grab des karthagischen Feldherren Hannibal: Th. Wiegand, Zur Lage des Hannibalgrabes, AM 27, 1902, 321–326; Th. Wiegand, Hannibals Grab, Bosporus. Mitteilungen des Deutschen Ausflugsvereins »G. Albert« N. F. 3, 1907, 60–84. Osman Hamdi Bey hatte in unmittelbarer Nähe seinen Landsitz: Watzinger 1944, 180. 184. 1349 H. J. Kienast, Wege und Tore im Heraion von Samos, in: J. Cobet – V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandsaufnahme, PanionionSymposion Güzelçamlı 26. September – 1. Oktober 1999, MilForsch 5 (Mainz 2007) 201–210. 1350 Watzinger 1944, 154–162. 1351 Th. Wiegand, Antike Skulpturen in Samos, AM 25, 1900, 145–214. 1352 Watzinger 1944, 76 f. 155. 1347
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schen Gesellschaft (1902/1903) schon erwiesen hatte1353, dass er nicht nur archaisch war, sondern seine Reste tatsächlich – wie es die Erwähnung Herodots erwarten ließ1354 – einen der Höhepunkte der ionischen Architektur darstellten1355. Eine Ausgrabung des Heiligtums auf Samos hätte also mit viel größerer Sicherheit wesentliche Erkenntnisse zu wissenschaftlichen Fragestellungen der archaischen Zeit erbracht. Zudem war durch Johannes Boehlaus Nekropolengrabung auf Samos ein wissenschaftliches Bezugssystem geschaffen worden, in das die Kleinfunde aus einer Heiligtumsgrabung eingeordnet werden konnten. Es scheint sich also in Wiegands beharrlichem Einsatz für eine Ausgrabung des Heraheiligtums – ganz vergleichbar zu Humann und Milet, wenn auch mit unterschiedlicher Zielrichtung – das Interesse eines praktisch tätigen Feldarchäologen zu manifestieren, der aufgrund seiner Erfahrung für die Beantwortung einer bestimmten wissenschaftlichen Fragestellung den aus grabungstechnischer Sicht am besten geeigneten Ort aussuchen möchte. Im zeitlichen Ablauf seiner Bemühungen um die Ausgrabung des Heraheiligtums fällt auf, dass Wiegand 1906, dem Jahr, als die Grabung in Didyma begann und in Milet die Nekropolensuche verstärkt angegangen wurde, auch die Einwerbung von Drittmitteln für Samos gelang1356. Die Leitung und praktische Ausführung der Arbeiten in Didyma konnte Wiegand zwar erfolgreich an seine Architekten delegieren1357, wodurch ihm selbst theoretisch die Zeit für die Arbeiten in Samos geblieben wäre, aber lang anhaltende politische Unruhen auf der Insel verhinderten zunächst die praktische Umsetzung. Erst im Herbst 19091358, als Wiegand schon fest mit einer »selbstständigen Stellung«1359 in Berlin rechnete, konnten die Arbeiten auf der Insel beginnen, die in der Folge bis 1914 von Martin Schede und Armin von Gerkan fortgeführt wurden. Vor dem Hintergrund des voraussichtlich schlechteren Erhaltungszustandes der archaischen Reste unter dem späteren Didymeion und der nicht erfolgreichen Suche nach einer archaischen Nekropole in Milet musste eine Erforschung des samischen Heiligtums äußerst wünschenswert erscheinen, denn auf Samos waren sicher fundierte Kenntnisse zu historisch bedeutender, monumentaler, archaischer Architektur zu erwarten, und ohne eine archaische Nekropole in Milet verfügten die Wissenschaftler über kein lokal entwickeltes Ordnungssystem für archaische Kleinfunde. Die Ausgrabung auf Samos hätte also ein benachbart gele1353
Th. Wiegand, Erster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos, AbhBerlin 1911, Anh. 5, 4–6. 1354 Hdt. 3, 60. 1355 4 G. Gruben, Die Tempel der Griechen (München 1986) 324–340. 1356 Watzinger 1944, 156 f. 1357 Watzinger 1944, 139 verstand darunter in der Hauptsache Hubert Knackfuß, aber auch Georg Kawerau war bis zu seinem frühen Tod 1909 intensiv an der Didymagrabung beteiligt. 1358 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 131: »Zwölf Jahre habe ich arbeiten müssen, um dahin zu kommen. Es lebe die Zähigkeit!« Wiegand an seine Frau am 22. Juni 1909. 1359 Watzinger 1944, 212.
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genes, architektonisches Vergleichsobjekt ergeben, das eine weitaus bessere Erhaltungssituation erwarten ließ, und durch eine Vermehrung des Bestandes an Kleinfunden auch die engere Vernetzung der milesisch-didymeischen Funde mit den Boehlau’schen Erkenntnissen ermöglicht hätte1360. Durch die Verzögerung der Ausgrabungspläne für Samos ergab es sich, dass Wiegand als designierter Nachfolger Kekulés1361 die Unternehmung in viel größerem Umfang als in Milet und Didyma selbst gestalten konnte. Als er dann 1911 tatsächlich Direktor der Antikensammlung geworden war, konnte Wiegand dieses Projekt auf Samos 1914 in die Obhut des DAI geben, das es seitdem auch als verantwortliche Institution trägt1362. Noch im November 1923 bezeichnete er Knackfuß gegenüber die soeben zurückgegebenen Grundstücke1363 als sein »Eigentum«1364 und verband mit der guten Nachricht die Bemerkung, dass ihnen jetzt »nur noch das Geld zum Hinreiten & Graben« fehle. Mit der Grabung auf Samos begegnet also ein Projekt, dessen Ausgestaltung im Gegensatz zu Milet und Didyma ganz eindeutig die Handschrift Wiegands trägt. Dabei fällt im Gegensatz zu Milet auf, dass sie durch das Objekt viel enger eingegrenzt war, und im Gegensatz zu Didyma, dass diese samische Ausgrabung wissenschaftlich sachlicher begründet erscheint, weil sie sich an den Gegebenheiten vor Ort orientierte. Für die eine der beiden wissenschaftlichen Hauptproblemstellungen, die in Milet angegangen worden waren, die vorklassische Zeit, wäre der Heratempel auf Samos aus der Sicht des praktisch tätigen Klassischen Archäologen Wiegand der weitaus geeignetere Grabungsort gewesen. Die Grabung im Heraion von Samos nahm dann 1925 Ernst Buschor1365 im Namen der Athener Abteilung des DAI wieder auf. Mit den nun zur Verfügung stehenden neuen Grabungsmethoden konnten die Kenntnisse zu diesem Heiligtum wesentlich erweitert werden, so dass das Heraion tatsächlich zu einer Schlüsselgrabung für die allgemeinen Kenntnisse zur archaischen Zeit wurde1366. Wiegand hatte also mit seiner programmatischen Einschätzung recht behalten, wenn er auch diese Grabung nicht selbst fortsetzte und sich persönlich 1927 für eine Neuaufnahme der Pergamongrabung entschied, bei der von vornherein andere Forschungsfragen im Vordergrund standen. Dies entspricht der Einschätzung 1360
Vgl. Anhang A.6: »Wer je Milet oder Samos besucht hat, weiss, wie nah sich das alles liegt.« Schon im Mai 1908 hatte Kaiser Wilhlem II. Wiegand die Nachfolge Kekulés garantiert. Am 22. März 1911 verstarb Kekulé und Wiegand wurde zum 1. Juli Leiter der Antikenabteilung: Watzinger 1944, 214. 257 f. 1362 Ein ähnliches Phänomen begegnet bei seinen Plänen für das Zeusheiligtum im nordgriechische Dodona, das Wiegand im Frühling 1908 im Hinblick auf eine Ausgrabung inspizierte und das 1913 zunächst an die Athener Abteilung fiel, von dort aus dann allerdings nicht realisiert werden konnte. Watzinger 1944, 196 f. 1363 Watzinger 1944, 162. 1364 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 11.11.1923, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1365 K. Schefold, Ernst Buschor. 1886–1961, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 234 f. 1366 K. Schefold, Die Klassische Archäologie nach dem Ersten Weltkrieg, in: H. Flashar (Hrsg.), Altertumswissenschaften in den 20er Jahren. Neue Fragen und Impulse (Stuttgart 1995) 185 f.; DNP XV 2 (2002) 1054–1061 s. v. Samos (H. Kienast). 1361
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Wiegands wissenschaftlicher Persönlichkeit durch Gerhart Rodenwaldt1367, wonach Wiegand die »Kleinkunst der Schichtengrabung … persönlich nie interessiert« hätte, »so sehr er ihre Bedeutung« anerkannt und »ihre Ausführung durch andere unterstützt« hätte. Eine etwas pathetisch anmutende Begründung für Wiegands persönliche Entscheidung für Pergamon konstruierte Carl Watzinger daraus, dass Wiegand 1926 »endlich auf das Vermächtnis Conzes zurückkommen« konnte1368, das dieser 1898 dem jungen Wiegand als »Testament«1369 angetragen haben sollte1370. Tatsächlich erwähnte Watzinger die beiden gemeinsam von Alexander Conze und Hans Schrader 1897 auf dem Winckelmannsfest gehaltenen Vorträge an unterschiedlichen Stellen1371, so dass in seiner Darstellung nicht klar wurde, dass anlässlich dieses Festes Conze und die jungen Ausgräber schon längst konzertiert an der gemeinsamen Sache gearbeitet hatten. Die äußeren Gründe für den Wiederbeginn der Pergamongrabung teilte Watzinger dann ein paar Sätze später mit1372: Als »Vorsitzender des Fachausschusses für Kunstwissenschaft« hätte sich Wiegand bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft1373 ab 1921 dafür eingesetzt, dass »alte Unternehmungen, die aus Mangeln an Mitteln eingestellt waren,« wieder aufgenommen wurden. Es war tatsächlich die explizite Politik der Notgemeinschaft, dass sie »nur solche Unternehmen unterstützen« wollte, bei denen »die Aufsuchung großer Zusammenhänge maßgebend« sei und eine »Mustergültigkeit der Durchführung« erwartet werden konnte; dabei sollte grundsätzlich die Förderung des Abschlusses der Vorkriegsgrabungen Vorrang vor neuen Projekten genießen1374. Dazu gehörten u. a.1375 eine Reihe der in dieser Arbeit thematisierten Projekte1376 ebenso wie die Förderung der Ab1367
G. Rodenwaldt, Gedächtnisrede des Hrn. Rodenwaldt auf Theodor Wiegand, SBBerlin 1937, CXXXIX (Sitzung vom 1.7.1937). Rodenwaldt verfasste auch eine interessante Rezension zu Carl Watzingers Wiegand-Biographie, die posthum veröffentlicht wurde: G. Rodenwaldt, Gnomon 23, 1951, 113 f. 1368 Watzinger 1944, 412. 1369 Mit diesem Wort soll laut Watzinger Conze 1898 Wiegand seinen Vortrag (A. Conze, Pro Pergamo. Vortrag gehalten in der Berliner Archäologischen Gesellschaft am 9. December 1897 (Berlin 1898)) überreicht haben. Dieser ist ebenfalls abgedruckt bei: H. A. Stoll (Hrsg.), Reisen deutscher Archäologen in Griechenland, Kleinasien und Sizilien (Berlin 1979) 475–492. 1370 Watzinger 1944, 76. 1371 Schraders Priene-Vortrag: Watzinger 1944, 96. 1372 Watzinger 1944, 356 f., 413. 1373 N. Hammerstein, Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–1945 (München 1999). 1374 J. Kirchhoff, Wissenschaftsförderung und forschungspolitische Prioritäten der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 1920–1932 (Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 2003) 243 m. Anm. 697. (6.4.2014). 1375 Die Forschungsförderung von Ausgrabungsprojekten durch die Notgemeinschaft ging weit über den engeren Rahmen der Klassischen Altertumswissenschaften hinaus. Vgl. Kirchhoff a. O. (Anm. 1374) 242–244. 1376 Th. Wiegand, Ausgrabungen und topographische Altertumsforschung, Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 5, 1928, 14–32 bes. die Kapitel: Tiryns, S. 19 f.; Prähistorische Grabungen in Ägina, S. 20–22; Wiederaufnahme der Grabungen in Ephesos, S. 22–24; Beendigung der Ausgrabung des Orakeltempels von Didyma, S. 24–26; Die Wiederaufnahme der Ausgrabungen von Pergamon, S. 26 f.
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schlusspublikation des koischen Asklepieions 19221377 und die Wiederaufnahme der Ausgrabungen in Larisa am Hermos1378. Durch die Funde der Kampagne 1902 in Larisa war klar, dass dieser Ort tatsächlich wesentliches zu ähnlichen übergeordneten Fragestellungen wie Samos beitragen konnte, während das koische Asklepieion mit einem alten Desiderat der Forschungen in Pergamon in Beziehung gesetzt werden konnte, das Wiegand nach Wiederaufnahme der Grabung dort auch direkt erwähnte1379 und das ab der nächsten Kampagne dann auch tatsächlich ausgegraben wurde. Man könnte also sagen, dass Wiegand für die Beantwortung von Forschungsfragen zur Archaik als Wissenschaftsadministrator nach dem Ersten Weltkrieg Ausgrabungen an den Plätzen gefördert hat, die aus Sicht eines Ausgräbers am Besten dazu geeignet waren, derartige Fragen zu beantworten. Gleichzeitig brachte er selbst, nunmehr durch die Notgemeinschaft von den einengenden Finanzierungsbedingungen der Berliner Museen befreit, die deutsche Pergamongrabung wieder auf den Weg1380. Dort hatte die systematische Erforschung hellenistischer Stadtanlagen für die Deutschen ihren Ausgang genommen, und aus der Sicht des praktischen Ausgräbers waren an diesem gut durchforschten Ort mit einer besonderen historischen Bedeutung und guten Erhaltungsbedingungen noch wesentliche Forschungsfragen zu beantworten; mit der Publikation des koischen Asklepieions war zudem frühzeitig ein möglicher Vergleich für das in Pergamon noch auszugrabende Heiligtum des Asklepios auf den Weg gebracht worden, so dass eine sinnvolle Verknüpfung der Mittelverwendung wahrscheinlich war. Oben wurde in der Diskussion zu den archaischen Dachterrakotten eine mögliche Erklärung in Aussicht gestellt für den merkwürdigen Umstand, dass zu Wiegands Lebzeiten keine ernsthaften Versuche unternommen wurden, die archaischen Kleinfunde aus den Grabungen in Milet vorzulegen oder sogar Nachgrabungen durchzuführen, obwohl die Grabungspublikationen zu Milet bis zu 1377
P. Schazmann, Asklepieion. Baubeschreibung und Baugeschichte, Kos. Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen und Forschungen 1 (Berlin 1932); Watzinger 1944, 357 f. Zunächst hatten Wiegand und Knackfuß mit Rudolf Herzog das weitere Vorgehen besprochen. Anschließend fertigte Armin von Gerkan ein Gutachten über die bisher vorliegenden Bauaufnahmen in Giessen an und schließlich führte Paul Schazmann, als langjähriger Mitarbeiter der Pergamongrabung die abschließenden Arbeiten auf Kos aus. Vgl. dazu: H. Knackfuß an A. von Gerkan, 2.5.1922, NL von Gerkan, Miletarchiv Bochum. 1378 J. Boehlau – K. Schefold (Hrsg.), Die Bauten, Larisa am Hermos. Die Ergebnisse der Ausgrabungen 1902 – 1934 1 (Berlin 1940) S. XII f. 1379 Th. Wiegand, Bericht über die Ausgrabungen in Pergamon 1927, AbhBerlin 3, 1928, 4. 1380 Gegenüber seinem langjährigen Mitarbeiter Albert Rehm machte Wiegand im Mai 1932 (Th. Wiegand an A. Rehm, 29.5.1932, NL Rehm) einen bemerkenswerten kleinen Scherz, indem er als Ortsangabe auf einem Brief folgende Bezeichnung verwendete: »Bergama, Kl. Asien, Assari atika hafriati« (Etwa: auf die Antiken bezogene Ausgrabung). Die Verwendung der türkischen Ortsbezeichnung mit einer an den Namen der alten osmanischen Antikenverordnung angelehnten Bezeichnung für die Grabung (s. o. Kap. 2.2.2.) könnte darauf hindeuten, dass Wiegand gegen Ende seiner letzten persönlich geleiteten Grabungskampagne in der Türkei nunmehr der Ansicht war, dass es ihm schließlich unter den demokratischeren Finanzierungsbedingungen in Deutschland und den konsolidierten Verhältnissen der Türkischen Republik doch gelungen war, eine wissenschaftliche Ausgrabung im besten Sinne realisiert zu haben.
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seinem Tode kontinuierlich weiter geführt wurden. Tatsächlich hätte Milet zu wissenschaftlichen Einzelfragen von einiger Tragweite beitragen können, worauf etwa Hans P. Laubschers Rezension des Larisa-Bandes zu den architektonischen Terrakotten hingewiesen hatte1381 und es die späteren Forschungen in Milet dann eindrucksvoll bewiesen1382. Aber aufgrund des in Milet nötigen Aufwandes, schien es vielleicht dem Pragmatiker Wiegand angesichts endlicher Mittel sinnvoller, lieber die Forschung zur archaischen Zeit an geeigneteren Orten weiter voranzutreiben und für die Forschungen zur griechischen Stadt lieber die Grabung an dem Ort wieder zu verstetigen, der am längsten von den deutschen Feldarchäologen untersucht worden war und gute Vorbedingungen für weitergehende praktische Forschung bot.
3.4.3.2. Der Architekt – Hubert Knackfuß Carl Watzinger schrieb Hubert Knackfuß »neben Wiegand das größte Verdienst an dem wissenschaftlichen Erfolg der Grabung« zu1383. Für Milet relevantes Material in seinem Nachlass1384 besteht neben den Fotoalben (Anhang B)1385 aus seinen Tagebüchern1386, zahlreichen Korrespondenzen, weiteren Dokumenten und einigen meist handschriftlichen Gedichten Georg Kaweraus (Anhang C). Die einzelnen Teile dieses Ensembles sind untereinander und mit anderen zeitgenössischen Zeugnissen inhaltlich so intensiv verflochten, dass sie es erlauben, ein nachprüfbares und differenziertes Bild der Ereignisse jenseits der aus der wissenschaftlichen Dokumentation der Grabung, den Fachpublikationen und der biographischen Erinnerungsliteratur zu rekonstruierenden Fakten zu zeichnen, das das Verständnis wesentlich vertiefen kann. Das im Nachlass versammelte Material zeigt, dass Knackfuß sein Leben und seine Arbeit sehr diszipliniert und systematisch dokumentierte: Neben umfangreichen Katalogen zu seinen Fotoalben1387 führte er später auch sorgsam Buch über seine Korrespondenz1388 und hatte Verzeichnisse seiner Kunstsammlungen1389 angelegt. In den Tagebüchern dokumentierte Knackfuß zunächst in sehr knapper Form seine Beschäftigungen während des Tages; Reflektionen oder Artikulatio-
1381
H. P. Laubscher, Gnomon 39/6, 1967, 613. V. von Graeve, Milet, in: W. Radt (Hrsg.) Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes. Internationales Symposion 6./7. August 2004 in Bergama, Byzas 3 (Istanbul 2006) 241–261. 1383 Watzinger 1944, 116. 1384 J. Westerburg, Von Brotterode nach Milet. Der Nachlaß des Archäologen Hubert Knackfuß im Stadtmuseum Kassel, AW 2005/1, 52–54. 1385 Zur Bedeutung und Einschätzung der Fotoalben vgl. dort. 1386 NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.10-47. 1387 NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.01. 1388 NL Knackfuß. SMK/A 03/0127.09. Zeitraum 1931–1946. 1389 NL Knackfuß. SMK/A 03/0127.10. 1382
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nen persönlicher Ansichten kommen bis etwa 1907/08 sehr selten vor1390, nehmen dann aber kontinuierlich zu. Das erste Tagebuch aus der Zeit in Milet enthält nur streckenweise kontinuierliche Eintragungen1391, und erst mit dem folgenden Band begann Knackfuß ab dem 15. August 1904 mit kontinuierlichen Eintragungen, die sich lückenlos(!) bis über das Ende des hier berücksichtigten Zeitraumes hinaus fortsetzen1392. Insbesondere für die Zeit nach 1907 sind die Tagebücher auch als sozialgeschichtliche Quelle von Belang. So verbrachte Knackfuß den Abend des 12. September 1908 mit »Pernice, Krischen, Lyncker und Meimaroglu« in Smyrna im Kinematographen1393. Dieser Kinobesuch ist ein bemerkenswertes alltagsgeschichtliches Detail, weil Knackfuß von nun an regelmäßig die Besuche des Kinematographen notierte, so dass sich dieses Freizeitverhalten über einen längeren Zeitraum verfolgen lässt. Dabei fällt auf, dass er 1910 auf der gemeinsamen Fahrt mit Wiegand und seiner Kasseler Familie nach Milet ebenfalls in Smyrna den Kinematographen besuchte1394. Erst danach wurden dann auch regelmäßig Kinobesuche in Kassel – der Erwachsenen allein und mit den Kindern1395 – als eine mögliche Freizeitbeschäftigung1396 notiert, so dass vermutet werden kann, dass die Familie diese Neuerung vielleicht in Smyrna kennengelernt hatte. Neben dem gemeinschaftlichen Kinobesuch mit anderen Personen, der weiterhin regelmäßig vorkam, nutzte Knackfuß später den Kinematographen auch allein zur »Erholung«1397 und Ablenkung, aber auch aus »Missstimmung«1398 und »Trübsinn«1399; während des Krieges diente er ihm sogar zur »Gedankentötung«1400. Diese Besuche allein traten dann mehrmals gedrängt auf, so etwa in den ersten Monaten nach 1390
A. von Salis an die Eltern, 21.9.1906, NL von Salis: »Baumeister Knackfuss, … – der Bruder des Kunstmalers, der dem Kaiser seine Helden ausführt – ist ein wenig gesprächiger Mann; seinen unglaublichen Fleiss, seine schönen Leistungen und gediegenen Kenntnisse respektiere ich sehr.« 1391 NL Knackfuß. SMK/A 03/0127.12. Zeiträume: 8.10.–22.10.1901, 17.9.–6.10.1902, 16.5.– 5.6.1903, 6.5.–14.8.1904. 1392 Die Tagebücher wurden bis einschließlich Januar 1917 vollständig auf Bezüge zu Milet geprüft (NL Knackfuß, SMK/A 03/127.12-21.). 1393 H. Knackfuß, 12.9.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1394 H. Knackfuß, 14.9.1910, 1910 (1/III) bis 1911 (21/I), TB 7, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.17. 1395 H. Knackfuß, 3.1.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. 1396 Ansonsten boten sich in Kassel der Besuch des Theaters, von Ausstellungen, und des Zirkus’ neben Spaziergängen im näheren Stadtgebiet und regelrechten Wanderungen bzw. Ausflügen (u. a. zum beliebten Ausflugsziel Burg Hanstein bei Witzenhausen und den Externsteinen) an. Daneben besuchte Knackfuß häufig auch seinen Bruder im Atelier und verbrachte Tage in der Bibliothek. 1397 H. Knackfuß, 16.1.1914, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1398 H. Knackfuß, 5.6.1914, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1399 H. Knackfuß, 30.3.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1400 H. Knackfuß, 4.5.1916, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20.
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Dienstantritt in Athen1401, als Knackfuß offenbar abgesehen von seinem Kollegen Georg Karo noch keine gesellschaftlichen Kontakte hatte knüpfen können. Insgesamt betrachtet führte Knackfuß in den Jahren von 1901 bis in den Ersten Weltkrieg hinein ein nomadisches Wanderleben innerhalb des Dreiecks Kassel, dem Wohnort seines Bruders, Italien1402 und Milet. Der Begriff »nomadisch« ist hier im engeren Wortsinne verwendet, da sich ein gewisser Rhythmus bei seinen Reisen einstellte: Von Milet aus reiste er gewöhnlich nach Beendigung der Frühjahrskampagne im Juni zuerst nach Italien, wo er meist einen längeren Aufenthalt einlegte. Dort besichtigte er regelmäßig Museen und hauptsächlich Baudenkmäler, wofür er seine Reiserouten auch so variierte, dass er möglichst unterschiedliche Orte zu Gesicht bekam. In Kassel verbrachte er den Sommer im Haushalt seines Bruders, wo er meist die Endarbeiten an seinen Arbeiten aus den Ausgrabungen ausführte. Ende August führte die Reise nach Milet mehrmals zuerst nach Frankfurt, wo er einen kurzen Zwischenstopp einlegte, um mit Julius Hülsen die Nymphäumspublikation zu besprechen1403. Von dort aus ging es wieder über Italien per Schiff in die Türkei, wo nun die Herbstkampagne bevorstand. Die Kampagne in Milet endete meist im Dezember, aber Knackfuß blieb dann bis 1906 vor Ort und arbeitete im Ruinengelände an Bauaufnahmen usw. Mit Beginn der Ausgrabung in Didyma 1906 wechselte er von Milet dorthin, wo nun die Kampagne begann (Anhang E.2). Am Ende der Frühjahrskampagne schloß sich der Kreis seiner jährlichen Wanderungsbewegungen und er brach wieder Richtung Italien auf. Für diese Lebensgestaltung hatte sich Knackfuß, der seit 1895 Beamter der preussischen Staatsbauverwaltung war und bis 1912 auch blieb, langfristig beurlauben lassen1404. Sie entsprang wohl einem großen persönlichen Interesse an der Beschäftigung mit archäologischen und architekturhistorischen Fragen, das sich auch schon seit seiner Jugendzeit nachweisen lässt1405. Allerdings bedurfte es anfänglich einiger Anstrengungen, um diesen Lebensentwurf auch in die Tat umzusetzen: Wie in Kap. 2.3.5. erwähnt, reiste Theodor Wiegand 1898 nach Konstantinopel, um womöglich den Kaiser persönlich zu treffen, der sich gerade auf seiner zweiten Orientreise befand. Der ältere Bruder Hermann Knackfuß (Taf. 25b) gehörte auf jener Reise zur Entourage des Kaisers. Neben anderen hochgestellten Persönlichkeiten ›bearbeitete‹ Wiegand auch ihn »die Sache im Auge zu behalten« und führte ihn »einen ganzen Tag« in Konstantinopel1406. Während dieses Zu1401
H. Knackfuß, 4.–10.4.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. »Genuß des Behagens wieder in einer italienischen Stadt zu sein.« H. Knackfuß, 17.8.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. 1403 Beispielsweise H. Knackfuß, 30.8.1908, 1907 (18/VII) bis 1908 (29/VIII), TB 5, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.15. 1404 1895 Bauassessor, 1908 Landbauinspektor, 1912 Baurat: E. Altenhöfer, Hubert Knackfuß. 1866–1948, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 164. 1405 J. Westerburg, Von Brotterode nach Milet. Der Nachlaß des Archäologen Hubert Knackfuß im Stadtmuseum Kassel, AW 36, 2005/1, 53. 1406 Watzinger 1944, 86. 1402
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sammenseins brachte der Kasseler Professor seinerseits ein Anliegen vor, denn er erzählte Wiegand von den Interessen seines jüngeren Bruders1407, aber eine Anstellung unterblieb zunächst. Auf eine weitere Bewerbung zwei Jahre später erhielt Hubert Knackfuß von Richard Schöne am 21. August 1900 eine vorläufige Absage: Bei den Unternehmungen der Berliner Museen sei zur Zeit keine Anstellung möglich, »bei gebotener Gelegenheit« werde er seine Wünsche allerdings zur »Prüfung und Erwägung« bringen1408. Als dann aber Wiegand im folgenden Jahr einen neuen Architekten benötigte, wendete er sich am 20. August 1901 an Hermann Knackfuß in Kassel mit dem oben zitierten Brief. Darin bot Wiegand eine Anstellung des Bruders ab Oktober des Jahres »für 3 Monate in Milet« an; falls der Bruder Interesse habe, möge er sich selbst bei ihm melden. Nur drei Tage später, am 23. August, reagierte Hubert Knackfuß, der sich in Rom befand1409. Wiegand antwortete am 30. August1410 mit weiteren Details zu den Anstellungsmodalitäten: In Milet sollte in jener Kampagne »nur in kleinerm Maasstab gegraben werden«, stattdessen wären die »schon ausgegrabenen Reste« zu studieren. Konkret genannt werden Aufnahmen des Gebietes der »Löwenbucht und des Theaters« sowie des »Heroons« außerhalb Milets. Außerdem müsse eine »Reconstruction« des Bouleuterions erstellt werden; vom »römischen Prachtbrunnen« läge weder eine Aufnahme, noch eine Rekonstruktion vor. Als Anstellungsbedingungen nannte Wiegand »die freie Reise von Rom nach Milet und zurück«, »freie Station während der Ausgrabungszeit« und »ein Monatsgehalt von dreihundert Mark.« In seinem nächsten ausführlichen Brief teilte er dem frisch angeworbenen Architekten eine Vielzahl an konkreten Hinweisen für den Aufenthalt in Milet mit, die in ihren Grundzügen auch heute noch für archäologische Expeditionen gültig sind, so dass er im Anhang A.4 vollständig wiedergegeben ist. Aus der Zusammenarbeit der beiden erwuchs schnell eine engere Bindung, und im folgenden Jahr korrespondierten sie schon vertrauter miteinander: Wiegands Anrede an den Architekten wechselte am 25. Juli 1902 zu »Lieber und verehrter Herr«, in den abschließenden Grüßen wurden Wiegands Frau und Kind genannt1411. Weiterhin teilte er ihm mit, dass sie »für Herbst in Milet auf 70000 Mark rechnen« können. In der Folge übernahm dann Knackfuß regelmäßig die wöchentliche »Löhnung« der Arbeiter und schrieb das »Kassenbuch«1412 oder führte 1910 in Jeronda allein »Verhandlungen betreffs Grundstückserwer1407
Th. Wiegand an H[ermann]. Knackfuß. 20.8.1901, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500: »… während Ihres Aufenthaltes in Constantinopel auf der Kaiserreise äusserten Sie sich einmal, dass ein Bruder von Ihnen sich für antike Architektur interessiere & gern auf diesem Feld arbeiten würde, wenn sich Gelegenheit böte.« 1408 R. Schöne an H. Knackfuß, 21.8.1900, NL Knackfuß, SMK/A 03/0163.04. 1409 »Ihr freundliches Schreiben vom 23. August …«, Th. Wiegand an H. Knackfuß, 30.8.1901, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1410 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 30.8.1901, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1411 Th. Wiegand an H. Knackfuß, 25.7.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. 1412 Beispielhaft H. Knackfuß, 15.4.1908, 1907 (18/VII) bis 1908 (29/VIII), TB 5, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.15.
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bungen«1413. Daneben war er auch Verwalter der photographischen Dokumentation der Grabung, wobei er viele Fotos von den Ausgrabungen anderer Wissenschaftler nach der Beendigung ihrer Arbeit selbst anfertigte1414. Knackfuß entwickelte die Platten und fertigte Abzüge an, wobei er auch die entsprechenden Verzeichnisse zum überwiegenden Teil selbst schrieb1415. Wenn Knackfuß später in Didyma arbeitete, brachten die Wissenschaftler aus Milet die »Films« und Fotoplatten regelmäßig zu ihm. In den Museen im Grabungsgelände und am Haus in Akköy ordnete er die Funde ein und räumte die Museen gelegentlich auf1416. Knackfuß war in der Position, anderen Grabungsmitarbeitern gegenüber Anordnungen1417 auszusprechen, und kontrollierte die Aufnahmen der jüngeren Architekten1418. Nach der Entdeckung des archaischen ›Löwengrabes‹ 1906 war Knackfuß jeweils »vormittags« am Grab anwesend und an der Bergung der Funde beteiligt1419. Aber auch an anderen Ausgrabungen1420 nahm er teil und führte sie gegebenenfalls weiter1421. Zu seinen sonstigen Aufgaben gehörte auch die Erfüllung von Desideraten für andere Forscher; namentlich für die Nymphäumspublikation beschäftigte er sich u. a. von Mitte September 1908 bis in den Dezember mit den »Hülsen-Desideraten«1422; letzte Nacharbeiten für die Delphinion-Publikation seines verstorbenen Freundes Georg Kawerau dürften 1909 ein trauriger Freundschaftsdienst gewesen sein1423. 1413
H. Knackfuß, 10.1.1910, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1414 Vgl. etwa das Foto des »Amphorenlagers« in: A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) 80 f. Abb. 45. Die Aufnahme erfolgte am 8. Oktober 1908: H. Knackfuß, 8.10.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. Auch die Fotos aus den Pernice’schen Suchgräben fertigte Knackfuß an. 1415 SMB/AS, Mil241–243. 1416 H. Knackfuß, 16.12.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16 1417 »Anordnung der Südmarktergänzungsgrabung«: H. Knackfuß, 22.10.1910, 1910 (1/III) bis 1911 (21/I), TB 7, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.17. Am Beginn der Herbstkampagne 1910, die Knackfuß eigentlich in Didyma verbrachte: »Arbeiten beginnen in Milet und gleichzeitig in Didyma Montag, 19. Sept. 1910. In Milet wird vorläufig mit einer geringen Zahl von Arbeitern gegraben, unter der Leitung von H. Knackfuss und der ständigen Aufsicht von A. von Gerkan.«: A. von Gerkan, Herbst 1910, GrTB IV, 191. 1418 »… eingehende Besichtigung« der »Prieneaufnahmen« Armin von Gerkans: H. Knackfuß, 19.7.1911, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18.; Mit von Gerkan »dessen Aufnahmen des Athenatempels angesehen«: H. Knackfuß, 12.12.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1419 H. Knackfuß, 19.–23.10.1906, 1905 (1. VI.) bis 1907 (17./VII.), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.14. 1420 Mit Erich Pernice am Kalabaktepe: H. Knackfuß, 26.11.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1421 »Untersuchung« in Armin von Gerkans Grabung »im Südwesten von Milet.« H. Knackfuß, 3.11.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1422 H. Knackfuß, 26.9.1908, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1423 H. Knackfuß, 25.10.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16.
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Carl Weickerts Einschätzung der Bedeutung Knackfuß’ für die Miletgrabung ist also zutreffend, und durch sein vielfältiges Engagement war er wohl nach der Freilegung des Theaters1424 spätestens ab 1904 so wichtig für die Grabung insgesamt geworden, dass er selbst eher selten noch eigene Ausgrabungen leitete. Stattdessen beschäftigte er sich in wissenschaftlicher Hinsicht fast ausschließlich mit Bauaufnahmen und -zeichnungen. Nach der Herbstkampagne 1908 verlagerte sich sein Arbeitsschwerpunkt dauerhaft nach Didyma, wo ihm aufgrund der Natur der dortigen Arbeiten – massenhaftes Auseinanderräumen und Ordnen schwerer Steine – genügend Zeit blieb, weiterhin an Zeichnungen und Plänen zu milesischen Monumenten zu arbeiten. In der Zeit vom 21. bis 28 September 1907 besuchte Johannes Boehlau von Milet aus (s. o.) auch Didyma, wo ihn Knackfuß durch die Ausgrabung führte1425. Dieses Detail ist deshalb erwähnenswert, weil sich in der Folge ein engerer Kontakt zwischen den beiden entspann: Schon bei seinem nächsten Aufenthalt in Kassel im Sommer 1908 notierte Knackfuß auch zwei Besuche bei Boehlau1426, so dass man annehmen könnte, dass sich die beiden erst in Didyma näher kennengelernt hatten. Boehlau revanchierte sich dann bei diesem Zusammentreffen in Deutschland, indem er Knackfuß am 27. August durch seine Ausgrabung auf der Altenburg führte. In der Folge wurden Besuche der beiden zu einem wiederkehrenden Ereignis in Kassel und am 25. Mai 1911 besuchte Boehlau, diesmal gemeinsam mit Georg1427 und Siegfried Loeschcke, wieder Akköy1428, wo Knackfuß die Gäste am folgenden Tag »durch die Ruinen in Milet einschließlich Kalabaktepe und Deirmentepe« führte. Als Knackfuß schließlich 1916 wieder in Kassel eintraf und sich wegen des Krieges auf einen längeren Aufenthalt einrichtete, trug ihm Boehlau eine Katalogisierungsarbeit im Kasseler Museum an1429. Der Kontakt zwischen den beiden blieb offenbar bis in die 30er-Jahre bestehen wie zwei Briefe Boehlaus im Nachlass Knackfuß zeigen, in denen Datierungsfragen zu Mauern in Larisa im Kontext der Kampagne von 1932 behandelt werden1430. Auch aus dem 1424
Th. Wiegand an H. Knackfuß, 4.8.1902, NL Knackfuß, SMK/A 03/0500. In diesem Brief wurde für Knackfuß das Theater als »Aufgabe« bestimmt. 1425 H. Knackfuß, 22–23.9.1907, 1907 (18/VII) bis 1908 (29/VIII), TB 5, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.15. 1426 H. Knackfuß, 25. u. 27.8.1908, 1907 (18/VII) bis 1908 (29/VIII), TB 5, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.15. 1427 Dieser Besuch ist auch in Bezug auf Wiegand interessant, denn am 22. März d. J. war Reinhard Kekulé verstorben, der bis zu diesem Zeitpunkt sowohl die Direktion der Antikensammlung als auch den Lehrstuhl für Klassische Archäologie an der Berliner Universität inne hatte. Georg Loeschcke war nun als Nachfolger auf die Professur berufen worden, während Wiegand der designierte Nachfolger Kekulés am Museum war. Das bei Watzinger 1944, 258 f. geschilderte gemeinsame Vorgehen Loeschckes und Wiegands bezüglich der materiellen Ausgestaltung ihrer neuen Positionen könnte im persönlichen Gespräch in Akköy geplant worden sein. 1428 H. Knackfuß, 25.5.1911, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. 1429 H. Knackfuß, 3.1.1917, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 1112a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1430 J. Boehlau an H. Knackfuß, 12.11.1929 und 7.11.1932, NL Knackfuß, SMK/A 03/0163.08.
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Kontakt mit den Loeschckes 1911 ergab sich eine Konsequenz, denn während der Monate Juli und August 1912 arbeitete Knackfuß in Kassel an einer »Pause« bzw. »Zeichnung« für Loeschcke1431. In den Jahren 1911/12 begannen nachhaltige Veränderungen seines eingespielten Lebensrhythmus’: Wohl aufgrund der dauerhaften Umsiedlung der Familie Wiegand nach Berlin fanden im Frühjahr und Sommer 1912 auf der milesischen Halbinsel keine Arbeiten statt, so dass Knackfuß diese Zeit in Deutschland verbrachte. Aber auch er selbst strebte eine Veränderung seiner beruflichen Situation an: Am 25. Januar 1912 kam es zu einer Besprechung der »Athener Angelegenheiten«1432 mit dem Generalsekretär des DAI Hans Dragendorff, und rund ein Jahr später trat Knackfuß am 29. Januar 19131433 eine Festanstellung als zweiter Sekretär der Athener Abteilung an, so dass er sein ›ungebundenes‹ Wanderleben ab diesem Zeitpunkt eigentlich erfolgreich in eine materiell abgesichertere Form überführt hatte, aber die weltpolitischen Ereignisse der Zeit machten dieser Konstruktion bald ein Ende: Schon die Herbstkampagne 1912 fiel zeitlich mit dem Beginn der Kampfhandlungen in den ›Balkan-Kriegen‹ von 1912/131434 zusammen, bei denen die griechische Kriegsmarine auch in der Ägäis aktiv wurde und Lesvos, Chios und Samos besetzte, die in der Folge dauerhaft an Griechenland fielen. Auf der Anreise zur Herbstkampagne Ende August 1912 reiste das Personal genauso wie zu den folgenden Kampagnen über Samos an1435, ohne dass sie wie sonst nach Smyrna weiterfuhren1436. Wegen ungünstiger Winde zog sich der Aufenthalt auf der Insel bis zum 5. September hin, denn sie setzten nun mit einem Segelboot1437 direkt nach der Anlagestelle bei Kowella auf der milesischen 1431
H. Knackfuß, 17.7.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. H. Knackfuß, 25.1.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. 1433 H. Knackfuß, 29.1.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1434 R. Clogg, A Concise History of Greece (Cambridge 1992) 81–89 m. Abb. 28.; Hellenic Army General Staff – Army History Directorate (Hrsg.), A Concise History of the Balkan Wars 1912– 1913 (Athen 1998) 134–145; R. C. Hall, Balkan Wars 1912–1913. Prelude to the First World War (London 2000) 62 f. 1435 »Erst bei Dunkelheit nach 7 Uhr im Hafen von Vathy. Im Hafen liegt wegen neuer Unruhen eine englisches Kriegsschiff. – Stamatiadis kommt an Bord, daher Ausschiffung und Zoll ohne Schwierigkeiten.« H. Knackfuß, 31.8.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. Ein französisches Kriegsschiff, das sich im Hafen von Tigani in Stellung gebracht hatte, notierte Knackfuß am folgenden Tag. 1436 Die Reise von Griechenland nach Smyrna könnte weiterhin grundsätzlich möglich gewesen sein, denn Alexander Conze, der sich auf dem selben Schiff befand und nach Pergamon wollte, blieb offenbar in Samos auf dem Schiff. Knackfuß jedenfalls nahm auch bei der Abreise den Weg über Samos, ebenso wie auf der Anreise zur nächsten Kampagne im April 1913, bei der erneut widrige Winde die Überfahrt verzögerten. Erst Anfang Juni 1913 wählte Knackfuß auf der Rückreise wieder den Weg über Smyrna nach Athen, wo er dann am 8. August die Nachricht vom »Friedensschluß« hörte. 1437 Die Überfahrt erfolgte im »Kaik« des »Mastro Georgi«: H. Knackfuß, 5.9.1912, 1911 (22/I) bis 1912 (20/IX), TB 8, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.18. Der »samische »Kapitäno« Georgios« 1432
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Halbinsel über. Dort nahm die Arbeit in Didyma trotz der immer näher rückenden Kriegsereignisse ihren normalen Gang, und auch das am 27. September von Samos herüberschallende Kanonendonner brachte den Tagesablauf offenbar nicht durcheinander1438, denn Knackfuß verbrachte den Tag mit Abrechnungen und Lesen. Im Oktober reiste Knackfuß kurz nach Pergamon, wo er wohl von Alexander Conze in seine bevorstehende Aufgabe als neuer Grabungsleiter eingeführt wurde1439. Nach Didyma zurückgekehrt, musste Knackfuß »Antoni«, »Strati« und »Nikola« auslöhnen und verabschieden, denn sie waren »zu den Waffen« gerufen worden1440. Wenig später trafen von Sokia aus türkische Truppen »zum Schutz der Küste« in Jeronda ein1441 und ein Einwohner des Dorfes, Stamati Drossos, wurde von »samischen Seeräubern« entführt1442. Als Knackfuß am 21. November1443 wieder »den Donner schwerer Geschütze« hörte, war er bloß »neugierig, ob sich irgendeine europäische Flotte nur mit Schießübungen vergnügt oder ob es sich im einen ernsten Vorgang« handelte1444. Alle diese Ereignisse konnten den Fortgang der Arbeit in keiner Weise stoppen, es kamen sogar weiterhin regelmäßig auswärtige Besucher in Didyma und Milet vorbei, die durch die Ausgrabungen geführt werden mussten. Die neue Festanstellung bei der Athener Abteilung änderte grundsätzlich nicht viel an seinem Engagement für Milet und Didyma, es kamen nur eine ganze Reihe neuer Aufgaben hinzu: Nachdem er Anfang 1913 nach Athen zurückgekehrt war, fand die »Büreauübergabe« am 29. Januar statt und zwei Tage später versuchte Knackfuß, sich einen ersten »Überblick über das Rechnungswesen des Inwar »ein bewährtes Wiegandsches Factotum«: A. von Salis an die Eltern, 2.11.1906, NL von Salis. 1438 »Auf Samos finden seit einigen Tagen Kämpfe zwischen Samioten und türkischem Militär statt; heute hört man am Morgen … und wiederum gegen 2 Uhr Kanonendonner.« H. Knackfuß, 27.9.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1439 H. Knackfuß, 5.–8.10.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1440 H. Knackfuß, 11.–12.10.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. Am 11. Oktober hatte die samische Regierung den Anschluss an Griechenland erklärt; formal fand er am 23. März 1913 statt. In Milet verließ am 10. Oktober Mastro Strati die Ausgrabung wegen der »griechischen Mobilmachung«. Daraufhin wollten dort die griechischen Arbeiter nicht weiter arbeiten, weil »sie sich nicht sicher« fühlten, »so dass zuletzt nur 8 türkische Arbeiter unter Hassan Tschausch« verblieben (A. v. Gerkan, 7.–12.10.1912, GrTb VI, 218). In der Folgewoche traf der Aufseher Iannis Samothrakis in Milet ein und die Arbeiterzahl konnte wieder erhöht werden; in Didyma gab es dieses Problem nicht. 1441 H. Knackfuß, 2.11.1912, 1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1442 H. Knackfuß, 9.12.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1443 Am 21. November nahm die griechische Marine Mytilene auf Lesvos ein (Hellenic Army General Staff – Army History Directorate (Hrsg.), A Concise History of the Balkan Wars 1912–1913 (Athen 1998) 134–139). Aber das von Knackfuß gehörte Geschützfeuer stammte sicher nicht von dort, denn Lesvos liegt zu weit entfernt im Norden. 1444 H. Knackfuß, 21.11.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19.
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stitutes« zu verschaffen1445. Tatsächlich schien das Abrechnungswesen den Hauptteil der Büroarbeit des zweiten Sekretärs auszumachen. Ansonsten nahm er an der Peloponnesrundreise des Institutes teil1446, und als wissenschaftliche Betätigung für das Institut ist im Frühjahr 1913 nur eine »Sachverständigenberatung wegen der Sicherungsarbeiten an der Parthenonwestwand« fassbar1447. Insgesamt sechs Monate dieses Jahres verbrachte Knackfuß bei den Grabungskampagnen in Milet und Didyma1448; im Sommer konnte er ein Treffen mit seiner Familie in Rom einschieben1449, aber von dort ging es fast direkt weiter nach Pergamon, wo er nur zehn Tage blieb, um mit dem Grabungsarchitekten Paul Schazmann und den Aufsehern das Arbeitsprogramm zu besprechen1450. Am 20. September traf er auf der milesischen Halbinsel ein und blieb dort, von einer kurzen Reise zum Abschluss der Kampagne in Pergamon abgesehen1451, bis Mitte Dezember. In Athen standen nun wieder die »Institutsrechnungen«1452 und die »Pergamonabrechnung«1453 an. Während der ersten Kampagne im Kerameikos vom 8. April bis zum 27. Juni 1914 vertraute Knackfuß dem Tagebuch sein Heimweh an1454. Am 12. Juli erreichte er endlich wieder Kassel, wo am 1. August um halb sieben Uhr abends die »Nachricht von der befohlenen Mobilmachung« eintraf1455. Im Oktober fand in Berlin eine Dienstbesprechung statt, und Knackfuß machte sich mit »Sendungen für Rom und Italien« wieder auf den Weg in den Süden1456. Am 26. Oktober begann eine bis zum 31. Mai 1915 andauernde Grabungskampagne im Kerameikos; daneben arbeitete er kontinuierlich an seinen Milettexten und -
1445
H. Knackfuß, 31.1.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. H. Knackfuß, 24.2.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1447 H. Knackfuß, 29.3.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1448 Knackfuß befand sich 1912 bis zum 21. Januar, vom 16. April bis zum 5. Juni und vom 21. September bis 16. Dezember auf der milesischen Halbinsel. 1449 H. Knackfuß, 13.8.–28.8.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1450 H. Knackfuß, 8.9.–18.9.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1451 H. Knackfuß, 31.10.–6.11.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1452 H. Knackfuß, 22.12.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1453 H. Knackfuß, 23.12.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1454 »Elende Stimmung und körperliches Befinden, wenn ich doch zu Hause sein könnte!«: H. Knackfuß, 24.4.1914, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1455 H. Knackfuß, 1.8.1914, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20. 1456 H. Knackfuß, 6.10.1914, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20. 1446
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zeichnungen1457. Am 22. Mai hatte er vom Tod seines Bruders in Kassel erfahren und schrieb nun seinerseits sein Testament1458, bevor er am nächsten Tag gemeinsam mit Georg Karo zur Grabungskampagne in Olympia aufbrach. In der letzten Septemberwoche traf er wieder in Athen ein und begann mit der »Reinschrift«1459 des Milettextes. Das neue Jahr brachte eine neue Kampagne im Kerameikos1460 und eine zweimonatige Grabung in Olympia1461. In der dortigen Abgeschiedenheit artikulierte Knackfuß am 22. September 1916 seinen Gefühlszustand: Unwohl und elend. Einsamkeit und Mutlosigkeit das Ende dieses wahnsinnigen Krieges zu erleben machen diese verlorenen Tage unerträglich1462.
Die nächste Kampagne im Kerameikos schloß sich nahtlos an1463. Als sie am 11. November von der »teilweisen Besetzung von Athen durch die Franzosen« hörten, brachte Karo vorsorglich »die Miletzeichnungen u. dergl.« in das amerikanische Institut1464, aber die Grabung lief weiter. Erst als am 20. November die »Nachricht v[on]. d[er]. Ausweisung der Gesandtschaften« eintraf1465 und nachdem sie am folgenden Tag morgens eine »Spezialanweisung des Institutes« erhalten hatten, schlossen sie die Kerameikosgrabung und regelten in aller Hast bis »gegen 3 Uhr« nachts die Angelegenheiten des Athener Institutes1466. Am nächsten Tag begaben sie sich an Bord des Dampfers »Mykale«, den die griechische Regierung »für die Ausgewiesenen« bereitgestellt hatte1467. Zunächst blieb Knackfuß in Kassel, wo er am Museum arbeitete. Anfang März schlug Karo vor, dass Knackfuß doch mit ihm nach Smyrna gehen sollte, wohin Karo für den »Denkmalschutz« beordert war1468, aber sie verblieben letztendlich so, dass Karo zunächst allein reisen und vor Ort entscheiden sollte, ob Knackfuß’ 1457
H. Knackfuß, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20: 27.11.1914: »Milettext (lange Halle); 29.4.1915: »Sarapeion fertig«; 21.5.1915: »Asklepiostor fertig«; 1.6.1915: »Laodikehalle im wesentlichen fertig«. 1458 H. Knackfuß, 2.6.1915, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20. 1459 H. Knackfuß, 11.10.1915, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20. 1460 H. Knackfuß, 10.1.–1.4.1916, 1914 (16/VI) bis 1916 (7/VI), TB 10, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.20. 1461 H. Knackfuß, 1.7.–30.9.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 11-12a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1462 H. Knackfuß, 22.9.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 1112a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1463 H. Knackfuß, 1.10.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 1112a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1464 H. Knackfuß, 17.11.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 11-12a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1465 H. Knackfuß, 20.11.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 11-12a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1466 H. Knackfuß, 21.11.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 11-12a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1467 H. Knackfuß, 22.11.1916, 1916 (8/VI) bis 1918 (3/V) – 1920 (25/III) bis 1921 (14/VII), TB 11-12a., NL Knackfuß, SMK/A 03/127.21. 1468 G. Karo an H. Knackfuß, 2.3.1917, NL Knackfuß, SMK/A 03/163.
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Arbeitskraft von Nutzen sein könnte. Im April erwies sich aber eine Beteiligung Knackfuß’ als »vorläufig ganz unnötig«1469. Stattdessen vertrat Knackfuß im Herbst des Jahres kurz Dragendorff in Berlin und führte die Geschäfte des Institutes während dessen Abwesenheit1470. Erst im nächsten Kriegsjahr reiste Knackfuß wieder in die Türkei, wo er wohl auch in Milet und Didyma vorbeikam1471, sich aber in der Hauptsache gemeinsam mit Karo einer Aufnahme der Johanniterburg in Bodrum widmete1472. Dort wurden sie vom Ende des Ersten Weltkrieges überrascht und mussten überstürzt die Heimreise antreten. Am 1. Oktober 1919 wurde Knackfuß ordentlicher Professor für antike Baukunst an der TU München, wodurch sein Wanderleben dauerhaft ein Ende fand. Für die Abschlusskampagne in Didyma kehrte er noch einmal 1924 dorthin zurück, aber ansonsten war er nur noch in der Kerameikosgrabung praktisch tätig. Seine enge Verbindung mit Milet und Didyma blieb aber über die Museumsfragen und die Publikationsarbeiten bis zu seinem Tode am 30. April 1948 in München bestehen.
3.4.3.3. Der Klassische Archäologe – Arnold von Salis Obwohl aus einem altadeligem Geschlecht stammend, verstanden sich die Eltern Arnold von Salis’ als Teil der Bürgerschaft Basels1473. Ihr Sohn hatte in Basel, Berlin und Bonn studiert. Seine Lehrer in Klassischer Archäologie waren Hans Dragendorff in Basel, Georg Loeschcke in Bonn und Reinhard Kekulé sowie August Kalkmann in Berlin. 1905 in Basel promoviert, hielt er sich vom November des Jahres bis Ende Februar 1907, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung, in Griechenland und Kleinasien auf. Während dieser Zeit nahm er an der Frühjahrs- und Herbstkampagne des Jahres 1906 in Milet teil. Ab November 1907 folgte, als direktes Resultat seiner Tätigkeit in Milet, eine halbjährige Anstellung als Hilfsarbeiter bei den Berliner Museen. Nicht nur während dieser Zeit, sondern stets, wenn er sich auswärts befand, hielt von Salis seine Eltern in Basel brieflich über sein Leben auf dem Laufenden. Diese Briefe haben teilweise einen sehr vertraulichen Charakter, was angesichts der Adressaten nicht verwundert. Als Quelle werden daher in dieser Arbeit nur jene Teile verwandt, die unpersönlicherer Natur sind und die inhaltlich zur Fragestellung dieser Arbeit in Bezug stehen. Dass sie hierfür Relevanz besitzen, zeigt sich darin, dass von Salis, ähnlich wie Johannes Boehlau, der sich gelegentlich
1469
G. Karo an H. Knackfuß, 18.4.1917, NL Knackfuß, SMK/A 03/163. G. Karo an H. Knackfuß, 6.6.1917, NL Knackfuß, SMK/A 03/163. 1471 Jahresbericht des Archäologischen Instituts für das Jahr 1918, AA 1919, S. II. 1472 Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 2. Juni 1919, AA 1919, Sp. 59. 1473 Der Vater, Arnold von Salis, war Antistes, Vorsteher, der Basler Kirchengemeinden. 1470
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von Eduard Habich seine Briefe aus Samos auslieh1474, in diesen Briefen Quellen sah, die er für spätere wissenschaftliche Veröffentlichungen mit heranzog1475. Aus der Zeit in den Ländern am Mittelmeer sind insgesamt 73 Briefe überliefert, zuzüglich 12 aus dem anschließenden halben Jahr in Berlin1476. Von dieser Gesamtmenge stammen 21 Briefe unmittelbar aus Milet. Dieses Briefcorpus ist eine kultur- und sozialgeschichtliche Quelle ersten Ranges, in denen von Salis eine Vielzahl interessanter alltäglicher Begebenheiten und Sachverhalte detailliert und mit großer Unbefangenheit schildert: So schien es im Athen des Jahres 1906 durchaus üblich zu sein, »auch in der Badeanstalt, in unverhüllter Schönheit zu baden«, trotzdem bat er um die Zusendung einer Badehose, da er es angebracht fand, »beim Baden am Strand … nicht ganz so wie Odysseus vor Nausikaa« zu stehen1477. Besonders deutlich wird seine Intention, die Eltern durch seine Mitteilungen auch zu unterhalten, wenn er ausführlich von gesellschaftlichen Ereignissen berichtete: Er beschrieb u. a. einen Ball am königlichen Hof in Athen1478, seine Teilnahme an einem Selamlık, dem öffentlichen Empfang des Sultans in Konstantinopel1479, und eine Abendgesellschaft bei Elisabeth von Siemens in Berlin1480. Wenn sich dabei die Gelegenheit bot, sammelte er »Trophäen« (Taf. 26a), die er zur Illustration seinen Briefen beilegte. Am Beginn seiner Studienreise hielt er sich zunächst in Athen auf. Von dort aus unternahm er Ausflüge und beteiligte sich an der Peloponnes- und der KretaExkursion (Taf. 26b)1481 des dortigen Institutes1482 und trug aktiv zum wissenschaftlichen Leben am Athener Institut bei: Mit einem Teilbereich aus einer größeren Arbeit, die später in seine Habilitationsschrift1483 münden sollte, gestaltete er die Sitzung vom 14. Februar 19061484 mit und verfasste einen eigenständigen Bei1474
J. Boehlau, Ein Reisebericht in Briefen und Photographien von Johannes Boehlau an Edward Habich, in: Staatliche Museen Kassel (Hrsg.), Samos – die Kasseler Grabung in der Nekropole der archaischen Stadt von Johannes Boehlau und Edward Habich (Kassel 1996) 160. Auch Felix von Luschan hielt es mit seinen Briefen von der österreichischen Lykien-Expedition ähnlich: H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 18 m. Anm. 17. 1475 Es existiert z. B. im Nachlass das Manuskript einer Rede, Antike Kunst auf griechischen Banknoten, in dem von Salis Teile aus seinen Berichten an die Eltern verwendete. In dem selben Sinne, bot er Carl Weickert, als dieser ihn vor dem Beginn seiner eigenen Forschungen in Milet um weitergehende Informationen bat, diese zusammen mit seinem Feldskizzenbuch an: A. v. Salis an C. Weickert, 31.1.1955, NL von Salis (Durchschlag). 1476 Diese Briefe befinden sich in einem Teilnachlass Arnold von Salis’, der von seiner Tochter, Helen Voegeli-von Salis, dem Verf. 2005 übergeben worden war. 1477 A. von Salis an die Eltern, 19.6.1906, NL von Salis. 1478 A. von Salis an die Eltern, 16.1.1906, NL von Salis. 1479 A. von Salis an die Eltern, 31.8.1906, NL von Salis. 1480 A. von Salis an die Eltern, 14.12.1907, NL von Salis. 1481 R. Lullies, Georg Karo. 1872–1963, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 181 f. 1482 G. Karo, Fünfzig Jahre aus dem Leben eines Archäologen (Baden-Baden 1959) 74 f. 1483 A. von Salis, Der Altar von Pergamon. Ein Beitrag zur Erklärung des hellenistischen Barockstils in Kleinasien (Berlin 1912). 1484 Sitzungsprotokolle, AM 31,1906, 240.
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trag für die Athener Mitteilungen1485, der in Athen ausgestellte Objekte zum Gegenstand hatte, also aus der Arbeit vor Ort resultierte. Am 16. Januar 1906 teilte er seinen Eltern freudig mit, dass Wiegand ihn durch Alfred Körte, der die Basler Professur inne hatte, aufgefordert habe, sich an der Frühjahrskampagne in Milet zu beteiligen. Wiegand wolle, neben dem Beginn der Arbeiten in Didyma, »die Nekropole von Milet« untersuchen. Er solle diese Arbeit leiten und »wahrscheinlich später auch darüber berichten.«1486 Dafür gäbe es zwar keine »Reiseentschädigung, aber völlig freie Station … und ein Pferd1487 unentgeltlich.« Von Salis hoffte, »bei einer Ausgrabung so großen Stils« eine Menge zu lernen. Seine Eltern bat er, dass sie »die Sache diskret« behandeln sollten, denn es könnte »gewissen Orts übel vermerkt werden, dass man nicht einen deutschen Stipendiaten genommen hat.« Im April reiste er zusammen mit der Kleinasien-Exkursion des Institutes an, und am 19. des Monats meldete er aus Milet, dass er nun »Flügeladjudant beim König der Mäanderebene« geworden sei1488. Nachdem er sich in Pergamon gemeinsam mit Hans Zippelius (Taf. 10b; 31b) von der Reisegruppe getrennt hatte, trafen die beiden in Sokia auf Wiegand. Zippelius und von Salis ritten gleich weiter nach Priene, während Wiegand noch auf eine Reisegruppe badischer Lehrer1489 wartete, die er in Milet und Priene führen sollte. Von Salis schilderte seinen Eltern den starken Eindruck, den Wiegand auf ihn beim ersten Zusammentreffen machte, mit eindringlichen Worten, und offenbar begegneten sich zwei Menschen mit großer Affinität zu militärischen Belangen: Dass die Berliner Museen »keinen besseren Leiter« finden konnten, illustrierte er seinen Eltern gegenüber damit, dass man Wiegand den »preussischen Artillerieoffizier« anmerke, der ein »schneidiger Kerl« sei, »der auch von seinen Mitarbeitern ein gehörig Stück Arbeit verlangt«1490. Auch sah er heldenhaftes darin, dass Wiegand, obwohl er »reich« sei, freiwillig und entsagungsvoll seit Jahren im Mäandertal die Ausgrabungen leitete1491. Er selbst wurde dann von Wiegand auf dem Weg von Priene nach Milet auf die Probe gestellt: Die Teilnehmer der badischen Reisegruppe waren offenbar nicht alle im Reiten geübt, so dass es bei der Überquerung der überschwemmten Mäanderebene zu Schwierigkeiten kam. Mit Witz zitierte er seinen Eltern den Wiegand’schen Befehl an ihn: »Nun setzen Sie sich im Galopp an die Tete, lotsen Sie mir die Geisterkarawane durch den Sumpf und laden Sie Reiter und Pferde auf die Fähre!«, und ebenso stolz berichtete er vom Gelingen der Reise. 1485
A. von Salis, Splanchoptes, AM 31, 1906, 352–358. A. von Salis an die Eltern, 16.1.1906, NL von Salis. Er bekam den Hengst »Kulas« oder »Gulas«, den 1904 Erich Ziebarth geritten hatte (Taf. 8a). A. von Salis an die Eltern, 21.9.1906, NL von Salis. 1488 A. von Salis an die Eltern, 19.4.1906, NL von Salis. 1489 Diese Bildungsreise war offenbar eine regelmäßige Einrichtung: Vgl. E. Böckel, Die erste griechische Studienreise badischer Gymnasiallehrer, Veröffentlichungen der Grossherzoglich Badischen Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde in Karlsruhe und des Karlsruhrer Altertumsvereins 2, 1895, 75–99. 1490 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1491 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1486 1487
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Während der ersten Kampagne, am 12. Mai, engagierte Wiegand von Salis auch für die Herbstkampagne und stellte ihm die »Bearbeitung der Nekropole für die große Publikation« in Aussicht1492. Außerdem lud er ihn über die Sommerpause in sein Haus in Arnautköy ein und schlug ihm vor, in dieser Zeit »die Skulpturen des Museums von Brussa« zu bearbeiten und zu publizieren1493, aber von Salis schlug dieses Angebot aus, da er nach Athen zurückkehren wollte1494, um in Ruhe an seiner Habilitationsschrift zu arbeiten. Dort angekommen sammelte er aber gleichzeitig auch Material »zur Verarbeitung« seiner »milesischen Nekropole«1495. Allerdings hielt er es wegen der Hitze nicht lange in Athen aus und reiste heim in die Schweiz. Von dort kehrte er mit der Eisenbahn über Konstantinopel, wo er einen längeren Aufenthalt hatte, zurück nach Milet. Vor dieser Herbstkampagne äußerte er Bedenken, dass er vielleicht in Milet die Ausgrabung allein leiten müsse, denn von Wiegand wußte er, dass dieser bald nach Didyma gehen wollte1496. Allerdings traf er vor Ort auf Zippelius und Knackfuß, so dass er sehr froh war, nur mit seinen »speciellen Arbeiten« zu tun zu haben1497. Diese reduzierte Mannschaft war mit dem Problem der Ausgrabungsbesucher konfrontiert, von denen in der laufenden Woche »ganz unverhältnismäßig viele … nach Akköy« kamen, »die … untergebracht und in den Ausgrabungen herumgeführt werden« mussten1498. Im weiteren Verlauf griff die Grabung auch auf den Kazartepe über, wo das archaische ›Löwengrab‹ gefunden wurde1499 (Taf. 18b). Er glaubte Mitte November, dass er wegen der »Vorbereitungen für die Publication« noch bis zum 7. Dezember1500 in Milet bleiben müsse, aber die Bearbeitung seines »Archaischen Felsengrabes« mache ihm »viel Freude«1501. Dazu restaurierte er Elfenbeinobjekte1502 und fertigte einen großen »Stoss Notizen, Zeichnungen, Aquarelle, Photographien«1503 an. Es lag ihm viel daran, »das Buch selbst zu schreiben« oder »wenigstens« seine Ergebnisse beizutragen, denn »so spannend und interessant die Entdeckung«1504 des Löwengrabes sei, stolzer ist er auf ein anderes Ergebnis seiner Forschungen in Milet: von Salis ist die positive Bestätigung des Humann’schen Gedankens zu verdanken, dass der Kalabaktepe Teil der archaischen Stadt war1505. Aber leider durfte er über diese Ergebnisse nicht in einer Institutssitzung in Athen 1492
A. von Salis an die Eltern, 13.5.1906, NL von Salis. s. o. Anm. 409: Gustave Mendel publizierte dann 1909 den Museumskatalog von Bursa. 1494 A. von Salis an die Eltern, 27.5.1906, NL von Salis. 1495 A. von Salis an die Eltern, 19.6.1906, NL von Salis. 1496 A. von Salis an die Eltern, 5.9.1906, NL von Salis. 1497 A. von Salis an die Eltern, 13.9.1906, NL von Salis. 1498 A. von Salis an die Eltern 21.9.1906, NL von Salis. 1499 E. Forbeck – H. Heres, Das Löwengrab von Milet, BWPr 136 (Berlin 1997). 1500 Seine Abreise verzögerte sich tatsächlich bis zum 13. Dezember: A. von Salis an die Eltern, 14.12.1906, NL von Salis. 1501 A. von Salis an die Eltern, 13.11.1906, NL von Salis. 1502 A. von Salis an die Eltern, 13.11.1906, NL von Salis. 1503 A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. 1504 A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. 1505 Vgl. a. Anhang A.6. 1493
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berichten, wenn auch »Dörpfeld und Karo« es »gewünscht« hätten1506. Wiegand sage, »es ginge nicht, vor einer Publication von Seiten der Berliner«1507. Immerhin sollte er in Wiegands Auftrag beim »Philologencongress in Basel, im October 1907 an seiner Stelle über die Ausgrabungen in Milet« berichten1508 dürfen1509. Von Milet aus kehrte er über Smyrna nach Athen zurück und nahm dort das Leben, das er im Frühjahr geführt hatte, wieder auf. Wieder unternahm er Bildungsexkursionen, etwa nach Böotien und Euböa1510, und bestritt zusammen mit Georg Karo eine weitere Sitzung. Diesmal hielt er einen Vortrag über »Attische Grabvasen«; auch dieser resultierte aus in Athen vorgenommenen eigenen Arbeiten1511. Die beiden Vorträge, die er am Institut hielt, waren für ihn persönlich eine Gelegenheit, die freie Rede ohne Redemanuskript auszuprobieren, so dass auch fassbar wird, dass diese Stipendiatenaufenthalte nicht nur dazu dienten, auf praktisch archäologischem Gebiet Erfahrungen zu sammeln, sondern auch die Gelegenheit zur Einübung von Praktiken der Wissensvermittlung boten. In Bezug auf seinen Miletaufenthalt erhielt er von Hermann Winnefeld1512, dem Direktorialassistenten der Berliner Skulpturensammlung, ein »offizielles Dankesschreiben« und dieser bestätigte, dass von Salis später in Berlin seine »Gräberfunde« wissenschaftlich »verarbeiten« solle1513. Winnefeld war es auch, der durch energisches »Zureden« die Anstellung von Salis’ als wissenschaftlicher »Hilfsarbeiter bei den Kgl. Museen« ermöglichte, wobei bei diesem Arbeitsverhältnis offenbar die »5 Monate Arbeit in Milet« rückwirkend zusätzlich vergolten wurden1514. Diese Stelle war mit 100 M[ark]. besoldet und die Arbeitszeit, »täglich 5 Arbeitsstunden, von 10 bis 3 Uhr«, ließ ihm also Zeit für eigene wissenschaftliche Arbeiten, für die er des Nachmittags an die Universität wechselte1515. Von Salis erhielt für diese Tätigkeit demnach nur ein Drittel des Lohnes, den Knackfuß als Architekt bei den Ausgrabungen erhielt. Ihm war allerdings die Entlohnung nicht allzu wichtig, da sie seine Grundbe1506
A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. Tatsächlich kommt von Salis’ Vortrag »mit Lichtbildern« zu Stande. Allerdings scheint er nur ganz allgemein auf das archaische Milet eingegangen zu sein: G. Ryhiner, Verhandlungen der neunundvierzigsten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Basel vom 24. bis 27. September 1907 (Leipzig 1907) 93 f. 1509 A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. 1510 A. von Salis an die Eltern, 11.02.1907, NL von Salis. 1511 Sitzungsprotokolle, AM 31, 1906, 569. Die Sammeltätigkeit von Salis’ bezog sich auf weißgrundige attische Lekythen; daraus hervor ging der Beitrag A. von Salis, Studien zu den attischen Lekythen, in: Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner (Hrsg.), Iuvenes dum sumus. Aufsätze zur klassischen Altertumswissenschaft der 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Basel dargebracht von Mitgliedern des Basler klassisch-philologischen Seminars aus den Jahren 1901–1907 (Basel 1907) 62–74. 1512 R. Lullies, Hermann Winnefeld. 1862–1918, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 148 f. 1513 A. von Salis an die Eltern, 6.10.1906, NL von Salis. 1514 A. von Salis an die Eltern, 4.11.1907, NL von Salis. 1515 A. von Salis an die Eltern, 4.11.1907, NL von Salis. 1507 1508
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dürfnisse decken konnte. Vielmehr stand für ihn im Vordergrund, dass er mit den an den Berliner Museen versammelten Funden arbeiten konnte, und außerdem wusste er, dass selbst diese geringe Entlohnung keine Selbstverständlichkeit war, denn vor dem Zugang zu einer Stelle an den Berliner Museen stünde normalerweise eine ein- bis zweijährige völlig entgeltlose Volontariatszeit1516, was auch genau das Anstellungsverhältnis war, das Kekulé ihm zunächst angeboten hatte1517. Hauptsächlich arbeitete er nun an seiner Habilitationsschrift und nahm am gesellschaftlichen Leben sowohl der »Schweizerkolonie«1518 als auch der Berliner akademischen und großbürgerlichen Kreise teil. Über seine Einblicke »in das Innere der »Palazzi« der Tiergartenstrasse«1519 reflektierte er folgendermaßen: Freilich habe ich es auch besser als die andern, und vielleicht beneidet man mich darum, dass sich mir die vornehmsten Häuser von Berlin so leicht und rasch öffnen, und dass ich nun mitten innestehe in diesem Leben au grand air … Meine Beziehungen zu Wiegand brachten es mit sich, und meine Stellung an den Berliner Museen. Deswegen durfte ich mich schon nicht zurückhalten; die Verhältnisse wollten es so und nun muss ich allerdings sagen: ja, es ist schön da, und ich gehe gern hin. Ich gehe hin, nicht nur, um der Höflichkeit zu genügen, oder um mich zu »amüsieren«, so von Zeit zu Zeit, damit man das auch einmal gemacht hat. Denn ein Vergnügen ist oft gar nicht so sehr dabei. Sondern ich tue es aus Bedürfnis und aus einem gewissen Drang. Was ich da will und suche: ich möchte mir denjenigen Grad von unbedingter Sicherheit aneignen, der erforderlich ist, um mit den Leuten einer andersgearteten Klasse menschlich zu verkehren, und unbefangen, als mit Seinesgleichen. Ich möchte Herr sein über die Formen und Äußerlichkeiten, die uns auf den ersten Augenblick befremden und fernhalten. Denn diese Kreise haben ihre Umgangssprache für sich, und es braucht Uebung, um sich daran zu gewöhnen. Die gewöhnlichen öffentlichen Anlässe bringen einen den Leuten nicht näher, aber ich habe nun die seltene Gelegenheit, auch die Häuslichkeit und in das Alltagsleben da oben blicken zu dürfen; und ich kann nur versichern, dass die Unterschiede im Wesen und im Denken durchaus nicht so tiefgehende sind, wie man sich das so nach den Schilderungen aus dritter Hand etwa auslegt.«1520
Bezüglich der milesischen Sache wurde ihm im Januar 1908 »die Bearbeitung der milesischen Funde, soweit sie in Berlin sind, übergeben«1521. Eine Arbeit, die ihm »grossen Spass« machte und die er abschließen wollte, bevor im Februar Wiegand nach Berlin käme und in der Archäologischen Gesellschaft einen Vortrag über die
1516
A. von Salis an die Eltern, 11.11.1907, NL von Salis. A. von Salis an die Eltern, 14.12.1906, NL von Salis. 1518 A. von Salis an die Eltern, 25.11.1906, NL von Salis. 1519 A. von Salis an die Eltern, 3.12.1907, NL von Salis. 1520 A. von Salis an die Eltern, 26.12.1907, NL von Salis. Das dieser Passage zugrundeliegende bürgerliche Selbstverständnis verbindet von Salis mit Theodor Wiegand, bei dem Vergleichbares anklingt: Vgl. dazu J. Althoff, Ein Meister des Verwirklichens. Der Archäologe Theodor Wiegand, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 157 m. Anm. 58, 59; Watzinger 1944, 220–223. 1521 A. von Salis an die Eltern, 10.1.1908, NL von Salis. 1517
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Arbeiten in Milet halten würde1522. Es lag ihm viel daran, »den Kontakt mit Milet nicht zu verlieren«. Auch wollte man ihn gern an den Museen behalten, doch bekam er ein Angebot von Georg Loeschcke, als Direktorialassistent als Nachfolger Karos an das Bonner Museum zu wechseln, eine Position, die ihn auch finanziell besser stellte und die er schließlich annahm1523. Dort war er mit der Neuaufstellung der Sammlungen betraut und ordnete die Bibliothek, zu der zu dieser Zeit die Bibliotheken Theodor Mommsens und Hermann Useners hinzu gekommen waren. In seiner Bonner Zeit habilitierte sich von Salis 1909 und wurde Privatdozent an der Universität. 1910 wechselte er als Extraodinarius in der Nachfolge Carl Watzingers nach Rostock. 1916 folgte eine ordentliche Professur in Münster und 1929 trat er die Nachfolge Ludwig Curtius’1524 in Heidelberg an. Diese Position gab er 1940 auf und wechselte an die Universität Zürich, wo er 1951 emeritiert wurde. Neben dieser Universitätskarriere war er kaum noch praktisch als Ausgräber tätig. In den 20er-Jahren beteiligte er sich an den Ausgrabungen1525 im Römerlager von Haltern in Westfalen1526, obwohl er sich noch 1908 anlässlich eines Besuches in Mayen (Vulkaneifel), wo ein jungsteinzeitliches Schanzenwerk ausgegraben wurde, nur schwer vorstellen konnte, eine ähnliche Arbeit mit Schichtbeobachtung und -interpretation durchzuführen1527. Seinen Wunsch, die milesische Nekropolengrabung zu publizieren, verfolgte er im weiteren Verlauf seiner akademischen Laufbahn nicht weiter. Zwar veröffentlichte er noch in Bonn, wohl auf seinen Basler Vortrag zurückgreifend, eine kurze zusammenfassende Darstellung der »Ausgrabungen in Milet und Didyma«1528, aber damit lief von Salis’ sichtbare Beteiligung an der Miletgrabung aus. Er korrespondierte weiterhin mit Theodor Wiegand1529, auch in sehr vertraulichem Ton, aber milesische Belange spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle. 1925 ver1522
Der Vortrag fand am 3.3.1908 statt: Archäologische Gesellschaft zu Berlin, AA 1908, 499–511. Dort berichtete Theodor Wiegand u. a. über die archaischen Keramikfunde. 1523 A. von Salis an die Eltern, 1.5.1908, NL von Salis. 1524 R. Lullies, Ludwig Curtius. 1874–1954, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 186 f. 1525 A. von Salis, Ausgrabungen in Haltern, Germania 8/2, 1925, 97 f., A. von Salis, Ausgrabungen bei Haltern 1925, Gnomon 2, 1926, 59–61; A. von Salis an Th. Wiegand, 21.10.1924, DAI, NL Wiegand, Kasten 8, Briefe R-Sch: »Damals [in Milet] hatte ich es erheblich besser als jetzt, wo ich im Sande von Haltern nach Pfostenlöchern schürfen muss.« 1526 Die »Archäologenschule« von Haltern: Bedeutende Archäologen hatten ab 1899 an der Erforschung des dortigen Römerlagers mitgewirkt, u. a. Carl Schuchhardt, Alexander Conze, Hans Dragendorff, Georg Loeschcke, Siegfried Loeschke und Friedrich Koepp: R. Aßkamp, Haltern. Stadt Haltern am See, Kreis Recklinghausen, Römerlager in Westfalen 5 (Münster 2010) 2–7. bes. 3 f. (Kap. Entdeckungs- und Forschungsgeschichte). Vgl. auch E. Straub, Ein Bild der Zerstörung. Archäologische Ausgrabungen im Spiegel ihrer Bildmedien (Berlin 2008) 81 – 103, wo die Ausgrabung in Haltern beispielhaft thematisiert wird. 1527 A. von Salis an die Eltern, 19.5.1908, NL von Salis. 1528 A. von Salis, Die Ausgrabungen in Milet und Didyma, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur, 1910, 103–132. 1529 NL Wiegand, DAI, Kasten 8, Briefe R-Sch. Vgl. H. Simon, Gelehrtenbriefe im Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts zu Berlin (Berlin 1973) 188.
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wertete Armin von Gerkan die Ergebnisse der Arbeit von Salis’ am Kalabaktepe für den Band Milet 1, 8. Eine Nekropolenpublikation unterblieb vollständig. Erst wieder in der Zeit nach seiner Emeritierung ist eine Beschäftigung mit milesischen Dingen fassbar: Neben einer Korrespondenz mit Carl Weickert, der die erste Nachkriegskampagne 1955 plante, und in diesem Zusammenhang von Salis als Augenzeuge der alten Grabung nach Informationen befragte, betraf sie im Wesentlichen seinen spektakulärsten Einzelfund, das archaische Löwengrab. In einem geplanten Werk zum »Löwen als Hüter am Grabe« sollte ihm ein eigenes Kapitel gewidmet sein. Leider verzögerte sich die Arbeit am Manuskript vielfach, so dass Arnold von Salis es nicht mehr vor seinem Tod am 2. April 1958 in Zürich fertig stellen konnte.
3.4.4. Alltagsleben der Grabung In Kap. 2.3.5. wurde erwähnt, dass Athanasios Apergis im Jahre 1898 den Bau des Grabungshauses1530 (Taf. 27b) in Akköy leitete. Dieser Ort liegt etwas mehr als vier Kilometer Luftlinie vom Ruinengelände entfernt auf einer Anhöhe (Taf. 6b). Der Baedeker-Reiseführer von 1905 bezifferte die Wegstrecke mit einer Reitstunde1531. Das im sumpfigen Ruinengelände liegende Dorf Balat war von Mücken geplagt und für die Malariaprophylaxe verbrauchten die Archäologen und Arbeiter »jährlich 1 Kilo Chinin«1532. Die Sommermonate hielten die Archäologen aufgrund der Krankheitsgefahr für die Arbeit im Ruinengelände gänzlich ungeeignet1533. Arnold von Salis schilderte Anfang Juni 1906 die Situation folgendermaßen:
1530
Vgl. die allgemeinen Ausführungen zum »Expeditionshaus« bei Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1. 1 (München 1939) 98–101 (Kapitel »Methode der wissenschaftlichen Ausgrabung«). 1531 K. Baedeker, Konstantinopel und das westliche Kleinasien. Handbuch für Reisende (Leipzig 1905) 231. 1532 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1533 Anders verhielt es sich etwa mit Pergamon, wo auch im Hochsommer gearbeitet wurde.
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Der Aufenthalt in Milet ist nun schon sehr ungesund und die Hitze unerträglich. Ich bin vorgestern nochmals auf den Kalabak-tepe geritten, um einige Planskizzen zu revidieren, und fand alles verändert: das ganze Plateau kahl und verbrannt; giftige Dünste stiegen aus dem Boden1534 und benebelten einen ganz; lange habe ich es dort oben nicht ausgehalten1535.
Aufgrund dieser Situation hielten sich die Archäologen nur zur Arbeit im Ruinengelände auf und hatten von vornherein darauf verzichtet, das Grabungshaus dort errichten zu lassen. Der Entwurf des Hauses glich dem von Carl Humann in Priene errichteten Gebäude (Taf. 27a), das heute noch erhalten ist, und von dem ebenfalls ähnlichen Neubau in Didyma (Taf. 28a) berichtete von Salis, dass er »in manchem noch bequemer und moderner eingerichtet« sei »als das milesische Haus… sogar eine elektrische Klingel« besäße er1536. Diese Häuser verfügten über Küche, Sanitäranlagen, Schlaf- und Arbeitszimmer (Taf. 28b; 29a)1537 sowie einen zentralen beheizbaren Aufenthaltsraum im ersten Stock. Harry Graf Kessler1538 fand das Haus im Dezember 1900 »hübsch und hell eingerichtet mit Klingerschen und Dürerschen Blättern an den weiss gekalkten Wänden.«1539 Eine »reich-ausgestattete Bibliothek« bot »neben der wissenschaftlichen Litteratur Goethe, Scheffel, G. Keller.«1540 Das »Fremdenbuch« war angefüllt mit den »stolzesten Namen; sogar der Kronprinz u. Prinz Eitel Friedrich« hätten sich eingetragen1541, und ein Fotoalbum präsentierte Leben und Arbeit der Wissenschaftler1542. Das Chinin verabreichte man in Akköy beim Frühstück zu »Thee, Butter und Marmelade« 1543 oder auch zu »Eiern und Feigen«1544. Mittagessen nahmen die Wissenschaftler im Ruinengelände zu sich, wofür sie sich im »Museum« am Theater1534
Eine ähnliche Beobachtung hatte von Salis schon im Mai des Jahres mitgeteilt: »Der Aufenthalt in Milet unten ist jetzt wenig angenehm; wir haben häufig Regenwetter u. müssen dann wegen der ungesunden Ausdünstung des Bodens die Arbeit aufgeben.« (A. von Salis an die Eltern, 13.5.1906, NL von Salis). Die Theorie der Miasmen – die Übertragung von Krankheiten durch schlechte Luft – ist nach der Jahrhundertwende wissenschaftlich überwunden, hält sich aber offenbar im allgemeinen Sprachgebrauch hartnäckig: P. Payer, Der Gestank von Wien. Über Kanalgase, Totendünste und andere üble Geruchskulissen (Wien 1997) 43–50 bes. 50. 1535 A. von Salis an die Eltern, 8.6.1906, NL von Salis. 1536 A. von Salis an die Eltern, 30.9.1906, NL von Salis. 1537 Vgl. auch das Gedicht Anhang C.2. 1538 P. Grupp, Harry Graf Kessler. Eine Biographie (Frankfurt a. Main 1999); L. McLeod Easton, The Red Count, The Life and Times of Harry Kessler (Berkeley 2002). 1539 C. Schäfer – G. Biedermann (Hrsg.), Harry Graf Kessler. Das Tagebuch. Dritter Band 1897– 1905 (Stuttgart 2004) 358 f. 1540 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1541 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1542 Fotoalbum I, 1899–1900, SMB/AS, Mil308. Dieses Album trägt als Motto folgendes Gedicht: Dies Buch zeigt unsern lieben Gaesten an, / was wir hier fanden und was wir gethan, / wer mit uns lebte, auch wohl mit uns litt / und für die Wissenschaft zusammen mit uns stritt. / Weihnachten 1900. 1543 A. von Salis an die Eltern, 22.4.1906, NL von Salis. 1544 A. von Salis an die Eltern, 21.9.1906, NL von Salis.
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hügel (Taf. 7b; 14a; 22b) versammelten1545; nach der Rückkehr aus Milet gab es um sieben Uhr »Thee« und das Abendbrot wurde »gewöhnlich sehr spät, so um 9 Uhr herum« zu sich genommen; anschließend pflegte man »bei Wein oder Bier gemütlich zusammen« zu sitzen. Waren zuviele Gäste anwesend, wurde die Versorgung mit Lebensmitteln schwierig, so dass Katherina dann »nicht mehr wisse, woher das Essen auftreiben«1546, im Dorf gäbe es nur »wenig Fleisch«; alles andere musste »von Sokia her den weiten Kamelstransport machen«1547. Evangelos Maimaroglou (Taf. 29b), ein langjähriger Regierungskommissar bei der Ausgrabung, war regelmäßig zum gemeinsamen Essen im Grabungshaus1548; zwischen ihm und Hubert Knackfuß schien eine engere Freundschaft bestanden zu haben, denn die beiden pflegten auch in Zeiten, in denen sich Knackfuß alleine an den Ausgrabungsplätzen aufhielt, fast regelmäßig miteinander zu speisen; darüber hinaus verkehrten sie privat in Smyrna miteinander1549. Gelegentlich nahmen die Wissenschaftler auch an Festen der einheimischen Bevölkerung teil; überliefert sind die Besuche von Hochzeiten1550. Die Einheimischen ihrerseits kamen als »Fastnachtssänger« aus Akköy vorbei (Taf. 30a) und führten bei Wiegands 40. Geburtstag Tänze auf (Taf. 30b). Der von Otto Benndorf 1893 geforderte Arzt als ständiges Mitglied einer Grabungsmannschaft1551 wäre auch in Akköy nicht nur für die Arbeiter von Nöten gewesen. Stattdessen behalfen sich die Wissenschaftler so gut es ging selbst: Als sich Arnold von Salis im Sommer 1906 einen eitrigen Abszess am Hals zugezogen hatte, der über Wochen nicht abheilen wollte, sandten seine Eltern aus Basel »Salben« und »Saugnäpfe«; Albert Rehm wusch die Wunde täglich mit »Lysol« und verband sie »sehr sorgfältig«1552. Knackfuß, der während seiner sehr langen ununterbrochenen Aufenthalte vor Ort mehrmals schwer erkrankte, konnte wegen eines »kranken Fußes« in der Zeit vom 28. September bis zum 16. Oktober 1904 nicht arbeiten, wobei am 4. Oktober eine »Verschlimmerung« eintrat, die bei ihm hochgradige »Ungeduld und Unbehagen« auslöste. Am 1545
A. von Salis an die Eltern, 29.4.1906, NL von Salis: »Die Arbeiter essen alle oben, ich reite, da ich das Pferd tagsüber stets bei mir behalte, ins Dorf hinab, wo in unserem kleinen Museum ein Tisch für uns gedeckt ist. Während des Essens reitet mein kleiner Mohrenfreund, Ali, der Wasserträger, stolz auf meinem Ross umher.« 1546 A. von Salis an die Eltern, 21.9.1906, NL von Salis. 1547 Katherina besorgte offenbar die Bestellungen in Sokia mitunter auch selbst: H. Knackfuß, 24.12.1904, 1904 (15/VIII) bis 1905 (31/V), TB 3, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.13. 1548 Vgl. passim die Tagebücher Nr. 2–9, 1904–1914 im NL Knackfuß: SMK/A, 03/0127.12–19. 1549 Beispielsweise: H. Knackfuß, 20.5.1903, TB 2, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.12: Besuch eines Zirkus in Smyrna; H. Knackfuß, 25.–27.5.1905, 1904 (15/VIII) bis 1905 (31/V), TB 3, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.13; H. Knackfuß, 6.6.1913, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.19. 1550 H. Knackfuß, 14.11.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16: »gegen Abend mit den anderen Herren zur Hochzeit von Dimitri Damakis in Akköy«; H. Knackfuß, 23.9.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, SMK/A 03/127.19: »Abends mit Wiegand und Chrysanthe bei der Hochzeitsfeier im Hause Leonidas« (Jeronda). 1551 Vgl. o. Anm. 74. 1552 A. von Salis an die Eltern, 9.9.1906, NL von Salis.
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16. Oktober traf die ›Schleswig-Fahrt‹ (s. o. Kap. 3.3.1.3.) in Milet ein, und am Nachmittag kamen die Eheleute Wiegand mit dem Schiffsarzt der Schleswig nach Akköy, der Knackfuß behandelte1553. Die Behandlung war offenbar erfolgreich, denn danach war seine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt. Hauptsächlich die Architekten verbrachten auch mehrere Jahreswechsel im »Winterschlaf«1554 in Akköy und später in Didyma. Am 24. Dezember stellte Katherina dann ein »Christbäumchen«1555 auf, und am Silvesterabend 1907 notierte Knackfuß »Bleigießen« mit Maimaroglou1556, während die geplante gemeinsame Silvesterfeier 1909 in Didyma leider ausfiel, weil Knackfuß wegen eines Unwetters im Grabungshaus in Akköy festsaß1557. Diese Jahreszeit war tatsächlich schwer erträglich, denn mitunter waren alle »Versuche die Nasenspitze, Finger und Füße in eine erträgliche Temperatur zu bringen« vergeblich1558. Am 8. November 1912 verfiel daher Knackfuß während eines heftigen Südoststurmes im Grabungshaus in Didyma darauf, sein Arbeitszimmer ins Nordwestzimmer zu verlegen1559. In Milet ereignete sich im Februar 19031560 einer der in der Gegend häufigen Erdstösse, so dass sich »ein Riss« in der Wand des Waschraumes auftat; dieses Erdbeben war begleitet von einem mehrere Tage andauernden Sturm, der am 20. Februar sogar »auf der Nordseite des Hauses« die Ziegel abdeckte, so dass das Dach mit »Pferde-Seilen festgebunden« werden musste. Aufgrund des Wetters konnte in dieser Zeit nur selten in der Ausgrabung gearbeitet werden. Dabei fällt auf, dass Knackfuß solche Tage in Akköy regelmäßig mit Zeichenarbeiten verbrachte, während er seit der ersten Übersiedlung nach Didyma Ende 1906 in seiner arbeitsfreien Zeit auch häufiger einfach las. Nach Abschluss der Arbeiten an einem Ort verblieb ein Wächter am Grabungshaus1561 und diese Einrichtung stand auf Nachfrage auch Forschern anderer Disziplinen zur Verfügung1562. Aber schon während der Grabungszeit sammelten 1553
H. Knackfuß, 16.10.1904, 1904 (15/VIII) bis 1905 (31/V), TB 3, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.13. 1554 A. von Salis an die Eltern, 4.12.1906, NL von Salis. 1555 H. Knackfuß, 24.12.1904, 1904 (15/VIII) bis 1905 (31/V), TB 3, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.13; H. Knackfuß, 24.12.1907, 1905 (1/VI) bis 1907 (17/VII), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.14. 1556 H. Knackfuß, 31.12.1907, 1905 (1/VI) bis 1907 (17/VII), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.14. 1557 H. Knackfuß, 31.12.1909, 1908 (30/VIII) bis 1910 (28/II), TB 6, NL Knackfuß, SMK/A 03/127.16. 1558 H. Knackfuß, 7.1.1907, 1905 (1/VI) bis 1907 (17/VII), TB 4, NL Knackfuß, SMK/A, 03/0127.14. 1559 H. Knackfuß, 8.11.1912, 1912 (21/IX) bis 1914 (15/VI), TB 9, SMK/A 03/127.19. 1560 Th. Wiegand, 18.–21.2.1903, GrTB II, 67 f. 1561 Für Pergamon hatte Wiegand 1907 einen »Bewachungsfonds« organisiert (Watzinger 1944, 192 f.) und noch 1933 befand sich ein Wächter im Grabungshaus von Priene (E. Pfuhl, Ostgriechische Reisen (Basel 1941), 28). 1562 Vgl. etwa H. Weigold, Zwischen Zug und Brut am Mäander. Ein Beitrag zur Ornithologie Kleinasiens, Journal für Ornithologie 61/4, 1913, 572. 574. Der Direktor des Botanischen Garten in Berlin-Dahlem fragte noch 1924 bei Wiegand an, ob sich nicht ein Botaniker im »Ausgrabungsgebiet« aufhalten könne: L. Diels an Th. Wiegand, 22.12.1924, SMB/AS, Mil 217.
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die Wissenschaftler auch fachfremde Daten1563: Die meteorologischen Geräte, die Paul Wilski auf Thera benutzt hatte, »wanderten mit« nach Milet1564 und scheinen dort noch längere Zeit ihren Dienst verrichtet zu haben (Taf. 31a). Abschließend sei noch eine Bemerkung zur Benennung der Grabungshäuser als »Deutsches Haus« angefügt: Malte Fuhrmann hält diese Bezeichnung der Grabungshäuser für ein Indiz, dass sich die deutschen Wissenschaftler bei ihrer Arbeit »wie Herrenmenschen« aufführten1565 Allerdings bleibt er den Beweis schuldig, dass es sich hierbei um einen Namen handelt, der tatsächlich von Deutschen geprägt wurde; in der Regel benutzten die Wissenschaftler die Begriffe »Expeditions-« oder »Stationshaus«, wenn sie nicht sowieso allgemein vom »Haus« in Akköy bzw. Jeronda und Priene/Kelebesch1566 sprachen. Viel wahrscheinlicher ist, dass es sich bei dem Begriff »deutsches Haus« um eine Rückübersetzung aus dem Türkischen handelte, das sehr häufig Toponyme aus einem bezeichnenden Adjektiv und einem generischen Begriff bildet1567. Wie das Grabungshaus in Akköy tatsächlich von den in der Nähe lebenden Griechen und Türken genannt wurde, hat der Verfasser allerdings nicht feststellen können, aber die heutige Bezeichnung, Alman Kulesı – Deutscher Turm, entspricht diesem Schema.
3.4.4.1. Selbstdarstellung und -wahrnehmung der Wissenschaftler während der Ausgrabung Auf Taf. 31b erkennt man in der Bildecke rechts oben den Ausschnitt eines sonderbaren Wandbildes. Das Foto ist laut Bildtitel auf der Veranda des Grabungshauses in Akköy aufgenommen worden, und da der abgebildete Johann Adam (Hans) Zippelius in den Jahren 1905 bis 1907 an der Grabung teilnahm, ist ein ungefährer zeitlicher Rahmen gegeben. Einen Eindruck von der Gesamtdarstellung der Zeichnung gibt Eduard Schulte in seiner Chronik der Pergamongrabung: Es handelt sich um die Karikatur eines Reichsadlers, der anstelle der Krone einen Tropenhelm trägt und in seinen Klauen Spaten und Spitzhacke hält (Taf. 31c)1568. Diese witzig-respektlose Umdeutung eines deutschen Hoheitszeichens hatten Alexander Kips und Georg Koch, die sich 1885 zu »Studien für das Pergamonpanorama«1569 in Pergamon aufhielten, über der »Eingangsthür der ge1563
P. Wilski, Witterungsverhältnisse auf der milesischen Halbinsel, in: Th. Wiegand, Die milesische Landschaft, Milet 2, 2 (Berlin 1929) 45–49. Thera 3, 18. 1565 M. Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918 (Frankfurt a. M. 2006) 92 f. 1566 Das Dorf bei Priene, heute Güllübahçe. 1567 Kuş-adası – Vogel-insel, Ak-köy – Weißes Dorf, Zeytin-tepe – Oliven-hügel, Beş Parmak Dağı – Fünf-Finger-Berg. 1568 E. Schulte, Chronik der Ausgrabung von Pergamon 1871–1886, Schriften der HermannBröckelschen Stiftung 2 (Dortmund o. J. [1963]) 136 336D. 1569 Schulte a. O. (Anm. 1568) 133 327D. 1564
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meinsamen Stube«1570 angebracht. Die Existenz einer Kopie dieses pergamenischen ›Reichsarchäologenadlers‹ am Grabungshaus in Milet ist einigermaßen überraschend. Die beiden Maler hatten auch noch an anderen Stellen des pergamenischen Grabungshauses komische Sujets aufgemalt, die das alltägliche Leben vor Ort ironisch thematisierten; etwa in Anspielung auf den frischvermählten Architekten Richard Bohn1571 und seine Frau einen pergamenischen »Storch«1572. Anregung für diese kreative Anverwandlung des deutschen Wappentieres war vielleicht ein an der »Reichshalle«1573, einer Bretterbude auf der Akropolis von Pergamon, in der die Grabungsmannschaft zu speisen pflegte (Taf. 32), aufgemalter, nicht verfremdeter Reichsadler. Allem Anschein nach war dieser dort von den Besatzungen deutscher Schiffe zusammen mit ihren Namen angebracht worden, denn man erkennt auf Taf. 32 über der Besatzungsliste der S. M. S. Comet noch den verwaschenen Rest der Krone eines zweiten Wappentieres, was den direkten Zusammenhang von Namenslisten und Adler verdeutlicht1574. Dass Schiffsmannschaften sich an den von ihnen besuchten Orten in dieser Form verewigten, ist kein Einzelfall; auch die Besatzung der »Taurus« hatte sich 1881 auf der ersten Expedition nach Trysa an ihrem Ankerplatz die Zeit damit vertrieben, »eine grosse kaiserliche Kriegsflagge, in Oehl auf eine Felswand« zu malen1575. Bezüglich des Zeigens von potentiell als Hoheitszeichen interpretierbaren Symbolen durch Archäologen fällt im Gegensatz dazu auf, dass etwa auf Taf. 27b die deutsche und die osmanische Fahne gemeinsam abgebildet wurden und die Wissenschaftler mit diesem heiklen Thema1576 ansonsten eher sensibel und angemessen umgingen1577, weil alles andere auch schlicht den Fortgang ihrer Arbeit unnötig gefährdet hätte1578. Leider zeigt das Bild aus Milet nur einen Ausschnitt des Wandbildes, so dass etwaige erklärende Beischriften nicht sichtbar sind. Allerdings sieht man, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme ein Regal den Adler teilweise überdeckte. Nach den sonst auf dem Foto zu erkennenden Details ist der Adler auf der Westseite 1570
Schulte a. O. (Anm. 1568) 136 336D. C. Bohm, Richard Bohn. 1849–1898, in: R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988) 94 f. 1572 Schulte a. O. (Anm. 1568) 136 336D. 1573 Schulte a. O. (Anm. 1568) 118 274M. 1574 Anders W. M. K. Shaw, Possessors and Possessed. Museums, Archaeology, and the Visualization of History in the Late Ottoman Empire (Berkeley 2003) 145 m. Abb. 14, wo bei einer Interpretation des Bildes offenbar der direkte Sachzusammenhang zwischen Besatzungslisten und Reichsadler nicht erkannt wurde, so dass Reichsadler und die abgebildeten Wissenschaftler unkommentiert unmittelbar aufeinander bezogen werden. 1575 H. D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichischtürkischer Kulturpolitik, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (Wien 2005) 67 m. Anm. 218. 1576 H. J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts 1 (Berlin 1960) 795 f. s. v. Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet (W. K. Geck). 1577 Watzinger 1944, 171. 1578 Vgl. für einen gegenteiligen Fall: O. Matthes, Robert Koldewey im Orient, in: R.-B. Wartke (Hrsg.), Auf dem Weg nach Babylon. Robert Koldewey – Ein Archäologenleben (Mainz 2008) 75–84. 1571
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der umlaufenden Veranda des ersten Stockes angebracht worden, wo die Darstellung nicht öffentlich eingesehen werden konnte1579. Diese Positionierung des Adlers macht deutlich, dass mit der Zeichnung nichts anderes beabsichtigt war als ein Scherz unter den Wissenschaftlern. Diese ausführliche Darstellung zur Genese des milesischen ›Reichsarchäologenadlers‹ ist notwendig, da Malte Fuhrmann das pergamenische Original zusammen mit einigen anderen, aus quellenkritischer Sicht ähnlich fragwürdigen Sachverhalten1580, als Belege für seine These heranzieht, die Archäologen in Pergamon hätten als »Identitätsstifter« einer deutschen, neohellenischen »Ersatzidentität«1581 fungiert, indem sie in ihrem privaten Umfeld diese »antikisierende Ersatzidentität ihrer selbst und des neuen Staates« entwarfen1582. Dabei verkennt Fuhrmann völlig, dass solcherlei Lebensäußerungen der Wissenschaftler vor Ort im Wesentlichen lediglich eine ironisch gebrochene Auseinandersetzung mit ihren konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen darstellen, in die nicht ohne Weiteres eine tiefere Bedeutung hineininterpretiert werden kann. ›Antikisierende‹ Referenzen ergeben sich bei der Ausgrabungsarbeit zwangsläufig, nicht etwa nur weil 1579
Vgl. den Plan des Grabungshauses bei Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1. 1 (München 1939) 99. Die Abbildung zeigt laut Beischrift den Plan des Grabungshauses »bei Milet«, tatsächlich handelt es sich aber um den Plan des Hauses in Didyma, wie aus dem begleitenden Text hervorgeht. Beide Häuser hatten jedoch den gleichen grundsätzlichen Aufbau; bei dem von Wiegand abgebildeten Plan ist lediglich der Raum der Dunkelkammer anders genutzt: in Akköy fehlt an dieser Stelle die Tür. Dies beweist eine frühere Aufnahme ohne ›Reichsarchäologenadler‹ aus dem Jahr 1899: O. Dally – A. Scholl, Einführung, in: O. Dally – M. Maischberger – P. I. Schneider – A. Scholl (Hrsg.), Zeiträume. Milet in Kaiserzeit und Spätantike. Ausstellungskatalog Berlin (Regensburg 2009) 16 Abb. »Grabungshaus, Veranda (1899).«. 1580 Fuhrmann zieht zur Illustration seiner Thesen u. a. auch ein bei M. Kunze, Der Pergamonaltar. Seine Geschichte, Entdeckung und Rekonstruktion (Mainz 1995) 16, wiedergegebenes Zitat heran, wonach der Altar zum »stolzesten Denkmal monarchischen Selbstbewußtseins, welches die hellenistische Zeit überhaupt hervorgebracht« hat, deklariert worden sei (M. Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918 (Frankfurt a. M. 2006) 96 m. Anm. 45). Allerdings fehlt bei Kunze eine Quellenangabe des Zitates und es entstammt einer anderen Zeit als der Phase nach der Auffindung des Altars: Es ist Arnold von Salis, der in seiner 1912 erschienenen Habilitationsschrift diese scheinbar so gut auf ein erstarkendes Repräsentationsbedürfnis des neugegründeten Deutschen Reiches passende Formulierung fand (A. von Salis, Der Altar von Pergamon. Ein Beitrag zur Erklärung des hellenistischen Barockstils in Kleinasien (Berlin 1912) 18.). Überdies ist das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, denn für von Salis entsprang diese Kunst, »die ihrem ganzen Wesen nach höfisch sei«, im Wesentlichen »galanten Schmeicheleien« (S. 18.) der »Eitelkeit« (S. 20.) der pergamenischen Könige. Dieser erweiterte Kontext macht es schwieriger, das Zitat auf die Phase nach Auffindung des Altares zu beziehen und somit die Friese als ideologischen Ausgangspunkt einer neuen ›neohellenischen‹ deutschen Identität zu interpretieren, denn der von von Salis ausgeführte Gedanke implizierte dann eher eine zutiefst bürgerliche Kritik an der herrschenden Schicht. Allerdings sollte von Salis’ Schrift erklärtermaßen ein »kunstgeschichtlicher Kommentar« zur Kunst des Pergamonaltars sein (S. IX.) und keine Gesellschaftskritik. 1581 M. Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918 (Frankfurt a. M. 2006) 96. 1582 Fuhrmann a. O. (Anm. 1581) 92.
DIE AKTEURE
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die Altertumswissenschaftler im sprachlichen und semantischen Bezugssystem ihrer Fächer miteinander kommunizierten, sondern hauptsächlich auch, weil in ihrer Vorstellungswelt die eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort große Parallelen zu denen jener Menschen aufwiesen, die die von ihnen ausgegrabenen Objekte hergestellt hatten: Zum einen arbeiteten sie an genau denselben Orten wie jene, aber auch die konkreten Bedingungen ähnelten sich, denn für das Bewegen schwerer Lasten z. B. standen den Ausgräbern im 19. Jahrhundert nicht wesentlich andere Mittel zur Verfügung, als den Erbauern (Taf. 33a-b). Auch das Ausgeliefertsein an die Elemente1583 und die häufig sehr einfache Unterbringung (Taf. 34a) auf ihren Entdeckungs- und Rekognoszierungsfahrten1584 boten genügend Anknüpfungspunkte zu der von ihnen imaginierten antiken Lebenswelt. Das Foto des offensichtlich belustigten, bekränzten und mit einer Decke drapierten Wiegand als ›Togatus‹ anlässlich seines vierzigsten Geburtstages am 30. Oktober 1904 (Taf. 34b) zeigt deutlich, was den Wissenschaftlern ein ›antikisierender Selbstentwurf‹ bedeutete, nämlich hauptsächlich ein amüsantes und selbstironisches Spiel mit Referenzen aus ihrem Arbeitsfeld1585. Wie vertraut der Umgang der Wissenschaftler vor Ort miteinander sein konnte, zeigt ein offensichtlich schnell hingeschriebenes Gedicht1586, mit dem Georg Kawerau Hubert Knackfuß einen Bronzefund mitteilte (Taf. 35; Anhang C.4). Kawerau teilte darin den Fund einer archaischen Tierfigur aus Bronze mit und führte aus, dass an der Fundstelle wohl noch weitere Bronzen zu erwarten wären. Leider ist das Gedicht nicht datiert oder mit einer Ortsangabe versehen. Am wahrscheinlichsten erscheint allerdings nach dem Inhalt eine Entstehung des Gedichtes in Didyma. Die Vorstellung ist dabei, dass Kawerau zu einem Zeitpunkt, als Knackfuß noch in Milet arbeitete, vielleicht im Herbst 1906, diesem per Boten das Gedicht zukommen ließ, denn der Angesprochene, also Knackfuß muss »zwar noch warten« auf die große »Hauptportion« der Funde, aber sobald er Milet in einen »Zaubergarten … verwandelt« hätte und »hier«, also in Didyma »angebandelt« und »Stein auf Stein geführt« hätte, würde »Apollo … alles« dedizieren, die Funde also herausgeben. Erlaubt diese Form der privaten Kommunikation schon einen sonst nicht möglichen Einblick in das zwischenmenschliche Verhältnis der beiden Architekten, enthalten die ersten vier Verse in Verbindung mit der Zeichnung des Fundes 1583
Vgl. das Gedicht Georg Kaweraus, Ionischer Frühling, Anhang C.3 und G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 119 f. 1584 G. Hauptmann, Griechischer Frühling (Berlin 1908) 185: »[Abreise von Delphi.] Schon im Altertum wurden solche Wege wie diese auf Mäulern zurückgelegt. So wird auch das Um und An einer Bergreise, an Rufen, Geräuschen und Empfindungen nicht anders gewesen sein, als es heute ist.« 1585 Vgl. auch Wiegands Beschreibung der Feier in: G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 62 f. 1586 Mit Gedichten zu kommunizieren war offenbar nicht selten: z. B. antwortete Wiegand 1913 auf einen »poetischen Gruß« Carl Wulzingers ebenfalls mit einem Gedicht (Watzinger 1944, 270 f.).
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darüber hinaus noch einen Hinweis auf eine mögliche Freizeitbeschäftigung der Wissenschaftler. Die Form der Verse, Frage und mit »Ja« eingeleitete Antwort, entspricht einem als Hobel- oder Schnitzelbank1587 bekannten, alten und ehemals weit verbreiteten Gesellschaftsspiel, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen festen Platz in der Basler Fasnachtstradition1588 fand. Der darüber gezeichnete Fund stellt dabei eine ›Helge‹ dar, ein bezeichnendes Bild oder Bildfolge, die der Vorsänger eines Schnitzelbank benutzt, um seinem Publikum die jeweiligen Begriffe – hier »schoenes Tier« – bei seiner Frage anzuzeigen, die es dann im Chor beantwortet. In einem Brief vom 22. Mai 1905 schilderte Marie Wiegand eine ausufernde Geselligkeit mit »Wicküler Bier« im Grabungshaus in Akköy1589: Nachdem sich das Botschafter-Ehepaar und sie selbst zurückgezogen hatten, feierten die Männer bis tief in die Nacht ausgelassen auf der Veranda des Grabungshauses, wobei sie bald mit dem »Singen« anfingen und später auch jemand »unfreiwillig die Treppe« hinunterging. Im folgenden Jahr berichtete dann auch Arnold von Salis von einem ähnlichen »Commers, bei dem man sich zu guter Letzt … zu wilden Liedern verstieg, die furchtbar falsch herauskamen.« Der süsse Wein wäre einigen schlecht bekommen; ein Professor hätte bald »einen ansehnlichen Affen« gekriegt, und »sogar unser sonst so stiller und nüchterne Baumeister Knackfuss wurde überaus fidel«1590. Bei solchen Gelegenheiten könnte auch ein Schnitzelbank aufgeführt worden sein, der dann später Kawerau zu dem Gedicht inspirierte1591.
1587
J. Bolte, Das Lied von der Hobelbank, Zeitschrift für Volkskunde 41, N. F. 3, 1931, 178–180; P. Diels, »Kurz und lang – Hobelbank« bei den Westslawen, Zeitschrift für Volkskunde 43, N. F. 5, 1933, 217–220. 1588 R. Canova, Jo das isch e Schnitzelbangg. Die Geschichte des Basler Schnitzelbankwesens (Basel 2005). 1589 G. Wiegand (Hrsg.), Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918 (München 1970) 68–70. 1590 A. von Salis an die Eltern, 2.11.1906, NL von Salis. 1591 Durch von Salis ist eine Verbindung zur Basler Fasnacht gegeben; auf der anderen Seite waren Schnitzelbänke auch Bestandteil des Repertoires »zünftiger« Lieder, so dass Kawerau auch schon während seiner Tätigkeit als selbstständiger Architekt in Stettin (vgl. Anhang C) durch fahrende Zimmerleute mit dem Brauch der Schnitzelbank Bekanntschaft gemacht haben könnte.
4. ›ZEIT DER GROßEN AUSGRABUNGEN‹ ODER GROßE ZEIT DER AUSGRABUNGEN?
In der Rückschau verwundert die große Zuversicht, mit dem in einer Reihe kultur- und auch archäologie-historischer Arbeiten zur Feldarchäologie davon ausgegangen wurde, dass ihre Geschichte im Wesentlichen dem Verlauf der unpersönlichen politisch-ökonomischen Geschichte1592 folgte1593, ohne dass eine in die Tiefe gehende Geschichte dieser wissenschaftlichen Praxis vorliegt. Innerhalb der Theorie der Geschichtsschreibung ist das Verhältnis zwischen allgemeineren und spezielleren historischen Themenfeldern Gegenstand kontroverser Diskussion1594, und dort kam sogar die Befürchtung auf, dass Makro- und Mikro-Historie1595 vielleicht ohne wirkliche Berührungspunkte divergierende Entwicklungen nehmen könnten1596. Dabei ist die historische Feldarchäologie ein ideales Versuchsfeld für die Anwendung mikrohistorischer Methoden, denn diese kulturelle Praxis »mittlerer Reichweite«1597 und ihre Akteure sind durch ein äußerst reichhaltiges Quellenmaterial gut dokumentiert, wobei ergänzend hinzu kommt, dass im Gegensatz zu manchen anderen mikrogeschichtlichen Themengebieten diese Praxis einer Handlungslogik folgte, über die die Akteure selbst reflektierten und die überprüfbar ist; ihre gegebenen Erklärungen müssten lediglich ernst genommen werden. Darüber hinaus ist die rahmende Makrogeschichte ebenfalls sehr gut er1592
Als Beispiele für eine politisch-ökonomische Geschichtsschreibung der Beziehungen des Deutschen und des Osmanischen Reiches vgl. etwa G. Schöllgen, Imperialismus und Gleichgewicht. Deutschland, England und die orientalische Frage 1871–1914 (München 1984); S. McMeekin, The Berlin-Baghdad Express. The Ottoman Empire and Germany’s Bid for World Power (Cambridge MA 2010). Für eine universellere Perspektive vgl. etwa: J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (München 2009) und in kulturhistorischer Hinsicht Ph. Blom, Der taumelnde Kontinent. Europa 1900–1914 (München 2009). Es erscheint bezeichnend, dass die allgemeinere Geschichtsschreibung ihrerseits kaum des Rückgriffes auf das Ausgrabungswesen und die Archäologen bedarf. 1593 N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman, Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950. An Introduction, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 1 verweist darauf, dass seit den frühen 1990erJahren »thorough research« sowohl von Historikern als auch Archäologen zu den »interconnections between archaeology and nationalism« durchgeführt wurde (mit Angabe entsprechender Literatur). 1594 2 G. Levi, On Microhistory, in: P. Burke, New Perspectives on Historical Writing (University Park, PA 2001) 115–117: Einfügung in der 2. Auflage: P. B[urke]., The Microhistory Debate. 1595 C. Ginzburg, Mikro-Historie. Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, Historische Anthropologie 1, 1993, 169–192; A. Lüdtke, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie, historische Anthropolo3 gie, in: H.-J. Goertz (Hrsg.), Geschichte. Ein Grundkurs (Hamburg 2007) 628–649. 1596 Vgl. dazu ausführlich die Beiträge in J. Schlumbohm (Hrsg.), Mikrogeschichte – Makrogeschichte. Komplementär oder inkommensurabel (Göttingen 2000). 1597 Lüdtke a. O. (Anm. 1595) 635.
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schlossen. Auf dieser Grundlage bietet daher eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Feldarchäologie die Möglichkeit, die äußeren »Kräftefelder«, in deren Grenzen die Akteure agierten, genauso aufzuzeigen wie ihre Art und Weise des Umgangs mit eben diesen Beschränkungen. Im Rahmen dieser Arbeit hat sich über eine Vielzahl an konkreten Fallbeispielen hinweg die Vermutung Adolf H. Borbeins bestätigt1598, dass sich Begründungs-Rhetorik, also das Auftreten der Akteure gegenüber der Öffentlichkeit und potentiellen Geldgebern, und ihre wissenschaftlichen Ziele und Methoden deutlicher voneinander trennen lassen, als es bisher geschah. Vielmehr noch kann nach Ansicht des Verfassers sogar zuversichtlich festgestellt werden, dass bei den thematisierten Projekten regelmäßig rein wissenschaftliche Erkenntnisinteressen die dominierenden Motive hinter der Durchführung von feldarchäologischen Projekten waren. Eine Erklärung der Handlungen aus individuellen politischen und moralischen Ansichten1599, die dann vermeintlich einer politischen »Großwetterlage« entsprechen sollen, ist hingegen nicht statthaft, wenn sie nicht gleichzeitig das dazwischenliegende weite Feld der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Absichten aufzeigt und in Rechnung stellt. Das grundlegende Argument für eine enge Verquickung der von den Akteuren geübten Wissenschaft mit westeuropäischen nationalstaatlichen Ideologien beruht auf den von ihnen durchgeführten Fundverbringungen ins Ausland und der nachfolgenden Inszenierung dieser ›Trophäen‹ als staatliche Repräsentationsobjekte, wobei in diesem Antikenerwerb mitunter zugleich auch ein bestimmendes Ziel feldarchäologischer Tätigkeit vermutet wird. Allerdings konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass Fundverbringungen um die Jahrhundertwende lediglich eine Randerscheinung einer vielschichtigen wissenschaftlichen Praxis waren, von der die Akteure auch sofort absahen, wenn die äußeren Umstände es erforderten. Bedeutet dieser Befund nun, dass die spezielle Thematik der Geschichte der Feldarchäologie der Klassischen Altertumswissenschaften und die »large issues«1600 der politischen Geschichte letztendlich unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgten und nicht in Einklang zu bringen sind? Diese Besorgnis besteht nicht, denn es hat den Anschein als ob lediglich eine Geschichtsschreibung, die auf einzelne Nationalstaaten und die von Angehörigen dieser Staaten hervorgebrachte Feldarchäologie fokussiert ist, vielleicht nur einen 1598
A. Borbein, Olympia als Experimentierfeld archäologischer Methoden, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen. Internationales Symposion, Berlin 9.– 11. November 2000 (Mainz 2002) 166. 1599 J. Althoff, Ein Meister des Verwirklichens. Der Archäologe Theodor Wiegand, in: K. Rheidt – B. A. Lutz (Hrsg.), Peter Behrens, Theodor Wiegand und die Villa in Dahlem (Mainz 2004) 140: »Eine wissenschaftliche Heldentat zu vollbringen und die deutsche Hauptstadt … in eine Stadt der Künste zu verwandeln, … dürfte Wiegands Leitmotiv gewesen sein, als er im Dezember 1894 gen Süden zog, um sich zu Humann verschlagen zu lassen.«; M. Fuhrmann, Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918 (Frankfurt a. M. 2006) 105: »Humann war nicht entgangen, dass die hellenische Antike sich … für das deutsche Projekt einspannen ließ …« 1600 Lüdtke a. O. (Anm. 1595) 638.
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zu eingeschränkten Maßstab gewählt hat1601; komplementäre Entsprechungen für die Probleme und die Verfasstheit der Feldarchäologie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert lassen sich nämlich an anderer Stelle finden. Zum besseren Verständnis ist es dabei hilfreich, noch einmal die reine Ereignisgeschichte des Ausgrabungswesens unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wissenschaftsorganisation zu befragen: In der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ war der kooperative Geist, der die internationale Gründungsgemeinschaft des Istituto di Corrispondenza noch 1829 beflügelte1602, innerhalb der Klassischen Altertumswissenschaften nicht etwa – wie heute vielfach angenommen wird – zunehmend einem eindimensionalen, nationalistisch geprägten Konkurrenzverhältnis um die besten Plätze und Funde gewichen1603, sondern erlebte gerade in der Zeit nach der Jahrhundertwende wieder einen deutlichen Aufschwung. Zwar traten innerhalb des nunmehr erfolgreich institutionalisierten und konsolidierten wissenschaftlichen Netzwerkes durchaus auch Konkurrenzsituationen auf, doch sind diese wohl eher ›sportlich‹ zu sehen: Der in festlichen ›Sonntagsreden‹ beschworene »friedliche Wettkampf« unter den Archäologen unterschiedlicher Nationen ebenso wie die Betonung eines gemeinsamen Ziels enthielten nämlich weiterhin durchaus einen wahren Kern: So war es beispielsweise auch in dieser Phase ein bezeichnender Zug von Grabungsprojekten, dass sie in vielen Fällen mindestens einen ausländischen wissenschaftlichen Mitarbeiter aufwiesen, und im Falle der Erforschung Theras machte Friedrich Hiller von Gaertringen sogar explizit darauf aufmerksam, dass er von seiner ursprünglich ebenfalls geplanten Untersuchung der Bronzezeit1604 der Insel Abstand nahm, als ihm zu Ohren kam, dass französische For1601
J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (München 2009) 1164: »Die Entfaltung westlicher Wissenschaften vom Anderen während des 19. Jahrhunderts erscheint daher weniger als ein imperialistischer Einbruch in lebendige Wissenskulturen denn als ein Gründungsschub der globalisierten Humanwissenschaften der Gegenwart.« 1602 G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. 1829–1929 (Berlin 1929) 5–9; S. L. Marchand, Down from Olympus. Archaeology and Philhellenism in Germany, 1750 – 1970 (Princeton 1996) 51–59; S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 30–34. bes. 34; H. Blanck, The Instituto di Corrispondenza Archeologica, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 63–78. 1603 S. L. Marchand, Kultur and the World War, in: T. Murray – Chr. Evans (Hrsg.), Histories of Archaeology. A Reader in the History of Archaeology (Oxford 2008) 238–242 legt zu sehr den Fokus auf einen nationalistisch begründeten Konkurrenzcharakter, indem zwar der »international scope« wisssenschaftlicher Arbeit kurz benannt, aber inhaltlich nicht weiter erörtert wird, während das nationalistische Element der Wissenschaft breit beschrieben wird. Tatsächlich müssten beide Seiten ausführlich gegeneinandergestellt werden, um überhaupt zu einem sachgerechten Urteil gelangen zu können. Vgl. auch Chr. Jansen, The German Archaeological Institute Between Transnational Scholarship and Foreign Cultural Policy, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 159; G. Ceserani, Italy’s Lost Greece. Magna Graecia and the Making of Modern Archaeology (Oxford 2012) 196–201. 1604 Das bronzezeitliche Thera erwies sich in der Folge sogar als wesentlich ertragreicher im Hinblick auf fundamentale wissenschaftliche Erkenntnisse und spektakuläre Funde und Befunde: DNP XV 3 (2003) 470–480 s. v. Thera (W. Schiering); Vgl. etwa S. Marinatos, Excavations at Thera
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scher sich für dieses Forschungsfeld interessierten1605. Im Falle der antiken Stadt Aigai in der Aiolis zeigte sich zudem, dass sich Angehörige unterschiedlicher Nationen durchaus auch die Untersuchung eines Ortes teilen konnten. Eine unscheinbare Rubrik des Archäologischen Anzeigers kann dabei als »Gradmesser« für die internationale und kooperative Ausrichtung des Wissenschaftsbetriebes fungieren: Im Anzeiger des Jahres 1895 wurde eine neue ständige Rubrik »Archäologische Funde« eingeführt1606, in der zunächst in knappem Umfang die neuesten archäologischen Entdeckungen des vergangenen Jahres überblicksartig aus unterschiedlichen Quellen zusammenstellt wurden1607. Schon zwei Jahre später, 1897, hatte sich der Umfang erweitert1608, und mit der wörtlichen Wiedergabe eines längeren Briefes Bernard Haussoulliers über die französischen Arbeiten in Didyma begegnet der erste nichtdeutsche Berichterstatter. Zudem trat mit einem eigenständigen Beitrag Hans Dragendorffs zu Südrußland1609 schon ein Vorläufer der von nun ab immer zahlreicher werdenden Überblicke auf, die eigens speziellen Ländern oder Regionen gewidmet waren: Ab dem folgenden Jahr 1898 wurden etwa die »Archäologischen Neuigkeiten aus Nordafrika«1610 zu einer regelmäßigen Einrichtung, und noch ein Jahr später waren neben den nordafrikanischen Neuigkeiten schon Einzelbeiträge unterschiedlicher Verfasser zu Südrußland1611, Ägypten1612 und Italien1613 vertreten. 1902 freute sich Alexander Conze, der nunmehr auch namentlich als Verfasser der »Archäologischen Funde« auftrat, dass er »zur Fortsetzung dieses Berichts in wachsendem Maße nicht auf Benutzung gedruckter Nachrichten angewiesen« war, »sondern die Unterstützung von Forschern der verschiedenen in Betracht kommenden Länder gefunden« hatte1614. Ab 1905 wurden diese speziellen Einzelberichte dann im Inhaltsverzeichnis des Anzeigers als Unterkapitel der »Archäologischen Funde« geführt1615 und die aktiv Beitragenden zunehmend internationaler1616. In diesem 2
I-III. 1967–1969 Seasons, The Archaeological Society at Athens Library 178 (Athen 1999); S. Marinatos, Excavations at Thera IV-V. 1970–1971 Seasons, The Archaeological Society at Ath2 ens Library 179 (Athen 1999); S. Marinatos, Excavations at Thera VI-VII. 1972–1973 Seasons, 2 The Archaeological Society at Athens Library 180 (Athen 1999). 1605 Thera 1, 26. 1606 Archäologische Funde im Jahre 1894, AA 1895, 94–100. 1607 S. Reinach, Chroniques d’Orient. Documents sur les fouilles et découvertes dans l’Orient Hellénique de 1883 a 1890 (Paris 1891) S. VII–IX gibt eine kurze historische Skizze zu systematischen Fundnachrichten in archäologischen Fachzeitschriften bis zum Jahr 1890. 1608 Archäologische Funde im Jahre 1896, AA 1897, 61–72. 1609 H. Dragendorff, Archäologische Mitteilungen aus Süd-Russland, AA 1897, 1–8. 1610 A. Schulten, Archäologische Neuigkeiten aus Nordafrika, AA 1898, 112–120. 1611 G. Kieseritzky, Funde in Südrußland, AA 1899, 56 f. 1612 F. W. v. Bissing, Funde und Erwerbungen in und aus Aegypten 1897–1898/99, AA 1899, 57– 59. 1613 H. Graeven, Italische Funde, AA 1899, 59–66. 1614 A. Conze, Archäologische Funde im Jahre 1902, AA 1903, 77. Die Rubrik war ursprünglich ohne Autorennennung; es folgte ein »C.« für Conze unter dem Text und ab dieser Ausgrabe wird der Autor in Klammern genannt. 1615 AA 1905, S. VI.
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Band wurde auch zum ersten Mal erwähnt, dass die Informationen zu den Neuigkeiten aus dem Ottomanischen Museum in Konstantinopel von Halil Edhem Bey stammten1617. In der Folge trugen die Ottomanischen Museen durch Edhem Bey und Theodor Macridy zu den Überblicken bei und 1912 wurde der Bericht aus dem türkischen Museum einmal in der parallelen Rubrik »Erwerbungsberichte« unter die anderen internationalen Antikenmuseen eingereiht1618. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges änderte sich an dieser von einer internationalen Gemeinschaft zusammengetragenen Übersicht formal nicht viel. 1914 lagen offenbar noch die Berichte über das Vorjahr vor, so dass in gewohntem Umfang berichtet werden konnte1619, aber schon im nächsten Kriegsjahr waren die »Archäologischen Funde im Jahre 1914« auf Berichte aus Griechenland1620, Bulgarien1621 und Rumänien1622 reduziert. Für 1915 konnte Georg Karo nur noch über Funde in Griechenland berichten1623. Im Archäologischen Anzeiger von 1917 fiel die Rubrik dann zum ersten Male ganz aus und setzte erst 1922 in bescheidenem Umfang wieder ein1624. Dass dieser Wille zur internationalen Kooperation einen programmatischen Hintergrund hatte, zeigt deutlich die Einrichtung der seit 1905 abgehaltenen Internationalen Kongresse der Archäologie1625. Dabei hilft ein näherer Blick in die »Comptes rendus«1626 des ersten in Athen abgehaltenen Kongresses zu verstehen, welche größeren Ziele die Akteure innerhalb ihrer Wissenschaft verfolgten: Diese
1616
Im AA 1914 decken dann die »Archäologischen Funde im Jahre 1913« folgende Staaten/Regionen ab: G. Karo, Griechenland, Sp. 121–167; G. Karo, Kleinasien, Sp. 167–174; R. Delbrueck, Italien, Sp. 174–205; B. Pharmakowsky, Rußland, Sp. 205–292; C. C. Edgar, Ägypten, Sp. 292–297; A. Schulten, Nordafrika, Sp. 297–316; P. Paris, Spanien und Portugal, Sp. 316–389; L. Renard-Grenson, Belgien, Sp. 389–392; F. Haverfield, Britannien, Sp. 392–408; G. von Finály, Ungarn, Sp. 408–411; N. Vuli• – M. Vassits, Serbien, Sp. 411–416; B. Filow, Bulgarien, Sp. 416–429; V. Pârvan, Rumänien, Sp. 429–442; das durch den langjährigen Berichterstatter E. Michon »bereitwilligst« angefertigte Manuskript zu Funden in Frankreich war, »vermutungsweise infolge der durch die Kriegswirren entstandenen Poststörungen, nicht mehr in die Hände der Redaktion gelangt« (Sp. 408). 1617 Archäologische Funde im Jahre 1904, AA 1905, 55. 1618 Ottomanisches Museum in Konstantinopel, AA 1912, Sp. 583–588. 1619 Vgl. o. Anm. 1616; Archäologische Funde im Jahre 1913, AA 1914, Sp. 121–442. 1620 G. Karo, Griechenland, AA 1915, Sp. 177–217. 1621 B. Filow, Bulgarien, AA 1915, Sp. 218–236. 1622 V. Pârvan, Rumänien, AA 1915, Sp. 236–270. 1623 G. Karo, Archäologische Funde im Jahre 1915, AA 1916, Sp. 138–166. 1624 B. Schweitzer, Archäologische Funde in den Jahren 1916–1922, AA 1922, Sp. 238–343. In der Zeit zwischen den Weltkriegen nahm der Wandel der Rubrik einen vergleichbaren Weg von einem bescheidenen Anfang hin zu einer internationalen Autorenschaft, die mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges abrupt endet. Allerdings sind dabei spezifische Unterschiede festzustellen. Eine Darstellung dieses Wandels geht allerdings über den zeitlichen Rahmen der vorliegenden Arbeit hinaus. 1625 S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 131. 1626 re Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905).
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offenbar sehr gut besuchte und mit Aufmerksamkeit verfolgte1627 Veranstaltung wurde von einer 17-köpfigen Kommission1628 organisiert und war aufgeteilt in sieben Sektionen. Die Kommission bestand neben Repräsentanten des griechischen Staates und der wichtigsten Bildungseinrichtungen Athens aus den versammelten Direktoren der auswärtigen archäologischen Institute und Schulen sowie der Athener Archäologischen Gesellschaft, während das Exekutivkomitee aus dem Generaldirektor der Antikenveraltung, dem Rektor der Athener Universität und den beiden Direktoren des deutschen Institutes und der französischen Schule bestand1629. Die sieben Sektionen hatten ein je dreiköpfiges Präsidium, deren Mitglieder regelmäßig jeweils drei unterschiedlichen Nationalitäten angehörten1630. Inhaltlich sollten in den Sektionen folgende Themen abgehandelt werden: I. Archéologie Classique, II. Archéologie préhistorique et Orientale, III. Fouilles et Musées, conservation des monuments, IV. Épigraphie et Numismatique, V. Géographie et Topographie, VI. Archéologie byzantine und VII. Enseignement de l’Archéologie1631. Neben dem Willen zur internationalen Kooperation fällt an dieser Einteilung der Anspruch auf, die verschiedenen Facetten der Archäologie so umfassend wie möglich abzubilden. In den beiden allgemeinen Sektionen III1632 und VII1633 zu Ausgrabungen und Museen sowie zur Lehre der Archäologie waren deutsche Feldarchäologen stark engagiert; neben Wilhelm Dörpfeld, Friedrich Hiller von Gaertringen, Rudolf Herzog und Adolf Furtwängler beteiligte sich von deutscher Seite in der dritten Sektion insbesondere Theodor Wiegand mit einem grundsätzlichen Beitrag »Über Ausgrabungsmethode und Erhaltung der ausgegrabenen Denkmäler«1634. Alexander Conze war nicht nur einer der Präsidenten der siebten Sektion, sondern sprach dort auch über »Archaeologie und Gymnasium«1635; außerdem regte Heinrich Bulle dort eine »internationale Bibliographie der Archaeologie« an1636.
1627
Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 9–45: »Liste Définitive des délégués et membres du congrès et des membres associés« mit insgesamt 865 Teilnehmern, darunter 406 assozierte Mitglieder und 14 korrespondierende. Aufschlussreich ist auch die folgende »Liste sommaire des délégués« (S. 46–49), die nach Ländern geordnet, die auf dem Kongress repräsentierten Institutionen auflistet. Die Ottomanischen Museen waren offiziell nicht mit einem Delegierten vertreten, lediglich die Osmanische Regierung war durch den Minister Rifaat Bey repräsentiert. Allerdings nahm mit Gustave Mendel doch ein enger Mitarbeiter Hamdi Beys am Kongress teil; seine Titulatur in der Liste ist »ancien membre de l’École française d’Athènes« (S. 30). 1628 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 5. 1629 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 6. 1630 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 7 f. 1631 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 7 f. 1632 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 237–259. 1633 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 323–350. 1634 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 244 f. 1635 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 323 f. 1636 Congrès International d’Archéologie a. O. (Anm. 1626) 334 f.
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Der zweite Kongress fand vom 7. bis 15. April 1909 in Kairo statt1637 und hatte grundsätzlich dieselbe organisatorische Struktur mit international paritätisch besetzten Sektionen usw. Allerdings bedauerte die archäologische Sektion der 49. Philologenversammlung schon im Vorfeld des Kongresses in einer Resolution, dass das Thema »Fouilles et Musées, conservation des monuments« nicht wieder vorgesehen war1638. Dieser Programmpunkt wurde tatsächlich nicht wieder aufgenommen, und in einer Nachlese zu dieser Veranstaltung kritisierte Georg Karo1639, dass »systematische Fragen, wie die der internationalen Organisation der archäologischen Forschung, der Museographie, des Nachrichtendienstes« nicht berührt worden wären, »obwohl sie doch die wichtigste Aufgabe dieser Versammlung« seien1640. Den Feldarchäologen war also sehr daran gelegen, sich über zentrale organisatorische und ideologische Themen ihrer Tätigkeit in einem internationalen Rahmen abzustimmen. Der letzte internationale Kongress vor dem Ersten Weltkrieg, von dem Karo gehofft hatte, dass er die thematische »Lücke« wieder füllen würde1641, fand vom 9. bis 16. Oktober 1912 in Rom statt1642. Für diese Zusammenkunft war auch wirklich wieder eine Sektion (XII) für die »Organizzazione del lavoro archeologico« vorgesehen, trotzdem schien zumindest die deutsche Altertumswissenschaft den Kongress eher verhalten aufzunehmen1643. Tatsächlich ist ein gravierender Unterschied dieses Kongresses zu den vorhergehenden zu bemerken, denn ausländische Forscher konnten in Rom lediglich Mitglieder des Honorar-Komitees (Comitato d’onore) sein1644, während die administrative Planung einem ausschließlich mit italienischen Wissenschaftlern besetzten vorbereitenden Ausschuss (Comitato ordinatore) vorbehalten war1645. Auch die Exekutivkomitees der einzelnen Sektionen waren ausschließlich mit Italienern besetzt1646, und erst auf der Eröffnungssitzung am 9. Oktober legte der Generalsekretär des vorbereitenden Ausschusses eine international besetzte Namensliste für die Sitzungsleiter der Einzelsektionen vor, über die die Versammlung dann abstimm1637
me
Comptes rendus du Congrès International d’Archéologie Classique. 2 Session. – Le Caire 1909 (Kairo 1909). 1638 Bericht über die Tätigkeit der archäologischen Sektion der 49. Philologenversammlung in Basel, AA 1907, Sp. 496. 1639 G. Karo, Der II. Internationale Archäologen Kongress, AA 1909, 300–309, darin: Reglement définitif du Congrès International d'Archéologie Classique, 307–309. 1640 Karo a. O. (Anm. 1639) 306. 1641 Karo a. O. (Anm. 1639) 306. 1642 Bollettino Riassuntivo. III Congresso Archeologico Internazionale. Roma MCMXII (Rom 1912). 1643 Im Archäologischen Anzeiger findet sich bezüglich dieses Kongresses nur die lapidare Mitteilung, dass von der Einladung an die Archäologische Gesellschaft zu Berlin »Kenntnis genommen« wurde: Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 7. Mai 1912, AA 1912, Sp. 140. Auch im folgenden Jahr findet sich kein zusammenhängender Bericht im Anzeiger; lediglich im Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts, AA 1913, S. II, wurde mitgeteilt, dass Richard Delbrueck, der erste Sekretar der Römischen Abteilung, »als Vertreter des Reichs und des Archäologischen Instituts« am Kongress teilgenommen hätte. Nach der Liste der Teilnehmer nahmen allerdings auch deutsche Wissenschaftler in gewohntem Umfang teil. 1644 Bollettino Riassuntivo a. O. (Anm. 1642) 2 f. 1645 Bollettino Riassuntivo a. O. (Anm. 1642) 4 f. 1646 Bollettino Riassuntivo a. O. (Anm. 1642) 8.
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te1647. Bei der Organisation dieses Kongresses war also tatsächlich der Anspruch der Altertumswissenschaftler, sich als eine überstaatliche wissenschaftliche Einheit zu organisieren, dadurch konterkariert worden, dass die italienischen Gastgeber sich eine weitaus größere Rolle in der Planung zubilligten, als es die vorherigen getan hatten. Auch auf der Ebene der Akteure selbst zeigt sich eine große zielorientierte Kooperationsbereitschaft1648: Der oft demonstrativ zur Schau getragene Nationalstolz Theodor Wiegands ist zwar unbestritten, doch ließ er sich davon offenbar nicht in seinen wissenschaftlichen Interessen beeinflussen: 1898 veröffentlichte er gemeinsam mit Heinrich Bulle Beobachtungen zur Topographie der delphischen Weihgeschenke, die er mit Erlaubnis des französischen Grabungsleiters von Delphi Théophile Homolle anstellen durfte, in der Zeitschrift der École Française d'Athènes1649 und tauschte sich nach der Jahrhundertwende mit Bernard Haussoullier, dem von ihm mehrfach energisch kritisierten ersten Ausgräber von Didyma, über dort gefundene Inschriften aus1650. Schaut man eine Schicht tiefer in das personelle Geflecht der wissenschaftlichen Community, entdeckt man hinter der exponierten Persönlichkeit Wiegands den Epigraphiker Albert Rehm, der 1914 mit Haussoullier gemeinsam die Inschriften aus Didyma bearbeiten sollte. Diese Unternehmung wurde zwar durch den Ersten Weltkrieg zunichte gemacht, war aber schon weit über die reine Planungsphase hinaus gediehen: Haussoullier hatte am 8. Mai 1914 der gemeinsamen Bearbeitung definitiv zugestimmt1651 und Rehm plante bereits die Reise nach Paris. Aufschlussreich ist in diesem Kontext eine Bemerkung Friedrich Hiller von Gaertringens; er schrieb am 12. Mai 1914 an Rehm: Wir denken doch nicht allein an unser, sondern an das Corpus; und dessen milesischer Teil, mag er unter einer Flagge segeln, welcher er will – und wäre es auch keine deutsche – ist jetzt wichtiger …1652
Mit »Wir« meinte Hiller von Gaertringen sich selbst und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Diesen beiden, die unmittelbar an der Planung der Unternehmung beteiligt waren1653, ging es also in erster Linie darum, 1647
Bollettino Riassuntivo a. O. (Anm. 1642) 50 f. Vgl. auch die bemerkenswerten Ausführungen Ernst Pfuhls zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf den internationalen wissenschaftlichen Diskurs und welche Rolle die von ihm angenommene Neigung deutscher Forscher dabei spielte, abstrakte »Hypothesengebäude zu errichten«: E. Pfuhl, GGA 177/6, 1915, 338–342. 1649 H. Bulle – Th. Wiegand, Zur Topographie der delphischen Weihgeschenke, BCH 20, 1898, 328–334. 1650 Th. Wiegand, Sechster Vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, SBBerlin 1908, 35–44. 1651 B. Haussoullier an Th. Wiegand, 8.5.1914, (Abschrift des Briefes als Anlage eines Briefes Wiegands an Rehm), NL Rehm. 1652 F. Hiller von Gaertringen an A. Rehm, 12.5.1914, NL Rehm. 1653 Im Nachlass Albert Rehm ist ebenfalls die Abschrift eines Briefes Hiller von Gaertringens an Wiegand vom 21. April 1914 erhalten, aus der hervorgeht, dass Hiller von Gaertringen auf Wunsch Wiegands die Angelegenheit mit Wilamowitz besprach und die beiden Historiker das 1648
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dass die Forschungsergebnisse publiziert wurden; die Frage, wo und wie dies geschah, war für sie offenbar zweitrangig. Für Wiegand war durch dieses Arrangement der »Triumph (interakademischer Verständigung) … in vollstem Maße … erreicht«1654 und der weitere Text dieses Briefes schilderte noch, dass an den Ottomanischen Museen dafür Sorge getragen worden war, dass das Publikationsrecht Hausoulliers an den nach Konstantinopel gelangten Inschriften aus seiner Ausgrabung in Didyma gegen die Begehrlichkeiten eines unbeteiligten deutschen Altertumsforschers gewahrt blieb; falls es einer weiteren Auseinandersetzung mit jenem Forscher bedürfe, »so erteile« Wiegand Rehm »jetzt schon jede erwünschte Vollmacht.« Sowohl in der alltäglichen Praxis als auch auf der persönlichen Ebene suchten also die Akteure der Feldarchäologie innerhalb ihres Netzwerkes den internationalen Austausch, und mit der Einrichtung regelmäßiger Kongresse verfolgten sie eine Institutionalisierung ihrer Kooperationsbemühungen. Dass die programmatische Ausrichtung des ersten Kongresses 1905 bis zum Ersten Weltkrieg nicht erfolgreich wiederholt werden konnte und ihre Bemühungen nicht in eine institutionelle Verfestigung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit mündete, könnte nun tatsächlich als ein komplementär zur Makrogeschichte verlaufendes Phänomen gesehen werden: Mit den Haager Friedenskonferenzen1655 von 1899 und 1907 hatte eine internationale Staatengemeinschaft versucht, völkerrechtliche Grundlagen für die friedliche Regelung von Konflikten festzulegen, aber diese Bemühungen waren am Veto des Deutschen Reiches gescheitert. Erst die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges führten dann mit der Gründung des Völkerbundes1656 zu einer ersten institutionalisierten internationalen Schiedgerichtsbarkeit1657, die aber auch nicht von Dauer war. Eine Geschichte der Feldarchäologie in der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹, die sich nicht durch künstliche nationale Grenzen beschränken lässt, könnte dabei Parallelen und Unterschiede zu dem durch individuelle pazifistische Überzeugungen angestoßenen völker-
weitere Vorgehen bestimmten: »Wir meinen, daß Ihr sehr gut Haussoullier die Mitarbeit in Milet … antragen könnt durch ein Schreiben der G[eneral].V[erwaltung]. der Königl. Museen, das Du natürlich entwirfst und dirigierst. Und dann geht Rehm nach Paris, wenn die Antwort da ist und verständigt sich über das Einzelne; er muß es natürlich alles redigieren und »unter Mitwirkung von B. Hausoullier« steht auf dem Titel oder wie Euch das sonst gut erscheint. Ich wette, H. wird sehr liebenswürdig sein, wie er überhaupt ein vornehmer Mann ist.« Am Ende des Briefes fasste Hiller von Gaertringen den Inhalt noch in einem bemerkenswerten Absatz zusammen: »Aber wie gesagt, erst den Brief an Haussoullier als Einleitung! Es ist ja auch schön, wenn die Franzosen vollenden helfen, was sie angefangen haben und entspricht unserer entente cordiale, die wir mit den besten unter ihnen haben.« F. Hiller von Gaertringen an Th. Wiegand, 21.4.1914 (Abschrift des Briefes als Anlage eines Briefes an A. Rehm), NL Rehm. 1654 Th. Wiegand an A. Rehm, 22.5.1914, NL Rehm. 1655 J. Düllfer, Regeln gegen den Krieg? Die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 in der internationalen Politik (Frankfur a. M. 1981). 1656 M. Marbeau, La Société des Nations (Paris 2001). 1657 2 K. H. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte. Ein Studienbuch (München 2007) 193–211. bes. 197 f. 204.
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rechtlichen Lernprozess aufzeigen1658, der zur Bildung allgemein akzeptierter transund supranationaler1659 Organisationen führte und erst nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich dauerhafte und handlungsfähige überstaatliche Formationen hervorbrachte1660. Man könnte sogar so weit gehen, den historischen Kosmos der Feldarchäologie vor dem Ersten Weltkrieg als ein internationalistisch gesinntes Netzwerk zu begreifen, das sich zielgerichtet entlang einer gemeinsamen wissenschaftlichen Programmatik entwickelte. Ein zentrales Merkmal dieses Netzwerkes war seine Fähigkeit, sich selbst zu reproduzieren, wobei gerade die deutschen Akteure längere Zeit bis zur Schaffung der hierzu notwendigen Vorbedingungen benötigten: Während die anderen ausländischen wissenschaftlichen Institutionen von vornherein als »Schulen« gegründet worden waren, konnte die Verwirklichung der Lehrfunktion des DAI erst mit größerer zeitlicher Verzögerung 1859 begonnen werden1661, und eine Lehrverpflichtung der auswärtigen Sekretäre wurde sogar erst 1887 statutmäßig geregelt1662. Damit war aber schließlich eine formelle Grundlage geschaffen worden, auf der dann Wilhelm Dörpfeld und sein Nachfolger Georg Karo in ihrer Zeit als erste Sekretäre der Athener Abteilung des DAI ab 1887 nicht nur prägend auf mehrere Feldforschergenerationen einwirken konnten, sondern darüberhinausgehend auch den ihnen erteilten engeren Lehrauftrag zu einem allgemeineren Bildungsauftrag umdeuteten und dieses Vorgehen gegen Widerstände in der Zentraldirektion verteidigen mussten: Die jährlichen Rundreisen der Athener Abteilung auf der Peloponnes, den griechischen Inseln und nach Kleinasien waren nämlich von Dörpfeld schrittweise einem immer internationalerem und auch fachfremden Publikum geöffnet worden, so dass sich in Deutschland Widerstände mit nationalistischen Untertönen gegen diese Entwicklung regten1663. Daher war Dörpfeld zunächst gezwungen, Konzessionen zu machen, die aber den Kern der Sache nicht berührten. In Hinsicht auf die Organisation und die wissenschaftliche Ideologie feldarchäologischer Arbeit insgesamt ist also eher eine deutliche Kontinuität von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis an den Vorabend des Ersten Weltkrieges festzustellen, wobei die großen gesellschaftlichen Veränderungen, die das »Age of Em1658
J. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (München 2009) 730 f. Vgl. dazu auch Chr. Jansen, The German Archaeological Institute Between Transnational Scholarship and Foreign Cultural Policy, in: N. de Haan – M. Eickhoff – M. Schwegman (Hrsg.), Archaeology and National Identity in Italy and Europe 1800–1950, Fragmenta. Journal of the Royal Netherlands Institute in Rome 2, 2008, 151–181, wo sich allerdings die angeführten Fallbeispiele auf etwas andere Zeiträume beziehen. 1659 G. Thiemeyer, Supranationalität als Novum in der Geschichte der internationalen Politik der fünfziger Jahre, Journal of European Integration History 4, 1998, 5–21. 1660 Osterhammel a. O. (Anm. 1658) 723–735, Kapitel »Internationalismen und normative Universalisierung«. 1661 Die ersten Reisestipendien wurden 1859 an Alexander Conze und Adolf Michaelis verliehen: G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. 1829–1929 (Berlin 1929) 23. 1662 L. Wickert, Beiträge zur Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts von 1879 bis 1929, DAIGeschDok 2 (Mainz 1979) 130. 1663 Wickert a. O. (Anm. 1662) 140–142.
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pire« im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts mit sich brachte, für die Akteure der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ in der Hauptsache vor allem neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen. Um Zugang zu diesen neuen Mitteln zu bekommen, war es gegebenenfalls nötig, den potentiellen Geldgebern Zugeständnisse zu machen. Waren die Mittel aber erst einmal gesichert und die Akteure vor Ort, nutzten sie regelmäßig ihren Gestaltungsspielraum in ihrem eigenen wissenschaftlichen Sinne aus. Dabei ist zu beobachten, dass besonders in den Fällen, bei denen die Akteure ungezwungener ihren Interessen nachgehen konnten, regelmäßig ganz erstaunliche wissenschaftliche Leistungen erbracht wurden: Die eigentlich unerfahrenen Stipendiaten Hans Dragendorff, Theodor Wiegand und Hans Schrader beispielsweise waren eher zufällig in die Position gekommen, eine eigene Ausgrabung durchzuführen, aber in beiden Fällen, Thera und Priene, wurde eine zu ihrer Zeit mustergültige Ausgrabung durchgeführt, die in ebenso mustergültiger Weise vorgelegt werden konnte. Vor diesem Hintergrund überrascht der Umstand, dass frühere Forschungen den Begriff der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹ für diese Phase der Feldarchäologe prägten. ›Größe‹ ist doch nur ein rein äußerliches Kriterium, das eigentlich gar nichts zum Verständnis beitragen kann, und eher von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem spannenden historischen Phänomen abhält. In diesem Sinne wäre es vielleicht angebracht, eher von einer großen Zeit der Ausgrabungen zu sprechen, denn das im Ersten Weltkrieg zerstörte feldarchäologische Netzwerk bot für seine Akteure vielfältige Möglichkeiten und teilweise ideale Arbeitsbedingungen, deren Niveau erst nach sehr langer Unterbrechung wieder erreicht werden konnte.
5. ERGEBNIS
Angesichts der eindrucksvollen Liste von Grabungsorten der Berliner Museen – Pergamon, Magnesia, Priene, Milet, Didyma und Samos – ist es nachzuvollziehen, wie der Eindruck entstehen konnte, dass tatsächlich eine Feldarchäologie im Namen »wilhelminischer Großmannssucht« im Osmanischen Reich wirkte. Allein, bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es zu dieser Reihe von Ausgrabungen hauptsächlich dadurch gekommen war, dass sich im Deutschen Reich niemand gefunden hatte, der eine erwünschte systematische Erforschung Pergamons dauerhaft finanzieren wollte. Otto Benndorf hatte in dieser Hinsicht mehr Erfolg und die Geschichte der österreichischen Feldarchäologie kann als ein guter Vergleich dafür angesehen werden, wie ihre deutsche Entsprechung verlaufen wäre, wenn man es nur den Archäologen ermöglicht hätte, ihre Wissenschaft so zu betreiben, wie sie es für richtig hielten. Nachdem Alexander Conze 1887 an das DAI gewechselt war, wo ihm zwar geringere Mittel, aber freiere wissenschaftliche Arbeitsbedingungen zu Verfügung standen, brauchte es rund 13 Jahre, bevor es gelang, die Pergamongrabung erneut zu verstetigen. Carl Humann hingegen blieb in der Position des auswärtigen Direktors und schaffte es schließlich in Kooperation mit anderen Kollegen unter vielen Mühen auch seinen Arbeitgeber dazu zu bewegen, eine gründliche und längerfristige Ausgrabung zu finanzieren. Priene war dabei ein angemessener Kompromiss zwischen Langfristigkeit und Finanzierbarkeit, denn der nötige Aufwand an diesem Ort war vor Beginn der Grabung in etwa einzuschätzen. Bei Humanns Nachfolger Theodor Wiegand begegnet gleich zu Beginn seiner Laufbahn ein ähnliches Phänomen, denn obwohl er mit dem Heraion von Samos ein Projekt verfolgte, das aufgrund des Ausgrabungsobjektes begrenzt war, seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit näher lag und auch für die Erwerbungsinteressen der Museen ertragreich sein mochte, hörte man nicht auf ihn, sondern ließ ihn zunächst Grabungen in Milet und dann Didyma beginnen. Dieses durchgehend zu beobachtende Misstrauen gegenüber der Urteilsfähigkeit der Akteure in ihrem eigenen Fachgebiet führte dazu, dass mit jedem neuen Grabungsort auch neue langfristige wissenschaftliche und denkmalpflegerische Verpflichtungen entstanden, die in der Summe sicher mehr kosteten als etwa eine systematische Erforschung Pergamons und begrenzter Untersuchungen nebenher zusammen. Unter diesen speziellen Bedingungen machten sich die betroffenen Feldarchäologen auch eine spezielle Rhetorik zu eigen, die einerseits stets bemüht war, einen handgreiflichen Nutzen ihrer Tätigkeit herauszustellen und andererseits dazu diente, ihr tatsächliches Handeln vor Ort nicht allzu genau offenbar werden zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass im Verlauf der Zeit ein Wissensverlust bezüglich der tatsächlichen Natur ihrer Tätigkeit eintrat.
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ERGEBNIS
Die Miletgrabung selbst war von vornherein auch über die Altertumswissenschaften hinaus interdisziplinär angelegt, was etwa die erwähnten biologischen Forschungen Julius Vosselers und die Aktivitäten Paul Wilskis anschaulich zeigen. Für die Ausgrabung hatte Wiegand mit der Kombination von Stadt- und Nekropolengrabung ein innovatives Konzept gewählt. Damit war es am Ende gelungen, ein grundsätzliches Verständnis des Ruinengeländes zu etablieren, auf dem dann weitergehende Forschungen aufbauen konnten. Milet hatte sich zwar für Bauforschung und Epigraphik als ein sehr gewinnbringender Ausgrabungsort erwiesen, aber für die Klassische Archäologie hatte der Ort nur wenig Spektakuläres ergeben, weil das genuin klassisch-archäologische Konzept der Nekropolengrabung, das die Leistungsfähigkeit der wissenschaftlich betriebenen Feldarbeit auch für diese Disziplin anschaulich gezeigt hätte, an diesem Ort kein positives Ergebnis erbracht hatte. Daneben fungierte die Miletgrabung durch eine größere Freiheit für die Stipendiaten auch als ein Lehr- und Experimentierort für wissenschaftliche Methoden, was aber nicht wie bei Thera dazu führte, dass sich die Stipendiaten mit ihren Resultaten auch persönlich öffentlich profilieren konnten. Die Publikation der abschließend vorgelegten »Ergebnisse« konnte schließlich weniger öffentlichkeitswirksame Themen wie den Wasserbau nicht vollumfänglich berücksichtigen; zur Grabungszeit wurde aber, wie bei der Museumsgrabung in Pergamon, quasi »auf Halde« produziert, wohl immer in der Hoffnung später unter besseren Bedingungen darauf zurückkommen zu können. Der Erste Weltkrieg und die mit ihm einhergehenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen änderten auch grundsätzlich die Bedingungen für die archäologische Feldforschung. Insbesondere brach zunächst »das Gebäude« ihrer »internationalen Zusammenarbeit« zusammen, so dass sie »von den Quellen ihres Lebens«1664 abgeschnitten wurde. Als sich nach dem Krieg beim Wiederaufbau des Netzwerkes mit Einrichtung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ein sachgerechteres und demokratischeres Finanzierungsinstrument ergab, beschänkte man sich in Bezug auf Milet darauf, das in denkmalpflegerischer und wissenschaftlicher Hinsicht Liegengebliebene aufzuarbeiten, anstatt an diesem Ort neue Feldforschungen zu beginnen. Stattdessen wurde die Pergamongrabung für das Feld der Stadtforschung reaktiviert und aussichtsreichere Unternehmungen zur Erforschung der archaischen Zeit auf den Weg gebracht. Diese Vorgehensweise erscheint in der Rückschau sinnvoll, wenn auch nicht nachzuvollziehen ist, warum nicht wenigstens eine Bearbeitung der vorhandenen milesischen Kleinfunde nach 1924 erfolgte. Es war zwar keine archaische Nekropole gefunden worden, aber einzelne Materialgruppen hätten unter den neuen Bedingungen sicher ohne großen Aufwand bearbeitet werden können, so dass wenigstens ein Teil dieser Resultate der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugutegekommen wäre. 1664
G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches, 1829-1929 (Berlin 1929) 46.
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen und Zitierweisen folgen den »Richtlinien für Publikationen des Deutschen Archäologischen Instituts«1665. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen und Sigel verwendet: [] Kommentare bzw. Ergänzungen des Verf. […] Nicht lesbare Worte in Manuskripten. GrTB NL o. S. s. TB
Grabungstagebuch Nachlass ohne Seitenzählung Siehe Tagebuch
EOE
G. Ágoston – B. Masters (Hrsg.), Encyclopedia of the Ottoman Empire (New York 2009). J. Grimm – W. Grimm (Hrsg.), Deutsches Wörterbuch (Leipzig 1854–1971) (Nachdruck München 1984). Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Neue Deutsche Biographie (Berlin 1953–). F. Hiller von Gaertringen. (Hrsg.), Die Insel Thera in Altertum und Gegenwart. Mit Ausschluß der Nekropolen, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902 1 (Berlin 1899). F. Hiller von Gaertringen – P. Wilski, Stadtgeschichte von Thera, Thera. Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 – 1902 3 (Berlin 1904). C. Watzinger, Theodor Wiegand. Ein deutscher Archäologe 1864 – 1936 (München 1944).
DWB NDB Thera 1
Thera 3
Watzinger 1944
1665
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Taf. 4 Taf. 5 Taf. 17a Taf. 18a-b Taf. 27b
Taf. 27a
Taf. 26a-b Taf. 28b
Taf. 31c
Taf. 35 Taf. 32
Verf., Kartengrundlage: OOo.Hg, Cart’OOo (Daniel Dalet) (6.4.2014). Verf. Verf., Kartengrundlagen: Th. Wiegand, Zweiter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin 1901, 153 Abb.11; W. Bendt, Topographische Karte von Milet (Berlin 1968). Verf., Kartengrundlage: P. Wilski, Karte der milesischen Halbinsel, Milet 1, 1 (Berlin 1906). Verf., Kartengrundlage: A. von Gerkan, Kalabaktepe, Athenatempel und Umgebung, Milet 1, 8 (Berlin 1925) Abb. 30 und Beilage 1. P. I. Schneider, Berlin. Arnold von Salis, NL von Salis. O. Dally – M. Maischberger – P. I. Schneider – A. Scholl (Hrsg.), Zeiträume. Milet in Kaiserzeit und Spätantike. Ausstellungskatalog Berlin (Regensburg 2009) 16. Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 9. Arnold von Salis, NL von Salis. Th. Wiegand, Die Denkmäler als Hilfsmittel der Altertumsforschung, ihr Untergang, Wiedererstehen und ihre Erhaltung, in: W. Otto (Hrsg.), HdArch 1, 1 (München 1939) 99. E. Schulte, Chronik der Ausgrabung von Pergamon 1871-1886, Schriften der Hermann-Bröckelschen Stiftung 2 (Dortmund o. J. [1963]) 136, 336D. Georg Kawerau, NL Knackfuß SMK//A, 03/0163.08. M. Kunze, Der Pergamonaltar. Seine Geschichte, Entdeckung und Rekonstruktion (Mainz 1995) 15 Abb. 7.
Personenindex
Abdülhamid II. 14, 69 Ahmet Şefik Midhat 69 Åkerström, Åke 163 Alexander der Große 108 Ali [Arbeiter] 204 Anaximander 107 Anaximenes 107 Antonis [Vorarbeiter] 206–8, 210–12, 228 Apergis, Athanasios 104, 165, 206–13, 238 Aristoteles 108 Aziz Ogan 122, 195–96 Baltazzi, Demosthenes 72, 80 Benndorf, Otto 27, 85–87, 102, 104, 175, 213, 240, 259, 303 Bernstorff, Johann Heinrich von 58 Biliotti, Alfred 36 Blinkenberg, Christian S. 158 Bode, Wilhelm von 197 Boehlau, Johannes 17, 34, 36–38, 50– 54, 99, 114, 123, 137–38, 139, 143, 160–61, 168, 195, 207, 208, 217, 218, 226–27, 231 Bohn, Richard 243, 336 Borbein, Adolf H. 12–13, 15, 248 Borrmann, Richard 186 Bulle, Heinrich 252, 254 Burrows, Ronald M. 38 Buschor, Ernst 218 Cambon, Paul 94, 302–4 Cichorius, Conrad 81, 84 Clerc, Michel A. 80 Conze, Alexander 27, 34, 42, 65, 75, 78, 81, 82, 83, 86, 100, 112, 122, 159, 186, 187, 188, 200, 219, 228, 250, 252, 259, 336 Curtius, Ludwig 237 Damakis, Dimitri 240
Diest, Walther von 171, 172 Dörpfeld, Wilhelm 82, 142, 159, 209– 10, 235, 252, 256, 304, 310, 335– 37 Dragendorff, Hans 31, 38–40, 100, 139, 227, 231, 250, 257 Drossos, Stamati 228 Dümmler, Georg F. 37 Dyson, Stephen L. 345 Easton, Donald F. 18 Edhem [Sohn Osman Hamdis] 72, 83, 171 Edib [Kommissar] 89, 299 Eldem, Edhem 68 Fiechter, Ernst R. 162 Forbeck, Elke 12, 144 Frickenhaus, August 120, 140–43, 150, 154–55, 155, 168, 206–7, 311, 315 Fuhrmann, Malte 15, 242, 244 Furtwängler, Adolf 34, 46–50, 92, 162, 252 Georgi [Hausdiener] 170, 212 Gerhard, Eduard 30, 33, 78 Gerkan, Armin von 117–18, 121, 134, 147, 152, 162, 163, 180–85, 202, 217, 238, 314–15 Girard, Paul 216 Goethe, Johann Wolfgang von 239 Graeve, Volkmar von 110, 181 Habich, Eduard 50, 51, 52, 232 Halil Edhem 59, 71, 251 Hasan Çavuş 138, 141–42, 206, 207, 212 Haussoullier, Bernard 103, 250, 254 Heberdey, Rudolf 87, 100, 159 Heilmeyer, Wolf-Dieter 198 Held, Winfried 12 Herkenrath, Emil 119, 137, 147, 149
292
PERSONENINDEX
Hermogenes 84 Herodot 93, 108, 169, 217 Herzog, Rudolf 43–46, 54, 61, 74–75, 252 Hiller von Gaertringen, Friedrich 17, 38–43, 50, 75, 83–84, 85, 89, 97– 98, 98, 100, 114, 159, 172, 176, 209–10, 216, 249, 252, 254–55, 299 Hippodamos 108, 184 Hirschfeld, Gustav 28 Hobsbawm, Eric 14 Hoffmann, Ludwig 198 Homolle, Théophile 254 Hülsen, Christian 187 Hülsen, Julius 178, 223, 306 Humann, Carl 19, 40, 42, 50–51, 61, 65–68, 77–105, 109–11, 112–14, 123, 171, 197, 201, 207, 216, 217, 234, 239, 259, 299, 302, 304 Humann, Luise 212 Hussein, Hamal 205 Ianni [Vorarbeiter] 167 Ibrahim Edhem 69 Jenke, Karl 336–37 Jenke, Martha 336 Joubin, Andre 303, 304 Judeich, Walther 81–84 Kalkmann, August 231 Kalpaxis, Thanassis 56 Karo, Georg 223, 230–31, 235, 251, 253, 256 Katherina [Haushälterin] 208, 212–13, 240, 241 Kawerau, Emilie 335 Kawerau, Georg 118–19, 122, 130–31, 144, 177, 216, 221, 225, 245–46, 307–8, 317, 335–39 Kawerau, Peter M. 335 Kekulé von Stradonitz, Reinhard 62, 88, 90–93, 95–97, 102–4, 112, 114, 121, 155, 174, 185, 191–92, 218, 231, 236, 302, 305, 308 Keller, Gottfried 239
Kern, Otto 84, 89–92, 98, 172 Kessler, Harry 239 Kinch, Karl F. 158, 159, 160 Kips, Alexander 242 Kirchhoff, Adolf 35 Kjellberg, Lennart 51, 161, 163 Knackfuß, Hermann 170, 215, 223– 24 Knackfuß, Hubert 117–19, 122, 124, 131, 168, 170–71, 171, 174, 177, 187, 188–89, 195, 202–3, 207–8, 210–11, 212–13, 216, 218, 221–31, 234, 235, 239–41, 245–46, 305, 306, 313, 316, 317–18, 335, 339 Koch, Georg 242 Koch, Herbert 162 Koldewey, Robert 92–93 Körte, Alfred 29, 233 Körte, Gustav 29 Kosmopoulos, Angelis 209–10 Kosmopoulos, Giorgos 209–10 Kosmopoulos, Vasilis 210 Krauss, Friedrich 314–16 Krischen, Fritz 183, 222, 314, 316 Kritikos, Iannis 208 Krupp, Friedrich A. 88, 90, 303 Kunze, Max 118 Kypräos, Salid 207 Lanckoroński, Karl 54 Laubscher, Hans P. 163, 221 Leonidas 240 Likas, Grigorios 205 Loeschcke, Georg 34, 36, 227, 231, 237 Loeschcke, Siegfried 226 Luka [Arbeiter] 205 Luschan, Felix von 232 Lyncker, Karl 167, 179, 222, 315 Macridy, Theodor 73, 162, 196, 213, 251 Maimaroglou, Evangelos 212–13, 222, 240–41, 317 Mallwitz, Alfred 183
PERSONENINDEX
Marchand, Suzanne L. 15, 68, 193, 194 Markos [Vorarbeiter] 206 Mehmet Hüsrev 69 Melissianos, Periklis 204 Messel, Alfred 198 Michaelis, Adolf 26, 71, 112 Mommsen, Theodor 173, 237 Müller, Walter 147 Müller-Wiener, Wolfgang 110 Neumayer, Georg von 28 Newton, Charles T. 78, 92 Niemann, George 54 Nikola [Vorarbeiter] 228 Oppenheim, Max von 197 Osman Hamdi 21, 51, 58–62, 63, 67, 68–77, 80, 82–83, 94–95, 167, 170–71, 191–94, 200, 209, 302–4, 304–5 Paton, William R. 44 Pernice, Erich 117, 118, 144, 150–52, 155–58, 162, 181–84, 222, 312 Petersen, Eugen 54, 187 Pfuhl, Ernst 40 Philippson, Alfred 179, 210, 315 Plutarch 91 Pontremoli, Edmond 103 Preußen, Eitel Friedrich von 239 Pringsheim, Heinrich 172 Prott, Hans von 215 Puchstein, Otto 90, 91–93 Pullan, Richard P. 96, 98 Radolin, Hugo von 94–95, 303, 304 Radt, Wolfgang 68, 69 Ramsay, William M. 80 Rayet, Olivier 11, 94–95, 109, 114, 299, 301 Rehm, Albert 45, 177, 202, 240, 254– 55, 307, 315–16, 338 Reinach, Salomon 70, 80 Riegl, Alois 79 Rodenwaldt, Gerhart 219 Rubensohn, Otto 42–43, 54 Rumpf, Andreas 112
293
Salis, Arnold von 31, 117, 120–21, 129, 137–40, 152–56, 161, 162, 204, 212, 231–38, 238, 240–41, 246, 308, 315 Salzmann, Auguste 36, 160 Samothrakis, Iannis 228 Sarre, Friedrich 104 Schazmann, Paul 212, 229 Schede, Martin 66, 122, 195, 196, 195–96, 217, 313 Scheffel, Joseph Viktor von 239 Schiering, Wolfgang 183 Schiff, Alfred 99 Schliemann, Heinrich 18 Schnapp, Alain 13 Schöne, Richard 42, 65, 78, 79, 86, 89, 102, 174, 177, 224 Schrader, Hans 97, 98, 114, 168, 186, 215, 219, 257 Schulte, Eduard 71, 89, 242 Seferis, Giorgos 9 Senff, Reinhard 12 Septimius Severus 187 Shaw, Wendy M. K. 68 Siemens, Elisabeth von 232 Stais, Valerios 144 Stergiou, Chrysanthe 208, 213 Stratis [Vorarbeiter] 206, 228 Studniczka, Franz 101 Szemethy, Hubert D. 18 Thales 91, 107 Trigger, Bruce G. 15 Tsandarliotis, A. 205 Ure, Percy N. 38 Usener, Hermann 237 Valaury, Alexandre 199 Vitruv 84 Vosseler, Julius 44, 260 Walker, Alice L. 210 Watzinger, Carl 60, 68, 102, 112, 136–37, 166, 172, 195–96, 218–19, 221, 237 Weber, Georg 79, 83, 104
294
PERSONENINDEX
Weickert, Carl 11, 117, 165, 180, 203, 226, 238, 313, 316 Wenk, Silke 193, 340 Wheeler, Mortimer 13 Wiegand, Marie 170, 246 Wiegand, Theodor 101–5, 214–21, 340–44, passim Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 91, 172, 178–79, 185, 254 Wilhelm II. 62, 103, 177, 189
Wilski, Paul 41, 165–66, 177, 210, 242, 260 Winckelmann, Johann Joachim 30 Winnefeld, Hermann 235–36 Winter, Franz 71, 81–84 Wohlers-Scharf, Traute 18, 19, 87 Wood, James T. 86 Wulzinger, Carl 121, 314, 315 Zahn, Robert 43, 99–100 Ziegenaus, Oskar 314, 316 Zippelius, Hans 233, 242
Ortsindex Abai 93 Ägina 46–50, 54, 161, 309 Aphaiatempel 46, 49 Aphroditetempel 47 Aigai 72, 80, 250 Akköy 121, 136, 204–6, 226, 234, 242, 301 Grabungshaus 195, 225, 238–42, 246 Alabanda 72, 171 Alaca Höyük, Çorum 72 Alexandria 99 Altenburg / Niederstein 37, 226 Ankara 28, 29, 195 Aphrodisias 72 Arkadien 210 Arnautköy 234 Assos 92 Assur 201 Athen 27, 38, 97, 107, 144, 213, 215, 223, 228–30, 232–35, 251, 311, 336 Kerameikos 211, 229–30 Aydın 82, 170 Babylon 201 Bagdad 29, 69, 190 Baladjik 299, 302 Balat 109, 144, 204–5, 212, 238, 299– 302 Bargylia 172 Basel 231, 235, 240, 246, 311 Berlin 12, 27, 63, 66, 98, 113, 119, 165, 167, 168, 174, 190, 191–96, 198, 214, 217, 227, 229, 231, 232, 235, 236, 303, 304, 316, 335, 340 Pergamonmuseum 198–203 Bodrum 45, 231 Boğazköy 73 Bonn 231, 237 Böotien 38, 47, 235
Brindisi 306 Brussa s. Bursa Bursa 74, 234 Burundjik 160 Chaironeia 336 Chalkis 35 Chios 69, 227 Danzig 316 Dara, Mardin 72 Delphi 93, 254, 302, 303, 304 Didyma 21, 88–96, 103, 112–14, 118, 136, 164–65, 189, 195–96, 201, 206, 208, 213, 215–18, 223, 225– 26, 228–31, 233, 234, 237–39, 241, 245, 250, 254, 255, 259, 299–302, 302–5, 314 Dodona 93 Dromirkos 300 Ephesos 18–19, 85–88, 93, 95, 97, 100, 104, 113, 176, 303 Artemision 86, 158 Epidauros 336 Eskişehir 336 Essen 88–90 Euböa 35, 235 Euromos 171 Frankfurt a. Main 223, 306 Fritzlar 37 Gaziantep 81 Gebze 216 Gordion 29, 162 Greifswald 91, 184 Güzelçamlı 98 Haltern 186, 237 Heidelberg 237 Heraklea am Latmos 179 Heringsdorf 336 Hierapolis 82, 84 Hieronda 302, 304 Ialysos 312
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ORTSINDEX
Iasos 171, 172 Istanbul 63, 313, s. a. Konstantinopel Izmir 9, 23, 74, s. a. Smyrna Izmit 28 Jeronda 94, 166, 224, 228, 242 Jerusalem 74 Kadıköy 336 Kairo 253 Kalymnos 44 Kandilli 336 Kassel 52, 222–24, 226–27, 229–30 Kazıklı Halbinsel 172 Kelebesch 242 Kilikien 91 Klaros 72 Knidos 78 Knossos 312 Kôm-Esch-Schukafa 99 Konstantinopel 51, 58, 66, 69, 71, 82, 94, 102, 119, 132, 190, 191–96, 199–200, 208, 223, 232, 234, 251, 255, 305, 335–37, s. a.Istanbul Konya 74, 336 Korfu 189, 210 Korinth 88, 210 Kos 43–46, 61 Asklepieion 44, 220 Kreta 73, 232, 312 Kuru-tschesmé 302 Kykladen 39 Kyrene 158 Labranda 171 Lagina 72, 170–71 Hekataion 72 Lakonien 47 Larisa am Hermos 37, 51, 160–61, 163, 208, 220, 226 Latmos 164, 177, 189 Lesvos 37, 92, 227, 228 Libyssa 216 Lykien 86 Lykosura 336
Magnesia am Mäander 40, 81–85, 88– 96, 97, 100, 104, 113, 172, 175, 214, 259, 303 Magouliana 209 Marathon 108, 336 Mayen 237 Melos 210 Menemen 51 Milas 108 Milatos 312 Milesia 165–67 Assesos 145, 169 Kap Plaka 215 Kiliktepe 213 Kowella s. Panormos Mengerevtepe 169 Panormos 227, 301 Pyrrha 166, 169 Sakysburnu 166–69 Stephania 165 Ta Marmara 120, 165, 166–67, 208, 314 Taş Burun 215 Yakly 165 Milet 88–96, 299–302, passim Agora 91, 123 Amphorenlager 152, 182–83 Athenatempel 12, 114, 119, 127– 28, 139, 144, 146–52, 162, 206, 214, 309, 312–13 Bouleuterion 124–26, 186, 224 Brunnenstelle 143 Değirmentepe 140–42, 144, 301 Delphinion 126, 133, 177, 178, 181, 211, 225, 307–8 Faustina-Thermen 128, 130, 140 Fundaufbewahrungsorte 120–21 Gotenmauer 126, 129–30, 134, 214 Heilige Straße 112, 126, 157, 165, 215 Heiliges Tor 136, 310 Heroon I 128 Heroon III 121 Humeitepe 300
ORTSINDEX
Ilyas Bey Moschee 134, 299 Ionische Halle 126 Kalabaktepe 89, 117, 120, 136–41, 143–44, 146, 147, 152–56, 162, 181, 206, 226, 234, 238, 301, 310 Kazartepe 136–45, 234, 315 Kleinfunde 122 Löwenbucht 89, 122, 126–28, 178, 224 Löwengrab 120, 139–40, 144, 145, 225, 234, 238, 309 Markttor 132, 194–95, 202 Nekropole 113–14, 119, 136–45, 234, 238, 301, 308, 311–12, 315 Nordmarkt 125–26, 128 Nymphäum 125, 178, 194, 224, 225, 310 Oikous 145 Pernice'sche Suchgräben 155–58 Schichtbeobachtungen 130–31, 148–50, 152 Seldschukisches Bad 133 Stadion 128 Stadtmauern 98, 113, 117, 125, 132, 136, 138, 146, 154, 155, 162, 300, 310 Straßen 127, 157 Südmarkt 126–28, 314 Theater 122, 126, 132, 224, 226, 299, 314 Wasserbau 128–29 Wohnbebauung 128 Moda 66 Mschatta 201 München 31, 46, 202, 213, 231, 316 Münster 237 Mykale 96, 98, 165, 170, 215, 299 Myrina 80, 99 Mytilene 37 Myus 167–68, 195, 299 Neandria 92 Nemrud Dağ 70–72 Nemrud-Kalessi s. Aigai
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Neonteichos 160 Notion 72 Nysa 172 Olympia 17, 48–49, 56, 77, 175, 186, 211, 230, 336 Orchomenos 47 Panionion 97 Paris 69, 254, 303 Paros 42–43 Patras 336 Pazarlı 163 Peloponnes 47, 209, 232, 256 Pergamon 17, 19, 21, 42, 65–66, 77– 81, 84, 93, 97, 112, 113, 122, 126, 175, 180, 199, 200, 216, 219, 220, 228, 229, 233, 242, 243, 244, 259, 260, 314, 315, 336 Perne 300 Phigalia 336 Piräus 109 Pompeii 78, 98, 99 Priene 19, 20, 21, 85, 88, 96–101, 102, 104, 110, 112–14, 124, 128, 159, 167, 170, 172, 175, 186, 188, 197, 198, 207, 233, 239, 241, 242, 257, 259, 299 Propontis 107 Pyrrha 37 Rhamnous 336 Rhitsóna 38 Rhodos 36, 45, 91, 158 Kamiros 36, 160 Lindos 158–60, 210 Vroulia 159–60 Rom 26, 27, 224, 229, 253, 305, 306 Rostock 237 Samos 38, 50–52, 97, 104, 140, 161, 208, 211–12, 217, 227, 232, 259, 309 Heraion 22, 114, 208, 216–18, 259 Nekropole 36–37, 50–53 Tigani 227 Vathy 227 Samothrake 27, 78, 86
298 Samsun 73, 162 Ak-Alan 73, 162 Kara-Samsun 73 Sardes 60, 72, 162 Sidon 71, 200 Sivas 74 Skutari 336 Smyrna 23, 51, 72, 79, 93, 171–72, 190–91, 196, 205–6, 211–12, 222, 227, 230, 235, 240, 302, 305–6, s.
a. Izmir Sokia 96, 205–6, 228, 233, 240, 299 Split 79 Stargard 335 Stettin 336 Swinemünde 336 Tanagra 99 Tell Halaf 197 Temnos 160
ORTSINDEX
Theben an der Mykale 98 Thera 38–43, 50, 53, 75, 100, 114, 139, 167, 188, 209, 242, 249, 257, 260 Therapia 303 Thessaloniki 73–74 Thurii 109 Tiryns 142, 335 Tralles 72, 81–83, 170–71 Troja 18, 180 Trysa 18, 27, 56, 243 Tschangly s. Güzelçamlı Wien 18, 51, 78 Yeniköy 160 Zafer-Papuras 312 Zincirli 81, 94, 302, 305 Zürich 237, 238 Züschen 37
ANHÄNGE
A Ausgewählte Primärquellen A.1 Carl Humann, Bericht über die Erkundung von Milet und Didyma Milet. Acta 1, SMB/AS, Mil1. Bericht über Milet und Didymi. Am 8 Juni begab ich mich in Begleitung des Herrn Dr. Freiherrn Hiller von Gärtringen und des türk. Commißars Edib-effendi nach Milet. Von Baladjik nach Sokia führt die Eisenbahn (24 Kil.); Sokia liegt fast am Fuße des Mykale-gebirges, 14 Kil. nord-öst. von Priene. Von hier nach Milet, heute Balat, fährt man zunächst etwa 20 Kil. auf mittelmäßigen Wegen südlich bis in die Nähe von Myos; dann hört der Weg auf und man fährt querfeldein über die im Sommer feste, mit ganz niedrigem Gras bestandne Ebene noch etwa 16 Kil. auf Milet zu. Die Ebene ist […] ein Wasserspiegel. Auf einer barka fährt man bei Balat über den Mäander, in dem dort mehrere Segelboote von 30–40 Tonnen Gehalt ankerten, um Fracht einzuladen. Balat ist also heute noch so gut wie ein Seehafen, was für den Transport etwaiger Antiken sehr wichtig ist. Das Dorf besteht aus etwa 50 armseligen Hütten, die jede in einem umfriedigten Hofraum stehen und ist weithin durch seine zahllosen Stechmücken bekannt. Anbei eine Photogr. An Resten aus dem Alterthum springt zunächst ein ziemlich gut erhaltenes Römisches Theater in die Augen. Die Orchestra hat etwa 32 Mtr. Durchmesser, der südl. Flügel 52, der nördl. 56 Mtr. lang, das Theater fasste etwa 5000 Personen und lässt einen Schluß auf die Bevölkerungsziffern im 2. und 3. Jahrhundert nach Chr. machen. Die Vorderseite der Skene ist von Rayet zum Theil ausgegraben und hat er dort eine ganze Reihe von Jagdszenen gefunden und in den Türk. Bau vor dem Theater in der Ebene deponiert. Die Arbeit ist die denkbar schlechteste und […] die Stücke allerdings das Mitnehmen nicht werth. Ich gebe eine Photogr. des Theaters von Süden gesehen. Sonst finden sich nur noch einige zerfallene spät-Römische Bauten vor und einige türkische aus dem XV. Jahrhundert und später, die ihnen an Güte zum Theil überlegen sind, z. B. eine 1490 gebaute Moschee, deren Photogr. ich beilege. Das Kastell oberhalb des Theaters ist aus späterer Zeit, sehr schlecht ausgeführt und schon fast zerfallen. Immerhin zeigen diese Reste, daß hier vor einigen Jahrhunderten eine nicht unbedeutende Niederlassung war. Von Resten aus der Griechischen Zeit ist nichts erhalten außer einem großen marmornen archaischen Löwen, der stark lädirt, aus zwei Stücken bestehend, auf einem kleinen felsigen Vorsprung sich befindet und dort in unserer Zeit hingestellt zu sein scheint. Der Vorsprung liegt 1,80 Mtr. über der Ebene, 4,13 über dem Flußspiegel. Sonst findet man allerdings zahlreiche Architektur-Trümmer jeder Epoche, manche
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ANHÄNGE
aus sehr früher Zeit, aber keine griechischen Mauern. Von den Stadtmauern zumal ist nichts mehr zu sehen. Dieser Umstand in Verbindung damit, daß die Umgebung des Dorfes Balat sehr flach liegt und sich nur unmerklich von der großen Alluvial-Ebene unterscheidet, mag frühere Besucher von Milet entmutigt haben, nach den Umrissen der alten Stadt zu forschen, von der sie nach keiner Richtung eine Begrenzung sahen. Bei näherer Besichtigung erkennt man jedoch bald, wo die glatte Alluvial-Ebene an das alte, mehr oder minder ondulierte Land stößt und einmal auf diese Linie aufmerksam geworden, gewahrt man auch den Unterschied an Farbe und Vegetation, denn das Alluvium ist grün-gelb und mit Gras oder Süßholz bestanden, die alte Erde ist dunkler und trägt allerlei Pflanzen. Diese Scheidungslinie läßt sich dann mit Sicherheit verfolgen, sie wurde mit Bandmaß und Boussole gemessen und ergab den beiligenden Plan. In demselben ist das Alluvium blau schraffiert und setzt sich somit deutlicher als in der Natur vom alten Lande ab. Das Stadt-Terrain von Milet zeigt sich nun als Halbinsel von zwei Kilometer Länge und einem halben Kil. durchschnittlicher Breite, die sich von Süd-Westen nach Nord-Osten ins Meer erstreckte. Die Nord-Ost-Spitze, heute Humé-tépé genannt, gipfelt in drei Kuppen, die nur 30-40 Mtr. hoch sind. Nach Norden fiel dieser Theil steil und felsig in die See, weil der den ganzen Sommer herrschende Nordwind die Erde abgespült hatte. Eine große Menge von Architektur-Stücken jeder Art bedeckt die Abhänge und den Fuß dieser Hügel, die wahrscheinlich einst, soweit die See sie bespülte, von einer Mauer umgeben waren. Nach Osten zeigt der Humé-tépé eine Einbuchtung, die gegen alle herrschenden Winde geschützt war und da hier das Terrain sehr flach abfällt, zum Hinaufziehen der Schiffe, vielleicht außerhalb der Mauer, bequem lag. Gegenüber gewahrt man zwei Hügel in der Ebene, einst Inseln, die wol Dromirkos und Perne sein könnten. Sie sind kaum 20 Mtr. hoch. Westlich von Humé-tépé liegt ein anderer Hügel etwa 30 Mtr. hoch, in den mit dem Blick nach Westen ins offene Meer das Theater hinein gebaut ist. Heute heißt er nach dem seine Spitze krönenden Kastell Kastell-tépé. Auch dieser Hügel nach der See hin steil, nach dem Lande zu milde ab. Zwischen Humé-tépé und Kastell-tépé liegt eine Bucht, offenbar einst der HauptHafen mit einer Länge von etwa 400, einer Breite von 150 Mtr. Sein Eingang liegt gegen Norden und war durch eine Mauer, die einen wahrscheinlich verschliessbaren Durchlass hatte, geschlossen. Noch ragt das Gußmauerwerk dieser Abschlußmauer einige Mtr. hoch empor, darunter aber gewahrt man große Quadern einer älteren Mauer. Der Hafen ist nicht so sehr verlandet, wie das übrige Meer, weil die Strömung an ihm vorüber ging und sein Boden liegt etwa ein Mtr. tiefer als die Ebene. Noch jetzt stand Wasser darin, das im August austrocknen soll. Hier muß sich einst das Leben der Stadt koncentriert haben und man kann fast mit Sicherheit annehmen, daß sich im Hintergrunde des Hafens, also im Süden, auf dem fast ebenen Terrain zwischen dem Kastell-Hügel und dem Humé-Hügel einst die Agora befunden hat. Zahlreiche Baureste bedecken hier den Boden und beim tieferem Graben in den Feldern will man hier riesengroße Quader gefunden haben.
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Westlich vom Theater auf 300 Mtr. Abstand liegt eine kleine Insel, auf der der schon erwähnte archaische Löwe steht. Wahrscheinlich hängt diese Insel mit dem Festlande zusammen und das Alluvium hat nur die Anbindung überzogen. Wir hätten somit hier einen dritten, allerdings gegen den Nordwind offenen Hafen. Der Rest der Landzunge nach Süd-Westen zu ist fast eben, kaum 6–7 Mtr. dürften sich die bedeutendsten Punkte über der Ebene erheben. Weit im Westen liegt dann der 60 Mtr. hohe Kalabak-tépé den ich ursprünglich für die Akropolis hielt. Sein glattes Plateau ist heute ein Gerstenfeld und keinerlei Gemäuer ist dort sichtbar, ebensowenig auf dem benachbarten Deirmén-tépé (Windmühlenhügel); jedoch soll sich hinter dem Seïtin-tépé einiges Gemäuer finden. Somit ist kein Anhalt gegeben, wo die Stadt ihren süd-westlichen Abschluß, d. h. ihre Landmauer hatte, die doch quer über die Landzunge gehen müßte. Allerdings habe ich Sarkophage und Todtenkammern gefunden und im Plan angegeben, die natürlich extra muros lagen. Diese Nekropolen sind aber durchaus Römisch und beweisen nur, daß die Römische Stadt hier ein Ende hatte, wo vielleicht ein Jahrhundert früher noch städtisches Leben herrschte, denn für die einstige Macht und Bedeutung Milets bliebe sonst das Stadtgebiet ein sehr kleines. Vielleicht aber auch hat ein großer Theil des Volkes die Landschaft bewohnt und die kleine Landzunge war nur das, was anderswo die Akropolis, der Zufluchtsort in schweren Zeiten. Nun blieb noch die Frage offen, wie hoch wol die Anschwemmung sein möge und ob sie nicht etwa einen großen Theil der Halbinsel überflutet habe. Ich entschloß mich deshalb ein Nivellement zum Meere zu machen, mußte dies jedoch der vielen die weidenden Herden begleitenden reißenden Hunde wegen aufgeben und habe nur das Gefälle des Flusses auf ein Kilometer nivelliert. Dies ergab, ein Gefälle von 16 Centimetern. Bei einer Länge von 10 Kil. bis zum Meere würde das 1,60 Mtr. ergeben, die der Flußspiegel bei Milet höher steht als der Meeresspiegel, indeß ist es wahrscheinlich viel weniger, da erfahrungsgemäß das Gefälle zum Meer hin abnimmt und die letzten Kilometer mit dem Meeres-Niveau gleich stehen. Ferner fällt der Flußspiegel im Hochsommer noch in etwa ein halbes Meter, so daß man mit annähernder Sicherheit sagen kann, daß der Flußspiegel vor Milet im Hochsommer kaum ein Mtr. über dem Meere liegen dürfte. Da nur eine Ausgrabung bis zu diesem Niveau gemacht werden kann, die alten Straßen und Quais aber mindestens so hoch über dem Meere gelegen haben müßten, so steht kein unüberwindliches Hinderniß der vollständigen Ausgrabung von Milet entgegen. Die Alluvial-Ebene wird etwas über 3 Mtr. über dem Meere liegen und kann also die alte Küste nicht sehr bedeutend bedeckt haben. Einen Tag unseres Aufenthaltes in Milet widmeten wir einem Ritte nach dem 4 Stunden entfernten Didymi. Eine Stunde von Balat passiert man ein größeres Griechendorf Ak-Köi, steigt von da in einer Stunde zum Meere hinab, verfolgt 11/4 Stunde dessen Ufer bis zum alten Hafen Panormos und gelangt von hier in 3/4 Stunde zum Tempel. Der Tempel liegt noch so wie ihn Rayet verlassen. Die eingestürzten Längswände der Cella und die sie flankierenden doppelten Säulenreihen bilden je einen langen haushohen Trümmerwall, während in der Längsachse des Tempels sich eine tiefe Grube bildet, die den Dorfbewohnern als Ablagerungsort für Unrath dient. Auf den hohen Trümmern des Pronaos steht eine Windmühle, das wohlhabende Griechen-
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ANHÄNGE
dorf Hieronda bedeckt mit seinen 300 Häusern den größten Teil des Peribolus und reicht bis fast an den Tempel. Wieweit der Peribolus sich erstreckte ist nicht mehr erkennbar. Ich gebe eine Photographie der Ruine von der Süd-West-Ecke aufgenommen, die Windmühle auf den Trümmern und die Säulen zeigend und ferner 2 aneinander passende Blätter, die vom Perron der Windmühle aus den westlichen Theil der Ruine vorführen. Eine Ausgrabung hier wäre jedenfalls sehr kostspielig, theils der zu entfernenden zahllosen gewaltigen Blöcke wegen, theils wegen des Ankaufs der Häuser, die den Peribolus bedecken. Am 13. Juni kehrten wir nach Baladjik zurück. Smyrna, den 20. Juni 1891.
A.2 Carl Humann an Reinhard Kekulé, 21. Juli 1894 Milet. Acta 1, SMB/AS, Mil1. Kuru-tschesmé d. 21. Juli 94. Liebster Kekulé Gestern abend erhielt ich Ihre Depesche unverstümmelt und Sie […] mich, Ihnen und dem Herrn Generaldirektor eingehend & vertraulich zu berichten. Also ich bin, nachdem ich die Sindschirli-Gesellschaft am Sonnabend den 14. in Smyrna empfangen, denselben Tag hierher gereist & Sonntag abends hier bei Hamdy’s angekommen, die ich noch in ziemlicher Aufregung fand wegen des Erdbebens, obschon sie kaum Schaden gelitten. Am Montag ging ich mit Hamdy zum Museum & lud die 49 Kisten aus, die in der Duane nicht bleiben konnten, sondern ins Museum gebracht werden mußten. Abends nach dem Essen sprach ich Hamdy von der Theilung. Ach was, sagte er verdirb uns doch nicht schon heute die Freude des Wiedersehens, schau dir lieber mal dies billet an. Es war vom französ. Botschafter Cambon, der ihm schrieb, er habe von seiner Regierung den Auftrag, die Commeßion für Didymi zu verlangen und bäte ihn um Mittheilung, welche Formalitäten dabei zu erfüllen seien. Die Sache sei ihm meinetwegen sehr sensibel, aber was thun? Nach längerem Ueberlegen kamen wir überein, er solle nicht schriftlich antworten, sondern am anderen Tage Cambon aufsuchen und ihm sagen, daß Didymi eine Sache sei, die einige hunderttausend francs erfordern und daß er, Hamdy, nicht, wenn es sich nur um eine kleine Versuchsgrabung handele, die Commession aus der Hand geben könne. Hamdy bat mich indeß auch dringenst, Niemandem von seiner Mittheilung Erwähnung zu thun, aber im Uebrigen zu handeln, wie ich für gut hielte. Da die Franzosen in Delphi bereits die halbe Million francs verausgabt haben und jetzt 100.000 francs Nachtrag fordern wollen, dürfte die Sache auch nicht so sehr brennend sein, aber man kann’s nicht wissen. Auf alle Fälle, wenn Sie je an Hamdy schreiben, thun Sie, als ob Sie von den französischen Absichten nichts wüßten. Ich habe Hamdy gesagt, daß ich mir Milet gout-
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tiere, daß Sie aber jedenfalls, wenn wir die Mittel auffinden, Didymi einschließen würden. »Um so besser«, meinte er. Für Milet haben wir jedenfalls infolge meiner dortigen Aufnahme, das Vorrecht, während für Didymi eher die Franzosen eins geltend machen können. Also am Dienstag früh fuhren wir nach Therapia, Hamdy zu Cambon, ich zum Fürsten Radolin. In der Diplomatie herrscht gerade die Sauregurkenzeit und da auch kein Besuch kam, so ließ mich der Fürst zunächst ausführlich erzählen, was wir in Magnesia gethan und erreicht. Das war ihm im höchsten Grade interessant, und fragte er unseren ferneren Absichten. Ich antwortete ihm: »Para jok, Projekte jok. Nicht einmal Geld haben wir, in Berlin unsere Funde aufzustellen, viel weniger mehr zu finden. Ohne Ueberhebung kann ich sagen, daß mit meinem Tode, Abgang oder Alter uns ein Riegel wird vorgeschoben werden, daß mein Nachfolger wohl meinen Posten schwerlich so bald meine Stellung einnehmen wird und daß ich jedes Jahr als unersetzlich bedauere, in dem ich nicht ausgenutzt wurde.« Dann erzählte ich ihm über eine Stunde von Milet und Didymi, soweit ein Laie das einem Laien klar machen kann, von Cambon etc. Der Fürst wurde […] & […], denn ich selbst war sehr erregt, wollte zunächst die Sachlage telegrafisch übermitteln und dann dem Reichskanzler einen Bericht schreiben. Ich konnte so recht nicht einsehen, wie uns das auf die Strümpfe helfen soll, dachte mir aber, daß es nicht schade. Am nächsten Abend berief der Fürst mich telegrafisch, sagte, er habe sofort telegrafiert und las mir dann einen 5 große Bogenseiten langen Bericht vor, den er eigenhändig abgefasst und der ganz ausgezeichnet war. Ich sagte: Ja, aber das Geld? »Das wird und muß sich finden, da wird der Kaiser für sorgen und sonst wird der Kaiser doch noch einige reiche […]leute auf die Beine bringen, die einige hunderttausend Mark hergeben. Ich erzählte ihm, daß ich Krupp schon einmal halb herum gehabt hätte, daß aber dies und Jenes dazwischen gekommen sei und daß der Kaiser doch wohl kaum Kenntniß von seinem MiletDidymi-Bericht nehmen würde. »Gewiss, sagte der Fürst, denn ich werde dem Kaiser heute noch privat schreiben.« Da sehen Sie nun, was ich wieder angerichtet habe, gegen alles Reglement! Aber du glaubst zu schieben und du wirst geschoben und geschoben hat Cambon, der mich nebenbei gesagt, bitten ließ, ihn doch einmal mit m. Besuche zu beehren. Den Russen Nelidow vermeide ich ängstlich, denn der hat vor 3 Wochen dem Hamdy gesagt, daß in den nächsten Tagen die jungen Russischen Archäologen ankämen, die hier eine Art Institut bilden sollen, und daß er um die Commeßion Ephesos (!!) einkommen wolle. Ich habe Benndorf noch eben retten können. Also mit Didymi verhält es sich so: Hamdy hatte vor 2 Jahren den Franzosen Joubin für sein Museum engagiert; da derselbe sich aber höchst ungebührlich benahm, mußte er seinen Abschied im letzten Januar einreichen und ging nach Delphi. Von dort hat er in Paris Propaganda für Didymi gemacht und in Paris scheint jetzt ein fond frei zu werden, den bisher Larsek verbraucht hat. Vor 14 Tagen kam Joubin wieder hier an und quartierte sich unverfroren bei Hamdy ein. Als nun Hamdy am Dienstage bei Cambon war sagte ihm dieser, Joubin, der ohne Beschäftigung sei, solle die Ausgrabung von Didymi leiten, worauf Hamdy erklärte, er könne nach dem vorgegangenen unmöglich mehr mit Joubin officiell verkehren und würde in diesem Falle eher die Commession verweigern müssen. Das hat dann auch Cambon eingeleuchtet und jetzt kann es sein, daß das französische Projekt ins Wasser fällt. Aber in dieser unsicheren Aussicht brauchen wir das warme Eisen nicht kalt werden
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zu lassen. Ich sagte noch zu Hamdy so eben, daß ich zwar Milet aus allen Kräften gouttiere, aber über Didymi mich aus Vorsicht für ihn todtschwiege, daß Sie aber auf Didymi am meisten hielten und wahrscheinlich, wenn’s überhaupt dazu käme, beides verlangen würden. Also warten wir ab, meinte er, wie bis dahin sich die Sachlage weiter gestaltet. Mehr kann er mir auch eigentlich nicht sagen. Es geht ihm bedeutend besser; mich will er sobald nicht fortlassen; ich sei ihm, sagt er, für sein psychisches und moralisches Befinden eine Nothwendigkeit, auch ist er sehr guter Dinge. Uebermorgen Montag, hat er dazu bestimmt, daß wir ins Museum gehen und einen Theil der Sindjirli-Funde besehen & die Theilung besprechen. Wenn doch der Kelch schon an Bord wäre, ich halte das Sindjirli nun einmal für Unheil-bringend. Dörpfeld ist auch hier. Soviel in Eile. Ihre Antwort trifft mich jedenfalls noch hier, wenn Sie gleich schreiben. Empfehlen Sie mich angelegentlichst dem Herrn General-Direktor und bitten Sie für mich um Verzeihung, wenn ich meine Befugnisse überschritten habe. Mit herzlichem Gruß Ihr getreuer Carl Humann
A.3 Reinhard Kekulé an Carl Humann Milet. Acta 1, SMB/AS, Mil1. Berlin 24 Juli 1894 Gott sei Dank, liebster Humann, daß endlich wieder einmal was ordentliches los ist. Wir sind bereit mit beiden Füßen in Milet, worunter ich ja freilich in erster Linie und als Ausgangspunkt Didymoi verstehe, hineinzuspringen, wenn, wir nur etwas außerordentliche […]hilfe kriegen, was wir hoffen. Wenn die Sache nur erst im Gang ist, sind wir bereit sie, im Notfall, auch nur mit den regulären Museumsmitteln hier fortzuführen. Wenn wir noch mehr sonsther dazu kiegen, um so besser, und um so besser für Ihre besonderen Miletabsichten. Denn als erste Museumsaufgabe müssen wir doch als absolut sicher, Didymoi ansehen, worüber wir, wie ich gedenke, zusammen einig geworden waren. Was werden Sie da nicht alles finden! Und was Sie sonst noch finden, soll mir, wie Sie wissen, nicht weniger willkommen sein. Die Commession müßten wir natürlich für Didymoi und das ganze Gebiet von Milet haben. Uebrigens hatten wir, ich meine wir beide, jedenfalls Sie, die Sache doch längst im Voraus mit Hamdi. besprochen und er erklärt, er kenne den Eigentümer von Hieronda und wolle schon helfen und drgl., so daß doch die Priorität unseres Anspuchs eigentlich auch für Hamdi feststeht. Nun hoffentlich gelingt es, aus der Not eine Tugend zu machen und die Sache kommt durch den abscheulichen Franzosen in Fluß für uns. Die Franzosen, denke ich vollauf mit Delphi beschäftigt und wie soll denn überhaupt eine Ausgrabung gehen ohne Sie. Das ist ja Unsinn. Sicherlich ist Ioubin auch nur darauf gerathen, weil er Wind von unseren Plänen hatte. Ueber Radolin habe ich mich sehr gefreut. Hoffentlich gelingt es. Sein Bericht hat im auswärtigen Amt Eindruck gemacht, auch den Reichskanzler. Von da ging die Sache ins Cultusministerium, das uns Kenntnis gab. Nun thun wir auch
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unsererseits was wir können um zu schüren, und erklären dem Minister, wir würden die Ausgrabung von Didymoi auf unsere Verantwortung übernehmen, wenn wir nur zum Anfang aus dem Dispositionsfonds 40000 M. kriegten. Für die erste Campagne könnten wir dann 80000 Mark erwarten, und dann wird es schon weiter gehen, im Notfall mit unserm regulären Fonds. Wir hoffen freilich im Stillen, daß sich uns auch noch andere Quellen öffnen. Das beste wärs ja nun freilich, daß uns die Franzosen nicht die Comession abjagten. Ich denke, der Fürst, der sich so brillant benimmt und offenbar eingesehen hat, was wir an Ihnen haben, wird die Sache schon zu führen wissen. Ueber die Priorität unserer Ansprüche kann, wie gesagt, m. E. eigentlich für Hamdi doch kein Zweifel sein. Ich hatte mir eigentlich immer gedacht, wenn wir zu dieser großen Unternehmung kämen, sei ein Staatsvertrag nötig, um den späteren Teilungsquängeleien aus dem Weg zu gehen. Aber das sind ja noch verfrühte Sorgen. Erst müssen wir den Bären haben. Nicht verfrüht ist leider die Sorge, daß das heillose Sindschirli wie so oft auch dieses mal uns kreuze. Das wär doch zu jammervoll. Nun alle guten Geister seien mit Ihnen. Es ist Ihnen schon so viel gelungen; so wird uns auch hoffentlich der didymäische Apoll gnädig sein. Von Herzen Ihr R. Kekulé
A.4 Theodor Wiegand an Hubert Knackfuß NL Knackfuß, SMK/A, 03/0500. Adr.: Roma. Via di Monte Tarpeio 61/I Constantinopel, 9. September 1901 Sehr geehrter Herr! Der erste Brief, den ich bei meiner Ankunft hier erhielt, war Ihre erfreuliche Botschaft, dass Sie für Milet in diesem Herbst definitv angenommen haben. Eine Anzahl Zeichenmaterialien ist in Milet vorhanden. Indessen wird nicht alles im Stande, auch nicht alles vorhanden sein. Insbesondere würden Sie vielleicht gut thun, sich mit den Ihnen passenden Sorten von Bleistiften & Zeichenfedern, Gummi, Reisszeug, Transporteur, vielleicht auch mit Bloc’s zu versehen. Ein sehr gutes Reisszeug ist in Milet, aber da Sie zu Zweit arbeiten, so wird es nicht überflüssig sein, selbst eins mitzubringen, ebenso Tusche, feine Pinsel, da ich in Smyrna selten gutes auftreiben kann, wenn etwas fehlt. Bandmaasse, auch Stahlmaasse sind vorhanden, auch kleine Messstäbe, immerhin wird ein mitgebrachter willkommen sein. Rollenpapier ist da, auch Pauspapier. Gleich bei Ihrer Ankunft wird es gut sein, unser vorhandenes Material zu inspicieren und mir dann ein kleines Verzeichniss dessen zu geben, was ich Ihnen noch von Smyrna aus zu besorgen hätte. Alles in allem würde ich rathen: bringen Sie lieber aus Rom etwas zu viel mit. Die Erfahrung hat mich an einsamen Orten oft gelehrt, dass man meist zu wenig mitgenommen hat. Ich darf noch darauf aufmerksam machen, dass wir in Milet auch einen prachtvollen, Tesdorpf’schen Tachymetertheodoliten besitzen, der Ihnen für Einmessen grösserer Entfernungen innerhalb des Stadtgebietes nützlich werden könnte.
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Hygienisch bitte ich Sie recht sehr folgendes zu beachten. Es wird im October vielleicht noch recht warm sein & leichte Kleidung angemessen. Aber von November ab kann es recht unangenehm werden, jedoch nicht unter 0 Grad. Da aber viel Wind herrscht, so geht die Kälte oft sehr nahe. Sie würden also unbedingt recht warme Wollsachen und einen handfesten Ueberzieher, warme Strümpfe, Bauchbinden (namentlich bei Diarrhoe unerlässlich) mitbringen müssen. Als allgemeine Regel darf ich noch hinzufügen, was für alle südlichen Arbeitsstätten, auch in Sicilien & Unteritalien gilt: vor Sonnenuntergang zu Hause sein1666. Da das Expeditionshaus, sehr gesund und luftig, 4 km von Milet liegt, so reiten wir immer hin und zurück & stehen Pferde jederzeit für Sie bereit, um sowohl am Tage als abends rechtzeitig heimzukommen. Für Ihre Reiseroute rate ich Ihnen von Rom nach Brindisi zu reisen und dort mit einem östr. Lloydschiff nach Smyrna zu fahren. Das Schiff und seine Ankunftszeit würde ich dann bitten mir hierher mitzuteilen – in Rom existiert jedenfalls eine Lloyd-Agentur oder ein grösseres Reisebureau für die nötigen Auskünfte? – damit Sie durch einen Konsulatsbeamten abgeholt werden können. Ich mache noch darauf aufmerksam, dass Sie gut thun werden Ihren Revolver nicht in den Koffer zu thun, da er sonst nebst Munition confisciert wird, sondern beim Anreisen an Ihrem Körper zu tragen. Dienerschaft und Aufseher in Milet sind griechisch. Einige Worte Neugriechisch werden Sie bald lernen; dazu hilft Ihnen vielleicht rasch das ganz kleine Meyersche Taschenlexikon, das man überall bekommt. Es lässt sich ja nicht genau abrechnen, wann wir uns in Smyrna begegnen können. Aber ich denke schon vor dem 1. October, etwa vom 29. Sept. ab, dort zu sein und würde auf Sie warten. Sei es nun, dass Sie vor mir kämen oder nach mir, jedenfalls sind Sie in dem Deutschen Hôtel Huck vortrefflich aufgehoben und würden Ihnen alle Auskünfte bereitwilligst erteilt. Ausser Ihnen wird sich an der diesjährigen Miletcampagne noch als Architekt Herr Dr. Hülsen aus Frankfurt am Main beteiligen, den ich gleichzeitig erwarte. Sollte Ihnen, verehrter Herr Knackfuss, sonst noch irgend eine Auskunft erwünscht sein, so bitte ich Sie mir an meine derzeitige Adresse zu schreiben. Ich freue mich aufrichtig auf unsere gemeinsame Arbeit und grüsse Sie in froher Aussicht auf ein schönes Zusammenarbeiten auf klassischer Stätte als Ihr ganz ergebener Dr. Wiegand NB: Die Kosten der Herreise bitte ich Sie, falls Sie in der Lage sind, vorlegen zu wollen, wenn ich Ihnen aber einen Vorschuss senden soll, so bitte ich um frdl. Mittheilung. [Auf dem Rand hinzugefügt]: Es ist vielleicht ganz gut einen schwarzen Gehrock für eventuelle Besuche mitzubringen.] 1666
Von der Dunkelheit überrascht zu werden konnte sehr unangenehm sein: »Bei den byz. Gewölbebauten von der Dunkelheit überrascht, die durch das schwere Gewittergewölk und Regen bald undurchdringlich wird; Ritt ohne Weg, nur durch das Ferne Licht unseres Hauses geleitet, über Felder und durch Gestrüpp bei schneidend kaltem Wind und Regen.« H. Knackfuß, 1.3.1910, 1910 (1/III) bis 1911 (21/I), TB 7, NL Knackfuß SMK/A 03/127.17.
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A.5. Bergung der Inschriften n. 31a und 31b aus dem Fundament des Delphinions nach Tagebuchexzerpten G. Kawerau, 9.10.1905, GrTb V, 84: Bei der Reinigung der freigelegten Fassade der Südmauer [des Delphinions] zeigt sich, daß der Stein O, der zweite von der Ecke, eine prachtvoll geschriebene archaische Inschrift trägt, von der etwa 3 Zeilen zu sehen sind. Der Block O ist halb verdeckt durch eine große Platte des davor liegenden Pflasters der Südstaße. Es wird angeordnet, die betr. Pflasterplatte vorsichtig aufzuheben, damit der Inschriftblock ganz freigelegt wird. G. Kawerau, 10.10.1905, GrTb V, 86: Wir legen die Außenfront der Mauer von der Inschrift aus (I) weiter nach Osten frei. Bei II zeigt sich ein zweites Stück derselben Inschrift. Sie liegt halb unter den Fundamenten der Mauerecke E des Vorhofs vor dem türk. Bad. Zu weiterer Untersuchung muß erst diese Mauerecke abgebrochen werden, was angeordnet wird. G. Kawerau, 13.10.1905, GrTb V, 89: Am Delphinion wird heute der obere Theil der über der vorerwähnten Inschrift stehenden Mauerecke des Vorhofs vom selschuk. Bad niedergelegt. G. Kawerau, 16.10.1905, GrTb V, 90: Am Delphinion ist die über der zweiten archaischen Inschrift stehende Mauerecke des Vorhofs vom türk. Bad ganz freigelegt und wird heute photographiert und aufgemessen. G. Kawerau, 17.10.1905, GrTb V, 91: Um an die Südmauer des Delph. heranzukommen, müssen wir die Mauer M des Vorhofs abbrechen. G. Kawerau, 21.10.1905, GrTb V, 96: Über die archaische Inschrift an der S. W. Ecke des Delphinions, die für genaue Lesung noch nicht genügend zugänglich ist, sei hier vorläufig bemerkt (nach Dr. Rehm), daß sie das Bruchstück eines Opferkalenders enthält … G. Kawerau, 30.10.1905, GrTb V, 101 f.: Beim Mauerabbruch im Vorhof des türk. Bades finden sich 2 Inschriften, die in die Mauer verbaut waren … Die andre … ist zweisprachig, griechisch und in einem fremden noch nicht erkannten Alphabet. G. Kawerau, 31.10.1905, GrTb V, 102: Der Abbruch der Vorhofmauer am Bad wird fortgesetzt. Der Vorhof hat ein Plattenpflaster, das ca. 1,58 m höher liegt, als das röm. Pflaster im Äußeren des Delphinions. Wir schonen nach Möglichkeit das Pflaster und schaffen durch Abbruch der Vorhofsmauer den nöthigen Raum, um an die Südfront des Delph. von außen heranzukommen. G. Kawerau, 31.10.1905, GrTb V, 102: Es ergiebt sich bei dieser Untersuchung, daß die Südmauer des Delphinions in röm. Zeit stark verändert sein muß. Hier sind zwischen dem türk. Bad und der S. W. Ecke 2 Stufen vor die Mauer vorgelagert, als ob hier in späterer Zeit ein Zugang zum Delphinion hergestellt wäre. G. Kawerau, 1.11.1905, GrTb V, 104: Am Delph. ist die Mauer des Vorhofs jetzt ganz abgetragen. Die vor die Südmauer vorgelegten Stufen reichen bis nahe an die Ecke des türk. Bades. Dies Stück wird aufgemessen, dann werden einige der Stufen entfernt um die Fassade der Südmauer des Delph. freizulegen. Der erste große Inschriftstein wird aus der Südmauer herausgelöst.
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A. Rehm, 1.11.1905, GrTb V, 105 f.: Die große archaische Inschrift auf einem 2.20 m langen block… entält 12 Zeilen, die bis auf wenige Buchstaben ausgezeichnet erhalten sind, die Ausführung der Schrift ist von unübertrefflicher Sorgfalt. Der block bietet nur die rechte Seite der Inschrift: ein links anstoßender Nachbarblock mußte das Übrige, wohl in Zeilen von annähernd gleicher Länge, enthalten. Da aber die Inschrift βουστροφηδόν geschrieben ist, gehören immer zwei erhaltene Zeilen, ca. 80 Buchstaben, zusammen. Es ist der Eindruck nicht der von einem schlimm fragmentierten Stück. Die Inschrift bietet sprachlich … und sachlich durch die genannten Gottheiten (Hera Anthea, Apollon Delphinios, u. a.) viel Neues: manches davon ist noch rätselhaft. Die Inschrift muß sich nach oben und unten fortgesetzt haben: behandelt sind nur wenige Tage in zwei leider nicht genannten Monaten. Ein weiterer Block, der zwei Zeilen der nämlichen Inschrift enthält, ist noch näherer Untersuchung nicht zugänglich. G. Kawerau, 4.11.1905, GrTb V, 108: Am Delph. ist die zweite arch. Inschrift jetzt ganz freigelegt. Leider geben die wenigen erhaltenen Buchstaben kein befriedigendes Resultat. Der Inschriftenblock ist mit einem Nachbarstein durch eine große schräg gestellte Klammer mit Schwalbenschwanzförm. Umriß der Einarbeitung verbunden. Die Oberfläche des Steines ist so bröcklig geworden, daß schon aus diesem Grunde das Herausnehmen des Steins nicht räthlich ist.
A.6 Arnold von Salis an Herr Geheimrat [Reinhard Kekulé] SMB/AS, Mil2. Smyrna. 14.XII.1906. Sehr geehrter Herr Geheimrat. Hiermit gestatte ich mir, Ihnen einen kurzen Bericht über meine letzten Ausgrabungen in der Nekropole von Milet vorzulegen. Er will weiter nichts geben als eine allgemeine Orientierung über die hauptsächlichsten Resultate. Genaue Einzelaufnahmen, Pläne und Zeichnungen liegen noch in Milet. Die zahlreichen Gräberfunde, unter welchen sich einige sehr schöne Museumsstücke befinden, sind in dem kleinen Museum daselbst nach Gräbern geordnet aufgestellt; es wäre gut, sie vorläufig noch nicht aus ihrem Verbande zu trennen. Leider ist es mir in der Hast der abschliessenden Arbeiten nicht mehr möglich gewesen, in ähnlicher Weise über die Fortsetzung meiner Grabungen am Kalabaktepe zu berichten. Diese Untersuchung hat insofern nicht ganz gehalten was sie versprochen hat, als es sich gleich zu Beginn der Campagne herausstellte, dass an die Auffindung einer grösseren Friedhofanlage aus archaischer Zeit doch nicht zu denken sei. Es sind freilich manche Stücke zum Vorschein gekommen, die sicher von alten Gräbern stammen – ein Grabstein, ein Stück eines »klazomenischen« Sarkophags (worüber ich schon den Sommer berichtet habe) und viele Bruchstücke grosser thönerner Wannen, wie sie von den Ioniern oft als Särge benutzt worden sind; aber die können verschleppt sein, wie sich das mit Sicherheit bei anderen Gegenständen constatieren liess, deren Teile häufig an verschiedenen, weit voneinander entfernten Stellen gefunden worden sind. Jedenfalls haben wir nirgens sichere Spuren alter Grabanlagen gefunden, trotzdem hier sehr lange und umsichtig gegraben worden
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ist, vom 15. September bis Anfang December, allerdings mit öfteren Unterbrechungen; beschäftigt wurden hierbei durchschnittlich 15–20 Leute. Zunächst habe ich die im Frühjahr angegrabene untere Terrasse des Berges völlig abgeräumt und den Schutt mit der Feldbahn nach dem östlichen Abhang geschafft, nachdem ich durch Versuchsgrabungen festgestellt hatte, dass dort nichts zu finden sei. Das ganze freigelegte Plateau ist bedeckt von einer nach einheitlichem Plan angelegten Ansiedlung: kleine Häuser, z. T. mit einer Vorhalle von geringer Tiefe und schmalen Gängen dazwischen, welche den Zweck unserer Brandmauern gehabt haben mochten. Von den meisten Häusern sind nur noch die Fundamente da; die Höhe der aufgehenden Wände nimmt zu mit der Tiefe der Verschüttung. Diese Ansiedlung ist sehr viel älter, als ich anfangs geurteilt hatte. Das müsste man schon daraus erschliessen, dass die Ruinen, welche dem oberen Hang zunächst liegen, unter einem Hängeschutt von über 3 m. verborgen waren, der sich nur in sehr langer Zeit angesammelt haben kann. Im Altertum hat der Berg eine ganz andere Form gehabt; das haben die diesjährigen Grabungen bestimmt ergeben. Durch allmähliches Herabrollen gewaltiger Massen verwitterten Gesteins haben sich im Laufe der Jahrhunderte ansehnliche Bodenerhebungen gebildet. Die Baureste sind z. T. davon überdeckt. Wichtiger ist, dass sich beinah sämtliche Fundstücke jetzt als archaischen Ursprungs erwiesen haben. Es ist freilich nichts älter als 7. oder 6. Jahrh., aber auch verschwindend wenig jünger. Die Auffindung des grossen Felsengrabes hat nun endlich sicheren Anhalt gegeben für die Bestimmung des altionischen Gebrauchsgeschirrs. Die dort beigegebenen grossen Gefäße haben genau dieselben wuchtigen Formen, die gleichen scharfen […] Ringe wie die auf dem Kalabaktepe in grossen Mengen zu Tage geförderten Amphorenreste. Auch sehr viel gröberes bemaltes (mit grossen Firnisstreifen) Geschirr und schliesslich alle Gattungen bemalter Vasen, die beim Athenatempel gefunden worden sind: hauptsächlich stark ist die Fikelluragattung vertreten, und zwar in vielen kleinen mit dem Halbmondornament bemalten Lekythen, Dutzendware. Ich glaube aus dem Befund schliessen zu dürfen, dass die Lokalisierung dieser Vasengattung auf Samos nicht zu Recht besteht. Diese Vasen sind nicht importiert, sondern an Ort und Stelle gemacht, und das sie den in Samos ähnlich sehen, ist nicht weiter verwunderlich. Wer je Milet oder Samos besucht hat, weiss, wie nah sich das alles liegt. Es wird ein bemerkenswertes Resultat der milesischen Ausgrabungen überhaupt sein, dass mit der Scheidung der altionischen Vasenmalerei in viele Lokalstile künftig etwas vorsichtiger umgegangen wird. – Die massenhaften Reste von Dachziegeln aller Art können nun, nachdem genaue Studien über die auf Ägina gefundenen vorliegen, ebenfalls früher Zeit zugeschrieben werden. Darunter sind viele Stirnziegel mit Reliefschmuck (Löwenköpfe, Gorgoneien, Lotosblumen) auch diesmal weit zerstreut gewesen. Die auffallend starken Fundamente eines kleinen Tempels mit Vorhalle liegen dicht am Nordrand des Plateaus, und in seiner Nähe lagen alle die thönernen Simenstücke mit plastischem bemaltem Eierstab und die Reste von Firstpalmetten, von welchen schon in meinem ersten Bericht die Rede war. Alle sicher von diesem Gebäude herrührenden Dachreste aus Thon (es sind dies: Sima, Flachziegel, gewölbte Dachziegel, ebensolche aber grössere Firstziegel) haben einen feinen weissen Überzug; das soll doch offenbar ein Ersatz für Marmor sein. Dann waren häufig grosse Schalen und Tröge, Luterien, Lampen mit vier Schnauzen (eine aus Serpentin, mit Gesichtsmasken) ein kleiner Rundaltar aus Marmor und sonstige Gebrauchsgegenstände in grosser Zahl. Dies alles ist aus derselben Zeit; die Häuser selbst sind freilich z. T. mit älterem Material gebaut, aber, aus verschiedenen Anzeichen zu schliessen, noch im 6. Jahrh.,
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was mir Prof. Dörpfeld an Ort und Stelle bestätigt hat. Etwa nach den Persertagen? Ich kam immer mehr zu der Überzeugung, dass der Kalabaktepe nichts anderes sein könne als das von Strabon XIV 634 C (nach Ephoros) beschriebene Altmilet, was ja sicher außerhalb der späteren Stadtgrenze zu suchen ist, denn Str. setzt diese Akropolis, die ὐπὲρ τῆς Θαλὰττης liegt, also dicht am Meer (was wiederum passt, denn die Grenze des Alluviums geht dicht am Fuss unseres Berges vorbei) in deutlichem Gegensatz zu νῦν πόλις mit ihren vier Häfen. Der Ausdruck τετειχισμένον ist auch angebracht, denn kürzlich ist eine über 2½ m. dicke feste Mauer, aus kleinen Steinen gebaut, teilweise ausgegraben worden, und starke Stützmauern umgeben die Hänge in verschiedener Höhe und fassen den Berg ringsum ein wie die eisernen Reifen eines Fasses. Ich begann nun auch auf dem oberen Plateau zu graben, am Nordrand und etwas südlich der Mitte, und fand auch da dieselben Mauern und Stützwerke, Vasenscherben und Marmorfragmente. Ein grosser Versuchsgraben, den ich etwa 150 m. südlich des ersten Ausgrabungsfeldes begann, ergab denselben Befund und zuletzt konnte ich noch durch Tastversuche nachweisen, dass auch der nördliche[?], von der späteren Stadt am meisten abgelegene Hang des Hügels überall solche Hausmauern birgt. Danach scheint es mir unzweifelhaft: wir haben hier die πάλαι Μίλητος, die Akropole (die später verlassen wurde) der Alten von den Persern eroberten Stadt, die natürlich eine sehr viel größere Ausdehnung gehabt hat. Die ganze Westseite der milesischen Halbinsel scheint von ihr bedeckt gewesen zu sein. Das Heiligtum des Asklepios »vor den Thoren« wird, anscheinend mit Recht, im Osten, in der Gegend des Nymphäums, wo jetzt die Reste einer byzantinischen Kirche freiliegen, angenommen: dann müsste die Bezeichnung προπύλαιος noch aus einer Zeit stammen, wo die Stadtgrenze eine ganz andere war. Die sonderbare Anlage des Heiligen Thores – wo dem Trajansthor ein älterer Thorbau vorgelagert ist, der aber eine ganz andere Richtung hat, direkt auf den Athenatempel zu, kann ich mir nur so erklären, dass man beim Bau der (jetzt sichtbaren) Stadtmauer auf den alten Stadtausgang Rücksicht nahm. Ist diese Auffassung richtig, so müssten weitere Versuchsgrabungen am Kalabaktepe und im Felde zwischen ihm u. der späteren Stadtgrenze, wo nichts überbaut ist, reichen und überaus wichtigen Aufschluss geben. Ich scheide von Milet mit dem Gefühl des wärmsten Dankes dafür, dass es mir durch das Entgegenkommen der Direktion der Kgl. Museen ermöglicht worden ist, an diesem grossen und schönen Werk während vieler Monate tätigen Anteil nehmen zu dürfen. Der persönliche Gewinn ist natürlich nicht zu ermessen, und die Zeit in Milet wird mir unvergesslich sein. Es würde für mich aber eine besondere Genugtuung und eine grosse Freude sein, wenn meine bescheidenen Untersuchungen auf dem Boden von Alt-Milet für die Wissenschaft von Vorteil werden sollten. Dass sie es für die Skultpurensammlung der Berliner Museen haben werden dürfen, ist mir eine stete Quelle […] Befriedigung. Wenn ich mich nicht täusche, sind der Löwe und die Tante mit dem Vogel sehr beachtenswerte Stücke. Bei dieser Gelegenheit möchte ich es nicht unterlassen, auch Ihnen, verehrter Herr Geheimrat, meinen ergebensten Dank auszusprechen für die liebenswürdige Übermittlung der Priene-Inschriften, die mir die Generalverwaltung der Kgl. Museen zum Geschenk machte. Ihr freundliches Anerbieten, mich für einige Zeit als Volontär an der Antikenabteilung der Museen beschäftigen zu wollen, natürlich wovon ich durch Herrn Dr. Wiegand Kenntnis erhielt, betrachte ich als ein besonderes Zeichen ehrenden Zu-
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trauens. Die Arbeit an einer so wichtigen und reichen Sammlung wäre für mich von sehr grossem Wert, und sollte es sich auch nur um wenige Monate handeln. Inwieweit ich für eine solche Museumsarbeit disponiert bin, vermag ich nicht abzuschätzen; ich würde selbstverständlich tun, was in meinen Kräften steht. Ich will nicht verhehlen, dass meine Zukunftspläne andere sind und dass ich die Absicht habe, mich zu habilitieren, wahrscheinlich in Basel, was für mich das Nächstliegende ist, um so mehr, als wir gegenwärtig keinen Docenten für Archaeologie haben. Aber ich sehe auch klar, dass für mich eine Habilitation in der nächsten Zeit noch verfrüht wäre, bei dem noch sehr lückenhaften Zustand meines Wissens. Ich würde eine ruhige und praecise Arbeit an einer grossen Sammlung als ganz besonders wünschenswert erachten. Eine Stelle als Hilfsarbeiter könnte ich erst im nächsten Winter, nicht vor October, antreten, da ich im Herbst eine militärische Übung zu absolvieren habe und während des Philologencongresses gerne in Basel sein würde. Auch im kommenden Sommer muss ich in Basel sein, da ich mich verpflichtet habe, vor Beginn meiner Reise nach dem Süden begonnenen Katalog unserer kleinen Antikensammlung so bald als möglich fertigzustellen. Sollte sich inzwischen nicht etwas Unvorhergesehenes einstellen, so würde ich mir erlauben, im Winter 1907/08 von Ihrer Einladung, für welche ich Ihnen ganz ergebensten Dank sage, Gebrauch machen. Ich bin auf der Reise nach Athen, wo ich bis etwa Mitte Februar auf d. Institut arbeiten möchte. Indem ich Sie bitte, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung und meines wärmsten Dankes annehmen zu wollen, verbleibe ich Ihr sehr ergebener ehemaliger Schüler Arnold v. Salis.
A.7 August Frickenhaus, Tagebucheintrag vom 21. Mai 1907, GrTb Nekropole 145-147 (Beschreibung des mykenischen Grabinventars). Bei der Untersuchung der herausgeschafften Erde fanden sich noch viele kleine Stücke, Auch ist jetzt das Grab vermessen. Der Tote lag schräg, die Arme wurden längs des Körpers gefunden. über seinem Kopf fand sich ein Haufen Knochen, die offenbar von einem Kind (oder einem Tier??) stammen Der r. vom Toten liegende undekorierte einhenklige Napf ist nicht ganz gesichert in seiner Lage, war aber ca. 50 cm von den Knochen entfernt. Zu den kleines Messer Füssen des Toten zwei bronzene […]-Messer und ein Rasirm , dahinter längs der Wand eine Lanzenspitze (anscheinend im Innern Kupfer) aus Bronze; der zugehörige Lanzenschaft kann höchstens 11/2 m lang gewesen sein. [nachträglich eingefügt:] Neben der Lanzenspitze eine Bronzeschale In der linken Ecke des Grabes standen 4 grosse Thongefässe: 1) ein grosser Teller mit Doppelhenkeln 2) eine Wasserflasche mit Füsschen als Dekoration, dreihenklig (F).
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3) ein grosser Krater mit 2 Bandhenkeln und schöner 2friesiger Ornamentation (F) Im Innern lag ein kleines Knöchelchen (flach), Knochen fast wie ein Stück Rippe aussehend. War im Innern eine Fleischsuppe?? 4) eine einhenkelige fusslose Weinkanne, nach Art der Baumrosen dekoriert. Von unbekannter Lage sind die im Schutt gefundenen Gegenstände: Viele Stückchen Bleidraht, zusammen über 1 m lang, wohl von einem spiralförmigen Armband. 1 Wirtel aus grauem Thon, oben abgebrochen. Zu bemerken ist, dass sich im Schutt verschiedene Scherben fanden, die sicher zu keinem der beigegebenen Gefässe gehören. Das spricht dafür, dass man unter den Toten eine dünne Erddecke breitete. Soweit der Tatbestand. Die Konsequenzen dieses Grabes sind natürlich sehr grosse. Schon in mykenischer Zeit muss sich die Stadt Milet bis zum Kalabaktepe erstreckt haben. Die ganze Gegend um das mykenische Grab ist freizulegen. Wir bekommen damit den Anfangspunkt der jonischen Kultur. Die oben S. 126 ausgesprochenen Hoffnungen sind erfüllt! [Am 2. September 1907 hinzugefügt:] Zur Beurteilung des myken. Grabes: Die gefundenen Gefässe gehören der letzten Periode der myken. Kultur an; die nächsten Parallelen bieten die Gräber von Ialysos und in Kreta die Nekrop. von Zafer-Papuras bei Knossos und das Doppelgrab von Milatos (vgl. Evans Prehistoric tombs). Ganz allein steht die Thonschüssel und der Bleidraht, auch wohl die Bronzeschale; für alles andere lassen sich viele Parallelen angeben. Es fragt sich jetzt noch, ob das Grab einen Dromoszugang hatte oder pitcave ist.
A.8 Die Ausgrabung des ›Amphorenlagers‹ östlich des Athenatempels nach Erich Pernices Tagebucheintragungen E. Pernice, 3.10.1908, GrTb VI, 128: »[Zimmer x] In der Tiefe von 3,20 M. stossen wir auf zahlreiche grosse Wein-Amphoren, die dicht neben einander stehen oder liegen.« E. Pernice, 5.10.1908, GrTb VI, 129: »Die erwähnten Amphoren werden gesäubert und klarer gelegt. Es stellt sich heraus, dass sie alle mit dem Fussende nach oben liegen, aber regelmäßig angeordnet sind. Nach Norden sind sie an eine schräg gehende Mauer angelehnt. Die zahllosen Scherben, die über der Amphorenschicht liegen und die gleichfalls von Amphoren stammen, lassen darauf schliessen, dass ehemals 2 Schichten von Amphoren übereinander lagen, deren obere beim Einsturz des Hauses zerbrach, während sich die untere hielt. Aber auch von der unteren Schicht sind zahlreiche Amphoren zerbrochen. Die Amphoren erstrecken sich noch unter die Mauer l', sind also älter wie sie und das rechtwinklig anstossende kurze Mauerstück.« E. Pernice, 6.10.1908, GrTb VI, 129: »Die Arbeiten werden fortgesetzt. Die Amphoren, die auf der südlichen Hälfte des Zimmers liegen, sind alle zerbrochen.« E. Pernice, 7.10.1908, GrTb VI, 129: »Fortsetzung; ein Amphorenhenkel mit der Inschrift
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∆ΗΜΑΙ ΟΡΟΥ wird gefunden.« E. Pernice, 7.-9.10.1908, GrTb VI, 130: »Die Amphoren werden gesäubert und photographiert; eine wird mit vieler Mühe aus dem Grundwasser zwar etwas zerbrochen, aber volllständig in den Scherben herausgezogen. Es stellt sich heraus, dass die Amphoren in einer Steinsetzung lagen, die die im Plan angedeutete Form hat. Die östliche Umfassungsmauer des Raumes mit den Amphoren […] […] Süden unter einer dickeren Mauer …« E. Pernice, 11.-18.10.1908, GrTb VI, 133 f.: »[Raum α] Tief erscheint eine Mauer, die Fortsetzung der Amphorensteinsetzung. Weinkeller: Der Raum nördlich von dem Amphorenraum wurde ausgeräumt, um den Umfang des Weinlagers festzulegen. Es wird auch die Fortsetzung der Steinsetzung gefunden u. zwar wird konstatiert, dass die Amphoren nicht direct an die Steinsetzung gelegt waren, sondern zwischen Amphoren u. Steinsetzung grosse Dachziegel eingeschoben waren. Einer davon trägt die Marke ΗΡ [Ligatur] auf der Platte, nicht am Rande. Auch Amphoren finden sich hier noch ganz intact u. in derselben Wiese angeordnet wie die übrigen.« E. Pernice, 11.-18.10.1908, GrTb VI, 134: »Raum •. Der Raum hatte einen Estrich genauso wie α u. in derselben Höhe. Auch hier bleibt ein Teil stehen, während sonst tiefer gegangen wird. Der Scherbenbefund ist wie bei α … Der Kalkestrich muss also ziemlich alt sein, wenn auch jünger als die Amphoren (IV. Jhdt.), da sie in α unter dem Estrich liegen.« E. Pernice, 11.-18.10.1908, GrTb VI, 135: [Zusammenfassung der beobachteten Datierungsargumente, dann:] »Das älteste wäre hier also 1) der Amphorenraum 2) der Rusticabau, etwa IV. Jhdt.; dann der Kalkestrichbau, etwa 3. Jhdt. Im IV. Jhdt. bestand vielleicht zwischen dem Athenatempel und dem Bau ein grosser freier Platz. Der Rusticabau könnte zu dem Heiligtum gehört haben; er könnte aber […] selbst Kultzwecken gedient haben u. damit die Funde X. X. von Terrakotten u. Hydrien (s. o.) in Zusammenhang stehen. Das könnten Weihgeschenke sein, die gelegentlich als unbrauchbar im Hofe beseitigt worden wären.«
A.9 Carl Weickert an Hubert Knackfuß, 28. Februar 1937 SMK/A, 03/0163.02 Sehr geehrter Herr Professor, Infolge des Todes von Geheimrat Wiegand ist es nötig geworden, über die Weiterführung der Arbeiten in Kleinasien ins reine zu kommen. Zwischen dem Archäologischen Institut, dessen kommissarische Leitung Herr Direktor Schede übernommen hat, und mir ist die Übereinkunft getroffen worden, daß künftig alle praktische Tätigkeit in Kleinasien nicht mehr wie bisher von den Museen, sondern von der Abteilung des Instituts Istanbul geführt werden soll. Ebenso wird das Institut die
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Fürsorge für die weitere Publikation von Pergamon übernehmen, da Pergamon nicht ausschließlich Museumsgrabung gewesen ist. Milet hingegen soll auch künftig als Museumspublikation unter meiner Leitung weitergeführt werden. Es würde also alles, was Bearbeitung von Milet hier in Deutschland und den Druck anbelangt, vom Museum ausgeführt werden. Kleinere Nachgrabungen in Milet, die, wie ich glaube, noch nötig sein werden, sowie Aufnahmen im Gelände und an den Ruinen würden jedoch Sache des Istanbuler Institutes sein. Ich würde Sie nun bitten, sehr verehrter Herr Professor, mir einmal zusammenzustellen, was Ihnen über den Stand der noch zu erwartenden Miletbände bekannt ist, vor allem wie es mit dem Bande Didyma steht, der von Ihnen bearbeitet wird und den ich zusammen mit einem notwendigen Bande über die Topographie und Geschichte Milets für den wichtigsten der noch nicht erschienenen Bände halte. Ich würde es sehr begrüßen, wenn dieser Band der nächste sein könnte. der zum Druck gebracht wird. Vorläufig kann ich mich nur theoretisch über den Stand der Miletveröffentlichung ins Bild setzen, praktisch jedoch erst mit dem neuen Etatsjahre ab 1. April eingreifen, da vorher beim Museum keine Mittel vorhanden sind und, wie die Dinge liegen, mit einer Beihilfe der Notgemeinschaft künftig nicht mehr gerechnet werden kann. Vor allem wäre es mir auch wichtig zu erfahren, wie es künftig mit Honoraren für den Didymaband steht und wieviel für das Rechnungsjahr 1937 zu diesem Zweck aufgebracht werden müßte. Zunächst scheint es mir wichtig zu sein, Herrn Ziegenaus unter einigermaßen möglichen Bedingungen bei der Arbeit zu halten. Wie weit ist wohl Didyma gediehen? Und ist vielleicht für das Jahr 1938 mit der Druckmöglichkeit zu rechnen, wenn es mir gelingt, für Sie und Herrn Ziegenaus für das Jahr 1937 die notwendigen Honorare bereitzustellen? Sonst kommt für den Didymaband wohl niemand mehr in Frage. Das Theater wird hoffentlich Dr. Krauß soweit führen können, daß es dann als nächster Band erscheinen kann. Ich werde ihm darüber ebenfalls schreiben und möchte Sie nur fragen, wieweit Sie oder Professor Krischen für den Theaterband mitheranzuziehen sind. An Professor Krischen möchte ich erst schreiben, wenn ich von Ihnen Nachricht erhalte. Von den Ehrengräbern wird wohl Ta Marmara von Ihnen bearbeitet und soll, wie mir Herr von Gerkan mitteilte, schon druckfertig vorliegen. Trifft das zu oder ist noch eine Revision im Gelände nötig? Die übrigen Ehrengräber sind wohl richtig wie folgt verteilt: Das Grab an der Theaterbucht von Professor Wulzinger, das Grab nahe dem Serapeion von Herrn Professor Krischen, das Grab am Theaterhügel von Ihnen oder Herrn Krauß? Einen Bericht über den Wiederaufbau des Gewölbes dieses Grabes meint Herr von Gerkan Ihnen übergeben zu haben. Dann wäre noch das Grab im Hofe des Buleuterions. Halten Sie hier eine Revision für nötig oder genügt eine kurze Notiz, wie eine solche. wenn ich mich nicht irre, schon in einem der letzten Miletbände gegeben worden ist? Die byzantinischen Kirchen. Die Bischofskirche wird von Ihnen bearbeitet und soll nach Herrn Gerkans Mitteilung ziemlich fertig sein. An den Mosaiken dieser Kirche hat Krischen gearbeitet und soll seine Zeichnungen abgschlossen haben. - Die Michaelskirche wird von Wulzinger bearbeitet, wohl auch die Ruinen des darunter liegenden Tempels. Glauben Sie, daß man den Tempel von der Veröffentlichung der Kirchen trennen oder beide gemeinsam in einem byzantinischen Bande veröffentlichen soll? - Eine Rundkirche ist von Ihnen aufgenommen worden, ebenso eine kleine Kapelle innerhalb der Mauer Justinians am Südmarkt. Eine kleine Klosteran-
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lage mit einer kleinen gewölbten Kirche zwischen dem Athenatmepel und dem Dorfe Balad besitzt Herr von Gerkan in einer Grundrißskizze. Weiteres scheint nicht vorhanden zu sein, und Herr von Gerkan erinnert sich nicht, ob er sein Material schon Herrn Wulzinger zur Verfügung gestellt hat. – Eine Kapelle am Fuße des Kalabaktepe ist in dem Bande von Gerkan schon behandelt, muß aber wohl in dem byzantinischen Band wieder mitaufgenommen werden. - Sollte auch die Synagoge am Löwenhafen mit in diesem Band aufgenommen werden und sind Ihnen sonst noch byzantinische Ruinen oder Reste bekannt, die ich noch nicht aufgeführt habe, etwa das byzantinische Kastell? Oder soll dieses mit dem Theater zusammen von Krauß bearbeitet werden? Die byzantinischen Inschriften wird wohl auch Herr Professor Rehm übernehmen müssen. Sehr schwierig wird die Veröffentlichung der Kleinfunde werden, auf die ich aber unter keinen Umständen verzichten möchte. Es wird notwendig sein, für diese noch kleinere Nachgrabungen zu machen, die dann aber auch vom Institut geleitet werden sollen. Vorläufig scheint hier allein ein Mansukript von Frickenhaus über mykenische Gräber vorhanden zu sein. Wieweit dieses druckfertig ist, habe ich noch nicht feststellen können. Über die Nekropolen von Milet soll sonst Professor von Salis gearbeitet haben, über die Nekropole am heiligen Tor Herr von Gerkan, doch fehlen zu dieser letzteren die Funde. Die Nekropole am Katzartepe scheint noch nicht aufgenommen worden zu sein. Glauben Sie, daß Herr Professor von Salis in der Lage sein würde, die Bearbeitung der Nekropole zu übernehmen? Die antiken Inschriften bearbeitet Herr Professor Rehm. Dann sollte nach dem Plan von Wiegand noch eine Karte von Jonien herausgegeben werden, die Lyncker aufgenommen hatte und die während des Krieges schon vervielfältigt sein soll. Vielleicht könnte man diesen Druck benutzen und ihm einen Text etwa von Philippson beifügen, der vielleicht schon gemacht ist. Den topographischen Gesamtband wird doch wohl am besten Herr von Gerkan bearbeiten. Das ist alles, was ich bisher über den Stand der Miletpublikation habe in Erfahrung bringen können. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir schreiben würden, ob das so richtig ist und würde Sie bitten zu ergänzen, soweit Sie dazu in der Lage sind, damit ich einen Übersichtsplan der noch zu leistenden Arbeit aufstellen kann. Vor allem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, ob von früheren Mitarbeitern noch der eine oder andere mit Aussicht auf Erfolg zu der Veröffentlichung herangezogen werden müßte. Ich hoffe, da die Museen Pergamon abgegeben haben, für Milet künftig soviel Mittel zur Verfügung zu bekommen, daß die Weiterarbeit ohne Verzögerung durchgeführt werden kann. Nur würde ich gern sehr bald wissen, wieviel das sein muß und in welcher Reihenfolge wir an die Bearbeitung gehen müssen. Ich hoffe aber dabei bestimmt, daß der Didymaband der erste in Angriff genommene Band sein wird. Zum Schluß möchte ich Sie bitten, mich bei der schweren Aufgabe, die ich übernommen habe, freundlich unterstützen zu wollen. Sie können versichert sein, daß ich nach meinen Kräften tun werde, was ich kann, und versuchen werde, die vielfältigen Interessen der Einzelnen in richtiger Weise einzusetzen.
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Wenn sie meinen, daß es notwenig ist, daß ich vielleicht mit Ihnen, Professor Rehm und Dr. Krauß einmal die Frage der Miletveröffentlichung im Ganzen durchspreche, so würde ich gern bereit sein, nach München zu kommen.
A.10 Carl Weickert an Hubert Knackfuß, 3. März 1937 (Auszug) SMK/A, 03/0163.02 … Ganz allgemein macht mir der Zustand große Sorge, daß alle eingearbeiteten Architekten mit dem Gedanken umgehen müssen, in den praktischen Beruf zurückzukehren. Das ist bei Ziegenaus und Johannes der Fall, und auch Herr Krauß wird es erwägen müssen, wenn es mir nicht gelingt, ihm eine einigermaßen mögliche Existenz zu schaffen. Wenn das so weiter geht, würde das das Ende der antiken Architekturforschung überhaupt bedeuten. Ihre Professur in München haben wir schon verloren, und eine Aussicht, dass Herr Krauß auf eine der jetzt freistehenden Stellen berufen wird, ist doch mindestens unwahrscheinlich. Das darf doch unter keinen Umständen eintreten. Es muß wenigstens die Möglichkeit für einige wenige bestehen, daß sie nach einer praktischen und ja leider nur sehr mangelhaft bezahlten Tätigkeit im archäologischen Betrieb die Möglichkeit haben, auf der gleichen Linie unter günstigeren Verhältnissen praktisch und wissenschaftlich weiter zu arbeiten. Jedenfalls werde ich versuchen, so viel ich kann, hier in Berlin bei allen in Frage kommenden Stellen auf diese Schwierigkeit aufmerksam zu machen und werde auch beim Ministerium vorstellig werden, daß unbedingt solche architekturgeschichtlichen Professuren in beschränkter Zahl gehalten werden müssen. Einige wenige Stellen können sich vielleicht im archäologischen Dienst für Architekten ergeben, aber auch hier doch allerhöchstens 2–3, und von diesen kann gewiß nur eine eine Endstellung werden. Oder sollen wir zusehen, daß der in Deutschland erblühte Zweig der Wissenschaft wieder verdorrt? Sollten Sie die Möglichkeit haben, irgendwo und irgendwie in diesem Sinne zu wirken, wäre ich Ihnen ungemein dankbar. Eine in der Art ihrer Auswirkung noch nicht zu übersehende Möglichkeit könnte sich dadurch ergeben, daß man scheinbar daran denkt, die Professur Krischen in Danzig abzulösen und nach Deutschland zu übertragen. Krischen war heute bei mir und hat mir von diesem Plan erzählt. Dann wäre doch wenigstens eine Stelle zu den beiden von Krencker und Reuther noch vorhanden. Mir würde es am wichtigsten erscheinen, wenn man diese Stelle an einer Technischen Hochschule angliedern und dem Betreffenden einen Lehrauftrag an der Universität geben würde, also z. B. hier in Berlin. Dann könnte auf der Technischen Hochschule der Architektennachwuchs geschult und zugleich auf der Universität der unbedingt notwendige Zusammenhang mit dem Archäologen gefunden werden. Eine Architekturprofessur bei der Universität zu erreichen, scheint mir wenig günstig. Mit der Lehrstelle Dombarts in München sind keine guten Erfahrungen gemacht worden, und es würde stets schwierig sein, junge Architekten, – denn um solche allein darf es sich doch nur handeln – so stark an die Universität hinüberzuziehen. Außerdem hätte man hier in Berlin das Pergamonmuseum als Lehr- und Studienmaterial für alle in Frage kommenden Arbeiten zur Hand, und das Museum seinerseits würde es dankbar begrüßen, wenn junge Architekten für die Bearbeitung der Architekturfragmente zur Hand sein könnten.
B. Fotoalben aus dem Nachlaß Hubert Knackfuß Hubert Knackfuß war offenbar ein begeisterter Fotograf und hinterliess vier Fotoalben1667, die im Stadtarchiv Kassel verwahrt werden1668. Die in diesen Alben versammelten Fotos sind sämtlich nummeriert und in handschriftlichen Katalogen1669 eindeutig benannt. Der überwiegende Teil der Bilder ist zudem datiert. Drei gleichartige Alben mit durchlaufender Zählung und chronologischem Aufbau enthalten ca. 500 Fotos, die Knackfuß im Zeitraum von August 1902 bis Oktober 1910 aufnahm. Das vierte Album ist grundsätzlich ähnlich aufgebaut, enthält aber im Wesentlichen Fotos aus Knackfuß’ privatem und familiären Umfeld zwischen 1904 und 1931; von den ca. 470 Fotos dieses Albums stellen etwa 50 eine inhaltliche Ergänzung im Sinne dieser Untersuchung zu den drei erstgenannten Alben dar. Die drei zusammengehörigen Alben dokumentieren Knackfuß’ wissenschaftliche Arbeit und sein berufliches Lebensumfeld wie ein visuelles Tagebuch. So geben die Fotoalben nicht nur vielen unbekannteren Teilnehmern der Grabung zum ersten Mal ein Gesicht, sondern gestatten quasi einen in vivo Blick auf die Wissenschaftler vor Ort. Wie bei einem Architekten zu erwarten, dominieren Aufnahmen von Architektur. Daneben interessieren ihn insbesondere die Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld. Sein fotografischer Blick ist meist anteilnehmend, etwa wenn er die Mühen der Arbeiter bei der Bewegung schwerer Steine festhält (Taf. 33b). Gleichzeitig ist eine Neigung zu psychologisierender, oft auch humoristisch-demaskierender Portraitierung von Einzelpersonen zu konstatieren: Der befreundete Regierungskommissar Evangelos Maimaroglou wird nicht nur in der Standardpose hoch zu Ross festgehalten (Taf. 29b), sondern ebenfalls einen Augenblick vorher, als er sich noch den Bart für das Foto richtet (Taf. 36a). Sehr deutlich zeigt sich zudem seine von Georg Kawerau auch in poetischer Form thematisierte1670 Tierliebe: Zahlreiche Fotos sind nicht nur von anonymen Kamelen (Taf. 37a) bevölkert, sondern vor allem von namentlich benannten Tieren der Grabung, also Reittieren, Hunden (Taf. 36b) und Katzen (Taf. 37b). Dabei spielt die Mensch-Tier Interaktion eine bedeutende Rolle. Dieses umfangreiche fotografische Werk stellt eine so wichtige Primärquelle zur Lebens- und Arbeitsrealität der Feldforschung jener Zeit dar, dass sie es im Grunde verdiente, zur Gänze eigenständig publiziert zu werden. Da dies an dieser Stelle nicht geschehen kann, sollen hier wenigstens die Kataloge wiedergegeben 1667
NL Knackfuß, SMK/A, 03/0125.03-05. Die Bekanntmachung des Nachlaßes erfolgte durch J. Westerburg, Von Brotterode nach Milet. Der Nachlass des Archäologen Hubert Knackfuß im Stadtmuseum Kassel, AW 2005/1, 52-54. Astrid Fendt und Martin Maischberger erschlossen den Nachlaß 2005 differenzierter im Auftrag der Arge Pfanner. Der Verfasser dankt Martin Maischberger dafür, dass er ihn auf den Nachlass aufmerksam gemacht hat. 1669 NL Knackfuß, SMK/A, 03/0163.01. 1670 Anhang C.1. 1668
318
ANHÄNGE
werden. Die im Text dieser Arbeit verwendeten Fotos sind gekennzeichnet; die thematische Hervorhebung nahm der Verfasser vor.
B.1 Katalog der Arbeitsalben Nr. Datum Deutschland 1 1902 2 Aug 02
Beschreibung Nichts Brunnen von Klein neben der Nationalgallerie Berlin.
3 4
Aug 02 Aug 02
Brunnen von Klein neben der Nationalgallerie Berlin. Amazone von Torvaldsen neben der Nationalgallerie Berlin.
5
Aug 02
Amazone von Torvaldsen neben der Nationalgallerie Berlin.
6
Aug 02
Ausblick von meinem Fenster. Brückenallee 33 Eingang III3. Berlin.
7
07.09.1902
Römerturm in Cöln.
8 9
07.09.1902 08.09.1902
Römerturm in Cöln. Gothisches Blatt von den Werkstücken hinter dem Domchor Cöln.
10
08.09.1902
Großer Bogen der Porta paphia. Cöln.
11 12 13 14
13.09.1902 13.09.1902 13.09.1902 13.09.1902
Domkreuzgang Bonn. Domkreuzgang Bonn. Drachenfels vom Rheindampfer aus. Spiegelbild auf dem Rheindampfer mit Hermann, Benno und mir.
15
13.09.1902
Am Rhein.
Auf Reisen 16 26.09.1902 17 18
27.09.1902 27.09.1902
Stambul. Blick vom Dampfer. Mytilene vom Dampfer aus. Patres an Bord des Dampfers.
Exkursion Tralleis – Alabanda – Lagina – Labranda - Euromos 19 28.09.1902 Altchristliche Kirchenruinen in Tralleis. 20 21 22 23
28.09.1902 29.09.1902 29.09.1902 29.09.1902
Altchristliche Kirchenruinen in Tralleis. Ritt durch den Mäander. Unsere Packpferde im Mäander. Dreschtenne am Wege[…] des Mäander.
24 25 26
30.09.1902 30.09.1902 30.09.1902
Odda in Tecke-Köi vor dem Aufbruch in der Frühe. Säulenruine in Alabanda. Odeonruine in Alabanda.
Hier Abb.
319
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 27 28 29
Datum 30.09.1902 30.09.1902 30.09.1902
Beschreibung Odeonruine in Alabanda. Seitlicher Eingang des Theaters zu Alabanda. Turmthor in Alabanda.
30
30.09.1902
Rast auf dem Saumpfad bei dem antiken Aquädukt zwischen Alabanda und Akdja-Ova.
31 32
30.09.1902 30.09.1902
Felsen im Thal auf demselben Wege. Reisegesellschaft ebenda.
33 34 35 36
30.09.1902 01.10.1902 01.10.1902 01.10.1902
37
02.10.1902
Thüre in der Odda zu Akdja-Ova. Felsengrab zwischen Akdja-Ova und Lagina. Felsengrab zwischen Akdja-Ova und Lagina. Thüre in dem Quadergebäude unweit des Felsengrabes. Tempelruine in Lagina.
38 39 40
02.10.1902 02.10.1902 02.10.1902
Tempelruine in Lagina. Thüre der Temenoshalle in Lagina. Granitfelsen und Pinien auf dem Wege von Haira nach Türbe.
41 42 43 44
02.10.1902 03.10.1902 03.10.1902 03.10.1902
Rast im Pinienwald ebenda. Säulenruine in Labranda. Rundbasis zwischen Labranda und Euromos. Tempelruine in Euromos.
45 47 46 48
03.10.1902 03.10.1902 03.10.1902 03.10.1902
Tempelruine in Euromos. Mein gutes Rößlein. Agoraruine in Euromos. Einschiffung auf den See bei Heraklea.
49 50 51
beschädigte Platte beschädigte Platte beschädigte Platte
Milet 51a
Eine Aufnahme von mir am Theater in Milet.
Exkursion Herakleia am Latmos 52 09.11.1902 Einschiffung des Herrn Meimaroglu auf dem Bastarda Thalassa. 53 54 55
09.11.1902 09.11.1902 09.11.1902
Bouleuterionruine in Heraklea. Stadtmauer von Heraklea (Ostseite). Turm der Stadtmauer in Heraklea (Ostseite).
56 57 58
09.11.1902 09.11.1902 09.11.1902
Stadtthor von Heraklea. Blick auf Tempel und Agora in Heraklea. Blick auf Tempel und See in Heraklea.
Hier Abb.
Taf. 19a
Taf. 20a
Taf. 19b
320
ANHÄNGE
Nr. 59 60
Datum 09.11.1902 09.11.1902
Beschreibung Endymionheiligtum in Heraklea. Insel mit byzantinischem Kloster im See (Bastarda Thalassa).
Milet 61 62 63 64
Nov 02 Nov 02 Nov 02 Nov 02
Ausgrabung im Theater zu Milet. Ausgrabung im Theater zu Milet. […] Mein Schimmel.
65 66 67 68
Nov 02 Nov 02 Nov 02 Dez 02
Mein Schimmel. Der »Ausgrabungshund«. Unsere beiden Kätzchen. Relief einer sitzenden Frau.
69 70 71 72
Dez 02 Dez 02 Dez 02 Dez 02
Archaische Sitzstatue. Ausgrabung im Theater. Ausgrabung im Theater. Ausgrabung im Theater (Schuttrutschen).
73
Dez 02
Hellenistisches Grab mit mittelalterlichem Turmüberbau bei dem Theaterhafen.
74 75
Dez 02 Dez 02
Archaischer Löwe ebenda. Statuenfragment ebenda.
76 77 78 79
Dez 02 Dez 02 Dez 02 Dez 02
Westliche Theaterfreitreppe. Arbeiten im Theater. Arbeiten im Theater. Arbeiten im Theater.
80 81
Dez 02 Dez 02
Vor dem Haus des Hassan Tschausch. Ruine eines römischen Hauses am Ostabhang des Theaterberges (Fundort des Negerkopfes und der Marmorinkrustation.).
82 83 84 85
Dez 02 Dez 02 Dez 02 Dez 02
Seldschukisches Bad und antike Säulen. Ruine der römischen Thermen. Ruine der römischen Wasserleitung. Mäanderufer östlich von Milet (unweit des großen Mosaikbodens).
86
Dez 02
Delphinmosaik aus dem großen Boden im Osten des Südmarktes.
87
Dez 02
Mittelalterliches Kastell auf dem Theaterberg (SOEcke).
88 89 90
Dez 02 Dez 02 Dez 02
Heruntergestürztes Mauerstück des Kastells daselbst. Römischer Prachtbrunnen. NW-Ecke des Südmarktes von Westen.
Hier Abb.
Taf. 15a
Taf. 23b
Taf. 16a
321
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 91 92
Datum Dez 02 Dez 02
Beschreibung NW-Ecke des Südmarktes von Osten. Marmorgewölbe am Ostabhang des Theaterberges, Nordseite.
93 94 95 96
Dez 02 Dez 02 Dez 02 Dez 02
Desgleichen Südhälfte. Basilikaruine. Inneres des Museums der Kleinfunde. Inneres des Inschriftenmuseums.
97 98 99 100
Jan 03 Jan 03 Jan 03 Jan 03
Inneres des Skulpturenmuseums. Inneres des Skulpturenmuseums. Inneres meines Zimmers. Der neue Flaschenzug.
101 102 103 104
Jan 03 Jan 03 Jan 03 Jan 03
Der neue Flaschenzug. Kapitäl unweit der Thermenruine. Mittelalterliche Mauern auf den Stufen des Theaters. Das Theater von Süden.
105 106 107 108
Jan 03 Jan 03 Jan 03 Jan 03
Grabruine im Westen von Milet. Milet von unserem Hause aus gesehen. Kamelzug in Milet. Kamelzug in Milet.
Didyma 109 110 111
21.01.1903 21.01.1903 21.01.1903
Panormos (Kovellabucht). Tempel zu Didyma. Unvollendete Säule der Südseite. Tempel zu Didyma. Ostseite.
112 113 114 115
21.01.1903 21.01.1903 21.01.1903 21.01.1903
116
21.01.1903
Tempel zu Didyma. Südostecke des Stylobats. Tempel zu Didyma. Basis der Ostseite. Tempel zu Didyma. Basis der Ostseite. Tempel zu Didyma. Unvollendete Basis der Nordseite. Tempel zu Didyma. Platte des Gorgonenfrieses.
117
21.01.1903
118
21.01.1903
119
21.01.1903
Tempel zu Didyma. Die Säulen der Nordseite (Innere Reihe) von Osten.
120
21.01.1903
Dr. Wiegand, der P[…] von Ak-Kjöi und der Arzt von Jeronda in Verhandlung mit türkischen Bauern zu Turko-Jeronda.
Milet
Hier Abb. Taf. 16b
Taf. 13b Taf. 13a Taf. 29a Taf. 14a
Tempel zu Didyma. Ansicht von Süden nach Norden. Tempel zu Didyma. Halbsäule an der Innenseite der Ostwand der Cella.
Taf. 7a
322
ANHÄNGE
Nr. 121 122 123
Datum Feb 03 Feb 03 Feb 03
Beschreibung Theater Milet Ostseite. Theater Milet Westseite. Hussein Effendi vor dem Theater.
124 125 126 127
Feb 03 Feb 03 Feb 03 Feb 03
Treppe in der südlichen Stadtmauer. Kamele. Mäanderfähre mit Herrn v. Mack. Kapitäl im Theater.
128 129 130 131
Feb 03 Feb 03 Feb 03 Feb 03
Löhnung. Transport eines Kapitäls. Arbeiten im Theater. Arbeiten im Theater.
132 133 134 135
Feb 03 Feb 03 Feb 03 Feb 03
Arbeiten im Theater. Oberer Diazomaumgang im Theater. Desgleichen mit byzantinischem Kastellturm. Theater gegen Ende der Freilegung.
136 137 138
Feb 03 Feb 03 Feb 03
Relief einer sitzenden Frau. Fastnachtssänger aus Ak-Köi. Türkische Kinder in Balat.
Hier Abb.
Taf. 22b
Taf. 30a
Haghia Paraskevi, milesische Halbinsel 139 Mrz 03 Apsis der Kirchenruine Aja Paraskevi südwestl. Von Ak-Köi. 140 141
Mrz 03 Mrz 03
Narthex derselben. Dr. Wiegand die Mosaikinschrift vor der Hauptthüre ebenda lesend.
142
Mrz 03
Die Mosaikinschrift vor der Hauptthüre im Narthex ebenda.
143
Mrz 03
Desgleichen.
Milet 144 145
Mrz 03 Mrz 03
Ak-Kiöi von unserem Hause aus gesehen. Wiederaufrichtung eines Blockes auf dem mittleren Diazoma im Theater zu Milet.
146 147
Mrz 03 Mrz 03
Kapitäl in der byz. Rundkirche zu Milet. Hypokausten bei der Kirchenruine Aja Paraskevi s. w. von Ak-Kiöi.
148
Mrz 03
Wiederaufrichtung eines Blockes an der östl. Parodoswand des Theaters zu Milet.
149
Mrz 03
Säuberung der westl. Bühnenunterraumtreppe von hineingestürzten Blöcken.
150
Mrz 03
Beim Entwickeln verdorbene Platte.
151
Mrz 03
Junges Kamel.
Taf. 6b Taf. 33a
Taf. 37a
323
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 152 153 154
Datum Mrz 03 Mrz 03 Apr 03
Beschreibung Hier Abb. Junges Kamel. Frühlingswiese. Wiederaufrichtung der Säulen der Kaiserloge im Theater.
155 156
Apr 03 Apr 03
Desgleichen. Volk auf dem Theater bei Gelegenheit des Prinzenbesuches.
Exkursion Ephesos – Sardes 157 158
Mai 03 Mai 03
Marmorbank am Agorathor zu Ephesus. Agorathor zu Ephesus.
159 160 161 162
Mai 03 Mai 03 Mai 03 Mai 03
Brunnenhaus am Theater zu Ephesus. Kassettenblock im Theater zu Ephesus. Kapitäl des ältesten Artemistempels zu Ephesus. Selimoschee zu Ephesus vom Östereichischen Haus gesehen.
163 164 165
Mai 03 Mai 03 Mai 03
Inneres der Selimmoschee zu Ephesos. Desgleichen. Seldschuckische Türbe zu Ephesos.
166 167 168
Mai 03 Mai 03 Mai 03
Tempel zu Sardes. Desgleichen. Kapitäl des Tempels zu Sardes.
Italien 169 170 171 172
Sep 03 Sep 03 Sep 03 Sep 03
Romanisches Haus (Balkon) in Brindisi. Romanisches Haus in Brindisi. Romanisches Haus in Brindisi. Portal der Langseite von S. Benedetto in Brindisi.
173 174 175 176
Sep 03 Sep 03 Sep 03 Sep 03
Desgleichen. Detail. Kreuzgang von S. Benedetto in Brindisi. Kreuzgang von S. Benedetto in Brindisi. Kreuzgang von S. Benedetto in Brindisi.
177 178
Sep 03 Sep 03
Kreuzgang von S. Benedetto in Brindisi. Kreuzgang von S. Benedetto in Brindisi.
Milet 179
Okt 03
Hermann im Stadium von Priene.
180 181 182 183
Okt 03 Okt 03 Okt 03 Okt 03
Hermann, Herr u. Frau Dr. Wiegand zu Pferde. Hermann, Herr u. Frau Dr. Wiegand zu Pferde. Hermann, Herr u. Frau Dr. Wiegand zu Pferde. Herrmann zu Pferde.
184
Okt 03
Frau Dr. Wiegand zu Pferde.
Taf. 25b
Taf. 18c
324
ANHÄNGE
Nr. 185
Datum Dez 03
186
Dez 03
187
Dez 03
188
Dez 03
Fundtransport 189 Dez 03 190 Dez 03
Beschreibung Ausgrabungen im Heiligtum des »Apollo Delphinios«. Ausgrabungen im Heiligtum des »Apollo Delphinios«. Im Inschriftenmuseum. Inschriften aus dem »Apolloheiligtum«.
Hier Abb. Taf. 15b
Taf. 14b
Ausgrabung am großen Marktthor zwischen Nymphaeum und Südmarkt. Verladen einer Kiste. Büffelgespann.
191 192 193 194
Dez 03 Dez 03 Dez 03 Dez 03
Büffelgespann. Dr. Wiegand im »Garten« arbeitend. Verladung der Kisten bei Kap Plaka. Verladung der Kisten bei Kap Plaka.
195 196 197 198
Dez 03 Dez 03 Dez 03 Dez 03
Arbeiterhütte bei Kap Plaka. Arbeiterhütte bei Kap Plaka. Herr Meimaroglu zu Pferde. Herr Meimaroglu zu Pferde.
199 200 201 202
Dez 03 Dez 03 Dez 03 Dez 03
Büffelwagen mit Kiste zwischen Akköi und Plaka. Büffelwagen mit Kiste zwischen Akköi und Plaka. Büffelwagen mit Kiste zwischen Akköi und Plaka. Büffelwagen mit Kiste zwischen Akköi und Plaka.
Milet 203 204 205
Dez 03 Dez 03 Mrz 04
Unser Haus. »Schakal« und »Bambino«. Herr Kawerau auf dem »Bambino«.
206 207 208 209
Mrz 04 Mrz 04 Mrz 04 Mrz 04
Herr Kawerau auf dem »Bambino«. »Schakal« mit mir und »Kalzoni«. »Schakal« mit mir und »Kalzoni«. Vor dem Haus des Hassan Tschausch.
Taf. 7b Taf. 6a
210 211 212 213
Mrz 04 Mrz 04 Mrz 04 Mrz 04
Am Brunnen in Balat. Sicherungsarbeiten an den großen Thermen. Tabakkarawane. »Alias«.
Taf. 23a Taf. 17b
214 215 216
Mrz 04 Mrz 04 Mrz 04
Athanas auf dem Schimmel. Athanas auf dem Schimmel. Athanas auf dem Schimmel.
Didyma 217
Apr 04
Tempel zu Didyma.
Taf. 36a Taf. 29b Taf. 22a
Taf. 24a
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 218 219
Datum Apr 04 Apr 04
Beschreibung Tempel zu Didyma. Zuschauer in Didyma bei Gelegenheit des Besuches der Amerikaner.
220
Apr 04
Auf dem Rückritt von Didyma (Bauinspektor Schulz, Bauführer v. Lüpke u. Kohl).
221 222 223 224
Apr 04 Apr 04 Apr 04 Apr 04
Junges Kamel in Milet. Junges Kamel in Milet. Junges Kamel in Milet. Junges Kamel in Milet.
225 226 227 228
Apr 04 Apr 04 Apr 04 Apr 04
Junges Kamel in Milet. Junges Kamel in Milet. Junge Kamele mit Herrn Kawerau. Großes Kamel in Milet.
229 230 231 232
Mai 04 Mai 04 Mai 04 Mai 04
Aufräumungsarbeiten am Buleuterion in Milet. Kamele in Milet. Stute und Fohlen in Milet. Eselin mit Jungem in Milet.
233
Mai 04
Kälbchen in Milet.
Milet
Exkursion Griechische Inseln 234 Mai 04 Säule vom Heraion auf Samos. 235 Mai 04 Asklepiostempel auf der mittleren Terrasse des Asklepiosheiligtums auf Kos. 236 237 238
Mai 04 Mai 04 Mai 04
Tesauros in demselben. Ädicula mit Basis an der Terrassenrückwand daselbst. Türkischer Brunnen in Kos.
239 240 241 242
Mai 04 Mai 04 Mai 04 Mai 04
Türkisches Haus in Kos. Hafen von Patmos. Thor auf einer kleinen Insel bei Naxos. Burg der Frankenherzöge auf Paros.
243
Mai 04
Kapelle (Innenansicht der Apsis) in der Herzogsburg auf Paros.
244 245
Mai 04 Mai 04
Vorhof der Kirche »Hekatompili« auf Paros. Antikes Grab auf Paros.
246 247 248 249
Mai 04 Mai 04 Mai 04 Mai 04
Phira auf Thera. »Nea Kaimeni«, Thera. »Nea Kaimeni«, Thera. »Nea Kaimeni«, Thera.
250
Mai 04
Aufstieg nach Philakopi auf Melos.
325 Hier Abb.
326
ANHÄNGE
Nr. 251 Italien 252
Datum Mai 04
Beschreibung Burgmauer von Philakopi auf Melos.
01.06.1904
Kathedrale von Cefalú, Choransicht.
253
Jul 04
Aussicht von meinem Zimmerfenster in Rom, Via di Monte Tarpeo 61I.
254 255
Jul 04 Jul 04
Desgleichen. Inneres meines Zimmers daselbst.
256 257 258 259
Aug 04 Aug 04 Aug 04 08.08.1904
Der kleine Mario meiner Hausleute daselbst. Der kleine Mario meiner Hausleute daselbst. Der kleine Mario meiner Hausleute daselbst. Abbrucharbeiten in der Via Giulio Romano für das Victor Emanueldenkmal in Rom.
260 261 262
08.08.1904 08.08.1904 08.08.1904
Campanile von S. Silvestro in Capite zu Rom. Substruktionen der Via Appia unterhalb Arinia [?]. Desgleichen.
263 264 265 266
08.08.1904 08.08.1904 09.08.1904 09.08.1904
Desgleichen mit Durchlaß. Grab der »Heratier u. Curitatier« zu Albano. Tempel des Castor und Pollux zu Cori. Staßenbrunnen in Cori.
267 268 269 270
09.08.1904 09.08.1904 09.08.1904 09.08.1904
»Hercules«tempel in Cori. Antenecke. Desgl. Giebelseite. Desgl. Giebelseite. Desgl. Giebelseite.
271 272 273
09.08.1904 09.08.1904 09.08.1904
Desgl. Giebelseite. Eckuntersicht von außen. Desgl. Eckuntersicht von innen. »Hercules«tempel in Cori. Basis und Rest des Podiumgesimses.
274 275 276 277
09.08.1904 09.08.1904 09.08.1904 16.08.1904
Desgl. Thüre. Kreuzgang v. S. Oliva in Cori. Cyclopische Stadtmauern von Cori. Salerno Domatrium.
278 279 280 281
16.08.1904 16.08.1904 17.08.1904 17.08.1904
Salerno Domatrium. Salerno Domthüre. Felsen an der Straße Salerno-Amalfi. Höhlenkloster auf dem Wege Salerno-Amalfi.
282 283 284 285
17.08.1904 17.08.1904 17.08.1904 17.08.1904
Bronzethüre S. Salvatore in Alatri. Desgleichen. Bronzethüre des Domes zu Amalfi. Domkreuzgang zu Amalfi.
286
17.08.1904
Corsarenturm an der Küste zwischen Salerno und
Hier Abb.
327
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr.
Datum
Beschreibung Amalfi.
287 288
18.08.1904 18.08.1904
Porta Sirena zu Paestum. N. O. Ante der »Basilica« zu Paestum.
289 290 291
18.08.1904 18.08.1904 18.08.1904
292 293
18.08.1904 18.08.1904
Paestum. SW-Eckkapitell der »Basilica«. Paestum. Basilica. Kapitell der Mittelreihe. Paestum. Basilica. Nordseite Architrav mit Hebeschlitz. Paestum. Basilica. N. O. Ante von innen. Paestum. Basilica. Innere Säulenreihe von S. O.
294 295
18.08.1904 18.08.1904
Paestum. Basilica. Kapitell der Ostseite. Paestum. Basilica. Fünfte Säule der Westseite von Süden gerechnet.
296
18.08.1904
Paestum. Neptuntempel. Innensäulen.
297 298 299
18.08.1904 18.08.1904 18.08.1904
Paestum. Kapitell des »römischen Tempels«. Paestum. Westgiebel des Cerestempels. Paestum. Stadtmauer der Westseite bei Porta Marina, Ausenseite.
300
18.08.1904
Paestum. Turm der Stadtmauer auf der Südseite bei Porta Giustizia.
301 302
20.08.1904 20.08.1904
Taormina. Palazzo Corvaia. Taormina. Palazzo Corvaia.
303 304 305 306
20.08.1904 20.08.1904 20.08.1904 20.08.1904
Taormina. Badia Vecchia. Taormina. Tempelwand von S. Pancrazio. Taormina. Kleines Theater. Taormina. Kleines Theater.
307 308 309 310
22.08.1904 22.08.1904 22.08.1904 22.08.1904
Syracus. Antiker Steinbruch vor dem Euryelos. Syracus. Antiker Steinbruch vor dem Euryelos. Syracus. Euryelos. Syracus. Euryelos. Westeingang des Hieronaltares.
311 312 313 314
22.08.1904 22.08.1904 22.08.1904 22.08.1904
315
22.08.1904
316
22.08.1904
Syracus. Hieronaltar, Simablock. Syracus. Gräberstrasse. Syracus. Vorhalle von S. Giovanni. Syracus. Ruine des alten Kirchenschiffes von S. Giovanni. Syracus. Ruine des alten Kirchenschiffes von S. Giovanni. Syracus. Portal von S. Lucia.
317
23.08.1904
Syracus. Dom.
Milet 1904/05 318 03.09.1904
Milet. Kalkkamele beim Museumsbau.
Hier Abb.
Taf. 12b
328
ANHÄNGE
Nr. 319 320 321
Datum 10.09.1904 30.10.1904 30.10.1904
Beschreibung Milet. Ziegelkamele beim Museumsbau. Milet. Dr. Wiegands. Geburtstagsfeier. Milet. Dr. Wiegands. Geburtstagsfeier.
322 323 324 325
30.10.1904 30.10.1904 30.10.1904 1904
Milet. Dr. Wiegands. Geburtstagsfeier. Milet. Dr. Wiegands. Geburtstagsfeier. Milet. Dr. Wiegands. Geburtstagsfeier. Milet. Dr. Ziebarth und Kulas.
326 327 328 329
1904 1904 1904 1904
Milet. Dr. Ziebarth und Kulas. Milet. Dr. Herkenrath, Minna und Moritz. Milet. Dr. Hülsen, Rosa und Calzoni. Milet. Dr. Hülsen u. Rosa.
330 331 332 333
1904 1904 1904 1904
Milet. Dr. Hülsen u. Katharina. Milet. Dr. Hülsen u. Katharina. Milet. Kawerau u. Bambino. Milet. Kawerau u. Bambino.
334 335 336 337
1904 1904 1904 06.04.1905
Milet. Knackfuß und Zakalos. Milet. Zakalos. Milet. Zakalos. H. Kawerau und das umgewehte Wetterhäuschen.
338
06.04.1905
H. Kawerau und das umgewehte Wetterhäuschen.
Exkursion Magnesia – Hierapolis – Laodikeia 339 18.05.1905 Gesimsblock im Theater zu Magnesia am Mäander. 340 18.05.1905 Bogen im Theater zu Magnesia. 341 342 343 344
18.05.1905 18.05.1905 18.05.1905 18.05.1905
Ruine des Gymnasium zu Magnesia. Pilasterkapitell bei der Agora zu Magnesia. Nikefragment von der Agora zu Magnesia. Desgleichen.
345 346 347 348
18.05.1905 18.05.1905 18.05.1905 18.05.1905
Desgleichen. Weg zum Grab von Morali. Kapitell des Tempels zu Magnesia a/M. Unteres Säulenende vom Tempel zu Magnesia a/M.
349
21.05.1905
350 351 352 353
21.05.1905 21.05.1905 21.05.1905 21.05.1905
Brücke über den Lykos auf dem Wege nach Hierapolis. Pfeiler in der großen Therme zu Hierapolis. Große byz. Kirche zu Hierapolis. Aus derselben Kirche. Amazonenfries aus dem »reichen Kirchengelände« zu Hierapolis.
354 355
21.05.1905 21.05.1905
Architekturteile aus demselben Gebäude. Grabhäuschen aus Hierapolis.
Hier Abb. Taf. 34b
Taf. 30b Taf.8a Taf. 8b
Taf. 9a
Taf. 31a
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 356 357 358
Datum 21.05.1905 21.05.1905 21.05.1905
Beschreibung Grabhäuschen aus Hierapolis. Grabhäuschen aus Hierapolis. Grabgewölbe aus Hierapolis.
359 360 361 362
21.05.1905 21.05.1905 22.05.1905 22.05.1905
Theater zu Hierapolis. Grabhäuschen aus Hierapolis. Antike Brücke bei Laodicea. Stadtthor von Laodicea.
363 364 365 366
22.05.1905 22.05.1905 22.05.1905 24.05.1905
Theater zu Laodicea. Sarkophag aus Laodicea auf dem Bahnhof Gondjeli. Verschobne Platte. Atlas im Hof der Griech. Schule zu Nazly.
367 368
24.05.1905 24.05.1905
Atlas im Hof der Griech. Schule zu Nazly. Herr Chalidis nebst Familie, Herr Schulz u. H. Meimaroglu am Bahnhof zu Nazly.
369
24.05.1905
Herr Chalidis nebst Familie, Herr Schulz u. H. Meimaroglu am Bahnhof zu Nazly.
370
24.05.1905
Werkstücke vom Tempel zu Magnesia auf dem Bahnhofe v. Baladjik.
371 372
28.05.1905 28.05.1905
Ankunft eines russischen Dampfers im Piräus. Ankunft eines russischen Dampfers im Piräus.
Italien 373 374
27.08.1905 27.08.1905
Ecke des Pal. D. Ragione zu Padua. Hängebogen der Marktvorhalle des Pal. D. Ragione zu Padua.
375
27.08.1905
Sarkophag im Kreuzgang von S. Antonio zu Padua.
376 377 378
27.08.1905 27.08.1905 27.08.1905
Greif von S. Giustina zu Padua. Greif von S. Giustina zu Padua. Greif von S. Giustina zu Padua.
Auf Reisen
Exkursion Latmosgebirge 379 09.09.1905 380 09.09.1905 381 09.09.1905 382 09.09.1905
Byz. Wandmalerei in einer Felsgrotte des Latmos. Byz. Wandmalerei in derselben Grotte. Ansicht der Grotte. Byz. Sonnenuhr in einer türkisch umgebauten Kapellenruine vermauert.
383 384
09.09.1905 09.09.1905
Byz. Wandquader ebenda verbaut. Wand eines hell. Grabgebäudes auf dem Wege nach Heraklea.
385
09.09.1905
Bärensicherer Bienenstock.
329 Hier Abb.
330
ANHÄNGE
Nr. 386 387 388
Datum 10.09.1905 10.09.1905 10.09.1905
Beschreibung Großes befestigtes Latmoskloster. Untere Kirche. Ebenda. Obere Kirche. Ebenda. Oberster Zufluchtsort.
389 390 391 392
10.09.1905 10.09.1905 10.09.1905 10.09.1905
Derselbe. Ebenda. Obere Kasematten. Ebenda. Obere Kasematten. Latmos. Blick in die Felswildnis.
393
11.09.1905
Felsauswitterungen an der großen Grotte mit den Kreuzen.
394 395
11.09.1905 11.09.1905
Die große Grotte mit den Kreuzen, hinterer Teil. Die große Grotte mit den Kreuzen.
396
11.09.1905
Chor der größeren Kirche auf der westlichen (Dorf)Insel des Sees.
Hier Abb.
Deutschland 397 398 399
16.06.1906 16.06.1906 16.06.1906
Turmhelm der Kirche zu Alten[…]. […]überführung an der Turmruine zu Burg[…]. Eckblock mit Hebelöchern ebenda.
Italien 400 401 402 403
30.08.1906 30.08.1906 30.08.1906 30.08.1906
Benevent. Portal v. S. Sofia. Benevent. Portal v. S. Sofia. Benevent. Säulchen im Kreuzgang v. S. Sofia. Benevent. Säulchen im Kreuzgang v. S. Sofia.
404 405 406 407
30.08.1906 30.08.1906 30.08.1906 30.08.1906
408
31.08.1906
Benevent. Säulchen im Kreuzgang v. S. Sofia. Benevent. Säulchen im Kreuzgang v. S. Sofia. Benevent. Säulchen im Kreuzgang v. S. Sofia. Benevent. Alte Bauinschrift am Campanile von S. Sofia. Benevent. Tranjansbogen.
409 410
31.08.1906 31.08.1906
Benevent. Tranjansbogen. Benevent. Antikes Stadttor nach Ponte Leproso zu.
Milet / Didyma 1906/07 411 Sep 06
Dr. v. Salis mit Chamäleon.
412
27.09.1906
Jonisches Kapitell bei einem Brunnen zwischen Sakisburnu und dem […].
413 414
27.09.1906 28.09.1906
Dasselbe. Grabung auf der Nordseite des Tempels in Didyma.
415 416
28.09.1906 28.09.1906
Desgleichen. Stumpf der Windmühle auf den Trümmern des Tempels in Didyma.
Taf. 10a
Taf. 12a
331
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
Nr. 417 418 419
Datum Jan 07 Jan 07 Jan 07
Beschreibung Blick von meinem Fenster in Didyma. Der Ölbaum in unserem Garten. Herr Zippelius mit Leo.
420 421 422 423
Jan 07 Jan 07 Feb 07 Feb 07
Herr Kawerau und Zippelius mit Leo. Unser Haus in Didyma. Herr Kawerau mit Chiona. Desgleichen.
Hier Abb.
Taf. 10b Taf. 28a Taf. 36b
Exkursion Iasos – Bargylia 424 24.05.1907 Abfahrt von Karakya nach Iasos, mit Dr. Wiegand u. d. Herrn v. Diest. 425
24.05.1907
Byz. Kastell in Iasos.
426 427 428 429
24.05.1907 24.05.1907 24.05.1907 24.05.1907
Aufrecht stehende Säule in Iasos. Straßentor der röm. Wasserleitung in Iasos. Röm. Wasserleitung in Iasos. Großer spätrömischer Sarkophag in der Nekropole.
430 431
24.05.1907 25.05.1907
Die Nekropole von Iasos mit dem byz. Castell. Felsgrab des Presbyters Herychios in der Nekropole an der Küste des Berges von Alt Iasos.
432
25.05.1907
Giebelgesimsstück des röm. Propylon an dem »Gymnasium« (?) oberhalb des Theaters von Bargylia.
433
25.05.1907
Viergötteraltar […] Vor dem vorstehenden Propylon und nahe dem kleinen Tempel oberhalb des Theaters von Bargylia.
434 435
25.05.1907 25.05.1907
Derselbe. Großes Kompositkapitell unterhalb des »theaterähnli- Taf. 20b chen Baues« bei der Agora in Bargylia.
436 437
14.07.1907 14.07.1907
Olympia. Säule in der Palästra. Olympia. Kelchkapitell unbekannter Zugehörigkeit (Liegt bei der Nordostecke des Zeustempels).
438 439 440 441
14.07.1907 14.07.1907 14.07.1907 14.07.1907
Olympia. Zeustempel. Kapitell der Westseite. Olympia. Zeustempel. Säulenfalllage auf der Südseite. Olympia. Zeustempel Nordwestante. Basis der Nike des Paionios von Norden.
442 443 444 445
14.07.1907 14.07.1907 14.07.1907 14.07.1907
Heraion. Südwestante. Heraion, südliches Türgewände. Heraion. Nordhalle. Heraion. Zweite Säule der Südreihe von Osten gezählt.
Olympia
332
ANHÄNGE
Nr. 446 447
Datum 14.07.1907 14.07.1907
Beschreibung Kapitell u. Säule vom Megarerschatzhaus. Kapitell vom Leonideion.
Italien 448 449 450 451
27.07.1907 27.07.1907 27.07.1907 27.07.1907
Parma. Baptisterium Nordwestseite. Parma. Baptisterium Nordwestseite. Parma. Baptisterium. Nordwestseite. Tierfries. Parma. Dom Westseite.
452 453 454
27.07.1907 27.07.1907 27.07.1907
Parma. Dom Westseite. Mittelportal. Parma. Dom. Westseite. Südliches Nebenportal. Parma. Dom. Westseite. Nördlicher Löwe des Mittelportales.
456
27.07.1907
Parma. Dom Westseite. Südlicher Löwe des nördlichen Nebenportales.
457 458
27.07.1907 27.07.1907
Parma. Dom. Chorportal. Parma. S. Giovanni Evangelista.
Deutschland 1907 459 Aug 07
Mein Zimmer in Cassel. Nahlstraße 7.
Didyma 1908-1910 460 Jan-Feb 08
Zippelius mit Max und Leon.
461 462 463 464
Jan-Feb 08 Jan-Feb 08 Mrz 08 Mrz 08
Katharina. Katharina. Didyma. Transport des großen Architraves. Desgleichen.
465 466 467 468
Mrz 08 Mrz 08 Mrz 08 Mrz 08
Didyma. Transport des großen Architraves. Desgleichen. Desgleichen. Desgleichen.
469 470 471 472
Mrz 08 Mrz 08 Mrz 08 Sep 10
Desgleichen. Reg. BR. Krischen. Desgleichen. Maria im Tempel zu Didyma.
473 474
Sep 10 Sep 10
Hermann und Angelina im Tempel zu Didyma. Hermann und Angelina im Tempel zu Didyma.
Ausflug nach Kap Monodendri 1910 475 04.10.1910 Ausflug nach Monodendri: Maria und Hermann zu Pferde. 476 477 478
04.10.1910 04.10.1910 04.10.1910
Desgl.: Angelina zu Pferde. Desgl.: Angelina zu Pferde. Desgl.: Angelina zu Pferde.
Hier Abb.
Taf. 25a
Taf. 11a
FOTOALBEN AUS DEM NACHLAß HUBERT KNACKFUß
333
Nr. 479
Datum 04.10.1910
Beschreibung Hier Abb. Desgl.: Hermann, Angelina, Maria und Bühlmann zu Pferde.
480
04.10.1910
Desgl.: Hermann, Maria, Angelina zu Pferde.
481
04.10.1910
Desgl.: Hermann, Maria, Angelina, Bühlmann zu Pferde und Bambino.
482 483
04.10.1910 04.10.1910
Desgl.: Dergleichen. Desgl.: Hermann zu Pferde.
484 485 486 487
04.10.1910 04.10.1910 04.10.1910 04.10.1910
Desgl.: Angelina, Maria, Hermann und ich zu Pferde. Desgl.: Dergleichen. Desgl.: Maria und Bambino. Desgl.: Dergleichen.
488
04.10.1910
Desgl.: Hermann am Strand zeichnend. Verdorbne Aufnahme.
489
04.10.1910
Desgl.: Hermann am Strande bei Monodendri, zeichnend.
490 491
04.10.1910 04.10.1910
Desgl.: Maria am Strande bei Monodendri. Desgl.: Angelina und Maria am Strande bei Monodendri.
Abreise der Familie 1910 492 493
06.10.1910 06.10.1910
Hermann, Angelina u. s. w. vor dem Hause in Akköi. Hermann, Maria, Bühlmann, Gerkan, Schede vor dem Hause in Akköi.
494 495
06.10.1910 06.10.1910
Hermann u. Maria vor dem Hause in Akköi. Angelina, Maria u. s. w. zu Pferde vor dem Hause in Akköi.
496
06.10.1910
Angelina, Schede, Bühlmann, Maria, Hermann, Gerkan und ich zu Pferde vor dem Hause in Akköi.
497 498
06.10.1910 06.10.1910
Desgleichen. Die Reisegesellschaft auf dem Ritt nach Milet im Garten des Hauses zu Akköi.
499
06.10.1910
Dergleichen auf dem absteigenden Wege vom Hause nach Milet.
500
06.10.1910
Dergleichen auf dem Wege über die Berge zum Kalabaktepe.
501
06.10.1910
502 503
06.10.1910 06.10.1910
Hermann, Bühlmann, Angelina, Maria, Gerkan, Schede auf dem Brunnen vor dem Museum in Milet sitzend. Dergleichen im Theater zu Milet sitzend. Dergleichen auf der Theaterfreitreppe (ohne Schede).
334
ANHÄNGE
Nr. 504
Datum 06.10.1910
Beschreibung Hermann, Angelina, Maria, Bühlmann auf der Mäanderfähre.
505
06.10.1910
Dergleichen.
506 507
06.10.1910 06.10.1910
Dergleichen. Dergleichen.
Hier Abb.
B.2 Katalogauszug des privaten Albums Nr. 88 92
Beschreibung Hier Abb. Kna. u. Wiegand auf dem großen Löwen in der Löwenbucht zu Mi- Taf. 24c let. Kna. in der byz. Kirche zu Milet. Taf. 9b
101 112 117 118
Akköi: »Max« u. »Moritz«. v. Gerkan und Pernice. Prof. Bose im Latmos 1906. Mastro Athanas im überschwemmten Delphinion zu Milet.
125
Ringkampf im Theater zu Milet bei Gelegenheit des Besuches der Taf. 21a Reisegesellschaft des Bremer Lloyddampfers Schleswig im Oktober 1904. Zuschauer in den Thermen zu Milet bei dem Frühstück der vorste- Taf. 21b henden Reisegesellschaft. Zippelius auf der Veranda des Hauses in Akköi. Taf. 31b
127 128
Taf. 37b Taf. 11b Taf. 34a Taf. 24b
C Georg Kaweraus Gedichte SMK//A, 03/0163.08. Im Nachlaß Hubert Knackfuß’ befinden sich ein gedrucktes Gedicht und vier handschriftliche Gedichte von Georg Kawerau, von denen im Folgenden vier wiedergegeben werden, weil sie geeignet sind, sowohl das Verhältnis der Grabungsmitarbeiter untereinander, als auch ihre persönliche Sicht auf die ausgeübte Tätigkeit und deren Bedingungen darzustellen. Diesen Gedichten sind biographische Angaben zu Kawerau vorangestellt. Kaweraus archäologische Arbeiten in Griechenland und dem Osmanischen Reich sind in Qualität und Quantität gut vergleichbar mit denen prominenterer Architekten wie Wilhelm Dörpfeld und Hubert Knackfuß. Obwohl dieser Umstand seinen Zeitgenossen bewusst war, ist er heute nahezu vergessen. Dieser Umstand ist wahrscheinlich dadurch begründet, dass er schon 1909 53-jährig kinderlos starb. Während z. B. die »Archäologenbildnisse«1671 Portraits der beiden Letzteren geben, fehlt ein ebensolches von Kawerau. Auch in der Neuen Deutschen Biographie1672 wird er nur kurz im Rahmen eines Familienartikels genannt. Dort ist als einzige biographische Quelle zu seinem Leben das Vorwort eines Bandes mit Gedichten Kaweraus1673, den Theodor Wiegand 1913 »für seine Freunde« posthum privat herausgegeben hat, angeführt1674. Durch den zufälligen Fund eines Exemplars dieses Bandes im antiquarischen Buchhandel können weitere Lebensdaten zu Kawerau zugänglich gemacht werden, die hier wiedergeben werden sollen: Georg Kawerau wurde am 12. Dezember 1856 in Berlin als Sohn des Realschullehrers und Organisten Peter Martin Kawerau (gest. 1874) und der Emilie, geb. Kahle (gest. 1898), geboren. Er studierte zwischen 1875 und 1880 an der Königlichen Bauakademie und war Mitglied des Akademischen Vereins »Motiv«. In dieser Zeit lernte er Dörpfeld kennen. Als Regierungsbauführer arbeitete er ab 1880 zunächst im Ministerium für öffentliche Arbeiten. In Stargard war er Bauführer beim Neubau einer Infanteriekaserne. Er erkrankte während der Vorbereitung auf das Baumeisterexamen an einem »Brustleiden«, das einen Klimawechsel notwendig machte. Dörpfeld schlug ihn daher 1885 als Gehilfe für Heinrich Schliemanns Grabung in Tiryns vor. Als Vertreter Dörpfelds wirkte er danach als technischer Mitarbeiter der Arbeiten der griechischen Archäologischen Gesell-
1671
R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (Mainz 1988). NDB 11 (1977) 377-378 s. v. Kawerau (A. Ehrentreich). Th. Wiegand (Hrsg.), Georg Kawerau. Gedichte (Berlin 1913) [Einleitendes Vorwort Wiegands: 1–12.]. 1674 Weitere Nachrufe: A. Köster, Georg Kawerau, Biographisches Jahrbuch für die Altertumswissenschaft 32, 1909, 68-69; Amtliche Berichte aus den Königlich Preußischen Kunstsammlungen 30, 1908/09, 205-206; J. Kohte, Georg Kawerau, Zentralblatt der Bauverwaltung 29, 1909, 231232. 1672 1673
336
ANHÄNGE
schaft auf der Athener Akropolis1675. Daneben fertigte er Aufnahmen und Zeichnungen im Auftrag der Gesellschaft in Athen, Epidauros, Patras, Rhamnous, Lykosura, Phigalia, Chaironeia, Marathon und anderen Orten an. Aufgrund einer privaten Angelegenheit brach er 1891 seinen Aufenthalt in Athen ab und sein Studienfreund Karl Jenke, zu dieser Zeit Direktor des Wasserwerks von SkutariKadıköy, engagierte ihn zum Neubau der Anlagen, insbesondere der Talsperre bei Kandilli. Es folgte eine Anstellung in Stettin bei der Provinzialverwaltung Pommerns. 1894 und 1895 war er maßgeblich am Bau der Bahnlinie EskişehirKonya beteiligt, wo er die »Ausführung sämtlicher Hochbauten jener Strecke«1676 leitete1677. In Stettin gründete er mit einem befreundeten Regierungsbaumeister namens Wechselmann ein Architekturbüro, dem er bis 1903 angehörte. In dieser Zeit führten die beiden Architekten große »Fabrikanlagen für die Vulkanwerft in Stettin, das Kreishaus zu Swinemünde, die Villa Delbrück zu Heringsdorf und zahlreiche andere Villenbauten« aus. Ab 1903 beteiligte er sich als Direktorialassistent der Station Konstantinopel der Königlichen Museen zu Berlin an den Ausgrabungen in Milet und Alexander Conze zog ihn nach dem Ableben Richard Bohns zur Arbeit auf der Hochburg in Pergamon heran. In diese Zeit fällt die Wiederaufrichtung der Säulen des Heratempels in Olympia. Nach längerwährender Krankheit verstarb er am 13. April 1909 in Stettin. An Ehrungen werden genannt: Die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die philosophische Fakultät der Universität Giessen und die Aufstellung von Reliefbildnissen im Studiensaal der Bibliothek des Deutschen Archäologischen Institutes in Athen und im Vereinshaus des Vereines »Motiv.« Aus dem einführenden Text Wiegands geht weiterhin hervor, dass jener den Nachlass ordnete und bei dieser Gelegenheit aus den nachgelassenen Gedichten eine Auswahl zur Veröffentlichung auswählte. Der Band enthält 45 Gedichte, die entsprechend der Charakterisierung des Lebensweges Kaweraus durch den Herausgeber angeordnet worden sind. So finden sich melancholische Liebesgedichte eher am Anfang und solche, die der Sehnsucht nach dem Mittelmeer Ausdruck verleihen, in der Mitte. Der Band wird beschlossen mit sechs »Scherzgedichten aus dem Orient.« Eines davon entspricht dem hier wiedergegebenen Gedicht »Ionischer Frühling«, dass dort »Milet-Winter« betitelt ist. Der Band ist ausgestattet mit drei Abbildungen Kaweraus, von denen eine sich auch in den Fotoalben Knackfuss’ findet1678. Das vorliegende Exemplar der »Gedichte« trägt auf dem Vorsatzblatt die Besitzerangabe »Martha Jenke.« Wiegand wies in seinem Vorwort darauf hin, dass Kawerau eng mit der Familie des Freundes Jenke, besonders aber den heranwach1675
J. A. Bundgaard, The Excavation of the Athenian Acropolis 1882–1990 (Kopenhagen 1974). Th. Wiegand (Hrsg.), Georg Kawerau. Gedichte (Berlin 1913) 4. 1677 Vgl. a. M. Yavuz, Eine vergleichende Studie über den Bahnbau und die Bahnhofsarchitektur der Anatolischen Bahnen und der Bagdadbahn mit ihren Vorbildern im Deutschen Reich (Dissertation Ruhr-Universität Bochum, Bochum 2006) bes. 36, 223. (6.4.2014). 1678 Anhang B.1, Nr. 206. 1676
GEORG KAWERAUS GEDICHTE
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senden Kindern, in Skutari verbunden war. Ein Brief Dörpfelds vom 1. Dezember 1924 an einen Herrn »Konsul«, der sich in einem weiteren Buch fand, das zusammen mit dem Gedichtband erworben werden konnte und offenbar aus derselben Bibliothek stammte, erhellt die persönlichen Beziehungen weiter: Denmach war auch Dörpfeld mit Jenke befreundet und hatte dessen Tochter Martha als junges Mädchen kennengelernt, die zur Zeit der Abfassung des Briefes mit einem Konsul namens Fabricius in Konstantinopel verheiratet war.
GEORG KAWERAUS GEDICHTE
C.1 Ach wie wird das liebe Vieh Ach, wie wird das liebe Vieh, Doch geplagt von spät bis früh Denn da muß es rennen, laufen, Nichts zu fressen, nichts zu saufen Wird gehaut und wird geschunden Wird gefahren, wird geritten, Und der Schweif wird abgeschnitten Manches wird auch totgeschossen – Kurz man spielt ihm manche Possen. Selten, hier wie anderwärts, findet sich ein liebend Herz. Doch es endet alle Plage An dem Sankt-Hubertus-Tage Da sind alle quietschfidel Von der Katz bis zum Kamel. Keine Jagd und keine Schindung Keine schmerzliche Empfindung Feiertag und Schontag ist Wo man alles Leid vergisst. Und so kommen sie in Haufen Heute dankbar angelaufen.
Dies war Archäologie – Jetzt kommt das lebendige Vieh. Vorne im Paradeschritt Das Kamel mit falschem Tritt. Schakal dann, das schnelle Roß Busenfreund und Spielgenoß. Auch das Küchen-Eselthier Naht voll Demut und Pläsir. Aus der Schule, wo er saß, Kommt herbei der Alias. Max und Moritz warten sehr: Kommt denn Hubert heut nicht mehr? Und als Gratulant zuletzt Kommt der Laubfrosch angesetzt.
Und das furchtbar wilde Schwein Trappelt ruppig hinterdrein.
Alle diese Thiere wollen Ihrem Freund Verehrung zollen. Und von Rührung übermannt Lecken sie ihm fromm die Hand Auch ein Denkmal wird gesetzt Weil dies schön und üblich jetzt. Seht da steht er ernst und denkt, Wie man wol die Fliegen fängt. Weil man so sie gut vergiftet Sind zwei Fallen hingestiftet. Eine Falle seht ihr links Und auch rechts steht so ein Dings. Und die dann noch übrig bleiben Soll der Wetterfrosch entleiben. Weil dies Thier ihm sehr verhaßt Und ihn nicht in Frieden laßt.
Dann erscheinen mit Gemecker Augenscheinlich Ziegenböcker.
Huldigend naht zuletzt der Bau: Wiegand, Rehm und Kawerau.
Ausgepumpt aus seiner Bucht Kommt der Löwe, ei, verflucht! Dieser kommt nicht schnell vom Fleck Denn ihm sind die Beine weg. Fröhlich wackelnd mit dem Schwanz Kommt herbei die Straußen-Gans.
Jener kurz und sehr behende Dieser ein sehr langes Ende. Von dem Schwanze bis zum Schnäuzchen Ist noch Platz für Schlang’ und Käuzchen.
GEORG KAWERAUS GEDICHTE
C.2 In der stillen Knackfuß Ecke In der stillen Knackfuß-Ecke Wie behaglich ist’s und nett: Alles voll Theaterblöcke Und der Grundriß auf dem Bett! Vasenscherben, Bronzen, Kuchen Rings von Schrank und Bücherei Und verstorbene Seldschuken Grinsen durch die Wüstenei. Hier ein […], hier Gewänder Hier ein Durchschnitt, hier ein Schlips, Eierstäbe, Flechtebänder, Leim und Stiefel, Kamm und Gips. Seifennapf und Morgenschuhe – Jedes Ding von Zweck und Art Wird zur Schachtel, wird zur Truhe, wo man etwas drin verwahrt. Und in dieser Schreckenskammer Haust ein ruheloser Geist Dem der Bühne ganzer Jammer An der großen Seele reißt. Blätter rollt er höchst gewaltsam, Daß es seinem Werke frommt Und er ist ja unaufhaltsam, Wenn er mal ins Rollen kommt. Säulen, Sims und Sockelstufen – Himmelslust und Höllenpein! Doch einst wird er freudig rufen: So kann es gewesen sein! Milet 1. Mai 1904 G. K.
C.3 Ionischer Frühling Vom Tmolos bringt der Boreas Den Schneehauch hergepustet, Die Tinte friert im Tintenfaß Und alles schneuzt und hustet. Der Ofen brennt, es dampft der Punsch, Es sterben Mück’ und Fliegen –
339
Jetzt wäre es mein höchster Wunsch, Den Sonnenstich zu kriegen. Statt dessen friert mir das Gebein, Es klappert meine Seele, Ich krieche tief in mich hinein In meines Busens Höhle. Die Berge mag ich nicht mehr sehn, Nicht mehr die sanften Hügel, Wo sich im Nordwind rasend drehn Verrückte Windmühlflügel. Euch treibt der Blasebalg herum Bei Pfeif- und Heulgesängen, Das Menschen-Individuum Läßt trüb die Flügel hängen. Der schnöde Müller freut sich baß, Nein, seht mir diesen Schuft an! Ich stöhne nur: O Boreas, Du Windhund! halt die Luft an.
C.4 Schoenes Tier Ist das nicht ein schoenes Tier? Ja das ist ein schönes Tier. Kommt Euchs nicht archaisch für? Ja Euch kommts archaisch für. Als ich gestern kam nach Haus, Kam es gerade noch heraus, Lächelte voll arger List: Weißt Du auch was sonst noch ist? Alles stecket voll von Bronzen, Die von den Branchiden-Bonzen. Suche nur, so wirst Du finden, Musst Dich freilich etwas schinden. Nimm mich heut als Abschlag schon Auf die grosse Hauptportion. Darauf musst Du zwar noch warten, Bis zu einem Zaubergarten Knackfuss hat Milet verwandelt. Hat er hier erst angebandelt, Hat er Stein auf Stein geführt, Wie’s dem Architekt gebührt, Wird Apollo so gerührt, Dass er alles dediciert!
D Vorläufiges Schriftenverzeichnis Theodor Wiegand Ausser einer Publikationsliste Theodor Wiegands in dem Ausstellungskatalog von 19841679 ist dem Verfasser kein anderes Schriftenverzeichnis Wiegands bekannt geworden. Das Verzeichnis Silke Wenks weist jedoch größere Lücken auf. Eine Auswertung der »Archäologischen Bibliographie« des Archäologischen Anzeigers für die Jahre 1896 – 1936, der L’Année Philologique und weitere, eher zufällig aufgefundene Belege, erlauben es das Schriftenverzeichnis Wiegands wesentlich zu erweitern. Da die Recherche anlassbezogen erfolgte, erhebt auch diese Zusammenstellung, insbesondere für die lange Zeit zwischen Wiegands Übersiedlung nach Berlin 1912 und seinem Tod 1936, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Erscheinungsjahr 1894 1896 1898
1899 1900 1901
1902
1904
1679
Titel Die Puteolanische Bauinschrift sachlich erläutert, Jahrbücher für classische Philologie, Supplementbd. 20, 6, 1894, 659–788. Der angebliche Urtempel auf der Ocha, AM 21, 1896, 11–17. zus. m. H. Bulle, Zur Topographie der delphischen Weihgeschenke, BCH 1898, 328–334. Das Theater zu Priene, AM 23, 1898, 307–313. Ein neues Alexanderportrait, JdI 14, 1899, 1–4. Dystos, AM 24, 1899, 458–467. Antike Skulpturen in Samos, AM 25, 1900, 145–214. Ausgrabungen zu Milet, AA 1901, 191–199. Zweiter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen in Milet, SBBerlin, 1901, 903–913. Inschrift aus Kyzikos, AM 26, 1901, 121–125. Die »Pyramide« von Kenchreai, AM 26, 1901, 242–246. Zur Lage des Hannibalgrabes, AM 27, 1902, 321–326. Zweiter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1902,147–155. Dritter vorläufiger Bericht über die von den königlichen Museen begonnenen Ausgrabungen zu Milet, SBBerlin 1904, 72–91. Dritter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1904, 2–10. zus. mit H. Schrader: Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895-1898 (Berlin 1904). (Hrsg.), Die archaische Poros-Architektur der Akropolis zu Athen (Kassel 1904).
Stadtverwaltung Bendorf/Rhein (Hrsg.), Auf den Spuren der Antike. Theodor Wiegand, ein deutscher Archäologe. Ausstellungskatalog Bendorf/Rhein (Bendorf/Rhein 1985) 56-57.
SCHRIFTENVERZEICHNIS THEODOR WIEGAND
Erscheinungsjahr
1905
1906
1907 1908
1910
341
Titel zus. mit U. Wilamowitz-Moellendorff: Ein Gesetz von Samos über die Beschaffung von Brotkorn aus öffentlichen Mitteln, SBBerlin 1904, 917–931. Reisen in Mysien, AM 24, 1904, 254–339. Le temple étrusque d’après Vitruve (München 1904), Sonderabdruck aus: P. Arndt (Hrsg.), Glyptothèque Ny-Carlsberg. Les monuments antiques. Texte (München 1912) o. S. (s. u. Nr. 43). Inschriften aus Kleinasien, AM 25, 1905, 323–330. Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, SBBerlin 1905, 533–548. Über Ausgrabungsmethode und Erhaltung der ausgegrabenen Denkmäler, in: Comptes rendus du Congrès International re d’Archéologie. 1 session, Athènes 1905 (Athen 1905) 244f. Vierter vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen der Königlichen Museen zu Milet, AA 1906, 2–42. Fünfter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet unternommenen Ausgrabungen, SBBerlin 1906, 249– 265. Neueste Entdeckungen in den Ausgrabungen von Milet, AA 1906, 45f. Beginn der Herausgabe von: Milet. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899. Archaische Statue auf Samos, AM 31, 1906, 87f. Hannibals Grab, Bosporus. Mitteilungen des Deutschen Ausflugsvereins »G. Albert« N. F. 1907/3, 60–84. Sechster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen un Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1908, Anh. Die Entstehungszeit des Rathauses, in: Milet 1, 2, Das Rathaus (Berlin 1908), 95–100. Der Reliefschmuck des Ehrengrabes, in Milet 1, 2, Das Rathaus (Berlin 1908), 87–90. Der Hippodrom von Konstantinopel zur Zeit Suleimans des Großen, JdI 23, 1908, 1–11. Vase im Britischen Museum, 1893-1894, AD 2, 1908, 7. Inschriften aus der Levante, AM 33, 1908, 145–160. Priene. Ein Begleitwort zur Rekonstruktion von A. Zippelius, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und Deutsche Literatur 25, 1910, 545–570.
342 Erscheinungsjahr 1911
1912
1913
1914 1916
1919
1920
1921
1924
ANHÄNGE
Titel Siebenter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1911, Anh. Inschriften aus der Levante II, AM 36, 1911, 287–301. Μήτηρ Στευηνή, AM 36, 1911, 302–307. Erster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos, AbhBerlin 1911, Anh. zus. mit M. Schede: Ausgrabungen in Milet und Didyma, AA 1911, 419–443. Terres cuites architecturales d’Italie, in: P. Arndt (Hrsg.), Glyptothèque Ny-Carlsberg. Les monuments antiques. Texte (München 1912) o. S. (Hrsg.) Georg Kawerau, Gedichte (Berlin 1913). Bronzefigur einer Spinnerin im Antiquarium der Königlichen Museen, BWPr 73, 1913. Untergang und Wiedererstehen der antiken Denkmäler (München 1913), Sonderdruck aus Handbuch der Klassischen Altertumswissenschaft 6. (Hrsg.) Der Latmos, Milet 3, 1 (Berlin 1913). Die Ausstattung des Heiligtums, in: Milet 1, 3, Das Delphinion (Berlin 1914). Torso eines Fischers aus Aphrodisias, Jahrbuch der KöniglichPreussischen Kunstsammlungen, 37, 1916, 1–13. Archaische thronende Göttin, Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen 8, 1916, 154–161. Denkmalschutz in Syrien, Klio 15, 1918, 422–425. Denkmalschutz und kunstwissenschaftliche Arbeit während des Weltkrieges in Syrien, in: P. Clemen (Hrsg.), Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung 2 (Leipzig 1919) 174–190. Zur Entwicklung der antiken Brunnenarchitektur, in: Milet 1, 5, Das Nymphaeum (Berlin 1920) 73–88. Sinai, Wissenschaftliche Veröffentlichungen des DeutschTürkischen Denkmalschutz-Kommandos 1 (Berlin 1920) Die Ausgrabungen von Kyrene, Die Woche 13, 21.3.1921, 286– 288. Beginn der Herausgabe von: Baalbek. Ergebnisse der Ausgrabungen in den Jahren 1898–1905. Achter vorläufiger Bericht über die von den Königlichen Museen
SCHRIFTENVERZEICHNIS THEODOR WIEGAND
Erscheinungsjahr
1925 1926
1927
1928
1929
1930
343
Titel in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen, AbhBerlin 1924, Nr. 1. Vortrag anläßlich der Einweihung des Sportforums zu Berlin im Berliner Rathaus am 17.10.1925. Sonderdruck 3–12. Zur Geschichte der Ausgrabungen in Olympia, SBBerlin 1926, 14–22. Eine altattische Marmorstatuette in Berlin, FuF 3, 1.2.1926. Das geplante Pergamonmuseum, FuF 8, 15.4.1926. Die deutschen Ausgrabungen in Didyma, FuF 11, 1.6.1926. Die neuen deutschen Ausgrabungen in Pergamon, FuF 23, 10.8.1927. Die neuen deutschen Ausgrabungen in Pergamon, Gnomon 3, 9, 1927, 555. zus. mit K. A. Neugebauer: Die Skulpturen, in: Milet 1, 9, Thermen und Palaestren (Berlin 1928) 97–125. Gymnasien, Thermen und Palaestren in Milet, SBBerlin 1928, 250–254. Bericht über die Ausgrabungen in Pergamon 1927, AbhBerlin 1928. Untergang und Wiedererstehen antiker Kunstdenkmäler, Forschungen und Funde 4, 1928, 94. Untergang und Wiedererstehen antiker Kunstdenkmäler, WB 1928, 98–102. Ausgrabungen und topographische Altertumsforschung, Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 5, 1928, 14–32. Die altattische stehende Göttin in Berlin, AD IV.2 (Berlin 1929). Die milesische Landschaft, in Milet 2, 2, Die milesische Landschaft (Berlin 1929) 1–18. Das Asklepieion von Pergamon nach den neuesten Ausgrabungen, Forschungen und Funde 1929, 693. Ansprache zur Eröffnung des Pergamonmuseums, in: Archäologisches Institut des Deutschen Reiches (Hrsg.), Bericht über die Hundertjahrfeier 21.–25.4.1929 (Berlin 1930). 114–118. Die Paläste der Könige, Forschungen und Fortschritte 24, 1930, 305–306. Das Pergamonmuseum, Berliner Museen, Berichte aus den Preussischen Kunstsammlungen, Beiblatt zum Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen 51/5, 1930, 94–100. Das Pergamonmuseum, Deutsches Philologenblatt 41, 8.10.1930. Die innere Ausstattung der Wohnbauten. Typus und Datierung, in: AvP 5, 1, Die Paläste der Hochburg (Berlin – Leipzig 1930).
344 Erscheinungsjahr
1931
1932
1933
1934
1939
1941 1958
ANHÄNGE
Titel zus. mit C. Schuchhardt: (Hrsg.), Der Entdecker von Pergamon. Carl Humann (Berlin 1930). Die Königsburg von Pergamon nach den Ergebnissen der Ausgrabungen, HG 1930, 236. Die Wohnbauten der Hochburg von Pergamon, Forschungen und Funde 1930, 309. Die Stadt Pergamon. Zu den neuen deutschen Ausgrabungen, Antiquitäten Rundschau 28, 1930, 321–324. A Pergamon Múzeum, AErt 44, 1930, 1–14. Die Entwicklung der Sammlung antiker Bildwerke in den Staatlichen Museen zu Berlin, Forschungen und Funde 1931, 181. Die neuesten Entdeckungen von Pergamon, Forschungen und Funde 1931, 1 Ivan Turgenev und die Skulpturen des Altars von Pergamon, Zeitschrift für slavische Philologie 9, 1932, 70–77. Die Lehrstätte des Galenus in Pergamon, Deutsche Medizinische Wochenzeitschrift 58, 1932, 861–862. Berichtigung, AM 57, 1932, 163. Zweiter Bericht über die Ausgrabungen in Pergamon 1928–1932. Das Asklepieion, AbhBerlin 1932. Beginn der Herausgabe von: Palmyra. Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Berlin 1932). Palmyra. Vortrag, gehalten am 19.3.1932 im Harnack-Haus, Berlin-Dahlem, Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 18, 1932, 115–128. Palmyra, die größte Ruinenstätte Syriens, Trierer Zeitschrift 8, 1933, 160–165. Das Archäologische Institut des Deutschen Reiches und die deutsche Bodenforschung, Deutsche Zukunft, 2, 1933, 8. Begleitwort zu Carl Schuchhardt, Die Entstehungsgeschichte der Römisch-Germanischen Kommission des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches (Berlin 1934). zus. mit E. Mamboury, Die Kaiserpaläste von Konstantinopel zwischen Hippodrom und Marmara-Meer (Berlin 1934). Kurt Regling, Deutsche Zukunft, 3, 1935, 9–11. (Hrsg.), Die antiken Münzen Nordgriechenlands 3 (Berlin 1935). Die Denkmäler als Hilfmittel der Altertumsforschung. Vorläufiger Sonderdruck aus dem Handbuch der Archäologie, hrsg. Von Walter Otto (München 1939) 72–134. zus. mit H. Knackfuß: Didyma. Baubeschreibung (Berlin 1941) zus. mit A. Rehm, Didyma. Die Inschriften (Berlin 1958).
E Verschiedene Tabellen E.1 Liste der ›großen Ausgrabungen‹ (big digs) Das Grundgerüst der Tabelle E.1 bilden die von Stephen L. Dyson in seiner Geschichte der Klassischen Archäologie erwähnten1680 »big digs« in Griechenland und Kleinasien aus der ›Zeit der großen Ausgrabungen‹, wobei dieses Grundgerüst hier um die umfangreichsten und prominentesten Grabungsunternehmungen Griechenlands und des Osmanischen Reiches erweitert worden ist. Zusätzlich sind die Einträge nach dem jeweiligen Ausgrabungsziel klassifiziert. Von 1873
Bis 1875
Ort Samothrake
1873 1875
1894 1881
Delos I Olympia
1878 1881 1882 1883
1886 1903 1890 1883
1885 1887 1892 1891
1891
1892 1895
1895 1914
Pergamon I Epidauros Eleusis Nemrud Dağ Akropolis, Athen Sidon (Saida) Delphi Lagina Heraion von Argos Ephesos
1895 1895 1899 1900 1902 1904 1907
1898 1914 1914 1914 1903 1905 1911
Priene Korinth Milet Pergamon II Tralles Alabanda Sparta
1680
1892
Ziel Heiligtum Heiligtum / Siedlung Heiligtum Heiligtum / Stadt Heiligtum Heiligtum Nekropole
Land Österreich
Erster Leiter A. Conze
Frankreich Deutsches Reich
A. Lebeque E. Curtius
Preussen Griechenland Griechenland Osmanisches Reich
A. Conze P. Kavvadias D. Phillos O. Hamdi Bey
Heiligtum Nekropole Heiligtum Heiligtum
Griechenland Osmanisches Reich Frankreich Osmanisches Reich
P. Kavvadias O. Hamdi Bey Th. Homolle O. Hamdi Bey
Heiligtum Stadt
USA Österreich
Stadt Stadt Stadt Stadt Stadt Stadt Stadt
Preussen USA Preussen Deutsches Reich Osmanisches Reich Osmanisches Reich England
Ch. Waldstein O. Benndorf C. Humann Th. Wiegand R. Richardson Th. Wiegand A. Conze Edhem Bey Edhem Bey A. J. B. Wace
S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nineteenth and Twentieth Centuries (New Haven 2006) 111-132.
346
ANHÄNGE
E.2 Kampagnen in Milet und Didyma Von 08.06.1891
Bis 13.06.1891
15.10.1894 15.12.1895 10.05.1896 12.02.1898 26.09.1899 03.10.1899
30.12.1899
Milet Humann erkundet Milet und Didyma. Kekulé und Humann in Milet und Priene. Besuch Wiegand. Besuch Schrader und Heyne. Beginn der Entwässerungsarbeiten in Milet. 1. Kampagne. Offizielle Eröffnung im Beisein des Botschafters. 2. Kampagne. 3. Kampagne. 4. Kampagne. 5. Kampagne. 6. Kampagne. »Winterprogramm« 7. Kampagne 8. Kampagne. »Winterprogramm« 9. Kampagne
Frühjahr 1900 1.9.1900 3.10.1901 6.10.1902 16.9.1903 15.12.1903 15.3.1904 5.9.1904 17.12.1904 20.3.1905 22.5.1905
19.12.1900 13.12.1901 2.5.1903 15.12.1903 15.3.1904 29.4.1904 17.12.1904 20.3.1905 13.5.1905
17.8.1905 4.9.1905 9.4.1906 29.4.1906 10.9.1906 14.9.1906 22.4.1907 2.9.1907 16.9.1907 8.4.1908 14.9.1908 21.12.1908
4.9.1905 16.12.1905 5.6.1906 31.5.1906 7.12.1906 22.6.1907 1.6.1907 30.11.1907 7.6.1908 26.5.1908 31.12.1908 7.06.1909
Vorarbeiten Kawerau 10. Kampagne. 11. Kampagne.
19.9.1909
5.2.1910
17. Kampagne.
Didyma
Offizielle Eröffnung im Beisein des Botschafters.
1. Kampagne 12. Kampagne. 2. Kampagne. 13. Kampagne. 14. Kampagne. 3. Kampagne. 15. Kampagne. 16. Kampagne. Knackfuß in Didyma
347
VERSCHIEDENE TABELLEN
Von 17.10.1909 19.9.1910 19.9.1910 25.6.1911 12.9.1911 10.10.1911 2.9.1912 9.9.1912 22.9.1913 22.9.1913 1924 15.3.1930
Bis 18.6.1910 30.12.1910 24.6.1911 1109.1911 2.12.1911 30.11.1911 31.5.1913 4.1.1913 10.1.1914 16.12.1913 1924 15.5.1930
21.9.1938
22.11.1938
Milet
Didyma 5. Kampagne.
18. Kampagne. 6. Kampagne. (7. Kampagne.) 8. Kampagne. 19. Kampagne. 9. Kampagne. 20. Kampagne. 21. Kampagne. 11. Kampagne. 12. Kampagne Krauss, Bühlmann, Ziegenaus, Schede 10 Wochen in Milet. Grabungskampagne Weickert Einsetzen der Nachkriegsgrabung unter der Leitung Weickerts.
8.5.1955
E.3 Tagebuchautoren Autor GrTb I Th. Wiegand F. Grosse[?] Th. Wiegand F. Grosse[?] Th. Wiegand F. Grosse[?] Th. Wiegand Th. Wiegand C. Watzinger Th. Wiegand C. Watzinger GrTb II H. Knackfuß Th. Wiegand H. Knackfuß Th. Wiegand H. Knackfuß
Von
Bis
26.09.1899 27.11.1899 02.12.1899 11.12.1899 01.09.1900 03.10.1900 18.11.1900 03.10.1901 05.10.1901 03.11.1901 04.11.1901
25.11.1899 01.12.1899 09.12.1899 30.12.1899 02.10.1900 17.11.1900 19.12.1900 04.10.1901 02.11.1901 03.11.1901 13.12.1901
06.10.1902 16.01.1903 16.03.1903 23.03.1903 30.03.1903
15.01.1903 14.03.1903 21.03.1903 28.03.1903 02.05.1903
Bemerkung
Wiegand in Smyrna
Ta Marmara
Tage 61 5 8 20 32 46 32 2 29 1 40 102 58 6 6 34
348 Autor GrTb III Th. Wiegand Autor B Th. Wiegand G. Kawerau Th. Wiegand G. Kawerau GrTb IV Th. Wiegand G. Kawerau
GrTb V H. Knackfuß G. Kawerau GrTb VI G. Kawerau Th. Wiegand Autor C A. von Salis Th. Wiegand A. von Salis H. Knackfuß A. Frickenhaus A. Frickenhaus W. Müller Th. Wiegand Th. Wiegand E. Pernice Th. Wiegand E. Pernice Th. Wiegand E. Pernice Th. Wiegand E. Pernice H. Knackfuß A. von Gerkan Th. Wiegand A. von Gerkan A. von Gerkan
ANHÄNGE
Von
Bis
Bemerkung
Tage
16.09.1903 04.10.1903 19.10.1903 29.11.1903 07.12.1903 15.12.1903
04.10.1903 17.10.1903 28.11.1903 05.12.1903 12.12.1903 29.04.1904
05.09.1904 19.09.1904
17.09.1904 31.12.1904
02.01.1905 03.09.1905
13.05.1905 16.12.1905
132 105
07.04.1906 30.04.1906 01.05.1906 03.05.1906 07.05.1906 11.05.1906 10.09.1906 20.05.1907 02.09.1907 09.09.1907 08.04.1908 14.09.1908 14.09.1908 30.09.1908 01.10.1908 05.10.1908 05.10.1908 19.12.1908 19.09.1909 08.12.1909 19.09.1910 30.12.1910 10.10.1911 09.09.1912
28.04.1906 30.04.1906 02.05.1906 05.05.1906 08.05.1906 05.06.1906 07.12.1906 01.06.1907 07.09.1907 30.11.1907 31.05.1908 14.09.1908 30.09.1908 30.09.1908 03.10.1908 05.10.1908 12.12.1908 31.12.1908 08.12.1909 05.02.1910 23.12.1910 30.12.1910 30.11.1911 04.01.1913
22 1 2 3 2 26 89 13 6 83 54 1 17 1 3 1 69 13 81 60 96 1 52 118
19 14 41 7 6 137
E. Herkenrath, 26.09.1904 27.10.1904 Athenatempel.
Zusammenfassung Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht
Wochenbericht Wochenbericht Wochenbericht
13 104
349
VERSCHIEDENE TABELLEN
Autor A. von Gerkan GrTb Nekropole A. von Salis Th. Wiegand A. von Salis A. von Salis A. Frickenhaus A. Frickenhaus E. Pernice E. Pernice
Von 22.09.1913
Bis 10.01.1914
21.04.1906 07.05.1906 11.05.1906 18.09.1907 22.04.1907 01.09.1907 17.09.1908 22.09.1909
05.05.1906 08.05.1906 19.05.1906 12.12.1907 21.05.1907 12.12.1907 03.12.1908 08.12.1909
Bemerkung Wochenbericht
Tage 111 15 2 9 86 30 103 78 78
TAFELN
Verzeichnis Tafel 1 2 3 4 5 6a 6b 7a 7b 8a 8b 9a 9b 10a 10b 11a 11b 12a 12b 13a 13b 14a 14b 15a 15b 16a 16b 17a 17b 18a
Karte ausgewählter Grabungsorte in Griechenland und Kleinasien. Zeitlicher Ablauf ausgewählter Grabungsprojekte. Milet, Übersichtsskizze. Milesische Halbinsel. Vergleich der Straßenverläufe Milet 1, 8 Beilage 1 und Abb. 30. Huber Knackfuß mit »Schakal« und »Kalzoni«, März 1904. Akköy, vom Grabungshaus gesehen, März 1903. Theodor Wiegand in Verhandlungen mit Bauern in Turko-Jeronda, 21.1.1903. Georg Kawerau, März 1904. Erich Ziebarth, 1904. Emil Herkenrath, 1904. Julius Hülsen und die Haushälterin Katherina, 1904. Hubert Knackfuß, März 1905. Arnold von Salis »mit Chamäleon«, September 1906. Hans Zippelius, Januar 1907. Fritz Krischen, März 1908. Erich Pernice (l.) und Armin von Gerkan, undatiert. Trümmerfeld des Tempels in Didyma vor der Ausgrabung, 28. September 1906. Milet. Kalkkamele beim Museumsbau, 3. September 1904. Skulpturenmuseum, Januar 1903. Museum der Kleinfunde, Dezember 1902. Das erste Magazin, Januar 1903. Abklatschen von Inschriften aus dem Delphinion, Dezember 1903. Arbeiten im Theater, Dezember 1902. Arbeiten im Delphinion, Dezember 1903. Nord-West-Ecke des Südmarktes von Westen, Dezember 1902. Arbeiten am ›Heroon I‹, Dezember 1902. Ansicht einer 1906 durchgeführten Restaurierungsmaßnahme an den Faustinathermen, 2009. Sicherungsmaßnahmen in den Faustinathermen, März 1904. Grabung auf der Ostterrasse des Kalabaktepe.
352 Tafel 18b 18c 19a 19b 20a 20b 21a 21b 22a 22b 23a 23b 24a 24a 24c 25a 25b 26a 26b 27a 27b 28a 28a 29a 29b 30a 30b 31a 31b 31c 32 33a 33b 34a
TAFELN
Archaische Löwenskulptur bei der Ausgrabung. Marie Wiegand, Herrmann Knackfuß und Theodor Wiegand vor der Tour in die Mykale, 30. September 1903. Auf dem Weg von Tralles nach Lagina, 30. September 1902. Rast im Pinienwald auf dem Weg von Lagina nach Labranda, 2. Oktober 1902. Ruine in Lagina, 2. Oktober 1902. Großes Kompositkapitell in Bargylia, 25. Mai 1907. Ringkampf im Theater für die Teilnehmer der ›Schleswig-Fahrt‹, Oktober 1904. Zuschauer beim Frühstück der Teilnehmer der ›Schleswig-Fahrt‹ in den Faustinathermen, Okotber 1904. Fundatransport zwischen Akköy und Kap Plaka, Dezember 1903. Löhnung, Februar 1903. Am Brunnen in Balat, März 1904. Das Haus des Hasan Çavuş, Dezember 1902. Athanasios Apergis, März 1904. »Mastro Athanas im überschwemmten Delphinion zu Milet«, undatiert. Hubert Knackfuß und Theodor Wiegand auf dem überschwemmten Hafenlöwen, undatiert. Die Haushälterin Katherina, Januar-Februar 1908. Hermann Knackfuß im Stadion von Priene, Oktober 1903. Menükarte für ein Abendessen im Haus Elisabeth von Siemens'. Wegskizze der Kretafahrt des Athener Institutes. Grabungshaus in Priene. Grabungshaus in Milet. Grabungshaus in Didyma, Januar 1907. Stations-Haus bei Milet. Hubert Knackfuß’ Arbeitsplatz im Grabungshaus in Akköy, Janaur 1903. Regierungsvertreter Evangelos Maimaroglou, Dezember 1903. »Fasnachtssänger« aus Akköy, Februar 1903. Tanz anläßlich des 40. Geburtstages Theodor Wiegands, 30. Oktober 1904. Georg Kawerau und das »umgewehte Wetterhäuschen«, 6. April 1905. Hans Zippelius auf der Veranda in Akköy, undatiert. Wandbild im Grabungshaus von Pergamon. Die ›Reichshalle‹ in Pergamon. Arbeiten im dem Dreifuß, März 1903. Arbeiten im Theater, Februar 1903. Konrad Bose im Latmos, undatiert.
VERZEICHNIS
Tafel 34b 35 36a 36b 37a 37b
Theodor Wiegand an seinem 40. Geburtstag am 30. Oktober 1904. Georg Kawerau, Schoenes Tier. Regierungsvertreter Evangelos Maimaroglou, Dezember 1903. Georg Kawerau mit Chiona, Februar 1907. Junges Kamel in Milet, März 1903. Max und Moritz in Akköy, undatiert.
353
Tafel 1
Ausgewählte Grabungsorte in Griechenland und Kleinasien
Libyssa
Samothrake
Troja
Neandria Assos
Dodona
Gordion
Aizanoi
Pergamon Lesvos, Pyrrha Myrina Aigai
Larisa am Hermos Sardes Delphi Rhitsona
Ephesos
Athen
Samos, Heraion
Aphrodisias
Myus Tralles
Epidauros
Olympia Tiryns
Hierapolis
Magnesia
Priene
Korinth Mykene
Ägina Samos, Nekropole
Milet
Didyma
Alabanda Lagina
Delos Sparta
Paros
Halikarnassos
Kos, Asklepieion Knidos
Kamiros
Thera
Rhodos, Lindos Rhodos, Vroulia
Kartengrundlage Daniel Dalet
Knossos p te n , Ä gy n d r ia A le x a
Legende 100 km Im Text näher behandelte Grabungsorte Ausgewählte weitere Grabungsorte
Tafel 2 Zeitlicher Ablauf ausgewählter Grabungsprojekte
1876
1877
1877
1878
1878
1881 1882 1883
1879 1880 Assos (A)
1880
Ephesos, Artemision (BM)
1879
Erste Grabungsphase 1869 - 1874
1875
1876
Pergamon (BMA)
1875
1881 1882 1883 1884
1885
1885
Tralles (OM, OC)
1884
1890 1891 1892 1893
1909 1910 1911 1912 1913 1914
1892 1893 1894 Paros (DAI, Dr.)
Kos, Asklepieion (OM, DAI, Dr.)
Deutsches Archäologisches Institut Berliner Museen, Antikensammlung F. Hiller von Gaertringen Griechische Archäologische Gesellschaft Ottomanische Museen Orient-Comitè
1896 1897 1898
1901 Larisa am Hermos (S, Dr.)
Thera (HvG, DAI)
Abkürzungen DAI BMA HvG GAG OM OC
1891
1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 Sardis (A)
1908
1890
1900
Myus (BMA) Lesvos, Pyrrha (Dr.)
1907
Rhodos, Lindos (D)
1906
Rhodos, Vroulia (S)
Didyma (BMA)
1905
Samos, Heratempel (BMA, Dr.)
1904
1889
1899
Rhodos, Lindos (D)
1903
1888
1895
Ephesos, Artemision (BM)
1902
Ephesos Stadt (Ö)
1901
Pergamon (DAI)
1900
Alabanda (OM)
1899
Milet (BMA)
1898
Tralles (OM)
1897
Samos, Heratempel (GAG)
Priene (BMA)
1896
Ephesos Stadt u. Artemision (Ö)
1894 1895
Neandria (DAI)
1889
1887
Samos, Nekropole (Dr.)
1888
1886
Lagina (OM)
Magnesia (BMA, DAI, HvG)
1887
Ägina (BA)
1886
1909 1910 1911 1912 1913 1914
Ö D S A BA BM Dr.
Österreichische Institutionen Dänische Institutionen Schwedische Institutionen Amerikanische Institutionen Bayerische Akademie British Museum Dritte
Tafel 3§ §
Tafel 4
Myus Jortan
Sarıkemer
Patniotiko Balat / Milet Kalabaktepe Değirmentepe Mä
a nd er
Pyrrha
Sakysburnu
Grabungshaus Akköy
Heilige Straße Kap Plaka
Marmorlöwe
Ta Marmara
Panormos / Kowellabucht Jeronda / Didyma
Akbük
Milesische Halbinsel 0
1 km
2 km
Tafel 5
Vergleich der Straßenverläufe zwischen Milet 1, 8 Beilage 1 und Abb. 30 Projektierte Straßenränder Abb. 30 und Beilage 1 sind mit parallelen Nordpfeilen ausgerichtet worden; die Lage von Abb. 30 ist zufällig.
Tafel 6
Tafel 7
Tafel 8
Tafel 9
Tafel 10
Tafel 11
Tafel 12
Tafel 13
Tafel 14
Tafel 15
Tafel 16
Tafel 17
Tafel 18
Tafel 19
Tafel 20
Tafel 21
Tafel 22
Tafel 23
Tafel 24
Tafel 25
Tafel 26
Tafel 27
Tafel 28
Tafel 29
Tafel 30
Tafel 31
Tafel 32
Tafel 33
Tafel 34
Tafel 35
Tafel 36
Tafel 37