Repetitorium Schmerztherapie: Zur Vorbereitung auf die Prüfung "Spezielle Schmerztherapie" (German Edition) 3540333002, 9783540333005

Nach den erfolgreichen Repetitorien Anaesthesiologie und Intensivmedizin folgt nun das Repetitorium Schmerztherapie. Es

126 26 3MB

English Pages 218 [204] Year 2006

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Repetitorium Schmerztherapie: Zur Vorbereitung auf die Prüfung "Spezielle Schmerztherapie" (German Edition)
 3540333002, 9783540333005

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

M. Hatzenbühler M. Fresenius M. Heck J. Benrath Repetitorium Schmerztherapie Zur Vorbereitung auf die Prüfung »Spezielle Schmerztherapie«

M. Hatzenbühler M. Fresenius M. Heck J. Benrath

Repetitorium Schmerztherapie Zur Vorbereitung auf die Prüfung »Spezielle Schmerztherapie«

2., vollständig aktualisierte Auflage Mit 38 Abbildungen

123

Dr. med. Michael Hatzenbühler

Dr. med. Michael Heck

Krankenhaus Hetzelstift Stiftstraße 10 07434 Neustadt/Weinstraße E-mail: [email protected]

Niedergelassener Anästhesist Weberstr. 10 69120 Heidelberg E-mail: [email protected] http://www.die-anaesthesie-praxis.de

Dr. med. Michael Fresenius Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensiv- u. Schmerztherapie Kirchfeldstraße 40 40217 Düsseldorf E-Mail: [email protected]

ISBN-10 3-540-33300-2 ISBN-13 978-3-540-33300-5 ISBN 3-540-01311-3

Dr. med. Justus Benrath Institut für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer 68167 Mannheim E-mail: [email protected].

2. Auflage 2007 Springer Medizin Verlag Heidelberg 2. Auflage 2007 Springer Medizin Verlag Heidelberg 1. Auflage 2004 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Haftung übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann, Dr. Anna Krätz, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Schmitt, Heidelberg Copy-Editing: Michaela Mallwitz, Tairnbach Design: deblik Berlin SPIN 1130 6283 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier

22/2122 – 5 4 3 2 1 0

V

Curricula vitae Dr. med. Michael Hatzenbühler

▬ Studium der Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1991 bis 1994 Assistenzarzt im Krankenhaus Hetzelstift Neustadt an der Weinstraße; 1993 Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ Seit 1994 Assistenzarzt an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität Heidelberg ▬ Seit 1998 Facharzt für Anästhesiologie ▬ seit Mai 2004 Oberarzt im Krankenhaus Hetzelstift/Neustadt. ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle Schmerztherapie«, Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin«, »Notfallmedizin« und »Palliativmedizin« Dr. med. Michaeld Fresenius

▬ Studium der Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ▬ 1991 bis 2000 Assistenzarzt an der Ruprecht-Karls-Universiät Heidelberg; 1994 Promotion an der Philipps-Universität Marburg ▬ Seit 1997 Facharzt für Anästhesiologie ▬ 2000/01 Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sinsheim ▬ Seit 2001 ltd. Oberarzt am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle Schmerztherapie, Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin, Notfallmedizin und OP-Management. Dr. med. Michaeld Heck

▬ Studium der Humanmedizin und Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1989–1999 Assistenzarzt an der Universität Heidelberg ▬ Seit 1994 Facharzt für Anästhesiologie ▬ Seit 1999 niedergelassener Anästhesist in Heidelberg ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin« und »Notfallmedizin«

Dr. med. Justus Benrath

▬ Studium der Humanmedizin an den Universitäten Heidelberg und Glasgow ▬ 1997 Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1997–2001 Assistenzarzt an der Klinik für Anästhesiologie, Universität Heidelberg ▬ 2001–2006 Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin, Medizinische Universität Wien ▬ 2006 Facharzt für Anästhesiologie ▬ seit 2006 Facharzt am Institut für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Mannheim ▬ Zusatzqualifikationen: »Notfallmedizin«, »Spezielle Schmerztherapie«

VII

Vorwort zur 2. Auflage Durch das große Interesse vieler Kollegen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen an der Schmerztherapie war die erste Auflage des »Repetitorium Schmerztherapie« schnell vergriffen. Auch neue Erkenntnisse hielten Einzug in den Alltag des Schmerztherapeuten. Des Weiteren hat sich die Schmerztherapie als fester Bestandteil in der Aus- und Weiterbildung vieler Fachdisziplinen etabliert. So wurde diese 2. Auflage des »Repetitorium Schmerztherapie« notwendig. Das vorliegende Buch berücksichtigt neueste Entwicklungen der Schmerztherapie. Zusätzlich wurden bislang unterrepräsentierte Bereiche ausführlicher dargestellt (z.B. Kinderschmerztherapie) und die Kapitel komplett überarbeitet. Unverändert zeichnet sich dieses Repetitorium durch seinen prägnanten Telegrammstil und seine komplexen tabellarischen Zusammenstellungen aus. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die bewährte Gliederung in einen allgemeinen und einen speziellen Teil mit ausgewählten Krankheitsbildern wurde beibehalten. Diese zweite Auflage ist zur Prüfungsvorbereitung als auch für den klinischen Alltag des Mediziners geeignet. Aus zahlreichen Leserbriefen wissen wir, dass dieses Buch sehr gerne als Nachschlagewerk (z.B. Medikamentendosierung) oder zur schnellen Orientierung (z.B. Überblick über therapeutische Optionen) herangezogen wird. Als Repetitorium kann und soll es jedoch nicht die Komplexität der Schmerztherapie abbilden oder gar vermitteln. Insofern ist z.B die Darstellung somatoformer Schmerzen und deren Behandlung durch psychotherapeutische Therapien unterrepräsentiert. Hier verweisen wir auf die bekannten Standardwerke der Schmerztherapie und auf die klinischen Lehrer. Über konstruktive Kritik und Hinweise aus der Leserschaft sind wir auch zukünftig dankbar.

Neustadt/Wstr., Düsseldorf, Heidelberg und Mannheim im Oktober 2006 Dr. med. Michael Hatzenbühler Dr. med. Michael Fresenius Dr. med. Michael Heck Dr. med. Justus Benrath

IX

Inhaltsverzeichnis Erläuterung einiger Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

A Allgemeiner Teil 1 2 3 4 5 6

Definitionen und physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Pharmakotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Opioidtherapie bei Nieren- und Leberinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 Invasive Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Akute/postoperative Schmerztherapie . . . . . . . .63 Stimulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89

B Spezieller Teil: Krankheitsbilder 7 8 9 10 11 12 13 14

Neuropathischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 Tumorschmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Rückenschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 HWS-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Fibromyalgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Rheumatischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Palliativmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

XI

Erläuterung einiger Abkürzungen AAA AaDO2 ACh ACT ADH AEP AF AGW AK ALI AMV Anm ANV AP ARDS

AS ASA ASB ASD ASS AT ATC avDO2 BE BEL BGA BIPAP BSG BtMVV BZ C CAO caO2 CARS CAVHD CAVHF CBF CBV

abdominelles Aortenaneurysma alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz Acetylcholin »activated clotting time« antidiuretisches Hormon akustisch evozierte Potenziale Atemfrequenz Atemgrenzwert Antikörper »acute lung injury« Atemminutenvolumen Anmerkung akutes Nierenversagen arterieller Systemdruck »acute respiratory distress syndrome« (früher: »adult respiratory distress syndrome«) Aminosäuren American Society of Anesthesiologists »assisted spontanuous breathing« Akuter Schmerzdienst Acetylsalicylsäure Appendektomie automatic tube compensation arteriovenöse Sauerstoffdifferenz »base excess« (Basenüberschuss) Beckenendlage Blutgasanalyse oder Bundesgesundheitsamt (aus Kontext ersichtlich) »biphasic positive airway pressure« Blutsenkungsgeschwindigkeit Betäubungsmittelverordnung Blutzucker Compliance »chronic airflow obstruction« arterieller Sauerstoffgehalt »compensatory antiinflammatoric response syndrome« kontinuierliche arteriovenöse Hämodialyse kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration bzw. Spontanfiltration zerebraler Blutfluss (Hirndurchblutung) zerebrales Blutvolumen

CC CGRP CHE CI CIP CLA Cm CMRO2 CMV CO CO2 COLD COPD COT CPAP CPP CPPV CRPS CRPS CSE CSF CTZ CV cvO2 CVVHD CVVHDF CVVHF DBS

DBS DD DIC DIFF.-BB DK DLCO DLV

»closing capacity« (Verschlusskapazität) »calcitonin gene-related peptide« Cholinesterase »caridac index« (Herzindex) »critical illness polyneuropathy« Konzentration des Lokalanästhetikums minimale Konzentration »cerebral metabolic rate for oxygen« (zerebraler Metabolismus) Zytomegalievirus Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen) Kohlendioxid »chronic obstructive lung disease« »chronic obstructive pulmonary disease« »clot observation time« »continuous positive airway pressure« zerebraler Perfusionsdruck »continuous positive pressure ventilation« komplexes regionales Schmerzsyndrom »complex regional pain syndrome« (komplexes regionales Schmerzsyndrom) kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie Liquor cerebrospinalis Chemorezeptorentriggerzone »closing volume« (Verschlussvolumen) venöser Sauerstoffgehalt kontinuierliche venovenöse Hämodialyse kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration kontinuierliche venovenöse Hämofiltration Double-burst-Stimulation oder »deep brain stimulation« (je nach Zusammenhang) »deep brain stimulation« Differenzialdiagnose disseminierte intravasale Koagulopathie (Verbrauchskoagulopathie) Differenzialblutbild Blasendauerkatheter Diffusionskapazität der Lunge für CO »different lung ventilation« (seitendifferente Beatmung)

XII

Erläuterung einiger Abkürzungen

DO2 DREZ

DS DTI ECCO2R ECMO ECT EDCF EDRF EDV EF EK EKK EKZ EMG EMLA EPMS ERV ESV ESWL etCO2 FAO2 FCKW FDA FEV1 FEV1/FVC FexCO2 FFP FFS FG FIO2 FKW FRC FS FSME FSP FVC GABA GCS GFR GHB GI GISA

Sauerstoffangebot »dorsal root entry zone coagulation« (Thermokoagulation der Hinterwurzeleintrittszone) Druckschmerz Dauertropfinfusion extrakorporale CO2-Elimination extrakorporale Membranoxygenierung »ecarin clotting time« »endothelium-derived contracting factor« »endothelium-derived relaxing factor« enddiastolisches Volumen Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) Erythrozytenkonzentrat extrakorporaler Kreislauf extrakorporale Zirkulation Elektromyogramm eutektische Mixtur von Lokalanästhetika extrapyramidal-motorische Störungen exspiratorisches Reservevolumen endsystolisches Volumen extrakorporale Stoßwellenlithotripsie endexspiratorische CO2-Konzentration (in Vol.-%) alveoläre Sauerstoffkonzentration fluorierte Chlorkohlenwasserstoffverbindungen Food and Drug Administration Ein-Sekunden-Kapazität relative Ein-Sekunden-Kapazität in % exspiratorische CO2-Konzentration Fresh-frozen-Plasma freie Fettsäuren Frühgeborene inspiratorische Sauerstoffkonzentration fluorierte Kohlenwasserstoffe funktionelle Residualkapazität Fettsäuren Frühsommermeningoenzephalitis Fibrin(ogen)spaltprodukte forcierte Vitalkapazität γ-Aminobuttersäure Glasgow Coma Scale glomeruläre Filtrationsrate γ-Hydroxybuttersäure gastrointestinal Glykopeptid-intermediär empfindlicher Staphylococcus

GLOA GRIP GSB HF HFV

ganglionäre lokale Opioidanalgesie Göttinger Rücken-Intensiv-Programm Ganglion-stellatum-Blockade Herzfrequenz »high frequency ventilation« (Hochfrequenzbeatmung) HLM Herz-Lungen-Maschine HMV Herzminutenvolumen HPV hypoxische pulmonale Vasokonstriktion HRST Herzrhythmusstörungen HTMHigh-threshold-mechanoreceptiveNozizeptor Nozizeptor HTPL Herztransplantation HWZ Halbwertszeit HZV Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen) i.m. intramuskulär i.v. intravenös IAP intraabdomineller Druck ICP intrazerebraler Druck ICR Interkostalraum ID Innendurchmesser IE internationale Einheit IHSS idiopathische hypertrophe Subaortenstenose Ind Indikation IPPV »intermittent positive pressure ventilation« (kontrollierte Beatmung) IRDS »infant respiratory distress syndrome« IRV inspiratorisches Reservevolumen ITN Intubationsnarkose IVRA intravenöse Regionalanästhesie IVRSB intravenöse regionale Sympathikusblockade KG Körpergewicht KH Kohlenhydrate KHK koronare Herzerkrankung KI Kurzinfusion KI Kontraindikation KOD kolloidosmotischer Druck KOF Körperoberfläche KS Kopfschmerz KUSS kindlicher Unbehagen- und Schmerz-Score (zur Schmerzmessung) LA Lokalanästhetikum (Lokalanästhetika) LAP linker Vorhofdruck LCT »long chain triglycerides« (langkettige Triglyzeride) LE Lungenembolie

XIII Erläuterung einiger Abkürzungen

LTMNozizeptor LVEDP LVEDV LVEF LVF LVP LVSWI MAC MAP MCS MCT MEP MER MG MM MMEF MODS MOV MPAP MR MRSA MRSE MS MSSA MTX N2 N2O NARI

NCA ndMR NLA NLG NMB NMDA NMH NMM NO NRS

Low-threshold-mechanoreceptiveNozizeptor linksventrikulärer enddiastolischer Druck linksventrikuläres enddiastolisches Volumen linksventrikuläre Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) linksventrikuläre Pumpfunktion linker Ventrikeldruck linksventrikulärer Schlagarbeitsindex minimale alveoläre Konzentration mittlerer arterieller Druck Motorkortexstimulation »middle chain triglycerides« (mittelkettige Triglyzeride) motorisch evozierte Potenziale Muskeleigenreflex Molekulargewicht Muttermund maximaler mittlerer exspiratorischer Flow »multiple organ dysfunction syndrome« Multiorganversagen mittlerer Pulmonalarteriendruck Muskelrelaxanzien methicillinresistenter Staphylococcus aurens methicilinresistenter Staphylococcus epidermidis Magensonde methicillinempfindlicher Staphylococcus aurens Methotrexat Stickstoff Stickoxidul (Lachgas) »selective noradrenalin re-uptake inhibitors (selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer) »nurse controlled analgesia« nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien Neuroleptanästhesie Nervenleitgeschwindigkeit neuromuskuläre Blockade N-Methyl-D-Aspartat niedermolekulares Heparin neuromuskuläres Monitoring Stickstoffmonoxid numerische Ratingskala (zur Schmerzmessung)

NSAID NSAR NTPL NW NYHA O2 OTFC P p p.o. PAF PAK pAO2 paO2 PAP pAVK PC PCA PCEA PCEA PCEA PCIA pCO2 PCWP PDA PDK PEEP PEG PET petCO2 Pha pHi PNP PONV ppm psO2 PTC PTT PTZ pvO2 PVR

»nonsteroidal anti-inflammatory drugs« (nichtsteroidale Antiphlogistika) Nichtsteroidale Antirheumatika Nierentransplantation Nebenwirkung New York Heart Association Sauerstoff oral-transmukosales Fentanylcitrat Druck Partialdruck per os plättchenaktivierender Faktor Pulmonalarterienkatheter alveolärer O2-Partialdruck arterieller O2-Partialdruck Pulmonalarteriendruck Periphere arterielle Verschlusskrankheit zz Kap. 5 »patient-controlled analgesia« (patientenkontrollierte Analgesie) Patientenkontrollierte epidurale Analgesie »patient-controlled epidural analgesia« patientenkontrollierte Epiduralanalgesie patientenkontrollierte intravenöse Analgesie CO2-Partialdruck Pulmonalkapillardruck = Wedgemitteldruck Periduralanästhesie Periduralkatheter »positive endexpiratory pressure« (positiver endexspiratorischer Druck) perkutane endoskopische Gastrostomie Positronen-Emissions-Tomographie endexspiratorischer CO2-Partialdruck Pharmakologie intramukosaler pH-Wert Polyneuropathie »postoperative nausea and vomitting« (postoperative Übelkeit und Erbrechen) »parts per million« = ml/m3 partielle oder funktionelle Sauerstoffsättigung »post tetanic count« (posttetanische Zahl) partielle Thromboplastinzeit Thrombinzeit gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruck pulmonaler Gefäßwiderstand

XIV

PZN QL Qs/Qt R RAP RBF RQ RR RV RVEF RVP RVSWI RWBS RZ SaO2 SCS SEP SHT SI SIP SIRS SMP SNRI

SO2 SPA SSEP SSRI

SSRI SSW SV SVES SvjO2 SVR TAA TAAA TAT TCA TE TEE

Erläuterung einiger Abkürzungen

Postzosterneuralgie Lungenperfusion intrapulmonaler Shunt Resistance (Atemwegswiderstand) rechter Vorhofdruck renaler Blutfluss respiratorischer Quotient systemarterieller Blutdruck (nach Riva-Rocci) Residualvolumen rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) rechter Ventrikeldruck rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex regionale Wandbewegungsstörungen Reptilasezeit fraktionelle arterielle Sauerstoffsättigung »spinal cord stimulation« somatisch evozierte Potenziale Schädel-Hirn-Trauma Schlagvolumenindex »sympathetically independent pain« (sympathisch unabhängiger Schmerz) »systemic inflammatoric response syndrome« »sympatically maintained pain« (sympathisch unterhaltener Schmerz) »serotonine noradrenaline re-uptake inhibitors« (Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer) fraktionelle Sauerstoffsättigung Spinalanästhesie somatosensorisch evozierte Potenziale »selective serotonine re-uptake inhibiotors« (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) Serotoninreuptakeremmer Schwangerschaftswoche Schlagvolumen supraventrikuläre Extrasystole(n) jugularvenöse Sauerstoffsättigung systemischer Gefäßwiderstand thorakales Aortenaneurysma thorakoabdominelles Aortenaneurysma Thrombin-Antithromin-III-Komplex trizyklische Antidepressiva Tonsillektomie transösophageale Echo(kardio)graphie

TEG TENS TFA TG THAM TIVA TK TLA TLC TM TOF TRALI TUR-Blase TURProstata TZA UBF UFH URS VA VA/Q VAS VC VCO2 VD VES VK . VO2 VRS VT VT VVBP vWF WM WW ZVD

Thrombelastogramm transkutane elektrische Nervenstimulation Trifluoracetylchlorid Triglyzeride Tris-Hydroxy-Aminomethan totale intravenöse Anästhesie Thrombozytenkonzentrat therapeutische Lokalanästhetikumapplikation totale Lungenkapazität Tendomyopathie »train-of-four« »transfusion-related acute lung injury« transurethrale Elektroresektion der Blase transurethrale Elektroresektion der Prostata trizyklische Antidepressiva uteriner Blutfluss normales (unfraktioniertes) Heparin Ureterorenoskopie alveoläre Ventilation Ventilations-Perfusions-Verhältnis visuelle Analogskala (zur Schmerzmessung) Vitalkapazität CO2-Produktion Totraumvolumen ventrikuläre Extrasystole(n) Verteilungskoeffizient Sauerstoffaufnahme (Sauerstoffverbrauch) »verbal rating scale« (zur Schmerzmessung) Tidalvolumen (Atemzugvolumen) ventrikuläre Tachykardie venovenöse Biopumpe (Bypass) von-Willebrand-Faktor Wirkmechanismus Wechselwirkung zentraler Venendruck

A

A

Allgemeiner Teil

1

Definitionen und physiologische Grundlagen – 3

2

Pharmakotherapie

3

Opioidtherapie bei Nieren- und Leberinsuffizienz – 47

4

Invasive Schmerztherapie

5

Akute/postoperative Schmerztherapie

6

Stimulationsverfahren

– 11

– 49

– 89

– 63

1 Definitionen und physiologische Grundlagen

Definition Die Definition für »Schmerz« nach der International Association for the Study of Pain (IASP 1986) lautet: Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.

Akuter Schmerz hat als Warnsystem eine physi-

ologisch sinnvolle lebenserhaltende Funktion, da er schmerzvermeidendes bzw. heilungsförderndes Verhalten auslöst. Der akute Schmerz wurde bereits von Homer in der Ilias als »bellender Wachhund der Gesundheit« beschrieben. Chronischer Schmerz besitzt keine physiologische Bedeutung. Er hat nicht nur seine Warnfunktion verloren, sondern schädigt den Körper

im Sinne einer eigenständigen Schmerzkrankheit (⊡ Abb. 1.1).

Schmerzbegriffe ▬ Allodynie (statisch/dynamisch auf Berührung oder auf Kälte/Wärme): Ein gewöhnlich nicht schmerzhafter Reiz löst eine Schmerzempfindung aus, z. B. wird ein Pinselstrich bei der Postzosterneuralgie im entsprechenden Dermatom als schmerzhafte Berührung empfunden ▬ Anaesthesia dolorosa: Schmerzen in einem anästhetischen Hautareal, dessen Nervenversorgung unterbrochen worden ist (erkrankungs-, verletzungs- oder behandlungsbedingt) ▬ Analgesie: Fehlende Schmerzempfindung auf einen normalerweise schmerzhaften Reiz

⊡ Abb. 1.1. Biologische Bedeutung des Schmerzes

4

1

Kapitel 1 · Definitionen und physiologische Grundlagen

▬ Anästhesie: Hier Empfindungslosigkeit eines Hautareals, Steigerung der Hypästhesie, der Empfindungsminderung ▬ »Complex Regional Pain Syndrome« (CRPS): Das CRPS kann kausal vom sympathischen Nervensystem unterhalten werden (»sympathetically maintanined pain«, SMP) oder vom sympathischen Nervensystem unabhängig sein (»sympathetically independent pain«, SIP) ▬ Deafferenzierungsschmerz: Nach kompletter Durchtrennung eines Nervs oder einer Nervenwurzel auftretende sensible und motorische Störungen, begleitet von Hyperalgesie, Allodynie und Dysästhesie ▬ Dysästhesie: Abnorme unangenehme Empfindung spontan oder auf einen Berührungsreiz hin; z. B. wird ein Pinselstrich als unangenehme Berührung empfunden ▬ Hypalgesie: Herabgesetzte Schmerzempfindung auf einen Schmerzreiz, erhöhte Schmerzschwelle ▬ Hyperalgesie: Übermäßig starke Schmerzempfindung auf einen Schmerzreiz, erniedrigte Schmerzschwelle ▬ Neuralgie: Schmerzen im Innnervationsgebiet eines Nervs oder eines Nervenplexus, häufig mit der Qualität blitzartig einschießend (= neuralgiform oder besser lanzinierend) ▬ Neuropathischer Schmerz: Schmerz, ausgelöst durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im peripheren oder zentralen Nervensystem, s. zentraler Schmerz ▬ Noxe: Reiz, der in der Lage ist, Gewebe zu schädigen oder zu verletzen ▬ Nozizeptiver Schmerz: Schmerz, ausgelöst an Nozizeptoren durch einen noxischen Stimulus ▬ Nozizeptor: Freie Nervenendigung, die normalerweise eine hohe Erregungsschwelle besitzt und daher nur durch noxische Reize erregt werden kann ▬ Parästhesie: Abnorme, nicht unangenehme Empfindung spontan oder auf einen Berührungsreiz hin;

z. B. wird ein Pinselstrich als »Ameisenlaufen« empfunden ▬ Präemptive Analgesie/präventive Analgesie (vorbeugende Analgesie): Erstmals 1992 klinisch vorgestelltes Konzept der Analgetikagabe vor dem Auftreten von Schmerzreizen. Grundlage sind Erkenntnisse über die periphere und zentrale Sensibilisierung (s. unten), die zum akuten postoperativen Schmerz beitragen und zur Chronifizierung postoperativer Schmerzen führen. Voraussetzung für die präventive Analgesie ist die Analgetikagabe nicht nur prä- und intraoperativ, sondern auch postoperativ bis zum Abklingen der akuten Schmerzen meist zwischen dem 3. und 6. postoperativen Tag. So kann das Schmerzleitungssystem präventiv vor übermäßiger nozizeptiver Aktivierung geschützt werden, daher auch: protektive Analgesie ▬ Projizierter Schmerz: Schmerz im Versorgungsgebiet eines Nervs nach dessen mechanischer Reizung; z. B. Schmerz im kleinen Finger nach Druck auf den N. ulnaris ▬ Pseudoradikulärer Schmerz: Peripher ausstrahlender, meist diffuser, dumpf ziehender Schmerz meist muskuloskelettalen Ursprungs, keine Hypästhesie oder Analgesie, eher Dysästhesie und Muskeltonusveränderungen; z. B. Koxarthrose mit Schmerzausstrahlung am ventralen Oberschenkel bis zum Knie ▬ Radikulärer Schmerz: Durch Reizung oder Schädigung eines Nervs oder einer Nervenwurzel bedingter segmental orientierter Schmerz mit Hyp- oder Anästhesie im entsprechenden Dermatom und Paresen oder Plegien im Bereich der Kennmuskeln des Nervs; z. B. Schmerzen entlang des lateralen Ober- und Unterschenkels mit Fußsenkerschwäche bei Druck auf die Nervenwurzel S1 ▬ Schmerzgedächtnis: Erhöhte Empfindlichkeit des nozizeptiven Systems, die durch Schmerzreize wie z. B. Entzündungen, Traumata oder operative Eingriffe ausgelöst wurde und diese überdauert ▬ Sensibilisierung: Funktionsveränderung nozizeptiver Neurone, klinisch als Allodynie, Hyperalgesie und/oder Spontanschmerz auftretend. Periphere Sensi-

5 Schmerzleitung

bilisierung durch Neurone des peripheren Nervensystems oder zentrale Sensibilisierung durch Neurone des zentralen Nervensystems ▬ Übertragener Schmerz: Fehlerhafte Lokalisation eines viszeralen Schmerzes in ein bestimmtes Dermatom aufgrund der segmentalen Verschaltung der viszeralen und kutanen Afferenzen im Hinterhorn auf die gleiche Neuronenpopulation; z. B. Schmerzen im linken Arm bei Herzinfarkt ▬ Zentraler Schmerz: Schmerz, ausgelöst durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im zentralen Nervensystem; z. B. halbseitige Allodynie nach Thalamusblutung ▬ CRPS Typ 1 (früher: sympathische Reflexdystrophie, M. Sudek): ▬ CRPS Typ 2 (früher: Kausalgie): Schmerzsyndrom mit obligatem Nachweis einer Nervenläsion Für beide Formen gilt: mit Latenz auftretende brennende Schmerzen, Allodynie, Dysästhesie, Hyperalgesie, Ödem, trophische Störungen der Haut, Störung der Vaso- und Sudomotorik. Schmerzsyndrom nach (Bagatell-)trauma der oberen oder unteren Extremität ohne offensichtliche Nervenläsion

1

aktiviert werden und primär eine hohe Entladungsfrequenz aufweisen – »Stumme« oder »schlafende« Nozizeptoren, die erst nach vorausgegangener Sensibilisierung, z. B. im Rahmen von Entzündungen, durch eine Noxe erregt werden

Nozizeptoraktivierung Beispiele für direkte Aktivierung von Nozizeptoren (⊡ Abb. 1.3) über ▬ Vanilloidrezeptor (VR1): nichtselektiver Kationenkanal, wird durch die Anlagerung von Capsaicin (roter Pfeffer) oder andere Vanilloide geöffnet ▬ Tetrodotoxin- (TTX) resistenter Natriumkanal: befinden sich nur auf Nozizeptoren, deren Anzahl ist unter pathologischen Bedingungen gesteigert Beispiele für indirekte Sensibilisierung von Nozizeptoren (⊡ Abb. 1.3) durch ▬ Prostaglandin über EP3-Rezeptor ▬ Bradykinin über B2-Rezeptor ▬ Serotonin über 5HT-Rezeptoren ▬ Protonen erregen Nozizeptoren direkt und anhaltend

Nozizeptortypen Schmerzleitung ▬ Einteilung nach Reizqualität – Mechanonozizeptor: Spricht praktisch nur auf starke mechanische Reize an – Thermonozizeptor – Polymodaler Nozizeptor: Ansprechen des Nozizeptors auf mechanische, thermische und chemische Reize ▬ Einteilung nach Reizschwelle – Niederschwellige Nozizeptoren, so genannte LTM- (»low-threshold mechanoreceptive«) Nozizeptoren, die durch nichtnoxische und noxische Reize aktiviert werden und über einen weiten Bereich eine zur Reizintensität lineare Entladungsfrequenz aufweisen – Hochschwellige Nozizeptoren, so genannte HTM- (»high-threshold mechanoreceptive«) Nozizeptoren, die durch bestimmte Noxen

Weiterleitung der Schmerzempfindung von der Peripherie ins Hinterhorn des Rückenmarks über ▬ myelinhaltige A-Fasern (gute Schmerzlokalisation, scharfe, stechende Schmerzqualität), 10–25 m/s Leitungsgeschwindigkeit, 1–4 µm Durchmesser ▬ unmyelinisierte C-Fasern (schlecht lokalisierbare, anhaltende, dumpfe Schmerzqualität), 0,5–2 m/s Leitungsgeschwindigkeit, 90%) ▬ Anreicherung in Leber, Milz, Blut und Knochenmark sowie im sauren und entzündlich veränderten Gewebe Kontratindikation

▬ Niereninsuffizienz mit Kreatininclearance 7) ▬ Ulkusanamnese ▬ Bestehende Blutungsgefahr ▬ Kein ASS bei Kindern unter 12 Jahren! ! Cave: ▬ Vorsicht bei der Kombination von NSAR mit ACE-Hemmern, oralen Antikoagulanzien, Heparinen oder Chemotherapie mit Methotrexat.

12

Kapitel 2 · Pharmakotherapie

▬ Besonders hohes Komplikationsrisiko unter

2

NSAR ( Übersicht). Das ulzerogene Risiko ist unter NSAR 4- bis 5-fach, in Kombination mit Kortikoiden sogar 15-fach erhöht!

▬ Vorwiegend fiebersenkend, nicht antiphlogistisch ▬ Metamizol wirkt auch spasmolytisch

Nichtopioidanalgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung ▬ Flupirtin und Nefopam

Komplikationriskio unter NSAR ▬ Gastrointestinale Komplikationen: – >65/70 Jahre – Bekannte Ulkuskrankheit – Gastrointestinale Blutungen in der Anamnese – Kortikosteroidtherapie ▬ Störungen der Nierenfunktion: – >65/70 Jahre – Vorbestehende Nierenerkrankung – Arterielle Hypertonie – Herzinsuffizienz – Komedikation mit Diuretika oder ACE-Hemmern – Flüssigkeitsdefizit

Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Coxibe) Die Nebenwirkungen der NSAR führten zur Entwicklung der selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmer, da hierdurch die magenschleimhautschützende Prostaglandin-E-Synthese (über Cyclooxygenase-I) nicht gehemmt wird. Indikationen

▬ Vor allem bei Patienten mit anamnestisch erhöhtem Komplikationsrisiko wie z. B. Ulkusanamnese (Reduktion der gastrointestinalen Komplikationsrate bei Langzeiteinnahme um 50% im Vergleich zu NSAR) ▬ Reaktive Arthrose, rheumatoide Arthritis (nur Celebrex)

! Zur Ulkusprophylaxe während der Verordnung von NSAR sollten Protonenblocker Omeprazol (Antra 20 mg/Tag), Lansoprazol (Lanzor oder Agopton 15–30 mg/Tag) oder Misoprostol (Cytotec 4-mal 200 µg/Tag; maximal 800 µg/Tag) verordnet werden. Die Verordnung von H2-Blockern (z. B. Ranitidin) und anderer Antazida wie Sucralfat ist ineffektiv!

Nicht saure antipyretische Analgetika Diese untergliedern sich in: ▬ P-Aminophenole bzw. Aniline (Paracetamol) ▬ Nicht saure Pyrazolone (Metamizol, Phenazon, Propyphenazon) Indikation

▬ Leichte Schmerzzustände bzw. kolikartige Schmerzen, Fieber Wirkmechanismus

▬ Hemmung der zentralen Prostaglandinsynthese im Rückenmark und im Hypothalamus, in hohen Dosen Hemmung der Prostaglandinfreisetzung

Kontraindikationen

▬ GI-Blutung, aktive peptische Ulzera Wirkungmechanismus

▬ Selektive (d. h. >100-fach stärkere Hemmung der COX 2 als der COX 1), zeitabhängige Hemmung der Cyclooxygenase 2 ▬ Cyclooxygenase 2 wird unter physiologischen Bedingungen (konstitutiv) in Monozyten/ Makrophagen, Endothelzellen, Osteoblasten, Chondrozyten exprimiert und kann in Gehirn, Niere, Rückenmark und Sexualorganen nachgewiesen werden. Die COX 2 wird durch Glukokortikoide und antiinflammatorische Zytokine (Il-4, IL-10, IL-13) gehemmt und durch TNF-α, IL-1, Mitogene und Wachstumsfaktoren induziert. ▬ Vorteil: Keine Hemmung der Thrombozytenaggregation (rückenmarknahe Anästhesieverfahren sind unter Therapie mit COX-2-Hemmern durchführbar).

2

13 Medikamente

▬ klinisch gesicherte koronare Herzkrankheit ▬ klinisch gesicherte zerebrovaskuläre Erkrankung ▬ Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II–IV) ▬ postoperative Schmerztherapie nach koronarer Bypassoperation (Parecoxib) ▬ unkontrollierter Hypertonus (nur Etoricoxib) ▬ erhebliche kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. Hypertonus, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) ▬ periphere arterielle Verschlusskrankheit ▬ Alter 30 mg Sevredol/Tag notwendig, Dosisanpassung auf Durogesic 50 µg/h

! Die Morphinäquivalenzdosis (⊡ Tabelle 2.6) ist definitonsgemäß die Dosis eines Opioids, angegeben in Milligramm, die intramuskulär verabreicht, der Wirkstärke von 1 mg Morphin intramuskulär entspricht. Oral verabreicht variieren die Äquivalenzdosen entsprechend der oralen Bioverfügbarkeit der jeweiligen Opioide.

Verordnung von BtM Auszug aus der BtMV (Betäubungsmittel-Verordnung):

⊡ Abb. 2.2a, b. Bioverfügbarkeit von oral appliziertem Fentanyl

Allgemein unterliegen die Äquivalenzdosen sehr großen individuellen Schwankungen, sodass diese nur als grobe Orientierung dienen dürfen. Die Umstellung auf ein anderes Opioid (Opioidrotating) bleibt dem erfahrenen Anwender von Opioiden vorbehalten. Jede Opioidumstellung beinhaltet die nicht sicher auszuschließende Gefahr der Überdosierung (Ateminsuffizienz) bzw. der Unterdosierung (Schmerzzunahme). Prinzipiell sollten nur 50% der errechneten Äquivalenzmenge am 1. Tag der Umstellung verordnet werden (⊡ Tabelle 2.5). Die zweiten 50% sollten als Bedarfsmedikation eingenommen werden. Am 2. Tag erfolgt die Therapiekontrolle des Opioidrotating mit evtl. durchzuführender Dosierungsanpassung.

In begründeten Einzelfällen und unter Wahrung der erforderlichen Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs darf der Arzt für einen Patienten, der in seiner Dauerbehandlung steht, von den Vorschriften des Absatzes 1 hinsichtlich 1. des Zeitraums der Verschreibung, 2. der Zahl der verschriebenen Betäubungsmittel und 3. der festgesetzten Höchstmengen (⊡ Tabelle 2.7) abweichen. Eine solche Verschreibung ist mit dem Buchstaben A zu kennzeichnen.

Nebenwirkungen von Opioiden bei chronischer Schmerztherapie

Weitere Details sind in  Kap. 8 (im Hinblick auf Tumorschmerz) und  Kap. 14 (im Hinblick auf Palliativmedizin) dargestellt. ▬ Übelkeit und Erbrechen (ca. 20%) ▬ Chronische Obstipation bis zu 100% (keine Toleranz); Gabe von Laxanzien bei chronischer Tumorschmerztherapie obligat

2

33 Medikamente

▬ Sedierung (initial bis zu 20%) ▬ Verwirrtheit (ca. 2%) und Halluzinationen (bis zu 1%), dann Dosisreduktion und Opioidwechsel, langsame Dosiserhöhung

⊡ Tabelle 2.7. Übersicht über die Betäubungsmittelhöchstmengen (Auszug) Medikament

Höchstmenge

Methadon

3.000 mg

⊡ Tabelle 2.5. Empfohlene Umrechnungsfaktoren bei Opioidwechsel

Methylphenidat

1.500 mg

Modafinil

12.000 mg

Vorheriges Opioid

Faktor

Nachfolgendes Opioid

Morphin

20.000 mg

Morphin p.o.

0,5

Oxycodon p.o.

Opium, eingestelltes

4.000 mg

0,13

Hydromorphon p.o.

Opiumextrakt

2.000 mg

0,01

Fentanyl transdermal

Opiumtinktur

40.000 mg

Oxycodon

15.000 mg

Pentazocin

15.000 mg

p.o.a

0,3

L-Methadon

Oxycodon p.o.

1–2

Morphin p.o.

Hydromorphon p.o.

7,5

Pethidin

10.000 mg

Fentanyl transdermal

100

Phenmetrazin

600 mg

Buprenorphin s.l.

40

Piritramid

6.000 mg

L-Methadon p.o.

(3)

Tilidin

18.000 mg

a

Beginn mit 10% der oralen Morphintagesdosis als Einzeldosis, jedoch nicht mehr als 6 mg, alle 3 h wiederholbar.

⊡ Tabelle 2.6. Umrechnungstabelle der Dosisäquivalenzen bei Opioidwechsel Substanz

Dosisäquivalenz im Vergleich zu Morphin

10 mg Morphin i.m. entsprechen

Bioverfügbarkeit [%]

Verhältnis oral : parenteral

Morphinsulfat (Sevredol)

30 mg p.o.

30

1:0,3

Morphin ret. (MS) (MST continuus)

30 mg p.o.

30

1:3

Buprenorphin (Temgesic)

60-fach

0,2 mg s.l.; 0,15 mg i.m.

50

1:0,5

Piritramid (Dipidolor)

0,75-fach

7,5 i.v.





Methadon

1,5- bis 2-fach

20 mg p.o.

80

1:0,8

Levomathadon (L-Polamidon)

3- bis 4-fach

10 mg p.o.

80

1:0,8

Hydromorphon (Palladon)

7- bis 8-fach

2–4 mg p.o.

50

1:0,5

Hydromorphon (Dilaudid)

7- bis 8-fach

1–2 mg p.o.





Oxycodon (Oxygesic)

1,5- bis 2-fach

15 mg p.o.

80

1:0,8

34

2

Kapitel 2 · Pharmakotherapie

▬ Schwitzen: Anticholinergika (Neuroleptika, Antidepressiva), Antihyperhydrotikum (Salbeitee, Tbl., Ganzköperwaschung: 2 Essl. Salbei auf 4–5 l Wasser) ▬ Harnverhalt: Absetzen von anticholinerg wirkenden Substanzen, Carbachol 2 mg p.o. oder 0,25 mg s.c., ggf. Opioidrotating Therapie-/Prophylaxemöglichkeiten der Opiatnebenwirkungen Antiemetika Bei Übelkeit Gabe von Antiemetika, z. B.: ▬ Metoclopramid (MCP ratiopharm, Paspertin):

▬ ▬ ▬



▬ ▬

3- bis 6-mal 20–30 Gtt. vor der Opioideinnahme Domperidon (Motilium): 3- bis 4-mal 20 mg p.o. Haloperidol (Haloperidol ratiopharm Tropfen, Haldol Janssen): 3-mal 0,5–1 mg (5–10 Gtt.) vor dem Essen bzw. 0,5–2,5 mg alle 8–12 h Cyclizine (Marzine/Valoid) über die internationale Apotheke (Wellcome Österreich): 3-mal 50 mg plus Metoclopramid (Paspertin) 3-mal 20 Gtt. (wirkt antagonistisch am muskarinergen ACH-Rezeptor und am H1-Rezeptor im Brechzentrum) – Wirkmechanismus Antidopaminerge Wirkung Dimenhydrinat (Vomex Supp. 150 mg): Jugendliche ab 14 Jahre und Erwachsene 1- bis 3-mal 1 Supp. pro Tag oder notfalls unter stationären Bedingungen 1 Amp (=62 mg) i.v. – Nebenwirkungen Leicht sedierend, extrapyramidale Dyskinesien, irreversible Spätdyskinesien, Parkinsonoidsyndrom Glukokortikoide: Dexamethason (Fortecortin) 2- bis 3-mal 4–8(-16) mg/Tag oder Prednison (Decortin) 3-mal 50–250 mg i.v. Marinol (Dronabinol): initial 2-mal 1 Kaps., durchschnittlich. 2- bis 3-mal 2,5 mg/Tag

Bei Erbrechen während der Tumorschmerztherapie und der Bestrahlung empfiehlt sich auch ein Therapieversuch mit Serotoninantagonisten: ▬ Tropisetron (Navoban): 1- bis 2-mal 5 mg p.o. ▬ Granisetron (Kevatril): 2- bis 3-mal 3 mg p.o. ▬ Alizaprid (Vergentan): 4-mal 50–200 mg p.o. bzw. i.m.

Bei therapierefraktärem Erbrechen Versuch mit: ▬ Promethazin (Atosil): 2- bis 3-mal 25 mg ▬ Triflupromazin (Psyquil): 2- bis 3-mal 10– 20 mg Obstipationstherapie/-prophylaxe mit Laxanzien Bei Obstipation Gabe von z. B.: ▬ Lactulose (Bifiteral): Granulat oder Sirup initi-

▬ ▬









al 3-mal 1 Essl., dann nach Stuhlkonsistenz und Frequenz – Kinder 3 Jahre 3-mal 5 ml initial Natriumpicosulfat (Laxoberal): 1–2 Tbl. bzw. 10–20 Gtt. (=5–10 mg) – Kinder ab dem 4. Lebensjahr 4–8 Gtt./Tag Macrogol 3350 (Movicol): biologisch inerte Substanz, deshalb kein Abbau im Darm, keine Resorption, keine Fermentation durch die Darmflora Wird nach Auflösung in 125 ml Wasser getrunken Bindung von Wasser Verhärtete Fäzes werden aufgeweicht – Erwachsene und Kinder ab dem 14. Lebensjahr initial 2- bis 3-mal 1 Beutel/Tag, dann 1 Beutel/Tag bzw. je nach Stuhlkonsistenz bis 3 Beutel/Tag Bisacodyl (Dulcolax): 1–2 Drg. (=5–10 mg) abends, Wirkungseintritt nach etwa 10 h; nüchtern eingenommen erfolgt der Wirkungseintritt nach etwa 5 h bzw. 1 Supp. (=10 mg) führt kurzfristig – nach 15–30 min – zu einer Entleerung des Darmes Trockenextrakt aus Alexandriner-Sennesfrüchten (Liquidepur N): – Ab dem 12. Lebensjahr 1 Teel./Tag abends; bei hartnäckiger Obstipation ausnahmsweise 3-mal 1 Teel./Tag Paraffin (Obstinol M): 1–2 Messbecher (=30– 60 ml) bei Bedarf, Gleitmittel – Nebenwirkungen Fremdkörpergranulome, Resorptionsstörungen von fettlöslichen Vitaminen, Gefahr der Aspirationspneumonie CO2-produzierende Suppositorien (Lecicarbon): 1 Supp.bei Bedarf

▬ Einlauf, Klysma

35 Medikamente

▬ Amidotrizoat (Gastrografin): 50–100 ml p.o., jodhaltiges Röntgenkontrastmittel (Ultima ratio!) ▬ Manuelles Ausräumen

Wirkmechanismus

! Neu: ▬ Naloxon (Narcanti) 10–30 mg/Tag p.o.

Indikationen

bei opioidinduzierter Obstipation oder ▬ Papaverin p.o. (keine Beeinfussung der Analgesie)

2

▬ Hemmung der Osteoklastenaktivität ▬ Hemmung der Knochenresorption sowie Reduktion der Osteoklastenanzahl

▬ Bewegungsabhängige Schmerzen bei Osteoporose ▬ Knochenmetastasen (osteolytisch), z. B. bei Mamma- oder Prostata-NPL Nebenwirkungen

! Cave: Agiolax, Liquidepur, Bekunis-Tee gelten als fraglich kanzerogen, gentoxisch.

▬ Gefahr des Nierenversagens bei zu schneller i.v.-Gabe (langsame Infusion: >2 h) Kontraindikationen

Laxanzien in der Opstipationstherapie/ -prophylaxe ▬ Laxanzien der 1. Wahl: – Antiresorptiv und hydragog wirkende Laxanzien: Natriumpicosulfat, Bisacodyl – Peristaltikfördernder Effekt am Plexus myentericus, Hemmung der Na+- und H2O-Resorption: Antragykoside ▬ Laxanzien der 2. Wahl: – Laxanzien mit Wirkung auf den Defäkationsreflex: Supp. zur Stuhlaufweichung (Glycerin) und Förderung der Peristaltik (Bisacodyl) oder Dehnung (Lecicarbon) – Osmotisch wirksame Laxanzien (Lactulose) ▬ Stufenschema: 1. Laxoberal, evtl. Lactulose 2. Macrogol + Laxoberal 3. Macrogol + Laxoberal + Obstinol M 4. Macrogol + Laxoberal + Obstinol M + Lecicarbon-Supp./Klysma/Einlauf

▬ Kinder ▬ Ausgeprägte Niereninsuffizienz! Hinweis zur Präparateauflistung – * #

Nach Semek et al. (2001) Zulassung zur Osteoporosetherapie Zulassung bei Knochenmetastasen

Etidronsäure* ▬ Diphos, Etidronat

▬ Älteste Substanz – Dosierung 400 mg/Tag für 14 Tage; dann 10 Wochen Pause und nur 1000 mg Kalziumsubstitution/Tag 1 Filmtbl. = 200/400 mg Clodronsäure# ▬ Bonefos, Ostac – Dosierung

2 Filmtbl. (=1600 mg) oder 4 Kaps. (=1600 mg) p.o./Tag oder – Nebenwirkungen Diarrhö ▬ Anmerkung: Tendenziell weniger skelettale Komplikation bei metastasierendem Mammakarzinom.

Sonstige Substanzen Bisphosphonate Derzeit sind 8 verschiedene Substanzen auf dem deutschen Markt.

Pamidronsäure# ▬ Aredia – Indikation

Knochenmetastasen

36

2

Kapitel 2 · Pharmakotherapie

– Dosierung 15–90 mg, z. B. 15 mg/h in NaCl 0,9% über 4–6 h (Serumkalzium- und Phosphatkontrollen) alle 3 Wochen – Nebenwirkungen Temperaturerhöhung um 1–2°C.

Kortikosteroide (Steroidal AntiInflammatory Drugs) Substanzen

▬ Prednisolon (Decortin H) ▬ Dexamethason (Fortecortin) Wirkung

Ibandronsäure# ▬ Bondronat – Indikation

Knochenmetastasen – Dosierung 1-mal 2–6 mg in 500 ml NaCl 0,9% oder G5% i.v. über 2 h Maximal 6 mg/Tag alle 3 Wochen Alendronsäure* ▬ Fosamax – Indikation

Osteoporose, – Dosierung 10 mg (=1 Tbl./Tag). Tiludronsäure ▬ Skelid – Indikation

Nur für M. Paget – Dosierung 2 Tbl./Tag (= 400 mg/Tag) p.o.für 3 Mon. - Nebenwirkungen Schwindel, Kopfschmerz, Asthenie Zoledronsäure ▬ Zometa – Indikation

Zumorbedingte Hyperkalzämie – Dosierung 4 mg in 50 ml NaCl 0,9% über 15 min (ausreichende Hydratation) Risedronsäure ▬ Actonel – Indikation

Postmenopausale Osteoporose – Dosierung 1 Tbl./Tag (=5 mg); mindestens 30 min vor der erstmaligen Aufnahme von Nahrung

▬ ▬ ▬ ▬

Antiphlogistisch Antiödematös Appetitanregend (in niedriger Dosierung) Stimmungsaufhellend

Wirkmechanismus

Glukokortikoide führen neben einer Prostaglandinsynthesehemmung via Lipocortin zu einer Synthesehemmung proinflammatorischer, die COX 2 induzierender Zytokine sowie zu einer Unterdrückung der COX-2-Bildung im Entzündungsgewebe. Indikationen

▬ Leberkapselschmerzen, z. B. bei Metastasen ▬ Erhöhter intrakranieller Druck bzw. Kopfschmerz bei Hirnmetastasen ▬ Lymphödem oder generelle Entzündungsreaktionen ▬ Knochen- und Gelenkschmerzen ▬ Neuropathische Schmerzen bei tumorbedingter Nerven- und Rückenmarkkompression ▬ Lateraler Bandscheibenprolaps mit neuritischem Schmerz Dosierung

▬ Initial Stoßtherapie für 10–14 Tage: ▬ Prednisolon (Decortin H): – 40–80 mg/Tag – Anschließend Reduktion unter die CushingSchwelle 7,5–10 mg/Tag ▬ Dexamethason (Fortecortin): – Initiale Einzeldosis von 8–24 mg/Tag, dann z. B. 8–2–0 mg/Tag – Danach Reduktion unter Cushing-Schwelle 1–2 mg/Tag innerhalb von 1 Woche Nebenwirkungen

▬ Blutzucker- und Blutdruckanstieg ▬ Erhöhtes Thromboserisiko

37 Medikamente

Anmerkung: Möglichst unter der Cushing-Schwelle dosieren oder auf 10 Tage beschränken.

Spasmolytika ▬ Butylscopolamin (Buscopan) ▬ Butylscopolamin + Paracetamol (Buscopan plus) Wirkmechanismus

▬ Parasympatholytikum mit spasmolytischer Komponente sowie Sekretproduktionshemmung und Eindickung Indikation

▬ ▬ ▬ ▬

Schmerzen von Hohlorganen In der Palliativmedizin bei »Todesrasseln« Ileus Gesteigerte Sekretproduktion

Dosierung

▬ 10 mg i.v., i.m., s.c., rektal, p.o. ▬ 20–40 mg alle 4–6 h (maximal 100 mg/Tag) bei Todesrasseln Kontraindikationen

▬ Tachyarrhythmie ▬ Engwinkelglaukom Nebenwirkungen

▬ Siehe Anticholinergika (teilweise Enzyminduktion)

Calcitonin ▬ Karil: Lachscalcitonin – Indikationen Phantomschmerz (nicht bei Stumpfschmerz) CRPS I (leichtere Formen), maligne Plexusläsionen Schmerzhafte Querschnittsläsionen Osteoporose Knochenschmerzen infolge osteolytischer Knochenmetastasen Hyperkalziämie M. Paget – Dosierung 100–200 IE/Tag in 500 ml NaCl 0,9% über >2 h für 3–5 Tage Gegebenenfalls mit Antiemetikum kombiniert, evtl. Karil-Nasenspray 1 Hub/Tag

2

– Wirkmechanismus Direkte zentrale analgetische Wirkung durch Anhebung der Schmerzschwelle, wahrscheinlich durch Aktivierung der serotoninergen absteigenden Schmerzhemmsysteme – Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen (ggf. Ondansetron vor der Gabe), Flush mit Hautrötung, Hitzewallungen, Durchfall, Kopfschmerz, orthostatische Dysregulation Anmerkung: Lachscalcitonin scheint effektiver zu sein als humanes Calcitonin (Cibacalcin) und besitzt außerdem eine längere Halbwertszeit. Die subkutane oder nasale Applikation hat eine geringere Effektivität als die intravenöse Gabe.

α2-Agonisten Clonidin ▬ Catapresan – Indikationen

Adjuvanter Einsatz bei regionaler (rückenmarknaher) Analgesie Als Monotherapeutikum bei neuropathischem Schmerz und sympathisch vermittelten Schmerz (SMP) In Kombination mit Opioidanalgetikum – Dosierung 1- bis 2-mal 0,15 mg i.v. oder p.o. – Epidural (nur bei Normovolämie erlaubt): Bolusinjektion >5 µg/kgKG plus ggf. kontinuierlich 20–40 µg/h; Bolusinjektion in Kombination mit Opioid 50% ermöglicht (Schmerztagebuch führen lassen!). Zusätzlich zur Sympathikusblockade möglich ist die Guanethidinblockade. Bei technisch korrekt durchgeführter Sympathikusblockade kann ein Restschmerz bestehen bleiben. Dieser Anteil am Gesamtschmerz wird als »sympathisch nicht unterhaltener Schmerz« (SIP = »sympathetically independend pain«) bezeichnet.

!

▬ Verifizierung des Temperaturanstiegs in der betroffenen Körperregion zum sicheren Nachweis der Sympathikusblockade (ein Horner-Syndrom beweist z. B. bei einer Stellatumblockade nicht sicher die Blockade der sympathischen Fasern der oberen Extremität!). ▬ Erfahrung erforderlich, viele falsch positive und falsch negative Ergebnisse. ▬ Zum Ausschluss eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes sind meist 2 diagnostische Blockaden erforderlich!

110

Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz

7

⊡ Abb. 7.3. Algorithmus für die Diagnostik des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (»sympatically maintained pain«; SMP)

Guanethidinblockade

Sichere, aber aufwändige Methode zum Nachweis eines SMP ( Kap. 4). Guanethidin entleert die peripheren Noradrenalinspeicher. Nach initialer Schmerzverstärkung (Hinweis auf suffizient durchgeführte Blockade) kommt es zu einer deutlichen Schmerzreduktion bei sympathisch unterhaltenem Schmerz (SMP). ! Aus Sicherheitsgründen immer einen venösen Zugang an der nicht blockierten Extremität legen.

Therapie des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP)

Die interventionelle Therapie des SMP zeigen ⊡ Abb. 7.4 und ⊡ Tabelle 7.4. ▬ Medikamentöse Therapiemöglichkeiten – Antidepressiva – Antikonvulsiva – Capsaicin-Applikation – Lidocain-Infusionen

▬ Therapeutische Sympathikusblockaden Die therapeutischen Sympathikusblockaden sind detailliert dargestellt in  Kap. 4 (»Sympathikusblockaden«).

111 Spezielle Krankheitsbilder

7

⊡ Abb. 7.4. Algorithmus für die interventionelle Therapie des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (»sympatically maintained pain«; SMP)

⊡ Tabelle 7.4. Invasive Verfahren zur Beeinflussung des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP), so genannte Sympathikusblockaden Bezeichnung

Verfahren

Wirkort

Injektion von LA an den sympathischen Grenzstrang

Prä- und postganglionäre Blockade sympathischer Efferenzen

Injektion von niedrigdosiertem Buprenorphin an Ganglien mit sympathischen Fasern

Unbekannter Wirkort, keine efferente Blockade

Sympathektomie

Operative Entfernung oder medikamenöse Neurolyse der Grenzstrangganlien

Prä- und postganglionäre Ausschaltung sympathischer Efferenzen

Intravenöse regionale Sympathikolyse (IVRS)

Injektion eines NoradrenalinReuptake-Hemmers (Guanethidin) in die betroffene Extremität

Ausschließlich postganglionäre Blockade

Grenzstrangblockade

– zervikal: Stellatumblockade – lumbal: lumbale Sympathikusblockade

Ganglionäre lokale Opioidanlagesie (GLOA)

– am Ganglion cervicale superior – am Ganglion stellatum

8 Tumorschmerztherapie

Erwachsene »Tumorschmerz« per se existiert nicht! Tumorschmerz ist die Folge verschiedener Ursachen, wobei man die psychologischen und emotionalen Aspekte der Schmerzgenese immer berücksichtigen muss. Dies bedeutet, den Patienten und sein soziales Umfeld in die Therapie zu integrieren. Jeder Tumorschmerz verpflichtet zur Behandlung. Die Behandlung des Tumorschmerzes ist eine Notfallbehandlung. Etwa 50–80% aller Krebspatienten leiden im fortgeschritten Stadium an Schmerzen. Über 80% der Tumorpatienten kann durch eine effektive Schmerztherapie (= akzeptable Schmerzreduktion oder sogar Schmerzfreiheit) geholfen werden! Wichtige Fragen, die zu Beginn der Behandlung zu klären sind: ▬ Ist der Patient über seine Erkrankung adäquat aufgeklärt? ▬ Was sind die Therapieziele? ▬ Welche Erwartung stellt der Patient an seinen Therapeuten? ▬ Wie reagiert die Familie auf diese Erkrankung?

Grundregeln der Tumorschmerztherapie Unabdingbare Voraussetzung für die Tumorschmerztherapie ist die Eruierung der Ätiologie und der zugrunde liegenden Pathogenese des Schmerzes. Daher sollte eine Abklärung der Symptome vor der Behandlung erfolgen (aber: nicht um jeden Preis eine Diagnostik! Keine belastende

Diagnostik bzw. nur dann, wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben). Häufig haben bestimmte Schmerzarten ursächlich nichts mit dem Tumor zu tun (z. B. Migräne, Bandscheibenvorfall). Wenn möglich, kausale Therapie oder Therapie des auslösenden Pathomechanismus anstreben (Chemo-, Hormon- und Strahlentherapie, Radionuklidtherapie, palliative operative Eingriffe). Besprechen aller Behandlungsmöglichkeiten mit dem Patienten und der Familie. Ausnutzen aller nichtmedikamentösen Therapien wie z. B. physikalische Maßnahmen, Massagen, Physiotherapie, Wärme-/Kälteanwendungen. Symptomatische, medikamentöse Therapie mit langwirksamen Analgetika auf oralem Weg (»by the mouth«), nach festem Zeitschema (»by the clock«), gemäß dem WHO-Schema an die Schmerzsituation angepasst (»by the ladder«), mit zusätzlicher, schnellwirksamer Bedarfsmedikation bei »breakthrough pain«. Dabei ist auf größtmögliche Selbstbestimmung des Patienten achten. Vorsicht vor Umsetzung starrer Schemata oder Protokolle. Immer sind individuelle selbstbestimmte Therapie anzustreben. Prophylaktische Therapie von zu erwartenden medikamentösen Nebenwirkungen wie z. B. Übelkeit, Obstipation, Unruhe, Angst durch geeignete Adjuvanzien (Antiemetika, Laxanzien etc.). Regelmäßige Kontrolle des Analgesieniveaus bzw. des Therapieerfolgs und evtl. Dosisanpassung bei Ineffektivität bzw. unzureichener Analgesie. Ausarbeitung eines schriftlichen Therapieplans für Patient und Angehörige. Therapieoptionen immer abwägen. Wie groß ist der Nutzen, wie groß ist die Belastung für den Patienten?

114

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

Reaktive Depressionen folgen oder begleiten oft die Schmerzsymptomatik. Die Bewusstwerdung der Krankheit wird oft durch den Schmerz eingeleitet und emotionale Bewältigungspropleme oft durch Schmerzäußerungen ausgedrückt. Nicht die Änderung der Schmerzmedikation ist die notwendige Konsequenz, sondern das ausführliche, einfühlsame Gespräch mit dem Patienten. Erst wenn diese unterstützenden Gespräche erfolglos bleiben, können Anxiolytika und Antidepressiva eingesetzt werden. Durch adäquate Schmerztherapie kann nach Zech (1995) bei 76% der Patienten ein guter, bei 12% ein ausreichender und bei nur 12% ein unzureichender Erfolg erreicht werden!

Ätiologie des Tumorschmerzes

8

1. Tumorbedingte Schmerzen (60–90%) – Infiltration oder Kompression von Nervengewebe – Weichteilinfiltration – Knochenmetastasen – Tumornekrosen an Schleimhäuten mit Ulzerationen und Perforation – Ausbildung eines Hirnödems – Pathologische Frakturen – Obstruktion von Hohlorganen 2. Therapiebedingte Schmerzen (10–25%) – Schmerzen durch Folgen der Chemotherapie (Stomatitis, periphere Neuropathie, steroidbedingte Osteonekrose) – Schmerzen durch Folgen der Strahlentherapie (Osteoradionekrose, Myelopathie, Plexopathie) – Postchirurgische Schmerzsyndrome (Postmastektomiesyndrom, Postthorakotomiesyndrom, Stumpf- und Phantomschmerzen) 3. Tumorassoziierte Schmerzen (5–20%) – Myofasziale Schmerzen bedingt durch statische Fehlhaltung nach Osteolysen oder Bestrahlung – Pilzinfektionen – Postzosterneuralgie (infolge geschwächter Immunabwehr) – Paraneoplastische Syndrome (Arthralgien, M. Raynaud) – Venenthrombose und Dekubitusulzera

⊡ Abb. 8.1. Pathophysiologische Klassifikation der Schmerzursachen

4. Tumorunabhängige Schmerzen (3–10%) – Migräne, Spannungskopfschmerz – Trigeminusneuralgie – »Hexenschuss« – Arthritis etc. Die pathophysiologische Klassifikation der Schmerzursachen zeigt ⊡ Abb. 8.1.

Wesentliche Gründe für die Unterversorgung von Tumorpatienten ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬

Schmerzdiagnose unkorrekt Schmerzintensität unterschätzt Dosierungsintervall zu lang Dosierung zu niedrig Bevorzugung schwacher Opioide Angst vor Toleranz und Entzug Angst vor Abhängigkeit Unsicherheit im Umgang mit der BtMVV (Betäubungsmitterverordnung) ▬ Kein Koanalgetikum eingesetzt ▬ Spezielles Verfahren nicht bedacht

Pathogenese der Schmerzen ▬ ▬ ▬ ▬

Emotionale Schmerzen Nozizeptorschmerzen Neuropathische Schmerzen Paraneoplastische Schmerzphänomene

115 Erwachsene

Emotionale Schmerzen Nicht immer bedeutet die Äußerung von Schmerz eine zunehmende Gewebeschädigung oder Irritation des Nervensystems durch den Tumor. Oftmals drückt der Patient unbewusst seine Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber der Tumorerkrankung durch Schmerzäußerungen aus. Dies muss vom Schmerztherapeuten erkannt werden! Es ist leichter, wegen Schmerzen als vor Hilflosigkeit zu weinen. Es ist leichter, Pillen zu schlucken, als sich der Realität der finalen Erkrankung und all ihrer Auswirkungen zu stellen. Der Patient und sein soziales Umfeld benötigen dann maximale Unterstützung in der Bewältigung dieser Probleme (Seelsorger, Psychologe, Mensch). In diesen Fällen keine Dosiserhöhung von Opioiden, kein Präparatewechsel, kein Umsteigen auf eine höhere WHO-Stufe oder auf invasive Techniken. Diese Aspekte werden auch in einer WHOEmpfehlung (1990 Report of a WHO Expert Committee: cancer pain relief and palliative care) zur Tumorschmerztherapie besonders hervorgehoben: »Die Therapie anderer Symptome wie psychologischer, sozialer und seelischer Probleme ist von größter Bedeutung. Der Versuch, die Schmerzen zu therapieren, ohne sich den nichtphysischen Bedürfnissen der Patienten zuzuwenden, wird voraussichtlich zu Frustrationen führen und scheitern.«

8

bedingter Nervenkompression oder Nerveninfiltration. Durch Antikonvulsiva oftmals akzeptabel therapierbar. ▬ Sympathalgien Bei Mitbeteiligung des sympathischen autonomen Nervensystems kommt es zu sympathisch unterhaltenen Schmerzen (SMP = »sympatically maintained pain«), die mit Durchblutungsstörungen, Schweißneigung und trophischen Störungen einhergehen können. Indikation für Sympathicusblockaden. ▬ Deafferenzierungsschmerzen Werden Nerven oder Nervenwurzeln komplett durch Tumorinfiltration durchtrennt, treten Sensibilitätsstörungen und motorische Störungen auf. Gleichzeitig können Hyperalgie, Allodynie und Dysästhesien auftreten; dies ist bedingt durch den Ausfall von Aδ-Fasern, was den Ausfall des segmental schmerzhemmenden Systems bedeutet.

Paraneoplastische Schmerzphänomene Sie sind durch pathophysiologische Erkenntnisse allein nicht zu erklären. Angenommen wird eine zentrale oder humorale Ursache.

Diagnostik Nozizeptorschmerzen Nozizeptorschmerzen entstehen durch direkte Irritation der Nervenendigungen (Nozizeptoren) im Gewebe, durch mechanische, thermische oder chemische Reize. Sie sind durch den Einsatz von Nichtopioiden und Opioiden (WHO-Stufenschema) eigentlich immer beherrschbar.

Neuropathische Schmerzen Neuropathische Schmerzen entstehen durch unmittelbare Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems oder durch Deafferenzierung (z. B. Phantomschmerz). Sie sind oft nicht opioidsensibel und erforden den Einsatz von Koanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva). Gliederung in ▬ Neuralgiforme Schmerzen Brennende und einschießende Schmerzen in das betroffene Dermatom bei direkter tumor-

Grundlage der Tumorschmerztherapie ist eine gezielte Schmerzanamnese und Diagnostik. Ziel ist es, das aktuelle Tumorstadium zu erfassen (Knochenmetastasen, Harnstau usw.). Nur so können die Schmerzsymptome bzw. neue Schmerzereignisse der Tumorerkrankung ursächlich zugeordnet und kausal oder symptomatisch behandelt werden. Nach einer gezielten Untersuchung können Schmerzen nach ihrer Genese behandelt werden. Wichtigstes differenzialdiagnostisches Instrument ist dabei die exakte Schmerzanamnese, die Fragen nach Art, Dauer, Länge und Charakter des Schmerzes beinhaltet. Eine ausführliche Anamnese allein kann belastende Untersuchungen vermeiden. Es ist jedoch grob fahrlässig, bei Schmerzpatienten mit einer Tumoranamnese auf eine klärende bildgebende Diagnostik oder klärende Untersuchungen zu verzichten.

116

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

! In der Finalphase einer Tumorerkrankung sollte jedoch auf überflüssige belastende Diagnostik ohne therapeutische Konsequenz verzichtet werden. Spätestens in der Finalphase müssen reflexartig ablaufende Diagnosevorgänge kritisch hinterfragt werden.

Schmerztherapie Allgemeine Regeln

8

Man unterscheidet kausale und symptomatische Therapie. Zu den kausalen Therapien zählt die Chemo-/ Hormontherapie, die Operation, die Bestrahlung und die Radionuklidtherapie. Symptomatische Therapien beschränken sich auf die Linderung der Symptome. Um alle kausalen Therapieoptionen auszuschöpfen, ist ein umfangreiches Spezialwissen nötig. Hier wird deutlich, dass Tumorschmerztherapie eine interdisziplinäre Aufgabe darstellt. Bei 80% der Tumorpatienten ist die medikamentöse Therapie zur Linderung der Schmerzen ausreichend, wenn folgende Grundsätze berücksichtigt werden: ▬ Analgetika und Kotherapeutika nach festem Zeitschema anwenden.

⊡ Abb. 8.2. WHO-Stufenschema

▬ Die medikamentöse Therapie erfolgt nach dem WHO-Stufenschema (Stufe I–III; ⊡ Abb. 8.2). ▬ Immer eine Begleitmedikation wie Laxanzien und Antiemetika verordnen. ▬ Die Applikationsart muss individuell festgelegt werden. Die orale Medikation sollte bevorzugt werden; evtl. transdermale Applikation von Fentanyl oder Buprenophin. ▬ Zusatzmedikation für den Bedarfsfall einkalkulieren. ▬ Keine Analgetika mit gleichem pharmakologischem Wirkprinzip kombinieren. ▬ Aufklärung der Patienten und Angehörigen über Wirkungen und Nebenwirkungen. ▬ Anfertigung und Aushändigung eines Medikamentenplanes. ▬ Regelmäßige Therapiekontrolle (Schmerzreduktion und Nebenwirkungen).

WHO-Stufenschema ▬ Von der WHO im Jahre 1989 veröffentlicht. ▬ Prinzipiell sollte mit der niedrigsten Stufe begonnen werden, ggf. muss bei bereits initial starken Schmerzen auf einer höheren WHOStufe eingestiegen und somit einzelne Stufen übersprungen werden (⊡ Abb. 8.2).

117 Erwachsene

▬ Das WHO-Schema orientiert sich nur an der Schmerzstärke und nicht an der Schmerzätiologie. ▬ Koanalgetika sollten sehr früh und parallel eingesetzt werden. ▬ Nutzung aller Möglichkeiten der physikalischen Therapie für den Patienten. ! Die Anwendung physikalischer Therapien sowie der gezielte Einsatz von Begleitmedikation und Analgetika, eingebettet in eine ganzheitliche Patientenbetreuung, sind die tragenden Fundamente des WHO-Stufenschemas.

Viel zu oft werden die psychologischen und verhaltenstherapeutischen Möglichkeiten vernachlässigt. Die WHO weist in ihrem oben zitierten Artikel ausdrücklich darauf hin, dass erfolgreiche Schmerztherapie sich nicht nur um physische Schmerzen kümmert, sondern immer nichtphysische, emotionale, soziale, psychologische Aspekte mitbehandeln muss. Dies ist nicht Aufgabe von Spezialisten wie Psychologen und Seelsorgern, sondern die Aufgabe und der Auftrag an jede Berufsgruppe, die Tumorpatienten betreut. Wir müssen den Patienten in seiner Gesamtheit und in seiner komplexen Ausnahmesituation begreifen und betreuen. Dabei ist menschliche Zuwendung speziellem medizinischem Wissen gleichwertig. Anmerkung: Neuerdings werden invasive schmerztherapeutische Techniken auch einer neu definierten WHO-Stufe IV zugeordnet. Der offene, einfühlsame und ehrlich kommunikative Umgang mit dem Patienten, der auch eine »schlechte Nachricht« mit einschließt, ist langfristig bei der Betreuung des Tumorpatienten der aufrichtigere und bessere Weg und wird meist vom Patienten akzeptiert (sonst sekundär tiefe Depression und Vertrauensverlust beim Patienten). Gleiches gilt auch für die Angehörigen des Patienten.

Therapie

sind meist nicht durch Opioide oder Muskelrelaxanzien beeinflussbar. Hier helfen Wärmeanwendungen (»heiße Rolle«, warme Wickel, o. ä.) oder bei Lymphödemen eine Lymphdrainage und keine Diuretikatherapie. Psychoonkologische Betreuung

Spezielle Verarbeitungsstrategien, Visualisierungsübungen, Krisenintervention durch qualifiziertes Personal. Nichtmedikamentöse, adjuvante Tumorschmerztherapie

▬ Chemo- und Hormontherapie: Auch ohne morphologische Tumorregression oft guter analgetischer Effekt. ▬ Perkutane Radiatio: Nach 3 Wochen Eintritt des analgetischen Effektes, primär ggf. Schmerzzunahme durch Ödembildung. ▬ Radioisoptopengabe/Radionuklidtherapie: Üblicherweise mit Anwendung von Strontium89-Chlorid. Die Therapie hat eine Ansprechrate von bis zu 80%, evtl. initiale Schmerzzunahme (gutes Zeichen) mit Schmerzreduktion nach 3–4 Wochen, die ca. 6 Monate anhält, evtl. Wiederholung. ▬ Antibiotikatherapie: Bei superinfizierten Haut- und Weichteilmetastasen.

Medikamentöse Therapie Adjuvanzien und Kotherapeutika

Je nach Ursache der Schmerzen sollten gezielt Koanalgetika eingesetzt werden (oftmals kann nur durch den Einsatz dieser Medikamente eine adäquate Schmerzreduktion erzielt werden (z. B. bei neuropathischen Schmerzen). Zur Behandlung kommen Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antiarrhythmika und Clonidin ( Kapitel Pharmakotherapie). Biphosphonate und Kortison haben einen festen Platz in der Schmerztherapie von Knochenmetastasen ( Kap. 2 »Pharmakotherapie«).

Nichtmedikamentöse Therapie Physikalische Therapie

Myogelosen als Folge übertragener viszeraler Schmerzen oder als Folge primär ossärer Ursachen

8

Nichtopiod- und Opioidanalgetika WHO-Stufe I

118

8

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

WHO-Stufe I bei leichten Schmerzen (2–3) und schmerzbedingt eingeschränkte Nachtruhe sollten direkt Medikamente der WHO-Stufe III, d. h. hochpotente Opioide, zur Anwendung kommen (⊡ Tabelle 8.1 und 8.2). Morphin ist in der Therapie tumorbedingter Schmerzen das Medikament der Wahl (längste klinische Erfahrung und relativ preiswert). Es steht in allen (außer der transdermalen) Applikationsformen (oral, rektal, sondengerecht, parenteral, peridural, spinal, intrathekal) und in retardierter und nichtretardierter Form (als Sevredol 10/20 mg zur oralen Therapie) zur Verfügung. Anmerkung: Bei Therapieerfolg, d. h. VAS 0–2, kann man versuchen, abweichend von der Empfehlung der WHO, auf die peripheren Analgetika zu verzichten, um die Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe zu vermeiden. Sind in diesem Auslassversuch die Schmerzen mit Opioiden allein nicht beherrschbar, sollte das periphere Analgetikum wieder gegeben werden, die alternativ oft durchgeführte Dosissteigerung des Opioids ist dann oft nicht ausreichend. Insgesamt ist der Morphinverbrauch im internationalen Vergleich in Deutschland eher gering (⊡ Abb. 8.3).

119 Erwachsene

⊡ Tabelle 8.1. Übersicht über nichtretardierte Morphinpräparate mit kurzer Wirkdauer Applikationsweg

Präparate

Dosierung

oral

Morphin Merck Tropfen 0,5% Morphin Merck Tropfen 2% Sevredol 10, Sevredol 20

1 ml (16 Tr.) = 5 mg 1 ml (16 Tr.) = 20 mg Tabl. à 10 mg, 20 mg

rectal

MSR 10, 20, 30 Suppositorien

Supp. à 10, 20, 30 mg

subcutan, i.m., i.v.

MSI 10, MSI 20 Injektionslösung Morphin Merck 10 mg, 20 mg

1 ml à 10 mg, 20 mg

für Pumpen und Portsysteme

MSI 100, MSI 200 Amp. Morphin Merck 100 mg Amp.

5 ml à 100 mg 10 ml à 200 mg

⊡ Tabelle 8.2. Übersicht über retardierte Morphinpräparate mit langer Wirkdauer Applikationsweg

Präparate

Einnahmeintervall

Dosierung

oral

MST-Tbl. Morphin Merck Tetardtbl. Kapanol-Tbl.

8 bis 12 h

10, 30, 60, 100, 200 mg

8 bis 12 h 8 bis 12 h

10, 30, 60, 100 mg 10, 50, 100 mg

M-long-Retardkps. M-dolor-Retardkps. Capros-Kps. MST-Continus-Kps. MST-Retardgranulat (Trinksuspension)

8 bis 12 h 8 bis 12 h 8 bis 12 h 12 bis 24 h

10, 30, 60, 100 mg 10, 30, 60, 100 mg 10, 30, 60, 100, 200 mg 30, 60, 100, 200 mg Beutel à 20, 30, 60, 100, 200 mg

Sonde

⊡ Abb. 8.3. Morphinverbrauch im internationalen Vergleich

12 h

8

120

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

! Applikationsformen der Opioide

8

▬ Grundsätzlich ist die orale Applikationsform zu bevorzugen ▬ Umsteigen auf andere Applikationsart, wenn: – Orale Applikation nicht mehr möglich (anhaltendes Erbrechen, Tumor im Oropharynx, Ösophaguskarzinom; Dysphagien oder Passagestörungen, Mukositis, Aversion gegen Opioide) – Orale Applikation nicht mehr sinnvoll bzw. zuverlässig (hohe Dosis mit starken Nebenwirkungen, psychomimetische Veränderungen) – Nebenwirkungen der oralen Applikation (persistierende therapierefraktäre Übelkeit) – Alternativen sind folgende Applikationsformen: – Subkutan – Transkutan/Tagermal – Intravenös – Peridural – Intrathekal – Intraventrikulär

▬ Keine psychische Abhängigkeit (d. h. Sucht) durch starkwirksame Opioide bei Tumorpatienten.

▬ Keine Toleranzentwicklung gegenüber der analgetischen und obstipierenden Wirkung der Opioide, d. h. die oft notwendige Dosissteigerung ist meist durch Tumorprogression bedingt, und die Ileusprophylaxe muss dauerhaft eingenomen werden. Eine Toleranzentwicklung besteht jedoch bezüglich der sedierenden und atemdepressiven Wirkung der Opioide.

▬ Physische Abhängigkeit bei längerer Einnahme (>4–6Wochen) von Opioiden, darum langsame Dosisreduktion entsprechend der HWZ des eingesetzen Opioids: 10–20% Dosisreduktion pro 1–3 Tage.

Symptomatik des körperlichen Entzugs ▬ ▬ ▬ ▬ ▬

Motorische Unruhe, Schlafstörungen Psychische Agitiertheit Schwitzen, Gähnen Muskel- und Magenkrämpfe (später) Neurogenes Lungenödem (selten)

Therapie der Opiatnebenwirkungen Andere starkwirksame Opioide (⊡ Tabelle 8.3) ▬ Hydromorphon (Palladon) und Oxycodon (Oxygesic) verursachen weniger psychomimetische Nebenwirkungen und sind damit bei älteren Patienten von Vorteil. ▬ Fentanyl ist eine weitere Substanz, die in transdermal applizierbarer Form in verschiedenen Pflastergrößen zur Verfügung steht (Durogesic-SMAT von Jansen-Cilag, Generica von Ratiopharm, Hexal usw.). ▬ Buprenorphin ein weiteres hochpotentes Opioid, es ist als Temgesic oral und i.v. verfügbar und seit September 2001 transdermal als Transtec-Pflasters auf den Markt.

! Cave: Fentanyl-Generic-Pflaster sind zum Teil ohne Beschriftung, d. h. verbunden mit Dosisunsicherheit und Verwechslungsgefahr mit anderen transdermalen Therapiesystemen (z. B. Hormonpflaster).

Die Therapie der unter Opioiden auftretenden Nebenwirkungen zeigt ⊡ Tabelle 8.4. WHO-Stufe IV

Ein unter oraler medikamentöser Therapie refraktärer Tumorschmerz oder bei therapierefraktären Nebenwirkungen der Opioidtherapie sollte auf die WHO-Stufe IV übergegangen werden. Hierunter versteht man invasive(re) Techniken der Schmerztherapie. Am erfolgreichsten ist die parenterale Verabreichung von Opioiden, wobei der subkutane Weg den intravenösen Zugangsweg (über Port) abgelöst hat (kein Schmerzpatient braucht zur parenteralen Schmerztherapie einen Port). ! Morphin, Haloperidol, Metamizol und Metoclopramid können suffizient subkutan appliziert werden.

Weitere Methoden sind Applikation von Lokalanästhetika bei muskulärem Schmerztrigger, periphere

121 Erwachsene

8

⊡ Tabelle 8.3. Auswahl starkwirksamer Opioide Wirkstoff

Präparat

Darreichungsform

Applikationsweg

Dosierungsintervall

Äquipotenzdosierung

Buprenorphin

Temgesic

Amp. à 0,3 mg

s.c., i.m.

6–8 h

0,3 mg Temgesic i.v. =10 mg Morphin i.v.

Tbl. à 0,2 mg

i.v.

6–8 h

1 Tbl. Temgesic p.o. =10 mg Morphin p.o.

Forte-Tbl. à 0,4 mg

s.l.

Transtec

Pflaster à 35, 52,5, 70 µg/h

Transdermal

72 h

L-Polamidon

Tbl. à 2,5 mg

p.o.

6–8 h

5 mg L-Polamidon =10 mg Morphin p.o.

Levomethadon

1 Tbl. Forte =20 mg Morphin p.o.

Gtt.: 1 ml = 5 mg Oxycodon

Oxygesic

- Tbl. à 10, 20, 40 mg

p.o.

12 h

10 mg Oxycodon p.o. =20 mg Morphin p.o.

Hydromorphon

Palladon

Retardkaps. à 4, 8, 16, 24 mg

p.o.

12 h

7,5-fache Potenz im Vergleich zu Morphin

Dilaudid

Amp. à 2 mg

s.c., i.m.

Durogesic-SMAT

12, 25, 50, 75 und 100 µg/h

Transdermal

(48–) 60–72 h

90 mg Morphin oral =25µg/h; dann je weitere 60 mg Morphin plus 25 µg/h

Matrixpflaster von Ratiopharm

25, 50, 75 u. 100 µg/h

Transdermal

72 h

Wie Durogesic-SMAT

Matrixpflaster von Hexal

25, 50, 75 u. 100 µg/h

Transdermal

72 h

Wie Durogesic-SMAT

Membranpflaster von Hexal

25, 50, 75 u. 100 µg/h

Transdermal

72 h

Wie Durogesic-SMAT

Fentanyl

Regionalanästhesieverfahren, Sympathikusblockaden und die rückenmarknahe Applikation von Medikamenten wie z. B. Morphin, Clonidin, Baclofen. Anmerkung zur subkutanen Applikation

▬ Über spezielle subkutane Verweilkanülen oder normale subkutan positionierte, intravenöse Verweilkanülen oder »Butterflys«. ▬ Subkutane Applikation ist äquipotent zur intravenösen Applikation, d. h. Wechsel jederzeit möglich. (Anschlagzeit bei Bolusgabe verlängert, ca. 10–15 min). ▬ Einsatz von PCA-Systemen möglich; häusliche Versorgung meist unproblematisch; Bolus-

funktion bei Durchbruchschmerzen programmierbar. Eventuell gleichzeitige Applikation von Metamizol, Butyl-Scopolamin, Metoclopramid und/ oder Dexamethason. ▬ Intravenöse Applikation zu bevorzugen, wenn subkutane Resorption nicht sicher erfolgt (z. B. in lympahtisch gestauten Körperregionen) oder häufig lokale Infektionen an der Punktionsstelle auftreten. Eine Umrechnungstabelle verschiedener Opiode und unterschiedliche Applikationsmodi zeigt ⊡ Tabelle 8.5.

122

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

⊡ Tabelle 8.4. Therapie der Opiatnebenwirkungen Symptome

Differenzialdiagnose

Therapie

Sedierung

Sedierende Medikamente, Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Tumorprogredienz, Hirnmetastasen, Sepsis usw.

Reduktion der Opioiddosis, evtl. Änderung des Behandlungsintevalls, Arzneimittel überprüfen, Opioidwechsel

Verwirrtheit, Halluzinationen, Alpträume

Bei progredienter Tumorerkrankung zahlreiche Gründe für Verwirrtheit vorhanden (organisch, septisch, medikamentös, metabolisch, psychisch etc.)

Dosisreduktion bzw. Opioidwechsel, Nichtopioide, Neuroleptika (z. B. Haloperidol 2- bis 3-mal 1 mg), spinale Opioidapplikation selten erforderlich, da Symptome oft nachlassen

Die genannten Symptome treten nur selten unter Opioidtherapie auf (4 erforderlich. Mit steigender Punktzahl nimmt die Dringlichkeit zu.

Nichtmedikamentöse Therapie Schmerzursachen ▬ Schmerzhafte Eingriffe (Details zu postoperativer Schmerztherapie bei Kindern in  Kap. 5) ▬ Phantomschmerzen ▬ Mukositiden im Rahmen zytostatischer Therapien ▬ Tumorbedingte Schmerzen

Schmerzmesung Mindestens 2-mal täglich Schmerzmessung mit kindgerechten Schmerzmessskalen: ▬ KUSS = Kindliche Unbehagen und SchmerzSkala nach Büttner (geeignet zur Schmerzmessung bei Kindern von 0–4 Jahren sowie bei nonverbalen Patienten); ⊡ Tabelle 5.9, ▬ Die Smiley-Analogskala kann nach Bieri Kindern ab 2,5–4 jahren präsentiert werden ⊡ Abb. 8.4.

▬ Kinder mit Schmerzen brauchen Aufmerksamkeit, d. h. möglichst viel Zeit mit dem Kind verbringen; dadurch wird eine Schmerzeinschätzung auch besser möglich. ▬ Kindgerechte Informationen über den zu erwartenden spezifischen Schmerz mitteilen. Information auch an die Eltern. ▬ Kontroll- und Wahlmöglichkeiten dem Kind überlassen (z. B.: die Punktionsstelle bestimmt das Kind selbst, wer das Kind zur Lumbalpunktion festhalten darf, bestimmt das Kind selbst). ▬ Vorbereitung von Eltern und Kind auf schmerzhafte Eingriffe. ▬ Kindgerechte Umgebung. ▬ Alternative Therapie, z. B. Hypnose bei Lumbalpunktion

⊡ Abb. 8.4. Smiley-Analogskala (Aus Pioch [2005] Schmerzdokumentation in der Praxis. Springer, Heidelberg)

126

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

Medikamentöse Schmerzterapie Grundprinzipien

8

▬ Berücksichtigung des WHO-Stufenschemas. ▬ Ein frühzeitiges Umsteigen auch auf starke Opioide ist oft erforderlich weil – starke Schmerzen in der Kinderonkologie häufig sind, – Nebeneffekte der Nichtopioidanalgetika (Fibersupression und Gerinnungshemung) vermieden werden müssen. ▬ Bei Nebenwirkung der Opiode (Übelkeit, Obstipation) ist auch die Kombination von 2 Nichtopioidanalgetika möglich. ▬ Möglichst nichtinvasive Applikation der Analgetika (oral/transdermal). ▬ Dauermedikation für Dauerschmerz und zusätzlich Bedarfsmedikation verordnen. ▬ Prophylaktische Therapie der Obstipation. ▬ Berechnung der Dosis in mg/kgKG bis 50 kgKG. ▬ Neugeborene und Säuglinge haben eine besondere Empfindlichkeit hinsichtlich der atemdepressiven Nebenwirkung von Opioiden.

▬ Nachteile – Geringe therapeutische Breite Lebertoxizität ab 150 mg/kgKG pro Tag bzw. ab 100 mg/kgKG Einzeldosis (Antidot: Acetylcystein) Acetylsalicylsäure (ASS)

Aufgrund der irreversiblen Thrombozytenaggregationshemmung und der Gefahr eines Reye-Syndroms nur mit sehr strenger Indikationsstellung einsetzbar. Ibuprofen und Diclofenac

▬ Vorteile – Gute Analgesie durch antiphlogistischen Effekt v. a. bei Knochenschmerzen – Ibuprofen hat weniger gastrointestinale Nebenwirkungen als Diclofenac ▬ Nachteile – Passagere Thrombozytenaggregationshemmung – Serumspiegelerhöhung von Digoxin und Methotrexat

WHO-Stufe I

Metamizol

Die Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate sind dargestellt in ⊡ Tabelle 8.7.

▬ Vorteile – Spasmolytischer Effekt – Keine Beeinflussung der Thrombozytenaggregation – p.o. und i.v. applizierbar ▬ Nachteile – Antipyretische Wirkung (lässt Infektionen in der Aplasie schwerer erkennen)

Paracetamol

▬ Vorteile – Keine Beeinflussung der Plättchenaggregation – Keine gastrointestinalen Mukosaschäden – p.o., als Suppositorium und i.v. applizierbar

⊡ Tabelle 8.7. WHO-Stufe I: Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate Medikament

Applikation

Einzeldosis

Paracetamol

p.o., Supp.

Dosisintervall

Tageshöchstdosis (bis 50 kgKG)

Tageshöchstdosis (Erwachsene)

15 mg/kg (4–)6 h Loading dose zu Beginn der Therapie 30 mg/kgKG

2 Jahre: 90 mg/kgKG

4000 mg

i.v. als Kurzinfusion

15 mg/kg keine Ladungsdosis

6h

60 mg/kgKG

4000 mg

Diclofenac

p.o., Supp.

1 mg/kg

(6–)8 h

3 mg/kgKG

150 mg

Ibuprofen

p.o., Supp.

10 mg/kg

6(–8) h

40 mg/kgKG

2400 mg

Metamizol

p.o., Supp., i.v. als Kurzinfusion über 15 min

15 mg/kg

4(–6) h

75 mg/kgKG

5000 mg

8

127 Pädiatrie

– Kreislaufdepression bei schneller intravenöser Gabe – Absinken des Ciclosporin-Spiegel WHO-Stufe II Tramadol

▬ Weniger Übelkeit als beim Erwachsenen ▬ Ab 10 mg/kgKG/Tag ist ein Wechsel auf ein hochpotentes Opioid sinnvoll ▬ p.o. und i.v. applizierbar.

▬ Dosisreduktion bei Therapiedauer über 5 Tage – langsame Dosisreduktion über 4 Tage um jeweils 25% ▬ Dosisreduktion bei längerer Therapiedauer – langsame Dosisreduktion über bis zu 2 Wochen: jeweils 20% in den ersten 2 Tagen, danach jeweils 10% täglich Die Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate sind dargestellt in ⊡ Tabelle 8.8.

Dihydrocodein, Tilidin, Dextropropoxyphen

▬ Nur oral verfügbar ▬ Seltener Einsatz in der Pädiatrie WHO-Stufe III

▬ Der primäre Einsatz starker Opioide ist bei starken Schmerzen die Regel ▬ Morphin ist das Standardopioid ▬ Säuglinge unter 6 Monaten erhalten primär nur 1/3 der angegebenen Startdosis mit nachfolgender Dosistitration ▬ Die Bedarfsmedikation beträgt 1/6 der Tagesdosis

Morphin

▬ Vorteile – Standardopioid – Keine obere Dosisgrenze, Titration am Effekt – Rektale Bioverfügbarkeit schwer vorhersehbar (30–70%) – Oral, rektal, parenteral (s.c., i.v.) applizierbar – Oral retardierte Substanzen (bis 24 h Wirkung) – PEG-gängiges Granulat

⊡ Tabelle 8.8. WHO-Stufe III: Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate Medikament

Applikation

Übliche Startdosis 50 kgKG

Dosisverhältnis i.v. : p.o.

Morphin

i.v.

Bolus 0,05–0,1 mg/kgKG; alle 2–4 h; PCA-Bolus: 0,02 mg/kgKG; DTI: 0,02– 0,03 mg/kgKG/h

5–10 mg all 2–4 h; PCABolus: 1 mg; DTI: 1 mg/h

1:3

p.o.

Unretardiert: 0,15–0,3 mg/kgKG; alle 4 h

Unretardiert: 5–10 mg; alle 4 h

i.v.

0,015 mg/kgKG alle 4–6 h; PCA-Bolus: 0,003 mg/kgKG; DTI: 0,005 mg/kgKG/h

1–2 mg alle 4–6 h; PCABolus: 0,15; DTI: 0,25 mg/h

p.o.

Unretardiert: 0,04 mg/kgKG; alle 6 h; retardiert: 0,06 mg/kgKG; alle 8–12 h

Unretardiert: 1,3 –2,6 mg; alle 6 h; retardiert: 4 mg; alle 8–12 h

Piritramid

i.v.

0,05–0,1 mg/kgKG alle 4–6 h; PCA-Bolus: 0,025 mg/kgKG; DTI: 0,01–0,02 mg/lg/h

5–10 mg alle 4–6 h; PCABolus: 1,0 mg; DTI: 1 mg/h

Buprenorphin

i.v.

0,003–0,006 mg/kgKG; alle 6–8 h

0,2–0,3 mg; alle 6–8 h

s.l.

0,003–0,006 mg/kgKG; alle 6–8 h

0,2–0,3 mg; alle 6–8 h

Tramadol

i.v.

1 mg/kgKG alle 3–4 h; DTI: 0,3 mg/ kgKG/h

50–100 mg alle 3–4 h; DTI: 15 mg/h

p.o.

Unretardiert: 1 mg/kgKG; alle 3–4 h; retardiert: 2 mg/kgKG; alle 8–12 h

Unretardiert: 50–100 mg alle 3–4 h; retardiert: 100– 300 mg; alle 8–12 h

Hydromorphon

1:2

1:1

128

Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie

– Spinal 100-fache Wirkung, peridural 10-fache Wirkung im Vergleich zur intravenösen Gabe ▬ Nachteile – Kumulation von Morphin-6-Glucuronid bei Niereninsuffizienz – Transdermal nicht applizierbar Hydromorphon

8

▬ Vorteile – Keine aktiven Metaboliten – Alternativpräparat zu Morphin bei Niereninsuffizienz oder Morphin-Nebenwirkungen – p.o. und i.v. applizierbar (retardierte Substanzen verfügbar) – retardierte Substanz PEG-gängig (die Pellets der Palladon-Kapseln behalten ihre retardierte Wirkung) Piritramid

▬ Nachteile – Nur i.v. applizierbar – Lässt sich nicht mit anderen Substanzen in Infusionslösungen mischen Levomethadon

▬ Vorteil – Eventuell besserer Effekt bei neuropathischen Schmerzen ▬ Nachteile – Lange Halbwertszeit, deshalb schlechte Steuerbarkeit (β-Halbwertszeit von 13–100 h!) – Opioidrotation auf Levomethadon braucht viel Erfahrung Fentanyl

▬ Vorteile – Transdermal applizierbar – Transmukosal applizierbar, »Fentanyl-Lolly« (Actiqheading2-Stick von 200–1600 µg) Buprenorphin

▬ Vorteile – Transdermal, transmukosal und i.v. applizierbar – Metabolisierung unabhängig von der Nierenfunktion

▬ Nachteile – µ-Agonist und κ-Antagonist, deshalb mögliche Kompatibilitäsprobleme mit reinen µAgonisten (klinisch kaum zu beobachten) – Fraglicher Ceilingeffekt (für die Klinik nicht sicher nachgewiesen) – Höchste Rezeptoraffinität, Buprenorphin kann nur mit höchsten Dosen von Naloxon (5–10 Amp. Naloxon à 0,4 mg) antagonisert werden Die Therapie der Opioidnebenwirkungen zeigt ⊡ Tabelle 8.9. Adjuvante Schmerzmedikamente sind in ⊡ Tabelle 8.10 dargestellt.

129 Pädiatrie

⊡ Tabelle 8.9. Therapie der Opioidnebenwirkungen in der pädiatrischen Tumorschmerztherapie Medikament

Dosis

Applikationsform

1–2 mg/kgKG alle 6–8 h

i.v.

5 mg/kgKG alle 6–8 h

p.o., Supp.

Übelkeit Dimenhydrinat

Tageshöchstdosis: 2–6 Jahre: 75 mg; 6–12 Jahre: 150 mg Domperidon

0,3 mg/kgKG =1 Trpf./kgKG alle 6–8 h; maximal 33 Trpf./Dosis

p.o.

Ondansetron

0,17 mg/kgKG alle 12 h; Höchstdosis 8 mg

i.v./ p.o.

Lactulose

3 Jahre: 3-mal 5–10 ml

p.o.

Macrogol

0,8 g/kgKG/Tag

p.o.

Natriumpicosulfat

>4 Jahre: 4–8 Trpf. in 24 h; >12 Jahre: 10–18 Trpf. in 24 h

p.o.

Obstipation

⊡ Tabelle 8.10. Therapie der Opioidnebenwirkungen in der pädiatrischen Tumorschmerztherapie Medikament

Dosis

Indikationen

S-Ketamin

0,5–3 mg/kgKG/Tag i.v.

Neuropathischer Schmerz Schmerzhafte Eingriffe Terminale Analgosedierung (in Kombination mit Midaziolam)

Gabapentin

Schrittweise aufdosieren innerhalb von 3–7 Tagen auf 15–30 mg/kgKG/Tag p.o. in 3 ED

Einschießende neuropathische Schmerzen

maximal 60 mg/kgKG/Tag maximale Erwachsenendosis: 3600 mg/Tag Amitriptyllin

Promethazin

Therapiebegin mit 0,2 mg/kgKG/Tag p.o. abends

Brennende neuropathische Schmerzen

steigern über 2–3 Wochen (alle 2–3 Tage um 25%)

Phantomschmerzen

Zieldosis: 1 mg/kgKG/Tag bzw. geringst wirksame Dosis

Schmerzbedingte Schlafstörungen

0,2–0,5 mg/kgKG p.o. oder i.v. alle 6 h

Starke Übelkeit, Erbrechen Dyspnoe Akute Agitiertheit

Lorazepam

0,01–0,02 mg/kgKG alle 8–12 h p.o.

Schlafstörungen

maximale ED 0,05 mg/kgKG

Krampfanfälle Angst Dyspnoe

8

9 Kopfschmerz

Einteilung Der Kopfschmerz (KS) wird nach der International Headache Society (IHS) in 14 Hauptgruppen bzw. 212 Kopfschmerzformen eingeteilt (⊡ Tabelle 9.1). 1. Primärer Kopfschmerz (92%, ohne organische Ursache); hierzu gehören – die Migräne, – der Clusterkopfschmerz, – der episodische oder chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp (früher bezeichnet als

Spannungskopfschmerz, Muskelkontraktionskopfschmerz, stressinduzierter Kopfschmerz und gewöhnlicher Kopfschmerz), – die chronische paroxysmale Hemikranie und – der zervikogene Kopfschmerz. 2. Sekundärer Kopfschmerz (8%, zugrunde liegende organische Erkrankung). Anmerkung: Die Einteilung des Kopfschmerzes erfolgt nicht nach der Ätiologie, sondern nach der Phänomenologie.

⊡ Tabelle 9.1. Die Systematik der internationalen Kopfschmerzklassifikation mit Koversion zwischen Klassifikationscodes der International Headache Society (IHS) und der WHO (ICD-10) IHSCode

Kopfschmerz

1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.4 1.5

Migräne Migräne ohne Aura Migräne mit Aura Migräne mit typischer Aura Migräne mit prolongierter Aura familiäre hemiplegische Migräne Basilarismigräne Migräneaura ohne Kopfschmerz Migräne mit akutem Aurabeginn Ophthalmoplegische Migräne Retinale Migräne Periodische Syndrome in der Kindheit als mögliche Vorläufer oder Begleiterscheinungen einer Migräne, nicht kodiert: Abdominalmigräne Gutartiger paroxysmaler Schwindel in der Kindheit Alternierende Hemipiegie in der Kindheit Migränekomplikationen Status migraenosus Migränöser Infarkt Migräneartige Störungen, die nicht die obigen Kriterien erfüllen

ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code

1.5.1 1.5.2 1.6 1.6.1 1.6.2 1.7

Kopfschmerzcode G43.9 G43.00 G43.1 G43.10 G43.11 G43.1 x51 G43.1 x31 G43.1 x41 G43.12 G43.80 G43.81 G43.82

G43.821 G43.822 G43.3 G43.2 G43.9

132

Kapitel 9 · Kopfschmerz

⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode

Kopfschmerz

ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code

2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3

9

3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 6. 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3

Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp, der nicht die obigen Kriterien erfüllt Clusterkopfschmerz und chronische paroxysmale Hemikranie Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz mit noch nicht abschätzbarem Verlauf Episodischer Clusterkopfschmerz Chronischer Clusterkopfschmerz Von Beginn an ohne Remissionen Nach primär episodischem Verlauf Chronische paroxysmale Hemikranie Clusterkopfschmerzartige Störungen, die nicht die obigen Kriterien erfüllen Verschiedenartige Kopfschmerzformen ohne begleitende strukturelle Läsion Idiopathischer stechender Kopfschmerz Kopfschmerz durch äußeren Druck Kältebedingter Kopfschmerz Äußere Kälteexposition Einnahme eines Kältestimulans Benigner Hustenkopfschmerz Benigner Kopfschmerz durch körperliche Anstrengung Kopfschmerz bei sexueller Aktivität Dumpfer Schmerz Explosiver Schmerztyp Haltungsabhängiger Typ Kopfschmerz nach Schädeltrauma Akuter posttraumatischer Kopfschmerz Bei belangvollem Schädeltrauma und/oder entsprechenden Befunden Bei geringfügigem Schädeltrauma ohne belangvolle Befunde Chronischer posttraumatischer Kopfschmerz Bei belangvollem Schädeltrauma und/oder entsprechenden Befunden Bei geringfügigem Schädeltrauma ohne belangvolle Befunde Kopfschmerz bei Gefäßstörungen Akute ischämische zerebrovaskuläre Störungen Transitorische ischämische Attacke (TIA) Thromboembolischer Infarkt Intrakranielles Hämatom Intrazerebrales Hämatom Subdurales Hämatom Epidurales Hämatom Subarachnoidalblutung

Kopfschmerzcode G44.20 G44.21

G44.22 G44.23 G44.28

G44.0 G44.00 G44.01 G44.02 G44.020 G44.021 G44.03 G44.08 G44.80

SO6 S09.9 506 S09.9 163 G45 164.0 162 1612 I62.03 162.14 1605

G44.800 G44.801 G44.802 G44.8020 G44.8021 G44.803 G44.804 G44.805 G44.8050 G44.8051 G44.8052 G44.88 G44.880 G44.880 G44.880 G44.3 G44.30 G44.31 G44.81 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810

9

133 Einteilung

⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode

Kopfschmerz

6.4.1 6.4.2 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6

Arteriovenöses Angiom Sackförmiges Aneurysma Arteriitis Risenzellarteriitis Andere systemische Arteriitiden Primär intrakranielle Arteriitis A.-carotis- oder A.-vertebralis-Schmerz

6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.7 6.8 6.8.1 6.8.2 6.8.3 6.8.4 6.9 7. 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.4

Carotis- oder Vertebralisdissektion Carotidynie (idiopathisch) Kopfschmerz nach Endarteriektomie Hirnvenenthrombose Arterieller Hochdruck Akute Blutdrucksteigerung durch ein exogenes Agens Phäochromozytom Maligner Hochdruck Präeklampsie und Eklampsie Kopfschmerz bei anderen Gefäßkrankheiten Kopfschmerz bei nichtvaskulären intrakraniellen Störungen Liquordrucksteigerung Gutartige intrakranielle Hochdruckhydrozephalus Liquorunterdruck Postpunktioneller Kopfschmerz Kopfschmerz bei Liquorfistel Intrakranielle Infektion Intrakranielle Sarkoidose und andere nichtinfektiöse Entzündungsprozesse Kopfschmerz nach intrathekaler Injektion Direkter Effekt Bedingt durch chemische Meningitis Intrakranielles Neoplasma Kopfschmerz bei anderen intrakraniellen Störungen Kopfschmerz durch Einwirkung von Substanzen oder deren Entzug Kopfschmerz bei akuter Substanzwirkung Nitrat- oder Nitritkopfschmerz Natriumglutamatkopfschmerz Kohlenmonoxidkopfschmerz Alkoholkopfschmerz Andere Substanzen Kopfschmerz bei chronischer Substanzwirkung Ergotaminkopfschmerz Analgetikakopfschmerz Andere Substanzen Kopfschmerz bei Entzug nach akutem Substanzgebrauch Alkoholentzug (»hangover«) Andere Substanzen Kopfschmerz bei Entzug nach chronischem Substanzgebrauch Ergotaminentzugskopfschmerz Koffeinentzugskopfschmerz Narkotikaentzugskopfschmerz Andere Substanzen

7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.7 8. 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4

ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code

Kopfschmerzcode

Q28.2 Q28.3 M31 M31.6 168.2 167.7 163.0,163.2, 165.0,165.2 oder 167.0 167.0

G44.811 G44.811 G44.812 G44.812 G44.812 G44.812 G44.810

197.8 163.6 110 115 035.06 110 013; 014 ;015

G93.2 G91.8 G97.0 G96.0 G00-G09 D86 G97.8 T80.8 G03.8 C00-D48

X44 X44 T58 F10.0

G44.810 G44.806 G44.814 G44.810 G44.813 G44.813 G44.813 G44.813 G44.813 G44.818 G44.82 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.821 G44.823 G44.824 G44.824 G44.824 G44.822 G44.828 G44.4 oder G44.83 G44.4 oder G44.83 G44.400 G44.401 G44.402 G44.83 G44.4 oder G44.83

Y52.5 F55.2

G44.412 G44.410 G44.4 oder G44.83

F10.3

G44.83 G44.4 oder G44.83

Y52.5 F15.3 F13.3

G44.413 G44.83 G44.83 G44.4 oder G44.83

134

Kapitel 9 · Kopfschmerz

⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode 8.5.1 8.5.2 9.

9

9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 10. 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 11.

11.1 11.2 11.2.1 11.2.2 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.4 11.5 11.5.1. 11.5.2 11.6 11.7 12. 12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.2.1 12.1.3 12.1.3.1 12.1.4 12.1.4.1 12.1.4.2 12.1.5 12.1.6 12.1.7

Kopfschmerz

Hormonelle Kontrazeptiva oder Östrogene Andere Substanzen Kopfschmerz bei einer primär nicht den Kopfbereich betreffenden Infektion Virale Infektion Fokal, nicht primär den Kopfbereich betreffend Systemisch Bakterielle Infektion Fokal, nicht primär den Kopfbereich betreffend Systemisch (Septikämie) Kopfschmerz bei anderen Infektionen Kopfschmerz bei Stoffwechselstörungen Hypoxie Höhenkopfschmerz Hypoxischer Kopfschmerz Schlafapnoekopfschmerz Hyperkapnie (Hyperventilation) Hypoxie in Verbindung mit Hyperkapnie Hypoglykämie Dialyse Kopfschmerz bei anderen metabolischen Störungen Kopfschmerz oder Gesichtsschmerz bei Erkrankungen des Schädels sowie im Bereich von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund oder anderen Gesichts- oder Kopfstrukturen Schädelknochen Hals Halswirbelsäule Retropharyngeale Tendinitis Augen Akutes Glaukom Brechungsfehler Heterophorie oder Heterotropie Ohren Nase und Nebenhöhlen Kopfschmerz bei akuter Sinusitis Andere Erkrankungen von Nase oder Nebenhöhlen Zähne, Kiefer und benachbarte Strukturen Krankheiten des Kiefergelenks Kopf- und Gesichtsneuralgien, Schmerz bei Affektion von Nervenstämmen und Deafferenzierungsschmerzen Anhaltender (nicht anfallsartiger) Schmerz durch Erkrankung von Hirnnerven Kompression oder Distorsion von Hirnnerven oder der 2. oder 3. Zervikalwurzel Demyelinisierende Erkrankungen von Hirnnerven Optikusneuritis (retrobulbäre Optikusneuritis) Hirnnerveninfarkt Diabetische Neuropathie Entzündliche Hirnnervenstörungen Herpes zoster Chronische postherpetische Neuralgie Tolosa-Hunt-Syndrom Nacken-Zungen-Syndrom Andere Ursachen für Dauerkopfschmerz bei Hirnnervenläsion

ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code

Kopfschmerzcode

Y42.4

G44.418 G44.4 oder G44.83 G44.881

A00-B979

G44.881

G44.881

W94 G47.3 R06.4 R06.4 + E16 Y84.1

G44.881 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.84

M80-M89.8

G44.840

M99 M79.8

G44.841 G44.842

H40 H52 H50.3-H55.5 H60-H95

G44.843 G44.843 G44.843 G44.844

J01 J34 K00-KL4 K07.6

G44.845 G44.845 G44.846 G44.846 G44.847, G44.848 oder G44.85 G44.848

G35-G37 H46 E10–E14 B02.2 B02.2

G44.848 +G53.8 oder G55 G44.848 G44.848 G44.848 + G53.8 G44.848 + G53.8 G44.881 G44.847 + G53.0 G44.850 G44.851 G44.848

9

135 Migräne

⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode 12.2.1 12.2.2 12.2.2.1 12.2.2.2 12.3 12.3.1 12.3.2 12.4 12.5 12.6 12.7 12.7.1 12.7.2 12.8 13.

Kopfschmerz

ICD-10 NA-Code

Idiopathische Trigeminusneuralgie Symptomatische Trigeminusneuralgie Kompression der Trigeminuswurzel oder des Ganglion Gasseri Zentrale Läsionen Glossopharyngeusneuralgie Idiopathische Glossopharyngeusneuralgie Symptomatische Glossopharyngeusneuralgie Nervus-intermedius-Neuralgie Laryngicus-superior-Neuralgie Okzipitalneuralgie Zentrale Ursachen von Kopf- und Gesichtsschmerzen, die nicht dem Typ der Trigeminusneuralgie entsprechen Anaesthesia dolorosa Thalamusschmerz Gesichtsschmerz, der nicht die Kriterien der Gruppen 11 und 12 erfüllt Nichtklassifizierbarer Kopfschmerz

Erfassung der Kopfschmerzform Mittels ▬ Kopfschmerzfragebogen, ▬ Kopfschmerzkalender, ▬ Kopfschmerzinterview: Erstbeginn, Dauer des Kopfschmerzes, Lokalisation und Ausstrahlung, Schmerzcharakter bzw. dessen Änderung, Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen, Phono- und Photophobie, Augentränen und -rötung), familiäre Belastung, Warnsymptome (Fieber, Nackensteifigkeit, zunehmende Müdigkeit, Schwindel, Ataxie), Voruntersuchungen.

Ätiologischer Code

Kopfschmerzcode

G50.00 G50.0910 G53.80 + G53.80

G44.847 G44.847 G44.848 G44.848

G52.10 G53.830 + G51.80 G52.20 G52.80

G44.84 G44.847 G44.847 G44.847 G44.847

G50.09 oder G52.800 + G46.21 G50.1

G44.847 G44.810 G44.847 R51

vor der Pubertät ca. 4–5% mit gleicher Geschlechtsverteilung. ▬ Beginn meist zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr, Maximum bezüglich Häufigkeit und Intensität zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr. ▬ Migräne im Kindesalter persistiert bei 50% der Betroffenen in der Pubertät. ▬ Weltweit etwa gleiche Migräneinzidenz (nur China und Japan haben geringere Inzidenzen).

Einteilung ▬ Rund 85% Migräne ohne Aurasymtomatik (einfache Migräne)

▬ Rund 15% Migräne mit Aurasymtomatik (komplizierte bzw. klassische Migräne)

Anmerkung: Jeder Kopfschmerzpatient sollte zu

Beginn der Behandlung einen Kopfschmerzkalender (z. B. Kieler Kopfschmerzkalender) ausgehändigt bekommen und einige Wochen bis zur Diagnosesicherung und Therapieeinleitung führen.

Migräne ▬ Inzidenz: ca. 6–8% der Männer und 12–14% der Frauen in den westlichen Industrieländern;

Die Aura ist eine neurologische Ausfall-/Reizerscheinung, die sich innerhalb von 5–20 min entwickelt und maximal 60 min anhält. Aurasymptome sind z. B. unspezifische Sehstörungen, Lichtblitze, Flimmerskotome, Fortifikationen (gezackte Lichtlinien), Gesichtsfeldausfälle, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen (⊡ Abb. 9.1). Migräneauslöser sind Stress, Ruhe nach Stress, hormonelle Schwankungen, Alkoholgenuss, Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger.

136

Kapitel 9 · Kopfschmerz

a

b

⊡ Abb. 9.1a, b. Schematische Schmerzlokalisation bei Migräne: a ohne Aura, b mit Aura

9

Den Migräneattacken gehen meist Prodromalstadien von 8–48 h Dauer voraus. Prodomalsymptome sind Hypo- und Hyperaktivität, Heißhunger, depressive Verstimmung etc. Anmerkung: Es gibt insgesamt 17 verschiedene Migränetypen, die z. T. einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen.

Pathogenese Derzeit werden 4 verschiedene Theorien der Migräne diskutiert. 1. Neurogene, aseptische Entzündung infolge Freisetzung von diversen Substanzen aus den Nervenendigungen des N. trigeminus im Migräneanfall: Substanz P, »calcitonin gene-related peptide« (CGRP), Neurokinin A, Neuropeptid Y, vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und PGE2. Folge: Sensibilisierung von Schmerzrezeptoren und Vasodilatation. 2. Störungen des Serotoninstoffwechsels: Der klinische Effekt von Serotonin 1B/1D-Agonisten untermauert diese Theorie. 3. Störung der so genannten P/Q-Kalziumkanäle und damit veränderte neuronale Erregbarkeit. 4. Die Ausbreitung der kortikalen Aktivitätsminderung von okzipital her (Spreading-depression-Theorie nach Leao) verursacht die Auraphänomene. Zusätzlich mit vaskulärer Komponente (Welle der Minderperfusion) gekoppelt.

Klinik ▬ Meist einseitiger Attackenkopfschmerz (2/3 aller Fälle) mit/ohne Aura [Sensibilitäts-, Sprachund Sehstörungen wie z. B. Flimmerskotome oder Fortifikationen (sternförmige Figuren)], der meist zwischen 4–72 h anhält. Bei ca. 1/3 der Patienten ist ein holokranieller Kopfschmerz vorhanden! ▬ Von Attacke zu Attacke sowie innerhalb der Attacke kann es zu einem Seitenwechsel kommen. ▬ Pulsierender Schmerzcharakter von mäßiger bis starker Intensität. ▬ Verstärkung durch körperliche Aktivität (im Gegensatz zum Kopfschmerz vom Spannungstyp). ▬ Kopfschmerzen, die länger als 7 Tage anhalten, lenken den Verdacht auf zusätzlichen Spannungskopfschmerz oder medikamenteninduzierten Kopfschmerz. ▬ Status migraenosus (>7 Tage anhaltender Kopfschmerz oder anfallfreies Intervall 90%), Übelkeit (80–90%), Erbrechen (40–50%) ▬ Photo- und Phonophobie (60%) ▬ neurologische Reiz- und Ausfallerscheinungen ▬ Geruchsempfindlichkeit (ca. 10%)

Migräne begünstigende Faktoren Anmerkung: Der Migränegenerator befindet sich,

wie in PET-Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, im Hirnstamm.

Stress, Alkohol, bestimmte Nahrungsmittel, Hormone, Lärm, Licht, Gerüche

137 Migräne

Sonderformen der Migräne

▬ Autosomal dominate, familiäre hemiplegische Migräne mit Defekt auf Chromosom 19p13 (kodiert neurogenen P/Q-Kalziumkanal) oder Chromosom 1.

9

▬ Domperidon (Motilium) 10–30 mg (=1–3 ml oder 1–3 Tbl.) p.o. (besonders bei Kindern wegen fehlendem BlutHirn-Schranken-Transfer empfohlen) Anmerkung: Metoclopramid besitzt eine direkte,

Anmerkung: Diese Tatsache gibt erste Hinweise,

dass die Migräne eine Ionenkanalkrankheit sein könnte. ▬ Basilarismigräne: bilaterale Parästhesie, Parese, Diplopie, Vertigo, Tinnitus, Dysarthrie, Bewusstseinsstörungen. ▬ Menstruelle Migräne: längere und schwieriger zu behandelnde Migräneattacken, ausschließlich oder fast ausschließlich in Zusammenhang mit der Monatsblutung. ▬ Retinale Migräne: monokuläres Skotom oder Erblindung des Auges für 1,0–1,2 g als Brausetabletten (Aspirin plus C =0,4 g pro Tablette) oder i.v. (alle 4–6 h; maximal 4,0 g/Tag); bei Kindern wegen der Gefahr des Reye-Syndroms kein ASS verordnen! Weitere alternativ einsetzbare Nichtopioidanalgetika: ▬ Paracetamol (Ben-u-ron supp.) ≥1,0 g rektal oder ggf. p.o. oder i.v. (maximal 100 mg/kg/Tag) ▬ Naproxen (Proxen) 2-mal 250–500 mg (maximal 1000 mg/Tag) ▬ Ibuprofen (Aktren, Anco, Dolormin) 400–600 mg p.o. (maximal 2400 mg/Tag) ▬ Metamizol (Novalgin) 500 mg i.v. oder p.o. bei anamnestisch positivem Effekt (Effektivität sonst durch Studien nicht belegt) Bei Unwirksamkeit in der Frühphase der Attacke wurden früher unselektive Serotoninagonisten verabreicht: ▬ Ergotamintartrat (Migrexa, Ergosanol) 1-mal 2 Kaps. à 1 mg oder 1-mal 1 Supp. à 2 mg, nach 60 min ggf. erneut 2 mg (maximal 4 mg/ Tag oder 6 mg/Woche) ! Cave: Die häufigste Nebenwirkungen sind medikamenteninduzierte Übelkeit bzw. Erbrechen [Stimulation von Dopaminrezeptoren (DA2)], Kältegefühl der Extremitäten, medikamenteninduzierter Kopfschmerz bei vermehrter Einnahme (>20 mg/Monat).

– Kontraindikation: KHK, Angina pectoris, arterieller Hypertonus, pAVK, Kinder 7 Tage) ▬ Vorliegen von medikamentöser Unverträglichkeit oder Therapierefraktärität ▬ Komplizierte Migräne mit lang anhaltender Aura ▬ Zunahme der Attackenfrequenz mit Einnahme der Analgetika an mehr als 10 Tagen Anmerkung: Die Prophylaxe wird als erfolgreich

9

erachtet, wenn durch die medikamentöse Therapie Anfallsfrequenz, oder -intensität oder -dauer um mindestens 50% reduziert werden. Nur 5% als Migränepatienten erhalten nach einer großen Umfrage eine Prophylaxetherapie, obwohl nach den oben genannten Kriterien 53% der Patienten eine medikamentöse Prophylaxe benötigen.

sportliche Ausdaueraktivität (2-mal pro Woche für 1 h, z. B. Jogging) ▬ Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren ▬ Biofeedback- bzw. Gefäßtraining (Erfolgsquote bis zu 60%) Entspannungstechniken, Stressund Reizverarbeitungstraining, Schmerzbewältigungstraining Anmerkung: Führen eines Kopfschmerzkalenders als »therapeutisches Instrument«: 50% der Patienten erlangen durch diese Maßnahme an sich eine Reduktion der Migräneanfälle.

Medikamente Nach den Empfehlungen der DGN und DMKG (2005) sind im Rahmen der Migräneprophylaxe ▬ Medikamente der 1. Wahl: β-Blocker (A) und Flunarizin (A), Valproinsäure (A, Off-label-Gebrauch) und Topiramat (A) ▬ Medikamente der 2. Wahl: Bisoprolol (A), Naproxen (B), Pestwurz (B), Amitriptylin (B), Mutterkraut (C), Acetylsalicylsäure (C), Magnesium (C) Medikamente der 1. Wahl ▬ β-Rezeptorenblocker Kardioselektives Metoprolol (Metomerck, Me-

toprolol AL; 100 mg/Tbl.) Grundprinzipien der Migräneprophylaxe

Dosierung: 1. Woche 0–0–50 mg, 2. Woche 50–

▬ Niedrige Anfangsdosierung und langsame Steigerung der Dosis ▬ Angemessene Einnahmedauer zur Wirksamkeitsbeurteilung ▬ Führen eines Kopfschmerzkalenders zur Therapieobjektivierung ▬ Nach 6 Monaten erfolgreicher Migräneprophylaxe Auslassversuch unternehmen ▬ Patientenaufklärung mit realistischen Therapiezielen und Erwähnen der Nebenwirkungen ▬ Schwangerschaft während der Prophylaxe vermeiden

0–50 mg, 3. Woche 50–0–100 mg (= Enddosis für Frauen), ab 4. Woche 100–0–100 mg (= Enddosis für Männer), oder Propranolol (Dociton): Dosierung: 40–240 mg/Tag; ebenfalls einschleichen Anmerkungen: Die Effektivität dieser β-Blocker ist frühestens nach 6-wöchiger Therapie beurteilbar. Andere β-Blocker (mit Ausnahme von Bisoprolol) sind ineffektiv. Zu Beginn der Behandlung nichtretardierte Darreichungsformen, später Retardtabletten bevorzugen. Immer einschleichend dosieren. β-Blocker sollten bevorzugt werden bei: arterieller Hypertonie, Schweißneigung, Nervosität, Angst, Panikattacken und Tremor.

Allgemeine Maßnahmen ▬ Einhaltung einer strengen Tagesrhythmik (auch am Wochenende!), regelmäßige Nahrungsaufnahme, Einplanung von adäquaten Pausen im Tagesablauf, Kontrolle der Triggerfaktoren, Vermeidung von Nikotin, Koffein und Alkohol,

141 Migräne

Kontraindikationen für einen β-Blocker beach-

ten: arterielle Hypotonie, M. Raynaud, Potenzstörungen, Muskelkrämpfe, Leistungssportler. ▬ Kalziumantagonist Flunarizin (Sibelium) Dosierung: >70 kgKG 10 mg p.o. für Männer und Frauen, bei 50–70 kgKG 5 mg p.o. und bei 4 Wochen): Kontrolle der Leberwerte.

tion während der Einnahme, da Valproinsäure zu Neuralrohrdefekten führen kann.

Weitere Substanzen ohne klinisch signifikanten Effekt im Rahmen der Migräneprophylaxe

Anmerkung: Derzeit keine offizielle Zulassung

Teilweise fehlende Effektivität der Substanzen in größeren Studien bzw. nur kleinere Anwendungsbeobachtungen mit positivem Effekt. ▬ Cyclandelat (Natil) Dosierung: initial 3- bis 5-mal 1 Kaps./Tag (=400 mg), Langzeitbehandlung: 3- (bis 4)-mal 1 Kaps./Tag für mindestens 3 Monate Kontraindikation: akuter Schlaganfall Anmerkungen: Aus eigener Erfahrung zeigt Cyclandelat entgegen kontrollierten Studien einen guten Effekt bezüglich der Migräneprophylaxe. Bei Wirksamkeit hat Natil nach Beendigung der Migräneprophylaxe den am längsten anhaltenden Effekt (ca. 10 Monate vs. Propranolol mit 7 Monaten). ▬ Serotoninantagonist Pizotifen (Sandomigran, Mosegor) Wirkmechanismus: 5-HT2A und 5-HT12C-Antagonist

zur Migränetherapie (Off-label-Gebrauch). ▬ Topiramat (Topamax Migräne) Dosierung: initial in der 1. Woche 25 mg p.o. abends, 2. Woche 25–0–25 mg, 3. Woche 50–0– 25 mg, Enddosis 75–100 mg p.o. Dauer: mindestens 3 Monate, bei guter Effektivität frühestens nach 6–8(–12) Monaten Therapie absetzen bzw. ausschleichen Wirkmechanismus: Normalisierung der Übererregbarkeit des Kortex und des trigeminovaskulären Systems gegenüber Reizen Nebenwirkungen: Parästhesien in der Einstellphase bei >10% der Patienten (kann durch kaliumreiche Kost wie Bananen und Aprikosen positiv beeinflusst werden), Wortfindungsstörungen (insbesondere bei Überdosierung), Konzentrationsstörungen, Gewichtsabnahme (durchschnittlich 2,7%).

142

Kapitel 9 · Kopfschmerz

Dosierung: 1–3 mg/Tag: – 1./2. Tag: 1-mal 1 Drg. à 0,5 mg (abends) – 3./4. Tag: 2-mal 1 Drg. – ab 5. Tag: 3-mal 1 Drg. Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Schwindel, Müdigkeit, Depression, Parästhesien, Mundtrockenheit Kontraindikationen: Arterielle Hypertonie, KHK, pAVK, Ulkusanamnese ▬ Dihydroergotamin (Dihydergot) Dosierung: 1,5–6 mg/Tag 2-mal 1 Ret (forte)-Tbl. oder 3-mal 20 Gtt. oder 3-mal 2 Tbl. Anmerkung: Bei längerer Einnahme Verschlechterung der Migräne und Gefahr des Dauerkopfschmerzes. ! Die Präparate Dihydroergotamin (Dihydergot) und Ergotamin (Cafergot) können selbst Kopf-

9

schmerzen induzieren bzw. bestehende verstärken.

▬ Dopaminagonist Lisurid (Cuvalit) Dosierung: 0,075 mg/Tag (=3-mal 1 Tbl. à 0,025 mg); langsame Dosissteigerung: 1./2. Tag: 1-mal 1 Tbl. (abends) 3./4. Tag: 1-mal 1 Tbl. (mittags und abends) Ab 5. Tag: 3-mal 1 Tbl. ▬ Magnesium (Magnesium Verla, Magnesium Diasporal Granulat ) Dosierung: 2-mal 300 mg/Tag ▬ Gabapentin (Neurontin) Dosierung: 1200–1600 mg/Tag in 3 ED ▬ Serotoninantagonist Methysergid (Deseril) Dosierung: 1- bis 2-mal 2–4 mg/Tag für maximal 3(–6) Monate Nebenwirkungen insbesondere bei Langzeitbehandlung: Gefahr der Fibrose (retroperitoneal, perivaskulär, endokardial, pleuropulmonal, peribronchial)

Gegebenenfalls Gabe von Östrogenpflaster (Estraderm TTS 50–100 µg/Tag) über 7 Tage, oder Östradiol-Gel (wurde jedoch in klinischen Studien als ineffektiv eingestuft!) Bei Therapieversagen konventionelle Migräneprophylaxe mit β-Blockern, Flunarizin und evtl. Cyclandelat. Alternativ: Kurzzeitprophylaxe mit Methysergid (Deseril retard) 2-mal 1/2 Tbl. oder niedrig dosiertem Bromocriptin (Pravidel) 2,5 mg/Tag.

Migräne in der Schwangerschaft Bis zu 70% der Migränepatientinnen erfahren in der Schwangerschaft eine deutliche Verbesserung der Migräne, insbesondere in den letzten 2 Schwangerschaftsdritteln. Bei 17% sistiert sie völlig; nur bei ca. 5% nimmt die Migränehäufigkeit zu. Attackentherapie ▬ Metoclopramid 20 mg p.o. ▬ Paracetamol 1000 mg Supp.

▬ Gegebenenfalls Acetylsalicylsäure 1000 mg (nicht im 1. Trimenon!) ! Cave: Keine Ergotalkaloide wie Ergotamintartrat und Dihydroergotamin wegen des uterotonischen Effekts Keine Triptane, da keine ausreichende Erfahrung vorliegt!

Prophylaxe

▬ Magnesium (Magnesium Diasporal Granulat) 600 mg/Tag (=2-mal 1 Briefchen) ▬ Gegebenenfalls in schweren Fällen Propranolol (bis 240 mg/Tag) Status migraenosus Definition: Über 72 h bestehende, therapierefrak-

täre Migräne. »Kurzzeitprophylaxe« bei menstrueller Migräne

▬ Naproxen (Proxen) Dosierung: 2-mal 250 (–500) mg p.o. bei an den Menstruationszyklus gebundener Migräne 3 Tage vor der Regelblutung beginnend, bis 4 Tage nach Periodenbeginn bzw. bis Ende Regelblutung

Attackentherapie ▬ Metoclopramid 10–20 mg + Lysinacetylsalicylat (Aspisol) 1000 mg über 3 min i.v. ▬ Sedierung mit Levomepromacin (Neurocil) 3mal 25 mg p.o. oder Diazepam 3-mal 10 mg

p.o. über 2 Tage

9

143 Migräne

▬ Antiödematöse Therapie mit Dexamethason: 24 mg Bolus und 6 mg alle 6 h für 3–4 Tage oder Solu-Decortin 100 mg und tägliche Reduktion um 20 mg ▬ Gegebenenfalls Furosemid 0,5–2 mg/kgKG i.v. oder p.o. ▬ Gegebenenfalls Phenobarbital (Luminal) mg/ kgKG initial und 3–5 mg/kgKG /Tag i.v./p.o. für 48 h ▬ Magnesiumsulfat (Magnesium Verla) 25– 50 mg/kgKG ED i.v. ! Cave: Keine Gabe von Triptanen; meist massiver Abusus mit Ergotamin vorausgegangen!

Migräne bei Kindern Mehr als 10% der Schulkinder haben Erfahrung mit Kopfschmerzen. Meist stehen im Kindesalter vegetative/abdominelle Symptome im Vordergrund. Die Kopfschmerzen kommen oft bifrontal vor. Die Attackendauer beträgt 2–48 h. Medikamente zur Migränetherapie bei Kindern sind in ⊡ Tabelle 9.3 gezeigt. Attackentherapie Allgemeine nichtmedikamentöse Maßnahmen

▬ Unterbrechung der ursprünglichen Tagesaktivität ▬ Reizabschirmung (Raumabdunklung, kühles Tuch, Ruhe)

▬ Entspannung (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jakobson) ▬ Ätherische Öle (Eukalyptus und/oder Pfefferminze) Medikamentöse Maßnahmen

▬ Bei Übelkeit und Erbrechen Domperidon (Motilium) 10 mg p.o. oder rektal bzw. 1 Gtt./kgKG (maximal 33 Gtt.), Metoclopramid erst ab dem 14. Lebensjahr ▬ 10 Jahre: 2- bis 3-mal 200 mg/Tag

4–6 Monate

Trizyklische Antidepressiva

Amitriptylin

Saroten

0,1 mg/kgKG Tag, maximal 10–25 mg/ Tag (abends)

2–3 Monate

145 Atypischer Gesichts-(Kopf-)schmerz

ein Ring dem Kopf anliegt (⊡ Abb. 9.2) und bereits beim morgendlichen Aufstehen vorhanden ist. Im Laufe des Tages nimmt die Schmerzintensität noch zu. Leichte tägliche Verrichtungen sind noch möglich. Gelegentliche Photophobie. Therapie Medikamente der 1. Wahl

▬ Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin (Saroten, Laroxyl) Dosierung: 1. Woche abends 10 mg (bei älteren Patienten evtl. mit 5 mg beginnen), 2. Woche abends 25 mg, 3. Woche: 25–0-25 mg/Tag, Steigerung bis 75 mg ED (maximal 150 mg) oder Amitriptylinoxid (Equilibrin 30–90 mg) – Nebenwirkungen: Müdigkeit, Mundtrockenheit, Tachykardie Bei Erfolglosigkeit (frühestens nach 6 Wochen) alternativ: ▬ Doxepin (Aponal) 25–150 mg/Tag ▬ Imipramin (Tofranil) 75–150 mg ▬ Clomipramin (Anafranil) 10–10–0 bis 25–25– 0 mg ▬ Mianserin (Tolvin) 30–60 mg/Tag oder ▬ Fluvoxamin (Fevarin): weniger gut evaluiert; – Nebenwirkungen: Übelkeit und Magenschmerzen ▬ Pestwurzelextrakt (Petadolex) bei Bedarf bis zu 3-mal 1–3 Kaps./Tag oder 2-mal 2 Kaps./Tag für 3 Monate.

⊡ Abb. 9.2. Schematische Schmerzlokalisation bei Kopfschmerz vom Spannungstyp

9

Medikamente der 2. Wahl ▬ Tizanidin (Sirdalud) 3 mg/Tag (zentrales Mus-

kelrelaxans) ▬ Naproxen (Proxen) 500 mg/Tag ▬ Acetylsalicylsäure (Aspirin protect) 3-mal 100 mg/Tag ▬ Sulpirid (Dogmatil) 3-mal 50 mg ▬ Tranylcypraminsulfat (Jatrosom) 10 mg/Tag, initial ggf. 30 mg/Tag Prinzipiell sollte die Therapie mindestens 6 Monate beibehalten und dann über 4–6 Wochen ausgeschlichen werden.

Atypischer Gesichts-(Kopf-)schmerz Einteilung

▬ Episodischer vs. chronischer KS ▬ Meist Frauen zwischen dem 30und 50. Lebensjahr betroffen! ▬ Ausschlussdiagnose Klinik

▬ Persistierende, orofasziale, überwiegend unilaterale Dauerschmerzen ohne Dermatomzuordnung (70% der Fälle) ▬ Mittlere Schmerzstärke ohne neuralgiformen (einschießenden) Charakter, vielmehr dumpfdrückender oder brennender, schlecht lokalisierbarer Schmerz ▬ Meist gleichbleibende Intensität und Punctum maximum im Wangenbereich (⊡ Abb. 9.3)

⊡ Abb. 9.3. Schematische Schmerzlokalisation bei atypischem Kopfschmerz

146

Kapitel 9 · Kopfschmerz

▬ Meist spontan, gelegentlich nach Trauma (Operation, Infektion, Verletzung etc.) auftretend ▬ Symptomfreie Phasen möglich (Wochen bis Monate) ▬ Begleitsymptome: – Niedergeschlagenheit, Ängstlichkeit, Dysund Parästhesien im Gesichtsbereich (Schwellungsgefühl, Überwärmung, Prickeln, Taubheitsgefühl), Hauttemperaturdifferenz – In 50–70% Plussymptome (Hyperalgesie am Nervenaustrittspunkt, Berührungs- oder Kälteallodynie) – Kein sensibles oder motorisches Defizit! Therapie Pharmakotherapie

9

▬ Nichtopioidanalgetika: ASS 500–1000 mg, Paracetamol 500–1000 mg und Ibuprofen 200–800 mg ▬ Trizyklische Antidepressiva (Amitritylin, Doxepin) ▬ Carbamazepin, Baclofen oder MAO-Hemmer Nichtmedikamentöse Therapie ▬ TENS ▬ Psychotherapie

▬ Invasive Maßnahmen (möglichst vermeiden): GLOA, Sympathikusblockaden Anmerkung: Letztendlich Ausschlussdiagnose!

Schlechte Prognose, geringe Spontanremission. ! Cave: Invasive Maßnahmen jeder Art sollten möglichst vermieden werden (Gefahr der Verschlechterung der Symptomatik).

Clusterkopfschmerz Einteilung ▬ Chronischer (10–20%) Clusterkopfschmerz (>1 Jahr mit Schmerzremission 14 Tage) Der Beginn ist meist im 3.–6. Lebensjahrzehnt.

Männer sind deutlich häufiger betroffen (Männer : Frauen = 16 : 1 bis 8 : 1). Die Prävalenz beträgt ca. 0,9% bzw. die Inzidenz 9,8/100.000 Personen/Jahr. Jahreszeitliche Betonung im Frühjahr und Herbst. Provokation ist möglich durch Alkohol in geringen Mengen, Nitroglyzerin (Nitro-Provokationstest zur Auslösung einer Attacke während einer Anfallsperiode: 1 mg s.l. führt innerhalb von 30–60 min zum Anfall; Testvoraussetzung: keine Attacke innerhalb von 8 h vor dem Test, keine Applikation von vasokonstriktorisch wirksamen Substanzen innerhalb von 24 h), Kalziumantagonisten, Histamin und Nikotin. ! Die Notwendigkeit eines Provokationstests wird sehr kontrovers diskutiert.

Pathogenese In der Pathogenese scheint die aseptische Entzündung und Vasodilatation im Sinus cavernosus oder im Bereich der V. opthalmica superior eine Rolle zu spielen. Erhöhte Aktivität des trigeminovaskulären Systems (CRGP ), erhöhte Aktivität des Parasympathicus (VIP)

Klinik Anfallsartiger (von 1 Attacke alle 2 Tage bis 1–8 Anfälle/Tag), streng einseitiger, peri- oder retrobulbärer bzw. temporal lokalisierter heftigster Kopfschmerz (brennend, bohrend) mit Schmerzverstärkung im Liegen (reduzierter venöser Abfluss aus den Sinus cavernosus); meist ipsilaterale Lakrimation (in 80% der Fälle) oder Rhinorrhö, konjunktivale Injektion (in 50–80% der Fälle) und/oder ipsilaterales Lidödem, Miosis, Ptosis, vermehrtes Schwitzen im Bereich von Stirn und Gesicht (⊡ Abb. 9.4). Die Anfälle treten meist nächtlich oder in den frühen Morgenstunden auf mit typischerweise schnellem Beginn, einer Dauer von 30–180 min und abruptem Ende. Bewegungsdrang während der Attacke (im Gegensatz zur Migräne). Anmerkung: Vor Therapiebeginn symptomatischen Clusterkopfschmerz (Neurinom, Meningeom, zentrale Zysten, ateriovenöse Malformation der A. cerebri media) ausschließen.

147 Clusterkopfschmerz

9

Seite und 45° Reklination, das Ergebnis ist jedoch z. T. unbefriedigend ▬ Gegebenenfalls Dihydroergotamin (Dihydergot) 1 mg i.m.

Prophylaxe Eine Prophylaxe ist bei lang anhaltendem Cluster (>2 Wochen), therapierefraktärem Anfall oder >2 Anfälle/Tag generell angezeigt. ⊡ Abb. 9.4. Schematische Schmerzlokalisation bei Clusterkopfschmerz

Differenzialdiagnose ▬ ▬ ▬ ▬

Migräne Trigeminusneuralgie Akutes Glaukom Chronisch paroxysmale Hemikranie (CPH) mit streng einseitigem und seitenkonstantem Kopfschmerz, Anfallsdauer 2–45 min, 10–30 Anfälle/Tag, positives Ansprechen auf Indometacin (3-mal 25–50 mg; maximal 250 mg/Tag), überwiegend Frauen im Alter von 15–30 Jahren betroffen, niemals nächtliches Auftreten (nach Diener) ▬ SUNCT-Syndrom: Anfallsdauer 15–60 s; 5–30 Attacken/h, beeinflussbar evtl. mit Indometacin oder Carbamazepin

Therapie Akuter Anfall

▬ Inhalation von Sauerstoff (>7 l/min) in sitzender, leicht nach vorn gebeugter Position (15–20 min) – Sauerstoffkonzentrator für die häusliche Akutbehandlung bei der Krankenkasse beantragen ▬ Eventuell ASS-Infusion 1,0 g; ▬ Bei Nichtansprechen: Sumatriptan (Imigran) 6 mg s.c. (maximal 12 mg/Tag) oder ggf. Nasenspray 20 mg (Repetition nach 2 h möglich; maximal 40 mg/Tag) ! Cave: Keine Kombination mit Ergotamin oder Methysergid.

Die orale Triptantherapie ist sinnlos, da bis zum Wirkeintritt die Clusterattacke meist von selbst sistiert. ▬ Gegebenenfalls intranasale Instillation von 1 ml Lidocain 4% unter 30° Rotation zur betroffenen

Bei episodischem Clusterkopfschmerz Medikamente der 1. Wahl:

▬ Verapamil (Isoptin) in ansteigender Dosierung Dosierung: 1./2. Tag 0–0-80 mg 3./4. Tag 80–0–80 mg Ab 5. Tag 4-mal 80 mg p.o. Fortführung über 14 Tage hinaus nach letzter Attacke oder ▬ Ergotamin (Megrexa) 3–4 mg/Tag p.o. oder rektal in 2 ED (2 mg–0–2 mg) für maximal 4 Wochen Medikamente der 2. Wahl:

▬ Methysergid (Deseril) Dosierung: Beginn mit 3-mal 1 mg/Tag und anschließend Steigerung auf maximal 3-mal 2 mg/ Tag für maximal 3–6 Monate ! Cave: Retroperitoneale, endokardiale, pleuropulmonale Fibrose.

▬ Prednison (Decortin) Dosierung: 100 mg in 2 ED für 3 Tage, anschließend Dosisreduktion um 10 mg alle 4 Tage ▬ Lithium (Quilonum ret. oblong.) Dosierung: 1-mal 1 Tbl. à 450 mg für die ersten 3 Tage, ab dem 4. Tag ggf. 2 Tbl. (Serumspiegel 0,4–1,2 mmol/l) – Nebenwirkungen: Tremor, Hypothyreose, Polyurie Medikamente der 3. Wahl:

▬ Valproinsäure (z. B. Orfiril) Dosierung: 5–10 mg/kgKG/Tag, Steigerung alle 4–7 Tage um ca. 5 mg/kgKG (durchschnittliche Dosis 20 mg/kgKG bzw. 1200 mg in 3 ED) Effektivitätsbeurteilung erst nach 2–4 Wochen möglich!

148

Kapitel 9 · Kopfschmerz

Bei chronischem Clusterkopfschmerz Medikamente der 1. Wahl

Therapie

▬ Verapamil (Isoptin) oder ▬ Lithium (Quilonum ret. oblong.)

Voraussetzungen für ambulanten Entzug: ▬ 5 Jahre) ▬ Einnahme von Kombinationspräparaten bzw. psychotropen Substanzen (Schlafmittel, Tranquilizer, Anxiolytika) ▬ Mehrere erfolglose Selbstentzüge ▬ Angst des Patienten vor dem ambulanten Entzug ▬ Begleitdepression ▬ Ungünstige soziale Verhältnisse

Medikamente der 2. Wahl

▬ Prednison (Decortin) Medikamente der 3. Wahl:

▬ Methysergid (Deseril) ▬ Valproinsäure (z. B. Orfiril)

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz

9

Inzidenz: 5–10% aller Kopfschmerzpatienten einer Spezialambulanz leiden an medikamenteninduziertem Kopfschmerz. Durchschnittliche Dauer der Einnahme: 5 Jahre. Auftreten bevorzugt bei Frauen (Frauen : Männer = 3–5:1) zwischen 40.– 50. Lebensjahr. Die häufige (tägliche) Einnahme von Analgetika [Paracetamol, Metamizol, ASS (>50 g/Monat bzw. 3 Tbl./Tag), Triptanen oder Ergotaminpräparaten] kann selbst einen Dauerkopfschmerz auslösen.

Klinik ▬ Dumpf-drückend, auch pulsierender Dauerkopfschmerz, meist bilateral (besonders bei Ergotaminen), bereits beim Aufstehen bzw. Akzentuierung in den frühen Morgenstunden. ▬ Hohe Rückfallrate von 30% nach erfolgreichem Entzug. ▬ Typische Beleitsymptome: Anämie (Blutverlust), Magenschmerzen (Gastritis durch Antirheumatika), bei Ergotamin/ Sumatriptanabusus kalte Akren, abgeschwächte periphere Pulse, abdominelle Beschwerden mit Wechsel von Diarrhö und Obstipation. Anmerkung: Clusterkopfschmerzpatienten entwi-

ckeln keinen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz.

Medikamentenentzug

Medikamentös unterstützend ▬ Naproxen (Proxen) 2-mal 500 mg p.o. über

10 Tage ▬ Gegebenenfalls plus Metoclopramid (Paspertin) 20 mg p.o. und ▬ Acetylsalicylsäure 500–1000 mg alle 8 h ▬ Gegebenenfalls Amitriptylin oder Thioridazin (Melleril) 30–60 mg ! Cave: Chronische Nephropathie, Karzinome der harnableitenden Systeme (5- bis 10-fach erhöht).

Zervikaler Kopfschmerz Immer einseitiger Schmerz mit stechend drückendem Charakter vom Nacken ausgehend und über die Parietalregion ins Gesicht einstrahlend, ggf. nicht radikulärer Schulter-/Armschmerz. Mechanische Auslösung durch bestimmte Kopfhaltungen oder Halsbewegungen. Erkrankungsalter: >40. Lebensjahr. Nach Blockade der Wurzel C2 mit einem Lokalanästhetikum verschwindet der Schmerz für 1– 2 Tage. Gegebenenfalls Schluckbeschwerden und Kloßgefühl, Druckschmerz über HWK 2.

149 Trigeminusneuralgie

9

Pathophysiologie

Differenzialdiagnose

Erregung der Nozizeptoren der kleinen Wirbelgelenke, deshalb muskuläre Verspannung (chronische Form) oder Irritation der oberen zervikalen Wurzel durch Gefäße und Narbengewebe.

Trigeminusneuropathie (fehlender Cornealreflex), Clusterkopfschmerz, postherpetische Neuralgie, multiple Sklerose, Neurinome des N. trigeminus (Sensibilitätsstörungen und Atrophie der Kaumuskulatur).

Therapie ▬ Krankengymnastik, Wärme-/Kälteapplikation, TENS plus ▬ Ibuprofen (Optalidon, Opturem, Ibuprofen) Dosierung: 800 ret. 1–2 Tbl./Tag (800–1600 mg/ Tag) ▬ Naproxen (Proxen) Dosierung: 1- bis 2-mal 250 mg bis 2-mal 500 mg p.o. ▬ Diclofenac (Voltaren) Dosierung: 3-mal 50–100 mg p.o. oder rektal oder ▬ Flupirtin (Katadolon) Dosierung: 3- bis 4-mal 100 mg p.o., 3- bis 4-mal 150 mg rektal (maximal 900 mg/Tag)

Trigeminusneuralgie Streng einseitiger, für Sekunden bis maximal 2 min Dauer einschießender heftigster Schmerz, durch Trigger (Essen, Rasieren, Wind, Berührung) auslösbar. Meist V2- (35%) oder V3-lokalisiert (44%), gelegentlich mit Kontraktionen der mimischen Muskulatur (= »tic douloureux«; ⊡ Abb. 9.5). Patientenalter: meist >40 Jahre, bei jüngeren Patienten an multiple Sklerose denken (Demyelinisierung)!

⊡ Abb. 9.5. Schematische Schmerzlokalisation bei Trigeminusneuralgie V2

Therapie ▬ Medikament der 1. Wahl: Carbamazepin (Tegretal) Dosierung: 2-mal (100)–200–400 mg, ggf. bis maximal 1800 mg/Tag in 3–4 Einzeldosen (Spiegel: 5–10 mg/Tagl) anfangs bis zu 90%ige Schmerzfreiheit, allerdings zunehmender Wirkverlust (50% haben nach 10 Jahren wieder einschießenden Schmerz) ▬ GLOA (ganglionäre lokale Opioidanalgesie) des Ganglion cervicale superior Dosierung: 5–10 Infiltrationen bei Erfolgseinstellung bis zum 4. Mal Gabe von 0,03 mg Buprenorphin in 1–2 ml NaCl 0,9% oder Ganglion-stellatum-Blockaden (5–10 ml 0,25% Bupivacain in Höhe von C7), bis zu 3-mal pro Woche Blockaden des Ganglion pterygopalatinum Bei unzureichender Schmerzreduktion: ▬ Gabapentin (Neurontin) Dosierung: ca. 900–1500 mg/Tag in 3 Einzeldosen oder ▬ Pregabalin (Lyrica) Dosierung: 150–600 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen, Startdosis 2-mal 75 mg/Tag oder ▬ Phenytoin (Zentropil) Dosierung: 100–300 mg/Tag (Spiegel: 15 mg/ Tagl) Isoliert oder in Kombination mit Carbamazepin oder ▬ Kombination von Carbamazepin (Tegretal) und Baclofen (Lioresal) Dosierung: 3-mal 5–10 mg; Steigerung um 5– 10 mg an jedem 3. Tag bis auf ca. 60 mg/Tag; maximal 80 mg/Tag; Wirkung über GABAB-Rezeptoren

150

9

Kapitel 9 · Kopfschmerz

oder ▬ Clonazepam in einschleichender Dosierung von 0,5 mg zur Nacht, bis ca. 3–8 mg/Tag steigern ▬ Lamotrigin (Lamictal) Dosierung: initial 25 mg, jeden 3. Tag um 25 mg steigern, bis maximal 400 mg/Tag ▬ Doxepin: Schmerzfreiheit in 43%, Schmerzverringerung in >50% der Fälle ▬ Blockade des Ganglion Gasseri mittels Lokalanästhetikum ▬ Eventuell operative Verfahren: Operation nach Janetta bei jüngeren Patienten: mikrovaskuläre Dekompression des N. trigeminus (meist A. cerebelli superior) Erfolgsquote 80–90%, Letalität: 0,2–1,0% – Komplikationen: Hirnnervenläsionen (6 Monate bestehende Schmerzsymptomatik) werden wieder in ihren Arbeitsprozess eingegliedert. Hierdurch entstehen für das Gesundheitssystem immense Kosten: 16–17 Mio. € pro Jahr an Gesamtkosten in Deutschland. Eine adäquate Behandlung von Rückenbeschwerden muss früh einsetzen.

Einteilung Das Symptom Rückenschmerz lässt sich einteilen A. Nach der Ursache in: 1. Unspezifische Rückenschmerzen, bei denen sich im Gegensatz zu den spezifischen keine Hinweise auf ursächliche Erkrankungen wie z. B. Frakturen, Tumoren oder Entzündungsprozesse finden lassen. Die meisten Rückenbeschwerden beruhen auf keiner strukturellen, sondern einer funktionellen Störung des Stütz- und Bewegungsapparates. Eine vorübergehende akute Lumbalgie/Lumboischialgie bedarf daher nur in Ausnahmesituationen einer intensiveren Diagnostik: Schmerzanamne-

se und klinische bzw. symptomorientierte neurologische Untersuchung zum Ausschluss von Warnsymptomen aufgrund spezifischer Erkrankungen im Bereich der WS, welche eine intensivere Abklärung bedürften, reichen völlig aus. Warnzeichen sind: Alter >50 oder 3 Monate an ≥3 verschiedenen Körperregionen ober- und unterhalb der Taille; »widespread pain«) und ▬ Druckschmerzhaftigkeit von 11 der 18 »tender points« (⊡ Abb. 12.1; Druck bei Untersuchung ca. 24 g/cm2) in Kombination mit 5 Kardinalsymptomen:

1. Chronische polytope, extraartikuläre Schmerzen 2. Müdigkeit 3. Depression

4. Schlafstörungen (gestörte Non-REM-Phase) 5. Neuroendokrine Dystonie und ggf. Morgensteifigkeit (besonders der Hände), Kältegefühl in den Händen, Schmerzverstärkung durch Stress, Kälte und physische sowie psychische Überforderung ▬ Eventuell Überprüfung der Kontrolltriggerpunkte (umstitten, sollte nicht zur Ausschlussdiagnostik führen, wegen der Gefahr einer falsch negativen Diagnose) Kontrollpunkte: – Stirnmitte, 2 cm oberhalb des Orbitarandes – Klavikula, Übergang laterales/mittleres Drittel – Unterarmmitte zwischen Radius und Ulna dorsal, 5 cm proximal des Handgelenkes – Daumennagel – Thenarmitte – M. biceps femoris (Mitte des Oberschenkels) – Tuber calcanei (plantar, Mitte) ▬ Überprüfung der »tender-points« durch Daumendruck, besser mit Dolorimeter (4 kp/cm2) ▬ Psychologische Diagnostik Auffälligkeiten: – Kausal und Kontrollattributationen der Fibromyalgiepatienten mit Vermeidungsverhalten von freudebringenden Hobbys – Fixierung auf organische Ursache – Frühkindlicher Missbrauch oder Gewalt in 2/3 der Fälle ▬ Psychometrische Untersuchungen: – Depressivität – Schmerzverhalten und soziale Unterstützung – Frühkindlicher Missbrauch – Posttraumatische Anpassungsstörung – Verlust- und Versagenszustände – Erfahrungen mit bisherigen Therapien

164

Kapitel 12 · Fibromyalgie

Laborkonstellation Schweregradeinteilung ▬ Leichtgradig: – Keine Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – Geringe Aktivitätsstörungen – Gutes Anssprechen auf Therapiemaßnahmen ▬ Mittelgradig: – Allmähliche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – Mittlere Aktivitätsstörungen – Partielles Ansprechen auf Therapiemaßnahmen ▬ Schwergradig: – Rasche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – ausgeprägte Aktivitätsstörungen – Kein Ansprechen auf Therapiemaßnahmen

▬ Normal: BSG, Muskelenzyme, Muskelbiopsie, Immunglobuline, Differenzialblutbild ▬ Pathologisch: ggf. Calcitonin erniedrigt, AKNachweis gegen Serotonin und Phospholipide, Ganglioside und Nucleoli (30–70% pos.itiv)

Pathogenese ▬ Störung der zentralen Schmerzverarbeitung mit reduzierter Schmerzschwelle ⇒ Körperwahrnehmungsstörung ▬ Störung neuroendokriner Regelkreise mit reduzierten Konzentrationen an Serotonin (im Serum) und basalem Cortisol (im 24-h-Urin); pathologische Cortisolsekretion nach Stimulation ▬ Dysfunktion der Hypothalamus-HypophysenSchilddrüsen-Achse ▬ Erhöhte Konzentration von z. B. Substanz P (im Liquor), Met-Enkephalin, Dynorphin A

12

⊡ Abb. 12.1. Lokalisation der »tender points«. (Nach Brune et al. 2001)

165 Kapitel 12 · Fibromyalgie

Auszuschließende Erkrankungen ▬ Allgemein:

– Arzneimittelnebenwirkungen ▬ Internistisch-rheumatologisch: – Entzündlich-rheumatische Erkrankungen – Chronisch entzündliche Muskelerkrankungen – Infektionen mit Auswirkung auf das Bewegungssystem (Borelliose) – Endokrinologische Erkrankungen – Osteoporose – Psoriasis mit Gelenkbeteiligung – Disseminierte Tumorerkrankungen (z. B. Plasmozytom) – Hämochromatose ▬ Orthopädisch: – Statisch-muskuläre Dysbalancen – Hypermobilität – Myofasziale Schmerzsyndrome ▬ Neurologisch: – Muskuläre fokale Dystonien – Multiple Sklerose – Entzündlich-degenerative neuromuskuläre Erkrankungen (Neuroborelliose) – M. Reklinghausen ▬ Psychiatrisch-psychotherapeutisch: – Depression – Anhaltende somatoforme Störung – Somatisierungsstörung – »post traumatic stress disorder«

Therapie ▬ Multimodaler Therapieansatz! ▬ Aufklärung über die Krankheit und Beratung des Patienten ▬ Kontinuierliche Betreuung des Patienten ▬ Deeskalierende medikamentöse Therapie ▬ Wärme- (Fango) und Kälteanwendungen (Kältekammer) ▬ Teilnahme an Feldenkrais-Therapie, sportliche Betätigung und Verbesserung der Ausdauerfähigkeit ▬ Psychologische und psychotherapeutische Verfahren (Schmerz- und Krankheitsbewältigung) ▬ Niedrig dosiertes Amitriptylin 10–25 mg (25– 30% positive Effekte) ▬ Tropisetron (Navoban) 5 mg/Tag p.o. oder 2 mg als Bolus i.v.

▬ ▬ ▬

12

(sehr teures Präparat; Blockade der S3-Rezeptoren, was die Substanz-P-Freisetzung reduziert) Zurückhaltender Versuch mit Opioiden (Tilidin oder Tramadol; Tramadol interagiert mit dem Serotoninstoffwechsel) NSAR (Ibuprofen) oder Flupirtin Gegebenenfalls MAO-A-Hemmer Moclobemid (Erhöhung der niedrigen Serotoninspiegel) Versuchsweise TLA in die »tender points«

▬ ▬ TENS

13 Rheumatischer Schmerz

Definition der rheumatoiden Arthritis

Klinik

Erkrankungen des Bindegewebes und schmerzhafte Störungen des Bewegungsapparates, die potenziell zur Ausbildung chronischer Symptome führen. Am häufigsten sind die primär degenerative Gelenkerkrankung und die chronische Polyarthritis.

⊡ Tabelle 13.1 gibt einen Überblick über die Klinik chronischen Polyarthritis und der Osteoarthrose.

Prävalenz

Schätzungsweise ca. 1%, d. h. auf 100.000 Einwohner kommen 1000 Personen mit rheumatischen Beschwerden.

Therapie

Die generellen Behandlungsmöglichkeiten der rheumatoiden Arthritis gliedern sich in ▬ Symptomatische medikamentöse Therapie mit rasch wirksamen Substanzen, wie Antiphlogistika (NSAR, COX-2-Hemmstoffe), Glukokortikoide (systemisch und ggf. intraartikulär), sowie die langsam wirksamen, krankheitsmodulierenden Basistherapeutika (DMARD = »disease

⊡ Tabelle 13.1. Klinik der chronischen Polyarthritis und der Osteoarthrose Osteoarthrose

Chronische Polyarthritis

Verlauf

Degenerativ

Entzündlich

Alter (Jahre)

>50

30–45

Morgensteifigkeit

60 min

Gelenke

Monarthrose

Symmetrisch, >3 Gelenke

Rheumafaktor

Niedriger Titer

Hoher Titer

BSG