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English Pages 341 Year 2007
Helmut Günther
Spezielle Relativitätstheorie
Helmut Günther
Spezielle Relativitätstheorie Ein neuer Einstieg in Einsteins Welt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Prof. Dr. sc. nat. Helmut Günther Geboren 1940 in Bochum. 1958 Abitur in Berlin-Weißensee. Anschließend Physikstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Schwerpunkt Theoretische Physik und Relativitätstheorie. Diplom 1963. Promotion zum Dr. rer. nat. 1966 und zum Dr. sc. nat. 1972. Von 1972 bis 1982 Vorlesungen über Theoretische Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Wissenschaftliche Stationen: Von 1963 bis 1969 Institut für Reine Mathematik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Von 1969 bis 1982 Zentralinstitut für Astrophysik in Potsdam-Babelsberg. Von 1982 bis 1986 Einstein-Laboratorium für Theoretische Physik in Potsdam-Babelsberg. Von 1987 bis 1989 Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. 1989/1990 Institut für Theoretische und Angewandte Physik der Universität Stuttgart. Von 1990 bis 2005 Professor für Mathematik und Physik an der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik.
Albert Einstein (S. 33), Albert Abraham Michelson (S. 45), Hendrik Antoon Lorentz (S. 48), Isaac Newton (S. 69), James Clerk Maxwell (S. 180) und Hermann Minkowski (S. 201) von Christina Günther (Berlin), 2004/2006, Mischtechnik
1. Auflage Februar 2007
Alle Rechte vorbehalten © B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.teubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany
ISBN 978-3-8351-0170-8
Meiner Mutter gewidmet
Vorwort Der vorliegende Text ist aus einer erweiterten Neubearbeitung der 2002 und 2004 erschienenen beiden Auflagen der ”Starthilfe Relativit¨ atstheorie” entstanden. Die Spezielle Relativit¨ atstheorie (SRT) wird immer wieder als ein wissenschaftliches Terrain deklariert, auf dem sich im Grunde nur wenige auserw¨ ahlte Denker zurechtfinden. Dies mag wohl so sein, wenn man versucht, dem Geniestreich Albert Einsteins aus dem Jahr 1905 zu folgen, mit dem er diese Theorie hervorgebracht hat. In den traditionellen Darstellungen der SRT wird auf diesem Wege dem unvorbereiteten Leser zuerst das unglaubliche Postulat von der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit vorgesetzt, das Einsteinsche Relativit¨atsprinzip, um ihn dann mit den nicht minder unglaublichen Konsequenzen u ¨ber das Verhalten von bewegten Maßst¨ aben und Uhren mit einem endlosen Gr¨ ubeln allein zu lassen. Mit dieser Tradition wollen wir hier brechen. Wir verfolgen das Ziel, ein wirkliches Verstehen der Speziellen Relativit¨ atstheorie zu erm¨oglichen, ohne gleich das ganze Instrumentarium der theoretischen Physik auf den Plan zu rufen. Dem Studenten der Physik, der sich i. allg. bereits ganz am Anfang seiner Ausbildung mit dieser Theorie auseinandersetzen muß, soll hier eine Br¨ ucke gebaut werden. Aber auch denjenigen Leser, der nicht unbedingt theoretischer Physiker werden will, wollen wir mit einer unabh¨ angigen Kompetenz zu den Fragen der Speziellen Relativit¨ atstheorie ausstatten, indem wir die komplette Grundidee der Speziellen Relativit¨ atstheorie auf den ersten f¨ unfzig Seiten dieses Buches ausf¨ uhrlich darstellen und danach auf einer einzigen Seite zusammenfassen. Dazu haben wir einen neuen Zugang zur Speziellen Relativit¨ atstheorie entwickelt, der weniger abstrakt ist als der Einsteinsche, ohne deswegen weniger exakt zu sein. Die Elektrodynamik k¨ onnen wir dabei zun¨ achst ganz ausklammern. Wir beschr¨anken uns in diesem Teil unseres Buches auf die Erkl¨ arung der relativistischen Raum-Zeit und auf die Mechanik. Die universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird dabei erst am Ende als ein Ergebnis unserer neuen Axiomatik dastehen, die der Einsteinschen vollst¨ andig a¨quivalent ist. Der angehende theoretische Physiker kommt aber nicht umhin, die urspr¨ ungliche Einstein-Minkowskische Axiomatik gr¨ undlich zu studieren, weil damit nicht nur das Relativit¨ atsproblem brillant gel¨ ost, sondern auch große Theorie gemacht wurde. Und daf¨ ur brauchen wir die Elektrodynamik. Gem¨ aß dem Anliegen unseres Buches, eine Einstiegs-hilfe in die physikalischen Probleme zu sein, werden wir auch die Maxwellsche Theorie von Grund auf behandeln. Darauf bauen wir den modernen Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie auf, ohne den theoretische Physik heute u ¨berhaupt nicht mehr zu begreifen ist. Das im Minkowski-Raum formulierte Relativit¨ atsprinzip erf¨ ullen wir durch die vierdimensionale tensorielle Darstellung der Mechanik und der Elektrodynamik. Die ben¨ otigten mathematischen Hilfsmittel werden in einem Anhang zur Verf¨ ugung gestellt. In Kap. 35 diskutieren wir eine physikalische Besonderheit, ein Gittermodell der SRT, das uns eine Denkm¨oglichkeit anbietet, die relativistischen Effekte elementar zu begreifen. Diese Ausf¨ uhrungen sollen auch wissenschaftstheoretisch interessierte Leser ansprechen.
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Vorwort
Den theoretisch ausgerichteten Studenten wollen wir mit der vorliegenden Darstellung der Relativit¨ atstheorie in die Lage versetzen, gut vorbereitet weiterf¨ uhrende physikalische Theorien in Angriff zu nehmen, die den Rahmen unseres Buches u ¨ berschreiten: Einsteins Allgemeine Relativit¨atstheorie bleibt hier ebenso ausgeklammert wie die Quantentheorie. Wir behandeln keine Spinorfelder und gehen also nicht auf die Dirac-Gleichung ein. In den Kapiteln 20–27 widmen wir uns den bekanntesten relativistischen Ph¨ anomenen und Paradoxa. Ein Schl¨ ussel zu deren Verst¨andnis ist immer wieder der exakte Umgang mit der Definition der Gleichzeitigkeit. Mit der begrifflichen Stellung der Gleichzeitigkeit im Geb¨aude der SRT setzen wir uns von Anfang an besonders gr¨ undlich auseinander, um Fehlschl¨ usse aus der Speziellen Relativit¨ atstheorie m¨oglichst sicher zu vermeiden. Anhangsweise geben wir einen knappen Einblick in wichtige Testexperimente zur Speziellen Relativit¨ atstheorie. Dieses Kapitel ist als eine erste Anregung f¨ ur den experimentell ausgerichteten Leser gedacht. ¨ Durch zahlreiche Abbildungen und Ubungsaufgaben mit vollst¨ andig durchgerechneten L¨ osungen wollen wir den Text noch transparenter machen. Zus¨atzliche Literaturhinweise sollen zur Vertiefung des Stoffes anregen. Das Verlagshaus B.G. Teubner besitzt eine große Tradition bei der Verbreitung der Ideen zur Speziellen Relativit¨ atstheorie. Besonders im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde hier eine wahrhafte Starthilfe f¨ ur den Umbruch im Denken geleistet, den diese Theorie mit sich brachte. In einem kurzen Nachwort erinnern wir an einige der zahlreichen Darstellungen zu dieser Thematik, die bis heute im Teubner-Verlag erschienen sind. F¨ ur die fruchtbare und unkomplizierte Zusammenarbeit, die zu der Herausgabe dieses Buches gef¨ uhrt hat, bin ich dem Verlag, namentlich Herrn U. Sandten, dankbar verbunden. Herzlichen Dank sage ich auch Frau U. Klein f¨ ur ihre freundlichen Hilfen bei der ¨ Uberwindung meiner zahlreichen LATEX-Probleme. F¨ ur die unerm¨ udliche Sorgfalt bei den Korrekturarbeiten zu dem vorliegenden Text ¨nther sehr danken. Besonders herzlich danken m¨ m¨ochte ich meiner Frau C. Gu ochte ich aber meiner Frau f¨ ur die k¨ unstlerische Auflockerung des wissenschaftlichen Textes, f¨ ur die Portr¨ ats der großen Physiker, die sie eigens f¨ ur diese Neuauflage gemalt hat. Die Bereitstellung einer gl¨ anzend funktionierenden Technik zur Erstellung des Manuskriptes ist das Verdienst von Herrn Dipl.-Ing. M. Hesse. Daf¨ ur m¨ ochte ich hier sehr danken. Die zahlreichen Anregungen, die ich im Rahmen eines Seminars auf der Sommeruniversit¨ at der Studienstiftung des deutschen Volkes in La Villa 2005 erhalten habe, sollen hier dankbar erw¨ ahnt werden. F¨ ur fruchtbare Diskussionen und wertvolle Anregungen zum vorliegenden Text danke ich meinen Kollegen Prof. W. Gerling, Prof. M. Karger und Prof. C. Schr¨ oder. Berlin, im Dezember 2006
¨nther Helmut Gu
Inhalt Raum · Zeit · Bewegung 1 2 3
4
5
Maßst¨ abe und Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Koordinaten und Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1 Ein Inertialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.1 Ortskoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.2 Das Problem der Zeitmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.3 Die Relativgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Zwei Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.2.1 Koordinaten-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2.2 Das Additionstheorem der Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Die speziellen Koordinaten-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.1 Die Definition der Gleichzeitigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 4.2 Die linearen Transformationsformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.3 Das Additionstheorem der Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Bewegte Maßst¨abe und Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5.1 Bewegte und ruhende Maßst¨ abe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 5.2 Bewegte und ruhende Uhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Das Relativit¨ atsprinzip 6 7
12 13 14
39
Die physikalischen Postulate der klassischen Raum-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Elementare Relativit¨ at - Die Galilei-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit 10 11
32
Einsteins Relativit¨ atsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Elementare Relativit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Elementarer Aufbau der klassischen Raum-Zeit 8 9
13
44
Der bewegte Stab ist verk¨ urzt - Das Michelson-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Die bewegte Uhr geht nach Einsteins experimentum crucis der Speziellen Relativit¨ atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 51 Die physikalischen Postulate der relativistischen Raum-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Elementare Relativit¨ at - Die Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Die lineare N¨ aherung der Speziellen Relativit¨ atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Die ganze Theorie auf einer Seite
65
10
Inhalt
Die Newtonsche Mechanik 15 16 17
Die Newtonschen Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Die klassische Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Das Tolmansche Gedankenexperiment - Die relativistische Mechanik . . . . . . . . . . . . 72 17.1 Die relativistische Massenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 17.2 Die relativistischen Grundgleichungen der Mechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz 18 19
25
26 27
87
Fresnelscher Mitf¨ uhrungskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Ein Paradoxon zum Mitf¨ uhrungskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Thomas-Pr¨ azession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 Das Maßstabsparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Doppler-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 24.1 Die klassische Theorie des Doppler-Effektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 24.1.1 Longitudinale Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 24.1.2 Transversale Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 24.2 Die exakte Theorie des Doppler-Effektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 24.2.1 Longitudinale Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 24.2.2 Transversale Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Aberration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 25.1 Die Aberration im Teilchenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 25.2 Die Aberration im Wellenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Ein Paradoxon zur Aberration von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Das Zwillingsparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie 28
79
Die Tr¨agheit der Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 ¨ Einsteins Idee der Energie-Masse-Aquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa 20 21 22 23 24
66
125
Die Lorentz-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 28.1 Die spezielle Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 28.2 Die allgemeine Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 28.3 Die allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 28.4 Allgemeine Theorie der Thomas-Pr¨ azession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 28.5 Geometrie im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 28.6 Einsteins Relativit¨ atsprinzip im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Inhalt
29
30
11
Die kovariante Formulierung der relativistischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 29.1 Die Bewegung eines Teilchens im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 29.1.1 Die Eigenzeit einer Teilchenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 29.1.2 Die Vierervektoren einer Teilchenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 29.2 Die Dynamik der Teilchen im Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Elektrodynamik - Kovariante Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 30.1 Die Maxwellsche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 30.1.1 Ladungen und Str¨ ome - Die Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 30.1.2 Die Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 30.1.3 Induktionsfluß und Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 30.1.4 Elektrische Verschiebung und magnetische Erregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 30.1.5 Die Maxwellschen Gleichungen - Elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . . 179 30.2 Die kovariante Formulierung der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 30.2.1 Die vierdimensionalen Gr¨ oßen der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 30.2.2 Die vierdimensionale Elektrodynamik im Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 30.2.3 Die vierdimensionale Elektrodynamik bewegter Medien . . . . . . . . . . . . . . . . 198 30.3 Die Elektrodynamik im absoluten Maßsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 30.3.1 Elektrodynamik im Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 30.3.2 Elektrodynamik im Vakuum - Vierdimensionale Formulierung. . . . . . . . . .202
Anhang
208
31 32
Relativit¨ at der L¨ angen- und Zeitmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Maßstabsparadoxon und Zwillingsparadoxon bei nichtkonventioneller Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 32.1 Das Maßstabsparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 32.2 Das Zwillingsparadoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 33 Einsteins Additionstheorem f¨ ur beliebig gerichtete Geschwindigkeiten . . . . . . . . . 216 34 Testexperimente zur Speziellen Relativit¨ atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 36 Mathematische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 36.1 Erinnerung an die Tensorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 36.2 Integrals¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 36.3 Die δ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 37 Aufgaben und L¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Nachwort: Die Spezielle Relativit¨ atstheorie im Verlag B.G. Teubner in Leipzig . . . . . . 330
Literatur
333
Register
335
Raum · Zeit · Bewegung ¨ Der Meßprozeß zur Uberpr¨ ufung einer physikalischen Theorie und die Bewegung von K¨ orpern im Raum sind nicht voneinander zu trennen. Die sorgf¨ altige Formulierung der Bewegung in Raum und Zeit ist daher von grunds¨ atzlicher Bedeutung. Fragen, die zur Speziellen Relativit¨ atstheorie f¨ uhren, sind darin bereits angelegt.
1
Maßst¨ abe und Uhren
Ein Ereignis beschreiben wir durch den Ort, wo es stattgefunden hat, und durch die Zeit, wann es passierte. Wir brauchen Maßst¨ abe und Uhren, um Entfernungen und Zeitintervalle zu messen, und wir m¨ ussen sicherstellen, daß wir stets u ¨ ber hinreichend viele, identisch gebaute Normalmaßst¨abe LN f¨ ur die L¨ angenmessung und Normaluhren mit einer Periode TN f¨ ur die Zeitmessung verf¨ ugen. F¨ ur Pr¨ azisionsmessungen ist es allein sinnvoll, sich auf solche Vergleichsmaße f¨ ur L¨angen und Zeiten zu beziehen, die uns die Natur selbst zur Verf¨ ugung stellt. Man bedient sich dazu der von den Atomen oder Molek¨ ulen ausgesandten Spektren elektromagnetischer Strahlung ganz bestimmter, unver¨ anderbarer Wellenl¨ angen und Frequenzen1 . Das Meter LN wird definiert als das 1 650 763,73 fache der Wellenl¨ ange einer bestimmten orangeroten Spektrallinie des Kryptonisotops 86 Kr . Das Zeitintervall TN von einer Sekunde ist die Dauer von 9 192 631 770 Schwingungen einer bestimmten Spektrallinie des C¨ asiumisotops 133 Cs . Die quantitative Beschreibung jeder meßbaren physikalischen Gr¨ oße setzt sich immer aus zwei Angaben zusammen, der Maßeinheit, die eine Vergleichsmenge bereitstellt, und der Maßzahl, welche angibt, wie oft ich die Vergleichsmenge hernehmen muß, um die zu messende Gr¨oße daraus zusammenzusetzen. Dabei wird heute durchg¨angig das SI-Maßsystem verwendet. 1 m und 1 s sind die Maßeinheiten f¨ ur L¨ ange und Zeit im SI-Maßsystem. angen Die Entfernung von 100 m = 100 LN entsteht, wenn wir 100 · 1 650 763,73 Wellenl¨ aus der o.g. Spektrallinie des Kryptonatoms hintereinanderlegen. Man schreibt l = 100 m und ebenso f¨ ur die Maßzahl l = 100 . Ein Zeitintervall dauert 2,5 s = 2,5 TN , wenn es mit der Dauer von 2,5 · 9 192 631 770 Schwingungen aus der o.g. Spektrallinie des C¨ asiumatoms u ¨ bereinstimmt. Man schreibt t =2,5 s und ebenso f¨ ur die Maßzahl t = 2, 5 . Das Meter und die Sekunde sind damit keine abstrakten Begriffe, sondern physikalische Eigenschaften von Atomen und Molek¨ ulen. Also k¨ onnen und werden wir die Instrumente unserer Messungen selbst zu Gegenst¨anden von Messungen machen. Insbesondere werden diejenigen Beobachtungen von grunds¨ atzlicher Bedeutung sein, die wir f¨ ur ruhende und bewegte Maßst¨abe bzw. Uhren feststellen. 1 Das Meter wurde urspr¨ unglich als der vierzigmillionste Teil des Erdumfanges verstanden. Wir vermeiden hier bewußt eine Definition des Meters mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit.
Raum · Zeit · Bewegung
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2
Inertialsysteme
Bewegung eines K¨orpers ist immer Bewegung in bezug auf einen anderen K¨ orper. Die Ordnung der Ereignisse in Raum und Zeit bedarf der Auszeichnung eines Systems fest miteinander verbundener K¨ orper, eines Bezugssystems, in welchem wir das Eintreten eines beliebigen Ereignisses messen. Im Grunde genommen kann man irgendeinen Bezugsk¨ orper nehmen. Aber nur bei bestimmten Bezugssystemen gelingt uns eine einfache Beschreibung der Bewegung, so daß wir tiefer in deren Gesetzm¨aßigkeiten eindringen k¨ onnen. Man ¨ denke an die kopernikanische Wende, den Ubergang vom geozentrischen Weltbild des ¨us zum heliozentrischen Weltbild des Kopernikus. Wir definieren: Ptolema Solche Bezugssysteme, in denen ein K¨orper in Ruhe oder gleichf¨ ormiger Bewegung verharrt, solange keine physikalischen Kr¨ afte auf ihn einwirken, heißen nach Galilei Tr¨ agheitssysteme bzw. Inertialsysteme. Gibt es die u ¨berhaupt?2 In einer f¨ ur viele Zwecke ausreichenden N¨aherung ist ein Laboratorium auf der Erde oder einfach unser H¨ orsaal ein solches Inertialsystem. F¨ ur genauere Messungen werden aber die Drehungen der Erde st¨ oren, ihre Bewegungen um die eigene Achse und um die Sonne, und dann vielleicht noch die Bewegung des ganzen Sonnensystems. Um m¨ oglichst sicher zu gehen, denken wir uns ein durch den Fixsternhimmel definiertes Bezugssystem Σo , s. Abb. 1 , wie es z.B. durch das Zentrum unserer Galaxis realisiert wird.3 Weiter wollen wir die Pr¨ azisierung dieses Inertialsystems Σo nicht treiben: Das Bezugssystem fest miteinander verbundener K¨ orper, die in bezug auf den Fixsternhimmel ruhen, ist ein Inertialsystem Σo . Bleibt ein kr¨ aftefreier K¨ orper, von Σo aus betrachtet, in gleichf¨ ormiger Bewegung, dann verharrt er in bezug auf ein System Σ im Ruhezustand, das durch diesen K¨ orper realisiert wird. Das mag uns gen¨ ugen, um von einem Inertialsystem Σo auf alle anderen zu schließen: Die Inertialsysteme werden durch die Gesamtheit der in bezug auf Σo gleichf¨ ormig bewegten Bezugssysteme realisiert.
2 Bald nach seiner Entdeckung der Speziellen Relativit¨ atstheorie hat A. Einstein[1] gezeigt, daß uns die universelle Massenanziehung, die Gravitation, zwingt, den theoretischen Rahmen noch einmal wesentlich zu erweitern. Das Verst¨ andnis der Speziellen Relativit¨ atstheorie, die eine in sich geschlossene Theorie ¨ darstellt, wird durch Uberschneidungen mit gravitativen Effekten aber nur erschwert. Wir wollen daher in diesem Buch alle Einfl¨ usse der Massenanziehung prinzipiell vernachl¨ assigen. Diese sind Gegenstand der Allgemeinen Relativit¨ atstheorie. 3 Wie man mit dem Foucaultschen Pendelversuch leicht zeigt, erf¨ ahrt ein an der H¨ orsaaldecke ¨ aufgeh¨ angtes mathematisches Pendel im Laufe der Zeit ohne die Einwirkung von Kr¨aften eine Anderung seiner Schwingungsebene, weil die Erde eben kein Inertialsystem ist. Die Erde dreht sich in bezug auf andert sich die Schwingungsebene des Pendels n¨ amlich Σo . Vom Inertialsystem Σo aus betrachtet, ver¨ nicht. Die Eigenschaft unserer sich drehenden Erde, in Strenge kein Inertialsystem zu sein, wird bei einem interessanten Pr¨ azisionsexperiment zur relativistischen Zeitdilatation besonders auff¨ allig, s. Aufg. 4, S. 265.
2 Inertialsysteme
15
* * Wagen Großer * * * * * *
* Σo
Polar stern
*
*
**
* * * * Kleiner Wagen
Cepheus
* * Drache * *
*
*
*
* *
*
*
*
*
* * * Lyra * *
*
*
* *
*
* * **
* ** *
* Schwan
*
*
* *
*
* * * *
*
Bootes
*
* * Herkules * *
* *
* ** * Krone * * * ** *
*
*
-x
*
Abb. 1: Die seit Jahrtausenden zueinander unver¨anderten Positionen der Fixsterne unserer Milchstraße definieren ein Bezugssystem, das wir im folgenden mit Σo bezeichnen.
Raum · Zeit · Bewegung
16
3
Koordinaten und Geschwindigkeiten
3.1 Ein Inertialsystem Wir begeben uns in ein beliebiges, dann aber festgehaltenes Inertialsystem und w¨ ahlen daf¨ ur das im vorangegangenen Kapitel definierte System Σo . Ein Ereignis wird durch vier Zahlenangaben beschrieben, drei f¨ ur den Ort und eine f¨ ur die Zeit. 3.1.1 Ortskoordinaten Wir w¨ ahlen willk¨ urlich im Raum einen Nullpunkt, den Koordinatenursprung O3 (0, 0, 0) , und drei zueinander senkrechte Richtungen der x-, y- und z-Achsen eines kartesischen Koordinatensystems. Durch Aneinanderlegen von hinreichend vielen unserer Normalmaßst¨abe LN werden damit jedem Punkt P (x) im Raum seine kartesischen Koordinaten (x) = (x, y, z) zugeordnet. Z.B. erreiche ich den Punkt P (2, −3, 5) vom Nullpunkt anfangend, in 2 Schritten mit dem Maß LN in x-Richtung, dann 3 in die negative y-Richtung und 5 in z-Richtung. Damit k¨ onnen wir in diesem Inertialsystem Geometrie betreiben, Entfernungen und Winkel messen und vergleichen. Man kann f¨ ur ein und denselben Punkt P auch irgendwelche anderen drei Zahlen als seine Koordinaten festlegen. Die einzige Bedingung ist nur die eineindeutige Zuordnung zum Zwecke der zweifelsfreien Auffindung des Punktes mit Hilfe seiner Koordinaten. Wir wollen uns auf die hier gegebene Definition der Ortskoordinaten eines Punktes festlegen: Die kartesischen Koordinaten (x) eines Punktes P (x) bestimmen wir in Σo als die Maßzahlen seiner Entfernung vom Koordinatenursprung O3 (0, 0, 0) .
3.1.2 Das Problem der Zeitmessung Mit der zeitlichen Ordnung von Ereignissen m¨ ussen wir vorsichtig sein. Wir verteilen die Normaluhren hinreichend dicht, so daß u ¨berall Uhren zur Verf¨ ugung stehen, und wir m¨ ussen die an verschiedenen Orten befindlichen Uhren synchronisieren, d.h. ’zeitgleich’ anstellen. Nun kommt ein Problem. Setzen wir die Uhren zuerst alle am Koordinatenursprung in Gang und verteilen sie danach u ¨ber den Raum, oder verteilen wir sie erst u ¨ber den Raum, bevor wir sie in Gang setzen. Woher wissen wir dann aber, wann wir die Uhr z.B. bei P (2, −3, 5) anstellen m¨ ussen, damit sie mit der Uhr am Ursprung O3 (0, 0, 0) synchron l¨ auft? Andererseits kann man mit Einstein[3] fragen, woher nehmen wir denn die Gewißheit, daß ”. . . der Bewegungszustand einer Uhr ohne Einfluß auf ihren Gang sei . . .”, so daß eine Einstellung der Uhren vor ihrer Verteilung u ¨ber den Raum danach nichts mehr wert w¨ are. Bereits 1898 kommt H. Poincare´[1,2] zu der folgenden bemerkenswerten Analyse: ”Es ist schwierig, das qualitative Problem der Gleichzeitigkeit von dem quantitativen Problem der Zeitmessung zu trennen: sei es, daß man sich eines Chronometers bedient, sei es, daß man ¨ einer Ubertragungsgeschwindigkeit, wie der des Lichtes, Rechnung zu tragen hat, da man eine solche Geschwindigkeit nicht messen kann, ohne eine Zeit zu messen. . . . Wir haben keine unmittelbare Anschauung f¨ ur Gleichzeitigkeit, ebensowenig f¨ ur die Gleichheit zweier Zeitintervalle.”
3 Koordinaten und Geschwindigkeiten
17
´ zieht den Schluß: ”Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder ihre Reihenfolge Poincare und die Gleichheit zweier Zeitr¨ aume m¨ ussen derart definiert werden, daß der Wortlaut der Naturgesetze so einfach wie m¨oglich wird. Mit anderen Worten, alle diese Regeln, alle diese Definitionen sind nur die Fr¨ uchte eines unbewußten Opportunismus.” F¨ ur die Synchronisation zweier Uhren UA und UB an den Endpunkten A und B einer Strecke der L¨ange l brauchen wir eine Geschwindigkeit. Der Zeiger der Uhr UA werde auf t1 gestellt, wenn ein Lichtsignal, ein Photon der Geschwindigkeit c , an ihr vorbeieilt. Erreicht das Signal die Uhr UB am Endpunkt B der Strecke, so wird deren Zeiger auf ts = t1 + l/c gestellt und l¨ auft dann mit der Uhr UA synchron, Abb. 2. Woher kennen wir aber die Lichtgeschwindigkeit, die Geschwindigkeit der Photonen? Wir ¨ m¨ ussen die Zeit ts − t1 messen, die das Licht zur Uberwindung der Strecke l ben¨ otigt und bilden damit die Geschwindigkeit c = l/(ts − t1 ) . Hier ist ts − t1 die Differenz der Zeigerstellungen der beiden Uhren an den Endpunkten der Strecke, Abb. 2. Dazu m¨ ussen die beiden Uhren aber vorher synchronisiert worden sein, was wir wiederum mit dem Licht gerade erst tun wollten. Wir drehen uns im Kreis, d.h., wir finden Poincare´ best¨atigt:
Die Kenntnis einer Geschwindigkeit erlaubt die Definition der Gleichzeitigkeit. Die Definition der Gleichzeitigkeit erlaubt die Messung von Geschwindigkeiten.
(1)
Wie kommen wir also weiter? F¨ ur das System Σo postulieren wir eine Grunderfahrung, die Homogenit¨ at und Isotropie unserer Raum-Zeit: Es ist m¨oglich, die Uhren in Σo so zu synchronisieren, daß an jedem Ort und in jeder Richtung dieselben physikalischen Eigenschaften gemessen werden. F¨ ur das Licht wird dann in jeder Richtung dieselbe Geschwindigkeit festgestellt.
-c
(2)
−c
t1 # ` ` ` 6 ` ` ` `` t2 UA ` ` ` ` "!
# ` ts = t 1 + ` ` ` UB ` ` ` ` "!
l c
l A
B
Abb. 2: Nehmen wir f¨ur das Inertialsystem Σo Isotropie an, dann gelingt die Messung der oglicht damit auch die Synchronisation Lichtgeschwindigkeit mit einer einzigen Uhr UA und erm¨ der Uhren UA und UB im System Σo .
Erreicht das am Anfangspunkt A unserer Strecke l zur Zeit t1 ausgesandte Lichtsignal den Endpunkt B , dann wird ein Lichtsignal zur¨ uckgeschickt, welches am Ausgangspunkt A zur Zeit t2 ankommt. Auf Grund der angenommenen Isotropie haben wir nun sichergestellt, daß die Lichtgeschwindigkeit c in beiden Richtungen denselben Wert hat, und wir finden f¨ ur diese Geschwindigkeit c der Photonen
Raum · Zeit · Bewegung
18
2l . (3) t 2 − t1 2l cDie = Zeiten t.1 und t2 werden mit ein und derselben Uhr UA am Anfangspunkt A der (3) t 2 − t1 Strecke gemessen.4 F¨ ur den numerischen Wert der Lichtgeschwindigkeit c messen wir Die Zeiten t1 und t2 werden mit ein und derselben Uhr UA am Anfangspunkt A der 4 −1 Strecke F¨ ur. den numerischen Wert der Lichtgeschwindigkeit c messen wir (4) c = 299gemessen. 792 458 ms Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c=
Mit bestimmten im Vakuum k¨ onnen nun alle(4) im c =der 299so 792 458 ms−1 . Geschwindigkeit c der Photonen Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ¨ Raum verteilten Uhren synchronisiert werden. Dabei beziehen sich unsere Uberlegungen Mit bestimmten Photonen Vakuum onnen alle im zun¨ ader chstsonur auf das eineGeschwindigkeit Inertialsystem Σc o der . Die Uhr UB im l¨ auft mit derk¨ Uhr UAnun synchron, ¨ Raum verteilten Uhren synchronisiert werden. Dabei beziehen wenn sie bei der Ankunft des Signals die Zeigerstellung ts hat, sich unsere Uberlegungen zun¨ achst nur auf das eine Inertialsystem Σo . Die Uhr UB l¨ auft mit der Uhr UA synchron, wenn sie beil der Ankunft des Signals die Zeigerstellung ts hat, Vorschrift zur Synchronisation der Uhren ts = t 1 + . (5) im System Σo c l Vorschrift zur Synchronisation der Uhren ts = t 1 + . (5) Sind alle Uhren synchronisiert, dann nennen wir dieΣZeit t die vierte Koordinate eines im System c o Ereignisses E(x, t) am Ort P (x) : Sind alle Uhren synchronisiert, dann nennen wir die Zeit t die vierte Koordinate eines Ereignisses E(x, t) am Ort PEreignisses (x) : Die Zeitkoordinate t eines E(x, t) bestimmen wir in Σo als die Maßzahl der Zeitmessung am Ort P (x) . Die Zeitkoordinate t eines Ereignisses E(x, t) bestimmen wir in Σo als die Maßzahl der amt) Ort Jedes Zeitmessung Ereignis E(x, wirdP (x) also. durch vier Zahlen charakterisiert, drei f¨ ur den Ort und eine f¨ ur die Zeit. Alle Ereignisse erhalten damit sowohl eine r¨ aumliche als auch zeitliche Jedes Ereignis t) wird alsovieler durch vier Zahlen charakterisiert, dreizweckm¨ f¨ ur denaßig, Ort zwei und Ordnung. F¨ ur E(x, die Darstellung Probleme ist es ausreichend und eine f¨ ur die Zeit. Alle Ereignisse erhalten damit sowohl eine in r¨ aumliche als auch zeitliche Raumdimensionen zu unterdr¨ ucken und das Inertialsystem einem zweidimensionalen Ordnung. F¨ ur die Darstellung vielerDas Probleme esEausreichend und Raum-Zeit-Diagramm darzustellen. Ereignisist E(x , tE ) ist dann einzweckm¨ Punkt aPßig, der E inzwei Raumdimensionen ucken und das Inertialsystem in einem zweidimensionalen x-t-Ebene, Abb. 3. zu unterdr¨ Raum-Zeit-Diagramm darzustellen. Das Ereignis E(xE , tE ) ist dann ein Punkt PE in der t x-t-Ebene, Abb. 3. 6 t tE 6 rPE (xE , tE ) rPE (xE , tE )
tE p
O(0, 0)
xE
-x
-x p 0) E in der x-t-Ebene ein Punkt PE mit den Koordinaten xE and tE Ereignis E xist Abb.O(0, 3: Jedem zugeordnet.
Abb. 3: Jedem Ereignis E ist in der x-t-Ebene ein Punkt PE mit den Koordinaten xE and tE zugeordnet. 4
Im Prinzip k¨ onnten wir die Photonen auch durch irgendwelche K¨ orper K ersetzen, denen durch eine Pr¨ azisionsmaschine stets ein und dieselbe Geschwindigkeit v erteilt wird. Man kann aus experimentellen Gr¨ u4 nden damit k¨ aber niewir diedie Genauigkeit wieirgendwelche bei Messungen mit K demersetzen, Licht. Die Konstruktion Im Prinzip onnten Photonen erreichen auch durch K¨ orper denen durch eine einer solchen Maschine aein ngtund vondieselbe willk¨ urlichen technischenvVorgaben ab, w¨ ahrend Photonen von der Pr¨ azisionsmaschine stetsh¨ Geschwindigkeit erteilt wird. Man kanndie aus experimentellen Natur selbst, vonaber angeregten Atomen odererreichen Molek¨ ulen, in derselbenmit Weise Gr¨ unden damit nie die Genauigkeit wiestets bei Messungen demerzeugt Licht. werden. Die Konstruktion einer solchen Maschine h¨ angt von willk¨ urlichen technischen Vorgaben ab, w¨ ahrend die Photonen von der Natur selbst, von angeregten Atomen oder Molek¨ ulen, stets in derselben Weise erzeugt werden.
3 Koordinaten und Geschwindigkeiten
19
3.1.3 Die Relativgeschwindigkeit Wir sind nun in der Lage, in unserem Inertialsystem Σo die Geschwindigkeiten beliebiger Objekte zu messen und zu vergleichen. Die Position eines Objektes K werde auf der x-Achse durch x1 = x1 (t) beschrieben. Bei diesem Objekt kann es sich um einen K¨orper, wie z.B. eine Stahlkugel, oder auch um die Front einer Lichtwelle handeln. Beiden ist gemeinsam, daß sie eine Energie transportieren und daher ein Signal u ¨berbringen k¨ onnen. Man kann sich aber auch vorstellen, daß wir z.B. ein sehr langes Lineal um einen kleinen Winkel α gegen die x-Achse neigen. Das ’Objekt’ sei nun der Schnittpunkt dieses Lineals mit der x-Achse. Bewegen wir das Lineal in Richtung der negativen y-Achse mit einer Geschwindigkeit g , so hat die Position des Schnittpunktes mit der x-Achse eine Geschwindigkeit v = g/ tan α in x-Richtung. Hierbei wird keine Energie in x-Richtung transportiert und daher in dieser Richtung auch kein Signal u ¨bermittelt, Abb. 4. Σo 6
×
α
-v
? g
-x
Abb. 4: Zur Existenz beliebig großer Geschwindigkeiten (Erl¨auterungen im Text). Unabh¨ angig von ihrer physikalischen Natur bestimmen wir die Geschwindigkeit v der durch x1 = x1 (t) beschriebenen ’Objekte’ gem¨aß der Gleichung v = zur¨ uckgelegter Weg/Zeitdifferenz , also v = ∆x1 /∆t bzw. genauer v = dx1 /dt . Bei dem u ¨ ber die x-Achse eilenden Schnittpunkt kann man diese Geschwindigkeit durch eine entsprechende Verkleinerung des Neigungswinkels α beliebig groß machen. Physikalisch ist das vollkommen ohne Belang. Bei der Stahlkugel und der Front der Lichtwelle ist das etwas anderes. Hier ist v die Transportgeschwindigkeit einer Energie. Eine m¨ ogliche Grenze f¨ ur die Gr¨ oße dieser Geschwindigkeiten ist nun eine physikalische Aussage und wird zu untersuchen sein, s. Aufg. 7, S. 271. Wir nehmen nun ein zweites Objekt L hinzu, das sich gem¨ aß x = x(t) auf der x-Achse mit der Geschwindigkeit u = dx(t)/dt bewegen m¨oge. Wir k¨ onnen dann nach der Relativgeschwindigkeit w fragen, die wir gem¨ aß5 d w := (6) [x(t) − x1 (t)] , dt definieren, mit der sich das Objekt L dem Objekt K auf der x-Achse n¨ahert, Abb. 5, w =u−v 5 Die
←→
u=w+v .
Relativgeschwindigkeit w zweier Objekte in einem Inertialsystem
mathematische Bedeutung des Zeichens ” := ” ist definitionsgem¨ aß gleich.
(7)
Raum · Zeit · Bewegung
20 Σo L t
-u
K t
-v -x
x=0
x(t)
x1 (t)
Abb. 5: Die Relativgeschwindigkeit. Die Objekte L und K m¨ogen im Inertialsystem Σo die ahert sich das Objekt L in Σo Geschwindigkeiten u = dx/dt bzw. v = dx1 /dt besitzen. Dann n¨ dem Objekt K mit der Relativgeschwindigkeit w = u − v . Ist z.B. v = 0, 8 c und u = 0, 9 c , dann n¨ ahert sich das Objekt L mit der Relativgeschwindigkeit w = 0, 1 c dem Objekt K .
Diese Relativgeschwindigkeit w ist also gem¨aß (6) nichts anderes als die Definition der ¨ zeitlichen Anderung einer Koordinatendifferenz. Zwei aufeinander zufliegende Stahlkugeln mit v = 0, 9 c und u = −0, 9 c n¨ ahern sich daher mit einer Relativgeschwindigkeit w = −0, 9 c − 0, 9 c = −1, 8 c , und f¨ ur zwei aufeinander zueilende Lichtwellen ergibt sich eine von Σo aus gemessene Relativgeschwindigkeit von w = −c − c = −2 c , also vom Betrag her die doppelte Lichtgeschwindigkeit. Daran ist nichts Besonderes. Es handelt sich bei der Relativgeschwindigkeit w nicht um die Geschwindigkeit einer Energie¨ ubertragung. Von dieser Relativgeschwindigkeit w begrifflich streng zu unterscheiden ist die Geschwindigkeit u des Objektes L , die ein Beobachter feststellt, welcher sich auf dem K¨orper K befindet, also relativ zu K ruhend, wobei der K¨ orper K zum System Σo wieder die Geschwindigkeit v besitzen m¨oge. Der Zusammenhang zwischen u und u ist Gegenstand der Additionstheoreme der Geschwindigkeiten und soll anhand von Abb. 6 besprochen werden. Dies ist stets eine Aussage u ¨ ber zwei Inertialsysteme und setzt die Kenntnis der Koordinaten-Transformationen voraus, die wir nun untersuchen wollen.
3.2 Zwei Inertialsysteme Wir nehmen jetzt ein zweites Inertialsystem Σ hinzu, welches in bezug auf Σo die konstante Geschwindigkeit v besitzen m¨oge. Auch in Σ verf¨ ugen wir u ¨ber dieselben dort ruhenden Normalmaßst¨ abe und Normaluhren wie in Σo , da uns dort dieselben Atome und Molek¨ ule zur Verf¨ ugung stehen. Zur Definition der Ortskoordinaten (x ) eines Punktes P (x ) verfahren wir ebenso wie in Σo und fixieren einen Nullpunkt O3 (0, 0, 0) : Die kartesischen Koordinaten (x ) eines Punktes P (x ) bestimmen wir in Σ als die Maßzahlen seiner Entfernung vom Koordinatenursprung O3 (0, 0, 0) . Wir nehmen ferner an, daß wir auch in Σ hinreichend viele dort ruhende Uhren verteilt haben. Vorbehaltlich einer noch ausstehenden Synchronisation dieser Uhren werden wir als Zeitkoordinate t die Zeigerstellungen dieser Uhren definieren: Die Zeitkoordinate t eines Ereignisses E(x , t ) bestimmen wir in Σ als die Maßzahl der Zeitmessung am Ort P (x ) .
3 Koordinaten und Geschwindigkeiten
21
3.2.1 Koordinaten-Transformationen Jedes Ereignis E k¨ onnen wir sowohl in Σo als auch in Σ beschreiben, E(x, t) = E(x , t ) .
(8)
Der Zusammenhang zwischen den gestrichenen und den ungestrichenen Koordinaten heißt Koordinaten-Transformation. Wir ber¨ ucksichtigen die Geschwindigkeit v von Σ in bezug auf Σo als Parameter und schreiben auch die Umkehrungen der Funktionen mit auf, x = f1 (x, t, v) , y = f2 (x, t, v) , z = f3 (x, t, v) ,
←→
t = f4 (x, t, v) ,
⎫ x = ϕ1 (x , t , v) , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ y = ϕ2 (x , t , v) , ⎬ z = ϕ3 (x , t , v) , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ t = ϕ4 (x , t , v) .
Allgemeine Transformation der Koordinaten
(9)
Als Anfangsbedingung nehmen wir ein Ereignis O an, derart, daß der Koordinatenursprung O3 zur Zeit t = 0 mit O3 zur Zeit t = 0 zusammenf¨ allt,
Ereignis O :
x = 0 , y = 0 , z = 0 , t = 0 ,
←→
x=0, y =0, z =0, t=0 .
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Anfangsbedingung
(10)
3.2.2 Das Additionstheorem der Geschwindigkeiten Die allgemeine Form der Koordinaten-Transformation (9) hat eine wichtige Konsequenz: ein Additionstheorem der Geschwindigkeiten, das uns noch mehrfach besch¨ aftigen wird. F¨ ur einen K¨ orper K , der sich in Σo gem¨aß x1 = x1 (t) in x-Richtung bewegt, werde dort die Geschwindigkeit v = dx1 (t)/dt gemessen. Dieser K¨orper realisiere das Inertialsystem Σ . Von Σo aus werde f¨ ur ein weiteres ’Objekt’ L die Bewegung x = x(t) in x-Richtung mit der Geschwindigkeit u = dx(t)/dt beobachtet. F¨ ur dasselbe Objekt L wird von Σ aus eine Bewegung x = x (t ) festgestellt und also eine Geschwindigkeit u = dx (t )/dt beobachtet, vgl. Abb. 6, K¨ orper K
K¨ orper L
Σo :
v=
dx1 , dt
u=
dx , dt
Σ :
v =
dx1 := 0 , dt
u =
dx . dt
Der Zusammenhang zwischen u und u wird durch die Transformationsformeln (9) festgelegt. Wir beschr¨anken uns auf Bewegungen in x-Richtung und finden mit Hilfe der Kettenregel der Differentiation
Raum · Zeit · Bewegung
22 Σ L t
K t
-u
-u q x (t )
q x =0 q
q
x=0
-x
q Σo
-v
q
q q-w x(t)
q -x
q x1 (t)
Abb. 6: Additionstheorem der Geschwindigkeiten. Der K¨orper K und ein ’Objekt’ L m¨ogen im ahert Inertialsystem Σo die Geschwindigkeiten v = dx1 /dt bzw. u = dx/dt besitzen. Dann n¨ orper K mit der Relativgeschwindigkeit w = u − v . Diese sich das Objekt L in Σo dem K¨ Geschwindigkeit w ist i. allg. sehr verschieden von der Geschwindigkeit u , mit der sich nach Aussage des auf dem K¨ orper K sitzenden Beobachters das Objekt L dem K¨ orper K n¨ ahert. Die strichpunktierten Linien verbinden Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
u =
dx dx = dt dt
dt dt
−1 =
d f1 x(t), t, v dt
=
∂f1 dx ∂f1 + ∂x dt ∂t
d f4 x(t), t, v dt
−1
∂f4 dx ∂f4 + ∂x dt ∂t
, −1 ,
also mit u = dx/dt ,
u =
∂f1 ∂f1 u+ ∂x ∂t
∂f4 ∂f4 u+ ∂x ∂t
−1 Additionstheorem der Geschwindigkeiten (11) . zur Transformation (9)
Die Gleichung (11) stellt die allgemeine Form eines Additionstheorems der Geschwindigkeiten dar, wie es durch die allgemeine Transformation (9) erzwungen wird. Erst mit Einsteins[1] Spezieller Relativit¨ atstheorie war dieser Begriff in der Physik aufgekommen. Dieses Theorem wird im folgenden noch eine wichtige Rolle spielen.
23
4
Die speziellen Koordinaten-Transformationen
In diesem Kapitel ist es unser Ziel, eine solche Darstellung f¨ ur den Zusammenhang von zwei Inertialsystemen zu geben, daß wir damit gleichermaßen m¨ uhelos sowohl die klassische als auch die relativistische Raum-Zeit erfassen. Wir orientieren die kartesischen Koordinaten der Bezugssysteme achsenparallel und betrachten nur Bewegungen von Σ mit konstanter Geschwindigkeit v in einer Achsenrichtung von Σo , hier der x-Richtung. Wir sprechen dann von speziellen Koordinaten-Transformationen.6 Die ungestrichenen Koordinaten (x, t) sollen f¨ ur das System Σo verwendet werden. Inertialsysteme mit Geschwindigkeiten v bzw. u in x-Richtung von Σo heißen stets Σ mit den gestrichenen Koordinaten (x , t ) bzw. Σ mit (x , t ) . Im n¨achsten Kapitel untersuchen wir sehr genau, welche Aussagen die KoordinatenTransformationen u ¨ber L¨ angen und Schwingungsperioden von bewegten Maßst¨ aben und Uhren beinhalten. Die folgende, zuerst von H.A. Lorentz formulierte, allereinfachste Erfahrung wollen wir hier bereits voranstellen: F¨ ur einen Stab, der sich quer zu seiner Linearausdehnung bewegt, wird dieselbe L¨ ange gemessen wie im Ruhezustand. Daraus folgt:
(12)
y = y ,
(13)
z = z .
In der Tat: Ein Stab ruhe auf der y -Achse von Σ mit den Endkoordinaten 0 und y . Die Koordinaten haben wir als die Maßzahlen der L¨ angen bestimmt. Folglich wird im System Σ f¨ ur seine L¨ ange der Wert y gemessen. Mit (10) und (13) besitzt der Stab in Σo dann dieselben Endkoordinaten 0 und y = y und zwar unabh¨ angig von der Zeit, zu der wir diese Koordinaten messen. Also wird auch dort seine L¨ ange y = y festgestellt. Es sind keine Beobachtungen bekannt geworden, die diese Aussage in Frage stellen. Zwischen den gestrichenen und ungestrichenen Koordinaten eines Ereignisses E , E(x, t) = E(x , t ) , (14) geht es also noch um folgenden Zusammenhang, x = ϕ1 (x , t , v) , x = f1 (x, t, v) , ←→ (15) t = f4 (x, t, v) , t = ϕ4 (x , t , v) . Ein in Σ ruhender Punkt Po habe dort die unver¨ anderliche Koordinate xo . Zeitpunkt to in Σo beobachtet, befinde er sich dort an der Position xo , also
Zum
xo = f1 (xo , to , v) . Wir nutzen jetzt aus, daß v konstant ist. In Σo ist der Punkt Po dann zur Zeit to + t an der Position xo + v t , w¨ ahrend seine Koordinate xo in Σ unver¨ andert geblieben ist, xo = f1 (xo + v t, to + t, v) = f1 (xo , to , v) .
(16)
ullen wir diese Gleichung durch den Ansatz F¨ ur beliebiges xo und to erf¨ x = f1 (x, t, v) = f (x − v t, v) .
F¨ ur v = const (17)
6 Der Terminus ’speziell’ wird in diesem Sinne bei den ’speziellen Lorentz-Transformationen’ verwendet. In der ’Speziellen Relativit¨ atstheorie’ hat er eine andere Bedeutung. Dabei geht es um den Unterschied zur Allgemeinen Relativit¨ atstheorie, der Theorie von Raum, Zeit und Gravitation.
Raum · Zeit · Bewegung
24
4.1 Die Definition der Gleichzeitigkeit Wir bemerken nun, daß die Funktion f4 (x, t, v) der Transformation (15) eine Verf¨ ugung dar¨ uber enth¨ alt, wann die Uhren von Σ in Gang gesetzt werden. Ausgehend von der Synchronisation der Uhren im System Σo , besitzt n¨ amlich diejenige in Σ ruhende Uhr, welche sich in Σo zur Zeit t = 0 gerade an der Position x befindet, gem¨ aß (15) die Zeigerstellung t = f4 (x, 0, v) . Dies nennen wir die allgemeine Synchronfunktion Ω , Allgemeine (18) Synchronfunktion
Ω(x, v) := f4 (x, 0, v) .
Wir haben die Koordinaten als Maßzahlen der Orts- und Zeitmessungen gew¨ ahlt. Die Koordinaten-Transformationen (15) enthalten dann zwei vollkommen unterschiedliche Aussagen: zum einen eine Definition, n¨ amlich die eben benannte, im Prinzip frei w¨ ahlbare Synchronisationsvorschrift (18) f¨ ur die Uhren von Σ , und zum anderen eine physikalische Aussage u ¨ber das Verhalten bewegter und ruhender Maßst¨ abe und Uhren, die wir in Kap. 5 diskutieren werden. Dabei ist folgendes zu beachten. Solange wir lokal messen, so daß nur die Zeit an einem Ort interessiert, sind alle gemessenen Effekte von der Definition der Gleichzeitigkeit unabh¨ angig. Wir gehen darauf in Kap. 14, S. 63, ausf¨ uhrlicher ein. Um die Koordinaten-Transformationen m¨ oglichst einfach zu halten, werden wir uns auf solche Synchronfunktionen beschr¨ anken, die in der x-Koordinate linear sind. Von allen m¨ oglichen Uhreneinstellungen Ω(x, v) in den Systemen Σ betrachten wir also im folgenden ausschließlich die in x linearen Funktionen. Wir schreiben dann anstelle von Ω(x, v) die Funktion τ (x, v) mit einem Synchronparameter θa , Abb. 7, Lineare Synchronfunktion
f4 (x, 0, v) = τ (x, v) = θ(v) x .
(19)
Σ t = 0 # # ` ` t ` ` ` ` ` ` = 7, 5 # t = −7, 5# ` ` ` ` 6 ` -v ` ` ` v v v I @ - t = 15 @ ` ` ` ` Ux ` ` ` ` ` ` ` ` v` ` ` ` "! "! "! "! - x x x x q q x1 = 0 q 2 q 3 Σo E O B F t=0 q t=0 q t=0 q t=0 q # # # # ` ` ` ` ` ` ` ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` ` ` ` Uo ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` "! "! "! "! q q q q -x x2 x x3 x1 = 0 Abb. 7: Die Definition einer Gleichzeitigkeit in Σ durch die Festlegung einer willk¨urlichen, linearen Synchronfunktion τ (x, v) = f4 (x, 0, v) = θ(v) x . Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen, hier die Ereignisse E, O, B, F .
4 Die speziellen Koordinaten-Transformationen
25
4.2 Die linearen Transformationsformeln Wenn wir rein logisch die M¨ oglichkeit zulassen, daß die L¨ ange eines Stabes und die Schwingungsdauer einer Uhr von ihrer Geschwindigkeit abh¨ angen, dann wollen wir diese denkbaren Eigenschaften der in Kap. 3, Gleichung (2), S. 17, formulierten allgemeinen Erfahrung von der Homogenit¨ at und der Isotropie des Raumes und der Zeit unterwerfen, die wir nach wie vor nur f¨ ur das System Σo betrachten: Im System Σo gilt: Die Quotienten aus bewegter und ruhender L¨ ange eines Stabes und aus bewegter und ruhender Schwingungsdauer einer Uhr h¨ angen weder (20) von den Koordinaten (x, t) noch von der Stabl¨ ange oder der Schwingungsdauer selbst ab, sondern allein von der Geschwindigkeit ihrer Bewegung. Wenn wir auch die Definition der Gleichzeitigkeit mit Hilfe der linearen Synchronisation (19) der Homogenit¨ atsforderung anschließen, dann folgt aus (20), daß die Transformationen (15) nun insgesamt in den Koordinaten (x, t) linear werden, Aufg. 2, S. 263. Mit (13) und (17) gilt dann also
x = k (x − v t) , t = θ x + q t ,
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ←→ ⎪ θ k ⎪ ⎪ t=− x + t , ⎪ ⎪ ⎬ ∆ ∆
y =y ,
x=
q vk x + t , ∆ ∆
z =z,
∆ = k (v θ + q) , k = k(v) , q = q(v) , θ = θ(v) .
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Spezielle Transformation (21) der Koordinaten
Die Gleichungen (21) enthalten nun noch 3 Parameter, k(v) , q(v) und θ(v) , in denen das ganze Geheimnis von klassischer oder relativistischer Physik verborgen ist.
Raum · Zeit · Bewegung
26
4.3 Das Additionstheorem der Geschwindigkeiten Mit der linearen Transformationen (21), also f1 = k x − k v t und f4 = θ x + q t erhalten wir aus der allgemeinen Form (11) des Additionstheorems der Geschwindigkeiten nun die Gleichungen
u = k
u−v q u + v k Additionstheorem der Geschwindigkeiten ←→ u = . θu+q −θ u + k zur Transformation (21)
(22)
Ein Spezialfall ist aufschlußreich. Der K¨ orper L m¨oge in Σo ruhen. Seine Geschwindigkeit ist dann also u = uo = 0 , und uo wird die Geschwindigkeit, die ein im System Σ ruhender Beobachter f¨ ur L und damit f¨ ur das System Σo feststellt,
uo =
−k v . q
In Σ gemessene Geschwindigkeit (23) f¨ ur das System Σo
Mißt der in Σo ruhende Beobachter f¨ ur das System Σ die Geschwindigkeit v , dann −k v mißt der in Σ ruhende Beobachter f¨ ur Σo die Geschwindigkeit uo = . q Wir werden sehen, wie diese i. allg. zwischen den Systemen Σo und Σ bestehende merkw¨ urdige Asymmetrie durch die Definition der Gleichzeitigkeit in den Systemen Σ reguliert wird.
27
5
Bewegte Maßst¨ abe und Uhren
¨ Die Ergebnisse dieses Kapitels beanspruchen f¨ ur den weiteren Gang unserer Uberlegungen eine Schl¨ usselstellung. Wir machen hier die Instrumente unserer Messungen, d.h. Maßst¨ abe und Uhren, selbst zu Objekten von Messungen. Wir vergleichen die L¨ ange lv eines bewegten Stabes mit der L¨ange lo desselben Stabes im Ruhezustand. Und wir vergleichen die Schwingungsdauer Tv einer bewegten Uhr mit der Schwingungsdauer To derselben Uhr, wenn sie ruht. Wir werden herausfinden, wie diese Eigenschaften in den Koordinaten-Transformationen (21) verankert sind. F¨ ur die Rechnungen wollen wir dabei stets die in (21) angenommene Anfangsbedingung (10) beachten, d.h., f¨ ur (x = 0, t = 0) ist auch (x = 0, t = 0) .
5.1 Bewegte und ruhende Maßst¨ abe Um die L¨ange eines Stabes in einem Bezugssystem auszumessen, brauchen wir die Koordinaten seiner Endpunkte. Es macht nun aber einen wesentlichen Unterschied, ob dieser Stab in bezug auf dieses System ruht, oder ob er sich relativ zu dem messenden Beobachter bewegt. Im ersten Fall ist es egal, zu welchen Zeiten wir die Koordinaten seiner Endpunkte feststellen. Sie bleiben unver¨ andert. Unter der Ruhl¨ ange lo eines Stabes verstehen wir diejenige L¨ange, die ein relativ zu dem Stab ruhender Beobachter feststellt. Sie wird durch die Differenz der Koordinaten seiner Endpunkte bestimmt. Wir konstatieren, daß wir in allen Inertialsystemen u ¨ber dieselben Normalmaßst¨ abe verf¨ ugen. Ihre Ruhl¨ ange ist unabh¨ angig von dem Bezugssystem, in dem sie gemessen wird: Die Ruhl¨ ange lo eines Stabes ist eine unver¨anderliche Materialgr¨ oße.
(24)
Anders verh¨ alt es sich, wenn wir die L¨ange eines bewegten Stabes bestimmen wollen. Seine auf der x-Achse beobachteten Endpunkte x1 und x2 ¨andern sich nun mit der Zeit, x1 = x1 (t) und x2 = x2 (t) . Es macht dann wenig Sinn, den linken Endpunkt zu einer Zeit t1 zu messen, den rechten vielleicht zehn Minuten sp¨ ater, zu einer Zeit t2 , um die Differenz x2 (t2 ) − x1 (t1 ) mit t2 = t1 als seine L¨ange auszugeben. Vielmehr wollen wir uns der allgemein akzeptierten Definition anschließen: Die L¨ange lv eines mit der Geschwindigkeit v bewegten Stabes wird definiert als die Differenz x2 (t) − x1 (t) = lv der Koordinaten seiner Endpunkte zu ein und (25) derselben Zeit t . Mithin impliziert diese Definition die Definition einer Gleichzeitigkeit ! Die ’bewegte L¨ange’ lv ist alles andere als ein von vornherein feststehender Begriff. In Σo haben wir die Gleichzeitigkeit auf die Hypothese der Isotropie gegr¨ undet. Damit ist auch die bewegte L¨ange in Σo wohl definiert, s. auch Aufg. 1, S. 262. F¨ ur alle anderen Systeme Σ haben wir die Gleichzeitigkeit mit Hilfe der linearen Synchronfunktion τ (x, v) = θ(v) x an die Synchronisation der Uhren in Σo angeschlossen. Eine von Σ aus gemessene bewegte L¨ange lv wird daher i. allg. von der Wahl dieses Parameters θ(v) abh¨ angen. Mit der Bewertung der Aussage, daß ein bewegter Stab gegen¨ uber seiner Ruhl¨ ange z.B. verk¨ urzt ist, werden wir also sehr sorgf¨ altig umgehen m¨ ussen.
Raum · Zeit · Bewegung
28
Ein Stab m¨ oge mit dem linken Endpunkt x1 im Koordinatenursprung auf der x -Achse eines Systems Σ ruhen, so daß dort seine Ruhl¨ ange lo als die Koordinate seines rechten Endpunktes gemessen wird, x1 = 0 , x2 = lo . Von Σo aus beobachtet, bewegen sich die Endpunkte gleichf¨ ormig. Wir schreiben x1 = x1 (t) und x2 = x2 (t). Wir wollen die L¨ ange lv = x2 (t) − x1 (t) des im System Σo mit der Geschwindigkeit v bewegten Stabes bestimmen. Dazu ben¨otigen wir die Lage seiner Endpunkte x1 = x1 (t) und x2 = x2 (t) zu ein und derselben Zeit t in Σo , also z.B. f¨ ur t = 0 , Abb. 8. Σ t = 0 # ` ` ` 6 ` ` ` ` ` Σo "! q 0 x1 = t=0 q # ` ` ` 6 ` ` ` ` ` "! q x1= 0
-v
- x
q l x2 = o q t = 0 # ` ` ` 6 ` ` ` ` ` "! q x2= lv
-x
Abb. 8: Die Messung der L¨ange lv eines bewegten Stabes (Erl¨auterungen im Text). Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
Die Meßwerte f¨ ur den linken Endpunkt (x1 = 0, t = 0) in Σ sowie (x1 (0) = 0, t = 0) in Σo sind einfach durch die Anfangsbedingung (10) gegeben. Der rechte Endpunkt besitzt voraussetzungsgem¨aß zu jeder Zeit t in Σ die Koordinate x2 = lo . Messen wir in Σo zur Zeit t = 0 f¨ ur den rechten Endpunkt die Koordinate x2 (0) , dann gilt also wegen der Transformation x = k(x−v t) aus (21) die Gleichung lo = k x2 (0). F¨ ur die in Σo gleichzeitigen Positionen der Endpunkte des Stabes erhalten wir damit ⎫ ⎬ 1 L¨ange lv eines in Σo (26) Σo : t = 0 , lo −→ lv = x2 (0) − x1 (0) = k lo .⎭ bewegten Stabes x2 (0) = , k x1 (0) = 0 ,
Es folgt Σo :
L¨ ange des in Σo bewegten Stabes 1 lv = = . Ruhl¨ ange des Stabes lo k
(27)
ur den in der Die in Σo geltende Gleichung (27) ist die physikalische Interpretation f¨ Koordinaten-Transformation (21) stehenden Parameter k . Wie die Funktion k = k(v) aussieht, k¨ onnen wir gem¨ aß (27) durch Pr¨ azisionsmessungen im System Σo entscheiden. Interessant ist auch die Umkehrung der Fragestellung, wenn der Stab mit der Ruhl¨ ange lo auf der x-Achse des Systems Σo ruht und nun vom System Σ aus beobachtet wird. Da ¨ dies auf den Fortgang unserer Uberlegungen aber ohne Einfluß ist, betrachten wir diesen Fall im Anhang, Kap. 31, S. 209.
5 Bewegte Maßst¨abe und Uhren
29
5.2 Bewegte und ruhende Uhren Unter einer Uhr verstehen wir ein schwingungsf¨ ahiges System. Die Zeigerstellung, das ist die auf der Uhr abgelesene Zeit t , z¨ahlt die Anzahl ihrer Schwingungen. Wir wollen die Periodendauer T einer Uhr U ∗ bzw. ihre Zeitangabe t messen, d.h. mit unseren ¨ Normaluhren beobachten, s. Abb. 9. Andert sich bei der Uhr U ∗ deren Periodendauer, dann a¨ndert sich die von ihr angezeigte, die auf ihr ’abgelaufene Zeit’. Verl¨ angert sich die Periodendauer, dann r¨ uckt der Zeiger langsamer voran. Die Zeitangabe ist umgekehrt proportional zur Periodendauer. Dabei ist angenommen, daß die Bauart der Uhr unangetastet bleibt. Wir fragen, ob die bewegte Uhr U ∗ eine andere Zeit anzeigt als die ruhende.7 Unter der Eigenperiode To einer Uhr U ∗ verstehen wir diejenige Schwingungsdauer, die wir mit einer Normaluhr feststellen, die relativ zu U ∗ ruht. Wir konstatieren, daß wir in allen Inertialsystemen u ¨ber dieselben Normaluhren verf¨ ugen. Deren Eigenperiode ist unabh¨ angig von dem Bezugssystem, in dem sie gemessen wird: Die Eigenperiode To einer Uhr ist eine unver¨ anderliche Materialgr¨ oße.
(28)
Wenn wir die Zeitangabe einer bewegten Uhr beobachten wollen, brauchen wir stets zwei Normaluhren, um an zwei verschiedenen Positionen, an denen die bewegte Uhr vorbeikommt, einen Zeitvergleich, einen Vergleich der Zeigerstellungen, vornehmen zu k¨ onnen. Eine Uhr U ∗ m¨oge im Koordinatenursprung von Σ ruhen, zeige dort also an der Position x = 0 die Zeit t an. Wir beobachten diese Uhr vom System Σo aus. Wegen der Anfangsbedingung (10) ist f¨ ur (x = 0, t = 0) auch (x = 0, t = 0) , d.h., die im Koordinatenursprung von Σ ruhende Uhr U ∗ hat dieselbe Zeigerstellung wie die im Ursprung von Σo ruhende Uhr Uo0 , wenn sie an dieser gerade vorbeikommt, Abb. 9.
Erste Zeitnahme Eo :
Σo : x = 0 ,
t=0,
Σ :
t = 0 .
x = 0 ,
(29)
Die Uhr U ∗ befindet sich nach der Zeit t in Σo an der Position x = v t . Wir vergleichen die Zeigerstellung t von U ∗ nun mit der bei x = v t ruhenden Uhr von Σo . Gem¨aß (21) gilt t = θ x + q t , also mit x = v t ,
Zweite Zeitnahme E :
Σo : x = v t ,
t,
Σ :
t = (v θ + q) t .
x = 0 ,
(30)
Es folgt Σo :
Differenz der Zeigerstellungen einer in Σo bewegten Uhr t = = vθ+q. Differenz der Zeigerstellungen zweier in Σo ruhender Uhren t
(31)
7 Tats¨ ¨ achlich wird in Ubereinstimmung mit Einsteins Allgemeiner Relativit¨ atstheorie ein weiterer Effekt beobachtet. Die Periodendauer einer Uhr h¨ angt von der St¨ arke des Gravitationsfeldes ab, in dem sie sich befindet. Wir vernachl¨ assigen hier alle Gravitationseffekte.
Raum · Zeit · Bewegung
30
Σ
Σ
t =0 # ` ` ` 6 `
Σo
# ` ` ` ` U∗ -v ` @ R` `t @ ` "!- x x= 0 q
-v ` U∗ ` ` ` "!- x x= 0 q
t=0 q # ` ` ` 6 ` ` Uo0 ` ` ` "! q x=0
q # ` ` ` ` Uox ` ` t` ` ? "! q x = vt
-x
Abb. 9: Die Zeigerstellungen t der einen in Σ ruhenden Uhr U ∗ werden mit den Zeigerstellungen t derjenigen in Σo ruhenden Uhren Uox verglichen, an denen jene gerade vorbeikommt. Der linke Teil des Bildes stellt wieder die Anfangsbedingung (10) dar. Strichpunktierte Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen. Die Periodendauer T ist reziprok zur Zeigerstellung t . Ausgedr¨ uckt durch die Eigenperiode To einer Uhr und die Periodendauer Tv derselben bewegten Uhr k¨ onnen wir daher anstelle von (31) auch schreiben
Σo :
Periode einer in Σo bewegten Uhr 1 Tv = = . Eigenperiode To vθ+q
(32)
Gem¨aß (31) bzw. (32) wird nun die Parameterkombination v θ + q physikalisch interpretiert und durch Pr¨ azisionsmessungen in Σo bestimmbar. Wir weisen noch einmal darauf hin, daß wir bei der hier verfolgten Prozedur die Gleichberechtigung der Inertialsysteme nicht von vornherein voraussetzen, sondern eine denkbare Sonderstellung des Systems Σo zun¨ achst durchaus zulassen. Daher ist die Umkehrung der Fragestellung interessant, bei der eine Uhr U ∗ im Koordinatenursprung von Σo ruht und vom System Σ aus beobachtet wird. Diesen Fall, der auf den weiteren Gang unserer Rechnungen jedoch keinen Einfluß hat, diskutieren wir im Anhang, Kap. 31, S. 210. In Aufg. 2, S. 263, folgern wir aus dem Postulat der Homogenit¨ at und Isotropie im Inertialsystem Σo , s. (20), S. 25, die Linearit¨ at der Koordinaten-Transformationen8 , also Transformationen vom Typ (21). Hier folgten aus dieser Linearit¨ at der Transformationen (21) f¨ ur die Quotienten aus den bewegten L¨ angen zu den Eigenl¨ angen und aus den bewegten Schwingungsperioden zu den Eigenperioden Ausdr¨ ucke, n¨ amlich (27) und (32), die allein von der Geschwindigkeit dieser Bewegung abh¨ angen. 8 Der traditionelle Beweis f¨ ur die Linearit¨ at der Koordinaten-Transformationen, den wir in Kap. 28, S. 128ff. vorrechnen, vgl. z.B. auch W. Rindler[1] , V. Fock[1] , H. Weyl[1] , folgt aus dem Einsteinschen Relativit¨ atsprinzip, s. Kap. 6. Mit dem Postulat einer universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit legt Einstein also bereits eine Definition der Gleichzeitigkeit mit einer linearen Synchronisationsvorschrift fest, n¨ amlich, wie wir sehen werden, mit (73) f¨ ur die Funktion θ in (19).
5 Bewegte Maßst¨abe und Uhren
Die Koordinaten-Transformationen sind genau dann linear, wenn bei linearer Synchronisation (19) die Maßverh¨ altnisse f¨ ur bewegte und ruhende L¨ angen bzw. Schwingungsperioden das Postulat der Homogenit¨ at und Isotropie (20) erf¨ ullen.
31
(33)
Bis hierher haben wir gepr¨ uft, welche Aussagen die in den Transformationen (21) stehenden Parameter k(v), q(v) und θ(v) f¨ ur das Verhalten bewegter L¨ angen und Uhren machen. Woher bekommen wir diese Parameter? D¨ urfen wir a priori ein bestimmtes Verhalten von bewegten L¨ angen und Uhren voraussetzen? Haben wir vielleicht ein u ¨bergeordnetes Prinzip, das uns die Entscheidung u ¨ber diese Frage abnimmt? Wenn aber eine auf Prinzipien gegr¨ undete Entscheidung anderen Aussagen so ganz und gar zuwiderl¨ auft, worauf sollen wir uns dann verlassen? Die letzte Instanz des Physikers ist das Experiment. Solange wir uns im Rahmen der klassischen Physik mit ihren relativ groben Meßmethoden bewegen, solange scheint alles ohne Probleme, Kap. 8 und Kap. 9. In Kap. 10 besprechen wir dann das Schl¨ usselexperiment zur Speziellen Relativit¨atstheorie, den Michelson-Versuch. In Kap. 34 berichten wir ferner u ¨ber neuere Pr¨ azisionsexperimente. Und diese Experimente, die uns unmittelbar mit den Besonderheiten unserer Raum-Zeit konfrontieren, die wir dann relativistisch nennen, geben uns da schon mehr zu denken. Den interessierten Leser k¨onnen wir ferner in Kap. 35 auf denkbare, weiterf¨ uhrende ¨nther[2] . Erkl¨ arungsm¨ oglichkeiten hinweisen, vgl. auch Gu A. Einstein[2] hat die Bestimmung der Parameter k(v), q(v) und θ(v) einem einzigen Prinzip unterworfen, seinem Relativit¨ atsprinzip, s. Kap. 6, und damit eine Neuformulierung der gesamten Physik eingeleitet. Wir werden u ¨berlegen, wie wir auf einem weniger abstrakten Weg dasselbe Ziel erreichen k¨onnen, Kap. 7.
Das Relativit¨ atsprinzip 6
Einsteins Relativit¨ atsprinzip
¨ Das Prinzip von der Ununterscheidbarkeit, der Aquivalenz aller Inertialsysteme hat an der Wiege der Physik gestanden, da sie zur exakten Naturwissenschaft wurde. Die tiefe Krise der Physik an der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert, die aus der Kollision zwischen klassischer Mechanik und Elektrodynamik entstanden war, konnte A. ¨berwinden, Einstein[2] durch eine Neuformulierung der gesamten Physik mit einem Schlag u durch ein einziges Postulat, sein Relativit¨ atsprinzip9 : ”1. Die Gesetze, nach denen sich die Zust¨ ande der physikalischen Systeme ¨ndern, sind unabh¨ a angig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in gleichf¨ ormiger Translationsbewegung befindlichen Koordinatensystemen diese Zustands¨ anderungen bezogen werden. 2. Jeder Lichtstrahl bewegt sich im ’ruhenden’ Koordinatensystem mit der bestimmten Geschwindigkeit V , unabh¨ angig davon, ob dieser Lichtstrahl von einem ruhenden oder bewegten K¨ orper emittiert ist. Hierbei ist Geschwindigkeit =
Lichtweg Zeitdauer
(34)
,
wobei ’Zeitdauer’ im Sinne der Definition des §1 aufzufassen ist.” Einsteins §1, die ”Definition der Gleichzeitigkeit”, enth¨ alt die Vorschrift zur Synchronisation der Uhren mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit, wie wir dies in Kap. 3, Gleichung (5), S. 18, f¨ ur das System Σo beschrieben haben, vgl. auch Abb. 2. Die Besonderheit der Einsteinschen Prozedur besteht darin, daß ein und dasselbe Lichtsignal alle Uhren in allen Inertialsystemen gleichermaßen synchronisieren kann. In Kap. 3 haben wir den Einsteinschen Synchronisationsalgorithmus ausschließlich auf das eine, dadurch zun¨ achst ausgezeichnete System Σo angewandt. Erfahrungsgem¨ aß hat die Durchf¨ uhrung des streng deduktiven Weges zur Herleitung der Speziellen Relativit¨ atstheorie nach Einstein, welcher allen bisherigen Darstellungen zur SRT zugrunde liegt, f¨ ur den unvorbereiteten Leser nicht selten Irritationen in den Anwendungen der Theorie zur Folge. Der Grund ist wohl darin zu sehen, daß hier die Definition der Gleichzeitigkeit mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen von vornherein in den axiomatischen Ausgangspunkt der Theorie eingebunden wird. Die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit ist damit von Anfang an per definitionem festgeschrieben - eine geniale Vorwegnahme der Lorentz-Gruppe. Im Unterschied zu Einsteins[1,3] eigenen Darstellungen wird die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit immer wieder irrt¨ umlich wie ein physikalisches Gesetz behandelt, obwohl diese Relativit¨ at in der Einsteinschen Axiomatik ganz offensichtlich vor den Anfang aller ¨ eigentlichen Uberlegungen mit Hilfe einer Definition der Gleichzeitigkeit gesetzt wird, vgl. ¨nther[2] . dagegen Kap. 14 und Kap. 32, s. auch H. Reichenbach[1] , W. Thirring[1] , H. Gu Betrachten wir dazu Abb. 11: 9 Hierbei wird von Einstein der Terminus ”Koordinatensystem” anstelle des daf¨ ur sp¨ ater eingef¨ uhrten Begriffes ”Bezugssystem” gebraucht.
6 Einsteins Relativit¨ atsprinzip
Abb. 10: Albert Einstein, 14.3.1879 - 15.3.1955.
33
34
Das Relativit¨atsprinzip Σo Σ
− L2o
−c M eßstrecke
× -v
-v
-c
Lo 2
- x
-x t = t = 0
− L2
L 2
Abb. 11: Die Relativit¨at der Gleichzeitigkeit als Folge der Synchronisation der Uhren in allen Inertialsystemen mit Hilfe des Prinzips der universellen Konstanz und damit auch der Isotropie der Lichtgeschwindigkeit. Dasselbe Signal synchronisiert vom Prinzip her alle Uhren in allen Inertialsystemen. Eine Meßstrecke ruhe im System Σ , das sich mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung von Σo bewegt. Skizziert ist das Ereignis t = t = 0, x = x = 0 , die Z¨ undung des Lichtsignals. Postuliert wird nun eine solche Synchronisation der Uhren in allen Inertialsystemen, daß f¨ ur die daraufhin gemessene Lichtgeschwindigkeit stets ein und derselbe Wert festgestellt wird. In Σ beurteilt, erreicht das Licht folglich die Endpunkte der Meßstrecke per definitionem gleichzeitig - die Σ -Uhren werden gerade so in Gang gesetzt. Von Σo aus beobachtet, n¨ ahert sich das Licht wegen der Bewegung der Meßstrecke in Σo dem rechten Endpunkt mit c − v und dem linken mit c + v , da beide Geschwindigkeiten im selben System Σo gemessen und daher einfach gem¨ aß Formel (7) addiert werden. Wenn L die L¨ ange der bewegten Meßstrecke in Σo bedeutet, kommt also das Lichtsignal links zur Zeit L t1 = 2(c + v) an und rechts zur Zeit L . t2 = 2(c − v) In Σo gesehen, gilt daher t2 − t1 =
c2
Lv . − v2
(35)
W¨ ahrend also die nach beiden Seiten laufenden Signale die Endpunkte der in Σ ruhenden Meßstrecke, in Σ beobachtet, gleichzeitig erreichen - wegen der isotropen Lichtausbreitung in Σ - urteilt der in Σo ruhende Beobachter wegen der isotropen Lichtausbreitung in Σo , daß zuerst der linke Endpunkt zur Zeit t1 erreicht wird und danach der rechte Endpunkt zur Zeit t2 mit einer Verz¨ogerung gem¨ aß (35), also t2 = t1 + L v/(c2 − v 2 ) . Die beiden Ereignisse, Ankunft des Signals an den Endpunkten der Strecke, sind also in Σ gleichzeitig, nicht aber in Σo .
6 Einsteins Relativit¨ atsprinzip
35
Fassen wir noch einmal zusammen, was das Einsteinsche Prinzip leistet: 1. Es enth¨ alt ein Auswahlprinzip : Unter allen logisch m¨ oglichen Definitionen der Gleichzeitigkeit wird eine Synchronisationsvorschrift festgeschrieben. 2. Mit Hilfe dieser Definition wird das Gesetz der Lichtausbreitung formuliert, um damit die mathematische Struktur der Raum-Zeit zu bestimmen. 3. Die mathematische Form der Gleichungen der Physik wird dieser Struktur der RaumZeit unterworfen. Der angehende theoretische Physiker wird sich mit dieser Neuformulierung der Grundgleichungen der Physik auf der Basis des Einsteinschen Postulats gr¨ undlich auseinandersetzen m¨ ussen. Der dreidimensionale Raum und die Zeit werden dabei nach einer ber¨ uhmten Arbeit von H. Minkowski, s. H.A. Lorentz[3] , als ein vierdimensionales Raum-ZeitKontinuum verstanden. Dies f¨ uhrt zu einer mathematisch eleganten und hocheffektiven Formulierung des Relativit¨ atsprinzips, die wir in Kap. 28.6 vorstellen. Die neue mathematische Form der Mechanik und der Elektrodynamik behandeln wir in den Kapiteln 29 und 30. In den folgenden Kapiteln wollen wir jedoch auf einem anderen, weniger abstrakten Weg dieselbe L¨osung des Relativit¨ atsproblems erreichen. Dabei besch¨ aftigen wir uns zun¨ achst allein mit der Bestimmung der Raum-Zeit und im Anschluß daran mit den Gleichungen der Physik, wobei wir uns hier auf die Mechanik beschr¨ anken. Die Elektrodynamik klammern wir noch aus. In Kap. 30 werden wir dann sehen, daß die Einbeziehung der Elektrody¨ namik keine zus¨atzlichen physikalischen Uberlegungen zum Relativit¨ atsproblem erfordert, da bereits die klassische Elektrodynamik seinem Relativit¨ atsprinzip gen¨ ugt, wie Einstein[2] in seiner ber¨ uhmten Arbeit von 1905 gezeigt hat.
36
7
Das Relativit¨atsprinzip
Elementare Relativit¨ at
Aus Einsteins Relativit¨ atsprinzip werden wir nun den Teil herausl¨ osen, der allein die Definition der Gleichzeitigkeit in den Inertialsystemen reguliert. Dazu w¨ahlen wir als Ausgangspunkt ein zun¨ achst ausgezeichnetes, homogenes und isotropes Inertialsystem Σo , in welchem wir die Lichtgeschwindigkeit kennen und alle Uhren synchronisieren k¨ onnen, Kap. 3. Wie wir dann gesehen haben, wird die Struktur der Raum-Zeit durch drei Parameter fixiert, k(v) , q(v) und θ(v) , deren unterschiedliche physikalische Bedeutung aber ganz wesentlich ist:
Σo :
lv 1 = . lo k(v)
Σo :
Der Quotient aus der Periode einer bewegten Uhr und Tv 1 = . ihrer Eigenperiode in Σo definiert die Kombination To v θ(v) + q(v) v θ(v) + q(v) der Parameter θ(v) und q(v) .
Der Quotient aus der bewegten L¨ ange und der Ruhl¨ ange eines Stabes in Σo definiert den Parameter k(v) .
Mit dem Parameter θ(v) definieren wir die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ .
(36)
(37)
(38)
Prinzipiell st¨ unde es uns daher frei, und hier liegt die logische Einfachheit unserer Prozedur, welche Vereinbarung wir u ¨ber die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ treffen. Von einzelnen F¨ allen abgesehen, auf die wir besonders hinweisen werden, sind wir aber mit Poincare´[1] gut beraten, diese Wahlfreiheit f¨ ur den Parameter θ(v) dahingehend einzusetzen, daß die Transformationsformeln besonders einfach, besonders symmetrisch werden. Zu diesem Zweck formulieren wir ein einfachstes Symmetrieprinzip, das allein eine Prozedur zur Synchronisation der Uhren in den Inertialsystemen Σ ¨nther[1,2] , und nennen es: festlegt, s. Gu Das elementare Relativit¨ atsprinzip 10 : Wenn der Beobachter in dem zun¨ achst ausgezeichneten Bezugssystem Σo f¨ ur das Inertialsystem Σ die Geschwindigkeit v gemessen hat, dann sollen die in Σ (39) ruhenden Normaluhren so in Gang gesetzt werden, daß ein in Σ ruhender Beobachter feststellt, das Bezugssystem Σo hat die Geschwindigkeit −v .
Sind die Uhren im System Σo eingestellt, dann ist das elementare Relativit¨atsprinzip allein ein Auswahlprinzip f¨ ur die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ . 10 In der angels¨ achsischen Literatur wird f¨ ur diesen Sachverhalt der Terminus ”reciprocity principle” verwendet, den wir hier wegen des in Kap. 31, S. 211, formulierten Reziprozit¨ atstheorems nicht w¨ ahlen.
7 Elementare Relativit¨ at
37
Der in Σo ruhende Beobachter stellt f¨ ur das System Σ die Geschwindigkeit v fest. In Gleichung (23) haben wir die Geschwindigkeit uo ausgerechnet, die der in Σ ruhende Beobachter f¨ ur das System Σo feststellt, n¨ amlich uo = −k v/q . Das elementare Relativit¨ atsprinzip fordert also einfach uo = −v , d.h. nach (23)
Elementares (40) Relativit¨ atsprinzip
q=k .
Damit haben wir die Methode konzipiert, mit der wir in den Kapiteln 9-14 zun¨ achst die Struktur der klassischen Raum-Zeit bestimmen werden und anschließend, vollkommen analog, den relativistischen Fall behandeln. Dies geschieht in drei Schritten: Wir nehmen an, daß als Resultat hinreichend genauer Messungen im System Σo die Quotienten aus den bewegten und ruhenden L¨ angen bzw. Schwingungsdauern lv /lo und Tv /To unserer Raum-Zeit bekannt sind. Das heißt:
1. Den Parameter k(v) =
lo ermitteln wir aus Pr¨ azisionsmessungen im lv
Bezugssystem Σo . 2. Die Kombination der Parameter v θ(v) + q(v) =
To ermitteln wir aus Tv
(41)
Pr¨ azisionsmessungen im Bezugssystem Σo . In den Koordinaten-Transformationen (21) verbleibt damit noch ein freier Parameter θ , den wir aus (37) unter Verwendung von (40) und (36) bestimmen, To /Tv = v θ + q v , q = k , und k = lo /lv , also
3. θ(v) =
To /Tv − lo /lv . v
Synchronisation (42) Elementares Relativit¨atsprinzip
¨ Die in Ubereinstimmung mit dem elementaren Relativit¨atsprinzip gem¨ aß (42) definierte Synchronisation wird als konventionelle Gleichzeitigkeit bezeichnet. Jede davon abweichende Synchronisation heißt nichtkonventionell.
(43)
Aus (42) folgt, daß die Definition einer konventionellen Gleichzeitigkeit in den Systemen Σ zur Wahrung der elementaren Relativit¨ at von dem Verhalten bewegter Maßst¨ abe und Uhren abh¨ angig ist. Mit Pr¨ azisionsmessungen zum Verhalten bewegter L¨angen und Uhren in einem einzigen Inertialsystem Σo wird also nach einer Vereinbarung u ¨ber die elementare Relativit¨ at die gesamte Raum-Zeit-Struktur festgelegt, da wir auf diesem Wege in den Besitz aller Parameter k(v) , q(v) und θ(v) gelangen.
38
Das Relativit¨atsprinzip
Wir halten fest: Bis auf ein Auswahlprinzip zur Festlegung der Synchronisation aller Uhren stellen wir a priori kein Postulat u ¨ber die Eigenschaften unserer Raum-Zeit auf. Wir verlassen uns allein auf die Aussagen von Pr¨ azisionsmessungen in einem zun¨achst ausgezeichneten Inertialsystem Σo . D.h., Postulate u ¨ber das Verhalten von Maßst¨ aben und Uhren in unserer Raum-Zeit werden wir erst unter Berufung auf die Ergebnisse von Messungen formulieren, s. Kap. 8 und Kap. 12. Bekommen wir mit dieser Prozedur aber auch die Relativit¨ at der Bezugssysteme, die von uns erwartete Ununterscheidbarkeit aller Inertialsysteme? Mehr noch, ist unsere Methode u ¨berhaupt widerspruchsfrei durchf¨ uhrbar? Angenommen, die Uhren in den Systemen Σ und Σ sind in bezug auf Σo nach der elementaren Relativit¨ at synchronisiert worden. Erf¨ ullen dann die Systeme Σ und Σ auch untereinander die elementare Relativit¨ at? Wir werden sehen: Setzen wir f¨ ur lv /lo und Tv /To solche Funktionen in (41) und (42) ein, wie wir sie f¨ ur die klassische oder relativistische Raum-Zeit, Kap. 8 bzw. Kap. 12, experimentell bestimmen, dann k¨ onnen wir aus den damit bestimmten KoordinatenTransformationen (21) die Relativit¨ at aller Inertialsysteme unmittelbar nachrechnen. In einer u ¨bergeordneten Betrachtungsweise verstehen wir diesen Sachverhalt mit Hilfe eines st¨arkeren Relativit¨ atsprinzips, welches zus¨atzlich zur elementaren Relativit¨ at einfache Eigenschaften unserer Raum-Zeit postuliert, die aber wesentlich schw¨ acher sind als ¨ die Einsteinsche Forderung. Diesen von dem direkten Gang unserer Uberlegungen abweichenden Gesichtspunkt diskutieren wir im Anhang, Kap. 31.
Elementarer Aufbau der klassischen Raum-Zeit Wir wollen von nun an den denkbar einfachsten Weg einschlagen, um die RaumZeit-Struktur herauszufinden, indem wir von einer empirischen Bestimmung der Maßverh¨ altnisse bewegter und ruhender Maßst¨ abe und Uhren in einem zun¨ achst ausgezeichneten System Σo ausgehen und f¨ ur die Definition der Gleichzeitigkeit in allen anderen Systemen Σ die elementare Relativit¨at erf¨ ullen.
8
Die physikalischen Postulate der klassischen Raum-Zeit
Die klassische Mechanik war seit jeher stillschweigend auf die Annahme der Unver¨ anderlichkeit von L¨ angen und Schwingungsdauern bei einer Bewegung von Maßst¨ aben und Uhren gegr¨ undet und im Rahmen ihrer Meßgenauigkeiten darin auch best¨ atigt worden. Wir wollen daher diese Hypothesen hier als Postulate der klassischen Raum-Zeit formulieren. In unserer Prozedur haben wir diese Eigenschaft allein f¨ ur das zun¨ achst ausgezeichnete System Σo anzunehmen: Die physikalischen Postulate der klassischen Raum-Zeit:
Σo :
lv 1 = =1 , lo k
Bewegte und ruhende Maßst¨ abe besitzen in Σo dieselben L¨angen.
Σo :
Tv 1 = =1. To v θ(v) + q(v)
Bewegte und ruhende Uhren (45) besitzen in Σo dieselben Schwingungsperioden.
(44)
Die Erfahrung lehrt uns hier, daß eine f¨ ur die L¨ angen- und Zeitmessungen geltende Reziprozit¨ at Tv /To = lo /lv in trivialer Weise erf¨ ullt ist. Im Anhang, Kap. 31, werden wir diese Beziehung ganz allgemein aus einem Relativit¨atspostulat folgern, das in seiner Reichweite zwischen dem Einsteinschen und der elementaren Relativit¨ at steht, s. Gleichung (552), S. 211. In Kap. 10 werden wir dann sehen, wie wir bei einem Experiment h¨ oherer Pr¨ azision mit der klassischen Hypothese (44) das erste Mal in Konflikt geraten, vgl. dazu auch Aufg. 3, S. 265. Wir postulieren die Gleichungen (44) und (45) wohlgemerkt allein f¨ ur das als isotrop deklarierte System Σo . Was wir f¨ ur diese Quotienten aus den bewegten und ruhenden L¨angen bzw. Schwingungsdauern in den anderen Inertialsystemen Σ messen, ist dann eine Folge der dort zu definierenden Synchronisation der Uhren.
40
Elementarer Aufbau der klassischen Raum-Zeit
9
Elementare Relativit¨ at Die Galilei-Transformation
Wir nehmen jetzt die G¨ ultigkeit des elementaren Relativit¨atsprinzips gem¨aß (39) bzw. (40) an, Kap. 7. In den Systemen Σ sollen die Uhren also nach diesem Prinzip in Gang gesetzt werden. Unsere physikalischen Postulate (44) und (45) f¨ ur das ausgezeichnete Bezugssystem Σo erzwingen dann nach (42) f¨ ur eine konventionelle Synchronisation einen sog. absoluten Synchronparameter θa gem¨aß
θa =
To /Tv − lo /lv 1−1 = =0. v v
Absoluter Synchronparameter
(46)
Diesen Synchronisationsvorgang illustrieren wir in Abb. 12. Wir fassen zusammen:
Die physikalischen Postulate der klassischen Raum-Zeit +
k =1, q =1, (47) θa (v) = 0 .
Elementares Relativit¨atsprinzip
Absoluter Synchronparameter
Σ t = 0 # ` ` ` 6 ` -v
t = 0 # ` ` ` 6 ` -v
t = 0 # ` ` ` 6 ` -v
t = 0 # ` ` ` 6 ` -v
` ` ` ` U x ` ` ` ` ` ` ` ` v` ` ` ` "! "! "! "! - x x x x q q x1 = 0 q 2 q 3 Σo E O B F t=0 q t=0 q t=0 q t=0 q # # # # ` ` ` ` ` ` ` ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` ` ` ` Uo ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` "! "! "! "! q q q q -x x2 x x3 x1 = 0 Abb. 12: Realisierung des elementaren Relativit¨atsprinzips in der klassischen Raum-Zeit durch
eine Synchronisation in den Systemen Σ mit dem Parameter θa (v) = 0 , der eine absolute Gleichzeitigkeit einf¨ uhrt. Zur Zeit t = 0 in Σo werden in allen Inertialsystemen alle Σ -Uhren auf der Stellung t = 0 in Gang gesetzt. Die strichpunktierten Linien verbinden Punkte im Bild, die ein und dasselbe Ereignis darstellen, hier die Ereignisse E , O , B und F .
9 Elementare Relativit¨ at - Die Galilei-Transformation
41
Mit (47) erhalten wir f¨ ur die spezielle Koordinaten-Transformation (21) die ber¨ uhmte Galilei-Transformation der klassischen Raum-Zeit,
x = x − v t ,
t =t,
x = x + v t ,
←→
Galilei-
Transformation
t=t .
(48)
F¨ ur θ = 0 und k = q = 1 wird aus dem Additionstheorem (22)
u = u − v
←→
Galileisches Additionstheorem (49) der Geschwindigkeiten
u = u + v .
Danach gen¨ ugt u derselben Gleichung wie die Relativgeschwindigkeit w in Kap. 3, Gleichung (7), was aber an der begrifflichen Verschiedenheit dieser beiden Gr¨ oßen nichts ¨andert. Gleichung (49) finden wir auch leicht unmittelbar aus der Galilei-Transformation (48): Nehmen wir gleich etwas allgemeiner an, ein K¨ orper L bewege sich in Σo gem¨aß x(t) = x(t), y(t), z(t) mit der Geschwindigkeit
dx dy dz u= , , = (ux , uy , uz ) . dt dt dt F¨ ur dessen Bewegung in Σ x (t ) = x (t ), y (t ), z (t ) mit der Geschwindigkeit u =
dx dy dz , , = (ux , uy , uz ) dt dt dt
folgt dann wegen t = t , x = x − vt sowie y = y, z = z gem¨aß (48) und (21), also d d = , so daß dt dt dx dx dx = = −v, dt dt dt
dy dy = , dt dt
dz dz = dt dt
und damit wieder das Theorem (49) unter Mitnahme der anderen beiden Geschwindigkeitskomponenten, ux = ux − v ,
uy = uy ,
uz = uz .
(50)
42
Elementarer Aufbau der klassischen Raum-Zeit
Im Unterschied zu der formal gleichlautenden Beziehung (7) hat das Theorem (49) bzw. (50) aber nun weitreichende physikalische Konsequenzen. Betrachten wir ein Beispiel: Ein Raumschiff, das ein System Σ repr¨ asentiert, sei in bezug auf die Erde, das System Σo , auf die Geschwindigkeit v = 200 000 km s−1 gebracht worden. Von dem Raumschiff aus werde ein zweites gestartet und abermals auf eine solche Geschwindigkeit, nun aber in Bezug auf das System Σ gebracht, also auf u1 = 200 000 km s−1 . Gem¨aß (49) wird dann f¨ ur dieses zweite Raumschiff von der Erde aus die Geschwindigkeit u1 = u1 + v = 400 000 km s−1 gemessen. Diesen Prozeß k¨onnen wir fortsetzen, von dem zweiten Raumschiff ein drittes starten, dann ein viertes, usw. Von der Erde aus messen wir dann die Geschwindigkeiten u2 = u2 + u1 = 600 000 km s−1 , u3 = 800 000 km s−1 , usw. Das Additionstheorem (49) l¨ aßt also beliebig hohe Geschwindigkeiten zu. Nachrichten mit Hilfe von Raumschiffen oder Signalen k¨ onnten danach also mit beliebig ¨ hoher Geschwindigkeit u ¨berbracht werden. In Ubereinstimmung damit hat Newton seine Theorie der Gravitation in der Annahme einer instantanen, d.h. verz¨ ogerungsfreien Wechselwirkung formuliert. Man spricht hier von einer Fernwirkungstheorie. F¨ ur die gravitative Wirkung einer Masse wird dabei angenommen, daß sie sich mit unendlich großer Geschwindigkeit im Raum ausbreitet. Jede Ver¨ anderung der Position der Masse ist danach instantan, also ohne Zeitverlust im ganzen Weltall pr¨ asent. Eine wichtige Konsequenz aus dem Theorem (49) werden wir in Aufg. 12, S. 279, gewinnen. Wir werden dort zeigen, daß in der Newtonschen Mechanik die tr¨ age Masse eine K¨orpers eine vom Inertialsystem unabh¨ angige Konstante sein muß, d.h., die Masse eines K¨ orpers kann nicht von seiner Geschwindigkeit abh¨ angen. Sind v und u die Geschwindigkeiten von Σ (x , t ) und Σ (x , t ) in x-Richtung von Σo (x, t) , dann finden wir aus den entsprechenden Galilei-Transformationen x = x − u t ,
x = x − v t ,
t = t ,
t = t .
−→
x = x − u t , t = t ,
u = u − v .
(51)
D.h., auch Σ (x , t ) und Σ (x , t ) h¨ angen u ¨ber eine Galilei-Transformation zusammen, in der jetzt u = u − v die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit von Σ ist. Gem¨aß der Galilei-Transformation (48) sind in der klassischen Raum-Zeit zwei Ereignisse E1 (x1 , t) und E2 (x2 , t) , die in einem System Σo (x, t) gleichzeitig sind, auch in jedem anderen System Σ (x , t ) gleichzeitig. Mehr noch, nach (48) gilt nicht nur ∆t = 0 genau dann, wenn ∆t = 0 ist, sondern die Zeiten selbst stimmen u ¨ berein. Das ist Newtons ber¨ uhmte absolute Zeit: t = t .
Newtons absolute Zeit
(52)
Indem wir also die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ dem Prinzip der elementaren Relativit¨at unterwerfen, werden zwei Ereignisse entweder in allen Inertialsystemen als gleichzeitig festgestellt oder in gar keinem. Den Zeitbegriff unserer Alltagserfahrungen gr¨ unden wir auf diese Konstruktion. Mit (42), (43) und (46) halten wir fest: Mit der Galilei-Transformation wird u ¨ber den absoluten Synchronparameter θa (53) die konventionelle Gleichzeitigkeit der klassischen Raum-Zeit realisiert.
9 Elementare Relativit¨ at - Die Galilei-Transformation
43
Offensichtlich folgt nun aus der Galilei-Transformation wieder die Unver¨ anderlichkeit bewegter Maßst¨abe und Uhren: Ein in Σ ruhender Stab hat dort die L¨ ange lo , die durch die Koordinatendifferenz seiner Endpunkte gegeben ist, lo = x2 − x1 . Der in Σo mit der Geschwindigkeit v bewegte Stab hat dort die L¨ ange lv , die ebenfalls durch die Korrdinatendifferenz seiner Endpunkte gegeben ist und zwar zur selben Zeit t , also mit (48), lv = x2 (t) − x1 (t) = x2 (t ) − v t − x1 (t ) + v t = x2 − x1 = lo . Und trivialerweise folgt f¨ ur die bewegte Uhr wegen t = t dieselbe Zeitangabe wie f¨ ur die ruhenden Uhren. Die Gleichungen (51) zeigen uns, daß alle Inertialsysteme u ¨ber die gleiche Form der Koordinaten-Transformation miteinander zusammenh¨ angen. Mathematisch sind die Galilei-Transformationen dadurch als eine Gruppe ausgewiesen. ¨ Damit haben wir die mathematisch einfachste Form gefunden, die Aquivalenz aller Inertialsysteme zum Ausdruck zu bringen. Es folgt, daß die Unver¨ anderlichkeit bewegter Maßst¨ abe und Uhren (44) und (45) in gleicher Weise von allen Inertialsystemen aus gemessen wird. Wir weisen darauf hin, daß dies durchaus nicht selbstverst¨ andlich und an die konventionelle Definition der Gleichzeitigkeit gebunden ist. Wie es dazu kommen kann, daß man in der Beschreibung der klassischen Raum-Zeit tats¨achlich auch von der Definition einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit Gebrauch macht und damit von der Galilei-Transformation abweicht, werden wir in Kap. 14 mit der in v/c linearisierten Lorentz-Transformation kennenlernen, vgl. auch Aufg. 10, S. 275. Wir fassen es noch einmal zusammen: Das Galileische Relativit¨atsprinzip, die physikalische Gleichberechtigung aller Inertialsysteme, l¨aßt sich am einfachsten u ¨ber die konventionelle Gleichzeitigkeit der klassischen Raum-Zeit in der Galilei-Transformation mathematisch formulieren.
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit Unter Berufung auf die beiden historischen Schl¨ usselexperimente zur Speziellen Relativit¨ atstheorie, das Michelson-Experiment und die Beobachtung der roten Hα -Linie in schnellen Kanalstrahlen, wollen wir auch hier von einer empirischen Bestimmung der Maßverh¨ altnisse bewegter und ruhender Maßst¨ abe und Uhren in dem zun¨ achst ausgezeichneten System Σo ausgehen. Wir weisen ausdr¨ ucklich noch einmal darauf hin, daß Einsteins universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in unserer Prozedur also nicht postuliert wird, sondern aus der fertig formulierten Theorie folgt, wenn wir f¨ ur die Definition der Gleichzeitigkeit in allen anderen Systemen Σ allein die elementare Relativit¨at fordern, vgl. S. 56. ¨ Uber neuere Pr¨ azisionsexperimente zur Relativit¨ atstheorie berichten wir in Kap. 34.
10
Der bewegte Stab ist verk¨ urzt Das Michelson-Experiment
Wir beschreiben hier den schematischen Versuchsaufbau des Michelson-MorleyExperimentes, wie es in Abb. 13 und Abb. 15 dargestellt ist. Eine Lichtquelle L sendet einen Wellenzug mit stabilen Phasenbeziehungen aus, der auf eine halbverspiegelte Platte P trifft. Dort spaltet er sich in zwei koh¨ arente Wellenz¨ uge auf, die sich entlang der beiden Arme l1 und l2 des Michelsonschen Interferometers fortpflanzen. An deren Enden werden sie durch Spiegel S1 und S2 reflektiert, laufen zur¨ uck und vereinigen sich zu dem bei B beobachteten Interferenzbild. Die Lichtgeschwindigkeit c hat gem¨aß (2) im ausgezeichneten Bezugssystem Σo in jeder Richtung ein und denselben Wert, s. Gleichung (4). Das Bezugssystem Σ habe in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v . Wir sehen uns zun¨ achst den Fall an, wo das Michelsonsche Interferometer im System Σo in seiner Ausgangsposition ruht, Abb. 13 a). S1 l1 S2
b)
a)
l2 Σo :
B
6 ? P 6 * L
-
l1
S1
;
S2
6 ?
P -@ * L @ l2 B
Abb. 13: Schematische Darstellung eines zun¨achst im System Σo ruhenden Michelsonschen Interferometers. a) Ausgangslage. b) Das Interferometer ist um den Winkel π/2 gedreht.
10 Der bewegte Stab ist verk¨ urzt - Das Michelson-Experiment
Abb. 14: Albert Abraham Michelson, 19.12.1852 - 9.5.1931.
45
46
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Wegen der Isotropie der Lichtausbreitung in Σo ist die Laufzeit to1 des Lichtes auf dem Hin- und R¨ uckweg entlang l1 dieselbe, also to1 = 2l1 /c , und ebenso betr¨ agt entlang l2 die Laufzeit to2 = 2l2 /c . Das Interferenzbild nach der Vereinigung der beiden Wellenz¨ uge bei P wird durch die Laufzeitdifferenz ∆to bestimmt, ∆to = to2 − to1 =
2l2 2l1 − . c c
(54)
uckgehende Idee des Versuches besteht nun darin, das InterferoDie auf J.C. Maxwell zur¨ meter um π/2 zu drehen, Abb. 13 b). Wegen der Isotropie der Lichtausbreitung in Σo hat sich die Laufzeitdifferenz ∆toπ = to2, π − to1, π entlang der beiden Arme l2 und l1 des 2 2 2 Interferometers nach dieser Drehung nat¨ urlich nicht ge¨ andert, ∆toπ2 = to2, π2 − to1, π2 =
2l2 2l1 − = ∆to . c c
(55)
Es sei δ := ∆t π2 − ∆t die Differenz der Laufzeitdifferenzen nach und vor der Drehung. ¨ Diese Gr¨oße δ ist ein Maß f¨ ur die Anderung des Interferenzbildes infolge dieser Drehung. Ruht also das Interferometer im ausgezeichneten Bezugssystem Σo , so gilt Ruhendes Interferometer
δ o = ∆toπ2 − ∆to = 0 .
(56)
Aus Gleichung (56) lesen wir also ab, daß sich das Interferenzbild w¨ ahrend der Drehung nicht a¨ndert, wenn das Interferometer in Σo ruht. Das Interferometer m¨oge nun im Bezugssystem Σ ruhen, welches in bezug auf das ausgezeichnete System Σo die Geschwindigkeit v besitzt. Wir schreiben auf, wie ein Beobachter, der im System Σo ruht, dieses Experiment beurteilt, Abb. 15. S1 a) S2 S2
J l2 ^
J J
J J
H vt2 vt2 0 P 2
b)
l1
S2
-v -v l1
S1
;
S2
l2
@ @ P
Abb. 15: Das Interferometer hat die Geschwindigkeit v in bezug auf das ausgezeichnete Bezugssystem Σo . a) Ausgangslage. b) Das mit der Geschwindigkeit v laufende Interferometer ist um den Winkel π/2 gedreht.
Gem¨aß unserer Gleichung (7) in Kap. 3 n¨ ahert sich die Wellenfront dem Spiegel S1 auf dem Weg von O nach S1 mit der Relativgeschwindigkeit c − v , auf dem R¨ uckweg n¨ ahert sie sich ihrem Ausgangspunkt O mit der Relativgeschwindigkeit c + v . Folglich mißt der Beobachter in Σo f¨ ur die gesamte Laufzeit t1 entlang l1 den Wert
10 Der bewegte Stab ist verk¨ urzt - Das Michelson-Experiment
47
1 l1 l1 l1 1 , + = + c−v c+v c 1 − v/c 1 + v/c 1 l1 l1 l1 1 , t1 = 2l +1 = + 1 v c − c + v c 1 − v/c 1 + v/c t1 = . (57) c 1 − v 2 /c2 2l1 1 . t1 =Laufzeit entlang Die ur den Hin- und R¨ uckweg denselben Wert t2 /2 , Abb. 15(57) a). c 1 − v 2 /c2 l2 hat f¨ Die Wellenfront hat die Geschwindigkeit c , das Interferometer die Geschwindigkeit v . Aus dem Dreieck OS2l2H hat folgt Die Laufzeit entlang f¨ urdann den Hin- und R¨ uckweg denselben Wert t2 /2 , Abb. 15 a). Die Wellenfront die Geschwindigkeit c , das Interferometer die Geschwindigkeit v . 2 hat 2 v t2 OS22H folgtt22dann 4 l2 4 l2 1 c t2dem Dreieck Aus 2 2 2 = + l2 −→ , (c − v ) = l2 −→ t22 = 2 2 2 = 22 2 /c2 2 2 4 c − v c 1 − v 2 2 2 2 2 v t2 t 4l 4l 1 c t2 = + l22 −→ 2 (c2 − v 2 ) = l22 −→ t22 = 2 2 2 = 22 , also2 2 4 c −v c 1 − v 2 /c2 t1 =
2 l2 1 . c 1 − v 2 /c2 2 l2 1 . t2 = F¨ ur diec Differenz ∆t2 der Laufzeiten t1 und t2 erhalten wir damit 1 − v 2 /c
talso 2 =
(58) (58)
2 l2∆t der1Laufzeiten 2l1 t1 und 1 t2 erhalten wir damit F¨ ur=die Differenz t1 = − . (59) ∆t t2 − c c 1 − v 2 /c2 1 − v 2 /c2 2 l2 2l1 1 1 − . (59) ∆t = t2 − t1 = 2 Winkel π/2 , Abb. 15 b). Die Laufzeiten Nun drehen wir das wieder den c Interferometer c 1 −um v 2 /c 1 − v 2 /c2 zu den Spiegeln S1 und S2 nennen wir t1, π2 und t2, π2 . Wir brauchen nun nur in (57) l1 π zu durch l2 undwir indas (58)Interferometer l2 durch l1 zu ersetzen, umWinkel t2, π2 bzw. so daß Nun drehen wieder um den π/2 ,t1, Abb. 15erhalten, b). Die Laufzeiten 2 zu den Spiegeln S1 und S2 nennen wir t1, π2 und t2, π2 . Wir brauchen nun nur in (57) l1 2 l2 2l1 1 1 durch (58) 2 und π = lt um t2, π2. bzw. t1, π2 zu erhalten, so daß(60) − tin = l2 durch2 l1 2zu − ersetzen, ∆t 2, π 1, π 2 2 2 c 1 − v /c c 1 − v 2 /c2 2 l2 2l1 1 1 − . ¨ (60) ∆t π2 = t2, π2 − t1, π2 = 2 2 2 /c 2 π ein Maßc f¨ ur 1eine ogliche Anderung des Interferenzbildes Die Differenz δ = ∆t 2 c− ∆t 1 −ist v /c − vm¨ infolge der Drehung. Mit (59) und (60) erhalten wir daf¨ ur ¨
m¨ ur eine ogliche Anderung des Interferenzbildes Die Differenz δ = ∆t π2 − ∆t ist ein Maß f¨ 2l2 2l1 1Mit (59)2l1und (60) 1 erhalten 2l 1r 1 2 daf¨ infolge der Drehung. wir u ∆t π2 − ∆t = − − − c 1 − v 2/c2 c c 1 − v 2/c2 1 − v 2/c2 c 1 − v 2/c2 2l2 2l1 2l2 2l1 1 1 1 1
− ∆t π2 − ∆t = − − 2/c2 2/c2 2/c2 c 1 − v c c c 1 − v 2/c2 1 − v 1 − v 1 1 2l1 1 1 2l2 − − + , = c 1 − v 2/c2 c 1 − v 2/c2 1 − v 2/c2 1 − v 2/c2 1 1 2l1 1 1 2l2 − − + , = 2/c2 2/c2 2/c2 c 1 − v c 1 − v 1 − v 1 − v 2/c2 also 1 2 l1 1 2 l2 . − + c 1 − v 2 /c2 1 − v 2 /c2 c 1 2 l1 1 2 l2 . − δ = ∆t π2 − ∆t = + c c 1 − v 2 /c2 1 − v 2 /c2
δalso = ∆t π2 − ∆t =
Bewegtes (61) Interferometer Bewegtes (61) Interferometer
48
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Abb. 16: Hendrik Antoon Lorentz, 18.7.1853 - 4.2.1928.
10 Der bewegte Stab ist verk¨ urzt - Das Michelson-Experiment
49
√ Mit der Taylorschen N¨aherung 1/(1 − x2 ) ≈ 1 + x2 und 1/ 1 − x2 ≈ 1 + (1/2) x2 erhalten wir f¨ ur x = v/c 2 2 v2 1 v2 1 v2 = δ ≈ (l1 + l2 ) 1 + 2 − 1 − + l ) (l 1 2 c c 2 c2 c 2 c2 und damit δ = ∆t π2 − ∆t ≈
l1 + l2 v 2 . c c2
Bewegtes (62) Interferometer
Diese Gr¨oße δ bestimmt die Verschiebung der Interferenzstreifen infolge der Drehung des Interferometers um π/2 . Zur Versuchsauswertung nehmen wir an, daß das Interferometer in einem Laboratorium auf der Erde fest installiert ist. Die Erde sei unser Bezugssystem Σ . Ihre Bahngeschwindigkeit betr¨ agt ca. v = 30 000 m/s . Das ist die Geschwindigkeit von Σ in bezug auf das ausgezeichnete Bezugssystem Σo . Das Ruhsystem der Sonne realisiere n¨ aherungsweise dieses Bezugssystem Σo . In dem historischen Experiment von A.A. Michelson in einem Keller des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam-Babelsberg im Jahre 1881 , vgl. U. Bleyer[1] , wurde die Summe l1 + l2 der Lichtwege durch Mehrfachreflexionen zu l1 + l2 = 30 m bestimmt. Nimmt man f¨ ur die Interferenz das Licht der gelben Natriumlinie mit λ = 6 · 10−7 m , so erhalten wir mit c = 3 · 108 m/s eine Schwingungsdauer von τ=
λ 6 · 10−7 s = 2 · 10−15 s . = c 3 · 108
¨ Andererseits erhalten wir aus (62) f¨ ur die Anderung δ der Laufzeitdifferenzen der interferierenden Wellenz¨ uge durch die Drehung des Interferometers 2 30 3 · 104 δ≈ s = 10−15 s , 3 · 108 3 · 108 also δ = ∆t π2 − ∆t ≈
1 τ . 2
Bewegtes (63) Interferometer
Infolge der Drehung sollte sich also die Gr¨ oße δ um die Laufzeit τ /2 einer halben Wellenl¨ ange ¨andern! Demnach m¨ ußte auf dem Interferenzbild im Verlauf der Drehung eine Verschiebung um einen halben Streifen zu beobachten sein. Die dunklen Stellen h¨ atten hell werden m¨ ussen und umgekehrt. ¨ Tats¨achlich wurde jedoch nicht die geringste Anderung des Interferenzbildes beobachtet, weder 1881 in Potsdam noch bei irgendeinem der vielen in der Folgezeit durchgef¨ uhrten Michelson-Experimente und auch nicht bei deren modernen Weiterentwicklungen, s. Kap. 34. Bei der Berechnung der Laufzeiten sind wir stillschweigend von der Annahme ausgegangen, daß die in Σo gemessenen L¨angen l1 und l2 der Interferometerarme unabh¨ angig von ihrer Geschwindigkeit in Σo sind. Darin liegt der Fehler.
50
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Bereits 1889 hatte G.F. FitzGerald[1] f¨ ur die Erkl¨ arung der Michelson-MorleyExperimente die Hypothese ”einer L¨angen¨ anderung materieller K¨ orper” aufgestellt, ”die ¨ sich durch den Ather bewegen, wobei die L¨angen¨ anderung vom Quadrat des Verh¨ altnisses der Geschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit abh¨ angt”. H.A. Lorentz[1] stellte 1892 unabh¨ angig davon eine ebensolche Hypothese auf. Lorentz’ Bem¨ uhungen konzentrierten sich dar¨ uber hinaus auf einen quantitativen Ausdruck f¨ ur diese Kontraktion. 1904 findet Lorentz[2] dann, er werde ”zu der Annahme gef¨ uhrt, daß der Einfluß einer Translation auf Gr¨ oße und Gestalt (eines einzelnen Elektrons und eines ponderablen K¨ orpers als Ganzes) auf die Dimension in der Bewegungsrichtung beschr¨ ankt bleibt, und zwar werde diese k mal kleiner als im Ruhezustand.” Hierbei ist k = 1 − v 2 /c2 , und ’ponderabel’ ist ein ¨alterer Sprachgebrauch f¨ ur w¨ agbar. F¨ ur den interessierten Leser verweisen wir auf den Abdruck der wichtigsten Arbeiten zur Entstehung der Relativit¨ atstheorie in dem Buch, ”Das Relativit¨ atsprinzip”, Lorentz[3] . ¨ Die Anderung bewegter L¨ angen zur Erkl¨ arung des Michelson-Experimentes wird danach heute als FitzGerald-Lorentz-Kontraktion oder kurz Lorentz-Kontraktion bezeichnet, vgl. auch Abb. 18: Wenn im ausgezeichneten System Σo f¨ ur einen dort ruhenden Stab die L¨ ange lo beobachtet wird, dann wird f¨ ur denselben Stab, wenn er sich relativ zu Σo mit der Geschwindigkeit v bewegt, in Σo die verk¨ urzte L¨ange lv gemessen: Σo : l v = l o
1−
v2 . c2
Lorentz-Kontraktion
(64)
In der Tat, ersetzen wir in (59) die L¨ange l1 des in Bewegungsrichtung liegenden Interfero meterarmes durch die bewegte L¨ange l1 1 − v 2 /c2 und nach der Drehung um π/2 in ange (60) die L¨ ange des nun in Bewegungsrichtung liegenden Armes l2 durch die bewegte L¨ aß (63) δ = 0 , d.h derselbe Wert wie l2 1 − v 2 /c2 , dann folgt ∆t = ∆t π2 und also gem¨ ¨ in (56). Dabei setzen wir in Ubereinstimmung mit Lorentz unsere Hypothese (12) voraus, daß ein quer zur Bewegungsrichtung liegender Stab keine L¨ angen¨ anderung erf¨ ahrt. Die Differenz δ der Laufzeitdifferenzen wird also durch die Drehung nicht ge¨ andert, wenn ¨ wir die Lorentz-Kontraktion (64) bewegter L¨ angen beachten, so daß auch keine Anderung des Interferenzbildes erwartet werden kann, vgl. auch Aufg. 3, S. 265.
51
11
Die bewegte Uhr geht nach Einsteins experimentum crucis der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Damit ist ein Experiment gemeint, welches die Periode Tv einer bewegten Uhr mit der Eigenperiode To von baugleichen ruhenden Uhren vergleicht. Bei der historischen Messung der Periode einer bewegten Uhr ist das schwingende System ein Wasserstoffatom, das in seinem eigenen Ruhsystem die rote Spektrallinie Hα mit der Eigenperiode To = 2, 1876 · 10−15 s erzeugt. Werden die H-Atome in Kanalstrahlen bei einer hohen Geschwindigkeit v beobachtet, so wird stattdessen als eine Konsequenz aus Einsteins Spezieller Relativit¨ atstheorie eine Schwingungsdauer 1 − v 2 /c2 wirksam. Die entsprechende Frequenz¨anderung ergibt eine relaTv = To tivistische Korrektur zur klassischen Theorie des Doppler-Effektes, s. Kap. 24. Mit den zum ersten Mal in den Jahren 1938/39 durchgef¨ uhrten Pr¨ azisionsexperimenten konnte die Zunahme der Periodendauer durch eine Rotverschiebung der Spektrallinie best¨ atigt werden. Einstein hatte diesen Effekt als das ”experimentum crucis” der Speziellen Relativit¨ atstheorie betrachtet, s. in dem Lehrbuch von A. Sommerfeld[1] auf S. 213, als das entscheidende Testexperiment f¨ ur sein Postulat einer universellen Konstanz ¨ der Lichtgeschwindigkeit, mit dem er diesen Effekt vorhergesagt hatte. Uber neuere Pr¨ azisionsexperimente zur Zeitdilatation berichten wir in Kap. 34. Anders als in Einsteins theoretischem Aufbau seiner Speziellen Relativit¨ atstheorie, bei dem es galt, die Konsequenzen aus seinem Postulat von der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit quantitativ zu pr¨ ufen, hier die Perioden¨ anderung einer bewegten Uhr 2 2 1 − v /c , verf¨ ugen wir bei unserem Herangehen gem¨aß seiner Vorhersage Tv = To an die Theorie bisher u ¨ber keinerlei Vermutung hinsichtlich der Perioden von bewegten Uhren.11 Hier hilft uns das Gedankenexperiment mit der sog. Lichtuhr. Zwischen zwei Spiegeln S1 und S2 , die sich in einem fixierten Abstand lo zueinander befinden, l¨ auft ein Lichtsignal hin und her. An dem Spiegel S1 ist eine Uhr angebracht, deren Zeigerstellung die eintreffenden Lichtsignale z¨ahlt. Wir betrachten zun¨ achst den Fall, daß diese Anordnung im System Σo ruht. Die Zeit zwischen zwei bei S1 eintreffenden Signalen sei die Schwingungsdauer To , also mit der Lichtgeschwindigkeit c in Σo , 2lo Schwingungsdauer einer in Σo (65) ruhenden Lichtuhr c Nun soll die ganze Anordnung im System Σ ruhen, das in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v in x-Richtung besitzt, s. Abb. 17. Wir berechnen die Schwingungsdauer Tv der nun in bezug auf Σo bewegten Uhr. Auf Grund der Lorentz-Kontraktion (64) stellt der Beobachter in Σo einen Abstand lv zwischen den Spiegeln fest gem¨aß lv = lo 1 − v 2 /c2 . Gem¨aß der Addition von Geschwindigkeiten in einem Bezugssystem (7) u ¨berwindet das Licht die Entfernung lv auf dem Hinweg von S1 nach S2 mit der Relativgeschwindigkeit c − v und zur¨ uck von S1 nach S2 mit c + v . F¨ ur die insgesamt dabei ben¨ otigte Zeit, die Schwingungsdauer Tv der bewegten Uhr, finden wir also, To =
11 Im Anhang, Kap. 31, k¨ onnen wir allerdings die Zeitdilatation (67) sogar als Konsequenz aus der Lorentz-Kontraktion (64) gewinnen, wenn wir ein etwas st¨ arkeres Relativit¨ atsprinzip postulieren als das elementare, also etwas mehr postulieren, als nur u ¨ ber die Definition der Gleichzeitigkeit zu verf¨ ugen.
52
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Σo Σ -c
−c
S1
S2
t1 ` U# v ` ` 6 ` ` ` `` t2 ` ` ` ` "! -v 0
- x lo
-x
Abb. 17: Die Lichtuhr Uv mit der Strecke lo und den Spiegeln S1 und S2 ruht im System Σ . ahlt die zwischen S1 und S2 hin und her reflektierten Lichtsignale. Ihre Zeigerstellung t z¨
Tv
=
lv lv + c−v c+v
c+v+c−v c = 2 lv 2 (c − v)(c + v) c − v2 2 lv 2 lo 1 − v 2 /c2 1 = = c 1 − v 2 /c2 c 1 − v 2 /c2
= lv
und damit To
Tv =
1 − v 2 /c2
.
Schwingungsdauer einer in Σo (66) bewegten Lichtuhr
Nun werden wir nicht versuchen, eine Lichtuhr zu bauen. Aber wir haben jetzt mit (66) die Formel, die es zu u ¨ berpr¨ ufen gilt. Die Bauart einer Uhr darf den in Gleichung (66) beschriebenen Effekt nicht beeinflussen. Er gilt f¨ ur jedes schwingungsf¨ ahige System und l¨ aßt sich heute mit faszinierender Genauigkeit an C¨ asium-Atomuhren direkt nachweisen, s. Aufg. 4, S. 265. Wir schematisieren den Vorgang noch einmal in Abb. 19: Die in Σo an den Positionen x ruhenden Uhren bezeichnen wir mit Uox . Einer Normaluhr, sagen wir Uv , erteilen wir die Geschwindigkeit v , so daß die Positionen von Uv durch x = v t beschrieben werden. Die Zeigerstellungen auf dieser Uhr bezeichnen wir mit t . Zur Zeit t = 0 in Σo stehe auch der Zeiger von Uv auf t = 0 . Die Uhr Uv befinde sich dann gerade bei x = 0 , hat dort also dieselbe Zeigerstellung wie die in Σo am Koordinatenursprung O ruhende Uhr Uo0 . Wenn die Uhr Uv bei der in Σo ruhenden Uhr Uox am Ort x = v t angekommen ist, welche die Zeigerstellung t hat, steht der Zeiger von Uv auf einer Stellung t . Beide Zeigerstellungen sind verschieden.
11 Die bewegte Uhr geht nach
53
Die Zeigerstellung t der bewegten Uhr bleibt hinter den Zeigerstellungen t der ruhenden Uhren zur¨ uck, weil sich die Zeigerstellungen reziprok zu den Schwingungsdauern (66) verhalten. Die bewegte Uhr geht nach, v2 t =t 1− 2 . Zeitdilatation (67) c Die von einer Uhr in ihrem eigenen Ruhsystem angezeigte Zeit heißt ihre Eigenzeit. Der Zeiger der Uhr z¨ ahlt die Schwingungen. Die Schwingungsdauer Tv einer in bezug auf Σo bewegten Uhr ist gedehnt, d.h. gr¨ oßer als die Schwingungsdauer To der in Σo ruhenden Uhren. Daher nennt man diesen Effekt Zeitdilatation [sp¨ atlat. dilatatio = Erweiterung ]. Wenn im ausgezeichneten System Σo f¨ ur eine dort ruhende Uhr die Eigenperiode To gemessen wird, dann wird f¨ ur dieselbe Uhr, wenn sie sich relativ zu Σo mit der Geschwindigkeit v bewegt, die gedehnte Periode Tv gemessen.
Σo : T v =
To 1 − v 2 /c2
.
Zeitdilatation
(68)
54
12
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Die physikalischen Postulate der relativistischen Raum-Zeit
Mit den beiden folgenden Abbildungen skizzieren wir noch einmal die Sachverhalte zur Lorentz-Kontraktion und Zeitdilatation. Dabei gelte stets die Anfangsbedingung (10), d.h., f¨ ur (x = 0, t = 0) ist auch (x = 0, t = 0) . Σ Σo
-v q
- x
q
t=0 q # ` ` ` 6 `
t=0 q # ` ` ` 6 `
` ` ` ` "! q x1= 0
` ` ` ` "! q -x x2= lv x2= lo -
lo
Abb. 18: Schematische Darstellung der im ausgezeichneten System Σo beobachteten LorentzKontraktion. F¨ ur den im bewegten System Σ ruhenden Stab werden zur Zeit t = 0 in Σo die Koordinaten x1 = 0 bzw. x2 = lv seiner Endpunkte festgestellt. Wenn derselbe Stab in Σo ruht, messen wir f¨ ur die Koordinaten seiner Endpunkte x1 = 0 und x2 = lo . Strichpunktierte Linien verbinden Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
Σ
t =0 # ` ` ` 6 `
Σo
-v ` Uv ` ` ` "!- x x= 0 q
t=0 q # ` ` ` 6 ` ` Uo0 ` ` ` "! q x=0 Abb. 19:
Σ # ` ` ` ` Uv -v ` @ R` `t @ ` "!- x x= 0 q q # ` ` ` ` Uox ` ` t` ` ? "! q x = vt
Schematische Darstellung der im ausgezeichneten System
-x Σo
beobachteten
Einsteinschen Zeitdilatation. Die Zeigerstellung t der bewegten Uhr Uv bleibt hinter den Zeiger-
uck, an denen Uv vorbeigleitet. Strichpunktierte stellungen t der in Σo ruhenden Uhren zur¨ Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
12 Die physikalischen Postulate der relativistischen Raum-Zeit
55
Der h¨ ohere Standard an Meßgenauigkeit zwingt uns, die der klassischen RaumZeit zugrundeliegenden Hypothesen von einer Unver¨ anderlichkeit bewegter L¨ angen und Schwingungsperioden aufzugeben. Anstelle der Gleichungen (44) und (45) f¨ ur die klassische Raum-Zeit erhalten wir also auf Grund der Meßergebnisse (64) und (68) in unserem ausgezeichneten System Σo ”den von Konventionen freien physikalischen Inhalt”, Einstein[3] , der relativistischen Raum-Zeit12 : Die physikalischen Postulate der relativistischen Raum-Zeit :
v2 , c2
Σo :
lv 1 = = lo k
Σo :
Tv 1 1 = . = To v θ(v) + q(v) 1 − v 2 /c2
1−
In Σo ist der bewegte Maßstab verk¨ urzt.
(69)
(70)
u r t Dr¨ ucken wir (70) durch die Zeigerstellungen der Uhren aus und schreiben noch tv f¨ und to f¨ ur t , dann muß es heißen
Σo :
tv = to
1−
v2 . c2
In Σo geht die (71) bewegte Uhr nach.
Die unmittelbare Erfahrung lehrt also auch hier eine f¨ ur die L¨ angen- und Zeitmessungen geltende Reziprozit¨ at Tv /To = lo /lv . Ein im Anhang formuliertes, sog. metrisches Relativit¨ atsprinzip, das in seiner Reichweite zwischen dem Einsteinschen Postulat und der elementaren Relativit¨ at steht, zeigt die theoretische Einordnung dieser Beziehung, Kap. 31, S. 211. Wie im Fall der klassischen Raum-Zeit gilt auch f¨ ur die relativistische Raum-Zeit: Wir postulieren die Gleichungen (69) und (70) wohlgemerkt allein f¨ ur das als isotrop deklarierte System Σo . Was wir f¨ ur diese Quotienten aus den bewegten und ruhenden L¨angen und Schwingungsdauern in den anderen Inertialsystemen Σ messen, ist dann eine Folge der dort zu definierenden Synchronisation der Uhren. F¨ ur sp¨ atere Anwendungen f¨ uhren wir noch folgende Bezeichnungen ein: ⎫ ⎪ v2 v ⎪ ⎪ γ := 1 − 2 , β := , also γ = 1 − β 2 ⎪ ⎪ ⎪ c c ⎪ ⎬ und zur Unterscheidung ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ u2 v2 v12 ⎪ ⎭ γu := 1 − 2 , γv := 1 − 2 , γ1 := 1 − 2 . ⎪ c c c
(72)
12 F¨ ur denjenigen, der es partout nicht fassen kann, daß wir die M¨ oglichkeit von L¨ angen¨ anderungen bewegter Maßst¨ abe und Perioden¨ anderungen bewegter Uhren rein logisch einr¨ aumen m¨ ussen, f¨ ur den h¨ alt die Natur ein Extra bereit, eine Miniaturausgabe der Speziellen Relativit¨ atstheorie im Festk¨ orper. F¨ ur den physikalisch besonders interessierten Leser gehen wir darauf anhangsweise in Kap. 35 ein, vgl. auch ¨nther[2] . Gu
56
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
13
Elementare Relativit¨ at Die Lorentz-Transformation
Wie in Kap. 9 verlangen wir nun f¨ ur die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ wieder das Prinzip der elementaren Relativit¨ at (39) mit q = k gem¨aß (40). Aus den physikalischen Postulaten (69) und (70) f¨ ur das ausgezeichnete System Σo folgt dann gem¨aß (42) 1 − v 2 /c2 − 1 1 − v 2 /c2 To /Tv − lo /lv 1 − v 2 /c2 − 1 θ= . = = v v v 1 − v 2 /c2 Im Unterschied zur klassischen Raum-Zeit mit einer absoluten Gleichzeitigkeit als Konsequenz aus dem elementaren Relativit¨atsprinzip erzwingt nun eine konventionelle Synchronisation nach demselben Prinzip f¨ ur die relativistische Raum-Zeit den Lorentzschen Synchronparameter θL und damit die Einsteinsche Definition der Gleichzeitigkeit, −v/c2 . θ = θL = 1 − v 2 /c2
Lorentzscher
Synchronparameter
(73)
Diesen Synchronisationsvorgang illustrieren wir in Abb. 20. Wir fassen zusammen: 1 k= , 1 − v 2 /c2 1 q= , 1 − v 2 /c2
Die physikalischen Postulate der relativistischen Raum-Zeit
(74)
+ −v/c2 Lorentzscher . θL (v) = Synchronparameter 1 − v 2 /c2
Elementares Relativit¨atsprinzip
Mit (74) erhalten wir f¨ ur die spezielle Koordinaten-Transformation (21) die ber¨ uhmte spezielle Lorentz-Transformation x−vt x = , 1 − v 2 /c2 t − xv/c2 , t = 1 − v 2 /c2
←→
⎫ x + v t ⎪ x= , ⎪ ⎪ ⎪ 1 − v 2 /c2 ⎬
2
t + x v/c t= 1 − v 2 /c2
⎪ ⎪ ⎪ . ⎪ ⎭
Spezielle Lorentz-Transformation
(75)
F¨ ur θ = θL = −v (c2 γ) und k = q = 1/γ wird aus dem Additionstheorem (22) das ber¨ uhmte Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten, s. auch Abb. 21,
u =
u−v u + v ←→ u = . 1 − u v/c2 1 + u v/c2
Einsteinsches Additionstheorem
der Geschwindigkeiten
(76)
13 Elementare Relativit¨ at - Die Lorentz-Transformation
57
Σ t = 0 # # # # ` -v ` ` ` ` ` -v ` -v tB ` ` ` ` + ` 6 ` -v ` ` ` − Y H * t − H E ` ` ` Ux ` ` Uo ` ` tF ` ` ` ` v` ` v` ` ` "! "! "! "! - x x x x q q x1 = 0 q 2 q 3 Σo E O B F t=0 q t=0 q t=0 q t=0 q # # # # ` ` ` ` ` ` ` ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` 6 ` ` ` ` ` Uo ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ` "! "! "! "! q q q q -x x2 x = −x2 x3 = 2x2 x1 = 0 Abb. 20: Die Realisierung des elementaren Relativit¨atsprinzips in der relativistischen Raum-Zeit mit Hilfe der Lorentzschen Synchronfunktion τL (x, v) = −v x/(c2 γ) . Zur Zeit t = 0 in Σo werden die Zeigerstellungenpder Σ -Uhren gem¨ aß t = −v x/(c2 γ) berechnet. Im Bild haben 2 2 1 − v /c = 0, 6 gew¨ ahlt und die Uhren so geeicht, daß die Zeit wir v = 0, 8 c , also γ = ∆to := 2 x2 /c einer Zeigerstellung ’Viertel’ entspricht, also 2 x2 /c = 15 bei 60 Skalenteilen auf dem Zifferblatt. Damit folgen die eingezeichneten Zeigerstellungen tE = t (x, 0) = −x v/c2 γ = x2 · 0, 8 c/c2 0, 6 = 15 · 2/3 = 10 , tB = t (x2 , 0) = −10 , tF = t (x3 , 0) = −20 . Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen, hier E , O , B , F . Die vom System Σ aus gemessene Geschwindigkeit u eines Objektes L ist nun verschieden von der in Gleichung (7) stehenden Relativgeschwindigkeit w , welche nur die ¨ zeitliche Anderung der in Σo gemessenen Koordinatendifferenzen der K¨orper L und K bedeutet. Das System Σ wird durch das Ruhsystem des K¨ orpers K realisiert, Abb. 21. Den Fall einer beliebig gerichteten Geschwindigkeit u betrachten wir im Anhang, Kap. 33. Von Σo aus gemessen, hat die Front einer Lichtwelle die Geschwindigkeit u = c . Die Geschwindigkeit des Inertialsystems Σ sei v . Die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit der Lichtwellenfront sei u = c . Diese drei Geschwindigkeiten c , c und v h¨ angen dann u ¨ber das Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten (76) zusammen, also c =
c−v c−v c(1 − v/c) = = 1 − c v/c2 1 − v/c 1 − v/c
und damit c = c . Die Front einer Lichtwelle hat in jedem Inertialsystem ein und denselben Wert, c = 299 792 458 ms−1 .
(77)
(78)
Das ist Einsteins ber¨ uhmtes Prinzip von der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Einsteins Relativit¨atspostulat ist reproduziert, s. auch Aufg. 5 und 7, S. 268 und S. 271.
58
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Σ L t
Σ K t
-u
-u q x (t )
q x =0
x=0
q
q q q-w x(t)
-x
q Σo
-v
q q q x1 (t)
-x
Abb. 21: Einsteins Additionstheorem der Geschwindigkeiten. Der in bezug auf Σo mit der orper K Geschwindigkeit v bewegte K¨ orper K sei das Bezugssystem Σ . Der auf dem K¨ sitzende Beobachter ortet einen K¨ orper bzw. irgendein Objekt L an den Positionen x = x (t ) , ahert. Das Objekt L besitzt im welches sich ihm folglich mit der Geschwindigkeit u = dx /dt n¨ ahrend der K¨ orper K (das Bezugssystem Bezugssystem Σo die Geschwindigkeit u = dx/dt , w¨ Σ ) in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v = dx1 /dt besitzt. Der Beobachter in Σo stellt fest, daß sich L mit der Relativgeschwindigkeit w = u − v dem K¨ orper K n¨ ahert. Diese Geschwindigkeit w ist nun verschieden von der Geschwindigkeit u , mit der sich nach Aussage des Beobachters orper K n¨ ahert. Wir w¨ ahlen als Beispiel wieder v = 0, 8c . Ferner in Σ das Objekt L dem K¨ ur das Objekt L gemessen werden, so daß sich L , m¨ oge in Σo eine Geschwindigkeit u = 0, 9c f¨ orper von Σo aus beobachtet, wieder mit der Relativgeschwindigkeit w = u − v = 0, 1c dem K¨ berechnet man dagegen mit dem Additionstheorem (76) K n¨ ahert. F¨ u r die Geschwindigkeit u ‹` ´ ‹` ´ ahert sich der u = (u − v) 1 − (uv/c2 ) = (0, 9c − 0, 8c) 1 − (0, 9c · 0, 8c/c2 ) = 0, 36 c . Also n¨ Punkt x (t ) auf der x -Achse mit der Geschwindigkeit u = 0, 36 c dem Punkt x = 0 , und der Punkt x(t) n¨ ahert sich auf der x-Achse mit der Geschwindigkeit w = 0, 1c dem Punkt x1 (t) . Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
Die gewaltige Bedeutung dieser Aussage gibt Anlaß zu immer neuen Pr¨ azisions¨ experimenten, die zu ihrer Uberpr¨ ufung angestrengt werden, s. Kap. 34, S. 218ff. Wir sind am Ziel.
Das System Σo ist durch nichts mehr von anderen Inertialsystemen zu unterscheiden. Die Lorentz-Transformation (75) gilt zwischen zwei beliebigen Inertialsystemen.
Also m¨ ussen auch zwei beliebige Inertialsysteme Σ und Σ u ¨ber eine LorentzTransformation zusammenh¨ angen. Sind v und u die Geschwindigkeiten von Σ (x , t ) und Σ (x , t ) in x-Richtung von Σo (x, t) , dann finden wir aus den Lorentz-Transformationen zwischen Σo und Σ sowie zwischen Σo und Σ , daß tats¨achlich Σ und Σ u ¨ber eine Lorentz-Transformation zusammenh¨ angen, wenn wir das Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten ber¨ ucksichtigen:
13 Elementare Relativit¨ at - Die Lorentz-Transformation
59
⎫ x − u t ⎪ ⎪ , ⎪ ⎪ γu ⎪ ⎪ ⎫ ⎪ ⎪ −→ ⎪ x − u t ⎪ ⎬ 2 ⎪ x = t − x u /c, ⎪ t = , ⎪ γu ⎪ (79) ⎪ γ ⎪ u ⎪ −→ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ t − x u /c2 ⎪ t = u − v , ⎪ (79) ⎪ ⎪ γu ⎪ , u = ⎭ ⎪ ⎪ 1 − u v/c2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ u−v ⎪ ⎪ , u = ⎭ u v/c2 1 − und in der Transformation zwischen Σ und Σ ist u auch der ”richtige” Parameter, n¨ amlich die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit u = (u − v)/(1 − u v/c2 ) von Σ . Wir (79) in Aufg. 6, zwischen S. 270, explizit nachrechnen. und werden in der Transformation Σ und Σ ist u auch der ”richtige” Parameter, E1 (x1 , t1 ) und E2 (x2 , t1 ) , die in einem F¨ u r zwei Ereignisse t) 2gleichzeitig n¨ amlich die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit u = (uSystem − v)/(1Σ−o (x, u v/c ) von Σ . sind und dort an verschiedenen Positionen (x = x ) stattfinden, liest man aus der 2 1 Wir werden (79) in Aufg. 6, S. 270, explizit nachrechnen. Lorentz -Transformation (75) sofort ab, daß sie in jedem anderen, zu Σ bewegten o F¨ ur zwei Ereignisse E1 (x1 , t1 ) und E2 (x2 , t1 ) , die in einem System Σo (x, t) gleichzeitig System (x , t an ) nicht mehr gleichzeitig stattfinden, sind undΣ dort verschiedenen Positionen (x2 = x1 ) stattfinden, liest man aus der Lorentz-Transformation (75) sofort ab, daß sie in jedem anderen, zu Σo bewegten 1 1 v x2 v x1 (x , 2t )) nicht = (tmehr ) = t2 f¨ ustattfinden, r x1 = x2 . (tΣ tSystem 1− 1 − gleichzeitig 1 = γ c γ c2 1 v x1 1 v x2 ) = (t1at−erzwingt ) = Einstein t2 f¨ ur xs1 ber¨ = xu2hmte . Relativit¨ (t1 − 2 Relativit¨ t1 =elementare at der Gleichzeitigkeit : Die γ c γ c2 x − ut , γu x − ut x = t − x u/c, 2 t = , γu γu t − x u/c2 t = , γu x =
x−vt , γv x−vt x = t − x u/c, 2 t = , γv γv t − x u/c2 t = , γv
x =
x =
uhmte Relativit¨ at Relativit¨ der Gleichzeitigkeit : Die elementare Relativit¨at erzwingt Einsteins ber¨ at der (80) Σo : t1 = t2 und x1 = x2 −→ Σ : t1 = t2 . Gleichzeitigkeit Relativit¨ at der (80) Σo : t1 = t2 und x1 = x2 −→ Σ : t1 = t2 . Gleichzeitigkeit Den Zusammenhang zwischen der zeitlichen Reihenfolge zweier Ereignisse in verschiedenen Inertialsystemen mit der Kausalit¨at behandeln wir in Aufg. 7, S. 271. Wir fest: Den halten Zusammenhang zwischen der zeitlichen Reihenfolge zweier Ereignisse in verschiedenen Inertialsystemen mit der Kausalit¨at behandeln wir in Aufg. 7, S. 271. Wir fest: -Transformation wird u Mithalten der Lorentz ¨ber den Lorentzschen Synchronparameter (81) θL die konventionelle Gleichzeitigkeit der relativistischen Raum-Zeit realisiert. Mit der Lorentz-Transformation wird u ¨ber den Lorentzschen Synchronparameter (81) θ die konventionelle Gleichzeitigkeit der Raum-Zeit L Inertialsysteme h¨ Alle angen gem¨aß (79) relativistischen u ¨ber die gleiche Form realisiert. der KoordinatenTransformation miteinander zusammen. Mathematisch werden die speziellen LorentzTransformationen dadurch als eine Gruppe Mit denForm mathematischen EigenAlle Inertialsysteme h¨angen gem¨ aß (79) ausgewiesen. u ¨ber die gleiche der Koordinatenschaften der Lorentz -Transformationen werden wir uns in Kap. 28 eingehend auseinanTransformation miteinander zusammen. Mathematisch werden die speziellen Lorentzdersetzen. Hier gen¨ ugt esals uns festzustellen, daß wir mit die mathematisch einTransformationen dadurch eine Gruppe ausgewiesen. Mit (75) den mathematischen Eigen¨ fachste Form gefunden haben, die Aquivalenz aller Inertialsysteme zum Ausdruck zu schaften der Lorentz-Transformationen werden wir uns in Kap. 28 eingehend auseinanbringen. man festzustellen, aus (75) oderdaß (79)wir sofort Umkehrung einder dersetzen.Insbesondere Hier gen¨ ugtliest es uns mit ab, (75)daß die die mathematisch ¨Lorentz-Transformation Lorentz -Transformation wieder eine darstelltzum und Ausdruck zwar mit der fachste Form gefunden haben, die Aquivalenz aller Inertialsysteme zu Geschwindigkeit −v , wie es nach elementaren Relativit¨ tsprinzip seinUmkehrung muß. bringen. Insbesondere liest man dem aus (75) oder (79) sofort aab, daß die der ¨ Uber jedes Inertialsystem wieder Σ sindeine nunLorentz dieselben Parameter k , darstellt q und θ und definiert. Lorentz -Transformation -Transformation zwar mit der Einstein s Additionstheorem der dem Geschwindigkeiten (76) agilt folglich zwei Geschwindigkeit −v , wie es nach elementaren Relativit¨ tsprinzip seinzwischen muß. ¨ beliebigen Inertialsystemen. Uber jedes Inertialsystem Σ sind nun dieselben Parameter k , q und θ definiert. Einsteins Additionstheorem der Geschwindigkeiten (76) gilt folglich zwischen zwei beliebigen Inertialsystemen.
60
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Ebenso wird die Kontraktion bewegter Maßst¨ abe und die Zeitdilatation bewegter Uhren in jedem System Σ gemessen, da die Gleichungen (27) und (31) jetzt f¨ ur jedes Inertialsystem gelten: lv = l o
1−
tv = t o
1−
v2 . c2
In einem beliebigen System Σ ist der bewegte Stab verk¨ urzt.
v2 . c2
In einem beliebigen System Σ (83) geht die bewegte Uhr nach.
(82)
Das ist durchaus nicht selbstverst¨ andlich. Wenn wir auf die elementare Relativit¨ at verzichten und die Uhren in Σ nach einer von (73) abweichenden Definition, einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit, in Gang setzen, z.B. gem¨aß θ = 0 , dann w¨ urden, von Σ aus beurteilt, die L¨ ange eines bewegten Stabes und die Schwingungsdauer einer bewegten Uhr definitionsgem¨ aß nach anderen Formeln von deren Geschwindigkeit in Σ abh¨ angen, als dies durch (82) und (83) beschrieben wird. Im folgenden Kap. 14 werden wir zwangsl¨aufig auf ein Problem gef¨ uhrt, dessen L¨ osung am besten unter Verwendung einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit gelingt, vgl. auch Aufg. 9, S. 274. ¨ In Einsteins Axiomatik ist der Gang der Uberlegungen ein ganz anderer. Gem¨ aß Einsteins Relativit¨ atsprinzip, S. 32, ist die konventionelle Definition der Gleichzeitigkeit mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen von vornherein in den axiomatischen Ausgangspunkt der Theorie eingebunden. Die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit ist damit von Anfang an per definitionem f¨ ur die relativistische Raum-Zeit festgeschrieben. Eine davon abweichende Definition der Synchronisation ist dann nicht mehr m¨ oglich. Unsere Axiomatik verf¨ ugt erst am Ende u ¨ber die Synchronisation, so daß es uns im Grunde freisteht, auf welchen Zeigerstellungen wir die Uhren in den Systemen Σ in Gang setzen. Die Definition einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit hat aber den Preis einer asymmetrischen Beschreibung unserer Raum-Zeit, aus der die tats¨achliche ¨ physikalische Aquivalenz der Inertialsysteme viel schwerer zu erkennen ist. Wir behandeln in Kap. 32 zwei Beispiele zur nichtkonventionellen Definition der Gleichzeitigkeit in der ¨nther[2] . relativistischen Raum-Zeit, vgl. hierzu auch W. Thirring[1] und H. Gu
61
14
Die lineare N¨ aherung der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Das Inertialsystem Σ bewege sich in bezug auf Σo mit der Geschwindigkeit v . Wir wollen ein und dasselbe physikalische Ph¨ anomen sowohl von Σo als auch von Σ aus beschreiben. Unter der linearen N¨ aherung der SRT verstehen wir, daß die Geschwindigkeit v , verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit c , sehr klein bleibt, v v2 1 −→ 2 ≈ 0 . c c
Lineare N¨ aherung der (84) Speziellen Relativit¨ atstheorie
Gleichung (84) kann man so lesen, daß wir nur die linearen Terme in v/c mitnehmen und h¨ ohere Potenzen vernachl¨assigen. Oder aber man nimmt an, daß unsere Meßgenauigkeit nicht ausreicht, um Glieder h¨ oherer Ordnung in v/c u ¨berhaupt nachzuweisen.13 Wir betrachten die folgenden Taylor-Entwicklungen, wobei mit den Punkten Terme h¨ oherer Ordnung in v/c angedeutet sind, 1−
v2 c2
= 1−
1 v2 + ..., 2 c2
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
1 1 v2 = 1+ + ..., ⎪ 2 c2 1 − v 2 /c2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 v ⎪ ⎭ = 1 + + ... . 1 − v/c c
(85)
Aus einem Vergleich der physikalischen Postulate (44) und (45) der klassischen Raum-Zeit mit den entsprechenden relativistischen Formeln (69) und (70) folgt sofort, daß die relativistische Raum-Zeit in der linearen N¨ aherung in die klassische Raum-Zeit u ¨bergeht: Die in v/c lineare N¨ aherung der relativistischen Raum-Zeit ist physikalisch mit der klassischen Raum-Zeit identisch. Alle in v/c linearen Effekte k¨ onnen grunds¨ atzlich im Rahmen der klassischen Raum-Zeit erkl¨art werden.
(86)
F¨ ur die klassischen, in v/c linearen Effekte liefert die Ber¨ ucksichtigung der Speziellen Relativit¨ atstheorie nichtlineare Korrekturen, wie wir dies z.B. beim Doppler-Effekt und bei der Aberration sehen werden, Kap. 24 und 25. Außerdem gibt es rein relativistische Effekte, die erst in der Ordnung v 2 /c2 einsetzen und in der klassischen Betrachtung u ¨berhaupt fehlen. Hier muß man entweder sehr genau messen oder die Geschwindigkeit v m¨oglichst hoch treiben. Die Thomas-Pr¨ azession, Kap. 22, und der sog. transversale Doppler-Effekt, Kap. 24, sind Beispiele daf¨ ur. 13 Man beachte, daß die Linearit¨ at in den Koordinaten x und t , auf die wir uns ab Kap. 4 generell geeinigt hatten, mit der hier betrachteten Linearisierung in v/c nichts zu tun hat.
62
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Die Situation sieht anscheinend anders aus, wenn wir bei der Linearisierung in v/c von der Koordinaten-Transformation ausgehen. Mit (84) und (85) folgt f¨ ur die lineare N¨ aherung der Lorentz-Transformation (75) ⎫ x = x + v t , ⎬ ⎪
x = x − v t , ←→ vx t =t− , cc
v x ⎪ t=t + . ⎭ c c
Lineare N¨ aherung der Lorentz-Transformation
(87)
Die Transformation (87) ist nun aber von der Galilei-Transformation (48) durchaus verschieden. Dieser Unterschied bleibt unklar, wenn man sich nicht an den definitorischen Charakter der Gleichzeitigkeit erinnert. Die klassische und die relativistische Raum-Zeit sind durch die Ergebnisse von Messungen ausgewiesen, n¨amlich durch (44) und (45) im klassischen sowie durch (69) und (70) im relativistischen Fall. Verzichten wir einmal auf die durch das elementare Relativit¨ atsprinzip erzeugte und f¨ ur das Verst¨andnis der physikalischen Zusammenh¨ ange so wichtige symmetrische mathematische Struktur der Koordinaten-Transformationen, dann steht es uns frei, einen beliebigen Synchronparameter f¨ ur die Einstellung der Uhren in den Systemen Σ zu verwenden, also z.B. θL f¨ ur die klassische Raum-Zeit und θa f¨ ur die relativistische. Wir halten fest: Der Lorentzsche Synchronparameter θL = −v/(c2 γ) erzeugt die konventionelle Gleichzeitigkeit in der relativistischen Raum-Zeit und eine nichtkonventionelle Gleichzeitigkeit f¨ ur die klassische Raum-Zeit. Ebenso erzeugt der absolute Synchronparameter θa = 0 die konventionelle Gleichzeitigkeit in der klassischen Raum-Zeit und eine nichtkonventionelle Gleichzeitigkeit f¨ ur die relativistische Raum-Zeit.
(88)
Mit der Wahl θL = −v/(c2 γ) f¨ ur die klassische Raum-Zeit folgt aus (45), daß q = 1 − v θL = 1 + v 2 /(c2 γ) . Zusammen mit (44) folgt dann aus der KoordinatenTransformation (21) anstelle der Galilei-Transformation (48) zun¨ achst x = x − v t ,
t = −
v/c2 v 2 /c2 Klassische Raum-Zeit mit einer (89) x+ 1+ t. nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit γ γ
Die zweite Formel in (89) enth¨alt mit den v 2 /c2 -Gliedern im Rahmen der klassischen Genauigkeit nicht nachpr¨ ufbare Aussagen. Vernachl¨ assigen wir folgerichtig in (89) die in v/c nichtlinearen Glieder, ersetzen also auch den Faktor γ durch 1 , dann erhalten wir anstelle der Gleichungen (89) f¨ ur die klassische Raum-Zeit die Transformationsformeln x = x − v t ,
t = t −
vx . cc
Klassische Raum-Zeit mit einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit
(90)
14 Die lineare N¨ aherung der Speziellen Relativit¨ atstheorie
63
Ein Vergleich von (90) mit (87) zeigt nun: Die in v/c linearisierte Lorentz-Transformation ergibt eine Beschreibung der klassischen Raum-Zeit mit einer nichtkonventionellen Gleichzeitigkeit, n¨ amlich unter Verwendung des Synchronparameters θL = −v/(c2 γ) anstelle von θa = 0 und einer anschließenden Linearisierung in v/c . Die linearisierte Lorentz-Transformation und die Galilei-Transformation unterscheiden sich also nur in der Definition der Gleichzeitigkeit. ¨nther[3] . Inbesondere bei Daf¨ ur gibt es durchaus Anwendungen, s. Liebscher[1] , Gu Experimenten mit dem Licht kann es sogar mathematisch vorteilhaft sein, zun¨ achst relativistisch zu rechnen, um daraus den Effekt der klassischen Raum-Zeit durch eine anschließende Linearisierung in v/c zu erhalten, vgl. Kap. 20 und Kap. 25. Genauso, wie sich in der relativistischen Raum-Zeit aus der Lorentz-Transformation (75) die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit (80) ergibt, folgt nun auch f¨ ur die klassische Raum-Zeit die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit aus der in v/c linearisierten Lorentz-Transformation (90) bzw. (87). Das liegt einfach daran, daß nun f¨ ur die klassische Raum-Zeit die Uhren nicht gem¨ aß Abb. 12 in Gang gesetzt werden, sondern vereinbarungsgem¨ aß entsprechend Abb. 20 bzw. gem¨ aß einer daraus gebildeten linearen N¨ aherung in v/c . In Aufg. 10, S. 275 rechnen wir dies explizit durch. Wir machen hier darauf aufmerksam, daß alle Experimente in der Physik bisher ausnahmslos mit einer konventionellen Regulierung der Uhren durchgef¨ uhrt werden: die Experimente der klassischen Physik mit der absoluten Gleichzeitigkeit und Pr¨ azisionsexperimente, die uns in den relativistischen Bereich f¨ uhren, mit einer Synchronisation, welche u ¨ber die per definitionem konstante Lichtgeschwindigkeit realisiert wird. Die experimentelle ¨ Uberpr¨ ufung von Formeln, die auf einer nichtkonventionellen Definition der Gleichzeitigkeit beruhen, verlangt daher eine sorgf¨ altige Pr¨ ufung einer entsprechenden Einstellung der Uhren. ¨ Alle physikalisch meßbaren Effekte sind aber von einer Anderung in der Definition der Gleichzeitigkeit nur dann betroffen, wenn wir zur Bestimmung der experimentellen Gr¨ oßen zwei Uhren an zwei verschiedenen Orten ben¨otigen, so daß die Synchronisation dieser beiden Uhren unmittelbar in die Messung eingeht, wie wir dies bei der Messung einer Geschwindigkeit in Kap. 1 diskutiert haben, s. Satz (1), S. 17. Wir zeigen dies noch einmal an der Lichtgeschwindigkeit. Es sei c = c die in Σ und Σo gemessene Lichtgeschwindigkeit in der relativistischen Raum-Zeit bei konventioneller, also Einsteinscher Definition der Gleichzeitigkeit. Das System Σ soll sich mit der Geschwindigkeit v in der x-Richtung von Σo bewegen. Betrachten wir nun die klassische Raum-Zeit mit konventioneller Definition der Gleichzeitigkeit, und es sei c die Lichtgeschwindigkeit in Σo . Mit dem Additionstheorem (49) der Galilei-Transformation (48) erhalten wir dann f¨ ur den klassischen Wert ckl der Lichtgeschwindigkeit in Σ v ckl = c − v = c 1 − . c
(91)
Also unterscheidet sich doch der klassische Wert f¨ ur ckl ganz eindeutig um einen Effekt erster Ordnung in v/c von dem relativistischen Wert c ! Im System Σ gemessene Geschwindigkeiten kann man nat¨ urlich nur miteinander vergleichen, wenn man dabei dieselbe Synchronisation der Uhren verwendet hat, Kap. 3, Satz (1), S. 17.
64
Elementarer Aufbau der relativistischen Raum-Zeit
Ein bei x1 = 0 zur Zeit t1 = 0 ausgesandtes Lichtsignal erreiche die Σ -Uhr bei x2 zur Zeit t2 . Die daraus in Σ berechnete Lichtgeschwindigkeit c , c =
x2 − x1 x = 2 , t2 − t 1 t2
aß Abb. 12 oder h¨ angt nat¨ urlich davon ab, ob die Σ -Uhr bei x2 auf der Stellung gem¨ gem¨aß Abb. 20 in Gang gesetzt wurde. Um den klassischen Wert der Lichtgeschwindigkeit mit dem relativistischen vergleichen zu k¨ onnen, m¨ ussen wir also f¨ ur die klassische Raum-Zeit dieselbe Synchronisation f¨ ur die Σ -Uhren verwenden wie f¨ ur die relativistische. Rechnen wir in der relativistischen Raum-Zeit mit konventioneller Gleichzeitigkeit, benutzen also den Synchronparameter θL = −v/(c2 γ) , dann m¨ ussen wir diesen Parameter θL auch f¨ ur die klassische Rechnung einsetzen. Wie wir oben ausgef¨ uhrt haben, ist bei θ = θL = −v/(c2 γ) in der klassischen Raum-Zeit q = 1 + v 2 /(c2 γ) sowie k = 1 . Aus dem Additionstheorem (22) mit u = c in Σo folgt damit f¨ ur die klassisch gemessene Lichtgeschwindigkeit ein Wert u = c kl in Σ , wobei wir die aus einer nichtkonventionellen Einstellung der Uhren resultierenden Gr¨ oßen durch eine Tilde kennzeichnen, c kl =
c−v v2 v v 1 v2 − ≈ c 1 − 1 + − , 1 + v 2 /(c2 γ) − v/(cγ) c cγ 2 c2 γ 2 c2 γ
so daß c kl = c + O
v2 . c2
(92)
Dieser klassische Wert der Lichtgeschwindigkeit c kl in Σ unterscheidet sich also von ¨ dem relativistischen Wert c in Ubereinstimmung mit (86) nur durch nichtlineare Terme in v/c , was wir mit der Schreibweise O v 2 /c2 angedeutet haben. In Aufg. 9, S. 274, rechnen wir dasselbe Problem mit der absoluten Gleichzeitigkeit, also konventionell f¨ ur die klassische Raum-Zeit und nichtkonventionell f¨ ur den relativistischen Fall. Wir merken noch an: Nat¨ urlich kann die Galilei-Transformation auch als ein Grenzfall der LorentzTransformation betrachtet werden, n¨ amlich unter der Annahme c −→ ∞ .
Die ganze Theorie auf einer Seite Wir beginnen mit einem vorl¨ aufig ausgezeichneten Ausgangs-Inertialsystem Σo (x, t) . Die Systeme Σ (x , t ) m¨ogen in bezug auf Σo die Geschwindigkeit (v, 0, 0) besitzen. Die Koordinaten sollen die Maßzahlen der Orts- und Zeitmessungen sein. lv und lo sind die L¨ angen eines in Σo bewegten bzw. desselben in Σo ruhenden Stabes. Tv und To sind die Perioden einer in Σo bewegten bzw. derselben in Σo ruhenden Uhr. Es gelte das Postulat der Homogenit¨ at und Isotropie unserer Raum-Zeit in Σo . Bei linearer Synchronisation in Σ gilt dann: Die Koordinaten-Transformationen sind linear, x = k(x − v t) , y = y , z = z , (I) t = θ x + q t . F¨ ur eine Geschwindigkeit u in Σo folgt daraus u in Σ gem¨aß dem Additionstheorem k(u − v) u = θu+q k mit dem Spezialfall : u = 0 −→ u = − v . (II) q Aus (I) gewinnen wir die Aussagen lo = k(v) , lv
To = v θ(v) + q(v) . Tv
(III)
Elementares Relativit¨ atsprinzip: u = −v f¨ ur u = 0 . Aus (II) folgt damit k=q, und wegen (III) folgt daraus der Parameter θ zur Synchronisation der Uhren in Σ , To /Tv − lo /lv . v Experimentelle Bestimmung von lv /lo und Tv /To in Σo : relativistische Raum-Zeit klassische Raum-Zeit l v = l o , Tv = T o . lv = lo 1 − v 2 /c2 , To = Tv 1 − v 2 /c2 . θ=
⇓ k =q =1,
⇓ k=q=
θ =0.
1 1 − v 2 /c2
,
−v/c2
θ=
1 − v 2 /c2
Einsetzen in (I) liefert : Galilei-Transformation
x = x − v t , t = t .
y = y ,
Lorentz-Transformation
z = z ,
x−vt x = , 1 − v 2 /c2
y = y ,
z = z ,
t − v x/c2 . t = 1 − v 2 /c2
Aus der mathematischen Struktur dieser Transformationen folgt die Gleichberechtigung aller Inertialsysteme. Es gilt das Galileische bzw. Einsteinsche Relativit¨atsprinzip.
.
Die Newtonsche Mechanik Bis hierher haben wir gesehen, daß die Struktur unserer Raum-Zeit von jedem Inertialsystem aus dasselbe Bild ergibt. Das Prinzip der Relativit¨ at verlangt aber mehr. Auch die physikalischen Gesetze sollen von jedem Inertialsystem aus betrachtet gleich lauten. Diese physikalische Erfahrung haben wir urspr¨ unglich mit der Mechanik gemacht. Andere physikalische Bereiche wie die Elektrodynamik wollen wir sp¨ ater betrachten. Die Formulierung der Newtonschen Mechanik hat nicht die klassische Raum-Zeit zur Voraussetzung. Die Newtonschen Gesetze gehen aber davon aus, daß in der Mechanik ein Relativit¨ atsprinzip wirksam ist: Es ist unm¨ oglich, in der Mechanik ein Experiment anzugeben, durch das ein Inertialsystem vor einem anderen ausgezeichnet w¨ urde.
(93)
Jetzt haben wir es also mit der Ausdehnung des Relativit¨ atspostulats auf physikalische Gesetze zu tun, hier auf die Gesetze der Mechanik. Ausgehend von der elementaren Relativit¨ at in der Beschreibung der Raum-Zeit, m¨ ussen wir einen Erfahrungssatz formulieren, damit die Bewegungsgesetze der Mechanik dem Prinzip (93) unterworfen werden k¨ onnen. Dieses Prinzip lautet:14 Wird eine physikalische Kraft in zwei Inertialsystemen gemessen, dann stimmen die beiden Meßwerte u ¨berein.
(94)
Wirkt z.B., eindimensional betrachtet, im System Σo auf einen K¨ orper K eine Kraft F = 1 N , so wird auch in Σ gemessen, daß an dem K¨orper K die Kraft F = 1 N angreift. (Hierbei steht N f¨ ur ’ein Newton’, das wir unten als Maßeinheit der Kraft im SI-System einf¨ uhren werden.) Diese Aussage ist nicht trivial. Mit ihrer Hilfe werden wir die Newtonschen Axiome der Mechanik entweder an die klassische oder an die relativistische Raum-Zeit anpassen ¨ k¨ onnen, so daß jeweils die Aquivalenz aller Inertialsysteme erf¨ ullt ist.
15
Die Newtonschen Axiome
Das Erste Newtonsche Axiom stellt fest, daß es Bezugssysteme gibt, in denen ein K¨ orper, auf den keine physikalischen Kr¨ afte einwirken, im Zustand der Ruhe oder der gleichf¨ ormigen Bewegung verharrt. Es heißt auch das Galileische Tr¨agheitsgesetz. Diese Bezugssysteme haben wir in Kap. 2 als Inertialsysteme deklariert. Das Zweite Newtonsche Axiom konstatiert f¨ ur den Impuls p = mu = mdx/dt einer Masse m , die sich mit der Geschwindigkeit u unter der Wirkung einer Kraft F gem¨aß ¨ x = x(t) bewegt, daß die zeitliche Anderung des Impulses in einem solchen Inertialsystem dieser Kraft proportional ist, d d p≡ (mu) ∼ F dt dt
−→
d (mu) = k F . dt
Das Zweite Newtonsche Axiom
(95)
14 F¨ ur die Lorentz-Kraft kann dieses Prinzip in der relativistischen Mechanik geladener Teilchen mit Hilfe der Elektrodynamik explizit verifiziert werden, s. Kap. 29, S. 161ff., und Kap. 30, S. 190ff.
15 Die Newtonschen Axiome
67
Die Proportionalit¨ atskonstante k wird durch die Wahl der Maßeinheit f¨ ur die Kraft festgelegt. Wir erinnern zuerst an die Festlegung der Masseneinheit. Wie vor zweihundert Jahren gilt hier: Der in Paris aufbewahrte Kilogramm-Prototyp definiert die Maßeinheit des Kilogramms im SI-System:15 1 kg ist die Maßeinheit f¨ ur die Masse im SI-Maßsystem. Wir definieren dann: Ein Newton ist die Kraft, die einer ruhenden Masse von einem Kilogramm die Beschleunigung von einem Meter Pro Sekunde zum Quadrat erteilt. Da wir nicht wissen, ob sich die Masse eines K¨orpers vielleicht mit ihrer Geschwindigkeit ¨andert, s. u. Gleichung (102), wird unsere Festsetzung durch die Annahme einer ruhenden Ausgangsmasse eindeutig: Ein Newton, 1N = 1kg · 1m · 1s−2 , ist die Maßeinheit f¨ ur die Kraft im SI-Maßsystem. Das Newton ist also eine aus den Basis-Maßeinheiten Meter, Kilogramm und Sekunde des SI-Systems sekund¨ar eingef¨ uhrte Krafteinheit, derart, daß nun f¨ ur die Konstante in (95) k = 1 gilt. Auch im absoluten Maßsystem, wo man grunds¨ atzlich alle Gr¨ oßen auf die drei BasisMaßeinheiten f¨ ur L¨ ange, Masse und Zeit zur¨ uckf¨ uhrt, bleibt das Newton die Krafteinheit, wenn man anstelle der alten cgs-Einheiten Zentimeter und Gramm die Maßeinheiten Meter und Kiligramm zugrunde legt, so daß in der Mechanik zwischen dem SI-System und dem modernen absoluten Maßsystem noch nicht unterschieden werden muß. F¨ ur das Zweite Newtonsche Axiom (95) k¨onnen wir damit schreiben d d d d p = (mu) = (m x) = F . dt dt dt dt
Das Zweite Newtonsche Axiom
(96)
Setzen wir hier F = 0 , so folgt die Aussage des Ersten Axioms p = mu = const f¨ ur F = 0 .
Das Erste Newtonsche Axiom
(97)
Das Dritte Newtonsche Axiom, das sog. Gegenwirkungsaxiom actio = reactio, stellt eine allgemeine Eigenschaft f¨ ur alle Wechselwirkungskr¨ afte, f¨ ur die Kr¨ afte Fba der Masse mb auf die Masse ma fest, n¨ amlich die Gleichung Fba = −Fab .
Das Dritte (98) Newtonsche Axiom
ubt, entgegengesetzt gleich der Gem¨aß (98) ist die Kraft, die das Teilchen mb auf ma aus¨ Kraft des Teilchens ma auf mb . Mit (98) ist auch gesagt, daß ein Teilchen auf sich selbst keine Kraft aus¨ ubt, es gilt also Faa = 0 . 15 Danach sind dann ein Mol, also N 23 Atome des Kohlenstoffisotops 12 C , gerade A = 6, 0221367 · 10 12 g. Wegen der Unsicherheit in der Bestimmung der Avogadro-Zahl NA ist diese Aussage aber bis heute noch nicht genauer als die Festlegung u ¨ ber das Urkilogramm.
68
Die Newtonsche Mechanik
Grunds¨ atzlicher als die in dieser Form (98) formulierte Eigenschaft der inneren Kr¨ afte eines Systems von Teilchen ist eine daraus herleitbare Konsequenz, die wir deswegen ebenfalls als das Dritte Axiom der Mechanik bezeichnen wollen. Bei n Teilchen mit den Massen ma an den Positionen xa gilt die Gleichung (96) zun¨ achst f¨ ur jedes einzelne Teilchen, n d d d Fba + Fa . (99) pa = (ma xa ) = dt dt dt b=1
Hier ist Fa eine a¨ußere, auf das Teilchen ma einwirkende Kraft. Aus (98) folgt f¨ ur die Wechselwirkungskr¨ afte Fba die allgemeine Eigenschaft n n
Fba = 0 .
(100)
a=1 b=1
F¨ ur ein System aus n Teilchen, die allein ihren Wechselwirkungskr¨ aften ausgesetzt sind, n pa , folgt durch Summation aus (99) und (100) die Erhaltung des Gesamtimpulses P := a=1
Fa = 0 :
n n d d d pa = ma ua = P = 0. dt a=1 dt a=1 dt
Das Dritte Newtonsche Axiom Erhaltung des Gesamtimpulses
(101)
Dieser Erhaltungssatz f¨ ur ein abgeschlossenes, nur unter der Wirkung von inneren Kr¨ aften stehendes System ist eine fundamentale Eigenschaft. In der relativistischen Formulierung der Mechanik werden wir die Newtonsche Formulierung (98) durch das Gesetz (101) ersetzen m¨ ussen. Mit (96), (97) und (101) anstelle von (98) ist die Formulierung der Newtonschen Mechanik so allgemein, daß wir noch nicht zwischen klassischer und relativistischer Mechanik unterscheiden m¨ ussen. Newton hat n¨ amlich in seinem Gesetz (96) zugelassen, daß sich die Massen ma bei ihrer Bewegung ¨andern k¨ onnen. Als einfachsten Fall wird man annehmen, daß die Masse m eines K¨orpers vom Betrag u ihrer Geschwindigkeit u abh¨ angt. Diese i. allg. zugelassene Abh¨ angigkeit der Masse von ihrer Geschwindigkeit wollen wir mit einer geschweiften Klammer schreiben,
m = m{u} .
Die tr¨ age Masse m eines K¨orpers ist i. allg. (102) als eine Funktion ihrer Geschwindigkeit u zu verstehen.
Solange wir diese Funktion m{u} nicht kennen, solange k¨ onnen wir im Grunde genommen auch noch gar nicht explizit mit den Newtonschen Gleichungen rechnen. Mit einem auf R.C. Tolman zur¨ uckgehenden Gedankenexperiment kann man aber ganz allgemein ausrechnen, wie die Funktion m = m{u} aussieht, wenn man nur das Dritte Newtonsche Axiom (101) voraussetzt und die Galilei-Transformation (48), S. 41, f¨ ur die klassische bzw. die Lorentz-Transformation (75), S. 56, f¨ ur die relativistische Raum-Zeit auf die Impulse m u von stoßenden Massen in einem Inertialsystem Σo anwendet. Wir werden sehen, daß es insbesondere das Additionstheorem der Geschwindigkeiten ist, welches zu unterschiedlichen Eigenschaften von Massen in der klassischen bzw. der relativistischen Raum-Zeit f¨ uhrt.
15 Die Newtonschen Axiome
Abb. 22: Isaac Newton, 4.1.1643 - 31.3.1727.
69
70
Die Newtonsche Mechanik
16
Die klassische Mechanik
Mit Hilfe des Tolmanschen Gedankenexperimentes werden wir im n¨ achsten Kapitel aus dem Dritten Newtonschen Axiom die Funktion m = m{u} , die Abh¨ angigkeit der tr¨ agen Masse von ihrer Geschwindigkeit f¨ ur die relativistische Raum-Zeit, im Rahmen der Lorentz-Transformation bestimmen. Die in v/c lineare N¨ aherung davon liefert das bekannte Ergebnis, die Unabh¨ angigkeit der Masse von ihrer Geschwindigkeit f¨ ur den G¨ ultigkeitsbereich der Galilei-Transformation16 , s. auch den direkten Nachweis f¨ ur die folgende Gleichung in Aufg. 12, S. 279 : dm{u} dm dm{u} du = 0 −→ = =0. du dt du dt
Konstanz der Masse (103) Klassische Raum-Zeit
Die Masse m eines K¨orpers ist im G¨ ultigkeitsbereich der Galilei-Transformation (48) von seiner Geschwindigkeit u unabh¨ angig. F¨ ur einen K¨ orper m¨ ogen von Σ bzw. von Σo aus die Bewegungen x = x (t ) bzw. x = x(t) beobachtet werden. Wir setzen diese Bewegungen in die Galilei-Transformation (48) ein und finden durch zweimalige Differentiation nach der Zeit wegen t = t , dx dt d2 x dt2
dx dt dx d dx = = (x − vt) = −v , dt dt dt dt dt dt d dx d2 x = = . −v dt dt dt dt2 =
Nehmen wir hier die Gleichung (103) hinzu, dann folgt in allen Inertialsystemen Σ der klassischen Raum-Zeit f¨ ur den charakteristischen Beschleunigungsterm der Newtonschen Mechanik Impuls¨ anderung d d d2 (104) Σ: p = (m u) = m 2 x . Klassische Raum-Zeit dt dt dt Gem¨aß (94) nehmen wir nun an, daß in bezug auf alle Inertialsysteme dieselben Kr¨ afte F bzw. Fa sowie Fba gemessen werden. Die Newtonschen Grundgesetze der Mechanik nehmen dann in der klassischen Raum-Zeit einheitlich f¨ ur alle Inertialsysteme Σ die folgende Form an, Galilei-Transformation :
d d2 p=m 2 x=F. dt dt p = mu = const f¨ ur F = 0 . Fba = −Fab .
Das Zweite Newtonsche Axiom
Das Erste Newtonsche Axiom
(105)
Das Dritte Newtonsche Axiom
16 Hierbei betrachten wir Massen von K¨ orpern mit unver¨ anderlicher Teilchenzahl im Sinne von Atomen oder Elementarteilchen. Die Masse einer Rakete bleibt also nur konstant, wenn man die Masse der ausgestoßenen Treibgase ber¨ ucksichtigt.
16 Die klassische Mechanik
71
F¨ ur n Teilchen mit den Positionen xa und den konstanten Massen ma gilt d2 xa = Fba + Fa . 2 dt n
ma
(106)
b=1
Bei fehlenden a¨ußeren Kr¨ aften Fa k¨ onnen wir das Dritte Axiom auch mit Hilfe des Impulssatzes (101) ausdr¨ ucken: d d ua d pa = ma = P=0. dt a=1 dt dt a=1 n
n
Das Dritte Newtonsche Axiom Galilei-Transformation
(107)
Beschr¨ankt sich die Wechselwirkung von Teilchen auf ein sehr kleines Zeitintervall δt , so daß sich die Teilchen vorher und nachher kr¨ aftefrei bewegen, dann sprechen wir von einem Stoß. Die explizite Behandlung eines Stoßvorganges zweier Teilchen auf der Grundlage der Galilei-Transformation haben wir in Aufg. 11, S. 277, gerechnet. Solange wir K¨ orper betrachten, deren Geschwindigkeiten u , verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit c , sehr klein sind ( u c ), solange werden auch die Newtonschen Gleichungen (105) mit ihren unver¨ anderlichen Massen f¨ ur alle Inertialsysteme gelten, die wir wiederum durch solche K¨ orper realisieren k¨ onnen. Jede Bewegung, die in einem Inertialsystem m¨oglich ist, gibt es auch in jedem anderen Inertialsystem. Das Relativit¨atsprinzip der Mechanik (93) ist mit den Gleichungen (105) f¨ ur die klassische Raum-Zeit realisiert. onnen Solange wir keine Effekte von der Gr¨ oßenordnung v 2 /c2 nachweisen k¨onnen, solange k¨ wir sicher sein, daß dieses Relativit¨ atsprinzip experimentell in der klassischen Mechanik best¨atigt wird. Physikalisch k¨ onnen wir demnach Inertialsysteme auch als diejenigen Bezugssysteme charakterisieren, in denen f¨ ur den Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten die Newtonschen Gleichungen in der Form (105) gelten. Wenn wir die Gleichungen (105) gel¨ ost haben, sind wir in der Lage zu sagen, wo sich eine bestimmte Masse ma zu einer bestimmten Zeit befindet. Eine solche Aussage ist das Ergebnis sog. Lagrangescher Bewegungsgleichungen. Alle Feldtheorien sind aber von einem anderen Typ, wobei man dann von Eulerschen Bewegungsgleichungen spricht. ¨ Dabei interessiert man sich f¨ ur die zeitliche Anderung von Feldern an einem festen Ort. Die von diesen Feldern ausgehenden Kraftwirkungen sind Kraftdichten, die an einem festen Ort wirksam werden k¨ onnen. F¨ ur den Anschluß der Mechanik an die Feldtheorie, z.B. an die Elektrodynamik, brauchen wir daher eine Formulierung der Grundgleichungen der Mechanik f¨ ur eine kontinuierliche Massenverteilung und f¨ ur Kraftdichten f = dF/dV , z.B. die Lorentz-Kraftdichte. Diese Problematik behandeln wir in Aufg. 35, S. 325, und wir verweisen ferner z.B. auf das Buch von A. Papapetrou, das wir im Literaturverzeichnis angegeben haben.
72
17
Die Newtonsche Mechanik
Das Tolmansche Gedankenexperiment Die relativistische Mechanik
Die Anwendung des Dritten Newtonschen Axioms (101) in einem einzigen Inertialsystem, sagen wir in Σo , auf einen ideal elastischen Stoß zwischen zwei Massen erzwingt die Funktion m = m{u} , die Abh¨ angigkeit der Masse m eines K¨orpers von seiner Geschwindigkeit u . Diese Funktion wollen wir jetzt f¨ ur die durch die Lorentz-Transformation (75) definierte relativistische Raum-Zeit bestimmen.
17.1 Die relativistische Massenformel Auf R.C. Tolman geht folgendes Gedankenexperiment zur¨ uck. Wir betrachten den ideal elastischen Stoß zweier ideal glatter Kugeln A und B , wie dies in Abb. 23 skizziert ist. Beide Kugeln sollen physikalisch identische K¨ orper der Masse m sein. Die Kugel A habe im Bezugssystem Σo nur eine Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung, Σo :
uA = (dx/dt, dy/dt) = (uAx , uAy ) = (0, w) .
Das Bezugssystem Σ besitze, von Σo aus gemessen, die Geschwindigkeit v in x-Richtung. Die Kugel B habe, von Σ aus gemessen, nur eine Geschwindigkeitskomponente in Richtung der negativen y -Achse, Σ :
uB = (dx /dt , dy /dt ) = (uBx , uBy ) = (0, −w) .
Von Σo beobachtet, folgt dann f¨ ur uB mit (75) nach der Kettenregel der Differentiation −1 −1 = d (x + vt )/γ dt · dt/dt uBx = dx/dt = dx/dt · dt/dt −1 = (uBx + v)/γ · (1 + uBx v/c2 ) γ = v/γ · γ = v und −1 uBy = dy/dt = dy /dt = dy /dt · dt/dt ) = uBy γ = −w γ , (s. auch Gleichung (569)). Insgesamt gilt also aus der Sicht von Σo , uA = (uAx , uAy ) = (0, w) , Geschwindigkeitskomponenten (108) Σo : vor dem Stoß uB = (uBx , uBy ) = (v, −w γ) . y 6 Σ
- v
m xB
y 6 Σo
dy ?uBy = dt = −w - x
dy =w 6uAy = dt x m A Abb. 23: Schematische Darstellung des
-x
Tolmanschen Gedankenexperimentes.
17 Das Tolmansche Gedankenexperiment - Die relativistische Mechanik
73
Die Geschwindigkeiten v und w sind so gew¨ahlt, und die Kugeln sind so positioniert, daß sie in dem Moment zusammenstoßen, wo die y -Achse mit der y-Achse gerade zusammenf¨allt, so daß die Kugeln dabei senkrecht u ¨bereinander liegen. Die Annahme ideal glatter Kugeln bedeutet, daß bei diesem Zusammenstoß keine tangentialen, in x-Richtung wirkenden Kr¨ afte auftreten. In y-Richtung treten nur Kr¨ afte auf, die dem Gegenwirkungsaxiom gen¨ ugen, so daß wir f¨ ur das System aus den beiden Kugeln den Impulssatz (101) anwenden k¨ onnen. Mit einem Querstrich f¨ ur die Impulse und Geschwindigkeiten nach dem Stoß lautet dann die Erhaltung des Gesamtimpulses bei dem Stoß pA + pB = pA + pB
Impulserhaltung in Σo (109)
bzw. in Komponenten
m{uA } uAx + m{uB } uBx = m{uA } uAx + m{uB } uBx , m{uA } uAy + m{uB } uBy = m{uA } uAy + m{uB } uBy .
Impulserhaltung in Σo (110)
Hierbei haben wir in Betracht gezogen, daß die Massen m Funktionen ihrer Geschwindigkeiten sein k¨ onnen, und diese Abh¨ angigkeit verdeutlichen wir stets durch geschweifte Klammern. Die Massen m k¨ onnen daher aus den Gleichungen (110) nicht einfach herausgek¨ urzt werden. Da keine tangentialen Kr¨ afte wirken sollen, bleiben die Geschwindigkeiten in x- bzw. x Richtung nach dem Stoß unge¨ andert: uAx = uAx = 0 , uBx = uBx = v und uBx = uBx = 0 . Die Komponenten nach dem Stoß k¨ onnen wir damit f¨ ur die Kugeln A und B schreiben als Σo : Σ :
uA = (0, wA ) , uB = (uBx , uBy ) = (0, wB ) .
Die Komponenten uAy = wA und u By = wB kennen wir noch nicht. Von Σo beobachtet, folgt f¨ ur uBy wie oben, −1 uBy = dy/dt = dy /dt = dy /dt · dt/dt = uBy γ = wB γ . Insgesamt k¨onnen wir also f¨ ur die Komponenten nach dem Stoß in Σo schreiben uA = (uAx , uAy ) = (0, wA ) , Geschwindigkeitskomponenten (111) Σo : nach dem Stoß uB = (uBx , uBy ) = (v, wB γ) . In der relativistischen Raum-Zeit ist |v| < c < ∞ also γ = 1 bei v = 0 . Wir zeigen zun¨ achst mit indirekter Schlußweise, daß in diesem Fall die Masse m eines K¨ orpers von dessen Geschwindigkeit abh¨ angen muß : Angenommen, die K¨ orper sind ideal elastisch zusammengestoßen, so daß beide K¨ orper infolge des Stoßes ihre Geschwindigkeiten ¨andern. Wenn wir nun annehmen, daß die Masse m eine geschwindigkeitsunabh¨ angige Konstante ist, dann k¨ onnen wir m aus den Gleichungen (110) herausk¨ urzen, und wir erhalten unter Beachtung von (108) und (111) aus der zweiten Gleichung (110) mit beliebigem v w − w γ = wA + wB γ .
(112)
Hieraus folgt f¨ ur v −→ 0 , also γ −→ 1 , daß wA = −wB . Dasselbe gilt auch bei beliebigem v , da wegen der Abwesenheit tangentialer Kr¨ afte wA und wB von v nicht abh¨ angen k¨ onnen. Gleichung (112) lautet damit
74
Die Newtonsche Mechanik
w (1 − γ) = −(1 − γ) wB .
(113)
Wegen γ = 1 bei v = 0 k¨ onnen wir bei v = 0 durch den Faktor (1 − γ) dividieren, so w (1 − γ) = −(1 − γ) wB . (113) daß Wegen γ = und 1 bei wvA==0wk¨ so w .onnen wir bei v = 0 durch den Faktor (1 − γ) dividieren, (114) B = −w daß Danach laufen die beiden Kugeln unver¨ andert, also ohne Kollision weiter und sind also wB = −wunserer und Voraussetzung wA = w . (114) entgegen gar nicht zusammengestoßen. Danach laufen die beiden Kugeln unver¨ andert, also ohne Kollision weiter und sind also entgegen unserer Voraussetzung zusammengestoßen. Die Unabh¨ angigkeit der Masse gar von nicht der Geschwindigkeit ist mit der Lorentz-Transformation unvereinbar. Die Unabh¨ angigkeit der Masse von der Geschwindigkeit ist mit der Galilei-Transformation ist der relativistische Faktor γ bei beliebigem v Im Fall der Lorentz -Transformation unvereinbar. durch 1 ersetzt, und aus der Gleichung (113) ist nun der Schluß auf (114) nicht mehr m¨ Imoglich. Fall der Galilei-Transformation ist der relativistische Faktor γ bei beliebigem v Als einfachsten nehmen jetzt an, (113) daß die m Schluß in Σo auf streng monoton, also durch 1 ersetzt,Fall und aus derwirGleichung istMasse nun der (114) nicht mehr umkehrbar eindeutig vom Betrag ihrer Geschwindigkeit |u| , bzw. damit a ¨ quivalent, vom m¨oglich. Quadrat der Geschwindigkeit abh¨ angt,an, daß die Masse m in Σo streng monoton, also Als einfachsten Fall nehmen wir jetzt umkehrbar eindeutig vom Betrag ihrer Geschwindigkeit |u| , bzw. damit a¨quivalent, vom Σo : m = m |u|2 = m u2x + u2y . (115) Quadrat der Geschwindigkeit abh¨ angt, (111) x-Komponente der Impulsbilanz (110) Mit und Σo : (108) m=m |u|2 =lautet + u2y die m u2x dann . (115) 2 2 m uB uBx = m uB uBx , Mit (108) und (111) lautet dann die x-Komponente der Impulsbilanz (110) also m u2B uBx = m u2B uBx , v2 v2 x-Komponente 2 2 2 2 also (116) : m v + w (1 − ) v = m v + w (1 − ) v . Σ o B der Impulsbilanz c2 c2 v2 v2 x-Komponente (116) Σo : m v 2 + w2 (1 − 2 ) v = m v 2 + w2B (1 − 2 ) v . 2 2 F¨ ur beliebiges v ist cdiese Gleichung nunmehr cnur bei wB der = wImpulsbilanz zu erf¨ ullen. Wenn ein Stoß stattgefunden hat, was wir hier voraussetzen, dann muß die B-Kugel in positiver 2 2 17 , y-Richtung zur¨ uvcklaufen. L¨ osung nunmehr wB = −wnur scheidet F¨ ur beliebiges ist dieseDie Gleichung bei wdamit = waus zu erf¨ ullen. Wenn ein B
Stoß stattgefunden hat, was wir hier voraussetzen, dann muß die B-Kugel in positiver Σo : wB = +w . (117) y-Richtung zur¨ ucklaufen. Die L¨ osung wB = −w scheidet damit aus17 , Die y-Komponente der Impulsbilanz (110) lautet mit (108), (111), und (117) Σo : wB = +w . (117) 2 2 2 2 m uA uAy + m uB uBy = m uA uAy + m uB uBy , Die y-Komponente der Impulsbilanz (110) lautet mit (108), (111), und (117) also m u2A uAy + m u2B uBy = m u2A uAy + m u2B uBy , 17 In der Literatur wird dies gelegentlich mit dem Hinweis auf die klassische Mechanik, also den Grenzfall also Geschwindigkeiten, d.h. γ ≈ 1, begr¨undet. Damit hat die Auswahl der L¨osung aber nichts zu kleiner tun. Sowohl in der relativistischen als auch in der klassischen Mechanik gibt es beide L¨osungen. Man 17 In der Literatur wird dies gelegentlich mit dem Hinweis auf die klassische Mechanik, also den Grenzfall braucht nur die Masse m einer der beiden Kugeln durch den Massenmittelpunkt eines Systems aus zwei kleiner Geschwindigkeiten, d.h. zu γ ≈ 1, begr¨ uund ndet. Damit hat die der L¨ osung aber nichts zu voneinander entfernten K¨ orpern ersetzen, dieses System wirdAuswahl in den allermeisten F¨ allen an der tun. Sowohl der relativistischen zweiten Kugelineinfach vorbeilaufen. als auch in der klassischen Mechanik gibt es beide L¨osungen. Man braucht nur die Masse m einer der beiden Kugeln durch den Massenmittelpunkt eines Systems aus zwei voneinander entfernten K¨ orpern zu ersetzen, und dieses System wird in den allermeisten F¨ allen an der zweiten Kugel einfach vorbeilaufen.
17 Das Tolmansche Gedankenexperiment - Die relativistische Mechanik
75
⎫ v2 ⎪ ⎪ m w2 w − m v 2 + w2 (1 − 2 ) w γ ⎪ ⎬ c y-Komponente ⎫ 2 (118) Σo : 2 v ⎪ 2 der Impulsbilanz 2w γ ⎪ m w 2w − m v 2 + w (1 − ) ⎪ 2 2 c2 v ⎬ = m wA wA + m v + w (1 − 2 ) w γ . ⎭ y-Komponente c (118) Σo : der Impulsbilanz 2 ⎪ 2 ⎪ v ⎪ 2 2 = m wA wA + m v + w (1 − 2 ) w γ . ⎭ c Die Gleichung (118) muß f¨ ur beliebige Geschwindigkeiten v und w gelten. Wir f¨ uhren zun¨ achst wieder den Grenz¨ ubergang v −→ 0 durch, also γ −→ 1 , Die Gleichung ur beliebige Geschwindigkeiten v und w gelten. Wir f¨ uhren 2 (118) muß f¨ , wenn v v−→ = 00 .durch, also γ −→ 1 , (119) wAwieder wA + m Grenz¨ w2 w 0zun¨ = am chst den ubergang 2 2 w2A vw= F¨ w −→ ausw(119) A 0−→ 0 u=r m w ,m wenn . 0 , also, da die Masse nicht verschwindet, (119) wA 0wfolgt A+m auch wA −→ 0 . Mit dem Grenz¨ ubergang 2 F¨ ur w −→ 0 folgt aus m wA wA −→ 0 , also, da die Masse nicht verschwindet, 2(119) m dem w Grenz¨ m{0} auchwwAA −→ 0 . Mit ubergang lim = − lim 2 = − = −1 w→0 w w→0 m w m{0} A2 m w wA m{0} =− = − lim aus(119) = −1 lim ergibt w→0 wsich daher w→0 m w 2 m{0} A 2 −w + O(w ) , Σ o : wsich A = daher ergibt aus (119)
(120)
2 wobei wir= mit Terme in w andeuten, die wir f¨ ur unsere weitere −w +O(w O(w)2 ) nichtlineare , (120) Σo : w A Schlußweise aber nicht ben¨ otigen. Wir interessieren uns2nun f¨ ur den Grenzfall in Gleichung betrachten wobei wir mit O(w ) nichtlineare Terme w in−→ w 0andeuten, die (118). wir f¨ urDazu unsere weitere wir zun¨ a chst w = 0 und setzen die Beziehung (120) in die Gleichung (118) ein, wobei wir Schlußweise aber nicht ben¨ otigen. die ) gleich weglassen, Wirnichtlinearen interessieren Terme uns nunO(w f¨ ur2den Grenzfall w −→und 0 infinden Gleichung (118). Dazu betrachten wir zun¨ achst w = 0 und setzen die Beziehung (120) in die Gleichung (118) ein, wobei wir 2 2 2 die nichtlinearen Terme O(w ) gleich weglassen, und finden 2 m w v . (121) 2 m v 2 + w2 (1 − 2 ) = c γ 2 m w2 v2 2 (1 nun − 2den ) = . w −→ 0 und setzen (121) 2 m v 2 + wwir Betrachten Grenz¨ ubergang c γ 2 m{0} := mowir , m m , ubergang w −→ 0 und setzen (122) Betrachten nunv den:=Grenz¨ 2 dann f¨ ur m{0} folgt := moeine := m , der Masse m von ihrer Geschwindigkeit, indem wir(122) , mAbh¨ v angigkeit eine Teilchengeschwindigkeit wieder u schreiben, w¨ahrend wir mit v i. allg. die Geschwindigkeit Bezugssystems bezeichnen, dann folgt eine eines Abh¨ angigkeit der Masse m von ihrer Geschwindigkeit, indem wir f¨ ur eine Teilchengeschwindigkeit wieder u schreiben, w¨ahrend wir mit v i. allg. die Geschwindigkeit mo eines Bezugssystems bezeichnen, Relativistische (123) m= . Massenformel 1 − u2 /c2 mo Relativistische (123) m= . 2 /c2 Massenformel 1 − u Wir sehen:
Wir Diesehen: tr¨ age Masse eines K¨orpers h¨ angt gem¨aß (123) ebenso von ihrer Geschwindigkeit ab wie die Schwingungsdauer einer bewegten Uhr gem¨ aß (70). Die tr¨ age Masse eines K¨orpers h¨ angt gem¨aß (123) ebenso von ihrer Geschwindigkeit ab wie die Schwingungsdauer einer bewegten Uhr gem¨ aß (70).
76
Die Newtonsche Mechanik
Wir fassen zusammen: In der durch die Lorentz-Transformation (75) definierten relativistischen Raum-Zeit m¨ ussen die Impulse pa = ma ua u ¨ber die geschwindigkeitsabh¨ angigen Massen gem¨aß n pa gem¨aß (109) (123) definiert werden, damit die Erhaltung des Gesamtimpulses P = a
erf¨ ullt werden kann. Mit m{0} := mo haben wir dabei die Ruhmasse eines Teilchens definiert.18
17.2 Die relativistischen Grundgleichungen der Mechanik Mit der Gleichung (123) haben wir diejenige Erg¨ anzung gefunden, welche wir f¨ ur die zun¨ achst allein im Inertialsystem Σo formulierten Newtonschen Gleichungen noch brauchen, wenn wir sowohl das Prinzip der Relativit¨ at (93) als auch die physikalischen Postulate (69) und (70) erf¨ ullen wollen. Nur mit dem Dritten Newtonschen Axiom m¨ ussen wir vorsichtig sein. Bei zwei Teilchen, die sich zur Zeit t im System Σo an den Positionen P1 (x1 , y1 , z1 ) bzw. P2 (x2 , y2 , z2 ) befinden, gilt f¨ ur die Kr¨ afte F12 vom Teilchen 2 auf Teilchen 1 am Ort P1 und F21 vom Teilchen 1 auf Teilchen 2 am Ort P2 gem¨aß dem Dritten Axiom (98), daß F12 (x1 , y1 , z1 , t) = −F21 (x2 , y2 , z2 , t) . Eine solche Aussage impliziert die Gleichzeitigkeit dieser Kr¨afte an verschiedenen Positionen und ist daher ohne weiteres nicht auf beliebige Inertialsysteme u ¨bertragbar. Dieses Problem l¨osen wir dadurch, daß wir nicht das urspr¨ ungliche Dritte Newtonsche Axiom (98), sondern seine Konsequenz (101), die Erhaltung des Gesamtimpulses bei Abwesenheit von ¨außeren Kr¨ aften, von vornherein als mechanisches Grundgesetz postulieren. Anstelle der klassischen Gleichungen (105) - (107) gelten daher folgende Bewegungsgesetze der relativistischen Mechanik und zwar gleichermaßen in jedem Inertialsystem Σ , wie wir sodann verifizieren werden,
Lorentz-Transformation :
d
mo d u =F. p= dt dt 1 − u2 /c2 p=
mo 1−
u2 /c2
u = const f¨ ur F = 0 .
Wirken allein innere Kr¨ afte, dann gilt n n d d(ma ua ) d pa = = P=0. dt a=1 dt dt a=1
Das Zweite Axiom der relativistischen Mechanik Das Erste Axiom der relativistischen Mechanik
(124)
Das Dritte Axiom der relativistischen Mechanik
18 Die Ruhmasse m ist der physikalische Parameter eines Teilchens. Die in (123) stehenden Massen m o werden treffend auch als Impulsmassen bezeichnet. In der relativistischen Mechanik stimmt die als Proportionalit¨ atsfaktor zwischen Kraft und Beschleunigung u ¨ ber das Newtonsche Gesetz definierte Tr¨ agheit einer Masse damit i. allg. nicht mehr u ¨ berein, wie man aus dem Zweiten Axiom (124) unter Beachtung von (126) sofort abliest, wenn n¨ amlich der K¨ orper eine von Null verschiedene Geschwindigkeit besitzt. Explizit diskutieren wir das auf S. 162ff.
17 Das Tolmansche Gedankenexperiment - Die relativistische Mechanik
77
F¨ ur n Teilchen mit den Geschwindigkeiten ua = (d/dt)xa und den Ruhmassen moa gilt d d moa ua ) = Fba + Fa . pa = ( 2 2 dt dt 1 − ua /c n
(125)
b=1
angigkeit Die Gleichung (123) ersetzt die aus der Galilei-Transformation folgende Unabh¨ ¨ der Masse von ihrer Geschwindigkeit. Das ist die einzige Anderung in den klassischen Newtonschen Bewegungsgleichungen, damit diese in der relativistischen Raum-Zeit in allen Inertialsystemen g¨ ultig sind, wie wir jetzt verifizieren wollen. Dazu substituieren wir die Lorentz-Transformation (75) in die Gleichung (124). Der Einfachheit halber betrachten wir nur Bewegungen entlang der x-Achse. Mit u = (u, 0, 0) , p = m u = (p, 0, 0) und a = (a, 0, 0) f¨ ur die Beschleunigung gilt a 1 − u2 /c2 + au2 / c2 1 − u2 /c2 dp d mo u = mo = dt dt 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2 = mo
a − au2 /c2 + au2 /c2 a = mo 3 3 . 2 2 1 − u /c 1 − u2 /c2
Diesen Ausdruck schreiben wir f¨ ur zwei Systeme Σo und Σ auf, ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
1. Σo :
a dp dx , u := = mo , 3 dt dt 1 − u2 /c2
2. Σ :
⎪ dp du ⎪ a dx ⎪ = m , a := . ⎪ , u := ⎪ o 3 ⎭ dt dt dt 1 − u2 /c2
a :=
du , dt
(126)
Wir zeigen nun, daß der 1. und der 2. Ausdruck in (126) identisch werden, wenn wir die Lorentz-Transformation (75) substituieren. Dabei sollen sich die ungestrichenen Gr¨ oßen auf das Bezugssystem Σo beziehen und die gestrichenen auf Σ , welches in bezug auf Σo die in x-Richtung liegende Geschwindigkeit v besitzt. Die Geschwindigkeit v des Bezugssystems ist also eine Konstante, w¨ahrend sich die davon verschiedene Teilchengeschwindigkeit u i. allg. mit der Zeit a¨ndert. Wir verwenden nun das Additionstheorem (76) und benutzen die Bezeichnungen γu , γv und γu gem¨aß (72). Durch einfaches Quadrieren verifiziert man die Formeln γu γv = (1 −
uv ) γu , c2
u v γu γv = (1 + 2 ) γu , c
u =
⎫ u−v , ⎪ ⎪ ⎪ 2 ⎬ 1 − u v/c
u + v u= . 1 + u v/c2
⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(127)
78
Die Newtonsche Mechanik
Damit finden wir dp dp = dt dt
dt dt
−1 −1 −1 d t + vx /c2 u 1 + vu /c2 d dp = = mo dt dt γv dt γu γv
γv d = mo 1 + vu/c2 dt
u γu
γv d u + v (1 + u v/c2 ) = mo . 1 + vu/c2 dt (1 + u v/c2 ) γu γv
Hier k¨ urzen wir die beiden Klammern und den zeitunabh¨ angigen Faktor γv heraus, also dp 1 d u + v = mo 2 dt 1 + vu /c dt 1 − u2/c2 a 1 = mo 1 + vu /c2
1 − u2 /c2 + (u + v) u a / c2 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2
= mo
1 a (1 − u2/c2 ) + (u + v)u a/c2 3 2 1 + vu /c 1 − u2/c2
= mo
1 a + vu a/c2 1 a (1 + vu /c2 ) = mo 3 3 , 2 2 1 + vu /c 1 + vu /c 1 − u2/c2 1 − u2/c2
und mit (126) gilt daher wie behauptet, dp dp a a = mo = . = mo 3 3 dt dt 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2
(128)
Aus der G¨ ultigkeit von (124) im Bezugssystem Σo folgt also, daß diese Grundgleichung der Mechanik auch in irgendeinem anderen Inertialsystem Σ gilt, wenn wir nur gem¨ aß (94) annehmen, daß in jedem Bezugssystem in den Bewegungsgleichungen dieselben Kr¨ afte F = F einzusetzen sind. Das Relativit¨atsprinzip der Mechanik (93) ist mit den Gleichungen (124) f¨ ur die (129) relativistische Raum-Zeit realisiert.
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz 18
Die Tr¨ agheit der Energie
Die Abh¨ angigkeit der Masse m eines Teilchens von ihrer Geschwindigkeit u gem¨aß (123) f¨ uhrt uns nun auf der Grundlage der in jedem Inertialsystem geltenden Gleichungen (124) zu einer Schlußfolgerung von a¨ußerster Tragweite. In der Mechanik erh¨ alt man bekanntlich durch eine skalare Multiplikation des Zweiten Newtonschen Axioms mit der Geschwindigkeit den Energiesatz. Wir multiplizieren daher die erste Gleichung von (124) skalar mit der Geschwindigkeit u des Teilchens, u·
d mo u =F·u . dt 1 − u2 /c2
Mit a :=
du d(u2 ) d du , = (u · u) = 2 u · dt dt dt dt
(130)
gilt
a · u/c2 mo d = 3 mo 2 2 dt 1 − u /c 1 − u2 /c2 und damit u·
d 1 dm du d mo + mo u · a (m u) = u · u + mu · =u·u dt dt dt dt 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2 u · a/c2 1 u2 /c2 + 1 − u2 /c2 = u·u m + m u · a = mo u · a o o 3 3 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2 mo d d m c2 o = u·a = (mc2 ) , 3 = dt 2 /c2 dt 2 2 1 − u 1 − u /c
und f¨ ur Gleichung (130) k¨ onnen wir schreiben
u·
d d m c2 d o = (m u) = (mc2 ) = F · u . dt dt 1 − u2 /c2 dt
(131)
Auf der rechten Seite von (131) steht die Leistung der Kraft F , d.h. die an dem mit der Geschwindigkeit u bewegten Teilchen sekundlich verrichtete Arbeit.
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz
80
√ 5 6 Um diese Gleichung zu verstehen, f¨ uhren wir gem¨ aß 1/ 1 − x2 = 1+ 12 x2 + 38 x4 + 16 x +. . . f¨ ur 1/γ eine Taylor-Entwicklung durch,
mo c2
= mo c mc = 1 − u2 /c2 2
2
1 u2 3 1+ + 2 c2 8
u2 c2
2
5 + 16
u2 c2
3 + ...
.
(132)
Wir betrachten ein freies Teilchen, z.B. ein Elektron im elektrischen Feld, das zur Zeit to ruht, also u(to ) = 0 , und unter der Wirkung der Kraft F zum Zeitpunkt t eine Geschwindigkeit u erreicht hat. Dann liefert die Integration von (131) unter Beachtung von (132) t
t d (mc2 ) dt˜ = m c2 t = m c2 − mo c2 o ˜ dt
to
2
= mo c
1 u2 3 1+ + 2 2c 8
u2 c2
2
5 + 16
u2 c2
3
t − mo c =
F · u dt˜ ,
2
+ ...
to
also t
x F · u dt˜ =
to
F · d˜ x=
1 3 mo u2 + mo c2 2 8
u2 c2
2 +
5 mo c2 16
u2 c2
3 + ...
.
(133)
xo
x Die an dem freien Teilchen verrichtete Arbeit F · d˜ x ist gleich der Vermehrung seiner xo kinetischen Energie. In der nichtrelativistischen Mechanik mit ihrer bewegungsunabh¨ angigen Masse tritt daf¨ ur allein der Term 12 mo u2 auf. Die Leistung F · u der Kraft findet ihren Niederschlag in kl ¨ einer zeitlichen Anderung der klassischen kinetischen Energie Ekin = 12 mo u2 des K¨orpers. 2 2 Die h¨ oheren Potenzen von u /c in Gleichung (133) k¨ onnen wir also als relativistische Korrektur zur kinetischen Energie des K¨ orpers verstehen,
rel Ekin = mc2 − mo c2 .
Relativistische (134) kinetische Energie
Was aber bedeutet der Term mo c2 ? Um diese Frage zu kl¨aren, betrachten wir den total unelastischen Stoß zweier Teilchen ohne Einwirkung a¨ußerer Kr¨ afte, also Fa = 0 , Abb. 24. Es gilt daher der Impulssatz, die dritte Gleichung von (124), und zwar in jedem Inertialsystem, was wir in Kap. 17.2 mit dem Satz (129) nachgewiesen haben.
18 Die Tr¨agheit der Energie y 6 Σ
81
y 6 Σ
o
u
- x
mo w 1
u
-
Mo mo w k −u U =0 2
-x
Abb. 24: Die beiden K¨orper 1 und 2 sollen total unelastisch zusammenstoßen. Nach dem Stoß sind Querstriche gesetzt. Die Gr¨ oßen nach dem Stoß versehen wir wieder mit einem Querstrich. Beide Teilchen m¨ogen, zun¨ achst im Bezugssystem Σo beobachtet, mit gleichen Ruhmassen mo1 = mo2 = mo und entgegengesetzt gleichen Geschwindigkeiten vom Betrag u auf der x-Achse aufeinander zulaufen, also u1 = (u, 0, 0) , u2 = (−u, 0, 0) , und damit p1 = (mu, 0, 0) , p2 = (−mu, 0, 0) , und derart unelastisch zusammenstoßen, daß sich nach dem Stoß ein einziges neues Teilchen mit der Ruhmasse M o , der Geschwindigkeit U = (U , 0, 0) und dem Impuls P = (M U , 0, 0) gebildet hat. Nach dem Dritten Axiom in (124) kann sich der Gesamtimpuls durch den Stoß nicht ¨andern. Im Bezugssystem Σo heißt das P = P mit P = M U und P = p1 + p2 , d.h. mo u mo (−u) + =0 , Σo : M U = 1 − u2 /c2 1 − u2 /c2
Impulserhaltung (135) in Σo
also, wie wir auch aus der klassischen Mechanik wissen, U =0,
−→
M = Mo .
(136)
Wegen der G¨ ultigkeit der Gesetze der Mechanik (124) in jedem Inertialsystem, gilt die Erhaltung des Gesamtimpulses auch f¨ ur ein Inertialsystem Σ , das in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v = u besitzt. Das erste Teilchen ruht dann in Σ , also u1 = 0 . Das nach dem Stoß gebildete neue Teilchen ruht in Σo , also ist U = −u in Σ . Die Geschwindigkeit u2 des zweiten Teilchens vor dem Stoß berechnen wir nach dem Additionstheorem (76), indem wir dort u f¨ ur die Geschwindigkeit v von Σ setzen und anstelle von u die Geschwindigkeit −u des zweiten Teilchens in Σo ber¨ ucksichtigen. In Σ beobachten wir damit die Geschwindigkeiten
Σ :
u1 = 0 , U = −u .
u2 =
⎫ −2u ⎪ ⎬ , 1 + u2 /c2 ⎪ ⎭
(137)
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz
82
Unter Beachtung der Massenformel (123) lautet dann das Dritte Axiom in (124), die Impulsbilanz in Σ , P = P mit P = M U und P = m1 u1 + m2 u2 , also mit (137)
Σ : P =
Mo mo U = P = u . γU γu2 2
Impulserhaltung (138) in Σ
Hier brauchen wir noch die γ-Faktoren. Nun ist offenbar γU = γu , und f¨ ur γu2 finden wir mit (137) 4u2 1 1 2 γu2 = 1 − u2 1− 2 = 2 (c2 + u2 )2 − 4c2 u2 2 /c = 2 2 2 2 c (1 + u /c ) c +u =
1 (c2 − u2 )2 , 2 +u
c2
also insgesamt γU =
c2 − u2 1 − u2 /c2 , γu2 = 2 . c + u2
(139)
Mit (139) und (138) finden wir aus der G¨ ultigkeit des Dritten Axioms in (124) f¨ ur Σ −M o u c2 + u2 −2mo u = 2 , 2 2 c − u2 1 + u2 /c2 1 − u /c
also
Mo
1−
u2 /c2
=
2mo , 1 − u2 /c2
so daß 2mo
Mo =
1 − u2 /c2
= 2mc2 .
(140)
Mit (134) k¨ onnen wir daf¨ ur schreiben ⎫ rel 2 (mo c2 + Ekin ) = M o c2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ oder ⎪
⎪ ⎪ E rel ⎭ = M . 2 mo + kin o 2 c
Energiesatz in Σo
(141)
Das ist in der Tat die relativistische Form des Energiesatzes: Vor dem Stoß besitzen beide Teilchen zusammen die relativistische kinetische Energie rel Ekin = 2(mc2 − mo c2 ) . Außerdem ist da noch f¨ ur jedes Teilchen ein Term mo c2 . Das nach dem Stoß gebildete Teilchen besitzt wegen seines Ruhezustandes in Σo keine kinetische Energie. Daf¨ ur ist aber seine Ruhmasse gegen¨ uber der Summe der Ruhmassen 2 rel 2mo c2 vor dem Stoß um den Betrag Ekin c vermehrt. Erhalten bleibt also die Summe: Relativistische kinetische Energie + Ruhmasse × Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.
18 Die Tr¨agheit der Energie
83
Nach dem Stoß findet sich die gesamte Energie der einlaufenden Teilchen in dem Term M o c2 wieder, der relativistischen Energie eines ruhenden Teilchens der Ruhmasse M o . Damit haben wir die Interpretation des Terms mo c2 in (134) gefunden: In jeder ruhenden Masse mo ist eine Energie, die Ruhenergie Eo = mo c2 enthalten. Die Gr¨ oße mc2 ist die Gesamtenergie des Teilchens, die sich aus der Bewegungsenergie rel Ekin und der Ruhenegie mo c2 zusammensetzt. ¨ Es gilt die Einsteinsche Energie-Masse-Aquivalenz : Jede Masse m ist einer Energie E ¨ aquivalent. Jede Energie besitzt eine tr¨ age Masse. Der Umrechnungsfaktor ist das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, ¨ Energie-Masse-Aquivalenz (142)
E = m c2 .
F¨ ur einen mit der Geschwindigkeit u bewegten K¨orper ist hier dessen Masse m = m{u} gem¨aß (123) einzusetzen, E=
mo 1 − u2 /c2
c2 .
(143)
Wichtig ist, daß i. allg. auch die Ruhenergie mo c2 an Energieumsetzungen beteiligt ist und folglich nicht einfach als l¨ astige Energiekonstante weggeeicht werden kann. Gem¨aß Gleichung (141) wird aus dem System der beiden Teilchen bei dem Stoß keine Energie abgef¨ uhrt. Die inneren Kr¨ afte k¨ onnen nur bewirken, daß eine Energieform, hier die kinetische Energie der einlaufenden Teilchen, in eine andere Energieform, hier die Ruhenergie des Teilchens nach dem Stoß, umgewandelt wird, vgl. Aufg. 16, S. 286. Ist ein System allein der Wirkung seiner inneren Kr¨ afte u ¨berlassen, dann bleibt die Energie des Systems erhalten. In der klassischen Raum-Zeit folgt auch f¨ ur den unelastischen Stoß anstelle von (141) der in der klassischen Physik bekannte Erhaltungssatz f¨ ur die Ruhmassen, vgl. Aufg. 12, S. 279. Einen Erhaltungssatz f¨ ur die Ruhmassen gibt es in der Speziellen Relativit¨ atstheorie nicht mehr. Stattdessen ist die Bilanz der Massen ¨aquivalent mit der Energiebilanz. Handelt es sich bei dem in der Gleichung (141) beschriebenen unelastischen Stoß z.B. um zwei makroskopische K¨orper, so kann die Summe der kinetischen Energien dieser K¨ orper kl Ekin nach dem Stoß als W¨ armemenge Q nachgewiesen werden. In der klassischen Physik formuliert man daher, um das allgemeine Prinzip von der Erhaltung der Energie zu sichern, f¨ ur die Energiebilanz beim unelastischen Stoß einen Erhaltungssatz f¨ ur die Summe aus der mechanischen und der W¨ armeenergie. In der relativistischen Physik ist dagegen die Erhaltung der Energie auch beim unelastischen Stoß bereits eine Folge der Bewegungsgleichungen der Mechanik.
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz
84
Wir schreiben die erste N¨aherung von Gleichung (141) auf, die den klassischen Erhaltungssatz der Ruhmassen korrigiert, M o c2 ≈ 2 mo c2 + 2
mo 2 kl = 2 mo c2 + ∆Mo c2 . u = 2 mo c2 + Ekin 2
(144)
kl vermehrt daher die W¨ armeenergie Q die tr¨ age Masse um den Betrag Wegen Q = Ekin
∆Mo =
Q mo u2 = . 2 c c2
(145)
Durch Erw¨ armung erh¨ ohen wir die Ruhmasse eines K¨orpers. Wir haben hier die Umsetzung von kinetischer Energie in Ruhenergie anhand des unelastischen Stoßes gezeigt. ¨ Den ber¨ uhmtesten Satz der Speziellen Relativit¨ atstheorie, die Energie-Masse-Aquivalenz, ¨ haben wir unter Ausnutzung der Aquivalenz der Inertialsysteme f¨ ur die Gesetze der Mechanik auch allein aus der Mechanik geschlossen. Die Elektrodynamik war dabei ebensowenig notwendig wie bei der Herleitung der Lorentz-Transformation. ¨ Historisch war das anders. A. Einstein[4] hat die Aquivalenz von Energie und Masse zuerst f¨ ur die Energie des elektromagnetischen Feldes entdeckt. Den u ¨beraus lehrreichen Einsteinschen Gedankengang skizzieren wir im n¨ achsten Kapitel, mathematisch erg¨anzt durch Aufg. 32, S. 316. In der relativistischen Mechanik k¨ onnen Erzeugungs- und Vernichtungsprozesse von Elementarteilchen gem¨aß den Grundgleichungen (124) als Stoßprozesse behandelt werden. Bleiben die Ruhmassen aller Teilchen unge¨ andert, dann spricht man von einem elastischen ¨ Stoß. Andern sich die Ruhmassen der Teilchen oder werden dabei Teilchen vernichtet oder neue Teilchen erzeugt, dann nennen wir das einen unelastischen Stoß.19 Die bekanntesten Beispiele daf¨ ur sind die Kernspaltung und die Kernfusion, vgl. Aufg. 15, S. 284. In beiden F¨ allen wird ein Teil der Ruhenergie der Ausgangsmassen als kinetische Energie der Reaktionsprodukte oder als Energie der elektromagnetischen Strahlung frei bzw. danach in diese umgesetzt. Prinzipiell steht die Ruhenergie bei beliebigen Energieums¨ atzen zur Verf¨ ugung, wenn nur die physikalischen Reaktionsbedingungen erf¨ ullt sind. ¨ Gem¨aß der Energie-Masse-Aquivalenz wird nicht Masse in Energie umgewandelt, auch Ruhmasse nicht. Das ist schon aus Dimensionsgr¨ unden unm¨ oglich. Die Summe der Massen bleibt ebenso konstant wie die Summe der Energien. Es kann aber Ruhmasse vernichtet werden, z.B. zugunsten der Masse der elektromagnetischen Strahlung oder der kinetischen Energie. Wenn eine Energieform in eine andere umgewandelt wird, dann geht das einher mit einer Umwandlung der entsprechenden Massen. Jede Masse kann in eine ihr ¨aquivalente Energie umgerechnet werden, n¨ amlich gem¨aß (142) mit dem Umrechnungsfaktor c2 (so wie wir aus der Zahl der K¨ uhe auf die Zahl der Hufe schließen, ohne dabei die K¨ uhe in Hufe umzuwandeln). Jeder Energie ist u ¨ber die ihr a¨quivalente Masse eine entsprechende Tr¨agheit zugeordnet. F¨ ur die Einsteinsche Formulierung aus dem Jahr 1905, Einstein[4] , daß ”die Tr¨ agheit eines K¨orpers von seinem Energieinhalt abh¨ angig” ist, hat sich der verk¨ urzende Sprachgebrauch von der Tr¨ agheit der Energie eingeb¨ urgert. 19 In Kap. 19, Gleichung (393), S. 161, zeigen wir, daß Energie und Impuls eines Teilchens in der Speziellen Relativit¨ atstheorie zu einer Gr¨ oße verschmelzen, die in verschiedenen Inertialsystemen in verschiedene Bestandteile zerf¨ allt. Der Zusammenhang zwischen physikalischen Gr¨ oßen, die uns aus der klassischen Physik als unabh¨ angig voneinander bekannt sind, hier Energie und Impuls eines Teilchensystems, h¨angt eng mit der Lorentz-Transformation zusammen und spielt bei der mathematischen Formulierung relativistischer Theorien eine grunds¨ atzliche Rolle.
85
19
¨ Einsteins Idee der Energie-Masse-Aquivalenz
Nur wenige Monate nach seiner großen Arbeit u ¨ber die Spezielle Relativit¨ atstheorie, s. Einstein[2] , hat Einstein[4] einen u ¨berraschend einfachen Gedankengang vorgetragen, ¨ mit dem er die Aquivalenz von Masse und Energie begr¨ undete. Im Unterschied zu allen anderen Aussagen der Speziellen Relativit¨ atstheorie gab es dazu keine Vorl¨ aufer. Wir wollen hier die Einsteinsche Idee darstellen und besprechen die komplizierteren mathematischen Details, die auch etwas Elektrodynamik voraussetzen, in Aufg. 32, S. 316. Ein K¨ orper B m¨oge im System Σo ruhen und dort die Energie Uo besitzen. In einem begrenzten Zeitintervall soll der K¨ orper nun eine Lichtmenge vom Energiewert ∆E/2 in eine Richtung k und zugleich eine ebensolche Lichtmenge von demselben Energiewert in die entgegengesetzte Richtung ausstrahlen. Mit einem Querstrich wollen wir Gr¨ oßen nach dem Strahlungsvorgang kennzeichnen. Der K¨ orper B befindet sich nach der Abstrahlung ebenfalls in Ruhe. Seine Energie bezeichnen wir dann also mit U o . Der Energiesatz verlangt, daß die Energie Uo des K¨orpers vor der Abstrahlung mit der Summe der Energien nach der Abstrahlung u ¨bereinstimmt, die sich aus den Energiewerten der beiden abgestrahlten Lichtmengen und der Energie U o des zur¨ uckbleibenden K¨ orpers zusammensetzt, also ∆E ∆E Energiesatz . Uo = U o + (146) + in Σo 2 2 Das System Σ bewege sich in x-Richtung von Σo mit der Geschwindigkeit v . Von Σ aus beobachtet, besitzt der K¨ orper vor und nach der Abstrahlung die Energien Uv und [2] U v . Einstein hatte nachgewiesen, daß die Gleichungen der Elektrodynamik unver¨ andert in jedem Inertialsystem gelten. Die Theorie dazu behandeln wir in den Kapiteln 28 und 30. In Aufg. 32, S. 316, wird dann gezeigt, wie wir auf dieser Grundlage den Energiewert der abgestrahlten Lichtmengen von Σ aus berechnen k¨ onnen. Daf¨ ur erhalten wir den Betrag ! " 1 ∆E ∆E + aus bewerteten Energiesatz nach Gleichung (970) und damit den von Σ γ 2 2 gem¨aß 1 ∆E ∆E Energiesatz . (147) Uv = U v + + in Σ γ 2 2 Aus (146) und (147) folgt 1 Uv − Uo − U v − U o = − 1 ∆E . γ
(148)
orpers kann sich von seiner Energie Uo , wenn er in Die Energie Uo des in Σo ruhenden K¨ Σ ruht, nur um eine willk¨ urliche Konstante unterscheiden, die h¨ ochstens f¨ ur verschiedene Inertialsysteme unterschiedlich vereinbart sein mag. Also gilt vor und nach dem Stoß
Uo = Uo + C , U o = U o + C . Gleichung (149) in (148) eingesetzt, liefert 1 Uv − Uo − C − U v − U o − C = − 1 ∆E . γ
(149)
(150)
¨ Einsteins Energie-Masse-Aquivalenz
86
Die Gr¨ oße Uv − Uo ist gleich der kinetischen Energie Ukin des K¨orpers in Σ vor der Abstrahlung, und ebenso ist U v − U o gleich seiner kinetischen Energie U kin nach der Abstrahlung. F¨ ur (150) k¨ onnen wir damit schreiben 1 − U kin = ∆Ukin = Ukin − 1 ∆E . (151) γ orpers infolge der Im System Σ wird also beobachtet, daß die kinetische Energie des K¨ Ausstrahlung elektromagnetischer Wellen abnimmt, obwohl sich seine Geschwindigkeit dabei nicht a¨ndert. Es kann also nur die Masse des K¨ orpers sein, die sich durch die Abstrahlung a¨ndert. Die abgestrahlte Energie der Wellen ist einer abgestrahlten Masse ¨aquivalent. Den Umrechnungsfaktor kann man aus der ersten, nichtverschwindenden N¨aherung ablesen. F¨ ur die klassische N¨aherung der kinetischen Energie schreiben wir bei ∆v = 0
m 1 ∆Ukin ≈∆ (152) v 2 = v 2 ∆m . 2 2 Und mit der Taylorschen N¨aherung in v/c gem¨aß −1/2 1/γ = 1 − v 2 /c2 ≈ 1 + (1/2)v 2 /c2 gilt f¨ ur die klassische N¨aherung der rechten Seite von (151) 1 v2 1 1 v2 − 1 ∆E = ∆E . − 1 ∆E ≈ 1 + 2 γ 2 c 2 c2
(153)
Die rechten Seiten von (152) und (153) stimmen u ¨berein, wenn ∆m =
∆E . c2
(154)
¨ Akzeptiert man die G¨ ultigkeit dieser Aquivalenz f¨ ur alle Energieumsetzungen, so daß ausnahmslos jeder Massenanteil ∆m einem Energieanteil ∆E ¨aquivalent ist, dann liefert die Aufsummation von (154) E = m c2 .
Einsteins
¨ Energie-Masse-Aquivalenz
(155)
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa 20
Fresnelscher Mitf¨ uhrungskoeffizient
Es sei n der Brechungsindex eines durchsichtigen Mediums (z.B. von Luft oder Wasser), das zun¨ achst im Inertialsystem Σo ruht. In Σo betrachtet, breitet sich die Front einer Lichtwelle in diesem Medium dann mit der Geschwindigkeit u = c/n aus, s. S. 185. Das Medium m¨ oge nun im System Σ ruhen, das in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v in x-Richtung besitzt. Von Σo aus beobachten wir dann v als die konstante Str¨ omungsgeschwindigkeit des Mediums, z.B. der Luft. Wir fragen nach der Geschwindigkeit u , die wir in Σo f¨ ur die Ausbreitung der Lichtwellenfront in dem str¨ omenden Medium messen. Dabei betrachten wir f¨ ur die Str¨ omungsgeschwindigkeit den klassischen Fall vc .
Langsam bewegte Materie (156)
Die einfachste L¨osung des Problems finden wir durch eine relativistische Rechnung mit anschließender Linearisierung in v/c . Gem¨aß dem Einsteinschen Relativit¨atsprinzip ¨ gehen wir hierbei von der Aquivalenz aller Inertialsysteme aus, also auch in bezug auf die Elektrodynamik, wie in Kap. 30 ausf¨ uhrlich darstellen werden. Die in Σ gemessene Lichtausbreitung in diesem Medium betr¨ agt dann ebenfalls u = c/n . Von den physikalischen Einzelheiten der Lichtausbreitung in einem Medium k¨ onnen wir dabei abstrahieren. Wir brauchen nur noch die Zusammensetzung von Geschwindigkeiten gem¨ aß dem Einsteinschen Additionstheorem (76) zu betrachten, n¨ amlich der Geschwindigkeit v des str¨ omenden Mediums, welches das Inertialsystem Σ definiert, und der in Σ gemessenen Lichtausbreitung u = c/n . Wir linearisieren in v/c und finden v u u + v ≈ (u + v) 1 − u= . (157) v u c c 1+ c c assigung des in v/c quadratischen Terms Mit u = c/n folgt unter abermaliger Vernachl¨ sofort die Fresnelsche L¨osung des Problems:
c 1 u= +v 1− 2 . n n
Der Faktor 1 − 1/n2 heißt (158) Fresnelscher Mitf¨ uhrungskoeffizient.
Die Lichtwellenfront wird mit der anteiligen Geschwindigkeit v 1 − 1/n2 von dem str¨ omenden Medium mitgef¨ uhrt. ¨ber die LichtausbreiDiese Formel befindet sich nach dem klassischen Versuch von Fizeau u ¨ tung in bewegten Medien in Ubereinstimmung mit dem Experiment. Man kann die Formel (158) aber auch ganz im Rahmen der klassischen Physik verstehen. Dazu ben¨ otigt man die Maxwellschen Gleichungen f¨ ur langsam bewegte Materie, um daraus die Geschwindigkeit u der Lichtwellen darin zu ermitteln. Dies erfordert allerdings etwas mehr Aufwand, siehe z.B. in dem Lehrbuch von Becker[1] auf S. 206ff.
88
21
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Ein Paradoxon zum Mitf¨ uhrungskoeffizienten
Folgende Argumentation f¨ uhrt uns bei der Herleitung der Formel (158) f¨ ur den Fresnelschen Mitf¨ uhrungskoeffizienten auf ein Paradoxon. Mit der Beschr¨ankung auf die in v/c linearen Terme befinden wir uns gem¨ aß Kap. 14 in der klassischen Raum-Zeit. Wir gehen nun von der Galilei-Transformation (48) mit ihrem Additionstheorem der Geschwindigkeiten (49) aus, u = u + v , und setzen darin u = c/n . Dann folgt f¨ ur die Geschwindigkeit u , die wir in Σo f¨ ur die Ausbreitung der Lichtwellenfront messen, das Ergebnis u = u + v =
c +v , n
(159)
was sich nicht nur im Widerspruch zu (158) befindet, sondern auch aus folgendem Grund falsch sein muß: Im Grenzfall einer extremen Verd¨ unnung des Mediums k¨ onnen wir f¨ ur den Brechungsindex n ≈ 1 setzen. Wir haben es praktisch mit einem Vakuum zu tun, so daß wir auch mit u ≈ c rechnen m¨ ussen, w¨ahrend wir f¨ ur u nach (159) in diesem Grenzfall u = c + v berechnen, ein offenbarer Widerspruch. Mit dem Brechungsindex n als Materialkonstante und der Lichtgeschwindigkeit c in Σo folgt die Geschwindigkeit c/n f¨ ur die Lichtausbreitung in dem in Σo ruhenden Medium. Auf der Grundlage der Lorentz-Transformation und der in ihr verankerten Definition der Gleichzeitigkeit in allen Inertialsystemen ist c auch die Lichtgeschwindigkeit in Σ . Die Materialkonstante n liefert dann auch die Geschwindigkeit u = c/n f¨ ur die Ausbreitung des Lichtes in dem in Σ ruhenden Medium. Wenn wir diese Lichtausbreitung von Σo aus beurteilen wollen, m¨ ussen wir c/n und v u ¨ber das aus der Lorentz-Transformation folgende Additionstheorem, das Einsteinsche Theorem (76), zusammensetzen und erhalten bei v c das Resultat (158). F¨ ur die klassische Raum-Zeit k¨onnen wir so nicht argumentieren. Aus der Lichtgeschwindigkeit c in Σo finden wir mit Hilfe der Galilei-Transformation f¨ ur die Ausbreitung des Lichtes in Σ eine Geschwindigkeit ckl = c − v , also keineswegs wieder dieselbe Lichtgeschwindigkeit wie in Σo , s. Kap. 14. Und u ¨ber die Geschwindigkeit u des Lichtes in einem Medium, welches in Σ ruht, haben wir im Rahmen der klassischen Physik zun¨ achst gar keine Aussage. Denn in der klassischen Physik k¨ onnen wir nicht behaupten, daß die Maxwellschen Gleichungen, aus denen die Lichtausbreitung folgt, in allen Systemen gleichermaßen g¨ ultig sind. Die zur Herleitung von (158) oben vorausgesetzte Geschwindigkeit u = c/n des Lichtes in Σ kann also im G¨ ultigkeitsbereich der Galilei-Transformation nicht angenommen werden. D.h., wir kennen im Rahmen der klassischen Raum-Zeit die zur Anwendung des Galileischen Additionstheorems (49) ben¨ otigte Geschwindigkeit u der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen im System Σ u ¨berhaupt nicht. Insofern haben wir gezeigt, daß der obige Schluß auf u = u + v = c/n + v mit seiner paradoxen Konsequenz nicht zul¨ assig war. Wie bereits am Ende des vorangegangenen Kapitels bemerkt, k¨ onnen wir die Formel (158) aber auch dann erkl¨ aren, wenn wir ganz in der klassischen Physik bleiben. Grunds¨ atzlich ist zu bemerken, daß die Gesetze der Lichtausbreitung in verschiedenen Inertialsystemen im Rahmen der klassischen Raum-Zeit immer nur n¨aherungsweise zu verstehen sind, s. Kap. 14.
89
22
Thomas-Pr¨ azession
Wir betrachten drei Bezugssysteme Σo (xi ) , Σ (xi ) und Σ (xi ) . F¨ ur die Geschwindigkeiten ihrer Koordinatenurspr¨ unge verwenden wir die Buchstaben u , g und w . Ein K¨ orper L habe in Σo die Geschwindigkeit v = (v1 , v2 , 0) , Abb. 25 , Von Σo aus gemessene (160) Geschwindigkeit des K¨ orpers L
v = (v1 , v2 , 0) . Wir verwenden die Abk¨ urzungen: γ1 =
v2 1 − 21 , c
γ=
1−
v12 v2 − 22 , 2 c c
β1 =
v1 , c
β2 =
v2 . c
(161)
orper L Die Verbindungslinie zwischen dem Koordinatenursprung von Σo und dem K¨ bildet mit der x-Achse von Σo einen Winkel ϕ gem¨aß v2 . (162) tan ϕ = v1 ur das System Σ gemessen, daß es sich achsenparallel zu Σo mit Von Σo aus werde f¨ der Geschwindigkeit g = (v1 , 0, 0) bewegt. Zur Berechnung der Geschwindigkeit v von L in Σ verwenden wir Einsteins Additionstheorem der Geschwindigkeiten (569), S. 217, indem wir dort die Gr¨ oße u durch die Geschwindigkeit v = (v1 , v2 , 0) von L in Σo ersetzen. Die Gr¨oße v1 beh¨ alt als Geschwindigkeit von Σ ihre Bedeutung in (569) bei. Damit erhalten wir f¨ ur die in (569) mit u bezeichnete Gr¨oße die Geschwindigkeit v = (v1 , v2 , v3 ) von L in Σ 20 (vgl. auch die direkte Berechnung von v in Kap. 23), v = (v1 , v2 , v3 ) = (0,
v2 , 0) . γ1
Von Σ aus gemessene (163) Geschwindigkeit des K¨ orpers L
Das System Σ (xi ) sei folgendermaßen definiert: Von Σ (xi ) aus werde gemessen, daß sich Σ achsenparallel zu Σ mit der Geschwindigkeit w = (0, v2 , 0) = v bewegt, d.h., der K¨ orper L ruht in Σ , Abb. 25. (Die expliziten Transformationsformeln zwischen Σo und Σ berechnen wir im folgenden Kapitel). Von Σ aus wird f¨ ur das System Σ die Geschwindigkeit g gemessen. Wir wenden auf die Systeme Σ und Σ die elementare Relativit¨ at an, s. (39), S. 36, |g | = |w | ,
Elementare Relativit¨at (164)
also mit w = v gem¨aß (163) bei Beachtung der Richtungen der Geschwindigkeiten, g = (g1 , g2 , g3 ) = (0, −
v2 , 0) . γ1
Von Σ aus gemessene (165) Geschwindigkeit des Systems Σ
20 Die folgende Beziehung (163) kann zu einem Fehlschluß verleiten. Da γ beliebig klein werden kann, 1 urde - wohingegen doch jede Bewegung k¨ onnte man meinen, daß dann v2 = v2 /γ1 beliebig groß werden w¨ eines K¨ orpers durch die Lichtgeschwindigkeit c begrenzt sein soll. Der Widerspruch l¨ ost sich auf, wenn aherung von v1 gegen c , man beachtet, daß v12 + v22 < c2 gilt, mit wachsendem γ1 , also mit der Ann¨ dann aber v2 dementsprechend klein werden muß.
90
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa Σ
y
9 u 6Σo
:v ϕ -x
v2 L6 b g2 ? y 6 Σ
: ϕ vα3
x ˜ x
- v1 - x
Abb. 25: Schematische Darstellung zur Thomas-Pr¨azession. Die Geschwindigkeitsvektoren der ur den K¨ orper L wird Bezugssysteme Σo , Σ und Σ bezeichnen wir mit u , g und w . F¨ orper L ruht in Σ . Es gilt also w = v . in Σo die Geschwindigkeit v beobachtet. Der K¨ Das System Σ bewegt sich achsenparallel in bezug auf Σo mit der Geschwindigkeit v1 in xRichtung, also g = (v1 , 0, 0) , und Σ bewegt sich achsenparallel in bezug auf Σ mit der aß (163) w = v = (0, v2 /γ1 , 0) . F¨ ur Σ wird Geschwindigkeit v2 in y -Richtung, also gem¨ gem¨ aß (165) von Σ aus die Geschwindigkeit g = (0, −v2 /γ1 , 0) gemessen. Aus der elementaren Relativit¨ at |u | = |v| , (167), und |g | = |w | , also |g2 | = |v2 | , (165) und (163), folgt dann: Ein Beobachter in Σ stellt fest, daß die Verbindungslinie des mit Σ fest verankerten K¨ orpers L zum System Σo , d.h. der Vektor −u , einen Winkel ϕ mit der x Achse bildet. Die Achsen von Σ sind durch gepunktete Linien dargestellt. Die Orientierungen ur die x der mit kleinen Strichen gezeichneten Σ -Achsen werden von Σ aus beobachtet. F¨ Achse haben wir das mit einer Tilde angedeutet. Man beachte: Den Winkel ϕ haben wir in ur Σ gemessen. Die Orientierung der x -Achse stimmt beispielsweise nicht mit der Richtung f¨ diese Achse u ¨ berein, wie sie vom System Σo aus bewertet wird, vgl. dazu Kap. 23. Gezeichnet haben wir den Fall v1 = 0, 8 c , v2 = 0, 16 c und damit v2 = v2 /γ1 = 0, 27 c . Daraus errechnen sich mit (162) und (169) die Winkel ϕ ≈ 11, 31o sowie ϕ ≈ 19, 08o und damit aherung (171) hier nicht anα3 := ϕ − ϕ = −7, 77o . Wegen v1 = 0, 8 c, v2 = 0, 16 c ist die N¨ wendbar. Wir suchen nun die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit u = (u1 , u2 , u3 ) des Systems Σo . Da Σo in bezug auf die z - und y -Koordinaten dieselben Positionen hat wie Σ , gilt zun¨ achst mit (165) v2 u2 = g2 = − , u3 = g3 = 0 . (166) γ1 Um die noch fehlende Komponente u1 zu berechnen, wenden wir das elementare Relativit¨ atsprinzip auf die Systeme Σo und Σ an, also |u | = |w| . Der K¨ orper L ruht in Σ , so daß w = v und damit |u | = |v| bzw. u u2 1
+
2
u2 2
Elementare Relativit¨at (167) 2
= v , also mit (160) und (166) 2 2 2 + u2 3 = v1 + v2 + v3 ,
u2 1 +
v22 = v12 + v22 , γ12
u2 1
v12
=
+
v22
v12 1 − (v12 + v22 )/c2 v22 v12 + v22 − v12 (v12 + v22 )/c2 − v22 − 2 = = . γ1 γ12 γ12
22 Thomas-Pr¨ azession
91
Indem wir noch das negative Vorzeichen der Geschwindigkeit von Σo beachten, finden wir mit (161) und (166) −u = (−u1 , −u2 , −u3 ) =
v1 γ v2 , ,0 . γ1 γ1
Von Σ aus gemessene (168) Geschwindigkeit des Systems Σo
Danach ist der Winkel ϕ , den der Vektor −u mit der x -Achse von Σ bildet, verschieden von dem Winkel ϕ , den der Vektor v mit der x-Achse von Σo bildet. Aus (168) folgt n¨ amlich f¨ ur den Winkel ϕ tan ϕ =
u2 v2 = . u1 v1 γ
(169)
Das System Σ bewegt sich achsenparallel in bezug auf Σo , und Σ bewegt sich achsenparallel in bezug auf Σ . Dennoch zerf¨ allt der gem¨ aß (167) von seinem Betrag her unver¨ anderbare Vektor der Relativgeschwindigkeit zwischen den Systemen Σo und Σ gem¨aß (160) und (168) in bezug auf die Koordinatenachsen von Σo und Σ in unterschiedliche Komponenten. Die x -Achse von Σ ist gegen¨ uber der x-Achse von Σo gedreht: Der Geschwindigkeitsvektor zwischen den Koordinatenurspr¨ ungen von Σo und Σ besitzt in bezug auf die Koordinatenachsen dieser Systeme unterschiedliche Richtungen. Wir beschreiben dies durch einen Drehwinkel α3 gem¨aß α3 := ϕ − ϕ . Gem¨aß tan(ϕ − ϕ ) = (tan ϕ − tan ϕ )/(1 + tan ϕ tan ϕ ) berechnen wir den Winkel α3 mit Hilfe von (162) und (169), tan α3 = tan(ϕ − ϕ ) =
tan α3 =
(v2 /v1 ) − (v2 /v1 γ) (γ − 1)(v2 /v1 ) (γ − 1)β2 /β1 , = = 2 2 2 2 1 + v2 /(v1 γ) γ + (v2 /v1 ) γ + β22 /β12
(γ − 1)β1 β2 . γβ12 + β22
(170)
Wir berechnen die erste nichtverschwindende N¨ aherung von (170) f¨ ur den Fall v1 c , v2 c sowie v2 v1 : Mit tan x ≈ x und γ − 1 ≈ −(1/2)(β12 + β22 ) , also (γ − 1)β12 ≈ −(1/2)(β12 β12 + β22 β12 ) ≈ 0 , also γβ12 ≈ β12 , folgt
(γ − 1)β1 β2 1 β12 + β22 β1 β2 1 β12 + β22 β1 β2 α3 ≈ tan α3 = ≈− ≈− , γβ12 + β22 2 γβ12 + β22 2 β12 + β22 α3 ≈ −
v1 v2 . 2c2
(171)
92
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Im Laborsystem Σo beobachten wir die Bewegung eines K¨orpers auf einer Kreisbahn, z.B. den klassischen Umlauf eines Elektrons im Atom. Σ (xi ) sei das mit dem Elektron fest verbundene, k¨ orpereigene Achsensystem. Die vom Atomkern ausgehenden Zentralkr¨ afte ¨ bewirken keine Anderung f¨ ur den Eigendrehimpulsvektor S des Elektrons, welcher daher in bezug auf die Achsen (xi ) von Σ eine unver¨ anderliche Richtung beibeh¨ alt. Es sei v = (v1 , 0, 0) die momentane Bahngeschwindigkeit des Elektrons, die sich auf Grund der Zentralbeschleunigung a = (0, a, 0) in der Zeit ∆t um die Geschwindigkeit ∆v = (0, ∆v = v2 , 0) = a ∆t ¨ andert. Gem¨ aß (171) ist ∆α3 = −v1 ∆v/(2c2 ) die in der Zeit ∆t erfolgte Drehung der mit dem Elektron fest verbundenen Koordinatenachsen von Σ in bezug auf Σo . Von Σo aus beobachten wir daher die Thomas-Pr¨ azession21 : Da der Eigendrehimpulsvektor S des Elektrons in Σ feststeht, dreht er sich, von Σo aus beobachtet, mit der Winkelgeschwindigkeit ω T = ∆α3 /∆t um die z-Achse, bzw. vektoriell22
ωT = −
21 Als
v×a . 2 c2
Winkelgeschwindigkeit (172) der Thomas-Pr¨ azession
ein rein kinematischer Effekt heißt die Thomas-Pr¨ azession auch einfach Thomas-Effekt. speziellen Lorentz-Transformationen (75), (79), die auf eine Bewegungsrichtung beschr¨ ankt sind, bilden eine Gruppe L . Wegen der Drehung gem¨ aß (170) h¨ angen die Bezugssysteme Σ und Σo nun aber nicht mehr u ¨ ber eine spezielle Lorentz-Transformation zusammen. Die Gruppeneigenschaft der speziellen Lorentz-Transformationen geht verloren, wenn wir verschiedene Bewegungsrichtungen zusammensetzen. Darin liegt der allgemeine mathematische Grund f¨ ur die Thomas-Pr¨ azession. In Kap. 28.4 gehen wir ausf¨ uhrlich darauf ein. 22 Die
93
23
Das Maßstabsparadoxon
Sowohl die Thomas-Pr¨ azession als auch das Maßstabsparadoxon h¨ angen mit den Besonderheiten zusammen, die bei der Aufeinanderfolge zweier spezieller Lorentz-Transformationen mit zwei zueinander senkrechten Geschwindigkeiten entstehen. Wir betrachten nun folgende experimentelle Situation. Parallel zur x-Achse sei im Inertialsystem Σo eine dort ruhende Reihe punktf¨ ormiger Hindernisse aufgestellt, die voneinander den festen Abstand lo besitzen. Im System Σ , das sich achsenparallel zu Σo mit der Geschwindigkeit v1 in x-Richtung bewegt, m¨ oge auf der x -Achse ein Stab ruhen, f¨ ur dessen L¨ ange in Σ ebenfalls lo gemessen wird. Von Σo aus beobachtet, ist der Stab parallel zur x-Achse orientiert und hat dort folglich die bewegte L¨ ange lv = lo γ1 = lo 1 − v12 /c2 , Abb. 26. y6 Σo r
lo
r
lo
r
r
y 6 Σ -x
r
r
- v1 lo
- x
Abb. 26: Die Ausgangssituation zum Maßstabsparadoxon. Die in Σo ruhenden und parallel zur x-Achse aufgereihten Hindernisse haben einen Abstand lo . Das System Σ bewege sich achsenparallel zu Σo mit der Geschwindigkeit v1 in x-Richtung. Ein auf der x -Achse von Σ ruhender Stab habe dort ebenfalls die Ruhl¨ ange lo . F¨ ur den Beobachter in Σo ist der Stab Lorentz-kontrahiert, f¨ ur den Beobachter in Σ sind es die Abst¨ ande der Hindernisse. Kann der Stab die Hindernisreihe passieren, wenn er zus¨atzlich eine Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung erh¨ alt? Der Beobachter in Σo bemerke nun, daß der Stab bei gleichbleibender Orientierung zus¨atzlich eine Geschwindigkeit v2 in y-Richtung erhalten hat, so daß er sich nun auf die Hindernisreihe zubewegt. Der Beobachter in Σo urteilt: Der Stab besitzt wegen der Lorentz-Kontraktion die bewegte L¨ ange lv . Die Hindernisse haben die Abst¨ ande lo > lv . Folglich kann der Stab die Hindernisse ber¨ uhrungsfrei passieren, falls er auf eine L¨ ucke trifft. F¨ ur den Beobachter in Σ hat aber die Hindernisreihe die Geschwindigkeit −v . Folglich haben nun die Hindernisse wegen der Lorentz-Kontraktion die bewegten Abst¨ ande lv = lo γ , w¨ ahrend der in Σ ruhende Stab die gr¨ oßere L¨ange lo > lv besitzt. Von Σ aus beurteilt, sollte daher der Stab in jedem Fall mit der Hindernisreihe zusammenstoßen. Beide Aussagen zusammen ergeben das Maßstabsparadoxon: Der Stab ist durchgekommen, und der Stab wurde aufgehalten - das ist paradox! Wo liegt der Fehler?
94
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
In unserer Schlußreihe sind wir mit der Orientierung des Stabes nicht sorgf¨ altig genug umgegangen. Wie in Kap. 22 definieren wir ein System Σ , welches sich, von Σ (xi ) aus gemessen, achsenparallel zu Σ mit der Geschwindigkeit v = (0, v2 , 0) bewegt. Von Σo aus wird f¨ ur den Koordinatenursprung von Σ eine Geschwindigkeit v beobachtet, Von Σo aus gemessene Geschwindigkeit von Σ
v = (v1 , v2 , 0) .
(173)
Den Wert f¨ ur v2 finden wir aus der Lorentz-Transformation (75) mit Hilfe der Kettenregel der Differentiation, wenn wir beachten, daß f¨ ur die Bewegung von Σ definitionsgem¨aß dx /dt = 0 ist, also dy dt 1 dy = = v2 · dt dt dt γ1 und damit wie in Kap. 22 v = (v1 , v2 , v3 ) = (0,
Von Σ aus gemessene Geschwindigkeit von Σ
v2 , 0) . γ1
Wir verwenden hier die Bezeichnungen v12 v22 v12 v 2 γ γ := 1 − 2 − 2 , γ1 := 1 − 2 −→ γ2 := 1 − 22 = . c c c c γ1
(174)
(175)
Es gelten dann die Lorentz-Transformationen gem¨aß (75) und (570). F¨ ur Σ und Σ finden wir bei den hier gew¨ ahlten Bezeichnungen zun¨ achst x = x ,
y =
y − v2 t , γ2
t =
t − y v2 /c2 γ2
und unter Verwendung von (174) und (175) x = x ,
x = x ,
γ1 y − v2 t , γ γ1 t − y v2 /c2 t = , γ
γ1 y + v2 t , γ γ1 t + y v2 /c2 t = . γ
y =
y =
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(176)
F¨ ur Σ und Σo gilt
t =
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
x + v1 t x= , γ1 y = y ,
x − v1 t x = , γ1 y =y,
t − x v1 /c , γ1
2
t=
2
t + x v1 /c . γ1
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(177)
23 Das Maßstabsparadoxon
95
Die Gleichungen (176) und (177) ergeben zusammen x =
x − v1 t , γ1
x=
γ x + (v1 v2 /c2 ) y + v1 γ1 t , γ γ1
y =
(v1 v2 /c2 ) x + (1 − v12 /c2 ) y − v2 t , γ γ1
y=
γ1 y + v2 t , γ
t =
t − (v1 /c2 ) x − (v2 /c2 ) y , γ
t=
γ1 t + (v1 /c2 ) γ x + (v2 /c2 ) y γ γ1
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ .⎪
(178)
ussen wir aber zwei F¨alle unterscheiden, Abb. 27. Der Stab soll in Σ ruhen. Dabei m¨ 1. Fall: Der Stab ruht auf der x -Achse des Systems Σ , bewegt sich also achsenparallel zum System Σ . Der Beobachter in Σ findet die Abst¨ ande der Hindernisreihe Lorentz-kontrahiert, also k¨ urzer als den parallel zur x -Achse orientierten Stab, der folglich in jedem Fall mit den Hindernissen kollidieren muß. Wie urteilt aber der Beobachter in Σo ? Wir wollen jetzt zeigen, daß aus der Sicht von Σo der Stab deswegen kollidiert, weil er gegen die x-Achse als geneigt beurteilt wird. In Σ beobachten wir zwei Ereignisse, das Ereignis O(0, 0, 0, 0) , welches wir dem linken Endpunkt des in Σ ruhenden Stabes zur Zeit t = 0 zuordnen und ein Ereignis E(x = lo , 0, 0, to ) , das wir dem rechten Endpunkt zu einer anderen Zeit t = to zuordnen k¨ onnen. Den Koordinatenursprung sollen die Systeme gemeinsam haben. F¨ ur das Ereignis E finden wir in Σo mit Hilfe der rechten Seite von (178)
γ lo + v1 γ1 to v2 to γ1 to + (v1 /c2 ) γ lo . , yE = , 0 , tE = E xE = γ γ1 γ γ γ1
(179)
Da auch O(0, 0, 0, 0) f¨ ur Σo gilt, wird aus der Sicht von Σo der rechte Endpunkt des Stabes bei tE = 0 mit O(0, 0, 0, 0) gleichzeitig, also tE = 0 in (179) f¨ ur to = −
v1 γ lo . c2 γ1
(180)
Dies in (179) eingesetzt, finden wir f¨ ur den rechten Endpunkt des Stabes damit in Σo nach leichter Rechnung xE = γ1 lo ,
yE = −
v1 v2 lo . c2 γ1
(181)
In Σo wird also beobachtet, daß der Stab einen Neigungswinkel κ gegen die x-Achse hat, tan κ =
yE v1 v2 =− 2 2 . xE c γ1
(182)
Wegen (182) ist der Stab so geneigt, daß er auch aus der Sicht von Σo gegen die Hindernisse st¨oßt, s. Abb. 27. Das Paradoxon ist aufgel¨ ost.
96
y6 Σo r
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
lo
r
lo
r
r
r
r
r
r
6 Σ v2 6
-x
κ lv
x ˜ - v1
y 6 Σ -x
y6 Σo r
lo
r
lo
- x
r
r 6 Σ v2 6
y 6 Σ -x
lo
x ˜
ι
- x
- v1 - x
Abb. 27: Die Aufl¨osung des Maßstabsparadoxons. Das System Σ bewegt sich achsenparallel zu Σo mit der Geschwindigkeit v1 in x-Richtung, und Σ bewegt sich achsenparallel zu Σ mit einer Geschwindigkeitskomponente v2 in y -Richtung. Aus den beiden Abbildungen ist ersichtlich, daß die Orientierung bewegter Strecken durch die konventionelle Definition der Gleichzeitigkeit in der relativistischen Raum-Zeit bestimmt wird. Oberes Bild (1. Fall): Aus der Sicht von Σ und Σ sind die Abst¨ ande der Hindernisreihe Lorentz-kontrahiert, so daß der Stab nicht an den Hindernissen vorbeikommt. Der in der x Achse von Σ liegende Stab ist von Σo aus gesehen, um den negativen Winkel κ gegen die x-Achse geneigt. Wegen dieser Neigung kollidiert der Stab auch aus der Sicht von Σo bei seiner Bewegung mit der Hindernisreihe. Die Orientierung der punktiert dargestellten Σ -Achse wird vom System Σo aus festgestellt. Das haben wir durch eine Tilde gekennzeichnet. W¨ahlen wir wie in Abb. 25 v1 = 0, 8 c und v2 = 0, 16 c , dann wird κ = −19, 57o . Unteres Bild (2. Fall): Wir setzen nun voraus, daß der in Σ ruhende Stab von Σo aus als achsenparallel zur x-Achse bewertet wird. Aus der Sicht von Σo ist der Stab daher Lorentz-kontrahiert und kann passieren, wenn er auf eine L¨ ucke trifft. Der Beobachter in Σ stellt dann fest, daß der Stab gem¨ aß (184) einen Winkel ι mit der x -Achse seines Systems Σ bildet. Wegen dieser Neigung kann der Stab auch aus der Sicht von Σ bei seiner Bewegung die Hindernisreihe passieren, wenn er auf eine L¨ ucke trifft. Die Orientierung der punktiert dargestellten Σ -Achse wird hier vom System Σ aus festgestellt. Das haben wir durch eine Tilde gekennzeichnet. W¨ahlen wir wie in Abb. 25 v1 = 0, 8 c und v2 = 0, 16 c , dann wird ι = +12, 48o .
23 Das Maßstabsparadoxon
97
2. Fall: Der Stab m¨ oge wieder im System Σ ruhen, aber nun so, daß er aus der Sicht von Σo als achsenparallel zur x-Achse von Σo bewertet wird. Der Beobachter in Σo urteilt: Der Stab ist gegen¨ uber den Abst¨ anden der Hindernisse Lorentz-kontrahiert und kann daher die Hindernisreihe passieren, wenn er auf eine L¨ ucke trifft. Der Stab mit der Geschwindigkeit v1 bewegt sich achsenparallel in x-Richtung. Von Σo aus betrachtet, hat der Stab die Lorentz-kontrahierte L¨ ange lo γ1 . In Σo beobachten wir zwei Ereignisse, O(0, 0, 0, 0) und E(lo γ1 , 0, 0, 0) , also die gleichzeitige Lage der Endpunkte des Stabes zur Zeit t = 0 in Σo . Den Koordinatenursprung haben die Systeme gemeinsam. F¨ ur das Ereignis E finden wir in Σ gem¨aß der linken Seite von (178)
(v1 v2 /c2 ) lo (v1 /c2 ) γ1 lo E xE = lo , yE = , 0 , tE = − . γ γ
(183)
ur die Lage des Der Stab ruht in Σ , also ist die tE -Koordinate des rechten Endpunktes f¨ Stabes ohne Belang. Mithin wird in Σ beobachtet, daß der Stab einen Neigungswinkel ι gegen die x -Achse hat mit tan ι =
yE v1 v2 =+ 2 . xE c γ
(184)
Folglich ist der Stab so geneigt, daß er auch aus der Sicht von Σ die Hindernisse passieren kann, wenn er auf eine L¨ ucke trifft, s. Abb. 27. Das Paradoxon ist aufgel¨ ost. Wir haben gesehen, daß es immer wieder der ungewohnte Umgang mit der Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit ist, der uns so leicht in die Irre leiten kann. Im Anhang, Kap. 32.1, zeigen wir, wie sich das Maßstabsparadoxon gewissermaßen von selbst erledigt, wenn wir in der relativistischen Raum-Zeit zum Zwecke der Betrachtung dieser Versuchsanordnung eine absolute Gleichzeitigkeit einf¨ uhren.
98
24
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Doppler-Effekt
¨ Beim Doppler-Effekt geht es um die Anderung der gemessenen Frequenz von Wellen infolge einer Relativbewegung zwischen Sender und Empf¨ anger. Die berechnete Frequenzverschiebung h¨ angt davon ab, ob wir die klassische Raum-Zeit mit der Unver¨ anderlichkeit von Schwingungsdauern gem¨ aß (45) oder das relativistische Postulat der Zeitdilatation (70) als richtig annehmen. Im letzteren Fall ist zu beachten, in welchem Verh¨ altnis die Signalgeschwindigkeit der untersuchten Wellen, f¨ ur die wir die Bezeichnung C verwenden, mit der in (70) stehenden Lichtgeschwindigkeit c steht. Die Formeln des optischen Doppler-Effektes mit C = c werden dadurch verschieden von denen der akustischen Frequenzverschiebung, wenn C = ca die Schallgeschwindigkeit ist. Wir werden sehen, daß der Doppler-Effekt geeignet ist, dar¨ uber zu entscheiden, ob dem Tr¨ ager der Wellen ein Bewegungszustand zugeordnet werden kann oder nicht, Aufg. 17, S. 287. Im Inertialsystem Σo betrachten wir einen ’Normalsender’ S , welcher auf Grund seiner Konstruktionsvorschrift (wie bei einer Stimmgabel) zu einer wohl definierten harmonischen Schwingung mit der Schwingungsdauer TS , also der Frequenz νS , f¨ ahig sein soll, 1 . (185) νS = TS In dem umgebenden Raum (oder dem in Σo ruhenden Medium) m¨ oge der Sender dadurch eine monochromatische Welle dieser Frequenz νS erzeugen, die mit der Geschwindigkeit C durch den Raum (oder das Medium) eilt, Abb. 28. Ein Empf¨ anger E messe f¨ ur die Frequenz dieser Welle den Wert νE . Ruht auch der Empf¨ anger E im System Σo , dann soll immer gelten Sender und Empf¨ anger νE = νS . (186) ruhen in Σo Σo 6
-C
νS
0 S
νE
-x
CTS E
Abb. 28: Empf¨anger E und Sender S m¨ogen beide im Bezugssystem Σo ruhen. Wir k¨ onnen uns z.B. vorstellen, eine monochromatische Lichtwelle der gelben Natriumlinie zu erzeugen mit νN a = 5, 0847416 · 1014 Hz, also λN a = 589, 5923 · 10−9 m , wobei hier C = c = 299 792 458 m s−1 die Lichtgeschwindigkeit ist. Die Schwingungsdauer dieses Senders betr¨ agt dann TN a = 1/νN a = 1, 9666683 · 10−15 s. Wir wollen den Doppler-Effekt zun¨ achst unter der Voraussetzung (45) der klassischen Raum-Zeit behandeln und dann die exakten, relativistisch korrigierten Formeln herleiten, welche also die Zeitdilatation (70) ber¨ ucksichtigen.
24 Doppler-Effekt
99
24.1 Die klassische Theorie des Doppler-Effektes Wir gehen hier von der klassischen Raum-Zeit mit der Galilei-Transformation (48) aus und betrachten die folgenden F¨ alle: 24.1.1 Longitudinale Beobachtung Hier setzen wir voraus, daß sich Sender und Empf¨ anger in ihrer Verbindungslinie aufeinander zubewegen. a) Nur der Empf¨ anger E m¨oge im Bezugssystem Σo (x, t) bei einer Position x > 0 ruhen, w¨ ahrend sich der Sender S in einem System Σ (x , t ) bei x = 0 in Ruhe befindet, so daß er sich mit einer Geschwindigkeit v auf jenen zubewegt. Die Anfangsbedingung der Bezugssysteme Σo und Σ sei wieder gem¨aß (10) gew¨ahlt. Zur Zeit t = t = 0 wird der erste Wellenberg ausgesendet, wenn sich der Sender am Ort x = x = 0 links vom Empf¨ anger befindet. Nach der Zeit t = t = TS befindet sich der erste Wellenberg am Ort x2 = C TS und der Sender bei x1 = v TS , wo er den zweiten Wellenberg hinterherschickt. Beide trennt daher, von Σo aus beobachtet, eine Wellenl¨ ange λ gem¨aß, vgl. Abb. 29, λ = x2 − x1 = (C − v) TS .
(187)
Diese Wellenberge mit dem Abstand λ laufen mit der Geschwindigkeit C auf den Empf¨ anger zu. Der zweite trifft daher um die Zeit TE = λ/C nach dem ersten Wellenberg beim Empf¨ anger ein, so daß jener nun eine Frequenz νE mißt gem¨aß νE =
1 C C = , = TE λ (C − v) TS
also
νE = νS
1 . (1 − v/C)
Σ 6
Σo 6
νS
Doppler-Effekt bei bewegtem Sender Klassische Raum-Zeit
(188)
-v
-C
νE
-x
0 CT vTS S -v S
E
Abb. 29: Der Empf¨anger E ruht in Σo und der Sender S im System Σ . Dargestellt ist der Fall v = 0, 8 C .
100
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
b) Jetzt m¨oge der Sender S im Bezugssystem Σo (x, t) ruhen, w¨ ahrend der Empf¨ anger E in einem System Σ (x , t ) bei x = 0 ruht, welches die Geschwindigkeit −v in bezug auf Σo besitzt. Der Empf¨ anger E bewegt sich also mit einer Geschwindigkeit vom Betrag v , und zwar von rechts kommend, auf den Sender zu, Abb. 30. −v
Σo 6
Σ 6
-C x−λ
0
x
S
-x
x = 0 −v E
Abb. 30: Der Sender S ruht in Σo und der Empf¨anger E im System Σ . Dargestellt ist wieder der Fall |v| = 0, 8 C . In Σo betrachtet, erzeugt der Sender im Raum eine Welle der Frequenz νS , also mit der Wellenl¨ ange λ = C/νS , die in positiver x-Richtung eilt. Der Empf¨ anger l¨ auft dieser Welle mit der Geschwindigkeit v entgegen, u ¨berstreicht also gem¨aß der Formel (7) eine Wellenl¨ ange mit der Gesamtgeschwindigkeit C + v . Die Zeit TE , die er daf¨ ur ben¨ otigt, betr¨ agt daher TE =
λ 1 C C 1 1 = = , C +v νS C + v νS C 1 + v/C
anger jetzt und f¨ ur die Frequenz νE = 1/TE mißt der Empf¨
νE = νS (1 +
v ) . C
Doppler-Effekt bei bewegtem Empf¨ anger (189) Klassische Raum-Zeit
Nur f¨ ur v C stimmen die Frequenzverschiebungen (188) und (189) wegen der Taylorschen N¨ aherung 1/(1 − x) ≈ 1 + x f¨ ur x 1 , u ¨berein. Außerhalb dieser N¨ aherung ist die Frequenzverschiebung (188) f¨ ur den Fall des bewegten Senders verschieden von derjenigen bei bewegtem Empf¨ anger (189). Durch diesen Unterschied wird es m¨ oglich, mit Hilfe von Messungen der Frequenzverschiebungen den Bewegungszustand gegen¨ uber dem Tr¨ agermedium der Wellen zu bestimmen. Dadurch wird ein Inertialsystem Σo definiert, in dem dieses Tr¨ agermedium ruht. Der Doppler-Effekt entsteht f¨ ur beliebige Wellen, f¨ ur elektromagnetische ebenso wie f¨ ur Schallwellen. Ist C = ca in (188) und (189) die Schallgeschwindigkeit, dann bestimmen wir in Aufg. 17, S. 287, durch Messung der akustischen Doppler-Verschiebungen dasjenige Bezugssystem, in welchem der Tr¨ager dieser Wellen ruht, also z.B. die Luft.
24 Doppler-Effekt
101
W¨ are die Galilei-Transformation uneingeschr¨ ankt g¨ ultig, also nicht nur n¨ aherungsweise f¨ ur kleine Geschwindigkeiten v , so daß wir die in (188) und (189) berechneten Frequenzverschiebungen auch ohne die Einschr¨ ankung v c auf Lichtwellen mit der Lichtgeschwindigkeit c f¨ ur C anwenden k¨ onnten, dann ließe sich der Bewegungszustand eines Tr¨agers dieser elektromagnetischen Wellen relativ zum Sender bzw. zum Empf¨ anger durch optische Messungen experimentell bestimmen. Das Inertialsystem Σo , in welchem dieser Tr¨ager ruht, w¨ are dann physikalisch ausgezeichnet. Da die klassische Mechanik in jedem Inertialsystem gilt, s. Kap. 16, S. 71, w¨ urden in diesem und nur in diesem Inertialsystem Σo sowohl die Maxwellschen Gleichungen der Elektrodynamik gelten als auch die Gleichungen der klassischen Mechanik. Damit w¨ are ein absoluter Raum definiert, ¨ den man in Erwartung seiner Entdeckung Ather genannt, aber vergeblich gesucht hat. 24.1.2 Transversale Beobachtung Der Empf¨ anger m¨oge in Σo ruhen und der Sender in einem System Σ , das sich, von Σo aus gemessen, in Richtung der positiven y-Achse bewegt. Der Sender m¨oge aber nun in einem großen Abstand R am Empf¨ anger vorbeifliegen, welcher die zum Zeitpunkt der kleinsten Entfernung ausgestrahlten Wellen messen soll. Dabei geht es um den sog. transversalen Doppler-Effekt, da nun diejenigen Wellen zur Beobachtung gelangen, die senkrecht zur Bewegungsrichtung des Senders ausgestrahlt werden, Abb. 31.
Σ 6 v 6
Σo 6
-x
-C S
-x
-C E
Abb. 31: Versuchsanordnung zum rein transversalen
Doppler-Effekt.
¨ In einem großen Abstand soll heißen, daß die Anderung dieses Abstandes im Moment der gr¨ oßten Ann¨ aherung Ro , s. Abb. 32, w¨ ahrend der Dauer einer Eigenschwingung des Senders einfach vernachl¨ assigt werden kann. Der mit der Geschwindigkeit v bewegte Sender r¨ uckt w¨ ahrend der Dauer TS = 1/νS um das St¨ uck v TS = v/νS weiter. Gem¨aß den in Abb. 32 erkl¨ a√rten Bezeichnungen wird die Bedingung L ≈ Ro durch v/νS Ro realisiert, denn mit 1 + x ≈ 1 + x/2 f¨ ur x 1 gilt
102
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
6 L
v νS
v 6
?
-x
Ro
S
E
Abb. 32: Die Voraussetzung zur Beobachtung des rein transversalen Doppler-Effektes. Die Bedingung L ≈ Ro wird durch v/νS Ro realisiert.
L=
v2 Ro2 + 2 = Ro νS
1+
v2 v2 v2 ≈ Ro 1 + ≈ Ro = Ro + 2 2 2 2 R o νS 2Ro νS 2Ro νS2
f¨ ur v2 Ro , also 2Ro νS2
√ v 2Ro νS
und damit auch L ≈ Ro f¨ ur
v Ro bzw. f¨ ur νS
v Ro . C λS
Großer Abstand zwischen (190) Sender und Empf¨ anger
Der einem ersten Wellenberg nach der Zeit TS vom Sender hinterhergeschickte zweite Wellenberg l¨ auft mit derselben Geschwindigkeit C wie jener und muß voraussetzungsgem¨aß, wenn (190) erf¨ ullt ist, bis zum Empf¨ anger auch dieselbe Entfernung Ro zur¨ ucklegen. Wegen der vorausgesetzten Galilei-Transformation messen Sender und Empf¨ anger f¨ ur alle Ereignisse dieselbe Zeit. Folglich mißt der Empf¨ anger auch dieselbe Zeit TS , um die der zweite Wellenberg sp¨ater bei ihm ankommt als der erste, und er findet daher f¨ ur die ankommenden Wellen dieselbe Frequenz, die auch der Sender ausgestrahlt hat. Die Galilei-Transformation l¨ aßt also keinen transversalen Doppler-Effekt zu, s. auch Aufg. 18, S. 290,
νE = νS .
Transversale Beobachtung (191) Klassische Raum-Zeit
24 Doppler-Effekt
103
24.2 Die exakte Theorie des Doppler-Effektes Bisher haben wir die in Kap. 12 formulierten relativistischen Eigenschaften der Meßinstrumente außer acht gelassen. Diese N¨aherung, die wir in der klassischen Raum-Zeit machen, wollen wir jetzt korrigieren. Dazu m¨ ussen wir allein das Postulat (70) der Zeitdilatation 2 2 ber¨ ucksichtigen, Tv = To / 1 − v /c . Diese Formel gilt f¨ ur beliebige schwingungsf¨ ahige Systeme, f¨ ur die Unruh einer Armbanduhr ebenso wie f¨ ur die Schwingungen einer Stimmgabel oder die zur Austrahlung elektromagnetischer Wellen f¨ uhrenden Schwingungen eines angeregten Atoms. F¨ ur die entsprechenden Frequenzen gilt dann v2 νv = νo 1 − 2 . (192) c In (192) ist c in jedem Fall die Lichtgeschwindigkeit. Wir betrachten nun wieder die auch in 23.1 untersuchten F¨ alle. 24.2.1 Longitudinale Beobachtung a) Der Empf¨ anger E ruht in Σo . Die z.B. durch Resonanz gemessene Empfangsfrequenz sei νE . Der Sender S ruht in Σ , bewegt sich also mit der Geschwindigkeit v in Σo , Abb. 29. In der Formel (188) m¨ ussen wir daher die Sendefrequenz νS durch eine Frequenz ur νo schreiben, also νS → νS 1 − v 2 /c2 . νv gem¨aß (192) ersetzen, indem wir dort νS f¨ Das ergibt die exakte, relativistisch korrigierte Formel f¨ ur die Frequenzverschiebung, wenn der mit der Geschwindigkeit v bewegte Sender eine Welle der Signalgeschwindigkeit C aussendet, u ¨ber dessen physikalische Natur wir zun¨ achst noch keine Aussagen machen, νE = νS
1 − v 2 /c2 . 1 − v/C
Exakte Theorie des Doppler-Effektes (193) Bewegter Sender, beliebige Wellen
Es sei C = ca die Schallgeschwindigkeit, und wir beschr¨ anken uns auf Geschwindigkeiten des Senders v < ca . Unter Laborbedingungen auf der Erde ist dann wegen ca c auch v c . Damit erhalten wir aus (193) die obige Gleichung (188) f¨ ur C = ca als nichtrelativistische N¨aherung, νE = νS
1 − v 2 /c2 1 ≈ νS , f¨ ur v < ca c . 1 − v/ca 1 − v/ca
Schallwellen (194) Bewegter Sender
Es gibt aber Sternmaterie von so hoher Verdichtung, daß die Schallgeschwindigkeit ca in der Gr¨ oßenordnung der Lichtgeschwindigkeit c liegt, ca ≈ c mit ca < c . F¨ ur diesen Fall muß man die Wurzel in der Formel (194) ohne N¨ aherung stehen lassen. In (193) sei nun C = c die Lichtgeschwindigkeit. Dann finden wir 1 − v 2 /c2 (1 − v/c)(1 + v/c) 1 + v/c ν E = νS = νS = νS , 1 − v/c 1 − v/c 1 − v/c νE = νS
c+v . c−v
Elektromagnetische Wellen Bewegter Sender
(195)
104
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
b) Jetzt m¨oge der Sender S in Σo ruhen, und wir k¨ onnen die Sendefrequenz νS in Formel (189) stehen lassen. Dagegen hat der Empf¨ anger nun eine Geschwindigkeit vom Betrag v in bezug auf Σo und mißt nur in seinem Bezugssystem Σ die Frequenz νE , Abb. 30. Von Σo aus beobachtet, ergibt dies eine Frequenz νv gem¨aß (192), indem wir dort νo durch νE ersetzen. In der Formel (189) m¨ ussen wir daher die Empfangsfrequenz νE durch diese Frequenz νv ersetzen, d.h. νE → νE 1 − v 2 /c2 , so daß dann v2 v νE 1 − 2 = νS (1 + ) , c C also 1 + v/C νE = νS . 1 − v 2 /c2
Exakte Theorie des Doppler-Effektes Bewegter Empf¨anger, beliebige Wellen
(196)
F¨ ur die Schallgeschwindigkeit C = ca beschr¨anken wir uns wieder auf Geschwindigkeiten v < ca . Unter Laborbedingungen auf der Erde ist dann wieder wegen ca c auch v c , und wir erhalten aus (196) die obige Gleichung (189) f¨ ur C = ca als nichtrelativistische N¨aherung, 1 + v/ca v νE = νS ≈ νS (1 + ) f¨ ur v < ca c . 2 2 c 1 − v /c a
Schallwellen (197) Bewegter Empf¨anger
Bei extrem dichter Sternmaterie mit ca ≈ c und ca < c m¨ ussen wir den Wurzelfaktor in (197) beibehalten. In jedem Fall erm¨ oglicht uns bei hinreichend genauer Messung der Unterschied in den Formeln f¨ ur den akustischen Doppler-Effekt mit dem in Aufg. 17, S. 287, betrachteten Verfahren, den Bewegungszustand des Tr¨agermediums dieser Wellen auszumachen. In (196) sei nun C = c die Lichtgeschwindigkeit. Dann finden wir 1 + v/c 1 + v/c 1 + v/c νE = νS = νS = νS , 1 − v/c 1 − v 2 /c2 (1 − v/c)(1 + v/c) νE = νS
c+v . c−v
Elektromagnetische Wellen Bewegter Empf¨anger
(198)
Die Formeln (195) und (198) sind nun identisch. F¨ ur elektromagnetische Wellen gibt es keinen Unterschied zwischen dem bewegten Sender und dem bewegten Empf¨anger. Da sich hierbei Sender und Empf¨ anger in der Beobachtungsrichtung bewegen, heißt die Formel (195) auch longitudinaler Doppler-Effekt. Allein die Ber¨ ucksichtigung des Postulats (70) f¨ uhrt also zu dem Schluß, daß es dann unm¨ oglich ist, mit Hilfe der daraus folgenden exakten Doppler-Verschiebungen, einen Bewegungszustand f¨ ur den Tr¨ ager der elektromagnetischen Wellen auszumachen, da nun allein die Relativgeschwindigkeit v zwischen Sender und Empf¨ anger den Effekt bestimmt.
24 Doppler-Effekt
105
24.2.2 Transversale Beobachtung Wie im Fall a) m¨oge der Empf¨ anger E in Σo ruhen. Die Empfangsfrequenz ist νE . Der Sender S ruht in Σ , bewegt sich also mit der Geschwindigkeit v in bezug auf Σo . In der Formel (191) m¨ ussen wir daher wieder die Sendefrequenz νS durch νv gem¨aß (192) ersetzen mit νo = νS . Das ergibt den transversalen Doppler-Effekt, s. auch Aufg. 18, S. 290, νE = νS
1−
v2 . c2
Transversaler Doppler-Effekt (199) Exakte Theorie, beliebige Wellen
Beachten wir also die Zeitdilatation (70), dann gibt es im Unterschied zur klassischen N¨ aherung (191) eine Frequenzverschiebung bei transversaler Beobachtung. Auffallend ist, daß die Gleichung (199) unabh¨ angig ist von der physikalischen Natur der beobachteten Wellen und deren Signalgeschwindigkeit C . Die Formel (199) ist nichts anderes als die in den Frequenzen ausgedr¨ uckte Zeitdilatation einer bewegten Uhr. Die physikalische Natur des schwingenden Systems, die Art der zur Beobachtung kommenden Wellen, hat darauf keinen Einfluß. Unter irdischen Laborbedingungen mit v < ca c wird man allerdings f¨ ur Schallwellen nicht mit einem experimentellen Nachweis rechnen k¨ onnen. Bei hoch verdichteter Sternmaterie mit ca ≈ c , ca < c k¨ onnte der transversale Doppler-Effekt f¨ ur Schallwellen aber ebenso zur Beobachtung gelangen wie der optische Effekt. Bei transversaler Beobachtung macht der Faktor 1 − v 2 /c2 den gesamten Effekt aus. Bei longitudinaler Beobachtung bewirkt derselbe Faktor den Unterschied zwischen den (188) und (189) zu der exakten Formel (195). Wegen klassischen N¨aherungen 1 − v 2 /c2 ≈ 1 − v 2 /2c2 wird damit jede Messung einer Doppler-Verschiebung, die eine Genauigkeit der in v/c quadratischen Terme garantiert, zu einem Test der Formel (70) f¨ ur die Zeitdilatation. Bei dem erstmals 1938/39 ausgef¨ uhrten Experiment zur Zeitdilatation war das schwingende System ein Wasserstoffatom. Die rote Spektrallinie Hα besitzt im eigenen Ruhsystem eine Schwingungsdauer von To = 2, 1876 · 10−15 s. Bewegen sich die H-Atome in Kanalstrahlen mit einer hohen Geschwindigkeit v in bezug auf den Empf¨ anger, so wird die Schwingungsdauer Tv = To / 1 − v 2 /c2 wirksam. Bei transversaler Beobachtung, senkrecht zur Bewegungsrichtung der Kanalstrahlen, ist die Doppler-Verschiebung gem¨ aß (199) ein direkter Test auf die Zeitdilatation. Aus experimentellen Gr¨ unden hat man bei schr¨ agem Einfall gemessen und dabei eine Genauigkeit erreicht, welche die Beobachtung der in v/c quadratischen Terme garantierte. Auf ¨ diese Weise konnte man die Formel (70) f¨ ur die Zeitdilatation best¨ atigen. Uber neuere ¨ Pr¨ azisionsexperimente zur Uberpr¨ ufung der Zeitdilatation mit Hilfe des transversalen Doppler-Effektes berichten wir in Kap. 34, S. 221ff.
106
25
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Aberration
In der Umgebung des Koordinatenursprungs von Σo soll das Licht beobachtet werden, das von einem sehr weit entfernten Objekt kommt, sagen wir von einem Stern S . Wir wollen hier der Einfachheit halber nur den Fall betrachten, daß dieses Licht aus dem Zenit kommt, wir den Stern in Σo also senkrecht u ¨ ber uns sehen, in der y-Richtung, wie in Abb. 33 und Abb. 34 skizziert. Bewegen wir uns nun mit unserem Fernrohr in bezug auf Σo in x-Richtung mit einer Geschwindigkeit v oder −v , ruhen wir also in einem Bezugssysten Σ , dann sehen wir den Stern nicht mehr senkrecht u ¨ber uns, sondern in einer davon abweichenden Richtung. Dieser Effekt heißt astronomische Aberration. Wir machen darauf aufmerksam: Der Bewegungszustand des Objektes, also z.B. des Sternes, der die Wellen oder einen Teilchenstrom emittiert, spielt f¨ ur die Aberration keine Rolle. Es geht allein um die Welle oder den Teilchenstrom, welche von zwei verschiedenen Inertialsystemen aus beobachtet werden. Der Gedankengang zur Erkl¨ arung des experimentellen Befundes der Aberration h¨ angt davon ab, welche Annahme wir u ¨ber die physikalische Natur des Lichtes machen.
25.1 Die Aberration im Teilchenbild Wir gehen jetzt davon aus, daß das Licht aus Photonen besteht, also aus Partikeln der Ruhmasse Null, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit c bewegen und dabei einen Impuls p besitzen. In Σo beobachtet, sollen diese Partikel aus der vertikalen y-Richtung kommen, so daß p = (0, p, 0) ist, Abb. 33. Σ sei dasjenige Bezugssystem, welches sich in der negativen x-Richtung von Σo mit einer Geschwindigkeit vom Betrag v bewegt. Richten wir ein in Σ ruhendes Fernrohr parallel zur y -Richtung aus, dann kann ein in das Fernrohr eintretendes Photon das Ende des Tubus wegen dessen Bewegung in der negativen x-Richtung nicht erreichen. Das Photon trifft auf die Wand des Instrumentes und wird dort absorbiert. Das Bild bleibt dunkel. Von Σo aus betrachtet, k¨ onnen die Photonen den Tubus passieren, wenn das Instrument um einen Winkel α gekippt wird, so daß tan α gleich dem Verh¨altnis aus der horizontalen Geschwindigkeit v des Fernrohres gegen das System Σo und der vertikalen Geschwindigkeit c der Photonen in Σo ist. Von Σ aus betrachtet, m¨ ussen wir das Fernrohr in Σ um einen Winkel α gegen die y Achse kippen, so daß tan α gleich dem Verh¨ altnis aus der horizontalen Geschwindigkeit v des Fernrohres gegen das System Σo und der vertikalen Geschwindigkeit uy der Photonen in Σ ist, Abb. 33, v v (200) tan α = , tan α = . c |uy | wir f¨ ur die Bewegung der Photonen im System Σo Zur Berechnung von α schreiben x = x(t), y = y(t), z = z(t) und damit f¨ ur ihre Geschwindigkeit (ux , uy , uz ) = (dx/dt, dy/dt , dz/dt) = (0, −c, 0) . (201) Im System Σ beobachten wir die Bewegung x = x (t ), y = y (t ), z = z (t ) mit der Geschwindigkeit (ux , uy , uz ) = (dx /dt , dy /dt , dz /dt ) .
25 Aberration
107
S Σo × 6
Σ 6
? c α A AA A −v AA AA
-x
- x
Abb. 33: Aberration im Teilchenbild. Von Σo aus betrachtet, kommen die Photonen mit der Lichtgeschwindigkeit c aus der vertikalen y-Richtung. F¨ ur das System Σ werde von Σo aus z.B. eine Geschwindigkeit vom Betrage v = 0, 448 c in negativer x-Richtung festgestellt. Damit die Photonen nicht von der Wand des Tubus absorbiert werden, muß das Instrument, von Σo aus betrachtet, um einen Winkel α gem¨ aß tan α = v/c = ∆x/∆y gekippt werden. Hierbei sind ∆x und ∆y die Wege des Fernrohres bzw. der Photonen in der Zeit ∆t . F¨ ur v c ist dies auch der Winkel α , um den der Beobachter in Σ sein Fernrohr kippt. In Σ legen die Photonen uck und in der negativen y -Richtung w¨ ahrend der Zeit ∆t in x -Richtung den Weg ∆x zur¨ ussen wir die Lorentzden Weg ∆y , so daß tan α = ∆y /∆x . Im relativistischen Bereich m¨ Kontraktion beachten, also ∆x = γ ∆x . Wegen ∆y = ∆y ergibt sich daraus tan α = tan α/γ , onnen. In Σ betrachtet, m¨ ussen wir das Instrument bei wof¨ ur wir auch sin α = v/c schreiben k¨ aß unserem Beispiel dann um den eingezeichneten Winkel α gegen die y -Achse kippen. Der gem¨ α = arcsin 0, 448 ≈ 26, 6◦ berechnete Winkel weicht von dem mit der klassischen N¨aherung (207) gem¨ aß α = arctan 0, 448 ≈ 24, 1◦ berechneten Wert um ca. 2, 5◦ ab. Hierbei ist ux = v einfach die von Σ aus beobachtete Geschwindigkeit des Systems Σo . Zur Berechnung der Komponente in y -Richtung ersetzen wir in der LorentzTransformation (75) den Parameter v f¨ ur die Geschwindigkeit von Σ durch −v und finden durch Anwendung der Kettenregel der Differentiation uy
dy dy = = · dt dt
dt dt
−1 = −c
1−
v2 . c2
Die Geschwindigkeitskomponente in z -Richtung bleibt Null. Also gilt insgesamt (ux , uy , uz ) = (dx /dt , dy /dt , dz /dt ) = (v, − c2 − v 2 , 0) .
(202)
Dieser Ausdruck folgt auch einfach, wenn wir das Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten (569), S. 217, benutzen.
108
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Der Betrag dieser Geschwindigkeit ist wieder c . Auch in Σ besitzen die Photonen Lichtgeschwindigkeit. Aus (200) und (202) erhalten wir also einen Aberrationswinkel α gem¨aß tan α = v/(cγ) . Einen einfacheren Ausdruck daf¨ ur finden wir folgendermaßen. Es ist √ v tan α v/ c2 − v 2 v sin α = √ =√ = = , 2 2 2 2 2 2 2 c c −v +v 1 + v /(c − v ) 1 + tan α so daß wir insgesamt schreiben k¨onnen
Σo : Σ :
v , c v sin α = . c tan α =
Exakte Theorie (203) der Aberration
In der klassischen Raum-Zeit k¨onnen wir denselben Vorgang folgendermaßen darstellen: Mit dem Geschwindigkeitsvektor (201) der Photonen in Σo gelte z.B. f¨ ur die Bewegung eines Photons x(t), y(t), z(t) = (0, −c t, 0) . (204) Mit (204) und der Galilei-Transformation x = x + v t , y = y , z = z , t = t gilt dann f¨ ur die Bewegung desselben Photons in Σ x (t ), y (t ), z (t ) = (v t , −c t , 0)
(205)
und daher f¨ ur dessen Geschwindigkeitsvektor (ux , uy , uz ) = (v, −c, 0) .
(206)
Wir sehen, von Σ aus beurteilt, √ ist der Betrag der Geschwindigkeit der Photonen nun nicht mehr gleich c , sondern c2 + v 2 ≈ c (1 + 12 v 2 /c2 ) . Ber¨ ucksichtigt man also die in v/c quadratischen Terme, dann setzen f¨ ur die Beschreibung des Lichtes die Probleme der klassischen Raum-Zeit ein, s. Kap. 14. Mit (200) und (206) stimmen die in Σ und Σo gemessenen Winkel α und α u ¨berein,
tan α = tan α =
v . c
Klassische N¨aherung f¨ ur die Aberration
(207)
25 Aberration
109
25.2 Die Aberration im Wellenbild Wir gehen nun davon aus, daß von dem Stern eine ebene elektromagnetische Welle emittiert wird, von der wir mit einem Teleskop ein Bild des Sterns erzeugen wollen. Das Teleskop habe die Lineardimension 2L , so daß damit ein Wellenzug dieser Ausdehnung (quer zur Ausbreitungsrichtung) erfaßt werden kann.23 In dem Wellenzug bestehen feste Phasenbeziehungen, die wir f¨ ur eine Bilderzeugung durch Interferenz ben¨ otigen. Zwei auf den Rand des Teleskops treffende Wellenberge m¨ogen auf die Mitte des Instrumentes gelenkt werden, um sich dort zu verst¨ arken. Die Symmetrieachse des Teleskops gibt dann die Richtung an, in der wir den Stern beobachten. Wir wollen wieder annehmen, daß der Stern S , von Σo aus betrachtet, im Zenit steht, den wir in die Richtung parallel zur y-Achse legen. Die parallel zur y-Achse laufenden, auf das Teleskop treffenden Strahlen des Wellenzuges erzeugen dann ein Bild, das wir in der y-Richtung sehen, wenn die Ebene des Teleskops orthogonal zu dieser Richtung justiert wird und in Σo ruht, Abb. 34. Σo 6
S ×
? A(t1 )•
? O - •
B(t1 )
•
-x Abb. 34: Zur Beobachtung eines Sternes im Wellenbild mit einem Teleskop T . Wir begeben uns nun wieder in dasjenige Bezugssystem Σ , welches sich in der negativen x-Richtung von Σo mit einer Geschwindigkeit vom Betrag v bewegt, und betrachten die Randstrahlen, Abb. 35. Wir fragen: Um welchen Winkel α m¨ ussen wir das Instrument kippen, damit die beiden Wellenberge am Symmetriepunkt des Teleskops zusammentreffen? Wir beschreiben von Σo aus, um welchen Winkel α der Beobachter in Σ sein Teleskop kippen muß, um den Stern zu sehen. Den Symmetriepunkt des Teleskops, wo die Wellen interferieren sollen, legen wir in den Koordinatenursprung O von Σ . Die beiden Randstrahlen m¨ ogen bei A und B zu einer Zeit t1 des Systems Σo denselben Phasenzustand besitzen. Wenn die in Σo berechneten Laufzeiten der Wellenberge f¨ ur die Wege ACO und BO u ¨bereinstimmen, dann werden sie sich bei O verst¨arken, und wir sehen den Stern in Σ unter dem Winkel α . 23 In bezug auf die modernen Beobachtungstechniken der sog. very long baseline interferometry sei 2L die Entfernung der beiden weit voneinander entfernten Beobachtungsstationen.
110
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
S × Σ 6 Σo 6
?
α −v
? P
A(t1 ) •
•
•
B(t1 )
O 9 :•
- x
Q
C(t2 ) •
•
-x Abb. 35: Aberration im Wellenbild. Die beiden am Rand des Teleskops aufgefangenen Strahlen m¨ ogen sich bei A und B zu einer Zeit t1 in Σo im gleichen Phasenzustand befinden, z.B. Wellenberge. Das Teleskop muß in Σ um einen Aberrationswinkel α gekippt werden, damit die beiden Wellenberge zur selben Zeit bei O eintreffen. Die Linearausdehnung des Teleskopes ist 2L = CB bzw. L = CO = O B Das Teleskop ruht in Σ . Die Linearausdehnung des Teleskops betrage dort 2L = BC . Dann gilt 1 (208) AC = QO = O P = L sin α . 2 Die L¨angen AP , BP und CQ bewegen sich in ihrer Ausdehnungsrichtung, von Σo aus beobachtet, mit einer Geschwindigkeit vom Betrag v und werden gem¨ aß dem Postulat (69) Lorentz-kontrahiert gesehen, nicht so die quer zur Bewegungsrichtung liegenden L¨ angen QO und O P . In Σo gilt also Σ : AP = BP = CQ = L cos α ,
Σo : AP = BP = CQ = γ L cos α , QO = O P = L sin α .
(209)
Wir vereinfachen den Rechengang, ohne an der Interferenz etwas zu a¨ndern, wenn wir den Weg des linken Randstrahls von C nach O durch den Weg u ¨ber den Punkt Q , und den Weg des rechten Randstrahls von B nach O durch den Weg u ¨ber den Punkt P ersetzen. Die Strahlen verst¨ arken sich in O , wenn die entsprechenden Laufzeiten u ¨bereinstimmen gem¨aß ∆tAC + ∆tCQ + ∆tQO = ∆tBP + ∆tP O . Stets in Σo beobachtet, u ¨berwindet der Wellenberg die Entfernung von A nach C mit der Lichtgeschwindigkeit c . Da sich das Teleskop dem Wellenberg bei C mit ¨ der Geschwindigkeit v n¨ ahert, wirkt in Σo f¨ ur die Uberwindung der Strecke von C nach Q gem¨aß (7) eine Geschwindigkeit c + v und entsprechend von B nach P eine
25 Aberration
111
Geschwindigkeit c − v , da dann das Teleskop dem Wellenberg mit der Geschwindigkeit v davonl¨ auft. Laufzeit ist Weg/Geschwindigkeit. F¨ ur die Gleichheit der beiden Laufzeiten k¨ onnen wir also insgesamt schreiben, indem wir gleich ∆tQO = ∆tP O und AC = 2QO ber¨ ucksichtigen, 2L sin α γ L cos α γ L cos α + = , c c+v c−v also 2 γ v 1 γ 2γ v v 1 =2 tan α = − = = 2γ . c c−v c+v (c − v)(c + v) c 1 − v 2 /c2 c γ F¨ ur den Winkel α , um welchen der Beobachter in Σ sein Teleskop kippen muß, schließen wir also von Σo aus auf die Beziehung tan α =
v/c . γ
ange um den Faktor γ kleiner, In Σo ist die in Bewegungsrichtung liegende, bewegte L¨ als die in Σ ruhende L¨ ange, so daß tan α = γ tan α , und wir gelangen wieder zu unserer Formel (203) f¨ ur die in Σ bzw. Σo gemessenen Aberrationswinkel α bzw. α , v ⎫ , ⎪ c ⎬ v ⎪ sin α = . ⎭ c tan α =
(210)
F¨ ur die klassische N¨aherung k¨ onnen wir alle Ausf¨ uhrungen w¨ ortlich beibehalten und haben nur u ¨berall γ = 1 zu setzen. Damit erhalten wir wieder tan α = tan α =
v . c
(211)
112
26
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Ein Paradoxon zur Aberration von Wellen
Immer wieder zu Irritationen f¨ uhrt die folgende Betrachtung der Aberration von Wellen in der klassischen N¨ aherung. Die Gleichung der von uns beobachteten Wellenfront des Sternenlichtes S , also der ebenen Fl¨ ache konstanter Phase, lautet in Σo , s. die gepunktete Linie in Abb. 36, Ebene konstanter Phase in Σo
Σo : y = −c t .
(212)
y y Σo 6Σ 6 - v t = const ? c α
t = const - x, x
Abb. 36: Aberration und Wellenfront. Das System Σ bewege sich mit einer Geschwindigkeit vom Betrag v in negativer x-Richtung von Σo . Setzen wir in (212) die Lorentz-Transformation (75) ein mit −v anstelle von v , also t = (t − vx /c2 ) γ sowie y = y , so daß y = −c(t − vx /c2 ) γ , so erhalten wir in Σ die Gleichung Σ : y =
v/c c2 (x − t). γ v
Ebene konstanter Phase in Σ
(213)
¨ Aus (213) lesen wir sofort die Neigung dieser Phasenfl¨ache in Ubereinstimmung mit v/c . unserem Ergebnis (203) ab, tan α = γ Setzen wir dagegen in (212) die Galilei-Transformation (48) ein, dann folgt ein Paradoxon, Σ : y = −c t .
(214)
Diese Ebene ist nicht geneigt - im Widerspruch zu dem gem¨aß (210) bestimmten Neigungswinkel tan α = v/c der in Σ beobachteten Wellennormalen im Rahmen der klassischen Raum-Zeit. Bevor wir diesen Widerspruch aufkl¨ aren, wollen wir unsere Schlußweise noch einmal hinterfragen. ¨ Unabh¨ angig von ihrer physikalischen Natur kann man Wellen als Uberlagerung von ebenen Wellen darstellen gem¨aß A = Ao cos(φ) = Ao cos(ω t − k · x)
Ebene Welle
(215)
Phase einer ebenen Welle
(216)
mit der Amplitude Ao und der Phase φ , φ = ωt−k·x.
26 Ein Paradoxon zur Aberration von Wellen
113
Wir schreiben k := |k| und ko = (k/k) sowie x = (x, y, z) und k = (k1 , k2 , k3 ) . Punkte konstanter Phase definieren Phasenfl¨ achen im Raum, d.h. Fl¨ achen desselben Schwingungszustandes. Bei einem ortsunabh¨ angigen Vektor k sind dies gem¨ aß φ = ω t − k · x = const hier Ebenen, die in der Richtung k mit der Geschwindigkeit u = ω/k durch den Raum eilen. Bei festgehaltener Zeit t ergeben sich die Phasenebenen k · x = C mit dem Normalenvektor k . Wenn wir in Richtung des Einheitsvektors ko um ∆x = (2π/k)ko voranschreiten, wird k · ∆x = 2π . Wegen der Periodizit¨ at der cos-Funktion wiederholt sich dabei der Schwingungszustand, so daß wir um eine Wellenl¨ ange λ vorger¨ uckt sind. Also gilt k = 2π/λ . Ebenso muß sich der Schwingungszustand am festgehaltenen Ort f¨ ur ∆t = T wiederholen, wenn wir eine Periode T warten. Aus ω ∆t = 2π folgt nun ω = 2π/T . Bleiben wir an einem Punkt x und warten eine Zeit ∆t = nT , dann laufen n Wellenberge an uns vorbei, und die Phase a¨ndert sich dabei um ∆φ = n2π . Das heißt (bei entsprechender Anfangsz¨ahlung): Die durch 2π dividierte Phase φ ist gleich der Anzahl n der vorbeigelaufenen Wellenberge. Eine solche nat¨ urliche Zahl kann sich nicht a¨ndern, wenn sie von einem anderen Inertialsystem aus gez¨ahlt wird. Die Phase φ ist bei einem Wechsel des Bezugssystems invariant. Diese Invarianz ist unabh¨ angig von der Koordinaten-Transformation, mit der wir den Wechsel des Bezugssystems beschreiben und gilt also sowohl f¨ ur die LorentzTransformation als auch f¨ ur die Galilei- Transformation. Zur Aufkl¨ arung unseres Paradoxons zur Aberration von Wellen m¨ ussen wir zwischen zwei Richtungen unterscheiden: 1. Der Normalenvektor ko ist definiert als diejenige Richtung, die auf den Fl¨ achen konstanter Phase der Wellen senkrecht steht. 2. Wir definieren einen Vektor no , der die Richtung angibt, in welcher die zu den Wellen geh¨ orende Energie durch den Raum l¨ auft. Eine Fl¨ ache konstanter Phase ist festgelegt durch die Gesamtheit der Punkte im Raum, die zu einer bestimmten Zeit t dieselbe Phase besitzen. Diese Fl¨ache und also ihr Normalenvektor ko wird folglich durch die Definition der Gleichzeitigkeit festgelegt. Der Richtungsvektor no der Energiestr¨ omung ist experimentell durch die Richtung des Fernrohres bestimmbar, mit dem wir den Stern beobachten wollen. Wir m¨ ussen das Fernrohr so ausrichten, daß die von den Wellen transportierte Energie das Ende des Tubus erreicht, um dort z.B. eine Schw¨ arzung des Photopapieres ausl¨ osen zu k¨ onnen. Bei falscher Neigung wird die Energie der Wellen von den W¨ anden absorbiert, und wir sehen nichts. Die Richtungen ko und no m¨ ussen also i. allg. nichts miteinander zu tun haben. Wir wollen diese Aussage etwas ausf¨ uhrlicher betrachten. In unserem zun¨ achst ausgezeichneten System Σo gehen wir davon aus, daß die physika¨ lische Beschreibung der Wellen eine Ubereinstimmung des Normalenvektors ko mit dem Richtungsvektor no der Energiestr¨ omung ergibt. Die Definition der Gleichzeitigkeit in ¨ Σo wird einfach so eingerichtet. Das Paradoxon entsteht nun beim Ubergang zu einem bewegten Bezugssystem Σ . Wieder sind die Fl¨ achen konstanter Phase und damit die Richtung des dazugeh¨ origen Normalenvektors ko durch die Definition der Gleichzeitigkeit, nun aber in Σ festgelegt. Diejenigen Phasenfl¨ achen in Σ , die durch die Substitution der Koordinaten-
114
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Transformation in die Gleichung (212) entstehen, sind also durch die in dieser Transformation enthaltene Definition der Gleichzeitigkeit bestimmt. Um dies noch einmal zu sehen, substituieren wir zun¨ achst die allgemeine lineare Koordinaten-Transformation (21) in die Gleichung (212) mit dem Ergebnis Σ : y =
θc k (x − t ) . ∆ θ
(217)
Aus (217) lesen wir nun eine Neigung f¨ ur die Phasenfl¨ ache ab gem¨aß tan α =
θc = θc ∆
f¨ ur
∆=1,
(218)
wenn wir uns noch der Einfachheit halber auf Transformationen mit ∆ = 1 beschr¨ anken, vgl. Kap. 31. Der Parameter θ , der die Synchronisation der Uhren in den Systemen Σ reguliert, ist prinzipiell beliebig w¨ ahlbar. Indem wir also θ beliebig vorgeben, kann mit der Substitutionsmethode eine beliebige Neigung der in Σ aus Gleichung (212) folgenden Phasenfl¨ ache erzeugt werden. Mit der beobachteten Aberration hat das aber i. allg. nichts zu tun. Wir geraten in ein Paradoxon, wenn wir den durch die Definition der Gleichzeitigkeit festgelegten Normalenvektor von Wellenebenen, den wir bei der Substitution der KoordinatenTransformation in (212) f¨ ur die gestrichenen Koordinaten erhalten, mit der Beobachtungsrichtung der Wellen im System Σ verwechseln. Die Richtung no der in Σ beobachteten Energiestr¨ omung ist unabh¨ angig von der Definition der Gleichzeitigkeit in Σ durch das Experiment festgelegt. Den Tubus unseres Fernrohres neigen wir, bis die einlaufenden Wellen auch des Ende dieses Tubus erreichen, vgl. Abb. 33. F¨ allt die Energie im System Σo senkrecht ein, wie wir das angenommen haben, dann wird durch diese Neigung des Tubus der Aberrationswinkel definiert. Die fehlende Neigung der Phasenfl¨ achen in Σ gem¨aß (214) haben wir also nur durch die Definition einer absoluten Gleichzeitigkeit in Σ gem¨aß der Galilei- Transformation erzeugt, so daß die Vektoren no und ko nicht mehr u ¨bereinstimmen. Bei unserem Paradoxon sind wir in die alte Gleichzeitigkeitsfalle geraten. Wir u ¨berzeugen uns davon, daß wir mit der Richtung der Energiestr¨ omung der Wellen den richtigen Aberrationswinkel bekommen. Bei der Aberration beobachten wir die Ausbreitungsrichtung einer Energie, die etwa in einem begrenzten Wellenpaket durch den Raum eilt. Nur die Energie kann z.B. unsere Netzhaut erregen. Im System Σo m¨oge sich dieses Wellenpaket mit einer Geschwindigkeit vom Betrag c in Richtung der negativen y-Achse bewegen. Vom System Σ aus gemessen, f¨ ur das von Σo aus eine negative Geschwindigkeit vom Betrag v beobachtet wird, erh¨ alt das Wellenpaket dann in der Galileischen Raum-Zeit gem¨aß (49) bzw. (50) eine Geschwindigkeitskomponente ux = v in x -Richtung, w¨ ahrend uy = uy = −c unver¨ andert bleibt, so daß wir f¨ ur das Wellenpaket von Σ aus wieder den Aberrationswinkel α mit tan α = v/c beobachten. Wir finden also die richtige, von Σ aus beobachtete Neigung der Wellenfront, Abb. 37. Wir bemerken, daß die physikalische Natur der Wellenbewegung auf diese Argumentation keinen Einfluß hat.24 24 Im Prinzip ist ein Aberrationsexperiment auch f¨ ur den Schall denkbar. Den physikalischen Eigenschaften der Schallwellen m¨ ußte dabei allerdings in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Wenn wir also einmal annehmen, daß es sich in Gleichung (212) um Schallwellen handelt, dann w¨ urde sowohl
26 Ein Paradoxon zur Aberration von Wellen
115 Σ 6
S Σo 6
×
- u = v x
−v
α
? u = (0, −c) u = (v, −c)
- x
-x Abb. 37: Das durch den Rahmen eingegrenzte Wellenpaket bewegt sich im System Σo mit ur Σ wird von Σo aus eine negative der vektoriellen Geschwindigkeit (ux , uy ) = (0, −c) . F¨ Geschwindigkeit vom Betrag v gemessen. Nach der Galilei-Transformation (48) wird dann von ur dieses Wellenpaket gem¨ aß (49) bzw. (50) eine Geschwindigkeit (ux , uy ) = (v, −c) Σ aus f¨ gemessen. Es folgt wieder der Aberrationswinkel α mit tan α = v/c . Substituieren wir die Lorentz-Transformation in die Gleichung (212) f¨ ur die Phasenfl¨ ache in Σo , dann erhalten wir in den gestrichenen Koordinaten, also im System Σ , eine andere Ebene mit einem anderen Normalenvektor als bei der Substitution der GalileiTransformation in (212), weil wir eben per Definition mit der Lorentz-Transformation in Σ andere Raumpunkte als gleichzeitig auszeichnen als mit der Galilei-Transformation. Es bleibt aber die Frage, warum bei der Substitution der Lorentz-Transformation in (212) gerade die Neigung der Phasenfl¨ ache in Σ mit der Richtung des Energiestromes elektromagnetischer Wellen u ¨ bereinstimmt. In Kap. 30 werden wir auseinandersetzen, daß die Gleichungen des elektromagnetischen Feldes, die Maxwell-Gleichungen, invariant gegen¨ uber Lorentz-Transformation sind. Daraus folgt dann, daß sich der Vektor der ¨ Energiestr¨ omung beim Ubergang zum System Σ gerade ebenso transformiert wie der Normalenvektor der Wellenfl¨ achen bei der Substitution der Lorentz-Transformation in Gleichung (212). In der Invarianz der Maxwell- Gleichungen gegen¨ uber LorentzTransformationen ist auch begr¨ undet, daß sowohl der Doppler-Effekt als auch die Aberration elektromagnetischer Wellen aus der Invarianz von φ in bezug auf LorentzTransformationen hergeleitet werden k¨ onnen, vgl. Aufg. 18, S. 290 und Aufg. 30, S. 313.
die Substitution der Lorentz-Transformation als auch die Substitution der Galilei-Transformation in uhren. Um (212) zu einem falschen Ergebnis f¨ ur die in Σ zu erwartende Neigung der Wellennormalen f¨ den richtigen Neigungswinkel zu erhalten, m¨ ußten wir n¨ amlich nun in Abb. 37 die Gr¨ oße c durch die Schallgeschwindigkeit C ersetzen, und f¨ ur die in Σ feststellbare Neigung der Wellenfront des Schalls folgt dann das richtige Ergebnis tan α = v/C .
116
27
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Das Zwillingsparadoxon
Beim Zwillingsparadoxon geht es um folgenden Streit: Die beiden Zwillinge, sagen wir zur sprachlichen Unterscheidung Zwilling A f¨ ur den einen und Bruder B f¨ ur den anderen, gehen auf Reisen. Genauer, Bruder B befinde sich in einem Bezugssystem Σo in Ruhe und Zwilling A im System Σ , so daß sich A mit der konstanten Geschwindigkeit v von B und umgekehrt B mit der konstanten Geschwindigkeit −v von A entfernt. Bei ihrer Verabschiedung am gemeinsamen Koordinatenursprung stehen die pers¨onlichen Uhren, die jeder von ihnen bei sich tr¨ agt, sagen wir die Uhr U A von Zwilling B A und die Uhr U von Bruder B , gerade auf der Stellung 0 . Vergleicht nun Bruder B die Uhr U A von Zwilling A mit den Uhren Uox , die an den Positionen x seines Bezugssystems Σo ruhen, so stellt er wegen der Zeitdilatation (83), S. 60, fest, daß der Zeiger der Uhr U A gegen¨ uber den Zeigerstellungen derjenigen Uhren Uox zur¨ uckbleibt, an denen U A gerade vorbeikommt, Abb. 38.
Σ
t =0 # ` ` ` 6 `
Σo
-v ` UA ` ` ` "!- x x= 0 q
t=0 q # ` ` ` 6 ` ` UB ` ` ` "! q x=0
Σ # ` ` ` ` UA -v ` @ R` `t @ ` "!- x x= 0 q q # ` ` ` ` Uox ` ` t` ` ? "! q x = vt
-x
Abb. 38: Zwilling A befindet sich mit seiner Uhr U A zur Zeit t in Σo an der Position p x = vt.
Wegen (83) wird auf der relativ zu Σo bewegten Uhr U A die Zeigerstellung t = t 1 − v 2 /c2 abgelesen. Nehmen wir z.B. eine Geschwindigkeit v = 23 c an, dann wird t ≈ 22, 4 f¨ ur t = 30 . Die strichpunktierten Linien verbinden im folgenden stets Punkte im Bild, die zu demselben Ereignis geh¨ oren.
Zwilling A argumentiert aber ebenso. Auch er stellt gem¨ aß (83) fest, daß der Zeiger der Uhr U B von Bruder B gegen¨ uber den Zeigerstellungen derjenigen Uhren Uvx , die an B den Positionen x seines Bezugssystems Σ ruhen, zur¨ uckbleibt, an denen U gerade vorbeikommt, und zwar um denselben Faktor, weil die Zeitdilatation nur vom Quadrat der Geschwindigkeit abh¨ angt, Abb. 39. Dies ist wohl h¨ ochst merkw¨ urdig. Ein wirklich paradoxes Ergebnis k¨ onnen wir indessen darin nicht sehen, da hier verschiedene Uhren miteinander verglichen werden. Ein logischer Widerspruch l¨ aßt sich daraus nicht herleiten.
27 Das Zwillingsparadoxon
117
Σ t = 0 # ` ` ` 6 `
# ` ` ` ` Uvx ` ` t` ` ? "! x = −vt q q
−v
Σo # ` ` ` ` UB ` @ R` ` ` @ "! q t -x x=0
Σo
−v
t=0 # ` ` `` 6
` UA ` ` ` "! - x x = 0 q q
` UB ` ` ` "! q -x x=0
Abb. 39: Bruder B befindet sich mit seiner Uhr U B zur Zeit t in Σ an der Position x =
Nun ist U B die bewegte Uhr und zwar relativ zu Σ . Gem¨ aß (83) gilt in diesem Fall −v t . p t = t 1 − v 2 /c2 . Also wird z.B. bei v = − 23 c auf der in Σ bewegten Uhr U B die Zeit t ≈ 22, 4 abgelesen, w¨ ahrend die dort ruhende Uhr t = 30 anzeigt. (Die strichpunktierten Linien verbinden dieselben Raum-Zeit-Punkte).
Jetzt m¨oge Zwilling A umkehren, und zwar so, daß sich die Br¨ uder nun mit entgegengesetzten Geschwindigkeiten vom gleichen Betrag einander n¨ ahern. Wieder argumentieren beide, daß die Zeiger auf den pers¨ onlichen Uhren des jeweils anderen wegen der oben beschriebenen Zeitdilatation weiter zur¨ uckbleiben, so daß sich die beispielsweise in Abb. 38 und Abb. 39 berechneten Effekte verdoppeln sollten. Beim Zusammentreffen sagt also Bruder B , der Zeiger auf der Uhr U A von Zwilling A sei hinter dem Zeiger auf seiner Uhr U B zur¨ uckgeblieben, w¨ ahrend Zwilling A behauptet, sein Zeiger m¨ usse aus demselben Grunde weiter vorger¨ uckt sein als der Zeiger auf der Uhr U B . Ein Zeiger auf zwei verschiedenen Stellungen - das w¨ are paradox! Um das Paradoxon aufzul¨ osen, betrachten wir drei Inertialsysteme, Σo (x, t) , Σ (x , t ) und Σ (x , t ) mit einem gemeinsamen Koordinatenursprung O(0, 0) . Zum Ereignis O verabschieden sich die Zwillinge. Sp¨ ater entscheidet Bruder B , dem Zwilling A in einem Inertialsystem Σ hinterherzufahren, so daß beide zu einem Ereignis Z(xz , tz ) = Z(0, tz ) = Z(xz , tz ) wieder zusammentreffen, Abb. 40 und Abb. 41. Zwilling A befindet sich also die ganze Zeit bei xz = 0 in seinem Inertialsystem Σ , das sich in bezug auf Σo mit der Geschwindigkeit v bewegt. Seine Reisezeit tA von der Verabschiedung bis zum Zusammentreffen, vom Ereignis O bis zum Ereignis Z , kann er unmittelbar auf seiner Uhr U A ablesen, tA = tz .
Reisezeit von Zwilling A
(219)
Um etwas Bestimmtes vor Augen zu haben, nehmen wir an, f¨ ur das Inertialsystem Σ , in welchem Bruder B dem Zwilling A hinterhereilen soll, werde von Σ aus betrachtet, die Geschwindigkeit u = v gemessen, also bewegt sich umgekehrt Σ in bezug auf Σ mit der Geschwindigkeit −v . Zwilling A beobachtet also, Bruder B kommt mir mit der Geschwindigkeit v hinterher, w¨ ahrend f¨ ur B nun A mit −v entgegenkommt.
118
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa
Σ
Σ
t = 0 # ` ` ` 6 `
Σo
# ` ` ` ` UA PP q` t = t v ` A z ` ` "! - x xz = 0 q
-v ` UA ` ` ` "! - x x = 0 q
O t=0 q # ` ` ` 6 `
qZ # ` ` ` ` Uoxz ` tz` ` ` ? "! q xz = v tz
` UB ` ` ` "! q x=0
-x
Abb. 40: Zum Ereignis O (linke Bildseite) verabschieden sich die Zwillinge. F¨ur das Ereignis Z des Zusammentreffens (rechte Bildseite) sind hier nur die Uhr U A von Zwilling A im System Σ und eine Vergleichsuhr des Systems Σo eingezeichnet. F¨ ur v = 0, 8 c , also γv = 0, 6 , folgt f¨ ur die Reisezeit von Zwilling A der Wert tA = tz = γv tz = 18 , wenn tz = 30 . (Die strichpunktierten Linien verbinden dieselben Raum-Zeit-Punkte). Mit der Anfangsbedingung eines gemeinsamen Koordinatenursprungs O(0, 0) lautet dann die Lorentz-Transformation zwischen Σ und Σ x =
x − v t , γv
t =
t − x v/c2 . γv
(220)
Mit den Geschwindigkeiten v von Σ in bezug auf Σo und u = v von Σ in Σ folgt aus dem Additionstheorem (76) f¨ ur die in Σo gemessene Geschwindigkeit u von Σ u + v 2vc2 u2 c2 − v 2 u= = −→ γ = 1 − = . (221) u 1 + u v/c2 c2 + v 2 c2 c2 + v 2 Die Bezugssysteme Σ und Σ bewegen sich mit den Geschwindigkeiten v bzw. u in bezug auf Σo , wobei stets ein gemeinsamer Koordinatenursprung angenommen ist. Dann lauten die entsprechenden Lorentz-Transformationen x =
x−vt , γv
t − x v/c2 t = , γv
x= ←→
x =
x − ut , γu
t − x u/c2 t = , γu
x + v t , γv
(222)
⎪ t + x v/c2 ⎪ ⎭ t= , ⎪ γv x =
←→
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
x + u t , γu
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
⎪ t + x u/c2 ⎪ ⎭ t = . ⎪ γu
(223)
27 Das Zwillingsparadoxon
119
Bruder B befindet sich zun¨ achst bei x = 0 in Σo . Zum Ereignis R(0, tr ) = R(xr , tr ) = R(xr , tr ) m¨oge er das System Σ besteigen. Bis dahin ist also auf seiner Uhr U B die Zeit tr abgelaufen. Aus den Formeln (222) und (223) finden wir unter Beachtung von (221) die Koordinaten f¨ ur das Ereignis R in Σ und Σ aus den Koordinaten in Σo , Σo :
xr = 0 ,
Σ :
xr = −
Σ : xr = −
tr ,
v tr , γv
tr =
2vc2 tr , − v2
c2
1 tr , γv
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 2 2 ⎪ c +v ⎪ ⎭ tr = 2 t . r 2 c −v
Das Umsteige-Ereignis R
(224)
Die Zeit tr ist in unserer Geschichte ein Parameter, den wir frei w¨ ahlen k¨ onnen. F¨ ur das Ereignis Z des Zusammentreffens, vgl. Abb. 40, folgt zun¨ achst einfach wegen der Zeitdilatation oder aus tz = (tz + xz v/c2 )/γv gem¨aß der rechten Seite von (222) wegen xz = 0 , indem wir noch (219) beachten, tA ≡ tz = γv tz .
(225)
Zwilling A beobachtet, daß sich Bruder B zuerst mit der Geschwindigkeit v von ihm entfernt, um nach der Zeit tr mit derselben Geschwindigkeit wieder zu ihm zur¨ uckzukommen. F¨ ur seine eigene Reisezeit tA = tz muß daher gelten tA = tz = 2tr .
(226)
Mit (224) ergibt sich daraus tA = tz =
1 2tr . γv
Reisezeit von Zwilling A
(227)
Und aus (220) folgt f¨ ur tz = (tz − xz v/c2 )/γv mit xz = 0 unter Beachtung von (225) und (227) tz =
1 1 t = tA , γv z γv
(228)
also25 tz = tz =
2 tr . γv2
(229)
Die ganze Zwillingsgeschichte wird damit durch drei Ereignisse festgelegt: ⎫ Verabschiedung der Zwillingsbr¨ uder ⎪ ⎪ ⎬ R(0, tr ) = R(xr , tr ) = R(xr , tr ) , Umsteigen von Bruder B ⎪ ⎪ ⎭ Z(xz , tz ) = Z(0, tz ) = Z(xz , tz ) . Zusammentreffen der Zwillinge O(0, 0)
25 Die
= O(0, 0)
= O(0, 0) ,
¨ Ubereinstimmung von t allig aus unserem Beispiel mit u = v . z = tz entsteht rein zuf¨
(230)
120
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa Σ
Σ # ` ` ` UB ` -u tr ` ` AA U ` ` "!- x x q r
Σo q R # ` ` ` tr` ` UB ` ` ` "! q xr = 0
# ` ` ` ` UB -u ` ` t = t z ` ` z ? "! - x xz = xr q qZ # ` ` ` ` Uoxz ` tz` ` ` ? "! q xz = v tz
-x
Abb. 41: Der in Σo bei x = 0 befindliche Bruder B steigt zur Σo -Zeit tr in das System Σ um, das in bezug auf Σo die Geschwindigkeit u besitzt. Das sei das Ereignis R (linke Bildseite). Um etwas Bestimmtes vor Augen zu haben, nehmen wir f¨ ur diese Geschwindigkeit u an, daß Zwilling A in seinem System Σ feststellt, Bruder B kommt mir im System Σ mit der ur das Ereignis Geschwindigkeit u = v hinterher. Es gelten dann die Formeln (220) - (229). F¨ Z des Zusammentreffens (rechte Bildseite) sind hier nur die Uhr U B von Bruder B und eine ur v = 0, 8 c , also γv‹ = 0, 6 , folgen mit tz = 30 Vergleichsuhr des Systems Σo eingezeichnet. F¨ aus (224) und (229) die Werte tr = 0, 36·15 = 5, 4 , tr = tr (1+v 2 /c2 ) γv2 = 5, 4·1, 64/0, 36 = 24, 6 und tz = tz = 30 . (Die strichpunktierten Linien verbinden dieselben Raum-Zeit-Punkte).
Die Reisezeit von Bruder B setzt sich zusammen aus seiner Verweilzeit tr im System Σo und der Zeit, die er nach seinem Umsteigen im System Σ verbringt. Nach dem Umsteigen in das System Σ vergeht f¨ ur Bruder B dort bis zum Zusammentreffen noch einmal die Zeit tz − tr , um die der Zeiger auf seiner Uhr U B vorr¨ uckt, Abb. 41. Die Reisezeit tB von Bruder B betr¨ agt daher insgesamt tB = tr + tz − tr .
Reisezeit von Bruder B
(231)
Mit (229) und (224) folgt daraus tB = tr +
2 c2 + v 2 c2 − v 2 + 2c2 − c2 − v 2 tr − 2 tr = tr , 2 2 γv c −v c2 − v 2
also tB = 2tr .
Reisezeit von Bruder B
(232)
Und wegen (227) gilt daher tB = γv tA , γv < 1 −→ tB < tA .
(233)
Der hinterhereilende, oder, aus der Sicht von A , zur¨ uckkommende Bruder B ist beim Zusammentreffen j¨ unger als sein Zwillingsbruder. M. a. W.: J¨ unger ist derjenige, der seine Geschwindigkeit ge¨ andert hat.
27 Das Zwillingsparadoxon
121
Dies ist wohl bemerkenswert. Das eigentliche Paradoxon entsteht aber nun aus folgender Argumentation von Bruder B : ’’Auf dem ersten Teil der Reise r¨ uckt der Zeiger meiner Uhr U B um tr vor. Zwilling A entfernt sich von mir mit der Geschwindigkeit v , so daß sich der Zeiger seiner Uhr wegen der Zeitdilatation dann auf einer Stellung t1 = γv tr befindet. Wenn ich in das System Σ umgestiegen bin, kommt er nun mit der Geschwindigkeit v auf mich zu. Ich halte mich dort in der Zeit tz − tr auf. Um diesen Betrag r¨ uckt der Zeiger meiner Uhr vor, w¨ ahrend der Zeiger seiner Uhr U A wieder wegen uckbleiben muß, also nur um t2 = γv (tz − tr ) der Zeitdilatation mit dem Faktor γv zur¨ vorankommt. Das gibt am Ende f¨ ur den Zeiger meiner Uhr U B die Stellung Korrekte Berechnung des Zeigerstandes (234) seiner Uhr U B durch Bruder B
tB = tr + tz − tr ,
w¨ ahrend der Zeiger auf seiner Uhr U A beim Zusammentreffen insgesamt auf t1 + t2 = (tr + tz − tr ) γv = tB γv
Fehlerhafte Berechnung des Zeigerstandes (235) der Uhr U A durch Bruder B
steht und nicht umgekehrt, wie in Gleichung (233) behauptet.’’
Wo liegt der Fehler? Wieder sind wir in die Falle der Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit geraten. Wir erinnern zun¨ achst an die gemeinsame Anfangsbedingung f¨ ur alle drei Systeme Σo , Σ und Σ , vgl. (10), S. 21. In Σo bewegt sich die Uhr U A gem¨aß x = v t , und f¨ ur Σ A haben wir die Geschwindigkeit so gew¨ ahlt, daß die in Σ ruhende Uhr U von Σ aus gem¨aß x = −v t beobachtet wird, x = vt, Uhr U A in Σo (236) x = −v t . Uhr U A in Σ Die zum Umsteige-Ereignis R(0, tr ) in Σo gleichzeitige Position der Uhr U A lautet also xp = v tr . Und die zu demselben Ereignis R(xr , tr ) in Σ gleichzeitige Position der Uhr U A lautet dann xq = −v tr , also xp = v tr ,
Zum Umsteige-Ereignis R in Σo gleichzeitige Position der Uhr U A
(237)
xq = −v tr .
Zum Umsteige-Ereignis R in Σ gleichzeitige Position der Uhr U A
(238)
Aus der rechten Seite von (223), x = (x + u t )/γu , finden wir unter Verwendung von (224) und (221) f¨ ur die Koordinate xq in Σo zur Zeit tr die Position xq =
=
xq + utr u − v = t = γu γu r
2vc2 −v 2 c + v2
1 t γu r
2vc2 − v 3 − vc2 1 v(c2 − v 2 ) c2 + v 2 t = t , c2 + v 2 γu r c2 + v 2 c2 − v 2 r
122
Relativistische Ph¨ anomene und Paradoxa Σ # ` ` ` UB ` -u tr ` ` AA U ` ` "!- x x q r
Σo q R # ` ` ` tr` ` UB ` ` ` "! q xr = 0
γv tr # ` ` ` ` -v ` UA ` ` ` "! xp = vtr
# ` ` ` ` - γv tr -v ` UA ` ` ` "! xq = vtr
-x
Abb. 42: Die Positionen xp und xq der Uhr U A gem¨aß (237) und (239) in Σo zum UmsteigeEreignis R . (Die strichpunktierten Linien verbinden dieselben Raum-Zeit-Punkte).
also mit (224) xq = v tr =
c2 + v 2 v tr . c2 − v 2
Koordinate in Σo der zum Umsteige-Ereignis R in Σ gleichzeitigen Position der Uhr U A
(239)
Aus (237) und (239) lesen wir ab26 xp < xq .
(240)
aßt, dann hat er f¨ ur die letzte Zeigerstellung der Uhr Wenn Bruder B das System Σo verl¨ U A seines Zwillings A deren Position xp in Σo genommen. Sobald Bruder B in Σ ist, nimmt er f¨ ur die erste Zeigerstellung der Uhr U A deren Position xq in Σo . So kommt er auf seine Addition t1 + t2 = (tr + tz − tr ) γv = tB γv f¨ ur die Reisezeit von Zwilling A . Das Weiterlaufen des Zeigers auf der Uhr U A w¨ahrend deren Bewegung von xp nach xq hat er u ¨bersehen, weil er die Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit nicht beachtet hat, Abb. 42. F¨ ur die Bewegung der Uhr U A von xp nach xq l¨ auft in Σo eine Zeit Tpq ab gem¨aß 1 1 (xq − xp ) = (v tr − v tr ) = tr − tr . v v Und auf der Uhr U A r¨ uckt der Zeiger wegen der Zeitdilatation dann um einen Betrag ∆tA = γv Tpq vor, Tpq =
∆tA = γv (tr − tr ) .
(241)
Diesen Betrag hat Bruder B bei seiner Berechnung (235) des Zeigerstandes der Uhr U A vergessen. Addieren wir die Zeit γv (tr −tr ) auf der rechten Seite von (235), dann kommen wir in der Tat auf den korrekten Zeigerstand tA des Zwillings A beim Zusammentreffen ¨ in Ubereinstimmung mit unseren obigen Berechnungen (228) und (233), denn γv tA = t1 + t2 + ∆tA = γv tz = . (242) tB Das Paradoxon ist aufgel¨ ost. 26 Wir
bemerken, daß die Einfachheit der Formel (239) wieder Folge unseres Beispiels mit u = v ist.
27 Das Zwillingsparadoxon
123
Abschließend wollen wir noch zeigen, daß die ganze Zwillingsgeschichte einen einfachen algebraischen Grund hat. Dazu verfolgen wir die zwischen Start und Zusammentreffen der Zwillingsbr¨ uder auf ihren Uhren U B und U A abgelaufenen Zeiten tB und tA vom Bezugssystem Σo aus. Und wir betrachten hierbei den allgemeinen Fall: In Σo wird f¨ ur die Zwillingsgeschichte die Zeit tz gemessen. Zwilling A befindet sich die ganze Zeit im System Σ , das sich mit der Geschwindigkeit v in bezug auf Σo bewegt. Wegen der Zeitdilatation gilt also (225), tA = tz γv .
(243)
Bruder B m¨oge bis zu einer Zeit tu in Σo ruhen, so daß der Zeiger seiner Uhr um diese Zeit tu vorr¨ uckt. Wir beobachten nun in Σo , daß Bruder B zur Zeit tu in ein System Σ umsteigt, welches eine Geschwindigkeit u in bezug auf Σo besitzt. Diese Geschwindigkeit u sei so gew¨ahlt, daß er genau zur Zeit tz seinen Zwillingsbruder A eingeholt hat. Wegen der Zeitdilatation r¨ uckt dann der Zeiger seiner Uhr bis zum Zusammentreffen noch einmal um (tz − tu ) γu vor und steht also am Ende auf tB = tu + (tz − tu ) γu .
(244)
Wir zeigen nun tB < tA
(245)
f¨ ur einen beliebigen Umsteigezeitpunkt tu , der nur so gew¨ ahlt sein muß, daß Bruder B mit einer Geschwindigkeit u < c zur Zeit tz ankommt. Vorausgesetzt ist also nur 0 > C > > C > > C, > > A > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > = 1
> > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > ;
(291)
Wir benutzen folgende Bezeichnungen, wenn eine beliebig gerichtete Geschwindigkeit v = (v1 , v2 , v3 ) auftritt,
γ1 = γ2 = γ3 =
1 − β12 , 1−
β22
,
1 − β32 ,
v1 , c v2 β2 = , c v3 β3 = , c β1 =
γ= β=
1 − β2 ,
(292) β12 + β22 + β32 .
Die Gr¨ oßen (l1 , l2 , l3 , l4 , l5 , l6 ) := (α1 , α2 , α3 , β1 , β2 , β3 ) sind die 6 unabh¨ angigen Parameter der allgemeinen Lorentz-Transformation A . Jede Matrix A kann in ein Produkt aus diesen Matrizen zerlegt werden. Dabei ist zu beachten, daß diese Matrizen nicht vertauschbar sind. Es ist ein Unterschied, ob man z.B. erst die Achsen mit der Matrix D3 dreht und dann die spezielle Lorentz-Transformation L1 ausf¨ uhrt oder umgekehrt. Wir werden darauf zur¨ uckkommen. Nur f¨ ur infinitesimale Transformationen, wenn man alle nichtlinearen Terme in den Parametern der Lorentz-Transformationen vernachl¨ assigt, spielt die Reihenfolge keine Rolle mehr. Mit Hilfe der Einheitsmatrix 1 und der 6 fundamentalen Matrizen a1 , a2 , a3 , b1 , b2 , b3 ,
134
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie 0
0
0
0
B B a1 = 0 B @ B B a1 = B @ 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 1 0
B B b1 = 0 B @ B B b1 = B @
1 0 0 1 0 0
00 01 10 0 1 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
0
1
C 0 1 C , 0 C −1 A 0 C 0 C C, −1 A 1 00 C 0 1 C , 0 C 0 A C 0 C 0 C, 0 A
0
1
0
0
0
0
B B a2 = 0 B @ B B a2 = B @ 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 −1 0
0 0 0 0 0 0
C 1 1 C , 0 C 0 A 1 C 0 C C, 0 A 01
B B b2 = 0 B @ B B b2 = B @
0 0 1 0 0 1
C C 1 C, A C C C, A
00 −1 0 10 0 0 0 0 0 0 0
0 1 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
0
0
0
0
B B a3 = 0 B @ B B a3 = B @ 0
0 0 0 0 0 0
0 0 1 0 0 1
−1 0 0 −1 0 0
00 00
00 1
B B b3 = 0 B @ B B b3 = B @
0 0 0 0 1 0
0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0
0
0 1 0 0 0 0
1
C 0 1 C , 0 C 0 A 0 C 0 C C, 0 A 01 C C 1 C, A C C C, A
0 0 0(α10, α2 , α3 , β1 , 1β2 ,0 β30) 0die 0 0mit0 den 6 Parametern definiert 0 man d1 , d2 , d3 , l1 , l2 , l3 , definiert man mit den 6 Parametern (α1 , α2 , α3 , β1 , β2 , β3 ) die d = 1 − α a(ν) , lν = 1 − β(ν) b(ν) , ν = 1, 2, 3 , d1ν , d2 , d3 ,(ν) l1 , l2 , l3 , (hierbei zeigen die Klammern an, daß die Summationskonvention ausgesetzt dν = 1 − α(ν) a(ν) , lν = 1 − β(ν) b(ν) , ν = 1, 2, 3 , und damit durch Aufsummation eine Matrix Λ gem¨aß (hierbei zeigen die Klammern an, daß die Summationskonvention ausgesetzt Λ = damit 1 − ανdurch aν − βAufsummation ν bν . und eine Matrix Λ gem¨aß
9 > > > > > > 9 > > > > > > > > > > = > > > > > > > > = > > > > > > > > > > > > > ; > > > > > > > > ;
(293) (293)
6 Matrizen 6 Matrizen (294) werden soll) (294) werden soll) (295)
Man Λ = 1 zeigt − αν anun, bν .sich die allgemeine, also 6 -parametrige, endliche Lorentz (295)ν − βνdaß Transformation A mit Hilfe der Matrix Λ folgendermaßen darstellen l¨ aßt, Man zeigt nun, daß sich die allgemeine, also 6 -parametrige, endliche LorentzTransformation A mit Hilfe der Matrix Λ folgendermaßen darstellen l¨ aßt, Allgemeine (296) A = exp[ Λ − 1] . Lorentz-Transformation Allgemeine (296) A = exp[ Λ − 1] . Lorentz-Transformation Die Gesamtheit der pseudoorthogonalen Transformationen (296) bildet die Gruppe A der allgemeinen Lorentz-Transformationen. Die Gesamtheit der pseudoorthogonalen Transformationen (296) bildet die Gruppe A der allgemeinen Lorentz-Transformationen. Hierbei ist die Exponentialfunktion irgendeiner Matrix B im Sinne der Taylor-Reihe zu verstehen, 1 1 irgendeiner 1 Hierbei ist Bdie Exponentialfunktion Matrix 1B im Sinne der Taylor-Reihe zu exp[B] ≡ e := 1 + B + B2 + B3 + B4 + . . . + (297) Bn + . . . , verstehen, 2 3! 4! n! 1 1 3 1 4 1 n B−BB2 +0 exp[B] ≡ eBeB :=e−B 1 += Be+ + dann (297) B + ... + B + ... , =B 1 gilt und wegen 2 = e 3! 4! n! B −1 e wegen = e−B (298) und eB e.−B = eB−B = e0 = 1 gilt dann B −1 F¨ in der kompakten Schreibweise benutzen wir noch eur eine=Argumentation e−B . (298) ⎛ 0 ⎞ ⎛ ⎞ 1 wir 0 noch 0 0 F¨ ur einex Argumentation in der kompakten Schreibweise benutzen ⎜ x1 ⎟ ⎜ 0 −1 0 ⎟ 0 ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ ⎜ ⎜ ⎟ ⎟ x = ⎜ x02 ⎟ , xT = (x0 , x1 , x2 , x3 ) , η = η T = η −1 = ⎜ 1 0 0 0 ⎟ . (299) ⎝ ⎝ ⎠ ⎠ x 0 0 −1 0 ⎜ x1 ⎟ ⎜ 0 −1 0 0 ⎟ ⎜ x3 ⎟ ⎜ 0 0 ⎟ T 0 1 2 3 T −1 0 −1 ⎟ . (299) x = ⎜ 2 ⎟ , x = (x , x , x , x ) , η = η = η = ⎜ ⎝ x ⎠ ⎝ 0 0 −1 0 ⎠ x3
0
0
0
−1
28 Die Lorentz-Gruppe
135
BT ist jeweils die zu B transponierte Matrix. Das Linienelement (258) lautet dann einfach ds2 = dxT η dx ,
(300)
und f¨ ur die definierende Bedingung der Pseudoorthogonalit¨ at (290) der allgemeinen Lorentz-Transformationen A schreiben wir A η AT = η .
Pseudoorthogonalit¨ at
(301)
Hieraus folgt durch Multiplikation mit η von rechts und danach mit A−1 von links die (301) a¨quivalente Eigenschaft η AT η = A−1 .
Pseudoorthogonalit¨ at
(302)
Wir schreiben zur Abk¨ urzung C := Λ − 1 = −αν aν − βν bν .
(303)
Nach geduldiger Matrizenmultiplikation finden wir dann η CT η := −C .
(304)
Wegen η 2 = 1 gilt η B2 η = η B B η = B η 2 B = η B η η Bη . Entsprechende Umschreibungen gelten f¨ ur h¨ ohere Potenzen. T 2 T Ferner ist C2 = (C C) = CT CT = CT mit entsprechenden Umschreibungen f¨ ur h¨ ohere Potenzen. Daher gilt stets ⎫ η eB η = eη B η , ⎬ (305) B T T ⎭ = e(B ) . e onnen wir nun ganz einfach die Bedingung (302) der PseudoorthogoF¨ ur die Matrix eC k¨ nalit¨ at zeigen und damit die Darstellung (296) f¨ ur A nachweisen. Aus den voranstehenden Gleichungen lesen wir n¨ amlich unmittelbar ab T −1 T T η eC η = η e(C ) η = eη C η = e−C = eC ,
(306)
was zu zeigen war. Bilden wir aus den 6 Parametern αν und βν gem¨aß aν :=
αν , n
bν :=
βν , 1n n
(307)
urlicher Zahl n die 6 Parameter aν und bν , so werden diese bei hinreichend großer nat¨ beliebig klein, aν 1 , bν 1 ,
(308)
und aus der Matrix Λ wird die allgemeine, also 6-parametrige, infinitesimale LorentzTransformation Ainf gem¨aß
136
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Allgemeine infinitesimale (309) Lorentz-Transformation
Ainf = 1 − aν aν − bν bν
mit der allgemeinen infinitesimalen Drehmatrix d = 1 − aν aν und der allgemeinen infinitesimalen eigentlichen Lorentz-Transformation l = 1 − bν bν gem¨aß 0
1
0
0
B 0 B d=B @ 0
1
a3
−a3
1
0
a2
−a1
0
1
−a2 C C C, a1 A
0
1
B −b1 B l=B @ −b2
−b2
1
0
0
1
0 C C C . 0 A
0
0
1
−b3
1
−b3
1
−b1
(310)
Diese infinitesimalen Matrizen sind nat¨ urlich in der Reihenfolge ihrer Anwendung vertauschbar. Wir betrachten noch den Grenzfall des unendlichen Produktes der infinitesimalen Lorentz-Transformationen Ainf und schreiben dabei wieder aν = αν /n , bν = βν /n , n 1 n . (311) lim (Ainf ) = lim 1 − (αν aν − βν bν ) n→∞ n→∞ n
Unter Beachtung von lim
n→∞
1−
x n = e−x folgt dann aus (311) n
lim (Ainf ) = e−αν aν −βν bν = eΛ−1 = A . n
(312)
n→∞
Die Nichtvertauschbarkeit zweier (endlicher) Lorentz-Transformationen wird durch die Vertauschungsrelationen der fundamentalen Matrizen aν und bν bestimmt. Mit [A, B] := AB − BA findet man f¨ ur die Kommutatoren der in (293) definierten Matrizen aν und bν nach einfacher Rechnung [ai , aj ] = ijk ak , [ai , bj ] = ijk bk , [bi , bj ] = −ijk ak .
(313)
Hierbei ist 123 = 231 = 312 = 1, 132 = 321 = 213 = −1 und Null sonst., vgl. Anhang, Kap. 36.1, S. 245-246. Und die Produkte dieser Matrizen mit sich selbst ergeben 0 a12
0
0
0
B0 B =B @0
0
0
0
−1
0
0
0
0
1 B 0 B b12 = B @ 0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
B0 0 C C B C, a22 =B @0 0 A
−1
0
0
0
0
0
−1 0
1
1
0
0
0
0 C C C, 0 A
0
0
0
0 0
1 B0 B b22 =B @0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
B0 0 C B C C, a32 =B @0 0 A
−1
0
0
−1
0
0
−1 1
0
0
0
1
0C C C, 0A
0
0
0
0 0
0
0
1 ⎫
⎪
⎪ ⎪ 0C ⎪ C ⎪ C, ⎪ ⎪ ⎪ 0A ⎪ ⎪ 0 1
1 B0 B b32 =B @0
0
0
0
0
0
1
0C C C. 0A
0
0
0
0
⎪ ⎪ ⎪ ⎬ (314) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
28 Die Lorentz-Gruppe
137
F¨ ur βν = 0 erhalten wir die allgemeine Drehmatrix D des dreidimensionalen Raumes,
D = exp[−αν aν ] .
Allgemeine (315) Drehung
Die Drehmatrizen (315) des dreidimensionalen Raumes bilden eine nicht kommutative Untergruppe D der allgemeinen Lorentz-Gruppe A . F¨ ur αν = 0 wird aus A die allgemeine eigentliche, also drehungsfreie LorentzTransformation L ,
L = exp[−βν bν ] .
Allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation
(316)
Beschr¨ankt man sich auf die Ausf¨ uhrung spezieller Lorentz-Transformationen entlang einer der Koordinatenachsen, so bilden diese einfache kommutative Gruppen Li , s. Kap. 13, S. 59. In Aufg. 6, S. 270 zeigen wir: Sind v und u die Geschwindigkeiten von Σ (x , t ) und Σ (x , t ) in x-Richtung von Σo (x, t) , gelten also die speziellen Lorentz-Transformationen x = L1 (u) x ,
x = L1 (v) x −→ x = L1 (−v) x ,
(317)
¨ber die spezielle Lorentz-Transformation L1 (u ) dann h¨ angen Σ (x , t ) und Σ (x , t ) u zusammen, x = L1 (u ) x = L1 (u) L1 (−v) x ,
(318)
wobei der Gruppenparameter u die vom System Σ aus gemessene Geschwindigkeit des Systems Σ ist, also gerade nach dem Einsteinschen Additionstheorem aus v und u berechnet wird, ⎫ u−v ⎪ L1 (u ) = L1 (u) L1 (−v) = L1 (−v) L1 (u) mit u = ⎪ 1 − u v/c2 ⎪ ⎬ (319) sowie ⎪
−1 ⎪ ⎪ ⎭ , L1 (v) L1 (−v) = 1 , also L1 (−v) = L1 (v) womit die behauptete Gruppeneigenschaft beschrieben ist. Die Gruppen Li (v) heißen ferner einfach, da sie nur das Einselement als triviale Untergruppe besitzen. Benutzen wir f¨ ur die Kommutativit¨ at noch den Terminus Abelsch, dann gilt also Die speziellen Lorentz-Transformationen Li (v) bilden einfache Abelsche Gruppen Li . Die Ausf¨ uhrung von speziellen Lorentz-Transformationen L1 in Folge hatte Anlaß zum Zwillingsparadoxon gegeben, Kap. 27.
138
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Die Gruppeneigenschaft der eigentlichen Lorentz-Transformationen geht verloren, wenn man beliebige Relativgeschwindigkeiten zul¨ aßt. Die Menge L der eigentlichen Lorentz-Transformationen (316) besitzt bei beliebigen Richtungen der Relativgeschwindigkeiten keine Gruppenstruktur. Betrachten wir z.B. eine Transformation L1 vom Inertialsystem Σo zum Inertialsystem Σ , das sich entlang der x-Achse von Σo bewegt, gefolgt von einer Transformation L2 zum Inertialsystem Σ , das sich entlang der y -Achse von Σ bewegt, so wird die resultierende Transformation L2 · L1 zwar wieder eindeutig durch eine einzige, pseudoorthogonale Transformation A gem¨aß (296) bzw. (288) mit der Bedingung (290) ausgedr¨ uckt. Jedoch ist diese Transformation nicht mehr vom Typ L gem¨aß (316), L2 L1 = A = L .
(320)
Elementar haben wir diese Situation bereits in Kap. 22 und Kap. 23 behandelt. Dort haben wir gefunden, daß die Achsen des Systems Σ nach den Transformationen L1 und L2 in bezug auf die Achsen von Σo gedreht sind, Abb. 25, S. 90 und Abb. 27, S. 96. Wir kommen darauf in Kap. 28.4 zur¨ uck. Wir wollen nun die allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation L ermitteln, welche durch die beiden Inertialsysteme Σo und Σ festliegt.
28.3 Die allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation In Aufg. 20, S. 293, zeigen wir, daß die Koordinatenachsen eines Systems Σ , das aus dem System Σo durch eine Transformation vom Typ L hervorgeht, i. allg. von Σo aus bereits nicht mehr als orthogonal beurteilt werden. Die Feststellung einer Orthogonalit¨ at der Achsen des jeweils anderen Bezugssystems bleibt nur im Fall einer achsenparallelen Geschwindigkeit erhalten, also z.B. f¨ ur L1 . Es existiert aber immer eine gemeinsame r¨ aumliche Drehmatrix D , so daß nach deren Anwendung sowohl auf Σo als auch auf Σ die Achsen des jeweils anderen Bezugssystems wieder als orthogonal bewertet werden. Jeweils eine der Achsen von Σo und Σ liegt dann in Bewegungsrichtung.30 Inertialsysteme, die u ¨ ber eigentliche Lorentz-Transformationen L zusammenh¨angen, werden wegen der Herstellbarkeit der Achsenparallelit¨ at h¨ aufig vereinfachend als achsenparallel bezeichnet. Um das Mißverst¨ andnis, das dabei aufkommen kann, zu vermeiden, wird stattdessen f¨ ur L auch der englische Ausdruck Boost verwendet. Die gem¨aß (316) eingef¨ uhrten allgemeinen eigentlichen Lorentz-Transformationen L und ebenso die allgemeinen Drehungen D in (315) sind durch die Taylor-Reihe (297) der Exponentialfunktion definiert. Die in (291) angegebenen Matrizen D1 . . . L3 und ebenso die allgemeinen Matrizen L = exp[−βν bν ] und D = exp[−αν aν ] lassen sich direkt aus (297) berechnen. Die Beziehungen D1 = exp[−α1 a1 ] und L1 = exp[−β1 b1 ] rechnen wir als Beispiel in Aufg. 19, S. 292. Die Matrix f¨ ur einen allgemeinen Boost L = exp[−βν bν ] wollen wir hier nicht aus der ¨ Taylor-Reihe (297) herleiten, sondern aus einer elementaren Uberlegung. 30 Die Scherung der Achsen von Σ aus der Sicht von Σ nach Anwendung der eigentlichen Lorentzo angt formelm¨ aßig mit der Drehung (344) zusammen, die wir elementar in Transformation L auf Σo h¨ Kap. 22 und Kap. 23 berechnet haben, Aufg. 20, S. 293.
28 Die Lorentz-Gruppe
139
Wir betrachten einen K¨ orper K , der sich mit einer konstanten Geschwindigkeit v = (v1 , v2 , 0) im Inertialsystem Σo bewegt. Das Inertialsystem, in welchem dieser K¨ orper ruht, nennen wir Σ . Wir wollen die eigentliche, also drehungsfreie LorentzTransformation L1,2 (β1 , β2 ) = exp[−β1 b1 − β2 b2 ] bestimmen, die f¨ ur ein beliebiges i i Ereignis E die Koordinaten x in Σo in Koordinaten x ˜ von Σ umrechnet. In den beiden Inertialsystemen Σo und Σ betrachten wir zun¨ achst jene Koordinaten systeme x ¯i und x ¯i , f¨ ur welche sich Σ , von Σo aus beurteilt, entlang der gemeinsamen x ¯- x ¯ - Achse mit der Geschwindigkeit v = v12 + v22 bewegt. Die Koordinaten x ¯i und i x ¯ h¨ angen also u ¨ber eine spezielle Lorentz-Transformation gem¨ aß (284) zusammen, die wir hier Lo nennen wollen. Wenn wir das Koordinatensystem danach drehen, bleibt v der Betrag der Geschwindigkeit. Den Index ’1’ bei β und γ lassen wir also von vornherein weg, um nachfolgende Verwechslungen zu vermeiden. Wir schreiben x ¯ = Lo x ¯ .
(321)
Nun drehen wir beide Koordinatensysteme um die z- bzw. z -Achse um einen Winkel ϕ , der folgendermaßen bestimmt ist tan ϕ = β=
β2 , β1
β12
+
⎫ ⎪ ⎪ β1 = β cos ϕ , β2 = β sin ϕ , ⎬ ⎪ ⎪ ⎭ und γ := 1 − β12 − β22
also
β22
(322)
und schreiben D3 = D3 (ϕ) .
(323)
Damit erhalten wir die Koordinatensysteme xi ˜ , x ¯ = D3 (ϕ) x
von Σ und xi von Σo ,
x ¯ = D3 (ϕ) x .
(324)
Die Gleichungen (321) und (324) ergeben zusammen x ˜ = D−1 3 Lo D3 x := L1,2 x .
(325)
ur L1 Hier setzen wir die Matrizen D3 mit dem Winkel ϕ und L1 ohne den Index ’1’ f¨ und ihre Matrixelemente gem¨ aß (291) ein und finden D−1 3 Lo D3 = 0
1
B 0 B B @ 0 0
0
0
cos ϕ
− sin ϕ
sin ϕ
cos ϕ
0
0
also zun¨ achst
10 B 0 C CB CB 0 AB @ 1 0
1 γ −β γ
−β γ 1 γ
0
0
1
0
0
0
0 0
0
10
1 CB 0 0 C CB CB @ 0 0 A 0 1
0
0
cos ϕ
sin ϕ
− sin ϕ
cos ϕ
0
0
0
1
0 C C C, 0 A 1
9 > > > > > > > = > > > > > > > ;
(326)
140
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie 0
B B B L1,2 = exp[−β1 b1 − β2 b2 ] = 0 B @ B B L1,2 = exp[−β1 b1 − β2 b2 ] = B B @
ϕ − β cos γ
1 γ ϕ − β cos γ 1 γ ϕ − β sin γ β cos ϕ − 0γ ϕ − β sin γ
cos2 ϕ + sin2 ϕ γ β cos ϕ − sin ϕ γcos ϕ − sin ϕ cos ϕ γ cos2 ϕ + sin2 ϕ γ 0 sin ϕ cos ϕ − sin ϕ cos ϕ γ
0
ϕ − β sin γ
0
sin ϕ cos ϕ − sin ϕ cos ϕ γ β sin ϕ − sin2 ϕ γ + cos2 ϕ γ sin ϕ cos ϕ − sin ϕ cos ϕ γ0 sin2 ϕ 2 + cos ϕ γ
0
0
1
C C C 1 C A C C C C 0 A 0 0 0 01 1
und erhalten damit nach leichter Umformung und erhalten damit nach leichter Umformung ⎛ 1 ⎜ ⎜ L1,2 (β1 , β2 ) = exp[−β1 b1 − β2 b2 ] = ⎛ ⎜ ⎝ ⎜ ⎜ L1,2 (β1 , β2 ) = exp[−β1 b1 − β2 b2 ] = ⎜ ⎝ mit
− βγ1
γ
2 (1−γ)β1 β2 γ β1 (1−γ)β γ 2 β1 2 β2 γ (1−γ)β 1 β2 γ
− βγ1
1 − βγγ2 − βγ01
1+ −
1+ 0
(1−γ)β2 β1 β2 γ
− βγ2 0
0
− βγ2
0
(1−γ)β1 β2 β2 γ β2 2 −(1−γ)β 1 + γβ 2 γ 2 (1−γ)β β 1 2
1+
2γ β0 2 (1−γ)β2 β2 γ
0
⎞
⎟ ⎟ ⎞ ⎟ ⎠ ⎟ ⎟ ⎟ 0 ⎠ 0 0 0 01
(327) (327)
1
mit L1,2 (β1 , β2 ) = D−1 3 (ϕ) Lo (β) D3 (ϕ) .
(328)
−1 = Ddaß Lof¨ (β) D3 (ϕ) . (328) L 1,2 (β 1 , β2 )also, 3 (ϕ) Wir sehen wir ur die Zerlegung der Boost-Transformation L1,2 (β1 , β2 ) sowohl eine spezielle Lorentz-Transformation Lo als auch eine Drehung D3 ben¨ otigen. Die Drehmatrix D3 daß kommt -Reihe f¨ ur L1,2 (β1 , β2 ) = exp[−β b21)−sowohl β2 b2 ] Wir sehen also, wir in f¨ urder dieTaylor Zerlegung der(297) Boost-Transformation L1,2 (β11, β dadurch ins Spiel, daß nun Produkte der Matrizen b und b auftreten, deren Reihenfolge 1 2 eine spezielle Lorentz-Transformation Lo als auch eine Drehung D3 ben¨ otigen. Die man beachten DerinKommutator von b(297) f¨ uhrt n¨ amlich gem¨aß 1 undf¨ Drehmatrix D3muß. kommt der Taylor-Reihe ub r 2L1,2 (β1 ,nach β2 ) =(313) exp[−β 1 b1 − β2 b2 ] [b1 , b2 ] =ins−Spiel, = −a auf die von ben¨ otigte D3 . 123 a3daß 3 Produkte dadurch nun deruns Matrizen b1 Drehung und b2 auftreten, deren Reihenfolge Die beachten Verallgemeinerung auf eine im man muß. Der Kommutator von Raum b1 undbeliebig b2 f¨ uhrtgerichtete nach (313)Geschwindigkeit n¨ amlich gem¨aß v = (v , v , v ) ist dann aus Symmetriegr¨ u nden leicht anzugeben. [b1 , b21] =2−3123 a3 = −a3 auf die von uns ben¨ otigte Drehung D3 . Die allgemeine, also 3-parametrige Lorentz -Transformation lautet Die Verallgemeinerung auf eineeigentliche im Raum beliebig gerichtete LGeschwindigkeit
v = (v1 , v2 , v3 ) ist dann aus Symmetriegr¨ unden leicht anzugeben. Die allgemeine, also 3-parametrige eigentliche Lorentz-Transformation L lautet ⎛ ⎞ ⎜ ⎜ ⎛ L =⎜ ⎜ ⎝ ⎜ ⎜ ⎜ L =⎜ ⎝
1 γt
− βγ1t
1 − βγγ2tt − ββγ1t3 − γt − βγ2t
− βγ3t
Hierbei ist
− βγ1t
2 (1−γt )β1 2γ β t t β1 (1−γγ )β2 β1 tt βt2 γt t )β 2 (1−γ 1 23 (1−γtβ )β γβ t1 2 γt β t t (1−γt )β2 β1 βt2 γt
1+ − 1+
(1−γt )β3 β1 βt2 γt
− βγ2t
− βγ3t
(1−γt )β1 β2 2γ ββ t t2 2 −(1−γ γt t )β2 1 + β2 γ t t (1−γt )β1 β2 (1−γ )β β βt2t γ t3 2 βt2 γt t )β 2 (1−γ
1+
βt2 γt (1−γt )β3 β2 βt2 γt
2
(1−γt )β1 β3 βt2 γt − βγt3t)β2 β3 (1−γ βt2)β γ (1−γ t t1 β3 2 2 (1−γ )β β 1 + t βγt2 γt 3 (1−γ )βt βt t
1+
2 3
βt2 γt 2 (1−γt )β3 βt2 γt
Hierbei βt := ist β12 + β22 + β32 , γt := 1 − β12 − β22 − β32 . βt := β12 + β22 + β32 , γt := 1 − β12 − β22 − β32 .
⎟ ⎟ ⎞ ⎟. ⎟ ⎠ ⎟ ⎟ ⎟. ⎟ ⎠
Allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation (329) Boost-Transformation Allgemeine eigentliche Lorentz-Transformation (329)
Boost-Transformation
(330) (330)
28 Die Lorentz-Gruppe
141
Wir betrachten nun ein System Σ , das sich mit der Geschwindigkeit v1 = (v1 , 0, 0) in bezug auf Σo bewegt, ⎛
x0
⎜ x1 ⎜ ⎜ 2 ⎝ x
x3
⎞
⎛
⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟=⎜ ⎠ ⎝
1 γ1 −β1 γ1
−β1 γ1 1 γ1
0
0
1
0
0
0
0 0
⎞⎛
0
⎞
x0
⎟ x1 ⎟ 0 ⎟⎜ ⎟ , ⎟⎜ ⎝ x2 ⎠ 0 ⎠ x3 1
(331)
bzw. in kompakter Schreibweise x = L1 (β1 ) x .
(332)
Die in Σo als v = (v1 , v2 , 0) gemessene Geschwindigkeit unseres K¨orpers K wird gem¨ aß (569), wenn wir dort (ux , uy , uz ) = (v1 , v2 , 0) setzen, von Σ aus als v = (0, v2 , 0) = (0, v2 /γ1 , 0) beobachtet, Kap. 22, Gleichung (163), Σo : v = (v1 , v2 , 0)
−→
Σ : v = (0, v2 , 0) = (0, v2 /γ1 , 0) .
(333)
Im Ruhsystem Σ des K¨orpers K betrachten wir nun das Koordinatensystem xi , das wir aus dem Koordinatensystem xi von Σ durch die spezielle Lorentz-Transformation L2 in y -Richtung von Σ mit der Geschwindigkeit v2 = v2 /γ1 erhalten. Mit c2 − (v12 + v22 ) v22 γ 1− 2 = = (334) 2 2 c c − v1 γ1 folgt 0
x0
B 1 B x B B 2 @ x x3
1
0
C B C B C=B C @ A
γ1 γ
0
−β2 γ
0
1
0
−β2 γ
0
γ1 γ
0
0
0
1 0 x0 B 1 x 0 C CB CB 0 AB @ x2 1 x3 0
1 C C C C A
(335)
bzw. in kompakter Schreibweise x = L2 ( βγ12 ) x .
(336) i
i
Der Zusammenhang zwischen x und x ist nun durch das Produkt der beiden speziellen Lorentz-Transformationen gegeben gem¨ aß x = L2 L1 x ,
(337)
also ⎛
x0
⎜ x1 ⎜ ⎜ 2 ⎝ x
x3
⎞
⎛
γ1 γ
⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜ ⎟ = ⎜ −β2 ⎠ ⎝ γ 0
0
−β2 γ
1
0
0
γ1 γ
0
0
0
⎞⎛
⎜ 0 ⎟ ⎟⎜ ⎟⎜ 0 ⎠⎝ 1
1 γ1 −β1 γ1
−β1 γ1 1 γ1
0
0
1
0
0
0
0 0
0
⎞⎛
x0
⎞
⎟ x1 ⎟ 0 ⎟⎜ ⎟ . ⎟⎜ ⎝ x2 ⎠ 0 ⎠ x3 1
(338)
142
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Die Multiplikation der beiden Matrizen liefert ⎛ 1 ⎞ −β1 −β2 ⎜ ⎜ L2 L1 = ⎜ ⎝
γ −β1 γ1 −β2 γ1 γ
γ 1 γ1 β1 β2 γ1 γ
γ1 γ
0
0
0
0
γ
⎟
0 ⎟ ⎟ . 0 ⎠
0
(339)
1
Die Matrix (339) der pseudoorthogonalen Transformation L2 L1 ist von der Matrix (327) der eigentlichen Lorentz-Transformation, der Boost-Transformation L1,2 , verschieden. Beide Matrizen unterscheiden sich durch eine Drehmatrix vom Typ D3 , die den Schl¨ ussel zum Verst¨andnis der Thomas-Pr¨ azession enth¨alt, wie wir jetzt sehen werden. Um Verwechselungen mit der oben ermittelten Drehmatrix D3 (ϕ) in Gleichung (322) zu vermeiden, wollen wir diese Matrix mit einem ∗ versehen. Wir definieren also eine Matrix D∗ durch L2 L1 = D∗ L1,2
mit
D∗ = 1 .
(340)
28.4 Allgemeine Theorie der Thomas-Pr¨ azession F¨ ur die Matrix D∗ aus (340) folgt D∗ = L2 L1 L−1 1,2
(341)
mit ˜ . x = D∗ x
(342) L−1 1,2
In (341) setzen wir L2 L1 aus (339) ein. F¨ ur beachten wir die Pseudoorthogonalit¨ at der Lorentz-Transformationen. Nach (290) bzw. (302) ensteht also die zu L1,2 inverse Matrix L−1 atzlich die Matrixelemete, 1,2 , indem wir Zeilen und Spalten vertauschen und zus¨ die genau einen Index ’0’ enthalten, mit (−1) multiplizieren. F¨ ur die Matrix D∗ gilt daher ⎛ ⎜ ⎜ D =⎜ ⎜ ⎝ ∗
1 γ −β1 γ1 −β2 γ1 γ
−β1 γ 1 γ1 β1 β2 γ1 γ
0
0
−β2 γ
0 γ1 γ
0
0
⎞⎛
1 γ β1 γ β2 γ
⎟⎜ ⎜ 0 ⎟ ⎟⎜ ⎟⎜ 0 ⎠⎝ 1 0
β1 γ (1−γ)β 2 1 + β2 γ 1 (1−γ)β2 β1 β2 γ
β2 γ (1−γ)β1 β2 β2 γ (1−γ)β 2 1 + β2 γ 2
0
0
0
1
⎞
⎟ 0 ⎟ ⎟ . ⎟ 0 ⎠
(343)
Die geduldige Ausf¨ uhrung dieser Multiplikation ergibt ⎛
1
0
⎜ γβ12 +β22 ⎜ 0 γ1 β 2 ⎜ D =⎜ 1 β2 ⎝ 0 − (γ−1)β γ1 β 2 0 0 ∗
0 (γ−1)β1 β2 γ1 β 2 γβ12 +β22 γ1 β 2
0
0
⎞
⎟ 0 ⎟ ⎟ . ⎟ 0 ⎠ 1
(344)
28 Die Lorentz-Gruppe
143
Wir u ¨berzeugen uns davon, daß dies tats¨ achlich eine Drehmatrix von dem in (291) beschriebenen Typ ist. Wir schreiben wieder γ1 = 1 − β12 , γ = 1 − β12 − β22 , β 2 = β12 + β22 . Wegen 0
< (1 − γ)2 ,
2γ
< 1 + γ2 ,
β12 + 2 γ
< 1 + β12 + γ 2 ,
β12 β22 (β12 + 2 γ)
< β12 β22 (1 + β12 + γ 2 ) ,
β14 β22 + 2 γ β12 β22 + β24
< β12 β22 (2 − β22 ) + β24 ,
−β14 β22 + 2 γ β12 β22 + β24
< −2β14 β22 + β12 β22 (2 − β22 ) + β24 ,
(1 − β12 ) β14 − β14 β22 + 2 γ β12 β22 + β24 (1 − β12 + β22 ) β14 + 2 1 − β12 + β22 + β24 2 2 γ β1 + β22
< (1 − β12 ) β14 + (1 − β12 ) β24 + (1 − β12 ) 2 β12 β22 , < (1 − β12 )(β14 + 2 β12 β22 + β24 ) , 2 < γ12 β12 + β22
gilt also
γ β12 + β22 < γ1 β12 + β22 und damit γ β12 + β22 < 1 . γ1 β 2
(345)
Ferner ist 2 2 γ β1 + β22 + (1 − γ)2 β12 β22
= 2 γ β12 β22 + γ 2 β14 + β24 + β12 β22 − 2 γ β12 β22 + γ 2 β12 β22 = γ 2 β12 β12 + β22 + β22 β12 + β22 = β12 + β22 β12 − β14 − β12 β22 + β22 = 1 − β12 β12 + β22 β12 + β22
und damit 2 2 2 2 γ β1 + β22 + (γ − 1) β1 β2 = γ1 β 2 .
(346)
Wegen (345) und (346) k¨ onnen wir, wie behauptet, die in (344) berechnete Matrix D∗ als ∗ eine Drehmatrix D3 (α3 ) schreiben gem¨aß ⎛ ⎜ ⎜ D∗ = D∗3 (α3 ) = ⎜ ⎝
1 0 0 cos α3 0 − sin α3 0 0
0 sin α3 cos α3 0
0 0 0 1
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠
(347)
144
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
mit dem Drehwinkel α3 gem¨aß sin α3 =
(γ − 1)β1 β2 γβ12 + β22 , cos α3 = 2 γ1 β γ1 β 2
−→
tan α3 =
(γ − 1)β1 β2 . γβ12 + β22
(348)
Wir m¨ ussen also im Inertialsystem Σ eine Drehung um die z -Achse mit einem Winkel α3 ausf¨ uhren, damit beide Koordinatensysteme zur Deckung kommen, ˜ . x = D∗3 (α3 ) x
(349)
Wir berechnen die erste nichtverschwindende N¨ aherung dieser Formel f¨ ur den Fall v1 c , Mit
v2 c ,
tan x ≈ x ,
also insbesondere
v2 v1 . √
1 − x ≈ 1 − x/2
−→ γ ≈ 1 − (1/2) β12 + β22 ,
γβ12 + β22 ≈ 1 − (1/2) β12 + β22 β12 + β22 ≈ β12 + β22 ,
finden wir
(−1/2) β12 + β22 β1 β2 (γ − 1)β1 β2 ≈ , α3 ≈ tan α3 = γβ12 + β22 β12 + β22 also α3 = −
v1 v2 . 2c2
(350)
Damit haben wir die Formeln (170) und (171) aus Kap. 22 wiedergefunden. Die Gleichungen (328) und (344) ergeben zusammen die Matrixrelation −1 D∗3 (α3 ) = L2 ( βγ12 ) L1 (β1 ) D3 (ϕ) Lo (β) D3 (ϕ)
(351)
mit tan ϕ = β1 /β2 und tan α3 gem¨aß (348) und der in (326) stehenden Matrix Lo (β) . Gleichung (344) bzw. (351) enth¨ alt die allgemeine Theorie der Thomas-Pr¨ azession. Hierbei treten also zwei Drehmatrizen vom Typ D3 auf, die man nicht verwechseln darf. Die eine Matrix D3 (ϕ) brauchen wir, um die Boost-Transformation L1,2 in ein Produkt aus speziellen Lorentz-Transformationen und eben einer Drehung D3 (ϕ) zu zerlegen, Gleichung (328). Die andere Drehmatrix D∗3 (α3 ) beschreibt den meßbaren Effekt der Thomas-Pr¨ azession. Wir kommen nun auf unsere Argumentation von Kap. 22 zur¨ uck. Im Laborsystem Σo beobachten wir die Bewegung eines K¨ orpers auf einer Kreisbahn, z.B. den klassischen Umlauf eines Elektrons im Atom. Σ (xi ) sei das mit dem Elektron fest verbundene, ’k¨ orpereigene’ Achsensystem. Die vom Atomkern ausgehenden Zentralkr¨afte bewirken ¨ keine Anderung f¨ ur den Eigendrehimpulsvektor S des Elektrons, welcher daher in bezug auf die Achsen (xi ) von Σ eine unver¨ anderliche Richtung beibeh¨ alt.
28 Die Lorentz-Gruppe
145
y˜
y¯ KA A
A
y¯ K A A A A
y 6
¯ *x
Σo A A ϕ A A
A A
¯ *x * A Σ v ϕ A t x ˜ A α3 LA x
-x
Abb. 43: Eigentliche Lorentz-Transformation (Boost-Transformation) und Thomas-Pr¨azession. Ausgangspunkt ist die spezielle Lorentz-Transformation Lo , die zwischen den achsenparallelen gequerten Koordinaten von Σo und Σ vermittelt, Gleichung (321). Hierbei ist v eine beliebige, in der x-y-Ebene von Σo liegende Geschwindigkeit. Daraus ergibt sich dann` die´ eigentliche Lorentz-Transformation (325) mit der Matrix (327), die das Koordinatensystem xi von Σo in “ ” x ˜i von Σ u ¨berf¨ uhrt. aß (331) und nachfolgend die spezielle Wir f¨ uhren die spezielle Lorentz-Transformation L1 gem¨ Lorentz -Transformation L2 gem¨ aß (335) aus und kommen dann auf das Koordinatensystem “ ” ˜ und x in Σ definiert die Thomasxi von Σ . Der Winkel α3 zwischen den Achsen x aß (344), (349) bestimmt. Man beachte, daß Pr¨ azession und wird durch die Drehmatrix D∗3 gem¨ sich die Richtungen der Achsen x ˜ und x und damit auch der Winkel α3 auf das System Σ beziehen.
Sei v = (v1 , 0, 0) die momentane Bahngeschwindigkeit des Elektrons, die sich auf Grund der Zentripetalbeschleunigung a = (0, a, 0) in der Zeit ∆t um die Geschwindigkeit ∆v = v2 = a ∆t ¨ andert. Dann ist ∆α3 = −v1 ∆v/(2c2 ) die in der Zeit ∆t erfolgte Drehung der Koordinatenachsen von Σ gegen¨ uber den im Laborsystem Σo durch die
i eigentliche Lorentz-Transformation L1,2 bestimmten Achsen x . Da der Eigen˜ drehimpulsvektor S des Elektrons in Σ feststeht, beobachten wir von Σo aus die Thomas-Pr¨ azession: Der Vektor S dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit ωT = ∆α3 /∆t um die z-Achse, bzw. vektoriell, vgl. auch Kap. 22, Gleichung (172),
ωT = −
v×a . 2 c2
Winkelgeschwindigkeit der Thomas-Pr¨ azession
(352)
146
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
28.5 Geometrie im Minkowski-Raum Die Tensorrechnung istim die analytische Methode der Geometrie. Wir werden uns daher im 28.5 Geometrie Minkowski-Raum
folgenden mit Vektoren und Tensoren zu besch¨ aftigen haben. F¨ ur eine kurze Zusammenfassung der Tensorrechnung verweisen wir auf Kap. S. 240ff. Die Tensorrechnung ist die analytische Methode der 36.1, Geometrie. Wir werden uns daher im Durch die mit Forderung Forminvarianz Linienelementes (258) sindZusammendiejenigen folgenden Vektorennach undder Tensoren zu besch¨ ades ftigen haben. F¨ ur eine kurze Koordinatensysteme (xi ) , i = 0, 1, 2, 3 wir , desauf vierdimensionalen Minkowski-Raumes ausgefassung der Tensorrechnung verweisen Kap. 36.1, S. 240ff. zeichnet, wir physikalisch Inertialsysteme, z.B. Σo (xi ) , zuordnen. Unddiejenigen die KoorDurch diedenen Forderung nach der die Forminvarianz des Linienelementes (258) sind i i dinaten (x ) eines Punktes im Minkowski -Raum sind die Koordinaten eines Ereignisses E. Koordinatensysteme (x ) , i = 0, 1, 2, 3 , des vierdimensionalen Minkowski-Raumes ausge1 2 3 i Die drei kartesischen Raumkoordinaten (x , x , x ) bestimmen, wo das Ereignis stattgezeichnet, denen wir physikalisch die Inertialsysteme, z.B. Σo (x ) , zuordnen. Und die Koorfunden hat, diePunktes Zeitkoordinate x0 = ct gibt sind an, wann es passierte.eines ZweiEreignisses benachbarten dinaten (xi )und eines im Minkowski -Raum die Koordinaten E. Ereignissen (in r¨ aumlicher und zeitlicher Bedeutung) sind die Koordinatendifferentiale dxi Die drei kartesischen Raumkoordinaten (x1 , x2 , x3 ) bestimmen, wo das Ereignis stattgezweier benachbarter Punkte im Minkowski Von irgendeinem anderen funden hat, und die Zeitkoordinate x0 = ct -Raum gibt an,zugeordnet. wann es passierte. Zwei benachbarten i Inertialsystem Σaumlicher (x ) ausund betrachtet, im Spezialfall von demselben InertialEreignissen (in r¨ zeitlicheroder Bedeutung) sind dieauch Koordinatendifferentiale dxi system benachbarter bei gedrehtenPunkte Koordinatenachsen, sind denselben Ereignissen die Differentiale dxi zweier im Minkowski -Raum zugeordnet. Von irgendeinem anderen . gilt i zugeordnet, und es Inertialsystem Σ (x ) aus betrachtet, oder im Spezialfall auch von demselben Inertial system bei gedrehten Koordinatenachsen, denselben Ereignissen die Differentiale dxi sind .dxi = Aii dxi ←→ dxi = Aii dxi , Aii Ajk ηi j = ηik . (353) zugeordnet, und es gilt
i allgemeinen Hierbei i i A i i die Matrix i i i j Lorentz-Transformation und als solche der dx = Aist ←→ dxi = Ader (353) i dx , Ai Ak ηi j = ηik . i dx Bedingung der Pseudoorthogonalit¨ at (290) bzw (301) unterworfen. Beschr¨ anken wir uns auf solche die den Koordinatenursprung O(0, 0, 0, 0) Lorentz-Transformation und als gemeinsam solche der Hierbei ist Koordinatensysteme, Aii die Matrix der allgemeinen haben, dannder giltPseudoorthogonalit¨ Gleichung (353) auch f¨ ur die Koordinaten selbst, s. Beschr¨ Gleichung (289) Bedingung at (290) bzw (301) unterworfen. anken wir .uns Die solche mathematischen Eigenschaften Gr¨ oßen, die i. 0,allg. auf Koordinatensysteme, dievon denphysikalischen Koordinatenursprung O(0, 0, 0) mehrkompogemeinsam nentig sind, werden danach(353) klassifiziert, sich diese Komponenten bei Koordinatenhaben, dann gilt Gleichung auch f¨ ur wie die Koordinaten selbst, s. Gleichung (289) . wechsel ¨andern, wie wir das z.B. vonvon derphysikalischen dreidimensionalen Vektorrechnung kennen. Die mathematischen Eigenschaften Gr¨ oßen, die i. allg. her mehrkompoDen Prototypen eines kontravarianten Koordinatendifferentiale dxi nentig sind, werden danach klassifiziert,Vektors wie sichbilden diese die Komponenten bei Koordinateni gem¨ a ß (353) . Gilt von einer Gr¨ o ße V bei Koordinatenwechsel wechsel ¨andern, wie wir das z.B. von der dreidimensionalen Vektorrechnung her kennen. Den Prototypen eines kontravarianten Vektors bilden die Koordinatendifferentiale dxi gem¨ . Gilt von einer Gr¨ oße V i bei Koordinatenwechsel aß (353) V i = Aii V i , Kontravarianter Vektor (354)
i = Aii es V isich , also um die kontravarianten Komponenten Kontravarianter Vektor (354) soVhandelt eines Vektors im Minkowski Raum. Handelt es sich um ein Vektorfeld V i = V i (xi ) , dann ist man im neuen Inertialsystem Σalso (xi )um auch an der durch die Koordinaten-Transformation bedingten,so handelt es sich die kontravarianten Komponenten eines Vektors im Minkowski ge¨anderten funktionalen interessiert, Raum. Handelt es sichAbh¨ umangigkeit ein Vektorfeld V i also = V i (xi ) , dann ist man im neuen Inertialsystem Σ (xii ) i auch an der durch die Koordinaten-Transformation bedingten, i i k i k V anderten = V (xfunktionalen ) = Ai V A , i x angigkeit ge¨ Abh¨ interessiert, also ohne ink jedem i V =dies V i (x ) = AiiFall V i auszuschreiben. Ai xk , Eine skalare Funktion φ =i φ(xk ) ist dadurch definiert, daß man bei Koordinatenwechsel nur zudies substituieren braucht, ohne in jedem Fall auszuschreiben. Eine skalare Funktion φ = φ(xk ) ist dadurch definiert, daß man bei Koordinatenwechsel k i k φ = φ(x ) = φ(A ) , Skalares Feld (355) x i nur zu substituieren braucht, ist durch Das Transformationsverhalten eines kovarianten Vektorfeldes Vi Skalares k φ = φ(x ) = φ(Aii xk ) , Felddie Eigen(355) schaften des Gradienten eines skalaren Feldes definiert, Das Transformationsverhalten eines kovarianten Vektorfeldes Vi ist durch die Eigenschaften des Gradienten eines skalaren Feldes definiert,
28 Die Lorentz-Gruppe
147
k k ∂φ(xk ) ∂φ(xk ) i ∂φ(x ) i ∂φ(x ) = A ←→ = A . i i ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi k k k k ∂φ(x ∂φ(x ) ) ∂φ(x ) ∂φ(x ) = Aii ←→ = Aii . i i ∂xvon ∂x ∂xi ∂xiwie in (356) Gilt einer Gr¨ oße Vi bei Koordinatenwechsel
Gilt von einer Gr¨ oße Vi bei Koordinatenwechsel wie in (356) Vi = Aii Vi , Kovarianter Vektor
(356) (356)
(357)
i = A Vi , Vektor (357) i es sich also um die kovarianten Komponenten Kovarianter soVihandelt eines Vektors im Minkowski Raum. Bei einem Vektorfeld sind nat¨ urlich auch wieder die neuen Koordinaten zu so handelt es sich also um kovarianten Vektors Minkowski substituieren. Skalare und die Vektoren heißenKomponenten auch Tenoreneines nullter bzw.im erster Stufe.Raum. Bei einem sind nat¨ urlich auch wieder die wie neuen zu Tensoren zweiter undVektorfeld h¨ oherer Stufe transformieren sich dann die Koordinaten entsprechenden substituieren. Skalare und Produkte von Vektoren, Kap.Vektoren 36.1, also heißen z.B., auch Tenoren nullter bzw. erster Stufe. Tensoren zweiter und h¨ oherer Stufe transformieren sich dann wie die entsprechenden k i k T Akk Vektoren, Ti k ←→ Kap. Ti k = Aii also Akk Tz.B., . (358) Produkte 36.1, i = Ai von i i insbesondere k k Bilden wir eines Tensorfeldes Ti k , so erhalten Tik = A ←→ die Ti kpartiellen = Aii Akk Ableitungen T k . (358) i Ak Ti k k i wir ein neues Tensorfeld Tli := ∂l Ti mit einer um 1 erh¨ ohten Kovarianzstufe31 , vgl. Bilden36.1, wir S.insbesondere die partiellen Ableitungen eines Tensorfeldes Ti k , so erhalten Kap. 248, wir ein neues Tensorfeld Tli k := ∂l Ti k mit einer um 1 erh¨ ohten Kovarianzstufe31 , vgl. k i k k T = AllS. ←→ Tli k = All Aii Akk Tl i k . (359) A248, Kap. l i 36.1, i Ak Tli k und i k k Die kontravarianten angen u ¨ber(359) den Tl i ko= All A ←→Komponenten Tli k = All Aiivon AkkVektoren Tl i k . und Tensoren h¨ i Ak Tli metrischen Tensor ηik des Minkowski-Raumes zusammen gem¨aß Die ko- und kontravarianten Komponenten von angen u ¨ber den Vektoren und Tensoren h¨ ←→ V iMinkowski = Vk η ik -Raumes , Vi = V k ηTensor metrischen ηik des zusammen gem¨aß ik (360) ik ir ks . Tik = T rs k ηir ηks ←→ T i = Trs ηik η ←→ V = Vk η , Vi = V ηik (360) rs ks ηks ←→ Diagonalform T ik = Trs η ir η(299) . der Minkowski-Metrik ηik unterscheiden Tik = Tderηir Wegen besonderen sich die ko- und kontravarianten Komponenten eines Vektors nur um das Vorzeichen der Minkowski Wegen Komponente. der besonderen (299) der Stufe vierten BeiDiagonalform einem Tensor beliebiger m¨ ussen-Metrik nur die ηKomponenten mit ik unterscheiden sich die ko- und Anzahl kontravarianten Komponenten Vektors nur um das Vorzeichen der einer ungeraden von Indizes, die ’0’ sind,eines mit −1 multipliziert werden. vierten Komponente. ussen nur die Komponenten mit Das skalare Produkt Bei einem Tensor beliebiger Stufe m¨ einer ungeraden Anzahl von Indizes, die ’0’ sind, mit −1 multipliziert werden. i k U = U i VProdukt ηik = Ui Vk η ik = U i Vi (361) DasViskalare
i ik V k iist eine Invariante gegen¨ uber allgemeinen Lorentz zweier U i Vi = Vektoren U i V k ηik =UUi Vund = U V i (361)kη Transformationen. Das heißt physikalisch, die Gr¨ oße U i Vi hat in jedem Inertialsystem V k sind ist entsprechende eine Invariante gegen¨ uber Lorentz zweier Vektoren U i und denselben Zahlenwert. Ebenso Bildungen mitallgemeinen Tensoren unabh¨ angigTransformationen. Das in heißt physikalisch, die Gr¨ oße U i Vz.B. hat in jedem Inertialsystem von dem Inertialsystem, welchem sie berechnet werden, i denselben Zahlenwert. Ebenso sind entsprechende Bildungen mit Tensoren unabh¨ angig i i ik i k k T T Ti Inertialsystem, , Tik T = Tiin , . . sie . . berechnet werden, z.B. (362) von dem welchem i =
ik ik Es Definitionen: Ti igelten = Ti inun , Tfolgende =T , ... . ik T i k T
(362)
31 Wenn wir auch krummlinige Koordinaten zulassen, also z.B. Kugelkoordinaten im Raum, oder wir Es gelten nun folgende Definitionen: gehen sogar zu beschleunigten Bezugssystemen u ¨ ber, dann sind f¨ ur die Aufrechterhaltung eines Tensorcharakters die partiellen Ableitungen durch die kovarianten Ableitungen zu ersetzen, Kap. 36.1, S. 250. 31 Wenn wir auch krummlinige Koordinaten zulassen, also z.B. Kugelkoordinaten im Raum, oder wir gehen sogar zu beschleunigten Bezugssystemen u ¨ ber, dann sind f¨ ur die Aufrechterhaltung eines Tensorcharakters die partiellen Ableitungen durch die kovarianten Ableitungen zu ersetzen, Kap. 36.1, S. 250.
148
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
raumartig Der Vektor V
k
heißt
zeitartig
< 0 ,
wenn
k
V Vk > 0
N ullvektor
.
(363)
= 0
Die Eigenschaft eines Vektors, raumartig, zeitartig oder ein Nullvektor zu sein, ist also unabh¨ angig vom Inertialsystem. Im Unterschied zum euklidischen Raum kann die Invariante V k Vk im Minkowski-Raum Null sein, ohne daß der Vektor selbst verschwindet, weil die Metrik ηik des MinkowskiRaumes indefinit ist. Insbesondere ist das Linienelement (263) eine Invariante gegen¨ uber LorentzTransformationen. Man sagt dann von zwei Punkten im Minkowski-Raum:
Zwei Punkte im MinkowskiRaum P (xi ) und Q(xi +∆xi ) liegen zueinander
< 0
raumartig zeitartig
2
i
k
, wenn ∆s = ηik ∆x ∆x
> 0 . (364) = 0
lichtartig
Dies ist aber nichts anderes als unsere Definition (259), da jeder Punkt nun ein Ereignis ist. 3 ∆xν folgt aus ∆s2 = ∆t2 − ∆x2 > 0 , Mit dem dreidimensionalen Abstand ∆x2 := ν=1
orper K , der sich mit einer Geschwindigkeit daß ∆x2 /∆t2 < c2 . Es gibt dann einen K¨ |v| = |∆x/∆t| < c bewegt, so daß er zu einer Zeit t die Koordinaten des Ereignisses P hat und zur Zeit t + ∆t die Koordinaten des Ereignisses Q . Das Ereignis P kann daher mit Hilfe des K¨orpers K das Ereignis Q ausl¨ osen, es verursachen. Die beiden Ereignisse k¨ onnen kausal zusammenh¨ angen. Das ist auch noch f¨ ur ∆s2 = 0 m¨oglich. In diesem Fall gilt ∆x2 /∆t2 = c2 . Dann gibt es zwar keinen K¨orper mehr, der die beiden Ereignisse P und Q verbindet. Das Ereignis Q kann aber durch ein Lichtsignal ausgel¨ ost werden, das zur Zeit t die Koordinaten von P hat und zur Zeit t + ∆t die Koordinaten von Q . Man sagt in diesem Fall, Q liegt auf dem von P ausgehenden Lichtkegel, der auch Nullkegel genannt wird. F¨ ur das Folgende unterdr¨ ucken wir wieder die y- und z-Koordinaten. In der x − ct-Ebene wird der Lichtkegel dann durch die Gleichungen x = ± c t beschrieben. Alle Ereignisse Q , die sich in oder auf dem von P ausgehenden Lichtkegel befinden, k¨ onnen kausal miteinander zusammenh¨ angen. Der Lichtkegel heißt daher auch Kausalkegel. F¨ ur ∆s2 = ∆t2 − ∆x2 < 0 wird ∆x2 /∆t2 > c2 . Es gibt nun kein Signal mehr, daß die Ereignisse P und Q miteinander verbindet. Das Ereignis Q liegt außerhalb des von P ausgehenden Lichtkegels. Beide Ereignisse k¨onnen nicht mehr kausal zusammenh¨ angen, vgl. Abb. 44. Wir merken uns:
Alle Ereignisse, die im Innern oder auf dem Rand des von einem Ereignis P ausgehenden Lichtkegels liegen, und nur diese k¨ onnen mit dem Ereignis P kausal zusammenh¨ angen.
28 Die Lorentz-Gruppe
149 ct Σ
ct 6 Σo
@
v
-
Lichtkegel
*x
@
@
Q r @ @ @ O @ @ @ @ @
-x
@ Abb. 44: Der Lichtkegel f¨ur den Koordinatenursprung O . In der Darstellung sind zwei Raumdimensionen unterdr¨ uckt. Alle in und auf dem Kegel um die Zeitachse liegenden Ereignisse (Punkte) und nur diese k¨ onnen in einem kausalen Zusammenhang mit dem Koordinatenursprung O stehen (schraffierter Bereich). Und zwar kann das Ereignis O die im Nachkegel mit t ≥ 0 liegenden Ereignisse beeinflussen und von den im Vorkegel mit t ≤ 0 liegenden Ereignissen beeinflußt werden. F¨ ur alle Punkte Q außerhalb des Lichtkegels gibt es ein Inertialsystem Σ (x , t ) , in welchem die Ereignisse Q mit O gleichzeitig sind. Zeichnet man die x - und die ct -Achse symmetrisch zum Lichtkegel ein, so gelangt man zu einer graphischen Darstellung der speziellen Lorentz-Transformation mit den aus ihr folgenden Eigenschaften der L¨ angenkontraktion (82) und der Zeitdilatation (83), s. Abb. 45.
Die Bahn eines K¨orpers im Minkowski-Raum heißt Weltlinie. Hat der K¨ orper eine konstante Geschwindigkeit, dann ist seine Weltlinie eine Gerade. Der Lichtkegel wird durch die Weltlinien von Photonen gebildet. Die Weltlinie eines in Σo ruhenden K¨ orpers ist eine Parallele zur ct-Achse. Die Weltlinie eines K¨orpers, der sich mit der Geschwindigkeit v entlang der x-Achse bewegt, ist im x-ct-Diagramm von Abb. 44 eine durch den Koordinatenursprung gehende Gerade mit dem Anstieg tan ϕ = c∆t/∆x = c/v . Diese Linie ist die ct -Achse des Systems Σ , in dem dieser K¨ orper ruht. Die Weltlinien von K¨ orpern mit einer nicht verschwindenden Ruhmasse, die den Koordinatenursprung O enthalten, liegen innerhalb des Lichtkegels. Geraden, die nur durch den Koordinatenursprung O gehen und sonst außerhalb des Lichtkegels liegen, z.B. die x-Achse und die x -Achse, sind keine Weltlinien. F¨ ur ein Ereignis Q , das außerhalb des Lichtkegels von P in Σo liegt, existiert stets ein Inertialsystem Σ , in welchem die Ereignisse P und Q gleichzeitig sind, und es existieren Inertialsysteme Σ , in welchen die Ereignisse P und Q in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge ablaufen, verglichen mit ihrer Reihenfolge in Σo , s. dazu auch Aufg.7, S. 271.
150
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie ct 6
Eichhyperbel p ct p p p p Lichtkegel p 1p r p p p p p p p rp p p p Eichhyperbel 1 p p p p x p * p F v rB p r cγ Dr p 1 γ p p p p p p p ϕ O Cr rE rA 1 γ 1 γ p p p p p
-x
Abb. 45: Spezielle Lorentz-Transformation und Lorentz-Kontraktion. Der Lichtkegel hat eine Neigung von 45◦ zur x-Achse und halbiert auch den Winkel zwischen der x - und der ct -Achse. Im Text berechnen wir die Koordinaten der eingezeichneten Punkte zu A(x = 1/γ , t = 0), D(x = γ , t = 0) , C(x = γ , t = 0) , E(x = 1 , t = 0) , F (x = 1 , t = 0). Die Gerade CF ist der ct -Achse parallel. Die Punkte E und F liegen auf der Eichhyperbel (367), die wir gepunktet angedeutet haben, ebenso die Eichhyperbel (368). Bei geometrischen Rechnungen hat man zu beachten, daß auf der x - und der ct -Achse andere Einheiten gelten als auf der x- und der ct-Achse. Es ist tan ϕ = v/c . Wir haben hier den Fall v = 0, 5 c betrachtet, ur den euklidischen Abstand des Punktes F mit der also ϕ ≈ 26, 565◦ und γ = 0, 866 . F¨ 2 2 2 aß OF = OA + AF den Koordinate x = 1 zum Koordinatenursprung O erhalten wir gem¨ √ 2 2 Wert OF = c + v /c γ ≈ 1, 29 . Da wir den Einheitsmaßstab auf der x-Achse mit 4, 5 cm eingezeichnet haben, mußten wir denselben Einheitsmaßstab auf der x -Achse mit 4, 5 · 1, 29 = 5, 8 cm darstellen. OC ist die von Σo aus als gleichzeitig beurteilte Lage der Endpunkte des in ur den dort die L¨ ange 1 gemessen wird. Ebenso ist OD die von Σ ruhenden Stabes OF , f¨ Σ aus als gleichzeitig beurteilte Lage der Endpunkte des in Σo ruhenden Einheitsmaßstabes OC . Der Einfachheit halber zeigen wir dies f¨ ur den Fall Σo : P = O(0, 0, 0, 0) , Q = (xo , 0, 0, cto ) mit xo /to > c −→ ∆s2 = s2 = c2 t2o − x2o < 0 . Die beiden Ereignisse P und Q liegen also raumartig zueinander. Wir betrachten eine formale Geschwindigkeit u gem¨aß u := xo /to −→ u > c . Damit bilden wir Geschwindigkeiten v , die stets kleiner als c bleiben gem¨ aß Σo : v ≤ c2 /u < c .
(365)
28 Die Lorentz-Gruppe
151
Ein Inertialsystem Σ bewege sich in bezug auf die x-Richtung des Inertialsystems Σo Ein Inertialsystem Σ bewege sichv in bezuggilt aufdie diespezielle x-Richtung des -Transformation Inertialsystems Σo mit einer solchen Geschwindigkeit . Dann Lorentz mit einer solchen Geschwindigkeit v . Dann gilt die spezielle Lorentz-Transformation x−vt t − xv/c2 x = x − v t , t = t − xv/c2 . γ , t = γ x = . γ γ ur das Ereignis Der Koordinatenursprung O beh¨ alt die Zeitkoordinate t = 0 bei, und f¨ ur das Ereignis Der Koordinatenursprung O beh¨ alt die t = 0t ,bei, und f¨ Q erhalten wir unter Beachtung (365) f¨ urZeitkoordinate die Zeitkoordinate o Q erhalten wir unter Beachtung (365) f¨ ur die Zeitkoordinate to , 2 2 v u to − v xo /c to − to v xo /(c to ) to − to v u/c2 to
to = to − v xo /c2 = to − to v xo /(c2 to ) = to − to v u/c2 = to 1 − v 2u ≤ 0 . γ γ γ to = = = = γ 1 − c2 ≤ 0 . γ γ γ γ c so daß im Inertialsystem Σ wie behauptet, das Ereignis P fr¨ uher oder gleichzeitig zum so daß imQInertialsystem Σ wie behauptet, das Ereignis P fr¨ uher oder gleichzeitig zum Ereignis ist. Im Inertialsystem Σ ist es offensichtlich: Ereignis Q ist. Im Inertialsystem Σ ist es offensichtlich: Zwei r¨aumlich voneinander getrennte und dabei gleichzeitige Ereignisse P und Q k¨ onnen Zwei aumlichmiteinander voneinanderzusammenh¨ getrennte und dabei Ereignisse Q k¨ onnen nicht r¨ kausal angen undgleichzeitige erst recht nicht, wennP Pund fr¨ uher ist als nicht kausalEigenschaft, miteinanderdaß zusammenh¨ angen und erst recht nicht, wennzueinander P fr¨ uher liegen, ist als Q . Diese die beiden Ereignisse n¨ amlich raumartig Q DieseaEigenschaft, daß die beiden Ereignisse aeine mlichLorentz raumartig zueinander liegen, ist. unabh¨ ngig vom Bezugssystem, weil sie durchn¨ -invariante Beziehung ist unabh¨ angig vom Bezugssystem, weil sie durch eine Lorentz-invariante Beziehung ausgedr¨ uckt wird, ausgedr¨ uckt wird, 2 s2 = s22 < 0 . s =s 1 , also χ > 0 , vgl. (433) und (434), entspricht im magnetischen Fall der Diamagnetismus als eine allgemeine Eigenschaft der Materie. Auf Grund der historisch bedingten Definition (440) f¨ ur die Permeabilit¨ at µ , bei der die Stellung der Vektoren B und H vertauscht ist, wenn wir dies mit dem elektrischen Fall (433) vergleichen, erhalten wir eine negative diamagnetische Suszeptibilit¨ at, κD < 0 . Positive Zahlen erh¨ alt man f¨ ur den sog. Paramagnetismus, κP > 0 . Absolut gesehen bleiben beide Werte i. allg. sehr klein, |κD |, |κP | 1 . Große Zahlen ergeben sich f¨ ur |κ| beim Ferromagnetismus. In Einkristallen ist die oße µ ein Tensor, und wir m¨ ussen (440) dann als Tensorgleichung Gr¨ lesen gem¨aß Hi = µik Bk . Die Richtungen der Vektoren H und B stimmen dann i. allg. nicht mehr u ¨berein. ¨ Maxwell hat entdeckt, daß die zeitliche Anderung des Verschiebungsvektors, der sog. Maxwellsche Verschiebungsstrom ∂D/∂t , eine ebensolche Quelle f¨ ur die magnetische Erregung H darstellt wie die elektrische Stromdichte j . Also m¨ ussen wir das Oerstedtsche Gesetz erg¨anzen, )
H · ds =
j+
∂D · dS . ∂t
(442)
S
∂S
Auf das Linienintegral wenden wir den Stokesschen Integralsatz (709) an und finden nach einfacher Umstellung rotH −
∂D −j ∂t
· dS = 0 .
S
Diese Gleichung kann f¨ ur die beliebige Fl¨ ache S nur gelten, wenn der Integrand selbst verschwindet, rotH −
∂D =j . ∂t
(443)
Ber¨ ucksichtigen wir gem¨ aß (671) div rotH = 0 , so folgt aus (443) und (432) sofort die Kontinuit¨ atsgleichung (411). M.a.W., erst durch die Einf¨ uhrung des Maxwellschen Verschiebungsstromes ∂D/∂t werden die Gleichungen (443) und (432) u ¨berhaupt mathematisch miteinander vertr¨ aglich.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
179
30.1.5 Die Maxwellschen Gleichungen - Elektromagnetische Wellen Die Maxwellsche Theorie ist damit komplett: ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
∂B = 0 , divB = 0 , ∂t ∂D = j , divD = ρ , b) rotH − ∂t a) rotE +
c) f = ρ E + j × B . d) D = ε E , g) ε = εo εr ,
e) B = µ H , h) µ = µo µr .
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ f) j = σ E , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Bezugssystem Σo Maxwell-Gleichungen SI-Maßsystem
(444)
Diese Gleichungen, die wir hier f¨ ur ein ausgezeichnetes Bezugssystem Σo (x, y, z, t) entwickelt haben, enthalten die gesamte Elektrodynamik - allerdings mit einer nicht ganz unwesentlichen Einschr¨ ankung. Wir haben stillschweigend vorausgesetzt, daß das Medium als Ganzes ruht! Die Elektrodynamik beliebig bewegter Medien werden wir erst bei der kovarianten Formulierung der Elektrodynamik, s. Kap. 30.2, kennenlernen und zwar als ein eindrucksvolles Beispiel der Anwendung von Einsteins Relativit¨atsprinzip im Minkowski-Raum zur Auffindung relativistischer Feldgleichungen, s. S. 153. Uns interessiert hier vor allem eine Frage, n¨ amlich nach den Gleichungen der Elektrodynamik, die ein Beobachter im Inertialsystem Σ (x , y , z , t ) feststellt, welches in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v besitzt. Gelten auch in Σ dieselben Maxwellschen Gleichungen (444) wie in Σo ? Wie h¨ angen dann aber die in Σ gemessenen elektrischen und magnetischen Felder E , B , D , H mit den entsprechenden Feldern in Σo zusammen? Welchen Zusammenhang zwischen den Koordinaten (x , y , z , t ) und (x, y, z, t) m¨ ussen wir zugrunde legen, damit dieselben Gleichungen (444) in allen Inertialsystemen gelten? Um die Beantwortung dieser Frage vorzubereiten, wollen wir zun¨ achst eine wichtige Konsequenz aus den Gleichungen (444) herleiten. Dazu betrachten wir das Vakuum ohne elektrische Ladungen und Str¨ ome, µ = µo , ε = εo , Vakuum, (445) keine Ladungen, keine Str¨ ome ρ=0 , j=0 . Die Beziehung (679), rot rot V = − V + grad div V , wenden wir auf die Felder E und B an und finden aus (444) und (445) ∂ rotB = 0 , ∂t ∂ −→ −H + grad div H − rotD = 0 , ∂t
∂ rotB = 0 , ∂t ∂ rotD = 0 , rot rotH − ∂t
−→ −E + grad div E +
rot rotE +
D = εo E ,
H=
1 B , µo
rotB − εo µo
∂E ∂t
=0 ,
divE = 0 ,
rotD + εo µo
∂H ∂t
=0 ,
divB = 0 .
180
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Abb. 46: James Clerk Maxwell, 13.6.1831 - 5.11.1879.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
181
Es folgen die Wellengleichungen f¨ ur die elektromagnetischen Felder: ⎫ 1 ∂2 ⎪ ⎪ E − E = 0 , ⎪ ⎬ c2 ∂t2 1 ∂2 B + B = 0 c2 ∂t2
Elektromagnetische Wellen (446)
⎪ ⎪ ⎪ ⎭
mit
c= √
1 . εo µo
Lichtgeschwindigkeit
(447)
√ amlich mit (402) und (430) F¨ ur die Gr¨ oße 1/ εo µo erhalten wir n¨
1 1 = √ εo µo 4π ·10−7 8, 85418782 ·10−12
Am Vm Vs As
= 0, 0299792458 · 1010
*m+ s
.
Das ist aber tats¨achlich nichts anderes als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c , die demnach aus den rein elektrischen Messungen zur Bestimmung von εo ermittelt werden kann, s. (431), S. 175. Wir machen hier darauf aufmerksam, daß es ohne den von Maxwell eingef¨ uhrten Verschiebungsstrom ∂D/∂t keine Wellengleichung f¨ ur die Felder gibt. Wie aus dem Gang der Rechnung ersichtlich ist, w¨ urden dann einfach die zweiten Ableitungen nach der Zeit fehlen. Die elementare L¨osung der homogenen Wellengleichung (446) f¨ ur die Felder E und B suchen wir mathematisch am einfachsten in der komplexen Form als ebene Wellen, E = Eo exp[iφ] = Eo exp[i ω t − k · x ] , B = Bo exp[iφ] = Bo exp[i ω t − k · x ] .
Ebene Wellen
(448)
Die physikalisch meßbaren Felder werden durch den Realteil (bzw. den Imagin¨ arteil) von (448) beschrieben. Die Gr¨ oße φ , die wir bereits bei der Aberration von Wellen kennengelernt haben, s. Gleichung (216),
φ(x, t) = ω t − k · x ,
Phase einer ebenen Welle
(449)
beschreibt den momentanen Schwingungszustand der ebenen Welle und heißt ihre Phase.
182
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Wegen exp[iφ] = cos φ + i sin φ gilt in (448) 2πk φ(x, t) = φ x + ,t |k|2
und
2π φ(x, t) = φ x , t + . ω
D.h., die Phase wiederholt sich, wenn wir bei konstantem t in k-Richtung um eine Wellenl¨ ange fortschreiten, also λ = 2π/|k| und ebenso, wenn wir bei konstantem x eine Schwingungsdauer lang warten, also T = 1/ν = 2π/ω . Die Fl¨ achen konstanter Phase φ = const , k · x = ω t + const ,
Fl¨ achen konstanter Phase
(450)
sind gem¨aß (450) Ebenen mit dem Normalenvektor k , dem sog. Wellenvektor. Wie man unmittelbar verifiziert, ist der Ansatz (448) genau dann eine L¨ osung von (446), wenn die Gleichung ω 2 = c2 k · k = c2 k 2 mit einer von k unabh¨ angigen Konstanten c erf¨ ullt ist. Man sagt dazu, die Wellen sind dispersionsfrei,
ω = c k = const bzw. c = λ ν .
Dispersionsfreiheit elektromagnetischer Wellen
(451)
Die Dispersionsfreiheit der elektromagnetischen Wellen im Vakuum gem¨ aß Gleichung (451) ist eine fundamentale Eigenschaft: Die Phasengeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen im Vakuum hat f¨ ur alle Frequenzen ein und denselben Wert, die Lichtgeschwindigkeit c = ω/k . Bei einer kontinuierlichen Verteilung der Wellen u ¨ber Bereiche von k-Werten f¨ uhren wir die Dichten dEo /d3 k und dBo /d3 k ein. Die allgemeine L¨ osung der Wellengleichungen (446) ¨ kann unter Verwendung von (451) f¨ ur ω dann durch Summation als eine Uberlagerung von ebenen Wellen (448) geschrieben werden gem¨aß ⎫ ⎪ E= dEo /d3 k exp[i ω t − k · x ]d3 k , ⎪ ⎪ ⎬ (452) ⎪ 3 ⎪ 3 ⎪ B= dBo /d k exp[i ω t − k · x ]d k . ⎭ Die Fl¨ achen konstanter Phase laufen mit der Geschwindigkeit c durch den Raum, wie man auch aus (450) durch Differentiation ablesen kann, wenn wir dx in Richtung des Wellenvektors k w¨ahlen und (451) ber¨ ucksichtigen, k · dx = ω dt −→
dx ω = = c f¨ ur dx ∼ k . dt |k|
(453)
Wegen der Dispersionsfreiheit der elektromagnetischen Wellen im Vakuum ist auch die Geschwindigkeit jeder Wellengruppe aus harmonischen Wellen gleich der Lichtgeschwindigkeit, c = ω/k = dω/dk .
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
183
F¨ ur jede ebene Welle (448) gilt ∂Ex ∂Ey ∂Ez + + = − i (kx Ex + ky Ey + kz Ez ) = − i k · E , ∂x ∂y ∂z ∂Ez ∂Ey ∂Ex ∂Ez ∂Ey ∂Ex rotE = − , − , − ∂y ∂z ∂z ∂x ∂x ∂y = − i (ky Ez − kz Ey , kz Ex − kx Ez , kx Ey − ky Ex ) = − i k × E ,
divE =
∂E ∂t
= iωE .
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(454)
Entsprechende Ausdr¨ ucke gelten f¨ ur den Vektor B . Mit (454) gehen wir in die Maxwellschen Gleichungen (444) ein, beachten unsere Voraussetzungen ρ = 0 , j = 0, ε = εo , µ = µo und finden k·E = 0 , k·B = 0 , k×E = ωB .
Transversalit¨ at elektromagnetischer Wellen
(455)
F¨ ur die Amplituden der Wellen im SI-Maßsystem folgt aus (451) und (455) |Eo | = c |Bo | .
(456)
Gleichung (455) dr¨ uckt die Transversalit¨ at elektromagnetischer Wellen aus: Die Vektoren E , B und k stehen wechselseitig aufeinander senkrecht und bilden in dieser Reihenfolge eine Rechtsschraube. Auf Grund der Zerlegbarkeit nach ebenen Wellen gem¨ aß (452) ist die Transversalit¨ at eine allgemeine Eigenschaft elektromagnetischer Wellen. Die elektromagnetischen Wellen eilen mit der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c durch den leeren Raum. Im Frequenzbereich von 3,8·10−14 Hz - 7,9·10−14 Hz k¨onnen wir sie als Licht sehen. Die Optik ist also ein Teilgebiet der Elektrodynamik. Die Lichtgeschwindigkeit hat daher in jedem Inertialsystem ein und denselben Wert c , wenn nur in jedem Inertialsystem dieselben Gleichungen der Elektrodynamik gelten. Die universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wurde damit zu einer zentralen Frage an die Elektrodynamik. Das war der historische Ausgangspunkt der Speziellen Relativit¨ atstheorie. a) L¨ osung der Maxwell-Gleichungen durch die elektromagnetischen Potentiale Die erste Gruppe (444)a) der Maxwell-Gleichungen ist stets homogen und kann durch einen Potentialansatz gel¨ ost werden. Wir setzen
B = rot A ,
E = −gradϕ −
∂A . ∂t
Potentialansatz
(457)
Die Gr¨ oßen A und ϕ heißen Vektorpotential und skalares Potential. Setzen wir (457) in die erste Gruppe (444)a) der Maxwell-Gleichungen ein, dann gilt wegen div rot = 0 und rot grad = 0 , s. die Formeln (671) und (669), f¨ ur beliebige Felder A und ϕ ,
184
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
∂B ∂A ∂rot A = −rot gradϕ − rot + =0 , ∂t ∂t ∂t ∂A ∂rot A ∂B = −rot gradϕ + =0 , rot E+ divB div rot A =− 0 rot ∂t ∂t ∂t Die erste Gruppe divB = div (444)a) rot A = der 0 Maxwell-Gleichungen ist mit dem Potentialansatz (457) also identisch erf¨ ullt. Diese Aussage gilt unabh¨ angig davon, ob wir die Elektrodynamik Die erste Gruppe (444)a) der Maxwell-Gleichungen ist mit dem Potentialansatz (457) im Vakuum oder im Medium betrachten. also identisch erf¨ ullt. Diese Aussage gilt unabh¨ angig davon, ob wir die Elektrodynamik Wir beachten nun, daß ein Vektorfeld V nach dem Helmholtzschen Hauptsatz der im Vakuum oder im Medium betrachten. Vektoranalysis erst dann bestimmt ist, wenn man sowohl u ¨ber rot V als auch u ¨ber div V Wir beachten nun, daß ein Vektorfeld V nach dem Helmholtzschen Hauptsatz der verf¨ ugt hat. An die Potentiale k¨ onnen wir daher eine Zusatzbedingung stellen. Das nennt Vektoranalysis erst dann bestimmt ist, wenn man sowohl40u ¨ber rot V als auch u ¨ber div V man Eichung. Wir postulieren hier die Lorenz-Eichung im Medium gem¨ aß verf¨ ugt hat. An die Potentiale k¨ onnen wir daher eine Zusatzbedingung stellen. Das nennt man ∂ϕ Eichung. Wir postulieren hier die Lorenz-Eichung40 im Medium aß Lorenzgem¨ -Eichung (458) εµ + div A = 0 . im Medium ∂t ∂ϕ Lorenz-Eichung (458) εµ + div A = 0 . im Medium ∂t F¨ ur das Vakuum, also ε −→ εo und µ −→ µo wird daraus wegen (447) rot E +
F¨ u1r das (447) ∂ϕ Vakuum, also ε −→ εo und µ −→ µo wird daraus wegen Lorenz -Eichung (459) + div A = 0 . 2 im Vakuum c ∂t 1 ∂ϕ Lorenz-Eichung (459) + div A = 0 . 2 ∂t im Vakuum Esc sind auch andere Eichungen, d.h. andere Zusatzbedingungen f¨ ur div A gebr¨ auchlich. Die Eichung paßt man an das Problem an, das mit Hilfe der Potentiale A und ϕ gel¨ ost Es sind auch andere Eichungen, d.h. andere Zusatzbedingungen f¨ ur div A gebr¨ auchlich. werden soll. F¨ ur die Behandlung elektromagnetischer Wellen und im Hinblick auf die Die Eichung paßt man an das Problem an, das mit Hilfe der Potentiale A und ϕ gel¨ ost kovariante Formulierung der Elektrodynamik im Vakuum wird sich die Lorenz-Eichung werden soll. F¨ ur die Behandlung elektromagnetischer Wellen und im Hinblick auf die als besonders vorteilhaft erweisen. Wir erw¨ ahnen hier noch die sog. Coulomb-Eichung kovariante 41 Formulierung der Elektrodynamik im Vakuum wird sich die Lorenz-Eichung div A = 0 . als besonders vorteilhaft erweisen. Wir erw¨ ahnen hier noch die sog. Coulomb-Eichung Unter der Annahme, daß ε und µ konstant sind, setzen wir den Potentialansatz (457) div A = 0 .41 nun in die zweite Gruppe (444)b) der Maxwellschen Gleichungen ein und finden zun¨ achst Unter der Annahme, daß ε und µ konstant sind, setzen wir den Potentialansatz (457) 1 in die zweite∂ Gruppe ∂A der Maxwellschen Gleichungen ein und finden zun¨ nun (444)b) achst rot rot A + ε gradϕ + =j , µ ∂t ∂t 1 ∂ ∂A rot rot gradϕ + =j , A + ε ∂A µ div gradϕ +∂t ∂t = ρ . −ε ∂t ∂A = ρLorenz . −ε gradϕ + wir mit Hilfe der -Eichung (458) in der ersten Gleichung das Hierdiveliminieren ∂t skalare, in der zweiten Gleichung das Vektorpotential und erhalten Lorenz-Eichung (458) in der ersten Gleichung das Hier eliminieren wir mit Hilfe der ∂ 2das Vektorpotential und erhalten 1 skalare, in der zweiten Gleichung rot rot − grad div A + ε µ 2 A = j , µ ∂t2 ∂ 1 (460) 2 + εµ rot rot − grad div ∂A A =j , µ ∂t2 ε −div grad ϕ + ε µ 2 ϕ =ρ . (460) ∂t2 ∂ ε −div grad ϕ + ε µ 2 ϕ =ρ . ∂t 40 Dieser Name ist zu Ehren des d¨ anischen Physikers Ludvig Valentin Lorenz (1829 - 1891) gew¨ ahlt worden und sollte nicht mit dem niederl¨ andischen Physiker Hendrik Antoon Lorentz (1853 - 1928) 40 Dieser Name ist Es zu gibt Ehren des eine d¨ anischen Physikers Ludvig Valentin Lorenz (1829[1]-. 1891) gew¨ ahlt verwechselt werden. sogar Lorenz-Lorentzsche Formel, vgl. Sommerfeld 41 Die und + gradχAntoon worden sollte nicht dem A niederl¨ ndischen - 1928) M¨ oglichkeit, die mit Gr¨ oßen und aϕ gem¨ aß Physiker A → AHendrik und ϕ Lorentz → ϕ = (1853 ϕ − ∂/(∂ t )χ . verwechselt Esphysikalischen gibt sogar eineFelder Lorenz-Lorentzsche Formel, vgl. Sommerfeld umzu¨ andern,werden. ohne die E und B nach Gleichung (457) zu ¨ andern,[1]heißt Eichtrans41 Die M¨ oglichkeit, die Gr¨ oßen Adazu und geht ϕ gem¨ → zur¨ A u+ckgradχ undinϕder→Physik ϕ = eine ϕ −gewaltige ∂/(∂t )χ formation. Die vertiefende Theorie aufaß H.A Weyl und hat umzu¨ andern, ohne die physikalischen Felder E und B nach Gleichung (457) zu ¨ andern, heißt EichtransBedeutung erlangt. formation. Die vertiefende Theorie dazu geht auf H. Weyl zur¨ uck und hat in der Physik eine gewaltige Bedeutung erlangt.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
185
Mit dem Laplace-Operator (673) und den Formeln (679) und (676), also div grad ϕ = ϕ und rot rot A = − A + grad div A f¨ uhren wir in Anlehnung an die Schreibweise (262) in beiden Gleichungen den Operator εµ ein,
εµ := ε µ
∂2 − , ∂t2
(461)
der die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen in Medien beherrscht. F¨ ur (460) folgt damit die inhomogene Wellengleichung f¨ ur die Komponenten des skalaren und des Vektorpotentials,
εµ A =
1 ∂2 A − A = µj , c2m ∂t2
1 ∂2 ρ εµ ϕ = 2 2 ϕ − ϕ = . cm ∂t ε
(462)
Die Gr¨ oße cm ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen in Medien mit der Dielektrizit¨atskonstanten ε und der Permeabilit¨ at µ . Es folgt 1 c c cm = √ = =√ εµ εr µr n
(463)
√ mit dem Brechungsindex n = εr µr . F¨ ur das Vakuum mit ε = εo und µ = µo folgt daraus wieder die VakuumLichtgeschwindigkeit c gem¨aß (447). Mit Hilfe der Gleichungen (462) kann man nachrechnen, daß Ladungen, die sich beschleunigt bewegen, wir erw¨ ahnen hier den Hertzschen Dipol, elektromagnetische Wellen erzeugen, s. z.B. Becker[1] . Gibt es weder Ladungen noch Str¨ ome, so gelten die homogenen Wellengleichungen 1 ∂2 A − A = 0 , c2m ∂t2 1 ∂2 ϕ − ϕ = 0 . c2m ∂t2
(464)
Mit A und ϕ gen¨ ugen gem¨aß (457) auch alle Komponenten von E und B den Wellengleichungen (462) bzw. (464), wie wir das oben mit den Gleichungen (446) nachgewiesen und diskutiert haben. Um nun zu zeigen, daß die Gleichungen (444) tats¨ achlich bereits der Forderung nach einer universellen G¨ ultigkeit in allen Inertialsystemen gen¨ ugen, m¨ ussen wir die Maxwellschen Gleichungen gem¨aß dem Einsteinschen Relativit¨atsprinzip im Minkowski-Raum, s. S. 153, ’nur noch’ als Tensorgleichungen im Minkowski-Raum formulieren. Man beachte, daß die Lichtgeschwindigkeit cm im Medium keine Lorentz-invariante Gr¨ oße darstellt.
186
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
30.2 Die kovariante Formulierung der Elektrodynamik Gem¨aß dem in Kap. 28.6, S. 153, formulierten Relativit¨ atsprinzip zeigen wir nun, daß die Maxwellschen Gleichungen in jedem Inertialsystem gleichermaßen gelten, indem wir sie als Tensorgleichungen im Minkowski-Raum schreiben. Wir haben bereits bemerkt, daß wir dieses Relativit¨atsprinzip brauchen, um eine noch ausstehende Verallgemeinerung der Maxwellschen Gleichungen (444) zustande zu bringen, n¨ amlich den Fall eines Mediums mit einer beliebigen Str¨ omungsgeschwindigkeit w der Materie. Zun¨ achst wollen wir einen bemerkenswerten mathematischen Zusammenhang zwischen den Feldvektoren E und B aufdecken, n¨ amlich ihre Eigenschaft, einen vierdimensionalen Tensor zu bilden, eine Arbeit, die A. Einstein zur Aufl¨ osung der von ihm kritisierten Asymmetrie bei der klassischen Erkl¨arung des Induktionsexperimentes im Jahre 1905 geleistet hat (s. das Zitat auf S. 164 und die Ausf¨ uhrungen dazu auf S. 172-173). Mit Hilfe der Minkowskischen Methode gelingt dies nun besonders einfach. 30.2.1 Die vierdimensionalen Gr¨ oßen der Elektrodynamik Wir zeigen zun¨ achst, daß die auf den rechten Seiten von (444) stehenden Gr¨ oßen, die Stromdichte j = ρ u und die Ladungsdichte ρ , sich bereits zu einem Vierervektor zusammenfassen lassen. Jede elektrische Ladung kann nur in Vielfachen der Elementarladung eo eines Elektrons auftreten42 . Die Elementarladung eo ist daher eine Naturkonstante, die gem¨aß Einsteins Relativit¨ atsprinzip in allen Inertialsystemen ein und denselben Wert haben muß. Die Elementarladung eo ist eine Invariante im Minkowski-Raum. Wir betrachten eine fixierte Menge ∆e von Ladungen, die ein sog. materielles Volumen markieren. Die Summe ∆e von Elementarladungen , d.h. ihre Anzahl, ist unabh¨ angig vom Bezugssystem. Σe sei das momentane Ruhsystem der kleinen Ladungsmenge ∆e . Mit ∆Vo bezeichnen wir das in Σe gemessene, materielle Volumen. Also ist ∆Vo definitionsgem¨ aß ebenfalls unabh¨ angig vom Bezugssystem, und ebenso ist die ’Ruhdichte’ ρe , ρe := ∆e/∆Vo , ein Skalar im Minkowski-Raum. Von Σo aus betrachtet, wo die Ladungen die Geschwindigkeit u = (ux , uy , uz ) besitzen, beanspruchen die Ladungen ein Volumen ∆V , wof¨ ur dort wegen der Lorentz-Kontraktion in Bewegungsrichtung u der kontrahierte Wert (465) ∆V = γu ∆Vo gemessen wird. Dabei ist u := |u| . F¨ ur die mit der Geschwindigkeit u = (ux , uy , uz ) in Σo bewegte Ladungsdichte ρ = ∆e/∆V gilt daher ∆e ∆Vo , ρ= ∆Vo ∆V also ρ=
ρe ∆e , ρe = , γu = 1 − u2 /c2 . γu ∆Vo
42 Die
Bewegte Ladungsdichte ρ und invariante Ruhdichte ρe
gedrittelten Elementarladungen der sog. quarks existieren nicht als freie Teilchen.
(466)
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
187
Wir erinnern an den Vierervektor ui der Geschwindigkeit (375). Wegen der Invarianz von ρe bilden dann die Gr¨ oßen ρe ui = ρe c/γu , ux /γu , uy /γu , uz /γu einen Vierervektor, die i Viererstromdichte j , den Konvektionsstrom der bewegten Ladungen,
c
ux
uy
uz
j = ρe u = ρe , , , Vierervektor 1−u2 /c2 1−u2 /c2 1−u2 /c2 1−u2 /c2 (467) der Stromdichte = ρ c, ux , uy , uz , . i
i
Mit den Koordinaten im Minkowski-Raum xi = (x0 , x1 , x2 , x3 ) = (c t, x, y, z) l¨ aßt sich damit die Kontinuit¨ atsgleichung (411), die differentielle Form f¨ ur die Erhaltung der Ladungen, in einer vom Bezugssystem unabh¨ angigen, vierdimensionalen Form schreiben, ∂ i j = 0 mit j i = ρe ui . ∂xi
Kontinuit¨ atsgleichung
(468)
onnen wir daher mit Aus den beiden rechten Seiten der Maxwell-Gleichungen (444)b) k¨ ρ c und ρ u im Minkowski-Raum den Vektor j i bilden. Wir m¨ ussen nun die tensorielle Formulierung f¨ ur die linken Seiten der Gleichungen (444) finden. Zu diesem Zweck schreiben wir den Potentialansatz (457) f¨ ur E und B explizit auf,
Bx =
∂ ∂ Az − Ay , ∂y ∂z
By =
∂ ∂ Ax − Az , ∂z ∂x
Bz =
∂ ∂ Ay − Ax , ∂x ∂y
∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ Ex = − ϕ− Ax , Ey = − ϕ− Ay , Ez = − ϕ− Az ∂x ∂(ct) ∂y ∂(ct) ∂z ∂(ct)
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ .⎪ ⎭
(469)
F¨ ur die kovariante Formulierung der Maxwell-Gleichungen (444) ist nun der folgende Ansatz entscheidend: Das Vektorpotential A = (Ax , Ay , Az ) bildet zusammen mit dem skalaren Potential ϕ einen Vierervektor A im Minkowski-Raum mit den ko- und kontravarianten Komponenten des Vierervektors A gem¨aß: ⎫ ϕ ⎬ Ai = (A0 , A1 , A2 , A3 ) = ( , Ax , Ay , Az ) , c ϕ Ai = (A0 , A1 , A2 , A3 ) = ηik Ak = ( , −Ax , −Ay , −Az ) . ⎭ c
(470)
Den Potentialansatz (457) bzw. (469) k¨ onnen wir damit in der folgenden vierdimensionalen tensoriellen Form schreiben,
188
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Fik =
∂ ∂ Ak − k Ai i ∂x ∂x
(471)
bzw. auch k¨ urzer in der Schreibweise (658), S. 247, Fik = ∂i Ak − ∂k Ai = Ak , i −Ai , k ,
(472)
ur den wir auch noch die kontravarianten wenn wir unter Fik folgenden Tensor verstehen, f¨ Komponenten F ik == ηir ηks Frs aufschreiben, ⎛ 0
Fik
Ex c
Ey c
⎜ ⎜ ⎜ Ex ⎜− 0 −Bz ⎜ c =⎜ ⎜ Ey ⎜− 0 Bz ⎜ c ⎜ ⎝ Ez − −By Bx c
Ez ⎞ c ⎟ ⎟ ⎟ By ⎟ ⎟ ⎟, ⎟ −Bx ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ 0
⎛
F ik
⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ =⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝
0
−
Ex c
Ex 0 c Ey Bz c Ez −By c
−
Ey c
−Bz 0 Bx
Ez ⎞ c ⎟ ⎟ ⎟ By ⎟ ⎟ ⎟. ⎟ −Bx ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ 0
−
(473)
Daraus folgt eine weitreichende begriffliche Konsequenz: Die Felder E und B bilden eine einheitliche mathematische Gr¨ oße, den Tensor F im Minkowski-Raum. Mit Minkowskis eleganter Mathematik haben wir damit den oben auf S. 186 angek¨ undigten, von Einstein entdeckten, mathematischen Zusammenhang zwischen den Vektoren E und B gefunden, der die zentrale Aussage der kovariant formulierten Elektrodynamik ist: Die dreidimensionalen Vektoren der elektrischen Feldst¨ arke E und der magnetischen Induktion B bilden gem¨aß (473) einen zweistufigen antisymmetrischen Tensor F im Minkowski-Raum. Die Transformationen im Minkowski-Raum, die allgemeinen Lorentz-Transformationen, ¨ enthalten beides, rein r¨ aumliche Drehungen und Uberg¨ ange von einem Inertialsystem zu einem anderen. In Aufg. 27, S. 306, zeigen wir, daß die dreidimensionale Vektoreigenschaft von E und B auch durch den vierdimensionalen Tensor F erf¨ ullt wird. Die eigentlichen Lorentz-Transformationen f¨ ordern aber nun eine v¨ ollig neue Eigenschaft der Felder E und B zutage. Von einem rein elektrischen Feld oder einem rein magnetischen Feld im Bezugssystem Σo sagt ein Beobachter in einem dazu bewegten System Σ , daß er in beiden F¨ allen sowohl ein elektrisches als auch ein magnetisches Feld mißt. Der vierdimensionale Tensor des elektromagnetischen Feldes Fik im Minkowski-Raum zerf¨ allt in jedem Inertialsystem in unterschiedliche Komponenten der magnetische Induktion B und der elektrischen Feldst¨ arke E - ebenso wie ein zweidimensionaler Vektor V f¨ ur verschiedene kartesische Koordinatenachsen (x, y) bzw. (x , y ) in der Ebene in unterschiedliche Komponenten (Vx , Vy ) bzw. (Vx , Vy ) zerf¨allt. Wir wollen dies jetzt am Beispiel einer speziellen Lorentz-Transformation zeigen.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
189
Durch (473) sollen die Komponenten des Feldst¨ arketensors Fik im Bezugssystem Σo gegeben sein. Mit Fi k bezeichnen wir die Komponenten im System Σ , das sich, von Σo aus gemessen, mit der Geschwindigkeit v entlang der x-Achse bewegt. Der Tensor Fik transformiert sich gem¨ aß (636), also F i k =
∂xi ∂xk Fik . ∂xi ∂xk
(474)
Mit der speziellen Lorentz-Transformation (284) k¨ onnen wir (474) auch in Matrixschreibweise angeben. Wir beachten, daß in (474) die Matrix der inversen LorentzTransformation aus (284) wirksam wird und erhalten 0
Fi k
0
B B E B− x B c =B B Ey B− c @ E − cz
0
1 γ
B β B B γ =B B 0 @ 0
Ex c
Ey c
0
−Bz
Bz
0
−By
Bx
β γ
0
0
1 γ
0
0
1
0
1
Ez c
C C By C C C C −Bx C A
10
0 0
CB E x B 0C C B− c CB E y B 0C A @− c
0
− Ecz
1
Ex c
Ey c
0
−Bz
Bz
0
−By
Ez c
10
1 γ
CB β B By C CB γ CB C −Bx A B @ 0
Bx
0
0
1
β γ
0
1 γ
0
0
1
C 0C C C . 0C A
0
0
1
0
Die Ausmultiplikation dieser Matrizen oder die Berechnung der Summen (474) ergibt dann f¨ ur die Komponenten Fi k des Feldst¨arketensors in Σ 0
0 B B E B− x B c B B Ey B− c @ −
Ez c
Ex c
Ey c
Ez c
0
−Bz
By
Bz
0
−Bx
Bx
0
−By
1
0 0 C B C B C B − Ex c C B C = B E −v B z C B− y C @ cγ A E +v B − z cγ y
Ex c
0 c Bz −β Ey cγ
−
c By +β Ez cγ
Ey −v Bz cγ
−
c Bz −β Ey cγ
0 Bx
Ez +v By cγ c By +β Ez cγ
−Bx
1 C C C C . C C A
(475)
0
Wir k¨ onnen nun leicht zeigen, daß die Lorentz-Kraftdichte f in (444)c) die ersten drei Komponenten eines Vierervektors f bilden gem¨aß fi =
1 c
f · u, fx , fy , fz
.
(476)
Ein Vierervektor ist die Gr¨ oße f i , weil sie sich als tensorielles Produkt aus dem Tensor (473) und dem Vektor (467) schreiben l¨ aßt gem¨aß (wobei wir noch (466) beachten),
190
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie ⎛
i
f =F
ik
⎜ ⎜ ⎜ jk = ρ ⎜ ⎜ ⎝
0
− Ecx
−
Ey c
Ex c
0
−Bz
Ey c
Bz
0
Ez c
−By
Bx
− Ecz
⎞⎛
c
⎞
⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟ By ⎟ ⎟⎜ −ux ⎟ ⎟. ⎟⎜ ⎜ −uy ⎟ −Bx ⎟ ⎠ ⎠⎝ −uz 0
Vierervektor der Lorentz-Kraftdichte
(477)
Mit der Lorentz-Kraftdichte (414) bilden wir u · f = ρ u · E + u × B = ρ u · E , weil u · (u × B) = 0 . F¨ ur die nullte Komponente von f k¨ onnen wie daher schreiben f 0 = (1/c) f · u = (1/c)ρ E · u , und das ist gleich der durch c dividierten Dichte der Leistung des elektromagnetischen Feldes an der Ladungsdichte ρ . Um diese Aussage mit der Gleichung (389) der relativistischen Mechanik besser vergleichen zu k¨ onnen, betrachten wir eine punktf¨ ormige Ladungsdichte ρ = eo δ(x) δ(y) δ(z) , die wir o.B.d.A. an den Koordinatenursprung gesetzt haben. Die dreidimensionale Gesamtkraft ¨ber die Lorentz-Kraftdichte f , F auf die Ladung eo erhalten wir durch Integration u ⎫ ⎪ F= f dxdydz = ρ E + u × B dxdydz ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ (478) = eo δ(x) δ(y) δ(z) E + u × B dxdydz ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ = eo (E + u × B) , also die Lorentz-Kraft F = (Fx , Fy , Fz ) gem¨aß (415). In (478) haben wir u ¨ber das Volumen der Ladung integriert. Da das Volumenelement dxdydz aber kein Lorentz-Skalar ist, sondern der Lorentz-Kontraktion mit dem Faktor γu unterliegt, bilden die drei Komponenten (Fx , Fy , Fz ) der Lorentz-Kraft nicht die letzten drei Komponenten eines Vierervektors. Den Minkowskischen Kraftvektor, den ¨ Vierervektor F , erhalten wir in Ubereinstimmung mit Gleichung (383) in Kap. 29 daher erst nach Division durch Faktor γu , also, indem wir auch die nullte Komponente aufschreiben, Fi =
1 F · u Fx Fy Fz , , , c γu γu γu γu
Vierervektor der
.
Lorentz-Kraft
(479)
Dies ist genau die in der relativistischen Mechanik gefundene Form (389) der Viererkraft. F¨ uhren wir nun in (479) ebenso wie in (477) den Tensor der Feldst¨ arke ein, so k¨ onnen wir f¨ ur den Minkowskischen Kraftvektor auch schreiben ⎛ i
F = eo F
ik
⎜ ⎜ ⎜ uk = eo ⎜ ⎜ ⎝
0
− Ecx
−
Ey c
Ex c
0
−Bz
Ey c
Bz
0
Ez c
−By
Bx
− Ecz
⎞⎛
c
⎞
⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟ By ⎟ ⎟⎜ −ux ⎟ ⎟⎜ ⎟. ⎜ ⎟ −Bx ⎟ ⎠⎝ −uy ⎠ −uz 0
(480)
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
191
In Kap. 29, S. 161ff., s. die Gleichungen (391) und (392), haben wir gezeigt, daß F i ein Minkowskischer Vierervektor wird, wenn die dreidimensionale Kraft F eine LorentzInvariante ist, wie wir dies gem¨ aß dem Prinzip (94), S. 66, f¨ ur die mechanischen Kr¨ afte postuliert haben. In der Elektrodynamik haben wir dieses Postulat also durch den vierdimensionalen Tensorcharakter des elektromagnetischen Feldes erf¨ ullt. In Aufg. 29, S. 308, benutzen wir den vierdimensionalen Charakter des elektromagnetischen Feldes F , um aus dem statischen Coulomb-Feld einer ruhenden Punktladung durch eine rein algebraische Rechnung, n¨ amlich eine Lorentz-Transformation, das Feld einer gleichf¨ ormig bewegten Punktladung zu bestimmen. Man sieht nun auch, daß der Tensorcharakter des elektromagnetischen Feldes in bezug auf Lorentz-Transformationen gem¨ aß (473) - (475) das eingangs zitierte Problem der Asymmetrie bei der Erkl¨ arung der Induktionserscheinungen l¨ ost, auf das Einstein aufmerksam gemacht hat, s. S. 164: F¨ ur die Strom erzeugende Kraft auf die Elektronen ist in jedem Fall das elektrische Feld verantwortlich, das von dem relativ zur Leiterschleife ruhenden Beobachter gemessen wird. Wir betrachten den Fall, daß im System Σo von dem Tensor Fik nur die Komponenten B = (Bx , By , Bz ) der magnetischen Induktion von Null verschieden sein sollen, z.B. erzeugt durch einen in Σo ruhenden Magneten. Gem¨ aß dem klassischen Induktionsversuch bewege sich eine Leiterschleife mit einer Geschwindigkeit u = (−u, 0, 0) auf den Magneten zu. Befindet sich jene links vom Magneten, dann ruht die Leiterschleife also in einem System Σ , das sich in Richtung der negativen x-Achse von Σo mit der Geschwindigkeit vom Betrag u bewegt. Indem wir in (475) v durch −u ersetzen, lesen wir sofort ab, daß der auf der Leiterschleife ruhende Beobachter ein elektrisches Feld E = (0, u Bz /γu , −u By /γu ) feststellt, welches die Induktionsspannung bewirkt. In Σ ist ui = (c, 0, 0, 0) , also gem¨aß (480) u Bz u By ,− , 0) . (481) γu γu F¨ ur die Komponenten F i und F i des Minkowskischen Kraftvektors gilt dieselbe Lorentz-Transformation wie f¨ ur die Koordinaten. F 2 und F 3 ¨andern sich also durch diese Transformation nicht, und F 1 und F 4 verschwinden ebenso wie F 1 und F 4 . F¨ ur die Kraftvektoren gilt daher unver¨ andert auch in Σo , u Bz u By ,− , 0) . (482) F i = eo (0, γu γu Mit u = (−u, 0, 0) und B = (Bx , By , Bz ) stellt der Beobachter in Σo daher gem¨ aß (479) eine Kraft F fest,
F i = eo (0,
F = eo u × B .
(483)
Diese Kraft nennt er Lorentz-Kraft. Wie wir in Kap. 30.1.3, S. 173, gezeigt haben, kann mit der Lorentz-Kraft (483) der in der Leiterschleife induzierte Strom erkl¨ art werden. Wir haben hier also durch Lorentz-Transformation des elektromagnetischen Tensors Fik , also auf algebraischem Weg, gezeigt, daß die Strom erzeugende Kraft auf die Elektronen auch in dem Fall der Bewegung des Leiters im System Σo relativ zu dem dort ruhenden Magneten durch dasjenige elektrische Feld entsteht, das der relativ zur Leiterschleife ruhende Beobachter feststellt. Dadurch ist die Symmetrie in der Erkl¨ arung des experimentell von vornherein symmetrischen Induktionseffektes hergestellt.
192
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Aus der vierdimensionalen Vektoreigenschaft der elektromagnetischen Potentiale (470) folgt nun ferner, daß die Lorenz-Eichung (459) im Vakuum eine Lorentz-invariante Beziehung ist, die also in jedem Inertialsystem erhalten bleibt, wenn sie nur in einem einzigen System gefordert ist. Das ist besonders f¨ ur theoretische Untersuchungen ein mathematischer Vorteil dieser Eichung. F¨ ur (459) k¨ onnen wir n¨ amlich einfach schreiben ∂ Ai = 0 . ∂xi
Lorenz-Eichung im Vakuum
(484)
Die Lorenz-Eichung (458) im Medium ist nat¨ urlich keine Lorentz-invariante Beziehung. 30.2.2 Die vierdimensionalen Gr¨ oßen der Elektrodynamik Wir betrachten das Vakuum mit elektrischen Ladungen und Str¨ omen, also ε = εo ,
µ = µo ,
ρ,
Vakuum mit bewegten Ladungen
j = ρu .
(485)
F¨ ur ε = εo und µ = µo k¨ onnen wir f¨ ur den Laplace-Operator (461) schreiben
εo µo ≡ =
1 ∂2 ∂ ∂ ij − = η . 2 2 c ∂t ∂xi ∂xj
(486)
Der Operator ist also Lorentz-invariant. Mit dem Potentialansatz (471) und der Lorenz-Eichung (484) reduzieren sich daher die Maxwell-Gleichungen f¨ ur das Vakuum auf
Ai = µo j i
mit
∂ i A =0. ∂xi
(487)
Die Lorentz-invariante Form der Lorentz-Kraft kennen wir bereits aus Gleichung (480). Das vollst¨andige System der Maxwell-Gleichungen, aufgeschrieben mit dem Feldst¨arketensor (473) aus den meßbaren Feldern E und B , lautet damit
a)
∂ ∂ ∂ Fkl + k Fli + l Fik = 0 ∂xi ∂x ∂x
b)
∂ F ik = µo j k , ∂xi i
c) f = F
ik
c = √
jk = ρe F
1 . εo µo
ik
ui ,
⎫ ⎪ ,⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Kovariante Form der Maxwell-Gleichungen
(488)
im Vakuum
Hier brauchen wir keinen weiteren Tensor f¨ ur die Felder D und H . Die Maxwellschen Gleichungen im Vakuum enthalten nur eine physikalische Konstante, die VakuumLichtgeschwindigkeit c . Das verwendete SI-Maßsystem mag diesen Sachverhalt etwas
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
193
verschleiern. Die Konstante µo ist willk¨ urlich hineingetragen, und im Feldst¨ arketensor F signalisiert der Faktor 1/c bei E nur eine scheinbare Unsymmetrie der Felder E und B . In Kap. 30.3 geben wir aus diesem Grund die Maxwellsche Theorie noch einmal im absoluten Maßsystem an. Mit dem Komma f¨ ur die partielle Ableitung schreibt man (488)a) auch gern in der Form Fkl , i +Fli , k +Fik , l = 0 . Wie man einfach u ¨berpr¨ uft, wird (488)a) durch den Potentialansatz (471) bzw. (472) identisch erf¨ ullt, so daß die Maxwell-Gleichungen damit auf die Gleichungen (487) zur¨ uckgef¨ uhrt werden, Fik , l +Fkl , i +Fli , k = ∂l ∂i Ak −∂l ∂k Ai +∂i ∂k Al −∂i ∂l Ak +∂k ∂l Ai −∂k ∂i Ai Al = 0 . Unter Beachtung von (473) erhalten wir unter Verwendung der Schreibweise (658) aus (488)a) f¨ ur i, k, l = 1, 2, 3 F12 , 3 +F23 , 1 +F31 , 2 = ∂z Bz + ∂x Bx + ∂y By = div B = 0 . Das Induktionsgesetz ergibt sich, wenn in (488)a) genau einer der Indizes gleich 0 ist, z.B. f¨ ur i, k, l = 1, 2, 0 mit x0 = ct , ∂B 1 1 1 1 + (rot E)z = 0 . F12 , 0 +F20 , 1 +F01 , 2 = − ∂t Bz − ∂x Ey + ∂y Ex = − c c c c ∂t z Ebenso ist (488)b) mit (444)b) identisch. Wir beachten (467) und erhalten f¨ ur k = 0 F i0 , i = F 10 , 1 +F 20 , 2 +F 30 , 3 1 = ∂x Ex + ∂y Ey + ∂z Ez = µ0 c , c also 1 div E = ρ µo c2
−→
εo div E = ρ .
und damit div D = ρ . Und f¨ ur k = 1, 2, 3 folgt das Durchflutungsgesetz unter Einbeziehung des Maxwellschen Verschiebungsstroms, also z.B. f¨ ur k = 1 , F i1 , i = F 01 , 0 +F 21 , 2 +F 31 , 3 1 Ex = − ∂t + ∂y Bz − ∂z By = µ0 ux , c c also
194
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
∂y Bz − ∂z By − εo µo ∂t Ex = µ0 ux , ∂1y Bz − ∂z By − εo µo ∂t Ex = µ0 ux , (rot B)x − εo ∂t Ex = µ0 ux −→ µo 1 (rot B) − εo ∂t Ex = µ0 ux −→ und µo damitx
(rot H)x − ∂t Dx = µ0 ux (rot H)x − ∂t Dx = µ0 ux
(rot und H) damit x − ∂t Dx = µ0 ux . Die Gleichung (488)c) f¨ ur die Lorentz-Kraftdichte f i haben wir bereits in (477) (rot H) x − ∂t Dx = µ0 ux . besprochen. i Lorentz haben wir bereits in (477) Die Gleichung (488)c) f¨ ur die F¨ ur ein ladungsfreies Vakuum erhalten wir-Kraftdichte aus (487) die fhomogenen Wellengleichungen besprochen. = ladungsfreies 0 . (489) uA F¨ r iein Vakuum erhalten wir aus (487) die homogenen Wellengleichungen i Mit k im Minkowski-Raum, = 0Vierervektor . Adem
(489)
ωVierervektor k imMinkowski-Raum,
ω Mit dem ←→ k i = Vierervektor (490) ki = , −kx , −ky , −kz , kx , ky , kz , c c
ω
ω ←→ k i = Vierervektor (490) ki = , −kx , −ky , −kz , kx , ky , kz , c c 18, S. 290, eine Lorentz-Invariante, ist die Phase φ , s. Kap. 26, S. 112ff., und Aufg. ist die Phase φ , s. Kap. 26, S. 112ff., und Aufg. 18, S. 290, eine Lorentz-Invariante, φ = ω t − k · x := ki xi . Invariante Phase (491) φ = ω t − k · x := ki xi . Invariante Phase (491) Die ebenen Wellen (448) erhalten wir nun aus dem Viererpotential Ai gem¨aß Die ebenen Wellen (448) erhalten wir nun aus dem Viererpotential Ai gem¨aß Ai = Aio exp[i ω t − k · x ] = Aio exp[i ki xi ] . Ebene Wellen (492) Ai = Ai exp[i ω t − k · x ] = Aio exp[i ki xi ] . Ebene Wellen (492) Bei einero kontinuierlichen Verteilung der Wellen u ¨ber Bereiche von k-Werten f¨ uhren wir die Dichten dAio /d3 k ein. Mit (451) kann die allgemeine L¨ osung von (489) dann durch Bei einer kontinuierlichen Verteilung der Wellen Wellen geschrieben u ¨ber Bereiche von k-Werten f¨ uhren wir ¨ Summation als eine Uberlagerung ebener werden gem¨aß i 3 die Dichten dA /d k ein. Mit (451) kann die allgemeine L¨ o sung von (489) dann durch o alsi eine ¨ Wellen Summation ebener geschrieben werden gem¨ a ß i 3 Uberlagerung 3 A = dAo /d k exp[i k c t − k · x ]d k . (493) Ai = dAio /d3 k exp[i k c t − k · x ]d3 k . (493) a) Doppler-Effekt und Aberration in der kovarianten Behandlung Die relativistische Theorie des Doppler-Effektes und der Aberration folgt nun in eleganter a) Doppler-Effekt und Aberration in der kovarianten Behandlung Weise aus der obigen einfachen Feststellung, daß die Phase φ eine Lorentz-Invariante ist, Doppler und der Aberration folgt nun in eleganter Die relativistische des 30, vgl. auch Aufg. 18Theorie und Aufg. S. 290-Effektes und S. 313. Weise aus der obigen einfachen Feststellung, daß dieWellen Phase (451), φ eined.h. Lorentz ist, Aus der Dispersionsfreiheit der elektromagnetischen ω = c-Invariante k, folgt sofort vgl.i auch Aufg. 18 und Aufg. 30, S. 290 und S. 313. kAus = 0Dispersionsfreiheit , (494) i k der der elektromagnetischen Wellen (451), d.h. ω = c k, folgt sofort alt die Angaben u ¨ber die Ausbreitungsrichd.h.,i k i ist ein Nullvektor. Dieser Vektor enth¨ ki k = 0 , (494) tung und die Frequenz der Welle. Bildet jene mit den x-, y- und z-Achsen die Winkel i ist ein Nullvektor. Dieser Vektor enth¨ a lt die Angaben u ¨ ber die Ausbreitungsrichd.h., k η , θ , und ζ , dann k¨ onnen wir f¨ ur den Einheitsvektor n = (nx , ny , nz ) = (cos η, cos θ, cos ζ) tung und die Frequenz der jenekymit x-,schreiben. y- und z-Achsen die Winkel in Ausbreitungsrichtung (nxWelle. , ny , nzBildet ) = kx /k, /k, den kz /k) η , θ , und ζ , dann k¨ onnen wir f¨ ur den Einheitsvektor n = (nx , ny , nz ) = (cos η, cos θ, cos ζ) in Ausbreitungsrichtung (nx , ny , nz ) = kx /k, ky /k, kz /k) schreiben.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
195
Wegen k = 2π/λ = 2πν/c = ω/c erhalten wir damit f¨ ur k i die Form
2π k0 , k1 , k2 , k3 = (ν, ν cos η, ν cos θ, ν cos ζ ) . c
(495)
oge dort eine ebene Welle mit dem (dreidimenEin im Bezugssystem Σo ruhender Sender m¨ sionalen) Wellenvektor k und der Frequenz ν = νS emittieren. Die ebenen Wellenfl¨ achen laufen also mit der Lichtgeschwindigkeit c in die Richtung (nx , ny , nz ) von k . Ein Inertialsystem Σ bewege sich in der negativen x-Richtung von Σo , habe also in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v = (−v, 0, 0) . In Σ ruht ein Empf¨ anger E . Wenn die Wellenfl¨ achen also z.B. in die Richtung der positiven x-Achse laufen, dann kommt ihnen der Empf¨ anger mit der Geschwindigkeit v entgegen. Wir nehmen nun eine beliebige Ausbreitungerichtung an, Abb. 47. Der Empf¨ anger E beobachtet f¨ ur die ebene Welle einen Vierervektor k i mit der Empfangsfrequenz ν = νE und dem dreidimensionalen Richtungsvektor n = (nx , ny , nz ) = (cos η , cos θ , cos ζ ) ,
k0 , k1 , k2 , k3
=
2π (ν , ν cos η , ν cos θ , ν cos ζ ) . c
Die Vektorkomponenten k i und k i Minkowski-Raumes u ¨ ber die spezielle men; nur m¨ ussen wir dort v durch Bezugssystem Σ dort mit v und hier ⎫ ν cos η + ν β ⎪ , ⎪ ν cos η = ⎪ ⎪ ⎪ 1 − β2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ν cos θ = ν cos θ , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ν + β ν cos η ⎪ ⎪ = . ⎪ ⎭ 2 1−β
ν cos ζ = ν cos ζ , ν
(496)
h¨ angen wie die Koordinaten xi und xi des Lorentz-Transformation (75) bzw. (284) zusam−v bzw. β durch −β ersetzen, weil sich das mit −v bewegt, also
(497)
Diese Formeln enthalten die vollst¨ andige relativistische Theorie der Dopplerschen ¨ Frequenzverschiebung und der als Aberration bezeichneten Anderung der Ausbreitungsrichtung der Welle, wenn sie von Σ aus beurteilt wird. F¨ ur die Anwendung dieser Formeln muß man ber¨ ucksichtigen, daß die Beobachtungsrichtung des Empf¨ angers E durch die Winkel η , θ , ζ des gestrichenen Systems Σ zu beschreiben ist. Andernfalls kann man leicht in eine Falle geraten, vgl. Aufg. 36, S. 328. Um die mit der Beobachtung unmittelbar vergleichbare Formel f¨ ur den relativistischen Doppler-Effekt aus (497) zu erhalten, wollen wir daher cos η mit Hilfe von cos η eliminieren. Dazu finden wir aus der ersten und der letzten Gleichung von (497) zun¨ achst (1 + β cos η) cos η = cos η + β .
(498)
Die Aufl¨ osung nach cos η ergibt cos η =
β − cos η . β cos η − 1
(499)
196
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie 6Σo Sb
η
J J J J J ^ J
k
v
-x
Σ 6
@ @ @ @ @ @b E @η @
- x @
@ k @ R
Abb. 47: Versuchsanordnung f¨ur Doppler-Effekt und Aberration. Dargestellt sind die Winkel η mit tan η = −1, 5 und η mit tan η = −1 . Aus (503) folgt β = (cos η − cos η)/(1 cosη cos η) , so daß diese Winkel bei einer Geschwindigkeit von v ≈ 0, 25 c f¨ ur das System Σ in Richtung der negativen x-Achse von Σo erreicht werden. Und nach (500) berechnet sich damit eine DopplerVerschiebung von νE ≈ 1, 05 νS . Dies setzen wir in die letzte Formel von (497) ein und finden nach kurzer Rechnung, indem wir noch ν = νE und ν = νS setzen,
νE = νS
1 − β2 . 1 − β cos η
Vollst¨andige Gleichung des relativistischen Doppler-Effektes
(500)
Die Gleichung (500) ist die vollst¨ andige Formel f¨ ur den relativistischen Doppler-Effekt, wobei sich der Empf¨ anger mit der Geschwindigkeit v in die negative x-Richtung des Ruhsystems des Senders bewegt. L¨auft die ebene Welle in Richtung der positiven x-Achse von Σo , also (η , θ , ζ) = (0, π/2, π/2) mit (cos η, cos θ, cos ζ) = (1, 0, 0) , dann wird aus (497)
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
197
⎫ 1+β ⎪ ν cos η = , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 − β2 ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ 1 + β ⎪ , ⎪ ν cos η = ⎪ ⎬ ν cos θ = 0 1, − β 2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ cos θζ = = 00 ,, ⎪ ⎪ ⎬ νν cos ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 + β 0 , νν cos ζ = ⎪ ⎪ = , ⎪ ⎭ ⎪ 1 − β2 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1+β ⎪ ν = , ⎪ ⎭ 2 1 − βablesen, daß die Welle in diesem Fall auch von Σ aus dieselben woraus wir sofort Richtungscosinus hat, (cos η , cos θ , cos ζ ) = (1, 0, 0) . aus woraus wirwirsofort ablesen, daß in νdiesem von wir Σ in = νWelle = νS , Fall dannauch erhalten derdieselben longituSchreiben wieder β = v/c , ν die E sowie Richtungscosinus hat, also (cos ηcos , cos ζ ) Formel = (1, 0, f¨ 0) dinalen Beobachtung, η θ=, 1cos , die ur. den longitudinalen Doppler-Effekt, vgl. die Formeln (195),β (198), = νE sowie ν = νS , dann erhalten wir in der longituSchreiben wir wieder = v/c ,S.ν103-104, dinalen Beobachtung, also cos η = 1 , die Formel f¨ ur den longitudinalen Doppler-Effekt, vgl. die Formeln (195), (198), S. 103-104, c+v Longitudinaler (501) νE = νS . Doppler -Effekt c − v c+v Longitudinaler (501) νE = νS . Doppler -Effekt c − v Setzen wir η = −π/2 , also cos η = 0 , dann folgt aus (500) die Formel f¨ ur den transversalen Doppler-Effekt, vgl. die Formel (199), S. 105, Setzen wir η = −π/2 , also cos η = 0 , dann folgt aus (500) die Formel f¨ ur den Doppler-Effekt, vgl. die Formel (199), S. 105, transversalen v2 Transversaler (502) νE = νS 1 − 2 . Doppler -Effekt c 2 v Transversaler (502) νE = νS 1 − 2 . Doppler -Effekt c L¨ osen wir die Gleichung (498) nach cos η auf, dann erhalten wir die relativistische Gleichung f¨ ur die Aberration L¨ osen wir die Gleichung (498) nach cos η auf, dann erhalten wir die relativistische Gleichung f¨ ur die cos η +Aberration β cos η = . Aberration (503) 1 + β cos η cos η + β cos η = . Aberration (503) 1 +√β cos η Mit tan x = 1 − cos2 x/ cos x findet man daraus nach einfachen Umformungen auch die Formel √ Mit tan x = 1 − cos2 x/ cos x findet man daraus nach einfachen Umformungen auch die Formel sin η tan η = 1 − β2 . Aberration (504) cos η + β sin η tan η = 1 − β2 . Aberration (504) cos η + β F¨ ur eine im System Σo in Richtung der negativen y-Achse ausgesandte, ebene Welle ist η = −π/2 , also cos η = 0 . Gem¨aß (503) wird diese Welle vom Empf¨ anger E in Σ unter einem Winkel η mitΣocosinη Richtung = β beobachtet, vgl. auch Aufg. 36, S. 328.ebene Wenn f¨ ur die der negativen y-Achse ausgesandte, Welle ist F¨ ur eine im System η˜ berechnet wurde, muß das Fernrohr in ηPosition = −π/2eines , alsoSternes cos η =die 0 . Richtung Gem¨aß (503) wird diese Welle dann vom Empf¨ anger E in Σnicht unter einem Winkel η mit cos η = β beobachtet, vgl. auch Aufg. 36, S. 328. Wenn f¨ ur die Position eines Sternes die Richtung η˜ berechnet wurde, dann muß das Fernrohr nicht in
198
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
diese berechnete Richtung gehalten werden, sondern wir m¨ ussen es in Abh¨ angigkeit von unserer Geschwindigkeit um einen zus¨atzlichen Winkel in die Richtung η kippen, so daß cos η = β wird. Dieses ”Vorhalten” des Fernrohres heißt Aberration [lat. aberratio = Abweichung ], Aufg. 37, S. 328. 30.2.3 Die vierdimensionale Elektrodynamik bewegter Medien Die ber¨ uhmteste Arbeit der Physikgeschichte seit Newton, Einsteins[2] ”Zur Elektrodynamik bewegter K¨ orper” aus dem Jahr 1905, ist im Grunde genommen erst 1908 durch Minkowski[2] zu Ende gebracht worden. Einsteins Voraussetzung, daß der K¨ orper als Ganzes eine bestimmte Geschwindigkeit v haben soll, wird dabei durch die Annahme ersetzt, daß die Bewegung der einzelnen materiellen Teile des Mediums durch ein Geschwindigkeitsfeld w beschrieben werden muß, Materiegeschwindigkeit des Mediums
w = (wx , wy , wz ) .
(505)
Der zugeordnete Vierervektor w lautet
i
w =
c
wx
wy
wz
, , , 1 − w2 /c2 1 − w2 /c2 1 − w2 /c2 1 − w2 /c2
,
(506)
wobei w2 = wx2 + wy2 + wz2 . Wir m¨ ussen nun zwischen drei Geschwindigkeitsfeldern u , v und w unterscheiden. Die Buchstaben u und w stehen f¨ ur die Geschwindigkeiten der Ladungstr¨ ager bzw. der Materieelemente und v verwenden wir wieder f¨ ur die Geschwindigkeit der Inertialsysteme. Die Stromdichte j werden wir hier i. allg. nicht als das Produkt ρ u aus der Ladungsdichte und deren Geschwindigkeit aufschreiben, so daß keine Verwechslungen bei den Geschwindigkeiten entstehen k¨ onnen. Wir brauchen nun einen zweiten Tensor, den Tensor der elektromagnetischen Erregung H , der aus den Quellvektoren D und H gebildet ist, ⎛
Hik
0
⎜ ⎜−c Dx ⎜ =⎜ ⎜ ⎜−c Dy ⎝ −c Dz
c Dx
c Dy
0
−Hz
Hz
0
−Hy
Hx
c Dz
⎞
⎛
0
⎜ ⎟ ⎜ c Dx Hy ⎟ ⎜ ⎟ ⎟, H ik = ⎜ ⎜ ⎟ −Hx ⎟ ⎜ c Dy ⎝ ⎠ 0
c Dz
−c Dx
−c Dy
0
−Hz
Hz
0
−Hy
Hx
−c Dz
⎞
⎟ Hy ⎟ ⎟ ⎟, (507) ⎟ −Hx ⎟ ⎠ 0
und wir postulieren f¨ ur H die Feldgleichungen ∂ H ik = j k . ∂xi
(508)
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
199
Wir lernen nun das gewaltige heuristische Prinzip zur Auffindung von Feldgleichungen kennen, das in der Formulierung des Einsteinschen Relativit¨atsprinzips im MinkowskiRaum steckt. H. Minkowski hat 1908 auf diesem Weg die vollst¨ andigen Feldgleichungen der Elektrodynamik bewegter Medien gefunden, die bis dahin nur teilweise bekannt waren. Das harmlos anmutende Prinzip lautet: Kennt man die Gleichungen in einem Inertialsystem, dann m¨ ussen diese nur kovariant, also als Tensorgleichungen im Minkowski-Raum geschrieben werden. Wir u ¨berzeugen uns zun¨ achst davon, daß wir mit (507) und (508) die richtigen Gleichungen f¨ ur den richtigen Tensor H aufgeschrieben haben. Dazu nehmen wir an, daß das Medium als Ganzes in einem Inertialsystem Σo ruht, so daß dort wi = (c, 0, 0, 0) gilt. Die Gleichungen (508) m¨ ussen dann mit (444)b) identisch sein. Wir beachten gem¨ aß (467) j i = (c ρ, jx , jy , jz ) und erhalten f¨ ur k = 0 H i0 , i = H 10 , 1 +H 20 , 2 +H 30 , 3 = c ∂x Dx + ∂y Dy + ∂z Dz = c und damit div D = ρ . F¨ ur k = 1 folgt H i1 , i = H 01 , 0 +H 21 , 2 +H 31 , 3 1 = − ∂t (c Dx ) + ∂y Hz − ∂z Hy = j 1 c und damit (rot H)x − ∂t Dx = jx , also, indem wir noch die analogen Rechnungen f¨ ur k = 2, 3 einbeziehen, rot H − ∂t D = j . Die Gleichungen (508) sind also einfach verifizierbar und unabh¨ angig vom Geschwindigkeitsfeld w der Materie. Ebenso gilt nach wie vor f¨ ur die Gleichungen (444)c) die vierdimensionale Form (477). Daran hat sich nichts ge¨ andert. Im Vakuum brauchten wir die Materialgleichungen nicht. Das ist nun anders, und wir sind auf der Suche nach einer tensoriellen Formulierung der Gleichungen (444)d)-f) im Minkowski-Raum. Die Materialparameter in (444), die Gr¨ oßen ε , µ und σ , werden im Ruhsystem der Materie definiert und sind daher definitionsgem¨ aß Invarianten im Minkowski-Raum, Tensoren nullter Stufe43 , ⎫ ε , ⎬ Invarianten im µ , (509) Minkowski-Raum ⎭ σ . 43 Von einem m¨ oglichen dreidimensionalen Tensorcharakter dieser Gr¨ oßen in kristallinen Materialien, wie in Kap. 30.1 erw¨ ahnt, wollen wir hier absehen.
200
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Die Gleichungen (444)d)-f) gelten im lokalen Ruhsystem eines jeden materiellen Massenelementes. Um diese Gleichungen als vierdimensionale Tensorgleichungen zu formulieren, m¨ ussen wir nur beachten, wie der Vierervektor w der materiellen Geschwindigkeit im lokalen Ruhsystem aussieht, n¨ amlich Materiegeschwindigkeit wi = (c , 0 , 0 , 0) , wi = (c , 0 , 0 , 0) . (510) im lokalen Ruhsystem Wenn wir im lokalen Ruhsystem eines Massenelementes die Tensoren Fik und Hik tensoriell mit wk multiplizieren, dann erhalten wir mit (473) und (507) (511) Fik wk = (E1 , E2 , E3 ) , Hik wk = (D1 , D2 , D3 ) . Damit k¨ onnen wir (444)d) und (444)f) im Minkowski-Raum schreiben gem¨aß k Hik u = ε Fik wk , (512) j i = −σ Fik wk . Auch die Felder B und H lassen sich unter Beachtung von (510) f¨ ur das lokale Ruhsystem mit Hilfe der Minkowski-Tensoren durch einen Trick darstellen. Wir betrachten die zyklische Summe der Indizes i, j, k und bilden damit den Ausdruck Fij wk + Fjk wi + Fki wj . Dieser Ausdruck ist nat¨ urlich ein Tensor im Minkowski-Raum. Im lokalen Ruhsystem sind von diesem Tensor die und nur die Komponenten von Null verschieden, die genau einen Index 0 haben, und die ergeben genau eine Komponente der mit c multiplizierten magnetischen Induktion B , also z.B. F21 w0 + F10 w2 + F02 w1 = F21 w0 = c Bz , aber F21 w3 + F13 w2 + F32 w1 = 0 . Ebenso verh¨ alt es sich mit dem Tensor Hij wk + Hjk wi + Hki wj . Im lokalen Ruhsystem der Materie k¨onnen wir f¨ ur die Materialgleichung (444)e) also schreiben Fik wl + Fkl wi + Fli wk = µ Hik wl + Hkl wi + Hli wk . (513) Da (513) eine Tensorgleichung im Minkowski-Raum ist, gilt diese Gleichung auch f¨ ur ein beliebig bewegtes Medium. Damit sind wir fertig. Das vollst¨andige System der Maxwell-Gleichungen bewegter Medien lautet also
a) b) c) d) e) f) g)
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ∂ ⎪ ik k ⎪ F = µ j , ⎪ o i ⎪ ∂x ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 1 ρ ⎪ i ik ik e i ⎪ f =F jk = F u , ⎬ Kovariante Form der c c Maxwell-Gleichungen (514) ⎪ ⎪ Hik wk = ε Fik wk , ⎪ bewegter Medien ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Fik wl + Fkl wi + Fli wk = µ Hik wl + Hkl wi + Hli wk , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ k ⎪ j i = −σ Fik w , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ε = εo εr , h) µ = µo µr . ∂ ∂ ∂ Fkl + k Fli + l Fik = 0 , ∂xi ∂x ∂x
Diese Gleichungen sind allgemeiner als (444), da sie auch relativistische Effekte in ungleichf¨ ormig bewegter Materie erfassen.
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
Abb. 48: Hermann Minkowski, 12.6.1864 - 12.1.1909.
201
202
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
30.3 Die Elektrodynamik im absoluten Maßsystem Da die Symmetrie der Maxwellschen Theorie besser zum Ausdruck kommt, wenn man das absolute Maßsystem verwendet, werden theoretische und insbesondere vierdimensionale Darstellungen i. allg. in diesem System geschrieben, das nur drei BasisMaßeinheiten verwendet. Anstelle des alten cgs-Systems mit den Basiseinheiten Zentimeter, Gramm und Sekunde, verwenden wir hier das modernere absolute System mit Meter, Kilogramm und Sekunde. Dann ist ein Newton auch hier die Krafteinheit wie im SI-System. Mit Hilfe physikalischer Gleichungen werden nun alle Gr¨ oßen auf Meter, Kilogramm und Sekunde zur¨ uckgef¨ uhrt, wie wir das auch im SI-System getan haben, f¨ ur die Kraft s. dazu Gleichung (95), S. 66, f¨ ur die Stromst¨ arke die Gleichungen (402), (401), S. 166, f¨ ur die elektrische Feldst¨ arke und die magnetische Induktion die Gleichungen (411), (413), S. 169, etc. Die folgende Tabelle, in der alle Maßzahlen im absoluten System durch eine Tilde gekennzeichnet sind, soll den Umgang mit beiden Maßsystemen erleichtern, ˜ = E ϕ˜ =
√ √
4πεo E ,
˜ = D
4πεo ϕ ,
˜ = A
ε ε˜ = εr = , εo σ , σ ˜ = 4πεo
4π D , εo
4π B , µo
4π A , µo
ε˜o = 1 , ρ˜ = √
˜ = B
1 ρ , 4πεo
µ µ ˜ = µr = , µo ˜j = √ 1 j . 4πεo
˜ = H
⎫ ⎪ 4πµo H , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
µ ˜o = 1 ,
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(515)
30.3.1 Elektrodynamik im Medium Anstelle der Gleichungen (444), S. 179, gilt nun ˜ ˜ + 1 ∂B = 0 , a) rotE c ∂t ˜ − b) rotH
˜ =0 , divB
˜ 1 ∂D 4π ˜ ˜ = 4 π ρ˜ , = j , divD c ∂t c
˜+ c) f = ρ˜ E
1˜ ˜ j×B , c
˜ , ˜ = εr E d) D
˜ = µr H ˜ , f ) ˜j = σ ˜ . e) B ˜E
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Maxwell-Gleichungen
Absolutes Maßsystem
(516)
30.3.2 Elektrodynamik im Vakuum - Vierdimensionale Formulierung In der Vakuum-Elektrodynamik, insbesondere bei ihrer vierdimensionalen Formulierung, wird die Symmetrie der Gleichungen im absoluten Maßsystem besonders deutlich. Aus der invarianten Ladungsdichte ρ˜e in absoluten Einheiten und deren Geschwindigkeit u orige Stromdichte wird die bewegte Ladungsdichte ρ˜ = ρ˜e 1 − u2 /c2 und die dazugeh¨ ˜j = ρ˜ u gebildet. Es folgen die Maxwell-Gleichungen
30 Elektrodynamik - kovariante Formulierung
˜+ a) rotE
˜ 1 ∂B =0, c ∂t
203
˜ = 0, div B
˜ ˜ − 1 ∂ E = 4π ρ˜ u , div E ˜ = 4π ρ˜ , b) rotB c ∂t c ˜ + u ×B ˜ . c) f = ρ˜ E c
Maxwell-Gleichungen
Vakuum mit bewegten Ladungen Absolutes Maßsystem
Mit der Viererstromdichte ˜j i , vgl. (467), S. 187, ˜j i = ρ˜e ui = ρ˜ c, ux , uy , uz , ,
(517)
(518)
˜, und dem Feldst¨ arke-Tensor F ⎛
˜x E ˜y ˜z 0 E E ⎜ ˜ ˜y ˜z ⎜ −Ex B 0 −B F˜ik = ⎜ ⎜ ˜ ˜z ˜x B 0 −B ⎝ −Ey ˜x ˜z −B ˜y B −E 0
⎞
⎛
⎟ ⎟ ⎟, ⎟ ⎠
F˜ ik
˜x 0 −E ⎜ ˜ ⎜ Ex 0 =⎜ ⎜ ˜ ˜z B ⎝ Ey
˜y −E ˜z −B
˜z −B ˜y E
0 ˜x B
˜z ⎞ −E ˜y ⎟ ⎟ B ⎟, ˜x ⎟ −B ⎠
(519)
0
lauten die Maxwell-Gleichungen dann a) F˜ik ,l +F˜kl , i +F˜li ,k = 0 , 4 π ˜k j , = c 1 = F˜ ik ˜jk c
˜ ik
b) F , i c) f i
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ .⎭
Kovariante Form der Maxwell-Gleichungen im Vakuum Absolutes Maßsystem
(520)
Mit dem Potentialansatz zur L¨ osung der ersten Gruppe (520)a) der Maxwell-Gleichungen F˜ik = A˜k , i −A˜i , k
(521)
und der Lorenz-Eichung A˜i , i = 0
Lorenz-Eichung
(522)
˜, f¨ ur den Viererverktor A A˜i = (A˜0 , A˜i = (A˜0 ,
A˜1 , A˜1 ,
A˜2 , A˜2 ,
A˜3 ) = (ϕ, ˜ A˜x , A˜y , A˜z ) , A˜3 ) = ηik A˜k = (ϕ, ˜ −A˜x , −A˜y , −A˜z ) ,
(523)
folgen aus (520)b) die inhomogenen Wellengleichungen
A˜ i =
4 π ˜i j . c
(524)
204
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
Wir geben nun noch einige wichtige Konsequenzen aus den Maxwellschen Gleichungen an und bleiben dabei im absoluten Maßsystem, um die Symmetrie der Gleichungen nicht unn¨ otig zu besch¨ adigen. Ohne die Einzelheiten hier weiter zu vertiefen, bemerken wir: Die durch die Maxwellschen Gleichungen definierten Kraftwirkungen und Energieumsetzungen des elektromagnetischen Feldes und der elektrischen Ladungen und Str¨ ome lassen sich mit Hilfe eines einzigen Tensors im Minkowski-Raum beschreiben, mit dem Energie-Impuls-Tensor T˜ik . Auf der Grundlage der Maxwellschen Gleichungen (488) existiert folgender Zusammenhang zwischen einem Tensor T˜ik und dem vierdimensionalen Vektor der LorentzKraftdichte44 , ∂ ˜ik T = −f i . ∂xk
(525)
Die Wahl des Vorzeichens ist Konvention. Im ladungsfreien Raum gilt ∂ ˜ik T = 0 f¨ ur ˜j i = ρ˜ ui = 0 . ∂xk
(526)
Ebenso wie die Kontinuit¨ atsgleichung (468) ist dies die differentielle Form eines Erhaltungssatzes, n¨amlich hier f¨ ur Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes, wie wir gleich sehen werden. Der Tensor T˜ik wird aber erst eindeutig definiert, wenn wir ˜ lik := xl T˜ik − xi T˜lk definierten Drehimpuls-Tensor zus¨atzlich zu (526) f¨ ur den gem¨ aß M 45 des Feldes einen entsprechenden differentiellen Erhaltungssatz fordern, n¨ amlich ∂ ˜ lik M =0 . ∂xk
(527)
Aus (527) folgt dann ∂ l ˜ik i ˜ lk T T x = δkl T˜ik + xl T˜ik , k − δki T˜lk + xi T˜lk , k − x ∂xk = T˜il − T˜li + xl T˜ik , k −xi T˜lk , k = 0 und damit wegen (526) die Symmetrie des Energie-Impuls-Tensors T˜il + T˜li = 0 .
(528)
Die Gleichungen (525) und (528) werden nun durch folgenden symmetrischen Tensor T˜ik erf¨ ullt, der als metrischer Energie-Impuls-Tensor des elektromagnetischen Feldes bezeichnet wird46 , 44 F¨ ur die Kraftdichte f i brauchen wir keine Tilde, da die rein mechanisch definierten Gr¨oßen im SIMaßsystem und im absoluten MKS-System dieselben Einheiten benutzen. 45 Diese Definition verallgemeinert den mechanischen Drehimpuls M li = lik L k mit L = x × p , also M li = lik krs xr ps = xl pi − xi pl , vgl. (653). 46 Die quellenfreien Maxwellschen Gleichungen sind invariant gegen¨ uber den vierdimensionalen Translationen sowie gegen¨ uber den in Kap. 32 diskutierten Lorentz-Transformationen im MinkowskiRaum. Das Noetherschen Theorem leitet daraus die Existenz eines sog. kanonischen Energie-Impulsik und eines Drehimpulstensors M lik ab, die den differentiellen Erhaltungss¨ atzen (526) Tensors Tkan ik ist unsymmetrisch. Die Gr¨ oße bzw. (527) gen¨ ugen. Der kanonische Energie-Impuls-Tensor Tkan ik clik = xl T ik − xi T lk beschreibt den ”Bahndrehimpuls”, f¨ u r den wegen der Unsymmetrie von T M kan kan kan clik + S lik gen¨ kein Erhaltungssatz gelten kann. Nur der Gesamtdrehimpuls M lik = M ugt dem Erhaltungssatz (527). Die Existenz eines Eigendrehimpulses S lik , des Spintensors des elektromagnetischen ik . Feldes, ist der Grund f¨ ur die Unsymmetrie des kanonischen Tensors Tkan
34 Der Energie-Impuls-Tensor des Maxwellschen Feldes 1 1 ik ˜ rs ˜ ir ˜ ks ˜ − F T˜ik = F F F η + η rs rs . 4π 41 ik rs 1 ik ir ks −F˜ F˜ ηrs + η F˜ F˜rs . T˜ = 4π 4 Zur Ausf¨ uhrung der Differentiation Schreibweise (658)der unter Beachtung Zur Ausf¨ uhrung Differentiation nungen in den Summationsindizes, Schreibweise (658) unter Beachtung
205
Metrischer Energie-Impuls-Tensor des Maxwell schen Feldes Metrischer Energie-Impuls-Tensor des Maxwellschen Feldes
in (525) von F˜ik in (525) von F˜ik
f¨ ur den = F˜ki f¨ ur−den = −F˜ki
(529) (529)
Tensor (529) finden wir mit der und mit(529) wiederholten UmbenenTensor finden wir mit der
und mit wiederholten Umbenennungen in den Summationsindizes, ! ks " 1 1 ik rs 1 ik rs ir ks ir T˜ik , k = −F˜ , k F˜ ηrs − F˜ F˜ , k ηrs + η F˜ , k F˜rs + η F˜ F˜rs , k 4π 41 41 ! " 1 −F˜ ir , F˜ ks η − F˜ ir F˜ ks , k ηrs + η ik F˜ rs , k F˜rs + η ik F˜ rs F˜rs , k T˜ik , k = 1 1 ! ˜ sk k " ˜ ir rs 4π 4 4 is kr ik rs = F , k F ηrs − η F˜ F˜sr , k + η F˜ F˜rs , k 4π 2 ! " 1 1 = 1 ! F˜ sk ,"k F˜ ir ηrs −1 η is F˜ kr F˜!sr , k + η ik F˜ rs F"˜rs , k 4π 2 sk ir ik rs = F˜ , k F˜ ηrs − η F˜ 2F˜ks , r +F˜rs , k 4π 8π " 1 ! ˜ sk " ˜ ir 1 ik ˜ rs ! ˜ = 1 ! F , k " F ηrs − 1 η F ! 2Fks , r +F˜rs , k " 4π 8π = F˜ sk , k F˜ ir ηrs − η ik F˜ rs F˜ks , r +F˜kr , s +F˜rs , k 4π 8π " ! " ! 1 1 = 1 ! F˜ sk , k " F˜ ir ηrs − 1 η ik F˜ rs! F˜ks , r +F˜kr , s +F˜rs , k = 4π F˜ sk , k F˜ ir ηrs + 8π η ik F˜ rs F˜sk , r −F˜kr , s −F˜rs , k ] , 4π 8π 1 ik ˜ rs ! ˜ 1 ! ˜ sk " ˜ ir = F , k F ηrs + η F Fsk , r −F˜kr , s −F˜rs , k ] , 4π 8π also mit (477) nach Anwendung der Maxwellschen Gleichungen (488)b) und (488)a) auf die Klammern, wie in (525) Maxwellschen Gleichungen (488)b) und (488)a) auf alsoeckigen mit (477) nach Anwendung derbehauptet, die eckigen Klammern, wie in (525) behauptet, 1 ! 4π ˜s " ˜ ir T˜ik , k = j F ηrs = −f i . − 4π c " ! 1 4π ˜j s F˜ ir ηrs = −f i . T˜ik , k = − 4π c Mit Hilfe der Matrizen (519) berechnen wir den Tensors T˜ik , Mit Hilfe der Matrizen (519) berechnen wir den Tensors T˜ik , ⎛
1 ˜2 ˜2) (E + B 2 ˜ 2 +˜B ˜ 2˜) ˜y1 B (˜E E 2 z − Ez By
⎛ 1⎜ ⎜ T˜ik = ⎜ ⎜ E˜zyB˜xz − E˜xz B˜zy 4π 1⎝ ⎜ T˜ik = ⎜ 4π⎝ E˜xz B˜yx − E˜yx B˜xz ˜x B ˜y − E ˜x ˜y B E
˜z − E ˜y ˜y B ˜z B E 1 ˜ 2E ˜y B ˜E ˜ 2z )− ˜z2B ˜2 −E (E ˜+yB x− x 2 1 ˜ 2˜ ˜ 2 2 ˜ ˜ ˜ ˜ (E + B )− E − B 2 2 −Bx y − ExxEy x
˜z B ˜x − E ˜z ˜x B E ˜zxB ˜˜xy − E ˜zy ˜xxB B E −E B
˜zy − E ˜zy ˜x B ˜xx E −B
1 ˜ ˜ ˜˜x2E ˜ ˜2 ˜˜2y)− −E B (E−2B +xB E y −yBy 2 1 ˜ 2˜ ˜ 2 ˜ 2˜− B ˜2 (E + B )−˜E 2 −By z − EyyEz y
˜z − E ˜z ˜x B ˜x E −B
˜z − E ˜z ˜y B ˜y E −B
˜x B ˜y − E ˜x ˜y B E
⎞
⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟.(530) ˜zz − E ˜˜zz ˜yxB ˜yxE E ⎠ −B ⎟ ⎟.(530) 1 ˜ 2 2 2 2 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ B E − B − E (E +yB z)− Eyz −zBz ⎠ 2 ˜x B ˜yz − E ˜xz ˜yxB E −E B
1 ˜2 ˜ 2 )− E ˜2 −B ˜2 (E + B z z 2
Zur physikalischen Interpretation der Komponenten des Energie-Impuls-Tensors T˜ik setzen wir Zur physikalischen Interpretation der Komponenten des Energie-Impuls-Tensors T˜ik setzen ⎞ ⎛ wir 1˜ S υ ˜ ⎞ ⎛ ˜ =⎝ c1 ⎠ T (531) ˜ S υ ˜ ˜ c g ˜ t ˜ ⎠ ⎝ c T= (531) cg ˜ ˜ t mit mit
206
Der mathematische Formalismus der Speziellen Relativit¨ atstheorie
⎫ 1˜ ⎪ S = ( T˜01 , T˜02 , T˜03 ) , ⎪ ⎪ ⎪ c ⎪ ⎫ ⎬ 1 ⎞ ⎛ ⎛ 00 10 ⎞ 01 02 03 ˜ ˜ ˜ ˜ ⎪ ˜ , T T˜13 ) , S = ( TT˜11, T T˜12 υ˜ = T T˜ , ⎪ ⎪ ⎪ c ⎪ 20 21 22 23 ⎬ ⎪ ˜ ˜ ˜ ˜ ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ ˜ ⎪ cg ˜ = ⎛T , t = . T T T ⎞ ⎞ ⎪ ⎛ 11 ⎭ 10 12 13 30 31 32 33 ˜ ˜ ˜ ˜ T T T T ⎪ ⎪ ⎪ cg ˜ = ⎝ T˜20 ⎠ , ˜ t = ⎝ T˜21 T˜22 T˜23 ⎠ . ⎪ ⎪ ⎭ 30 31 32 33 ˜ ˜ ˜ ˜ T T T T Unter Verwendung von (476) und (531) lautet (525) nun f¨ ur i = 0 υ˜ = T˜00 ,
∂ υ˜ Unter Verwendung (476) und (531) lautet (525) nun f¨ ur i = 0 ˜ = − f · uvon + div S , ∂t ∂ υ˜ ˜ = −f · u , + div S und ur i = 1, 2, 3 erhalten wir ∂t f¨
(532) (532)
(533) (533)
∂˜ g f¨ und ur i = 1, 2, 3 erhalten wir t = −f , (534) + Div2 ˜ ∂t ∂˜ g t = −f , (534) + Div2 ˜ wobei die Operation Div2 auf den zweiten Index wirkt, was im Fall eines symmetrischen ∂t ˜ Tensors Tik aber ohne Belang ist. denStr¨ zweiten Indexf¨ was im Fall eines symmetrischen wobei die Operation Div2 aufund Im Vakuum ohne Ladungen ome folgen uwirkt, r das freie elektromagnetische Feld die Tensors T˜ik aber ohne Belang ist. Bilanzgleichungen Im Vakuum ohne Ladungen und Str¨ ome folgen f¨ ur das freie elektromagnetische Feld die Bilanzgleichungen ∂ υ˜ Energiebilanz des freien ˜=0 . (535) + div S elektromagnetischen Feldes ∂t ∂ υ˜ Energiebilanz des freien ˜=0 . (535) + div S elektromagnetischen Feldes ∂t sowie sowie ∂˜ g Impulsbilanz des freien (536) t=0 . + Div2 ˜ elektromagnetischen Feldes ∂t ∂˜ g Impulsbilanz des freien (536) t=0 . + Div2 ˜ elektromagnetischen Feldes ∂t Integration von (533) u Durch ¨ber ein Volumen K finden wir n¨ amlich die von der Lorentz-Kraftdichte f sekundlich an den Ladungen in dem Volumen K geleistete Arbeit ¨ Durch Integration von in (533) ¨zeitlichen ber ein Volumen K der finden wir n¨ amlichυ˜ dxdydz die von und der f · u dxdydz wieder der u Anderung Feldenergie KLorentz-Kraftdichte f sekundlich an den Ladungen in dem Volumen K geleistete Arbeit K ˜ dxdydz aus diesem Volumen herausstr¨ . der omenden ¨Energie des Feldes div S f · u dxdydz wieder in der zeitlichen Anderung der Feldenergie υ˜ dxdydz und K Den Ausdruck f¨ ur υ˜ als Energiedichte des elektromagnetischenFeldes berechnen wir auch K ˜ K der elementarem aus diesem Volumen omenden Energie desS.Feldes auf Wege inherausstr¨ den Aufgaben 31 und 32, s. 314ff. div S dxdydz . K Den Ausdruck f¨ ur υ˜ als Energiedichte Feldeswir berechnen wir auch Und aus der Integration von (534) u ¨des berelektromagnetischen ein Volumen K lesen unmittelbar die auf elementarem Wege in den Aufgaben 31 und 32, s. S. 314ff. Maxwellsche Entdeckung der Nahwirkung f¨ ur das elektromagnetische Feld ab: Und aus Volumen der Integration von u ¨ber ein Volumen K Diese lesen findet wir unmittelbar In einem K wirkt die(534) Lorentz -Kraft f dxdydz. sich wiederdie in K elektromagnetische Maxwell sche Entdeckung der Nahwirkung f¨ u r das Feld ab: ¨ der zeitlichen Anderung eines im Feld gespeicherten Impulses g ˜ dxdydz und der im In einem Volumen K wirkt die Lorentz-Kraft f dxdydz. Diese findet sich wieder in K Feld wirkenden Kraft t dxdydz = ˜ t · dA : Div2 ˜ K ¨ der zeitlichen Anderung eines im Feld ∂K gespeicherten Impulses g ˜ dxdydz und der im K K Feld wirkenden Kraft t dxdydz = ˜ t · dA : Div2 ˜ K
∂K
34 Der Energie-Impuls-Tensor des Maxwellschen Feldes
207
Durch die Fl¨ achenelemente dA im Raum zwischen den Ladungen werden Kr¨ afte ˜ t · dA u ¨bertragen, die entfernte Ladungen aufeinander aus¨ uben. Wie wir in Aufg. 35, Gleichung (997), S. 326, gesehen haben, ist in der Mechanik der Kontinua durch das Oberfl¨ achenintegral vom Typ σ · dA der Spannungstensor σ definiert. Gleichung (536) ∂K
beschreibt ebenso eine Impulsbilanz wie die Gleichung (1002), S. 326, in der Mechanik der Kontinua. Die Gr¨ oße ˜ t ist damit als Spannungstensor des elektromagnetischen Feldes identifiziert. Wir fassen zusammen:
υ˜ =
1 ˜ 2 ˜ 2 E +B , 8π
˜= c E ˜ ×B ˜, S 4π
Energiedichte des Maxwellschen Feldes Energiestromdichte des Maxwellschen Feldes
1 ˜ ˜ E×B, Impulsdichte des Maxwellschen Feldes 4π c 1 1 ˜2 ˜ 2 ˜ ˜ ˜ ˜ ˜ Maxwellscher Spannungstensor (E + B ) − (EE + BB) . t= 4π 2
(537)
g ˜=
Die physikalische Interpretation des Energie-Impuls-Tensors T˜ik des Maxwellschen Feldes f¨ uhrt nun zu einer bedeutsamen theoretischen Konsequenz. Aus der Symmetrie des Energie-Impuls-Tensors (530) erhalten wir die allgemeine For¨ mulierung f¨ ur die Energie-Masse-Aquivalenz des elektromagnetischen Feldes,
˜=g S ˜ c2 .
¨ Energie-Masse-Aquivalenz des elektromagnetischen Feldes
(538)
Die Analogien zwischen dem elastischen Deformationsfeld eines mechanischen Kontinuums und dem elektromagnetischen Feld bildeten lange Zeit die Grundlage f¨ ur die Suche nach ¨ einem mechanischen Kontinuum, dem sog. Ather, dessen elastische Deformationen durch ¨ das elektromagnetische Feld beschrieben werden sollten. Wenn man diesem Ather wie einem mechanischen Medium einen Bewegungszustand zuordnen k¨onnte, dann w¨ are durch dessen eigenes Ruhsystem ein absolutes Bezugssystem ausgezeichnet, ebenso wie in der Mechanik der Kontinua alle Feldgleichungen und Bilanzen nur in bezug auf das Ruhsystem des Mediums gelten, also z.B. f¨ ur den ruhenden Kristall. Die G¨ ultigkeit des Einsteinschen Relativit¨ atsprinzips zeigt uns, daß von den physikalischen Eigenschaften ¨ dieses Athers nicht mehr, aber auch nicht weniger u ¨brigbleibt, als die Eigenschaften unseres physikalischen Vakuums.
Anhang 31
Relativit¨ at der L¨ angen- und Zeitmessungen
In diesem Kapitel wollen wir ein Relativit¨ atsprinzip diskutieren, das in seiner logischen Struktur dem Einsteinschen gleicht, indem es die behaupteten physikalischen Postulate untrennbar mit der Definition einer bestimmten Gleichzeitigkeit verbindet. Wir haben unsere Darstellung auf diesem Prinzip nicht aufgebaut. Es gew¨ ahrt aber einen interessanten Einblick in die Raum-Zeit-Struktur. Wir nennen es Das metrische Relativit¨ atsprinzip : Es ist m¨ oglich, in allen Inertialsystemen die Uhren so zu synchronisieren, daß wir in allen Inertialsystemen dieselben Formeln finden, wenn wir bewegte und ruhende Maßst¨ abe und Uhren miteinander vergleichen.
(539)
¨ W¨ ahrend das Einsteinsche Relativit¨atsprinzip die Aquivalenz der Inertialsysteme f¨ ur alle ¨ physikalischen Gesetze fordert, s. Kap. 6, postuliert (539) nur eine Aquivalenz f¨ ur die ¨ L¨ angen- und Zeitmessungen, eine metrische Aquivalenz der Inertialsysteme, und postuliert damit viel weniger als Einsteins Prinzip, ist deswegen aber viel einfacher zu u ¨bersehen: ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
Durch die Quotienten L¨ ange des bewegten Stabes lv , = Ruhl¨ ange lo Periode der bewegten Uhr Tv = Eigenperiode To wird kein Inertialsystem ausgezeichnet.
Metrisches (540) Relativit¨ atsprinzip
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Zur Diskussion dieses Relativit¨ atsprinzips wollen wir an die Fragestellung von Kap. 5 ankn¨ upfen und folgenden Fall betrachten. Ein Stab mit der Ruhl¨ ange lo m¨oge auf der x-Achse des Systems Σo mit den Koordinaten der Endpunkte x1 = 0 und x2 = lo ruhen. Wir wollen die L¨ ange lv dieses in Σ bewegten Stabes bestimmen. Dazu ben¨otigen wir die Lage seiner Endpunkte zu ein und derselben Zeit in Σ , also z.B. f¨ ur t = 0 , Abb. 49. Setzen wir in der Gleichung x = (x q + t v k)/∆ aus (21), S. 25, t = 0 und x = x1 = 0 , so folgt f¨ ur den linken Endpunkt x1 = 0 . Mit t = 0 und x = x2 = lo folgt f¨ ur den rechten Endpunkt lo = x2 q/∆ . Also gilt f¨ ur die in Σ gleichzeitigen Positionen der Endpunkte des Stabes
Σ : t =0,
x1 = 0 , lo ∆ x2 = , q
−→
lv = x2 − x1 =
∆ lo . q
L¨ ange lv eines in Σ (541) bewegten Stabes
31 Relativit¨ at der L¨ angen- und Zeitmessungen
209
Σ t = 0 # ` ` ` 6 `
t = 0 # ` ` ` 6 `
` ` ` ` Σo "! q 0 x1 = t=0 q # ` ` ` 6 `
` ` ` ` "! x2q= lv
x
q q
` ` ` ` "! −v k /q q
q
-x
x1= 0 Abb. 49: Messung der L¨ange lv eines bewegten Stabes. Der Stab ruht im System Σo . Unter ange in Σ gemessen Beibehaltung der Relativgeschwindigkeit zwischen Σo und Σ soll seine L¨ werden. F¨ ur die in Σ festgestellte Geschwindigkeit von Σo gilt (23). Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
Es folgt, indem wir noch ∆ = k(v θ + q) ber¨ ucksichtigen, Σ :
L¨ ange des in Σ bewegten Stabes k(v θ + q) lv = = . Ruhl¨ ange des Stabes lo q
(542)
Gleichung (542) ist verschieden von (27). Die Beschreibung unserer Raum-Zeit kann also auf Grund der im Prinzip frei w¨ ahlbaren Synchronfunktion i. allg. asymmetrisch werden. Wir betrachten ferner eine Uhr U ∗ , die nun im Koordinatenursprung von Σo ruht und dort also an der Position x = 0 die Zeit t anzeigt. Wir beobachten diese Uhr vom System Σ aus. F¨ ur x = 0 , t = 0 gilt wegen der Anfangsbedingung (10), S. 21, auch x = 0 , t = 0 . D.h., die im Koordinatenursprung von Σo ruhende Uhr U ∗ hat dieselbe Zeigerstellung wie die im Koordinatenursprung von Σ ruhende Uhr, wenn sie an dieser gerade vorbeikommt, Abb. 50, Σ : x = 0 , t = 0 , (543) Erste Zeitnahme Eo : Σo : x = 0 , t = 0 . Der in Σ ruhende Beobachter stellt gem¨aß (23), S. 26, f¨ ur die in Σo ruhende Uhr U ∗ ∗ die Geschwindigkeit uo = −k v/q fest. Die Uhr U befindet sich daher nach der Zeit t in Σ an der Position x = uo t = −t k v/q . Wir vergleichen die Zeigerstellung t von U ∗ nun mit der bei x = −t k v/q ruhenden Uhr von Σ . Mit ∆ = (v θ + q) k finden wir t
=−
k θ kv k θ x + t = t + t ∆ ∆ ∆ q ∆
=
vθ+q k 1 t = t , ∆ q q
210
Anhang Σ
Σ t = 0 # ` ` ` 6 `
# ` ` ` ` Uvx ` ` ` ? t` "! Σo
−k q v
x= −t kv/q q q
Σo
# ` ` ` ` U∗ ` @ R` ` ` @ "! q t -x x=0
−k q v
t=0 # ` ` ` 6 `
` Uv0 ` ` ` "! - x x = 0 q q
` U∗ ` ` ` "! q -x x=0
Abb. 50: Unter Beibehaltung der Relativgeschwindigkeit zwischen Σo und Σ werden die Zeigerstellungen t der in Σo ruhenden Uhr U ∗ verglichen mit den Zeitangaben t derjenigen in Σ ruhenden Uhren, an denen jene gerade vorbeikommt. Man beachte, daß f¨ ur die in Σ festgestellte achst die allgemeine Gleichung (23), S. 26, gilt. Strichpunktierte Geschwindigkeit von Σo zun¨ Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen. also Σ :
x = −
Zweite Zeitnahme E : Σo : x = 0 ,
kv t , q
t ,
⎫ ⎪ ⎬
t=
1 ⎪ t . ⎭ q
(544)
Es folgt nun
Σ :
Differenz der Zeigerstellungen einer in Σ bewegten Uhr 1 t = = . Differenz der Zeigerstellungen zweier in Σ ruhender Uhren t q
(545)
Die Gleichung (544) ist verschieden von (31). Die Beschreibung unserer Raum-Zeit kann also auf Grund der im Prinzip frei w¨ ahlbaren Synchronfunktion i. allg. asymmetrisch werden. Ausgedr¨ uckt in den Schwingungsperioden To bzw. Tv der in bezug auf Σ ruhenden bzw. bewegten Uhren k¨onnen wir f¨ ur (544) auch schreiben
Σ :
Periode einer in Σ bewegten Uhr Tv =q . = Eigenperiode To
(546)
Aus (27) und (32) sowie (542) und (546) lesen wir ab, wie die Determinante ∆ der Koordinaten-Transformation (21) durch die L¨ angen- und Zeitmessungen bestimmt ist:
Σo :
Tv lv 1 1 = = , To lo ∆ k(v θ + q)
(547)
31 Relativit¨ at der L¨ angen- und Zeitmessungen
211
Tv lv = ∆ = k(v θ + q) . (548) T Tov llov Σ : = ∆ = k(v θ + q) . (548) To lo Wir kommen nun zur¨ uck auf unser metrisches Relativit¨ atsprinzip (540). Danach sollen die Gleichungen (27) und (542) sowie die Gleichungen (32) und (546) ¨bereinstimmen, Wir kommen nun zur¨ uck auf unser metrisches Relativit¨ atsprinzip (540).u Danach sollen also, indem wir k(v θ + q) = ∆ ber¨ u cksichtigen, die Gleichungen (27) und (542) sowie die Gleichungen (32) und (546) u ¨bereinstimmen, Σ :
also, indem wir k(v θ + q) = ∆ ber¨ ucksichtigen, 1 ∆ k = und =q . k1 q ∆ ∆ k = und =q . k q ∆ Aus den Gleichungen (549) erhalten wir
Metrisches (549) Relativit¨ atsprinzip Metrisches (549) Relativit¨ atsprinzip
Aus den Gleichungen (549) erhalten wir q k ∆= = −→ q2 = k2 . kq qk ∆= = −→ q2 = k2 . k q Wir beschr¨ anken uns auf ∆ > 0 47 und finden aus (550)
(550) (550)
Wir beschr¨ anken uns auf ∆ > 0 47 und finden aus (550) ⎫ ⎪ q=k ⎬ ⎫ Metrisches und (551) ⎪ q=k ⎪ ⎬ Relativit¨ atsprinzip ⎭ Metrisches ∆ = 1 . und (551) Relativit¨ atsprinzip ⎪ ∆=1 . ⎭ Die erste Gleichung in (551) reproduziert das elementare Relativit¨ atsprinzip, Kap. 7. Die zweite Gleichung in (551) liefert uns unter Beachtung der Gleichungen (547) Die erste Gleichung in (551) reproduziert das elementare Relativit¨ atsprinzip, Kap. 7. und (548) ein bemerkenswertes Reziprozit¨ a tstheorem : Die zweite Gleichung in (551) liefert uns unter Beachtung der Gleichungen (547) und (548) ein bemerkenswertes Reziprozit¨ atstheorem : ∆=1
−→
∆=1
−→
Tv lo = . T l o Tv lvo = . To lv
Reziprozit¨at
(552)
Reziprozit¨ at
(552)
¨ Aus der metrischen Aquivalenz aller Inertialsysteme folgt, daß die Perioden¨ anderungen der Uhren reziprok zu den L¨ a ngen¨ a nderungen der Maßst¨ a be sind. ¨ Aus der metrischen Aquivalenz aller Inertialsysteme folgt, daß die Perioden¨ anderungen der Uhren reziprok zu den L¨ angen¨ anderungen der Maßst¨ abe sind. Die experimentellen Ergebnisse (44) und (45) in Kap. 8 und (69) und (70) in Kap. 12 zur klassischen bzw. relativistischen Raum-Zeit erf¨ ullen gerade at Kap. (552).12 zur Die experimentellen Ergebnisse (44) und (45) in Kap. 8 unddiese (69) Reziprozit¨ und (70) in Aus (552) folgt: Mit dem L¨ a ngenverh¨ a ltnis von bewegten und ruhenden Maßst¨ a ben messen klassischen bzw. relativistischen Raum-Zeit erf¨ ullen gerade diese Reziprozit¨at (552). wir auch das Periodenverh¨ a ltnis von bewegten und ruhenden Uhren und umgekehrt. Aus (552) folgt: Mit dem L¨ angenverh¨ altnis von bewegten und ruhenden Maßst¨ aben messen Gem¨ aß (551) folgt aus ∆ = k (v θvon + q) = 1 mitund k =ruhenden q sofort Uhren und umgekehrt. wir auch das Periodenverh¨ altnis bewegten Gem¨aß (551) folgt aus ∆ = k (v θ + q) = 1 mit k = q sofort 47 Das bedeutet, daß die Orientierungen der Achsen beibehalten werden sollen. D.h., f¨ ur v −→ 0 sollen die Raum- und Zeitachsen der Inertialsysteme u ¨ bereinstimmende Richtungen haben. 47 Das bedeutet, daß die Orientierungen der Achsen beibehalten werden sollen. D.h., f¨ ur v −→ 0 sollen die Raum- und Zeitachsen der Inertialsysteme u ¨ bereinstimmende Richtungen haben.
212
Anhang
θ(v) =
1 − k2 . vk
Synchronisation bei (553) metrischem Relativit¨atsprinzip
Postulieren wir also die metrische Relativit¨ at, dann wird die Gleichzeitigkeit in den Systemen Σ bereits durch den Parameter k allein definiert, z.B. durch das Verh¨ altnis aus der Ruhl¨ ange zur bewegten L¨ange eines Stabes in Σo . Die Transformation (21) lautet nun48
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Koordinaten-Transformation ←→ 2 2 1 − k 1 − k t = t=− x+k t, x + k t , bei metrischem (554) vk vk ⎪ ⎪ atsprinzip ⎪ Relativit¨ ⎪ ⎭ k = k(v) . x = k (x − v t) ,
x = k( x + v t ) ,
Und mit (22), (551) und (553) folgt f¨ ur das Additionstheorem der Geschwindigkeiten
u =
u−v . 1 − k2 1+ u v k2
Additionstheorem der Geschwindigkeiten (555) bei metrischem Relativit¨atsprinzip
Mit (555) und (553) folgt nach einfacher Rechnung: Bei metrischer Relativit¨at gilt das Galileische Additionstheorem (49) genau dann, wenn die absolute Gleichzeitigkeit gem¨aß (46) erf¨ ullt ist, und das Einsteinsche Additionstheorem (76) gilt genau dann, wenn die Lorentzsche Gleichzeitigkeit gem¨aß (73) erf¨ ullt ist. Wir fassen zusammen: Das metrische Relativit¨atsprinzip l¨ aßt von dem ganzen Raum-Zeit-Problem nur noch einen einzigen Parameter unbestimmt, n¨ amlich k(v) = lo /lv , den Quotienten aus der Ruhl¨ ange und der bewegten L¨ ange eines Stabes. Der Parameter k = k(v) bestimmt bereits die Koordinaten-Transformation, also auch die Definition der Gleichzeitigkeit und das Additionstheorem der Geschwindigkeiten. Die klassische und die relativistische Raum-Zeit unterscheiden sich einzig und allein in diesem Parameter k = k(v) . 48 Aus
mathematischer Sicht kann die Gesamtheit der Transformationen (554) sowohl ur die klassische p f¨ Raum-Zeit mit k = 1 als auch im Fall der relativistischen Raum-Zeit mit k = 1/ 1 − v 2 /c2 als eine ¨ Gruppe ausgewiesen werden, s. Kap. 9, S. 41, bzw. Kap. 28, S. 137, so daß auf diesem Weg die Aquivalenz der Inertialsysteme gesichert wird.
213
32
Maßstabsparadoxon und Zwillingsparadoxon bei nichtkonventioneller Gleichzeitigkeit
Die Verwicklungen, in die wir uns insbesondere beim Maßstabsparadoxon und beim Zwillingsparadoxon so leicht verstricken, sind der Tribut, den wir f¨ ur die Definition einer konventionellen Gleichzeitigkeit in der relativistischen Raum-Zeit entrichten m¨ ussen. Aber ¨ nur diese Einsteinsche Gleichzeitigkeit erlaubt es, die Aquivalenz aller Inertialsysteme mathematisch so zu formulieren, daß jedes Inertialsystem mit jedem anderen u ¨ber die gleiche Transformation, die Lorentz-Transformation, zusammenh¨ angt. Daf¨ ur geraten wir aber immer wieder in die Falle der dadurch entstehenden Relativit¨ at der Gleichzeitigkeit. Der weitere Aufbau einer relativistischen theoretischen Physik ist jedoch ohne diese Formulierung praktisch undenkbar. F¨ ur die Erkl¨ arung der relativistischen Paradoxa, Verirrungen unseres Geistes beim Umgang mit der Relativit¨at der Gleichzeitigkeit, kann es aber durchaus einmal erlaubt und hilfreich sein, eine davon abweichende Definition zu verwenden. Das wollen wir jetzt zeigen: Die relativistische Raum-Zeit ist durch die physikalischen Postulate (69) und (70), S. 55, definiert. F¨ uhren wir nun anstelle der durch (42) definierten konventionellen Gleich-zeitigkeit in der relativistischen Raum-Zeit durch Absolute Gleichzeitigkeit
θ = θa = 0
(556)
eine absolute Gleichzeitigkeit ein, dann folgt aus Gleichung (70) anstelle von (74) 1 , k= 1 − v 2 /c2
q=
1 − v 2 /c2 ,
θ =0.
Relativistische Raum-Zeit (557) mit absoluter Gleichzeitigkeit
Aus den allgemeinen Transformationsformeln (21), S. 25, erhalten wir nun anstelle der Lorentz-Transformation (75) die von W. Thirring[1] angegebene Transformation, die wir ¨nther[2] als Reichenbach-Transformation eingef¨ in Gu uhrt haben,
x−vt
x = , 1 − v 2 /c2 t = t
1 − v 2 /c2 ,
←→
⎫ (1 − v 2 /c2 ) x + v t ⎪ , ⎪ x= ⎪ ⎪ ⎬ 1 − v 2 /c2 t
. t= 1 − v 2 /c2
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Reichenbach-
Transformation (558) Σo (x, t) ausgezeichnet
Bereits aus der Form der Umkehr-Transformation erkennt man die Asymmetrie in der Beschreibung der Inertialsysteme. Das System Σo (x, t) ist hier in der mathematischen Beschreibung ausgezeichnet. Die G¨ ultigkeit des Relativit¨ atsprinzips, d.h. die physika¨ lische Aquivalenz aller Inertialsysteme, besteht in diesem Formalismus darin, daß wir jedes beliebige Inertialsystem f¨ ur diese rein mathematische Sonderstellung ausw¨ ahlen k¨ onnten. Ausschlaggebend f¨ ur die Einfachheit bei der Diskussion der Paradoxa auf der Grundlage dieser Transformation ist der Umstand, daß in der zweiten Zeile von (558), der Zeittransformation, die Koordinaten x bzw. x nicht vorkommen. Nur diese Gleichungen werden wir u ¨berhaupt brauchen.
214
Anhang
32.1 Das Maßstabsparadoxon Wir betrachten wieder die in Kap. 23, S. 93, Abb. 26, beschriebene Situation. Das System Σo , in welchem parallel zur x-Achse Hindernisse im Abstand lo aufgereiht sind, sei jetzt im Sinne der Transformationsformeln (558) ausgezeichnet. Im System Σ , das sich achsenparallel zu Σo mit der Geschwindigkeit v1 in x-Richtung bewegt, ruht auf der x -Achse ein Stab, f¨ ur dessen L¨ ange in Σ ebenfalls lo gemessen wird. Unter Beachtung von (557) folgt aus Gleichung (27), S. 28, daß aus der Sicht von Σo f¨ ur den Stab eine Lorentz-kontrahierte, bewegte L¨ange lvS beobachtet wird gem¨ aß lo (559) lvS = = lo 1 − v12 /c2 < lo . k Der Beobachter in Σo bemerke nun, daß der Stab bei gleichbleibender Orientierung zus¨atzlich eine Geschwindigkeit v2 in y-Richtung erhalten hat, so daß sich der Stab nun auf die Hindernisreihe zubewegt. Bei der Diskussion in Kap. 23 hatten wir uns mit dieser Feststellung in einen Widerspruch verstrickt. Das lag daran, daß die Aussage ”bei gleichbleibender Orientierung” i. allg. von dem Inertialsystem abh¨angt, in welchem diese Orientierung gemessen wird. Um dem Stab, ohne seine Orientierung zu a¨ndern, die Geschwindigkeit v2 in y-Richtung zu erteilen, muß man den beiden Endpunkten diese Geschwindigkeit gleichzeitig erteilen. Bei konventioneller, also Einsteinscher Gleichzeitigkeit im Rahmen der relativistischen Raum-Zeit wird der in Σo gleichzeitige Start der Endpunkte des Stabes aus der Sicht von Σ so gesehen, daß zuerst der rechte Endpunkt startet und danach der linke. Der Stab erh¨ alt also, von Σ aus gesehen, eine Neigung, wie im unteren Bild von Abb. 27 dargestellt. Vollzieht sich umgekehrt der Start der Endpunkte des Stabes aus der Sicht von Σ gleichzeitig, dann startet, von Σo aus beobachtet, zuerst der linke Endpunkt und danach der rechte, wie im oberen Bild von Abb. 27 dargestellt. Das ist nun anders, wenn wir - ausnahmsweise - die absolute Gleichzeitigkeit und also die Transformationsformeln (558) zugrunde legen. Danach sind zwei Ereignisse genau dann in Σ gleichzeitig, wenn sie es auch in Σo sind. Starten die Endpunkte des Stabes aus der Sicht von Σo gleichzeitig, dann auch aus der Sicht von Σ . Die Orientierung unseres Stabes bleibt unabh¨ angig vom System parallel zur x-Achse. Die Beschreibung des Experimentes wird ganz einfach: Der Beobachter in Σo urteilt: Der Stab besitzt wegen (557) die bewegte L¨ange lv . Die Hindernisse haben die gr¨ oßeren Abst¨ande lvS < lo . Folglich kann der Stab die Hindernisse ber¨ uhrungsfrei passieren, falls er auf eine L¨ ucke trifft. Der Beobachter in Σ urteilt: Sein Stab hat die L¨ ange lo . F¨ ur die Hindernisse beobachtet er einen bewegten Abstand lvH , f¨ ur den er wegen (557) unter Beachtung von Gleichung (542) findet lvH = lo
k(v θ + q) lo , = lo k = q 1 − v12 /c2
also
lo < lvH .
(560)
Der Abstand der Hindernisse ist aus seiner Sicht also gr¨ oßer als die Ruhl¨ ange lo seines Stabes, lo < lvH , der folglich bei einer Bewegungskomponente in y-Richtung die Hindernisse passieren kann, wenn er auf eine L¨ ucke trifft. Beide Beobachter kommen zu demselben Schluß. Man kann sich nicht in ein Paradoxon verstricken.
32 Maßstabsparadoxon und Zwillingsparadoxon bei nichtkonventioneller Gleichzeitigkeit 215
32.2 Das Zwillingsparadoxon Wir betrachten die in Kap. 27 diskutierte Zwillingsgeschichte, bei der Zwilling A die ganze Zeit in einem Inertialsystem Σ ruht, w¨ ahrend Bruder B im Verlauf der Reise das Inertialsystem wechselt. Wenn wir nun wieder die Definition einer absoluten Gleichzeitigkeit zugrunde legen, kann nur Σ die Rolle des ausgezeichneten Systems u ¨ bernehmen. Bruder B ruht zun¨ achst in einem Inertialsystem Σo . Zwilling A mißt in seinem System Σ f¨ ur seinen Bruder B , solange dieser sich im System Σo aufh¨ alt, die Geschwindigkeit −v . F¨ ur die Reichenbach-Transformation w¨ ahlen wir also Σ als das ausgezeichnete System. Davon ben¨ otigen wir nur die Formeln f¨ ur die in Σ (x , t ) und Σo (x, t) gemessenen Zeiten t und t . Mit γv = 1 − v 2 /c2 gilt dann, t = t γv , ←→ t =
t . γv
(561)
F¨ ur das Inertialsystem Σ (x , t ) , in welchem Bruder B dem Zwilling A mit einer Geschwindigkeit u nachreist, wobei 0 < v < u < c , so daß er ihn einholen kann, gelten dann mit demselben ausgezeichneten System Σ f¨ ur die in Σ (x , t ) und Σ (x , t ) gemessenen Zeiten t und t bei γu = 1 − u2 /c2 die Formeln t = t γu , ←→ t =
t . γu
(562)
Im Unterschied zu der Situation auf der Grundlage der Einsteinschen Gleichzeitigkeit in der relativistischen Raum-Zeit, s. die Analyse auf S. 119ff., gestaltet sich die richtige Beschreibung der Zeitabl¨ aufe unter Beachtung des Umsteigens von Bruder B von Σo nach Σ nun problemlos, da die Ortskoordinaten x oder x in der Umrechnung von Zeitintervallen von einem Bezugssystem auf ein anderes nicht mehr vorkommen. Wir schreiben f¨ ur die auf der Uhr U A von Zwilling A abgelaufene Zeit vor dem Umsteigen ∆t1 und f¨ ur die Zeit nach dem Umsteigen ∆t2 , so daß auf der Uhr U A insgesamt eine Zeit ∆t abl¨ auft gem¨ aß tA = ∆t1 + ∆t2 .
(563)
Gem¨aß (561) und (562) stellen dann beide Zwillingsbr¨ uder u ¨bereinstimmend fest, daß auf auft gem¨ aß der Uhr U B von Bruder B die Zeit tB abl¨ tB = ∆t + ∆t = ∆t1 γv + ∆t1 γu .
(564)
¨ Uber die daraus folgende Feststellung tB < tA und zwar f¨ ur beliebiges u und v mit 0 < v < u < c gibt es keinen Streit. Ein Paradoxon entsteht auch hier nicht.
(565)
216
Anhang
33
Einsteins Additionstheorem f¨ ur beliebig gerichtete Geschwindigkeiten
Das Einsteinsche Additionstheorem der Geschwindigkeiten ist f¨ ur die Erkl¨ arung relativistischer Effekte unerl¨aßlich, Kap. 20-27. Wir betrachten daher noch den Fall eines Objektes, das sich in Σo mit einer beliebig gerichteten Geschwindigkeit u = (ux , uy , uz ) bewegt, Σo : u = (ux , uy , uz ) =
dx dy dz , , , dt dt dt
(566)
ur dieses Objekt im System und berechnen die Geschwindigket u = (ux , uy , uz ) , die f¨ Σ beobachtet wird, Σ : u = (ux , uy , uz ) =
dx dy dz . , . dt dt dt
(567)
Dabei nehmen wir zun¨ achst wieder an, daß Σ in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v = (v1 , 0, 0) besitzt, und wir schreiben γ1 = 1 − v12 /c2 . Die Bewegung x = x(t), y = y(t), z = z(t) in Σo bzw. x = x (t ), y = y (t ), z = z (t ) in Σ setzen wir in die Lorentz-Transformation (75) ein, x − v1 t , γ1 y = y,
x =
z =z, t =
t − y v1 /c2 , γ1
x + v1 t , γ1 y = y ,
x= ←→
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
Bewegung in x-Richtung Spezielle (568) Lorentz-Transformation
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 2 ⎪ t + x v2 /c ⎭ , ⎪ t= γ1 z=z ,
und finden −1 1
dx dx dt 1 1− = = − v u x 1 dt dt dt γ1 γ1
−1 −1 1 ux v1 dy dy dt 1− 2 = = = uy dt dt dt γ1 c
−1 −1 1 ux v1 dz dz dt 1− 2 = = = uz dt dt dt γ1 c
ux =
ux v1 c2
uy
,
uz
−1
,
.
Daraus folgt f¨ ur die allgemeine Form des Einsteinschen Additionstheorems
33 Einsteins Additionstheorem f¨ ur beliebig gerichtete Geschwindigkeiten
217
⎫ ux − v1 ux + v1 , ⎪ , ⎪ ux = 1 − ux v1 /c2 ⎪ 1 + ux v1 /c2 ⎪ ⎪ ⎫ Additionstheorem bei der ⎪ ux − v1 ⎪ ux + v1 ⎪ ⎪ ux = , ⎪ ⎬ = , u 2 x ⎪ uy γ1 Geschwindigkeit (v1 , 0, 0) u γ 2 ⎪ uy = 1 − ux v1 /c2 , ←→ uy = 1 + uyx v11 /c , ⎪ Additionstheorem bei der (569) ⎪ ⎪ 1 − ux v1 /c von Σ in bezug auf Σo , 1 + ux v1 /c2 ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ u γ Geschwindigkeit (v1 , 0, 0) u γ ⎪ y 1 y 1 ⎪ 2 , β = v1 , ←→ uy = uy = ⎪ (569) γ = 1 − β , ⎪ 2 1 1 1 γ u 2 ⎪ 1 − u v /c uzxγ11 1 Σco , von Σ in bezug auf ⎪ ⎭ uz = 1 + uzx v1 /c2 . ⎪ , uz = ⎪ ⎪ 1 + ux v1 /c ⎪ 1 − ux v1 /c2 ⎪ γ1 = 1 − β12 , β1 = vc1 ⎪ u ⎪ γ1 γ u z 1 z ⎭ . ⎪ uz = , uz = 2 2 ux vsich 1 − ux v1 /c 1 /c das System Σ entlang der y-Achse von Wir betrachten nun noch den Fall1 + , daß Σo bewegt, also v = (0, v2 , 0) . Mit γ2 = 1 − v22 /c2 lautet die spezielle LorentzWir betrachten nun noch den Fall , daß sich das System Σ entlang der y-Achse von Transformation dann 1 − v22 /c2 lautet die spezielle LorentzΣo bewegt, also v = (0, v2 , 0) . Mit γ2 = ⎫ Transformation dann x = x , x =x, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ t y − v ⎫ y + v t ⎪ 2 2 ⎪ yx = , ⎪ =x , yx = , =x, ⎪ Bewegung in y-Richtung ⎬ ⎪ γ2 γ2 ⎪ ⎪ ⎪ Spezielle ←→ (570) t y − v y + v t ⎪ 2 2 zy = ⎪ zy = =z, , ⎪ =z , , Bewegung in y-Richtung ⎬ Lorentz -Transformation ⎪ γ2 ⎪ γ2 ⎪ ⎪ Spezielle (570) ←→ y v2 /c2 y v2 /c2 ⎪ tz + = tz − , z ⎪ , z = ⎭ , t = . ⎪ t= ⎪ Lorentz -Transformation ⎪ γ2 ⎪ γ2 ⎪ ⎪ t − y v2 /c2 t + y v2 /c2 ⎪ ⎪ , t = . ⎭ t= γ2 gerichtete Bewegung eines γ2 Objektes werde wieder von Σo bzw. Σ gem¨aß Die beliebig (566) bzw. (567) beschrieben. Es folgt nun Die beliebig gerichtete Bewegung eines Objektes werde wieder von Σo bzw. Σ gem¨aß −1 Es folgt −1 (566) dx bzw. (567) dt 1 nun uy v2 dx beschrieben. ux = = 1− 2 = ux , dt dt dt −1 c γ2
−1 1 dx dx dt uy v2 ux = = , 1 − 2
−1 = ux −1 dt dt dt γ dt uy v2 1c dy dy 1 2 1− 2 uy − v2 = , uy = = dt dt dt −1 γ2 c γ2
−1 1 uy v2 dy dy dt 1 − 2 , uy = = −1 = uy −
v2 u γv 1 −1 dt dt dt γ c dt 1 dz dz 2 y 22 1− 2 = uz uz = = dt dt dt −1 c γ2
−1 1 uy v2 dz dz dt 1− 2 = uz uz = = dt das dt folgende dt γ2 c und damit Additionstheorem, ux =
γ2 folgende Additionstheorem, und damituxdas ux γ2 ux = , ux = , 1 − uy v2 /c2 1 + uy v2 /c2 γ u x 2 u γ2 ux = , 2 ux = u x+ v 2 , 1 − u v /c − v u y 2 y 2 2 y , ←→ uy = 1 + uy v2 /c , uy = 1 − uy v2 /c2 1 + uy v2 /c2 uy − v2 uy + v2 , ←→ uy = uy = 2 u γ2 2 , 1 −uuzyγv22 /c uz = 1 + uzy v2 /c2 . uz = , 1 + uy v2 /c 1 − uy v2 /c2 uz γ2 u γ z 2 . uz = uz = , 1 + uy v2 /c2 1 − uy v2 /c2
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Additionstheorem bei der Geschwindigkeit (0, v2 , 0) Additionstheorem bei der (571) von Σ in bezug auf Σo , Geschwindigkeit (0, v2 , 0) γ2 = 1 − β22 , β2 = vc2 (571) von Σ in bezug auf Σo , γ2 = 1 − β22 , β2 = vc2
218
Anhang
34
Testexperimente zur Speziellen Relativit¨ atstheorie
Eine physikalische Theorie kann niemals verifiziert, sondern immer nur falsifiziert werden. Wir k¨ onnen nie beweisen, daß eine physikalische Theorie richtig ist. Wir k¨ onnen h¨ ochstens zeigen, wo sie falsch wird, nicht mehr zutrifft. In ihrem axiomatischen Aufbau ist die Spezielle Relativit¨ atstheorie ebenso widerspruchsfrei wie es die Gesetze der Geometrie sind. Dies ist von D.-E. Liebscher[2] explizit vorgef¨ uhrt worden. Zu u ¨berpr¨ ufen gilt es, ob denn auch die axiomatischen Grundannahmen der Speziellen Relativit¨ atstheorie bzw. alle ihre Konsequenzen mit unseren Erfahrungen u ¨bereinstimmen. Bis zu welchem Grad der Genauigkeit decken sich die Aussagen der Experimente mit den theoretischen Vorhersagen? Hier ist folgendes zu beachten: Die Vorhersagen der Speziellen Relativit¨ atstheorie u ¨ber Raum und Zeit k¨ onnen nur so lange aufrechterhalten werden, wie wir den Einfluß der gravitierenden Massen vernachl¨ assigen d¨ urfen. Wie A. Einstein[3] 1915 gezeigt hat, f¨ uhrt die Ber¨ ucksichtigung der Gravitation zu einer u ¨bergeordneten Theorie, seiner Allgemeinen Relativit¨ atstheorie. Alle speziellrelativistischen Effekte, Zeitdilatation, L¨ angenkontraktion, Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, . . . erfahren durch die universelle Eigenschaft aller tr¨ agen Massen, in demselben Maße auch schwere Masse zu sein und daher stets auch gravitativ zu wirken, eine Modifikation. Physikalisch wird die Spezielle Relativit¨ atstheorie durch die permanente Pr¨ asenz der Gravitation bereits falsifiziert. F¨ ur die Theorie ist das aber unproblematisch, weil wir die bessere Theorie, die diese Falsifikation u ¨berwindet, bereits haben, die Allgemeine Relativit¨ atstheorie. Auf die Bedeutung der schweren Massen f¨ ur die Zeitdilatation wird in Aufg. 4, S. 265, hingewiesen. Die eigentlichen Testexperimente auf die Spezielle Relativit¨atstheorie fragen also nach den experimentellen Konsequenzen der Theorie unter der Bedingung einer vernachl¨ assigbaren Schwere oder bei einem entsprechenden Herausrechnen der gravitativen Einfl¨ usse. Und hier ist das experimentelle Feld gewaltig, da mit der einzigen Ausnahme der Gravitation das gesamte Geb¨aude der theoretischen Physik auf der Speziellen Relativit¨ atstheorie aufbaut. Zu pr¨ ufen sind also nicht nur die Aussagen zur Lichtausbreitung und das Verhalten von bewegten Maßst¨ aben und Uhren, sondern auch die sog. sekund¨ arrelativistischen Effekte, wie sie z.B. in der Paarerzeugung und der Vakuumpolarisation durch die relativistische Quantentheorie vorhergesagt werden, s. G. Gabrielse[1] et al. Wir wollen hier nur auf einige Experimente aufmerksam machen und verweisen im u ¨brigen auf die Spezialliteratur, z.B. M.P. Haughan[1] & C.M. Will. Auch die eigentliche Analyse der Versuchsanordnungen und ihrer Ergebnisse geht u ¨ber den Rahmen dieses Buches hinaus. Die beiden Elementareffekte, welche ”den von Konventionen freien physikalischen Inhalt der Lorentz-Transformation” bilden, Einstein[3] , S. 39, sind die Lorentz-Kontraktion und die Zeitdilatation. In Kap. 13 haben wir gezeigt: Die Spezielle Relativit¨ atstheorie ist genau dann richtig, bzw. experimentell gesprochen, so genau erf¨ ullt, wie wir diese beiden Effekte in einem einzigen Bezugssystem nachweisen k¨onnen. Die experimentelle Genauigkeit, mit der diese beiden Effekte gemessen werden, bestimmt daher die Genauigkeit, mit ¨ der wir die Nichtexistenz eines ’Atherwindes’ und damit die universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit behaupten k¨ onnen. Der Experimentator wird unabh¨ angig davon jede einzelne Konsequenz der Relativit¨ atstheorie immer wieder aufs neue f¨ ur sich pr¨ ufen. Das traditionelle Michelson-Morley-Experiment haben wir vom schematischen Aufbau her in Kap. 10 besprochen. Dieses Experiment wurde von 1881 bis 1930 an verschiedenen Orten der Welt immer wieder aufs neue mit stets raffinierteren Versuchstechniken
34 Testexperimente zur Speziellen Relativit¨atstheorie
219
durchgef¨ uhrt (Potsdam-Babelsberg, Cleveland, Mt. Wilson, Heidelberg, Pasadena, Mt. ¨ Rigi, Jena). Zu dem vermeintlichen Nachweis eines Atherwindes im April 1921 durch [1] D.C. Miller am Mt. Wilson Observatory ist Einsteins Kommentar ber¨ uhmt geworden, ”Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist er nicht”, dem er sp¨ ater die wunderbare Bemerkung hinzugef¨ ugt hat, ”Die Natur verbirgt ihr Geheimnis durch die Erhabenheit ihres Wesens, aber nicht durch List”. R.S. Shankland[1] et al. publizieren 1955 noch einmal eine eingehende Analyse aller Meßdaten mit dem bekannten Nullresultat, das durch die FitzGerald-Lorentzsche Kontraktionshypothese erkl¨ art wird, Kap. 10. Wir erw¨ ahnen die Weiterentwicklung dieser Experimente durch R.J. Kennedy[1] & E.M. Thorndike sowie sp¨ater unter Verwendung der modernen Lasertechnik durch A. Brillet[1] & J.L. Hall sowie D. Hils[1] & J.L. Hall. Wie wir in Kap. 24 gesehen haben, ist der transversale Doppler-Effekt gem¨aß Gleichung (199), S. 105, ν = ν 1 − v 2 /c2 , ein unmittelbarer Ausdruck der Zeitdilatation. Es entbehrt aus heutiger Sicht nicht einer gewissen Kuriosit¨ at, daß die ersten Testversuche von H.J. Ives[1] und G.J. Stillvell 1938/39 immer noch mit dem Ziel unternommen wurden, die Nichtexistenz des transversalen Doppler-Effektes, d.h. die Nichtexistenz der relativistischen Rotverschiebung der Spektrallinien, zu demonstrieren, freilich nicht mit dem gew¨ unschten Ergebnis. Dagegen waren 1939 die erfolgreichen Experimente von G. Otting[1] von vornherein auf den Nachweis dieses Effektes ausgerichtet. Indem wir die Zeitdilatation u ¨ber den transversalen Doppler-Effekt pr¨ ufen, ist unsere Meßgenauigkeit an die Genauigkeit von Frequenzmessungen gebunden. Hierbei spielen die von angeregten Atomkernen emittierten γ-Quanten eine wichtige Rolle. Die Energie Eγ = hν der emittierten Quanten darf jedoch der Anregungsenergie Eo des Atomkerns nicht einfach gleichgesetzt werden. Zun¨ achst ist zu bemerken, daß wir niemals eine streng monochromatische, unendlich lange Welle, sondern immer einen endlichen Wellenzug beobachten, der aus rein mathematischen Gr¨ unden nur aus einem kontinuierlichen Frequenzband aufgebaut werden kann. Man spricht dabei von der nat¨ urlichen Linienbreite mit einer sog. Halbwertsbreite ∆ν : Die maximale Intensit¨ at Io bei der Frequenz νo ist f¨ ur die Frequenzen νo ± ∆ν auf Io /2 abgesunken. Quantentheoretisch wird die nat¨ urliche Linienbreite durch die endliche Lebensdauer der an der Emission oder Absorption beteiligten Quantenzust¨ ande erkl¨ art. Die nat¨ urliche Linienverbreiterung ist eine prinzipielle Unsch¨ arfe in der Frequenz der emittierten Quanten, die nicht unterschritten werden kann. Die relative Linienbreite ∆ν/νo kann allerdings extrem klein sein. F¨ ur die Anregungsenergie EFo e = 14, 4 keV im 57 F e-Atom ist beispielsweise ∆ν/νF e = 3 · 10−13 . Die tats¨achliche Energie Eγ eines emittierten (oder absorbierten) Quants unterliegt aber weiteren Einfl¨ ussen. Die Emission (oder Absorption) eines γ-Quants kann als Stoßvorgang betrachtet werden, der den Erhaltungss¨ atzen von Energie und Impuls unterliegt. Der ¨ Kern erf¨ ahrt durch die Aussendung des γ-Quants eine Anderung seiner Geschwindigkeit, welche i. allg. jedoch in einem Bereich bleibt, der es uns erlaubt, die klassische Form des Energiesatzes anzuwenden. Der Kern m¨ oge vor der Emission des γ-Quants den i. allg. von Null verschiedenen Impuls pK = m vK und also die kinetische Energie E1 = p2K /(2m) besitzen. Die Richtung des emittierten γ-Quants mit dem Impuls p = k liegt i. allg. nicht in der Richtung von pK , so daß in den Erhaltungss¨ atzen die Impulse vektoriell addiert werden m¨ ussen. Die Energie des emittierten Quants nennen wir Eγ = h ν = h c/λ = c 2π/λ = k c = p c mit p = |p| , k = |k| , vgl. Kap. 26, S. 112. Der Kern erh¨ alt durch die Emission den R¨ uckstoßimpuls
220
Anhang
pr . Die Erhaltungss¨ atze von Impuls- und Energie bei diesem Stoßvorgang verlangen dann ⎫ = k + pK + pr , ⎪ pK ⎬ (572) 2 2 p (pK + pr ) ⎭ Eo + K = E γ + . ⎪ 2m 2m Aus der ersten Gleichung lesen wir f¨ ur den R¨ uckstoßimpuls pr = − k ab und finden eine Energieverschiebung ∆E = Eo − Eγ zwischen der Anregungsenergie Eo des Kerns und der Energie Eγ des emittierten γ-Quants gem¨aß, ∆E = Eo − Eγ =
Eγ2 Eγ2 pK cos Θ 2 k 2 pK k cos Θ k · pK − − Eγ − = = , 2m m 2 m c2 m 2 m c2 mc
wobei Θ der Winkel zwischen den Vektoren pK und k sein soll, also Eγ2 Eγ vK cos Θ − (573) 2 m c2 c Die Energieverschiebung ∆E ist also gleich der Differenz aus der bei diesem Prozeß vom Kern aufgenommenen R¨ uckstoßenergie Er = Eγ2 /(2mc2 ) und einem u ¨ber den Doppler-Effekt zustande kommenden Beitrag pr vK cos Θ = −Eγ vK cos Θ/c . F¨ ur die hier angenommenen frei beweglichen Kerne mit einer thermisch verteilten Geschwindigkeit wird die Energie des emittierten γ-Quants in den allermeisten F¨ allen derart verschoben sein, daß es auf Grund der geringen nat¨ urlichen Linienbreite nicht auf einen Kern trifft, der dann genau diese Energie wieder absorbieren kann. Es tritt daher f¨ ur die u ¨berwiegende Zahl der Emissionsakte keine Resonanzabsorption ein, wie man sagt, obwohl dies in seltenen Einzelf¨ allen m¨ oglich ist. Anders liegen die Verh¨ altnisse in einem Kristallgitter. Frei beweglich ist hier nur der Kristall als Ganzes. Die Gr¨ oße vK ist die Geschwindigkeit des Kristalls. Wegen der im Vergleich zu den Atomen als unendlich groß anzusehenden Masse des Kristalls kann dieser keine R¨ uckstoßenergie aufnehmen. Die Energie Er verbleibt also bei dem emittierten γ-Quant, wenn sie nicht von den Phononen der Gitterschwingungen aufgenommen werden kann, die sich aus Vielfachen einer Grundenergie ω zusammensetzen. Dies geht aber nur, wenn Er > ω .49 Man sucht daher nach solchen Kristallgittern, bei denen Er < ω ist. Die R¨ uckstoßenergie Er kann dann von den γ-Quanten nicht abgegeben werden. Dieser Fall liegt bei dem oben erw¨ ahnten 57 F e schon bei Zimmertemperatur vor. Die γ-Quanten o der Eo = EF e = 14, 4 keV-Linie werden zu u ¨ber 90% r¨ uckstoßfrei emittiert und ebenso wieder absorbiert. Bei anderen Elementen erreicht man dies durch Abk¨ uhlung. Die durch ¨ ßbauer-Effekt, der 1957 den fehlenden R¨ uckstoß erm¨oglichte Resonanzabsorption heißt Mo ¨ ßbauer gefunden wurde. Mit der frei verf¨ von R.L. Mo ugbaren Geschwindigkeit vK des Kristalls kann man u ¨ber den zweiten Term in Gleichung (573) die Emissionslinie gegen die Absorptionslinie verschieben, was wegen der geringen Linienbreite eine Resonanzabsorp¨ ßbauer-Effektes tion sofort verhindert. Darin liegt die meßtechnische Bedeutung des Mo mit einer bis dahin ungekannten Pr¨ azision. Das Isotop 57 Co hat die Eigenschaft, in den angeregten Zustand des 57 F e-Atoms u ¨berzugehen, welches dann die oben erw¨ ahnten 14, 4 keV γ-Quanten emittiert. Die 57 Co-Atome sind in ein Kristallgitter eingebunden, eine Matrix, wie man sagt. Die ∆E =
49 Nimmt das Gitter die R¨ uckstoßenergie Er auf, so kann das um diesen Betrag energie¨ armere γ-Quant oßere Energie als Eo danach vom Gitter nicht mehr absorbiert werden, weil es daf¨ ur nun eine um Er gr¨ mitbringen m¨ ußte.
34 Testexperimente zur Speziellen Relativit¨atstheorie
221
emittierten γ-Quanten sollen nun von 57 F e-Atomen im Grundzustand, die in eine andere Matrix eingebunden sind, absorbiert werden. Die Einbettung des 57 F e in ein Kristallgitter bewirkt eine geringf¨ ugige Verschiebung der Energieniveaus, hier also der 14, 4 keV -Linie. Dieser Unterschied in den Energieniveaus von Quelle und Absorber, der durch die Einbettung in verschiedene Kristallgitter entsteht, ist außerordentlich klein. ¨ ßbauer-Effektes mit dem klassischen, Seine Messung gelingt seit der Entdeckung des Mo longitudinalen Doppler-Effekt. Mit den Frequenzen νCo und νF e im Ruhezustand von Quelle bzw. Absorber ist also ein Frequenzunterschied δν definiert, der zun¨ achst eine Resonanz verhindert, δν := νF e − νCo .
(574)
Wir bewegen den Absorber mit einer Geschwindigkeit v c in Richtung von der Quelle weg, also weg von der Matrix mit den 57 Co-Atomen. Der Absorber kann dann nach dem klassischen, longitudinalen Doppler-Effekt (189) eine Frequenz νF e absorbieren gem¨ aß v νF e = νF e 1 − . (575) c Wir schreiben νF e = νF e − ∆ν = νF e (1 − v/c) so daß v ∆ν = . νF e c
(576)
Variiert man die Geschwindigkeit v so lange, bis ∆ν = δν , dann k¨ onnen die von der 57 Co-Matrix ausgesandten γ-Quanten von dem Absorber aufgenommen werden, d.h. Quelle und Absorber kommen durch die klassische Doppler-Verschiebung zur Resonanz. Die daf¨ ur erforderlichen Geschwindigkeiten v des Absorbers bewegen sich im Bereich von Millimetern pro Sekunde. Die Bestimmung der Frequenzverschiebung aus dem Doppler-Effekt gem¨ aß Gleichung (576) kann nun f¨ ur einen Test auf die Zeitdilatation ausgenutzt werden. Dies gelingt mit den Rotorexperimenten von D.C. Champeney[1,2] , G.R. Isaak und A.M. Khan. Bei einer Versuchsanordnung von D.C. Champeney[1] et al. zeigt sich Resonanz bei v = 1, 88 · 10−4 m s−1 , also knapp zwei zehntel Millimeter pro Sekunde, so daß wir f¨ ur die relative Frequenzverschiebung (576) einen extrem kleinen Wert erhalten, n¨ amlich v ∆ν = ≈ 6 · 10−13 . νF e c
(577)
Wie in Abb. 51 skizziert, wird auf einem Rotor die Quelle im Zentrum angebracht, so daß f¨ ur deren Geschwindigkeit mit dem Wert Null gerechnet werden kann, w¨ ahrend sich der Absorber bei R = 4 cm befindet, sich also mit der Geschwindigkeit vF e = R Ω rein transversal zu den eintreffenden γ-Quanten bewegt; die Geschwindigkeit vK aus Gleichung (573) ist also Null. Um nun denselben experimentellen Befund wie bei der longitudinalen Messung zu erhalten, ermittelten die Autoren in diesem Fall eine Geschwindigkeit des Rotors von 1313 Umdrehungen pro Sekunde, so daß Ω = 2π · 1313 ≈ 8250 s−1 , Abb. 51. Wegen des transversalen Doppler-Effektes (199) k¨onnen wir f¨ ur die Frequenz νF∗ e der Absorberatome auf dem Rand des Rotors schreiben50 50 Die Bedingung (190) zur Anwendung des rein transversalen Doppler-Effektes ist hier erf¨ ullt. In unserem Fall schreiben wir f¨ ur (190) ΩR/c R ν/c , also Ω ν . Ω bewegt sich in der Gr¨ oßenordnung von 1000 Hz , w¨ ahrend die 14, 4 keV γ-Quanten einer Frequenz von 3, 5 · 1018 Hz entsprechen. Dies folgt aus h ν = 14, 4 keV mit h = 4, 14 · 10−15 eV s .
222
Anhang Σo 6 Fe • R
57
Ω ` Co •h
-x
57
Abb. 51: Schematische Darstellung eines Versuches von D.C. Champeney et al. zum Nachweis der Zeitdilatation mit Hilfe eines Hochgeschwindigkeitsrotors. Die Quelle der γ-Quanten ist im Zentrum angeordnet und der Absorber in der N¨ ahe des Randes. Die Rotationsgeschwindigkeit Ω f¨ uhrt auf Grund des transversalen Doppler-Effektes zu einer Reduzierung der Absorberfrequenz. νF∗ e
= νF e
v2 1 − F2e = νF e c
1−
R 2 Ω2 1 R 2 Ω2 ≈ ν 1 − . F e c2 2 c2
(578)
Mit νF∗ e = νF e − ∆∗ ν folgt daraus ∆ν ∗ 1 82502 · 42 · 10−4 = ≈ 6 · 10−13 , νF e 2 32 · 1016
(579)
also mit (577) ∆∗ ν = ∆ν . Auf diesem Wege erfolgt eine Best¨atigung der Formel (199) f¨ ur den transversalen Doppler-Effekt und damit f¨ ur die Zeitdilatation. Lassen die Ives-Stillvell-Experimente noch 1% Abweichung von der Formel (199) zu, dann wird ¨ ßbauer-Experimente auf 0, 001% und sp¨ das durch Mo ateren Angaben zufolge sogar auf 0, 00001% reduziert, vgl. R. Grieser[2] et al. Ein weiterer Test auf die Zeitdilatation besteht in der Beobachtung der Lebensdauer instabiler Teilchen bei hohen Geschwindigkeiten, wie wir dies in Aufg. 14, S. 283, berechnen, vgl. die Messungen von R.P. Durbin[1] et al. an π + -Mesonen und von H.G. ¨ uft wird die im Laborsystem gemessene LebensBurrows[1] et al. an K-Mesonen. Uberpr¨ dauer To der ruhenden Mesonen mit der Lebensdauer T bei hohen Geschwindigkeiten, d.h. die Gleichung T = To 1 − v 2 /c2 . Die Mesonen zerfallen nach dem Gesetz N = No exp[−t/T ] . Durchlaufen sie eine Teststrecke L mit einer Geschwindigkeit v , also N = No exp[−L/(vT )] , so z¨ahlt man sie am Anfang und am Ende der Strecke und gewinnt dadurch die Lebensdauer T , die man nun mit der bekannten Lebensdauer To vergleichen kann.
34 Testexperimente zur Speziellen Relativit¨atstheorie
223
¨ Eine sehr hohe Meßgenauigkeit bei der Uberpr¨ ufung der Zeitdilatation erreicht man auch mit Hilfe der sog. Speicherring-Experimente. Dabei werden geladene Teilchen in einen hochevakuierten, kreisf¨ ormigen Torus geschossen, wo sie durch Magnetspulen, die diesen Torus umfassen, auf einer Kreisbahn gehalten werden. F.J.M. Farley[1,2] et al. lassen schnelle µ− -Mesonen eine solche Anordnung durchlaufen, die dort zerfallen, und messen ihre Lebensdauer T im Speicherring, die dann wieder mit der bekannten Lebensdauer To ruhender µ− -Mesonen verglichen werden kann. R. Grieser[1,2] et al. bringen Li+ -Ionen in einem Speicherring auf eine hohe Geschwindigkeit, um nun mit Hilfe der Laser-Spektroskopie eine genaue Bestimmung ihrer Spektrallinien durchzuf¨ uhren, die dann mit den im Ruhezustand gemessenen Linien verglichen werden. Wie bei den historischen Ives-Stillvell-Otting-Experimenten wird hier also u ¨ber den transversalen Doppler-Effekt ν = ν 1 − v 2 /c2 die in den Frequenzen ausgedr¨ uckte Zeitdilatation getestet. Die alte Genauigkeit von 1% denkbarer Abweichungen f¨ ur die Zeitdilatation wurde durch diese Experimente bis auf beachtliche 0, 00008% Abweichung reduziert. Ein Schwerpunkt der experimentellen Fragestellung war seit jeher, die Existenz eines ¨ Athers auszuschließen - oder eben auch nachzuweisen, dessen Ruhezustand in einem ausgezeichneten System jedes Prinzip einer Relativit¨at brechen w¨ urde. Das A und O der Speziellen Relativit¨ atstheorie ist die universelle Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Zur experimentellen Pr¨ ufung dieser Aussage werden zwei verschiedene Fragen gestellt: 1. Treffen Protonen mit einer Energie von 19, 2 · 109 eV auf ein Beryllium-Target, so entstehen π o -Mesonen, die sich mit der extrem hohen Geschwindigkeit von v = 0, 999 75 c in bezug auf das Laborsystem bewegen und dann in zwei γ-Quanten zerfallen, π o −→ γ→ + γ← . Im Ruhsystem des Pions laufen diese Photonen in entgegengesetzter Richtung mit der Lichtgeschwindigkeit c auseinander. Gemessen wird nun die Geschwindigkeit c dieser Photonen im Laborsystem, d.h., es wird das Additionstheorem der Geschwindigkeiten getestet. Gibt es eine Abweichung vom Einsteinschen Theorem (76), d.h. nach (77) von c = c , dann w¨ are das ein Hinweis auf ein ausgezeichnetes ¨ System, das Ruhsystem eines vermeintlichen Athers. Denkbare Abweichungen von der Gleichung c = c konnten durch diese Experimente auf unter 0, 013% reduziert werden, ¨nger[1] et al. vgl. T. Alva 2. Gepr¨ uft wird die Dispersion, die Abh¨ angigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Frequenz. Unterstellt man, daß die Ruhmasse der Photonen exakt Null ist, dann k¨ onnte die Ursache f¨ ur eine solche Dispersion in einer diskreten Struktur unseres physikalischen Vakuums liegen, vgl. Kap. 35. Durch astronomische Messungen an Pulsaren wurde bis zu Frequenzen von 2, 5 · 1020 Hz, das sind 1 MeV- γ-Quanten, gefunden, daß die relative Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit ∆c/c < 10−14 sein muß, vgl. J.M. Rawls[1] . In terrestrischen Messungen wurde bis zu einer Energie der γ-Quanten von 7 GeV u ¨ber eine Genauigkeit von ∆c/c < 10−5 berichtet, vgl. B.C. Brown[1] et al. Wir kommen zu dem Schluß: Mit der bis heute erreichbaren Meßgenauigkeit bleibt die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c eine universelle Konstante, in jedem Inertialsystem und f¨ ur jede Frequenz.
224
35
Anhang
Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
Warum geht eine bewegte Uhr nach? Warum ist ein bewegter Stab verk¨ urzt? Alle Materie, die wir kennen, unterliegt den Gesetzen der Speziellen Relativit¨ atstheorie, die axiomatisch auf der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit beruht oder, gem¨ aß der von uns entwickelten Axiomatik damit a¨quivalent, auf der L¨ angenkontraktion und der Zeitdilatation (69) und (70). Axiome sind einfachste Grunds¨ atze, die nicht weiter reduziert werden k¨ onnen. Die Frage nach einem Warum der Lorentz-Kontraktion oder einem Warum der Zeitdilatation scheint daher von vornherein aussichtslos. Woher sollen wir den Stoff nehmen, um die Ursache einer L¨angenkontraktion aufzusp¨ uren, wenn grunds¨ atzlich alle L¨ angen, die wir messen, eben dieser Kontraktion unterworfen sind? Wir werden die Frage nach den Ursachen dieser Ver¨ anderungen von Maßstabe und Uhren in unserer relativistischen Raum-Zeit daher auch nicht wirklich beantworten k¨ onnen. Um dieser Unm¨oglichkeit zu entkommen, wollen wir von der Vermutung ausgehen, daß die Ursachen f¨ ur die L¨ angenkontraktion und die Zeitdilatation bereits in der Struktur unseres physikalischen Vakuums angelegt sind. Wir werden zeigen, von welcher Art die Struktur unserer Welt sein k¨ onnte, damit zwangsl¨ aufig relativistische Ph¨ anomene auftreten. Anhand eines Modells wollen wir eine Denkm¨ oglichkeit diskutieren, ohne zu behaupten, daß unser physikalisches Vakuum tats¨ achlich so aussieht. In den Gitterstrukturen, wie sie in der Natur der kristallinen Festk¨ orper vorkommen, werden wir ein Modell aufsp¨ uren, das uns die Effekte der L¨ angenkontraktion und der Zeitdilatation auf das zugrundeliegende Gitter zur¨ uckf¨ uhrt. Mit dem Gegenstand dieses ¨nther[2] auseinandergesetzt. Dort finden sich auch Kapitels haben wir uns eingehend in Gu ¨nther[4] . ausf¨ uhrliche Literaturangaben zu allen hier aufgeworfenen Fragen, s. auch Gu Der entscheidende Gesichtspunkt ist nun der folgende: Das ideale Gitter mit der uneingeschr¨ankten symmetrischen Anordnung seiner Bausteine soll unser physikalisches Vakuum modellieren. Erst die St¨ orungen in diesem Gitter, die Abweichungen von der Idealstruktur, sollen jene ’Massen’ oder ’Teilchen’ bilden, die wir auf relativistische ¨ cker. Die Atome Eigenschaften hin untersuchen. Masse ist Form sagt C.F.v. Weizsa oder Molek¨ ule des zugrundeliegenden Gitters sind mit solchen ’Teilchen’ prinzipiell nicht beobachtbar. Von den Strukturst¨ orungen werden uns die sog. Versetzungen besch¨aftigen. Eine Versetzung ist die Randlinie einer im Kristall endenden Gitterebene. Aber nicht die unvollst¨ andige Gitterebene, sondern allein ihre, die Versetzung definierende Randlinie mit dem Richtungsvektor t ist die experimentell nachweisbare Gr¨ oße. Wir rechnen mit unendlich ausgedehnten Kristallen. Eine idealisierte, unendlich lange, gerade Versetzungslinie sei unsere x-Achse. Wie aus Abb. 52 deutlich werden soll, ist diese Versetzungslinie ein rein geometrischer Ort, der nicht an der Position der Gitteratome festgemacht werden kann. Eine Versetzungslinie kann sich im Kristallgitter verschieben. Die Gitteratome selbst bleiben dabei im wesentlichen an ihren Pl¨ atzen. Nur die St¨ orungslinie oder Verbiegungen in der St¨ orungslinie k¨ onnen sich u ¨ber gr¨ oßere Entfernungen im Kristall bewegen, die Gitteratome nicht. Wir betrachten hier nicht die Wanderung einer Versetzungslinie als Ganzes. Gegenstand ¨ unserer Uberlegungen sollen die im Gleichgewicht mit der Kristallstruktur m¨ oglichen, kleinen lokalen Abweichungen von dem geraden Verlauf der Versetzungslinie sein, welche wir durch Funktionen q = q(x, t) beschreiben. Die Funktion q = q(x, t) beschreibt die senkrechten Auslenkungen aus der im Grundzustand auf der x-Achse liegenden Versetzung.
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e b-e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
×
e
e
225
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
e
Abb. 52: Schematische Darstellung einer Stufenversetzung in der Draufsicht mit dem BurgersVektor b . Der Richtungsvektor t der Versetzung weist senkrecht aus der Bildebene heraus. Nur die durch das Kreuz gekennzeichnete Position der Versetzungslinie ist meßbar.
Wir wollen jetzt die Gleichung herleiten, der diese Auslenkungen q = q(x, t) gen¨ ugen m¨ ussen. Nur kleine Bereiche der St¨ orungslinie sollen wandern, wenn sie durch lokale Kr¨ afte dazu veranlaßt werden. Unterteilen wir die Versetzungslinie in kleine Abschnitte der L¨ ange ∆xα , so besitzen diese eine Tr¨agheit ∆mα gegen¨ uber dem Gitter, ebenso wie die Gitteratome eine Tr¨agheit gegen¨ uber dem physikalischen Raum besitzen. Außerdem h¨ angen die Elemente ∆xα untereinander elastisch zusammen wie die Teile einer gespannten Saite. Die Bewegung einer Versetzungslinie charakterisieren wir folgendermaßen : Die Versetzung bildet eine lineare Kette elastisch gekoppelter, tr¨ ager Massen ∆mα mit Positionen qα . Die Bewegung dieser, nur relativ zum Kristallgitter definierten, tr¨ agen Massen51 ist durch Newtonsche Gleichungen bestimmt, wenn wir das Inertialsystem der Mechanik durch das Ruhsystem des Kristallgitters ersetzen: d d Fb α , ∆mα qα (t) = dt dt
(580)
Fb α = −Fα b .
(581)
b=α
Dabei ist angenommen, daß die Variable q eine Auslenkung senkrecht zur Versetzungslinie beschreibt. Die Kr¨ afte Fb α auf das mit α indizierte Element ∆xα zerlegen wir gem¨aß b=α
Fb α = Fα−1 α + Fα+1 α +
Fg α
(582)
g
in die von links bzw. rechts wirkenden Kr¨ afte Fα−1 α und Fα+1 α der benachbarten Versetzungselemente und die Kr¨afte Fg α , welche die umgebenden Gitteratome auf die Versetzungsmasse ∆mα aus¨ uben. 51 Solche tr¨ agen Massen und die ihnen zuzuordnenden Teilchen, welche nur relativ zum Gitter definiert sind, werden auch als Quasimassen und Quasiteilchen bezeichnet, um sie von den in unserer physikalischen Raum-Zeit definierten Teilchen und Massen zu unterscheiden.
226
Anhang
F¨ ur kleine Auslenkungen qα wirkt das Gitter auf die Versetzung wie eine elastische Feder, die die Versetzungsmasse ∆mα mit einer Direktionskonstanten Dm in ihre Gleichgewichtslage qα = 0 zur¨ ucktreibt. F¨ ur gr¨ oßere qα nimmt diese Kraft ab, um dann in der Mittelposition der Versetzung bei qα = a/2 zwischen den beiden Gleichgewichtspositionen qα = 0 und qα = a ganz zu verschwinden. Hierbei ist a die Gitterkonstante. Wir approximieren diesen Verlauf der von den Gitteratomen ausgehenden Kr¨ afte durch eine sin-Funktion und schreiben
Fg α = −Dm sin
g
2π qα (t) . a
(583)
Die Kraft Fα+1 α ist gleich der von rechts auf das Element am Ort qα wirkenden Spannung τ (qα , t) . Ebenso ist Fα−1 α = −Fα α−1 = −τ (qα−1 , t) gleich der von links wirkenden Spannung, so daß Fα−1 α + Fα+1 α = −τ (qα−1 , t) + τ (qα , t) .
(584)
Gem¨aß ∆mα qα (t) Dm
⎫ −→ ρo ∆x , ⎪ ⎪ ⎬ −→ q(x, t) , ⎪ ⎪ ⎭ −→ D∆x
Vesetzungslinie wird eindimensionales Kontinuum.
(585)
gehen wir nun zu einer Beschreibung durch kontinuierliche Variable u ¨ber mit einer effektiven Massendichte ρo der Versetzungslinie und der auf die L¨ angeneinheit bezogenen Direktionskonstanten D des Gitters. Mit qα −→ x und qα−1 −→ x − ∆x wird −τ (qα−1 , t) + τ (qα , t) −→ −τ (x − ∆x, t) + τ (x, t) , also wird aus (584) Fα−1 α + Fα+1 α −→ τ (x − ∆x, t) + τ (x, t) und, indem wir nur das erste Glied der Taylor-Entwicklung mitnehmen, ∂τ (x, t) ∂τ (x, t) Fα−1 α + Fα+1 α −→ τ (x, t) − ∆x + τ (x, t) = ∆x . ∂x ∂x
(586)
F¨ ur die vom Gitter ausge¨ ubte Kraft (583) erhalten wir mit (585) g
Fg α = −Dm sin
2π 2π qα (t) −→ −D sin q(x, t) ∆x . a a
(587)
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
227
Wir machen dann die drei Grundannahmen der linearisierten Elastizit¨ atstheorie :
1. Im Newtonschen Tr¨agheitsterm sind die totalen Zeitableitungen einfach durch die partiellen Zeitableitungen zu ersetzen. 2. Die Massendichte wird als konstant angenommen. 3. Es gelte das Hookesche Gesetz, d.h., die Spannung ist der relativen Dehnung direkt proportional. Angewandt auf die Quasiteilchen unserer linearen Kette der Versetzungsmassen heißt das ⎫ d d ∂ ∂q(x, t) ⎪ ∆mα qα −→ ρo ∆x , ⎪ ⎪ ⎪ dt dt ∂t ∂t ⎪ ⎪ ⎬ 2. ρo = const , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ∂q(x, t) ⎪ ⎭ 3. τ (x, t) = σ . ∂x
1.
¨ Ubergang zur linearisierten Elastizit¨ atstheorie
(588)
Hier ist gem¨aß unserer Annahme ∂q/∂x die relative Dehnung quer zur Versetzungslinie, welche wir in die x-Achse gelegt haben. Der Elastizit¨atsmodul σ ist die sog. Linienspannung der Versetzung, eine Gr¨ oße, die u ¨ber Energiemessungen experimentell ermittelt werden kann. Ber¨ ucksichtigen wir in (580) die Gleichungen (586), (587) und (588), so folgt nach kurzer Rechnung, daß die Auslenkungen q aus der Gleichgewichtslage der Versetzung der sog. sine-Gordon-Gleichung gen¨ ugen, 2π ∂2 1 ∂2 D q(x, t) − 2 2 q(x, t) = sin q(x, t) , 2 ∂x co ∂t σ a σ . co = ρo
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
sine-Gordon-Gleichung einer Versetzung
(589)
Die Gr¨ oße co = σ/ mit einer effektiven Massendichte entlang der Versetzungslinie ist eine Grenzgeschwindigkeit f¨ ur die Ausbreitung von St¨ orungen auf der Versetzungslinie. Ihr Betrag liegt in der Gr¨ oßenordnung der Schallgeschwindigkeiten. Gleichung (589) ist zuerst 1949 von A. Seeger[1] gefunden worden. Wir haben hier eine ¨nther[2] . vereinfachte, exakte Herleitung f¨ ur (589) gegeben, s. dazu auch Gu Wir rechnen im folgenden mit der dimensionslosen Auslenkung q(x, t) , die mit der physikalischen Auslenkung q = q(x, t) auf dem Gitter gem¨ aß q :=
2π q a
zusammenh¨angt. Aus (589) entsteht dann die sine-Gordon-Gleichung in der Form:
(590)
228
Anhang
∂2 1 ∂2 1 q(x, t) − 2 2 q(x, t) = 2 sin q(x, t) . 2 ∂x co ∂t λo
sine-Gordon-Gleichung (591)
Hier ist λo =
a σ 2π D
(592)
eine charakteristische L¨ange im Gitter, definiert durch die Gitterkonstante a , die Linienspannung σ der Versetzung und die oben eingef¨ uhrte Direktionskonstante D der atomaren Kr¨ afte im Gitter. Wesentlich ist hier, daß die Gitterstruktur in der feldtheoretischen Beschreibung eine Nichtlinearit¨ at erzeugt, den Term sin q . Ohne die Kr¨ afte (583), die von den die Versetzungslinie umgebenden Gitteratomen ausgehen, entf¨ allt dieser nichtlineare Term. Dann w¨ aren die transversalen Auslenkungen q = q(x, t) einfach einer Wellengleichung unterworfen, die wir aus den Bewegungsgesetzen der Newtonschen Mechanik erhalten gem¨aß ∂2 1 ∂2 q(x, t) − 2 2 q(x, t) = 0 . 2 ∂x co ∂t
(593)
L¨ osungen von (593) mit zwei festgehaltenen Punkten beschreiben die Schwingungen einer gespannten Saite. Diese sog. strings spielen heute in der Physik der Elementarteilchen eine herausragende Rolle. Die L¨osungen q = q(x, t) der sine-Gordon-Gleichung beschreiben die energetisch m¨oglichen, physikalisch stabilen Formen von Versetzungslinien in der N¨ ahe der geraden Versetzungslinie q = 0 , die mit der x-Achse zusammenf¨allt. Man kennt heute sehr viele solcher L¨osungen. Die ihnen entsprechenden Linienformen kommen in jedem realen Gitter in großer Zahl vor. Die Bewegungen in diesen Linien realisieren im Kristall sog. mikroplastische Deformationen des Gitters. Wir suchen nun nach solchen, physikalisch stabilen Formen dieser Linien, die geeignet sind, eine Normalgr¨ oße f¨ ur einen L¨ angenmaßstab zu liefern, sowie nach physikalisch stabilen, schwingenden Versetzungslinien, die eine Schwingungsdauer f¨ ur eine Normaluhr hergeben. Die sog. kink-L¨ osung der sine-Gordon-Gleichung (591) lautet, Abb. 53, qIo (x) = 4 arctan exp
!x" . λo
Lokalisierte kink-L¨ osung
(594)
Die geometrische Ausdehnung dieser Kinke definiert uns im Gitter einen mit seiner Mitte bei x = 0 lokalisierten Normalmaßstab der L¨ ange Lo , indem wir z.B. Lo als diejenige Entfernung definieren, innnerhalb derer die Versetzungslinie von der einen Gleichgewichtslage q = 0 in die andere q = π u ¨berwechselt, genauer, Abb. 53,
Lo = π λo .
Nat¨ urlicher L¨ angenmaßstab u ¨ber einem Gitter
(595)
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
229
q 6 2π
qIo (x)
α
x1
Lo
λo
-x
x -2
Abb. 53: Definition eines nat¨urlichen L¨angenmaßstabes Lo aus der kink-L¨osung (594). Die Funktion qIo (x) hat ihren Wendepunkt bei x = 0 , qIo (0) = π . Die Tangente hat dort den Anstieg tan α = 2 π/Lo = 2/λo , schneidet die x-Achse bei x1 = −πλo /2 und die durch q = 2π zu beschreibende Asymptote (gestrichelte Linie) bei x2 = +πλo /2 , y = 2π . Auf der x-Achse ist dadurch ein L¨ angenmaßstab Lo = x2 − x1 = πλo definiert. Diesen durch die Kinke definierten L¨ angenmaßstab k¨ onnen wir an jedem Ort x = b des Gitters lokalisieren. Die am Ort x = b lokalisierte kink-L¨ osung finden wir aus (594), indem wir dort x durch x − b ersetzen, s. auch Abb. 55, qIo (x − b) = 4 arctan exp
!x − b" . λo
Bei x = b lokalisierte kink-L¨ osung
(596)
Offenbar ist (596) ebenso eine L¨osung der sine-Gordon-Gleichung wie (594), so daß wir damit bei x = b dasselbe L¨angenmaß definieren wie oben bei x = 0 . Die Kinke liegt als Linienform im Gitter vor und definiert also einen u ¨berall einheitlichen, nat¨ urlichen L¨angenmaßstab Lo , auf den man alle Abst¨ ande von Strukturen in diesem Gitter beziehen kann - ebenso wie wir die Abst¨ ande in unserem Raum auf die orangerote Linie im Spektrum des Kryptonisotops 86 Kr beziehen, Kap. 1. Die sog. breather-L¨osung der sine-Gordon-Gleichung (591) lautet, Abb. 54,
qIII o (x, t) = 4 arctan
sin(2π t/To ) √ . cosh x/( 2 λo )
Lokalisierte (597) breather-L¨ osung
Hierbei ist To eine durch das Gitter festgelegte Schwingungsdauer,
To =
√
2 2π
λo . co
Nat¨ urliche Schwingungsdauer u ¨ber einem Gitter
(598)
Diese breather-L¨osung ist mit ihrem Schwerpunkt im Gitter lokalisiert, hier bei x = 0 , und existiert dort als permanent schwingende Linienform, Abb. 54.
230
Anhang q 6 π
t2
6
6
6
6
6 λo
6 t1
6
-x
t3
Abb. 54: Definition einer nat¨urlichen Schwingungsdauer To aus der breather-L¨osung (597). Eingezeichnet sind die Schwingungszust¨ ande f¨ ur t1 = 0 , t2 = To /4 und t3 = 3To /4 . Die Pfeile deuten die Geschwindigkeiten der Versetzungselemente beim Durchgang durch die Nullinie an.
Die L¨osung (597) definiert im Gitter am Ort x = 0 eine Normaluhr Uo , welche die Anzahl der Perioden To der oszillierenden Linie qIII ahlt, also mit (597) f¨ ur x = 0 , o (0, t) z¨ cosh 0 = 1 , ! " qIII o (0, t) = 4 arctan sin(2π t/To ) .
(599)
Eine solche, durch eine schwingende Linie definierte Uhr kann an jedem Ort x = b des Gitters existieren. Die am Ort x = b lokalisierte breather-L¨ osung finden wir aus (597), indem wir dort x durch x − b ersetzen, qIII o (x − b, t) = 4 arctan
sin(2π t/To ) √ . cosh (x − b)/( 2 λo )
Bei x = b lokalisierte (600) breather-L¨ osung
Offensichtlich ist (600) ebenso eine L¨osung der sine-Gordon-Gleichung wie (597). Setzen wir in (600) x = b , so erhalten wir wieder die oszillierende Linie (599), die also an jedem Ort dieselbe Normaluhr definiert. Mit der Uhr Uo k¨ onnen wir alle Zeitintervalle im Gitter ebenso messen, wie wir in unserem physikalischen Raum alle Zeiten auf die Schwingungen einer ganz bestimmten Linie im Spektrum des C¨ asiumisotops 133 Cs zur¨ uckf¨ uhren, Kap. 1. Lassen wir nun aber die kink- und breather-L¨ osungen nicht lokalisiert, an ein und derselben Stelle mit ihren Schwerpunkten ruhend, sondern versuchen, diese Linienformen mit einer konstanten Geschwindigkeit v entlang der x-Achse zu verschieben, dann erleben wir eine ¨ Uberraschung.
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
231
q 6 2π
α α
qI (x, λo /v) qIo (x − λo )
λo x − vt = 0 Lv Lo
2λo -
-x -
Abb. 55: Die Verk¨urzung der bewegten Kinke. Dargestellt ist die bewegte Kinke qI (x, t) , (603), zur Zeit t = λo /v bei einer Geschwindigkeit von v = 0, 8 co , also γo = 0, 6 , so daß Lv = 0, 6 Lo . Zum Vergleich ist eine mit dem Schwerpunkt bei x = λo ruhende Kinke punktiert eingezeichnet, aß (596) mit b = λo . also qIo (x − λo ) gem¨
Wir ersetzen zun¨ achst in der kink-L¨ osung (594) x durch x − vt mit einem konstanten v und erhalten die mit der Geschwindigkeit v nach rechts fortlaufende Funktion qIo (x − vt) = 4 arctan exp[
x − vt ] . λo
(601)
Der entscheidende Punkt ist nun aber, daß (601) keine m¨ ogliche Linienform in unserem Kristallgitter beschreibt. Die Funktion (601) ist keine L¨ osung der sine-Gordon-Gleichung, wovon man sich durch einfaches Ausdifferenzieren u ¨berzeugen kann. Wir finden also: ¨ Es ist unm¨ oglich, unseren L¨ angenmaßstab ohne Anderung seiner L¨ ange zu bewegen. Dieselbe Erfahrung machen wir mit den oben definierten Normaluhren. Ersetzen wir in der breather-L¨ osung (597) x durch x − vt mit einem konstanten v , dann erhalten wir die mit der Geschwindigkeit v nach rechts fortlaufende Funktion " ! sin 2πt/To √ ! " . qIII (602) (x, t) = 4 arctan o cosh (x − vt)/ 2λo Wieder ist die Funktion (602) keine L¨ osung der sine-Gordon-Gleichung, und wir finden: ¨ Es ist unm¨ oglich, die Normaluhr ohne Anderung ihrer Schwingungsdauer zu bewegen. Wir geben nun diejenige L¨ osung der sine-Gordon-Gleichung an, welche die Situation beschreibt, daß sich die Kinke (594) mit einer konstanten Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt. Diese, den bewegten Maßstab darstellende L¨osung qI (x, t) lautet, Abb. 55,
232
Anhang q 6 π p p p p p p p p p
pppppp
ppp
ppp
t1p p p p p p p p p p p p p ppp
t2 p
-v
p p
p
λo p p p p p p ppp pp ppppppppp
pppp
pppppppppppppp
-x
t3
Abb. 56: Die mit der Geschwindigkeit v = 0, 8 co , also γo = 0, 6 , bewegte breather-L¨osung ur die Zeitpunkte t1 = 0 , t2 = Tv /4 und t3 = 3Tv /4 . Hierbei ist Tv = To /γo qIII (x, t) , (605), f¨ die Schwingungsperiode des bewegten breather. Man beachte die wellenartigen Ver¨anderungen der Linien, verglichen mit der lokalisierten Schwingung von Abb. 54, was auf die Definition der ¨nther[2] . Gleichzeitigkeit im Kristall zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann, vgl. Gu
qI (x, t) = 4 arctan exp
Hierbei ist γo :=
!x − v t" , λv = λo γo . λv
Bewegte (603) kink-L¨ osung
1 − v 2 /c2o .
Mit Lv = π λv lesen wir aus (594), (595) und (603) unmittelbar ab: Die L¨ange Lv des in bezug auf das Gitter bewegten Maßstabes ist gegen¨ uber urzt: der L¨ ange Lo des in bezug auf das Gitter ruhenden Maßstabes verk¨ Lv = Lo
1−
v2 . c2o
’Lorentz-Kontraktion’ (604)
Die Schreibweise ’Lorentz-Kontraktion’ soll andeuten, daß wir es hier nicht mit der Lichtgeschwindigkeit zu tun haben. Wir finden ferner f¨ ur die Funktion qIII (x, t) , die den Sachverhalt beschreibt, daß sich die schwingende breather-L¨ osung (597) mit konstantem v entlang der x-Achse bewegt, daß sich also unsere Normaluhr im Gitter mit dieser Geschwindigkeit bewegt, den Ausdruck, Abb. 56,
qIII (x, t) = 4 arctan
sin[2π (t−xv/c2o )/γo2 Tv ] To √ . , Tv = γo cosh[(x − v t)/ 2 λv ]
Bewegte (605) breather-L¨ osung
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
233
Mit diesem bewegten breather (605) verf¨ ugen wir also u ¨ber eine in bezug auf das Gitter bewegte Uhr Uv , indem wir die Zahl der Schwingungen dieser Linie z.B. bei x = vt z¨ahlen. Welche Schwingungsdauer besitzt dann diese Uhr? Dazu setzen wir in (605) x = v t und finden die in Abb. 57 dargestellte Funktion ! " qIII (vt, t) = 4 arctan sin(2π t/Tv ) . (606) Die Schwingungsdauer Tv der bewegten breather-Uhr Uv betr¨ agt daher gem¨ aß (599), (605) und (606) Tv = To /γo : Die Schwingungsdauer Tv der in bezug auf das Gitter bewegten Uhr Uv ist gegen¨ uber der Schwingungsdauer To der im Gitter ruhenden Uhren Uox gedehnt: To Tv = . 1 − v 2 /c2o
’Zeitdilatation’ (607)
Die Zeigerstellung einer Uhr z¨ ahlt die Schwingungen, also bleibt der Zeiger der bewegten Uhr zur¨ uck, Abb. 57: Die Zeigerstellung tv der in bezug auf das Gitter bewegten Uhr Uv bleibt gegen¨ uber uck: den Zeigerstellungen to der im Gitter ruhenden Uhren Uox zur¨ tv = t o
1−
v2 . c2o
’Zeitdilatation’ (608)
Wir bemerken, daß mit (604) und (607) das Reziprozit¨ atstheorem (552), S. 211, erf¨ ullt ist. Das Bezugssystem Σo haben wir durch das ruhende Kristallgitter definiert. Aber nicht die Bausteine dieses Gitters sind die Objekte unserer Beobachtung, sondern Strukturen, die von dem idealen Raumgitter abweichen, stabile Fehlordnungen, die in bezug auf das Gitter eine geometrische Ausdehnung besitzen. Die Atome oder Molek¨ ule des idealen Gitters bilden den ’Raum’. Die Fehlstrukturen bilden die ’K¨ orper’, die ’Teilchen’ darin, s. die Fußnote auf S. 226. Mit der Kinke und dem breather haben wir bestimmte Fehlstrukturen zu Maßst¨aben f¨ ur L¨ angen- und Zeitmessungen gemacht. Das ist vern¨ unftig, da in einem realen Kristall gerade diese Fehlordnungen stets in großer Anzahl vorhanden sind. Das Raum-Zeit-Modell, das wir darauf aufbauen, bezieht sich auf eine ’innere Welt’ dieser Fehlordnungen. Wir nehmen hier eine Gedankenkonstruktion auf, die H. v.Helmhotz[1] um 1870 entwickelt hat und auch von A. Einstein benutzt wurde und k¨ onnen in diesem Zusammenhang von den ’inneren Beobachtern’ 52 dieser Welt sprechen. Die einzelnen 52 Wir meinen die sog. ”Fl¨ achenwesen”, die ”flachen Gesch¨ opfe”, die in einer zweidimensionalen Welt mit einer nichteuklidischen Geometrie leben und nichts von dem sie umgebenden dreidimensionalen Raum erfahren. Im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Relativit¨ atstheorie demonstrierte Einstein damit die Beschr¨ anktheit unserer dreidimensionalen Erfahrungswelt, in der wir die inneren Beobachter sind.
234
Anhang t 6 Tv
To
` ` ` ` ` ` tv qIII (vt, t) ` Uv ` ` `
t 6
To qIII o (0, t) x
` ` ` ` ` U o ` to ` ` q π
x=0
` ` ` ` ` U x ` to ` o` q π
x
x = vt
Abb. 57: Die Messung der ’Zeitdilatation’. Der Zeiger der einen, gegen¨uber dem Gitter bewegten breather-Uhr Uv , welche die Schwingungen der hier dick gezeichneten Linie der Funktion ahlt, eingezeichnet f¨ ur x = v t , bleibt zur¨ uck gegen¨ uber qIII (vt, t) = 4 arctan sin(2π t/Tv ) , (606), z¨ den Zeigern der in bezug auf das Gitter ruhenden breather-Uhren Uox , welche die Schwingungen der hier d¨ unn gezeichneten Linien der Funktionen qIII o (0, t) = 4 arctan sin(2π t/To ) , (599) bzw. (600), z¨ ahlen, eingezeichnet f¨ ur x = 0 und x = v t . Wir haben den Fall dargestellt, daß sich die Uhr Uv auf der x-Achse mit der konstanten Geschwindigkeit v = 0, 8 co bewegt. Es ist dann ur to = 15 erhalten wir tv = 15 · 0, 6 = 9 , wie eingezeichnet. γo = 0, 6 , so daß Tv = To /0, 6 , und f¨
Atome des Gitters sind mit diesen Strukturen nicht erfaßbar. Sie k¨ onnen von den inneren Beobachtern nicht bemerkt werden. Das Gitter hat die Funktion des Vakuums, des Raumes, in dem sich die Strukturen bewegen, eines Raumes, dessen physikalische Eigenschaften auf der Grundlage seiner Gitterstruktur aber durchaus manifest sind. Mit (604) und (607) bzw. (608) haben wir vor dem Hintergrund des Kristallgitters aus Atomen oder Molek¨ ulen die physikalischen Postulate einer relativistischen Raum-Zeit gefunden, n¨ amlich (69) und (70) bzw. (71). Der einzige Unterschied besteht nur in der Grenzgeschwindigkeit: Die Lichtgeschwindigkeit c ist nun durch die Grenzgeschwindigkeit co der mikroplastischen Deformationen ersetzt. Wir sind hier aber sogar noch besser dran. W¨ ahrend die Gleichungen (69) - (71) allein auf Pr¨ azisionsexperimenten basieren, entweder direkt oder auf dem Weg u ¨ber die Lichtgeschwindigkeit, werden die Gleichungen (604), (607), (608) u ¨ber die sine-Gordon-Gleichung (591) urs¨ achlich auf die elastischen Wechselwirkungen der Atome des zugrundeliegenden Gitters zur¨ uckgef¨ uhrt. Mit der sine-Gordon-Gleichung sind wir hier also im Besitz einer ’Elementarteilchentheorie’ f¨ ur die Fehlstrukturen auf dem Gitter.
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
235
Wir k¨ onnen nun auch noch einen Schritt weiter gehen. Bisher ist immer nur von einem Bezugssystem die Rede, dem Ruhsystem des Kristallgitters, in welchem die sine-GordonGleichung gilt. Dieses Bezugssystem haben wir Σo genannt. Wir beschr¨ anken uns auf eine r¨ aumliche Dimension, die durch die Versetzungslinie ausgezeichnete x-Achse. Die Grenzgeschwindigkeit hat in beiden Richtungen der x-Achse denselben Wert co . Es liegt also Isotropie vor. Wir fragen jetzt, wie wir die von Σo aus registrierten Ereignisse E(x, t) beschreiben k¨ onnen, wenn wir uns relativ zum Kristallgitter bewegen, also gewissermaßen als innere Beobachter auf einer bewegten Kinke oder einem bewegten breather sitzend. Dieses Bezugssystem nennen wir Σ . Als erstes wollen wir festlegen, daß wir in Σ dieselben Normalmaßst¨abe und Normaluhren verwenden wollen wie auch der innere Beobachter in Σo , n¨ amlich die vom Kristall selbst gelieferten, oben beschriebenen kink- und breather-L¨ osungen der sineGordon-Gleichung. Die Objekte, mit denen wir messen, sind also stets von derselben Art wie die auszumessenden Objekte. Dadurch entsteht eine unserer physikalischen Raum-Zeit nachgebildete Situation. Durch Aneinanderlegen hinreichend vieler solcher Normalmaßst¨ abe k¨ onnen wir auch in Σ jedem Ereignis seine Ortskoordinate x zuteilen und Entfernungen messen. Es scheint nun ganz offensichtlich, daß die im Kristallgitter ruhende Kinke nat¨ urlich l¨ anger ist als die bewegte Kinke in Σ , wie dies aus Abb. 55 hervorgeht. F¨ ur den Beobachter in Σo ist dies zweifellos zutreffend, nicht aber f¨ ur den inneren Betrachter in Σ . Jener kann zun¨ achst gar keine wohl definierte Aussage u ¨ber die L¨ ange einer in Σo ruhenden, also in bezug auf Σ bewegten Kinke machen, solange er nicht in Σ eine Gleichzeitigkeit definiert hat. Hier liegt genau dieselbe Situation vor wie bei der Beurteilung der Ereignisse aus der Sicht der Bezugssysteme Σ unserer physikalischen Raum-Zeit, wie wir dies in Kap. 4.1 besprochen haben. Wieder haben wir die Freiheit der Definition einer Gleichzeitigkeit. Durch die obige Beschr¨ankung auf die gittereigenen Maßst¨ abe und Uhren mit ihren durch dieses Gitter wohldefinierten und durch die Gleichungen (604), (607), (608) wiedergegebenen, physikalischen Eigenschaften k¨ onnen wir alle Schl¨ usse w¨ortlich u ¨bertragen, nur, daß hier anstelle der Lichtgeschwindigkeit c die Grenzgeschwindigkeit co der mikroplastischen Deformationen steht. Das ist der einzige Unterschied. Wegen der Vorteile, welche durch eine Symmetrie entstehen, entscheiden wir uns auch hier f¨ ur eine Definition der Gleichzeitigkeit in Σ auf der Grundlage des elementaren Relativit¨ atsprinzips, wie wir es in Kap. 7, S. 36, formuliert haben. Jedem Ereignis sind damit sowohl in Σo (x, t) als auch in Σ (x , t ) seine Raum-Zeit-Koordinaten zugeordnet. F¨ ur die gittereigenen Maßst¨ abe und Uhren k¨ onnen wir nun alle Schl¨ usse von Kap. 13 w¨ ortlich wiederholen, nur, daß hier anstelle der Lichtgeschwindigkeit c die Grenzgeschwindigkeit co der mikroplastischen Deformationen steht. Das ist der einzige Unterschied. Es folgt also: Die Definition der Gleichzeitigkeit nach dem elementaren Relativit¨ atsprinzip auf dem Gitter erzwingt die ’Lorentz-Transformation’:
236
Anhang
x−vt x = , 1 − v 2 /c2o
←→
t − xv/c2o , t = 1 − v 2 /c2o
⎫ x + v t ⎪ x= , ⎪ ⎪ ⎬ 1 − v 2 /c2o ⎪ ⎪ ⎪ t + x v/c2o ⎪ . ⎪ t= ⎭ 1 − v 2 /c2o
’Lorentz-Transformation’ Innere Beobachtung von Fehlstrukturen in einem Gitter
(609)
Folglich gilt auch das ’Einsteinsche Additionstheorem’ (76), allerdings nun mit co anstelle der Lichtgeschwindigkeit c : u=
u + v u−v ←→ u = . 1 + u v/c2o 1 − u v/c2o
’Einsteinsches Additionstheorem’ der Geschwindigkeiten
(610)
Und es folgt, daß f¨ ur die Grenzgeschwindigkeit co der mikroplastischen Deformationen nun in allen Systemen Σo und Σ ein und derselbe Wert gemessen wird: co = co .
(611)
Unser Gittermodell einer Speziellen Relativit¨atstheorie ist damit vollst¨ andig. Wir machen uns noch klar, auf welche Weise auch in dem hier betrachteten Kristallgitter die Bezugssysteme ¨aquivalent sind. In den Systemen Σ gilt damit die sine-Gordon-Gleichung ebenso wie in Σo , da die zur x-Achse transversale Verschiebung q eine Invariante gegen¨ uber der ’LorentzTransformation’ ist, q = q , also 1 ∂2 1 ∂2 q(x , t ) − 2 2 q(x , t ) = 2 sin q(x , t ) . 2 ∂x co ∂t λo
(612)
osungsmenge fest wie der Der in Σ ruhende Beobachter stellt folglich dieselbe L¨ Beobachter in Σo . Jede, von Σo aus gemessene Linienform, kommt auch unter den in Σ registrierten Linienformen vor und umgekehrt. Beobachten wir aber ein und dieselbe Linie von beiden Bezugssystemen aus, dann werden die Effekte der Speziellen Relativit¨atstheorie sichtbar. Die von Σ aus als ruhende Kinke, als dort ruhender L¨ angenmaßstab beobachtete L¨osung, die in Abb. 53 dargestellt ist, qIo (x ) = 4 arctan exp[
x ] , λo
In Σ ruhende kink-L¨ osung
(613)
wird von dem in Σo ruhenden Beobachter als bewegte Kinke, n¨ amlich als die L¨ osung (603) ’gesehen’, als die dicke Linie in Abb. 55 . Man braucht bloß die ’Lorentz-Transformation’ (609) in Gleichung (613) einzusetzen, um (603) zu erhalten. Ebenso wird die von Σ aus als lokalisierter breather, als dort ruhende Normaluhr beobachtete L¨osung, wie sie Abb. 54 dargestellt ist, qIIl o (x , t ) = 4 arctan
sin(2π t /To ) √ , cosh x /( 2 λo )
In Σ lokalisierte breather-L¨ osung
(614)
von dem in Σo ruhenden Beobachter als bewegter breather, n¨ amlich als die L¨ osung (605) ’gesehen’, wie wir sie in Abb. 56 dargestellt haben. Wieder braucht man bloß die ’LorentzTransformation’ (609) in (614) einzusetzen, um (605) zu erhalten.
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
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Mit der ’Lorentz-Transformation’ (609) werden alle Bezugssysteme Σo und Σ gleichberechtigt. Das ruhende Kristallgitter Σo ist durch nichts mehr ausgezeichnet. Einigt man sich erst einmal darauf, alle Messungen ausschließlich mit den gittereigenen Maßst¨ aben und Uhren durchzuf¨ uhren, so ist das definierende Kristallgitter durch nichts mehr feststellbar, ’der Kristall ist weg’. Genauer, f¨ ur das Kristallgitter ist mit Hilfe der in ihm existierenden Maßst¨ abe und Uhren kein Bewegungszustand definiert. Der Kristall ist der Raum. Er ist ¨ genau das, was A. Einstein[5] 1920 u ¨ber den Ather gesagt hat: ”Der n¨ achstliegende Standpunkt, den man dieser Sachlage gegen¨ uber einnehmen konnte, ¨ schien der folgende zu sein. Der Ather existiert u ¨berhaupt nicht. · · · Indessen lehrt ein ¨ genaueres Nachdenken, daß diese Leugnung des Athers nicht notwendig durch das Rela¨ tivit¨ atsprinzip gefordert wird. · · · Den Ather leugnen bedeutet letzten Endes, daß dem leeren Raum keinerlei physikalische Eigenschaften zukommen. Mit dieser Auffassung stehen die fundamentalen Tatsachen der Mechanik nicht im Einklang.” ¨ Der Kristall modelliert diesen Einsteinschen Ather. Unseren Exkurs u ¨ ber ein Gittermodell der Speziellen Relativit¨atstheorie wollen wir nun mit einigen ¨ vagen, hypothetischen Uberlegungen zur Struktur unserer physikalischen Raum-Zeit beschließen: Im Festk¨ orper ist gewissermaßen die Miniaturausgabe der Relativit¨atstheorie verborgen mit einer Grenzgeschwindigkeit co , die viel kleiner ist als die Lichtgeschwindigkeit, co c . Damit auch nicht die geringsten Mißverst¨ andnisse aufkommen, heben wir es ausdr¨ ucklich noch einmal hervor: atstheorie unDie durch die Lichtgeschwindigkeit definierten Effekte der Einsteinschen Relativit¨ serer physikalischen Raum-Zeit haben nichts, aber auch rein gar nichts mit elastischen Wechselwirkungen eines kristallinen Festk¨ orpers zu tun. Nichtsdestoweniger kann man dieses Gittermodell, diese Miniaturausgabe der Speziellen Relativit¨atstheorie, als einen ernst zu nehmenden Hinweis darauf betrachten, daß m¨ oglicherweise auch unser physikalischer Raum eine diskrete Struktur besitzt, einen, wie auch immer gearteten Gitteraufbau. Bei den Konstituenten eines solchen Gitters kann es sich aber prinzipiell nicht um die tr¨ agen Massen unseres Raumes handeln, weder um Atome noch um Elementarteilchen. ange lo = F¨ unserer physikalischen Raum-Zeit k¨ame die Plancksche L¨ pur eine Gitterkonstante f /c3 = 1, 6 · 10−33 [cm] in Betracht, die nach heutigem Wissen eine absolute Meßschranke ` f¨ ur r¨ aumliche Entfernungen darstellt mit der Planckschen Konstante h = 6, 63 · 10−34 [N m s] , = h/2π , der Gravitationskonstante f = 6, 67 · 10−11 [N m2 kg−2 ] und der Lichtgeschwindigkeit ´ ur die Kraft ist [1N] = [1m·1kg·1s−2 ] , s. S. 67. c = 3 · 108 [m s−1 ] . Die Einheit f¨ Ein solches Raumgitter, dessen Konstituenten hier nur rein geometrisch definiert sind, k¨onnte durchaus den physikalischen Hintergrund f¨ ur die Spezielle Relativit¨ atstheorie hergeben. Denkbare Konsequenzen k¨ onnen wir aus unserem Modell unmittelbar ablesen. Im Festk¨orper geht n¨ amlich die Relativit¨ at verloren, wenn wir zu Abst¨ anden vordringen, die im Bereich der Gitterkonstante a liegen, indem wir also entsprechend hohe Energien aufwenden. Weicht die Geschwindigkeit einer bewegten Kinke beliebig wenig von der Grenzgeschwindigkeit co ab, dann ange kleiner werden als selbst die Gitterkonstante a . Das ist m¨ ußte ihre ’Lorentz-kontrahierte’ L¨ physikalisch nicht m¨ oglich. Die N¨ aherungsannahmen einer linearisierten Elastizit¨atstheorie (588) at ins Wanken und mit ihr die Konsesind nicht mehr erf¨ ullt. Die sine-Gordon-Gleichung ger¨ quenzen der ’Lorentz-Kontraktion’ und der ’Zeitdilatation’. Auch die durch unser elementares Relativit¨ atsprinzip eingef¨ uhrte Gleichberechtigung aller Bezugssysteme ginge verloren. Man macht sich leicht klar, daß durch einen Gitterabstand a nun das Bezugssystem Σo ausgezeichnet ist, in welchem der Kristall ruht: Σo wird das System, in welchem der Gitterabstand a die maximale L¨ ange hat. Relativistische Verh¨ altnisse erhalten wir nur, wenn wir uns mit Abst¨anden A
238
Anhang
begn¨ ugen, die viel gr¨ oßer als a sind, a A . Dann ist das Bezugssystem Σo durch nichts mehr vor allen anderen zu erkennen. Angewandt auf unsere physikalische Raum-Zeit k¨ onnte man daher die Frage stellen, ob es zu einer anden vordringen w¨ urden, die im Brechung der Lorentz-Symmetrie kommt, wenn wir bis zu Abst¨ ange lo liegen. Experimentell sind wir davon allerdings heute noch Bereich der Planckschen L¨ ange λ = /m c weit entfernt. F¨ ur ein Elementarteilchen der Ruhmasse mo ist seine Compton-L¨ eine charakteristische Lineardimension. Mit Ann¨ aherung an die Lichtgeschwindigkeit kann m im Prinzip beliebig p groß werden. −5Wir erhalten λ = lo , wenn m gleich der sog. Planckschen c/f = 2, 2 · 10 [g] wird. Nehmen wir ein Proton mit einer Ruhmasse von Masse mP = ur γ = mo /mP = 1, 7 · 10−24 /2, 2 10−5 = mo = 1, 7 · 10−24 [g] bei einer Geschwindigkeit v . F¨ −20 w¨ are eine Geschwindigkeit des Protons von vp = c(1 − 3 · 10−39 ) erforderlich, damit 7, 7 · 10 ange gleich der Planckschen L¨ ange wird. Bei dieser extremen Ann¨ aherung an die seine Compton-L¨ Lichtgeschwindigkeit w¨ are dann, wenn wir einmal das Modell des Festk¨orpers auf unsere RaumZeit u ¨bertragen, eine Verletzung des Relativit¨ atsprinzips wirksam. F¨ ur ein p Photon mit einer Wellenl¨ ange λ ≈ lo erhalten wir eine Schwingungsdauer von TP = f /c5 = 0, 5 · 10−44 [s] , die sog. Planck-Zeit, die einer Schwingungsfrequenz von lo /c = ¨ ntgen-Strahlen, ν = 1, 9·1043 [Hz] entspricht. Verglichen damit sind die Frequenzen ultraharter Ro ußten wir bei Frequenzen im Planckschen Bereich die bei 1025 [Hz] liegen, extrem klein. Wieder m¨ urlich auch denkbar, daß in unserer mit einer Brechung der Lorentz-Symmetrie rechnen. Es ist nat¨ physikalischen Raum-Zeit eine diskrete Struktur wirksam wird, deren charakteristische L¨ange weit ange liegt. Die Aussichten auf den Nachweis dieser Struktur w¨ urden oberhalb der Planckschen L¨ damit entsprechend besser. Wir wollen hier ausdr¨ ucklich darauf hinweisen, daß bei einem Vordringen in Richtung der Planckschen L¨ ange oder Zeit die Ph¨ anomene der Physik durch die Quantentheorie und die Gravitationstheorie beherrscht werden. Man kann also keinesfall erwarten, daß die Verh¨altnisse im Festk¨ orper in unserer physikalischen Raum-Zeit ihre Entsprechung haben. Jedoch hat die Vorstellung von einer diskreten Struktur unseres Raumes eine andere Sicht auf ¨ die Testexperimente zur Speziellen Relativit¨atstheorie zur Folge. Ist n¨ amlich der ’Ather’ nichts ¨ anderes als das diskret aufgebaute Vakuum, dann kann dieser Ather per definitionem keinen Bewegungszustand besitzen, da die experimentell erfaßbaren Objekte bloße Strukturen u ¨ ber diesem ¨ ¨ ’Ather’ sind. Die Geschwindigkeit eines Athers w¨ are damit schon rein begrifflich ausgeschlossen. ¨ Hinsichtlich der vermeintlichen Messung eines Atherwindes durch D.C. Miller im Jahr 1921 verweisen wir noch einmal auf den ber¨ uhmt gewordenen Kommentar von A. Einstein, den wir oben auf S. 220 zitiert haben. Anders verh¨ alt es sich mit den Experimenten, die nach einer Dispersion, einer Abh¨angigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Frequenz suchen. Wenn unser Raum tats¨achlich eine diskrete Struktur h¨ atte, dann g¨ abe es f¨ ur hinreichend kleine Wellenl¨ angen auch eine solche Dispersion. Dies ist eine mathematische Konsequenz aus der strengen G¨ ultigkeit der Gleichung (580) f¨ ur die lineare Kette, solange wir also noch nicht zur Kontinuumsn¨ aherung (585) u ¨bergegangen sind. Wir weisen darauf hin, daß bei diesem Modell eine Dispersion des Vakuums bereits aus rein klassischer Sicht zu erwarten w¨ are. Praktisch kann der Erfolg solcher Experimente nat¨ urlich an der Kleinheit der Gitterkonstanten, an einer zu geringen Frequenz der zur Verf¨ ugung stehenden elektromagnetischen Wellen scheitern, wie wir oben gesehen haben. Und es gilt nat¨ urlich wieder ¨ der Einwand, daß diese klassischen Uberlegungen vermutlich durch Gravitations- und Quanteneffekte vollst¨ andig u ¨berdeckt werden. Das unermeßliche Labor des Universums kann f¨ ur uns ¨ aber auch hier noch manche Uberraschung bereithalten. Vielleicht wird es uns eines Tages auch eine Gitterstruktur offenbaren, welche ohne Umschweife die Lorentzschen Postulate erzwingt.
35 Ein Gittermodell der relativistischen Raum-Zeit
239
Das Photon liefe dann als eine elementare Strukturst¨ orung durch dieses Gitter wie der Schall ugen: durch den kristallinen Festk¨ orper! Damit w¨ urden wir sogar einem alten Machschen Credo gen¨ ”Das Licht sei wie der Schall. Der Schall sei wie das Licht”. Nur, das Gitter f¨ ur das Photon ist unser Vakuum, w¨ ahrend das Gitter f¨ ur den Schall aus den Kristallatomen in diesem Vakuum besteht. Das ist der Unterschied. Wir merken an, daß ein Teilchenkonzept, wie wir es hier mit Hilfe von Strukturst¨orungen u ¨ber einem Gitter vorgestellt haben, automatisch wichtige quantenmechanische Axiome erf¨ ullt, ¨nther[2] . Sowohl das Prinzip von der Teilchenidentit¨ Gu at, der Ununterscheidbarkeit von Teilchen z.B. bei einem Stoßvorgang, die Erzeugung und Vernichtung von Teilchen oder die Interferenz einzelner Teilchen beim Passieren periodischer Barrieren folgen auf einer elementaren Stufe zwangsl¨ aufig in diesem Modell. Außerdem befinden wir uns mit unseren schwingenden Saiten in der N¨ ahe der Begriffsbildung der String-Theorie der Elementarteichen.
240
Anhang
36
Mathematische Hilfsmittel
36.1 Erinnerung an die Tensorrechnung
Im n-dimensionalen linearen Raum Rn werde jeder Punkt P (xi ) = P (xi ) durch Koordinaten xi oder xi beschrieben, die u ¨ber Koordinaten-Transformationen zusammenh¨ angen,
i, i = 1, 2, . . . n .
xi = xi (xi ) ←→ xi = xi (xi ) , i
(615)
i
Die Transformationsmatrix (∂x )/(∂x ) heißt auch Jacobi-Matrix
J ii
,
∂xi ∂xi
J ii =
Jacobi-Matrix
mit der Determinante J := ∂xi /∂xi .
Jacobi-Determinante
(616)
(617)
Wir vereinbaren, daß der obere Index die Zeilen und der untere die Spalten z¨ ahlen soll. Die inverse Jacobi-Matrix, daran zu erkennen, daß der Index mit dem ” ” unten steht, lautet dann J ii =
∂xi , ∂xi
Inverse Jacobi-Matrix (618)
und es gilt
J ii J ik =
∂xi ∂xi = δki ∂xi ∂xk
mit dem Kronecker-Symbol δki gem¨aß 1 δki =
i=k f¨ ur
, z.B. f¨ ur n = 3 : i = k
0
⎛
1 δki = ⎝ 0 0
0 1 0
⎞ 0 0 ⎠ . 1
(619)
Wir benutzen hier die Einsteinsche Summenkonvention. Danach ist u ¨ber zwei gleiche n i i A Bi . Derselbe Summationsindex darf also in jedem Indizes zu summieren, A Bi := i=1
Produkt nur zweimal auftreten. Soll die Summenkonvention ausgesetzt werden, dann klammern wir die Indizes ein: g(i)(i) soll also keine Summe sein. F¨ ur die totalen Differentiale folgt aus (615)
dxi =
∂xi ∂xi i i i dx ←→ dx = . dx i i ∂x ∂x
(620)
F¨ ur die partiellen Ableitungen gilt ∂ ∂xi ∂ = i ∂x ∂xi ∂xi
←→
∂ ∂xi ∂ = . i ∂x ∂xi ∂xi
Dadurch ist der Tangentialraum definiert.
(621)
36 Mathematische Hilfsmittel
241
Die Basisvektoren ki des Tangentialraumes sind an die Koordinatenlinien gekoppelt, so daß jede Koordinaten-Transformation (615) begleitet wird durch einen Basiswechsel gem¨ aß
ki =
∂xi ∂xi ←→ ki = ki . ki i ∂x ∂xi
Basisvektoren
(622)
Die Transformationen (620) und (621) heißen zueinander kontragredient. Sie werden durch zueinander inverse und transponierte Matrizen vermittelt: Um dxi zu erhalten, wird in (620) u ¨ber den Spaltenindex der Jakobi-Matrix summiert, und der gestrichene Index steht oben; um ki zu erhalten, wird in (622) u ¨ber den Zeilenindex der inversen Jakobi-Matrix summiert, und der gestrichene Index steht unten. Der metrische Tensor gik ist durch die skalaren Produkte der Basisvektoren ki im Tangentialraum definiert gem¨ aß gik := ki · kk mit gik = gki .
Metrik
(623)
Die Tensoreigenschaft von gik werden wir bald erkennen. Wir schreiben
dx := dxi ki = dxi ki .
(624)
ange definiert Der Vektor ki weist in die Richtung der Koordinatenlinie xi , und seine L¨ die Einheit auf dieser Achse. F¨ ur zwei benachbarte Punkte P (xi ) und Q(xi + dxi ) definieren wir die Gr¨ oße ds2 := dx · dx = dxi ki · dxk kk = gik dxi dxk .
Linienelement
(625)
2
ds heißt das Linienelement des Raumes. Sei g ik die inverse Matrix zu gik , also gir g rk := δik .
(626)
aß Dann sind die zu ki reziproken Basisvektoren ki definiert gem¨ ki = g ir kr ,
Reziproke Basisvektoren
(627)
und aus ki · kk = g ir kr · g ks ks folgt mit (623) und (626) g ik := ki · kk mit g ik = g ki .
(628)
Jeden Vektor a k¨ onnen wir dann schreiben als a = ai ki = ai ki .
(629)
Hier heißen ai die kontravarianten Komponenten und ai die kovarianten Komponenten des Vektors a . F¨ ur das skalare Produkt zweier Vektoren a und b gilt damit a · b = ai bk gik = ai bi = ai bi .
Skalares Produkt
(630)
Im Falle einer positiv definiten Metrik, d.h. ds2 ≥ 0 , wobei der Wert Null nur bei zusammenfallenden Punkten erreicht wird, ist das Linienelement nichts anderes als das Quadrat des Abstandes der beiden Punkte P und Q .
242
Anhang
Im Hinblick auf den Minkowski-Raum lassen wir auch indefinite Metriken zu. Dann kann ds2 positiv und negativ sein, und es kann f¨ ur zwei Punkte ds2 = 0 gelten, ohne daß sie zusammenfallen. Die Diagonalkomponenten von gik , die Skalarprodukte der Basisvektoren mit sich selbst, k(i) · k(i) = g(i)(i) , k¨ onnen dabei positiv oder negativ sein. Eine positive L¨ ange f¨ ur die Basisvektoren m¨ ussen wir in diesem Fall u ¨ber den Betrag der Diagonalkomponenten des metrischen Tensors definieren. In der von uns gew¨ ahlten Nomenklatur, s. die Fußnote auf S. 127, heißen Vektoren a mit a · a < 0 raumartig, solche mit a · a > 0 zeitartig , und Vektoren mit a · a = 0 , ohne daß alle Komponenten von a verschwinden, nennt man lichtartig oder einfach Nullvektoren. Als Basisvektoren werden wir sie nicht w¨ahlen, obwohl auch dies m¨ oglich ist. Von besonderem physikalischen Interesse bei der Dimension n = 4 ist der MinkowskiRaum mit einem zeitartigen Basisvektor und drei raumartigen. Die pseudo-orthonormierte Metrik bezeichnet man dann mit ηik , ⎞ 1 0 0 0 ⎜ 0 −1 0 0 ⎟ ⎟ = ⎜ ⎝ 0 0 −1 0 ⎠ . 0 0 0 −1 ⎛
ηik = η ik
Minkowski-Raum Metrischer Tensor
(631)
Daf¨ ur schreibt man auch abk¨ urzend ηik = (+1, −1, −1, −1) .
(632)
Die zu der Metrik (631) geh¨ orenden Koordinatensysteme heißen Inertialsysteme oder auch Lorentzsche Systeme. F¨ ur Rechnungen mit Vektoren sind die Basisvektoren im Grunde entbehrlich. Die Komponenten ai bzw. ai des Vektors a = ai ki = ai ki fassen wir als einen kontravarianten bzw. kovarianten Vektor ai bzw. ai zusammen. Da wir die Basisvektoren an die Koordinatenlinien gekoppelt haben, k¨ onnen wir die f¨ ur Vektoren charakteristische Eigenschaft der ¨ ¨ Anderung ihrer Komponenten bei Basiswechsel durch die Anderung ihrer Komponenten bei einer Koordinaten-Transformation beschreiben. Dies begr¨ undet die folgenden Definitionen: Die Gr¨ oßen ai bilden einen kontravarianten Vektor, wenn sie bei einer Koordinaten Transformation (615) nach denselben Formeln in Gr¨ oßen ai u ¨bergehen wie die Differentiale gem¨aß (620),
ai =
∂xi i ∂xi i i a ←→ a = a . ∂xi ∂xi
(633)
Die Gr¨ oßen ai bilden einen kovarianten Vektor, wenn sie bei einer KoordinatenTransformation (615) nach denslben Formeln in Gr¨ oßen ai u ¨bergehen wie die Basisvektoren gem¨aß (622),
ai =
∂xi ∂xi ←→ ai = ai . ai i ∂x ∂xi
(634)
Kovariante und kontravariante Vektoren transformieren sich also kontragredient zueinander, wie nach Gleichung (622) erkl¨ art.
36 Mathematische Hilfsmittel
243
Vektoren sind Tensoren erster Stufe. Tensoren zweiter und h¨ oherer Stufe sind dadurch ausgezeichnet, daß sie sich wie die entsprechenden Produkte von Vektoren transformieren: Die Gr¨ oßen tik bilden einen kontravarianten Tensor zweiter Stufe, wenn sie bei einer Koordinaten-Transformation (615) in Gr¨ oßen ti k u ¨bergehen gem¨ aß
ti k =
∂xi ∂xk ik t ∂xi ∂xk
∂xi ∂xk i k t . ∂xi ∂xk
←→ tik =
(635)
Ein kovarianter Tensor zweiter Stufe verh¨ alt sich gem¨aß t i k =
∂xi ∂xk tik ∂xi ∂xk
∂xi ∂xk t i k . ∂xi ∂xk
←→ tik =
(636)
Allgemein definiert man einen n-fach kontravarianten und m-fach kovarianten Tensor durch das Transformationsverhalten i ····in k1 ···km
∂xi1 ∂xin ∂xk1 ∂xkm i1 ····in · · · · · · t k1 ···km , ∂xin ∂xk1 ∂xkm ∂xi1
t1
=
ti1 ····ink1 ···km
∂xi1 ∂xin ∂xk1 ∂xkm i ····i = · · · km t 1 nk ···k . · · · i k i 1 m 1 ∂x n ∂x ∂x ∂x 1
(637)
Man muß nur sorgf¨ altig auf die Stellung der Indizes achten, dann erh¨ alt man diese Formeln fast von selbst. Kontravariante Indizes stehen oben, kovariante unten. Koordinaten haben kontravariante Indizes, und die partiellen Ableitungen nach den Koordinaten verhalten sich wie kovariante Indizes. Bei Summation u ¨ber einen ko- und einen kontravarianten Index wird die Stufe des Tensors um zwei erniedrigt. Beispielsweise entsteht aus einem Tensor dritter Stufe Ti k l gem¨aß Ti k k = ti ein Tensor erster Stufe, ein Vektor also. Diesen Vorgang nennt man Kontraktion oder Verj¨ ungung eines Tensors. Die Kontraktion eines einfach ko- und einfach kontravarianten Tensors tik ergibt einen Tensor nullter Stufe, einen Skalar φ = tii . Bei der Produktbildung aus zwei Tensoren addieren sich deren Stufen. Beispielsweise entsteht aus dem Tensor dritter Stufe Ti k l und dem Tensor zweiter Stufe S ik gem¨aß unfter Stufe. Vi kl pq = Ti k l S pq ein Tensor f¨ Bildet man erst das Produkt zweier Tensoren und verj¨ ungt anschließend, so spricht man ¨ vom Uberschieben zweier Tensoren, z.B. Ti k l S pq −→ Ti k l S iq = U klq . Aus (623), (626), (619) und (628) folgt nun sofort: Die metrischen Koeffizienten gik bilden einen zweifach kovarianten Tensor, g ik ist ein zweifach kontravarianter Tensor, und das Kronecker-Symbol δki bildet einen einfach kovarianten und einfach kontravarianten Tensor. Das Kronecker-Symbol δki ist also ein numerisch invarianter Tensor, denn
∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂xk i i δk = = = δk . i k i k k ∂x ∂x ∂x ∂x ∂x
(638)
244
Anhang
Mit Hilfe des metrischen Tensors gik sind nun jedem kontravarianten Vektor ai seine kovarianten Komponenten ai zugeornet und umgekehrt, ai = g ik ak , ai = gik ak ,
(639)
so daß wir wieder von den ko- bzw. kontravarianten Komponenten ein und desselben Vektors a sprechen k¨ onnen, den wir, wie es unser Ausgangspunkt war, mit Hilfe der Basisvektoren darstellen, a = ai ki = ai ki . Auf diese Darstellung werden wir aber nur gelegentlich zur¨ uckgreifen und i. allg. nur mit den Komponenten ai bzw. ai eines Vektors rechnen. Ebenso wie in (639) k¨ onnen wir auch beliebige Tensoren, einschließlich des metrischen Tensors schreiben, ⎫ T ik = g ip gkq Tp q , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ k rk ⎬ Ti l = gir T l , ⎪ (640) ⎪ g ik = g ir g ks grs , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ δki = g ir grk . Insbesondere ist also das Kronecker-Symbol die einfach ko- und einfach kontravariante Darstellung des metrischen Tensors. Auf Grund der Existenz einer Metrik gik in unserem linearen Raum k¨ onnen wir also ganz allgemein von einem Tensor T schlechthin sprechen und wahlweise mit seinen ko- bzw. kontravarianten Komponenten rechnen. F¨ ur einen dreistufigen Tensor T ist beispielsweise T = Ti k l ki kk kl = T ik l ki kk kl . Auf diese Darstellung des Tensors mit Hilfe der Basisvektoren werden wir aber nur gelegentlich zur¨ uckgreifen und i. allg. nur mit den Komponenten rechnen. ¨ Das skalare Produkt (630) zweier Vektoren ai und bi ist also ein Uberschieben des Tensors ai bk mit dem metrischen Tensor gik . Jeden Tensor zweiter und h¨ oherer Stufe kann man in bezug auf jedes Indexpaar eindeutig in seinen symmetrischen und antisymmetrischen Teil zerlegen. Wir schreiben ⎫ Tik = T(ik) + T[ik] , ⎪ ⎪ ⎬ 1 T(ik) := 2 (Tik + Tki ) , (641) ⎪ ⎪ ⎭ 1 T[ik] := 2 (Tik − Tki ) . Diese Zerlegung bleibt bei Hebung und Senkung der Indizes mit dem metrischen Tensor ¨ im folgenden Sinne erhalten. Durch Uberschieben der Zerlegung (641) mit dem metrischen Tensor erhalten wir ! " Tir g rk = 12 (Tir + Tri ) + 12 (Tir − Tri ) g rk , also Ti k =
1 k 1 k Ti + T ki + Ti − T ki . 2 2
(642)
36 Mathematische Hilfsmittel
245
Jedem Index ist also sein Platz nach dem Tensorsymbol reserviert, unabh¨ angig davon, ob er nun als kontravarianter Index oben oder unten als kovarianter Index steht. Ist der Tensor in den Indizes symmetrisch, dann kann man ko- und kontravariante Indizes auch einfach u ¨bereinander schreiben, also Tik , wenn Tik = Tki . Das Levi-Civita-Symbol i1 ··· in ist folgendermaßen definiert, 1 i1 ··· in = −1 0
⎫ 1, · · · n ⎪ ⎪ ⎬ f¨ ur i1 · · · in = ungerade Permutation der Zahlen 1, · · · n . ⎪ ⎪ ⎭ sonst i1 · · · in = gerade Permutation der Zahlen
Gem¨aß der Definition einer Determinante gilt damit ∂xi1 ∂xin i1 ··· in ∂xi i1 ··· in ··· = i . ∂x ∂xi1 ∂xin
(643)
(644)
Definiert man die Gr¨ oße i1 ··· in als sog. Tensordichte vom Gewicht 1 gem¨aß einem Transformationsverhalten ∂xi −1 ∂xi1 ∂xin i1 ··· in i1 ··· in = i · · · , (645) ∂x ∂xi1 ∂xin dann ist i1 ··· in numerisch invariant. Ebenso ist die Gr¨ oße i1 ··· in als eine Tensordichte vom Gewicht −1 numerisch invariant, ∂xi +1 ∂xi1 ∂xin · · · . (646) i1 ··· in = i i ··· i ∂x ∂xi1 ∂xin 1 n Aus dem Transformationsverhaltem eines zweifach kovarianten Tensors gem¨aß (636) liest man sofort ab, daß z.B. die Determinante des metrischen Tensors g := det (gik ) eine skalare Dichte vom Gewicht 2 ist, ∂xi −2 g = i g . (647) ∂x Wenn wir aus dieser Gleichung die Wurzel ziehen wollen, m¨ ussen wir aufpassen. Ist g negativ (z.B. bei indefiniter Metrik), m¨ u ssen wir vorher mit −1 multiplizieren. Abk¨ urzend schreiben wir einfach |g| anstelle von sign(|g|) |g| , wie es ausf¨ uhrlich heißen m¨ ußte. Außerdem kann die Jacobi-Determinante (617) bei Orientierungs¨ anderung der Koordinaten, z.B. einer Spiegelung, negativ werden. Da die Wurzel positiv definiert ist, m¨ ussen wir f¨ ur diesen Fall noch den Vorzeichenfaktor sign(J) der Jacobi-Determinante hinzuf¨ ugen. Wir schreiben also ∂xi −1 |g | = sign(J) i |g| . (648) ∂x
|g| ist das Volumen des Parallelepipeds, das von den Basisvektoren ki aufgespannt wird.
246
Anhang
Aus (645) und (648) folgt f¨ ur die Gr¨ oße i1 ··· in / |g| das Transformationsverhalten eines sog. Pseudotentors ,
1 ∂xi1 ∂xin 1 i1 ··· in i1 ··· in = sign(J) i1 · · · . ∂x ∂xin |g | |g|
Pseudotensor
(649)
D.h. diese Gr¨ oße unterliegt dem tensoriellen Transformationsverhalten, erh¨ alt aber zus¨atzlich ein negatives Vorzeichen, wenn die Orientierung der Koordinaten ge¨ andert wird. F¨ ur n = 3 schreiben wir noch folgende, elementar verifizierbare Formeln auf, ⎫ ikl pqr = δpi δqk δrl + δqi δrk δpl + δri δpk δql − δqi δpk δrl − δpi δrk δql − δri δqk δpl , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ rkl k l k l ⎬ rpq = δp δq − δq δp , (650) ⎪ ⎪ irs krs = 2 δki , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ikl ikl = 6 . Mit dem Pseudotensor (1/ |g|) i1 ··· in k¨ onnen jedem Tensor verschiedene Pseudotensoren zugeordnet werden, z.B. dem Tensor Tik ein Pseodotensor τ i1 ··· in−2 , 1 τ i1 ··· in−2 = Trs i1 ··· in−2 rs . |g|
Pseudotensor
(651)
Im dreidimensionalen Raum spielt der Pseudotensor erster Stufe, also ein Pseudovektor ζ i eine wichtige Rolle, den man aus zwei Vektoren ai und bi bildet, 1 ζ i = irs ar bs . |g|
Pseudovektor f¨ ur n = 3
(652)
Beschr¨anken wir uns auf rechtsorientierte, kartesische Koordinaten im dreidimensionalen euklidischen Raum, dann nennt man die Bildung (652) das Vektorprodukt a × b aus den beiden Vektoren a und b . In diesem Fall gilt |g| = 1 , und anstelle von ζ i schreiben i wir c , ci = irs ar bs
bzw.
Vektorprodukt, n = 3 Rechtsorientierte, kartesische Koordinaten
c=a×b.
(653)
Aus (653) folgt sofort c · a = c · b = 0 , und es gelten folgende Formeln, c· a×b =a· b×c =b· c×a a× b×c = a·c b− a·b c , a·c a · d a × b · c × d = b·c b·d
,
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 2 ⎪ ⎭ |a × b| = a·a b·b − a·b .
n=3 Rechtsorientierte, kartesische Koordinaten
(654)
36 Mathematische Hilfsmittel
247
Wir werden uns im linearen Raum auf lineare Koordinatensysteme beschr¨ anken. Dann ist die Jacobi-Matrix J (616) konstant, und auch die Basisvektoren ki sind von den Koordinaten unabh¨ angig. Auf die Basisvektoren wenden wir das Schmidtsche Orthonormierungsverfahren an. Dabei werden aus den Basisvektoren ki nach folgendem Schema neue Basisvektoren ei konstruiert, ⎫ i−1 ⎪ (ki · ek )ek , i = 1, · · · , n . ⎪ 1. e∗i = ki − ⎪ ⎬ k=1 (655) ⎪ e∗i ⎪ ∗ ∗ ⎪ 2. ei = ∗ , falls e(i) · e(i) = 0 , ⎭ e(i) · e∗(i) Man beginne mit i = 1 , durchlaufe die beiden Iterationsschritte 1. und 2. (die Summe f¨ allt beim ersten Mal weg), setze die beiden Iterationsschritte mit i = 2 fort, dann i = 3 , usw. bis i = n . Am Ende erh¨ alt man normierte Basisvektoren ei , die untereinander orthogonal sind. Der metrische Tensor gik erh¨ alt dadurch Diagonalgestalt. In der Hauptdiagonalen stehen die Zahlen +1 oder −1 , alle anderen Komponenten von gik sind Null. Wenn aber die Bedingung e∗(i) · e∗(i) = 0 z.B. bei i = r nicht erf¨ ullt ist, also onnen wir den r−ten Basisvektor er gem¨aß (655) nicht bilden, und der e∗(r) · e∗(r) = 0 , k¨ Algorithmus bricht ab. Dies liegt dann daran, daß sich der Vektor kr von dem durch die Vektoren e1 , e2 · · · er−1 aufgespannten Unterraum gerade nur durch einen lichtartigen Vektor unterscheidet. Es ist dann immer m¨ oglich, anstelle des Vektors kr einen solchen Vektor kr auszuw¨ahlen, der sich von diesem Unterraum durch einen raumartigen oder zeitartigen Vektor unterscheidet und dann das Verfahren fortzusetzen. Wir betrachten nun Tensorfelder und beschr¨ anken uns wieder auf lineare Koordinaten, die Basisvektoren bleiben also konstant. In diesem Fall k¨ onnen die partiellen Ableitungen eines Tensorfeldes allein durch die partiellen Ableitungen seiner ko- bzw. kontravarianten Komponenten berechnet werden. Der Gradient Grad φ eines skalaren Feldes φ = φ(xi ) ist definiert gem¨aß ∂ Gradk φ(xi ) := φ(xi ) = Vk (xi ) . (656) ∂xk Dies ist ein kovariantes Vektorfeld, denn ∂ ∂ ∂xk ∂xk i i φ(xi ) k = Vk (xi ) . (657) φ(x (x )) = k k ∂x ∂x ∂x ∂xk Das Feld Gradk φ(xi ) gen¨ ugt also, wie behauptet, bei Koordinatenwechsel der Transformation (634) f¨ ur kovariante Vektoren. Zur Vereinfachung werden die partiellen Ableitungen einer Funktion f = f (xi ) mitunter auch folgendermaßen geschrieben, ∂ f (xi ) := ∂k f (xi ) := f (xi ), k . (658) ∂xk Die Gr¨ oßen φ,k = ∂k φ bilden also ein kovariantes Vektorfeld. F¨ ur den Gradienten einer skalaren Funktion f = f (x, y, z) im dreidimensionalen euklidischen Raum in kartesischen Koordinaten schreiben wir
Vk (xi ) :=
grad f = (∂x f, ∂y f, ∂z f ) .
n=3
(659)
248
Anhang
F¨ ur den Gradienten eines zweistufigen Tensorfeldes T schreiben wir (Grad T)l := Tik , l .
(660)
Aus dem Beweis (657) folgt unmittelbar, daß ganz allgemein die partiellen Ableitungen eines beliebigen Tensorfeldes dessen Kovarianzstufe um eins erh¨ ohen. Beispielsweise ist also ∂l Ti k ein zweifach ko- und einfach kontravarianter Tensor und U ik r , p ein zweifach ko- und zweifach kontravarianter Tensor. Die n-dimensionale Divergenz DivV eines Vektorfeldes V k ist definiert gem¨aß DivV = Divk V k := ∂k Vl g kl = ∂k V k = V k ,k = Vl ,k g kl .
(661)
Bei der Divergenzbildung ist also zuerst partiell zu differenzieren und dann mit der Metrik zu kontrahieren. F¨ ur die Divergenz eines Vekors V = (Vx , Vy , Vz ) im dreidimensionalen euklidischen Raum schreiben wir also in kartesischen Koordinaten div V = ∂x Vx + ∂y Vy + ∂z Vz .
n=3
(662)
Die Divergenz eines Vektors ist ein Skalar. Bei einem Tensor h¨oherer Stufe ist die Divergenzbildung in bezug auf jeden Index m¨ oglich. Es ist also zwischen verschiedenen Divergenzbildungen an einem Tensor zu unterscheiden, die insbesondere f¨ ur nicht symmetrische Tensoren auch unterschiedliche Resultate haben. F¨ ur einen Tensor zweiter Stufe Tkl erhalten wir beispielsweise (Div1 T)l = T i l , i = ∂i (Tkl g ik ) , (663) (Div2 T)k = Tk l , l = ∂i (Tkl g il ) . Die Stufe eines Tensors wird wegen der Kontraktion mit dem metrischen Tensor bei der Divergenzbildung in jedem Fall um zwei erniedrigt. Bei der n-dimensionalen Rotation muß man zwischen zwei Gr¨ oßen unterscheiden. Wir erl¨ autern dies zun¨ achst an einem Vektorfeld Vk und bilden daraus einen zweifach kovarianten, antisymmetrischen Tensor, den wir als Rot V bezeichnen, (RotV)ik := ∂i Vk − ∂k Vi = Vk ,i −Vi ,k .
(664)
Bei der Rotationsbildung wird also zuerst partiell differenziert und dann mit dem Differentiationsindex alterniert. Diesem zweistufigen Tensor ist mit Hilfe des n-stufigen Levi-Civita-Pseudotensors (649) √1 iki3 ···in ein (n − 2)- stufiger Pseudotensor rotV |g|
zugeordnet, den wir zur Unterscheidung von (664) mit kleinem ’r’ schreiben, (rotV)i3 ··· in :=
1 1 1 (RotV)ik iki3 ··· in = iki3 ··· in ∂i Vk . 2 |g| |g|
(665)
Der einzige Unterschied zu einem richtigen Tensor besteht darin, daß der Pseudotensor rotV bei Koordinaten-Transformationen, die Spiegelungen enthalten, zus¨ atzlich mit −1 multipliziert werden muß. Im dreidimensionalen Raum wird daraus der bekannte Pseudovektor rotV 1 rotV = ijk ∂j Vk ki . |g|
n=3
(666)
36 Mathematische Hilfsmittel
249
Beschr¨ ankt man sich auf rechtsorientierte, kartesische Koordinaten (x, y, z) , so wird |g| = 1 , und (666) ist der bekannte Ausdruck f¨ ur die Rotation eines Vektors gem¨ aß rotV = ∂2 V3 − ∂3 V2 , ∂3 V1 − ∂1 V3 , ∂1 V2 − ∂2 V1 .
n=3 Rechtsorientierte, kartesische Koordinaten
(667)
Setzt man in (664) V = Grad φ , also Vk = ∂k φ , so folgt Rot Grad φ = 0 wegen
∂i ∂k φ − ∂k ∂i φ = 0
(668)
mit der bekannten dreidimensionalen Beziehung rot grad φ = 0 .
n=3
(669)
Wir bilden an (665) in bezug auf einen beliebigen Index r die Divergenz und finden 1 iki3 ··· r··· in ∂r ∂i Vk = 0 , |g|
d.h.
Div rotV = 0 ,
(670)
denn iki3 ··· r··· in ist in i und r antisymmetrisch und ∂r ∂i Vk in i und r symmetrisch, und die Kontraktion eines antisymmetrischen Tensors V ir mit einem symmetrischen Sir verschwindet, V ir Sir = 0 . Gleichung (670) ist die n-dimensionale Verallgemeinerung der aus der dreidimensionalen Vektoranalysis bekannten Beziehung div rot V = 0 .
n=3
(671)
Wir definieren noch den skalaren Differentialoperator zweiter Ordnung n , der den Tensorcharakter einer Gr¨ oße unver¨ andert l¨ aßt. Angewandt auf einen zweifach kovarianten Tensor Tik ist beispielsweise
n Tik := gpq
∂ ∂ Tik = Tik ,pq g pq . ∂xp ∂xq
(672)
Im dreidimensionalen Raum mit positiv definiter Metrik ist 3 in kartesischen Koordinaten (x, y, z) gleich dem Laplace-Operator 3 = ,
=
∂2 ∂2 ∂2 + 2+ 2 . 2 ∂x ∂y ∂z
Laplace-Operator
(673)
ur Inertialsysteme, also in Lorentzschen Und im Minkowski-Raum mit n = 4 erhalten wir f¨ Koordinaten (x, y, z, ct) mit der Metrik ηik gem¨aß (631) aus 4 den d’Alembertschen Wellenoperator 4 = ,
=
1 ∂2 ∂2 ∂2 ∂2 − − − . c2 ∂t2 ∂x2 ∂y 2 ∂z 2
Wellenoperator
(674)
250
Anhang
Es gelten noch folgende Zusammenh¨ ange zwischen dem Differentialoperator zweiter Ordnung n und den Differentialoperatoren erster Ordnung Grad, Div und Rot . Setzt man in (661) V = Grad φ , also Vk = ∂k φ , so folgt Div Grad φ = ∂k ∂l φg kl = φ,kl g kl = n φ .
(675)
Im dreidimensionalen Raum ist das die bekannte Beziehung div grad φ = φ .
n=3
(676)
Gem¨aß (663) bilden wir an (664) die Divergenz in bezug auf den ersten Index, (DivRotV)k = ∂l (RotV)ik g li = (∂l ∂i Vk − ∂l ∂k Vi )g li = Vk ,il g li − ∂k (Vi ,l g li ) , also mit (661), (672) und (656) Div Rot V = n V − Grad Div V ,
(677)
bzw. f¨ ur die Komponenten (Div Rot V)k = n Vk − V l ,lk .
(678)
Aus der zweifachen Anwendung von (667) gewinnen wir die Beziehung der dreidimensionalen Vektoranalysis rot rot V = − V + grad div V .
n=3
(679)
Wir weisen darauf hin, daß die partiellen Ableitungen eines Tensorfeldes bei der Verwendung von krummlinigen, also nichtlinearen Koordinaten i. allg. keinen Tensor mehr erzeugen. Zur Wahrung des Tensorcharakters muß nun die partielle Ableitung durch die sog. kovariante Ableitung ersetzt werden. Die Bildung der kovarianten Ableitung h¨ angt von der Stufe des Tensorfeldes ab. Nur bei einem skalaren Feld bleibt alles beim alten, nach wie vor gilt also (656), (657) auch f¨ ur nichtlineare Koordinaten. Wir schreiben hier nur die kovariante Ableitung eines Vektorfeldes V auf, ⎫ DVi ∂Vi i ⎪ r ⎪ } V = + { , ⎪ ⎬ kr D xk ∂ xk Kovariante Ableitung (680) eines Vektorfeldes ⎪ ⎪ ∂ Vi D Vi r ⎪ = − { } Vr . ⎭ ki D xk ∂ xk i } durch den metrischen Tensor und dessen kl
Hierbei sind die sog. Christoffel-Symbole { erste partielle Ableitungen definiert gem¨ aß 1 i { } = g i r (−∂r gk l + ∂k gl r + ∂l gr k } . kl 2
Christoffel-Symbole
(681)
Nur in der Bildung (664), wie wir sie beim Potentialansatz (521), s. auch (471), in der Elektrodynamik brauchen, fallen die Christoffel-Symbole gerade wieder heraus. ¨ Die kovarianten Ableitungen haben f¨ ur den Ubergang zu Einsteins Allgemeiner Relativit¨ atstherie eine grunds¨ atzliche Bedeutung. Die Metrik enth¨ alt dann das Gravitationsfeld.
36 Mathematische Hilfsmittel
251
36.2 Integrals¨ atze Geht man bei der Berechnung eines n-fachen Integrals im n-dimensionalen Raum gem¨ aß (615) von den Integrationsvariablen x1 , · · · , xn zu neuen Variablen x1 , · · · , xn u ¨ber, dann gilt die allgemeine Substitutionsformel,
···
f (xi ) dx1 ··· dxn =
···
v(xi ) det J ii dx1 ··· dxn
(682)
Bn
Bn
mit v(xi ) = f xi (xi ) , J ii ist die Jacobi-Matrix (616), und der Integrationsbereich Bn in den Variablen xi entsteht durch die Substitution xi = xi (xi ) aus dem Bereich Bn . F¨ ur n = 1 ist (682) die Substitutionsformel f¨ ur einfache Integrale, b
β f (x) dx =
a
dx f x(x dx , α = x (a) , β = x (b) . dx
(683)
α
Entsprechend gilt f¨ ur n = 2 ∂(x, y) f (x, y) dx dy = f x(x , y ), y(x , y ) dx dy , ∂(x , y ) S
(684)
S
ur die Variablen (x , y ) durch Substitution aus dem Bereich S f¨ ur wobei der Bereich S f¨ die Variablen (x, y) entsteht. Und n = 3 lautet ∂(x, y, z) f (x, y, z) dx dy dz = v(x , y , z ) (685) dx dy dz ∂(x , y , z ) K
K
ur die mit v(x , y , z ) = f x(x , y , z ), y(x , y , z ), z(x , y , z ) , und der Bereich K f¨ Variablen (x , y , z ) entsteht durch Substitution aus dem Bereich K f¨ ur die Variablen (x, y, z) . Wir schreiben zwei Speziaqlf¨ alle auf. 1. Zylinderkoordinaten, wo wir ρ f¨ ur x und ϕ f¨ ur y schreiben, also ⎫ x = x cos y = ρ cos ϕ , ⎪ ⎬ y = x sin y = ρ sin ϕ , ⎪ ⎭ z = z .
Zylinderkoordinaten (686)
Mit (686) folgt aus (685), x2y2z2 ρ2ϕ2z2 f (x, y, z) dx dy dz = v(ρ, ϕ, z) ρ dρ dϕ dz , x1 y1 z1
(687)
ρ1 ϕ1 z1
wobei die Integrationsgrenzen und die Funktionen f (x, y, z) und v(ρ, ϕ, z) u ¨ber (686) zusammenh¨angen.
252
Anhang
2. Kugelkoordinaten mit r f¨ ur x sowie ϑ f¨ ur y und ϕ f¨ ur z , also ⎫ x = x sin y cos z = r sin ϑ cos ϕ , ⎬ y = x sin y sin z = r sin ϑ sin ϕ , ⎭ z = x cos y = r cos ϑ .
Kugelkoordinaten
(688)
Mit (688) folgt aus (685), x2y2z2 r2ϑ2ϕ2 f (x, y, z) dx dy dz = v(r, ϑ, ϕ) r2 sin ϑ dr dϑ dϕ , x1 y1 z1
(689)
r1 ϑ1ϕ1
wobei die Funktionen f (x, y, z) und v(r, ϑ, ϕ) sowie die Integrationsgrenzen u ¨ber (688) zusammenh¨angen. Wir formulieren nun die wichtigsten Integrals¨ atze im dreidimensionalen Raum. Mit (x, y, z) bezeichnen wir kartesische Koordinaten. Wir werden im folgenden drei Funktionen P = P (x, y, z) , Q = Q(x, y, z) und R = R(x, y, z) betrachten. Die Parameterdarstellung einer Kurve k im Raum ist durch drei Funktionen gegeben, die von einem Parameter t abh¨ angen, k : x = ϕ(t) , y = ψ(t) , z = χ(t) .
Kurve im Raum
(690)
Jedem Wert des Parameters t entspricht ein Punkt C(t) auf der Kurve. Kann man den Parameter t z.B. durch x ersetzen, so heißt k : y = y(x) , z = z(x) eine explizite Darstellung der Kurve. F¨ ur das Bogenelement ds der Kurve, d.h. die L¨ ange ds des Kurvenst¨ uckes zwischen zwei benachbarten Punkten C(t) und C(t + dt) auf der Kurve gilt 2 2 2 ds2 = dx2 + dy 2 + dz 2 = (dϕ/dt) + (dψ/dt) + (dχ/dt) dt2 . Bogenelement (691) F¨ ur eine auf der Kurve definierte Funktion P = P (x, y, z) wird damit folgender Begriff eingef¨ uhrt: Kurvenintegral 1. Art C2 I=
P (x, y, z) ds C1
t2
x1
P x(t), y(t), z(t)
dx 2 dy 2 dz 2 + + dt ⎪ dt dt dt ⎪ ⎪ t1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ x ⎪ 2 ⎪ ⎪ dy 2 dz 2 ⎪ ⎪ = P x, y(x), z(x) 1+ + dx . ⎪ ⎪ ⎭ dx dx =
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ (692)
36 Mathematische Hilfsmittel
253
Bei einem Kurvenintegral 2. Art wird die u ¨ber der Kurve k definierte Funktion P = P (x, y, z) nicht mit dem Bogenelement ds , sondern mit dessen Projektionen dx , dy bzw. dz auf die Koordinatenachsen multipliziert. Nehmen wir wieder die Punkte C1 und C2 auf der Kurve k , dann ist z.B. C2
t2 P (x, y, z) dx =
I=
dx P x(t), y(t), z(t) dt = dt
t1
C1
x2
P x, y(x), z(x) dx
x1
ein Kurvenintegral 2. Art. F¨ ur den allgemeinen Fall muß man von drei Funktionen P = P (x, y, z) , Q = Q(x, y, z) und R = R(x, y, z) ausgehen und vereinbart folgende Definition: Allgemeines Kurvenintegral 2. Art C2 I=
P (x, y, z) dx + Q(x, y, z) dy + R(x, y, z) dz C1
t2 dx dy dz P x(t), y(t), z(t) = + Q x(t), y(t), z(t) + R x(t), y(t), z(t) dt dt dt t1
x2 dy dz = dx . P x, y(x), z(x) + Q x, y(x), z(x) + R x, y(x), z(x) dx dx x1
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ dt (693) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Die Form des Kurvenintegrals h¨ angt also ganz davon ab, welchen Parameter man zur Darstellung der Kurve k w¨ahlt. Das vektorielle Bogenelement ds = (dx , dy , dz) verbindet die beiden benachbarten Kurvenpunkte C(t) = x(t) , y(t) , z(t) und C(t + dt) = x(t + dt) , y(t + dt) , z(t + dt) . Wir nehmen nun an, daß die Funktionen P (x, y, z) , Q(x, y, z) und R(x, y, z) die Komponenten eines Vektorfeldes V sind, also V = (P, Q, R) . Das Kurvenintegral 2. Art (693) l¨ aßt sich dann einfach schreiben als C2 I=
C2 V · ds .
P (x, y, z) dx + Q(x, y, z) dy + R(x, y, z) dz = C1
(694)
C1
Sind α , β und γ die Winkel, die der Vektor ds mit den Koordinatenachsen bildet, dann folgt aus (694) mit ds = (cos α , cos β , cos γ) ds ein Zusammenhang zwischen dem Kurvenintegral 1. und 2. Art, n¨ amlich C2
C2 P dx + Q dy + R dz =
C1
(P cos α + Q cos β + R cos γ) ds . C1
(695)
254
Anhang
Die Parameterdarstellung einer Fl¨ ache S im Raum wird durch drei Funktionen gegeben, die von zwei Parametern u und v abh¨ angen, S : x = ϕ(u, v) ,
y = ψ(u, v) ,
z = χ(u, v) .
Fl¨ ache im Raum
(696)
Jedem Wertepaar der Parameter (u, v) entspricht ein Punkt C(u, v) auf der Fl¨ ache. Gelingt es, die Parameter u und v zu eliminieren und z.B. durch x und y zu ersetzen, dann erhalten wir eine explizite Darstellung der Fl¨ ache S gem¨aß S : z = z(x, y) . Mit x1 = u und x2 = v haben wir auf der Fl¨ ache krummlinige Koordinaten eingef¨ uhrt. F¨ ur den Abstand ds zweier benachbarter Punkte C(u, v) und C(u + du, v + dv) auf der Fl¨ ache k¨onnen wir dann schreiben ds2 = gαβ dxα dxβ ,
α, β = 1, 2 .
(697)
Hierbei ist gαβ die sog. innere Metrik der Fl¨ ache. Gem¨aß (622) und (623) gilt Innere Metrik der Fl¨ ache S
gαβ = kα · kβ .
(698)
Die Vektoren kα haben die Richtung der xα -Koordinatenlinien. Bez¨ uglich ihrer L¨ ange gilt f¨ ur zwei benachbarte Punkte auf der x1 -Koordinatenlinie |k1 | = ds/du und entsprechend |k2 | = ds/dv . Dem durch die Vektoren k1 du und k2 dv aufgespannten Parallelogramm ordnen wir u ¨ber das Vektorprodukt den dazu orthogonalen Fl¨ achenvektor dS zu gem¨aß Infinitesimaler Fl¨ achenvektor
dS := k1 × k2 du dv .
(699)
F¨ ur den Betrag dS dieses Vektors folgt dann aus (654), dS =
√
g du dv ,
g = |gαβ | .
(700)
Ein beliebiges Element der Fl¨ ache S ist stets nach diesen Fl¨achenelementen zerlegbar. F¨ ur eine auf der Fl¨ ache definierte Funktion F = F (x, y, z) wird mit dem Fl¨ achenelement dS folgendes Integral definiert: Fl¨ achenintegral 1. Art I=
F (x, y, z) dS =
S
S
√ F x(u, v), y(u, v), z(u, v) g du dv .
(701)
36 Mathematische Hilfsmittel
255
Bei einem Fl¨achenintegral 2. Art wird die u ¨ber der Fl¨ ache S definierte Funktion F = F (x, y, z) nicht mit dem Fl¨ achenelement dS multipliziert, sondern mit dessen Projektionen auf die Koordinatenebenen x y , y z bzw. z x . Nehmen wir wieder den Integrationsbereich S , dann folgt z.B. bei einer Projektion auf die x y-Ebene das Fl¨ achenintegral 2. Art I= F x, y, z(x, y) dx dy (702) S
F¨ ur den allgemeinen Fall muß man von drei Funktionen P = P (x, y, z) , Q = Q(x, y, z) und R = R(x, y, z) ausgehen und vereinbart folgende Definition: Allgemeines Fl¨ achenintegral 2. Art
I= P x(y, z), y, z dy dz + Q x, y(x, z), z dz dx + R x, y, z(x, y) dx dy S
* = P x(u, v), y(u, v), z(u, v) Jyz + Q x(u, v), y(u, v), z(u, v) Jzx + S
(703)
+ +R x(u, v), y(u, v), z(u, v) Jxy du dv .
Hierbei sind Jxy , Jyz und Jzx die Determinanten der Jacobi-Matrizen (616), die bei einem Wechsel der Integrationsvariablen gem¨aß den in (696) enthaltenen KoordinatenTransformationen (x, y) nach (u, v) , (y, z) nach (u, v) und (z, x) nach (u, v) bei der Berechnung der Integrale gem¨ aß der Substitutionsformel (685) auftreten. Man beachte, daß wegen des Vorzeichens der Determinante die Reihenfolge der Variablen wesentlich ist, also Jxy = |∂(x, y)/∂(u, v)| ,
Jyz = |∂(y, z)/∂(u, v)| ,
Jxy = |∂(z, x)/∂(u, v)| .
(704)
Die infinitesimale Fl¨ ache, die das vektorielle Fl¨ achenelement dS repr¨ asentiert, k¨ onnen wir so w¨ahlen, daß ihre Projektionen auf die Koordinatenebenen gerade die Fl¨ a chenelemente dy dz , dz dx und dx, dy ergeben, so daß dS = dy dz, dz dx, dx dy . Wir nehmen wieder an, daß die Funktionen P (x, y, z) , Q(x, y, z) und R(x, y, z) die Komponenten eines Vektorfeldes V = (P, Q, R) sind. Das Fl¨ achenintegral 2. Art (703) l¨ aßt sich dann einfach schreiben als I= V · dS . (705) P (x, y, z) dy dz + Q(x, y, z) dz dx + R(x, y, z) dx dy = S
S
Wir definieren noch den Fluß des Vektors V durch die Fl¨ ache S, Fluß des Vektors V V · dS . Φ := durch die Fl¨ ache S
(706)
S
Sind α , β und γ die Winkel, die der Vektor dS mit den Koordinatenachsen bildet, dann folgt aus (705) mit dS = (cos α , cos β , cos γ) dS ein Zusammenhang zwischen den Fl¨ achenintegralen der 1. und der 2. Art, I= (P dy dz + Q dz dx + R dx dy = (P cos α + Q cos β + R cos γ) dS . (707) S
S
256
Anhang
Wir bezeichnen mit ∂S die geschlossene Kurve, welche die Fl¨ache S umrandet. Dann gilt folgender Zusammenhang zwischen dem Linienintegral (dem Kurvenintegral zweiter Art) u ¨ber ∂S und dem Fl¨ achenintegral u ¨ber S , wobei wir die geschlossene Kurve durch einen Kreis bei dem Integralzeichen andeuten, Stokesscher Integralsatz
)
P dx + Q dy + R dz ∂S
=
∂R ∂Q − ∂y ∂z
dy dz +
∂P ∂R − ∂z ∂x
dz dx
∂Q ∂P − ∂x ∂y
(708) dx dy .
S
Mit dem Vektor V = (P, Q, R) erhalten wir gem¨aß (667) aus (708) die vektorielle Form des Stokesschen Satzes, )
V · ds =
∂S
rot V · dS .
Stokesscher Integralsatz
(709)
S
Wir betrachten nun einen r¨ aumlichen Bereich K und bezeichnen dessen geschlossene Oberfl¨ ache mit ∂K . F¨ ur das dreifache Integral u ¨ber die Divergenz des Vektors V = (P, Q, R) gilt dann, Gaußscher Integralsatz ∂P ∂Q ∂R dx dy dz = = P dydz + Q dzdx + R dxdy . + + ∂x ∂y ∂z K
(710)
∂K
Mit (667) erhalten wir daraus die vektorielle Form des Gaußschen Satzes
V · dS .
div V dxdydz = K
Gaußscher Integralsatz
(711)
∂K
Die Projektion des Gradienten einer Funktion f = f (x, y, z) auf einen Einheitsvektor n heißt Ableitung von f in Richtung dieses Vektors. Man schreibt, ∂f ∂f ∂f ∂f := grad f · n = cos α + cos β + cos γ , ∂n ∂x ∂y ∂z
Richtungsableitung
(712)
wobei der Vektor n = (cos α , cos β , cos γ) mit den Koordinatenachsen die Winkel α , β und γ bilden soll.
36 Mathematische Hilfsmittel
257
Auf einem dreidimensionalen Gebiet K mit der Oberfl¨ ache ∂K betrachten wir zwei Funktionen P = P (x, y, z) und Q = Q(x, y, z) . Den zur Oberfl¨ ache ∂K orthogonalen, nach außen weisenden Einheitsvektor nennen wir n . Mit dem Laplaceschen Operator gem¨aß (673) gelten dann folgende Integrals¨atze,
Erster Greenscher Satz ∂Q gradP · gradQ dx dy dz P Q dx dy dz = P dS − ∂n K
(713)
K
∂K
und damit nach einfacher Subtraktion
Zweiter Greenscher Satz ∂Q ∂P dS . (P Q − Q P ) dx dy dz = P −Q ∂n ∂n K
(714)
∂K
F¨ ur Integrale, die von einem Parameter abh¨ angen, gelten noch folgende Zusammenh¨ ange. Wir setzen der Einfachheit halber einen stetig differenzierbaren Integranden f voraus, der zus¨atzlich von einem Parameter t abh¨ angen soll. Die Differentiation des Integrals u ¨ber f nach diesem Parameter kann dann unter dem Integralzeichen ausgef¨ uhrt werden. Wir formulieren diesen Satz im n-dimensionalen Raum mit der stetig differenzierbaren Funktion f = f (x1 , · · · , xn , t) . Sei Bn ein raumfester, n-dimensionaler Bereich. Dann gilt f¨ ur das n-fache Integral u ¨ber f , d dt
∂ ··· f (x1 , ···, xn , t) dx1 ··· dxn = ··· f (x1 , ···, xn , t) dx1 ··· dxn . ∂t Bn
(715)
Bn
F¨ ur ein einfaches Integral mit festen Integrationsgrenzen ist das die Aussage d dt
b
b f (x, t) dx =
a
∂ f (x, t) dx . ∂t
(716)
a
Wir betrachten nun den Fall , daß zus¨ atzlich der Integrationsbereich von dem Parameter t abh¨ angt. F¨ ur ein einfaches Integral heißt das, d dt
b(t) b(t) ∂ da db f (x, t) dx = f (x, t) dx + f (a(t), t) − f (b(t), t) . ∂t dt dt a(t)
a(t)
(717)
258
Anhang
Nimmt man zur Veranschaulichung an, daß der Parameter t die Zeit bedeutet, dann steht in den beiden letzten Summanden von (717) jeweils das Produkt aus dem Integranden und der Geschwindigkeit, mit der sich das Integrationsgebiet vergr¨ oßert. Ist f eine Dichte, z.B. eine Massendichte, dann kann sich die zwischen a und b zugeordnete Gesamtmenge, die Gesamtmasse F (t) , nur durch die wegstr¨ omende Masse f da/dt und −f db/dt mit der Zeit ¨andern. Das n-fache Integral kann durch n nacheinander ausgef¨ uhrte, einfache Integrationen berechnet werden. Daraus folgt die Verallgemeinerung von (717) auf mehrfache Integrale. F¨ ur zweifache und dreifache Integrale heißt das folgendes. Sei S ein Bereich in der x-y-Ebene, der von der geschlossenen Kurve ∂S umrandet wird. Die Position und die Form dieses Bereiches m¨oge von einem Parameter t abh¨ angen, der Zeit z.B. Der Bereich S = S(t) a¨ndert sich also mit der Zeit, so daß jedem Punkt seiner Randkurve ∂S eine Geschwindigkeit u = (ux , uy ) zugeordnet ist. F¨ ur eine Funktion f = f (x, y, t) gilt dann ) ∂ d f (x, y, t) dxdy = f (x, y, t) u · dn f (x, y, t) dxdy + (718) dt ∂t S(t)
S(t)
∂S(t)
mit dem Normalenvektor dn = (cos α , cos β) ds auf der Randkurve ∂S(t) , d.h. n bildet die Winkel α und β mit der x- bzw. y-Achse, und ds ist das Bogenelement der Kurve. Das Linienintegral wird dabei im mathematisch positiven Sinn umlaufen. Wieder k¨ onnen wir interpretieren, daß sich bei einer Massendichte f die in S befindliche Gesamtmasse F (t) nur durch ein Wegstr¨ omen mit der Geschwindigkeit u durch den Rand ∂S ¨andern kann, denn f (x, y, t) u · dn ist dann die sekundlich durch das St¨ uck ds der Umrandung wegstr¨omende Masse. Wir betrachten nun ein r¨ aumliches Gebiet K mit der begrenzenden Oberfl¨ ache ∂K . Position und Form des Gebietes K sollen wieder von der Zeit t abh¨ angen, so daß insbesondere jedem Punkt seiner Oberfl¨ ache ∂K eine Geschwindigkeit u = (ux , uy , uz ) zugeordnet ist. F¨ ur eine Funktion f = f (x, y, z, t) gilt dann d dt
K(t)
∂ f (x, y, z, t) dxdyz = f (x, y, t) dxdydz + f (x, y, z, t) u · dS ∂t K(t)
(719)
∂K(t))
mit dem vektoriellen Fl¨ achenelement dS , so daß bei einer Massendichte f die Gr¨ oße f (x, y, z, t) u · dS die sekundlich durch das Oberfl¨ achenelement dS str¨ omende Masse ist.
36 Mathematische Hilfsmittel
259
36.3 Die δ-Funktion F¨ ur die Beschreibung singul¨ arer Verteilungen, wie sie z.B. f¨ ur punktf¨ ormige Massen, linienartige Str¨ ome oder fl¨achenhafte Ladungen vorliegen, ist von Dirac die δ-Funktion eingef¨ uhrt worden. Im mathematischen Sinne handelt es sich um eine sog. Distribution, die man als Grenzwert stetiger Funktionen auffassen kann. Mit einem positiven Parameter α > 0 definieren wir folgende, auf der ganzen x-Achse stetige Funktionen, ⎫ ∞ ⎪ ⎪ 1 sin(kx) 1 x ⎪ ⎪ Θ(x, α) := exp(−αk) dk = arctan , ⎪ ⎪ π k π α ⎪ ⎬ 0 (720) ⎪ ∞ ⎪ ⎪ 1 α 1 ⎪ cos(kx) exp(−αk) dk = , α>0 , ⎪ δ(x, α) := ⎪ ⎪ ⎭ π π α2 + x2 0
so daß δ(x, α) =
∂ Θ(x, α) . ∂x
(721)
In der Theorie der Fourier-Integrale zeigt man folgende Gleichung, b lim
α→0
f (x ) δ(x − x, α)dx =
a
f (x) ,
a0, x bn .
δ-Funktion ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(729)
Da n-fache Integrale auf n einfache Integrale reduzierbar sind, ergibt das Produkt aus n eindimensionalen δ-Funktionen die n-dimensionale δ-Funktion, δ(x1 , · · · , xn ) = δ(x1 ) δ(x2 ) · · · δ(xn ) .
(730)
Ferner gelten noch folgende Formeln, δ(−x) = −δ(x) ,
(731)
x δ(x) = 0 ,
(732)
f (x ) δ(x − x) = f (x) δ(x − x) ,
(733)
δ(ax) =
δ(x) . |a|
(734)
53 Rechnet man in Strenge mit δ(x) als Distribution, dann reicht der Riemannsche Integralbegriff nicht mehr aus und muß durch das Stieltjes-Integral ersetzt werden. 54 Liegt die Stelle x auf einer der Integrationsgrenzen, so h¨ angt das Ergebnis von der Folge der stetigen Funktionen ab, aus deren Grenzwert die δ-Funktion definiert wurde.
36 Mathematische Hilfsmittel
261
Besitzt die Funktion ϕ(x) nur die einfachen Nullstellen xk , k = 1, · · · , n , so daß ϕ(xk ) = 0 , aber (d/dx) ϕ(xk ) = ϕ (xk ) = 0 , dann gilt δ[ϕ(x)] =
n δ(x − xk )
|ϕ (xk )|
k=1
,
(735)
also z.B. δ(x2 − a2 ) =
δ(x − a) + δ(x + a) . 2 |x|
(736)
ormigen Masse mo k¨ onnen wir damit eine Einer bei P (xo , yo , zo ) befindlichen, punktf¨ r¨ aumliche Massendichte o zuordnen gem¨ aß o = o (x, y, z) = mo δ(x − xo ) δ(y − yo ) δ(z − zo ) .
Punktf¨ ormige Massendichte
(737)
Integrieren wir (737) u ¨ber ein Gebiet K(Po ) , das den Punkt Po enth¨ alt, dann folgt sofort o (x, y, z) dx dy dz = mo .
(738)
K(Po )
Einem entlang der z-Achse fließenden Strom der St¨ arke J = J(z) k¨ onnen wir eine Stromdichte j zuordnen gem¨ aß Linienartige Stromdichte
j = j(x, y, z) = J(z) δ(x) δ(y) ,
(739)
und die Integration in der x-y-Ebene u ¨ber einen Bereich S , der den Nullpunkt enth¨ alt, ergibt dann j(x, y, z) dx dy = J(z) . (740) S
Mit der δ-Funktion kann der G¨ ultigkeitsbereich von Gleichungen auf singul¨ are Punkte ausgedehnt werden. Es gilt 1 2 ln = r2 1 = r
∂2 ∂2 + 2 2 ∂x ∂y
∂2 ∂2 ∂2 + + ∂x2 ∂y 2 ∂z 2
1 ln = −2π δ(x) δ(y) , 2 x + y2
1
x2
+ y2 + z2
= −4π δ(x) δ(y) δ(z) .
(741)
(742)
262
37
Anhang
Aufgaben und L¨ osungen
Nach der Aufgabenstellung ist eine Zuordnung zu Kapiteln des Buches angegeben. Aufgabe 1
F¨ ur einen ruhenden Stab werde die L¨ ange lo gemessen. Derselbe Stab habe nun in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v . Zeigen Sie, wie man die L¨ ange lv des bewegten Stabes unter Verwendung einer in Σo bekannten Geschwindigkeit mit Hilfe einer Zeitmessung ermitteln kann. Kap. 3 Der Stab habe die L¨ ange lo , wenn er in bezug auf das System ruht, in welchem seine L¨ ange gemessen wird. Nun m¨oge er in bezug auf Σo die Geschwindigkeit v besitzen mit den Endpunkten x1 = x1 (t) und x2 = x2 (t) , so daß v = dx1 /dt = dx2 /dt . In Σo sei die isotrope Lichtgeschwindigkeit c bekannt, mit der auch die Uhren in Σo synchronisiert sind. Wir suchen die L¨ ange lv = x2 (t) − x1 (t) des Stabes, die als die Koordinatendifferenz seiner Endpunkte zu derselben Zeit t definiert ist, indem wir einen Lichtblitz zwischen seinen Enden hin- und zur¨ ucklaufen lassen, Abb. 58. Σ
Σ
Spiegel -c
−c
-v Σo t=0 # ` ` ` 6 `
` ` ` ` "! q x1(0)= 0 x2(0)= lv
-v
- x x = l0
x = 0 q q
Spiegel
# ` ` ` `
x = 0 q q
` @ R` ` ` @ "! q tv x = v tv
- x x= l0
-x
Abb. 58: Der Stab, der im Ruhezustand die L¨ange lo besitzen soll, bewege sich mit der konstanten ange lv = x2 (t) − x1 (t) des Stabes ist Geschwindigkeit v in x-Richtung von Σo . Die bewegte L¨ durch die Differenz der Koordinaten seiner Endpunkte zu einer Zeit t in Σo definiert. Zur Zeit undet. t = 0 in Σo werde am linken Stabende mit der Koordinate x = 0 ein Lichtblitz gez¨ Nach dessen Reflexion am rechten Stabende erreicht dieses Signal das linke Stabende nun bei der ange lv des bewegten Stabes in Σo gem¨ aß (744). Koordinate x = v tv . Daraus berechnen wir die L¨ Die beiden strichpunktierten Linien verbinden Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen. Zur Zeit t = 0 senden wir vom linken Endpunkt x1 (0) ein Lichtsignal aus, dessen Front sich in Σo gem¨aß x(t) = x1 (0) + c t in Richtung auf den rechten Endpunkt bewegt. Dieser l¨auft dem Signal mit der Geschwindigkeit v davon. Gem¨ aß (7) n¨ ahert sich die Front dem rechten Endpunkt folglich mit der positiven Geschwindigkeit c − v und erreicht diesen nach der Zeit t→ = lv /(c − v) . Dort werde das Signal reflektiert, hat also in Σo die Geschwindigkeit dx/dt = −c , so daß es sich nun dem linken Endpunkt mit der
37 Aufgaben und L¨ osungen
263
positiven Geschwindigkeit v + c n¨ ahert. F¨ ur den R¨ uckweg braucht das Signal daher die Zeit t← = lv /(c+v) und erreicht folglich den linken Endpunkt des Stabes zu einer Zeit tv , t v = t→ + t ← =
2lv lv lv 2c lv 1 = . + = 2 c−v c+v c − v2 c 1 − v 2 /c2
(743)
Diese Laufzeit des Signals k¨onnen wir unmittelbar als die Zeigerstellung tv derjenigen, in Σo ruhenden Uhr ablesen, an der sich das linke Ende x1 (t) des Stabes zur Zeit tv befindet, also bei x = v tv . Indem wir diese Gleichung nach lv aufl¨ osen, haben wir die Messung der in Σo bewegten L¨ange lv durch die Messung der Zeit tv ersetzt, die das Lichtsignal mit der isotropen Geschwindigkeit c in Σo braucht, um u ¨ber den bewegten Stab hin- und zur¨ uckzulaufen, lv =
tv c v2 (1 − 2 ) . 2 c
(744)
Die experimentellen Daten f¨ ur die Zeit tv entscheiden dann dar¨ uber, ob bzw. wie die L¨ange lv von ihrer Geschwindigkeit v in Σo abh¨ angt.
Aufgabe 2
Gilt bei linearer Synchronisation (19) das Postulat der Homogenit¨ at und Isotropie (20), dann sind die Koordinaten-Transformationen (15) linear. Kap. 4, 5 Die allgemeinen Koordinaten-Transformationen (15) lauten mit (17) und (18) x = f (x − vt, v) ,
t = f4 (x, t, v) , wobei
f4 (x, 0, v) = Ω(x, v) .
(745)
Wie in Kap. 5 m¨ oge ein Stab mit dem linken Endpunkt im Koordinatenursprung auf der x -Achse des Systems Σ ruhen, so daß dort seine Ruhl¨ ange lo als die Koordinate seines rechten Endpunktes gemessen wird, x1 = 0 , x2 = lo . F¨ ur die L¨ ange lv des im System Σo mit der Geschwindigkeit v bewegten Stabes ben¨ otigen wir die Lage seiner Endpunkte zu ein und derselben Zeit in Σo , also z.B. f¨ ur t = 0 , s. Abb. 8, S. 28. Wegen der Anfangsbedingung (10) folgt f¨ ur den linken Endpunkt aus (x1 = 0, t = 0) auch (x1 = 0, t = 0) . F¨ ur den rechten Endpunkt folgt aus (745) mit t = 0 und x = x2 = lo , daß lo = x2 = f (x2 , v) . Nun ist lv = x2 − x1 = x2 . Wegen des Postulats (20) darf der Quotient lo /lv nicht mehr von den Koordinaten (x, t) abh¨ angen, sondern nur noch von der Geschwindigkeit v , lo f (x2 , v) = = k(v) . lv x2
(746)
Das Argument x2 ist beliebig, also ist die gesuchte Funktion f linear, f (x − vt, v) = k(v)(x − vt) .
(747)
Von den in Σ ruhenden Uhren sei Ux∗o diejenige Uhr, die f¨ ur to = 0 in Σo dort gerade an der Position xo vorbeikommt. Wegen (745) hat Ux∗o dabei die Zeigerstellung to , t = to = 0 ,
Ux∗o : to = f4 (xo , 0, v) = Ω(xo , v) .
(748)
264
Anhang Σ
Σo
# ` ` ` ` toH YH -v ∗ ` Uxo ` ` ` "!- x x= 0 q
to = 0 q # ` ` ` 6 ` ` Uoxo ` ` ` "! q xo
Σ # ` t1 ` ` ` -v ∗ ` Uxo ` ` ` "!- x x= 0 q q # ` ` ` ` Uox ` ` ` ? t` "! q1 xo +vt1
-x
Abb. 59: Die Zeigerstellungen der einen in Σ ruhenden Uhr Ux∗o werden mit den Zeigerstel-
lungen derjenigen in Σo ruhenden Uhren Uox verglichen, an denen jene gerade vorbeikommt. Strichpunktierte Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die dasselbe Ereignis darstellen.
Nach der Zeit t = t1 befindet sich die Uhr Ux∗o in Σo an der Position x = xo + v t1 , s. Abb. 59. Wegen (745) gilt f¨ ur die Zeigerstellung t1 nun t = t1
,
Ux∗o : t1 = f4 (xo + v t1 , t1 , v) .
(749)
Der Zeiger der einen, in Σ ruhenden Uhr Ux∗o ist also um die Differenz t = t1 − to = f4 (xo + vt1 , t1 , v) − Ω(xo , v)
(750)
weiterger¨ uckt, w¨ ahrend im System Σo die Zeitdifferenz t aus dem Vergleich der beiden, bei xo und x = xo + v t1 ruhenden Uhren t = t 1 − to = t 1
(751)
betr¨ agt. Wegen des Postulats (20) darf der Quotient t /t nicht mehr von den Koordinaten (x, t) abh¨ angen, sondern nur noch von der Geschwindigkeit v , t f4 (xo + vt1 , t1 , v) − Ω(xo , v) = Q(v) , = t t1
(752)
also f4 (x + vt, t, v) = Ω(x, v) + Q(v) t
(753)
mit einer i. allg. nichtlinearen Synchronisation gem¨ aß der in (18) definierten Funktion Ω. Beschr¨anken wir uns aber gem¨ aß (19) auf eine lineare Synchronisation, um die Definition der Gleichzeitigkeit an eine homogene Beschreibung der Raum-Zeit anzupassen, also Ω(x, v) = θ(v) x , dann folgt aus f4 (x + vt, t, v) = θ(v) x + Q(v) t nach Umbenennung der Variablen f4 (x, t, v) = θ(v) x + q(v) t .
(754)
Die gem¨aß (747) und (754) erhaltene Linearit¨ at der Koordinaten-Transformationen (745) folgt also erst dann aus dem Homogenit¨ atspostulat (20), wenn wir die Definition der Gleichzeitigkeit in den Systemen Σ mit Hilfe einer linearen Synchronfunktion vereinbaren.
37 Aufgaben und L¨ osungen
265
Aufgabe 3
Pr¨ ufen Sie die Galilei-Transformation (48) am experimentellen Befund des Michelson-Experimentes. Kap. 8, 9, 10 Bei dem in Kap. 10 beschriebenen Michelson-Experiment befindet sich der Beobachter im Bezugssystem Σo , und das Interferometer ruht in Σ , bewegt sich also mit der Geschwindigkeit v in bezug auf Σo , Abb. 15, S. 46. Gem¨ aß (59) haben wir zun¨ achst, von Σo aus beobachtet, die Laufzeitdifferenz ∆t = t2 − t1 eines Lichtsignals entlang der beiden Interferometerarme mit den L¨ angen l2 und l1 berechnet. Hierbei lag l1 in Bewegungsrichtung und l2 quer dazu. D.h., l1 k¨ onnte von der Geschwindigkeit v abh¨ angen, l2 aber wegen (12) nicht. Nun machen wir den Test auf die Abh¨ angigkeit einer in Bewegungsrichtung liegenden L¨ange von ihrer Geschwindigkeit, indem wir das Interferometer um den Winkel π/2 drehen. Wieder berechnen wir, von Σo aus beobachtet, die Laufzeitdifferenz ∆t π2 eines Lichtsignals entlang der beiden Interferometerarme und finden die Formel (60). Jetzt ist es aber der Interferometerarm l2 , der in Bewegungsrichtung liegt und daher prinzipiell von der Geschwindigkeit v abh¨ angen k¨ onnte, nicht aber l1 , wegen (12). In der Formel (61) haben wir den Unterschied der beiden Laufzeitdifferenzen ausgerechnet und dabei sowohl l1 als auch l2 ausgeklammert. D.h., wir haben vorausgesetzt, daß die L¨ ange eines in Bewegungsrichtung liegenden Armes des Interferometers nicht von dessen Geschwindigkeit v in bezug auf Σo abh¨ angt. Der Formel (61) liegt also die physikalische Grundannahme (44) der Galilei-Transformation (48) zugrunde. Wie wir in Kap. 10 gefunden haben, ist das experimentelle Ergebnis des Michelson-Experimentes mit dieser Formel (61) im Widerspruch. D.h. aber, die Galilei-Transformation widerspricht dem Michelson-Experiment, einem Pr¨ azisionsexperiment, das es erlaubt, die in v/c quadratischen Terme zu messen. Auch die Beobachtung von einem anderen Bezugssystem kann an der theoretischen Vorhersage durch die Galilei-Transformation nat¨ urlich nichts a¨ndern, da wegen t = t in (48) die gemessenen Zeitdifferenzen vom Bewegungszustand des Interferometers unabh¨ angig sind. Aufgabe 4
¨ Ein Flugk¨ orper sei mit Pr¨ azisionsuhren ausgestattet. Er startet am Aquator in einer H¨ ohe von 1000 m , umkreist die Erde in westlicher Richtung und m¨ oge daf¨ ur genau einen Sonnentag ben¨ otigen. Vergleichen Sie die Borduhr mit der ¨ am Boden stationierten Uhr nach der Landung. Andert sich das Ergebnis, wenn sich der Flugk¨ orper bei gleicher Flugdauer und derselben Flugh¨ ohe in ¨ ostlicher Richtung bewegt? Anmerkung: Die Allgemeine Relativit¨ atstheorie zeigt, daß auch Gravitationsfelder und die dazu lokal a ¨quivalenten Beschleunigungen den Gang einer Uhr ver¨ andern, ein Effekt, der bei diesem Experiment von derselben Gr¨ oßenordnung ist wie die speziellrelativistische Zeitdilatation. Die gravitativen Effekte werden wir hier außer acht lassen.
Kap. 2, 11
266
Anhang
Befinden sich Uhren in beschleunigten Bezugssystemen, so gilt die Formel (67) der speziellrelativistischen Zeitdilatation f¨ ur kleine Zeitintervalle dt der momentanen Inertialsysteme Σ , die in bezug auf das Inertialsystem Σo gerade die Geschwindigkeit ur endliche v(t) besitzen, dt = 1 − v · v/c2 dt mit der in Σo gemessenen Zeit dt . F¨ Zeiten m¨ ussen wir diese Gleichung integrieren, t2 v·v v2 (t2 − t1 ) = 1 − 2 dt = 1 − 2 (t2 − t1 ) f¨ ur |v| = const . (755) c c t1
¨ Vernachl¨ assigen wir die geringf¨ ugige Anderung der Geschwindigkeit, die der Erdmittelpunkt P infolge seiner Bahnbewegung um die Sonne w¨ ahrend eines Tages erf¨ ahrt, so ist durch das Ruhsystem von P mit hoher Pr¨ azision ein Inertialsystem Σo definiert. ¨ Eine am Aquator stationierte Uhr befindet sich zu jedem Zeitpunkt t in einem anderen Inertialsystem, unserem Laborsystem Σ , das in bezug auf Σo eine vom Betrag her stets konstante Geschwindigkeit v besitzt. Die Rotationszeit τ der Erde betr¨ agt nicht genau 24 Sunden, sondern 4 min weniger (das ist ein Sterntag im Unterschied zum Sonnentag mit 24 Stunden), also τ = 24 · 60 · 60 − 4 · 60 s = 86 160 s . Rechnen wir mit einem Erdradius ¨ am Aquator von R = 6 378 163 m , dann folgt f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit der Wert ω = (2π)/τ s−1 = 0, 000072924 s−1 .
Winkelgeschwindigkeit der Erde (756)
¨ Damit erhalten wir f¨ ur die Geschwindigkeit vL des Laboratoriums am Aquator in bezug auf Σo und den entsprechenden Faktor γL die Werte ⎫ vL = ω R = 465, 1 ms−1 , ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ −1 Laboratorium c = 299 792 458 ms , (757) ¨ auf dem Aquator ⎪ ⎪ 2 ⎪ vL ⎭ γL = 1 − 2 ≈ 1 − 1, 2034 · 10−12 . ⎪ c Der nach Westen gestartete Flugk¨orper bewegt sich aus der Sicht des Ruhsystems Σo im Erdmittelpunkt gerade so viel nach Westen wie sich die Erde nach Osten dreht. Die Geschwindigkeit vW des westw¨arts gestarteten Flugk¨orpers in bezug auf das Inertialsystem Σo ist also Null: vW = 0 ms−1 .
Geschwindigkeit des westw¨arts gestarteten Flugk¨ orpers in bezug auf Σo
(758)
Es sei Tw = 24 · 60 · 60 = 86 400 s
Flugzeit auf dem westw¨arts (759) gestarteten Flugk¨ orper
die in Σo , also die auf dem westw¨arts fliegenden K¨ orper gemessene Flugzeit. ¨ Ferner sei TL die in dem Laborsystem auf dem Aquator registrierte Zeit. Dann ist gem¨ aß (755) und (757) TL = γL Tw = (1 − 1, 2034 · 10−12 ) · 86 400 s .
Flugzeit im Laboratorium ¨ auf dem Aquator
(760)
37 Aufgaben und L¨ osungen
267
F¨ ur die Differenz Tw − TL erhalten wir damit den Wert Tw − TL = (1 − γL ) T = 1, 2034 · 10−12 · 86 400 s = 104 · 10−9 s .
(761)
Die Uhr auf dem Flugk¨ orper geht nach der Landung um 104 Nanosekunden vor (!) und nicht nach, wie man bei oberfl¨ achlicher Betrachtung meinen k¨ onnte. Die sich drehende ¨ Erde ist kein Inertialsystem. Der im Laborsystem auf dem Aquator sitzende Beobachter bewegt sich in st¨andig wechselnden Inertialsystemen Σ , wodurch er an den Ausgangspunkt im Inertialsystem Σo zur¨ uckkehren kann. Er entspricht dem zur¨ uckkehrenden Bruder im Zwillingsparadoxon, Kap. 27. Eine andere Situation entsteht, wenn der Flugk¨ orper nach Osten startet. Von Σo aus betrachtet, befindet er sich zu jedem Zeitpunkt nun in einem anderen Inertialsystem Σ . ¨ Wegen der Flugh¨ ohe von 1000 m betrachten wir den Kreis K in der Aquatorebene bei R1 = (6 378 163 + 1000) m = 6 379 163 m . Die Geschwindigkeit vK eines Punktes PK auf diesem Kreis in bezug auf Σo betr¨ agt dann, vgl. (755), vK = 0, 000072924 · 6 379 163 ms−1 = 465, 2 ms−1 ,
Ein Punkt PK in 1000 m ¨ H¨ ohe u ¨ber dem Aquator
(762)
Aus der Sicht von Σo hat der ostw¨ arts gestartete Flugk¨orper den Kreis K zweimal umfahren, w¨ ahrend der Punkt PK einmal umgelaufen ist. Die Bahngeschwindigkeit vO des Flugk¨ orpers ist von Σo aus betrachtet also doppelt so groß wie vK , vO = 2 vK = 930, 4 ms−1 .
Geschwindigkeit des ostw¨arts gestarteten Flugk¨ orpers in bezug auf Σo
Daraus berechnet man den Faktor γO zu 2 vO v2 ≈ 1 − 4, 8158 · 10−12 . γO = 1 − 2 == 1 − 4 K c c2
(763)
(764)
orper ist nun nach (755) um den Faktor Die Flugzeit TO auf dem ostw¨arts fliegenden K¨ γO kleiner als die in Σo registrierte Zeit TW , die mit der auf dem westw¨arts fliegenden K¨ orper u ¨bereinstimmt. Es ist also TO = γO TW und damit TW − TO = (1 − γO ) TW = 4, 8158 · 10−12 · 86 400 s ≈ 416 · 10−9 s .
(765)
Das ist also die Differenz der auf den beiden Flugk¨ orpern gemessenen Zeiten. Aus (761) und (765) erhalten wir f¨ ur TL − TO = (TW − TO ) − (TW − TL ) , TL − TO = 312 · 10−9 s .
(766)
arts gestarteten Flugk¨orper Gem¨aß (766) ist die Zeitangabe TO der Uhr auf dem ostw¨ nach der Landung nun um 312 Nanosekunden gegen¨ uber der im Laboratorium auf dem ¨ Aquator gemessenen Zeit TL zur¨ uckgeblieben. Dies liegt einfach daran, daß die Zeit TO um einen gr¨ oßeren Betrag gegen¨ uber der Zeit T zur¨ uckbleibt als die Zeit TL gegen¨ uber TW zur¨ uckgeblieben ist. Die tats¨achliche Auswertung eines solchen Experimentes ist nat¨ urlich bei weitem aufwendiger. F¨ ur den allgemeinrelativistischen, d.h. den gravitativen Einfluß auf den Uhrengang werden die genauen Flugh¨ ohen wesentlich. Ferner m¨ ussen die Flugzeiten exakt gemessen werden. Bei dem 1971 durch J.C. Hafele[1] und R.E. Keating durchgef¨ uhrten Experiment mit C¨asium-Atomuhren an Bord von Flugzeugen, die die Erde umkreisten, konnte auf diese Weise die Zeitdilatation sehr gut best¨ atigt werden.
268
Anhang
Aufgabe 5
Wird unter der Voraussetzung der Postulate (69) und (71) in den Systemen Σ eine Gleichzeitigkeit gem¨ aß dem elementaren Relativit¨ atsprinzip mit dem Lorentzschen Synchronparameter (73) definiert, dann ist damit auch der Wert der Lichtgeschwindigkeit f¨ ur die Systeme Σ festgelegt. Berechnen Sie ohne den Umweg u ¨ber die Lorentz-Transformation die Geschwindigkeit der Front einer Lichtwelle in Σ , f¨ ur die in Σo der Wert c gemessen wurde. Kap. 12, 13 Wir machen ausschließlich Gebrauch von den Postulaten (69) und (71) der LorentzKontraktion und der Zeitdilatation im System Σo sowie von Einsteins Definition der Gleichzeitigkeit mit dem Parameter (73) als Konsequenz aus dem elementaren Relativit¨ atsprinzip. F¨ ur t = 0 in Σo werden also die Zeiger der in Σ ruhenden Uhren auf t eingestellt gem¨aß −v x/c2 t = . (767) γ Gemessen in Σo , habe das System Σ damit die Geschwindigkeit v in x-Richtung. Wir wollen von Σo aus beschreiben, welchen Wert c ein in Σ ruhender Beobachter f¨ ur die Ausbreitung eines Lichtsignals feststellt, f¨ ur das wir in Σo den Wert c messen. Wir betrachten einen auf der x -Achse von Σ ruhenden Stab als Meßstrecke, welche wir wie in Kap. 12 so positionieren, daß der linke Endpunkt gem¨ aß x1 = 0 mit dem Koordinatenursprung von Σ zusammenf¨allt. Den rechten Endpunkt nennen wir x2 . Die Meßstrecke hat daher in Σ eine Ruhl¨ ange lo = ∆x = x2 − x1 = x2 , Abb. 60. Zur Zeit t werden in Σo f¨ ur die beiden Endpunkte der Meßstrecke die Koordinaten x1 = v t und x2 gemessen. Die Differenz ∆x = x2 − x1 dieser zur selben Zeit gemessenen Koordinaten ist definitionsgem¨ aß die bewegte L¨ange lv = ∆x = (x2 − v t) der in Σo mit der Geschwindigkeit v bewegten Meßstrecke. Gem¨aß dem Postulat (69) ist die bewegte L¨ange lv ≡ l um den Faktor γ gegen¨ uber der Ruhl¨ ange lo verk¨ urzt, l = lo γ , also ∆x =
∆x . γ
(768)
Zum Ereignis O , dem gemeinsamen Koordinatenursprung mit (x1 = 0, t1 = 0) und (x1 = 0, t1 = 0) , werde das Lichtsignal in positiver x -Richtung gestartet. Die Laufzeit ∆t∗ des Signals kann dann unmittelbar als die Zeigerstellung tC = ∆t∗ zur Ankunft des Signals bei der am Endpunkt der Meßstrecke befestigten Uhr Uv∗ abgelesen werden. Der Beobachter in Σ mißt daher f¨ ur das Signal eine Geschwindigkeit c gem¨aß c =
∆x 1 ∆x = . ∆t∗ ∆t∗ γ
(769)
Daf¨ ur brauchen wir also die Zeigerstellung ∆t∗ . Von Σo aus k¨ onnen wir beobachten, daß sich der Zeiger der Uhr Uv∗ f¨ ur x = ∆x und t = 0 gem¨aß der Synchronisationsvorschrift (767) auf einer Stellung tB befindet gem¨ aß tB =
−∆x v/c2 . γ
(770)
37 Aufgaben und L¨ osungen
269
Ferner messen wir von Σo aus f¨ ur die Laufzeit des Signals vom Start bis zur Ankunft am Ende der Meßstrecke die Zeit ∆t→ , ∆t→ =
∆x . c−v
(771)
Wegen der Zeitdilatation (71) r¨ uckt der Zeiger auf der bewegten Uhr Uv∗ w¨ahrend dieser Σo -Zeit nur um ∆t→ weiter gem¨aß ∆t→ = ∆t→ γ .
(772)
Σ t = 0 # ` ` ` 6 ` -v ` Uvo ` ` ` "! x = 0 q Σo t = 0 qO -c # ` ` ` 6 ` ` ` ` ` "! q x=0
# ` tB ` ` v ` : tC ∗ ` Uv ` ` ` -v "! - x x2= lo q q -c # ` C ` ` ` ` ` ` ` t"! q C x2
-x
Abb. 60: Wir beobachten von Σo aus die Messung der Signalgeschwindigkeit in Σ und rechnen
dazu ein Beispiel durch. Das Aussenden des Lichtsignals sei das Ereignis O mit x = x = 0 und aß der Gleichzeitigkeitsdefinition nach dem elementaren Relativit¨atsprinzip (767) t = t = 0 . Gem¨ ur die Uhr Uv∗ am Ende der Meßstrecke die Zeigerstellung beobachten wir zur Zeit t = 0 in Σo f¨ tB . Die auf dieser Uhr abgelesene Ankunftszeit tC des Lichtsignals ist die von dem in Σ ruhenden Beobachter gemessene Laufzeit ∆t∗ = tC des Signals, dessen Geschwindigkeitper also mit c = ur die hier gezeigte Abbildung haben wir v = 0, 8 c , also γ = 1 − v 2 /c2 = 0, 6 x2 /tC bewertet. F¨ gew¨ ahlt, und die Uhren sind so geeicht, daß die Zeit ∆to := 2x2 /c einer Zeigerstellung Viertel entspricht. Bei 60 Skalenteilen auf dem Zifferblatt ist dann ∆to = 2x2 /c = 15 . Damit folgt wie in Abb. 20, S. 57, die Zeigerstellung tB = t (x2 , 0) = −x2 v/c2 γ = −10 . Der Beobachter in Σo urteilt also, daß die auf der Uhr am Ende der Meßstrecke ablaufende Zeit zwischen tB und 0 f¨ ur die Berechnung der Lichtgeschwindigkeit in Σ noch gar nicht mitz¨ ahlt, obwohl aus seiner Sicht das Signal schon abgeschickt ist. F¨ ur den am Ende der Meßstrecke in Σ ruhenden Beobachter wird das Signal aber erst abgeschickt, wenn der Zeiger seiner Uhr Uv∗ auf der Stellung sich gem¨ aß (771) mit v/c = 0, 8 zu tC = ∆x/(c − v) = ´` Die Zeigerstellung ´ ` tC berechnet ´ `0 steht. 2x2 /c c/2(c−v) = 15 1/2(1−0, 8) = 37, 5 . D.h., der in Σo ruhende Beobachter stellt fest, daß c − v =´ 0, 2 c u ¨berwindet. das Lichtsignal die in Σ ruhende Meßstrecke mit der Geschwindigkeit ` ´` aß (773) tC = ∆t∗ = 2x2 /c 1/2γ = 15/1, 2 = 12, 5 . F¨ ur die Zeigerstellung tC erhalten wir gem¨ Ber¨ ucksichtigen wir noch ∆x = ∆to c/2 , also x2 = ∆x/γ = ∆to c/(2γ) = 15c/(0, 6·2) = 12, 5 c , so folgt sofort f¨ ur die in Σ gemessene Lichtgeschwindigkeit c = x2 /tC = c . Die strichpunktierten Linien verbinden wieder Punkte im Bild, die ein und dasselbe Ereignis beschreiben, hier die Ereignisse O und C .
270
Anhang
Insgesamt steht der Zeiger von Uv∗ daher bei Ankunft des Signals auf der Stellung ∆t∗ = tB + ∆t→ , also mit (770) - (772) −∆x v/c2 ∆x γ ∆x γ 2 − ∆x(c − v) v/c2 + = γ c−v (c − v) γ
∆t∗ =
∆x(1 − v 2 /c2 − v/c + v 2 /c2 ) ∆x(1 − v/c) = , (c − v) γ (c − v) γ ∆x = . cγ
= ∆t∗
(773)
ur die Aus (769) und (773) folgt sofort, daß der Beobachter in Σ denselben Wert c f¨ Ausbreitung eines Lichtsignals mißt wie der Beobachter in Σo , c = c .
(774)
Zwar stellt der Beobachter in Σo fest, daß sich die Front der Lichtwelle dem davoneilenden Ende der Meßstrecke nur mit verminderter Geschwindigkeit n¨ ahert. Dieser Effekt wird aber durch die Zeitdilatation und die Synchronisationsvorschrift (767) gerade kompensiert, s. Abb. 60.
Aufgabe 6
Zeigen Sie mit Hilfe der Lorentz-Transformation zwischen dem zun¨ achst ausgezeichneten System Σo und zwei beliebigen Inertialsystemen Σ und Σ , daß die Lorentz-Transformation zwischen zwei beliebigen Inertialsystemen g¨ ultig ist. Kap. 13 Sind v und u die Geschwindigkeiten von Σ (x , t ) und Σ (x , t ) in x-Richtung von Σo (x, t) , dann gelten die entsprechenden Lorentz-Transformationen, wobei wir die Bezeichnungen (72) verwenden, x =
x − ut , γu
t − xu/c2 , t = γu
x =
x−vt , γv
t − xv/c2 , t = γv
−→
x + v t x= , γv
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
t + x v/c2 . t= γv
⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(775)
Wir setzen die dritte Spalte der Gleichungen (775) in die erste Spalte ein und finden γu x = x − u t =
1 1 u v x (x + v t ) − (u t + 2 ) , γv γv c
x
=
1 uv [x (1 − 2 ) − t (u − v) ] , γu γv c
x
=
" 1 − u v/c2 ! u−v t . x − γu γv 1 − u v/c2
37 Aufgaben und L¨ osungen
271
Ebenso gilt γu t = t − x u/c2 =
1 u 1 (t + x v/c2 ) − 2 (x + v t ) , γv c γv
t
=
1 v x u uv (t + 2 − 2 x − 2 t ) , γu γv c c c
t
=
1 uv x [t (1 − 2 ) − 2 (u − v)] , γu γv c c
t
=
1 − u v/c2 ! x u − v " t − 2 . γu γv c 1 − u v/c2
Gem¨aß (127) ist 1 1 − u v/c2 = , γu γv γu
u =
u−v , 1 − u v/c2
und wir erhalten
x =
x − u t , γu
t − x u /c2 , t = γu
x = ←→
x + u t , γu
t + x u /c2 t = γu
Bewegung in x-Richtung Spezielle LorentzTransformation f¨ ur beliebige Inertialsysteme
(776)
Hierbei ist u die von Σ aus gemessene Geschwindigkeit von Σ (welche nach Einsteins Additionstheorem (76) aus den Geschwindigkeiten v und u von Σ bzw. Σ in bezug auf Σo resultiert), so daß die Lorentz-Transformation zwischen zwei beliebigen Inertialsystemen g¨ ultig ist. Aufgabe 7
F¨ ur einen K¨ orper mit der Geschwindigkeit |u| < c in Σo gilt auch |u | < c in jedem Inertialsystem Σ . Ebenso gilt bei c < |u| in Σo auch c < |u | in Σ . Anmerkung: Ausgehend von einem Inertialsystem Σo werden die u ¨brigen Inertialsysteme durch K¨ orper mit |v| < c realisiert.
Kap. 13 ur das System Σ Wir beschr¨anken uns auf Geschwindigkeiten in x-Richtung von Σo . F¨ werde von Σo aus die Geschwindigkeit v gemessen mit 0 < v < c . Es sei u die in Σ gemessene Geschwindigkeit eines K¨orpers K mit 0 < u < c , also 0