Ein neuer Saka-Dialekt [Reprint 2021 ed.] 9783112505861, 9783112505854

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Ein neuer Saka-Dialekt [Reprint 2021 ed.]
 9783112505861, 9783112505854

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EIN N E U E R SAKA-DIALEKT VON

STEN KONOW IN OSLO

MIT 8 TAFELN

SONDERAUSGABE AUS DEN SITZUNGSBERICHTEN DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PHIL.-HIST. KLASSE. 1935. XX

BERLIN

1935

VERLAG DER A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N IN KOMMISSION BEI WALTER DE G R U Y T E R U.CO. (PREIS & M 11.50)

EIN N E U E R SAKA-DIALEKT VON

STEN KONOW IN OSLO

MIT 8 TAFELN

SONDERAUSGABE AUS DEN SITZUNOSBERICHTEN DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PHIL.-HIST. KLASSE. 1935. XX

BERLIN

1935

VERLAO DER A K A D E M I E DER

WISSENSCHAFTEN

IN K O M M I S S I O N B E I W A L T E R D E O R U Y T E R U . C O . (PREIS JUl

11.50)

F. W. Thomas amico

amicus

Unter den zentralasiatischen Handschriften der Preußischen Akademie der Wissenschaften findet sich eine Gruppe von Schriftstücken, die noch nicht gedeutet worden sind. Geschrieben sind sie in demselben Alphabet wie das sogenannte Tocharische und insbesondere der B-Dialekt. Die Sprache wird als unbekannt bezeichnet. F. W. K . M ü l l e r , der sich mit diesem Material beschäftigt hatte, war der Ansicht, daß es sich um einen Saka-Dialekt handele, d. h. um eine Mundart derjenigen Sprache, die wir aus der KhotanGegend kennen, und die ich im folgenden als Khotani (Kh.) bezeichnen werde. Nachdem L ü d e r s 1 nachgewiesen hat, daß die Sprache der indischen Sakas mit ihr zusammengehört, nennt man sie gewöhnlich Sakisch. Die einheimische Bezeichnung aber war, wie wir jetzt wissen 2 , H v a t a n a , d. h. H v a d a n a . M ü l l e r hat keine Beiträge zur Deutung der Texte hinterlassen, und ich bin deshalb in der beneidenswerten Lage, mich auf keine Vorgänger beziehen zu müssen. Andererseits wurde meine Aufgabe dadurch erschwert, daß die Texte von Anfang an ganz unverständlich zu sein schienen, wenn man von Worten wie mäste 'Monat', sälye 'Jahr' und ein paar Zahlwörtern absieht. Nur durch Raten und allerlei Kombinationen ist es allmählich gelungen, weiterzukommen. Die meisten von diesen Schriftstücken wurden bei Maralbasi gefunden, und ich werde deshalb im folgenden die Sprache durch die Abkürzung Mar. bezeichnen. Ein Brettchen wurde bei dem nahe liegenden Tumsuq gefunden, und da auch P e l l i o t bei Tumsuq gegraben hat, werden sich vielleicht ähnliche Dokumente in Paris finden. Ein etwas unvollständiges Blatt endlich stammt aus Murtuq nördlich von Qarakhoja. Das mir zur Verfügung stehende Material umfaßt im ganzen acht Nummern: I. T IV M 162 (1). Zwei zusammengeklebte Blätter. Das erste enthält in achtzehn Zeilen ein vollständiges Dokument, das zweite, mit dem Worte 1

S B A W 1912, s . 4 0 6 f r .

2

Siehe Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap, B. V I I , S. 6. (1*)

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cämsyä anfangend, augenscheinlich eine Wiedergabe desselben, mit einer kurzen Nachschrift in anderer Hand. Größe: 27V2X75 cm. II. T IV M 162 (2). Ein Dokument ähnlicher Art wie das erste Blatt von I, in zwölf Zeilen. Größe: 2 9 x 3 9 cm. III. T I V M 162(4). Ein ähnliches Dokument, in vierzehn Zeilen. Größe: 29x39 cm. IV. T IV M 162 (5). Ebenso, in fünfzehn Zeilen. Größe: 29x42 cm. V. T IV M 162 (3). Ein Schriftstück derselben Art wie das zweite Blatt von I, beginnend mit cämsyä, in elf Zeilen. Größe: 2872x40 cm. VI. T IV M 162 (6). Zwei kurze Abschnitte, der erste von vier, der zweite von drei Zeilen, augenscheinlich ganz anderer Art. Größe 28X27V2 cm. I—VI wurden bei Maralbasi zusammen in einem aus einem ausgehöhlten Baumast hergestellten Behälter gefunden. VII. T IV M 176. Ein Brettchen, 6V 2 X25cm, auf der rechten Seite abgebrochen, vier Zeilen enthaltend, die zum Teil sehr undeutlich sind; der Duktus ist anders als in I—VI. Es wurde bei Tumsuq gefunden. VIII. T III M 146, ein Blatt in ornamentaler Schrift und mit gewissen Eigenheiten, sieben Zeilen auf jeder Seite. Auf der linken Ecke fehlen einige, etwa fünf, aksaras. Z. 4 und vielleicht Z. 5 enthalten Worte aus der B-Sprache, und b 3 fängt mit dem aus derselben Sprache stammenden Worte niskramätne an. In der Murtuq-Höhle unweit Qarakhoja gefunden. Größe: 2 5V 2 x 15V2 c m Die obengenannten Schriftstücke lagen mir in ausgezeichneten Photographien vor,welche ich meinen Freunden L ü d e r s und Siegling verdanke. Der Letztgenannte hat mir weiter eine sehr sorgfältige Abschrift zur Verfügung gestellt. Welcher Zeit sie angehören, läßt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Über die Paläographie wage ich nicht, mir ein Urteil zu bilden. Ich würde etwa an das siebente Jahrhundert denken, und es läßt sich etwas für eine solche Ansetzung anführen. Nach dem letzten Worte von I steht das chinesische Zeichen das unter anderem zusehen' bedeutet. In II 10 finden wir auf ähnliche Weise das Zeichen ft-, unter zwei Strichen, und zgn bedeutet unter anderem 'Amt', Verantwortlich sein'. Man hat den Eindruck, daß wir hier Kontrollbemerkungen einer chinesischen Behörde vor uns haben. Das obengenannte Wort cämsyä ist, wie sich herausstellen wird, der Gen. von cämsi, und es ist wohl sicher, daß cämsi chinesisch ist. Wir wissen 1 ja, daß die T'ang-Kaiser in Ostturkestan cang-sis einsetzten . Es ist sogar möglich, daß I—VI gerade von der Amtsstelle des cang-si von Maralbasi herrühren. 1

Vgl. Müller, A B A W 1 9 1 2 , V , S. 5.

[IIA]

Konow:

Ein neuer Saka-Dialekt

5

Am Ende von I—IV finden wir ferner wiederholt das Wort kapci, z. B. II Ii kapci Iphatki sä \ lyi 1501, d.h. 'kapci des Iphatka, 50 Jahre (alt)'. Die drei Striche, die hier überall vorkommen, kennen wir gut. In den von Hoernle1 herausgegebenen Dokumenten aus der KhotanGegend, lesen wir z. B. S. 37, Brlyäsi | harn | gu \ stä, 'Briyäsis Finger', vgl. Brlyäsi u Budasäm hamgusti vistärä 'Briyäsi und Budasän bringen ihre Finger an'. Der Zwischenraum zwischen den einzelnen Strichen ist etwas mehr als 2 cm. Es hat somit den Anschein, als ob die Vertragschließenden ihre Daumen auf das Dokument legten, und daß an der Wurzel, in der Mitte und an der Spitze Striche gezogen wurden, etwa wie im heutigen Indien Leute, die nicht schreiben können, den geschwärzten Daumen aufdrücken. Da nun chines. ci Tinger' bedeutet, ist es wohl so gut wie sicher, daß kapci ein chinesischer Ausdruck ist, der hamgusta 'Finger' oder vielmehr hamgusto vistä 'den Finger anbringen' entspricht. In den von C h a v a n n e s in S t e i n s Ancient Khotan, S. 525, herausgegebenen Dokumenten steht im selben Sinne Hf^g, da aber die T a n g Aussprache, die hier in Betracht kommt, nach Karlgren Nr. 9$ und 1215 ywvk ci war, muß die erste Silbe eine andere sein. Dem Sinne nach würde ^ 'drucken, unterzeichnen' passen, die T ang-Aussprache war aber nach Karlgren Nr. 344 ap. Die Sinologen müssen entscheiden, ob hier eine Verwechslung mit dem einfachen Efl, Tang-Aussprache nach Nr. 344 kap, vorliegen kann. Auf alle Fälle müssen wir aus diesen Angaben den Schluß ziehen, daß unsere Dokumente an einer chinesischen Amtsstelle eingetragen wurden, und das deutet entschieden auf eine Zeit, wenn die Chinesen in Ostturkestan eine wirkliche Kontrolle ausübten, d.h. wohl nachT'ai-tsongs Besiegung der Türken um das Jahr 630, entweder bevor die Tibeter die vier Garnisonen im Jahre 670 eroberten, oder, wahrscheinlicher, nachdem die Chinesen sie im Jahre 692 wiedergewonnen hatten. Die Dokumente sind, wie wir sehen werden, datiert, aber nur in Jahren des zwölfjährigen Zyklus, so daß diese Datierung zu keiner Zeitbestimmung führt. Es handelt sich somit wohl sicher um einen unter chinesischer Oberhoheit stehenden Kleinstaat. Da aber keine chinesischen Nachrichten vorzuliegen scheinen, können wir von dieser Seite her vorläufig nicht weiter kommen. Die Bewohner von Maralbasi hatten augenscheinlich auch Beziehungen zu den östlichen Oasen, in denen der B-Dialekt des sogenannten 'To1 A Report on the British Collection of Antiquities from Central Asia. P. II. Extra-Number I to the Journal of the Asiatic Society of Bengal, Vol. L X X , Part I, 1901. Calcutta 1902.

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charischen'1 gesprochen wurde. Von dort stammt sicher das Alphabet, und wir werden später eine Andeutung finden, wonach Stammesgenossen vielleicht Untertanen von Qarasahr waren, was vielleicht für die strittige Frage über die Verbreitung des B-Dialektes ein gewisses Interesse hat. Wir haben ferner gesehen, daß das Murtuqer Blatt Worte aus B enthält. Und endlich können wir auch in den Maralbasi-Blättern jedenfalls ein B-Lehnwort nachweisen. In IV 1 wird das achte Jahr, das ein 'Ziegen'-Jahr sein muß, als si.ye1 säle 'Jahr der si.a charakterisiert, und wir wissen jetzt durch L ü d e r s 3 , daß das B-Wort für das achte Zeichen des zwölfjährigen Tierkreises saiyye war. Es ist möglich, daß auch andere Lehnwörter aus dieser Sprache vorkommen, und auch, daß es türkische Namen und Titel gibt. Die völlige Verschiedenheit der Sprache zeigt aber, daß es sich um ein ganz verschiedenes Völkerelement handelt. Es gibt auch, schon vom Anfang an, Einzelheiten, die in eine bestimmte Richtung deuten. Die Fürsten des Kleinstaates haben ihre Titulatur teilweise von den Kusänas übernommen. Sie nennen sich Wäsudewas, mit dem Namen des letzten großen Kusänaherrschers, der auch sonst nach dessen Tode weiterlebte, und sie nennen sich, wie wir sehen werden, 'Göttersöhne', was wohl einfach eine Ubersetzung von devaputra ist. Einige Wörter sind auch sofort als iranisch zu erkennen: mäste 'Monat', säli 'Jahr', bistyo dreyyo 'dreiundzwanzig'. Es ist wahrscheinlich, daß es gerade solche Andeutungen waren, die M ü l l e r zu der Ansicht führten, daß wir es mit einer Saka-Sprache zu tun haben. Das ganz uniranische Aussehen mehrerer Eigennamen würde sich leicht durch die Annahme erklären lassen, daß die Iranier sich zu Herrschern über ein ursprünglich nicht-iranisches Land gemacht hatten. Um weiterzukommen, müssen wir aber den Versuch machen, die Texte zu deuten. Und hier waren die Schwierigkeiten sehr groß. Ich bin mir wohl bewußt, daß ich sie nicht alle gelöst habe, und es wäre vielleicht besser gewesen, die Veröffentlichung meiner Ergebnisse noch zu verschieben. Ich habe es aber immer als unrichtig empfunden, wenn ein Forscher wichtiges Material zu lange zurückhält. Man fördert, meiner Uberzeugung nach, die Wissenschaft mehr, wenn man es auch anderen Gelehrten ermöglicht, an der Lösung der Probleme mitzuarbeiten. Deshalb lege ich jetzt die Texte mit meiner Analyse vor, mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam, daß meine Auseinandersetzung auf Hypothesen und Kombinationen aufgebaut ist, und daß meine Deutungen vielfach nur als Vorschläge betrachtet werden können. 1

Über diese Bezeichnung brauche ich mich hier nicht zu äußern. Das Wort sieht wie gi .ye aus, aber Spuren des sa von ga unterscheidenden Striches sind sichtbar. 3 SBAW 1933, S. 1012. 2

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Ich habe es dabei oft als einen wesentlichen Mangel empfunden, daß ich nicht Iranist bin. Eine große Schwierigkeit bereitete zunächst die Schrift. Das Alphabet ist allerdings das der B-Texte, wobei aber die fast völlige Gleichheit der Zeichen für na und ta in einer unbekannten Sprache sehr unbequem ist. Auch die modifizierten Zeichen ka und ra und das Zeichen, das gewöhnlich rra transkribiert wird, kommen vor, vielleicht auch la. Dazu kommt aber eine ganze Reihe von Fremdzeichen. Ein kleines Blatt aus Maralbasi, T IV M 58, enthält auf der einen Seite das gewöhnliche B-Alphabet, mit den modifizierten Zeichen (la ausgenommen), und auf der anderen, nach S i e g l i n g s Mitteilung in einer anderen, späteren Hand, nicht weniger als zwölf Fremdzeichen.

S i e g l i n g hat mir weiter mitgeteilt, daß M ü l l e r die beiden ersten Zeichen der Liste in uigurischen Brähmitexten wiedergefunden hatte, wo sie für z, das stimmhafte s, bzw. für y, die stimmhafte gutturale Frikative, stehen. Dieselbe Bedeutung haben sie sicher auch in unseren Texten; vgl. azu, Kh. aysu 'ich', die Partikel ya, Skr. gha, usw. Nr. 3, 8 und 9 kommen in meinem Material nicht vor. Es bleiben somit sechs Zeichen, für die der Lautwert ermittelt werden muß. Die Bedeutung des letzten Zeichens der Liste wurde mir verhältnismäßig früh klar. In der Einleitung von I — I V steht, was ich sehr bald als eine Datierung erkannte. Dort kommt nach einer Ordnungszahl und vor der Angabe des Tierkreisjahres (sälye) und des Monats (mäste) ein zweisilbiges Wort vor, dessen erste Silbe durch das betreffende Zeichen ausgedrückt ist. Da es sich nur um ein Wort für 'Zyklusjahr' oder 'Regierungsjahr' handeln kann, identi-

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fizierte ich es mit dem Worte, das in den von L e v i 1 herausgegebenen B-Dokumenten ksum, in den Niya-Dokumenten und den indischen Kharosthi-Inschriften2 ksuna und in Khotanl-Dokumenten3 ksuna, ksana, ksäna lautet. Das Fremdzeichen entspricht somit Kh. ks. Da aber die Lautverbindung ks in unseren Texten anders geschrieben wird, muß es sich um einen etwas verschiedenen Laut handeln, und vom iranischen Standpunkt kann nur %s in Frage kommen. Kh. ks bezeichnet wahrscheinlich auch diesen Laut. Gleich in der ersten Zeile von I lernen wir somit drei deutlich iranische Wörter erkennen: %sande 'des Herrschers, des Schah', vgl. Kh. ssau, ysimane %sane, Kh. ksemye ksanä 'des sechsten Jahres'. Dabei ist der Ursprung des Wortes %sana- für unsere Untersuchung ohne Bedeutung. Sicher ist bloß, daß es in B viel später vorkommt als in den Kharosthi- Quellen. Das am häufigsten vorkommende unter allen Fremdzeichen ist Nr. 7. Seine Bedeutung wurde mir erst nach vielem Raten klar, als ich fand, daß es in einem Worte vorkommt, das mit hvan oder hvan anfängt, und das ich versuchsweise mit Kh. hvan- 'sprechen' gleichsetzte. Dies Wort wird in der Einleitung zu I—IV gebraucht, und wo es sich um mehrere Personen handelt, steht hvanandi, wo nur eine auftritt, hvani. i. Ein Vergleich mit Kh. hvänindä 'sprechen', hväniti, d. h. hvänidi 'spricht' zeigte mir, daß das Fremdzeichen für einen aus intervokalischem -t- entstandenen Laut steht. Da d in den Texten häufig vorkommt und da die stimmlose Frikative & durch th bezeichnet zu werden scheint, dachte ich zunächst an d, den Laut des th im englischen 'thou'. Morgenstierne hat mich aber darauf aufmerksam gemacht, daß es vom iranischen Gesichtspunkt aus vielleicht wahrscheinlicher ist, daß das Fremdzeichen für d, und d für d steht. Und da die enge Verwandschaft mit Khotani mir immer klarer geworden ist, glaube ich sicher, daß dies der Fall ist. Wir dürfen die Frage nicht, wie ich von vornherein geneigt war, vom Standpunkte der indischen Phonetik betrachten. Das Alphabet wurde von Leuten adoptiert, die mit den Lautverhältnissen des B-Dialektes, wo sowohl d als d fehlten, vertraut waren. Wie die B-Sprecher d in Fremdwörtern aussprachen, wissen wir nicht. Wahrscheinlich sprachen sie t oder, falls sie den fremden Laut nachsprechen wollten, entweder d oder d. Das letztere würde wahrscheinlich der Fall gewesen sein, falls sie ihre Schrift aus Tokharistan, wo wohl sicher Iranier saßen, erhielten. Und Iranier im B-Lande würden jedenfalls natürlich so sprechen4. Sie übernahmen deshalb d als Zeichen für d (nd, zd usw. wurden natürlich, wie in Kh., als nd, zd gesprochen), und schufen ein neues Zeichen für d. 2 3 JA XI, ii, 1913, S.311. Acta Orientaliall, S. 113fr. Ibidem VI, S. 66ff. Vgl. das häufige dh für d in dem einzigen Kharosthl-Dokument aus Khotan in Kharosthi Inscriptions discovered by Sir Aurel Stein in Chinese Turkestan. Ed. by Boyer, Rapson, and Senart, Nr. 661. 1

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Das Fremdzeichen steht also für den Verschlußlaut d. Da ich aber ein wesentlich indisches Alphabet zu transkribieren habe und auch sonst eine rein phonetische Umschrift nicht anstreben kann, muß d für die Umschrift des Brähmi d reserviert bleiben. Ich werde deshalb das Fremdzeichen mit d umschreiben. Nur muß man sich erinnern, daß dies d den deutschen Verschlußlaut, Kh. t, bezeichnet, d dagegen wie in Kh. auszusprechen ist. Es ist dies ein Ubelstand, genau so wie in Kh. Meine Erklärung des Fremdzeichens fand ich gleich in I 9 bestätigt, wo nebeneinander stehen puri duda hvä bräde, Kh. püri düia, *hväha, bräte 'Sohn, Tochter, Schwester, Bruder'. Ich halte sie für ganz sicher. Die Reihenfolge, die wir bis jetzt in der Liste der Fremdzeichen gefunden haben, ist somit: z y, . . . . d.... %s. Daß %s zuletzt kommt, erklärt sich ohne weiteres aus der Reihenfolge des indischen Alphabets mit ksa an letzter Stelle. Das Brähmlalphabet auf der Vorderseite des die Liste enthaltenden Blattes, das teilweise schlecht erhalten ist, weist nach freundlicher Mitteilung Sieglings die gewöhnliche indische Reihenfolge auf. Was da gelesen werden kann, ist: Z. 1 . . . l u ü r f l l e a i o . . . 2 . . . ta tha da dha na: ta tha \da dha na:] pa pha ba . . . 3 . . . ka ta na ma s_a

sa wa ra: (1) 2 [3] 4 . . .

Die Reihenfolge der oben behandelten Fremdzeichen läßt vermuten, daß sie auf ähnliche Weise geordnet sind. Zuerst kommt allerdings, aus unbekanntem Grunde, z, dann aber ein Guttural und schließlich ein Dental. Es ist wahrscheinlich, daß die dazwischenstehenden Zeichen Palatale und Zerebrale sind. Weiter ist es wahrscheinlich, daß die letzten Zeichen der Liste Doppellaute bezeichnen, ebenso geordnet, von hinten erst ein z-Laut, dann ein Guttural, usw. Da wir ferner schon mehrere Übereinstimmungen mit Kh. gefunden haben, ist es wohl erlaubt, als Arbeitshypothese bei der Bestimmung des Lautwertes der Fremdzeichen von dem Lautbestand des Kh. auszugehen. Das dritte Fremdzeichen kommt in unseren Texten nicht vor, das vierte dagegen sowohl allein als in Verbindung mit d. In Kh. finden wir außer ¿/-Verbindungen wie nd und ysd, d. h. zd, auch sd, d. h. zd, und sd, d. h. zd oder zd, vgl. mulsde 'durch Milde', pyüsde 'hört'. Falls meine Auffassung von der Anordnung der Liste richtig ist, würden wir das vierte Zeichen natürlich als i lesen. Und diese Lesung ist augenscheinlich richtig. Wir finden zida, Kh. säta-, d. h. zäda-, 'zweiter' und zänandi, Kh. ysänindä 'sie rauben', wo z von der Wurzelform zyä herrührt, indem z wie in Kh. vor y z wurde, vgl. Kh. bäsa, d. h. bäza < bäysaya 'im Park'. I 19 ff. lesen wir von den Vertragschließenden, daß sie irgend etwas rzandi. Rzandi ist deshalb sicher die 3. PI. einer Wurzel rz-, die auch als raz- vorkommt und wohl mit Kh. rays-

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'eingerichtet, bekannt werden' identisch ist. An der Parallelstelle V i , wo nur von einer Person die Rede ist, steht anstatt dessen zdi, wo r in der schweren Lautverbindung rzd geschwunden ist. Das Verhältnis zwischen rzandi und (r)zdi ist somit dasselbe wie zwischen hvanandi 'sprechen' und hvanidi 'spricht', so daß sich z zu z ebenso verhält wie n zu n, was entschieden meine Lesung des vierten Fremdzeichens stützt. Die Verbindung zd findet sich in einem Worte, das in der Einleitung von I — I V in der Form gyäzdiyä oder gyäzdyä vorkommt1. Gyäzdiyä, gyäzdyä ist ein Genitiv; der Nominativ gyäzdi kommt anscheinend I 12 vor. Das Wort erscheint in solchem Zusammenhang, daß es ein Eigenname sein muß, entweder des Kleinstaates selbst oder, mehr wahrscheinlich, des Fürsten desselben. Den Anfang des ersten Dokumentes können wir jetzt mit ziemlicher Sicherheit lesen und auch, wie ich überzeugt bin, übersetzen: Jezdampurä %sande Gyäzdiyä ride Wäsudewä yiimane %sane sazdä sälye Ahverjane mäste bistyo dreyyo, das in Kh. lauten würde, falls wir von den Eigennamen und dem verschieden gebildeten Zahlwort absehen: gyastä(nii) pürä(nu) ssaunä . . rrundä Väsudevä(nü) ksemye ksanä ssaysdä(nu) salye . . màsti drevarebistyau 'nach dreiundzwanzig (Tagen) des Monats Ahverjana, des Jahres der Schlangen, des sechsten Zyklusjahres, des Schahs Gyäzdi, des Königs, von den Göttersöhnen, den Wäsudewas'. Die enge Ubereinstimmung mit Kh. scheint mir zu zeigen, daß wir auf der richtigen Fährte sind. Was das fünfte und sechste Zeichen betrifft, werden wir natürlich an Zerebrale oder Palato-Zerebrale denken, und ich werde versuchsweise i und z einsetzen. Das fünfte Zeichen, i , oder vielleicht s kommt bloß zweimal vor. I 24 steht ka . . a%seru nyezidi, wo a%seru ein negiertes yjeru, Kh. kslrü 'zum Lande gehörig' sein kann und nyezidi wohl zu dem Präsens nemi 'ich bringe' oder zu der Wurzel fies- ne-, Kh. näs-, nä- 'nehmen' gehört. Obgleich ein Futurum bis jetzt in Kh. nicht belegt ist, glaube ich, daß wir übersetzen müssen: 'wenn ein Fremder es bringen, oder nehmen, wird'. VIII b 2 lesen wir amace pursickari mare hvazandi täri grphaläza. Obgleich die Stelle nicht klar ist, glaube ich, daß der Sinn etwa ist: 'die Söhne des Ministers werden diese sickara essen, die anderen (sind) . . Früchte-essend', indem ich grphaläza als ein Skr.-Lehnwort . . phaläsa betrachte. Die Bestimmung des fünften Zeichens ist nicht sicher, aber meiner Ansicht nach sehr wahrscheinlich. Und dadurch wird es wohl möglich, das sechste als z, in Kh. s geschrieben, zu umschreiben. Wir finden es in der oben erwähnten Jahresbezeichnung sizye 'der Ziege', in dem Monatsnamen Tsvizänana 1 Der Lautwert gy ergibt sich aus der Tatsache, daß dasselbe Zeichen in dem Worte rangyä I V 5 vorkommt, denn rangyä ist, wie wir später sehen werden, der regelrechte Gen. von rangi I I 5.

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oder Tsvizätana und in dem Worte ze, das etwa 'Streben, Ziel, Absicht' bedeutet. Es könnte zu Av. zara- 'Streben, Ziel' gehören, mit dem Ubergang von z zu z vor r, der auch in K h . wahrscheinlich ist. Die beiden letzterwähnten Fremdzeichen kommen so selten vor, daß ihre Bestimmung nur als vorläufig betrachtet werden kann. Nach dem, was ich oben auseinandergesetzt habe, sollten wir erwarten, daß das vorletzte Fremdzeichen für einen Doppellaut steht, der auf irgendeine Weise dem ersten Zeichen der Liste, z, entspricht. Denn %s steht wahrscheinlich, wie das indische ks, außerhalb der Reihe. Es kommt ziemlich häufig vor und muß somit einen der Sprache geläufigen Laut bezeichnen. Da wir schon so viele Ubereinstimmungen mit K h . gefunden haben, ist es natürlich, für seine Bestimmung das Lautsystem dieser Sprache näher anzusehen. K h . besitzt fast alle die Laute, die im vorhergehenden behandelt wurden. z wirdjys geschrieben, vgl. aysu 'ich'; %s erscheint als ks, vgl. ksema- 'sechster'; z als s, vgl. basdä 'Sünde', und z als s, vgl. mäsdäna 'o Gnädiger'. Ferner haben wir kh, th, ph, d. h. wohl (), f , die anscheinend ebenso in unseren Texten bezeichnet werden; vgl. khäza-, Kh. khäysa- 'Nahrung'; tho, K . thu 'du'; aphuyarrfne 'wir werden behalten', cf. K h . hamphuta- 'verbunden'. Endlich finden sich drei Doppellaute, geschrieben tc, ts (palatalisiert ch) und js, vgl. tcahaura- 'vier', tsu- 'gehen', jsan- 'schlagen'. Für tc und js habe ich, Saka Studies, S. n , nachzuweisen versucht, daß sie ts bzw. dz bezeichnen, während ts für ts (nicht ts) steht. Was tc und ts betrifft, scheint unsere Sprache diese Ansätze zu bestätigen, denn wir finden tsahari 'vier', chidu 'es soll gehen'. Es liegt dann nahe, im vorletzten Fremdzeichen dz zu suchen, für welchen Laut wir sonst keine Entsprechung haben würden. Und Worte wie dzadi, Kh. jsäti 'geht'; dzanande, K h . jsanindä 'sie schlagen'; dzara-, K h . jsära- 'Korn' machen diese Vermutung zur Gewißheit. Es bleibt das drittletzte Fremdzeichen, das, nach dem oben angeführten, wahrscheinlich einen Doppellaut bezeichnet, und zwar einen, der einen Guttural enthält. Das Zeichen kommt in einem Worte vor, das dreimal wiederkehrt, und zwar in Sätzen, die einen formelhaften Charakter zu haben scheinen, II 12, III 13, IV 15. Das Wort besteht aus dem Fremdzeichen -+- äkani. Nach dem Worte stehen die aksaras yä, sa und zoa untereinander, senkrecht auf die Zeile geschrieben. In II 10 steht dasselbe yä, ebenso geschrieben, nach dem Namen eines der Zeugen. Ich vermutete deshalb, daß die drei aksaras Kontrollmarken sind, die hinzugefügt wurden, nachdem der Text den Zeugen vorgelesen und von ihnen gutgeheißen war, und weiter, daß das fragliche Wort diese Kontrollmarken bezeichnet. In K h . haben wir eine Pluralendung ani, und ich schloß deshalb, daß der Stamm aus dem Zeichen -+- äk- bestehen müsse.

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Ein solcher Stamm schien mir nicht unserer Sprache angehören zu können, da kein Wort auf k enden kann, und da intervokalisch -k- nur in dem sekundären -ka- Suffix erhalten sein kann. Da wir weiter einige chinesische termini gefunden haben, schlug ich die chinesischen Wörter für 'Marke, Zeichen' nach und fand das nachKarlgren Nr. 95 in der T'ang-Zeit ywvk lautete. Karlgren hat mir gütigst mitgeteilt, daß es mit ^ 'Signatur' oder fjf; 'Zeichen' in der Bedeutung 'schreiben' gebraucht wird und sonst 'Zeichnung, Strich' bedeutet. Diese Bedeutung paßt, soviel ich sehen kann, gut, und da ich nach der Stellung des Zeichens in der Liste gerade einen solchen Laut erwartete, schrieb ich versuchsweise ywäkani. Die Stelle III 14 las ich somit kuri ywäkani hawyenda bijäne papusta ji maru krustu kuri 'ich mache die aneignenden Marken; die Zeugen haben gehört, was ich ausgesagt mache'. Und ich fand meine Lesung weiter bestätigt in dem Namen oder Beinamen yzualki IV 12. Es ist wohl mehr als wahrscheinlich, daß derselbe mit türk. yualiy 'blumig' etwas zu tun hat, und nach B a n g und G a b a i n 1 gehört yualiy zu chines. ^ 'Blume', das nach Karlgren Nr. 94 in der T'ang-Zeit ywa lautete. Sonst kommt das Zeichen nur in einem Worte vor, das ich als ywo lese. I 12 steht z. B. bi ywo druhvam'ne 'wir werden falsch aussagen in ywo\ und ich bezweifle nicht, daß ywo dasselbe ist wie der K h . Akkusativ gguvo, gvo 'Ohr'. Obgleich ich mich vielfach auf schwankendem Boden bewegt habe, glaube ich doch, daß die Ergebnisse der Untersuchung über die Bedeutung der Fremdzeichen im großen und ganzen sicher sind. Wir müssen aber weiter gehen und den Versuch machen, das Laut- und Formensystem nach Möglichkeit aufzuklären, um die Stellung der Sprache näher zu bestimmen. Dabei ist es aber nicht immer möglich, nach rein philologischen Methoden vorzugehen. Auf der einen Seite ist das Material wenig umfangreich, und auf der anderen muß die Bedeutung der einzelnen Wörter gewöhnlich einfach erraten werden. Es wird sich aber allmählich herausstellen, daß wir es tatsächlich mit einer Sprache zu tun haben, die dem Khotanl sehr nahe steht, obgleich es nicht gerade wahrscheinlich ist, daß die Sprecher sich gegenseitig miteinander verständigen konnten. Wie in K h . werden auslautende Vokale bewahrt und kein Wort endet auf einen Konsonanten, vgl. nyesta, K h . nästa 'er wird nehmen'; andi, K h . Indä 'sie sind'; nyese, Kh. näse 'ich nehme' usw. Wir können auch sehen, daß kurze Vokale in anderer Stellung in beiden Sprachen unter ähnlichen Bedingungen wegfallen; vgl. jezda-, Kh. gyasta- scheint a und auch ä zu e zu werden; vgl. jezda-, Kh. gyasta- 'Gott'; hawyenda-, Kh.hivyanda- 'sich aneignend, besitzend'; ramyende < *ramayantai 'sie verbleiben'; nyese, Kh. näse, vgl. sogd. n'y's 'ich nehme'. Derselbe Ubergang findet sich auch in der Nachbarschaft von s-Lauten, in hangretsu 'Sammlung' neben Kh. hamggargga-; hvesta-, Kh. hvästa- 'erster, Vorsteher', vgl. sogd. %wystr-; zenda-, Kh. ysända- 'bekannt', usw. In den Präsensbildungen mit -aya- ist das Verhältnis dadurch verschleiert worden, daß -a- und -ayaFormen nach gewissen, nicht näher zu bestimmenden Regeln wechseln, vgl. hvanandi 'sie sprechen', hvanidi 'spricht' gegenüber Kh. hvänindä, hvänitä. Die Singularform zeigt weiter, daß -aya-, wie in Kh., in der 3. Sing. -i- wurde. A wird auch e durch 'Umlaut', wenn ein y gefolgt hatte, wo Kh. 1 aufweist; vgl. rendu < *ramayatu 'er bleibe';/sera-,Kh. ksira- 'Land'; in derustana'Schwierigkeiten machend' neben Kh. dlra-1, geht e vielleicht auf ag zurück. Unter welchen Bedingungen kurzes a schwand, kann ich nicht näher bestimmen. Die Akzentlosigkeit war wohl sicher die Veranlassung in isti, vgl. 1

Leumanns Zusammenstellung von diesem Worte mit lat. dirus ist wenig wahrscheinlich.

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Kh. histä 'kommt'; dasmana-, Kh. dasama- 'zehnter'; tshärmana-, tsärmana-, Kh. tcürama- 'vierter'; rzandi, vgl. Kh. rays-, 'sie bekunden'; hoparsana- < *haptaparadasa- 'dreizehn' usw. Mit einem folgenden va verschmilzt a, wie in Kh., zu o; vgl. parrodu 'es soll zufallen', Av. srsnav-; ror