Ein Königreich für Alexander : Philipp von Makedonien : sein Leben, sein Werk und die erregende Entdeckung seines Grabschatzes in Vergina 9783785702956, 3785702957


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German Pages 254 [258] Year 1982

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Ein Königreich für Alexander : Philipp von Makedonien : sein Leben, sein Werk und die erregende Entdeckung seines Grabschatzes in Vergina
 9783785702956, 3785702957

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KÖNIGREICH FÜR ALEXANDER Philipp von Makedonien

e Entdeckung seines Gabschatzes in Versina

EIN KÖNIGREICH FÜR ALEXANDER Philipp von Makedonien

EIN KÖNIGREICH FÜR ALEXANDER Philipp von Makedonien

Sein Leben, sein Werk und die erregende Entdeckung seines Grabschatzes in Vergina

Herausgeber M. B. Hatzopoulos/ L. D. Loukopoulos

Gustav Lübbe Verlag

© 1982 für die deutsche Ausgabe Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach © 1980 by Ekdotike Athenon, George A. Christopoulos, John C. Bastias Ins Deutsche übertragen von Gisela von der Trenck. Überarbeitet von Joachim Rehork. Satz: Friedrich Pustet, Regensburg Druck und Einband: Ekdotike Hellados S. A. Alle Rechte vorbehalten Printed in Greece ISBN 3-7857-0295-7

\ferzeichnis der Mitarbeiter

Herausgeber:

Die Mitarbeiter:

Mütiades B. Hatzopoulos und Louisa D. Loukopoulos

Manolis Andronikos

Institut für altgriechische und römische Studien, Forschungsstiftung des Griechischen Staates

Professor der Klassischen Archäologie an der Universität Thessaloniki. Jahrelang Leiter der Ausgrabungen in Vergina, wo er 1977 das Grab Philipps II. entdeckte. Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen, u. a. Vergina: Der Friedhof der Tumuli (neugriechisch).

George Cawkwell Mitglied (Fellow) des Kollegiums der Universität Oxford. Spezialisiert auf historische Probleme des 4. Jahrhunderts v. Chr., Autor eines Buches über Philipp II. (Philip of Macedon), Herausgeber der bei Penguin erschienenen Übersetzungen von Xenophons Anabasis und Hellenika.

Harry J. Dell Professor für Geschichte an der Universität von Virginia (USA). Seine systematischen Untersuchungen über die Balkanvölker im Altertum fanden Niederschlag in zahlreichen Aufsätzen über die Geschichte Alt-Makedoniens.

Charles F. Edson Professor emeritus für Geschichte (Universität von Wisconsin/USA). Namhafter Kenner Alt-Makedoniens. Herausgeber der griechischen Inschriften aus Thessaloniki

und Umgebung im Rahmen des Standardwerkes Inscriptiones Graecae (Berlin, seit 1873).

/. R. Ellis Dozent (Senior Lecturer) für Klassische Altertumskunde an der Monash University (Australien). Verfasser des Buches Philip II and Macedonian Imperialism sowie zahlreicher bahnbrechender Arbeiten über die Geschichte AltMakedoniens.

G. T. Griffith Mitglied (Fellow) des Gonville and Caius College, Cambridge, Mitglied (Fellow) der British Academy. Verfasser zahlreicher hervorragender Arbeiten zur Alten Geschichte, u. a. The Mercenaries of the Hellenistic World. Mitarbeiter N. G. L. Hammonds am zweiten Band von dessen History of Macedonia.

N. G. L. Hammond Professor emeritus für griechische Sprache, Universität Bristol, Ehrenmitglied des Cläre College, Cambridge, Mitglied der British Academy. Früchte langjähriger Studien der Alten Geschichte des Epeiros und Makedoniens sind seine monumentalen Werke Epirus und A History of Macedonia (Bd. 2 zus. m. G. T. Griffith).

George Le Rider Administrateur General der Bibliotheque Nationale; Ecole Pratique des Haute Etudes (4me division), Paris. Hervorragender Numismatiker, Verfasser eines einschlägigen Werkes über die Münzprägungen Philipps II. (Le monnayage d'argent et d'or de Philippe II. frappe en Macedoine de 359 a 294)

Pierre Leveque Präsident der Universität von Franche-Comte (Besannen/ Frankreich). Ausgezeichneter Kenner Altgriechenlands. Verfasser einer Monographie über König Pyrrhos sowie des Buches L'aventure grecque.

M. B. Sakellariou Professor emeritus der Alten Geschichte an der Universität von Thessaloniki. Direktor des Instituts^ für altgriechische und römische Studien der Forschungsstiftung des griechischen Staates, Athen. Historiker mit weitgespannten Interessen, widmet er sich insbesondere der Untersuchung institutionaler und ideologischer Entwicklungen im Altertum. Er ist Verfasser folgender Werke: Lamigration ionienne; Peuples prehellenique d'origine indoeuropeenne; Les Proto-Grecs sowie mehrerer Arbeiten über die Geschichte Griechenlands im 4. Jahrhundert v. Chr.

Inhalt

Vorwort Das frühe Makedonien Charles Edson Die Einigung Makedoniens /. R. Ellis Die Münzprägung Philipps II. und die Minen im Pangaion-Massiv Georges le Rider

Von der panhellenischen Idee zur panhellenischen Einheit M. ß. Sakellariou 128 10

36

Philipp und Makedoniens nördliche Nachbarn Harry ]. Dell Philipp und Athen George Cawkwell Das Wechselspiel der Kräfte M. ß. Sakellariou

146

Philipps Ende N. G. L. Hammond

166

Die Persönlichkeit Philipps II. Pierre Leveque

176

Die Königsgräber von Aigai (Vergina) Manolis Andronikos

188

Zeittafel

232

48

Philipp II. als Feldherr und die makedonische Armee G. T. Griffith 58 Philipp und die Amphiktyonie von Delphi George Cawkwell

Makedonien unter Philipp /. R. Ellis

78

90

Literaturverzeichnis, Literaturhinweise und Anmerkungen 235

100

112

Verzeichnis der Karten und Abbildungen

249

Register

251

\forwort

Im Herbst des Jahres 1977 brachte der Spaten der Archäologen im makedonischen Vergina bei den Grabungen im Bereich der sogenannten >Großen Tumba< das erste nicht ausgeplünderte >makedonische< Grab ans Tageslicht. Die einzigartigen Kunstwerke und Kostbarkeiten, die so lange hinter den unverletzten Marmortüren verborgen gelegen hatten, ließen keinen Zweifel daran, daß es sich um ein Königsgrab handelte, und die Datierung der Funde legte zwingend die Folgerung nahe, der königliche Tote könne niemand anders sein als Philipp, Sohn des Amyntas, König der Makedonen und >Hegemon< der Griechen. Diese Hypothese, die sofort nahezu allgemeine Zustimmung fand, rief selbstverständlich großen Eindruck hervor, und zwar sowohl beim breiten Publikum, das seither nicht aufhört, Wißbegier, Erregung und Begeisterung zu äußern, als auch in Fachkreisen, die durch ein ohnehin ständig gewachsenes Interesse an Philipps Regierungszeit in gewisser Weise auf eine Neubewertung ihrer historischen Bedeutung vorbereitet waren. Schon vor 1977 zeigte sich bei den Historikern die zunehmende Tendenz, Philipp nicht mehr lediglich als den Vater seines berühmten Sohnes anzusehen, sondern ihn selbst als einen der größten Makedonenkönige, wenn nicht sogar als eine der bedeutendsten Gestalten der Geschichte des antiken Griechenlands überhaupt zu betrachten. Er war in erster Linie ein König der Makedonen, der sein Land gebietsmäßig verstümmelt, politisch zerrissen, militärisch dezimiert, kulturell zurückgeblieben übernahm und es innerhalb eines Vierteljahrhunderts nicht nur wiederherstellte, sondern seine Grenzen nach außen ausdehnte, es im Inneren zu einer Einheit schmiedete, zur größten Militärmacht der Epoche machte und es - wie bei jeder neueren archäologischen Entdeckung deutlicher wird - kulturell auf ein Niveau hob, das höher war als dasjenige vieler anderer Gebiete Griechenlands. Darüber hinaus wird Philipp als politische Persönlichkeit von panhellenischem Rang anerkannt, der es weniger mit Waffengewalt als vielmehr mit Überredungskunst gelang, die sich gegenseitig zerfleischenden griechischen Stadtstaaten zu einigen, ohne sie zu unterjochen. Schließlich war er - was oft vergessen wird - trotz der Heftigkeit seiner Leidenschaften eine der faszinierendsten Persönlichkeiten seiner Epoche. Mr]Ö£JTOTE TT)V El)QÜ)JtT|V EVT|VOXEVai TOIOÜTOV ävÖQQ JTCCQa-

Jtav OLOV TÖV fAfiiJVTOU $iX.LJtJtov (>Nie habe Europa einen Mann hervorgebracht wie Philipp, den Sohn des AmyntasWestgriechen< nennen und deren herausragendes Einzelelement die Dorier waren, kamen aus dem zerklüfteten Pindos-Gebirge im Nordwesten der eigentlichen griechischen Halbinsel. Das Pindos-Gebiet, das nur über wenig anbaufähiges Land verfügt, vermochte eine wachsende Bevölkerung nicht zu ernähren, und die Regionen südlich davon konnten nicht noch weitere Einwanderer aus dem Norden aufnehmen. Bedeutende westgriechische Bevölkerungselemente verblieben im Pindos. Sie sind es, die Herodot1 als >makednon ethnos< bezeichnet und bei denen sich allmählich eine Bewegung in nordöstlicher Richtung über den Gebirgszug des Pindos hinüber in jene Region entwickelte, die später als >Ober-Makedonien< 2 bekannt werden sollte. Um das Jahr 700 v. Chr. finden wir makedonische Stämme auf den Osthängen des Pindos1 angesiedelt. Unter diesen Stämmen befanden sich die Oresten in der Gegend des Sees von Kastoria. Aus der Orestis, wie das betreffende Gebiet genannt wurde, kam eine Sippe mit dem Namen Argeaden, >Abkömmlinge des Argeasmakednischen< Verwandten in Ober-Makedonien waren die argeadischen Makedonen allen politischen und wirtschaftlichen Strömungen und kulturellen Einflüssen der ägäischen Welt6 ausgesetzt. Die wesentlichen Institutionen des Königreichs waren typisch frühgriechisch. An der Spitze des Volkes stand der

König. Er war Anführer im Kriege und verantwortlich für die Beziehungen seines Volkes zu den Göttern7. Eine Versammlung der kampffähigen Männer wählte den neuen König unter den zur Verfügung stehenden männlichen Mitgliedern der Königsfamilie, in der Regel den ältesten Sohn des früheren Herrschers8, und konnte die Wünsche und Ansichten des Volks zum Ausdruck bringen. Von entscheidender Bedeutung waren die Gefährten, hetairoi, des Königs. Sie waren seine persönlichen Gefolgsleute. Sie kämpften für ihn in der Schlacht, und im Frieden dienten sie ihm, was immer er befahl. Als Gegenleistung erhielten sie Landbesitz und genossen auch andere materielle Vorteile. In ihrem sozialen Status und ihrer Funktion erinnern sie an die homerischen hetairoi der achäischen Herrscher9. Diese persönliche Beziehung zum gegenseitigen Vorteil bei gegenseitiger Verpflichtung entwickelte sich zum spezifisch makedonischen Herrschaftssystem. Dieses erhielt seine Weihe durch die Feier der Hetairideia zu Ehren des Zeus Hetaireios, bei welcher der König10 den Vorsitz führte. Die so geprägte Gesellschaft hatte Sitten und Gebräuche ganz eigener Art. Es finden sich Spuren von Blutrache". Ein Makedone, der noch keinen Feind getötet hatte, war Aristoteles zufolge12 - verpflichtet, sich mit einem Strick zu gürten. Die Hochzeitszeremonie bestand im Zerteilen eines Brotlaibs durch Braut und Bräutigam13, die dann von beiden Teilen kosteten. Bankett und Umtrunk waren beliebte Zerstreuungen des Adels, der auch die Jagd mit großer Leidenschaft betrieb. Im frühen Frühjahr jedes Jahres fand die zeremonielle >Reinigung< des Heeres statt, an der die kampffähigen Männer in voller Rüstung mit dem König an der Spitze teilnahmen. Ein Scheingefecht beschloß die Zeremonie14. Obgleich die Religion der Makedonen grundsätzlich griechisch war (wie aus den Monatsnamen hervorgeht, aber auch aus dem Glauben, daß das Volk von Makedon, einem Sohn des Zeus, abstamme und die königliche Familie von Herakles), gab es doch starke thrakische Einflüsse, und zwar durch die Bevölkerungsgruppen, die von den Makedonen vertrieben oder unterworfen worden waren. Dies ist der Ursprung des stark gefühlsbetonten Sabazios-Kults bei den Makedonen mit seinen lokalen Varianten der Satyrn, den Sauadai, und der Bakchanten, den Klodones wie den Mimallonesis. Es ist kaum verwunderlich, daß den Griechen der Stadtstaaten diese Gesellschaft fremd, ungriechisch oder, wie sie es nannten, >barbarisch< erscheinen mußte. So stellt sich uns beim ersten Blick das Makedonenreich

dar. Es war eine locker organisierte Gesellschaft, die nach der Eroberung von Bottiaia nicht mehr aggressiv war. Die Könige stellten die Existenz zweier griechischer Kolonien, Pydna und Methone, unmittelbar an der pierischen Küste ihres Herrschaftsbereiches nicht in Frage. Doch die Zukunft der Monarchie wie des Volkes sollte erst durch ihre Reaktion auf eine scheinbar übermächtige Bedrohung von außen gesichert werden. Um 513 v. Chr. betrat das Heer des Perserreichs europäischen Boden. Das Ziel des Feldzugs, die Unterwerfung der Nomaden in den Ebenen der Walachei und Südrußlands, wurde nicht erreicht, doch brachten die Perser die thrakischen Stämme und die griechischen Küstenniederlassungen auf dem östlichen Balkan in ihre Gewalt. Persische Abgesandte suchten den Hof des Argeaden-Königs Amyntas I. auf, und dieser wurde persischer Untertan. Von etwa 510 bis 479 v. Chr. war das Königreich der Argeaden ein Vasallen-Fürstentum unter persischer Oberhoheit, wenn auch nicht unter unmittelbarer Verwaltung durch einen Satrapen. Als 491 v. Chr. abermals ein persisches Expeditionskorps erschien, machten die Makedonen keinen Versuch, sich ihm entgegenzustellen16. Als elf Jahre später Xerxes mit seiner riesigen Armee eintraf, erfüllte Amyntas'fähiger Sohn Alexander I. seine Pflicht als Vasallenfürst, und die Makedonen folgten Xerxes auf dessen Zug nach Süden17. Es war unmöglich, die persische Herrschaft durch einen offenen Aufstand herauszufordern. Alexander wußte, daß die einzige Chance für die Erlangung der Unabhängigkeit ein griechischer Sieg war. Vor Xerxes' Ankunft waren Alexander Ehrungen von selten Athens zuteilgeworden, weil er Material für dessen Flotte geliefert hatte, und später informierte er die Griechen insgeheim über die Absichten der Perser. Und nach dem griechischen Endsieg bei Plataiai fügte Alexander den zurückflutenden Persern eine »vernichtende Niederlage« (TE)I£IOV aTu/Tma)18 zu. Der Rückzug der Perser gab dem König die Möglichkeit, seinen Herrschaftsbereich auszudehnen. Er brachte das Becken am Unterlauf des Axios in seine Gewalt und vertrieb die thrakischen Edonen aus dem langgestreckten Tal, das genau nördlich vom Thermäischen Golf beginnt und sich zum Strymonischen Busen hinüberzieht19. Dann 1. —> Die Dynastie der Argeaden errichtete ihre Hauptstadt in Aigai unweit des Flusses Haliakmon an den Ausläufern der pierischen Bergkette. Die Luftaufnahme zeigt die eindrucksvolle Palastanlage, die bei Vergina freigelegt wurde, dem Ort, den man als die Stätte der antiken makedonischen Hauptstadt identifizierte.

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DAS STAMMLAND DES MAKEDONISCHEN REICHES , Suflgriechische Kolonien

14

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wandte sich der König nach Westen und vertrieb die Horden aus dem vom Meer abgeschnittenen Becken des Bokeritis-Sees westlich der Bottiaia und die Almoper aus ihrem Talkessel nordwestlich dieser Küstenebene 20 . Durch die Eroberung der Eordaia kamen die argeadischen Makedonen mit den makednischen Stämmen des östlichen Pindos in direkten Kontakt, und diese Stämme wurden, wie Thukydides berichtet, »Verbündete der ArgeadenKönige und ihnen tributpflichtig« 21 . Alexander brachte außerdem die thrakischen Bisalter am Westufer des unteren Strymon in seine Gewalt. Dieser Stamm wurde nicht vertrieben, sondern verblieb an seiner ursprünglichen Heimstatt, eine entsprechende Regelung wurde für die Krestonier westlich von den Bisaltern22 getroffen. Schließlich erwarb Alexander auch Anthemos, das Gebiet genau östlich vom Innenwinkel des Thermäischen Golfes 23 . Das gesamte Gebiet seines Reichs war inzwischen unter dem Namen >Makedonia< bekannt 24 . Alexander hatte den Umfang seines Königreichs vervierfacht. Er war auch der erste Argeaden-König, der eigene Münzen schlagen ließ25. Aber eben diese Eroberungen schufen jene Verhältnisse, denen sich die Makedonen während des gesamten Zeitraums der Unabhängigkeit ihres Königreichs gegenübersahen - strenggenommen bis zu dem Zeitpunkt, da Kaiser Augustus schließlich die Donau zur nördlichen Verteidigungsgrenze der klassischen Welt machte - und die die Gesellschaft und die Institutionen ihres Landes ständig beeinflussen sollten. Jenseits der Ostgrenze des Königreichs lebten thrakische Völkerschaften wie die Odomanten und Edonen, weiter östlich gründeten bald darauf die thrakischen Odrysen ein mächtiges Reich am Mittellauf des Hebros26. Im Norden waren paionische Stämme recht schwierige Nachbarn 27 , und im Westen jenseits der Gebiete der Vasallenfürsten Ober-Makedoniens stellten illyrische Stämme für die Macht der Argeaden über die verbündeten makednischen Stämme des östlichen Pindos eine Bedrohung dar. 28 Alexanders Eroberungen erforderten eine Politik, durch welche die neuen Territorien dem Königreich wirksamer integriert werden konnten. Alexander erreichte dies, indem er die alte Institution der 2. Das Stammland des makedonischen Königreichs der Argeaden war das Gebiet zwischen den Osthängen des Pindos-Gebirges und der pierischen Küstenebene. Etwa um den Beginn des 7. Jahrhunderts v. Chr. setzte sich ein Teil der Oresten, eines makedonischen Stammes, auf der Suche nach fruchtbarem Land in Bewegung, zog in östliche Richtung und ließ sich in Pierien nieder, das damit zum Kern des Argeadenreiches wurde.

hetairoi (der >GefährtenGefährten zu FußNeun Wege< (Ennea Hodoi, das spätere Amphipolis) 33 zu kolonisieren, den strategischen Punkt, der den einzigen Übergang über den unteren Strymon beherrscht; aber nach einem anfänglichen Erfolg wurden die Siedler, die sich zu weit landeinwärts vorgewagt hatten, von den Edonen aufgerieben. Alexander mag bei dieser Katastrophe eine Rolle hinter den Kulissen gespielt haben. Doch dieser Fehlschlag brachte die Athener nicht davon ab, ihr Ziel (die Kontrolle des unteren Strymon-Tales) weiterzuverfolgen. Ihr Interesse an diesem Gebiet wird aus der Anklage deutlich, die 463 v. Chr. von politischen Gegnern Kimons erhoben wurde, die Kimon vorwarfen, er habe versäumt, die Gelegenheit zu nutzen, »ein ordentliches Stück von Makedonien abzuschneiden«, weil er von Alexander bestochen worden sei34. Dieser Ausdruck kann sich nur auf Bisaltia beziehen, das von den Argeaden beherrschte Gebiet längs des Strymon-Westufers. Die Tributlisten des Attischen Seereichs weisen aus, daß die über 30 km von der Küste entfernte Stadt Berga in den Jahren 452 bis 446 v. Chr. an Athen Tribut zahlte, während sie auf den Listen für 443/2 nicht mehr auftaucht. Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor Ausbruch des Peloponnesischen Krieges entsandte Perikles 1000 Athener Kleruchen, die sich bei den Bisalten niederlassen sollten35. Im Jahre 437 schließlich gelang es Athen, an den >Neun Wegeru, die nun Amphipolis hießen, eine gemischte Kolonie zu begründen und damit seinen Einfluß am unteren Strymon wieder geltend zu machen. Das zeigt sich darin, daß in den Jahren 435 bis 43l16 Berga in den Tributlisten erneut auftaucht. Die Rivalität zwischen Athen und Makedonien im unteren Strymon-Tal 16

während des fünften Jahrhunderts liegt offen auf der Hand. Aber der Hauptstadt des Seereiches standen auch direkte Druckmittel zur Verfügung. In Strepsa an der Nordküste des Thermäischen Golfs besaß Athen bis zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges eine Enklave auf makedonischem Boden17. So konnten die Athener die Küsten dieses unter der Herrschaft der Argeaden38 stehenden Meerbusens nach Belieben blockieren. Und Athen hatte die Möglichkeit, dynastische Streitigkeiten bei den Makedonen durch Unterstützung von Thronprätendenten auszunutzen oder zu provozieren. So befand sich zur Zeit der Ereignisse, mit denen Thukydides' eigentliche Schilderung einsetzt, Athen mit den Makedonen im Kriegszustand, weil die Athener ein Bündnis mit Philipp geschlossen hatten, einem jüngeren Bruder des Königs Perdikkas II., der seinem Vater Alexander auf dem Thron nachgefolgt war, und den Herrschaftsanspruch Philipps unterstützten19. Auch die Herrscher der Vasallenfürstentümer in Ober-Makedonien konnten als Hebel für Athens Politik dienen. Dem wahrscheinlich um 413 ausgehandelten Vertrag zwischen Athen und Perdikkas II. zufolge trat Athen als Wahrer der Interessen des Königs von Lynkos in Ober-Makedonien auf 40 , und es war der König von Elimeia im Südabschnitt des dortigen Gebietes, der einst die Ansprüche des mit Athen verbündeten Perdikkas-Bmders Philipp unterstützt hatte41. Es kam auch vor, daß Athen Barbarenvölker, deren Gebiet an das der Makedonen grenzte, gegen Makedonien aufwiegelte. So fielen 429 v. Chr. auf Athens Betreiben die starken Streitkräfte der Odrysen, bei denen sich Abgesandte Athens befanden 42 , in Makedonien ein, um einem Thronprätendenten, dem Sohn des kurz zuvor verstorbenen Philipp, an die Macht zu verhelfen, und plünderten und verheerten die zentralen Teile des Königreiches43. Und es besteht eine Beziehung zwischen den Ehren, die Athen dem illyrischen Häuptling Grabos - zweifellos der König der Taulantioi im 3. Grabstele aus Aiane (bei Kosani), auf dereine makedonische Familie dargestellt ist. DerTote sitzt, vor ihm stehen zwei Frauen und ein Kind, hinter ihm ein anderer Mann. Besondere Beachtung verdient ihre Kleidung. Obgleich sie eine Reihe gemeinsamer Züge mit der der Südgriechen aufweist, lassen sich doch einige spezifisch makedonische Elemente entdecken: so der breitrandige Hut (kausia), den der Tote trägt, der Typ der männlichen chlamys sowie die Haartracht einer der beiden Frauen, die an das neugriechische >katsouli< erinnert, wie es die Frauen dieses Gebiets bis zum Beginn unseres Jahrhunderts trugen. Es ist die Arbeit eines einheimischen Künstlers aus der Zeit um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. (Paris, Louvre).

Hinterland von Epidamnos44 - in der ersten Phase des Peloponnesischen Krieges erwies, und dem plötzlichen Bruch des Bündnisses durch die Illyrer 423 sowie dessen Unterstützung für den König von Lynkos, einen Feind des Perdikkas45. Von Xerxes' Niederlage bis zum Zeitpunkt der Katastrophe des athenischen Expeditionskorps vor Syrakus (413 v. Chr.) war die Bedrohung durch Athen das mit Abstand gravierendste Problem, dem Makedoniens Könige sich gegenübersahen. Alexander kam unter uns nicht näher bekannten Umständen durch Mord ums Leben46. Es folgte eine Phase unklarer Verhältnisse und Wirren. Dies spiegelt sich nicht zuletzt darin, daß Münzfunde mit der königlich makedonischen Prägung, die für die Zeit Alexanders außerordentlich ergiebig waren, nun sehr viel seltener werden47. Um oder kurz nach 440 vermochte sich Alexanders Sohn Perdikkas II. als König in Makedonien durchzusetzen und wurde zunächst in dieser Position auch von Athen anerkannt - dies durch einen Vertrag48, der eine formelle Bündnis- und Freundschaftsbeziehung zwischen den Signatarstaaten begründete. Allerdings ließ sich der grundsätzliche Interessenkonflikt zwischen den beiden Mächten nicht lange verdrängen, und wir haben Athen bereits im Bündnis mit Perdikkas' rebellierendem Bruder gesehen. Die Gründung von Amphipolis (437 v. Chr.) und die sich anschließende Wiederherstellung der Herrschaft Athens am unteren Strymon stellte für Makedonien eine eindeutige Herausforderung dar. Im Jahre 434 verleibte Athen seinem Reich Methone49 ein, die alte Kolonie von Eretreia, die dort an der Westküste des Thermäischen Meerbusens liegt, wo der nördliche Teil des pierischen Gebietes ans Meer stößt. Der Besitz dieses Platzes ermöglichte es Athen, sich unmittelbar in Makedoniens Angelegenheiten einzumischen, indem es beispielsweise verbannte Makedonen zu Störaktionen gegen den König50 veranlaßte; aber auch Makedoniens wichtigster Verbindungsweg nach Sü4. Die Argeaden-Könige führten ihre Abstammung auf die Temeniden-Herrscher von Argos zurück und über diese mythischen Vorfahren auf Herakles. Die nebenstehende Herrscherliste, die sowohl die historischen Könige als auch ihre mythischen Ahnen umfaßt, beruht auf einer Stelle bei Diodor (VII, 15-17), der dort Nachrichten verschiedener Schriftsteller des 4. Jhs. v. Chr. zusammengestellt hat. 5. Kopf des Herakles, des mythischen Stammvaters der ArgeadenDynastie. Er bildete einen Teil eines Ohrrings oder eines anderen Schmuckstücks und wurde im Grab Z in Derveni gefunden. 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

DIE K Ö N I G E DER ARGEADEN-DYNASTIE UND IHRE MYTHISCHEN AHNEN Herakles Hyllos Kledaios Aristomachos Temenos Kissios Thestios Merops Aristodamidas Pheidon Karanos Koinos Tyrimmas Perdikkas I., Anfang des 7. Jahrh. v. Chr. Argaios Philipp I. Aeropos I. Alketas Amyntas L, um 540-498 Alexander I. Philhellen, um 498-454 Perdikkas II., um 454-413 Archelaos l., 413-399 Orestes, 396-393 Amyntas II., >der Kleine

Tochter Archelaos1 I. CD Defdas, König der Elimiotai

Amyntas III., 00 (b) Eurydike. Tochter des LynKeslen Sirrhas " 393/392-369/368

(b) 390

(b)

l Ptolemaios aus Aloros. Qß (a) Eurynoe 368-365

(b) 384

(b) 383 ödet 382

l

V

Alexander II., Perdikkas III., 370/369-369/368 365-360

Philipp II., ÖD (a) Phiia 359-336

Derdas

Machatas

358 ÖD (b) Audala-Eurydike, Tochter ödet Enkelin des Illyrerkönigs Barflylis 358 ÖD (c) Philinna aus Larisa 357 ÖD (d) Olympias. Tochter des Molosserkönigs Neoptolemos 353 ÖD (e) Nikesipolis aus Pherai 339 ÖD (f) Meda, Tochter des Getenkonigs Kothelas 338 ÖD (g] Kieopatra, Tochter des Amynlas (?) und Nichte des Attalos fb) 358

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Philipp III., Arrhidaios, 323-31 7

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Pyanopsion Maimakterion Poseideon Gamelion Anthesterion Elaphebolion Munichion Thargelion Skirophorion Hekatombaion Metageitnion Boedromion

Dios Apellaios Audonaios Peritios Dystros Xandikos Artemisios Daisios Panemos Loos Gorpiaios Hyperberetaios

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DAS MAKEOONENREICH AM ENDE DER REGIERUNGSZEIT ALEXANDERS I (um 452 v. CHr des 6 jfts. v. Chr. (um 508) im Besitz der Argeaden Erwerbungen Alexanders I. (479-452 v. Chr.)

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den ließ sich von hier aus leicht abschneiden51. Der Vertrag von 413 verbot Perdikkas, ohne ausdrückliche Genehmigung Athens Schiffbauholz auszuführen 52 . Wir haben bereits andere Mittel kennengelernt, die Athen benutzte, um den Argeaden-Herrscher zu unterjochen. Aber Perdikkas verstand es, die Krise des Peloponnesischen Krieges für seine eigenen Zwecke zu nutzen, und durch eine Politik des Lavierens zwischen den beiden Kombattanten (Athen und Sparta) führte er den Zusammenbruch der athenischen Macht an den Küsten Makedoniens herbei. Perdikkas starb im Jahre 413 oder 412. Sein Sohn und Nachfolger Archelaos erntete die Früchte der Politik seines Vaters53. Nach der Katastrophe von Syrakus wurde es für Athen unmöglich, weiterhin die Methoden anzuwenden, derer es sich zuvor bedient hatte, um Makedonien seinen Willen aufzuzwingen. Seine neue Rolle war zwangsläufig jene des Bittstellers. So sehen wir, daß im Athener Jahr 407/6 v. Chr. Archelaos von den Athenern als >Proxenos und Wohltäten geehrt wird, und zwar in Würdigung seiner Materiallieferungen für den Schiffsbau; der athenische Politiker Andokides, den der Demos wegen seiner angeblichen Beteiligung am sogenannten Hermenfrevel verbannte, führt neben anderen Diensten, die er sogar noch als Verbannter seiner Vaterstadt leistete, die Beschaffung von Schiffszimmerholz bei Archelaos an54. Die neue Freiheit Athen gegenüber bot dem König die Möglichkeit, die Verwaltungs- und Militärorganisation des Landes zu verstärken. Überall wurden Festungen gebaut und Straßen angelegt, und die Streitkräfte erhielten Waffen, Pferde sowie sonstige Ausrüstungsgegenstände. In dieser Hinsicht leistete der König nach dem 7. Von besonderem Interesse ist der makedonische Kalender. Die ungewöhnlichen Namen der makedonischen Monate, die sich auf jeweils mit ihnen verbundene Feste beziehen, sind eindeutig griechischen Ursprungs und bildeten eines der stärksten Argumente für die griechische Volkszugehörigkeit der Makedonen. In der Übersicht finden sich neben den makedonischen die entsprechenden Monatsnamen des attischen und des modernen Kalenders. 8. Bis gegen Ende des 6. Jhs. v. Chr. bestand das Kernland des makedonischen Königreichs der Argeaden aus den Gebieten Pierien und Bottiaia an der Westküste sowie am Innenwinkel des Thermäischen Golfs. Im Verlauf des 3. und 4. Jahrzehnts des 5. Jhs. v. Chr., nach der Vertreibung der persischen Streitkräfte vom griechischen Festland, gelang es Alexander I., das Territorium seines Staates auf das Vierfache zu vergrößern, indem er seine Herrschaft auf die angrenzenden Gebiete erstreckte, und zwar auf Kosten der benachbarten Stämme der Edonen, Borden, Almoper und Bisalten. Ebenso verbündete er sich entweder mit den makedonischen Stämmen in Ober-Makedonien oder unterwarf sie.

wohl als abgewogen zu bezeichnenden Urteil Thukydides' mehr als alle Argeaden-Herrscher vor ihm55. Wahrscheinlich war es auch Archelaos, der das Verwaltungszentrum des Königreichs von Aigai nach Pella56 verlegte, an einen Standort, der durch den Kanal des Ludias-Flusses57 mit dem Meer in Verbindung stand. Ebenso hatte Archelaos, nachdem er keine Einmischung Athens mehr zu fürchten brauchte und auch über reichere Hilfsquellen verfügte, fortan freiere Hand gegenüber den Vasallenfürsten Ober-Makedoniens, die er nun seinersets unter Druck setzen konnte58, und er vermochte jetzt auch erfolgreich in die unruhigen politischen Verhältnisse Thessaliens im Süden einzugreifen. Es gibt jedoch noch einen völlig anderen Aspekt der Auswirkung des athenischen Imperialismus auf Makedonien im 5. Jahrhundert v. Chr. Griechische Kultur wurde durch Athen auch nach Makedonien gebracht, und zwar in Athens größter und schöpferischster Zeit sowie im wesentlichen in einer in Athen entstandenen Form. Die ständigen militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen Athen und dem Königreich der Argeaden führten zu kulturellen Konsequenzen, die für Makedonien und für die Welt entscheidend wurden. Zwischen prominenten Athenern und Makedoniens Königen entwickelte sich ^evia (xenia — ein Wort, das man mit >Gastfreundschaft< übersetzt, das aber weit mehr beinhaltete als Gastfreundschaft hier und heute), und griechische Autoren, griechische Künstler fanden am makedonischen Hof Aufnahme und Förderung59. Der Hof und die Aristokratie wurden mehr und mehr mit griechischer Kunst, griechischer Literatur und griechischem Denken vertraut, und das attische Griechisch wurde schließlich die Verwaltungssprache oder zumindest die Sprache der >gehobenen SchichtenSchule von Hellas< geworden war, so zählten Makedonen der Führungsschicht zu seinen frühesten und aufnahmebereitesten, wenn auch wohl kaum zu seinen begabtesten Schülern. Jene griechische Kultur, die in der Folge mit den Eroberungszügen des Argeaden-Königs Alexander III. ins westliche Asien, nach Ägypten und Persien getragen werden sollte, war im wesentlichen die Kultur Athens61! Als junger Mann hatte Alexander I. sich um die Teilnahme an den Olympischen Spielen beworben. Dagegen er23

hob sich Widerspruch, und zwar mit der Begründung, er sei kein Grieche. Aber die Hellanodiken entschieden, daß das Haus der Argeaden seinen Ursprung von den Temeniden, der alten königlichen Familie des peloponnesischen Argos, herleite, und Alexander wurde gestattet, am Wettlauf teilzunehmen; zusammen mit einem anderen belegte er den ersten Platz62. Derselbe Anspruch der ArgeadenKönige, sie seien griechischer Abstammung, wirft auch Licht auf die Bedeutung der Namen der beiden ersten makedonischen Städte an der von Süden her durch das Tempe-Tal nach Pierien hineinführenden Hauptroute: Herakleion und Dion63. Herakleion hat seinen Namen64 nach dem argivischen Helden Herakles, der als Ahnherr der Königsfamilie galt; Dion von Zeus, dem höchsten der griechischen Götter, der nicht nur als Herakles' göttlicher Vater angesehen wurde, sondern - gemäß der alten Genealogie Hesiods65 - durch die Nymphe Thyia auch als Vater des Makedon, des mythischen Ahnherrn der Makedonen selbst, dem diese nach der Überlieferung ihr Dasein und ihren Namen verdanken. Die Namen beider Städte, deren Existenz zur Zeit des Ausbruchs des Peloponnesischen Krieges bezeugt ist, beweisen eindeutig, daß man versuchte, den griechischen Ursprung nicht nur der Dynastie, sondern auch der Nation zu betonen, und es besteht kaum ein Zweifel daran, daß beide Städte Gründungen Alexanders waren66. Der König ermutigte die Ansiedlung von Griechen in seinem Reich. In der Zeit nach der Zerstörung Mykenes durch Argos bald nach 478 nahm er über die Hälfte der gemeinen Bürger, des Demos, von Mykene in Makedonien auf67. Als die Athener unter dem persönlichen Befehl des Perikles 446 v. Chr. die Stadt Histiaia an der Nordküste von Euboia überfielen und einnahmen, wanderten die Einwohner nach Makedonien aus68. Und eine Generation später, 423 v. Chr., finden wir eine Hopliten-Streitmacht von dreitausend »im Königreich ansässigen Griechen«, die in der Armee von Perdikkas II. dient". Alexander war ein Gönner der berühmten Dichter Pindar70 und Bakchylides71. Letzterer verfaßte für den König - passenderweiseein Trinklied. Unter Perdikkas II. erscheint zum ersten Mal der Kopf des Herakles, jenes Heros, von dem sich die Dynastie herleitete, auf den königlichen Münzen72, und noch häufiger begegnen wir diesem Typus unter Archelaos I.73 Die mannigfaltigen politischen und militärischen Probleme, denen sich Perdikkas während seiner Regierungszeit gegenübersah, scheinen diesem Herrscher kaum Gelegenheit gebo24

ten zu haben, die Übernahme griechischer Kultur zu fördern74. Aber sein Sohn, ein gebildeter Herrscher und noch dazu mit ausgesprochener Vorliebe für griechische Künstler und Intellektuelle75, lud mit leidenschaftlicher Begeisterung die bedeutendsten Vertreter griechischer Kunst und griechischen Geistes zu sich ein. Kein Geringerer als Zeuxis von Herakleia76 schmückte den Palast in Pella. Der epische Dichter Choirilos77, der Dithyrambiker Timotheos78 und der Tragiker Agathon79 aus Athen genossen die Gastfreundschaft des Königs. Auch Sokrates soll eine Einladung an den Hof erhalten haben, die er aber ablehnte80. In Dion in Pierien, genau unterhalb der Nordflanke des Olymps, begründete Archelaos religiöse >Olympische< Festspiele, die dem Olympischen Zeus und den Musen geweiht waren. Sie bestanden aus athletischen und, ganz im griechischen Sinn, auch aus musischen Wettbewerben und dauerten neun Tage - einen Tag für jede der neun Musen81. Aber am eindrucksvollsten bezeugt Euripides' Aufenthalt an Archelaos' Hof die Übernahme griechischer Kultur in ihrer athenischen Ausprägung. Der durch die hysterische Atmosphäre in seiner Geburtsstadt während der letzten, düsteren Jahre des großen Krieges niedergedrückte Dichter suchte Zuflucht in Makedonien. Der König ehrte ihn, indem er ihn in den Rang eines hetairos erhob82, und der Dichter seinerseits verfaßte den >ArchelaosGefährten-Reiterei< aus neuen Gebieten wie Anthemus und Amphipolis auszuheben42. Aber derartige Erweiterungen der hetairoi dienten unter anderem auch dem Zweck, die Macht des alteingesessenen Adels zu verringern und eine große Anzahl relativ mächtiger Männer des >OffiziersKöniglichen Pagern, genossen mithin eine privilegierte Stellung am Hof und in der Gesellschaft. Sie lebten in täglichem Umgang mit dem König und seiner Familie, manche von ihnen (vielleicht auch alle) wurden mit den Söhnen des Königs zusammen erzogen45, und sie konnten zuversichtlich darauf rechnen, einst, wenn sie älter wurden, in Armee und Staat zu Verantwortung und Rang aufzusteigen 46 . Bei ihnen bot sich einerseits dem König Gelegenheit, in der zukünftigen Offiziersklasse Loyalität gegenüber dem Thron zu fördern und zu ermutigen. Aber einmal von allen Vorrechten, aller Ehre und aller Annehmlichkeit abgesehen, stellten diese jungen Leute natürlich im Ernstfall Geiseln für das Wohlverhalten ihrer Familie dar, mag das auch niemals offen zugegeben worden sein. Unsere Quellen für Makedoniens innere Geschichte sind von beklagenswerter Kargheit, doch ist dies keineswegs verwunderlich - hat sie doch, so wichtig sie auch ist, nichts von der Anziehungskraft erregender militärischer Großtaten. Was aber erhalten ist, reicht doch aus, um zu zeigen, daß - wie wir sahen - Philipp die innere Zerrissenheit Makedoniens nicht nur erkannt, sondern auch an ihrer Überwindung gearbeitet hat. Allerdings darf schließlich nicht übersehen werden, daß auch die glänzendsten Pläne und die raffiniertesten Sicherheitsmaßnahmen allein nicht ausreichen, eine Nation zu einigen. Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt das größte Verdienst an dem bemerkenswerten Wandel, der sich unter Philipp in Makedonien vollzog, dem Erfolg zu, den Philipp 45

als Landesherr und Oberbefehlshaber seiner Armee errang. Loyalität gegenüber dem Staatsoberhaupt - einem sieggewohnten, erfolggekrönten Herrscher zollte man sie wohl lieber als einem, an dessen Fersen sich Mißerfolge hefteten. Der alte Partikularismus war freilich nicht endgültig und vollständig tot. Bei zwei Gelegenheiten in späteren Jahrhunderten nahm er wohl bedeutende Ausmaße an: einmal 288 v. Chr., als offenbar Ober-Makedonen in Scharen zum Heer des Pyrrhos überliefen, und abermals 198/197 v. Chr., als die Orestis abfiel und auf die Seite der Römer überging (Flamininus' darauf folgende Proklamation der Unabhängigkeit der Orestis von Makedonien, zweifellos eine Belohnung für geleistete Dienste, war gleichfalls Ausdruck der Anerkennung für die lokalen separatistischen Strömungen*7). In beiden Fällen wurden die Dinge durch die traditionelle enge Beziehung zwischen der Orestis und Epeiros kompliziert, aber möglicherweise war noch immer etwas vom alten Geist der Auflehnung lebendig - allerdings kann man, so lange nach Philipp, keineswegs sicher sein, es nicht mit einem völlig neuartigen Phänomen zu tun zu haben. Abgesehen vielleicht von einigen wenigen Anzeichen der alten Zwietracht in der chaotischen Situation unmittelbar nach Philipps Ermordung (als angenommen wurde, daß eine Lynkesten-Famüie Verrat plante)48, scheint Philipp das makedonische Reich praktisch von seinem ernstesten Problem befreit zu haben.

27. Unter Archelaos wurde das Verwaltungszentrum des makedonischen Reichs von Aigai nach Pella verlegt. Die neue Hauptstadt war infolgedessen der Mittelpunkt von Philipps Macht und Herrschaft. Die prachtvollen Gebäude, die bisher ausgegraben wurden, werden von einigen Fachleuten für private Wohnbauten gehalten, von anderen dagegen für öffentliche Bauten [spätes 4. Jahrhundert v. Chr.).

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Die Münzprägung Philipps II. und die .Minen im PangaionMassiv

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Als Philipp II. 359 v. Chr. seinem Bruder Perdikkas III. auf den Thron folgte1, war es eine seiner ersten, freilich ebenso von Notwendigkeit wie von Klugheit gebotenen Handlungen2, die makedonische Garnison aus Amphipolis abzuziehen. Sein Königreich beschränkte sich damit auf die Ebene von Pella und die umliegenden Gebirgshänge. Zwar hatte Philipp Zugang zur Nordküste des Thermäischen Meerbusens, doch die Schiffahrt auf dem Golf selbst beherrschten die griechischen Städte Methone, Pydna und Olynth. Makedonien war also kurz nach dem Regierungsantritt Philipps II. ein Land, dessen Umfang ebenso wie seine Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt waren. Es ist schwierig zu sagen, ob schon damals in dem von Philipp beherrschten Gebiet Gold- oder Silberminen existierten, die bereits ausgebeutet wurden3. Doch mußte ja ein Staat nicht unbedingt selbst Minen besitzen, um imstande zu sein, Geld zu prägen4. Vielmehr stand ihm frei, Metall von solchen Staaten zu kaufen, die es produzierten; außerdem konnte er Silber benutzen, das auf dem Wege des Handelsaustausches in Form von Barren, Silbergegenständen oder Münzen ins Land gelangt war - die auf diese Weise erworbenen Münzen wurden eingeschmolzen oder bisweilen einfach überprägt5. Ebenso hatte ein Staat auch keine Bedenken, eigene Münzen einzuschmelzen oder umzuprägen, wenn sie außer Kurs gekommen waren. Ich habe an anderer Stelle dargelegt, was die Annahme rechtfertigt, daß Philipp II. seit 359 in Pella Silbermünzen prägen ließ6. Er folgte damit dem Beispiel seiner Vorgänger, und daß er den Münzen seinen Namen und sein Abbild zu Pferde aufprägen ließ, war für ihn ein Mittel, eindeutig und sicher seine Souveränität zu unterstreichen. Es läßt sich feststellen, daß er zu Beginn seiner Herrschaft keine Goldmünzen im Umlauf setzte7. Ich werde später auf diese Frage zurückkommen, doch scheint die Bemerkung angebracht, daß selbst dann, wenn ihm im Jahre 359 die Mittel zum Prägen von Goldmünzen zur Verfügung gestanden hätten, er es wahrscheinlich doch unterlassen hätte: keiner der makedonischen Könige, die ihm vorangegangen waren, hatte Münzen aus diesem Metall in Umlauf gebracht, deren Prägung bei den Griechen nicht üblich war. Nachdem Philipp seine Rivalen beseitigt, seine Armee reorganisiert und Truppen gegen die Illyrer entsandt hatte, bereitete er die Eroberung von Amphipolis und der

Region des Pangaion-Massivs vor. Die Stadt wurde gegen Ende des Sommers oder zu Beginn des Herbstes 357 eingenommen. Kurze Zeit darauf, im Laufe des Jahres 357/6, bemächtigte er sich des Pangaion, und seine Herrschaft dehnte sich bis an den Nestos aus. Diese Eroberung stellte einen bemerkenswerten Erfolg dar: einerseits hatte er eine mächtige, den Strymonischen Meerbusen beherrschende Stadt unterworfen; andererseits wurde er so der Herr des Pangaion-Gebirges und seiner Rohstoffquellen. Die Reichtümer dieses Gebiets schildert Paul Collart8: es gab dort prachtvolle Wälder, die Holz für die Schiffswerften lieferten, vor allem aber Gold- und Silberminen. »Die Minen des Pangaion«, schreibt P. Collart, »waren seit ältester Zeit berühmt; im Pangaion soll, einer von Plinius mitgeteilten Überlieferung zufolge, überhaupt erstmals Gold entdeckt und geschmolzen worden sein, und zwar durch den Phönikier Kadmos, und zum Pangaion kamen nach ihm Peisistratos und Histiaios von Milet mit dem Ziel, ihr Glück zu machen; schon seit archaischer Zeit verwendete man die reichen Gold- und Silbervorkommen des Pangaion, die übrigens auch Herodot, Theophrast und Strabon ausdrücklich erwähnen, in großem Umfang für die Münzprägung« 9 . Selbst wenn (was wahrscheinlich ist und auch von P. Collart unterstrichen wird) die Silberminen im Pangaion und seiner Umgebung zahlreicher und ergiebiger waren als die Goldminen, so übten doch gerade diese Goldminen auf die Menschen des Altertums starke Faszination aus. Sehr bezeichnend ist, was Diodor über die Stadt Philippi schreibt10: »Hierauf begab er (Philipp) sich nach der Stadt Krenides, vermehrte die Zahl ihrer Bewohner und nannte sie nach seinem Namen Philippi. Die Goldbergwerke in dieser Gegend, die sehr gering und unberühmt waren, brachte er durch bessere Bearbeitung so sehr empor, daß sie ihm einen Ertrag von mehr als tausend Talenten liefern konnten. Auf diese Art sammelte er bald Reichtümer, und vermittels seiner großen Schätze erhob er das makedonische Reich zu einer immer höheren Stufe der Macht. Er ließ eine Goldmünze prägen, die nach seinem Namen die philippische genannt wurde, und womit er nicht nur ein bedeutendes Heer von Söldnern zusammenbrachte, sondern auch viele Griechen gewann, daß sie zu Verrätern ihrer Vaterstädte wurden.« Diese berühmte Stelle bei Diodor hat häufig Anlaß zu der Annahme gegeben, daß Philipp II. schon bald nach der

Einnahme von Krenides begonnen hätte, Goldmünzen in Umlauf zu setzen; zahlreiche Historiker und Numismatiker haben das erste Auftreten dieses Geldes um 356 angesetzt11. Ich habe zu zeigen versucht, daß dies nicht zutrifft, sondern daß Philipp erst im zweiten Teil seiner Regierungszeit, vielleicht um 345, vielleicht erst um 342340 begonnen hat12, Goldmünzen schlagen zu lassen, und daß unter diesen Umständen der Umfang der zu seinen Lebzeiten ausgegebenen Goldmünzen relativ unbedeutend ist13. Die Stadt Philippi dagegen setzte bereits seit 357/6 Goldund Silberprägungen mit der Aufschrift OIAiniTQN in Umlauf. Diese Münzen treten die unmittelbare Nachfolge der im Namen der >FestlandsthasierGefährten< (hetairoi) des Königs als Kerntruppe; aber von der berühmten Infanterie der >Phalanx< findet sich in den Kriegen der Könige vor 360 v. Chr. keine Spur, und der Lauf der Ereignisse selbst deutet darauf hin, daß Philipp ihr eigentlicher Schöpfer war. Philipps Sohn Alexander erbte eine Armee, deren >Gefährten-Reiterei< (hetairike hippos) auf eine Stärke von über 2000 Mann angewachsen war und deren Fußkämpfer-Hauptmacht unter der Bezeichnung >Gefährten zu Fuß< (pezetairoi) Ruhm erringen sollte. Es war zweifellos Philipp, der die Kavallerie vergrößert und die Fußstreitkräfte aufgebaut hatte, obgleich wir von den einzelnen Phasen dieser Entwicklung fast nichts wissen. Wir sehen jedoch den Namen pezetairoi in Philipps Regierungszeit (und wahrscheinlich in den vierziger Jahren des 4. Jhs.) noch als Namen der königlichen Garde zu Fuß in seiner ursprünglichen Bedeutung (der Name hypaspistai, den Alexanders Gardeinfanterie-Brigade in Asien trug, taucht unter Philipp nir-

gends auf). Manches deutet darauf hin, daß sich die Nomenklatur entweder bei Alexanders Regierungsantritt oder gegen Ende der Regierungszeit Philipps änderte. Doch von den Namen abgesehen, waren die Truppen >als solche< zweifellos Schöpfung Philipps. Er war es, der Makedonien erstmals eine wirkliche Armee gab, und zwar eine hervorragende1. Von Anfang an hatte Philipp die dringende Notwendigkeit erfaßt, die Armee in jeder nur möglichen Weise zu verbessern: die illyrischen Nachbarn hatten einmal mit tödlicher Wirkung zugeschlagen, und neue Schläge standen zu befürchten. Auch hatte Philipp als Kind erlebt, wie sich griechische Interventionen die militärische Schwäche Makedoniens zunutze machten, ja er hatte sogar eine gewisse Zeit als Geisel in Theben verbracht, der damals mächtigsten griechischen Stadt mit einer bemerkenswerten Hopliten-Streitmacht, wie sie bis dahin die entscheidende Stärke der griechischen Bürger-Armeen war2. Als Philipp beim Tode seines Bruders plötzlich zur Macht gelangte, galt seine erste Sorge der Armee, die durch ihre kürzliche, verlustreiche Niederlage hart mitgenommen war. Durch eine Phase der Ausbildung (und vielleicht in gewissem Umfang durch Wiederbewaffnung) stellte er ihr Vertrauen wieder her und führte sie noch im selben Jahr nach kleineren Erfolgen im Feld zu einem bedeutenden Sieg über die Illyrer, dem ersten von den drei größeren Siegen in seiner Laufbahn als Feldherr3. Das war der Beginn militärischer Größe. In den Jahren seiner Herrschaft baute Philipp sowohl die Infanterie als auch die Kavallerie aus und brachte sie von 10000 plus 600 in diesem illyrischen Feldzug auf einen Stand von 24000 oder mehr plus 3300 bei Alexander im Jahre 334 v. Chr.4. Es war vermutlich Philipp (obgleich wir nicht erfahren, wann), der die >Sarissa< (sarisa) einführte, die überlange Lanze oder Pike, die schließlich die Standardwaffe der makedonischen Infanterie wurde5. Die mit der Sarissa bewaffnete Infanterie, die in großen Formationen auf möglichst ebenem und ungepflügtem Boden vorging, wirkte außerordentlich furchterregend, wenn die Soldaten gut gedrillt waren. Doch auch unter Bedingungen, die Ausdauer auf rauherem Gelände erforderten, waren die gleichen Soldaten, vermutlich mit dem konventionellen Hopliten-Speer und Schild bewaffnet, wohl durchaus imstande, rasch und weit zu marschieren6. Philipp war außerdem von der Bedeutung harter Ausbildung und Disziplin überzeugt7. Die Auswirkungen können wir bei einem der uns gelegentlich möglichen kurzen Blicke auf einen

Fall musterhafter Disziplin makedonischer Infanterie im Felde beobachten. Ein gutes Beispiel ist ein geordneter Rückzug mit Feindberührung in einer frühen Phase der Schlacht von Chaironeia8. Die Makedonen waren zweifellos zahlreich genug, um nicht bei jeder Rekrutenaushebung jedes Jahr dienen zu müssen, sondern konnten es in turnusmäßigem Wechsel tun. Indessen verging nur selten die für Kriege geeignete Jahreszeit ohne einen oder mehrere Feldzüge, und im Verlauf der Jahre wurde die Zahl kampfgewohnter und erfahrener Truppen recht beträchtlich. Mit Ausnahme der Gardetruppen, die ausgesuchte Leute aus dem ganzen Königreich waren, rekrutierten sich Kavallerie und Infanterie auf territorialer Basis. Jedes Gebiet stellte seine Quote. Obgleich nur wenige Einzelheiten überliefert sind, gibt es gewisse Anhaltspunkte dafür, daß am Ende der Regierungszeit Philipps die besten Kampfeinheiten innerhalb der Infanterie (abgesehen von den Gardetruppen) aus bestimmten Gebieten Ober-Makedoniens eingezogen wurden9. Die makedonische Kavallerie und Infanterie war von Anfang bis Ende die Hauptkampfkraft von Philipps Armee. Was er zusätzlich an Truppen von den Verbündeten und an Söldnertruppen zur Verfügung hatte, hatte stets nur subsidiären Charakter, war jedoch seinerseits keineswegs unbedeutend. Die Völkerschaften, die bald darauf Truppen für Alexanders Einfall in Asien stellten, die Griechen selbst, die Odrysen und andere Thraker, die Paioner, die Agrianer, die Illyrer, die Triballer, waren (mit Ausnahme der letztgenannten) sämtlich von Philipp zur Unterwerfung gezwungen worden, und wahrscheinlich wandte er sich selbst gelegentlich wegen Truppennachschubs an sie, obgleich wir sehr wenig von solchen Gelegenheiten hören. Seinen größten äußeren Zuwachs an militärischer Stärke erzielte er durch den Erwerb Thessaliens, den großartigsten politischen Schachzug seines Lebens sowie einen Vorgang ohne Beispiel: die auf ihn als >ausländischen< Fürsten gefallene Wahl zum Ärchon eines griechischen Bundes - eine Position, die bei seinem Tode auf Alexander überging (jtatQOJtaQaöOTOv). Welch hervorragende Dienste Alexanders 2000 thessalische Reiter in Asien leisteten, ist bekannt. Aber auch unter Philipp werden die Thessaler als Hauptfaktoren eines seiner drei entscheidenden Siege genannt, und zwar des Sieges über die Söldner des phokäischen Feldherrn Onomarchos in der Schlacht auf dem Krokusfeld10 (Einzelheiten sind freilich nicht überliefert). In gewissem, wenn auch bescheidenerem Maße nehmen schon Philipps endlose Feldzüge auf dem 59

37-38. Die Wandmalereien des makedonischen Grabes des Lyson und des Kallikles (zwischen Beroia und Edessa) zeigen Details der makedonischen Kriegerrüstung. Links: der makedonische Schild trägt den makedonischen Stern als Emblem, er ist flankiert von zwei an den Wehrgehenken aufgehängten Schwertern in ihren Scheiden (das eine hat einen Griff in Form eines Vogels). Unter dem Schild: zwei Helme und ein Paar Beinschienen. Rechts: ein großer Schild, eingerahmt von zwei aus Brustpanzer und Helm bestehenden Trophäen. An der Wand hängen zwei Schwerter vom selben Typ wie die der vorigen Abbildung. Um 200 v. Chr.

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Balkan, wobei er »seine Truppen die ganze Zeit unter Waffen« hatte, wie Demosthenes es nannte11, etwas von jener Beweglichkeit und Wendigkeit vorweg, die Alexanders Armee in den Weiten und im ständig wechselnden Gelände Asiens entfaltete. Aber von Philipps gesamter Kriegsmaschinerie spielten zweifellos seine speziellen Belagerungstruppen die entscheidende Rolle. Schon sehr früh in seiner Regierangszeit belagerte er in nur rund zwölf Monaten (357/6 v. Chr.) Amphipolis, Pydna und Poteidaia und nahm sie ein. Die dabei gesammelten Erfahrungen wertete er mit Erfolg bei weiteren Belagerungen aus - so bei Methone, bei der Einnahme einer so bedeutenden Stadt wie Pagasai und der Eroberung Olynths, ganz zu schweigen von einer Reihe kleiner Städte auf der Chalkidike und anderswo. Das war etwas Neues in der griechischen Kriegsführung, denn zuvor waren erfolgreiche Städtebelagerungen ziemlich selten und meist sehr langwierig gewesen. Philipp verdankte seine frühen Erfolge dem gut organisierten Einsatz der damals bekannten und verfügbaren Waffentechnik einschließlich des gastraphetes — einer Art Armbrust: einer Frühstufe späterer Katapult-Geschütze, die lange Pfeile oder kleine Steine abschießen konnte und fast fünfzig Jahre zuvor für Dionysios I. von Syrakus konstruiert worden war. Philipp selbst jedoch beschäftigte einen Ingenieur, der berühmt wurde: den Thessaler Polyeidos, von dem man jetzt annimmt, er habe das weitaus stärkere und wirkungsvollere Torsions-Katapult erfunden, von dem Prototypen möglicherweise bei Philipps Belagerungen von Perinth und Byzanz Verwendung fanden. Der Torsions-Steinwerfer tritt indessen erst bei Alexanders Belagerungen in Asien in Erscheinung12. Hätte er Philipp schon bei der Belagerung von Perinth und Byzanz zur Verfügung gestanden, so hätten er jene schnelleren Ergebnisse liefern können, die Philipp damals nötig hatte, und die beiden Städte hätten sich nicht gehalten. Doch trotz Perinth und Byzanz wurde unzweifelhaft Philipps Ruf als Belagerer insgesamt zu einem seiner größten Aktivposten. Überhaupt verstand er es, sich das Image eines Feldherrn zuzulegen, dessen Element der Krieg war, und mehr als jeder seiner Zeitgenossen und als fast alle seiner Vorgänger seine Gegner durch Einschüchterung in Schach zu halten. Dennoch sind für uns heute einige Seiten seines Genies kaum, vielleicht gar nicht mehr erkennbar. Insbesondere als Taktiker ist er uns so gut wie überhaupt nicht mehr greifbar, einfach weil wir keinen zeitgenössischen Historiker zur Verfügung haben, der uns 62

sein unmittelbares Vorgehen schilderte. Die uns vorliegenden Berichte über seine Schlachten sind derart entstellt, daß sie beispielsweise nicht mehr erkennen lassen, in welcher konkreten Weise die Einführung der Sarissa die Taktik der Infanterie-Phalanx veränderte13. Ebenso erfahren wir, daß es Philipp war, der bei der Kavallerie eine Keilformation für den Angriff einführte (eine thrakische und skythische Sitte)"; aber nirgends finden wir auch nur die geringste Andeutung, wie ein Angriff seiner Reiterei tatsächlich vor sich ging. Und doch können wir bei allen drei obengenannten Entscheidungsschlachten darauf schließen, daß die Kavallerie die Hauptrolle spielte. Für den Sieg über Bardylis im Jahre 358 und den Sieg auf dem Krokusfeld 352 ergibt sich das aus der ganz außergewöhnlich hohen Zahl gefallener Feinde, selbst wenn wir die Möglichkeit (oder Wahrscheinlichkeit) einer Übertreibung einräumen (so sollen 358 v. Chr. von 10000 plus 500 Gegnern mehr als 7000 gefallen sein, viele von ihnen nach langer Verfolgung; im Jahre 352 fielen von 20000 plus 500 mehr als 6000 Mann)15. Für Chaironeia sind die Schlußfolgerungen allgemeinerer Art. Sie ergeben sich aus dem gesamten Verlauf der Schlacht, soweit wir diesen hypothetisch rekonstruieren können (s. unten). In der Schlacht gegen Bardylis stand Philipp ein zahlenmäßig mehr oder weniger gleich starker Gegner gegenüber, der seine Streitkräfte zu einem Verteidigungs-Karree formierte. Philipp griff mit einer Konzentration seiner besten Truppen auf dem rechten Flügel an: der gesamten Kavallerie und der Infanterie-Eliteeinheiten, die er selbst befehligte. Wie es heißt, ließ er die Kavallerie die Barbaren in die Zange nehmen - eine Unmöglichkeit, solange das Karree der Gegner intakt war. Er selbst führte einen frontalen Infanterie-Angriff, vermutlich um das Karree an oder nahe einer seiner Ecken aufzubrechen und damit der Reiterei, die dann befehlsgemäß angriff, >Flanke und Rücken< zu öffnen 16 . Die Konzentration der Stoßkraft an einem entscheidenden Punkt erinnert an Epameinondas mit seinen thebanischen Hopliten, doch die Koordination von Infanterie- und Kavalleriewaffe geht über ihn hinaus, obgleich es Anzeichen dafür gibt, daß auch Epameinondas daran gedacht haben muß17. Der Sieg über Bardylis nimmt sich als eine recht bemer39. Detail einer Wandmalerei im Grab des Lyson und Kallikles. Der Helm besitzt Wangenklappen und ist mit Streifen, Spiralen und drei farbigen Helmbüschen verziert-einem großen in der Mitte und zwei kleineren über den Ohren.

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40. Waffen aus verschiedenen Gegenden Makedoniens. Bronzehelm des 5. Jhs. v. Chr. aus Lefkadia bei Naussa. Das Band, an dem der Helmbusch befestigt war, ist klar zu erkennen. Der Randstreifen ist ringsherum mit erhabenen kleinen Kreisen verziert, die an Nägel erinnern (Thessaloniki, Archäologisches Museum). 41. Halsschutz eines Brustpanzers aus Leder mit darauf befestigten Bronzeschuppen aus Grab B in Derveni.2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. (Thessaloniki, Archäologisches Museum). 42. Bronzene Pfeilspitze, in Olynth gefunden. Die zylindrische Hülse trägt die Aufschrift OlAinnO (>des PhilippSarissaHeilige Schar< angriff und überwältigte, aus der >Gefährten-Reiterei< oder deren Hauptmasse bestand. Und Philipps eigenes Manöver als Befehlshaber der makedonischen Infanterie auf dem rechten Flügel, das die Athener aus ihrer ursprünglichen Stellung nach vorn lockte, zielte eindeutig darauf ab, sie zu veranlassen, aus dem Karree auszubrechen und sich selbst gegenüber einem Angriff zu entblößen - wobei man sofort an einen Kavallerie-Angriff denkt, obwohl uns das nicht gesagt wird19. Wie wir hier sehen, behielt Philipp nicht (wie Alexander) bei besonderen Anlässen stets nur sich selbst den Befehl über die Reiterei vor - eine Selbstverleugnung, die im Interesse der Sache gelegen haben mag, denn an der Spitze der Infanterie hatte er vielleicht einen besseren Überblick über die Lage. Wo war er, so fragen wir uns, damals in Thessalien, als er sich von Onomarchos überlisten ließ, der ihn auf ein Schlachtfeld lockte, das von einem Halbkreis von Hügeln beherrscht wurde, auf denen Onomarchos getarnte Katapulte mit Munitionsreserven in Stellung gebracht hatte20? Das war ein Fehler aus übergroßem Selbstvertrauen; vor allem aber hatte man es an vorheriger Erkundung fehlen lassen. Philipp und seine Makedonen mußten dafür teuer bezahlen. Nach dieser einzigen ernsthaften Niederlage seines Lebens sehen wir ein einziges Mal, daß er Schwierigkeiten mit seinen Leuten hat, die ein gewisses Widerstreben gegen einen neuen Feldzug an den Tag legen21. Philipp war gezwungen, sie durch Ansprachen zu ermutigen und irgendeine zugkräftige Rechtfertigung zu finden. Wie die Dinge lagen, fand er zwei, die eine war kein Geringerer als Apollon, der Gott von Delphi. Schließlich und endlich handelte es sich um einen >heiligen< Krieg; Onomarchos und seine Truppen waren Tempelräuber; der Gott mußte unfehlbar zu denen halten, die seine Sache verfochten. Die Makedonen, die nicht die mindeste Ahnung hatten, worum es in diesem recht zweifelhaften Krieg wirklich ging, waren froh, an Apollon erinnert zu werden, und akzeptierten bereitwillig die Ausgabe von Lorbeerblättern an die Armee an jenem heiteren 66

Morgen des nächsten Jahres, als sie den Feind am Krokusfeld erwarteten. Philipps zweites >ZugmittelArbeit-< und Auftraggebern sagen konnte. Der zeitgenössische Historiker Theopompos, der eine Zeitlang seinen Wohnsitz in Pella hatte und dessen 58 Bücher umfassende >Philippika< zwischen den Zeilen manches Lob für Philipp enthält, läßt einmal doch einer gewissen Klatschsucht die Zügel schießen, indem er Philipp als >einen Soldaten< (oTQaTicf)Tr|g) bezeichnet, und zwar wegen seiner außerordentlichen Extravaganz im Umgang mit Geld und weil er sich weigerte, sich mit genauen Abrechnungen behelligen zu lassen25. Theopomp wollte damit sagen, Philipp benähme sich wie ein gemeiner Soldat, nicht wie ein Feldherr, Staatsmann oder König. Hierin mag Theopomp nicht ganz unrecht haben, aber als Literat wußte er nicht richtig zu würdigen, daß im aktiven Dienst die Fähigkeit, sich gelegentlich wie ein gewöhnlicher Soldat zu benehmen, einem Feldherrn durchaus zuträglich sein kann. Den Soldaten gefällt das. In den Rahmen alles dessen fügt sich der Bericht von einem erbitterten Streit zwischen Griechen und Makedonen in Philipps Armee, bei dem Philipp fast zu Tode kam und nur durch den jungen Alexander gerettet wurde26. Auch dies deutet darauf hin, daß bei allem, was unter den Soldaten vorging, Philipp im Zweifel eher mittendrin war als abseits stand.

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46, Darstellung eines toten makedonischen Kriegers von einer Wandmalerei im sog. >Grab von Lefkadia«. Er trägt einen kurzen Chiton, ein Himalion, einen Brustpanzer, hohe Stiefel und hält seine Schwertscheide sowie einen Speer. Ende des 4. Jhs. v. Chr.

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47. Versuch einer zeichnerischen Rekonstruktion der makedonischen Phalanx, die einen der ausschlaggebendsten Faktoren bei Philipps militärischen Erfolgen darstellte. Es wareine reguläre Infanterie-Formation in Reihen aufmarschiert, in der jeder Mann mit einer sarisa bewaffnet war und als Reservewaffe ein Kurzschwert trug. Während des Angriffs hielten die Hopliten der ersten Reihe die sarisa horizontal mit beiden Händen vor sich ausgestreckt und präsentierten auf diese Weise dem Feind eine dichte Mauer von Lanzenspitzen. Die übrigen hielten die sarisa aufrecht Die Formation wirkte wie ein mobile Festung und versetzte den Feind in Schrecken.

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Namentlich in der Schlacht traf das zu, wie seine Wunden bezeugen: er wurde viermal schwer verwundet und vielleicht häufig leichter27. Es war nicht die Gewohnheit makedonischer Könige, im Felde besondere Vorsorge für ihr eigenes Leben zu treffen, so wichtig dies Leben auch sein mochte. Und Philipp war im Kriege allgegenwärtig - oder doch fast28. Obgleich seine Söldner im Einsatz wie in den Garnisonen von einem untergeordneten General oder einem dem Anlaß im Range entsprechenden Offizier befehligt wurden, führte doch bei jedem Einsatz eines makedonischen Aufgebotes wahrscheinlich Philipp selbst das Kommando, und anscheinend legte er auf militärischem Gebiet sehr wenig Verantwortung in fremde Hände, außer wenn zwei oder mehr gleichzeitige Verpflichtungen es unvermeidbar machten. Es heißt, er habe selbst geäußert, er sei in seinem Leben nur einem Feldherrn begegnet, nämlich Parmenion29. Das ist Teil einer witzigen Bemerkung auf Kosten der Athener, dürfte aber wohl der Wahrheit näherkommen, als wir vielleicht vermuten. Als Alexander Philipps Erbe antrat, hatte er keinerlei Mangel an Kommandeuren, die nach heutiger Terminologie als >Brigadegeneral< oder >Generalmajor< anzusprechen wären, aber an wirklichen Heerführern war Parmenion in der Tat der einzige. Antipater war offenbar nicht mehr als ein fähiger Befehlsempfänger. Und mit Ausnahme von Antigonos Monophthalmos (der als General der Spitzenklasse ein Spätentwickler war) stehen die großen Namen der Diadochen sämtlich Alexanders Generation näher als der Philipps. Für ein Porträt des Soldaten und Taktikers Philipp müssen wir uns mit diesen wenigen flüchtigen Blicken begnügen. Was dagegen den Strategen und Militärpolitiker Philipp angeht, so liegen die Dinge ganz anders. In diesem Punkte sind wir besser gestellt und können so mancherlei erkennen. Gleich Napoleon, aber ganz anders als die meisten Feldherren der Antike oder der Moderne, betrat er das Schlachtfeld nicht mit Richtlinien irgendeiner Regierung 48. Die makedonische >Gefährten-ReitereiausgeliehenausliehenauszuleihenHaus des Guten Geschicks- (Agathe Tyche).

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Philokrates-Frieden zu durchlöchern. Als Philipp aus Gründen, die sich nur vermuten lassen, seine eigenen Verbündeten Perinth und Byzanz belagerte, stand eine athenische Streitmacht bereit, um den Belagerten Hilfe zu leisten26, und im September 340 hatte Philipp genug. Er schickte eine Kriegserklärung nach Athen und kassierte umgehend die athenische Getreideflotte27. Hatte Demosthenes mit all dem recht? Philipp und die makedonische Macht stellten zweifellos eine Bedrohung dar, der begegnet werden mußte, aber es war nicht klar, wie dies wirksam zu bewerkstelligen war. Damals wie früher gab es nichts, was Athen tun konnte, um in Makedonien Schaden anzurichten oder Philipps Macht im Norden zu binden. Er hatte die Thermopylen besetzt; der Weg nach Athen stand ihm offen, wann immer er Lust verspürte, nach Athen zu ziehen. Manche vermuten, Demosthenes habe die ganze Zeit an eine Bereitschaft der Thebaner geglaubt, bei einem Verstoß Philipps nach Süden an Athens Seite Widerstand zu leisten. Aber der Augenschein spricht für das Gegenteil. Als Demosthenes die Wiederaufnahme des Krieges anstrebte, war viel eher zu erwarten, daß die Thebaner Philipp unterstützten, als daß sie sich ihm in den Weg stellten; und erst als Demosthenes 339 v. Chr. bereits an der Grenze Boiotiens stand, unternahm er Schritte, die die Sicherung einer Allianz mit Theben zum Ziel hatten. Die Wahrheit dürfte sein, daß Demosthenes allen Ernstes auf das Schicksal vertraute; tatsächlich verkündete er nach der endgültigen Niederlage, das Schicksal, nicht seine eigene Politik, habe Athen Unglück gebracht28. Der Krieg begann mit einem Scheinerfolg für Athen. Philipp hob die Belagerung von Perinth und Byzanz auf, und im Winter 340/339 v. Chr. kämpfte er gegen die Skythen an der Donau29. In Wahrheit zog Philipp wohl ganz einfach die Auseinandersetzung mit Athen einer weiteren Belagerung der beiden Städte vor. Das Gebiet an Bosporos und Hellespont konnte er sich für später aufheben, und wenn Athen fiel, vermochten die dortigen Städte ihren Widerstand ohnehin nicht länger aufrechtzuerhalten. Der Angriff gegen die Skythen war zur Abrundung des thrakischen Feldzuges notwendig, aber im Spätsommer 339 hatte Philipp freie Hand und konnte nach Süden ziehen. In einem wichtigen Punkt hatte sich seine Position verschlechtert: Während er gegen die Skythen kämpfte, hatten die Thebaner die von ihm an den Thermopylen stationierten Truppen vertrieben, und so stand er wieder vor dem Problem des Zugangs nach Griechenland. Aber 108

Philipp hatte vorgesorgt. Phokis war nunmehr bereit, ihn zu empfangen, und er konnte die Thermopylen umgehen (erstaunlicherweise unternahmen die Thebaner, soweit bekannt, keinen Versuch, ihm den Weg über das Gebirge zu versperren, aber selbst wenn sie es getan hätten, wäre Philipp ohne Zweifel militärisch vorbereitet gewesen, sich den Übergang zu erzwingen). Die Nachricht, daß Philipp sich in Phokis befand und nur mit Waffengewalt daran gehindert werden konnte, nach Attika einzumarschieren, verursachte in Athen Bestürzung, ja geradezu Verzweiflung. Demosthenes' frühere Versuche, ein griechisches Bündnis gegen Philipp zu schaffen, hatten sich im wesentlichen als fruchtlos erwiesen'0. Zu Beginn des Jahres 342 v. Chr., als Philipp im Epeiros damit beschäftigt war, die Angelegenheiten des Molosser-Reiches endgültig zu bereinigen, hatte ganz Griechenland befürchtet, er werde möglicherweise weiter nach Süden vorrücken. Demosthenes hatte die Athener veranlaßt, eine Streitmacht nach Akarnanien zu entsenden, und es gab eine lebhafte diplomatische Tätigkeit, die gute Aussichten auf ein allgriechisches Bündnis eröffnete. Aber als dann Philipp nicht einmal die kurze Strecke weiter vorstieß, die notwendig gewesen wäre, um Ambrakia einzunehmen, was für ihn ein leichtes gewesen wäre, legte sich die allgemeine Furcht, und sogar von Athen bereits geschlossene Bündnisse zerfielen zum größten Teil kurz darauf. Im Jahre 341 gewann Demosthenes allerdings einen Verbündeten, den er auf keinen Fall Philipp überlassen durfte: die Euboier; aber an einem vereinigten Landheer fehlte es noch immer, ja noch als Demosthenes 340 v. Chr. zu Philipps Kriegserklärung Stellung nahm, schloß er mit dem Vorschlag, Athen sollte die Bildung eines allgemeinen hellenischen Bündnisses in Angriff nehmen. In der Schlacht von Chaironeia kämpften Korinther, Achaier, Megarer und einige andere an der Seite Athens. Wie und wann ihr Beistand gewonnen wurde, bleibt unklar, aber fest steht, daß kein Versuch unternommen worden war, die entscheidende Vorbedingung für jede Verteidigung Griechenlands, nämlich ein Bündnis mit Theben, zu verwirklichen, ja, vielleicht hatte man nicht einmal daran gedacht. So war die Nachricht, daß Philipp bereits in Phokis stand, in der Tat alarmierend, bestand doch sogar die Möglichkeit, daß Philipp sich Thebens Neutralität, wenn nicht gar seine Unterstützung sichern könnte. Demosthenes31 war der Mann der Stunde. Er schlug ein Bündnis mit Theben vor und brachte es selbst zustande.

Binnen weniger Tage war das athenische Heer in Theben auf seinem Weg nach Norden, um sich unweit der Grenze von Phokis mit der thebanischen Armee zu vereinigen, und damit stand der Kriegsschauplatz für die Schlacht fest, die über Griechenlands Zukunft entscheiden sollte. Das war bereits gegen Ende des Jahres 339, aber die Schlacht von Chaironeia fand dann allerdings erst Ende August 338 statt. Zweifellos mußte Philipp seine gesamte Armee nebst Verstärkungen und Nachschub bereitstellen, außerdem gab es während des Winters kleinere Operationen, über die wir nur sehr spärliche Informationen besitzen. Doch der lange Aufschub der Schlacht erklärt sich einzig dadurch, daß Philipp vermutlich die Situation auf diplomatischem Wege zu bereinigen hoffte. Aber das thebanisch-athenische Bündnis war offensichtlich nicht zu erschüttern und die bewaffnete Auseinandersetzung damit unvermeidlich. Philipps Heer zählte über dreißigtausend Mann Fußvolk und zweitausend Reiter - vermutlich war er damit seinen Gegnern zahlenmäßig etwas unterlegen". Auch war die griechische Stellung stark: sie zog sich schräg über das Tal des Kephissos, die eine Flanke stützte sich auf den Fluß, die andere auf hügliges Gelände im Süden. Ein Umfassungsangriff war daher unmöglich und ein Frontalangriff wegen des schrägen Frontverlaufs schwierig. Das einzige, was sich mit Sicherheit sagen läßt, ist, daß die von dem achtzehnjährigen Alexander11 kommandierte Kavallerie auf der linken Flanke gegen die Thebaner auf dem rechten Flügel des griechischen Heeres den entscheidenden Schlag führte und daß das Resultat beispiellos war. Die Blüte des thebanischen Heeres, die >Heilige ScharPhilokrates-Frieden< verantwortlichen Mannes. Die abgebildete Hypereides-Büste ist die Kopie eines Originalwerkes des 4. Jhs. v. Chr. (Kopenhagen, Nationalmuseum).

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seine Ziele zu verwirklichen fähig war, und wandte sich in einem Schreiben unmittelbar an ihn. So stand also nach 346 den führenden Politikern, die sich für eine tatkräftigere Auseinandersetzung mit Philipp einsetzten, eine Opposition gegenüber, die eine makedonenfreundliche Haltung befürwortete. Schließlich setzten sich Philipps Gegner mit ihrer Politik durch, die im Abschluß eines Bündnisses gipfelte, an dem sich auch die Boioter beteiligten, die bis dahin Feinde der Athener und lange Zeit hindurch Bundesgenossen Philipps gewesen waren. Als schließlich die endgültige Auseinandersetzung mit Philipp immer näher rückte, beschloß die athenische Volksversammlung 339 v. Chr. ein Gesetz, das die Überweisung der bisher der Schauspielgeld-Kasse zugeflossenen Überschüsse an die Heereskasse anordnete. Es ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß in den Jahren zuvor der Widerstand der Athener gegen Philipp hätte wirksamer sein können, wenn nicht die Boioter ihre Feinde und Bundesgenossen der Makedonen gewesen waren. Denn unter den gegebenen Verhältnissen hatten sich die Athener genötigt gesehen, den größten Teil ihres Heeres in Attika zu behalten, um einem eventuellen Angriff von Feinden zu begegnen, mit denen sie eine gemeinsame Grenze besaßen, obgleich diese ihrerseits an ihren Westgrenzen von den mit den Athenern verbündeten Phokern bedroht waren. Die Gegnerschaft zwischen Boiotern und Athenern ging in die Jahre vor Philipps Regierungsantritt zurück. Auch mit Phokis befand sich Boiotien im Kriegszustand, ehe Philipp in den Heiligen Krieg eingriff. Vorher waren Philipp und die Phoker aneinandergeraten, da Philipp es übernommen hatte, Larissa vor den Angriffen der Tyrannen einer anderen thessalischen Stadt zu beschützen. Diese wiederum suchten Hilfe in Phokis und erhielten sie, weil die Phoker Bundesgenossen in dem Krieg brauchten, den ihnen der Thessalische Bund, mehrere diesem Bund tributpflichtige Staaten, die Lokrer und die Boioter, erklärt hatten. Zahlenmäßig waren die Phoker ihren Feinden unterlegen; nachdem sie sich die Tempelschätze von Delphi angeeignet hatten, hatten sie ein außerordentlich starkes Söldnerheer aufgestellt, mit dem sie lokrische Gebiete erobert hatten und einen wechselvollen Krieg mit den Boiotern führten. Philipp besiegte (353 v. Chr.) das erste Expeditionskorps der Phoker, das in Thessalien eingedrungen war, wurde im folgenden Herbst von der Gesamtheit der phokischen Streitkräfte geschlagen, errang aber ein Jahr später (352) einen vernichtenden Sieg über sie. Dies brachte ihm folgende

Vorteile: Er wurde von den Thessalern zum >Archon< (Anführer) ihres Bundes ernannt und übernahm infolgedessen den Oberbefehl über ihre Streitkräfte sowie die Verwaltung bestimmter Finanzmittel, die man ihm zur Verfügung stellte; außerdem war er nunmehr Bundesgenosse Boiotiens und anderer Staaten Mittelgriechenlands. Zwar hatten die Phoker die Athener und die Spartaner als Verbündete. Dies aber brachte Philipp keinerlei Nachteile: die Athener waren ohnehin seine Gegner und die Spartaner nicht in der Lage, ihm zu schaden. Nachdem die Phoker von Philipp besiegt worden waren, beschränkten sie sich auf ihr eigenes Land und auf die von ihnen eroberten Gebiete benachbarter Staaten. Für ihre Nachbarstaaten, sogar für die Boioter, stellten sie nach wie vor ein ernstes Problem dar, aber Philipp standen sie nicht mehr im Wege. Nachdem er andere Schwierigkeiten überwunden und auch Athen durch Friedensschluß ausgeschaltet hatte, vernichtete er die Phoker (346 v. Chr.). Was die Flächenausdehnung und die Bevölkerungsziffern Makedoniens und der bedeutendsten anderen griechischen Staaten angeht, so werden wir auf Vergleiche verzichten. Die Fläche eines Staatsgebietes stellt an sich keinen Machtfaktor dar, und die Bevölkerungszahlen der antiken griechischen Staaten sind allenfalls äußerst fragmentarisch bekannt. Überwiegend handelt es sich um Vermutungen aufgrund ungesicherter Berechnungen, und daher weichen auch die entsprechenden Hypothesen bisweilen so erheblich voneinander ab. Eines jedenfalls läßt sich mit Bestimmtheit sagen: Schon vor Philipps Thronbesteigung war Makedonien flächenmäßig sehr viel ausgedehnter, aber auch sehr viel volkreicher als jeder andere griechische Staat, und seine Überlegenheit in dieser Beziehung vergrößerte sich durch Philipps Eroberung immer mehr. Makedonien war ferner wesentlich reicher als alle anderen griechischen Staaten. Der größte Teil seiner Einkünfte stammte aus Bergwerken. Schon unter Alexander I. (485 bis 440 v. Chr.) erbrachten die Bergwerke von Dysoron eine jährliche Silberausbeute im Werte von 360 Talenten. Philipp erwarb im Jahre 358 v. Chr. Bergwerke in Damasteion nördlich und nordöstlich vom Lychnitis-See (Ochrid-See); im Jahre 357 kamen Minen im Gebiet des Pangaion-Massivs dazu, 356 weitere Gruben östlich von Philipp!. Das letztgenannte Abbaugebiet produzierte pro Jahr Gold im Wert von über 1000 Talenten. Außerdem besaß Makedonien Kupfer- und Eisenbergwerke, die höchstwahrscheinlich ebenfalls dem Staat gehörten. Wei-

tere Staatseinnahmen stammten aus Zollabgaben. Als Oberfeldherr und dann als Archon der Thessaler erhielt Philipp von den Häfen und Märkten des Thessalischen Bundes Abgaben sowie den Tribut, den die umwohnenden Völker - Perrhaiber, Magneten, Achaier, Doloper - an den Bund zahlten. Betrachten wir demgegenüber die Staatseinnahmen der Athener: Während des Bundesgenossenkrieges (357 - 355 v. Chr.) waren die jährlichen ordentlichen Einnahmen auf 130 Talente gesunken. Nach der von Eubulos erreichten Sanierung der Staatsfinanzen stiegen sie bis 339 auf 400 Talente11, d. h. auf gerade 40% des Ertrages einer einzigen Goldmine Philipps bzw. vielleicht 10% seiner Gesamteinkünfte. Die regulären Einnahmen des athenischen Staates waren zur Deckung der Ausgaben für Verwaltung, öffentliche Arbeiten, Sozialleistungen an Mittellose und für die Schauspiel-Kasse bestimmt. Die Ausgaben für Rüstung und Kriegführung dagegen bestritt man aus anderen Quellen. Mit Ausnahme der Theten waren die Bürger zum Besitz einer persönlichen HoplitenAusrüstung verpflichtet, und wessen Vermögen eine bestimmte Grenze überstieg, hatte für die Haltung eines Streitrosses aufzukommen. Die Reichsten übernahmen die Ausrüstung der Kriegsschiffe und zahlten Sondersteuern, aus denen man andere Kriegsausgaben deckte. Eine Vorstellung von der Höhe dieser Ausgaben vermitteln folgende Details: die Entsendung von 5000 athenischen Hopliten und 400 Reitern an die Thermopylen im Jahre 35212 kostete trotz einer Dauer von nur wenigen Wochen 200 Talente13. Im folgenden Jahr schätzte Demosthenes die bloßen Verpflegungskosten für 2000 Fußsoldaten, 200 Reiter und 2000 Ruderer, die auf den zehn Trieren Dienst tun sollten, auf rund acht Talente monatlich14. Entsprechende finanzwirtschaftliche Informationen aus anderen griechischen Staaten besitzen wir nicht. Bei bedeutenderen Unternehmungen gegen seine griechischen Gegner mobilisierte Philipp folgende Streitkräfte: im Jahre 352 v. Chr. 20000 Fußsoldaten und 2000 Reiter; im Jahre 340 insgesamt 30000 Mann; im Jahre 338 schließlich 30000 Fußsoldaten und 2000 Reiter. Darunter waren Makedonen, Thessaler und andere Bundesgenossen15. Wenn nötig, hatte er bevölkerungsmäßig wie finanziell Spielraum genug, um dreimal so viele Makedonen und möglicherweise viermal so viele Thessaler, außerdem noch Tausende von Söldnern aufzubieten. Die zahlenmäßig stärksten Truppen, die die Boioter und Athener Philipp (im Jahre 338 v. Chr.) entgegenwarfen, bestanden aus 11000 bis 12000 Fußsoldaten und 800 Reitern, bzw. 121

10000 Fußsoldaten und 600 Reitern. Diese Zahlen liegen nur geringfügig unter dem, was Boioter wie Athener bei einer Mobilisierung von dreißig Altersklassen an Streitkräften aufbringen konnten. Die zweitgrößte Mobilisierung der Athener gegen Philipp war die des Jahres 352 v. Chr., um Philipp an den Thermopylen Einhalt zu gebieten. Als im Jahre 351 die Nachricht kam, daß Philipp Byzanz belagerte, stellte Athen zehn Trieren und den Betrag von 10 Talenten zur Verfügung. In den Jahren 349 und 348 sandte Athen den Olynthern als Hilfe zunächst eine Söldnertruppe von 2000 Peltasten (Leichtbewaffnete), dazu 30 Trieren, später 4000 Peltasten, wiederum Söldner, 150 athenische Reiter und 18 Trieren, sowie schließlich 2000 athenische Hopliten, 300 athenische Reiter und 18 Trieren. Es ist bemerkenswert, daß die 348 dorthin entsandten 4000 Peltasten, die 150 athenischen Reiter und 18 Trieren vom Hellespont abgezogen wurden, einem Gebiet, von dem die Existenz der Athener abhing. Den Phokern gelang es, ein weit größeres Heer als die Boioter und Athener aufzustellen, indem sie mit Hilfe der durch den Raub der delphischen Tempelschätze erlangten Gelder Söldner anwarben. Vor dem Heiligen Krieg hatten sie 5000 Mann. Im Jahre 354, dem zweiten Jahr des Heiligen Krieges, waren es dann 10000, und 353 v. Chr. kamen sie sogar auf 20000 Mann, mit denen sie Philipp in Thessalien schlugen. Im folgenden Jahr hatten sie genauso viele Krieger, verloren aber 9000 Mann durch Tod, und Gefangenschaft. Im letzten Kriegsjahr hatten sie schließlich infolge ständiger Verluste und des Zusammenschmelzens der Tempelschätze nur noch 8000 Mann aufzuweisen. Philipps Heer war allen übrigen griechischen Heeren nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ überlegen. An seiner Spitze stand einer der größten Organisatoren und Heerführer aller Zeiten. Ein weiterer Feldherr von hervorragenden Fähigkeiten, Parmenion, nahm den zweiten Rang ein. Unter diesen beiden Oberbefehlshabern dienten bewährte Offiziere jeder Alters- und Rangstufe. Philipp hatte in seinem Heer organisatorische, waffentechnische und taktische Neuerungen eingeführt, die die Leistungsfähigkeit der Truppe erhöhten. Die Männer waren von Kampfgeist beseelt und Philipp innerlich verbunden; sie waren darauf trainiert, lange Eilmärsche durchzuführen und mit äußerster Disziplin Operationspläne in die Tat umzusetzen16. Keine der griechischen Mächte, mit denen Philipp in Konflikt geriet, war in der Lage, Makedonien auf seinem 122

eigenen Boden einen Schlag zu versetzen. Die Phoker waren rings von Feinden umgeben und von den Amphiktyonen als Tempelschänder verurteilt worden. Bei ihren drei Zügen nach Norden kamen sie bis ins südliche Thessalien; das zweite Mal besiegten sie Philipp, aber beim dritten Male wurden sie vernichtend geschlagen. Und die Athener waren, obgleich sie doch eine Flotte besaßen, nicht einmal in der Lage, Philipp daran zu hindern, ihre Bundesgenossen in den Küstengebieten des nordägäischen Raumes zu unterjochen. Dagegen waren sie ihrerseits außerordentlich leicht verwundbar: Schiffszimmerholz bezogen sie von der Chalkidike und aus anderen Gegenden, die in Philipps Hand fielen. Ein Drittel ihres Getreidebedarfs und ein bedeutender Teil ihres Handels nahm den Weg durch die Meerengen, auf die Philipp in mehreren Eroberungsphasen vorrückte. Im selben Gebiet waren Athener Bürger ansässig, die Gefahr liefen, entweder Repressalien Philipps ausgesetzt zu sein oder als Flüchtlinge nach Athen zurückkehren zu müssen. Philipp war stets genau und rasch über Strömungen der öffentlichen Meinung in feindlichen wie befreundeten Städten informiert; er wußte, welche Entscheidungen dort getroffen wurden, welche Motive dafür maßgebend waren, und kannte den Grad der Entschlossenheit seiner Gegner. All das war leicht für ihn zu erfahren, denn a) die betreffenden Diskussionen fanden öffentlich in den Volksversammlungen statt, b) er hatte zahlreiche Informanten und c) die ihm feindlich gesonnenen Staaten verfügten nicht über Möglichkeiten, die Nachrichtenübermittlung an ihn zu unterbinden. Im Gegensatz dazu kannten weder die Athener noch die Bürger der anderen mit ihm im Krieg befindlichen Staaten Philipps Absichten oder die Zahl der Streitkräfte, über die er verfügte, denn er entschied allein und zog allenfalls wenige Berater ins Vertrauen. Aus Demosthenes' Reden geht hervor, daß selbst dieser den Umfang der finanziellen und militärischen Mittel Philipps, seine Führerqualitäten, die Loyalität seiner Untertanen und die Treue seiner Bundesgenossen erheblich unterschätzte. So vernehmen wir tatsäch69. Demosthenes' großer Gegner war Aischines. Demosthenes beschuldigte ihn ständig, er diene den Interessen Philipps, während heutige Historiker der Ansicht sind, daß Aischines' Politik möglicherweise weitsichtiger war als die seines Widersachers. Das Original dieser Büste stammt aus dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr. Aischines' Gelassenheit steht in scharfem Gegensatz zu dem beunruhigten, angespannten Ausdruck des Demosthenes (London, Britisches Museum).

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lieh, das eigentliche Makedonien sei militärisch schwach17 und verwundbar18; Philipps Soldaten, die Pezetairoi und die Söldner seien nicht so gut wie ihr Ruf 19 ; die Athener verfügten über bedeutendere militärische Macht und reichere finanzielle Mittel als Philipp20; die Makedonen seien der ständigen Kriege überdrüssig und wollten Frieden21; Makedoniens Handel mit dem Ausland sei zum Erliegen gekommen22; und schließlich seien Thessaler, Paionen, Illyrer und andere Völker zum Aufstand bereit23. Es ist unwahrscheinlich, daß Demosthenes das alles einfach erfunden hat, um den Athenern Mut zu machen; allenfalls können wir annehmen, daß er zu diesem Zweck falsche Informationen, die ihm vorlagen, und die unbegründeten Überzeugungen, die er sich bildete, etwas übertrieb. Im übrigen hätte Demosthenes, wenn er wirklich über Mittel, Möglichkeiten und Fähigkeiten Philipps Bescheid gewußt hätte, im Jahre 353/52 v. Chr. nicht das Eingreifen der Athener in die Auseinandersetzung zwischen Megalopolis und Sparta vorgeschlagen, noch 351 dafür plädiert, sich in den Bürgerkrieg der Rhodier einzumischen und Philipp, dessen Flotte mit verheerender Wirkung für die Athener in der Ägäis und bis dicht an die Küsten Attikas in Aktion getreten war, mit einer Streitmacht von zehn Trieren, 2000 Hopliten und 200 Reitern, zu drei Vierteln Söldnern, sowie einer Reservestreitmacht von 50 Trieren und einer entsprechenden Anzahl von Pferde- und sonstigen Transportschiffen gegenüberzutreten. Allgemein läßt sich sagen, daß der relativ geringe Umfang der militärischen Mobilisierungen Athens gegen Philipp nicht nur durch die beschränkten finanziellen Möglichkeiten Athens sowie durch die Notwendigkeit bedingt war, in Attika ausreichende Streitkräfte zur Abwehr eines boiotischen Angriffs zu unterhalten, sondern auch auf Unterschätzung der Streitkräfte Philipps beruhte. Hätten die Athener diese richtiger eingeschätzt, so hätten sie vielleicht eine andere Politik verfolgt und nicht unzulängliche Mittel eingesetzt, was einzig und allein zur Folge hatte, daß sie nicht nur ihre Bundesgenossen und Stützpunkte verloren, sondern daß darüber hinaus auch noch sinnlose Verluste an Menschenleben und Geldmit70. Die Athener Agora war der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens in der Stadt. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts jedoch führten die demokratischen Institutionen, das Aufsteigen unfähiger und korrupter Elemente in die führenden Schichten sowie um sich greifender und zunehmender Individualismus dazu, daß Athen gegenüber der dynamischen neuen Gesellschaft Makedoniens in eine ungünstige Lage geriet.

teln entstanden. Sicherlich war auch die Haltung der Athener im Jahre 344 v. Chr. völlig wirklichkeitsfremd, als sie eine entgegenkommende Geste Philipps falsch auffaßten und als Anzeichen von Schwäche interpretierten 24 . Philipp plante langfristig, faßte seine Entschlüsse allein und traf seine Entscheidungen nach kühler Überlegung und ohne Zeitvergeudung. In Athen dagegen hatte die Volksversammlung über alles abzustimmen. Hierzu mußten Lageberichte angehört werden, Redner vertraten die unterschiedlichsten Standpunkte, Anträge wurden eingebracht, und dies alles in einer von Polemik aufgeladenen Atmosphäre, in der die Redner und ihr jeweiliger Anhang die Probleme nicht selten eher vernebelten als der Klarheit näherbrachten. Demosthenes klagt darüber, daß es Redner gab, die keine eigenen Ideen hatten, sondern lediglich Sympathiewerbung trieben. Deshalb fragten sie: »Was wollt ihr? Was soll ich beantragen? Was kann ich tun, um euch zufriedenzustellen?« 25 Desgleichen erfahren wir von ihm, daß jede einzelne politische Interessengruppe ihre bezahlten Claqueure hatte, die jeweils bestimmte Redner durch tosenden Beifall hochjubelten und dadurch die öffentliche Meinung beeinflußten26. Nicht minder geißelte Isokrates die gegenseitigen Anschuldigungen der Rhetoren, die Handgemenge auf der Tribüne, zu denen einige von ihnen sich hinreißen ließen, und die heftigen Reaktionen der Menge. Hinzugefügt sei, daß viele Bürger nur ungern für Anträge stimmten, die finanzielle Belastungen, Kürzung der Beträge für die SchauspielgeldKasse, Mobilisierung von Bürgern (nicht von Söldnern) oder Opfer anderer Art mit sich brachten. Dies alles hatte zur Folge, daß man unüberlegte Entscheidungen traf, die lediglich von der Lust und Laune des Augenblicks abhingen und sich ständig änderten. Philipp verstand es, sich die emotional aufgeladene Atmosphäre, die in der Athener Volksversammlung herrschte, zunutze zu machen, um durch bestimmte diplomatische Gesten oder Vorschläge die ihm erwünschten Reaktionen zu provozieren. Ferner kam ihm außerordentlich zustatten, daß er selbst Geheimdiplomatie betrieb, während sich bei den Athenern alles im Lichte der Öffentlichkeit abspielte. Philipp setzte auch seine Entscheidungen ganz allein in die Wirklichkeit um. Da er niemandem Rechenschaft schuldig war, konnte er jeweils den geeignetsten Augenblick abwarten, ebenso wie es ihm jederzeit freistand, seine Pläne, noch während er sie ausführte, zu ändern. Im Gegensatz dazu mußten in Athen und anderen griechischen Staaten mit demokratischer oder oligarchischer 125

Verfassung die Beschlüsse der Volksversammlung von Archonten, Generälen und Gesandten ausgeführt werden, die keinen Spielraum für eigene Initiativen besaßen und in jedem Fall zur Verantwortung gezogen wurden - sei es für die Nichtausführung eines Auftrages (mochte dieser auch noch so unsinnig sein), sei es für das Mißlingen von Maßnahmen, und zwar selbst dann, wenn diese aufgrund übereilter Beschlüsse erfolgten. Einer der bedeutendsten Aktivposten Philipps war seine eigene Persönlichkeit. Natürlich hätte er an der Spitze eines schwachen Staatswesens oder im Rahmen einer anderen historischen Konstellation nicht dieselben Leistungen erbringen können; insbesondere wären ohne die positive Einstellung der Makedonen zu seiner Politik diese Leistungen wohl niemals möglich gewesen. Andererseits steht jedoch außer Frage, daß er selbst es war, der Makedonien so stark machte, wie es aufgrund seiner Bevölkerung, seiner Wehrfähigen und seiner natürlichen Hilfsmittel nur sein konnte: er überwand die inneren Schwächen des Landes27, schaltete die Nachteile der monarchischen Regierungsform aus, wußte dagegen deren Vorzüge im höchsten Maße zu nutzen; mit >moralischen< Aufmunterungen und materiellen Anreizen stärkte er den Kampfgeist der Makedonen; unter ihm leistete sein Heer mehr, als jedes damalige Heer unter vergleichbaren Bedingungen zu leisten imstande war; er bewahrte seine Armee vor Verlusten, indem er, wo immer es möglich war, Diplomatie28, Propaganda, persönliche Faszination oder Bestechung einsetzte. Jede Gelegenheit, die sich bot, wußte er zu nutzen, wie er auch aus den Rivalitäten und Schwächen seiner Gegner Kapital zu schlagen verstand. Die politischen und militärischen Führer der feindlichen Staaten waren Philipp weit unterlegen. Selbst Athen mangelte es an politischen und militärischen Persönlichkeiten von Rang. Demosthenes' Fähigkeiten als Politiker standen hinter seinem Patriotismus und der Tatkraft weit zurück, die er nach 346 v. Chr. entfaltete, um die Athener auf die entscheidende Auseinandersetzung mit Philipp vorzubereiten und um Bundesgenossen zu finden. Um Hypereides' politische Fähigkeiten stand es noch schlechter. Hegesippos war ein engstirniger Fanatiker, der die Athener zu ganz unangebrachter Unversöhnlichkeit verleitete. Von den Feldherren, die in den Jahren der Auseinandersetzung mit Philipp das Heer der Athener kommandierten, traten drei besonders in Erscheinung: Chares, Charidemos und Phokion. Der erste war ein erfahrener Feldherr >alter Schule< und bereits in vorgerücktem Alter. Im Jahre 353 126

ließ er sich an der Spitze eines Flottengeschwaders in der nördlichen Ägäis durch eine Kriegslist Philipps täuschen; er besiegte jedoch dessen Söldner bei Kypsela am Hebros und nahm Sestos ein. Als er Philipp zum zweiten Mal gegenüberstand (349 auf der Chalkidike), war er wiederum erfolglos. Deshalb wurde ihm auch der Oberbefehl abgenommen. In der Schlacht von Chaironeia hatte er eine untergeordnete Position. Phokion war ein mittelmäßiger Feldherr, jedoch das Vorbild eines Bürgers und disziplinierten Offiziers: wenngleich er ein erklärter Gegner der Demokratie war, tat er doch loyal seine Pflicht. Er wurde nicht gegen Philipp eingesetzt, sondern für andere Aufgaben verwandt, vielleicht weil er für Verständigung mit Philipp war. Charidemos war kein gebürtiger Athener. Nachdem er schon jung begonnen hatte, als Hoplit Söldnerdienst zu leisten, zeichnete er sich um 365 v. Chr. als Offizier einer Söldnertruppe im Dienst der Athener aus, weshalb ihm Athen das Bürgerrecht verlieh. Bald darauf jedoch, im Jahre 362, bot er seine Dienste anderen Herren, in der Troas, an und benutzte die Gelegenheit, um mehrere Städte auf eigene Rechnung zu erobern. Wenig später machte er sogar mit Feinden Athens gemeinsame Sache, ja er besiegte sogar eine athenische Heeresabteilung und erlegte ihr demütigende Bedingungen auf (359 v. Chr.). Trotzdem nahmen ihn die Athener 357 v. Chr. wieder freundlich auf und wählten ihn zum Strategen: ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr es an geeigneten Truppenkommandeuren fehlte. Als Charidemos dann 349 v. Chr. an der Spitze einer athenischen Hilfsexpedition nach Olynth entsandt wurde, hatte er nichts als sein Vergnügen im Sinn. Über andere Feldherren Athens der damaligen Zeit besitzen wir nur ganz wenige, allgemeine Informationen ohne Namensangaben. Aber alles, was wir von ihnen hören, lautet durchweg ungünstig. Im Krieg ihr Leben aufs Spiel zu setzen, daran dachten sie nicht. Doch machte es ihnen offenbar nichts aus, strafbare Handlungen zu begehen, auf die der Tod stand; man machte ihnen den Prozeß, verurteilte sie aber nicht; vielmehr wurden sie wiederum Strategen und taten erneut, was sie schon früher getan hatten29. Andere kümmerten sich um den Krieg gegen Philipp überhaupt nicht, sondern führten ihre eigenen Privatkriege30. Gewiß ergaben sich einige der Vorteile auf Philipps Seite und einige der Nachteile auf selten Athens, die wir oben einander gegenübergestellt haben, aus den Besonderheiten der jeweiligen Verfassung: der Monarchie auf selten der Makedonen und der Demokratie auf der Seite Athens.

Dennoch wäre es verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, die makedonische Monarchie und die athenische Demokratie als solche seien für das historische Ergebnis verantwortlich. Wäre dies der Fall, so wären unter entsprechenden Bedingungen Monarchien stets Demokratien überlegen. Hiergegen sprechen jedoch nicht nur allgemeine Erwägungen, sondern es lassen sich auch ganz konkrete Argumente aus der Geschichte Makedoniens und Athens anführen. Denn bereits vor Philipp war Makedonien eine Monarchie, aber diese Monarchie brachte dem Lande eher Nachteile, da sie dynastische Streitigkeiten auslöste. Umgekehrt hatte sich Athens demokratische Verfassung einst als Kraftquelle für Athen erwiesen. Kaum hatte sie sich durchgesetzt, wiesen die Athener Angriffe der Spartaner, Boioter und Chalkidier erfolgreich ab (507/506 v. Chr.). Herodot führte diesen Erfolg mit Recht auf die neue Verfassung zurück31. Später wiesen die Athener, stets im Zeichen ihrer demokratischen Verfassung, zunächst allein den ersten Feldzug der Perser zurück (490 v. Chr.), trugen dann mehr als jeder andere griechische Staat dazu bei, auch den zweiten Perserzug zurückzuschlagen (480), und gründeten und leiteten schließlich den Ersten wie auch den Zweiten Attischen Seebund. Die Rede, die 431 v. Chr. die Gesandten Korinths in Sparta hielten, enthält Anklagen gegen die Athener, die das genaue Gegenteil der Vorwürfe Demosthenes' darstellen und sich fast wie dessen gegen Philipp gerichtete Beschuldigungen ausnehmen32. Die institutionellen und funktionalen Schwächen der athenischen Spielart des demokratischen Systems traten damals noch seltener in Erscheinung und wurden durch positive Seiten aufgewogen, die das athenische Staatswesen damals noch aufzuweisen hatte. Als es zur Auseinandersetzung mit Philipp kam, hatten aus Gründen, die wir hier nicht erörtern können, die Nachteile der athenischen Verfassung überhandgenommen, und die dadurch verursachten Schäden waren nicht wiedergutzumachen. Im Gegensatz dazu hatte Philipp die makedonische Monarchie gestärkt, ihm hatte sie es zu verdanken, daß sie nun frei von Schwächen war, und er genoß alle Vorteile, die sie ihm zur Verwirklichung seiner Expansions- und Hegemonie-Pläne nur bieten konnte. Aus der vorstehenden Gegenüberstellung ergibt sich, daß

Philipp seinen griechischen Gegnern auf allen Gebieten von strategischer Bedeutung überlegen war, und zwar weit überlegen. So verfügte er über große Sicherheitsspielräume. Er brauchte seine Streitkräfte und seine materiellen Mittel nicht in vollem Umfang einzusetzen und wäre auch bei geringerer Überlegenheit ebenso erfolgreich gewesen. Natürlich hätte dasselbe Potential an Menschen und Material unter einem mittelmäßigeren oder weniger ehrgeizigen Anführer als Philipp nicht das vollbracht, was es tatsächlich unter Philipp leistete. Aber es ist begreiflich, daß dieses Potential im Zusammenwirken mit den außerordentlich günstigen Gelegenheiten, die sich boten, Philipps Hegemonie-Bestrebungen noch steigerte, denn die Erkenntnis, über Mittel und Möglichkeiten zu verfügen, die es einem gestatten, bisher Erreichtes zu übertreffen, kann einen Ehrgeizigen nicht ruhen lassen. Umgekehrt untergruben die beschränkten Mittel und die ungünstige Machtkonstellation den Kampfeswillen der Athener, spalteten die öffentliche Meinung, minderten die Widerstandskraft großer Volksteile; das Klima des Pessimismus wirkte negativ auf die Institutionen zurück, führte zu einem Mangel verantwortungsbewußter Führungskräfte und förderte statt dessen das Aufsteigen unfähiger, der Korruption zugänglicher Elemente. Bekanntlich geht in Gesellschaften, die eine Reihe von Mißerfolgen erleben und Strömungen von Pessimismus ausgesetzt sind, die Motivation zu persönlichem Einsatz, Opfer und Hingabe zurück, während sich die Neigung zum Individualismus, ja zum krassen Egoismus verstärkt. Philipps Makedonien dagegen hatte eine Gesellschaft voller Dynamik und Optimismus aufzuweisen, deren Angehörige sich der Bedeutung ihres persönlichen Beitrags zur weiteren Verwirklichung der von der Gesamtheit verfolgten Ziele bewußt waren. So verstärkten sich also auf der einen Seite die Anstrengungen und vermehrten den bisherigen Gewinn, vergrößerten das anfängliche Potential, während auf der anderen Seite die Kraftreserven ständig abnahmen, nicht nur weil sie sich in einem ungleichen Kampf aufzehrten, sondern auch weil sie sich zersplitterten. Das Wechselverhältnis der Kräfte änderte sich immer mehr zugunsten Philipps und zuungunsten der Südgriechen, die ihm Widerstand zu leisten suchten.

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\6nder panhellenischen Idee zur panhellenischen Einheit

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Im Jahre 338 v. Chr. fügte Philipp einer starken Koalition griechischer Staaten bei Chaironeia eine vernichtende Niederlage zu. Doch wenn die Besiegten Repressalien befürchtet hatten, so erwiesen sich ihre Befürchtungen als grundlos. Statt seine unterlegenen Gegner zu demütigen, bot Philipp diesen vielmehr einen Friedensvertrag an und forderte sie auf, gemeinsam mit ihm einen Feldzug gegen die Perser zu unternehmen. Damit ging er endlich an die Verwirklichung der beiden wesentlichsten Elemente jenes panhellenischen (gesamtgriechischen) Programms, auf das er schon seit langem hingearbeitet hatte. Schon vor ihm hatten griechische Denker ein solches Programm entworfen und propagiert, und lason, der >Tyrann< (Stadtfürst) von Pherai, hatte sogar schon einmal versucht, es wenn auch in etwas anderer Form als Philipp - in die Tat umzusetzen. Die politische Zersplitterung der Griechen förderte zwar die Entwicklung demokratischer Institutionen und begünstigte den politischen Aufstieg fähiger Bürger, zugleich war sie jedoch schuld an zahllosen internen Kriegen. Jeder hellenische Staat wollte sich auf Kosten anderer vergrößern; und wenn es einem gelang, das Übergewicht zu bekommen, waren Hegemonie und Unterdrückung die Folgen. Jenen Staaten wiederum, die Zielscheibe der Angriffe anderer wurden, war jedes Mittel recht, um ihr Staatsgebiet, ihre Autonomie oder bisweilen einfach ihre nackte Existenz zu verteidigen. Es war ein sehr gefährlicher Kreislauf, in den das Griechentum damit geraten war. Dennoch hatten die Griechen schon recht früh nationales Identitätsbewußtsein entwickelt, waren sie doch überzeugt, Eigenschaften und Fähigkeiten zu besitzen, die sie anderen Völkern überlegen machten - den >BarbarenPanegyrikos< und der Brief an Archidamos bezeichnen all "dies als Übel, die durch die Durchführung des panhellenischen Programms behoben werden könnten; im >PhilipposPanegyrikosPhilippos< und anderen jüngeren Texten ist jedoch davon nicht mehr die Rede. Isokrates beschäftigte sich auch im voraus mit der Frage, wie denn die Eroberung asiatischen Territoriums moralisch zu rechtfertigen sei. Er gelangte zu dem Resultat, es sei nur recht und billig, Reichtum und Macht jenen zu 130

nehmen, die von beidem mehr als notwendig besäßen10, sowie die Überheblichen zu demütigen". Schließlich hätten die Perser in der Vergangenheit Griechenland übel mitgespielt und planten noch immer neue Übergriffe 12 . Eine Schande sei es, wenn die Griechen nicht reagierten, obwohl der Großkönig kein Heer habe, das fähig sei, ihnen gegenüberzutreten, und dies durch Anwerbung griechischer Truppenführer und Söldner offen eingestehe13. Eine ebensolche Schande sei es, wenn infolgedessen Griechen an seiner Seite gegen Griechen kämpften und ihm behilflich seien, Aufstände niederzuschlagen, während man ihm doch gefahrlos seinen gesamten Besitz entreißen konnte14. Auch die Überzeugung, die Griechen seien Barbaren grundsätzlich überlegen, fließt in Isokrates' Argumentation ein. Die Barbaren tut er als feige ab15; sie seien weniger wert als die Griechen, obwohl diese doch im Elend lebten16. Es sei ein Skandal, daß Barbaren mehr besäßen als Griechen17, daß die Griechen, während sie als Einzelpersonen Barbaren als Sklaven hielten, es in ihrer Gesamtheit hinnehmen, für die Barbaren zu arbeiten18, und daß unter den verweichlichten, kriegsunerfahrenen, vom Wohlleben korrumpierten Barbaren Fürsten an die Macht gekommen seien, die den Anspruch erhöben, über Griechen zu herrschen19. Bei einem weiteren Argument geht es darum, welche Herrscherdynastie vornehmer sei - auch das empfand Isokrates als Skandal, daß Herakles' Nachkommen, also die Königshäuser von Sparta und Makedonien, die sich gemeinsam auf den mythischen Heros zurückführten, einen niedrigeren Herrschertitel hatten als die Nachkommen des Kyros, den seine Mutter einst ausgesetzt haben soll20. Zeitlichen Vorrang vor dem Krieg gegen die Barbaren hatte für Isokrates die Versöhnung der Griechen miteinander21. Ohne sie war Asiens Eroberung nicht möglich. Dies hatte sich gezeigt, als Agesilaos gezwungen war, seinen Feldzug abzubrechen, weil Spartas Kräfte durch innergriechische Auseinandersetzungen gebunden wurden22. Umgekehrt betrachtete Isokrates die Eroberung

71. Zwei Jahrzehnte ständiger Kriege und diplomatischer Verhandlungen fanden am Vorabend von Philipps Tod ihre Krönung in der Gründung des Neuen Korinthischen Bundes, mit der die ehrgeizigen Pläne Wirklichkeit wurden, denen er sein ganzes Leben gewidmet hatte. Der größte Teil des nördlichen Balkangebiets war makedonischer Herrschaft unterworfen, und die Mehrzahl der griechischen Staaten ihm durch vielfältige Allianzen verbunden. Die Karte zeigt diese politischen Beziehungen der griechischen Staaten im Todesjahre Philipps.

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DAS MAKEDONENREICH UND DIE GRIECHISCHEN STAATEN AM ENDEDER REGIERUNGSZEIT PHILIPPS II, 336 v. Chr. B

Makeflonenfeicrt und abhängige Staalan Thessalien, Philipp persönlich unterstellt Molosserreicd, dureh VerwarfltschaR mit Philipp verbunden griecHisctie Staaten, Mitglieder des Korimhiscden Bundes neutrale griechische Staaten

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Asiens als wichtigen Faktor der Konsolidierung des Friedens unter den Griechen23. Als Isokrates in den Jahren zwischen 390 und 380 v. Chr. den >Panegyrikos< verfaßte, vertrat er die Ansicht, das hellenische Bündnis müßte unter gemeinsamer Führung der Athener und Spartaner stehen. In der Folge wandte er sich jedoch an verschiedene Fürsten24: an lason, den Tyrannen von Pherai (vor 370 v. Chr.), an dessen Sohn Alexander, an Dionysios, den Tyrannen von Syrakus (367), an den Spartanerkönig Archidamos (356), schließlich an Philipp (346 und später). In diesem Wechsel kommt ebenso seine Enttäuschung über die mangelnde Eignung der bedeutenderen griechischen Stadtstaaten zur Übernahme der Führerrolle in seinem panhellenischen Konzept zum Ausdruck wie sein Vertrauen zu Alleinherrschern und zur Monarchie als Institution (die ihm im Vergleich zur Demokratie das effizientere System zu sein schien). Dennoch empfahl er den Empfängern seiner Schreiben, ihre Macht ausschließlich über Barbaren auszudehnen und nicht etwa Griechen zu unterwerfen 25 . Bei jedem einzelnen seiner Sendschreiben-Adressaten begründete Isokrates, warum er gerade ihn als Anführer einer gesamtgriechischen Koalition in Erwägung gezogen habe. In seinem Schreiben an Dionysios erklärte er diesem, er wende sich an ihn, weil er unter den Hellenen über die größte Macht und das größte Ansehen verfüge 2 *. Im Schreiben an Archidamos berief er sich auf dessen Eigenschaft als König und seinen guten Ruf unter den Hellenen27. Für die Wahl Philipps gab es wesentlich mehr Gründe: Philipp war ein Nachfahre des Herakles 28 und besaß von Natur aus Gaben, die zu den schönsten Hoffnungen auf große Leistungen berechtigten2'; er hatte bereits, wider alle Erwartung und Vernunft, außerordentliche Dinge vollbracht, die auch weitere bedeutende Erfolge erwarten ließen30; er verfügte über eine so große Macht wie niemand anderes in Europa31; er besaß keine Bindung an eine einzelne griechische Stadt und konnte daher ganz Griechenland als seine Heimat betrachten12. Unter allen Monarchen vereinigte allein Philipp in seiner Person alle die Fähigkeiten und Vorzüge, die die ihm zugedachte Rolle erforderte. Worin bestand diese Rolle? Der König von Makedonien sollte die Initiative zur Befriedung und Versöhnung sämtlicher Griechen ergreifen33, dabei bei seinen Gegnern beginnen34 und die anderen Griechen dazu bringen, dasselbe zu tun35. Die Anwendung von Gewalt mußte vermieden werden. Daher durfte Philipp auch keine griechischen 132

Städte erobern und sich nicht den Griechen als Monarch aufdrängen. Denn für Griechen sei die Monarchie als Staatsform ungeeignet36. Auf dieselbe Weise, ausschließlich durch Überzeugung, mußte er die Teilnahme der griechischen Städte an dem Feldzug gegen die Barbaren erreichen17, dessen Oberbefehl er übernehmen werde38. Als Isokrates den >Philippos< schrieb, war er sich sicherer als je zuvor, daß die Versöhnung der Griechen im Bereich des Möglichen lag. Zuerst waren, so meinte er, wohl die vier größten Städte - Athen, Sparta, Argos und Theben zur Zusammenarbeit bereit. Sie würden sich kaum widersetzen, denn Schicksalsschläge und bittere Erfahrungen hätten ihre frühere Überheblichkeit und Unversöhnlichkeit erheblich gemindert". Auch was die Durchführbarkeit und die Erfolgsaussichten eines gesamtgriechischen Feldzuges gegen Asien anging, war Isokrates nun zuversichtlicher als je zuvor. Im >Panegyrikos< hatte er betont, die Heere des Großkönigs seien nicht imstande, einer griechischen Streitmacht gegenüberzutreten, wobei er sich auf historische Beispiele berief 40 und anführte, der Großkönig führe versklavte Untertanen »wider deren Willen« ins Feld41; im >Philippos< spricht er erneut von der Unterlegenheit der Heere des Großkönigs42 und der Feigheit der Barbaren 43 , daneben jedoch führt er neue Argumente ins Feld: der Perserkönig sah sich Aufständen vieler tributpflichtiger Völkerschaften gegenüber44, während Philipp die großen Massen der verbannten oder arbeitslosen Griechen als Söldner verwenden und damit die Quelle zum Versiegen bringen konnte, aus der sich bisher der persische Großkönig Söldner geholt hatte45. Was den Umfang der Eroberungen angeht, so vertrat Isokrates Maximalforderungen, jedoch ohne konsequent zu sein. Dies zeigen die unterschiedlichen Vorschläge, die er unterbreitete: die Griechen sollten alle Barbaren46 oder doch so viele Barbaren wie möglich47 unterwerfen; sie sollten ganz Asien erobern48 oder das ganze Perserreich, zumindest aber Kleinasien bis zur Linie Kilikien-Sinope eine Vorstellung, die bereits anderweitig Ausdruck gefunden hatte4'. In den eroberten Gebieten sollten griechische 72. Isokrates war einer der konsequentesten und wortgewaltigsten Vertreter der panhellenischen Einheit. Er schrieb eine Reihe von Reden sowie zahlreiche Briefe, in denen er auf ihre Verwirklichung drängte. Sein Ziel war die Einigung der griechischen Stadtstaaten und der gemeinsame Feldzug gegen die Barbaren. Das Original dieser Büste des Athener Rhetors stammt aus dem4. Jh. v. Chr. (Neapel, Nationalmuseum).

Kolonien gegründet werden, wo Besitzlose und Verbannte eine neue Heimat finden sollten50. Die Alteingesessenen sollten einen den Periöken51 oder Heloten52 Spartas entsprechenden Status erhalten. Einen Plan zur Aufteilung des in Asien zu erobernden Landes entwarf Isokrates jedoch nicht. Aus all seinen Vorschlägen und Empfehlungen sowie aus gewissen Andeutungen, die sich ausschließlich im >Philippos< finden, zog man den Schluß", daß Isokrates erwartete, die Zusammenarbeit unter den Griechen werde auch nach der Eroberung asiatischer Gebiete weiterbestehen, da diese ja alle Ursachen weiterer Bruderkämpfe zwischen Griechen und Griechen aus der Welt schaffen werde. Isokrates unterließ es, konkrete Vorschläge zu formulieren54. Neuere Versuche, einige Stellen im >Philippos< zu deuten, gehen wohl zu weit55, und je mehr man versucht, seine politischen Ideen zu rekonstruieren, um so inkonsequenter stellt sich Isokrates dar. Isokrates' Ziel war nicht die Schaffung eines griechischen Einheitsstaates. Ihm reichte die Aussöhnung der bestehenden griechischen Stadtstaaten und ihre künftige harmonische Koexistenz. Dementsprechend schloß er sowohl die Vorherrschaft einer Polis über andere Städte als auch die Unterordnung der Griechen unter die Macht eines Monarchen aus. Dies betont er besonders im >PhilipposPanegyrikosvoi)VT]iov texvrji oüöe|Ji[äi OIIÖE uTixavfji otiöe T]T|V ßaoiXeiav [i]f]v xai TWV exYÖv](ov xaiaWiaa) ööe (sie) T&105 oi'oag] nag* EXÜOTOIC;, öt£ ttig ÖQXO'Ug TOÜC JtEQl lfj]c ElQ^VT]g (ÖJXVUOV,

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74-75. Vertreter sämtlicher griechischer Staaten traten in Korinth zu der Versammlung zusammen, die Philipp einberufen hatte, um einen »Allgemeinen Landfrieden-abzuschließen, der die Verwirklichung des Ideals der panhellenischen Einheit darstellte. Oben: der Text des von den Mitgliedern des Korinthischen Bundes 337 v. Chr. geschworenen Eides, wie er sich in einer auf der Athener Akropolis gefundenen Inschrift fragmentarisch erhalten hat. Rechts: vergoldete Tonscheibe aus Derveni mit einer Reliefbüste der Athena Parthenos, einer jener Gottheiten, die man bei der Leistung des Bundeseides anrief. Zweite Hälfte des 4. Jhs. v.Chr. (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

Delos hatten, einen Abstimmungssieg davontrugen. Schon vorher hatte er gezeigt, wieviel ihm an der Öffentlichen Meinung in Athen gelegen war, indem er eine Gesandtschaft dorthin schickte, um auf die Anklagen des Demosthenes und anderer ihm feindlich gesonnener Redner zu antworten. Im Jahre 344 v. Chr. trafen in Athen persische Abgesandte mit einem Bündnisvorschlag ein. Wahrscheinlich fürchtete der Großkönig Philipp. Die Athener lehnten den persi-

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schen Vorschlag ab, obgleich sie damals ihrerseits Bundesgenossen gegen Philipp suchten. Noch ehe Philipp Informationen über Athens Haltung hatte, schickte er selbst eine Eilgesandtschaft nach Athen, um eine Annäherung zwischen den Athenern und dem Großkönig zu verhindern und die Athener zu einer weniger antimakedonischen Einstellung zu bewegen. Im Mittelpunkt seiner Botschaft stand die Zusage der Änderung einiger Bedingungen des Philokrates-Friedens zuzustimmen. Die Athener, die glaubten, Philipp befände sich in Schwierigkeiten, schraubten ihre Ansprüche übermäßig hoch. Darauf reagierte Philipp, indem er seinerseits den Persern Avancen machte und in einer Reihe griechischer Städte ihm ergebene Regierungen einsetzte. Wenige Jahre später schrieb Philipp den Athenern, sein Angebot vom Jahre 344 habe das Ziel gehabt, eine Regelung ihrer Meinungsverschiedenheiten zum Wohl der Hellenen zu erreichen^. Mithin gehörte auch dieser diplomatische Schachzug in den Rahmen seines panhellenischen Programms. Die Annäherung Philipps an die Perser war nicht von langer Dauer. Hermeias, der Tyrann von Atarneus und Assos an der Westküste von Kleinasien, suchte Kontakt mit Philipp aufzunehmen. Die Tatsache, daß dieser dem Wunsch entsprach, zeigt, daß er bei dieser Gelegenheit einen Stützpunkt in einem Gebiet zu gewinnen hoffte, das ihm - später als militärische Operationsbasis dienen sollte. Die persischen Behörden erhielten Kenntnis von Hermeias' Schritt. Hermeias wurde besiegt, gefangengenommen und 342 v. Chr. in Susa getötet. Auf diese Weise gelangten Philipps Pläne dem Großkönig zur Kenntnis. Als persische Antwort darauf muß wohl die uneingeschränkte Unterstützung durch Söldner, Waffen, Lebensmittel und Gelder gewertet werden, die die Satrapen Nordwestkleinasiens der 340 v. Chr. von Philipp belagerten Stadt Perinth gewährten. Kurz darauf bekamen auch die Südgriechen von Philipps asiatischen Plänen Wind. Demosthenes machte 341 v. Chr. eine diesbezügliche Bemerkung76, als er seine Bemühungen zur Bildung einer großen Koalition gegen Philipp verstärkte. Diese Koalition, wurde von Philipp bei Chaironeia zerschlagen. Daß der Sieg Philipps in dieser Schlacht den Weg für einen panhellenischen Feldzug nach Asien unter seiner Führung freimachte, entging dem attischen Redner Demades keineswegs, der als Kriegsgefangener Philipp begegnete, welcher betrunken umherschwankte, seiner Siegesfreude Ausdruck gab und die Besiegten anpöbelte. Demades, so

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wird berichtet, habe ihm damals freimütig zugerufen: »König, das Schicksal hat dir Agamemnons Rolle zugewiesen und du schämst dich nicht, wie ein Thersites zu handeln?« 77 Die Bedeutung der Gegenüberstellung Thersites', des verwachsenen, herausfordernden und unsympathischen Antihelden der Ilias, mit Agamemnon, dem mächtigsten unter den Königen der Achäer und ihrem Anführer im Krieg gegen die Trojaner, ist unmißverständlich. Demades' Anspielung brachte Philipp wieder zur Besinnung, denn sie erinnerte ihn an die Rolle, die er sich selbst zugedacht hatte. Nachdem Rausch und Rachegelüste verflogen waren, widmete er sich konsequent der Durchführung einer wohlüberlegten Politik, wobei sich zwei Phasen unterscheiden lassen. Zunächst suchte Philipp seine Beziehungen zu seinen bisherigen griechischen Gegnern zu ordnen und einige Angelegenheiten von mehr lokaler Bedeutung zu bereinigen. Er gestattete den Athenern, die Leichname ihrer in der Schlacht Gefallenen mit allen gebührenden Ehren zu verbrennen. Wenige Tage später teilte er Athen seine Bedingungen mit: Er war bereit, die Kriegsgefangenen ohne Lösegeld freizulassen und die Asche der Toten nach Athen zu senden; den Athenern sollten die Inseln Skyros, Lemnos, Imbros und Samos bleiben, ferner forderte er ihre Mithilfe bei der Bekämpfung der Seeräuber. Nachdem die zustimmende Antwort der über seine unerwartet milden Vorschläge sehr überraschten Athener eingetroffen war, sandte er die Asche der Toten mit einem Ehrengeleit, das aus seinem Sohn Alexander und zwei seiner bekanntesten Feldherrn bestand. Gegenüber den Thebanern, die ihr ihm gegebenes Wort gebrochen hatten, nahm er dagegen eine andere Haltung ein: zwar ließ er auch ihre Gefangenen frei, jedoch gegen Lösegeld, und die Toten erlaubte er auf einem Stück Land zu begraben, das die Thebarer käuflich zu erwerben hatten; er nahm dem thebanischen Staat Gebiete eroberter boiotischer Städte ab, desgleichen Oropos. Die boiotischen Städte gab erihren alten Einwohnern zurück, Oropos dagegen übertrug er den Athenern; er untersagte es den Thebanern, das boiotische Volk im Rat und in den anderen Körperschaften der Amphiktyonie zu vertreten; schließlich legte er eine Garnison in die Kadmeia - die Akropolis von Theben. Ferner 76. Reliefkopf eines Silens, der den Boden einer silbernen Omphalos-Vase (Kalyx) in der Mitte schmückte. Er wurde in Derveni im Grab Z gefunden und in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. datiert (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

stationierte er Truppen in Chalkis, Korinth und Ambrakia. Von den Akarnanen forderte er die Verbannung ihrer Landsleute, die bei Chaironeia gegen ihn gekämpft hatten. Die Städtebünde der Besiegten ließ er bestehen. In den Städten Boiotiens und Euboias, desgleichen in Korinth, Troizen und Ambrakia wurden die demokratischen Regime gestürzt, nicht jedoch in Athen und Achaia. Wir wissen nicht, ob hinter diesen Veränderungen Philipp stand, oder ob sie unter dem Druck lokaler Gegebenheiten zustandekamen. Philipps Milde gegenüber den Besiegten, die zum Verhalten anderer Griechen unter entsprechenden Umständen und zu seinem eigenen Verhalten anderen Feinden gegenüber in auffallendem Gegensatz steht, ist unter dem Gesichtspunkt seiner panhellenischen Politik zu verstehen. Daß er innerhalb des allgemeinen Rahmens seines so milden Verhaltens den Thebanern gegenüber relativ mehr Härte zeigte, hängt damit zusammen, daß diese das Bündnis mit ihm gebrochen hatten. Nun, da Philipp auf die Meinung der Thebaner keine Rücksicht mehr zu nehmen brauchte, erleichterte er die Lage der Phoker, indem er beim Rat der Amphiktyonen die Herabsetzung der halbjährlichen Raten, die sie als Schadensersatz an das Heiligtum von Delphi zahlten, von dreißig auf zehn Talente durchsetzte. Philipp übernahm auch die Rolle eines Schiedsrichters zwischen griechischen Staaten, die am letzten Krieg nicht teilgenommen hatten. So billigte er die Gebietsansprüche, die Argos, Tegea, Megalopolis und Messene gegen Sparta geltend machten, und übte militärischen Druck auf die Spartaner aus, um sie zur Gefügigkeit zu zwingen. Ein bemerkenswerter Akt Philipps war es auch, daß er den Arkadischen Bund in vollem Umfang wiederherstellte. Nach diesen bilateralen oder lokalen Regelungen wandte sich Philipp einem anderen, weit bedeutenderen Ziel zu: der Zusammenarbeit der Südgriechen unter seiner Führung und der Vorbereitung eines panhellenischen (allgriechischen) Feldzugs gegen die Perser. Gegen Ende des Jahres 33878 forderte Philipp die selbständigen griechischen Staaten des Festlands und der umliegenden Inseln auf, Vertreter nach Korinth zu entsenden, um Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu erörtern. Die Wahl des Ortes hing möglicherweise damit zusammen, daß schon 480 in Korinth die Vertreter der griechischen Stadtstaaten zusammengekommen waren, die Xerxes Widerstand entgegensetzten, und deutete folglich darauf hin, daß dem neuen Kongreß eine ähnliche Aufgabe zugedacht sei. Indessen ging es nicht um einen 141

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Feldzug gegen die Perser, sondern anscheinend ausschließlich um einen allgemeinen Landfrieden, eine koine eirene. Hierunter verstanden die Altgriechen jeden Freundschafts- und Nichtangriffspakt, jeden Vertrag gegenseitiger Hilfe und Zusammenarbeit (auch militärische Beistandspakte), der von einer größeren Anzahl von Staaten (nicht notwendigerweise ehemaligen Kriegsgegnern) unterzeichnet wurde, desgleichen die durch einen solchen Pakt geschaffene politische Lage. Vor dem allgemeinen Landfrieden vom Winter 338/337 waren viele ähnliche Abkommen dieser Art unterzeichnet worden. Ihre Reihe beginnt mit dem >Königs-< oder >Antalkidas-Frieden< von 387/386 v. Chr. 79 . Die Bedingungen dieser koine eirene waren von Philipp diktiert und von den Staaten gebilligt worden, die seiner Aufforderung Folge geleistet hatten (Sparta befand sich nicht darunter). Aus einer Reihe fragmentarischer Zeugnisse80 erfahren wir, daß die vertragschließenden Teile, zu denen Philipp nicht gehörte, kollektiv >Hellenen< genannt wurden und folgende Verpflichtungen hatten81: 1. keinen anderen Staat gegen seinen Willen zur Beteiligung an der koine eirene zu zwingen; 2. die Verträge zu halten (was damit gemeint ist, ist freilich nicht klar)82; 3. die Freiheit, Autonomie und territoriale Unversehrtheit der Teilnehmer zu respektieren; 4. keinen Krieg gegen andere Vertragspartner zu führen, außer wenn diese eine der Vertragsbedingungen verletzt hatten; 5. weder die Schiffahrt der anderen Vertragspartner zu behindern noch deren Schiffe zu zwingen, in einen anderen als ihren Bestimmungshafen einzulaufen; 6. die dogmata (Beschlüsse) des koinon synhedrion (d. h.: der Körperschaft der bevollmächtigsten Vertreter der Signatarstaaten) zu befolgen; 7. die Weisungen des Hegemon auszuführen; 8. keine politischen Verbannten aufzunehmen und ihnen keine Unterstützung gegen die Regierungen ihrer Heimatstaaten zu gewähren; 9. mit Ausnahme der Tyrannis keine der zum Zeitpunkte der Unterzeichnung des Paktes bestehenden Verfassungen anzutasten; 10. weder eine Neuverteilung von Boden noch Schuldenerlässe oder Freilassungen von Sklaven vorzunehmen; 11. keine Gesetze zu beschließen, die für bis dahin leichter bestrafte Delikte die Todesstrafe, die Verbannung oder die Einziehung des Vermögens vorsahen; 12. keine feindseligen Handlungen gegen Philipp oder seine Nachkommen vorzunehmen; 13. in Fällen eines Vertragsbruchs an der Unterwerfung und Bestrafung der Schuldigen mitzuwirken. Neu im Vergleich zu den älteren Pakten einer koine eirene 142

sind die Punkte 6-12. Für die Institution des Synhedrion gibt es zwar Präzedenzfälle, aber nicht bei Pakten dieser Art, sondern bei Symmachien (Kampfbünden) und in der Delphischen Amphiktyonie. Außerdem ist das >Synhedrion der Hellenern in seiner Art insofern neu, als die in ihm vertretenen Staaten nicht durch eine von Staat zu Staat gleich große Zahl von Delegierten repräsentiert werden sollten, sondern durch zahlenmäßig unterschiedliche Delegationen je nach der Bevölkerungsziffer und militärischen Stärke der einzelnen Mitgliedsstaaten. Wir wissen83, daß die Thessaler zehn Sitze erhielten, die Phoker und die Lokrer je drei, die Perrhaiber zwei, andere Staaten, deren Namen nicht zu entziffern sind, je fünf, zwei oder einen, Zakynthos und Kephallenia zusammen drei, Thasos und Samothrake zusammen zwei sowie eine Gruppe von Staaten in Zentralgriechenland fünf 84 . Die Stellung des Hegemon wurde mit der Rolle des Garanten des >Königsfriedens< verglichen, die sich seinerzeit der Großkönig selbst vorbehalten hatte85. Aber hier eine Parallele sehen zu wollen, ist wohl gewagt, zumal wir die genauen Funktionen und Kompetenzen des Hegemon im Pakt der Hellenen nicht kennen86. Selbstverständlich hatte Philipp die Stellung des Hegemon für sich reserviert Philipp, der, wie auch aus den uns bekannten Vertragsbestimmungen hervorgeht, selbst nicht Vertragspartei war, obgleich er und kein anderer den Vertrag diktiert hatte. So dürfte er, indem er außerhalb des Kreises der Vertragsparteien blieb, diesen gegenüber eine Stellung ähnlich jener gehabt haben, die er bereits gegenüber den Thessalern als Archon ihres Bundes innehatte. Die oben unter Ziffer 8 genannte Bestimmung verbietet die Unterstützung von Bewegungen, deren Ziel der Umsturz des verfassungsmäßigen Regimes bei anderen Paktmitgliedern ist. Die Punkte 9 - 11 untersagen den Vertragsstaaten, sogar innerhalb ihrer eigenen Grenzen Verfassungs- oder auch nur Gesetzesänderungen vorzunehmen, durch die in die bestehende Sozialordnung eingegriffen werden könnte87. Die meisten griechischen Staaten hatten damals schon oligarchische Verfassungen und Philipp wohlwollend gegenüberstehende Regierungen. Aber den gleichen Schutz wie diese genossen auch die verbleibenden demokratischen Regime in Athen sowie in den Städten Achaias. Anscheinend war 77. Henkelattasche in Form einer Sirene von einer in Torone auf der Chalkidike gefundenen silbernen Hydra. Das Fabelwesen mit dem Kopf einer Frau und dem Leib eines Vogels ist von Pflanzendekor umgeben. Ende des 5. Jhs. v. Chr. (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

Philipp bereit, diesen Preis zu zahlen, um Unruhen in den wenigen noch demokratischen Städten zu vermeiden. Namentlich die Unterstützung eines oligarchischen Regimes in Athen hätte den Widerstand der demokratischen Mehrheit herausgefordert und Philipps Ansehen als Friedensstifterbeeinträchtigt. Die Motive, die Philipp veranlaßten, die oben als Punkte 8-12 aufgeführten Bestimmungen in den Vertragstext aufzunehmen, waren rein politischer, nicht sozialer Natur. Aufs ganze gesehen, erstrebte er damit eine Stabilisierung der koine eirene sowohl um ihrer selbst willen, als auch im Interesse seines unmittelbar nächsten Ziels, des Feldzugs nach Asien. Insbesondere wollte er verhindern, daß man durch das Versprechen von Landzuteilungen und Schuldenerlaß - oder aber durch das Versprechen der Freilassung - Besitzlose, Verschuldete und Sklaven gegen ihn aufbot88. Selbstverständlich dienten all diese Maßnahmen auch den Interessen der wohlhabenden Schichten in den einzelnen griechischen Städten, die beunruhigt das zahlenmäßige Anwachsen der Notleidenden und deren zunehmende Bereitschaft zu umstürzlerischen Aktivitäten beobachteten. Aus diesem Grunde hegten im übrigen gerade diese Schichten überwiegend eine besondere Vorliebe für Philipp. Allerdings gab es auch bemerkenswerte Ausnahmen: Philipps ärgster Feind, Demosthenes, war Sohn eines Werkstattbesitzers, der zahlreiche Sklaven für sich arbeiten ließ, und er selbst hatte sich ein großes Vermögen erworben, wogegen der Wortführer der auf Philipps Seite stehenden Athener, Aischines, einer unbemittelten Familie angehörte und hart für seinen Lebensunterhalt gearbeitet hatte, weshalb er sich ironische Bemerkungen seines Widersachers gefallen lassen mußte89. Schließlich verpflichtete Punkt 12 die Vertragspartner gegenüber dem nicht zu den Vertragsparteien gehörenden Philipp und dessen Nachkommen. Durch ihre neuartigen Bestimmungen wirkt Philipps koine eirene stärker abgesichert als alle früheren Landfriedensschlüsse. Die größte Gewähr für ihren Bestand boten jedoch die Institution des Hegemon und die Übernahme dieses Amtes durch Philipp, der gegen jeden Vertragsbrüchigen nicht nur die Heere der anderen Paktmitglieder ins Feld führen konnte, von denen er viele direkt oder indirekt (durch die regierenden Parteien, die ihm die Macht verdankten beeinflußte), sondern auch die gesamte Streitmacht seines eigenen Königreiches. Die nächsten Schritte, die Philipp in der Verfolgung seiner Griechenland- und Asienpolitik unternahm, waren (soweit uns die Quellen nicht im Stich lassen): sein Antrag, 144

einen panhellenischen (allgriechischen) Krieg gegen die Perser auszurufen, den er bei einer neuen Konferenz von Abgeordneten griechischer Staaten einbrachte, und zwar mit der Begründung, für die Zerstörung griechischer Heiligtümer durch Xerxes Rache zu üben; die Ernennung Philipps zum strategos autokrator (Befehlshaber mit unumschränkter Vollmacht) der griechischen Heere; schließlich die Verabschiedung eines Beschlusses (dogma), der jeden in den Dienst des Feindes tretenden Bürger eines verbündeten Staaten zum Verräter stempelte. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß man derartige Beschlüsse faßte, ohne daß ein Kriegspakt zumindest folgenden Inhalts bestand: 1. die und die Staaten schließen einen Bund miteinander; 2. dieser Bund wird zum Zweck eines Krieges gegen die Perser abgeschlossen; 3. den Oberbefehl der verbündeten Streitkräfte übernimmt ein strategos autokrator; 4. dieser wird von einer Delegiertenversammlung ernannt, die eine bestimmte Zusammensetzung haben sollte. Die zweite und die dritte dieser Bestimmungen konnten nicht gut in dem oben erörterten Wortlaut des allgemeinen Landfriedens enthalten sein: weniger, weil sie nicht bezeugt sind (immerhin wäre es durchaus möglich, daß sie in den fragmentarisch erhaltenen Nachrichten nicht enthalten sind), sondern weil sie Bestimmungen eines Angriffsbündnisses darstellen und schlecht zu einem Abkommen über den allgemeinen Frieden< passen. Wir müssen daher unterstellen, daß Philipp mit den Südgriechen auch ein Angriffsbündnis abschloß. Und dieser Vertrag wurde wohl kaum gleichzeitig mit dem Landfrieden abgeschlossen, denn er hätte diesen ja wieder aufgehoben, sondern erst später. Mit anderen Worten: als Philipp den allgemeinen Landfrieden diktierte, hielt er die Zeit für den Abschluß eines Offensivbündnisses noch nicht für gekommen. Vielleicht war er der Ansicht, daß die Stimmung in Südgriechenland noch nicht für einen Vertrag reif war, der den Besiegten von Chaironeia erneut die Verpflichtung zur Mobilisierung auferlegt hätte, während sie ihre Wunden noch nicht ausgeheilt, ihre Verluste noch nicht wieder aufgeholt hatten und ihre Erbitterung noch frisch war. Wir sind daher zu der Annahme gezwungen, daß der Abschluß des Bündnisses zeitlich entweder genau oder mit einer geringen Verschiebung mit den Beschlüssen zusammenfiel, die wir oben erwähnt haben: daß also entweder zuerst das Offensivbündnis gebilligt wurde und man sodann diese Beschlüsse faßte oder daß die betreffenden Beschlüsse Bestimmungen eben dieses Bündnisvertrages waren. Sehr wahrscheinlich

galten für den Bündnisvertrag die gleichen Grundbedingungen wie für den Landfrieden, dessen Institutionen man gleichzeitig übernahm. Dies sowie der Abschluß des Bündnisses zur selben Zeit, als der Feldzug nach Asien beschlossen wurde, liefern eine Erklärung dafür, daß das Bündnis in den Quellen nicht als ein besonderes Ereignis neben dem Landfrieden einerseits und den Beschlüssen über den Asien-Feldzug und Philipps Ernennung zum strategos autokrator andererseits erwähnt wird90. Philipp hat sich wohl abermals herausgehalten und zählte wohl auch hier nicht selbst zu den Vertragspartnern - seinem eigenen Beispiel beim Abschluß des Landfriedens sowie dem allerdings schon weit zurückliegenden Beispiel der Athener zur Zeit des 2. Attischen Seebundes91 folgend, das viele Vorteile92 bot. Nach Abschluß aller Vorbereitungen entsandte Philipp im Frühjahr 336 v. Chr. eine Vorhut von 10000 Mann nach Kleinasien, in erster Linie Makedonen, die die griechischen Städte vom Hellespont bis zum Maiandros befreite und auch gewisse Gebiete besetzte, die dazwischen lagen. Er selbst wäre mit der Hauptmasse des makedonischen Heeres und Teilstreitkräften der Verbündeten gefolgt, hätte ihn nicht die Klinge seines Mörders getroffen. Viele der Handlungen Philipps stehen im Einklang mit den Appellen und Empfehlungen, die Isokrates an ihn richtete. Beharrlich verfolgte er die beiden Ziele des panhellenischen Programms. Von 346 bis zu dem Augenblick, als Athen die große südgriechische Koalition gegen ihn zusammenbrachte, versuchte er die feindselige Haltung der Athener abzubauen, und die Art und Weise seines Verhaltens gegenüber den bei Chaironeia Besiegten läßt sich nur unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung dieses Programms erklären. Zeitlich stellte er die Zusammenarbeit der Griechen dem Feldzug in den Orient voran. Er zwang keinen Staat zur Teilnahme an der koine eirene und der Symmachie. Er ließ alle unabhängigen Staaten auf dem griechischen Festland und den Inseln bestehen, ja er schränkte nicht einmal ihre Autonomie ein - jedenfalls nicht über das Maß hinaus, das er zur Sicherung des

politischen und sozialen Friedens im Hinblick auf die militärische Unternehmung in Asien für erforderlich hielt93. Eine Stelle aus einem Text, der als ein nach Chaironeia verfaßter Brief Isokrates' an Philipp gilt, berichtet, viele hätten sich seinerzeit gefragt, ob Philipp durch Isokrates beeinflußt wurde, oder nicht94. Sofern wir es hier mit einem echten Brief zu tun haben, bezieht sich dieses Zeugnis auf eine Zeit, die zwar der koine eirene und erst recht dem Offensivbündnis vorangeht, durch das Philipps Denken in seinen Grundzügen viel klarer und die Basis für einen Vergleich mit Isokrates' Denken um so tragfähiger wurde. Falls das Schriftstück echt ist, erfahren wir aber außerdem, daß Isokrates selbst damals nicht wußte, was und wie er antworten sollte. Doch ob der Text echt ist oder nicht - in jedem Falle tut man gut, sich gegenüber dieser Frage, auf die es noch immer keine Antwort gibt, nicht eindeutig festzulegen. Auf der einen Seite sprechen in der Tat die Analogien, die wir aufgezeigt haben, sowie die zeitliche Beziehung zwischen Isokrates' >Philippos< (346 v. Chr.) und dem Handeln des Makedonen (von eben diesem Jahr an), das den Ratschlägen und Mahnungen des athenischen Rhetors so weitgehend entspricht, für eine positive Antwort. Aber andererseits fragt man sich mit ebensoviel Recht: War Philipp nicht in der Lage, selbst ähnliche Gedanken wie Isokrates zu fassen, ohne von diesem beeinflußt zu sein? Ganz gleich, wie die Dinge wirklich lagen - eines ist sicher: der Theoretiker war in solchem Maße Realist, daß zwischen seinen Ratschlägen und den Taten des Staatsmannes kein Abstand besteht, und der Staatsmann erhob sich so weit über das übliche Niveau, daß sein Handeln die Frage aufwirft, ob sich in ihm nicht doch die >Handschrift< des Theoretikers zeigt. Daß trotz allem Philipp seine panhellenische Politik nicht genau so verwirklichte, wie es Isokrates' Wünschen entsprach, ist nur allzu natürlich. Schließlich hat sich Isokrates nicht einen Augenblick aus der Sphäre der Theorie in die Arena der Praxis begeben, während Philipp fortwährend mit der Realität kämpfte.

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Makedonien unter Philipp

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Allen Kriterien zufolge, die uns zur Beurteilung der Frage zur Verfügung stehen, waren die Makedonen Griechen. Aber das zunehmende Interesse unserer Zeit, einer Zeit, die es uns ermöglicht, durch archäologisches Beweismaterial dem in den antiken literarischen Quellen erhaltenen, einigermaßen vagen Bild schärfere Umrisse und größere Tiefe zu verleihen, richtet sich besonders auf jene Züge, durch die sich die Makedonen von ihren Zeitgenossen unterschieden. Infolge ihrer relativ isolierten Position an der nördlichen Grenze des griechischen Raums und der besonderen Umstände ihrer historischen Entwicklung behielt diese spezifische Gesellschaft noch lange gewisse Merkmale bei, die im Gesamtrahmen des 4. Jahrhunderts v. Chr. ungewöhnlich, ja häufig anachronistisch wirken, während sie in Homers heroischer Welt vielleicht nicht so fehl am Platze wären. Andererseits konnte diese Gesellschaft in mancher Hinsicht völlig zeitgemäß und ganz und gar griechisch sein. Es ist diese lebendige und kraftvolle Mischung von Balkan einerseits und Ägäis andererseits, aber auch von Altem und Neuem, der die Menschen Makedoniens ihren ganz eigenen Zauber verdanken, und die in diesem kurzen Überblick über die makedonische Gesellschaft unter Philipp II. unser Thema bildet. Sogar noch im heutigen Makedonien zeigen sich die Spuren vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte unter anderem in einer gewissen Mischung von griechischen Dialekten und nichtgriechischen Sprachüberbleibseln. Nicht anders war es im 4. Jahrhundert v. Chr. - auch damals hatten Bevölkerungsverschiebungen von zwei und mehr Jahrhunderten Dauer ein Erbe hinterlassen, das eine Mannigfaltigkeit von Sprachen und Dialekten umschloß. Obgleich jedoch manche der früheren Bewohner, die im Zuge der von den pierischen Gebirgsregionen des Südwestens ausgehenden Expansion der Makedonen überrannt wurden, illyrische, thrakische und paionische Idiome gesprochen haben müssen, zeigt doch unser Belegmaterial für die Makedonen selbst, daß sie Griechisch gesprochen haben1. Es ist nicht überraschend, daß die Mitglieder der Temenidendynastie, die ihre Ahnenreihe auf Temenos, einen König von Argos, und damit letztlich auf Herakles zurückführten 2 , Menschen griechischer Zunge waren, und ebensowenig wundert man sich, daß sie eine durchaus klassische Form des Griechischen sprachen. Gleiches mag auch für das bakchiadische Herrscherhaus von Lynkos gegolten haben, das aus Korinth zu stammen behauptete3, wenn auch unsere Unterlagen hier zu dürftig sind, um

sichere Aussagen zu ermöglichen. Andererseits dürfte gleichfalls außer Zweifel stehen, daß zwar viele, ja vielleicht alle Makedonen - jedenfalls zu Philipps Zeit Hochgriechisch sprachen, daß es aber daneben auch noch eine besondere makedonische Mundart gegeben haben muß, die vom klassischen Griechisch ein wenig abwich4, einen Dialekt, der noch vertraut genug sein mochte, um unter gewissen Umständen - wie zum Beispiel als Parole oder im Rahmen einer ausgesprochen makedonischen Zeremonie - gute Dienste zu leisten, dessen Gebrauch aber allgemein im Abnehmen begriffen war. Leider verfügen wir kaum über Quellenmaterial, aber es gibt gewisse Anhaltspunkte, daß dieses Idiom die in einer Mischung mit anderen Dialekten in Thessalien gebräuchliche äolische Form des Griechischen war oder dieser ähnelte. Die Makedonen des westlichen Hochlands, die einst politische Beziehungen zu den epeirotischen Stämmen des PindosGebirges unterhalten hatten, sprachen vermutlich eine Form des Westgriechischen, ähnlich der im Epeiros gebräuchlichen; aber auch das dürfte sich, nachdem Philipp Ober-Makedonien annektiert hatte, in der Richtung auf die Standardform verschoben haben5. So gab es offenbar keine Verständigungsschwierigkeiten beispielsweise bei den dokumentarisch gut belegten Gesprächen zwischen den athenischen und sonstigen Gesandten, die Pella im Jahre 346 v. Chr. aufsuchten, sowie dem König und seinen Gefolgsleuten6, oder wann immer sonst bei den uns bekannten Kontakten Makedoniens mit den bedeutenderen Stadtstaaten im Süden des griechischen Raums. Ebenso war das Griechische auch die Sprache der Armee Alexanders des Großen; die 30000 jungen Perser, die für den Einsatz darin ausgebildet wurden, erhielten Unterricht in »griechischer Sprache und makedonischer Waffenkunst« 7 . Die Organisationsformen Makedoniens aber waren natürlich in keiner Weise typisch für das Griechenland des 4. Jahrhunderts v. Chr. Makedoniens institutioneller Rahmen war ganz eindeutig monarchisch. Ferner waren trotz gewisser, aus administrativen Gründen erfolgter Veränderungen der vorangegangenen Jahrzehnte seine Städte nicht Poleis im klassischen Sinn; nicht einmal der Theorie nach waren sie autonom. Das dürfte der Grund gewesen sein, der Demosthenes veranlaßte, Philipp in herabsetzender Weise als >Barbaren< zu bezeichnen8, obgleich eine derartige Bezeichnung auf Grund der Sprache Philipps und seiner Untertanen irreführend war. Schon ein halbes Jahrhundert zuvor hatte freilich auch Thukydi-

des die Makedonen ohne weitere Begründung unter die Barbarenvölker eingeordnet9; zu diesen zählte er allerdings auch die Molosser und die Thesproter des Epeiros, obwohl - wie Inschriften beweisen - deren Sprache ebenfalls griechisch war. Eine solche Bezeichnung, die offensichtlich Barbarentum eher mit einer stammesmäßigen Organisationsform, einer Organisation nicht in PolisForm, gleichsetzt als mit der nichtgriechischen Sprache, birgt zu viele Widersprüche in sich, als daß sie hilfreich sein könnte. Die religiösen Institutionen der Makedonen10, jedenfalls soweit sie sicher bezeugt sind, waren ganz offenkundig griechisch, waren doch die wichtigsten Tempel und Spiele Zeus und Herakles geweiht. Die bedeutendsten Kultzentren des Zeus befanden sich, soweit wir wissen, in der alten Hauptstadt Aigai sowie im benachbarten Dion. Wie man angesichts der Herleitung der herrschenden Dynastie erwarten mußte, nahm besonders in der alten und später in der neuen Hauptstadt die Herakles-Verehrung einen hervorragenden Platz ein. Sowohl zu regelmäßigen Zeiten als auch bei besonderen Anlässen wurden Festspiele abgehalten, so die Spiele für Zeus und die Musen in Dion, die Olympischen Spiele, die Alexander in Aigai abhielt, oder die Spiele, an denen Philipp teilnahm, als er 336 v. Chr. einem Anschlag zum Opfer fiel11. Eine der auffälligsten Besonderheiten der Makedonen und ihrer Könige war neben ihren ständigen militärischen Verpflichtungen, die sie selbst und andere ihnen aufhalsten, das Ausmaß, in dem religiöse Bräuche ihren Alltag beherrschten. Die regelmäßige Routine des Opferkultes, der Bitt- und Dankopfer, die wir sehr deutlich in Alexanders besser belegter Regierungszeit sehen, war Aufgabe des Königs, denn es gab keinen professionellen Priesterstand; der König war daher praktisch auch oberster Priester12. Diese kultischen Obliegenheiten sind eine Sache für sich, doch davon ganz abgesehen, zeigt sich während Philipps Regierungszeit immer wieder, wie gewissenhaft dieser war, sobald es - gleich, ob bei sich selbst oder bei anderen - darum ging, religiösen Praktiken oder Glaubensvorstellungen Rechnung zu tragen. Vielleicht sprach aus dieser seiner Haltung bisweilen sogar ein gewisser Zynismus, doch muß bei der Konsequenz, die Philipp hierin an den Tag legte, mehr dahintergestanden haben13. Viele Bräuche waren, wie das für ein so weit von den Hauptzentren entfernt lebendes Volk nur zu erwarten ist, klassisch-griechischer Denkweise fremd. Es waren die Traditionen und Sitten eines Grenzvolkes, dessen Überle147

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78. Detail einer bemalten Stele, die vor 20 Jahren in der Aufschüttung der Großen Tumba in Vergina entdeckt wurde. Die Wiedergabe der Frauengestalt ist meisterhaft und erinnert an Figuren der RenaissanceKunst. Ende des 4. Jhs. v. Chr. (Veria [Beroia], Archäologisches Museum}. 79. Detail von einem Mosaik aus dem Palast von Vergina mit der Abbildung einer mythischen weiblichen Gestalt.

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ben im Kampf gegen die marodierenden Stämme des Balkangebiets, ganz zu schweigen von den Raubzügen ihrer hellenischen Stammesbrüder, von seinem Behauptungswillen und seiner Kriegstüchtigkeit abhing. Selbst der König - oder vielleicht dieser erst recht - wurde von Kindheit an zur Jagd auf wilde Tiere angehalten, einer nicht selten gefährlichen und auf jeden Fall sehr kriegerischen Tätigkeit, die nicht weniger protokollarischen Regeln unterworfen war und bei der es nicht weniger auf Erfolg ankam als bei den meisten Armeen. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er, wie Alexander, noch sehr jung in seines Vaters Miliz Dienst tun müssen, um so früh wie möglich in der Lage zu sein, ein Kommando zu übernehmen. Von größter Wichtigkeit war, daß er lernte, in jeder Gefechtslage seine Truppen von vorn zu kommandieren, und ebenso wie seine Soldaten hatte der junge Prinz erst dann seine >Bluttaufe< erhalten, wenn er seinen ersten Feind in der Schlacht bezwungen hatte. Alles in allem trifft auf Makedonien die Bezeichnung >Männergesellschaft< in sehr viel stärkerem Maße zu als auf die Stadtstaaten der klassisch-griechischen Welt. Frauen, jedenfalls Frauen nichtköniglicher Herkunft, spielten eine völlig untergeordnete Rolle, und selbst die weiblichen Mitglieder des Königshauses hatten in erster Linie dem Herrscher Thronerben zu schenken oder für dynastische Heiraten mit seinen Bundesgenossen zur Verfügung zu stehen. Zumindest die königliche Familie war polygam, aus dem naheliegenden Grund, weil die Härte, mit der man Knaben erzog, zu einer hohen >Verschleißquote< unter den Prinzen geführt haben muß. Daher mußte stets eine angemessene Zahl von Thronerben vorhanden sein, denn der makedonische König wurde zwar vom Volke gewählt, doch solange es irgend möglich war, pflegte man seine Auswahl unter den Prinzen der Temenidenfamilie zu treffen, und zwar war es meistens der älteste überlebende Sohn, für den man sich entschied. Alexander, der es in recht unverantwortlicher Weise abgelehnt hatte, zu gegebener Zeit für Erben zu sorgen14, hinterließ das Reich ohne einen eindeutigen Bezugspunkt für die Loyalitätsgefühle seiner Untertanen und vernichtete damit die Dynastie. Es war eine Gesellschaft ohne schriftlich kodifiziertes Recht. Aber wir sollten natürlich nicht in den Fehler verfallen, die Kraft mündlicher Rechtstradition, des immer wieder neu interpretierten und allgemein akzeptierten Gewohnheitsrechtes, zu unterschätzen, dies ganz besonders in Anbetracht der bedeutenden Rolle, die Präze-

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denzfälle und durch die Zeit sanktionierte Rechtsgepflogenheiten in den höchstentwickelten und durchstrukturiertesten der modernen Rechts- und Verfassungssysteme spielen. Dem König als oberstem Richter (außer bei Kapitalverbrechen, vielleicht aber auch nur in Verratsprozessen, die durch eine makedonische Versammlung abgeurteilt wurden oder, falls der König im Felde stand, durch die Armee) fiel dabei eine entscheidende Rolle zu, doch erwarteten seine Untertanen, daß er sich in seinen Handlungen in diesen Fällen wie auch sonst nicht von bloßem Machtdenken leiten ließ, sondern seinerseits von Überlieferungen, denen zu entnehmen war, wie man sich als Herrscher in dieser oder jener Situation verhielt15. Bei gewissen Anlässen übernahm (wie bereits angedeutet) eine Makedonenversammlung die Rolle des Richters. Dies war bei der Aburteilung von Kapitalverbrechen16 sowie höchst aufschlußreich - bei der Nominierung eines neuen Herrschers oder vielleicht, wenn es darum ging, einen nicht mehr tragbaren Herrscher zur Abdankung zu zwingen 17; im übrigen aber gab es wohl keine verfassungsmäßige Gewalt, die den Herrscher hätte verpflichten können, etwas gegen seinen Willen zu tun. Auf der anderen Seite war es hergebracht und geziemend, daß das-Volk Zugang zu seinem König hatte und ihm gelegentlich mit bemerkenswertem Freimut seine Wünsche mitteilte18. Daß er in nahezu jeder Hinsicht über uneingeschränkte Autorität verfügte, verschaffte ihm zwar, wie Demosthenes fast neidvoll äußerte, gewisse diplomatische und militärische Vorteile19, es war aber andererseits auch gerade jener Zug, der damaligem griechischen Denken am fremdesten war. An griechischen Maßstäben gemessen, war die Bevölkerung des Königreiches ziemlich groß. Alles in allem hatte Makedonien vielleicht eine Million Einwohner. Die eigentlichen Makedonien waren davon wohl nur ein (vielleicht nicht einmal besonders hoher) Prozentsatz, während die Nachfahren der früheren Einwohner vermutlich eine zahlenmäßig starke Unterschicht bildeten. In diesem kaleidoskopartigen Bild gibt es ein ganz eindeutig hervor80. Die -makedonischem Gräber waren unterirdische Bauwerke meist mit einer tempelartigen Fassade und dienten sehr wahrscheinlich als Familiengräber. Die Abbildung zeigt eine Rekonstruktionszeichnung der zweistöckigen Fassade des großen Grabes von Lefkadia bei Naussa. Es besaß dorische Halbsäulen im unteren Stockwerk und durch Blendfenster getrennte ionische im oberen. In den Feldern zwischen den unteren Halbsäulen: eine monumentale Darstellung des Totengerichts im Hades. Von links nach rechts: dertote Krieger, Hermes der Seelengeleiter, dann Aiakos und Rhadamanthys, zwei der Totenrichter.

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tretendes Element: die Rolle des königlichen Hofes als Brennpunkt kulturellen Leben für das ganze Reich. In der Tat: Betrachtet man die beiden Stränge der materiellen Kultur, den alten und den neuen, die sich nebeneinander in der archäologisch faßbaren Hinterlassenschaft abzeichnen - den einen, der oft noch dem protogeometrischen Stil recht nahe verwandt ist, sowie demgegenüber den anderen, dessen Erzeugnisse so >modern< anmuten wie die der damals besten griechischen Werkstätten20, so kann man nicht umhin zu konstatieren, daß die >Modernisierung< des makedonischen Volkes ein Prozeß war, der vom Zentrum her nach außen hin verlief. Das Erwachen der Makedonien zu den kulturellen Entwicklungen des klassischen Griechentums war wohl eher Ergebnis bewußter Aufgeschlossenheit und vom Königshaus gesteuerter Kontaktpflege als primär und spontan. Die Temeniden-Dynastie war offensichtlich höchst darauf bedacht, ihr griechisches Erbe zu pflegen, und förderte in der überwiegend konservativen makedonischen Gesellschaft eine Haltung der Wertschätzung der eindrucksvollen, weitgehend athenischen Leistungen im Bereich zeitgenössischen Denkens und Schaffens. Einst hatte sich ganz besonders Archelaos als Kunstmäzen hervorgetan. Zweifellos hatte er sich gegen seine Gäste großzügig erwiesen, aber wir brauchen keinesfalls anzunehmen, daß Männer vom Format der Tragiker Euripides und Agathon, des epischen Dichters Choirilos, des Malers Zeuxis oder des Musikers Timotheos von Milet ausschließlich durch finanziellen Gewinn angelockt wurden. Die Regierungszeiten nicht aller Könige sind quellenmäßig so gut belegt, daß wir sicher wissen, wie ernst die meisten Könige diese Dinge nahmen. Aber zweifellos scheint die Tradition in den kurzen fünf Jahren der Herrschaft des Perdikkas III. (365-360 v. Chr.), Philipps älterem Bruder und Vorgänger nicht abgerissen zu sein. Seine Ratgeber waren so ausgezeichnete Männer wie (für die Staatsfinanzen) Kallistratos und der Platonschüler Euphraios, ja, in Wirklichkeit (wenn auch nur durch Briefe und nicht in persona) Platon selbst (die letztgenannten vermutlich in allgemeinen Fragen der Staatskunst und der Verwaltung). Welche Künstler seinen Hof besuchten, wissen wir nicht. Aber jedenfalls stand Philipp auf dem Boden alter Tradition, wenn er einigen der bedeutendsten Männer seiner Zeit sein Mäzenatentum zugute kommen ließ. Die wenigen Spuren des kulturellen Lebens an Philipps Hof, die die Jahrhunderte überdauert haben, lassen zu-

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nächst die zentrale Rolle des Theaters und der ihm verwandten Künste erkennen. Sie nahmen bei den meisten, ja vielleicht allen uns bekannten großen Feierlichkeiten eine bevorzugte Stellung ein, und zwar nicht isoliert, sondern in ihrer typisch griechischen Verbindung mit dem religiösen Ritual und häufig auch athletischen Wettbewerben so beispielsweise bei den Festlichkeiten, die gegen Ende des Jahres 348 v. Chr. anläßlich des Sieges über Olynth und die anderen Städte des ehemaligen Chalkidischen Bundes stattfanden. Am spektakulärsten von allen uns bekannten waren vermutlich die im Juli 336 v. Chr. in Aigai inszenierten großartigen künstlerischen Festspiele (die, wie es der Lauf der Geschichte wollte, zur Kulisse für Philipps Ermordung werden sollten) in Anwesenheit von Würdenträgern und Gesandten aus weiten Teilen der griechischen Welt. Deren Anwesenheit galt nicht nur dem offiziellen Grund der Vermählung der Prinzessin Kleopatra mit ihrem Onkel, König Alexander von Epeiros, vielmehr sollten sie auch miterleben, welche Erregung die ersten Nachrichten auslösten, die der Feldherr Parmenion nach Hause schickte. Parmenion hatte damals gerade im Namen Philipps und des Hellenischen Bundes den lange geplanten Asienfeldzug begonnen21. Derartige Fälle verschwenderischer Prachtentfaltung bildeten indessen die Ausnahme - obwohl die Makedonen bezeichnenderweise dazu neigten, festliche Anlässe auf solche Weise zu feiern. Aber noch bezeichnender sind die ständigen Hinweise, auf die wir immer wieder stoßen, daß das Theater und die Künste überhaupt praktisch jederzeit an Philipps Hof in Blüte standen. Wenn wir davon hören, daß prominente Schauspieler, Männer wie Aristodemos, Neoptolemos und Thessalos, gelegentlich auch politische oder diplomatische >Rollen< spielten und als Gesandte hierhin und dorthin reisten, so können wir dazu nur sagen, daß die Wahl dieser mehr oder minder staatenlosen Berufskünstler von Rang, deren Dienst an Apollon und deren Lebensstil im Umherreisen sie für solche Mittlerdienste geradezu prädestinierte, durchaus einleuchtete22. Aber wichtiger noch ist die Tatsache, daß Männer wie diese sich offenbar mit großer Regelmäßigkeit am makedonischen Hof befunden haben müssen. In noch stärke81. Unter den in der Großen Tumba von Vergina gefundenen Objekten befand sich eine große Anzahl von Grabstelen wie die hier abgebildete - Grabsteine einfacher makedonischer Bürger. Die rein griechischen Stämme der Namen auf den Inschriften mit ihren deutlichen makedonischen Eigenheiten bezeugen die jahrhundertealte lebendige griechische Tradition in Makedonien.

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rem Maß als die großen Festaufführungen macht diese Tatsache deutlich, daß für Philipp und seine Umgebung inzwischen diese Verbindung einer gewissen Primitivität einerseits mit kulturellem Raffinement andererseits offenkundig etwas ganz Selbstverständliches war und daß man keineswegs nur bei feierlichen Anlässen Anleihen bei der griechischen Kultur machte, um Leichtgläubige zu beeindrucken. Die archaischen Züge dieser Gesellschaft forderten den Spott der Antimakedonen in den griechischen Städten heraus, aber die überhebliche Herablassung eines Demosthenes oder eines Theopomp sollte uns nicht dazu verleiten, uns Philipp und seine Gefolgsleute lediglich als streitsüchtige, ungehobelte Raufbolde vorzustellen23. Zum Kreis um Philipp gehörte beispielsweise Antipatros, einer seiner beiden fähigsten Feldherrn und Verwaltungsbeamten - ein Mann von außerordentlicher Bildung und hoher Kultur, der nicht nur eine (leider verlorene) Geschichte der Illyrerfeldzüge Perdikkas' III. verfaßte, sondern bei Aristoteles in hohem Ansehen stand. Aristoteles' Briefe an ihn füllen neun Bücher, und der Philosoph ernannte ihn später zum Testamentsvollstrecker24. Unter Philipp herrschte bedeutender Zulauf nichtmakedonischer Griechen bei Hofe und in der Armee. Einige nahmen das makedonische Bürgerrecht an, andere nicht. Unter denen, die kamen und dortblieben, befanden sich zwei außerordentlich tüchtige junge Männer: der Kreter Nearchos (später als Admiral bekannt geworden), der unter dem Oberbefehl Alexanders des Großen dessen Flottenunternehmen auf den Strömen des Industales sowie längs der iranischen Küste zum Persischen Golf (3267 325 v. Chr.) kommandierte (sein Bericht darüber ist teilweise erhalten), desgleichen Eumenes von Kardia, ein Mann von hoher Bildung, der Philipp von 342 v. Chr. an als Sekretär diente und später, schon hochbetagt, eine Geschichte der Jahre nach Alexanders Tod schrieb25. Viele Männer von Rang und Namen hielten sich zu verschiedenen Zeiten am Hof auf. Ende der vierziger Jahre des 4. Jahrhunderts v. Chr. besuchte der Historiker Theopomp Pella; es ist nicht ausgeschlossen, daß er sich um den Posten des Prinzenerziehers (für Alexander) bewarb, den 342 v. Chr. statt dessen Aristoteles erhielt26. Theopomps Hauptwerk, die >PhilippikaZiegenort< gedeutet werden kann. Während der gesamten Herrschaftszeit der Temeniden und auch später noch blieb es eine Art zeremonielles Zentrum des Königreichs; dort wurden die Könige begraben, und dort beging man auch viele der großen Staatsereignisse - darunter beispielsweise die Feierlichkeiten, bei deren Verlauf Philipp den Tod fand37. Die Identifizierung von Aigai warf Probleme auf, dies hauptsächlich, weil Aigai einer Überlieferung zufolge früher >Edessa< geheißen haben soll, was zur Verwechslung mit einem anderen Edessa im antiken Makedonien (einer Stadt, die noch heute so heißt) führte. Der wissenschaftliche Befund allerdings - nicht der archäologische, denn das diesem zugrundeliegende Belegmaterial ist erst jüngst zutage gekommen - deutete, wenn auch vage, eher auf eine andere Lage hin. Und zwar enthalten die literarischen Quellen Hinweise sowohl auf Aigai als auch auf Edessa, denen zufolge es sich um zwei verschiedene Orte handeln muß. Ferner beobachtete Theophrast, daß im Gebiet der antiken Stadt bisweilen ein eigenartiges Umschlagen der Windströmungen stattfand, so daß bei sonst vorherrschendem Nordwind in Edessa selbst Südwind herrschte, weil der Olymp und seine Nachbarberge die Windrichtung veränderten. Dieses Phänomen ist noch heute zu beobachten - nicht in Edessa, das in jedem Fall viel zu weit vom Olymp entfernt liegt, sondern unmittelbar südlich des Flusses Haliakmon. Schließlich ergeben die Details eines Berichts über den Versuch eines 359 v. Chr. mit Philipp rivalisierenden Thronanwärters, in Aigai einen Aufruhr anzuzetteln, wenig Sinn, wenn Aigai mit Edessa 164

gleichgesetzt wird, erweisen sich aber als vollkommen zutreffend, sobald man von einer Lokalisierung im Gebiet des Haliakmon-Unterlaufs ausgeht38. Mehrere Jahrzehnte lang haben Archäologen eben dort auf dem flachen Gelände unterhalb des Dorfs Vergina eine große Anzahl von Grabtumuli untersucht, deren älteste aus der frühen Eisenzeit stammen. Weiter hügelaufwärts, oberhalb von Vergina, kamen Überreste einer sehr großen, im frühen 3. Jahrhundert oder etwas vorher anzusetzenden Anlage ans Licht39. Zwischen diesen beiden Fundstätten lag ein Grab aus etwa derselben Zeit, das einen Sessel oder Thron aus Marmor enthielt. War dies das Grab eines Königs ? Einer der Wissenschaftler gelangte zu dieser Überzeugung, andere schlössen sich ihr an40. Die Stücke dieses Puzzlespiels schienen sich zusammenzufügen, wenn sie auch gleichsam an den Rändern schadhaft waren. Die Frage ist inzwischen aufgrund der an anderer Stelle im vorliegenden Band40' geschilderten, großartigen Funde entschieden, die jüngst in dem riesigen Tumulus zu Vergina ans Licht gekommen sind: mit Sicherheit handelt es sich um Königsgräber, in einem Fall höchstwahrscheinlich um das Grab Philipps. Das große Gebäude weiter oben am Hang, ein Bauwerk von gut 104 m X 88 m Grundfläche, kann nun mit großer Wahrscheinlichkeit als das angesehen werden, was manche schon immer vermuteten: als Palast oder Teil eines Palastkomplexes, der vielleicht kurz nach der Zerstörung erbaut wurde, die Pyrrhos' galatische Söldner 274 v. Chr. in Aigai anrichteten41. Sein Grundriß ist jetzt im wesentlichen klar. Der Zugang an der Ostseite führt durch drei Propylaia auf einen großen zentralen Hof, den zahlreiche Räume umgaben. Zumindest das westliche Ende war zweistöckig. Erbaut aus fein verputztem Poros-Stein, während die oberen Mauerpartien aus luftgetrockneten Lehmziegeln bestanden, enthält die Anlage Überreste einiger schöner Fußbodenmosaiken; die verputzten Wände des Bauwerks waren vermutlich einst mit Wandmalereien geschmückt. Zwar stammt dieser Palast aus der Zeit nach Philipp, der von 359-336 v. Chr. regierte, doch die Größe der Anlage und ihre offensichtliche Pracht spiegeln jenes Makedonien wider, dessen Baumeister Philipp war 42 . Nachdem nun die Lage von Aigai außer Zweifel steht, dürfte die Erforschung des umliegenden Gebiets in verstärktem Maße fortgeführt werden, und zweifellos wird außer den bereits entdeckten Gräbern noch vieles andere ans Tageslicht kommen. Das Theater, in dessen Eingang Philipp ermordet wurde, lag wohl nicht weit entfernt, dies

dürfte auch für andere Bauten der klassischen Periode gelten43. Pella wurde aus strategischen Gründen zur neuen Hauptstadt Makedoniens gewählt, und zwar sicherlich von Archelaos. Während des 5. vorchristlichen Jahrhunderts hatte das Königreich seine Expansion nach Osten fortgesetzt, und um das Jahr 410 v. Chr. erstreckte es sich bis an den Strymon. Aigai war nun bei weitem nicht mehr zentral gelegen, und Probleme der Kommunikation und der Verwaltung - beides für Archelaos von größter Bedeutung - müssen sich infolge dieser peripheren Lage zunehmend verschärft haben. So siedelte man in die bereits existierende Stadt Pella über, die nicht weit vom damaligen Scheitelpunkt des Thermäischen Golfes entfernt an einem (heute nicht mehr existierenden) See am Unterlauf des Flusses Ludias lag. Weitgehend von sumpfigen Niederungen umgeben, war sie daher von der Seeseite her nur schwer verwundbar, besaß jedoch, wie es scheint, Verbindung zum Golf. Die gleichen Sümpfe ringsum mit ihren Befestigungsanlagen, deren Schwerpunkte die aus dem Sumpfgelände ragende Insel Phakos sowie deren Nachbarhügel im Norden und Nordwesten bildeten, verhalfen ihr aber auch zu einem leicht zu verteidigenden Vorfeld auf der Landseite44. Archelaos scheute keine Kosten, um seine neue Hauptstadt prachtvoll auszugestalten, so daß man spottete, zwar käme niemand zu Archelaos, doch alle Welt wolle seinen Palast besichtigen. Die Stadt wuchs rasch; um 380 v. Chr. war sie die größte im Land. Später, in hellenistischer Zeit, dehnte sie sich noch weiter aus, und es ist im Hinblick auf Philipp sehr bedauerlich, daß die meisten in Pella nachgewiesenen und ausgegrabenen Bauten aus dieser späteren Phase stammen. Sehr eindrucksvoll ist das große öffentliche Gebäude, das sich über die moderne Straße Thessaloniki-Giannitsa hinüberzieht und eine berühmtgewordene Gruppe von Kieselmosaiken enthält. Aber es gibt ein außerordentlich imposantes Bauwerk aus dem 4. Jahrhundert: die große Tholos (Rundbau) von 30,50 m Durchmesser mit drei kleinen Tholoi an ihrer Peripherie45. Das Bauwerk enthält gewisse Anhaltspunkte, daß es als Kultbau für die Abhaltung bestimmter Rituale - einschließlich Tieropfer - vorgesehen war; ferner haben wir Gründe, eine Beeinflussung durch ein Heiligtum ähnlicher Art auf der Insel Thasos anzunehmen, das mit dem Herakles-Kult zu tun hatte. Andererseits läßt die extreme Größe des

Bauwerkes vermuten, daß hier auch der Ort war, wo man die Edelleute des Königs zu Ratssitzungen zusammenrief - daß wir also, mit anderen Worten, hier das makedonische Gegenstück zu einem griechischen Buleuterion (wörtlich: >RathausZiegenortZiegenheim< o. ä.) genannt, dies nach den »schimmernd-gehörnten, schneeweißen Ziegen«, die dort schlafend lagen. Die betreffende Ortslage befindet sich beim heutigen Vergina. Dort bestattete man die Könige unter einem Tumulus, wie man wohl auch die Könige von Argos zu begraben pflegte, und ein alter Spruch besagte, solange man die Könige dort beisetze, sei die Herrschaft der Temeniden über Makedonien gesichert. Erst nach Philipp brach man mit dieser Überlieferung. Die Makedonen, zu denen Perdikkas kam, waren vergleichsweise >unterentwickelte< Hirtenstämme, die während des Sommers im Hochland des Olymp sowie Pieriens, während des Winters dagegen in den Küstenebenen ihre Herden weideten. Ihren späteren Wohlstand und ihre Macht verdankten sie erst den Temeniden-Königen, denen sie tiefe Zuneigung und Verehrung entgegenbrachten. So war Philipp sowohl Grieche aus vornehmstem Geschlecht als auch makedonischer König zugleich. Die Beziehung zwischen dem Monarchen und den Makedonen war in erster Linie militärischer Art. Der König wurde von der makedonischen Heeresversammlung gewählt; die Anwesenden schlugen mit den Speeren auf die Schilde, und die Truppenführer legten ihre Panzer an. Damit dokumentierten sie ihre Bereitschaft, für den König zu kämpfen. Da das Leben der Makedonen sehr stark von kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn geprägt wurde, erhielt der König nahezu unbeschränkte Befehlsgewalt in Krieg und Frieden. Staatsakte wurden in Waffen vollzogen. Ebenso Verfahren wegen Verrats: der König vertrat die Anklage, die Heeresversammlung urteilte, und wen man für schuldig befand, den tötete man gewöhnlich mit den Waffen, die die Mitglieder der Versammlung trugen. Da das Leben des Königs von entscheidender Bedeutung für das Leben des Staates war, war die Strafe für Verrat nicht nur der Tod des Verräters, sondern auch Ausrottung seiner Familie.

Vermutlich im Interesse größerer militärischer Durchschlagskraft ersetzte man die Stammesgliederung der einstigen Hirten-Stufe (wobei die Argeaden der königliche Stamm waren) im größten Teil Makedoniens durch eine Neuordnung, deren Grundlage nun ortsfeste (>städtischeMakedonen aus Pella< (oder von anderswo), ansonsten hießen Leute aus Pella, Aloros usf. einfach >PellaioiAloritai< und dergleichen. Die >MakedonesFreunde< und >Gefährten< mit ihm, und ihre Söhne wurden zusammen mit den königlichen Prinzen als >Pagen< erzogen. Diese warteten dem König bei der Tafel auf, nahmen an den königlichen Jagden teil und wurden bei schlechtem Verhalten vom König ausgepeitscht. Der König führte seine Gefährten (Hetairen) in die Schlacht. Seine speziellen Gardetruppen waren sieben >Leibgardisten< von hohem Rang, die älteren Pagen und eine Elitetruppe entweder aus berittenen >Gefährten< (Hetairen-Reiterei) oder, zu Philipps Zeiten, der >Gefährten zu Fuß< (Pezetairen) - je nachdem, was die Umstände erforderten. Um sich Thronerben zu sichern, waren die Könige polygam; Philipp übertraf darin möglicherweise seine Vorgänger, denn er hatte sieben oder acht Frauen, darunter eine Illyrerin, eine Molosserin, zwei Thessalerinnen, eine Getin und vermutlich auch eine Skythin. Den Kindern aus diesen Ehen und zweifellos auch den Ehefrauen selbst erwies man gleiche Ehren, und zwar betraf dies nicht nur die Thronfolge, sondern galt auch für das Protokoll. Philipps Frauen schenkten ihm mehrere Söhne, aber Krankheit und Kriege rafften seine Nachkommen wieder hinweg, so daß 337 v. Chr. nur noch zwei Thronerben lebten: der unfähige, schwachsinnige Philipp Arrhidaios sowie der um so tüchtigere, aber jüngere Alexander, der bei Chaironeia den Befehl über die Reiterei geführt hatte. Teils aus dynastischen Gründen, teils aber auch aus persönlicher Zuneigung vermählte sich Philipp im Alter von 45 Jahren abermals, und zwar mit Kleopatra, dem Mündel eines führenden makedonischen Befehlshabers namens Attalos, von der er hoffte, sie werde ihm Söhne gebären. Damals - im Jahre 337 v. Chr. - waren die Mütter von Arrhidaios und Alexander über das gebärfähige Alter hinaus. Polygamie war nicht ungefährlich. Die Königinnen stritten sich, namentlich um die Erbfolge, denn jede wollte

ihren Sohn als Nachfolger sehen, aber auch Eifersucht war im Spiel. Olympias, die Mutter Alexanders, eine Frau von stürmischem Temperament, verzieh Philipp die Heirat mit Kleopatra nie. Die Kluft zwischen ihr und Philipp wurde immer größer. Noch ernster waren Streitigkeiten zwischen Halbbrüdern königlicher Abstammung, die sich von einer Generation bis zu nächsten hinziehen und das Land spalten konnten. Als Alexander I. um 452 v. Chr. starb, hinterließ er mindestens fünf Söhne - Alketas, Philippos, Perdikkas, Menelaos und Amyntas — und sie alle sowie auch jeweils ihre Söhne erhoben Anspruch auf den Thron. Um das Jahr 399 waren, so scheint es, die Linien der beiden erstgenannten Thronprätendenten im Streit ausgestorben, aber in den nächsten sieben Jahren traten sechs Könige auf, die von den restlichen drei Linien abstammten: Orestes, Aeropos, Pausanias und Argaios (von Perdikkas), Amyntas der Kleine (von Menelaos) und Amyntas (von Amyntas). Der letztgenannte setzte sich als Amyntas III. durch, und die späteren Temeniden-Könige stammten von ihm ab. Als Philipp Regent und dann König wurde, mußte er sich nicht nur gegen Pausanias und Argaios aus Perdikkas' Linie behaupten, sondern auch gegen drei Halbbrüder: Archelaos, Arrhidaios und Menelaos. Er überlebte nur deshalb als König, weil er alle fünf beseitigte. Als Philipp schließlich selbst starb, lebten aus Amyntas' Linie (in der Reihenfolge ihres Alters) Amyntas, Sohn Perdikkas' III. (bei Philipps Regierungsantritt 359 v. Chr. noch ein Kind und jetzt mit Kynna, einer Tochter Philipps, verheiratet), Arrhidaios und Alexander. Aber es gab auch noch Abkömmlinge der anderen Zweige, die von Aeropos, Argaios und Amyntas dem Kleinen Königen der neunziger Jahre - abstammten. Darunter befanden sich Leonnatos und Perdikkas (die beide Philipps Leibgarde angehörten) und, wie wir sehen werden, »die Söhne des Aeropos«. Ein regierender König verlieh allen loyalen Prinzen hohe Ämter (deutlich zeigt dies der Vertrag Perdikkas' II. mit Athen), aber er tat alles, was er konnte, um einen Nachfolger und einen >Ersatzmann< zu designieren. So hatte Philipp Alexander zu seinem Stellvertreter in Makedonien gemacht, ihm bei Chaironeia das Kommando über die Hetairen-Reiterei übertragen und ihn als Gesandten nach Athen geschickt, während er gleichzeitig Amyntas 337 als Gesandten einsetzte. Die Vorgänge am makedonischen Hof wurden von den aufgeklärten Griechen des Südens, die in demokratischen Stadtstaaten lebten und jeden König als Despoten betrachteten, verspottet, und diese Haltung übernahmen die 167

römischen Schriftsteller, von denen ein großer Teil unserer Informationen stammt. Beispielsweise erklärten griechische und römische Autoren die einen Königsgattinnen kurzerhand zu >KöniginnenKonkubinen< (womit sie sie nach griechischen Begriffen zu Haushaltssklavinnen stempelten), und auch aus den Pagen machten sie Sklaven. So schilderten sie Menelaos als einen Bastard, Archelaos als Sohn einer Sklavin und Amyntas den Kleinen als einen Sklavenjungen, der Aeropos bediente (drei der vier genannten Personen waren in den neunziger Jahren Könige). Ganz schlimm behandelten sie Eurydike, Philipps Mutter. Man putzte sie als »unwissende Illyrerin« herunter und sagte ihr mancherlei Schlimmes nach. So hieß es, sie habe ihre Tochter an ihren eigenen Liebhaber, Ptolemaios, verkuppelt, sie sei an einem Komplott beteiligt gewesen, das Amyntas' Ermordung und Ptolemaios' Erhebung auf den Thron zum Ziel hatte, ferner habe sie ihren Sohn Alexander ermordet und durch Ptolemaios ersetzt, ja schließlich auch noch ihren zweiten Sohn, Perdikkas, ohne viel Federlesens aus dem Wege geräumt, dies ihres noch unmündigen Enkelsohnes Amyntas wegen. Dergleichen Verdächtigungen, denen Persönlichkeiten königlichen Ranges freilich noch immer ausgesetzt sind, machten in der griechischen und römischen Welt immer wieder die Runde. Ähnliche Übertreibungen erzählte man sich von Philipp und den Zuständen an seinem Hof. Man stellte die Dinge so dar, als habe er eine rechtmäßige Gemahlin - Olympias -, daneben aber (wie der attische Redner Hypereides) zahlreiche Mätressen. Als sich Olympias einige Zeit nach Philipps Hochzeit mit Kleopatra an den Hof von Molossis zurückzog, machte man daraus eine >ScheidungVerbannung< Alexanders durch Philipp aufgebauscht. Die Wahrheit sah anders aus. Während der Entfremdung zwischen Vater und Sohn verbannte Philipp zwar einige Freunde Alexanders, doch keineswegs Alexander selbst. Vielmehr hatte Alexander als designierter Thronfolger die Möglichkeit erhalten, in Thrakien, im Donau-Feldzug, im Griechenlandfeldzug und in Athen Erfahrungen zu erwerben; nun erfüllte er einen bestimmten Auftrag in Illyrien. Am Todestag Philipps sollte Alexander neben seinem Vater in der Festprozession schreiten. Zwar mag es, als Philipp Kleopatra heiratete, zwischen Alexander und Attalos Streit gegeben haben, doch die grausigen Details, die Plutarch gibt, tragen alle Kennzeichen journalistischer 168

Sensationsmache. Auch Plutarchs Geschichte über Pixodaros' Tochter ist - jedenfalls so, wie er sie bringt unhistorisch, denn er stellt Arrhidaios als einen >Bastard< dar und behauptet, Philipp habe Pixodaros als »Barbarensklaven eines Barbaren« verspottet. In sich verdächtig ist schließlich auch die Andeutung, Alexander habe damals heiraten wollen, da Alexander ja auch als König so lange zögerte, sich zu verheiraten. Was für Auseinandersetzungen es auch immer zwischen Philipp und Alexander gegeben haben mag - wir sind nicht in der Lage, Näheres über sie in Erfahrung zu bringen. Doch zeigt das Arrangement am Tag der Ermordung Philipps, daß Philipp Alexander den höchsten Rang nach ihm selbst zubilligte. Der Mord geschah, als man mit großem Pomp die aus Gründen der Staatsräson arrangierte Hochzeit zwischen Kleopatra (einer Tochter Philipps und der Olympias, mithin einer Vollschwester Alexanders des Großen) mit ihrem eigenen Onkel Alexander, dem Bruder der Olympias und König der Molosser, feierte. Diese Hochzeit war ein großes Ereignis für die beiden Königshäuser, und beide Träger des Namens Alexander - Onkel und Neffe - waren gute Freunde. Auch insofern war das Ereignis beispiellos, als zu den Feierlichkeiten Gesandte aus den griechischen Staaten, Vertreter der Schutzgebiete auf dem Balkan und Freunde aus dem Ausland ebenso wie führende Vertreter des makedonischen Adels selbst geladen waren. Das Theater von Aigai war gedrängt voll mit all diesen Ehrengästen, als bei Tagesanbruch die erste Prozession durch die Parodos einzog: zwölf herrliche Statuen der Zwölf Götter und dazu eine dreizehnte Statue, »eines Gottes würdig« - die Statue Philipps (womit angedeutet, wenn nicht gar in aller Öffentlichkeit der Anspruch erhoben wurde, Philipp sei reif, daß man ihm göttergleiche Ehren erwiese). Es war geplant, daß dann flankiert von Alexander, dem Bräutigam, und Alexander, seinem designierten Nachfolger und Erben, Philipp einziehen sollte, aber im letzten Augenblick, als man noch im Zugang zum Theater wartete, 91. Der Tod Philipps bei den Feierlichkeiten anläßlich der Vermählung seinerTochter Kleopatra mit dem Molosserkönig Alexander bezeichnet einen Wendepunkt in der Geschichte des Königreiches Makedonien. Philipp hatte die griechische Einheit auf eine solide Basis gestellt und bereits eine Vorausabteilung unter Parmenion und Attalos mit dem Auftrag entsandt, die griechischen Städte Kleinasiens zu befreien; er selbst bereitete sich darauf vor, in eigener Person an der Spitze des Haupt-Expeditionskorps zu folgen, als erauf der Höhe seiner Laufbahn, erst 46 Jahre alt, einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Die Abbildung zeigt ein Porträt Philipps von einem Medaillon aus römischer Zeit (Paris, Bibliotheque Nationale).

schickte Philipp die beiden Alexander und seine Freunde voraus. Sie betraten das Theater und nahmen die für sie bestimmten Plätze in der vordersten Reihe an der Bühne neben dem Königsthron ein. Inzwischen wies Philipp seine ausgewählten Pezetairen an, sich in weitem Abstand aufzustellen, und als sie das Theater betraten, verteilten diese sich fächerförmig, so daß aller Augen auf den König gerichtet sein mußten. In einem weißen Mantel hielt Philipp dann Einzug, und die gesamte im Theater versammelte Menge jubelte ihm zu, befand er sich doch auf dem Gipfel des Erfolges. In diesem Augenblick traf ihn, völlig unerwartet, der Tod. »Da nun Philipp die ihn begleitenden Freunde voraus in das Theater hineingehen ließ und die Leibwache sich entfernt hielt, so ging Pausanias, sobald er den König allein stehen sah, auf ihn zu, stieß ihm das Schwert mitten durch die Seiten und lief, nachdem er den König tot niedergestreckt, dem Tore zu nach den Pferden, die zur Flucht bereit standen. Von der Leibwache eilte sogleich ein Teil dem Leichnam des Königs zu, und die anderen stürzten fort, den Mörder zu verfolgen. Unter diesen waren Leonnatos, Perdikkas und Attalos, Pausanias war aber den Verfolgern so weit vorangekommen, daß er sich noch hätte aufs Pferd schwingen können, wenn er nicht auf mit dem Schuh in einer Rebe hängengeblieben und gefallen wäre. Da erreichten ihn Perdikkas und seine Begleiter, als er von der Erde aufstand, und stachen ihn miteinander tot«. Noch am selben oder am nächsten Tag wurden die Makedonen von Aigai und den benachbarten Gebieten zu einer Versammlung unter Waffen geladen. Sie kamen zusammen, um einen König zu wählen. Ihre Wahl fiel auf Alexander, und einige der makedonischen Anführer zogen ihre Panzer an und eskortierten ihn in den nahegelegenen Palast. Alexanders erste Aufgabe war die Untersuchung des Mordes. Warum waren mehr als ein Pferd bereitgestellt gewesen? Da kein Mörder Transportmittel zu seiner Verfolgung bereitstellt, muß Alexander angenommen haben, daß mehr als eine Person die Absicht gehabt hatte zu töten, und daß der Anschlag durchaus nicht nur Philipps Person galt. Vieleicht hatte man Philipps gesamte Linie ausrotten wollen, indem man außer Philipp auch Alexander beseitigte. Natürlich war daran nicht im Augenblick des Einzugs zu denken, wo beide scharf bewacht waren, wohl aber während der Aufführung, wenn sie dieser als Zuschauer beiwohnten. Wie es sich ergab, gab Philipps Änderung des Plans im letzten Augenblick Pausanias die Chance. Er schlug allein zu/griff 170

damit dem eigentlichen Plan voraus und vereitelte ihn gerade dadurch. Wer aber waren Pausanias' Komplizen? Vielleicht die, die ihn töteten und damit ein Verhör verhinderten ? Vielleicht Mitglieder der Garde oder einige Hetairen? Oder andere, die dem Thron nahestanden? Und hinter ihnen stand vielleicht eine auswärtige Macht stand möglicherweise Athen oder Persien und/oder eine Clique von Makedonien, die unbedingt einen anderen als Alexander auf dem Thron sehen wollten. Derartige Gedanken müssen damals jedem durch den Kopf gegangen sein. Aristoteles bezeichnet als persönliches Motiv des Pausanias den Groll über Philipp, der es zugelassen habe, daß Pausanias »von denen um Attalos« gröblich beschimpft worden sei, und Diodor erblickt in all dem eine Intrige mit homosexuellem Hintergrund: Durch einen anderen Mann aus Philipps Gunst verdrängt, habe Pausanias seinen Nebenbuhler bitter verhöhnt, obwohl dieser sich als mutiger Kämpfer erwiesen, den König verteidigt und, sich tapfer schlagend, 337 v. Chr. sein Leben gelassen habe. Die dies wußten, rügten Pausanias deswegen. Insbesondere habe Attalos Pausanias zu einem Gelage eingeladen, ihn trunken gemacht und von seinen Knechten sexuell mißbrauchen lassen. Pausanias appellierte daraufhin an Philipp, erhielt aber keine Genugtuung. Ob Diodoros' Angaben der Wahrheit entsprechen, ist nicht mehr festzustellen. Aristoteles' Bestätigung, daß Pausanias ein persönliches Motiv hatte, den König umzubringen, und daß Attalos dabei eine Rolle spielte, sollte wohl als korrekt akzeptiert werden, denn er kannte den Hof, und was er über das Ereignis schrieb, schrieb er für Zeitgenossen. Daß es dennoch ein größeres Komplott mit politischer Zielsetzung gab, ist selbstverständlich gleichwohl nicht auszuschließen. ' Die Untersuchungen über die Schachzüge und Kontakte des Pausanias und aller anderen, die man der Verschwörung verdächtigte, müssen einige Wochen in Anspruch genommen haben. Als sie abgeschlossen waren, hielt die Heeresversammlung der Makedonen Gericht. Ein bei Oxyrhynchos (in Ägypten) gefundenes Papyrosfragment enthält den Bericht eines hellenistischen Historikers über den Prozeß. Provisorisch ergänzt, besagt der Text: »Sie (die Makedonen) sprachen jene frei, die mit ihm (Philipp) im Theater waren, desgleichen seine Begleitmannschaft und die um den Thron. Er (Alexander) übergab den Wahrsager den Dienern zum Begräbnis . . . und bei dem Begräbnis . . .«. Mit anderen Worten: in diesem Verfah-

ren im Herbst 336 wurden Philipps unmittelbares Gefolge und die Garden freigesprochen. Der Wahrsager, der das Unheil nicht vorausgesehen, sondern den Unglückstag aufgrund der Omina für glückbringend erklärt hatte, zahlte den Preis seines Berufs. Wir wissen aus anderen Quellen, daß drei Söhne des Aeropos angeklagt wurden. Zwei, mit Namen Heromenes und Arrhabaios, wurden der Mittäterschaft für schuldig befunden; den dritten, auch er hieß Alexander, sprach man frei, und zwar zumindest teilweise, weil der junge König seinen Einfluß geltend machte, dem er als einer der ersten durch Anlegen seines Panzers akklamiert hatte. Dieser Alexander war zweifellos ein Mitglied des Königshauses. Denn als die Führer des Aufstandes in Theben verkündeten, der König sei tot, behaupteten sie gleichzeitig, besagter Alexander (also nicht Alexander der Große) habe den Oberbefehl inne, sei also - mit anderen Worten - Philipps Nachfolger. Auch später noch - im Winter 334/333 v. Chr. - hegten die Perser (nach Angaben eines ihrer Agenten) den Plan, Alexander den Großen zu ermorden und an seiner Stelle diesen seinen Namensvetter auf den Thron zu setzen. Aeropos, der Vater der drei Prinzen, muß dann entweder der Enkel des Königs Aeropos gewesen sein, der in den neunziger Jahren des 4. Jhs. v. Chr. regiert hatte, oder ein Nachkomme des Menelaos. Der Beiname >LynkestesAlerites< (Einwohner von Aloros) genannt wurde. Zur Zeit des Prozesses schätzte der König die Anhänglichkeit dieses prominenten Mitglieds des Königshauses sehr. »Alexander trug in jeder nur möglichen Weise für das Begräbnis seines Vaters Sorge«, sagte Diodor, und die neuen Entdeckungen in Vergina scheinen dies zu bestätigen. Eine seltsame Schilderung des Begräbnisses findet sich bei Justin (in dessen Auszügen aus Pompeius Trogus). Justins Ziel war es, Olympias zu belasten, und er (oder seine Quelle) gab den überlieferten Tatsachen eine Interpretation eigener Art. Seinen Angaben zufolge spielte sich bei der Beisetzung in Aigai folgendes ab: Man bestattete die sterblichen Überreste des Königs unter einem Tumulus, vollstreckte »beim Tumulus« auch das Urteil an den der Mittäterschaft für schuldig Befundenen, hängte den Leichnam des Mörders gekreuzigt über dem des Königs auf, nahm ihn aber später wieder vom Kreuz ab und

verbrannte ihn. Eine andere Quelle ergänzt, man habe die Söhne des Mörders ebenfalls hingerichtet. Schließlich wurde ein jährliches Opfer am Tumulus vollzogen - nicht für den Mörder, wie es bei Justin heißt, sondern zu Ehren des Königs, der so in einem gewissen Sinne zum Gott erhöht wurde. Wir wissen aus anderen Quellen, daß zwei makedonische Könige als Götter verehrt wurden: Amyntas III. in Pydna und Philipp - zweifellos nach seinem Tode - in Amphipolis. Die dreizehnte Statue in der Prozession an seinem Todestag wies gleichsam sinnbildhaft auf das voraus, was so bald darauf schon eintreten sollte. Obgleich Philipp tot und begraben war, gab es noch weitere Rückwirkungen. Zwei von den Leibwächtern Philipps, die den Mörder getötet hatten, Leonnatos und Perdikkas, wurden erst dann zu Leibwächtern Alexanders ernannt, als sie sich durch Tapferkeit hervorgetan und ihre Zuverlässigkeit bewiesen hatten. Der dritte, Attalos, blieb unter Verdacht. Sein bemerkenswerter Mut und seine gewinnende Art hatten ihn bei den Makedonen außerordentlich populär gemacht, die Heirat seines Mündels mit Philipp hatte sein Ansehen und vielleicht auch seinen Ehrgeiz gesteigert, und er war nun Befehlshaber des Expeditionskorps in Kleinasien. Diodor gibt als Tatsache weiter, was zu der Zeit bloße Verdächtigung gewesen sein mag, nämlich daß Attalos mit Athen in Verhandlungen gestanden und mit Demosthenes korrespondiert habe, wobei es um eine Erhebung der griechischen Staaten und den Sturz Alexanders gegangen sei. Als Alexander glaubte, Gründe zu haben, um Attalos vor Gericht zu stellen, sandte er einen vertrauenswürdigen Offizier mit Truppen nach Kleinasien. Dessen Befehl lautete, Attalos lebend zurückzubringen, aber falls sich das als unmöglich erweisen sollte, ihn so schnell wie möglich zu beseitigen. Wäre er lebend zurückgebracht worden, so hätte man ihn wegen Verrats unter Anklage gestellt. Doch er wurde getötet. Zweifellos verurteilte ihn die Heeresversammlung noch nach seinem Tode als Verräter, was nach makedonischem Rechtsbrauch die Ausrottung seiner Familie nach sich zog. Zu seinen Verwandten zählten auch Philipps letzte Gemahlin Kleopatra und ihr kleiner Sohn, den sie Philipp unmittelbar vor dessen Ermordung geboren hatte. Das geschah vermutlich Anfang des Jahres 335 v. Chr. Im selben Jahr stellte man auch Amyntas, den Sohn des Perdikkas, den einstigen >Kinderkönig< des Jahres 359, wegen Verrats unter Anklage. Er wurde für schuldig befunden und hingerichtet. Plutarch bemerkt, die Unzufriedenen im Lande hätten ihre Augen auf Amyntas und 171

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»die Söhne des Aeropos« gerichtet, die sie wohl als potentielle Anführer einer Erhebung und mögliche Thronfolger betrachteten. Er mag dabei an die beiden im Jahre 336 v. Chr. hingerichteten Aeropos-Söhne gedacht haben; aber wenn er Amyntas mit »den Söhnen des Aeropos« in Verbindung bringt, muß er den Ausdruck >Söhne< im weiteren Sinne (d. h. im Sinne von >NachkommenAberglaubensGefälleGefälle< erklären sich die harten Urteile über Philipp und seine Umgebung. Andererseits zeigt eine Anekdote, die sich bei Diodor findet2, recht deutlich, daß der König offensichtlich auch dann, wenn er getrunken hatte, nie ganz die Herrschaft über sich verlor. »Es erzählen einige, er sei bei dem Schmaus, den er zur Siegesfeier mit seinen Freunden hielt, wo er in der Trinkgesellschaft eine Menge unvermischten Weines genossen, mitten durch die Gefangenen geschritten und habe mit kränkenden Worten des Schicksals der Unglücklichen gespottet; der Redner Demades aber, der auch unter den Gefangenen war, habe ein freimütiges Wort gesprochen, das geeignet war, den Übermut des Königs zu zügeln. Er soll gesagt haben: >König, das Schicksal hat dir Agamemnons Rolle angewiesen, und du schämst dich nicht, wie ein Thersites zu handeln ?< Philipp habe das Treffende des Verweises gefühlt und sein ganzes Betragen so völlig geändert, daß er die Kränze zerriß und die Zeichen des Hohns, die sonst noch mit einem solchen Schmerz verbunden sind, entfernte, den Mann aber, der so freimütig geredet, bewunderte, ihn aus der Gefangenschaft frei ließ und, um ihn zu ehren, in seine Nähe zog.« Im übrigen stellen Unmäßigkeit, Trunksucht und maßlose Heftigkeit auch Züge des traditionellen Bildes Alexanders

des Großen dar, und es besteht daher Grund zu der Annahme, daß es sich hier um einen feststehenden Topos (ein Klischee) für die Herrscher des Argeaden-Hauses handelt (was freilich keineswegs besagt, daß dieser Topos, dieses Klischee, nicht doch vielleicht bis zu einem gewissen Grade der Wahrheit entspricht). Was Philipps >Barbarentum< angeht, ein ständig durchklingendes Thema in Demosthenes' Reden, so handelt es sich hier eindeutig um ein polemisches >Argument< ohne wirklichen historischen Wert. Ethnisch gesehen sind die Makedonen Griechen, was insbesondere ihr Dialekt beweist, der dem der Dorier nahe verwandt ist. Gewiß existierte jahrhundertelang ein deutlicher Unterschied im kulturellen Niveau zwischen den nordgriechischen Königreichen Makedonien und Epeiros einerseits, und dem südlicheren Griechenland andererseits, das mit dem mykenischen Königtum sowie der Herausbildung der poleis (Stadtstaaten) bereits zwei bemerkenswerte Blütezeiten erlebt hatte. Doch dieser Abstand beginnt sich seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. zu vermindern: dank wachsender Funktion und zunehmender Handelsbeziehungen, insbesondere aber intensiverer Nutzung der Bodenschätze sind Makedoniens wirtschaftliche Fortschritte beträchtlich; die Macht des Staates nimmt zu, und in diesem Rahmen entwickelt sich bei den herrschenden Schichten eine Hinwendung zur Kultur griechischen Stils, deren Ausdruck der herzliche Empfang ist, der am Hof Männern wie Pindar, Herodot, Agathon, Euripides zuteil wurde, um nur einige der bekanntesten Repräsentanten griechischer Geisteskultur zu nennen, die am makedonischen Königshofe weilten. Was Philipp selbst betrifft, gibt es nur wenige primäre Zeugnisse, die uns gestatten, seine persönliche Bildung zu beurteilen. Immerhin hatte er sich, ungefähr fünfzehn Jahre alt, drei Jahre als Geisel in Theben aufgehalten, und Diodor bemerkt hierzu3: »Als Amyntas von den Illyrern überwunden und gezwungen wurde, den Siegern Abgaben zu entrichten, nahmen die Illyrer seinen jüngsten Sohn Philipp als Geisel und überlieferten ihn den Thebanern. Diese übergaben ihn dem Vater des Epameinondas mit dem Auftrag, das anvertraute Pfand nicht nur sorgfältig zu bewahren, sondern auch für die Erziehung und Ausbildung des Jünglings zu sorgen. Da Epameinondas einen pythagoreischen Philosophen zum Lehrer hatte, erwarb sich Philipp, der mit ihm erzogen wurde, eine genaue Kenntnis der pythagoreischen Grundsätze. Beide Schüler brachten gute Anlagen und 177

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eifrigen Fleiß mit, und so wurde jeder ein ausgezeichneter Mann.« Wenn auch dieses Zeugnis nicht ganz unproblematisch ist, vor allem, was die Chronologie angeht, so steht doch außer Zweifel, daß dieser Aufenthalt in Theben Philipp entscheidend geprägt hat. Ebenso klar ist, daß er auch am Hof von Pella, ehe er zur Macht kam, Umgang mit Griechen hatte und sich in der Folge selbst mit Griechen umgab. Er maß der griechischen Kultur, zumindest als Instrument politischen Handelns, eine derartige Bedeutung bei, daß er seinem Sohn Alexander keinen Geringeren als Aristoteles zum Erzieher gab, der im übrigen durchaus noch nicht auf dem Höhepunkt seines Ruhms angelangt war. Tatsächlich sehen wir Philipp als griechischen Fürsten handeln - als griechischen Fürsten mit erstaunlicher Kenntnis der politischen Gegebenheiten griechischer poleis sowie mit großartigem diplomatischen Geschick, das selbst seine ärgsten Feinde anerkennen mußten. Als griechischer Fürst konzipiert er die Verwaltung Ostthrakiens, das er dann erobert und wo er Städte gründet - dies im Zuge einer kühnen Politik der Binnenkolonisation, die später Alexander in Asien fortsetzt. Die Abstammungsmythen, die der Hof in Umlauf setzte, bildeten ein ideologisches Element zur Festigung und Rechtfertigung der königlichen Macht. Ihnen zufolge ging die Dynastie der Argeaden auf die Herakliden von Argos zurück, und damit auf Zeus selbst, den höchsten Gott des griechischen Pantheons. Sie waren sicherlich nicht weniger phantasievoll als all die anderen Mythen über die Rückkehr der Herakliden, und auf jeden Fall konnte Philipps Persönlichkeit die Überzeugungskraft derartiger Erzählungen nur vermehren. Wenn es eine menschliche Begabung gab, die für politisches Wirken in der griechischen Welt unerläßlich war, so war es die Beredsamkeit. Tatsächlich enthalten die Quellen eine Fülle von Anhaltspunkten dafür, daß Philipp bemerkenswertes Rednertalent besaß. Er verstand es, zu seinen Männern zu reden und ihnen Mut zuzusprechen: wir sehen, wie er die makedonische Armee wieder in die Hand bekommt, als sie nach der ihr von den Illyrern zugefügten schweren Niederlage, die Perdikkas und 4000 seiner Leute das Leben gekostet hatte, zutiefst entmutigt war. Und was zweifellos noch schwieriger war: er bewies ein erstaunliches Geschick, die zu ihm entsandten Unterhändler griechischer Städte zu faszinieren und zu überzeugen; namentlich im Jahre 346 v: Chr. zeigte er sich gegenüber den Gesandten Athens dermaßen aufgeschlos178

sen, höflich und gewandt, daß (jedenfalls nach Aischines' Worten) sogar Demosthenes auf der Rückreise bekennen mußte, Philipp sei »der ungewöhnlichste Mensch unter der Sonne«. Schließlich gibt es ein konstantes Element in dem sonst so uneinheitlichen Porträt, das Philipps Zeitgenossen von ihm zeichnen: seine Tapferkeit. Er kämpft in der vordersten Linie, setzt sich den größten Gefahren aus und erleidet so schwere Verwundungen, daß sein Freund, der Athener Isokrates4, als er erfährt, daß der König in seinem Feldzug gegen die Illyrer eben schwer verwundet worden ist, ihm vorwirft, »unbesonnener« gehandelt zu haben, »als es ein König sich erlauben darf«. Zwar paßt diese Tapferkeit, die selbst seine ärgsten Feinde anerkannten, in das Klischee eines Barbaren, eines Menschen, der mehr seinen elementaren Instinkten als seiner Vernunft gehorcht. Doch immerhin steht fest: sogar bei Demosthenes schimmert hin und wieder eine gewisse Bewunderung durch — Bewunderung für einen Mann von so heroischer Ausdauer, beseelt von einem so unvergleichlichen inneren Schwung, dem der Ruhm treublieb, weil er ihn liebte, dem gegenüber sich die ebenso rasch begeisterten wie entmutigten Athener als recht unsicher erwiesen - vor allem aber als unfähig, jenes Kapital an Ruhm zu bewahren, das ihnen ihre einstigen Großtaten eingetragen hatten. Tatsächlich sagt kein anderer als Demosthenes selbst - ehe er beschreibt, was die den Herrscher umgebenden Männer zu leiden haben und welche Erniedrigungen er ihnen zumutet - in seiner Zweiten Olynthischen Rede5: »Aber ihn verlangt nach Ruhm, und er will lieber handeln und dabei die Gefahr in Kauf nehmen, sein Schicksal zu leiden, was immer auch geschieht; er zieht den Ruhm, vollbracht zu haben, was kein anderer makedonischer König jemals vollbracht hatte, einem Leben in Sicherheit vor.« Was die Griechen mehr oder weniger bewußt verunsicherte, war im Grunde die Tatsache, daß Philipp ein absoluter Monarch war, der ohne Scheu seine Forderungen durchsetzen und über eine Macht verfügen konnte, über die er niemandem Rechenschaft schuldig war: Philipp war nicht nur wegen seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit gefährlich - vor allem war er König. Auch 93. Büste eines bärtigen Mannes mit Diadem, das den Boden einer hellenistischen Vase schmückt. Einige Forscher halten es für ein Porträt Philipps (Athen, Sammlung Goulandris).

hierzu äußerte sich Demosthenes. Eine der stärksten Stellen seiner Kranzrede lautet6: »Zum einen hatte er völlig unumschränkte Befehlsgewalt über sein Heer, und im Krieg ist dies der größte Vorteil . . . Sodann verfügte er über Geld im Überfluß und tat, was er wollte, ohne es durch Dekrete ankündigen oder öffentlich erörtern zu müssen, frei von aller Furcht, von Sykophanten denunziert oder wegen Rechtswidrigkeiten gerichtlich verfolgt zu werden. Niemandem verantwortlich, war er absoluter Alleinherrscher, Führer, Souverän über alle und alles. Und ich, der ich mich ihm entgegengestellt habe . . . worüber war ich Herr? Über nichts. Öffentliche Reden zu halten, war mein einziges Recht, und selbst dies habt ihr nicht allein mir eingeräumt, sondern Philipps Söldlinge erhielten die gleichen Chancen wie ich . . .« Es erscheint uns unbedingt notwendig, uns vom herkömmlichen Streit um Philipps Persönlichkeit freizumachen, der mehr mit Biographie und Heldenverehrung (oder - im Gegensatz dazu - Heldenschelte) als mit historischer Betrachtungsweise zu tun hat. Vor allem kommt es wohl darauf an, seinen politischen Instinkt hervorzuheben, seine Fähigkeit, die Machtverhältnisse in Makedonien sowie bei den ihm benachbarten Griechen und Barbaren zu analysieren und entsprechend seinen Analysen zu handeln, um unter Ausnutzung der bestehenden Kräfteverteilung seinen Vorteil zu erringen. Nichts ist unter diesem Gesichtspunkt aufschlußreicher als eine Untersuchung seiner Maßnahmen zur Stärkung der Autorität des Königtums in Makedonien. Nach langer Ungewißheit ist heute wohl klar 7 , daß Makedoniens Institutionen lange Zeit hindurch - zweifellos bis zum Ende des 5. Jahrhunderts - von alten Stammesstrukturen geprägt waren: begründet auf überliefertem nömos und daher nicht schriftlich festgelegt, umfaßten sie einen König mit dem Titel >König der Makedonen< (also einen Volkskönig nach der berühmten Unterscheidung von A. Aymard), einen Rat der angesehensten Stammesführer und eine Volksversammlung, die sich in Kriegszeiten in eine Heeresversammlung verwandelte und deren tatsächliche Befugnisse gering waren, wenn man von der Bestätigung des neuen Königs durch Akklamation und der Rechtsfindung bei Kapitalverbrechen absieht. Ebenso klar ist, daß Makedoniens rasche Entwicklung seit dem 5. Jahrhundert die Macht des Königs stärkte, die bis dahin durch die der kleineren Potentaten äußerst eingeschränkt war, von denen viele selbst einen Königstitel führten, und daß diese Entwicklung die neuen Bedingungen für einen Machtzu180

wachs des Königs schuf; sie ging dahin, daß an die Stelle eines Königs im Sinn des nömos, der lediglich ein Primus inter pares war, ein absoluter Monarch trat, der seine Entscheidungen ganz allein zu verantworten hatte. Diese Entwicklung war bereits ziemlich weit fortgeschritten, als Philipp die Regierung antrat, so daß er sie sich weitgehend zunutze machen konnte. Die Beschneidung der Macht des Adels war einer der wesentlichen Punkte seiner Politik. Sie vollzog sich auf mehreren Ebenen. Zuerst kam es zum endgültigen Anschluß der vier kleinen Gebirgskönigreiche Ober-Makedoniens an das Reich, die sich, am Oberlauf des Haliakmon gelegen, ihre Unabhängigkeit bewahrt hatten und eine für den Makedonenkönig gefährliche Diplomatie betrieben - gefährlich wegen ihrer Kontakte zu ihren epeirotischen bzw. illyrischen Nachbarn. Die Unterwerfung dieser Königreiche geschah teils durch militärische Operationen, teils durch dynastische Heiraten, die durch eine als legitim anerkannte Polygamie des Königs ermöglicht wurden, wie sie auch noch bei einigen der ersten Diadochen Alexanders nachweisbar ist. Man täte daher Philipp unrecht, wenn man seiner angeblichen sexuellen Zügellosigkeit zuschriebe, was in Wirklichkeit Politik war, die der Erweiterung und Sicherung seines Reiches diente. Die Ergebnisse sind eindeutig: sie bestanden nicht nur in einer beträchtlichen Vergrößerung des Königreichs, sondern gaben dem König auch die Möglichkeit, aus einem riesigen Gebiet, das allem Anschein nach dichter bevölkert war als Mieder-Makedonien, eine bedeutende Zahl ausgezeichneter Fußkämpfer zu den Waffen zu holen. Gleichzeitig jedoch arbeitete Philipp an einer beschleunigten Umgestaltung der Struktur des Landadels. Er vervielfachte die Zahl seiner hetairoi, jener >GefährtenLeibwächterx); und das bedeutete auch eine entsprechende

Erweiterung der gesellschaftlichen Basis der Macht des Königs unter den adligen Großgrundbesitzern. Die Institution der basilikoi paides (>königlichen PagenBürgern in Waffern, die das Gros der Volksversammlung bildeten, naturgemäß populär. Es genügt, wenn wir sein Handeln in der extrem schwierigen Situation beobachten, in der er sich beim Tod seines mit 4000 seiner Leute von den Illyrern besiegten und getöteten Bruders Perdikkas befand. Darüber berichtet uns Diodor9: »Die Makedonen waren durch die unglückliche Schlacht und durch die große Gefahr, die ihnen bevorstand, in die äußerste Not geraten; aber dennoch sah Philipp, wie viel Schrecken und Gefahren ihm auch drohen mochten, ohne Furcht der stürmischen Zukunft entgegen. Durch beständige Volksversammlungen hielt er die Makedonen rege und flößte ihnen durch beredte Aufforderungen zur Tapferkeit Mut ein . . . Im Umgang war er gefällig und wußte sich durch Geschenke und Versprechungen bei dem Volk sehr beliebt zu machen.« Philipps Leistung gegenüber seinen Vorgängern bestand mithin in der Beschleunigung jener Vorgänge, die zur Umgestaltung der Staatsmacht und der Begründung neuer sozialer Beziehungen führten, wie sie durch Makedoniens Entwicklung notwendig geworden waren. Indem sich der König dabei auf eine Staats- und Gesellschaftsstruktur stützte, die den Nimbus der Tradition wahrte, ihm aber weit überlegene Mittel zum Handeln lieferte, war er in der Lage, nach allen Richtungen hin eine ebenso entschiedene wie kluge und zielstrebige Expansionspolitik zu treiben, wobei er geschickt Listen und Winkelzüge mit kühnen großen Unternehmungen verband, die seine Gegner außer Fassung brachte. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, diese Politik zu untersuchen, sondern lediglich jene Handlungsweisen hervorzuheben, die für Philipps Persönlichkeit kennzeichnend sind. Philipp berücksichtigte weitgehend die Bedeutung der 181

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Religion, die im alten Griechenland so eng mit der Politik verknüpft war. Sein Eingreifen im Dritten Heiligen Krieg gegen die Phoker, die das Apollon-Heiligtum von Delphi besetzt und geplündert hatten, stellt ein charakteristisches Beispiel dar. Gewiß waren auch schon die beiden ersten Heiligen Kriege politische Aktionen gewesen, die unter dem Deckmantel der Religion durchgeführt wurden, aber diesmal war der Einsatz weit höher: es handelte sich um nichts weniger als die endgültige Anerkennung des Hellenenstatus Philipps, des moralischen Vorrangs eines Fürsten, der alle Macht in den Dienst des angesehensten der panhellenischen Heiligtümer zu stellen vermochte. Philipp ging aus der Auseinandersetzung erheblich gestärkt hervor und verfügte, mit Titeln und Ehren überhäuft, ja sogar einer vergoldeten Ehrenstatue für würdig befunden, über zwei Repräsentanten im Kollegium der Hieromnemones, die das Heiligtum verwalteten. Damit trat er als Herr des Heiligtums der Pytho auf, des gemeinsamen Kultzentrums der Hellenen, und auch schon - auf der Ebene des Denkens und Empfindens, noch ehe er es tatsächlich durch Waffengewalt wurde - als Herr Griechenlands. Das Vertrauenskapital, das Philipp bei griechischen Denkern zuwuchs, die der Vorwurf ganz gewiß nicht trifft, von ihm gekauft worden zu sein, ist sehr bezeichnend. Gleichzeitig profitierte er von starken monarchistischen Strömungen, wie sie bei Xenophon ihren Niederschlag finden, desgleichen von der panhellenischen Bewegung, die sich seit Beginn des Jahrhunderts bei Gorgias und Lysias ankündigte, ihren vollendetsten Ausdruck aber bei Isokrates fand. Isokrates, ständig auf der Suche nach einem Weg zur Versöhnung der griechischen Stadtstaaten, der es diesen ermöglichen sollte, ihre im Kampf gegeneinander gebundenen Kräfte zu einer Offensive ebenso patriotisch-emotionalen und religiösen wie militärischen Charakters gegen Persien freizusetzen, gelangte, nachdem so manche seiner Hoffnungen angesichts der harten Realitäten zerronnen waren, zu der Ansicht, Philipp müsse sich an die Spitze dieses von ihm ins Auge gefaßten Kreuzzuges stellen. Nach dem Frieden von 346 v. Chr. verfaßt er den Philippos, eine Schrift, in der er sich für die Einigung der Griechen unter Philipp einsetzt, dem er als einzigen zutraut, dieses Ziel zu erreichen, und gleichzeitig zum allgriechischen Eroberungskrieg gegen den gemeinsamen Erbfeind, den persischen Großkönig, aufruft. Sogar nach dem erneuten Ausbruch des Konflikts zwischen Athen und Philipp schlägt Isokrates in seinen 182

Briefen immer wieder den gleichen Ton an. Ja selbst unmittelbar nach der vernichtenden Niederlage seiner Heimatstadt bei Chaironeia richtet er ein letztes, sehr dringliches Schreiben an den Herrscher, in dem er-mehr die Interessen Gesamtgriechenlands als Athens Sonderinteressen im Auge - Philipps Sieg begrüßt und den König anfleht, gegen die Perser zu ziehen, nachdem er nunmehr Griechenland unterworfen habe. Philipp macht sich geschickt diese neuen Strömungen zunutze, die aus einem tiefen Verlangen nach einem wahren >allgemeinen Friedern (so wörtlich die Bedeutung von koine eirene) entsprangen, desgleichen aus der Sehnsucht nach einer starken Hand, die die Griechen zu einigen vermochte - und sei es gegen ihren Willen. Abermals kommen hier religiöse Empfindungen ins Spiel, und Philipp, durchaus fähig, sich den neuen Anforderungen des griechischen Bewußtseins anzupassen, verstärkt und rechtfertigt seine Macht durch den Nimbus des Übernatürlichen: bei einer Prozession läßt er seine Statue hinter den Kultbildern der Zwölf Olympischen Götter hertragen und bestellt bei Leochares eine Goldelfenbein-Gruppe, die ihn mit seiner Familie darstellte und die er zur öffentlichen Verehrung in einem Rundbau (tholos) in Olympia aufzustellen beabsichtigte, einem echten Monument des Heroenkultes und hier Ansatzpunkt für einen dynastischen Kult. Philipp verstand es also, sich ideologische Faktoren nutzbar zu machen: die Ehrwürdigkeit der allen Griechen heiligen Kultstätten Delphi und Olympia ebenso wie die Erwartungen eines in völligem Umbruch befindlichen politischen Denkens, das im Ideal der polis, des griechischen Stadtstaates, keine Befriedigung mehr fand. Aber er verstand auch andere Mittel einzusetzen, um seine Ziele zu erreichen, insbesondere spekulierte er auf die Bestechlichkeit seiner Gegner, gleich ob Barbaren oder Griechen, da die Reorganisation der Finanzen seines Reiches ihm auf diesem Gebiet weiteste Möglichkeiten eröffneten. Das war durchaus nichts Neues, denn schon ein Jahrhundert lang schüttete der persische Großkönig seinen Goldsegen 94. Antike ebenso wie moderne Geschichtsschreiber fällen widersprüchliche Urteile über Philipps Persönlichkeit. Das düstere Bild von ihm, das sein Erzfeind Demosthenes gezeichnet hat, wurde von späteren Historikern in Frage gestellt, die in ihm den Schöpfer der makedonischen Macht und den Realpolitiker sahen, der endlich die Einigung derGriechen Wirklichkeit werden ließ. Der Reiter mit dem breitrandigen Hut (kausia) auf diesem silbernen Tetradrachmon Philipps ist mit dem Makedonenkönig identifiziert worden (Athen, Numismatisches Museum).

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über Griechenland aus, um Gewissen zu kaufen und zu herrschen, ohne zu kämpfen. Aber wenn man Demosthenes glauben darf, war in Athen die Bestechung von Rednern an der Tagesordnung, die sich bereit fanden, für Philipps Geld in der Volksversammlung promakedonische Standpunkte zu vertreten. Hinzu kommt, daß die in Athen Philipps Interessen vertretende promakedonische Partei, selbst wenn sie nicht ganz uneigennützig handelte, dennoch in den Augen so mancher Bewohner dieser von inneren Widersprüchen zerrissenen Stadt in diesem nicht minder von Widersprüchen gespaltenen Lande zumindest praktikable Realpolitik zu vertreten, wenn nicht gar >fortschrittliche< Ziele zu verfolgen schien. Gewissen zu kaufen, war nur eines der Mittel, die Philipp anwandte, um eine Realpolitik durchzuführen, die sich auf scharfsichtige Analyse der Machtverhältnisse gründete. Außerdem wandte Philipp alle Schliche diplomatischer Hinhalte- und Irreführungstaktiken an. Im übrigen ist klar, daß er bei all seinem diplomatischen Taktieren stets ein massives Druckmittel im Hintergrund hatte, das es ihm gestattete, sich über jegliche Skrupel hinwegzusetzen: die einzigartige Stärke des makedonischen Heeres, das er reorganisiert und durch das thessalische Heer verstärkt hatte, nachdem er durch geschickte Intrigen (und nicht zuletzt durch die Zahlung massiver Schmiergelder) Herrscher des reichen Thessalien geworden war. Das Ziel, das er unter Zuhilfenahme all der genannten Mittel verfolgte, war ganz offenbar die Herrschaft über Griechenland. Allerdings galt es, eine institutionelle Form zu finden, die ihm in gewissem Umfang die Einwilligung der unterworfenen Städte sicherte. In diesem Zusammenhang ist es besonders aufschlußreich, die Gründung des Korinthischen Bundes unter die Lupe zu nehmen, weil diese Maßnahme vielleicht mehr als jede zuvor in seiner langen Laufbahn Philipps Scharfsichtigkeit und seinen Weitblick verrät. Nach Chaironeia (und schon vor der Zusammenkunft der Abgesandten fast aller Städte in Korinth) startete Philipp einen umfangreichen Propagandafeldzug mit dem alten, nach wie vor so wirksamen Thema des Kampfes gegen die Perser als Slogan. »Er verbreitete das Gerücht«, schreibt Diodor10, »er wolle den Griechen zuliebe mit den Persern Krieg anfangen und für den Frevel, den sie an griechischen Tempeln verübt hatten, Rache nehmen. So gewann er die Zuneigung der Griechen.« Philipp konnte nun eine auf >ewigem Frieden< und dem Verbot des Umsturzes bestehender Regime gegründete Gemeinschaftsorganisation vorschlagen und

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durchsetzen, die die griechischen Staaten in einem Bund vereinte. Oberstes Bundesorgan war ein synhedrion, und die Position des strategos autokrator (des militärischen Oberbefehlshabers mit unumschränkter Vollmacht) bekleidete Philipp selbst. Die der Tradition Rechnung tragenden und insofern nirgendwo Anstoß erregenden Elemente liegen auf der Hand: Respektierung der poleis, ihrer bestehenden Bündnisse und Einrichtungen, desgleichen Wiederbelebung der symmachie, also des Defensivund Offensivbündnisses, das seit dem 6. Jahrhundert eine so wesentliche Rolle in den zwischenstaatlichen Beziehungen der Griechen gespielt hatte. Auf diese Weise hatte Philipp nicht einmal in Athen, das er nach Chaironeia mit einem gewissen Wohlwollen behandelte und das sich ihm dafür als willfährig erwies, ihm das Bürgerrecht gewährte und ihm sogar eine Statue auf der Agora errichtete, die öffentliche Meinung gegen sich. Es steht außer Zweifel, daß er unter dem Deckmantel gewisser Zugeständnisse der ehrwürdigen Institution der Polis, dem souveränen Stadtstaat, ein Ende bereitete und daß er in Wahrheit über Griechenland eine >Schutzherrschaft< errichtete, wobei die Macht seiner Waffen und ein gewisses Maß von Zustimmung ihm in Wirklichkeit eine autokratische Herrschaft sicherten. Das Ganze war eingekleidet in eine Ideologie allgemeinen Landfriedens, der Sicherheit und Stabilität, aber paradoxerweise zugleich auch des Revanche-Kreuzzuges gegen die Perser - eine Ideologie, die nach anderthalb Jahrhunderten der Kriege und Demütigungen durch den Großkönig im eigenen Lande ihre Wirkung nicht verfehlen konnte. Diese von Philipp geschaffene Allianz zwischen der Gesamtheit der Griechen und dem König von Makedonien ist eine meisterhafte Leistung; sie krönt und besiegelt ein nahezu zwei Jahrzehnte hindurch kraftvoll verwirklichtes Hegemoniestreben, und das sogar mit Zustimmung der Beherrschten, die plötzlich mit Recht auf eine Verbesserung der lange Zeit so verworrenen Lage ihres Landes, ja sogar auf Annexion ferner Länder hoffen konnten, was die vergangenen Jahre der Unterwerfung unter den Großkönig auszutilgen und günstige Perspektiven wachsenden Wohlstandes zu eröffnen versprach. 95. Der Glanz, der Alexanders Heldenleben und die Ausbreitung der griechischen Kultur im Osten umgibt, stellt gewöhnlich die Persönlichkeit und die Leistungen seines Vaters in den Schatten. Unbestreitbar wurden jedoch die Fundamente der Macht des makedonischen Staates sowohl auf militärischem wie auf politischem Gebiet von Philipp gelegt. Die Abbildung zeigt die AzzaraHermenstele, eine Kopie des berühmten Alexander-Porträts von Lysipp (Paris, Louvre).

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Die innere Konsequenz der imperialistischen Politik Philipps, die Richtschnur seines gesamten politischen Handelns war, zeigt sich sehr deutlich in dem Asienfeldzug, der schon bald auf die Gründung des Korinthischen Bundes folgt. Die konkreten Ziele dieses Unternehmens sind umstritten und werden es bleiben: war es die Eroberung NW-Kleinasiens, um die Perser von den Thrakern und den Griechen abzuschneiden? War es die Eroberung Kleinasiens von Sinope am Schwarzen Meer bis nach Kilikien, entsprechend den Vorschlägen des Isokrates? War es die Eroberung des gesamten Perserreichs? Nichts zwingt uns zu der Annahme, daß Philipps Ehrgeiz es bei der ersten der oben genannten Möglichkeiten bewenden lassen wollte. Weder Spartas Isolierung noch gewisse Umtriebe in Athen stellten eine ernstzunehmende Bedrohung für Philipp dar. Ganz im Gegenteil konnte er dem Korinthischen Bund gerade dadurch inneren Zusammenhalt und Festigkeit geben, daß er die Allianz vor militärische Aufgaben stellte. Andererseits ist es durchaus klar, daß ein Angriff auf den Großkönig keineswegs ein Kinderspiel war, mochte das Perserreich sich damals auch im Zustand der Auflösung befinden. Als Philipp Parmenion an der Spitze eines Truppenkontingents von 10000 Mann nach Asien entsandte, nahm er eine,große Verantwortung auf sich, die er reiflich bedacht hatte. Sie findet ihren natürlichen Platz in dem großangelegten Entwurf, seine Macht auszudehnen, seine Herrschaft über Griechenland zu konsolidieren, indem er die Griechen zu gemeinsamem Handeln unter seiner Oberhoheit zwang, und zu guter Letzt eine neue Expansionszone zu erschließen, um Griechenland aus der Umklammerung zu befreien - ein Griechenland, dessen Handel, wie M. Rostovtzeff so überzeugend dargelegt hat, immer mehr zurückging, so daß die Gefahr einer sozialen Explosion drohte. Isokrates empfahl in seinem Panegyrikos, gegen die Perser zu ziehen, um fruchtbare Ländereien zu gewinnen. In der Tat ist auch dieses Motiv nicht auszuschließen. Nahm Philipp doch ungewöhnlichen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung seines Reiches und an der Binnenkolonisation im mit Waffengewalt eroberten Thrakien. Im übrigen war all dies ja lediglich eine Wiederaufnahme der einst von den griechischen Städten in archaischer Zeit betriebenen Expansionspolitik. Auch bei dieser ging es sowohl um die Eroberung nutzbaren Landes als auch um die Ankurbelung von Handel und Wirtschaft. Mit anderen Worten: Philipp eröffnete Zukunftsperspektiven, die ihm die Zustimmung weiter Kreise zu sichern versprachen. 186

Nach unserer Überzeugung ist es möglich, über die landläufigen Urteile hinauszukommen, die man über Philipps Moral und Charakter zu fällen pflegt. Seine >Laster und Tilgendem - eine Terminologie, die unmittelbar auf die biographischen und moralisierenden Tendenzen antiker Geschichtsschreibung zurückgeht - können wir mehr oder weniger vergessen. Uns scheint der Makedonenkönig besser durch seine Entschlossenheit charakterisiert. Auf der Ausgangsbasis einer von ihm kühl analysierten, komplexen Situation verfolgte er ein autokratisch-imperalistisches Ziel, bei dessen Verwirklichung er sich weder durch Schwierigkeiten noch vorübergehende Rückschläge oder Skrupel aufhalten ließ. In dieser Hinsicht sollte sein Sohn Alexander ihm ähnlich sein. Gewiß hatte sein Vorhaben andere Dimensionen, doch ohne Philipps erfolgreiche >Vorarbeit< wäre es undurchführbar gewesen. Der Ausdruck pleonexia (>Habgier< u. ä., insbes. auch >Herrschsuchtx), der so oft zur Charakterisierung sowohl des einen als auch des anderen verwendet wird, ist nichts anderes als eine Übertragung des imperialistischen Konzepts in landläufige Moralbegriffe. Antike Autoren heben samt und sonders Philipps Taten und Erfolge hervor, allerdings mit Differenzierungen, bei denen zu verweilen sich lohnt. Schon im 4. Jahrhundert v. Chr. erklärte der Historiker Theopomp11 aus Chios, ». . . daß Europa niemals einen Mann hervorgebracht habe wie Philipp, den Sohn des Amyntas«. Diodor12 entwirft ein ausführlicheres Porträt von ihm, das nur auf den ersten Blick paradox erscheint und vor allem Philipps Fähigkeit berücksichtigt, sich breite Zustimmung zu verschaffen: »Philipp also, der mächtigste unter den damaligen Königen in Europa, der sich wegen der Größe seines Reiches den zwölf Göttern als Mitherrscher beizählte, endete auf solche Art nach einer vierundzwanzigjährigen Regierung sein Leben. Man darf sagen, daß dieser König, so gering seine Hilfsmittel bei Antritt seiner Regierung auch waren, doch die ausgedehnteste Herrschaft in Griechenland erlangte, daß er aber seine Macht nicht so sehr durch tapfere Kriegstaten als durch gefälliges und umgängliches Verhalten erweiterte. Philipp selbst soll sich mehr seiner Feldherrnklugheit und seiner glücklichen Verhandlungen als des Mutes in der Hitze der Schlacht, gerühmt haben. Denn an einer gewonnenen Schlacht, sagte er, haben alle Kämpfer teil, von dem glücklichen Erfolg der Unterhandlungen aber gebühre ihm allein der Ruhm.« Pausanias wiederum gibt eine ganz andere Darstellung, die Philipps moralische Mängel hervorhebt":

»Von Philipp läßt sich durchaus sagen, daß er unter den makedonischen Königen vor und nach ihm die größten Taten vollbrachte; einen guten Feldherren aber möchte ihn ein Wohldenkender schwerlich nennen, ihn, der die heiligsten Eide immer mit Füßen trat, der Verträge bei jeder Gelegenheit brach und Treue und Glauben unter allen Menschen am wenigsten achtete.« Die modernen Autoren stimmen fast alle in der Bewunderung für den Mann und sein Werk überein. J. G. Droysen, der die lange Reihe all derer anführt, die sich seit der Romantik der Erforschung der Makedonen und ihrer historischen Leistung widmeten, zeigt14, ». . . daß das monarchische Element in dem makedonischen Staatsleben eben so durch die geschichtliche Stellung dieses Staates, wie durch die Persönlichkeit Philipps ein entscheidendes Übergewicht erhalten mußte . . . Grieche im Verhältnis zu seinem Volke, Makedone für die Griechen, war er jenen um die hellenische List und Hinterlist, diesen um die makedonische Derbheit und den Tatendurst voraus, beiden überlegen in scharfer Fassung seiner Ziele, in folgerichtiger Durchführung seiner Entwürfe, in Verschwiegenheit und Resolutheit der Ausführung.« Besonders deutsche Gelehrte unterstrichen die Bedeutung der von ihm verwirklichten Einigung Griechenlands - dies vor dem Hintergrund der Einigung des Deutschen Reiches. So gesehen, ist es nur allzu verständlich, daß E. Kornemann ihn mit Bismarck verglich. Abgesehen von diesen ganz spezifischen Reaktionen wird er überall gerühmt als der Schöpfer eines modernen, durchgegliederten und in seiner riesigen Dimensionen absolut funktionsfähigen Staatswesens, und der glänzende Erfolg seines Sohnes Alexanders trägt noch zum Ruhm des Vaters bei, ohne dessen tatkräftiges Handeln die Eroberung des Orients nicht durchführbar gewesen wäre und von dem ja die entscheidende Initiative zur Entsendung von Truppen in das seinerzeit zum Perserreich gehörende Kleinasien ausgegangen war. Dieses allgemeine Urteil läßt vielfältige Nuancen zu. Einerseits hat Philipp einen ausgedehnten autokratischen Staat geschaffen, und zwar auf Kosten der Freiheit der griechischen Städte, daher unterschieden sich die Stellungnahmen sehr spürbar je nach der mehr oder minder positiven Beziehung der einzelnen Historiker zum Stadtstaat und seinen demokratischen Formen sowie nach ihrem mehr oder minder starken Mißtrauen gegenüber der absoluten Macht. Andererseits legt man auch auf Philipps >moralische Schwachem mehr oder minder starkes Gewicht, gleich ob es sich um seine Neigung zum Trinken

oder zu den Frauen handelt oder um die Skrupellosigkeit seiner Politik. Daher äußern G. Glotz und R. Cohen15 recht umwunden, daß, »wenn es wahr ist, daß der Zweck die Mittel heiligt, die Nachwelt nicht umhin kann, das Urteil Theopomps zu unterschreiben«, der Philipp freilich zum bedeutendsten Staatsmann Europas erklärte. All diese Erwägungen sind gekennzeichnet durch eine überholte Geschichtsauffassung, bei der der Historiker beanspruchte, über die Vergangenheit Gericht zu halten. Auf jeden Fall hat man ihnen zweierlei entgegenzustellen: auf der einen Seite respektierten die fanatisch auf ihre eigene Freiheit erpichten Städte die Freiheit der anderen keineswegs, und die ganze Geschichte des klassischen Griechenland ist die Geschichte brutaler Unterdrückung kleinerer griechischer Stadtstaaten durch die mächtigsten dieser poleis: Athen - Sparta - Theben. Philipp verhielt sich den Städten gegenüber nicht anders als diese gegenüber ihren Rivalen. Desgleichen liegen Philipps >RealpolitikGroße Tumba< (Megali Tumba), wie ihn die Einwohner der Gegend nennen, müsse ein großes makedonisches Grab enthalten. Ihm selbst blieb keine Zeit, ihn zu erforschen. Seine Ansicht teilte auch K. A. Rhomaios, der die Grabungen Heuzeys von 1937 bis 1940 sowie von 1954 bis 1956 namentlich im Palastbereich fortführte. Die Erforschung der Großen Tumba sowie der TumuliNekropole war das beständige Hauptziel meiner eigenen Bemühungen seit 1951, und ich hoffe, daß ich diese Arbeiten noch lange fortsetzen kann. Die in der Nekropole erzielten Grabungsergebnisse sind seit Jahren bekannt und liefern, wie bereits erwähnt, reiche Belege für die älteste Phase dieser Gräber und für die entsprechende Phase der Siedlung, zu der sie gehörten. Was in der großen Tumba zum Vorschein kam - und dies gilt insbesondere für die allerjüngsten Entdeckungen -, wurde unverzüglich in großen Zügen bekanntgemacht. Eine erste vorläufige Darstellung findet sich in der Zeitschrift des Archäologischen Dienstes9. Andererseits wäre jede endgültige Veröffentlichung noch verfrüht, denn die Ausgrabungen gehen weiter, und die eingehendere Untersuchung der Funde hat kaum begonnen. Aus diesem Grunde werde ich mich auf eine knappe, vorläufige Anführung jener Funde beschränken, die uns einige sichere Anhaltspunkte über die Nekropole von Aigai liefern und unser Wissen über deren Geschichte und Bedeutung erweitern.

97-99. Die Nekropole von Aigai umfaßt ein großes Areal und besteht aus zahlreichen kleinen Tumuli, in denen sowohl Männer- wie Frauenbestattungen gefunden wurden. Der Schmuck war meist aus Bronze und stammt aus Frauengräbern. Zu den gewöhnlichsten Funden gehören die >achtförmigen< Fibeln, die das Gewand auf der Schulter zusammenhielten (97), sowie die Spiral-Armreifen (98). In einer ganzen Reihe von Gräbern fand man dreifache Doppeläxte (99), möglicherweise ein Symbol priesterlicher Autorität oder eines hohen sozialen Status (Thessaloniki, Archäologisches Museum). 100. Bronze-Krone aus einem Tumulus in Vergina. Das Mittelfeld trägt einen Kreis mit eingeschriebenem Kreuz, ein bekanntes Motiv, das die Sonnenscheibe symbolisiert (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

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Bis heute (Februar 1979} kamen unter der Aufschüttung der Großen Tumba drei Gräber und die Fundamente eines oberirdischen Bauwerks zum Vorschein. Darüber hinaus aber erbrachte die Ausgrabung der Großen Tumba andere, sehr zahlreiche und vor allem sehr bedeutende Funde. Dies begann bereits vor der systematischen archäologischen Untersuchung, als im Jahre 1948 eine MilitärEinheit dort Schützengräben aushob. Damals wurden zehn Stücke einer marmornen Grabstele mit einer Reliefdarstellung und einer Inschrift gefunden, ferner das obere Stück einer weiteren Stele, das aber lediglich den Namen des Toten trug10. Die Datierung der beiden Stelen um 350 v. Chr. bezeugte, daß um die Mitte des 4. Jahrhunderts in der Nekropole von Vergina bemerkenswerte Grabdenkmäler existiert haben müssen, die typologisch und morphologisch ihre Gegenstücke im übrigen Griechenland haben. Das makellose elegische Tetrastichon - soweit mir bekannt, das älteste aus Zentralmakedonien - stellte ein wichtiges historisches Zeugnis für die Regierungszeit Phillips dar. Die Tatsache, daß Fragmente von Grabdenkmälern in der Aufschüttung der Großen Tumba gefunden worden waren, warf Fragen auf, die in den kommenden Jahren, als die systematische Ausgrabung begann, immer dringlicher wurden. Zwar wurden die betreffenden Gräber bei den Grabungen der Jahre 1952, 1962, 1963 und 1976 noch nicht aufgedeckt, doch erwiesen sich diese Grabungen als in anderer Hinsicht äußerst fruchtbar. Die tiefen Schnitte, die in der riesigen Aufschüttung angelegt wurden, zeigten: man hatte unvorstellbare Massen roter Erde, Kies, Sand und Feldsteine aus der Umgebung herbeigeschafft, um den Tumulus aufzuhäufen. Aber mitten zwischen diesen Materialien fanden sich zahllose Fragmente zerbrochener Grabstelen, die bei der Errichtung des Tumulus als wertlos betrachtet und zusammen mit den Feldsteinen als Füllmasse verwendet worden waren. Aus der Fülle dieser unerwarteten Funde ergab sich zwangsläufig die Folgerung, daß der Friedhof, von dem alle diese Grabdenkmäler stammten, irgendwann gewaltsam zerstört worden sein mußte. Da die jüngsten dieser Stelen in das beginnende 3. Jahrhundert v. Chr. datiert werden konnten, mußte die Zerstörung zwischen 300 und 250 v. Chr. angesetzt werden. Die Suche nach den für die Katastrophe Verantwort101. Luftaufnahme der ^Großen Tumba' von Vergina nach ihrer Ausgrabung durch M. Andronikos. Die drei Königsgräberwurden zu ihrem Schutz überdacht.

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102. Rekonstruktionszeichnung des Großen Grabes in Vergina. Es war umwölbt, bestand aus der Grabkammer und einem Vorraum und hatte eine dorische Fassade sowie große Marmortüren, die unversehrt in situ gefunden wurden. Das Grab war von einem Grabhügel bedeckt, der in der Zeichnung durch eine gestrichelte Linie angedeutet ist. Zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht zu Beginn des 3. Jahrhunderts, häufte man riesige Erd- und Steinrnassen darüber auf und schuf so die »Große Tumba-, die den kleineren Hügel zudeckte.

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^S^S^£S^^ ' •; • N^/vW^;^*"' i«:>*«r:^wr;r-> S:SkeIettx bestand anscheinend aus Holz und Leder, die sich inzwischen völlig aufgelöst haben. Schon beim ersten Anblick der noch vorhandenen Reste dieses zerfallenen Schildes war mir klar, daß wir es hier mit einem wahren 122. Goldblech, das als Schmuck des Gorytos diente und Kampfszenen von der Einnahme einer Stadt zeigt. Ähnliche Objekte fand man in skythischen Gräbern Südrußlands (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

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Meisterwerk zu tun hatten, und ich äußerte die Hoffnung, es möge uns gelingen, ihn wenn schon nicht vollständig, so doch wenigstens so weit wieder herzustellen, daß es möglich wäre, sich von seinem ursprünglichen Aussehen eine Vorstellung zu machen. Zwar sind wir bei der Rekonstruktion des Stückes über die Anfänge noch nicht hinaus, doch läßt sich jetzt schon sagen, daß meine Erwartungen nicht getrogen haben. Beispielsweise wissen wir heute, daß der Außenring (die Antyx) dieses Schildes mit Spiralmäandern verzierte Elfenbeinbeschläge trug. Die Zwischenräume zwischen den Spiralen waren mit Glasstückchen ausgefüllt, auf die ganz dünne Goldblättchen aufgelegt waren. Dieser Ring umschloß einen zweiten aus Gold und Silber; der Schildbuckel war vergoldet, und auf dem Goldgrund befanden sich zwei Elfenbeinfiguren: ein Jüngling, der ein Mädchen raubt. Bedauerlicherweise sind die beiden Figürchen schlecht erhalten. In Relief ausgeführte geflügelte Niken (Siegesgöttinnen) schmücken die vier Goldbänder zu der Schild-Innenseite. Diese Bänder, die in Anthemien (Palmetten) auslaufen, müssen in Kreuzform angeordnet gewesen sein, und zwar um eine breite Goldplatte herum, die mit zwei Paaren heraldischer Löwen geschmückt war. An dieser Platte war der Griff befestigt. Er scheint aus Leder gewesen zu sein. Nicht nur, daß an keiner anderen Fund- bzw. Grabungsstätte bisher ein Gegenstück zu diesem Schild zum Vorschein gekommen ist - auch die literarischen Quellen enthalten keine Beschreibung eines Schildes dieser Art, es sei denn, wir besitzen die Verwegenheit, den von Hephaistos geschaffenen mythischen Schild Achills zum Vergleich heranzuziehen. Daß man diesen Schild nicht wirklich im Kampf verwendete, steht wohl fest. Demnach muß es sich um eine Prunkwaffe für zeremonielle Zwecke gehandelt haben. Die Restauration dieses kostbaren und leicht zu beschädigenden Schildes bestärkt mich in meiner ursprünglichen Annahme, daß ein schildförmiges Bronzeobjekt, das in der Grabkammer auf den Schild-Überresten gefunden wurde, seine Schutzhülle dargestellt haben muß. Das in dem Marmor-Sarkophag gefundene Behältnis fOssuarium) mit den Gebeinen des Toten vervollständigt auf höchst unerwartete Weise das Bild, das alle zuvor geschilderten Funde vermitteln. Es handelt sich um eine kostbare goldene Larnax (kleine Truhe, Kästchen) mit wundervollem Schmuck an Seitenwänden und Deckel, beherrschendes Motiv ist der große Sonnenstern, den wir von makedonischen Münzen und Schilden kennen und wohl als Kö220

nigsemblem zu deuten haben. Die Gebeine waren behutsam in die Larnax gebettet; ganz offensichtlich hatte man sie mit großer Sorgfalt aus der Asche zusammengelesen, gewaschen und in ein purpurfarbenes Gewebe gehüllt, von dem sich Farbspuren auf vielen Knochenresten, aber auch auf dem Boden der Larnax finden. Auch dies erinnert an homerische Bestattungsgebräuche. Auf die Gebeine war ein zusammengepreßter kostbarer Kranz aus in Gold nachgebildeten Eichenzweigen mit goldenem Eichenlaub und goldenen Eicheln gelegt worden - der eindrucksvollste Kranz aus dem antiken Griechenland, den ich kenne. Alle Fakten, die wir besitzen, sprechen dafür, daß wir es hier mit einem Königsgrab zu tun haben. Weitere Bestätigung erfährt diese Ansicht durch einen anderen, seinerseits einzigartigen Fund: ein Reif aus Gold und Silber, der aus einer innen hohlen Röhre von kreisförmigem Querschnitt besteht, deren Enden in einem besonderen zylindrischen Stück stecken, so daß man das Stück je nach Bedarf erweitern oder enger machen kann. Die Außenseite dieses Verbindungsstückes zeigt einen in erhabener Arbeit wiedergegebenen Knoten. Links und rechts gehen - gleichfalls in Reliefdarstellung - die Enden eines Bandes hiervon aus. Mir scheint, daß es sich hier um einen Stirnreif handelt; ein flüchtiger Vergleich zeigt, daß dieser Reif jenen gleicht, die wir auf Porträts von Königen wie "Antigonos, Attalos III. (?), Antiochos III., aber auch auf manchen Alexander-Porträts sehen. Es muß also - mit anderen Worten - ein königliches Diadem sein, was wir hier vor uns haben. Wenn dies aber zutrifft, muß der Tote, der hier bestattet wurde, zwangsläufig ein König gewesen sein. Wir erwähnten bereits, daß sich vor dem Sarkophag die zerfallenen Überreste einer hölzernen Kline (eines Bettes, einer Liege) mit Elfenbein-Verzierung erhalten haben. Beim gegenwärtigen Stand der Arbeiten läßt sich über dieses Möbelstück nur sagen, daß es mit seinen Goldbeschlägen und Elfenbeinszenen außerordentlich imposant gewesen sein muß. Bei den Elfenbeinarbeiten lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: eine mit Flachreliefs sowie eine zweite mit nahezu vollplastisch gearbeiteten Figuren, beide bildeten wohl eine Art Fries an der Bettstatt. Ob beide Gruppen freilich zu einem und demselben Fries 123. Detail vom Goldblech des Gorytos. Die obere Zone zeigt einen Kriegerund Frauen, die zu fliehen versuchen. In unteren sucht eine Hilfeflehende Zuflucht neben dem >Palladion< im Tempel; rechts ein verwundeter Krieger (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

. schöne< Gesamtbild zu verunstalten. Diese Einzelheit sowie die Ähnlichkeit der Gesichtszüge mit dem Porträt Philipps, das wir dem Medaillon aus Tarsos verdanken, haben mich zu der Überzeugung gebracht, daß es sich um ein Porträt Philipp II. handelt. Für eine derartige Zuschreibung spricht meines Erachtens auch das Vorhandensein des Alexanderkopfes, gegen dessen Identifikation sich schwerlich Einwendungen erheben lassen. Ganz und gar unerwartet waren die Funde im Vorraum. Die Erfahrungen, die wir bei anderen makedonischen Gräbern gesammelt hatten - mochten sie auch geplündert worden sein -, deuteten nicht darauf hin, daß im Vorraum Funde von zahlenmäßiger oder sonstiger Bedeutung zu erwarten seien. Vor allem ahnten wir nicht, eine zweite Bestattung vorzufinden. Als wir doch den Vorraum schließlich betraten, bot sich uns ein völlig überraschendes Bild. Zunächst einmal waren die Wände sehr sorgfältig verputzt und bemalt: unten weiß, darüber intensiv rot, und ein Band von Rosetten markierte den Ansatz des Gewölbes. Unweit der Südwand (links vom Eingang zum Grab) stand ein zweiter Marmorsarkophag, etwas größer als der in der Grabkammer. Auf dem Fußboden vor dem Sarkophag hatten sich Überreste eines Holzmöbels (einer KJme?) mit Goldverkleidung und Elfenbeinschmuck erhalten, das verrottet und zusammengefallen war. Neben dem Sarkophag fand sich auf dem Boden ein Kranz aus goldenen Myrtenblättern und -bluten von sehr feiner 126. Griff des eisernen Schwertes des Toten mit hervorragender Goldverzierung (Thessaloniki, Archäologisches Museum). 127. Der eiserne Brustpanzer des Toten ist in technischer wie in künstlerischer Hinsicht eine Meisterleistung. Er ist mit schmalen und breiten Goldbändern sowie vorn und hinten mit kleinen Löwenköpfen geschmückt (Thessaloniki, Archäologisches Museum).

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128. Ein Paar vergoldeter bronzener Beinschienen. Die eine ist kürzer als die andere (Thessaloniki, Archäologisches Museum). 129- Dieser makedonische Eisenhelm ist einzig in seiner Art. Erhat eine imposante Helmzier, verzierte Wangenklappen und in der Mitte über der Stirn einen Athena-Kopf (Thessaloniki,Archäologisches Museum).

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Arbeit. Nahe der Nordwand waren die Überreste eines gestrichenen hölzernen Wandbords (?) zu erkennen, und dicht dabei fand sich ein vergoldeter Hals- und Brustschutz mit Reliefdarstellungen von Reitern und Rosetten. Auch auf der Türschwelle zur Grabkammer lagen einige Gegenstände. In der Türecke stand das Goldblech, das den Gorytos (eine Kombination aus Bogenbehälter und Köcher) geschmückt hatte und vollkommen den entsprechenden Objekten glich, die wir aus skythischen Gräbern in Südrußland kennen. Dahinter lagen die Bronzepfeile, die sich im Köcher befunden hatten. Neben dem Gorytos fand sich ein Paar vergoldeter Beinschienen aus Bronze; bemerkenswert daran ist der Unterschied, den sie in der Höhe (die linke ist 3,5 cm kürzer) und in ihrer ganzen Ausgestaltung aufweisen. Außerdem lagen bei diesen Gegenständen zahlreiche Alabastra sowie eine Amphora des >zyprischen< Typs, der für die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. charakteristisch ist. Ebenso wie in der Grabkammer enthielt auch im Vorraum der Sarkophag die größte Kostbarkeit. Als wir ihn aufdeckten, standen wir vor einer zweiten goldenen Larnax. Kleiner und einfacher geschmückt als der entsprechende Behälter in der Hauptkammer, trug sie doch den gleichen Sonnenstern auf dem Deckel wie dieser. Und als wir das Kästchen öffneten, bot sich uns eine höchst ergreifende Überraschung: die verbrannten Gebeine waren eingehüllt in ein herrliches Goldpurpurgewebe mit wundervollem Pflanzendekor und einer Umrandung von Spiralmäandern. Inzwischen sind die Konservierungsarbeiten vorangeschritten, und wir können mit Befriedigung feststellen, daß es uns vergönnt war, hier eines der schönsten Stücke antiken griechischen Gewebes zu bergen, das je ans Licht kam. Zusammengedrückt fand sich an der Schmalseite der Larnax ein Frauen-Diadem aus Blüten und Blättern auf feinen Stielen und kleinen Zweigen. Nach der Wiederherstellung seiner ursprünglichen Gestalt konnten wir feststellen, daß es nicht nur ein Meisterwerk der altgriechischen Goldschmiedekunst ist, sondern schlechthin das schönste Schmuckstück aus der Antike, das wir überhaupt kennen. Der technischen Fertigkeit des Künstlers stand seine schöpferische Phantasie nicht nach, und der ausgezeichneten Verarbeitung entspricht die Eleganz der Formgebung. Verstand der Meister, der dieses Kunstwerk schuf, es doch, die sinnenhafte Kraft des Pflanzlichen mit vergeistigter Abstraktion der Form zu verbinden. Dies sind in kurzen Umrissen die Funde aus dem großen 228

makedonischen Grab, das uns im Jahre 1977 freizulegen vergönnt war. Das erste und entscheidende Problem, dem wir uns gegenübersehen, ist seine Datierung. Die Tonscherben, die auf ihm lagen, sind mit großer Sicherheit in das dritte Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr. (350-325 v. Chr.) zu weisen. Aus derselben Zeit stammen auch die drei charakteristischen Tongefäße, die im Innern der Grabkammer gefunden wurden (eine Lampe, ein rotfiguriger Askos [wohl Öl- bzw. Salbgefäß mit Bügelhenkel] und eine schwarzgrundige Oinochoe [Weinkanne]). Einen entsprechenden Zeitansatz gestatten uns auch die Silbergefäße, vor allem diejenigen, die als Verzierung kleine Reliefköpfe von Silenen, Herakles und Part besitzen. Darüber hinaus dürfte sich mit Leichtigkeit nachweisen lassen, daß sämtliche Fundgegenstände aus den Jahren um 340 v. Chr. stammen müssen. Dem gleichen Zeitraum lassen sich auch die Architekturformen des Grabes zuordnen, und die Darstellungen des großen, gemalten Frieses an der Grabfassade widersprechen einem solchen Zeitansatz keineswegs, sondern dürften ihn, wenn mich der Eindruck nicht trügt, den ich bei einer ersten Untersuchung ihrer stilistischen Merkmale gewann, sogar eher bestätigen. Das zweite Problem ist das der Identität des oder vielmehr der Toten, deren Überreste das Grab enthielt. Alles, was wir hier fanden, bestärkte uns in der Überzeugung, daß wir es mit einem Königsgrab zu tun haben müssen. Der Reif, der, wie wir sahen, wohl als Königsdiadem zu deuten ist, legt die Vermutung nahe, daß der Tote der Grabkammer König war. Wenn dies jedoch zutrifft und auch die Datierung des Grabes nicht falsch ist, muß es sich zwangsläufig um das Grab Philipps II. handeln, denn innerhalb der zugegebenen Zeitspanne (350-325 v. Chr.) ist kein anderer Makedonenkönig gestorben18. Mir ist bewußt, wie unglaublich eine derartige Schlußfolgerung klingt und welche Konsequenzen sie sowohl für die archäologische wie für die historische Forschung mit sich bringt. Ich muß daher noch einmal wiederholen: Unser Resultat beruht auf Deutungen archäologischen Materials, die den Rahmen seriöser Wissenschaft nicht überschreiten, und unsere Folgerungen haben zwar den Charakter des Vorläufigen, es handelt sich aber keineswegs um wilde Spekulationen. Wenn aber der in der Grabkammer bestattete Tote Philipp II. ist, so stellt sich die Frage nach der Toten im Vorraum. Mehrere Antworten sind denkbar. Es könnte sich um Philipps letzte Gemahlin, Kleopatra, oder eine seiner früheren Gattinnen

(allerdings nicht um Olympias) handeln, von denen wir weder wissen, wann noch wie sie gestorben sind. Abschließend möchte ich zu diesem Teil meiner Ausführungen betonen, daß der wesentlichste Gewinn der Grabung die Funde selbst sind, vor allem die Wandmalereien, die uns die Möglichkeit geben, viele kulturelle Elemente und andere Lebensbereiche des makedonischen Griechentums kennenzulernen, zu untersuchen und Makedoniens Stellung im Rahmen der Welt des 4. vorchristlichen Jahrhunderts richtig einzuschätzen. Die Fortsetzung der Grabung im Jahr 1978 vervollständigte das Bild, das wir uns nach den beiden ersten Gräbern gebildet hatten, und erhärtete die Auffassung, daß wir auf Königsgräber gestoßen waren. Und zwar entdeckten wir ein weiteres, kleineres, nichtgeplündertes makedonisches Grab. Dieses dritte Grab liegt nur wenige Meter nordwestlich vom Großen Grab entfernt; seine Fassade zeigt ungefähr dieselbe architektonische Gestaltung wie dieses und auch den charakteristischen Malereifries am oberen Rand. Bedauerlich für uns ist, daß die Komposition, die den Fries schmückte, auf einen zusätzlichen Malgrund aus organischem Material (vermutlich Leder auf Holz) aufgetragen war, die sich vollkommen zersetzt hat, so daß uns nur minimale Spuren davon auf dem Mörtel geblieben sind. Das Innere des Grabes besteht aus Grabkammer und Vorraum. Der eine Flügel der Tür zwischen den beiden Räumen ist irgendwann einmal ins Innere der Grabkammer gefallen und wurde in zerbrochenem Zustand aufgefunden, er bedeckte einen Teil des Fußbodens und dürfte bei seinem Sturz mancherlei zerstört haben. An der Westwand der Grabkammer fand sich anstelle eines Sarkophags eine gemauerte quaderförmige Trapeza (wörtlich: Tisch; hier eine Art Altar); sie hat in der Mitte eine Vertiefung, in der die silberne Hydria (eine Art Kanne) mit GebeinÜberresten stand. Auf der Schulter des Gefäßes lag ein Kranz aus goldenem Eichenlaub und goldenen Eicheln. Fast der ganze Fußboden des Raumes war von zerfallenen Überresten hölzernen Mobiliars und vielleicht auch einiger Lederbeziige bedeckt. Wir können es für nahezu sicher halten, daß es sich um eine Hoh-Kline mit Elfenbeinschmuck handelt, von dem wir ein Fragment wiederherstellen konnten, das am oberen Teil eines der Beine des Möbels angebracht war. Und allein schon diese drei Elfenbeinfiguren (Pan und ein dionysisches Paar) genügen, um uns davon zu überzeugen, daß die verlorene Kline ein Meisterwerk antiker Möbelkunst war. Die plastische Behandlung der drei Figuren, ihr kraftvoller und sensibler

Ausdruck, das delikate, aber feste Fleisch der Körper und der schwungvolle Faltenwurf haben einen Zauber ganz eigener Art. Auch diese köstlichen, der Zeit etwa um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. angehörenden Werke der Kleinplastik lassen uns zum Bewußtsein kommen, was an Werken aus dieser schöpferischen Periode der griechischen Kunst verlorengegangen ist, von der wir durch süßliche römische Kopien lediglich ein entstelltes Bild kennen. In der Nordwest-Ecke der Grabkammer standen zwei große, sowohl außen wie innen versilberte Bronzegefäße und dicht dabei ein hoher, eiserner, versilberter Lampenständer; die Tonlampe war zu Boden gefallen und wurde in geringem Abstand davon gefunden. In der Südwest-Ecke waren zahlreiche silberne Gefäße zusammengetragen, darunter eine schöne Oinochoe (Weinkanne), zwei Kadiskoi (Eimerchen) und eine Opferschale (Patera) mit einem Griff, der in einen wundervoll gestalteten Widderkopf ausläuft. Einige weitere Silbergefäße fanden sich auf den Resten der Kline. Insgesamt wurden bisher 27 Silbergefäße restauriert, die zusammen mit den 20 aus dem Großen Grab die kostbarste und charakteristischste Sammlung silberner Gefäße des 4. vorchristlichen Jahrhunderts darstellen, die z. Zt. ein Museum besitzt. Ein weiterer bemerkenswerter Fund ist das Paar vergoldeter Beinschienen mit Anthemienschmuck (Palmetten) auf dem Streifen am unteren Rand. Im Nordteil des Vorraums gab es auf dem Fußboden ein zusammengefaltetes, goldverziertes Staatsgewand; es ist anzunehmen, daß es auf ein Holzmöbel oder ein hölzernes Bord gelegt worden war, das aber inzwischen zerfallen ist. Es war möglicherweise aus Leder, das indessen völlig verwest ist, und nur durch den sehr hohen Feuchtigkeitsgrad des Bodens blieb an einer Reihe von Stellen die Gewandform sichtbar, allerdings in einem pastenartigen Zustand. Im südlichen Teil sind ebenfalls aufgelöste Reste organischer Substanzen zu erkennen, dazwischen bronzene und eiserne Schabeisen. Daneben haben sich auch der eiserne Speerschuh, die Spitze und der untere Teil einer vergoldeten Lanze erhalten; der hölzerne Schaft hat sich aufgelöst, nur seine Goldverkleidung ist übriggeblieben. Aber das interessanteste Detail des Vorraums ist der gemalte Fries, der sich rings um alle vier Wände zieht. Er ist schmal und zeigt ein Wagenrennen mit Zweigespannen (Synorides). Obgleich sich dieser Raum für ein Kunstwerk großen Stils nicht eignete und der unbekannte Künstler 229

sich daher auf das mehr oder weniger Dekorative beschränken mußte, ist es ihm dennoch gelungen, eine sehr bemerkenswerte Komposition zu schaffen, die von Erfahrung, Kenntnis und Einfühlungskraft zeugt. Die zahlreichen Wagen stellen nicht etwa eine mechanische und monotone Wiederholung desselben Typs dar, sondern bilden ein dynamisches Ganzes, in dem jeder Wagen seine eigene Bewegung und seine besondere Eigenart hat, auch die Zugpferde und die Bodenpartien unter den einzelnen Wagen sind unterschiedlich wiedergegeben. Damit verfügen wir über eine weitere beachtenswerte Probe der Malkunst des 4. Jahrhunderts v. Chr., die, wenn sie sich auch nicht mit den großartigen Kompositionen der beiden anderen Gräber vergleichen läßt, doch sehr viel bedeutender ist als alle anderen, die uns bisher bekannt waren. Auf Grund der uns bis jetzt zur Verfügung stehenden Fakten können wir sagen, daß auch dieses Grab als Königsgrab anzusehen ist, und zwar nicht nur, weil es zur selben Gruppe wie die anderen Gräber gehört, sondern auch, weil zumindest einige der Funde aus ihm (so z. B. die goldene Lanze und die Beinschienen) völlig einmalig dastehen. Schließlich sprechen Qualität und Fülle der Silbergefäße sowie die Versilberung der Bronzegefäße dafür, daß wir es hier mit einem Toten von außerordentlich hohem Rang zu tun haben. Die chronologischen Indizien reichen allerdings noch nicht aus, um das Grab mit Sicherheit zu datieren; mein erster Eindruck ist, daß es um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. angesetzt werden kann. Jedenfalls

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halte ich es für ausgeschlossen, daß es einer späteren Zeit als dem dritten Viertel des betreffenden Jahrhunderts angehört. Dies ist das glanzvolle Bild der Nekropole von Aigai, das wir den Grabungsfunden der letzten fünfundzwanzig Jahre verdanken. Die allerjüngsten Funde sprechen in hohem Maße für die Hypothesen und Folgerungen, die sich aus der Entdeckung der beiden ersten Gräber ergaben. Ich halte es für nahezu sicher, daß es sich bei allen drei Gräbern um Königsgräber handelt und daß N. Hammonds Vorschlag, Vergina mit Aigai gleichzusetzen, nunmehr an die Stelle der traditionellen Lokalisierung der ersten makedonischen Hauptstadt in Edessa treten kann. Indessen ist das Problem der Anlage der Großen Tumba noch ungelöst. Das negative Ergebnis der Forschungen in ihrem Zentrum nötigt uns, die Fortsetzung der Ausgrabungen abzuwarten, ehe wir eine Antwort auf die Fragen zu geben versuchen, die dieser Hügel aufwirft. Sicher ist nach wie vor, daß der Zeitpunkt seiner Anlage erheblich später liegt als der Bau der Gräber, da ja bei der Aufschüttung Fragmente mit Inschriften versehener Grabstelen Verwendung fanden, die sehr wahrscheinlich aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert stammen. Wir können hoffen, daß die Fortführung der Ausgrabungen uns noch weitere wertvolle Funde liefern wird, nicht zuletzt aber auch noch weitere Anhaltspunkte zur Lösung der vielen Probleme, die noch immer offen sind.

Zeittafel der wichtigsten Ereignisse der Regierungszeit Philipps II.

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Niederlage und Tod Perdikkas' II. im Kampf gegen die Illyrer in Ober-Makedonien. Übernahme der Macht durch Philipp. Vernichtung des Gegenprätendenten Argaios.

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Friedensvertrag Philipp-Athen. Reorganisation und Ausbildung des makedonischen Heeres. Einfall in Paionien, Niederlage des Lyppeios. Kämpfe in Illyrien, Niederlage des Bardylios, Erwerb Ober-Makedoniens.

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Erster Zug nach Thessalien. Frühjahr-Sommer Ausbruch des >Bundesgenossenkrieges< der Athener. Philipp greift Amphipolis an. Herbst-Winter Einnahme von Amphipolis. Philipp heiratet Olympias.

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Winter Frühjahr Sommer

Einnahme von Pydna. Bündnis mit den Chalkidiern. Einnahme von Krenides, Gründung von Philipp!. Bündnis der Thraker, Illyrer und Paionen gegen Philipp; Beitritt Athens. Die Phoker besetzen Delphi. Geburt Alexanders des Großen. Sieg Parmenions über die Illyrer. Sieg Philipps in einem Reiterwettbewerb in Olympia. Philipp besetzt Potidaia und überläßt es dem Bund der Städte auf der Chalkidike. Einnahme von Apollonia, Galypsos und Oisyme.

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Frühjahr-Sommer Herbst Winter

Ende des athenischen >BundesgenossenkriegesXT)g, A.: T6 xoivöv TWV Maxedovwv, in: Maxeöovixd 3 (1956) 27—102. Kanatsoulis (1958) = KavaTooüXTig, A.: 'H övTixfj Maxsöovia xaräTovc; dQ%aiovc; ygövovc, (Thessaloniki 1958). Kanatsoulis (1960) = Kavatoot)Xt)g, A.: 'H/uaxedovixfj nöKic,, in: Maxeöovixd 4 (1960) 232-314. Kanatsoulis (1976) = KavatooiÄTig, A.: 'H Maxeöorla am &QxQÖvtav nzytßi rfjg dvoöov TOV Makedoniengriechischen< Elementes im makedonischen Bereich gehandelt, vermag ich mich ganz und gar nicht anzuschließen. 50. Thukydides 6, 7, 3. 51. Zu dieser Route: Edson (1955) 173-182. 52. Supplementum Epigraphicum Graecum 10, 86, Zeile 23. 53. Zusammenstellung und Erörterung der Belege bei D. Kanatsoulis 'O 'AQyiXaoc, xai al fiETaQQV&fiiozii; rov iv Maxzöoviq (Thessaloniki 1948). 54. Andokides 2, 11. 55. Thukydides 2, 100, 2. 56. Siehe D. Kanatsoulis a.a.O. (vgl. oben Anm. 53), 77—82. 57. Edson (1955) 188, Anm. 5. 58. Aristoteles: Politika 1311b. 59. Andokides (2, 11) nennt Archelaos seinen xenos patrikos. Im Jahre 426/425 v. Chr. finden wir Andokides' Vater Leogoras als Anführer einer athenischen Gesandtschaft zu Perdikkas II. erwähnt (Tribute Lists [s. oben Anm. 40] 2, D 4, Zeile 50 [Seite 49]). 60. Vgl. Hoffmann und Kalleris 1. Bei Curt. (6, 11, 4) gewinnt man den Eindruck, daß einfache Makedonen bisweilen (attisches ?) Griechisch nicht verstanden, sondern Dolmetscher benötigten. Dies braucht jedoch nichts anderes zu bedeuten, als daß das Makedonische ein sehr ausgeprägter eigener Dialekt des Griechischen war. Vgl. auch Curt. 6, 10, 23 (über die Redeweise des Philotas): iam pridem nativus ille sermo commercio aliarum gentium exolevit. 61. Man beachte, daß das Verbreitungsgebiet der Koine fast genau mit den von Alexander eroberten Ländern zusammenfällt. Vgl. Beloch 4, 2 (Karte Das griechische Sprachgebiet um 220 v. Chr. am Schluß des Bandes). Gebiete wie Boiotien u. Megara, die unmittelbar an Attika grenzten, hielten während der gesamten hellenistischen Zeit an ihren örtlichen Dialekten fest, obwohl auch bei ihnen der Einfluß der Koine immer stärker wurde. 62. Herodot 5, 22. 63. Edson (1947) 97. 64. Man beachte den bei den Argeaden üblichen dynastischen Kult des Herakles Propator. Arrian, Anabasis 6, 3, 2. 65. S. oben Anm. 5. 66. Wenn wir freilich die Äußerung des Damastes von Sigeion bei Speusippos (Jacoby FGrHist 5 F 4) oberflächlich betrachten, müßte demnach Herakleion schon 480 v. Chr. existiert haben. 67. Pausanias 7, 25, 6. 68. Jacoby FGrHist Nr. 115, F 387 (Theopomp). Vgl. L. Robert: Etudes de numismatique greque (Paris 1951) 179-216. 69. Thukydides 4, 124, 1. 70. Pindar, Frg. 120 u. 121 (Snell). 71. Bakchylides F 20 (Snell). 72. D. Raymond a.a.O. (oben Anm. 25) Seite 164. Gaebler 2, 155, Nr. 12. 73. Gaebler 2, 156, Nr. 8-10. 74. Nach der Suda (Suidas) befanden sich der Arzt Hippokrates und der Dithyrambiker Melanippides an Perdikkas' Hof. Plutarch (Moralia 1095 D) scheint dagegen Melanippides mit Archelaos in Verbindung zu bringen. 75. Dio Chrysostomos 13,30: - JtoXXä eLÖcöc;xca jioXXoi? xräv oocpwv . . .

76. Aelian: Varia Historia 14, 17. 77. Athenaios 8, 345 d. 237

78. Plutarch: Moralin 117 B F 24 (Page). 79. Aelian: Varia Historia 2, 21; 13, 4. 80. Seneca: De beneficiis 5, 6, 6; Diogenes Laertios 2, 95; Dio Chrysostomos 13, 30. 81. W. Baege: De Macedonum sacris (Halle 1913) 10-12. 82. Der makedonische Dichter Adaios bezeichnet in seinem Epitaph auf Euripides (Anthologia Palatina 7, 51, Zeile 4) diesen als »geehrt durch die Gemeinschaft« - ETCUQELt] - »mit Archelaos«. 83. Den Inhalt des Stückes kennen wir aus Hygin: Fabulae 219 [Rose] 143-144. Vgl. Dio Chrysostomos 4, 70-72. Man beachte die neuen Prologfragmente (veröffentlicht von E. Siegmann in: B. Sneü: Griechische Papyri der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek [Hamburg 1954] 1-14). 84. Fragmente [Nauck] 232, 233, 236, 237, 238, 239, 240, 242, 243, 244 und 246. 85. Itinerarium Burdigalense 604, 6-7 [Cuntz]; Ammianus Marcellinus 27, 4, 8. 86. Gellius: Noctes Atticae 15, 20, 9. 87. [Aristoteles] Problemata 954b. 88. Aristoteles: Politika 1311 b. 89. Das Belegmaterial für diese Periode findet sich übersichtlich zusammengestellt bei Geyer, Kap. 5, 105-139. 90. Arnan: Anabasis 5, 26, 6 und 7, 9, 2. 91. Vgl. Merker.

DIE EINIGUNG MAKEDONIENS Literaturhinweise und Anmerkungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Thukydides 2, 99, 2. Hammond, Macedonia l, 156ff. Abel 153ff., Geyer 45f. Schol. Thuk. l, 57, 3. Athenaios 13, 557. Thukydides l, 57, 3 u. l, 59. Athenaios 13, 557; 10, 436c. Strabon 7, 326. Inscriptiones Graecae II 2 71, 75 ff. Aristoteles: Po/itifca 5,1311b; vgl. Thukydides 4, 79, 83f. u. 124ff. /nscripfiones Graecae II 2 Nr. 110 (= Tod 2 Nr. 143);SIGlNr. 188 (= Tod 2 Nr. 148); Demosthenes 4, 27. 12. Strabon 7, 326; Plutarch: Moralia 14; Suda (Suidas) s. D. >KaranosPhilippou polisPhilippoiQ(X gehörten angeblich nicht nur Sklaven und kostbare Gegenstände, sondern vermutlich auch Edelmetallbarren. 19. Vgl. Le Rider, Philipp U., 325-339. 20. Ebenda 339-349; zu den Maßnahmen Philipps im Zusammenhang mit Amphipolis sowie zu den Zusagen, die er dieser Stadt machte, was ihren Status betraf: vgl. ebenda 338. 21. Le Rider, Philipp II., 390, 393 u. 400. 22. Ebenda 400. 23. Ebenda 385. 24. Ebenda 428-433. 25. Ebenda 435. 26. Ebenda 439-441. 27. S. die Anmerkung zuvor. 28. In Philipp U., 435, zeige ich auch, daß diese Entscheidung möglicherweise von dem Wunsch diktiert wurde, eine Münze zu schaffen, die den Dareiken der persischen Großkönige gleichwertig war. 29. Wenn man davon ausgeht, daß die ersten Statere in den Jahren 342 bis 340 geschlagen wurden, dann wurden von 376 Stück nur 29 mit Vorderseitenstempel zu Lebzeiten des Königs geprägt (vgl. Le Rider, Philipp I I , 435f.). 30. Nach derselben Chronologie stammten von 29 Stateren mit Vorderseitenstempel 28 aus Pella und nur ein einziger aus Amphipolis. 31. Vgl. Le Rider, Philipp II., 433-434. 32. Ebenda 442. 33. Amphipolis wurde zur führenden Münzstätte des Reiches (vgl. Newell, 69t.).

PHILIPP II. ALS FELDHERR UND DIE MAKEDONISCHE ARMEE Literaturhinweise Anderson = Anderson, J. K.: Military Theory and Practice in the age of Xenophon (Berkeley u. Los Angeles 1970). Andronikos, Sarissa = Andronikos, M.: Sarissa, in: Bulletin de Correspondence Hellenique 94 (1970) 91 ff. Best = Best, J. G. P.: Thracian Peltasts and their influence on Greek Warfare (Groningen 1969). Bosworth = Bosworth, A. B.: 'Ao'ÖETcaQOi, in: Classical Quarterly 23 (1973) 245 ff. Brunt = Brunt, P. A.: Einführung in Arrians Alexandergeschichte u. Indika in der Arrianausgabe der Loeb Classical Library (1976). Lammert = Lammen, F.: Sarissa, in: RE (= Pauly-Wissowa [u. a.]: Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft 2, l A (1920) 215 ff. Markle (1977) = Markle, Minor, M.: The Macedonian Sarissa, Spear, and related Armor, in: American Journal of Archaeology 81 (1977) 323-339.

239

Markle (1978) = Markle, Minor, M.: Use of the Sarissa by Philip and Alexander of Macedon, in: American Journal of Archaeology 82 (1978) 483-497. Marsden = Marsden, E. W.: Macedonian Military Machinery and its Designers under Philip and Alexander, in: 'Agxaia Maxeöovia II (Thessaloniki 1977) 211-223. Milns = Milns, R. D.: The army of Alexander the Great, in: Entretiens Fondation Hardt 22 (Genf 1976) 89 ff. Snodgrass = Snodgrass, A. M.: Arms and Armour of the Greeks (London 1967), Kap. 5. Tarn = Tarn, W. W.: Alexander the Great, Bd. 2, Cambridge 1948, 135 ff. (hier zitiert nach der englischen Originalausgabe; es existiert indessen auch eine deutsche Übersetzung unter dem Titel Alexander der Große [Darmstadt 1968]).

Anmerkungen 1. Zu pezetairoi u. desgl. : vgl. insbes. Jacoby FGrHist Nr. 115 (Theopomp) F 348; Nr. 72 (Anaximenes) F 4. Desgl. Hammond-Griffith, Macedonia 2, 426 ff.; Bosworth 245 ff. u. Milns 89 ff. 2. Plutarch: Pelopidas 26, 5-8; 27, 3f. usw.; Hammond-Griffith, Macedonia 2, 204 ff. 3. Diodor 16, 3, l f.; 16, 4, 3-7. 4. Diodor 16, 4, 3; 17, 17, 3 ff.; desgl. Brunt Ixixll. 5. Andronikos, Sarissa 96-107; Lammert 2515 ff. 6. Markle (1977) und (1978), insbes. (1978) 492 f. 7. Polyän 4, 2, 1; 4, 2, 3; 4, 2, 10; Frontin 4, l, 6. 8. Polyän 4, 2, 2; 4, 2, 7 (vgl. Arrian: Anahasis \, 6, 2l.). 9. Bosworth 245 ff.; Robin Lane Fox: Alexander the Great (London 1973) 512; Hammond-Griffith, Macedonia 2, 426 ff. u. 709 ff.; Milns 89 ff. 10. Diodor 16, 35, 5. 11. Demosthenes 18, 235 u. 9, 49 (über ihre Vielfalt). 12. Athenaios, der >Mechaniker< [Wescher]: UEQI firjfavrj^i&Kav 10, 5 f f . ; Vitruv 10, 13, 3; 7 prae/. 14; vgl. Marsden, insbes. 213 ff. 13. Vgl. die aufschlußreiche u. wertvolle Erörterung bei Markle (1977) u. (1978). 14. Asklepiodotos, der >TaktikerPhilippos< des Isokrates - Untersuchungen zum Korinthischen Bund (Wien 1968 [Phil. Habil.-Schr. Univ. Wien 5. Juli 1967]) 95ff. 37. Isokrates 5, 123. 38. Isokrates 5, 16, 97, 127. 39. Isokrates 5, 32-33. 40. Isokrates 4, 138-166. 41. Isokrates 4, 166. 42. Isokrates 5, 125. 43. Isokrates 5, 132. 44. Isokrates 5, 99-103. 45. Isokrates 5, 96. 46. Isokrates 4, 131. 47. Isokrates 5, 154. 48. Isokrates 4, 166-186. 49. Isokrates 5, 120. 50. Isokrates 5, 120, 123. 51. Isokrates 4, 131. 52. Isokrates Epz'sf. 3, 5 (Echtheit zweifelhaft). 53. Zitate u. Erörterung bei Dobesch a. a. O. (vgl. obenAnm. 36) 213 ff. 54. Neuerdings hat Dobesch dieses Thema behandelt (vgl. G. Dobesch a.a.O. [oben Anm. 36] 89ff. u. 213ff. 55. Vgl. bes. die Deutung der §§ 69-71 u. 79-80 (Isokrates 5). Der Text der §§ 69—71 lautet in deutscher Übersetzung wie folgt: »Denn welches Glück könnte dann das deine übertreffen? Männer von höchstem Ansehen (eudokimountes) kommen als Gesandte (oder Delegierte?) der bedeutendsten Staaten an deinen Hof, du wirst mit ihnen über das allgemeine Wohl beraten, das niemandem so wie dir am Herzen liegt, und du wirst sehen, wie ganz Griechenland buchstäblich auf Zehenspitzen in höchster Spannung erwartet, was immer du vorschlägst. Nicht einer wird den Entscheidungen gleichgültig gegenüberstehen, die bei euren Beratungen gefällt werden, sondern ganz im Gegenteil: manch einer wird begierig in Erfahrung zu bringen suchen, wie die Dinge stehen, manch anderer wird beten, daß deine Pläne nicht durchkreuzt werden, andere wiederum werden fürchten, es könne dir etwas zustoßen, bevor deine Bemühungen von Erfolg gekrönt wurden. Wenn dies alles der Fall wäre - hättest du dann nicht allen Grund, stolz zu sein? Würde es dich nicht dein Leben lang mit Genugtuung erfüllen, bei solch wichtigen Dingen Führer gewesen zu sein?« Diese Textstelle läßt verschiedene Folgerungen (2,3,4) zu, wirft aber

auch einige Fragen (1) auf: Haben wir die presbeis, von denen im griechischen Originalwortlaut die Rede ist, als >Gesandte< der Stadtstaaten zu interpretieren oder als deren >Delegierte< in ein synhedrion (eine Ratsversammlung) gleich dem, das Philipp 338/337 v. Chr. einberief? Und wenn dies zutrifft - empfiehlt Isokrates die Bildung einer derartigen Körperschaft lediglich für die Phase der Einigung Griechenlands oder möchte er sehen, daß sie zu einer dauernden Institution wird? 2) Nur die bedeutenderen Staaten sollten berechtigt sein, presbeis an Philipp zu senden bzw. im synhedrion vertreten zu sein, falls ein solches tatsächlich ins Auge gefaßt war. 3) Die Formulierung eudokimountes (»Männer von höchstem Ansehen«) läßt vermuten, daß die unteren Bevölkerungsschichten von der Bekleidung politischer Ämter ausgeschlossen sein sollten, was zu einer Begünstigung der Oligarchie in den griechischen Stadtstaaten geführt hätte. 4) Aus der Fortsetzung des Textes wird klar: Philipp sollte die Weisungen zu geben haben und werde nicht die kleinste Abweichung von seinen Anordnungen dulden. Dies freilich widerspricht anderen Passagen im Philippos ganz und gar, wo Isokrates dem Makedonenkönig empfiehlt, jede Form von Gewalt zu meiden und sich statt dessen stets und bei jeder Gelegenheit der Überredungskunst zu bedienen. Doch bei all dem handelt es sich lediglich um Pseudoprobleme und um Folgerungen ohne tragfähige Grundlage. Der Philippos gibt Philipp keine politischen Ratschläge, sondern hebt lediglich hervor, welche moralische Befriedigung Philipp zuteil würde, wenn er seine panhellenischen Pläne in die Tat umsetzte. Man beachte nur, wie die Passage beginnt und wie sie endet! Zwischen Beginn und Ende zählt Isokrates ganz einfach auf, was für Philipp Ursache bleibenden, dauernden Glückes sein könnte: Er würde Botschafter der bekanntesten Stadtstaaten empfangen (selbstverständlich wäre es weniger schmeichelhaft, von Botschaftern weniger bedeutender Staaten zu sprechen), die Griechen wären mit Spannung seiner Winke gewärtig (wäre dies nicht der Fall, müßte Philipp von seiner Genugtuung erhebliche Abstriche machen). Auch darüber hinaus enthält die Passage noch Gedanken, die für eine Interpretation im politischen Sinne nichts hergeben, sondern lediglich den Zweck haben, Philipp für die Verwirklichung der Vision des Autors zu gewinnen: a) ». . . du wirst sehen, wie ganz Griechenland buchstäblich auf Zehenspitzen in höchster Spannung erwartet, was immer du vorschlägst . . .«, b) »manch anderer wird beten, daß deine Pläne nicht durchkreuzt werden«, c) »andere wiederum werden fürchten, es könne dir etwas zustoßen, bevor deine Bemühungen von Erfolg gekrönt wurden . . .« In den §§ 79-80 lesen wir: ». . . wenn du die Griechen so weit gebracht hast, daß sie für dich empfinden, was die Spartaner für ihre Könige fühlen und wie deine Gefährten für dich empfinden«. Diese Formulierungen führten zu mancherlei unbegründeten Vermutungen über Isokrates' politisches Glaubensbekenntnis, und sie warfen auch eine Frage auf, um die es im Grunde hier gar nicht gehtdie Doppelfrage nämlich: »Wie konnte Philipp zu allen Griechen das gleiche Verhältnis haben wie in Makedonien zu seinen privilegierten Gefolgsleuten? Liegt daher die Annahme nicht nahe, daß Isokrates wünschte, Philipp werde in jedem Staat die Klassenunterschiede verschärfen?« Doch die fragliche Passage hat überhaupt keinen politischen Inhalt. Vielmehr ist sie mit dem Text unmittelbar davor verknüpft und darf nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Der betreffende Text lautet: ». . . i m Gegenteil solltest du dich dann — und erst dann - zufriedengeben, wenn du ein Ansehen genießest, das gut, groß sowie deiner und deiner Ahnen, desgleichen der Taten deiner Familie würdig ist . 56. Isokrates 5, 106-117.

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57. Isokrates 5, 79. 58. Isokrates 5, 95. 59. Vgl. Dobesch a.a.O. (oben Anm. 36) 95ff., 180, 184ff., 198 und 203 ff. 60. Isokrates 12,13-14. Man sollte allerdings zur Kenntnis nehmen, daß sich Isokrates hier selbst widerspricht. Und zwar erweckt er an dieser Stelle den Anschein, der erste zu sein, der sich in diesem Sinne äußert, wogegen er im Panegyrikos (4, 15—17) durchaus einräumt, daß er Vorläufer hatte. 61. Der Tagos war der höchste Amtsträger Thessaliens und hatte den Oberbefehl über die Streitkräfte. Einmal in sein Amt gewählt, bekleidete er es sein Leben lang. Allerdings kam es nicht selten vor, daß man die Stelle jahrelang unbesetzt ließ. 62. Xenophon: Hellenika 6, l, 12; Isokrates 5, 119. 63. Vgl. unten Seite 136ff. 64. Vgl. oben Seite 102. 65. Vgl. oben Seite 88ff. 66. Vgl. unten Seite 145. 67. Plutarch: Moralin 177 C. 68. Vgl. unten Seite 138. 69. Vgl. unten Seite 141. 70. Vgl. neuere Arbeiten: Ellis, Philip U, 233; Cawkwell, 108ff.; Hammond-Griffith, Macedonia 2, 460-461. Hinzugefügt sei, daß Ellis, allerdings ohne Begründung, Philipps erwachendes Interesse an Asien in das Jahr 349 v. Chr. datiert. Nach Griffith' Ansicht legte Philipp ab 348 v. Chr. gegenüber den Athenern eine versöhnliche Haltung an den Tag. Momigliano, 138, ist der Auffassung, Philipp habe sich erst 338 v. Chr. den auf Asien bezogenen Teil der Vorschläge Isokrates' zu eigen gemacht. 71. Die Ansichten über Philipps Beweggründe und Ziele gliedern sich in drei Gruppen: 1.) Philipp betrieb - zumindest seit 346 v. Chr. - eine Politik, die auch die Interessen der Südgriechen berücksichtigte. Von den Hauptvertretern dieser Auffassung seien hier wenigstens Momigliano, 133 ff., Cloche, 40-45 (dazu Histoire de la Macedonie [Paris 1960] 145ff.) sowie Wüst (20ff. u. 169ff.) genannt. Momigliano hebt hervor, ab 346 v. Chr. habe Philipp versucht, die Sympathien der Südgriechen zu gewinnen, die Befürchtungen seiner Gegner zu zerstreuen, Athen zu versöhnen, kurz: ganz allgemein sämtliche Griechen gewaltlos für sich zu gewinnen — dies mit dem langfristigen Ziel, sie unter seiner Herrschaft zu einen und ihnen - wenn auch um den Preis gewisser Einschränkungen ihrer gewohnten Freiheiten — Frieden und Eintracht zu bringen. Noch weiter geht Cloche: Anfangs habe Philipp makedonische, später panhellenistische und ganz zum Schluß asiatische Interessen verfolgt. In den ersten Jahren seiner Regierung habe er es sich nicht leisten können, andere Dinge als die unmittelbaren Belange Makedoniens ins Auge zu fassen. Erst als er die vordringlichsten Probleme gelöst hatte, hätten sich dann seine weiteren (und weiter gespannten) Interessen als natürliche und organische Konsequenz und Ausweitung seiner anfangs rein makedonischen Politik ergeben. Seine ursprünglichen Ziele und Bestrebungen seien dabei nicht etwa neuen gewichen, sondern hätten vielmehr einfach Bereicherung und Ergänzung erfahren. P. Treves: Demosthene e la Libertä Greca (Bari 1931) betrachtet erst das Jahr 338 v. Chr. als den Zeitpunkt der Wende von einer rein makedonischen zu einer griechischen Politik Philipps und läßt die Vermutung durchblicken, Philipp habe möglicherweise eine Assimilation der Makedonen durch die Südgriechen beabsichtigt. 2.) Philipp betrieb eine ausschließlich makedonische Politik - mit anderen Worten: Er suchte ganz einfach Griechenland, die Balkan-

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länder und Teile Asiens makedonischer Herrschaft zu unterwerfen. Auch hierbei lassen sich mehrere Varianten unterscheiden: So vertritt E. Meyer (Kleine Schriften zur Geschichtstheorie und zur wirtschaftlichen und politischen Geschichte des Altertums Bd. l [Halle 1910] 245ff. u. 291 ff.) die Ansicht, Philipp habe der Eroberung großer Teile der Balkanhalbinsel im Norden Makedoniens mehr Bedeutung beigemessen als der Eroberung Griechenlands, wogegen J. Kaerst (Geschichte des hellenistischen Zeitalters, Bd. l [Leipzig 1901] 201 ff. = Geschichte des Hellenismus, Bd. l [Leipzig und Berlin 19273] 268ff.), U. Wilcken (Philipp U. von Macedonien und die panhellenische Idee, in: SBer. Bayer. Akad. Wiss. [1929] 290 ff. sowie Alexander der Große [Leipzig 1931] 25,32 ff.), H. Triepel (Die Hegemonie. Ein Buch von führenden Staaten [Stuttgart 1938; 2. Aufl.: 1943; Neudruck: 1961]) und G. T. Griffith (in: Hammond-Griffith, Macedonia 2, 623f.) der Meinung sind, Philipp habe zuerst den Plan gefaßt, ein gesamtgriechisches Heer gen Osten zu führen, und sowohl die von ihm betriebene Expansion Makedoniens nach Norden hin als auch die Schaffung eines allgriechischen Friedens seien lediglich als Schritte auf dem Wege zu diesem Ziel zu betrachten. Den einen habe er unternommen, um sich den Rücken zu sichern, den anderen, um auf das Menschenpotential der griechischen Stadtstaaten zurückgreifen zu können. Doch wenn Philipp nichts anderes im Sinn hatte als die Expansion Makedoniens, hätte er die Griechen südlich des Olymps keineswegs mit solcher Schonung zu behandeln brauchen, wie er es tat. Jene Autoren, die uns glauben machen wollen, Philipp habe seinen gegen den Norden und Osten gerichteten Unternehmungen mehr Bedeutung beigemessen als seiner Politik gegenüber dem Süden, werden durch Philipps eigenes Vorgehen sowohl auf diplomatischem als auch militärischem Gebiet widerlegt: Scheute Philipp doch keine Mühe, die Hegemonie über Südgriechenland zu erlangen, und bot er doch alles auf, was er an Entgegenkommen aufzubringen vermochte, um dieses Ziel zu erreichen, ohne daß allzuviel Schaden entstand. E. Frolow, bei: E. Ch. Welskopf (Hrsg.): Hellenische Poleis, Bd. l (Darmstadt 1974) 450f., vertritt die gleiche Ansicht wie Kaerst und Wilcken, allerdings mit dem Zusatz, Philipp sei auf seinen Asienzug lediglich verfallen, um in den Augen der Südgriechen eine Rechtfertigung seiner Vormacht über Griechenland zu haben und ihren Groll über den Verlust ihrer Unabhängigkeit in eine neue Bahn - nämlich: gegen den persischen Großkönig - umzuleiten. 3.) Philipp wurde ausschließlich von persönlichen Beweggründen geleitet. Er konnte gar nicht anders, als immer wieder seinem unersättlichen Machthunger nachzugeben. Daß ihm daran lag, die Griechen zu unterwerfen, sei allein dem ungeheuren Ansehen zuzuschreiben, das ihm die Rolle eines hegemon der griechischen Stadtstaaten einbrachte. Doch Philipps Handlungsweise straft auch diese Auffassung Lügen, die vor allem von F. Hampl (Die griechischen Staatsverträge des 4. Jahrhunderts v. Chr. [Leipzig 1938] 89ff.) vorgetragen wurde. Gewiß war der Besitz von Macht und Autorität für Philipp durchaus nicht gleichgültig, doch dies gilt für jede dominante Persönlichkeit, mag sie sich noch so selbstlosen Zielen verschrieben haben. Diametral steht der Auffassung, Philipps Leistungen seien nur Nebenprodukt seines zwanghaften Dranges zur Selbstbestätigung, die Ansicht Ellis' (227) gegenüber, für den Philipp seine Erfolge dem Wechselspiel unterschiedlicher Tendenzen innerhalb der makedonischen Gesellschaft verdankt. Leider fand dieser bedeutende Ansatz zur Interpretation der Taten Philipps bisher viel zu geringe Beachtung, andererseits sollte man ihn freilich auch nicht über Gebühr strapazieren. Ganz gewiß wäre Philipp der Erfolg versagt geblieben,

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hätte er sich nicht in Übereinstimmung mit den Kräften befunden, die in Makedonien am Werk waren. Doch steht ebenso zweifelsfrei fest, daß er allein die Entscheidungen auf taktischem und strategischem Gebiet traf, daß er es war, der bestimmte, wann und wie eine Operation durchzuführen sei. Mehr noch: Daß er die Südgriechen nicht einfach seinem Königreich einverleibte, verrät: Er wollte sie aus dem Wechselspiel der Kräfte heraushalten, das in Makedonien herrschte, und wünschte, statt dessen lieber ganz persönlich die Zügel in der Hand zu halten (mehr darüber im Text). Siehe das folgende Kapitel. Vgl. z. B.Tod, Nr. 111,123. 136 = H. Bengtson: Die Staatsverträge des Altertums, Bd. 2: Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 700 bis 338 v. Chr. (München und Berlin 1962), Nr. 231, 257 und 280. Vgl. Hammond-Griffith, Macedonia 2, 454 (man denke auch an Philipps Weigerung, den Thebanern die Festung Nikaia in der Nähe der Thermopylen zu überlassen). Demosthenes 12, 18ff. Demosthenes 10, 32 ff. Diodor 16, 87, 2. So die verbreitetste Auffassung. Vgl. H. Triepel, a.a.O. (oben Anm. 71) 399 sowie T. T. B. Ryder: Koine Eirene (London 1965). Von der Ausfertigung dieses Textes für die Athener sind zwei Fragmente erhalten. Das übrige läßt sich aus literarischen Quellen ergänzen. Alle die betreffenden Texte sind bei H. Bengtson, a.a.O. (oben Anm. 73) zusammengestellt (ebenda unter Nr. 403). Die Einteilung in einzelne Vertragspunkte und deren Reihenfolge oben im Text stammt vom Verfasser. Die folgenden vier Autoren: W. Schwahn (Heeresmatrikel -und Landfriede Philipps II. von Makedonien, in: Kilo, Beiheft 21 [1930] 36-38), F. Hampl (a.a.O. [vgl. oben Anm. 71] 52), Ellis (199-206) und C. Roebuck (The Settlements of Philip II with the Greek States in 338 B.C., in: Classical Philology 46 [1948]'73) halten es für selbstverständlich, daß Philipp mit den einzelnen griechischen Staaten Separatverträge abschloß (nach Roebuck und Ellis muß es sich dabei um die Staaten gehandelt haben, die einst Partei gegen Philipp ergriffen hatten). Doch jeder griechische Staatsvertrag enthielt stets eine Klausel, die die vertragschließenden Parteien verpflichtete, seine Bedingungen einzuhalten - eine Verpflichtung, die nicht Gegenstand einer speziellen Übereinkunft war. Eine Ausnahme bildeten die nach dem Königsfrieden abgeschlossenen Bündnisverträge zwischen Athenern und anderen Griechen, die ausdrücklich die Klausel enthielten, die getroffenen Vereinbarungen dürften in keiner Weise dem Königsfrieden zuwiderlaufen. Allerdings fügte man diese Klausel hinzu, um Interventionen seitens der Spartaner oder des persischen Großkönigs (also von dritter Seite) zuvorzukommen. Nach einer anderen Auffassung (Ryder [oben Anm. Nr. 79] 152 u. Hammond-Griffith, Macedonia 2,627) faßt dieser problematische Vertragspunkt die wichtigsten Klauseln der Hauptvertragstexte zusammen, die leider nicht mehr erhalten sind. Doch der einzige Vertragstext, der noch einigermaßen vollständig überliefert ist und der sowohl den Hauptteil als auch die Eidesformeln enthält, mit denen die Vertragspartner ihr Abkommen beschworen (Tod, Nr. 27 = Bengtson [vgl. oben Anm. 73] Nr. 263), zeigt: Die Eidesformeln faßten noch einmal sämtliche Punkte des Vertragswerkes zusammen, ja mehr noch: Gerade auch der Wortlaut des fraglichen Eides führte eine ganze Reihe der Punkte auf, die Gegenstand der Übereinkunft waren. Wir müssen es daher als recht unwahrscheinlich betrachten, daß man nicht jeden Punkt einzeln erwähnte und dürfen

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90.

somit einige der damals geschlossenen Abkommen wohl durchaus als Pauschalverträge ansehen. Aus dem zweiten Teil der Inschrift (s. oben Anm. 80). Im Gegensatz zu anderen Gelehrten glauben Schwahn a.a.O. (vgl. oben Anm. 81) 4 ff. und Cawkwell, 172, daß diese Ziffern nicht die Anzahl der Sitze angeben, die die Vertreter der einzelnen Staaten innehatten, sondern sich auf die Bemessung irgendeiner militärischen Verpflichtung bezogen. Triepel a.a.O. (vgl. oben Anm. 71) 398; Ryder a.a.O. (vgl. oben Anm. 79) 153. Sehr oft wirft man den Terminus hegemon, der mit dem Allgemeinen Landfrieden zu tun hat, mit dem Titel strategos autokrator durcheinander, der sich auf Philipps militärische Rolle im Asienfeldzug bezog. Dies geht so weit, daß manche Historiker meinen, derselbe Vertrag habe gleichzeitig das Bündnisabkommen enthalten, das die Grundlage für den Feldzug nach Asien bildete. Doch wie wir sehen werden, wurden die Vereinbarungen, die dieses militärische Unternehmen betrafen, in einem eigenen Text niedergelegt. Übereinkünfte dieser Art sind auch Bestandteil älterer Allgemeiner LandfriedensAllgemeinen Landfrieden« betraf, während es sich bei dem anderen um ein Offensivbündnis handelte, gelangen auch andere: W. Schwahn a.a.O. (vgl. oben Anm. 81) 36, 57; F. Taeger: Der Friede von 362/1, in: Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft 11 (1930) 60ff.; F. Schehl: Zum Korinthischen Bund vom Jahre 338/337 v. Chr., in: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts 27 (1932) 115ff.; A. Momigliano: La »Koine Eirene« dal386 al338 A.C., in: Rivista di Filologia 62 (1934) 498ff., sowie Filipo U Macedone, 165; F. Geyer, in: RE 19 (1938), Spalten 2299-2300; U. Wilcken: Griechische Geschichte (19435) 178 (= 1962', 224); Chr. C. Patsavos: The Unification of the Greeks unier Macedonian Hegemony (Athen 1965) 94. Folgende Gelehrte vertreten die Auffassung, daß der >Allgemeine Landfriede< gleichzeitig ein Militärbündnis mit offensivem Charakter oder gar in erster Linie ein Bündnisvertrag und erst in zweiter Linie ein >Landfriede< war: U. Wilcken a.a.O. (vgl. oben Anm. 71) 300 (allerdings änderte Wilcken später seine Ansicht); A. W. Pickard, in: Cambridge Ancient History 6 (1927) 267; Triepel a.a.O. (vgl. oben Anm. 71) 407; H. Berve, in: Gnomon 9 (1933) 309ff.; H. Bengtson: Die Strategie in der hellenistischen Zeit, Bd. 11 (München 1937) 3-9, 45ff.; 245

V. Ehrenberg: Alexander and the Greeks (Oxford 1938) 12; Der Staat der Griechen (Leipzig 1957-1958) V, I-II, 137; J. A. O. Larsen: Federation for Peace in Ancient Greece, in: Classical Philology 39 (1944) 160, sowie Representative Government in Greek and Roman History (Berkeley u. Los Angeles 1955) 51 ff.; H. Bengtson: Griechische Geschichte (München 1950) 304f. (= 19684, 326 bis 327); K. Dienelt: Der Korinthische Bund, in: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts 43 (1956) 247ff.; E. Frolow a.a.O. (vgi. obenAnm. 71)446-448; C. Roebuck: The Settlements of Philip U with the Greek States in 338 B.C., in: Classical Philology 43 (1948) 72-74, 89. Andere Historiker wiederum sind der Meinung, daß es lediglich einen Pakt gab: den Allgemeinen Landfrieden^ so F. Hampl a.a.O. (vgl. obenAnm. 71) 34ff.; A. Heuss: Antigonos Monophthalmos und die griechischen Städte, in: Hermes 73 (1938) 171; Wüst (Rezension des Werkes Die griechischen Staatsverträge von F. Hampl) in: Gnomon 14 (1938) 371; E. Meyer, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte; T. T. Ryder a.a.O. (vgl. oben Anm. 79) 102ff. u. 150ff.; desgleichen Griffith, in: Hammond-Griffith, Macedonia 2, 624-630. Nach Hampl bestand keinerlei Notwendigkeit, einen gesonderten Bündnisvertrag abzuschließen. Nach Ryder und Griffith genügte für die Schaffung eines Bündnisses — sei es de iure oder vielleicht auch nur de facto - der bloße Beschluß des synhedrions, einen Feldzug gegen die Perser zu unternehmen. Nur ein einziger Gelehrter, H. Raue (Untersuchungen zur Geschichte des griechischen Bundes [1932]), vertritt die Auffassung, daß das 338/337 v. Chr. zwischen Philipp und den südgriechischen Staaten geschlossene Abkommen ein Bündnisvertrag war. 91. Vgl. Tod Nr. 121 = Bengtson Nr. 256, l, 5-6; Tod Nr. 123 = Bengtson Nr. 257, l, 7-8, 15-19, 25-27, 32-33, 49, 57-58, 60, 78; Tod Nr. 126 = Bengtson Nr. 262, l, 9; Tod Nr. 127 = Bengtson Nr. 263, l, 21-22,32-33; Tod Nr. 144 = Bengtson Nr. 290, l, 13, 16-17, 18-19. S. außerdem Xenophon: Hellenika 6, 5, 1. 92. Beispielsweise war Philipp so in der Lage 1.) seine sämtlichen Verbündeten einzusetzen wie und wann er es wollte. Vollmacht dazu verliehen ihm die Entscheidungen des synhedrions, hinter denen er wiederum selbst stand, wogegen seine Bundesgenossen keinerlei vergleichbare Beschlüsse — etwa über die makedonischen Streitkräfte - fassen konnten (Momigliano, 165). 2.) konnte er bei Streitigkeiten unter den Verbündeten die Rolle des Schiedsrichters spielen, ohne selbst zu den streitenden Parteien zu gehören, und 3.) vermied er es auf diese Weise, sich durch unpopuläre Maßnahmen den Unwillen der Verbündeten zuzuziehen, da alles, was geschah, vom synhedrion des Bundes beschlossen werden mußte, dem er aber gar nicht angehörte. 93. Isokrates' Schriften unterscheiden sich von den Regelungen, die Philipp traf, dadurch, daß Isokrates - wie wir sahen - keinerlei Vorschläge machte, die irgendwelche Konsequenzen von Gesetzeskraft nach sich gezogen hätten, während selbstverständlich die Maßnahmen des Makedonenkönigs einen ganz anderen Charakter hatten. 94. Isokrates, Epist. 3, 3.

246

MAKEDONIEN UNTER PHILIPP Anmerkungen 1. Zur Sprache der Makedonen: s. Hoffmann, Kalleris l u. bes. Hammond-Griffith, Macedonia 2, 43 ff. 2. Herodot 5, 22; 8, 137, 1; Thukydides 2, 99, 3; 5, 80, 2. 3. Strabon 7, 326. 4. z. B. Gurt. 6, 10, 23. 5. Hammond-Griffith, Macedonia 2 (vgl. oben Anm. 1). 6. Aischines 2 und 3 passim, bes. jedoch 2, 41 ff., 47; Demosthenes 18 u. 19 passim, hier bes. 19, 308. 7. Plutarch: Alexander 47, 3; desgl. Curt. 8, 5, l ff. 8. Demosthenes 3, 16, 24; 9, 31. 9. Thukydides 2, 80, 5-7; 2, 81, 7f.; 4, 124, 1. 10. Die Belege für die Religion der Makedonen finden sich zusammengestellt bei Hammond-Griffith, Macedonia 2. 11. Diodor 16, 92 ff. 12. Wie es sich damit unter Alexander d. Gr. verhielt, schildern u. a. Arrian 3,16, 9; 5, 3, 6; 6, 3, 2 u. 7, 25, 2f. sowie Diodor 17,16, 3; 18, 1. 13. Vgl. Ellis, Philip U, bes. 82, 120ff., 204 sowie noch an anderen Stellen. 14. Diodor 17, 16, 2. 15. Arrian 4, 11, 6; 3, 16, 9. 16. Curt. 6, 8, 25; 9, 1; Arrian 3, 26, 2; Diodor 17, 79; Plutarch: Alexander 42, Polyän 4, 6, 14; Polybios 5, 27, 5t. u. 29, 6. 17. Curt. 10, 6ff. (nach dem Tode Alexanders); vgl. F. W. Walbank: Philip Vof Macedon (Cambridge 1940 [Neudruck: 1967]) 3f., 295ff. (für die Belege aus der Regentschaftszeit des Antigonos Doson). Die gleichen Mechanismen waren auch am Werk, als Philipp II. zum König ausgerufen wurde. 18. Man vgl. z. B. Polybios 5, 27, 5f. 19. Demosthenes 4, 40 f. 20. Ph. M. Petsas: Pella, Literary Tradition and Archaeological Research, in: Balkan Studies l (1960) 113ff. 21. Diodor 16, 92ff.; Ellis, Philip U 219-223. 22. Demosthenes 5, 6; 19, 12, 315; Aischines 2, 15, 19, 52; Plutarch: Alexander 10; desgl. Theopomp F 236 (Jacoby FGrHist Nr. 115); Suda (>SuidasSuidasPhilip's Tomb< in Historical Context, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 19 (1978) 331 ff. Kraft, K.: Der rationale Alexander (Frankfurt 1971). Willrich, H.: Wer ließ König Philipp von Makedonien ermorden?, in: Hermes 34 (1899) 174 ff.

Zur Pixodaros-Episode: Plutarch: Alexander 10, 1-5; Arrian: Anabasis 3, 6, 5. Zu Philipps Ermordung: Diodor 16, 91-95; Aristoteles: Politika 1311 b 2; Justin 9, 6, 4-7; Plutarch: Alexander 10, 6. Prozeß und Hinrichtung: Diodor 17, 2,1; Arrian: Anabasis l, 25,1-2; Papyrus Oxyrhynchus XV, 1978 (dazu N. G. L. Hammond, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 19 [1978] 343ff.); Justin 11, 2, 1-2 u. 5,1; Diodor 17, 2, 3, 17, 3, 2 u. 17, 5, 1-2. Zum Verdacht gegen Alexander Lynkestes: Arrian: Anabasis l, 25; Diodor 17, 32,1-2 sowie 80, 2; Curt. 7, l, 5-9 u. 8, 8,6; Justin 11,2, 2 sowie 11, 7, l u. 12, 14, 1. Zum Verdacht gegen Olympias: Justin 9, 7; Satyros bei Athenaios: Deipnosophistai 13, 557 b-e; Plutarch: Alexander 10, 6-8; Pausanias 8, 7, 7. Zum Verdacht gegen Alexander: Justin 9, 7, 1—6; Plutarch: Alexander 10, 6-8.

DIE PERSÖNLICHKEIT PHILIPPS II. Anmerkungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

Demosthenes 2, 18 und 19. Diodor 16, 87. Diodor 16, 2. Isokrates, Epist. 2, 2. Demosthenes 2, 15. Demosthenes 18, 235. Man beachte das bemerkenswerte Werk von P. Briant: Antigone le Borgne (Paris 1973), das eine ganz neue, wohlfundierte Analyse der makedonischen Volksversammlung gibt. Curt. 8, 6, 6. Diodor 16, 3, 1-3. Diodor 16, 89, 2. Theopomp (Jacoby FGrHist Nr. 115) F 27. Diodor 16, 95, 96. Pausanias 8, 7, 5. vgl. J. G. Droysen: Geschichte des Hellenismus l (Gotha 1877) 88 - 89. Glotz-Cohen 3, 228. Cloche 291-292.

DIE KÖNIGSGRÄBER VON AIGAI (VERGINA) Anmerkungen

Anmerkungen Zur Temeniden-Dynastie: Herodot 5, 22 u. 8, 137-139; Thukydides 2, 99, 3; 2, 100, 2 u. 5, 80, 2; Diodor 7, 16. Philipps Gattinnen: Satyros bei Athenaios: Deipnosophistai 13,557b-e; Justin 9, 2, 1-3. Zu den Eurydike, der Mutter Philipps, zugeschriebenen Verbrechen: Justin 7, 5, 4-8. Zu Philipps Heirat mit Kleopatra: Satyrosa.a.O.; Arrian: Anabasis 3,6, 5; Justin 9, 5, 9; 9, 7, 2-6; Plutarch: Aferander 9, 5-14.

1. Ph. Papazoglou: Makedonski Gradovi u Rimsko Doba [= Makedonische Städte in der Römerzeit