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German Pages 218 Year 2015
Thomas Etzemüller Ein ewigwährender Untergang
2007-04-02 17-05-39 --- Projekt: T397.x-texte.etzemüller / Dokument: FAX ID 028e143507639648|(S.
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Thomas Etzemüller
Ein ewigwährender Untergang Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert
X T E X T E
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© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Neues Volk, 1934, Heft 2, S. 23 Korrektorat: Birgit Klöpfer, Paderborn Herstellung: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-397-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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Inhalt I.
Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 7
II.
Der Urgrund der Krise | 17
III.
Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 27
IV.
Die Matrix des Bevölkerungsdiskurses | 41
V.
Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 43
VI.
Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 53
VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 69 VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 83 IX.
Keine Stunde Null | 111
X.
Eugenik im Wohlfahrtsstaat | 121
XI.
Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 129
XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter? | 141 XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik? | 153
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Anmerkungen | 165 Nachwort | 181 Abbildungsverzeichnis | 183 Quellen und Literatur | 187
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I. Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 7
I. Einleitung: 100 Jahre Untergang?
Im Winter des Jahres 2005 erschien in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« eine zehnteilige Artikelserie, der »Grundkurs Demographie« von Herwig Birg. Die Artikel sollten die Leser mit den Grundzügen der Bevölkerungswissenschaft vertraut machen, tatsächlich aber beschrieben sie ein einziges Katastrophenszenario: Deutschland weist die niedrigste Geburtenrate Europas auf, dafür den weltweit höchsten Anteil kinderloser Männer und Frauen. Stärker als in anderen Ländern werden fehlende Geburten durch Einwanderung ersetzt. Um aber die negativen Folgen der schrumpfenden Bevölkerung für Wirtschaft und Sozialsysteme ausgleichen zu können, müßten bis zum Jahre 2050 etwa 188 Millionen Ausländer einwandern und bleiben. Einwanderer bekommen zwar mehr Kinder als Deutsche, schneiden allerdings in den Schulen schlechter ab, beanspruchen die Sozialkassen stärker und bilden eine neue Art ethnischer Unterschicht. Das birgt soziale Konflikte. Dazu kommen der Generationenkonflikt (die Jungen müssen immer mehr Alte versorgen) und regionale Konflikte (Ostdeutschland verliert seine Jugend an den Westen) und die Spaltung der Gesellschaft in zwei Teilgesellschaften, eine mit und eine ohne Kinder. Die Zahl der Alten explodiert, die der Jungen implodiert. Deutschlands Bevölkerung schrumpft, die Bevölkerung der EU schrumpft, die der afrikanischen Mittelmeerländer und der Türkei aber wächst rapide. Die seit 30 Jahren Nichtgeborenen, die selbst bei bester Familienpolitik keine Kinder mehr in die Welt setzen könnten, verschärfen die Situation. Ihre Zahl potentiert sich. Der ganze Prozeß ist irreversibel. Niemand kann sagen, »ob die Schrumpfung schließlich auch die noch blühenden Regionen einholen und das ganze Land mit einer lähmenden Tristesse überziehen wird«.1 Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler das der Öffentlichkeit mitzuteilen versucht, aber »Deutschland hat von seinem Recht
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8 | Ein ewigwährender Untergang auf Nichtwissen in extensiver Weise Gebrauch gemacht und wird dafür teuer bezahlen«. Es ist »dreißig Jahre nach Zwölf«.2 Herwig Birg ist kein einsamer Mahner in der Wüste. Kurz nach ihm, im Sommer, legte der »Stern« nach. Statt Babynahrung, Schnullern und Spielzeug werden Inkontinenzhilfen, Krücken und Kukident die Supermarktregale füllen. Die Schulen werden geschlossen, in Sachsen-Anhalt betreut ein mobiler Lehrer die letzten 62 Kinder. Städte wie Gelsenkirchen und Bremerhaven sind abgerissen, weil sie seit Jahren leerstanden. »Das Deutschland von morgen wird ein Land der leeren Häuser sein, bewohnt von Greisen ohne Enkel, mit verlassenen Dörfern, verödeten Vierteln, vereinsamten Spielplätzen, verfallenen Schwimmbädern und stillgelegten Bahngleisen. Wo […] früher Kinder tobten, werden Alzheimer-Patienten in Rollstühlen sitzen. Schieben wird sie keiner mehr: Wo heute die Kinder ausbleiben, fehlen morgen die Eltern.« Doch stillschweigend nimmt die Bevölkerung den »größte[n] zu erwartende[n] demographischen Kollaps« seit Pest, Auswanderung und Zweitem Weltkrieg hin.3 Wie eine durch die Jahre hindurchlaufende Delle wird sich die fehlende Kinderzahl im Konsumverhalten abbilden: weniger Babynahrung, weniger Schulranzen, weniger Fahrräder, weniger Führerscheine, weniger Autos, weniger Häuser, weniger Restaurantbesuche, und am Ende ist selbst den Bestattungsunternehmern der Umsatz gründlich verhagelt.4 Nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche werden in den Sog des Elends geraten, das prophezeien uns mittlerweile zahllose Artikel und Bücher. Wir werden untergehen, überfremdet sein – und dieser Prozeß ist nicht mehr aufzuhalten. Die Lage ist also kritisch. Als Historiker wendet man in solchen Fällen den Blick zurück, um zu erfahren, wie es soweit kommen konnte. Man beginnt alte Texte zu lesen. Was beispielsweise schrieb Friedrich Burgdörfer, Statistiker und anerkannter Mahner in Bevölkerungsfragen? 1930 mahnte er vor der Gefahr, daß das deutsche Volk »ausgeboren« zu werden drohte. Es werde sich durch Unfruchtbarkeit selbst austilgen. Der Fortpflanzungswille sei erschlafft, die Verluste des Ersten Weltkrieges hätten eine Wunde hinterlassen, die erst 1975 vernarbt sein werde. Die Wunde der kriegsbedingten Geburtenausfälle werde noch länger spürbar sein. Die Basis der Bevölkerungspyramide sei irreparabel beschädigt, bereits achteinhalb Millionen Kinder fehlten. Noch sei das Problem nicht sichtbar, weil der Mittelbau der Pyramide intakt scheine. Wenn man dem Rhein bei Konstanz den Zufluß versperre, dauere es auch geraume Zeit, bis das Wasser in Köln ausbleibe. Aber früher oder später würden die Auswirkungen spürbar, die Pyramide wandele sich zur Urne, die Bevölkerung vergreise. Die Fami-
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I. Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 9 lien frönen dem »Zweikindersystem«, obwohl drei bis vier Kinder notwendig sind, um die Bevölkerungszahl konstant zu halten. Wer wäre alles nicht geboren worden, hätten sich schon die Ahnen auf die Zeugung zweier Kinder beschränkt: Richard Wagner, Albrecht Dürer, Robert Koch, Immanuel Kant, Otto von Bismarck und zahlreiche andere große Geister.5 Nun hatte Friedrich Burgdörfer später mit dem Nationalsozialismus zu tun, deshalb ist er für den Beginn eines Essays über die Bevölkerungsfrage vielleicht nicht die beste Referenz. Lesen wir also Gunnar Myrdal, Schwede, Nobelpreisträger und totalitärer Tendenzen unverdächtig. 1940 hielt er eine Vorlesung in den USA und prognostizierte einen Geburtenrückgang für alle Länder, der früher oder später eine fundamentale Krise auslösen müsse. Zwar sinke die Geburtenrate im Moment nicht, die Zahl der Heiraten steige sogar, doch seien diese Trends nur temporär. Zukünftig würden die Zahlen fallen, die Bevölkerungen schrumpfen und überaltern. Investitionen und Konsum stagnierten, das vernichte Arbeitsplätze und verbaue Karrieren. Die Menschen zögen in kleinere, billigere Wohnungen, die Wohnungsstandards würden nicht mehr erhöht, das ziehe die Bauindustrie in den Abgrund. Nur eine rasche Erhöhung der Fertilität könne den drohenden Untergang abwenden, aber im Grunde sei es zu spät.6 Die Lage ist also dramatisch – und zwar schon lange! Seit langem wird der nahende Untergang vorhergesagt, in Deutschland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Neuseeland, Großbritannien, Frankreich, den USA und zahlreichen anderen Ländern. Und die Vorhersagen ähneln sich. Die sinkende Geburtenrate wird beklagt. Die Basis der Bevölkerungspyramide, die Zahl junger Menschen schrumpft. Auf Grund der höheren Lebenserwartung weitet sich die Spitze der Pyramide aus, die Pyramide wird zur Glocke und dann zur Urne. Zwar wächst die Bevölkerung in absoluten Zahlen, aber das ist dem Einwanderungsüberschuß geschuldet und ohnehin ein Trugbild, denn zukünftig wird die Bevölkerungszahl fallen. 1930 oder 1950 oder 1990 glichen sich die Prognosen auffallend: In jeweils 50 Jahren werde die Bevölkerungszahl nur noch die Hälfte bis ein Drittel der Menschen des jeweiligen Vorhersagejahres betragen. Auch die Gründe für diese Entwicklung ähneln sich seit langem und in allen Ländern. Frauen bekommen keine Kinder mehr, weil sie das nicht mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren können. Für Familien werden Kinder zu kostspielig. Eltern möchten zuerst ihre materiellen Grundlagen sichern – oder auch nur ihre Konsumbedürfnisse befriedigen –, bevor sie sich Kinder anschaffen. Die Gesellschaft ist kinderfeindlich strukturiert. Die hohe Mobilität in der modernen Industrie-
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10 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 1: Sehenswürdigkeit der Zukunft: ein Kind! (1935)*
gesellschaft verhindert die Ruhe und Stabilität, derer die Familien bedürfen. Und immer wieder müssen Bevölkerungswissenschaftler beklagen, daß ihre Mahnungen ignoriert werden. Schon lange ist es 30 nach 12, aber das scheint vor 100 Jahren so wenig interessiert zu haben wie heute. Man liest solche Texte und fragt sofort: Wieso leben wir eigentlich noch? Wieso sind wir nicht von der Bildfläche verschwunden und die Afrikaner, Asiaten und Slawen besiedeln unsere Heimat? Wenn die Prognosen eingetroffen wären, müßte Deutschland nicht längst zu Ruß*
Bildunterschrift: »Kinder beginnen, selten zu werden. Eine Schule in Södermanland wird aus Mangel an Kindern schließen. Hier einige Bilder aus der Zukunft«. Oben links: »Kein Witz! Absolut echt! Ein Junges. Drei Jahre und zwölf Kilo. Seinse gut, kommse rein. Nur 25 Öre«. Oben rechts: »Und habe ich deshalb die Ehre, Ihnen die Medaillen ›Für rühmenswertes Verhalten‹, ›Für bürgerliche Verdienste‹, ›Für Eifer und Redlichkeit‹ samt ›Für Tapferkeit im Feld‹ zu überreichen«. Unten links: »Worum geht’s hier? – Das einzige Kind der Stadt!«. (Hier und alle folgenden Übersetzungen aus dem Schwedischen vom Verfasser.)
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I. Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 11 land oder einem neuen Osmanischen Reich gehören? Wann kommt denn der Untergang, der seit 100 Jahren weltweit angekündigt wird? Diese Frage läßt sich nicht beantworten, denn der Untergang ist eine Sache der Zukunft. Ob er kommen oder abgewendet werden wird, wissen wir nicht. Deshalb geht es in diesem Essay um retrospektive Fragen: Wie wird seit dem späten 19. Jahrhundert über Bevölkerung gesprochen? Wie sehen die prospektiven Aussagen der letzten 100 Jahre über die Bevölkerungsentwicklung aus? Warum hält sich seit 100 Jahren erfolgreich ein demographischer Katastrophendiskurs, dessen Vorhersagen bislang nie eingetroffen sind? Wie funktioniert dieser Diskurs und welche Funktion hat er möglicherweise? Wenn man das im Rückblick beobachtet, sollte man die Brisanz der gegenwärtigen Krisenszenarien genauer einschätzen können. Ich werde allerdings nicht den aktuellen Bevölkerungsdiskurs als »falsch« oder als »Betrug« am Volk entlarven. Es ist unbestreitbar, daß sich unsere Gesellschaft einer Reihe von Problemen gegenübersieht, die angegangen werden sollten. »Gegenübersehen« heißt allerdings, daß diese Probleme nicht objektiv und immerwährend in der Natur existieren, auch wenn einige Demographen das annehmen. Vielmehr werden sie von einer Gesellschaft definiert und existieren für diese – oder plötzlich auch nicht mehr, wie wir am Beispiel der »Vergreisung« sehen werden. Also: Eine Altersstruktur, die den gegenwärtigen sozialen Institutionen ungünstig ist, will ich gar nicht bestreiten; ebensowenig, daß diese Institutionen und das Sozialverhalten vieler Menschen kinderfeindlich sind: eine Familienpolitik, die das Hausfrauendasein finanziell begünstigt und dadurch Kinder schon vor ihrer möglichen Zeugung verhindert; Unternehmer, die kein Interesse an familienfreundlich strukturierten Betrieben haben, obwohl das nachweislich die Produktivität steigert; ein Wissenschaftssystem, daß eine hohe Produktivität in jungen Jahren zur Voraussetzung für wissenschaftliche Karrieren macht und Frauen vor die Wahl stellt: Kinder oder Karriere; Frauen, die sich selbst dem Diktum der »Rabenmutter« unterwerfen, wenn sie »ihre« Kinder – die natürlich auch die ihrer Männer sind – in den Hort geben. Und immer wieder stößt man in diesem Land auf dasselbe Muster einer Normalbiographie: In der Schule wird man früh selektiert, dann folgt die Ausbildung in einem Beruf, den man nicht mehr verlassen wird, wer sich auf qualifizierte Stellen bewirbt, muß jung sein, eine lange Berufserfahrung vorweisen, möglichst eine Promotion; Ende 30 beginnt man zu altern, Mitte 40 ist man nicht mehr einstellbar, Mitte 50 wird man in den Vorruhestand geschleust, mit 60 ist man vergreist. Sein Leben lang ist man in eine doppelte Struktur eingespannt, eine Struktur der Altersstufen, die in eng gesetzten Fristen zu durchlaufen ist, und eine Struktur des beruf-
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12 | Ein ewigwährender Untergang lich-sozialen Feldes, das man nicht verlassen darf. Wer sich nicht an Altersstufen hält oder flexibel zwischen Berufen und sozialen Rollen wechseln will, kann in Deutschland kaum auf Verständnis hoffen. Da aber viele Menschen sich nicht mehr mit institutionellen Restriktionen und starren Lebensvorschriften abfinden wollen, werden Kompromisse geschlossen. Man paßt sich den Vorgaben an, aber die Kinder bleiben auf der Strecke. Das wird dann wortreich beklagt und als Grund für die demographische Katastrophe verantwortlich gemacht. Ob diese Klagen eine Veränderung der konservativen deutschen Gesellschaftsstruktur bewirken werden, bleibt abzuwarten. Doch wie sieht nun das Verhältnis zwischen Gesellschaftsstruktur und demographischem Wandel aus? Resultiert die eingangs beschriebene Auflösung unseres Sozialsystems ursächlich aus einer langen demographischen Abwärtsfahrt? Oder ist unsere Gesellschaft einfach zu unflexibel, sich den natürlichen, unberechenbaren demographischen Prozessen anzupassen, weil sie nur auf eine einzige Entwicklungsrichtung setzt, nämlich das Wachstum? Als die europäischen Gesellschaften noch weitgehend statisch waren, war von Bevölkerung kaum die Rede, höchstens als Ressource für die Macht der Fürsten, als Arbeitskräfte und als Soldaten. Als die Industrialisierung einsetzte und Gesellschaften allmählich als dynamisch erfahren wurden, da entstand auch das »Bevölkerungsproblem«. Könnte es sich um eine »Erfindung« handeln, einen Beschreibungsmodus, um für soziale Veränderungen, die man nicht in den Griff bekommt, wenigstens eine Ursache angeben zu können? Auffallend ist ja, daß der dominierende demographische Diskurs seit 100 Jahren als Wissenschaft der Angst daherkommt, denn es wird nichts weniger als die Apokalypse der westlichen Welt gepredigt. Aber existiert das beklagte demographische Verhalten tatsächlich in der tausendfach wiederholten Form des Niedergangs? Ich denke, es gibt zwei Modelle, das Problem zu schreiben. Eine nicht anpassungsfähige Gesellschaft setzt ausschließlich auf Fortschritt, aber eine demographische Entwicklung durchkreuzt diese Bewegung und ruiniert die auf Wachstum geeichten sozialen Institutionen. Dann muß in erster Linie die demographische Katastrophe beschworen werden, um die Kinderzahl in die Höhe treiben und das Wachstum sichern zu können, ohne das Wachstumsparadigma in Frage stellen zu müssen. Oder aber die demographische Entwicklung wird als unvorhersagbares Phänomen akzeptiert und damit als »Problem« ausgeblendet. Das Problem wäre dann die Gesellschaft. Es würden demographische Zahlen erhoben, und eine Gesellschaft müßte sich ihnen durch ständigen Umbau der Sozialverfassung anpassen. In diesem Fall sind Demographen keine Hysteriker, sondern Diagnosti-
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I. Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 13 ker, die in erster Linie Lösungsvorschläge formulieren, die auf gesellschaftlichen Problembeschreibungen ruhen. Viele Demographen folgen unreflektiert dem ersten Modell. Sie gehen davon aus, daß das Problem einer nicht optimalen Bevölkerungsstruktur schon immer bestanden hat. Bis in finsterste Urzeiten hinein verfolgen sie spärlichste demographische Angaben, um warnend den »biologischen Tod« alter Kulturvölker beschreiben zu können. Tatsächlich aber ist das Sprechen über Bevölkerung eine recht junge Angelegenheit, und noch jünger ist ihre Form: das Katastrophenschema. Wenn aber ein Diskurs nicht mindestens mit biblischem Alter aufwarten kann, sondern historisch gewachsen ist, dann sollte man einen Grund für seine Genese annehmen. Es steht zu vermuten, daß er nicht einfach »Realität« abbildet, sondern eine gesellschaftspolitische Funktion erfüllt, vielleicht die, das zweite Modell auszublenden. Um darauf eine Antwort aufspüren zu können, werde ich ein hinreichend großes sample an Texten untersuchen, die sich mit dem »Problem Bevölkerung« auseinandersetzen. Diese Texte wurden zumeist für einen großen Leserkreis publiziert, um die Bevölkerungsfrage so populär wie möglich zu machen. Sie bilden das Material, um dem Diskurs, dessen Gegenstand die Bevölkerung ist, auf die Schliche zu kommen. Man kann sie auf zweierlei Art lesen. Entweder beginnt man beim Autor. Was wollte er sagen? Das vergleicht man mit den Aussagen und Argumenten anderer Autoren. Man beginnt Ähnlichkeiten und Unterschiede zu sehen, wägt Argumente gegeneinander ab und beurteilt, wie überzeugend ein Autor war, ob er geirrt hat, was seine ganz eigene Leistung war, ob er als genialer oder mediokrer Denker einzuschätzen ist; vielleicht liest man außerdem zwischen den Zeilen eine versteckte Botschaft, etwa die Kritik eines Bevölkerungswissenschaftlers an den Zwangsmaßnahmen des »Dritten Reichs«. Das ist die ideengeschichtliche Wahrheit eines Textes: wie individuell ist dessen Verfasser? – Oder man beginnt mit dem Text. Man nimmt die Oberfläche. Die Aussagen werden zu Zeichen, nicht für die Individualität eines Autors, sondern für Denkmuster, die zahllose Texte durchziehen. Narrative Muster und Metaphern schälen sich heraus, in Texten wie in Abbildungen. Es wird deutlich, daß sie von den Verfassern nicht bewußt gewählt wurden, sondern diese haben sprechen lassen. Die Autoren sprechen eine Sprache, die nicht die originär ihre ist, auch wenn sie es glauben. Sie argumentieren nicht, sondern reproduzieren eine Sicht auf die Welt, die jenseits ihrer bewußten Wahrnehmung liegt. Sie beschreiben nicht die Welt, um sie zu formen, sondern vollziehen eine Form der Welt, die anschließend sie formt. Und genau das ist die diskursgeschichtliche
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14 | Ein ewigwährender Untergang Wahrheit eines Textes: Wie formatiert ist unsere Sicht der Welt, und welche Effekte hat das?7 Die Bevölkerung ist unsichtbar, niemand kann sie sehen; das ist bis heute die Tragik der Demographen. Als Statistiker begannen, demographische Daten zu erheben und sie immer genauer hinschauten, da zeichnete sich in den unendlichen Zahlenkolonnen für sie immer deutlicher ein Problem ab, nämlich der vielbeschworene Bevölkerungsrückgang. Aber man mußte die Zahlen sehr versiert lesen können, um das Ausmaß des Problems und seine zukünftige Entwicklung wirklich abschätzen zu können, und welcher Leser ist geduldig genug, Tabelle nach Tabelle zu lesen und die Ziffern zu vergleichen, um das Bild zu erkennen? Also mußten die Bevölkerung und ihre Entwicklung sichtbar gemacht werden. Die Zahlen selbst gaben nichts preis, erst Beschreibungen, Graphiken und Metaphern taten das. So ist der Bevölkerungsdiskurs eine großartige Schule des Sehens, im doppelten Sinne. Zunächst wurden Leser durch unzählige Texte und Abbildungen dazu erzogen zu sehen, was die Experten sahen, nämlich die Bevölkerung. Der dominierende Bevölkerungsdiskurs verdankt seine Schlagkraft Prozessen des Sehens und ihrer Popularisierung; ohne das Sehen wäre die Bevölkerung nie in die Realität getreten. Wie prekär aber das Bild stets gewesen ist, wie wenig etwa die Form »Katastrophe« den wahren Charakter demographischer Entwicklungen abbildet, zeigt die Tatsache, daß man dieselben Zahlen diametral entgegengesetzt lesen konnte. Hauptgegner vieler Demographen waren die Neomalthusianer. Während erstere das Volk entlang der fallenden Geburtenkurve in den Abgrund rutschen sahen, ließ letztere genau diese Kurve frohlocken, denn für sie galt: viel Volk, viel Not. Ihnen belegten die Zahlen Fortschritt, eine Besserung der Lage! Auch sie konnten brillant formulieren, wie also sollten Demographen den Lesern klarmachen, daß der Neomalthusianismus eine höchst gefährliche Irrlehre war? Immerhin, die Neomalthusianer blieben, wie wir sehen werden, noch gänzlich im Bevölkerungsdiskurs verhaftet. Was aber ist mit denen, die sich die Zahlen und eingängigen Graphiken anschauen und dann mit den Schultern zucken, weil sie den ganzen Bevölkerungsdiskurs für ein Hirngespinst halten? Sie sehen nicht nur das Problem nicht, sondern noch nicht einmal die Bevölkerung als eine Entität eigenen Rechtes. Sie sehen nichts von dem, was Demographen sehen. Und das verweist auf den zweiten Aspekt der Schule des Sehens. Auch Demographen haben das Sehen erst gelernt, und als sich für sie in den Zahlen die Gestalt Bevölkerung in ihrer Form »Katastrophe« herausgeschält hatte, da sahen sie fortan in den Zahlen ausschließlich dieses ei-
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I. Einleitung: 100 Jahre Untergang? | 15 ne, nämlich die drohende Katastrophe, sei es als Über-, sei es als Untervölkerung. Bevölkerung ist zu einer Chiffre geronnen. Die Gestalt der Bevölkerung, die Techniken des Sichtbarmachens und deren gesellschaftspolitische Effekte – das sind die Themen dieses Essays. Ich werde die historische Entwicklung und die grundlegenden Strukturmerkmale des Bevölkerungsdiskurses beschreiben, um eine Antwort zu versuchen, warum dieser Diskurs eigentlich entstanden ist, und welche Folgen das Sprechen über Bevölkerung ausgelöst hat und immer noch auslöst, seien sie nun beabsichtigt oder unkalkulierter Effekt. Drei Linien strukturieren dabei meinen Text. Erstens das Sehen. Welche Gestalt hat Bevölkerung, wie hat sich diese vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart entwickelt bzw. immunisiert? Der Begriff »Gestalt« macht dabei klar, daß ich vor allem nichtintentionale Prozesse in den Blick nehmen werde. Ich halte nichts davon, das Reden über Bevölkerung als gezieltes Handeln von Experten zu betrachten, als Verschwörung, um Bevölkerung gezielt zu regulieren. Zweifellos engagierten sich Bevölkerungswissenschaftler stark in der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik, mit klaren politischen Zielsetzungen und wenig moralischen Skrupeln. Aber ein Diskurs übergreift politische Systeme und Zäsuren, er läßt Akteure in unterschiedlichen Systemen und Zeiten dasselbe sprechen und zeitigt bio-politische Effekte, die jenseits der Planungen von Experten entstehen (was Intentionen nicht ausschließt). Zweitens die Transnationalität. Wie wird in anderen Ländern über Bevölkerung gesprochen, welche Unterschiede gibt es zu Deutschland? Die Diskurstheorie läßt vermuten: Unterschiede spielen eine eher geringe Rolle. Deshalb werde ich den deutschen Texten systematisch schwedische Texte parallelschalten (nebst Seitenblicken v.a. auf angloamerikanische und skandinavische Beispiele), um an zwei Ländern mit unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Systemen zu belegen, daß der Bevölkerungsdiskurs in Struktur und chronologischer Entwicklung nationale Grenzen und politische Zäsuren übergriff. In Schweden sahen die Demographen Ähnliches wie in Deutschland, und umgekehrt. Davon konnten sie sich durch gegenseitige Zitationen überzeugen. Drittens die Matrix. Einerseits besiedelt der Bevölkerungsdiskurs ein weites Feld. Auf ihm tummeln sich Demographen, Statistiker und Eugeniker; Experten und Laien; Sozialisten, Liberale und Konservative; Katholiken wie Protestanten; Frauen und Männer. Zugleich verlagern sich die Schauplätze des Diskurses von Europa in die Dritte Welt und dann wieder zurück. Auch die Ansätze unterscheiden sich, etwa die zwischen Neomalthusianern und deren Gegnern. Aber bis heute stößt man immer wieder auf dasselbe Raster, das dem Diskurs zugrunde
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16 | Ein ewigwährender Untergang liegt, die charakteristische Koppelung von Quantität und Qualität, also Demographie und Eugenik; die Relation von Bevölkerung und Raum; die spiegelbildliche Doppelung der demographischen Entwicklung in die der Industrie- und die der Entwicklungsländer; die immergleiche Unterscheidung von gefährlichen und ersehnten Bevölkerungskurven; die spiegelbildlich gewendete Angst vor Übervölkerung und Untervölkerung; die Theorie von Druck und Sog zwischen vollen und leeren Räumen; die Angst vor Überfremdung. Hat dieser Diskurs das Sprechen über Bevölkerung derart programmiert, daß alternative Modelle kaum denkbar sind oder zumindest kein Gehör mehr finden? Zweifellos beeinflussen demographische Veränderungen die Gesellschaft, etwa deren Infrastruktur. Aber wie sehen diese Veränderungen aus? Verlaufen sie eindimensional von der Pyramide über die Glocke zur Urne? Oder entspricht nicht eher die zerzauste Tanne den demographischen Prozessen, bei denen Geburtenflauten und baby booms einander im Wechsel ablösen? Wenn es gelingt, die verdeckten Formationsprinzipien des Bevölkerungsdiskurses sichtbar zu machen, dann ist man vielleicht in der Lage, das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Demographie anders zu diskutieren – mit sehr viel mehr Gelassenheit. Dann sieht man vielleicht nicht das Schreckgespenst der »Vergreisung« und den daraus folgenden Verfall der gesellschaftlichen Institutionen, sondern einen Alterungsprozeß, dem schon seit langem eine Transformation der gesellschaftlichen Institutionen korrespondiert, wenn auch noch unerkannt; die Entstehung einer Gesellschaft, die nicht mehr auf den Schwerarbeiter setzt, sondern für die intellektuelle Fähigkeiten und Dienstleistungen immer wichtiger werden, und in der immer mehr gesunde »Alte« jung genug sind, diese Aufgaben zu erfüllen. Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Aber ich bin sicher, daß sich das erst diskutieren läßt, wenn man sich von einem bestimmten Sehen befreit hat, wenn eine dominierende Gestalt zerstört ist. Wie das letzte Kapitel zeigen wird, läßt gerade das schwedische Beispiel diesen Verdacht berechtigt erscheinen. Dort gab es bis vor wenigen Jahren dieselben Untergangsszenarien wie in Deutschland. Seit der Jahrtausendwende scheinen sie vergessen. Das Volk wächst, die Geburten steigen und die Alten gelten plötzlich als »jung«. Kann man bevölkerungspolitische Lösungen erst denken, wenn man das biologische Altern endlich einmal nicht mehr automatisch als demographische Vergreisung beklagt? Dazu muß man sich aber der verborgenen Mechanismen klar werden, man muß bewußt zu sehen versuchen, was man bislang unbewußt gesehen hat, man muß als historisch gewachsen analysieren, was bislang wie Natur erschien.
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II. Der Urgrund der Krise | 17
II. Der Urgrund der Krise
Im Rückblick spricht man auch für Steinzeit, Antike oder Mittelalter von Bevölkerungen, Bevölkerungswachstum oder Sterblichkeitsraten. Aber tatsächlich ist diese Bezeichnung einer Ansammlung lebender, alternder und sterbender Menschen als einer räumlich lokalisierten Bevölkerung nicht besonders alt. Vorher lebten und starben Menschen, das lag in der Hand der Götter. Wieviele es gab, wußte niemand genau, es war auch nicht wichtig, das zu wissen. Nur die Steuerzahler interessierten. Ein demographisches Bewußtsein war allenfalls rudimentär vorhanden; Herrschaften behaupteten sich durch Kriege oder Verträge, die dazu notwendigen Menschen gab es einfach. In der Frühen Neuzeit aber begannen die Menschen allmählich eine Bevölkerung zu bilden und als solche sichtbar zu werden. Das war der erste Schritt, um überhaupt eine Bevölkerungsfrage aufwerfen zu können. Auf dem europäischen Flickenteppich zahlloser Kleinstherrschaften arrondierten sich Territorialstaaten mit einer zunehmend zentralisierten Staatsgewalt, in Schweden eher, in Deutschland später. Da rückte auch die Zahl der Menschen in den Blick, und seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzten sich zahlreiche Staatstheoretiker mit der Frage auseinander: Wieviel Volk braucht und verträgt eine Herrschaft? Auf der einen Seite finden wir merkantilistische Wirtschaftstheorien. Die Rohstoffe eines Staates sind endlich und müssen durch Exportverbote geschützt werden. Der Staat soll wirtschaftlich autark sein, aber durch den Export von Fertigprodukten Reichtum ins Land holen. Je größer die Population des Staates, desto mehr Arbeitskräfte stehen für die Produktion zur Verfügung – und desto mehr Soldaten, die dem Staat außenpolitisches Gewicht verleihen. Von der Höhe der Bevölkerungszahl hängt die Wohlfahrt des Staates, ja der menschlichen Gesellschaft ab. Auf der anderen Seite aber stellte sich das Problem des Nahrungs-
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18 | Ein ewigwährender Untergang spielraums. Begrenzt die Menge verfügbarer Nahrungsmittel das Wachstum der Bevölkerung oder kann durch deren Wachstum die Nahrungsmittelproduktion erweitert werden? Bis in die 1790er Jahre war die Antwort klar. Die meisten Autoren stritten ab, daß es zu viele Menschen, also die Übervölkerung eines Territoriums geben könnte. Eine große Bevölkerung galt als Indikator für eine hohe Kultur, ein Rückgang bedeutete Regression, schlechte Regierung, Verfall und drohenden Untergang.8 Das war das erste der vier Elemente, die die Matrix des Bevölkerungsdiskurses ausmachen sollten: eine, noch vage, Verbindung zwischen Zahl und Zustand der Menschen in einem Raum sowie Macht und Glanz der Herrschaft. Das zweite Element bildete die Technik, diese Verbindung zu operationalisieren, die Kunst der Politischen Arithmetik. Mit ihr stand den Fürsten die Zählgewalt zur Verfügung. Erstmals konnten sie feststellen lassen, wie viele Menschen wo lebten und in welchem Zustand sie sich befanden. Darauf ließ sich eine gezielte Bevölkerungspolitik aufbauen, die Erhöhung von Geburtenziffern, die Förderung von Einwanderung (und Verhinderung von Emigration), An- und Umsiedlungsprojekte in bevölkerungsarme Gebiete; und selbst qualitative Maßnahmen wurden durchführbar, etwa eine »Medizinalpolizei«, die Hebung der individuellen Gesundheit, um den Nutzwert der Gesamtbevölkerung für das Staatswohl zu erhöhen. Allerdings waren diese frühen Statistiken zunächst noch ein wildes Gemisch aus Zahlen und Textpassagen, wenig systematisiert und unzuverlässig, und durchaus noch nicht in der uns geläufigen Tabellenform verfaßt (Abb. 2). In Schweden sehen wir den ersten, exemplarischen Versuch, diese Zählgewalt zu nutzen, um die Bevölkerung in all ihren Facetten sichtbar zu machen. Das Land hatte bereits früh zentralistische Verwaltungsstrukturen ausgebildet, auf denen der militärische Großmachtstatus des, eigentlich bevölkerungsarmen, Staates gründen konnte. 1470 tauchten die ersten Kirchenbücher auf, seit dem 16. Jahrhundert nahmen die schwedischen Pfarrer immer genauere Einträge vor, um den Überblick in ihren Gemeinden zu behalten. Die schwedische Krone schaute nicht zu, sondern klinkte sich in diese Arbeit ein, um die menschlichen und finanziellen Ressourcen des Landes besser kontrollieren zu können. 1686 schrieb das schwedische Kirchengesetz die exakte Datenerhebung durch die Pfarrer fest. Alle Einwohner sollten in Kirchenbüchern verzeichnet werden, die die Bischöfe jährlich kontrollierten. Immer detaillierter wurde die Arbeit des Staates organisiert und systematisiert, immer mehr Daten sollten erhoben werden, über Landwirtschaft, Wälder, Wohnungen, Fahrzeuge, Produktivität, Arbeits-
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Abbildung 2: Statistik als Fließtext (1687)
verhältnisse, die Bevölkerung, die Steuerzahler, moralische Zustände, intellektuelle Kapazitäten, über alles, was das Reich betraf. Ein paar verlorene Kriege machten es interessant, die Steuerabschöpfung zu optimieren. Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker wie William Petty, John Graunt, Edmund Halley, Gregory King, Wilhelm Kersseboom, Antoine Déparcieux oder Johann Peter Süßmilch wurden auch im Norden gelesen; diese Lektüre bestärkte die schwedischen Kollegen in dem Streben, ihren Staat in eine Maschine, in eine perfekte Gesellschaft in vollständiger Balance mit sich selbst zu verwandeln. Seit dem 18. Jahrhundert entstand das schwedische »Tabellenwerk« (Tabellverket). Ein Bischof stellte eine Liste über Gestorbene und Geborene zusammen, die »Gesundheitskommission« eine erste reichsweite Statistik. 1739 wurde die Kungliga Svenska Vetenskapsakademien gegründet, die die Idee einer »Wissensgesellschaft« entwickelte. Erste Berechnungen der schwedischen Bevölkerungszahl wurden durchgeführt und sogleich sekretiert, um dem Ausland die Schwäche des schwedischen Staates zu verheimlichen. Ein geheimer Ausschuß bereitete 1746 die Entwicklung des Tabellenwerks vor, das neben der Zahl auch den Zustand der Bevölkerung statistisch erfassen und in der Form von Zahlentabellen präsentieren sollte. Die Tabellen waren kompliziert, die Kategorien uneinheitlich. Den Pfarrern, seit 1686 vom
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20 | Ein ewigwährender Untergang Staat entlohnt, kam eine zentrale Rolle zu, denn sie führten die Tabellen. Einige waren sehr zuverlässig, andere bequemten sich erst zu Jahresende, die Listen aus dem Gedächtnis auszufüllen. Teils fehlten die Einträge für einige Jahre, ein Pfarrer kopierte einfach die Listen der Vorjahre, die Befragten gaben ihr Alter oft falsch an, um Steuerzahlungen zu entgehen. Bei Erhebungen, die mit Steuersachen zu tun zu haben schienen, verweigerten sich die Pfarrer außerdem, um nicht mit ihren Schäflein aneinanderzugeraten. Insgesamt aber kooperierten sie, ähnlich wie die Bevölkerung (anders als in England, wo 1750 ein ähnliches Projekt auf massiven Widerstand stieß: Es bedrohe die individuellen Freiheitsrechte, erlaube dem Staat fiskalischen Zugriff auf Eigentum und erhöhe seinen Einfluß in den Kommunen. Statistische Daten seien Sache der Individuen und sollten auch nicht koordiniert werden). So drang die staatliche Verwaltung immer tiefer und effektiver kontrollierend und Statistiken erhebend in den Alltag der Menschen ein, in dieser Qualität früher und systematischer als in anderen Ländern. Für die Statistiker sollten sich in den Zahlenkolonnen die göttliche Ordnung offenbaren, aber auch die unbestreitbaren Schwächen des Landes. Einige waren der Ansicht, daß Schweden als auserwähltes Land verpflichtet sei, die von Gott gegebenen Schätze zu nutzen – aber dazu mußte man sie kennen. Andere sahen die Verpflichtung, die gestörte Balance der Ordnung zu beheben – dazu war sie sichtbar zu machen. Doch der Staat blieb zurückhaltend, er hielt, zum Ärger der Statistiker, die Tabellen geheim. Die forderten eine öffentliche Diskussion der Ergebnisse, denn nur so seien die Tabellen als Werkzeug für politische Reformen zu nutzen. Sie entwarfen ein System von Gemeindebeschreibungen, die mit Hilfe von drei Bezugsgrößen die gesamte Gesellschaft und deren Ressourcen einheitlich hätten beschreiben sollen, nämlich durch das Verhältnis von Bevölkerung und Landfläche, den Vergleich Schwedens mit anderen Nationen und den Vergleich der schwedischen Regionen untereinander. Und die Statistiker entdeckten viel in ihren Tabellen. Eine bislang unbekannte Kinderkrankheit tauchte aus den Tiefen der immer dichteren statistischen Relationen auf (sie erwies sich letztlich als Fata Morgana). Deutlich mehr Menschen wurden durch Schweine als durch Wölfe getötet. Die Ursache von mißgebildeten Kindern fand sich verzeichnet: Mal sah eine Mutter Krabben, verwunderte sich über einen Mops, fiel in tiefes Erstaunen über ein Altarbild oder vergaffte sich in eine sonderbare Wanduhr. In der Gemeinde Bjärså spukte es so stark, daß ein Bauer sich aus Schwermut erhängte. Das mag kurios erscheinen, aber solche Beispiele machen deutlich, worum es ging: um die totale Abbildung des materiellen und geistigen
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Abbildung 3: Erhebungsbogen des Tabellenwerks (1769)
Zustandes des Staates, samt seiner Bevölkerung, in quantitativen und qualitativen Daten; um die Relationierung von Bezugsgrößen zueinander (Bevölkerung, Produktivität, Steueraufkommen, Sterblichkeit, Todesursachen usw.); um die Vergleichbarkeit von Einheiten miteinander (Land/Stadt, Kommunen, Regionen, Staaten) und letztlich um das, was Michel Foucault »Bio-Politik« genannt hat, nämlich die Möglichkeit, durch gezielte, differenzierte, maßgeschneiderte Interventionen in der Gesellschaft die Staatsmaschine effektiv zu steuern. Vorerst war das alles freilich nur ein Ideal. Die Maschine schepperte in allen Fugen, und der Schmierstoff, die Zahlen, erwies sich oft als Sand im Getriebe. Gerade der Vergleich war brisant. Das Ausland konnte die eigene Stärke mit der schwedischen Schwäche messen – letztere wurde auch den Schweden offenbar. Das bedrohte die Herrschaft gleich zweifach. Aber
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22 | Ein ewigwährender Untergang man sah sich auf dem richtigen Weg, zumal das Tabellenwerk im Ausland Aufmerksamkeit zu erregen begann. 1778 wurden die neueren Tabellen ins Französische und Deutsche übersetzt. In Europa waren, allen Staatslehren zum Trotz, die Ambitionen von Statistikern nie wirklich auf fruchtbaren Boden gefallen. In Deutschland beispielsweise erreichte die Statistik trotz kirchlicher Visitationsberichte und erster Volkszählungen nicht die Dichte ihres schwedischen Pendants. Das änderte sich im späten 18. Jahrhundert. Statistische Bureaus wurden eingerichtet, 1800 in Frankreich, in Deutschland 1801 (Bayern), 1805 (Preußen) und 1820 (Württemberg), während andere deutsche Länder seit der Jahrhundertmitte folgten. Zuvor schon hatten – neben anderen – Hermann Conring, Hermann Achenwall, Johann Peter Süßmilch oder August von Schlözer die Entwicklung der Politischen Arithmetik und ihre Transformation in die Statistik vorangetrieben. In Schweden dagegen alterten die ehrenamtlichen Mitglieder der Tabellenkommission und ließen gegen Ende des Jahrhunderts immer weniger von sich hören. Zentralisierung, Reorganisation, neue Formulare, noch mehr Zahlen, um adäquatere Kategorien zur Datenerhebung entwerfen zu können – mit Ziffern wurde die notwendige Reformarbeit am Zahlenwerk berechnet. Aber die großen Visionen, die das Tabellenwerk stimuliert hatte, sind nicht verwirklicht worden. Die Realität war komplexer als gedacht, um sie in Statistiken einfangen und darauf Interventionen gründen zu können. 1809 stellte man fest, daß viele Erhebungslücken geschlossen waren, aber direkten politischen Nutzen hatte das nicht gezeitigt. Im September 1858 trat die Tabellenkommission ein letztes Mal zusammen, fortan war das Statistische Zentralbureau für die Datenerhebung zuständig.9 Die Politische Arithmetik hatte Empirie und Politik verbunden. Sie wollte zeigen, was es gab, aber auch, was es im Interesse einer mächtigen Nation (die als Ergebnis der göttlichen Ordnung aufgefaßt wurde) geben sollte. Im 19. Jahrhundert sah das anders aus. Die groben Schätzungen und Analogieschlüsse des 17. Jahrhunderts – da London für ein Elftel des britischen Steueraufkommens stand, zählte die britische Bevölkerung elfmal Londons Bevölkerung, d.h. ca. sechs Millionen Menschen – wichen einer zunehmenden Mathematisierung; die qualitativen Beschreibungen verschwanden zugunsten der reinen Ziffern. Die Politische Arithmetik verwandelte sich in die wissenschaftliche Statistik. Die alte Geheimniskrämerei war endgültig vorbei. In Europa wurde die expandierende bürgerliche Öffentlichkeit mit zahllosen Texten versorgt, in denen gesellschaftliche Fragen verhandelt und nützliche Kenntnisse vermittelt wurden. Immer mehr Menschen begannen dieselben Texte zu lesen, das stärkte allmählich das Bewußt-
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II. Der Urgrund der Krise | 23 sein einer gemeinsamen Gesellschaft. Statistiken waren Teil dieses Kommunikationsprozesses. Weltausstellungen, Photographien, Karten, Statistiken schienen zunehmend genauer die Wirklichkeit zu spiegeln, sie öffneten die Welt für das Publikum. Durch unzählige Ausstellungen, Arrangements, Ordnungen, Messungen und Präsentationen entstand allmählich eine »Generalstabsperspektive«, ein Blick von oben auf das Ganze. Statistik war also mehr als eine Methode, Zahlen zu erheben, zu verrechnen und zu präsentieren. Sie stellte eine neue Sprache, Gesellschaft zu beschreiben, dar; ja, die Gesellschaft als ein Gegenstand mit eigener Dynamik wurde in der Masse der Zahlen überhaupt erst entdeckt.10 In Schweden fanden »Sveriges Officiella Statistik« und die »Statistisk Tidskrift« guten Absatz, in Deutschland die »Zeitschrift für die Gesamte Staatswissenschaft« oder die »Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik«. Sie wurden in den Caféhäusern wie Nachrichtenblätter gelesen, und die Zahlenkolonnen regten die demographische Diskussion an. Statistiker hatten zwar schon früher aufwendige Bildungsreisen ins Ausland unternommen und ausländische Literatur rezipiert, doch nun fuhren sie regelmäßig zu internationalen Kongressen, um mit Kollegen ihre Erfahrungen auszutauschen. Ihre Netzwerke verdichteten sich. Bevölkerung wurde in unzähligen Tabellen immer differenzierter sichtbar gemacht und wahrgenommen. Die Tabellen blieben noch unübersichtlich, aber selbst das war ein Fortschritt gegenüber der Präsentation des Zahlenmaterials als Fließtext. Und manchmal schon konnte man in einer Tabelle auf einen Blick eine Entwicklung ablesen (Abb. 4). Genau das sollte später die Durchschlagskraft des Bevölkerungsdiskurses ausmachen: Verborgenes gewann in Statistiken Existenz und wurde in einer spezifischen Form sichtbar; das wiederum präformierte Handlungsoptionen. Ende des 18. Jahrhunderts war es mit dem bevölkerungstheoretischen Optimismus vorbei. In England mehrte die Industrialisierung Wohlstand und Macht des Landes, und sie produzierte ein Heer elender Gestalten, die in den Slums der expandierenden Städte ein trübes Dasein fristeten. Plötzlich stellte eine wachsende Bevölkerung nicht mehr nur eine Ressource dar, sondern zugleich eine Bedrohung der sozialen und sittlichen Ordnung. Das ist das dritte wichtige Element für die Genese des Bevölkerungsdiskurses, die Korrelation von Bevölkerung und Raum in der Form einer krisenhaften Beziehung. Thomas Robert Malthus brachte diese Beziehung 1798 in seinem »Essay on the Principle of Population« derart erfolgreich auf den Punkt, daß dieses Buch bis heute die Diskussion um die Bevölkerungsfrage strukturiert. Malthus’ zentrale These ist bestechend einfach: Die Menge der Nahrungsmittel ist begrenzt, die Zahl der Menschen also nicht beliebig
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Abbildung 4: Eine 900jährige Bevölkerungsentwicklung auf einen Blick (1741)
vermehrbar. Gibt es zu viele Menschen, drohen Elend und Not. Zwar läßt sich der Nahrungsspielraum erweitern, aber – und hier kommt Malthus’ berühmte mathematische Formel ins Spiel – nur in linearer Progression (1, 2, 3, 4, 5, …). Die Bevölkerung tendiert jedoch dazu, sich in exponentieller Progression zu vermehren (1, 2, 4, 8, 16, …). Diese Zahlenreihe führt eindringlich vor Augen, wie die Bevölkerung ihrer Subsistenzgrundlage schlichtweg davoneilt. Die Natur allerdings stellt die Balance wieder her, indem sie die überschüssige Menschenzahl durch Krankheit, Seuchen, Hungersnöte unerbittlich reduziert. Es gibt »keine Möglichkeit, dem Gewicht dieses Gesetzes, das die gesamte belebte Natur durchdringt, auszuweichen. Weder eine erträumte Gleichheit noch landwirtschaftliche Maßnahmen von äußerster Reichweite könnten seinen Druck auch nur für ein einziges Jahrhundert zurückdrängen. Deshalb scheint dieses Gesetz
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II. Der Urgrund der Krise | 25 auch entschieden gegen die mögliche Existenz einer Gesellschaft zu sprechen, deren sämtliche Mitglieder in Wohlstand, Glück und verhältnismäßiger Muße leben.«11 Damit ist das eherne Naturgesetz unversehens in eine normative Aussage über die Sozialordnung der Gesellschaft verwandelt. Das menschliche Elend wurzelt, Malthus zufolge, nicht in einer ungerechten Sozial- und Wirtschaftsordnung, sondern resultiert aus dem unerschütterlichen Mißverhältnis von Nahrung und Menschenzahl; das aber gründet in der leichtsinnigen Lebensweise der Unterschichten. Die vermehren sich nämlich ohne jede Weitsicht und Verantwortung. Geht es ihnen materiell besser, gebären sie zu viele Kinder und bedrohen die Nahrungsgrundlage der Menschen. Das Elend rafft zahlreiche von ihnen hinweg, die Situation entspannt sich, die materielle Lage bessert sich, die Kinder werden wieder zahlreicher – und der Zirkel wird erneut durchlaufen. Armenhilfe wirkt da, laut Malthus, nur kontraproduktiv, weil sie unmittelbar und nachhaltig den Fleiß der Menschen hemmt und Geburten stimuliert; sie bringt in gewissem Maße die Armen, die sie unterstützt, erst selbst hervor. Außerdem entzieht sie den würdigeren Mitgliedern der Gesellschaft Nahrungsmittel zugunsten der weniger wertvollen. Potentielle Fürsorgeempfänger sollten abgeschreckt werden; Heiraten wollte Malthus notfalls verhindert wissen: »Ein Arbeiter, der heiratet, ohne in der Lage zu sein, eine Familie zu unterhalten, kann in gewisser Weise als Feind seiner Arbeitskollegen betrachtet werden.«12 Statt dessen sollten die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt hergestellt und die Landwirtschaft gefördert werden, um wenigstens »die Notwendigkeit großer, verheerender Seuchen, die den Überschuß beseitigen müßten, entbehrlich« zu machen.13 Nach der Kritik durch seine Gegner zeigte Malthus sich in den späteren Auflagen etwas optimistischer. Durch ein kalkuliertes Heirats- und Reproduktionsverhalten, sei es durch Enthaltsamkeit außerhalb der Ehe, sei es durch aufgeschobene Eheschlüsse, könnten die Menschen Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung nehmen und so der natürlichen Tendenz zur Übervölkerung entgehen.14 Malthus’ Buch wurde ein Klassiker. Es erschien in zahllosen Auflagen und Neudrucken. In Deutschland und Schweden zog es seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer weitere Kreise und setzte sich in den Diskussionen von Experten wie Laien fest. Es wurde nicht differenziert rezipiert, sondern jeder holte sich aus dem Buch an Argumenten, was ihm paßte,15 und schließlich war das umfangreiche, in mehreren Auflagen stark veränderte Buch auf eine zentrale These reduziert worden. Daß man sich bei einer genauen Rezeption zahllose Mißverständnisse, Fehldeutungen und tendenziöse Interpretationen hätte sparen können,16 ist der ideengeschichtliche Kommentar zu diesem
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26 | Ein ewigwährender Untergang Vorgang. Aber genau diese Reduktion ist das tatsächlich Entscheidende, denn nur so konnte das Buch einen – bereits bestehenden – Diskurs verdichten und sein Symbol werden, allein durch seine stete Präsenz bis heute den Ton setzen, egal ob man zu Malthus’ Gegnern oder Anhängern gehört. In diesem Buch finden wir wichtige Teile der Matrix angelegt, die den Bevölkerungsdiskurs seit Ende des 19. Jahrhunderts strukturieren sollte: den katastrophischen Gestus (im Grunde läuft man dem Problem immer hinterher); die Relation von Bevölkerung, Ressourcen und Raum als Maßstab für Übervölkerung; die Verwendung dieses Maßstabes als relativen Maßstab (auch »leere« Räume können verhältnismäßig übervölkert sein); die differenzierte Betrachtung von Fertilität (Unterschichten bekommen zu viele Kinder); die Differenzierung der Bevölkerung in würdige und unwürdige Mitglieder; die Spiegelung angeblich natürlicher Entwicklungen auf gesellschaftspolitische Zustände; die moralische Aufladung dieser Spiegelung (Lasterhaftigkeit als Grund für Elend); die Behauptung unsichtbarer Prozesse, die Experten dem Publikum sichtbar machen müssen; die Regulierung der Bevölkerungszahl durch die Regulierung ihrer Fertilität und schließlich die metaphorische, reduzierende, extrem eingängige Technik des Sichtbarmachens (lineare/exponentielle Progression).
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen
1913 erschien in Jena ein umfangreiches Foliowerk, Herman Lundborgs »Medizinisch-biologische Familienforschungen innerhalb eines 2232köpfigen [sic!] Bauerngeschlechtes in Schweden«. Lundborg war als angehender schwedischer Arzt auf ein weitverzweigtes Bauerngeschlecht in der Provinz Blekinge gestoßen, das, auf begrenztem Gebiete wohnend, zahlreiche Krankheiten degenerativer Art aufwies. Das ließ ihm diese Sippe in bio-pathologischer Hinsicht von größtem Interesse sein. 1898 machte er sich an die eingehende Untersuchung ihrer Erbkrankheiten, um die Arbeit in den Jahren 1908 bis 1912 mit Energie abzuschließen. Der deutschen Publikation folgte 1920 die schwedische Übersetzung (»En svensk bondesläkts historia«). Schlägt man die beiden Folianten des Werkes auf, so eröffnet sich in Hunderten von Abstammungstafeln und Tabellen ein irrwitziges Tableau von Personen, Verwandtschaftsbeziehungen, Krankheiten und Schicksalen in kürzester Form: »Hell. Dick. Gesund. Heiter. Eigensinnig (verwöhnt).«17 Lundborg hatte versucht, alle Sippenmitglieder von 1720 bis 1907 zu erfassen und die Pathologie des gesamten Geschlechts zu entwerfen. Jedes Mitglied findet sich charakterisiert, mal mit biographischen Skizzen, mal durch wenige Schlagworte. Sämtliche Charakterzeichnungen sind sozialer Natur, von wenigen offensichtlichen Krankheiten wie »Hirnhautentzündung« abgesehen. Hintereinanderweggelesen erscheinen diese – rot in die Tafeln eingedruckten – Charakterisierungen wie ein pessimistisches Gedicht auf die Moderne: Debil Dirne recht dement
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28 | Ein ewigwährender Untergang eigenartig Starrkopf imbezill streitsüchtig Idiot nicht normal eigen Sonderling sonderbar diebisch taubstumm Krüppel Hasenscharte Epilepsie Dementia præcox unredlich schwerhörig haltlos Klumpfuss Chorea minor pervers. sexualis geisteskrank (am Hochzeitstag) eine kurze Zeit lang zu Gefängnis für Doppelehe in Amerika verurteilt geisteskrank in Amerika gewesen Taugenichts Krampfanfälle unmündig abnormer Charakter schlechter Charakter sehr geizig zu Strafarbeit verurteilt für Kindesmord verurteilt † Suicidium
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 29 und so weiter, ein umfassendes Register von Abnormitäten. Sämtliche Minderwertigkeiten sind tabellarisch erfaßt, sie zeigten im Vergleich mit einer Schweizer Studie, daß der Anteil der Schwachbegabten in Blekinge auffallend hoch war, nämlich 117 von 2.232 Personen betrug (= 5,24 %), im Vergleich zu 369 von 9.919 schweizer Kindern (= 3,7 %). Eine weitere Tabelle führt sämtliche Übertretungen, Vergehen und Verbrechen der Sippe auf, die belegten, daß sie moralisch auf einem recht niedrigen Niveau stand – ohne allerdings ein Verbrechergeschlecht zu sein, da einzelne Familienzweige in besserem Licht hervortraten. Im Anhang werden Richtlinien für die Führung von Kirchenbüchern abgedruckt (der wichtigsten Informationsquelle für derartige Untersuchungen), Dokumente zur moralischen Lage in Mjellby (dem Wohnort der Sippe), die für das 19. Jahrhundert einen bedrückenden Eindruck hinterlassen, Krankengeschichten und Gerichtsakten, die den Charakter und das teils unsittliche Leben einiger Familienangehöriger genauer beschreiben. Die Familien der Sippe sind nach belastenden Momenten der Eltern gruppiert und ihre sozial-biologische Beschaffenheit ist vermerkt. Auszüge aus den Deszenztafeln wiederum heben die Vererbungslinien bei Epilepsie, Geisteskrankheiten, schlechten Charakterzügen, Kriminalität und Prostitution hervor (Abb. 5-7). Die zwiespältige Schlußfolgerung all dieser Mühen lautete: Es handelt sich um ein entartetes Geschlecht, das sich stark vermehrt, in Zukunft aber wenigstens teilweise regenerieren könnte. Warum unterzog sich Lundborg der Kärrnerarbeit, die Entartung einer Sippe zu beweisen, die außerhalb Blekinges niemand kannte? Warum druckte ein angesehener deutscher Verlag, Gustav Fischer, diese äußerst aufwendig ausgestatteten Bände? Was war an Klumpfüßen, geizigen Menschen und »eigenen« Charakteren so Bedrohliches zu entdecken? Wieso galten selbst Sommersprossen und weiße Flekken in den Fingernägeln als schlechte Anlagen?18 Weil für Lundborg und zahlreiche Fachkollegen die betrübliche Geschichte der Blekinger Sippe wie ein Mikrokosmos dessen erschien, was in der schwedischen Bevölkerung geschah. Bevölkerung war, wie wir gesehen haben, rein quantitativ von einer Ressource zu einem potentiellen Problem geworden. Zu viele Menschen lösten Not aus, und das gefährdete die Ordnung. Ende des 19. Jahrhunderts stellte Bevölkerung plötzlich auch qualitativ ein Risiko dar: sie drohte zu degenerieren. Und so könnte man den Bevölkerungsdiskurs nicht behandeln, wenn man von der Eugenik schwiege, denn es zählte für die Demographen des 20. Jahrhunderts nicht allein die Menge der Menschen, sondern zugleich ihr Zustand. Das ist das vierte entscheidende Element.
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30 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 5: Die Familien 8 und 9 (1913)
Um die Jahrhundertwende schienen sich die europäischen Gesellschaften in einer tiefen Krise zu befinden. Überall waren seit Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts dynamische Industrienationen entstanden, mit spürbaren Folgen für das gesamte soziale Leben. Urbanisierung, Technisierung, Migration, die Veränderung der Geschlechterverhältnisse oder der Umbau politischer Verfassungen brachten vollständig neue Lebensgewohnheiten hervor. Der Großstadtmensch trat auf die Bühne, das Leben beschleunigte sich rapide, die Arbeiterschaft stieg auf, Frauen begannen zu studieren. Das geruhsame bürgerliche Leben in kleinen, überschaubaren Städten war vorbei, das idealisierte Landleben schien durch die Industrialisierung der Vernichtung anheimzufallen. Diese Entwicklung wurde diffus als tiefer Einschnitt wahrgenommen, und besonders die Städte galten den Kritikern als Hort allen Übels. Hier wucherten Armut und Elend, hier wuchs die Zahl der Mittellosen und »Asozialen« und drohte die bürgerliche Welt zu überschwemmen.19
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 31 Dieselbe Moderne hatte freilich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Westeuropa, von Großbritannien ausgehend, eine neuartige Expertenkultur hervorgebracht. Ingenieure, Ärzte, Stadtplaner, Architekten und andere Fachleute verstanden sich als gut ausgebildete, strikt leistungsorientierte, unpolitische Experten, die effizient technische Probleme diagnostizierten und lösten. Mit ihren Erfolgen auf dem medizinischtechnischen Gebiet wuchs ihnen im Laufe der Zeit auch eine immense gesellschaftspolitische Bedeutung zu, denn die Folgen der Industrialisierung hatten bewiesen, daß der Fortschritt sich nicht notwendig vernünftig entwickelte. Intervenierende, technokratische Eingriffe in die zunehmend komplexere Gesellschaftsordnung waren unumgänglich.20 Außerdem wurden Gesellschaften zunehmend mit biologisch-medizinischen Metaphern beschrieben, als Körper unter dem Skalpell des Arztes, und diese Gesellschaftskörper schienen auf Grund der technischen und naturwissenschaftlichen Errungenschaften nun endlich gezielt gestaltbar, sei es durch die Perfektionierung technischer Prozesse, sei es durch die Perfektionierung menschlicher Körper, sei es durch den Beschnitt der »kranken« Gesellschaftsteile. Experten konnten völlig neuartig auf die Herausforderungen der Moderne reagieren. Sie beanspruchten, die »Krankheiten« und »Fehlfunktionen« der Gesellschaft wissenschaftlich präzise diagnostizieren und valide Prognosen über die Zukunft leisten zu können. Zumeist sagten sie eine Verschärfung der Krise voraus. Daraus ergab sich für sie die Handlungsanweisung zu intervenieren, um die Probleme zu beheben. Die Krise schien nämlich paradoxerweise grundsätzlich meisterbar, wenn man nur die Mittel eben jener Moderne, der man den Verfall verdankte, rational und gezielt anwandte: moderne Naturwissenschaften und Technik. Aus diesem Denken entstand das social engineering des 20. Jahrhunderts, der Glaube, man könne die Gesellschaft wie eine Maschine steuern oder wie einen menschlichen Körper heilen. Die Eugenik war Teil dieser Mischung aus Krise und Tat21 – Bestandteil des damals florierenden Verfallsdenkens, zugleich verhieß sie wissenschaftlich fundierte Lösungen. Sie war gefragt, denn sie bot eine überzeugende Deutung für den erschütternden Verfall der bürgerlichen Welt. Die »Schwachsinnigen« wurden in ungeahnten Mengen und neuer Qualität entdeckt. Die Philanthropen des 19. Jahrhunderts hatten noch zwischen bildungsfähigen und bildungsunfähigen Menschen unterschieden. Das war ein moralisch aufgeladener Unterschied, jener zwischen einem rechten oder unrechten Verhalten von Individuen, der schließlich in ein Krankheitsbild transformiert wurde. Denn als Darwins Evolutionstheorie zeigte, daß die Natur von den einzelnen Spezien
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32 | Ein ewigwährender Untergang erhebliche Anpassungsleistungen verlangte, und daß diese entweder im Laufe von Generationen mutierten oder aber der Auslese zum Opfer fielen, ließen sich die sozialen Veränderungen und Probleme der expandierenden Industriegesellschaften plötzlich erklären. Das Elend der Unterschichten resultierte nicht aus unsittlichem oder kurzsichtigem Verhalten, wie Malthus angenommen hatte, sondern war Indiz einer zunehmenden biologischen Entartung der Gattung Mensch, die dem modernen Leben geschuldet war. Urbanisierung, Verarmung, schlechte Nahrung, erbärmliche Hygiene, Krankheiten: all das griff die genetische Qualität der Menschen an und multiplizierte sich durch Vererbung progressiv bis zum Untergang – wobei sich bereits ererbte und individuell erworbene, körperliche und soziale Eigenschaften vererbten. Wie das funktionierte, wußte man zunächst nicht – bis man sich 1900 der vergessenen Vererbungsgesetze Mendels erinnerte, die dieser seit 1856 an der Züchtung von Gartenerbsen entwikkelt hatte. Durch die Kreuzung grüner und gelber Erbsen hatte er festgestellt, daß Eigenschaften (z.B. die Farbe) über mehrere Generationen hinweg verborgen weitergegeben werden konnten, bevor sie wieder sichtbar wurden. Nun war das Bild klar. Die Natur hielt sich durch die ständige Auslese von Arten, die nicht mehr der Umwelt angepaßt waren, in einer grundsätzlich idealen Balance aller ihrer Elemente. Die menschliche Gesellschaft dagegen war aus dem Lot geraten. Die Moderne vernichtete positives Erbgut, die degenerierten Menschen pflanzten sich trotzdem fort, die Gattung schien dem Untergang geweiht. Immerhin hatte man die Mechanismen des Niedergangs durchschaut. Damit war, wie bei Malthus, der Sprung von der Natur auf die Gesellschaft vollzogen, diesmal von Darwins rein physiologischer Anpassungsfähigkeit aller Lebewesen an ihre Umwelt auf die Bedeutung individueller Qualitäten von Menschen für das Fortbestehen der menschlichen Gattung, sprich: der bürgerlichen Sozialordnung. Das entscheidende Problem stellten dabei die »Geistesschwachen« dar, denn die konnten nicht, wie Geisteskranke, in Anstalten verwahrt werden. Sie lebten, unerkannt von ihrer Umgebung, ihr unsittliches Leben und vererbten, dank ihres überdurchschnittlich ausgeprägten Geschlechtstriebes, ihre moralisch-biologischen Defekte an zahllose Nachkommen weiter. Bis Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich deshalb die Eugenik – in Deutschland lief sie unter der Bezeichung »Rassenhygiene«, in Schweden als »Rassenbiologie« – mit Institutionen und personalen Netzwerken in Europa und den USA, und sie verfestigte sich als Denkstil, der auch auf den Bevölkerungsdiskurs übergreifen sollte. Immer wieder nämlich findet man beim Blick in die Texte der Eugeniker um-
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 33
Abbildung 6: Erblichkeitsschema für die Familienkrankheit Myoklonusepilepsie in Blekinge (1920)
standslose Analogieschlüsse von der Natur auf die Menschen, von Prozessen in der Natur auf Entwicklungen in der Gesellschaft. Immer wieder stand die Natur Pate für eine ideale menschliche Ordnung, sei es eine natürliche/soziale Balance aller Elemente, die nicht gestört werden durfte, seien es Prozesse der Auslese, die erfolgreiche von erfolglosen Elementen schieden. Immer wieder kam die Differenz von heiler Natur und gestörter Gesellschaft ins Spiel, die durch eugenische Techniken eliminiert werden sollte. Immer wieder gründete die Störung der Gesellschaft in der Differenz der Klassen; die durch die Effekte der Industrialisierung am härtesten betroffenen Unterschichten degenerierten und pflanzten sich am stärksten fort. Immer wieder waren es im Sozialen wurzelnde Verhaltensweisen, die die Gene zerstörten: Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten, Reizüberflutung, Verweichlichung, Onanie, einseitige Züchtung seelischer Anlagen, Abkehr von der Natur, großstädtische Lebensweisen. Und das wurde dann vererbt. Das individuelle Fehlverhalten bedrohte den kollektiven Gattungskörper. Und immer wieder verkoppelte der Degenerationsbegriff moralische und körperliche Degeneration, die sich durch Vererbung bis zum
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34 | Ein ewigwährender Untergang biologischen Kollaps eines Volkes akkumulierte. Medizinische und sozialpolitische Maßnahmen verschärfen die Situation, denn sie setzten die Selektionsmechanismen der Natur endgültig außer Kraft, indem sie »minderwertigen« Elementen das Überleben – und die Fortpflanzung! – ermöglichten.
Abbildung 7: Eine Familienpathologie in Tabellenform (1913)
Deshalb war Lundborgs Studie seinerzeit eine so außerordentlich exemplarische Studie. Sie war der Versuch, die biologischen Grundlagen des sozialen Verhaltens freizulegen, als Vorbild für zahllose weitere empirische Studien in dieser Richtung, als Grundlage für das social engineering und als erster valider, wissenschaftlicher Beleg für die Thesen der Rassenhygiene, die der deutsche Erbhygieniker Max Gruber im Vorwort zu Lundborgs Werk apodiktisch so formuliert hatte: »Die hygienisch beste Gestaltung der äußeren Lebensbedingungen bleibt häufig ohnmächtig gegenüber einer fehlerhaften Erbanlage[,] und was an den Keimen gesündigt worden ist, kann durch die sorgsamste Pflege der Früchte nicht mehr gut gemacht werden. Die Individuen sind nicht bloß deshalb ungleich, weil sie seit ihrer Geburt unter ungleichen Lebensbedingungen gestanden sind, sondern sie sind ungleich, von ungleichem sozialen und biologischen Wert von Geburt aus, von ihrer Erzeugung her, weil sie aus ungleichwertigen Keimen hervorgegangen sind. Und die Keime sind auch wieder nicht nur deshalb ungleich, weil
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 35 ihre individuelle Bildung unter ungleichen Bedingungen erfolgt ist; sondern: wie die Individuen von Anbeginn ihrer Existenz an ungleich sind und nachträglich nicht mehr gleich wertvoll und brauchbar gemacht werden können, so sind auch die Familienstämme, die Erbmassen, die vererbten Qualitäten der Keimstoffe ungleich. Hier müssen also auch die Hebel angesetzt werden, wenn man seinem Volke eine sichere Zukunft bauen will. Förderung der Produktion des Nachwuchses aus den besten Erbmassen, Verhinderung der Fortpflanzung der schlechtesten Erbmassen, Unterdrückung einzelner Fehler der einen Keimmasse durch Kreuzung mit einer in diesem Punkte fehlerfreien, wo dies möglich ist, Verhütung des Neuentstehens von Keimfehlern. Nur dann, wenn wir neben der sorgsamen Hygiene der Umwelt diese Maßregeln ergreifen, werden wir gesunde und edle Generationen zu erzielen hoffen dürfen.«22 Genau diese Thesen waren in einem anderen Genre längst zu einem eingängigen Bild geronnen, in den amerikanischen Eugenic Family Studies, die im Grunde bis heute ihr metaphorisch einflußreiches Eigenleben führen.23 Damals waren zwischen 1877 und 1926 in den USA mehrere Studien erschienen, die am Beispiel ausgewählter Familien den Einfluß von Umwelt- und Erbfaktoren auf das soziale Verhalten untersuchten. Der erste Text, Richard Dugdales »The Jukes«, versuchte noch, das Verhältnis der beiden Faktoren abzuwägen; die letzten Arbeiten konzentrierten sich nur noch auf biologistische Erklärungsmuster für soziales Verhalten. Die Studien selbst sind in aufwendiger Feldarbeit entstanden. Durch Vorträge, Aufsätze, Zeitungsartikel und Wochenmagazine fanden sie ihren Weg nach Europa, reduziert auf kurze, einprägsame Schauergeschichten: Zwei kriminelle Eltern bekommen Kinder, die, natürlich, auf die schiefe Bahn geraten, selbst zahlreiche Nachkommen zeugen, die sich wiederum durch Nachkommen potenzieren usw. Die meisten von ihnen sind Verbrecher, Alkoholiker, Almosenempfänger oder mit allerlei Geisteskrankheiten und moralischen Defekten geschlagen. So durchwuchert bald eine Sippe von Asozialen das Land, und solcher Familien gebe es zahlreiche, wurde den Lesern immer wieder versichert. Wer in diesem Kontext von den »Jukes« oder den »Kallikaks« sprach – den beiden berühmtesten Familien24 –, brauchte kaum zu erläutern, was gemeint war. Die Namen waren zu Signifikanten für Degeneration geronnen (noch einprägsamer war es, das schändliche Treiben in einer Graphik zu kondensieren [Abb. 8]). Schon die Autoren der Studien hatten durch kunstvolle narrative Techniken die Familiengeschichten in eine symbolische Welt transformiert. Analogien aus der Insekten- und Tierwelt durchziehen die Texte, sexuell negativ konnotierte Begriffe beschreiben
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36 | Ein ewigwährender Untergang die einzelnen Familienmitglieder, ihre Lebenswelt wird in dunkle Wälder verlegt, sie werden mit infantilisierenden, abwertenden Namen belegt. Gut gegen Böse, »wir« – gesetzestreu, strebsam und sittsam – gegen »die« – trunksüchtig, geistesschwach, kriminell. »The appeal of the family studies lay partly in their structure as quasi-fictional accounts. […] As in melodrama, the villain is very bad, the victim innocent, the solutions clear.«25 Durch die Rezeption erhielten die Familiengeschichten endgültig ihre metaphorische Qualität, sie mutierten durch unzählige, verkürzende Zitationen zur Metapher für den »kranken« Teil der Gesellschaft, zur Metapher für die bedrohliche Qualität von Bevölkerung.
Abbildung 8: Die Kallikaks: die asoziale und die gute Abstammungslinie (Dänemark, 19. Jahrhundert)
Beweisen konnte man die Desintegrationstheorien nicht. Beweise aber wollte man haben, denn die Eugenik sollte auf Wahrheit gründen. Doch schon Lundborg war an seine Grenzen gestoßen. Er hatte alte Kirchenbücher und Gerichtsakten wälzen müssen, seine eugenischsozialen Befunde stammten teils vom Pastor, teils von glaubwürdigen Personen der Gemeinde. Lundborg selbst sprach die Schwierigkeiten an, valide Daten zu erhalten, zumal Methoden und Kategorien der Erhebung noch nicht ausgearbeitet waren. Immer wieder wird in seinem Text selbst deutlich, wie lückenhaft sein Material war, wie stark er auf Vermutungen angewiesen war, wie wenig vergleichbar die wenigen Studien auf diesem Gebiet waren. Neben der schweizer kannte er oh-
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 37 nehin keine weiteren Vergleichsstudien. Gerade deshalb forderte er die Einrichtung zentraler Forschungsinstitute für Erblichkeitsforschung und Rassenbiologie in den »Kulturstaaten« und gründete 1921 in Uppsala das weltweit erste Rassenbiologische Institut.26 Gerade die magere Datenbasis spornte ihn und andere deutsche wie schwedische Rassenhygieniker in den folgenden Jahren an, mit unglaublichem Fleiß immer mehr Informationen zusammenzutragen. Aber darin lag die absurde Tragik der Erbhygiene begründet: Das Belegmaterial erreichte quantitativ und qualitativ niemals auch nur annähernd das Ausmaß, die Theoreme der Erblehre beweisen zu können – am Ende aber gab es genug Daten, um sie massiv anzuzweifeln. Das zentrale Problem war, daß soziale Phänomene erbbiologisch erklärt werden sollten, der erbbiologische Beweis aber mangels genetischer Kenntnisse nicht möglich war. Man konnte die Vererbung von Eigenschaften nur durch Beobachtungen sozialen Verhaltens nachzeichnen und Regelmäßigkeiten feststellen, die man in der Form von biologischen Gesetzen beschrieb. In Zukunft, so waren die Eugeniker zuversichtlich, werde die Genetik diese Gesetze schon bestätigen.27 Es schlug die Stunde der Genealogie. Heiraten, Kinder, Krankheiten und soziale Abweichungen der untersuchten Familien wurden in umfangreichen Karteien katalogisiert, die idealiter das gesamte Volk erfassen sollten, um dessen eugenische Qualität bestimmen zu können. Es mußte möglich sein, dereinst die Kontrolle über die eigene Evolution zu gewinnen. Bis dahin blieb es der negativen Eugenik vorbehalten, durch eine Regulierung der Reproduktion die weitere Degeneration der Menschen aufzuhalten. Wie wir sehen werden, konnte sich diese hypothetisch-zirkuläre Verquickung von Biologie und Sozialem bis weit in die 1950er Jahre halten, bis Humangenetiker diesem Denken den Garaus bereiteten. Nichtsdestotrotz begannen bereits – gerade – mit ihrer Verwissenschaftlichung die Probleme, die schließlich zum Untergang der Eugenik führen sollten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Netzwerke der Eugeniker freilich auf dem besten Wege, sich zu einer internationalen eugenischen Bewegung zu verdichten und in der Wissenschaftslandschaft zu etablieren. Zwar gab es Unterschiede zwischen Mendelianern und Lamarckisten, zwischen den eugenischen Bewegungen der einzelnen Länder und später bei den Radikalisierungstendenzen: Lamarckisten hielten einen gewissen Anteil an Erbdefekten für grundsätzlich unproblematisch, erst ungünstige Umwelteinflüsse machten daraus pathologische Abweichungen. Deshalb setzten Eugeniker in Frankreich, Südamerika, Italien, Belgien oder Rumänien eher auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen – anders als deutsche, schwedische oder amerikanische Eugeniker, die den Primat der Erbvorgänge betonten. So
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38 | Ein ewigwährender Untergang wurden in Skandinavien, Deutschland oder einigen amerikanischen Bundesstaaten umfangreiche Sterilisierungsprogramme initiiert, nicht aber im skeptischen Großbritannien. Und nur in Deutschland führte eugenisches Denken zur massenhaften Vernichtung von Menschenleben. Trotz solcher Unterschiede war die Eugenik in unterschiedlichen Ländern und für ganz unterschiedliche Gruppierungen attraktiv. Konservative, Sozialdemokraten, Sozialisten, Frauenbewegungen – alle verbanden mit der Eugenik die Hoffnung, soziale Probleme lösen zu können. Es erschienen seit den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts zahllose Lehrbücher zur Eugenik und Erblehre, internationale Konferenzen wurden abgehalten, Forschungsinstitute und rassenhygienische Gesellschaften gegründet, und Herman Lundborg publizierte 1922 seine »rassenbiologischen Thesen«, die als Credo des Bevölkerungsdiskurses im 20. Jahrhundert gelten können: 1. Ein gutes Volksmaterial ist der größte Reichtum eines Landes. Die Qualität des Volksmaterials hängt im höchsten Grad von der Beschaffenheit der Erbmasse ab. Die ist verschieden bei unterschiedlichen Völkern. 2. Erblichkeit und Auswahl sind die ersten Kräfte, die das Leben in der Welt beherrschen. Die Umwelt hat sicherlich auch ihre unbestreitbare Bedeutung, obgleich sie nicht vermag, neue Anlagen zu schaffen, sondern nur die Wirkungen bereits befindlicher in die eine oder andere Richtung modifizieren kann. 3. Das Leben der Geschlechter und des Volkes ist, wie das der einzelnen Individuen, strenger Gesetzmäßigkeit unterworfen. Es gehört zu den allerersten Aufgaben eines Kulturvolkes, die biologischen Naturgesetze gewissenhaft zu erforschen und dann die gesellschaftlichen Verhältnisse dementsprechend zu regeln und zu ordnen. Brechen wir sie, müssen wir selbst die Folgen tragen: Wir entarten und gehen unter. Diese Gesetze sind freilich nicht ausschließlich gestrenge Rächer. Recht verstanden und angewendet, sind sie eine reich sprudelnde Quelle für Veredelung und Fortschritt. 4. Es herrscht bei einem Teil der Kulturvölker unserer Zeit, auch bei uns, eine schreiende Mißwirtschaft mit dem Volksmaterial. Große und teilweise unersetzliche Werte gehen beunruhigend rasch verloren. Sie können keineswegs gleich schnell ersetzt werden, wie sie verschwinden. 5. Viele Ursachen wirken hieran mit. Die wichtigsten dürften sein: sinkende Nativität in der Mittelklasse (in der Landbevölkerung), die eine größere Rassenkraft als die übrigen Gesellschaftsschichten hat, Krieg, Großindustrie, hastig geschehende Rassenmischung
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III. Die Entdeckung der Schwachsinnigen | 39 zwischen rassenbiologisch gesehen allzu ungleichwertigen Völkern, Luxus und die Anbetung des Mammon mit folgender Sittenverderbnis usw. 6. Das 0-1-2-Kindsystem, das in den wertvolleren Volksschichten praktiziert wird, während die schlechteren und minderwertigen Bodenschichten sich relativ stark vermehren, muß zu einer Verschlechterung der Rasse und Entartung des Volkes führen. Die vermögenderen Klassen, besonders deren Frauen, weisen eine immer größere Neigung auf, sich ohne triftige Gründe der Elternschaft zu entziehen. Sie verletzen hiermit ihre Pflichten ihrem eigenen Volk gegenüber. Der ausgeprägte Individualismus unserer Zeit, die hohen Ansprüche an das Leben und damit einhergehend eine entschiedene Überschätzung der umgestaltenden Kraft der Umwelt und der Erziehung sind wichtige Ursachen dafür. Die Öffentlichkeit des Landes und die Politik tragen eine reichliche Schuld. 7. Industrie und Wirtschaft beanspruchen, wenigstens zeitweise, vermehrte und neue Arbeitskraft. Auf Grund der zu niedrigen Nativität im eigenen Land, z.B. in Frankreich und bald auch bei uns, müssen fremde Volkselemente schlechterer Rassen gerufen werden, teils in dieser Absicht, teils um das Land gegen äußere Feinde zu verteidigen. Ein ähnlicher Zustand herrschte im alten Rom während dessen Niedergang. Es entstehen da Rassenmischungen, die zu einem Mischvolk von schlechter Beschaffenheit führen. Das zerstört früher oder später die alte Kultur des Landes. Chaos und Anarchie entstehen. Andere Völker drängen hinein, und schließlich wird das ältere Kulturvolk ausgelöscht. 8. Es liegt sicherlich im Rahmen des Möglichen, ernsthaft den Kampf gegen die drohenden und Verderben bringenden Faktoren aufzunehmen. Das setzt allerdings voraus, daß alle guten Bürger in einem Land, unabhängig von sozialen, politischen und religiösen Standpunkten, ihre Kräfte vereinen und für ein verheißungsvolles, gemeinsames Ziel zusammenarbeiten, die Verteidigung des eigenen Volkes gegen innere Gesellschaftsauflösung und rassenentartende Tendenzen. Hierzu sind guter Wille und Zusammenhalt, wirtschaftliche Opferbereitschaft, bessere Moral samt wahrer Menschenliebe gefordert.28 Das ist das Programm, dem wir im Bevölkerungsdiskurs der folgenden Jahre immer wieder begegnen werden. So dachte man lange vor dem Nationalsozialismus, schon im 19. Jahrhundert, in Schweden, aber auch in Deutschland. Kurz und knapp hatte es Wilhelm Schallmayer 1891 formuliert: »Unsere körperliche Beschaffenheit ist das Erbe von unzähligen Generationen, bei denen die natürliche Zuchtwahl voll
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40 | Ein ewigwährender Untergang oder doch nur wenig beschränkt gewaltet hatte. Was wir von unseren Vorfahren überkommen [sic!] haben, das müssen wir als eine an unsere Nachkommen abzutragende Schuld ansehen.«29 Letztlich stellte die Eugenik eine ähnlich moralische Beschreibung der Welt dar wie Malthus’ Bevölkerungsgesetz. Es ging um die Welt, wie sie aus Sicht einer bürgerlich-akademischen Schicht sein sollte – und wie sie erschreckenderweise war; also um die Bedrohung des Lebensraumes und der Lebensweise einer sozialen Klasse. Die guten Mitbürger allerdings von der Notwendigkeit des opfervollen rassenbiologischen Verteidigungskampfes zu überzeugen, war nicht ganz einfach. Stets mußten Eugeniker zugleich mit euphorischer Zuversicht in die zukünftigen Erfolge ihrer Arbeit und massiven Zweifeln an ihrem Tun leben. Mehrere Jahrzehnte aber prägte die Eugenik das gesellschaftspolitische Denken, und damit auch den Bevölkerungsdiskurs – in Spuren möglicherweise bis heute.
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IV. Die Matrix des Bevölkerungsdiskurses | 41
IV. Die Matrix des Bevölkerungsdiskurses
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Bevölkerungsfrage in Europa breit diskutiert, zunächst im Rahmen der Nationalökonomie.30 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg sie zu dem großen Thema auf, das Europa bis heute beschäftigen sollte, als nämlich neben der kürzlich entdeckten Degeneration zugleich ein dramatischer Geburtenrückgang in den europäischen Industriegesellschaften beobachtet werden mußte. Sie löste sich allmählich von der Nationalökonomie und ging nach dem Ersten Weltkrieg eine Allianz mit Eugenik, Anthropologie, Statistik, Soziologie und Sozialmedizin ein, einem weiten Feld von Fächern, die die Bevölkerungsfrage mit der Autorität der Wissenschaft versahen. Nun waren die zentralen Elemente vorhanden, durch die doppelte Gefahr erst konstruiert und dann eingekreist werden konnte: die Beziehung von Raum und Bevölkerung, eine elaborierte Statistik, das Malthus’sche Modell, die Eugenik, die ewige Krise und ein optimistisches social engineering. Die Bevölkerungsfrage war als eigenständiges Problem identifiziert, war ein wissenschaftlich beschreibbares Phänomen geworden, und sie erlangte den Rang einer nationalen Frage, denn schrumpfende und verfallende Bevölkerungen schwächten die Nationen. Damit war die Matrix des Bevölkerungsdiskurses voll ausgebildet. Seitdem läßt sich Bevölkerung im Raster von Quantität und Qualität, Ressource und Bedrohung diskutieren, Folge einer doppelt differenzierten Fertilität. Eine Bevölkerung konnte Ressource einer Nation sein, wenn sie diese durch zahlreiche und gesunde Kinder stärkte. Sie wurde zur Bedrohung der Nation, wenn sich die falsche Klasse vermehrte, die eugenisch minderwertige Unterschicht, während die eugenisch hochwertige Mittelschicht verantwortungslos den biologischen Selbstmord beging. Das setzte die Nation der Unterwanderung durch rassisch
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42 | Ein ewigwährender Untergang minderwertige Völker aus, die letztlich eine höhere Fruchtbarkeit aufwiesen als die bedrohten Kulturvölker. Rassenmischungen beschleunigten die Degeneration. So hatte sich die Bevölkerung von einem technischen Problem, der Frage der Ressourcensicherung, zu einem Politikum verwandelt, zur Frage der Zukunft der Gesellschaft, der Nation und des gesamten Abendlandes schlechthin, deren biologischem Bestand und deren sozialer Ordnung. Bevölkerung wurde zum Ansatzpunkt, die Gesellschaft in allen ihren Dimensionen bio-politisch zu durchsetzen und zu regulieren. Die sozialpolitischen und eugenischen Großprogramme der 1930er und 40er Jahre gehörten gemeinsam zu dem Versuch, einen »gesunden Volkskörper« zu schaffen, indem die als positiv bewerteten Elemente gestärkt und die negativen eliminiert wurden, sei es durch Sterilisationen (Schweden), sei es durch möglichst weitgehende Vernichtung (Deutschland). Das unterscheidet den Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert von seinen merkantilistischen Vorläufern, und selbst von Malthus, dem jeder staatliche Eingriff in die Regulierung der Reproduktion zutiefst zuwider war. Seit dem Ersten Weltkrieg wurden durch Statistiken, Ausstellungen und Abbildungen Normalkurven sozialen Verhaltens und biologischer Qualität entworfen. Die Individuen sollten veranlaßt werden, ihr reproduktives und soziales Verhalten darauf einzuschwenken, oder sie wurden exkludiert. Durch die Diskussion der Bevölkerungsfrage wird bis heute die Ordnung der Gesellschaft und der Welt verhandelt. Das hatte Julius Wolf schon 1931 formuliert, als er kurz und knapp schrieb, »daß die Bevölkerungsfrage von heute in ihrem tiefsten Grunde eine Frage der Ordnung der Welt ist«.31
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V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 43
V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so!
Das ganze 19. Jahrhundert über war in Europa die Sterblichkeitsrate gesunken. Trotz elender Bedingungen für viele Menschen besserten sich die Lebensumstände insgesamt, die Menschen lebten im Durchschnitt immer länger, die Kindersterblichkeit sank – bald darauf die Geburtenrate. Heute erklärt die »Theorie des demographischen Übergangs« diese Entwicklung: Vor der Industrialisierung wiesen die europäischen Gesellschaften eine hohe Fruchtbarkeit auf, um die hohe Kindersterblichkeit kompensieren zu können. Es mußten viele Säuglinge das Licht der Welt erblicken, damit wenigstens einige überlebten. Dann ging die Säuglingssterblichkeit zurück, die Geburtenrate blieb noch eine Zeitlang auf dem ursprünglichen hohen Niveau – in der Zeit wuchsen die europäischen Bevölkerungen rapide an, weil der Geburtenüberschuß hoch war –, bis sich die Menschen den veränderten Bedingungen anpaßten. Sie zeugten weniger Kinder, weil ihnen weniger wegstarben. Das ursprüngliche Verhältnis von Geburten und Sterblichkeit stabilisierte sich auf einem niedrigeren Niveau. Im Nachhinein betrachtet erschüttert dieser Prozeß wenig, zumal die Fertilitätsrate stets über der Mortalitätsrate lag, die Bevölkerungen also jedes Jahr wuchsen. Damals aber sprang nur der Geburtenrückgang ins Auge. Die Ressource Mensch schien zu verschwinden, denn ein Ende des Geburtenrückganges war nicht abzusehen. Das beunruhigte zuerst unter militärischen Gesichtspunkten.32 Frankreich galt als Menetekel. Seit der Revolution von 1789 waren immer weniger Kinder geboren worden, hatte das Bevölkerungswachstum sich verlangsamt, anders als in Deutschland. Das galt denn auch als wichtige Ursache für die Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Aber würde Deutschland in Zukunft nicht dasselbe drohen? Frankreichs Weg schien Deutschlands Niedergang vorzuzeichnen, und der Erste
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44 | Ein ewigwährender Untergang Weltkrieg bestätigte alle Befürchtungen. Das Bevölkerungsproblem hatte seine große Karriere begonnen, zunächst mit der Suche nach den Ursachen. Bereits 1912 konnte Julius Wolf eine breite Palette von Begründungsversuchen für den Geburtenrückgang referieren: es handelte sich um eine optische Täuschung (die zunehmende Zahl der Älteren verzerrte das Bild); er war eine Folge der gesunkenen Sterblichkeit; resultierte aus der abnehmenden Zahl der Heiraten; aus physiologischer Minderwertigkeit; aus gestiegenem Wohlstand (den die Eltern entweder nicht an Kinder vergeuden oder aber wenigen Kindern gezielt zugute kommen lassen wollten); verdankte sich der fortgeschrittenen Bildung; den Berufswünschen und dem Emanzipationswillen der Frauen; weil Kinder ihren wirtschaftlichen Wert für die Familien eingebüßt hatten; der Urbanisierung; Säkularisierungstendenzen; der Verbreitung von Präventivtechniken; der allgemeinen Teuerung.33 Jede dieser Theorien erhob einen Alleinerklärungsanspruch, den Wolf jeweils verwarf (besonders die damals schon angedachte Theorie der demographischen Transition gab er der Lächerlichkeit preis, denn die »mystische Hypothese, daß die Geburtenzahl infolge des Rückgangs der Sterblichkeit gesunken ist – was voraussetzt, daß die menschlichen Fortpflanzungsorgane irgendwie die amtlichen Berichte über Bevölkerungsstatistik beobachten und weniger Kinder liefern, wenn es sich herausstellt, daß weniger sterben –, ist eine von jenen wenigen schnurrigen Täuschungen, die den Soziologen bei seiner trockenen Arbeit erheitern«34). Tatsächlich liege dem Geburtenrückgang eine veränderte Sexualmoral zugrunde, »der Übergang von einem Zeugungsprinzip der Geburtenverschwendung zu einem Zeugungsprinzip der Geburtenökonomie«. Diese in der Weltgeschichte völlig neuartige Form der Geburtenkontrolle sei einzig eine »individualisierte, nur durch eigene Einsicht ermittelte und nur dem eigenen Gewissen unterstellte, eigenmächtige und selbstverantwortliche Zeugung«.35 Die Theoretiker der Bevölkerungsfrage, Paul Mombert, Lujo Brentano, Julius Wolf, Oskar Wingen, Franz Oppenheimer, Alfred Grotjahn oder Max Hirsch, konkurrierten zwar mit ihren Erklärungen, aber sie alle unterlagen derselben Denkstruktur. Noch einmal Wolf, der nicht nur den Geburtenrückgang zu erklären suchte, sondern exemplarisch ein düsteres Bild der Zukunft zeichnete: Er gliederte, wie spätere Autoren auch, den Raum in drei paradigmatische Zonen. Auf der einen Seite Rußland, dessen Geburtenüberschuß »sich auf eine mehr als doppelt so große Volkszahl bezieht und darum absolut mehr als doppelt so schwer wiegt«36 wie die gleiche Überschußquote in Deutschland – die im Gegensatz zur russischen freilich schon im Sinkflug begriffen
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V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 45 war. Auf der anderen Seite Frankreich, dem die Entvölkerung vorhergesagt wurde, ein »Mene Tekel [sic!] für die anderen Länder des europäischen Kulturkreises, auch für Deutschland«.37 Das lag in der Mitte, sah auf der einen Seite im schwindenden Frankreich seine eigene Zukunft und auf der anderen die russische Walze unter Dampf stehen – und hinter der »erhebt aber die mongolische, nach langem Schlaf zu Leben und Unruhe erweckte Hydra dräuend ihr Haupt«.38 Skandinavien zeigte, daß man noch an der Schraube drehen konnte, indem man die Sterbeziffer senkte: »Freilich hat das Sinken der Sterblichkeit seine Grenze, während das Sinken der Geburten ein Feld der ›unbegrenzten Möglichkeiten‹ ist!«39 Auch der Blick zurück konnte nicht beruhigen. Neben zahlreichen deutschen Autoren beschrieb 1903 auch der Schwede Pontus Fahlbeck, wie das alte Rom den »Rassen- oder nationalen Selbstmord« bereits vorexerziert hatte.40 Aus politischen wie religiösen Gründen sei dem Volk die Fortpflanzungslust genommen worden, das Reich entvölkerte sich, Barbaren drangen ein, es brach zusammen. Ähnliches stehe ohne Zweifel auch Frankreich bevor, so Wolf im Anschluß an Fahlbeck. Das Einsickern fremden Blutes führe zu einer Denaturierung seiner Stämme, zum Glück allerdings sei das Land von Stammesverwandten derselben Zivilisation eingekreist. So »droht sonach nur die Gefahr einer Italienisierung und Wallonisierung, etwa auch für gewisse Teile des Südwestens der Hispanisierung«.41 Wäre dagegen »Frankreich von Negerstämmen umgeben, so hätten dessen Söhne und Töchter schon an manchen Orten angefangen, einen dunkleren Farbton anzunehmen, und die glänzende französische Kultur wäre, ganz wie dies vor 1700 Jahren in dem römischen Weltreich geschah, bald in Barbarei verwandelt«.42 Das Zweikindsystem, so Fahlbeck und Wolf, müsse in den Untergang führen. Mögliche Gegenmaßnahmen: Verbot von Abtreibungen und dem Verkauf von Verhütungsmitteln, Beamtenernennungen nur von dreifachen Vätern, Prämierung jedes dritten Kindes, aktive Mittelstandspolitik, Wohngeldzuschüsse und Wohnbaupolitik, Jungesellensteuer – das alles hatte bislang weder in Frankreich noch Deutschland wirklich gegriffen.43 Die Chiffre Frankreich sollte fortan, bis heute, als eingängiges und mahnendes Beispiel dienen. Dann kam der große Krieg. Zu Anfang wurde er von Rassehygienikern begrüßt, denn ganz im Sinne des Darwinismus gingen sie davon aus, daß sich im Waffengang die besten Elemente bewährten, während die Schwächlinge dahingerafft würden. Immerhin hatte Wilhelm Schallmayer feststellen können, daß die deutschen Rekruten, die 1870/71 geboren worden waren, heute, 1903, außergewöhnlich gutes Menschenmaterial darstellten, während in Frankreich der Jahrgang
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46 | Ein ewigwährender Untergang von 1871 unterdurchschnittlich ausgefallen war, der von 1872 leicht über dem Mittel gelegen hatte. Die Kämpfenden von damals hatten also ihre Erfahrungen, Sieg oder Niederlage, als biologische Ausstattung an ihre Nachkommen vererbt.44 1914 allerdings mähten sofort mit Kriegsbeginn Maschinengewehre und Artillerie derart undifferenziert alles nieder, daß nichts mehr zu vererben blieb. Im Gegenteil, plötzlich merkte man, daß gerade das »gute Material« dem modernen Krieg, der »nonselektorische[n] Elimination«45 zum Opfer fiel, denn bei der Rekrutierung waren ja wie stets die körperlich und geistig Untauglichen zurückgestellt oder ausgemustert worden. Die lebten nun bequem in der Etappe und vermehrten sich,46 während den Tüchtigen an der Front all ihre Tüchtigkeit nichts nutzte. Ihre Frauen wurden zu Witwen, der eugenisch erwünschte Nachwuchs blieb aus. Offiziere fielen überdurchschnittlich oft, der Hunger dezimierte Frauen und Kinder in der Heimat, aus dem Krieg kamen Krüppel heim, die man verdächtigte, ihre Behinderung fortan zu vererben.47 Zwar konnte man den Hungertod geistig und sozial Schwacher in der Heimat mit dem Verlust eugenisch hochwertiger Soldaten verrechnen, aber die Ausmerzungsquote der Schwächeren konnte »die Gegenausmerzung der Tüchtigen nicht wettmachen, besonders nicht die des tüchtigen seelischen Erbgutes, das gerade die fortschreitenden Mutationen des Menschen nach einer höheren Entwicklung enthalten hat. Da diese […] Mutationen nur sehr, sehr langsam in einer Bevölkerung entstehen […], und da wir ihr Auftreten nicht beeinflussen können, ist ihre Verminderung besonders verhängnisvoll und kann höchstwahrscheinlich erst in Jahrtausenden wieder ausgeglichen werden.«48 Seit dem Ersten Weltkrieg gehörten Eugeniker daher zum Lager der Kriegsgegner: »Da jeder moderne Krieg wie eine zermalmende Dampfwalze über die junge Saat neuen Lebens hinweggeht, sind und bleiben Rassenhygiene und Krieg unversöhnliche Gegensätze und wir Rassenhygieniker müssen den Frieden aufrichtig und mit tiefem Ernst erstreben und zu schützen suchen«, erklärte Alfred Ploetz noch 1935, ohne übrigens die geringste Gegnerschaft zum Nationalsozialismus erkennen zu lassen.49 Nach dem Ersten Weltkrieg dann war die Rassenhygiene endgültig zum Zwilling der Demographie geworden. Julius Wolf etwa griff eugenische Argumente auf, verwarf sie aber noch 1931. Die Theoreme der Erblehre seien nicht bewiesen, das Belegmaterial unzureichend. »Überfremdung« war für ihn ein kulturelles Phänomen.50 Anders Herman Lundborg, der 1921 erneut in Deutschland publizierte. Er beschrieb das Bevölkerungsproblem in der fortan typischen Doppelung von Demographie und Eugenik: Mechanisierung, Individualismus und Genußsucht saugten Saft und Kraft aus den Völkern; die »Politik der
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V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 47 leeren Wiege«, das 0-1-2-Kindsystem, schleiche sich ein. Die Industrie sei die größte Volks- und Rassenverderberin. Sie schlucke den Bauernstamm, der sein Glück in den Städten und Großbetrieben versuche; Konsum führe zu Verweichlichung und Frivolität; ledige Arbeiter hätten im Vergleich zu Familien ein hohes Einkommen, das sie in Saus und Braus verlebten, während die Familien darbten. Erstere wollten keine Kinder bekommen, letztere könnten nicht, und damit stehe der Rassenselbstmord vor der Tür. Die Gesellschaftsfäulnis beginne. Der Geburtenrückgang führe zu Immigration und dann zu Rassenmischungen. Und so müsse ein Volk auch bei günstigen Umweltbedingungen degenerieren, denn diese könnten Erbanlagen nur modifizieren. Ein Idiot bleibe ein Idiot, und weder rasseuntaugliche Völker (Neger, Zigeuner usw.) noch Verbrecher, Vagabunden oder Geistesschwache könnten durch äußere Faktoren verbessert werden. Falsche Humanität helfe diesen Personen wahllos vorwärts, sie pflanzten sich fort. Deshalb müsse unbedingt eine eugenische Grenze gezogen werden zwischen dem Recht auf Leben, und dem Recht, Leben zu spenden. Ersteres gebühre Allen, letzteres nicht.51 Letztlich schrieb Lundborg über die Klassenfrage. Die Oberschicht war ihm eugenisch wertlos, weil sie kaum Kinder zeuge, außerdem verweichliche sie zunehmend. In der Unterschicht steige der Bodensatz »menschlicher Schlacke«, und zwischen beiden Schichten werde die wertvolle, ländlich-bürgerliche Mittelschicht langsam, aber sicher zerrieben (Abb. 9). »Da die Mittelklasse zusammenschrumpft, und die Oberklasse, welche in überwiegender Zahl in den Städten wohnt, nur wenig Nachkommen hat, ist es ja klar, daß das Volk proletarisiert wird und insgesamt eine schlechtere Rassenbeschaffenheit als vor der Industrialisierung annimmt. Es entsteht mit anderen Worten ein ganzes Heer von mehr oder weniger schwach ausgerüsteten Individuen, und diese machen bald ihren Willen geltend. Geht es nicht im Guten, greifen sie zu revolutionären oder anarchistischen (bolschewistischen) Methoden und machen kurzen Prozeß mit allen, die dagegen sind, d.h. die höheren Klassen müssen es ausbaden. Es kommt ein Schreckensregiment. Alles gerät in Unordnung. Die Kultur sinkt. Das Volk entartet nun rasch und geht seinem Untergange entgegen. Neue Völker drängen sich ein. Es kann dann besser oder auch schlechter werden.«52 Man konnte dieselbe Situation aber auch komplett anders sehen. 1871 hatte Deutschland den Krieg gegen Frankreich gewonnen, aber was folgte für den deutschen Nationalökonomen Gustav Rümelin daraus? Ein schauriges Bild: Den Reparationszahlungen ist eine Wirtschaftskrise gefolgt, Unternehmen machen pleite oder entlassen Arbeiter, die
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48 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 9: Industrialisierung und Entartung eines Volkes (1921)
Armenunterstützung erfordert immer höhere Summen, der Staatshaushalt macht Defizite, Einnahmen sinken, entlassene Landarbeiter ziehen bettelnd über die Landstraßen, Arbeitslose vertreiben gefälschte Lebensmittel oder tragen als Zwischenhändler zur Verteuerung und Verschlechterung der Waren bei. »Die Kriminaluntersuchungen wie die Vergantungen [Versteigerungen] nehmen in erschreckendem Maaße zu; alle Gefängnisse sind überfüllt; die Armen- und die Irrenhäuser reichen nicht mehr aus; die Selbstmordfälle haben eine noch nie dagewesene Höhe erreicht.«53 Berufe, Gewerbe und Universitäten sind überfüllt, Juristen, Ingenieure, Chemiker, selbst Theologen und Volksschullehrer warten zu Hunderten auf Verwendung. Und »wie anders soll dieß zu erklären sein, als aus einer Uebervölkerung?«54 Die resultiere aus dem Mißverhältnis von Volkseinkommen und Volkszahl, und deshalb könne »nicht mehr von einer bloßen Handelskrise die Rede sein, sondern nur noch von einer schweren und chronischen Erkrankung der ganzen Gesellschaft«.55 Da gab es also Wissenschaftler, die dieselben Statistiken lasen und zu ganz anderen Schlüssen kamen. Statt der Gefahr einer Untervölkerung sahen sie Übervölkerung herrschen. Auch sie sahen eine Katastrophe voraus, aber ganz im Geiste Malthus’ die der Verelendung
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V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 49 einer Nation. Als Neomalthusianismus entstand diese Variante des Bevölkerungsdiskurses im frühen 19. Jahrhundert in England. Malthus hatte sich zwar geirrt, als er das immer größere Auseinanderklaffen von Bevölkerungszahl und Nahrungsspielraum vorhergesagt hatte, auch hatte er zuviel Wert auf die destruktiven Folgen dieser Entwicklung gelegt, zuwenig auf die mögliche Prävention von Geburten. Neomalthusianer hatten gelernt, daß sich die Nahrungsbasis doch erheblich erweitern ließ56 – das grundsätzliche Problem aber war in ihren Augen bestehen geblieben: Subsistenzbasis und Bevölkerungszahl drohten durch das Wachstum letzterer immer wieder in ein Mißverhältnis zu kommen. Malthusianische Gesellschaften entstanden in zahlreichen Ländern, sie wollten durch eine künstliche Geburtenkontrolle die Fruchtbarkeit rational steuern, um das Bevölkerungswachstum zu bremsen, durch die Anwendung von Verhütungsmitteln, statt Enthaltsamkeit und später Heirat.57 Annie Besants »Law of Population« (1878) oder George Drysdales anonym erschienenes Buch »The Elements of Social Science« (1854) wurden Bestseller mit vielfachen Übersetzungen. Besant propagierte auf Basis einer klassisch malthusianischen Argumentation die systematische Unterweisung der Bevölkerung in Verhütungstechniken;58 Drysdale belegte durch eine umfangreiche gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Analyse die prinzipielle Richtigkeit des Malthus’schen Gesetzes, allerdings mit einer optimistischen Wendung: Er sah nun, daß der Grund für das menschliche Elend im menschlichen Verhalten, der ungehemmten Fruchtbarkeit lag; und das ließ sich ändern.59 Wie die Bücher Besants und Drysdales wurde auch das Buch des Amerikaners Ross ins Deutsche wie ins Schwedische übersetzt. Er hat noch 1929 das neomalthusianische Weltbild paradigmatisch formuliert: »Ob die wirtschaftliche Lage eines Volkes besser oder schlechter wird, hängt letzten Endes von zwei Faktoren ab: A) Von dem Bevölkerungswachstum. B) Von der Steigerung der Lebensmittelerzeugung. […] Indessen hängt A seinerseits von zwei Variablen ab: a) Von der Geburtenziffer. b) Von der Sterbeziffer. […] Solange aber nicht a so schnell fällt wie b, besteht keine Aussicht, daß B mit A lange Schritt halten wird.« Wenn die Fruchtbarkeit nicht merklich gebremst werde, würden »Übervölkerung und in ihrem Gefolge Not und Niedergang in weiten Teilen der Erde merklich anwachsen«.60 Das Problem war auch hier die schichtspezifisch differenzierte Fertilität. Allerdings werde die Gesellschaft letztlich die Geburtenkontrolle durch Verhütungstechniken bzw. den Druck der öffentlichen Meinung auf die Ehepaare schon so regulieren, »daß ihre Zukunft als Rasse gewährleistet ist«.61 Blieben auch für Ross die fremden Rassen, die die Einheimischen
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50 | Ein ewigwährender Untergang zu verdrängen drohten. Zwischen den verschiedenen Ländern herrsche nämlich ein Gefälle des Lebensstandards, dem ein umgekehrtes Gefälle der Fruchtbarkeit und eine wiederum umgekehrte rassische Wertigkeit entsprachen. Eine Flut von »minderwertigen« Einwanderern aus armen Ländern mit vielen Kindern bedrohten als »Parasiten« die Nationen höherer Kultur. Tonio aus den Abruzzen wird genannt, der seine Familie in einem Raum zusammenpfercht, sie mit Makkaroni vom ungedeckten Tisch ernährt, seine Frau barfuß aufs Feld jagt und die Kinder Zwiebelbeete jäten läßt. Brutal bringt der Einwanderer seine Frau durch viele Geburten unter die Erde, aber er überflügelt den Einheimischen an Kindern. Sofort nimmt er »ein anderes Weib, um es in derselben Weise zu verbrauchen«. So nimmt dann die Verdrängung ihren Lauf, »Farm für Farm, Stadt für Stadt – eine Eroberung nicht mit den Waffen, sondern durch arme, ausgebeutete Frauen«.62 In Deutschland verlangte Paul Mombert in zahlreichen Schriften, das stets gefährdete Gleichgewicht von Nahrungsspielraum und Bevölkerungswachstum auszutarieren;63 in Schweden machten Knut Wicksell und Hinke Bergegren von sich reden. Der Nationalökonom Wicksell löste 1880 mit einem Vortrag in Uppsala gezielt einen Skandal aus, als er neomalthusianische Thesen popularisierte, und er setzte dann seine Provokationen in zahlreichen Vorträgen und Schriften fort. Die Auswanderung sah er als einziges Ventil, den Druck des Geburtenüberschusses abzubauen. Bergegren, syndikalistischer Plagegeist in der schwedischen Sozialdemokratie, ging 1910 für seinen (im Druck erschienen) Vortrag »Liebe ohne Kinder« für zwei Monate ins Gefängnis (was sogleich auf dem Titel der zweiten Auflage vermerkt wurde). »Lieber Liebe ohne Kinder als Kinder ohne Liebe«, lautete seine griffige Sentenz, mit der er Verhütungsmittel propagierte und seine Gegner auf die Palme brachte.64 Denn die neomalthusianische Propaganda war heftig umstritten, zunächst einmal aus moralischen Gründen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war der Verkauf von Verhütungsmitteln in vielen Ländern verboten und ihre Anwendung moralisch stigmatisiert; Neomalthusianer aber begannen Ende des 19. Jahrhunderts sogar Abtreibungen das Wort zu reden! Das brachte sie immer wieder auf Konfrontationskurs mit Gesellschaft und Gesetz. Dann kam die nationale Frage hinzu, denn wenig Volk bedrohte für viele ja den Bestand der Nation – zumal die differenzierte Fertilität durch Verhütungstechniken verstärkt wurde. Mit deutlicher Abneigung vermerkte etwa Julius Wolf, daß sich neomalthusianische Ideen vor allem bei der materialistisch gesinnten, überehrgeizigen Mittelschicht Bahn brachen, dann die Elite des Proletariats ansteckten, um schließlich die unteren Klassen zu erreichen.65
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V. Bevölkerung ist ein Problem – so oder so! | 51 Doch bis sie endlich bei diesem »Bodensatz« angelangt seien, habe der sich schon mehrfach multipliziert, kritisierten andere. Genau so hatten Neomalthusianer sich das allerdings vorgestellt, und zwar aus politischen Gründen. Denn auch für sie besaß die Bevölkerungsfrage ihre Klassenkomponente. Der Kapitalismus fördere nämlich die Fruchtbarkeit in Arbeiterfamilien, um ein Heer von Arbeitslosen als billige Arbeitssklaven, Steuerzahler und Soldaten zu schaffen. Tausende von Kindern aber überlebten die elenden Verhältnisse nicht, die in den Großfamilien herrschten, die Überlebenden schwächten die Arbeiterschaft durch ihre Armut physisch. Nur eine drastische Reduzierung der Kinderzahl, nur wenige, qualitativ hochwertige und gesunde Kinder könnten die Kampfkraft der Arbeiterklasse steigern.66 Daß »Minderwertige« zu viele Kinder bekamen, vermerkten auch Neomalthusianer kritisch. Aber dieser Trend lasse sich umkehren, wenn erst einmal die Armen und Geistesschwachen in den Techniken der Verhütung geschult seien. Über- und Untervölkerungstheoretiker bekämpften sich zwar auf internationalen Tagungen erbittert, aber die Beispiele haben gezeigt, daß auch Neomalthusianer die Struktur des Bevölkerungsdiskurses reproduzierten. Auch sie bezogen Bevölkerung auf einen abgegrenzten Raum, etwa wenn sie mit der Nahrungsbasis argumentierten – Nahrungsüberschüsse in anderen Räumen nutzen einer Bevölkerung in einem Mangelgebiet nichts, weil sie nicht verfügbar sind67 –, oder wenn sie eine Völkerbundsklausel forderten, daß alle Mitgliedsstaaten ihre Geburtenrate so zu beschränken hätten, daß ihre Bevölkerungen bequem im eigenen Herrschaftsgebiet leben könnten, ohne Bedürfnis nach Ausweitung des Territoriums. Bevölkerungswachstum dürfe keine Forderung auf Territorium legitimieren.68 Sog und Druck »leerer« bzw. »überfüllter« Räume, differenzierte Fertilität, selbst eugenische Elemente tauchten schon lange vor Ross’ Buch auf. Die Verbrecherstammtafel der unglücklichen Familie Crétien, eine typische Juke Family, bewies beispielsweise für Hinke Bergegren – trotz gewisser Zweifel! – bereits 1910 die Plausibilität rassenhygienischer Theorien. Und noch eine schlagende Geschichte konnte er seinen Zuhörern präsentieren: Ein kinderloser Zweig der Familie Rothschild hatte ein kleines Mädchen adoptiert, das sich mit 19 Jahren als mehrfache Diebin erwies. Nach einiger Zeit bekam man heraus, daß der leibliche Vater für Diebstahl im Gefängnis saß. Er hatte seine verbrecherische Anlage vererbt, nicht einmal gute Erziehung und Wohlstand hatten sie auslöschen können.69 Auch für Neomalthusianer lag also die Lösung gesellschaftlicher Probleme im wesentlichen in Struktur und Qualität der Bevölkerung begründet.
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52 | Ein ewigwährender Untergang Nun sank freilich die Geburtenrate um die Jahrhundertwende immer stärker, die Hungersnöte blieben aus, und die Überzeugungskraft des Neomalthusianismus schwand. Seit den 1920er Jahren dominierte die eugenisch aufgeladene Angst vor Untervölkerung; nur nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sich Übervölkerungstheoretiker noch einmal Gehör verschaffen. Aber da ging es um die Dritte Welt und die Angst der Industrienationen vor Überfremdung. Wie wir sehen werden, paßt auch diese Verschiebung nahtlos in den Bevölkerungsdiskurs.
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 53
VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals
Nun beginnt eine Geschichte, die merkwürdig kurz ausfällt, wenn heutige Bevölkerungswissenschaftler über ihr Fach berichten. In den knappen historischen Ausflügen ihrer Texte erwähnen sie gerade einmal die Bevölkerungsdiskussion durch die Physiokraten und Merkantilisten, durch Malthus, Süßmilch und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, um dann rasch auf die »modernen Entwicklungen«, also die »Bevölkerungsexplosion« in der Dritten Welt und die Probleme der Bundesrepublik zu sprechen zu kommen. Daß in den 1930er und 40er Jahren Bevölkerung ein großes Thema war, daß die Argumente der 1980er und 90er Jahre schon längst gedacht waren, fällt unter den Tisch; höchstens Friedrich Burgdörfer wird erwähnt, als Beispiel für die nationalsozialistische »Übertreibung« der Bevölkerungsfrage.70 Dagegen geht die noch junge Geschichte der Bevölkerungswissenschaft bislang den umgekehrten Weg. Da steht der Nationalsozialismus dezidiert im Mittelpunkt. Das hat verständliche Gründe. Die Geschichte der Bevölkerungswissenschaften steht erst am Anfang, man muß pragmatisch beginnen; außerdem kreist die deutsche Historiographie des 20. Jahrhunderts traditionell um das »Dritte Reich«. Die Zuspitzung auf diese zwölf Jahre sichert zunächst einmal Aufmerksamkeit und Forschungsgelder. Allerdings wird dadurch eine reduzierte, deutschzentrierte Sichtweise auf die Vergangenheit festgeschrieben. Die Entwicklungen vor 1933 geraten zur bloßen Vorgeschichte, die in den Nationalsozialismus hineingesogen und gründlich umgewälzt wurde, um dann 1945 als bloße Nachgeschichte wieder ausgespien und nun auf Restbestände des Nationalsozialismus abgeklopft zu werden. Kontinuitäten treten in den Hintergrund, Entwicklungen im Ausland werden ausgeblendet.
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54 | Ein ewigwährender Untergang Programmatisch hierfür steht der Titel eines Forschungsschwerpunktes der Deutschen Forschungsgemeinschaft: »Ursprünge, Arten und Folgen des Konstrukts ›Bevölkerung‹ vor, im und nach dem ›Dritten Reich‹« (allerdings zeichnet sich eine Änderung ab).71 Ich werde deshalb drei Erfolgsautoren der Bevölkerungsfrage vorstellen, den deutschen Friedrich Burgdörfer sowie die Schweden Alva und Gunnar Myrdal. Ersterer wurde mit »Volk ohne Jugend« (1932) berühmt, letztere mit »Krise in der Bevölkerungsfrage« (1934). Beide Bücher haben in ihren Erscheinungsländern die Bevölkerungsdiskussion geprägt, beide sind über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden, und bei beiden sind allein die Buchtitel zu Signifikanten für die Bevölkerungsfrage geronnen – bis heute. Burgdörfers Buch erschien vor 1933, aber er arrangierte sich mühelos mit den Nationalsozialisten. Das Buch der Myrdals erschien nach 1933, aber sie stehen selbst bei ihren härtesten Kritikern nicht einmal ansatzweise im Verdacht, mit dem »Dritten Reich« sympathisiert zu haben. Ein Vergleich der Ähnlichkeiten und Unterschiede wichtiger Texte dieser Autoren sollte daher die Frage beantworten helfen: Was war eigentlich typisch deutsch und typisch nationalsozialistisch an der Bevölkerungsdiskussion der 1930er und 40er Jahre? Wo machte der Bevölkerungsdiskurs bei ganz unterschiedlichen Autoren und über fundamentale Systemgrenzen hinweg seinen Einfluß geltend?
Abbildung 10: Friedrich Burgdörfer
Friedrich Burgdörfer wurde 1890 geboren, arbeitete nach Abitur, Studium der Staatswissenschaften, Promotion und Weltkriegsteilnahme
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 55 als Referent, Stadtamtmann und Vorsteher des städtischen Mehlamtes in München, bevor er 1921 im Statistischen Reichsamt in Berlin zum Regierungsrat, 1925 zum Oberregierungsrat aufstieg. Er war als Generalreferent für die Volks-, Berufs- und Betriebszählung von 1925 zuständig, und als Direktor der Abteilung Bevölkerungs-, Betriebs- und Kulturstatistik mit der Vorbereitung und Leitung der Volkszählungen von 1925, 1933 und 1939 sowie der Reform der deutschen Bevölkerungsstatistik und dem Ausbau der Landwirtschaftsstatistik betraut. Im »Dritten Reich« nahm er zahlreiche Lehraufträge wahr, 1939 bis 1945 war er Präsident des Bayrischen Statistischen Landesamtes. Er gehörte neben der NSDAP den wichtigen deutschen und internationalen bevölkerungswissenschaftlichen und rassenpolitischen Institutionen an, etwa dem Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik beim Reichsminister des Innern. Als Referent des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP lieferte er ein Gutachten für den »MadagaskarPlan« des Reichssicherheitshauptamtes, 1945 wurde er aus dem Verkehr gezogen. 1949 durfte er immerhin wieder lehren, seit den 1950er Jahren war er erneut Mitglied zahlreicher Institutionen und vertrat die deutsche Bevölkerungswissenschaft auf internationalen Kongressen.72 Das war also die typische Karriere so vieler deutscher Experten im 20. Jahrhundert, es war aber auch eine äußerst solide Fachkarriere. Burgdörfer galt schon in der Zwischenkriegszeit als führender Bevölkerungsstatistiker Deutschlands, er kannte die Materie also, als er 1932 »Volk ohne Jugend« publizierte. Zuerst aber ein Blick in das Jahr 1930, als »Familie und Volk« erschien. Das Büchlein war für die Sonderschau des »Reichsbundes der Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie e.V.« auf der Internationalen Hygieneschau in Dresden verfaßt worden, und Ziel von Ausstellung wie Broschüre war die »Rettung und Erhaltung des Volkes durch Rettung und Erhaltung der erbgesunden, kinderfrohen und kinderreichen Familien!«73 Zunächst einmal mußte Burgdörfer die Krise beschreiben: Das deutsche Volk hat aufgehört ein wachsendes Volk zu sein, es steht im Begriff sich durch Unfruchtbarkeit selbst auszutilgen, eine weitere Niederlage, deren Folgen schlimmer als die des verlorenen Weltkrieges sind. In den meisten europäischen Ländern liegt die Nettogebärleistung der Frauen höher als in Deutschland, beispielsweise in Polen, selbst in Frankreich. In Deutschland ist der Fortpflanzungswille erschlafft. An der Basis der Bevölkerungspyramide fehlen die Nachkommen, bereits achteinhalb Millionen Kinder. Die Quelle versiegt, aber weil sich das Problem im Mittelbau noch nicht abzeichnet, ist es der Bevölkerung nicht sichtbar. Dazu kommen die Kriegsfolgen: Tote, weniger Ehen, weniger Geburten; zwischen 1915
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56 | Ein ewigwährender Untergang und 1919 »blieben 3 1/2 Millionen Kinder, deren Geburt unter normalen Verhältnissen zu erwarten war, ungeboren«.74 Die Folgen werden noch 1975 sichtbar sein. Zugleich leben die Menschen immer länger, die Zahl der Alten nimmt zu, deshalb weitet sich die Spitze der Pyramide immer stärker aus, während die Basis schrumpft. Von Generation zu Generation, Jahr zu Jahr verwandelt sich die Pyramide eines gesunden Bevölkerungsbaus – wenig Alte, viele junge Arbeitskräfte – erst zur Glocke und dann zur Urne eines morschen Gebildes. Immer mehr Greisen stehen immer weniger Kinder gegenüber. Deren Versorgungslast für die Alten steigt und steigt. Besonders scharf ist dieses Problem in Städten wie Berlin ausgeprägt. Dort liegen die Geburten weit unter der zur Selbstreproduktion notwendigen Ziffer. Berlin wächst, aber nur durch die Zuwanderung aus dem Umland. »Wie gewaltige Saugpumpen ziehen die Großstädte die besten Kräfte des Volkes«75 an, schrieb Burgdörfer 1932, und 1930: »Die Großstadt lebt – volkspolitisch betrachtet – ganz wesentlich von der Blutabgabe des Landvolkes.«76 Zwei Jahre später hatte er diesen Niedergangsprozeß auf drei graphische Symbole reduziert (Abb. 11).
Abbildung 11: Pyramide – Glocke – Urne: bereinigte Fassung (1932)
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 57 Nun wiesen die Statistiken Jahr für Jahr einen ordentlichen, wenn auch schrumpfenden Geburtenüberschuß und eine wachsende Bevölkerung aus. Das war ja der Grund, warum Neomalthusianer von Panik abrieten. Für Burgdörfer aber zeichnete die Statistik ein trügerisch-verführerisches Bild, das waren nur die rohen Zahlen. Die »Lebensbilanz des deutschen Volkes« mußte vom Fachmann bereinigt werden, denn hinter den nackten Zahlen, so Burgdörfer, verbirgt sich wegen der unterschiedlichen Alterszusammensetzung zu verschiedenen Zeiten eine unterschiedliche »Gebär-« bzw. »Sterbekraft«. Es mögen 1.000 Kinder geboren werden und ein statistisches Plus ausmachen, wenn aber zugleich 2.000 Greise, die keine Kinder mehr bekommen, nicht sterben, ist das Plus in Wahrheit ein Minus, weil die Gebärkraft sinkt, und je öfter sich das wiederholt, desto schlimmer. Um diese bereinigten Zahlen zu bekommen, waren aufwendige mathematische Berechnungen nötig, aber auch hier half die Graphik, das Problem auf einen Blick in all seinen fatalen Konsequenzen zu erfassen (Abb. 12).
Abbildung 12: Die bereinigte Lebensbilanz des deutschen Volkes (1930)
Das Schreckensszenario findet kein Ende. Die Familien halten die Zahl ihrer Nachkommen willentlich klein. Noch zeugt die Landbevölkerung
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58 | Ein ewigwährender Untergang fast doppelt so viele Kinder wie die Stadtbevölkerung, aber auch hier sinkt die Geburtenrate. Drei bis vier Kinder im Schnitt pro Familie wären vonnöten, denn mit dem Zweikindsystem stirbt die Bevölkerung in etwa 300 Jahren aus. Der qualitativ hochwertige, kulturtragende Volksteil (Mittelschicht und Landvolk) merzt sich aus, während sich der »unterdurchschnittlich begabte Volksteil« fruchtbar vermehrt.77 Fortschreitende qualitative Verminderung und qualitative Verschlechterung haben Folgen für Wirtschaft, Politik, Altersversorgung und das gesamte öffentliche Leben (von der Wehrkraft ist noch nicht die Rede). Und natürlich werden die Plätze, die ein Volk durch Selbstdezimierung geräumt hat, nicht leer bleiben. »Andere, geburtenfreudigere Völker werden sie besetzen«, wie man im Osten am »stillen Kampf des deutschen Volkstums mit dem geburtenfreudigeren slawischen Volkstum« beobachten kann.78 Bevölkerungspolitik bedeutete für Burgdörfer also immer »die Behauptung des deutschen Volks- und Kulturbodens durch das deutsche Volk und für das deutsche Volk«.79 Die kritische Entwicklung kann man nur umkehren, indem man die materielle Situation kinderreicher Familien verbessert. Not und Entbehrung müssen bekämpft werden, ohne daß die Fruchtbarkeit zu einem risikolosen oder gar profitablen Geschäft wird. Der Wille zu Selbstverantwortung und zu Opfern darf durch materielle Hilfen nicht abgetötet werden, die Lasten können nur soweit erleichtert werden, daß sie mit gutem Willen zu tragen sind. Einfachheit und Sparsamkeit härten ab. Dann skizziert Burgdörfer die Aufgaben einer generativen Sozial- bzw. Familienpolitik: Grundsätzlich soll die Familie als Zelle des Staates und des Volkes gestärkt werden, nicht das Individuum. Durch eine Steuerreform muß das »Junggesellenprivileg« beseitigt werden, denn die indirekten Steuern wiegen Lohnsteuererleichterungen für die Familien auf. Durch die Wohnbaupolitik müssen die engen, stickigen Großstädte aufgelockert werden, außerdem muß die Großstadtbevölkerung durch planmäßigen Siedlungsbau wieder auf das Land rückgeführt, mit dem Boden verwurzelt und zur freien und gesunden Entfaltung gebracht werden. Eine Elternschaftsversicherung soll den Lebensstandard wahren helfen, um sowohl Quantität wie Qualität des Volkskörpers zu sichern. Finanziert werden soll das durch eine Einkommensverschiebung von den Ledigen und Kinderlosen auf die Familien, durch eine Art Zwangssparkasse zugunsten des Volkes. Die »Doppelbelastung« der Mütter muß beseitigt werden, indem weibliche Erwerbstätigkeit obsolet wird. Frauen können sich wieder dem natürlichen Hausfrauen- und Mutterberuf widmen und Kinder bekommen; so gesunden Familienleben, Volk und Arbeitsmarkt. Allerdings reicht die reine Sozialpolitik nicht aus. Eine religiös-sittliche
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 59 Erneuerung, eine seelische Umstimmung des Volkes ist nötig. Die im Staat zusammengefaßte Volksgemeinschaft muß dieser Umstimmung den Weg bahnen durch eine entschlossene, zielbewußte »volkserneuernde, volkserhaltende Familienpolitik«.80 Das zwei Jahre später erschienene Buch »Volk ohne Jugend« wurde der größte publizistische Erfolg Burgdörfers (und auch von Parlamentariern zitiert81), aber inhaltlich brachte es nichts Neues.82 Den Bevölkerungsrückgang, dessen Ursachen, die Überalterung, deren wirtschaftliche und sozialpolitische Folgen, den europäischen Geburtenschwund und die Gefährdung des Deutschtums in der Welt schilderte Burgdörfer wieder und sehr viel ausführlicher in einer eingängigen Mischung aus katastrophischem Gestus und markanten Graphiken, in denen sämtliche existentiell bedeutsamen Kurven nach unten wiesen. Am Ende machte er das »Volk-Raum-Problem« stark.83 Das »Volk ohne Raum« habe Hans Grimm beschrieben, aber dieses Volk habe nicht nur seine Kolonien verloren, sondern schicke sich an, durch Kinderarmut auch noch den ihm verbliebenen Raum zu gefährden. »Das Volk ohne Raum hat sich […] in erstaunlich kurzer Zeit auf die ihm zudiktierte Engräumigkeit eingerichtet und das Familienleben auf eine schon in naher Zukunft unausbleibliche Volksverminderung eingestellt.«84 Daran konnte sich in den folgenden Jahren ein Thema nahtlos anschließen: die Fremden.
Abbildung 13: Der Geburtenrückgang in Europa (1934)
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60 | Ein ewigwährender Untergang 1934 erschien »Sterben die weißen Völker?« Dasselbe, was er einst Deutschland drohen sah, sagte Burgdörfer nun den europäischen Völkern voraus. Auch sie liefen Gefahr, »ausgeboren« zu werden. Sie werden nicht aussterben, aber ihre innere Struktur wird sich ändern, und das Stärkeverhältnis der Völker untereinander; gemeint war in diesem Fall das von »Weißen« und »Farbigen«. Die eindeutige Bestimmung von Rassen schien Burgdörfer problematisch, zu viele Übergänge gebe es, zu wenig gesicherte Gesetzmäßigkeiten. Diese Einsicht hinderte ihn nicht, fortan die Weißen gegen die Farbigen zu setzen. Erstere besiedeln ein Drittel des Erdballs, doch werden sie diesen Raum behaupten können? Bislang, so Burgdörfer, ist ihre Zahl wesentlich stärker gewachsen als die der biologisch unterlegenen Farbigen. Nun sind sie bequem, müde und irre an sich selbst geworden, sie drosseln ihre Vitalität und sind dabei, Rassenselbstmord zu begehen. Die gelbe Rasse dagegen prosperiert, und sie wird noch stärker wachsen, wenn sie erst in den Besitz der medizinisch-technischen Errungenschaften der weißen Welt gekommen sein wird. Zwar bricht auch bei den Slawen die Geburtenrate ein, aber sie ist immer noch höher als in Europa. Weit schlimmer sieht das Bild aus, wenn man auch diese Zahlen bereinigt, dann verwandelt sich der noch bestehende Geburtenüberschuß in ein tatsächliches Defizit. Die germanische Ländergruppe wird gegenüber den Slawen an Gewicht verlieren. Die Globalisierung verschärft das Problem, denn die Wirtschaft kennt keine Rassen- und Volkstumsunterschiede, nur Arbeitskräfte und Konsumenten. Sie bevorzugt billige Arbeiter aus fremden, primitiven Völkern und leistet damit der Unterwanderung durch artfremde Elemente Vorschub. Ähnlich das Militär. Frankreich versucht, seine schwachen Rekrutenjahrgänge durch Afrikaner zu kompensieren, beschleunigt so die ohnehin bestehende Überfremdung und bietet den fremden Rassen eine gefährliche Einbruchstelle in das Abendland. So haben die Farbigen durch ihren Einsatz im Weltkrieg den Respekt vor den Weißen verloren, sie haben sogar ein weißes Volk »besiegt«! Mit diesem Bewußtsein sind sie in die Kolonien zurückgekehrt, das wird sich rächen.85 Und überall, in Süd- und Mittelamerika, in den USA und Australien, sind Neger und Eingeborene auf dem Vormarsch. Der biologische Niedergang erschüttert die weiße Herrschaft in Afrika, und bald wird »Afrika den Afrikanern«86 gehören. Es sind einfach nicht genug Weiße da, um die leeren Räume der Erde zu besiedeln und vor der Expansion der Farbigen zu bewahren. Werden sie wenigstens ihren Anteil an der Weltbevölkerung halten können? »Werden […] sie der steigenden farbigen Flut auf Dauer standhalten, oder werden sie von ihr unterwühlt und hinweggeschwemmt werden?«87 Diese Schicksalsfrage wird nicht auf den
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 61 Schlachtfeldern, sondern durch die Fruchtbarkeit der Mütter entschieden. Das war der einzige Hoffnungsschimmer. Deshalb wollte Burgdörfer letztlich von einem Naturgesetz des Völkertodes nichts wissen, allen historischen Beispielen zum Trotz. Menschen müssen sterben, Völker können ewig leben, wenn sie nur wollen. Wenigstens Hitler und Mussolini haben die Gefahr erkannt. Der Umschwung ist möglich, und Deutschland entwickelt sich zur Hoffnung für Europa – denn wie die Krankheit, so kann auch die Gesundheit anstecken. Alva und Gunnar Myrdal zählen noch heute zu den wichtigsten Intellektuellen der schwedischen Geschichte, ihr Einfluß ging zudem weit über das kleine Land im Norden hinaus. Gunnar Myrdal wurde 1898, Alva Reimer 1902 geboren. 1924 heirateten sie, und zunächst begann Gunnar eine steile Karriere: 1927 Promotion in Nationalökonomie, anschließend Dozent an der Stockholmer Universität, 1930/31 Professor in Genf, 1933 Nachfolger seines Lehrers, des angesehenen Nationalökonomen Gustav Cassel als Professor in Stockholm, Mitarbeiter zahlreicher staatlicher Kommissionen und 1938 der erste Ehrendoktor (von etwa 30). 1938 bis 1942 leitete er ein großangelegtes Forschungsprojekt der Carnegiestiftung über Ursachen und Mechanismen des Rassismus in den USA, das in dem heute noch berühmten Buch »An American Dilemma« mündete. 1945 bis 1947 war er schwedischer Handelsminister, daraufhin bis 1957 Exekutivsekretär der UN-Wirtschaftskommission für Europa. Die folgenden zehn Jahre leitete er eine Untersuchung über die Wirtschaftsentwicklung Südostasiens, aus der ein ebenfalls bekanntes Werk hervorging, »Asian Drama«. 1974 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie (gemeinsam mit Friedrich August von Hayek). Alva Myrdals Weg sah anders aus. Abitur 1922, Studium der Religionsgeschichte, nordischen Sprachen, Literaturgeschichte, Psychologie, Pädagogik und theoretischen Philosophie in Schweden, der Schweiz, England, Deutschland und den USA, je nachdem, wo ihr Mann gerade weilte. Sie war Assistentin in einer Stockholmer Rechtspsychiatrischen Klinik, hatte hohe Positionen in den schwedischen und internationalen Vereinigungen berufstätiger Frauen inne. Seit den 1930er Jahren war sie Mitarbeiterin zahlreicher staatlicher Untersuchungskommissionen und hatte sich durch Publikationen und Vorträge in ganz Schweden einen Namen gemacht. 1936 bis 1948 war sie mit Unterbrechungen Rektorin eines Erzieherinnenseminars, 1949 dann berief die UN sie zur Leiterin der Abteilung für soziale Fragen, 1951 zur Leiterin der sozialwissenschaftlichen Abteilung der UNESCO. Die schwedische Regierung ernannte sie 1955 zur Botschafterin in Indien,
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62 | Ein ewigwährender Untergang diesen Posten füllte sie sehr erfolgreich bis 1961 aus. Danach war sie von 1962 bis 1970 Reichstagsabgeordnete, von 1962 bis 1973 Vorsitzende der schwedischen Abrüstungsdelegation in Genf, von 1966 bis 1973 Ministerin für Abrüstungsfragen. Es regnete Preise und Ehrendoktorwürden, 1982 bekam auch sie den Nobelpreis, den Friedensnobelpreis.88
Abbildung 14: Der Inbegriff eines emanzipierten Ehepaares: Alva und Gunnar Myrdal (1940er Jahre)
In den 1930er Jahren traten die Myrdals medienwirksam mit dem Ziel an, die schwedische Gesellschaft grundlegend zu reformieren. Sie waren wortgewaltig, konfrontationsfreudig, literarisch unerhört produktiv, kosmopolitisch und gleichzeitig in unzähligen staatlichen Kommissionen und Institutionen engagiert. Mit ihren vergleichsweise informellen Umgangsformen, ihrer direkten Sprache und ihren effizienten Arbeitstechniken galten sie als »amerikanische« Intellektuelle, durch ihre gemeinsame Arbeit und »moderne« Lebensweise als Inbegriff des emanzipierten Ehepaares. Dementsprechend stilisierten sie sich in Kleidung und Auftreten; das Bild der gleichberechtigt gegenüberstehenden Schreibtische ist zu einer Ikone geworden (Abb. 14). In ihrem Heimatland waren beide bis in die 1950er Jahre hinein sehr umstritten, international aber früh populär (v.a. Gunnar). Mit Alvas Anstellung als Botschafterin und Abrüstungsexpertin sowie Gunnars
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 63 Rückkehr in die wissenschaftliche Politikberatung – seine Ausflüge in die aktive Wirtschaftspolitik waren nicht sehr erfolgreich gewesen – änderte sich das auch in Schweden. Anfang der 1980er Jahre waren sie dort zu Idolen aufgestiegen, v.a. Alva. Heute gehören sie zum nationalen Kulturerbe Schwedens. Die Myrdals hatten sich zu Beginn der 1930er Jahre instinktsicher in die schwedische Diskussion um den Geburtenrückgang eingeklinkt und ein Buch konzipiert, das, rasch geschrieben, die Bevölkerungsfrage zum Vehikel einer radikalen Gesellschaftsreform machen sollte. Der Plan ging auf. 1934 erschien »Kris i befolkningsfrågan« und dominierte fortan – heftig kritisiert, aber unangefochten – die Bevölkerungsdiskussion. Raffiniert plazierten sie das Buch genau zwischen den verschiedenen Positionen zur Bevölkerungsfrage, um das Feld neu aufzurollen. Zuerst stellten sie einen dramatischen Fall der schwedischen Geburtenziffer fest. Ein Ende des Niedergangs und die Konturen des gesamten Problems waren noch nicht genau zu erkennen, die Situation deutete für sie jedenfalls auf einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel hin. Die materielle Lage der Menschen sei prekär, sie hielten ihren Lebensstandard nur, indem sie die Fruchtbarkeit weit unter die Reproduktionsgrenze absenkten. Auch auf dem Land würden immer weniger Kinder geboren, zugleich sei eine flutartige Zunahme seniler Alter zu befürchten. Die unteren Sozialschichten bekämen im Verhältnis zu viele, die oberen zu wenig Kinder; das könne sich erst ändern, wenn die Verhütungspraktiken von oben nach unten durchgeschlagen seien. Soweit sind die Argumente bekannt. Die Myrdals teilten mit dem – wie sie es nannten – konservativen Lager die Sorge vor einem Schrumpfen der Bevölkerung, weil so »minderwertiges Volksmaterial«89 in das attraktive Schweden hineingesogen werde. Diese Minderwertigen drückten die Löhne und bedrohten die Stabilität. Von der konservativen Empörung über Geburtenkontrolle hielten sie dagegen nichts. Verhütung greife weder die Moral an noch führe sie automatisch in den Bevölkerungsrückgang. Im Gegenteil, mit den Neomalthusianern propagierten sie eine aktive Geburtenkontrolle und die Legalisierung von Abtreibungen; deren moralisches Pathos schien ihnen freilich hoffnungslos verstaubt. Statt dessen inszenierten sie sich als kühle Sozialingenieure: nüchtern die Probleme analysierend, sich keinem weltanschaulichen Lager unterwerfend, alle Seiten zugleich mahnend und in glasklarer Sprache rationale Lösungen entwerfend, die alle schmerzten, aber nichts weniger als eine vernünftige, harmonische Gesellschaftsordnung versprachen. Gunnar Myrdal hatte das an anderer Stelle einmal so formuliert: »Die neue sozialpolitische Ideologie trägt stark radikale und in gewisser Weise revolutionäre Möglich-
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64 | Ein ewigwährender Untergang keiten in sich. Sie ist intellektuell und kühl rationalistisch, während die alte, die immer noch herrscht, bedeutend sentimentaler war. Sie […] ist zu technisch orientiert, um sich in reinen Allgemeinheiten und nicht weltlichen Idealkonstruktionen zu verlieren. Denn sie ist ›sachlich‹. Ihre Romantik ist die des Ingenieurs. […] Das Reißbrett und der Zeichenstift sind radikalisierend. Wenn man beginnt, mit Durchschnittswerten und Indexserien zu arbeiten, verliert man so viel Rücksicht [auf veraltete Zustände].«90 Das Hauptproblem war die Gesellschaftsordnung. In der vorkapitalistischen Zeit bildete, den Myrdals zufolge, die Familie eine der Umwelt angepaßte Produktions- und Konsumptionseinheit, Mann und Frau produzierten als Familiengemeinschaft. Das Zeitalter des liberalkapitalistischen Individualismus reduzierte die Familie auf den Konsum und machte die Gesellschaft sehr viel patriarchalischer. Die alte Familienstruktur paßte immer weniger in die technisch-industrielle Gesellschaft, Frauen verloren ihre ehemals tragende Rolle und die zunehmende Desorganisation der Gesellschaft ließ sich nicht mehr durch Justierungen beheben. Deshalb schien den Myrdals eine gründliche, tiefgreifende Reform nötig, vom Kind, über die Familie, die Bevölkerung, zur Gesellschaft aufsteigend. Grundlage sollte die Reform der Wirtschaft bilden. Produktion und Export mußten gesteigert werden, um dem Staat die notwendigen finanziellen Mittel zu verschaffen. Dabei waren sowohl Produktion als auch Konsum planwirtschaftlich den Interessen der Gesellschaft unterzuordnen. Dann kamen die Familien. Einkommen sollten radikal zu ihren Gunsten umverteilt werden. Die Familien, die »als legalisierte Fortpflanzungsinstitutionen nicht gerade erstklassig arbeiten«,91 waren den neuen Verhältnissen anzupassen, damit der »Volksstamm«92 es wieder lohnend finde, sich zu reproduzieren. Dazu war eine prophylaktische Sozialpolitik vonnöten, um die materielle Last zu lindern. Als nächstes die Frauen. Die bekamen immer weniger Kinder, weil sich Berufstätigkeit, Hausarbeit und Mutterschaft nicht mehr vereinen lasse. Also mußte man neue Wohnungen bauen, in denen ein durchdachter Grundriß und ausgeklügelte Küchen die Hausarbeit durch Rationalisierung minimierten. Die Belastung durch Kinder schließlich sollte reduziert werden, damit Frauen sich wieder für Kinder entscheiden mochten. Bereits wenige Monate nach ihrer Geburt sollte der Nachwuchs seine Tage in Kinderkrippen, dann Kindergärten, Vorschulen und der Schule verbringen – und erst damit begann sich das geradezu atemberaubende Reformprogramm der Myrdals wirklich zu entfalten: der Aufbau einer demokratischen Volksgemeinschaft von unten her. Sie wollten nichts weniger, als die Menschen komplett umzuerzie-
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 65 hen, denn die Moderne habe diese zu atomisierten Egoisten gemacht; diesen exzessiven und falschen Individualismus machten Alva und Gunnar Myrdal für den Rückgang der Geburten verantwortlich. Bei den Alten schien ihnen nicht mehr viel zu machen, also dienten die Kinder als Einfallstor, um die Gesellschaft grundlegend zu renovieren. Sie sollten von unzufriedenen, überforderten Eltern befreit und ihre Erziehung in Krippen und Schulen kollektiviert, rationalisiert und entpathologisiert werden. Sie würden ausgebildet, ihnen würde im Kollektiv soziales Verhalten beigebracht, sie lernten die Grundzüge rationaler Lebensführung (Hygiene, Ernährung, Turnen usw.), sie stünden unter der ständigen Kontrolle von Lehrern und Ärzten, die jede mentale, soziale und gesundheitliche Abweichung notierten und korrigierten, und dann kehrten Abend für Abend die kollektiv und rational erzogenen und physisch wie psychisch normalisierten Kinder in die Familien zurück und halfen mit, die Eltern zu formen, soweit das ginge. Jedes Kind begleitete eine Gesundheitskarte, in die alle Beobachtungen notiert würden, aber auch Angaben zu den Eltern und den Lebensverhältnissen zu Hause. Dieses Programm sollte langfristig die »Menschen dazu bringen, das Benehmen, das wir als sozial wünschenswert ansehen […], zu mögen und zugleich das eigene Vermögen zu besseren Leistungen und größerem Glück zu entwickeln. […] Die Kunst ist es, das Kind zu veranlassen, die allgemeinen Regeln für unser Handeln, die ohnehin notwendig sind, ohne verzehrende Konflikte von innen heraus anzunehmen.«93 Diese Modernisierung der Familien benötigte einen neuen Menschentyp, einen freiwilligen, gesunden, kollektiven Mitbürger, der sich auf (für ihn selbst) harmonische und (für die Gesellschaft) optimierte Weise dem sozialen Leben anzupassen vermochte. »Freiheit« im alten Sinne war ein Zeichen für Auflösung, Kinder mußten zu individuell starken Kollektivisten erzogen werden, die sich ein-, nicht unterordneten. Nur innerhalb eines solchen Rahmens war Freiheit denkbar und sinnvoll. Erst dann hatten die verschleißenden Konflikte in den Familien ein Ende, erst dann entzogen sich die Väter nicht mehr in Kneipen und Vereine, erst dann bekamen Frauen wieder Kinder, erst dann wuchs die Bevölkerung, erst dann stieg ihre Qualität. Das war das Ideal einer harmonischen, konfliktfreien Familiengemeinschaft auf dem kleinen Raum des privaten Heims; es kreuzte sich mit dem sozialdemokratischen Projekt einer harmonischen, konfliktfreien Volksgemeinschaft im Raum des metaphorischen »Volksheims« (folkhem), einer Gesellschaft als recht und gerecht geordnetem Heim für Jedermann. Und die, die sich nicht einfügten? Für diejenigen, die sich den gesteigerten Anforderungen der modernen Arbeitswelt nicht anpassen
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66 | Ein ewigwährender Untergang konnten, sollten Spezialarbeitsplätze geschaffen werden. Blieben die Geistesschwachen, körperlich, seelisch und sozial Behinderten. Sie setzten zu viele Kinder in die Welt – aber was vererbten sie? Umstandslos wollten die Myrdals Sozialschicht und eugenische Qualität nicht korrelieren. Die Bedeutung von Umweltfaktoren dürfe nicht unterschätzt werden. Aber einen Bodensatz rassenhygienisch unerwünschter Individuen könne man sicher bestimmen und aussondern. Hier sollte auf Basis eugenischer und sozialer Indikationen extensiv sterilisiert werden, notfalls mit Zwang, auch wenn der eugenische Effekt dieser Maßnahmen ziemlich unsicher sei. Dieser »Bodensatz« war der Grund, warum beide trotz aller Bemühungen um steigende Fertilität zugleich auf Geburtenkontrolle durch Verhütung, Abtreibung oder Sterilisierung bauten: Nur die Kinder, die eine Chance auf gute Lebensbedingungen hatten, sollten auch zur Welt kommen dürfen. Alle anderen fielen den Eltern zur Last, außerdem könne man es ja kaum rechtfertigen, daß Kinder sich von geistesschwachen Eltern erziehen lassen müßten. »[A] very large number of births must be regarded as undesirable. […] In a democratic society we cannot accept a way of things whereby the poor, ignorant, and inexperienced maintain the stock of the population. In a democratic society we must definitely direct our attention to the abolition of both poverty and ignorance, that is to say, the very factors which for a long time have stimulated a high birth rate; we must do so even though the abundance of children produced by these factors is the only thing at present which prevents the population situation from being even more catastrophic than it is. […] On these principles we can accept no compromise. We cannot think of raising the number of children by holding back the advance of civilization«,94 trug Gunnar Myrdal 1940 in einer Vorlesung in den USA vor. Wenn man Burgdörfer und die Myrdals vergleicht, fallen zunächst einmal die großen Unterschiede auf. Hier der deutsche Professor mit einer soliden Beamtenkarriere in statistischen Behörden, dort ein junges »amerikanisches« Ehepaar, das mit großer Leichtigkeit zwischen Wissenschaft und Politik sowie Schweden und der Welt wechselte. Burgdörfer fand mühelos den Übergang ins »Dritte Reich«, die Myrdals kehrten 1940 aus den USA zurück, um ihr Land gegen eine drohende deutsche Invasion zu verteidigen. Burgdörfers Gesellschaftsmodell war vollkommen mit dem Nationalsozialismus kompatibel, die Vorstellungen der Myrdals mögen auf den ersten Blick totalitär erscheinen, tatsächlich aber war ihr Ideal einer politischen Verfassung ohne jeden Zweifel demokratisch. Burgdörfer entwarf ein sozialpolitisches Programm, um die traditionale Gesellschaftsstruktur zu sichern,
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VI. Exempla: Friedrich Burgdörfer und die Myrdals | 67 die Geburtenzahl zu erhöhen und die Nation zu sichern. Die Myrdals wollten die überkommene Gesellschaftsstruktur radikal umbauen und nutzten die Bevölkerungsfrage als Argument dafür (und versprachen zugleich, daß die Reformen die Geburtenzahl steigern und damit der Nation dienen würden). Daß Burgdörfer sich in der Bevölkerungsfrage engagierte, nimmt man ihm sofort als genuine Sorge um die deutsche Nation ab. Daß die Myrdals diese Frage aufgriffen, scheint rein instrumentellen Charakter gehabt zu haben – aber kann das stimmen bei dem Erfolg, den ihr Buch hatte? Das lenkt den Blick auf Ähnlichkeiten. Burgdörfer und die Myrdals operierten mit demselben Volk-Raum-Modell: Die deutsche bzw. schwedische Nation als abgegrenzte Räume wurden von einer rassisch homogenen Ethnie bewohnt. Diese Völker reproduzierten sich nur zureichend, wodurch beiden die Vergreisung und zugleich die Überfremdung drohte. Der Bevölkerungsrückgang provozierte Immigration, die weitgehend unwillkommen war; auch die Myrdals hießen höchstens Einwanderer aus den nordischen Bruderländern oder von Flüchtlingen aus höheren Sozialschichten willkommen. Was Burgdörfer die Slawen waren, waren den Myrdals die Finnen. Dieser rassisch differenzierten Fertilität stellten die drei die sozial differenzierte Fertilität zur Seite, also die Annahme, daß für unterschiedliche Sozialschichten eine hinreichend hohe bzw. niedrige Fruchtbarkeit wünschenswert ist. Die Welt wurde unterteilt in negative (fremde/asoziale) Elemente und positive. Die unerwünschten Teile der Gesellschaft mußten im Zweifelsfalle durch Sterilisationen »beschnitten« werden. Gemeinsam war den drei Protagonisten die Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und der verheerenden Wohnqualität in den Städten. Auffallend ist weiterhin, daß die Frauen im Zentrum der Aufmerksamkeit standen. Burgdörfer erwähnte Männer gar nicht, die Myrdals taten das nur am Rande, als Väter, denen man das Heim wieder schmackhaft machen mußte, damit sie zur Familie zurückkehrten und ihre Vaterrolle wieder wahrnähmen (das hat vor allem Alva Myrdal in einigen Texten angemahnt95). Die projektierte Bevölkerungspolitik konzentrierte sich ganz auf die Frauen. Bei Burgdörfer sollten sie den Beruf verlassen und zu Heim und Herd zurückkehren, bei den Myrdals vom Herd entlastet werden und im Beruf bleiben dürfen, um im Heim bleiben zu wollen. Das sieht wie eine freie Wahl aus, lief tatsächlich aber auf eine Konditionierung der Frauen hinaus. Die Menschen sollten, das war das Credo von Sozialingenieuren wie den Myrdals, freiwillig wählen lernen, was gut für sie war. Was gut für sie war, wußten die Sozialingenieure, und sie lehrten die Menschen wählen. Denn sie waren es schließlich, die das Problem den Menschen
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68 | Ein ewigwährender Untergang erst sichtbar machen konnten. Es waren allein die Kenner der Statistik wie die Myrdals oder Burgdörfer, die hinter optimistisch anmutenden Zahlen den rabenschwarzen Abgrund zu sehen in der Lage waren.96 War das alles bei den Myrdals nur rein instrumentell? Oder ist es ein Indiz dafür, daß der Bevölkerungsdiskurs die Diskussion im demokratischen Schweden auf eine ähnliche Weise strukturierte wie im erst demokratischen, dann totalitären Deutschland? Immerhin nannte Alva Myrdal die schwedische Übersetzung ihres Buches »Nation and Family« »Folk och familj«, und über solche Titelübereinstimmungen hinaus erkennt man rasch, liest man die Texte der drei genau, daß es immer wieder um die Dualität von Harmonie und Chaos ging, und um die Frage der Gemeinschaft in einer dynamischen Welt. Auch die Myrdals versuchten durch ihre Reformen ein traditionales Familienmodell zu erhalten; es unterschied sich – aus unserer Sicht – nur in Nuancen von dem Burgdörfers. Daß die Vorstellungen der Myrdals seinerzeit als »revolutionär« galten, darf den Blick auf die strukturellen Übereinstimmungen nicht verstellen. Die Frauen sollten für die Familie emanzipiert werden. Gerade an Alva Myrdals Biographie kann man erkennen, wie sie trotz ihrer erfolgreichen Emanzipationsversuche einem traditionalen Geschlechter- und Familienverständnis verhaftet blieb; Gunnar Myrdal erst recht.97 Ihre und Burgdörfers Texte zur Bevölkerungsfrage trieben die damals in Schweden wie Deutschland brennenden gesellschaftspolitischen Themen um, die Geschlechterfrage, die Großstadtkritik, die Nation und letztlich – alles überwölbend – die Frage, wie die Gesellschaft in Form einer (Volks-)Gemeinschaft in der und gegen die Moderne stark gemacht werden könnte. Das war kein genuin nationalsozialistisches Thema, sondern ein verbreitetes Unbehagen an der Moderne. Das nationalsozialistische Deutschland – und mit ihm Friedrich Burgdörfer – versuchte das Problem mit diktatorischen Mitteln zu lösen, Schweden – und mit ihm die Myrdals – auf demokratischem Wege. Die Problematisierung der Moderne war ihnen allen gemeinsam, die Lösung der Bevölkerungsfrage sollte die Moderne zähmen helfen.
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum
Wenn Friedrich Burgdörfer und die Myrdals typische Vertreter der Bevölkerungsdiskussion in Deutschland und Schweden waren, und wenn die auffallenden Ähnlichkeiten ein Zeichen dafür sind, daß ihre Beiträge Teil einer diskursiven Formation waren, dann müßte sich dasselbe Schema an zahllosen anderen Beiträgen zur Bevölkerungsdiskussion nachweisen lassen. Das tut es auch, allerdings scheint es nicht sinnvoll, nun an Beispiel nach Beispiel referierend zu wiederholen, was ich bereits beschrieben habe, um den Beleg zu führen. Ich werde vielmehr an einem sample von deutschen und schwedischen Texten vor allem der 1920er bis 40er Jahre einige zentrale Merkmale herausarbeiten, die allen Texten zugrunde lagen, um zu zeigen, wie stark die Texte der Autoren tatsächlich durch einen Diskurs formatiert wurden.98 In den späteren Kapiteln werde ich dann auf die Kontinuitäten bis in die Gegenwart eingehen. Zuerst eine chronologische Parallele. Die weitaus meisten Texte entstanden in den 1930er und 40er Jahren, als das Thema sowohl in Deutschland wie in Schweden besonders en vogue war. In Deutschland sollte die Kriegsniederlage von 1918 revidiert werden, und ganz im Sinne der strategischen Demographie setzten viele Autoren auf eine fruchtbarkeitssteigernde Familienpolitik, um Frankreich im nächsten Waffengang Paroli bieten zu können. Die Weimarer Republik war in ihren Augen allerdings wenig erfolgreich in dieser Hinsicht, erst der Nationalsozialismus versprach unmittelbar nach der »Machtergreifung« alle Erwartungen zu erfüllen. Reichserbhofgesetz, Kindergeld, Sozialhilfen, Mütterorden, Wohnungshilfen, Eheverbote, Sterilisationen – all das schien zunächst einmal die Zahl der »gesunden« Kinder zu steigern; freilich weniger stark, als erwartet, und bald war dieser Nachwuchs vieltausendfach aufgefressen durch den Krieg. In Schwe-
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70 | Ein ewigwährender Untergang den hing der moderne Sozialstaat, den die frisch an die Regierung gekommenen Sozialdemokraten aufbauen wollten, von der Produktivkraft des Landes ab. So hatte die Debatte um die Geburtenrate bereits vor dem Buch der Myrdals begonnen, aber »Kris i befolkningsfrågan« gab der Frage ihren enormen Schub, so sehr, daß sie von da an »Myrdalfrage« hieß, während Umstandskleider als »Myrdalkleider«, Betten als »Myrdalbetten«, familiengerechte Häuser als »Myrdalhäuser« und die Kinderzeugung schlichtweg als »Myrdalerei« bezeichnet wurden (Abb. 15). Dieser Erfolg trug dazu bei, daß die Regierung einen Komplex staatlicher, gewerkschaftlicher und privatwirtschaftlicher Kommissionen zur Bevölkerungsfrage initiierte, die bis Ende der 1940er Jahre die schwedische Gesellschaft in allen ihren Winkeln durchleuchteten: die Wirtschaftskraft der Regionen, die Besetzung der Gewerbe, die Wohnungssituation, Familienstrukturen, Einkommens- und Ausgabenverteilung, Versorgungslasten, Kleidungsstandard, Lebenshaltungskosten, Gesundheitsprofile, Debilitätsfrequenz, Funktionsstudien im Haushalt, Zubereitungstechniken des Essens, Standardisierungsmöglichkeiten für Produkte des täglichen Bedarfs, die Qualität von Haushaltsgegenständen, die Organisation der Sozialstatistik. Ergebnis war ein ganzer Katalog von wirtschaftlichen und sozialpolitischen Reformvorschlägen, die die gesamte Gesellschaft auf eine rationalere Produktions- und Lebensweise trimmen sollten. Aber auch hier fiel die Bilanz gemischt aus. Erfolge auf dem sozialpolitischen Sektor generierten nicht automatisch die Geburtenzahl, die man für notwendig erachtete. Die strategischen Mittel der beiden politischen Regime waren unterschiedlich, die Ziele aber dieselben: »More Children of Better Quality« sollten die jeweiligen Probleme lösen helfen.99 Nun die einzelnen Elemente des Bevölkerungsdiskurses: 1. Der Raum. Im Begriff der Bevölkerung wurde immer der Raum mitgedacht; ohne das Denken in Räumen konnte man Bevölkerung nicht zum Problem machen. Erst indem man die Fertilität auf geographische und soziale Räume bezog, ließ sich ein Maßstab für Unter- oder Übervölkerung, zu niedrige oder zu hohe Fruchtbarkeit oder, wie schon bei Malthus, für einen überdehnten oder entspannten Nahrungsspielraum entwickeln. Diese Beziehung wurde (und wird) allerdings von Bevölkerungswissenschaftlern selten so explizit formuliert,100 wie Elisabeth Pfeil das 1939 getan hat: »Ein Raum hat ›eine nach innen zusammenfassende und eine nach außen trennende Kraft‹; es bestehen Beziehungen innerhalb eines Raumes und eine Abgeschlossenheit nach außen.«101 Bevölkerung war für Pfeil eine Gemeinschaft, die einen Raum
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 71 gemeinsam erlebte und ein Anderssein, eine Eigenart gegenüber Bewohnern anderer Räume ausbildete. Erst durch den Raum wurde die Grenze zwischen innen und außen, Gemeinschaft und Fremden gezogen. Das war seinerzeit natürlich auf den nationalsozialistischen Lebensraum gemünzt, aber im Grunde konstituiert diese doppelte Grenze, die Gemeinschaft und Raum zugleich gegen andere abgrenzt, das bevölkerungspolitische Denken vom 19. Jahrhundert bis heute.
Abbildung 15: Die Störche bleiben aus – mehr Arbeit für die Myrdals (1937)*
Den wichtigsten Raum bildeten seit jeher die Nationen, auch wenn einige Demographen heute behaupten, daß der Begriff »Bevölkerung« nicht auf das Konzept »Nation« bezogen werde.102 Tatsächlich aber wurde stets stillschweigend vorausgesetzt, daß eine Nation in der Lage sein sollte, sich selbst zu reproduzieren, um den eigenen Raum zu füllen und dem Bevölkerungsdruck von außen standzuhalten. Dassel*
Bildunterschrift: »Es wird berichtet, daß der Storch nicht länger zum Storchen kommt. Neues Arbeitsfeld für Herrn und Frau Myrdal«. Unten links: »Die Herrschaften Myrdal auf dem Weg nach oben, um zu agitieren«. Gunnar Myrdal: »Nun, Alva, gilt es, naturgetreu aufzutreten ...«.
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72 | Ein ewigwährender Untergang be Modell ließ sich fallweise auch für die Großräume »Abendland« vs. »Osten« bzw. »die farbigen Völker« verwenden, hier bildeten die sonst fleißig konkurrierenden Nationen Deutschland, Frankreich, Schweden usw. plötzlich eine Schicksalsgemeinschaft und – implizit – die Einheit einer Bevölkerung in einem Raum. Die nächstkleinere Einheit bildete die Differenz von Stadt und Land. Immer wieder war es »das Land«, das seinen Bevölkerungsüberschuß an »die Stadt« abgab, immer wieder war es die Stadt, deren Bevölkerung sich nicht selbst zu reproduzieren vermochte, und die also Volk vom Land abpumpen mußte. Exemplarisch standen die beiden Metropolen Berlin und Stockholm für die Unfruchtbarkeit der Großstadt. Bleibe es bei der gegenwärtigen Geburtenrate, so wurde vorgerechnet, müßten die beiden Städte innerhalb weniger Generationen aussterben; und das ließ sich ebenfalls sehr schön in einer Graphik verdeutlichen (Abb. 16). Auf lokalem Niveau konnte sich diese Abgrenzung bis zu kleinsten Städtlein fortsetzen, denen vorgeworfen wurde, das Umland leerzusaugen. Immer wieder wurden in den Texten geographische Räume abgezirkelt, innerhalb derer sich eine dem Raum zugehörige Bevölkerung selbst erhalten können sollte. Das war allerdings selten der Fall, denn alle Räume waren durch ein Sog-Druck-Verhältnis miteinander verkoppelt. Bestand zwischen zwei Räumen ein Gefälle in der Bevölkerungsdichte, baute sich im übervölkerten Ausgangsgebiet eine ausstoßende, im untervölkerten Zielgebiet eine anziehende Wirkung auf – und damit ein Wanderungsdrang. Wenn ein Volk sich bewegte, bewegte sich auch das angrenzende, geschoben durch eine Kette von Nahbewegungen, die sich zu einem immer größerem Schub aufbauten, bis ein noch stärkerer Gegendruck dem Strom begegnete. Besonders anschaulich wird uns dieses Model von Alexander und Eugen Kulischer vorgeführt: »Der Stoß [durch die Bulgaren] war so gewaltig, daß die Ungarn mit einem Ruck über die Karpathen geworfen und wie ein Keil nach Mitteleuropa hineingetrieben wurden.«103 Bis zum Krimkrieg hatten sich die Wanderungsbewegungen im Rahmen der Alten Welt abgespielt, danach aber erfaßten, von Europa ausgehend, zwei Riesenströme die nördliche Halbkugel. Der Weg in die Neue Welt, die Emigration in die USA, erlitt auf dem Höhepunkt eine Hemmung, weil der Westen der USA gefüllt war. Die Amerikaner wurden auf ihren eigenen Osten zurückgeworfen und drosselten die Einwanderung. Das große transozeanische Abflußrohr war plötzlich verstopft. Rußland seinerseits wurde in Asien zur Umkehr gezwungen, so versagte auch dieses Sicherheitsventil. Der Druck der europäischen Völker aufeinander wuchs und explodierte furchtbar im Ersten Weltkrieg. Die Amerikaner mußten nach Europa gehen, um die »katastrophale Über-
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 73 schwemmung«104 zu beseitigen. Solch eine Mechanik der Bevölkerungsbewegungen, schrieben die Kulischers, sei nicht stillzustellen. Sie sei eine Naturgewalt wie jede andere, man müsse sie verstehen lernen, um sie zum Wohle der Menschheit beherrschen zu können. Druck, Sog, Spannung, Stoß, Schwung, Keil, Stau, Hemmnis, Dammbruch, Welle, vorrücken, weichen, nachrücken – mit solchen Begriffen wird in zahllosen Texten die Makrophysik der internationalen wie binnennationalen Wanderungsbewegungen explizit beschrieben, oft aber auch nur versteckt mit sprachlichen Bildern angedeutet. Zwischen Raum und Bevölkerung konnte freilich auch eine eugenische Beziehung bestehen. Der Raum, so hieß es bei Elisabeth Pfeil, züchtete eine Art um, eine Gattung paßte sich so lange an den Raum an, bis Raum und Bevölkerung harmonisch aneinander angeglichen waren. In einem Raum konnten verschiedene Rassen leben, aber der Raum bevorzugte eine Rasse, deren Eigenschaften er herauszüchtete und vereinheitlichte. Je reiner durchgezüchtet eine solche Rasse war, desto enger war sie an ihren Raum gebunden, desto gefährdeter war sie bei starken Umweltänderungen, die die Anpassung durch Auslese wieder in Gang setzten. Trat dagegen eine fremde Rasse in diesen Raum ein, minderte sich deren Fruchtbarkeit. Dieses Spiel von Angleichung und Differenz konnte man zwischen den verschiedenen Völkern, aber auch innerhalb eines Raumes finden, denn Räume waren nie homogen, sondern bildeten landschaftliche Sondertypen aus. Die kleinsten Räume waren durch die blutsmäßig und landschaftlich geschlossenen Heiratskreise bestimmt. In größere Räume wurden sie durch Kultur, Handel und Verwaltungsstrukturen eingebunden, aber immer wieder verfestigte sich durch die Kombination von natürlichen Landschaften und historisch zusammengewachsenen Regionen die Grenze eines Raumes gegen einen anderen. Diese war nie scharf, sondern eine Zone des Übergangs, sie umschloß aber deutlich unterscheidbare Kernlandschaften. Problematisch war nun die Durchmischung der räumlich verankerten Stämme, denn ein ostpreußischer Vater und eine rheinländische Mutter etwa zeugten als Kinder überdurchschnittlich oft den S-Typ, den »Typus des analytischen, auflösenden Menschen, dem die Kraft zur Synthese fehlt«.105 Dies ist die Raumvorstellung in ihrer rassistischen Extremform, aber das Prinzip findet sich bei zahlreichen deutschen wie schwedischen Autoren: Einem Raum entsprach eine ethnisch möglichst homogene Bevölkerung, die nicht kompatibel war mit anderen Ethnien, seien es die Slawen, die Finnen und vor allem Juden; auch nicht mit anderen deutschen Stämmen oder schwedischen Volksgruppen.106 »Man muß nicht Rassenchauvinist sein (und es ist sehr dumm, das zu
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Abbildung 16: Berlin reproduziert sich nicht selbst (1934)
sein), um zu sagen: Wir wollen nicht so verändert werden, wie wir es durch eine starke Einwanderung würden, wir wollen nicht unsere biologisch begründete Eigenart verlieren«,107 meinte 1935 der angesehene schwedische Demograph Nils von Hofsten. 5.000 Einwanderer im Jahre 1941 würden sich bereits 1985 zu sechs bis sieben Prozent der schwedischen Bevölkerung ausgewachsen haben, aber sie könnten nicht ins schwedische Volk einschmelzen. Die mitteleuropäischen Flüchtlinge solle man aus humanitären Gründen aufnehmen, aber, so schrieb Hofstens ebenso angesehener Kollege Hannes Hyrenius 1941, »[m]an muß kein Rassenphantast sein, um festzustellen, daß die biologischen, kulturellen und religiösen Verhältnisse für die Assimilierung der Juden ganz einfach Hindernisse in den Weg legen«.108 Innerhalb eines Raumes zählte vor allem der erwähnte StadtLand-Gegensatz. Was mußten sich die Städte nicht alles vorwerfen lassen: Berlin, die »unfruchtbarste Stadt der Welt«,109 die Stadt, »Wür-
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 75 gerin jungen Lebens«,110 sie »saugt wie ein Vampyr alle begabten Menschen, oft gerade die gesunden, kräftigsten und wertvollsten Menschen vom Lande in die Stadt hinein, um sie dann dort in 1 bis 2 Generationen zu vernichten«.111 Die meisten sinken ab in den sozialen Bodensatz der Städte, wo sie degenerieren und sich verstärkt fortpflanzen (ohne die Nativität insgesamt hinreichend zu heben); die wenigen Aufsteiger passen sich rasch den regenerativen Praktiken der höheren Schichten an, sind eugenisch also verloren. Individualismus, Atomisierung, Alkohol, Abort – weil aber die Infrastruktur auf dem Lande schlecht ist, sendet die Landbevölkerung »ihre Kinder in die Städte, wo sie zugrunde gehen. Die Quelle versiegt, und wie die Tiere der Urzeiten, so verschwindet unsere Rasse schließlich von der Erde.«112 Die Statistik bewies, »daß die Nordrasse sich nicht für ein Leben in Großstädten eignet. […] Wenn die Nordrasse durch die Industrialisierung auf naturwidrige Weise vom Grund und Boden losgelöst wird, so gräbt sie sich damit ihr Grab. Die Zellen sind anderer Meinung als der törichte Mensch, der die Macht zu besitzen glaubt, selbst über sein Schicksal bestimmen zu können. Die Erbmasse spricht ihre eigene, stumme, aber unerbittlich gegenteilige Sprache.«113 Schweden und Deutsche tauschten diese Ansichten auf internationalen Kongressen aus und waren einer Meinung. Bereits 1884 hatte Robert Pöhlmann (auf dünnster Quellenbasis) die Übervölkerung antiker Großstädte untersucht, die zu schlimmsten Krankheitserscheinungen geführt habe.114 Der Einfluß der Städte auf die Bevölkerung war allerdings noch komplizierter. Industriestädte beispielsweise seien im Gegensatz zu Großstädten als »junge Städte« anzusehen. Der industrielle Charakter des Erwerbslebens biete Frauen nur wenig Beschäftigungsmöglichkeiten, dadurch konnten sie ihrer eigentlichen Aufgabe, der Mutterrolle, treu bleiben.115 Außerdem formte auch die Stadt ihre Menschen. In aufwendigen Untersuchungen präparierte man für Breslau eine klare Korrelation von beruflicher Qualifikation, Physiognomie und rassischem Charakter heraus. In der Stadtverwaltung Breslau unterschieden sich Beamte, Angestellte und Arbeiter durch eindeutige körperliche Merkmale voneinander; die Feuerlöschpolizei wies einen hohen Anteil der nordischen Rasse auf; Prostituierte waren fettleibiger als bürgerliche Frauen und Mädchen; Schuhmacher kleinwüchsig, dunkel, mit einem hohen Anteil der alpinen Rasse; Handwerker mit vorwiegend sitzender Tätigkeit zeigten einen deutlich höheren Anteil der alpinen Rasse. Mit der Leistungshöhe der Berufe wuchs der Anteil der nordischen Rasse, soziale Aufsteiger entsprachen körperlich einem höheren Stand und bestätigten damit ebenfalls den Zusammenhang zwischen Physiognomie und Leistungsfähigkeit. Die Stadt siebte und
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76 | Ein ewigwährender Untergang zog diejenigen, die ihr schon ähnelten, aus dem Land heraus. Die Berufe siebten ebenfalls und bekamen das ihnen korrespondierende Material. Und dann formte die Stadt die Menschen physiognomisch weiter, so daß das geübte Auge rasch erkennen konnte, wer in die Stadt gehörte, in welchen Beruf und in welche Leistungsgruppe. Damit sei der Zusammenhang zwischen Rasse und Beruf, Schichtung und Typus, Großstadt und Großstadtmensch eindeutig geklärt, schrieb der Herausgeber der Studie (die Beiträge, wenn man sie nur halbwegs genau liest, verraten das Gegenteil).116 Da überrascht es nicht, daß neben den geographischen zusätzlich soziale Räume eröffnet und mit einer gewünschten Fruchtbarkeit korreliert wurden. Einmal, wie gesehen, Sozialschichten, zum andern aber Berufsgruppen. Die Landjäger und württembergischen Volksschullehrer seien nicht mehr in der Lage, »sich selbst aus eigenem Lebensquell zu ersetzen: ein erschütternder Beweis dafür, daß die stürzende Kurve, die ein ›Volk ohne Jugend‹ offenbart, sich auf die Erbgesunden bezieht, d.h. auf jene, die die Träger des Lebens und der Lebensleistung für das Volk der Zukunft darstellen«.117 Auch hier mußte also frisches Blut aus anderen Sozialräumen überführt werden. Umgekehrt konnten Berufsgruppen durch soziale Mobilität übervölkert werden, auch das führte zu einer Senkung der Geburtenrate. Wie man sieht, sind rassenhygienische Positionen nicht ganz widerspruchsfrei. Die Gemeinsamkeiten überwogen aber. Es gab geographische und soziale Räume, denen eine ideale Population entsprach, gesunde und ungesunde Räume. Immer wieder kam es zu einem Sog/Druckgefälle, zu Mißverhältnissen, die die Geburtenzahl quantitativ und qualitativ verschlechterten. Druck- und Sogverhältnisse mußten umgelenkt, Gegensog mußte ausgelöst und der Zugang zu Räumen begrenzend reguliert werden, um die Bevölkerung umzuverteilen. Jeder Mensch hatte seinen Platz, seine Aufgabe, jede Bevölkerung hatte ihren Ort. Jedes Ausweichen in einen anderen Raum geriet zur eugenischen Gefahr. Jede Bewegung drohte als Unordnung. Dagegen mußten die einzelnen Elemente der Gemeinschaft neu gegliedert und fixiert werden, nach Raum, Rasse, Schicht, Beruf, Geschlecht, geographisch und sozial, das korrespondierte einander. Das Land mußte wieder gefüllt, die Städte mußten aufgelockert werden. Die soziale Mobilität hinauf in die Mittelschichten oder hinab in den Bodensatz mußte reduziert werden. Die Menschen sollten es wieder attraktiv finden, ihren Platz einzunehmen und ihre Aufgabe zu erfüllen, ohne zu wünschen, was ihnen nicht entsprach: zuviel Bildung, zu hohe Positionen, bequemes Leben – denn dadurch gingen ihre naturgegebenen Qualitäten, die ihren Platz bestimmten, verloren.
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 77 Bleibt ein nur scheinbarer Widerspruch aufzuklären: Wie konnte man das »Volk ohne Jugend« und zugleich das »Volk ohne Raum«118 beklagen? Wie sollte das eigentlich schrumpfende Volk den »Lebensraum« im Osten – alter deutscher »Kulturboden« und deshalb nicht »fremd« – füllen? Indem es wieder wuchs. Der Versailler Vertrag hatte den deutschen Lebensraum massiv verkleinert und damit eine künstliche Übervölkerung geschaffen. Der Nahrungsspielraum wurde eng, die Menschen drosselten die Fruchtbarkeit, der Sog setzte ein. Also mußte man die Geburtenzahl erhöhen, um dem Bevölkerungsdruck (aus dem Osten) standzuhalten, dann aber wurde der deutsche Raum wieder zu klein – die innere Kolonisation, die Verschiebung von Menschen aus den überfüllten Regionen und Gewerben des Altreiches in die dünn besiedelten Grenzmarken, konnte da nur kurzfristig Abhilfe schaffen. »Lebensraum« tat Not. Dort, im Osten, würden die rassisch wertvollsten Bauern siedeln und die deutsche Volksgemeinschaft endlich wieder »aufnorden«.119 2. Die Eugenik. Dazu muß nicht viel wiederholt werden. Die differenzierte Fertilität betraf zugleich Rassen und Klassen; Eugenik und Sozialpolitik als Geschwister sollten die Nativität zugleich kanalisieren und stimulieren. Die Kinder waren zum kollektiven Eigentum der Gemeinschaft geworden, zum Kapital für die Zukunft. Der christliche Satz: »Du sollst die Kinder Deines Nächsten lieben wie die Deinen«, gab die Richtung vor. »Dieser Satz hat durch die heutige Sicht auf die erbbiologischen Zusammenhänge des Volkes einen stabilen biologischen Grund erhalten. Von den Kindern der nächsten Generation können wir auch biologisch wirklich sagen, daß sie unser aller Kinder sind, für die wir gemeinsame Verantwortung haben.«120 Das äußerte ein Schwede, und ein Landsmann hatte bereits 1911 gefordert, daß schon den Jugendlichen die Grundzüge der Erbhygiene gelehrt werden sollten, sie müßten lernen, daß bei einer Heirat die wichtigste Frage lautet: »[I]st er oder sie tauglich und würdig, der Vater oder die Mutter meiner Kinder zu werden? – Von Rednerpulten, in Schule und Kirche möge über unsere Verantwortung für unsere Nachkommen gepredigt werden, über eine Liebe, eine Solidarität, die nicht bloß das nun lebende Geschlecht umfaßt, sondern sich erstreckt auf kommende Generationen.«121 Bevölkerung ließ sich ohne die eugenische Komponente nicht denken, auch nach 1945 nicht, wie wir sehen werden. 3. Frauen und Männer. Die Autoren der Texte zur Bevölkerungsfrage waren fast ausschließlich Männer, die Protagonisten des Bevölkerungsproblems fast ausschließlich Frauen. Selbst bei Feministinnen wie Alva Myrdal oder Henriette Fürth tauchen kaum Männer auf. Myrdal beklagte die Abwesenheit der Väter, ihre Kollegin Rut Grubb fragte,
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78 | Ein ewigwährender Untergang warum man nur von unverheirateten Frauen, nicht aber Männern spreche; sie fordert gleiche Rechte und Pflichten in der Kindererziehung für Mann und Frau.122 Aber sonst? Da gab es angeblich keine Frau, die nicht Mutter sein wollte, aber viel unterdrückten Mutterwillen, aus Angst vor Untreue des Mannes, Arbeitsplatzverlust, Wohnungsnot. Man müsse ihnen die Kinder ermöglichen, denn die brächten Glück. Mütter seien verpflichtet, dem Volk das ihre zu geben – meinten auch die Schweden –, Mädchen sollten durch Haushaltskurse auf die Führung des Heims vorbereitet werden. Man dürfe nicht vergessen, daß der Feminismus mit der Gleichstellung der Frauen seine Aufgabe erfüllt habe. Emanzipation solle für, nicht von Mutterschaft freistellen. Letztlich hing die Geburtenrate für alle Autoren an der Fruchtbarkeit der Frau sowie an den Hindernissen, die ihnen das Gebären erschwerten. Zu diesen Hindernissen zählten Geld, Wohnung, Beruf und Moral, nicht aber die Männer. Letztlich blieb die Bevölkerungsfrage eine Krise der Frauen – selbst für Frauen.123 4. Natur und Kultur. Das war ein weiterer wichtiger Antagonismus, der neben Rasse und Klasse die Texte zur Bevölkerungsfrage strukturierte. Immer wieder lesen wir, daß auf dem Lande der gesunde Kern des Volkes lebte. In den Städten dagegen sammelte sich, der Natur entfremdet, das vergnügungs- und aufstiegssüchtige Volk. Aber städtische Lebensweisen wurden auch auf den Dörfern attraktiver. Die Schulen stopften die Jugendlichen mit sinnlosem Wissen voll, statt sie auf das praktische Leben vorzubereiten. Es gab zu viele Universitäten, zu viele Studenten, Bildungswahn und Intellektualismus. Jedem Menschen, jeder Menschengruppe sei ein bestimmtes Maß an Bildung zuträglich, was darüber hinausgehe werde zum Übel, hieß es in Deutschland, und in Schweden: Die meisten Menschen benötigten keinen täglichen Unterricht, vor allem nicht die debilen Kinder, die 15 bis 30 Prozent der Schüler ausmachten. Und sogleich tauchen die Frauen wieder auf, weibliche Akademikerinnen und Lehrerinnen, bei denen die Gefahr der Austrocknung des Gefühls- und Instinktlebens bestand. Frauen seien psychisch nicht so robust wie Männer, ihr Seelenleben sei von der Mutteraufgabe dominiert, aber bei Politikerinnen könne man bereits die mentale Maskulinisierung feststellen. Männer seien von Natur aus intellektueller und gefühlsärmer, also besser der Moderne angepaßt, während Sekretärinnen beispielsweise zum automatisch funktionierenden Bestandteil ihrer Schreibmaschinen verkümmerten. »Aber für Frauen muß dieses ständige Leben zwischen Maschinen, Ziffern, kalten Fakten und rationellen Arbeitsaufgaben oft eine Katastrophe mit sich führen, ein Verdorren des Mutterinstinkts. Also in Richtung sinkender Nativität wirken!«124 Was für einen Gegen-
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 79 satz bildeten da »die Zärtlichkeit der Bauersfrau gegenüber ihren Kindern und die linkische, seelenlose und gefühlstrockene Einstellung bei den intellektuell berufstätigen Müttern«.125 Vielen Männern ging es allerdings nicht besser. Akademiker waren durch ihre Studienschulden geknechtet, der Dienstmann hatte in der durchorganisierten Gesellschaft seine Wurzeln verloren, der Offizier tötete vom Schreibtisch aus, der Kanonier sah nicht mehr das Ergebnis seiner Arbeit, nicht mehr den lebenden Feind, sondern bloß ein in Ziffern codiertes Ziel. Die moderne Kriegsmaschine hatte Menschen in anonymes Verbrauchsmaterial verwandelt. Dagegen China und Indien, die von Einfachheit, Lebensfreude, Genügsamkeit und Poesie geprägt waren. Dort herrschte das Lebensideal des freien Vagabunden, im schärfsten Gegensatz zu den Geschöpfen der Zivilisation, den disziplinierten Robotersoldaten. Aus China wurde berichtet: Fällt die Reisernte gut aus, steigt neun Monate später die Geburtenzahl. So glücklich – und fruchtbar – war das natürliche Leben. Dagegen in der Zivilisation: Verderbnis, Mammon, Niedergang, Landflucht, Industrialisierung, Rationalisierung, Hetze, Verstädterung, Debilität, gesetzlicher Urlaub, Schlankheitsideal, Reiselust, ungebundenes Leben, Bequemlichkeit – die dramatischen Sittengemälde der zahlreichen Burgdörfers und Lundborgs entsprachen sich fast wörtlich. Da verging dann natürlich die Lust auf schreiende Kinder und stinkende Windeln. 5. Die Krise. Kaum ein Text vertritt die entspannte Haltung, daß es schon nicht so schlimm kommen werde. Im Gegenteil, stets wurde die Katastrophe vorhergesagt, aber sie lag immer in der Zukunft. Noch steigt, so hieß es unisono, die Bevölkerungszahl – jedoch: die Geburtenzahl sinkt, der Geburtenüberschuß wird kleiner, die Bevölkerung altert, sie wird aussterben. 1935 schrieb Folke Borg, daß der Bevölkerungsrückgang in den Jahren 1940 bis 1950 einsetzen werde, im Jahre 2000 befinde sich der schwedische Volksstamm auf dem raschen Weg hinab zur Viermillionenmarke. Eine Prognose für Deutschland sagte den Abstiegsbeginn für 1940 voraus, dann schrumpfe das Volk von 65 Millionen auf 49 Millionen im Jahre 1975; das Ende der Kurve sei nicht sichtbar. Nach 300 Jahren, so eine andere Modellrechnung, verminderten sich unter der Herrschaft des Zweikindsystems 1.000 Menschen auf ganze acht (Abb. 37). Und dann potenzierten sich natürlich die Ungeborenen: »Jeder Dahingegangene […] bedeutet für den Volkskörper nicht nur die Vernichtung eines einzelnen Lebewesens, sondern auch den Verlust der ins Grab mitgenommenen Zeugungsfähigkeit, der nicht erzeugten Nachkommen, samt deren Kindeskindern.«126 Im Rückblick ist keine einzige dieser Vorhersagen eingetroffen, damals aber wußte man definitiv, was zu erwarten war. Man hatte
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Abbildung 17: Die Katastrophe, graphisch bereinigte Form (1930)
schließlich (lange Zeit) Frankreich als Beispiel vor Augen. Ganze Landstriche verödeten im Süden, weil die Kinder ausblieben und die Bevölkerung in die Städte ziehe. Man habe versucht, Elsässer anzusiedeln, die seien aber nicht willkommen gewesen. Dafür ließen sich Neger in der Gegend von Bordeaux nieder und mischten sich mit der Bevölkerung; Mussolini fördere die Einwanderung von Italienern, um Südfrankreich zu beherrschen. Gustav Cassel, dem das berichtet wurde, hat all das nicht selbst gesehen, aber die Geschichte war ihm glaubwürdig genug, um sie in seine Memoiren aufzunehmen.127 Man konnte sie ja selbst bei Neomalthusianern lesen, nur mit umgekehrter Wertigkeit: »Die beiden Völker [Frankreich und Deutschland] verhalten sich ganz zu einander wie eine bemittelte Familie mit wenigen Kindern, die jedes Jahr ihr Vermögen und Einkommen vermehren kann, und die wenig bemittelte mit vielen Kindern, die anfängt, sich einschränken zu müssen, weil das Einkommen hinter der wachsenden Kinderzahl zurückgeblieben ist.« Ein intelligenter Masseninstinkt habe die Franzosen zu unbewußten Malthusianern gemacht hat.128 6. Harmonie. Die Problemmatrix sah so aus: Der Rückgang der Sterblichkeit ließ Erwachsene immer länger leben. Gleichzeitig beka-
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VII. Volk ohne Kinder, Volk und Raum | 81 men die aber insgesamt weniger Kinder, so daß die Gesellschaft langsam aber sicher zu überaltern begann. Die Ressource Mensch schwand, was von ihr blieb, war – infolge differenzierter Fertilität – zusätzlich durch Degeneration bedroht. Der Versuch, gegen diese Entwicklung eine ausgewogene Bevölkerungsstruktur, ein Bevölkerungsoptimum wiederherzustellen, glich Sisyphus’ Martyrium. Es war der Versuch, Ordnung zu schaffen, jeden an seinen Platz zu bringen, jeden dazu zu bringen, sich dort wohl zu fühlen, damit die Geburten wieder stiegen. Vier Kinder mußte die Frau im Schnitt bekommen, um die ausgebliebenen Leistungen der Unverheirateten, Kinderlosen und Nichtgeborenen zu begleichen. Ständig aber brachte die Dynamik der Moderne alles durcheinander, die Menschen wanderten und gebaren falsch, die Kurven wiesen nach unten, und die unzweifelhaft steigende Bevölkerungszahl verhieß doch nur Überalterung und den künftigen Abgang. Wenn sich die Situation mal entspannte, ein kleiner baby boom hin und wieder die Kurve ein wenig nach oben stemmte, dann rutschten die Demographen auf der rasch sich wieder neigenden Kurve erneut ab. Immerhin, das beschert ihnen bis heute Aufmerksamkeit. Denn in der Bevölkerungsfrage verkauft sich nur die Katastrophe. Ein Erfolg machte Demographen überflüssig.
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 83
VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen
Wir kennen nun die Matrix und die narrative Struktur des Bevölkerungsdiskurses. Außerdem dürfte deutlich geworden sein, daß wir es nicht nur mit sprachlichen Aussagen zu tun haben, sondern vor allem mit Bildern, seien es reale, seien es sprachliche Bilder. Die Bevölkerungsfrage hat so viel mit dem Sehen zu tun, gerade weil man Bevölkerung nicht sehen kann, Trends in der Bevölkerungsentwicklung erst recht nicht. Man sieht vielleicht mehr alte oder junge Menschen auf den Straßen, aber das kann Zufall sein. Bevölkerung und Bevölkerungsentwicklungen müssen sichtbar gemacht werden, vorher kann man weder ein Problem, Gefahren noch überhaupt das Phänomen Bevölkerung diskutieren. Vorher ist nur Chaos: »So verschiebt sich von einem Zeitpunkt zum andern die Altersgliederung der Bevölkerung, die Familienstandsgliederung, die Berufsgliederung, die Verteilung nach Stadt und Land usw. Da ist ein tausendfältiges Kommen und Gehen, Wachsen und Schwinden, Stoßen und Drängen, daß unser Blick verwirrt an dem Ganzen haftet, ohne die Einzelheiten festhalten zu können, wie das von einem schäumenden Wasserfall berauschte Auge nur die Gesamtform erfaßt, nicht die tausenden sprühenden und stürzenden Teilchen. Die exakte Gesellschaftslehre, die mit den Verfahren der Statistik arbeitet, hat keine Möglichkeit, ein dieser Fülle von bewegtem Leben auch nur irgendwie angemessenes Bild zu entwerfen. Sie kann mit den ihr eigentümlichen Mitteln nur eines tun: Die Tatsachen und Vorgänge vereinzelt aus ihrem organischen Zusammenhang herauszuheben und in einer gewissermaßen erstarrten Form der wissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen.«129 Man schafft Begriffe (»Anwesende Bevölkerung«, »Wohnbevölkerung«, »rechtliche Bevölke-
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84 | Ein ewigwährender Untergang rung«, »Geburtsbevölkerung« usw.), setzt Bevölkerung in Beziehung zu einer Fläche (Siedlungsweise, Bevölkerungsdichte) und gliedert sie nach natürlichen und gesellschaftlichen Merkmalen (Geschlecht, Alter, Familienstand, Heimat-/Staatszugehörigkeit, Gebürtigkeit, Sprache, Glaube, Bildung usw.). Erst dann hat man ein begriffliches Gerüst, um Bevölkerung als Phänomen benennen, abgrenzen und strukturieren zu können. Damit ist eine erste Form geschaffen, Chaos hat die Gestalt Bevölkerung angenommen. Die ersten Texte der Merkantilisten und Physiokraten bildeten diese Bevölkerung in der Form qualitativer Beschreibungen ab, oder aber als Statistik, sei es als Fließtext, sei es in Tabellenform. Aus diesen Zahlenmengen waren allerdings keine einfachen Schlüsse zu ziehen. Man mußte die Tabellen lesen können, um Charakteristika der Gestalt Bevölkerung zu erkennen. Die Ziffern hatten zwar Symbolkraft gewonnen, sie zeigten, daß Experten das Phänomen mit objektiven Techniken einkreisten. Meist fehlte ihnen aber die visuelle Schlagkraft einer einfachen, klaren Botschaft wie Malthus’ simpler Zahlenreihung oder Süßmilchs Bevölkerungsvervielfachungstabelle (Abb. 4). In Roschers »System der Volkswirthschaft« wird sogar eine Karte in Textform präsentiert (Abb. 18). Das war noch wenig anschaulich. Man sah das Phänomen noch nicht.
Abbildung 18: Landkarte als Text (1866)
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts tauchen immer raffiniertere Techniken des Sichtbarmachens in den Texten zur Bevölkerungsfrage auf:
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 85 Karten, Graphiken, kurze Statistiken; normierte Symbole, die quantitative Unterschiede, Kurven, die zeitliche Entwicklungen, Karten, die Vergleiche visualisieren. Immer weniger Blicke wurden notwendig, um diesen Darstellungen Zustände und Entwicklungslinien entnehmen zu können. Diese hoben allerdings nicht einfach ans Licht, was vorher sein Leben vermeintlich im Verborgenen geführt hatte und mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts nur mühsam sichtbar zu machen gewesen wäre. Symbolsysteme bilden nicht einfach die soziale Wirklichkeit ab und machen komplizierte Informationen einem breiten Publikum zugänglich, wie das noch einer der Altmeister der Bildstatistik, Otto Neurath, in aufklärerischem Geiste gemeint hatte.130 In Graphiken sichtbarmachen heißt vielmehr, daß etwas als etwas sichtbar wird. Es wird nicht neutral abgebildet, sondern ihm wird eine spezifische Form verliehen.131 So ist auch die Bevölkerungsfrage in unzähligen Graphiken, Karten und Beschreibungen und durch unzählige Wiederholungen derselben Schemata überhaupt erst als Problem konstituiert worden. Erst das hat die Bevölkerungsfrage immer populärer gemacht, daß sie immer begreiflicher wurde: reduziert auf zwei grundlegende graphische Formen und wenige symbolische Zahlen. Eine Graphik vor allem erlangte eine einmalige Durchschlagskraft – bis heute: Es ist die Abfolge Pyramide, Glocke, Urne. Sie soll auf Friedrich Burgdörfer zurückgehen, ist aber auch bei früheren Autoren zu finden. Burgdörfer hat den Dreischritt allerdings in seiner graphisch reinsten Form popularisiert und zum Paradigma der Bevölkerungsentwicklung erhoben (Abb. 11, 19). Die Pyramide steht für einen idealen Bevölkerungszustand, eine machtvolle Basis junger Menschen, die sich nach oben zu wenigen Alten kontinuierlich verjüngt, solide wie ein ägyptisches Bauwerk.132 Doch dann schlägt die Glocke und indiziert Geburtenabnahme und Überalterung der Gesellschaft – immer weniger junge Menschen an der Basis, der Mittelteil und die Spitze wölben sich. Die Urne schließlich steht am Ende der Geschichte, auf einem schmalen Fuß balanciert ein rundliches Gefäß voller Alter, die auf ihr Ende und das ihres Volkes warten. In einem genialen Übersprung von Metapher zu Evidenz symbolisiert dieses Triptychon aus Form und Begriff den Ablauf einer Bevölkerungsentwicklung von einem Ideal- zu einem Katastrophalzustand, die angeblich der Moderne geschuldet und kaum je umkehrbar ist. Bereits 1930 hatte Ernst Kahn die Sachlage noch stärker dramatisiert und die Pyramide einfach auf ihre Spitze gestellt (Abb. 20). Aber der Dreischritt hat sich als graphisches Narrativ gehalten, auch wenn die Glocke nun »zerzauste Tanne« heißt, was in Zeiten von Waldsterben und Wirbelstürmen auch kein positiveres Bild darstellt, die Pyramide nun manchmal fehlt und
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86 | Ein ewigwährender Untergang die Urne wie ein Döner aussieht (Abb. 20-22). Egal, ob die Graphiken nun die jahresweise Änderung der Geburtenrate genau abbilden oder sie graphisch zu einer Linie verschleifen, stets wird nur eine historische Entwicklungslinie dargestellt, der Weg vom Paradies in den Abgrund.
Abbildung 19: Pyramide – Glocke – Urne: differenzierte Fassung (1930)
Diesen Weg muß man nun zurückschreiten, so weit es noch geht, denn nur wenn die Basis breit genug und die Spitze schmal genug ist, ist der Altersaufbau gesund. Wenn dieses Muster 70 Jahre lang in Text nach Text eingehämmert und durch Abbildungen illustriert wird, gewinnt es die Kraft einer unumstößlichen Wahrheit. Die Statistik gerinnt zur Graphik und mutiert zum Wort: je reduzierter, desto eingängiger, desto eindimensionaler. Es reicht das Wort »Urne« und eine »Wahrheit« ist ausgesprochen – und eine bevölkerungspolitische Handlungsanweisung erteilt. Sie wird von unzähligen Leserbriefschreibern wiederholt und teilt Freund und Feind. Die Pyramide ist zum zeitlosen Paradigma eines gesunden Bevölkerungsaufbaus geworden, die Urne zu ihrem Fanal. Das Triptychon wurde zitiert, umgemodelt, blieb in seiner Grundstruktur aber immer erhalten. Mit diesem Modell vor Augen blickte man in die Antike zurück, suchte und fand den »Völkertod« und hielt ihn der Gegenwart mahnend vor Augen. Dieses Modell ließ sich aber auch auf die Dritte Welt übertragen, deren Bevölkerungspyramide in »Global 2000« eindringlich gegen die Urne der westlichen Welt gesetzt wurde (Abb. 51). Dabei weiß man inzwischen, daß die Pyramide einen Übergangszustand im 19. Jahrhundert charakterisiert, als nämlich die Zahl der Kinder durch mehr Geburten und geringere Säuglingssterblichkeit wuchs, die Alten aber noch relativ früh starben. Sie charakterisiert also
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 87 weder ein natürliches Bevölkerungsoptimum, noch ist sie der chronologische Ausgangspunkt aller Abstiegsbewegungen. Das Bild könnte anders aussehen. Man muß allerdings suchen, um es zu finden. 1960 publizierte Franz-Xaver Kaufmann seine Dissertation über »Die Überalterung«. Darin kommt er zu dem Schluß, daß der Bevölkerungsaufbau der Schweiz zwischen 1860 und 1950 einem ständigen Wandel unterworfen gewesen war. Mal Pyramide, mal Treppenpyramide, mal eine etwas schmalere Basis, die dann wieder nachwächst; ein stetiges Wechseln des Altersaufbaus. Auch das läßt sich graphisch fassen (Abb. 23), aber die beruhigende Botschaft hat keine visuelle Dominanz gewonnen, vermutlich, weil sie ambivalent ist. Kaufmann behauptete nämlich nicht, daß es kein Bevölkerungsproblem gab (und ganz massiv wetterte er gegen die Überfremdung der Schweiz). Er wollte es nur nicht dramatisiert sehen, sondern kühl behandelt wissen. Eine zweite graphische Form, die bis heute die Wahrnehmung der Bevölkerungsfrage formatiert, ist die Kurve. Die Technik, eine zeitliche Veränderung von Zuständen in die Form einer auf- und absteigenden Linie zu bringen, taucht seit den 1930er Jahren in den Texten zur Bevölkerungsfrage auf. Auf einen Blick kann man in unzähligen Publikationen sehen, wie die Kurve der Sterblichkeit über die Jahrzehnte gefallen ist, aber auch die Kurve der Geburtenzahlen, letztere sogar stärker. Außerdem haben Kurvengraphiken den Vorteil, nicht mit dem Jahr ihrer Erstellung enden zu müssen, sondern man kann wunderbar die zukünftige (prognostizierte) Entwicklung mitdarstellen. Und so rutscht in Graphik nach Graphik die Kurve der Geburten unweigerlich unter die der Gestorbenen, verwandelt sich der Geburtenüberschuß in ein immer größeres, meist dunkel hervorgehobenes Geburtendefizit (Abb. 24). Auch diese Botschaft gewinnt durch bildliche Wiederholung an Evidenz. Was aber ist mit der Tatsache, daß bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg, selbst in den größten Krisenzeiten, ein Geburtenüberschuß bestand, wenn auch schrumpfend, die Bevölkerung also wuchs, wenn auch immer langsamer? Nun, die Kurven beweisen unwiderlegbar, daß dieses Wachstum in Zukunft ein Ende haben wird. Die Bevölkerungszahl wird noch etwas steigen, dann wird die Kurve, je nach Prognose, sich sanft nach unten neigen oder drastisch abstürzen. Die meisten Autoren entschieden sich für die dramatischere Form (Abb. 17, 25-27). Die Kurve ist in den visuellen Haushalt übergegangen. Sie symbolisiert den wissenschaftlichen Ernst eines Textes. Sie repräsentiert vermeintlich reale Entwicklungen. Vor allem aber ist sie zur Aussage ihrer selbst geworden. Nicht mehr die Ziffern, die punktgenau auf ihr abgetragen werden, sondern die Form der Kurve ist die Botschaft.133 Eine seriöse Kurve ist zunächst einmal ein zackiges Gebilde, das im Idealfall
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Abbildung 20: Die Umkehrung der Pyramide (1930)
Abbildung 21: Die Basis der schwedischen Bevölkerungspyramide wird schmaler (1936)
jede Schwankung, jede Ausnahme verzeichnet. Sie ist vielfach interpretierbar, so wechselhaft wie die Realität halt ist. Man kann sie aber auch bereinigen, bis sie im Idealfall eine einzige klare Linie ergibt – oder man beläßt ein paar Zacken, um den Eindruck der Vielfältigkeit nicht ganz zu verwischen. Was aber bleibt, ist die bereinigte Linie, die eine –
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 89 und oft: nur eine – Interpretation aus der Masse der Daten herauspräpariert. So konnte 1946 in Schweden eine Zeitschriftenannonce eine Kurvengraphik ohne Koordinatenachse abbilden. Die beiden Kurven »Bildungsstand« und »Lebensstandard« wiesen gemeinsam nach oben, das war die Botschaft. Die extrem abstrakte Form ist zugleich extrem bildlich. Die politisch schlagkräftige Form wird über die wissenschaftlich »exakte« Form gelegt, ohne diese jedoch auszulöschen. Sie bedarf ihrer, denn sie versteht sich ja nur als deren Verdeutlichung (ähnlich hat Burgdörfer Pyramide, Glocke und Urne aus den jahrgangsweisen Verschiebungen des Bevölkerungsaufbaus destilliert).
Abbildung 22: Pyramide – Tanne – Urne (1984)
Und so indizieren auch in der Bevölkerungsfrage die Kurven unverdrossen die einzig mögliche Entwicklung, den Untergang. Er liegt immer in der Zukunft. Jede neue Kurve überholt eine alte, deren Absturz sich nicht materialisiert hat. Und selbst der Neomalthusianismus feiert da fröhliche Urständ. Im Bericht des Club of Rome zu den »Grenzen des Wachstums« fällt die Kurve nutzbarer landwirtschaftlicher Fläche weltweit rapide ab, die Kurve der benötigten Fläche schießt nach oben. Am Schnittpunkt wartet die Katastrophe (Abb. 28). Diese beiden Grundformen werden bis heute durch zahllose bildliche Darstellungen begleitet, die das Spektrum der Nebenwirkungen des Bevölkerungsrückganges visualisieren. Wenn allerdings Otto Neurath der Meinung gewesen ist, daß mit solchen Graphiken komplexe, reale Sachverhalte überhaupt erst informativ aufbereitet werden, so zeigt Otto Helmut, wie durch solche Abbildungen Informationen tatsächlich zuallererst konstruiert werden.134 Geburten- oder Sterblichkeitsrate, Anzahl der Kinder pro Frau oder Sozialschicht, das Ausster-
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90 | Ein ewigwährender Untergang ben der Berliner Bevölkerung oder das Schwinden wertvoller Familien werden nicht einfach durch normierte Symbole präsentiert, sondern die Darstellung evoziert handfeste Vorstellungen, was diese Entwicklungen bedeuten (Abb. 29-34). Neben einer Wiege stehen nun zehn statt dreier Frauen. Vor dem Brandenburger Tor tummeln sich nur noch wenige Menschen. Die Alterslast wird größer und drückt die Schar der wenigen Träger nach unten. Je kleiner die Kästchen werden, desto beengter werden die Lebensverhältnisse und desto gebückter müssen sich die Menschen in die Graphik einfügen. Je schlechter die Verhältnisse werden, desto schwärzer die Graphik. Je mehr die Slawen zunehmen, desto bedrohlich größer wird der Kopf. Ganz wie im richtigen Leben verhalten sich die Figürlein der Abbildungen. Haben die wertvollen Menschen Platz, flanieren sie im Raum. Wird der Raum eng, schränken sie sich ein, ihr Körper wird gedrückt. Die Kriminellen rotten sich zu Haufen zusammen. Verbrecher sind schlecht gekleidet, ihre Kinder raufen sich. Die Kinder der Gutsituierten sitzen sittsam am Tisch oder spielen mit dem Reif – aber es sind so wenige! Am Ende steht die Wahl: das Luxuspaar, das im Altersheim vereinsamt, oder die glückliche, bürgerliche Familiengemeinschaft.
Abbildung 23: Bevölkerungspolygon – stetiger Wandel der Form (1960)
Immer wieder wird die Dualität zwischen gut und schlecht eröffnet und eine Entwicklungsrichtung suggeriert. Die Abbildungen verdeutli-
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 91 chen nicht nur Mengenverhältnisse, sie transportieren durch die Art der Darstellung massive Wertungen. Durch diese Wertungen aber werden die reinen Zahlen erst mit Bedeutung geladen. Jene beweisen, daß diese nur auf eine Art gelesen werden können, als Indiz für die Katastrophe. Auf diese Weise immunisieren die in Graphiken transformierten Zahlen die dominante Struktur des Bevölkerungsdiskurses.
Abbildung 24: Sterblichkeit, Geburten, Geburtendefizit (1930)
Sie stellen eine suggestive Homologie zwischen Realität und Graphik her: Die Abbildungen sind bevölkert mit handelnden Menschen, die sich ihrem Sozialstatus gemäß verhalten – wie in der Realität. Die Graphiken zwingen sie zu einem bestimmten Verhalten – wie man es für die Realität prognostiziert. So nimmt es nicht Wunder, wenn Otto Helmut den Graphiken geradezu Beweiskraft zuspricht: »Aus nebenstehendem Bild geht mit furchtbarer Deutlichkeit hervor, daß wir ein sterbendes Volk sind, wenn die Entwicklung in der bisherigen Weise ihren Lauf nimmt.«135 Deshalb taucht in den Texten auch so oft der
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92 | Ein ewigwährender Untergang Satz auf: »Man sieht an diesem Bild unmittelbar, daß …«. Das Abbild ist die Wirklichkeit.
Abbildung 25: Fallende Kurven: Schweden 1938
Abbildung 26: Fallende Kurven: Deutschland 2003
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Abbildung 27: Fallende Kurven: Schweden 1979
Abbildung 28: Die neo-malthusianische Variante der Katastrophenkurve (1972)
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Abbildung 29: Der Rückgang der ehelichen Fruchtbarkeit (1934)
Nun ist Helmuts Broschüre im »Dritten Reich« publiziert worden, steht also per se unter Ideologieverdacht (der Verlag lieh die Abbildungen übrigens als Dias für Vorträge aus). Aber die Techniken der wertenden Illustration finden sich auch bei Friedrich Burgdörfer vor 1933, bei schwedischen Autoren oder in der Nachkriegszeit, etwa wenn erneut die Jungen unter der Last der Alten ächzen (Abb. 35, 36). Und selbst die nüchternen Balkendiagramme Friedrich Burgdörfers, mit denen der nach 1945 seinen aufgeheizten Botschaften das Pathos nehmen wollte, blieben bildlich genug, etwa wenn die Geburtenrate für die Sowjetunion als schwarzer Balken bedrohlich massiv, für den Westen aber erschreckend filigran ausfällt. Helmuts Musterkatalog der wertenden »Infographik« hat 1945 nichts an Aktualität verloren – zumal diesen Graphiken die eingängigen sprachlichen Bilder korrespondie-
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Abbildung 30: Die Last der Alten (1934)
ren, die die Texte durchziehen, die Geschichten der zahllosen Juke Families, die Horrorszenarien à la Birg oder Burgdörfer oder das Folgende aus dem Jahre 1935: »Die Jugend wurde immer weniger und schlechter. Die Städte wuchsen immer gewaltiger, und mit ihnen entstanden Krankenanstalten, Irren-, Krüppel- und Bewahrungshäuser in immer größerer Zahl. Das Land aber verödete. Der Bauer hatte nicht mehr den Ertrag seiner Arbeit. Landfremdes Kapital griff nach seinem Eigentum und trieb ihn in der Nacht von Haus und Hof. Viele Bauern führten ein Frondasein und mußten jeden Tag gewärtig sein, daß man ihnen den weißen Stab in die Hand drückte. Zu gleicher Zeit aber saßen in den Städten unzählige Arbeitslose und verbrachten mit Nichtstun und öder langer Weile ihre traurigen Tage, ausgeschlossen aus jedem Arbeitsvorgang, überflüssig im ganzen Volke als Almosenempfänger derjenigen Teile des Volkes, die noch mit Arbeit schwer und mühsam ihr Brot verdienten. Von Tag zu Tag aber wurde der zehrende Volksteil größer und der schaffende kleiner. Es war der Tag
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Abbildung 31: Degeneration der Bevölkerung durch differenzierte Fertilität (1934)
vorauszusehen, wo alles in einem großen Zusammenbruch enden mußte.«136 Das liest sich wie das Drehbuch eines Films, und genau dieser Plastizität verdanken exemplarische Geschichten, Krisenszenarien und Metaphern noch 30 Jahre später ihre Wirksamkeit: »Kriegsszenarien werden inszeniert, in denen ›menschliche Sprengsätze‹ ticken, ›Zeitbomben‹ gezündet werden, ›demographische Raketen‹ hochgehen, ›Millionengeschwader‹ anrücken, Bevölkerungen ›explodieren‹ – und damit ein neues Feindbild geschaffen wird, das uns das Fürchten lehrt. Bevölkerungen des Südens auf diese Weise als Zerstörungspotential und Bedrohung zu beschreiben, ist rassistisch. Begriffe wie ›Flutwelle‹, ›Menschenlawine‹, ›Springflut‹ von Flüchtlingen oder die ›Wucht der Bevölkerungswoge‹ naturalisieren die Menschen im Süden zur nicht vergesellschafteten Masse Mensch, zur unkontrollierten Biomasse, zur Naturkatastrophe, die auf den Norden zurollt. Durch diese Naturalisierung von Bevölkerung scheint eine aggressive, auch
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Abbildung 32: Das Anwachsen der Slawen in Europa (1934)
gewaltsame Intervention durch Bevölkerungspolitik oder auch gar Militär als Fluchtursachenbekämpfung legitimiert.«137 Vielleicht ist es kein Zufall, daß ein Klassiker unseres Themas, Hans Grimms »Volk ohne Raum«, ein Roman war. Denn im Grunde erzählt jede Graphik, jeder Text zur Bevölkerungsfrage eine Art Moralpredigt. Jahrzehntelang haben die Menschen die Dinge schleifen lassen, und so rollt nun die Welle der »Minderwertigen« im Innern und von außen heran (Unheilsprophetie). Die Sünder müssen sich besinnen und auf den rechten bevölkerungspolitischen Weg zurückfinden (Mahnung zur Umkehr). Aber die prospektive Moralpredigt kann nie zu einer retrospektiven Läuterungsgeschichte werden, denn die Krisis ist ewigwährend. Seit den 1920er Jahren wird unablässig effektiv visualisiert. Auf deutschen Hygieneausstellungen tickten zwei Uhren unterschiedlich.
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Abbildung 33: Stadt und Land (1934)
Sie zeigten, daß 1900 alle 18 Sekunden, 1929 aber nur noch alle 27 Sekunden ein Kind geboren wurde. In einem Modell erschien alle 24 Sekunden ein Storch und symbolisierte eine Geburt, alle 72 ließ sich ein Hochzeitspaar blicken, der Knochenmann kam alle 42 Sekunden.138 In Texten und auf Bildtafeln wiederum umreißen kurze, prägnante Statistiken mit wenigen Ziffern einen Trend. Drei Länder, drei Zeiträume und zwei Variablen – schon kann man eine Entwicklung beweiskräftig in »objektiven« Zahlen ausdrücken. Noch eingängiger ist eine einzige Ziffer geworden, die »zwei«, die bis heute geradezu magische Verehrung genießt. In den 1930er Jahren war es das »Zweikindsystem«, das den entscheidenden Punkt in der Lebensgeschichte eines Volkes darstellte. Vor dessen Herrschaft produzierten die Menschen genug Kinder, seither waren sie dabei, sich selbst auszulöschen, sind
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Abbildung 34: Die Wahl für die Zukunft (1934)
vielleicht zahllose Genies nicht geboren worden, nur weil die Frauen sich im Schnitt auf zwei Kinder beschränkten. Heute dagegen markiert die Ziffer »2,1« einen ersehnten Punkt in der Zukunft, wenn nämlich, nach einer immer noch andauernden Phase der Geburtenbeschränkung, deutsche Frauen endlich wieder im Schnitt 2,1 Kinder bekommen und damit die deutsche Bevölkerung reproduktiv auf einem stationären Niveau halten. Beide Male dasselbe Narrativ – wachsende Bevölkerung in der Vergangenheit, schrumpfende Bevölkerung in der Gegenwart, Absturz bzw. Aufschwung in der Zukunft – beide Male dieselbe Ziffer, an der die Zukunft hängt. Daß sich um dieselbe Ziffer völlig entgegengesetzte Zukunftsentwürfe drehen, daß »2,1« heute Hoffnung, vor 70 Jahren aber Untergang indizierte, ficht nicht an. Die Ziffer hat ihr Eigenleben entwickelt. Sie ist das Kind der Experten, sie wird von Laien rezitiert, sie schwirrt durch die Leserbriefspalten und verkörpert schon lange eine »Wahrheit«, ebenso schlagkräftig wie die »Urne«.
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Abbildung 35: Die sozialen Lasten der Überalterung: Deutschland 1930
Abbildung 36: Die sozialen Lasten der Überalterung: Deutschland 2006
Schließlich die Karten. In Karten werden Zustände und Bewegungen räumlich erfaßt. Die Abnahme der Fruchtbarkeit wird festgehalten, Wanderungsbewegungen werden verzeichnet oder über die Jahre hinweg die Geburtenzahlen von Nachbarländern verglichen. Wir finden eine Geburten- mit einer Selbstmordkarte korreliert, die Entlee-
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Abbildung 37: Der Bevölkerungsabstieg unter der »Herrschaft des Zweikindersystems« (1930)
rung eines Raumes sichtbar gemacht oder die geographische Ausbreitung von Rassen markiert. Mit Karten, die dem Gestaltungsprinzip der politischen Karte folgen, lassen sich Eindeutigkeiten herstellen, wo Vielfalt herrscht. Eine klare Grenze und ein eindeutiges Flächenmuster homogenisieren für einen Raum einen Zustand bzw. eine Entwicklung, die sich bei genauem Hinsehen auflösen würden. Es ist natürlich die Stärke solcher Karten, die Masse der Details zu einem Trend zu generalisieren. Das ermöglicht zugleich aber einfache Botschaften und verfestigt bestehende Sichtweisen. Und so wird auch auf den Karten unserer Texte zur Bevölkerungsfrage immer wieder dieselbe Bewegung sichtbar: Geburtenrückgang, Überalterung, Bedrohung von außen. Die Karten gehen dabei Allianzen mit dem Wort ein. Sie illustrieren die Botschaften vom Niedergang, sie benötigen aber auch das erklärende Wort, denn Karten sind arbeits- und platzaufwendig. Feinste Entwicklungsschritte können sie nicht, wie Statistiken oder Kurven, wiedergeben, meistens nur zwei, drei Momentaufnahmen. Die Bildüberschriften und Texte beglaubigen, daß es sich um die Abbildung von Trends handelt (Abb. 13, 38-39, 43, 45).139
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Abbildung 38: Wenig Geburten, viele Selbstmorde im protestantischen Abendland (1938)
Eine Sache wartete besonders darauf, sichtbar gemacht zu werden, nämlich die eugenische Seite der Bevölkerungsfrage. Die rassische Zusammensetzung eines Volkes entschied ja über dessen Zukunft; und weil die genetischen Pfade der Vererbung sich den Blicken entzogen, mußte man auf indirekte Daten zurückgreifen. Das waren einmal das Sozialverhalten und die Stammbäume, das war aber auch die Physiognomie. Man mußte das typische Aussehen der Menschen verschiedener Klassen, Stände, Berufe und Regionen ermitteln, um die rassische Zusammensetzung des Volkes und dessen Mischverhältnisse zu erschließen. Dazu wurden Menschengruppen in Räumen verortet und zuerst deren Augenfarben ermittelt. So kam z.B. Herman Lundborg in einer weiteren großen Studie, die 1919 in Schweden und 1928 bei Gustav Fischer in Jena erschien,140 zu dem Ergebnis, daß die
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Abbildung 39: Die Verteilung und Anteile der reinen nordischen Rasse in Schweden und an der schwedischen Bevölkerung (1919)
Schweden in mehreren mittelschwedischen Gebieten zu 75 Prozent helläugig waren, Finnen im Norden des Landes knapp unter diesem Wert lagen, während Sami zu über 75 Prozent braune oder gemischtfarbige Augen besaßen. Das ließ sich übersichtlich in einem Kreisdiagramm präsentieren, dieses Diagramm wiederum wurde als Beleg für die im Text aufgestellten Behauptungen herangezogen, daß die Augenfarbe als einheitliche Eigenschaft in Übereinstimmung mit Mendels Gesetz vererbt werde: »siehe im Übrigen das Diagramm!«141 Neben der Augenfarbe wurden Haarfarbe, Nasenform und die Maße ausgewählter Körperteile (Körpergröße, Kopf- und Gesichtsmaße) festgehal-
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104 | Ein ewigwährender Untergang ten. So ergab sich, daß die germanische (nordische) bzw. schwedische Rasse einen Stamm bildete: »Sie ist hochgewachsen und physisch kräftig, Kopf und Gesicht sind langgestreckt, die Haut hell und rötlich, das Haar blond und die Augen blau oder grau. Die Nase kurz und gerade.«142 Dagegen ist ein »Finne kurzgewachsen, kurz und grob gebaut. Er ist blond, in der Regel helläugig, das Haar ist gerade und drahtig, die Haut hell, oft etwas schmutziggrau; der Kopf kurz und ziemlich breit, wie das Gesicht. Das bekommt ein vierkantiges Aussehen, indem die Wangenpartien breit bis zu den unteren Kinnwinkeln verlaufen. Die Nase ist recht klumpig mit konkavem Nasenrücken (Stupsnase).«143 Eine Karte zeigt den Anteil des nordischen Stammes in den einzelnen schwedischen Regionen.
Abbildung 40: Vorwiegend nordischer Typus (1928)
Den Hauptteil des Werkes bildet dann ein photographischer Katalog über die unterschiedlichen Rassetypen und ihre Mischformen (Abb. 40, 41). Die Bildtafeln bestehen aus schwarzweißen Hochglanzphotographien, von denen einige koloriert sind. Eingeleitet werden die
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 105 Bildtafeln durch die Portraits einiger hochstehender Persönlichkeiten nordischen Typs, darunter Gunnar Myrdals Lehrer, Gustav Cassel (der sich in seinen Memoiren hochzufrieden darüber äußerte144). Cassel und vier weitere Persönlichkeiten sind namentlich benannt, die übrigen Abbildungen sind mit kurzen Unterschriften folgender Art versehen: »Rektor aus Svealand«, »Militärbeamter (Richter) aus Götaland«, »Bauer aus Norrland« (alle sind »nordisch«), »Lappische Mutter recht reinen Typs mit ihren zwei Zwillingen [sic!]«, »Waldlappe vom Mischtyp«, »Eigenheimbesitzer aus Norrbotten. Finnischer Typ«, »Småländische Kinder. Mehrere unterschiedliche Typen« (die Abbildung zeigt Kinder, wie sie zu sein pflegen: ganz unterschiedlich), »Zigeuner. Kriminell«. In den »Erklärungen der Tafeln« werden, soweit möglich, Geburtsdatum, Alter und Beruf des Vaters sowie die oben erwähnten Körperindices aufgeführt. Bei den Persönlichkeiten fehlen diese Indices, sie konnten vielleicht nicht vermessen werden.
Abbildung 41: Vorwiegend ostbaltischer Typus (1928)
Das Werk stellt mehr als eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Rassentypen dar. Es ist eine großartige Schule des Sehens. Durch derartige Bilder sollte man die physiognomischen Unterschiede, die sich in der Masse der Indexziffern manchmal nur in den Nachkommastellen offenbaren, sehen lernen. Bis ins 18. Jahrhundert läßt sich diese Annahme zurückverfolgen, daß der geschulte Blick enthüllen kann, was
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Abbildung 42: Mustertafel ostische Rasse (1929)
die Natur in der Physiognomie unumstößlich festgeschrieben hat. Deshalb erklärt Lundborg nirgendwo in dem Band, wie man den Rassentyp nun tatsächlich erkennt. Oft heißt es lapidar: »Typischer Lappenjunge«. Oder eben »Vorwiegend nordischer Typus«. Wo in Gustav Cassels Gesicht ist der nicht nordische Anteil zu entdecken? Schaut man sich die Bilder genauer an, stellt man fest, daß zumeist nur die Gesichter, frontal und im Profil, gezeigt werden. Weil sich rassische Unterschiede im Gesicht am deutlichsten zeigen? Weil wir im Alltag zumeist auf Gesichter achten, um Menschen zu unterscheiden? Außerdem werden die Portraitierten nicht neutral abgebildet. Sie sind in typische Kleidung gewandet, d.h. Tracht bei den Sami, Anzug bei den Schweden. Bei den Sami und Finnen überwiegen niedrigere Sozialschichten, bei den Schweden Studierende, Beamte und Offiziere, die von Kleidung und Haarschnitt »besser« und von der Haut her nicht so verbraucht und wettergegerbt aussehen. Aktaufnahmen zeigen Sami mittleren Alters, die nordischen und ostbaltischen Modelle dagegen sind im Durchschnitt jünger. So wird der Blick gelenkt. Unsere All-
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Abbildung 43: Anatomische Indices in Europa (1929)
tagserfahrung, daß wir Unterschiede zwischen Individuen an deren Gesichtern am besten identifizieren können, daß verschiedene Sozialschichten, Berufe und Regionen verschiedene Kleidung, Frisuren und Körperhaltungen zeitigen, wird rassisch aufgeladen. Die Tafeln zeigen, was man ohnehin schon weiß, aber sie lassen die Unterschiede nun grundsätzlich anders sehen und bewerten. Ohne den Kontext des Bandes, ohne die Bildunterschriften und ohne den geschulten Blick des Rassekundlers könnte man die Dargestellten teils für Duisburger Stahlwerker oder Berliner Gören halten, oder den Bauarbeiter aus Svealand für den Filialleiter einer Bank – und zwischen reinen Schweden, Vallonen und Juden erst recht keinen grundlegenden Unterschied mehr feststellen. Nach der Lektüre des Bandes hat man rassische Differenzen zu sehen gelernt. In Deutschland lieferte Hans F.K. Günther seinen Katalog, analog dem Lundborgs, fast zeitgleich mit diesem übrigens (Abb. 42, 43).145
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108 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 44: Die Radikalisierung der Bevölkerungsfrage (1934)
Allerdings dürfte man nicht die Differenzen an sich zu sehen gelernt haben, dazu ist das Vergleichsmaterial zu gering und sind die Gesichter zu unterschiedlich. Geschult mit Hilfe dieser wenigen Bilder konnte man in der Realität wohl kaum Rassennuancen wirklich feststellen. Aber man lernte zumindest zu sehen, daß rassische Unterschiede visuell zu ermitteln sind. Deshalb brauchte man als Leser aus den Bildern nicht Rassenunterschiede zu erschließen, sondern die Bilder zeigen die Rassen, als Essenz aufwendiger Erhebungen. Die Unterschiede werden in einer Bildgalerie festgeschrieben, d.h. als Unterschiede beglaubigt. Das wiederum ist durch die alltägliche Erfahrung von Unterschiedlichkeiten legitimiert, und damit ist die ganze Erhebungsarbeit beglaubigt. Die Bilder belegen, daß das Denken, welches die Bilder hervorgebracht hat, richtig ist, die Autorität des Werkes überzeugt den Betrachter, daß das dahinterstehende Denken richtig ist, weil er es aus dem Alltag ohnehin kennt. Anders sahen das allerdings die Zeitgenossen. Die Rassenbiologen gingen davon aus, daß ihre Leser durch »dauernde Nachschulung des Auges durch bewußtes Betrachten ras-
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VIII. Pyramide – Glocke – Urne: Die Gefahr sehen lernen | 109 sisch-belehrenden Bildmaterials« tatsächlich die objektive Gestalt der Rassen zu erkennen lernten, und zwar in allen Nuancen: »Erst wenn die ›reinen Bilder‹ haften, soll man sich an die Differenzierung gemischtzügiger Gesichter machen.«146 So lernt man in einem langen Prozeß zu sehen, was unsichtbar ist. Durch Bilder; durch die Masse aufeinander verweisender Photographien, Graphiken, Stammbäume, Metaphern, exemplarischer Geschichten, symbolischer Zahlen und Karten; durch die stetige Wiederholung; durch den Übergang von Abbildungen in Sprachbilder und Alltagserfahrungen in Abbildungen; durch Eindeutigkeit und Klarheit bekommt das Unsichtbare eine eigentümliche Form, in unserem Fall die Form Bevölkerung mit seinem dreifachen Bedrohungspotential: Überalterung, Degeneration, Überfremdung. Ohne das richtige Sehen hätte sich die Matrix des Bevölkerungsdiskurses nicht entfalten können.
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IX. Keine Stunde Null
Wer auf die Erscheinungsdaten der in den vorhergehenden Kapiteln genannten Texte geachtet hat, wird bemerkt haben, daß die NS-Diktatur für den Bevölkerungsdiskurs keine Zäsur bedeutete. Die Problemlagen blieben 1933 die alten, auch die Struktur des Diskurses. In Deutschland verschärften sich allerdings die Lösungsansätze. Die rassenhygienische Komponente führte bis zur Vernichtung von Geisteskranken und Juden – und als damit im Mai 1945 Schluß war, blieb das eugenische Denken bestehen. Kaum jemand stellte es in Frage, trotz der Morde und Verfolgungen, nicht in Schweden, nicht in Deutschland. Es hatte schon vor 1933 kaum Diskussionen gegeben, nur unterschiedliche Schwerpunkte wurden gesetzt. Kritik betraf so gut wie nie das Lehrgebäude, die Grundvoraussetzungen, sondern nur einzelne Punkte. Es war eine breite Allianz über politische, konfessionelle, nationale Grenzen hinweg, die den Bevölkerungsdiskurs trug bzw. durch ihn geprägt wurde.147 Nur einige wenige fundamentale Kritiker machten sich bemerkbar. Einen einzigen Text habe ich bislang gefunden, der dezidiert den gesamten Bevölkerungsdiskurs verwarf, alles, die Relevanz von Geburtenziffern, die Rassenlehre. Mit Zahlen könne man beweisen, was man beweisen wolle. Der Text erschien 1941 in Schweden unter einem Pseudonym.148 Unwesentlich zahlreicher waren die Kritiker, die mit der Erbhygiene nichts anfangen konnten. Bereits 1911 hatte sich Alfred Ploetz, nachdem er auf dem ersten deutschen Soziologentag über »Die Begriffe Rasse und Gesellschaft« referiert hatte, in der anschließenden Aussprache irritiert mit Vorwürfen Max Webers und anderer Soziologen auseinandersetzen müssen, daß nichts bewiesen sei, keine Fakten existierten, die ganze Rassenhygiene auf Werturteilen gründe und Neger wegen ihrer sozialen Exklusion unterlegen seien, nicht aus
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112 | Ein ewigwährender Untergang rassischen Gründen.149 1927 unterzog Wilhelm Schmidt Hans F.K. Günthers »Rassenkunde« und die Werke anderer Rassenhygieniker einer vernichtenden, höhnischen Kritik. Vulgarisierung, abwertende Urteile, Behauptungen und Auslassungen warf er vor allem Günther vor und machte sich über dessen rassische Hierarchisierungen lustig: Straßenbahnangestellte stellten eine gewisse Auslese dar, Schaffner seien nordischer als die Fahrer, die Aufsichtsbeamten nordischer als die Angestellten – »und der Herr Direktor der Straßenbahngesellschaft war der allernordischste, hatte den längsten Schädel, die blauesten Augen und das blondeste Haar«.150 Wohin das führte, hatte er beobachten dürfen. »Ein Universitätsprofessor, der die Studenten gern zu ›deutschen Abenden‹ einlud, drängte einen derselben, der das Unglück hatte, schwarzhaarig zu sein, ein von ihm empfohlenes Haarfärbemittel zu gebrauchen. Das stärkste Bedürfnis in gewissen nationalen Kreisen wäre zur Zeit ein Mittel, die Augen blau zu färben; wer es erfände, würde sicher steinreich werden. Um ihren armseligen ›ostischen‹ Rundkopf in einen ›echt nordischen‹ Langkopf zu verwandeln, lassen Professoren sich hinten das Kopfhaar und vorn den Bart lang wachsen.«151 Unsinn sei es, von afrikanischen Schulkindern die gleichen Resultate erwarten zu wollen wie von europäischen, die so viele Generationen Hochkultur hinter sich hätten (wobei erstere gar nicht einmal schlecht abschnitten im Vergleich); Unsinn auch die Rede von der ausgesprochenen Dummheit der Neger, für die Francis Galtons Reiseeindrücke als Beweis herangezogen wurden. »Was hat denn Galton von der Sprache der Neger verstanden, was von ihren Sitten und Anschauungen? Ist es z.B. Lenz und war es Galton bekannt, daß hundert Jahre nachdem die Europäer in Afrika waren, und fünfzig Jahre nachdem sie schon gelehrte Grammatiken und Wörterbücher der afrikanischen Sprache verfaßt hatten, sie noch nicht darauf gekommen waren, daß der größte Teil dieser Sprachen Tonsprachen sind wie z.B. das Chinesische? Wieviel Tausende sog. Dummheiten der Neger mögen wohl auf Mißverständnisse zurückzuführen sein, die aus dieser tatsächlichen Dummheit der Europäer hervorgegangen waren!«152 Am Ende war allerdings auch Schmidt bei der Rassenhygiene angelangt, einer, die auf die kulturellen Unterschiede von Rassen setzte. Gerade diese Unterschiede aber widerrieten seiner Meinung nach einer forcierten Mischung der europäischen, asiatischen und afrikanischen Völker. Vielmehr mußte die nordische Rasse durch die organische Umgestaltung der Gesellschaft in einen katholischen Ständestaat und durch eine »gesunde« Familienpolitik gestärkt werden. Er schloß seine Ausführungen mit ganz gewöhnlichen antisemitischen Vorurteilen. Immerhin, derart deutlich wurde Kritik am rassistischen Denken
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IX. Keine Stunde Null | 113 selten geübt. Franz Boas gehört zu den wenigen, die kulturelle Unterschiede für wesentlich wichtiger erachteten als biologische, Rudolf Kraemer kritisierte die statistische Basis der Rassenhygiene als schwach und ihre Axiome als Werturteile, die mehr oder weniger bewußt vom Gesichtspunkt der kriegerischen Tauglichkeit ausgingen. Eugenische Maßnahmen seien faktisch weitgehend unwirksam. Boas, Krämer und einige andere konnten sich zwar in Publikationen und auf internationalen Tagungen Gehör verschaffen, aber letztlich nie durchsetzen.153 Der Übergang der weitaus meisten Rassenhygieniker und Bevölkerungstheoretiker in das »Dritte Reich« stellte kein Problem dar. Einige hatten zwar nie etwas mit antisemitischen Vorurteilen und der angeblichen Überlegenheit der arischen Rasse anfangen können, bei anderen war die Grenze mit Zwangssterilisierungen gezogen, die sie aus ethischen Gründen ablehnten. Einige wurden aus politischen Gründen kaltgestellt, verändert hat all das weder die Rassenhygiene noch den Bevölkerungsdiskurs. Im Gegenteil, die Radikalisierung, die zur Vernichtung des »kranken«, »parasitären« Teils der Gesellschaft führte, war schon lange im Bevölkerungsdiskurs angelegt (es gab natürlich noch andere Vorgeschichten wie die Bakteriologie und die Schädlingsbekämpfung154). Im Nationalsozialismus war Rassenhygienikern endlich die große Reinigung des Volkskörpers ermöglicht, und zugleich sahen sich die Demographen am Ziel, den Abwärtstrend der Geburtenrate umzukehren. Deshalb konnten sie zunächst nichts Verwerfliches an der nationalsozialistischen Bevölkerungs- und Rassenpolitik erkennen. Das »Dritte Reich« verwirklichte, was sie seit langem für richtig hielten. Die Verschärfung hin zur Massenvernichtung konnte persönliches Unbehagen bereiten, wurde aber als notwendiges Übel hingenommen. Verwerflich wurde diese Politik mit einem Schlag im Mai 1945. Aber was lesen wir dann? Wir stoßen auf eine bevölkerungsbiologische Studie Ilse Schwidetzkys zum Problem des »Völkertodes«, publiziert 1954. Zwar wollte Schwidetzky die bisherige biologistische Terminologie durch eine eher soziologisch-systemtheoretische ersetzt wissen, doch als sie dann »möglichst deutungs- und theoriefrei«155 ausgewählte »Völkerbiographien« schilderte, sah das, am Beispiel des Untergangs Ägyptens, zusammengefaßt so aus: Es gab blonde Libyer, zu denen die Ägypter zunächst friedliche Beziehungen zu unterhalten schienen, denn man vermutet, daß König Cheops eine blonde Libyerin geheiratet hatte. Im Innern erhöhten Chaos, Hunger und Sterblichkeit die stets vorhandene Bedrohung von außen, nämlich die Unterwanderung durch Fremde.
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114 | Ein ewigwährender Untergang Drohende Revolution und äußere Gefahren wurden zunächst durch einzelne Fürsten gebannt, die Geburtenzahlen stiegen wieder; der Lebensraum wurde mit Hilfe fremdethnischer Hilfstruppen gesichert und ausgeweitet. Angriffe wurden abgewehrt, eroberte Völker kulturell und ethnisch assimiliert, »Volksfremde« wanderten friedlich ein. Es kam zu erneuten Wirren, der Wohlstand wurde untergraben, semitische Unterwanderung und fremdethnische Herrschaft waren die Folge. Noch einmal Sammlung der Kräfte, die Fremden konnten verjagt werden, in der Offensive wurden die Grenzen vorgeschoben. Aber im Innern ging es schlimm zu: In den oberen Ständen lockerten sich die Familiensitten, Prostitution griff um sich, leidenschaftliche Liebesgedichte wurden geschrieben, die Geschlechterbeziehungen wurden spielerischer, reiche Jünglinge betranken sich gerne im Kreise von Dirnen, aber die große Masse des Volkes blieb von solchen städtischen Lebensformen unberührt. Die Armee war durch Abwehrkämpfe gelichtet und mit Volksfremden aufgefüllt worden, die allmählich aufstiegen und sich mit Eingeborenen mischten, so daß ein neuer Gesichtstypus sich bemerkbar machte. Der Druck auf die Grenzen stieg, Welle um Welle brach herein, im Innern machte sich soziale Erstarrung breit. Eine Schicht berufsmäßiger Arbeiter ohne Besitz an Boden oder Produktionsmitteln entstand in den Städten, sie konnten nicht immer versorgt werden. Streiks, Aufstände, Attentate resultierten daraus. Der Süden wurde stark negrid durchsetzt, entägyptisiert und barbarisiert; Söldner verhalfen noch einmal zur Einheit des Reiches, aber das nationale Leben war schon lange am Ende – ca. 500 v. Chr. Später ging Babylonien unter, Assyrien gleich danach, und auch der griechische Lebensraum bröckelte unter dem Andrang der Barbaren. Die alten Völker verfielen durch willentliche Geburtenbeschränkung, Aussterben der Eliten, Rassenmischungen oder die Zerstreuung und Assimilierung einer Rasse in der Fremde. Oberschichten verbluteten sich in Kriegen, wurden von siegreichen Gegnern dezimiert oder gingen im Lotterleben zugrunde. Damit nahmen auch in der Gesamtbevölkerung die in den Oberschichten gehäuften Erbanlagen ab. Dieser Zusammenhang ließ sich zwar nicht nachweisen, war für Schwidetzky dennoch einleuchtend. Ohnehin gab es kaum gesicherte Erkenntnisse. Immer wieder wies Schwidetzky auf die äußerst dünne Quellenbasis hin. Das bewahrte sie allerdings nicht vor generalisierenden Urteilen. Immer wieder fahndete sie nach Blonden, nordischen Einschlägen und Entnordungstendenzen, sah Völker, Kulturen und Ethnien als Einheiten, abgrenz- und mischbar, lokalisiert in Räumen, Grenzen überschreitend, erobernd oder dissimilierend. Alle uns bekannten Themen sind in ihrem Buch versammelt, das Sog-Druck-Modell, die differen-
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IX. Keine Stunde Null | 115 zierte Fertilität, die Auflösung der Familien, der Geburtenrückgang, Stadtkritik, die Wirkung von Rassenmischungen, die erbhygienische Qualität der Bevölkerung, Überfremdung usw. Die angeführte Literatur deckt das gesamte internationale Spektrum der Rassenhygiene, Bevölkerungsbiologie und Bevölkerungswissenschaft ab, inklusive zahlreicher Texte aus der Zeit des »Dritten Reiches« (die übrigens, weil man ihnen Wissenschaftlichkeit zusprach, von keinem Autor verschwiegen wurden). Im Grunde liest sich der Text wie eine »Völkerbiographie« Deutschlands; er ist ein deutliches Indiz dafür, daß die Matrix intakt geblieben ist.
Abbildung 45: Die alte, »neue Rassenkunde«: Index-Raum-Korrelation zur Bevölkerungsklassifikation (1962)
Weitere Indizien finden wir 1952 bei Autoren, die mit derselben Vehemenz wie früher soziales Verhalten beobachteten und Menschen klassifizierten. Ein Klassifikationssystem konnte so lauten: A = anführend; O = einordnungsbereit, ohne Aufgabe der Persönlichkeit; K = vital, stark, eigenständig; B = vitalschwach, beiseitestehend; H = profilarmer Herdenmensch; G = gemeinschaftsstörend; S = sozial farblos, schwer einzuordnen usw. Diese Verhaltenstypen wurden als erblich bedingt postuliert. »Jeder Landeskenner wird z.B. vermuten, daß sich, falls die Beurteiler auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit treffsicher beobachtet haben, in den an Westfalen grenzenden Gebieten Niedersachsens oder auch bei den ›Heidjern‹ der K-Typ irgendwie gehäufter zeigen müsse, im Gegensatz zu dem an Mitteldeutschland grenzenden
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116 | Ein ewigwährender Untergang Südbezirk. Er wird vermuten, daß sich in den nordwestlichen Moorkreisen, besonders im Regierungsbezirk Aurich mit seinen einstigen Ansiedlungen von mehr oder minder asozial durchsetzten Menschengruppen, vielleicht heute noch eine gewisse relative Häufung des G-Typs zeigen müsse.«156 Diese Befunde werden, natürlich, bestätigt. Der Raum prägt nicht in erster Linie die Menschen, sondern er zieht bestimmte Sozialtypen an, die ihr Sozialverhalten dann vererben (erst in zweiter Linie kann man beobachten, daß die Bewohner der Walddörfer »in Richtung eines klein- und schmalwüchsigen, asthenischen Typus, einer Annäherung an Hunger- und Kümmerformen, die in dem verschiedenen Lebensstandard seine Erklärung finden dürfte«,157 abweichen). Sozialstatus, berufliche Position, Dauer der Arbeitslosigkeit, Intelligenzquotient und Kinderzahl, alles korrespondierte miteinander und war vererbbar. Je schlechter dieses Dispositionenbündel, desto mehr Kinder hatten die Untersuchten.158 Papillarmuster wurden als stammeskundliche Leitzeichen ausgezählt, in Karten festgehalten und auf diese Weise der Unterschied zwischen der einheimischen niedersächsischen Bevölkerung und Vertriebenen aus dem Osten »mit unerhörter Genauigkeit« herausgearbeitet. Bis in graue Vorzeiten zurück sollten auffällige Unterschiede in der Entwicklung verschiedener Bevölkerungsgruppen verfolgt und bevölkerungsbiologisch erklärt werden. Der zukünftigen Landesplanung könne das dienlich sein, etwa wenn sie die Ansiedlung von Industriebetrieben oder die Seuchenbekämpfung plane.159 In der Welt des alten Zigeuner- und Vagantenforschers Hermann Arnold vererbten Zigeuner ihren zigeunerischen Charakter von Generation zu Generation; Defektschizophrene, depravierte Trinker, kontaktschwache Debile, egozentrische Schizoide, Kranke und Säufer wanderten rastlos durch das Land, ohne Bindung zur stabilen Ordnung des bürgerlichen Lebens. Sie bildeten eigene Züchtungskreise, vermehrten sich stark, ihr »urtümlich-primitiver Wesenszug« schien sie mit den Paläolithikern zu verknüpfen.160 Und 1962 gab Ilse Schwidetzky – wiederum bei Gustav Fischer, der nach Stuttgart gewechselt war – eine »neue Rassenkunde« heraus, in der sie und drei Co-Autoren nach nordischen Elementen fahndeten und über endlose Meßserien Vererbungswege und -regeln zu ermitteln suchten. Körperindices, Augenfarbe, Fingerfurchen, Schmeckfähigkeit usw. wurden erhoben, zu Gruppen zusammengestellt und mit geographischen Räumen korreliert, um rassische Unterschiede zu belegen. Mit ehrgeizigem Eifer sammelten sie unermüdlich Daten, um ihre Rassenkunde endlich an den Maßstab objektiver Forschung: die modernen naturwissenschaftlichen Metho-
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IX. Keine Stunde Null | 117 den, heranzurücken, denn nur unter deren Schirm würden sie letztlich die Zweifler zum Schweigen bringen können. Nach wie vor aber war die Datenbasis löchrig wie ein Sieb. Da wurden Lippenformen auf Photographien gemessen und lieferten »vorläufige Ergebnisse« (Abb. 45), rassenbildende Mutationen bei Haustieren und Menschen wurden belegt durch die Zeichnung eines kraushaarigen Afrikaners, der ein kraushaariges schwarzes Schaf auf der Schulter trägt (Abb. 46). Ständig mußten Vermutungen ausgesprochen werden. Die falsche Einordnung blaugrauer Augen dürfte keine Rolle spielen; die Unterschiede in den Papillarmustern wurden durch die Mischung mit den Zugewanderten rasch eingeebnet, so daß die alte Volksordnung kaum noch rekonstruiert werden könne (trotzdem sollte man sie als Beweismittel bei Vaterschaftsbestimmungen verwenden!); Vergleichsstudien stammten aus dem 19. Jahrhundert, deren Werte (für Blauäugigkeit) mußten auf Grund anderer Beobachtungskriterien erst umgerechnet werden. Und nach wie vor hatte man keinen Zugriff auf die Vererbungsmechanismen: »Typendiagnosen stellen danach keine Gen- oder Abstammungsanalyse einer Person dar, sondern eine besondere Art der Deskription, nämlich eine deskriptive Kennzeichnung eben des Individuums, allerdings aufgrund erblicher Merkmale und somit doch genetisch verankert.«161 Deshalb, so Ilse Schwidetzky noch 1962, stünden die neueren populationsgenetischen Forschungen in keinem Gegensatz zur bisherigen Rassenforschung. Aber nach wie vor erschaute man die Erbwege. Mehr oder weniger geschulte Feldforscher zerlegten Individuen in eine Anzahl »kennzeichnender« Merkmale rassischer, morphologischer oder psychologischer Art. Aus der Menge der Merkmale konstituierte sich das Feld der Rassen samt ihrer Übergangszonen, so daß umgekehrt jedes Individuum punktgenau über Typenformeln verortet werden konnte: »4p2a (überwiegend pyknisch mit athletischen Anklängen)«. So trat »an die Stelle des mehr oder minder vagen Schätzens der in allen beschreibenden Naturwissenschaften allgemein verbreiteten ›reinen Typenschau‹ nunmehr ein kontrollierbarer Aufbau und damit eine ›gesicherte Typenschau‹«.162 Das war allerdings ein großer Irrtum. Trotz ihrer »objektiven« Verfahren blieb die neue Rassenkunde so alt wie ihre Vorgänger. Methodisch und inhaltlich kam sie über Lundborgs frühe Studien nie hinaus. Die referierten Arbeiten stammen freilich nicht von Spinnern, die im Verborgenen unbeachtet blaue Augen und Papillarlinien auszählten. Schwidetzky und zahlreiche ihrer Kollegen gehörten im und nach dem Nationalsozialismus in die vordere Reihe der wissenschaftlichen Politikberatung, sie waren durchgehend in effektive Netzwerke der Be-
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118 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 46: Mensch und Tier als Mutationsgemeinschaft (1962)
völkerungspolitik eingebunden.163 Weder »Auschwitz« noch die »Aktion T4« hatten ihnen geschadet. Selbst diejenigen von ihnen, die tief in die nationalsozialistische Vernichtungspolitik involviert gewesen waren, hatten wenig Schwierigkeiten, von ihren skandinavischen, amerikanischen oder englischen Kollegen Persilscheine zu bekommen. Fachlich war man international auch nach 1945 einer Meinung: Den jeweiligen Volkskörpern drohte nach wie vor schwerer eugenischer Schaden, und nichts bestätigte besser die wissenschaftliche »Reinheit« der deutschen Eugenik, als diese Gemeinsamkeit des Denkens über alle politischen Zäsuren und nationalen Grenzen hinweg. Ingenieure, Architekten, Wissenschaftler, Beamte oder eben Rassenhygieniker zogen alle dieselbe Linie zwischen ihrer angeblich strikt sachbezogenen Arbeit und deren »Mißbrauch« durch das »Dritte Reich«. Sie »dienten nur der Sache!« Das funktionierte in Deutschland, überzeugte aber auch im Ausland, aus der tiefverwurzelten Überzeugung heraus, daß Wissenschaft und Politik unversöhnliche Gegensätze seien. Und selbst diejenigen Experten, die ihre Fähigkeiten dezidiert dem nationalsozialistischen System zur Verfügung gestellt hatten, reklamierten für sich, daß sie politische Vorgaben und die ideologische Kontaminierung ihrer rein fachlichen Tätigkeit stets abgewehrt hätten. Hatten sie sich politisch doch zu weit aus dem Fenster gelehnt, konnte das als »Verfehlung«, von der man sich 1945 distanzierte, abgeschrieben werden. Das Recht auf den »politischen Irrtum« sprachen sich nicht nur die Deutschen selbst zu, es wurde ihnen auch von ihren ausländischen Kollegen zugestanden. Außerdem wurden sie ja benötigt, etwa von niedersächsischen Heimatpolitikern, die 1946 eine Überfremdung des niedersächsischen Stammes, ein Ersticken unter einer fremden Schicht befürchteten – die Rede war von ostdeutschen Landsleuten. Die Politiker über-
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IX. Keine Stunde Null | 119 legten, die Flüchtlinge an die Orte zu lenken, von denen deren Vorfahren einst zur Besiedlung des Ostens aufgebrochen waren, um den rassisch-völkischen Bestand der Niedersachsen zu erhalten. Ähnlich sah es in anderen deutschen »Stammesgebieten« aus.164 Die alte Generation überstand also die »Stunde Null«, aber selbst der wissenschaftliche Nachwuchs legte nach. 1957 machte Hans Wilhelm Jürgens den »biologischen Anspruch auf Territorium« geltend (wovon sich die publizierende Zeitschrift übrigens distanzierte). Historische Ansprüche auf einen Raum verlören an Überzeugungskraft, »wenn nicht eine lebendige Volkskraft dahintersteht«. Nehme aber die Geburtenrate in der Bundesrepublik weiterhin derart ab, »läuft das deutsche Volk Gefahr, seinen biologischen Anspruch auf die umstrittenen Ostgebiete zu verlieren«.165 1961 wurde Jürgens mit einer Arbeit über »Asozialität als biologisches und sozialbiologisches Problem« habilitiert. Seinen aufwendigen statistischen Erhebungen zufolge zeichneten sich Asoziale gehäuft durch körperliche Abnormalitäten aus, sie wichen morphologisch überall (d.h. in den USA, Schlesien und Süddeutschland) auf dieselbe Weise ab. Immerhin konnte er Entwarnung geben. Die Asozialen merzten sich zwar nicht selbst aus, hatten sich aber dem generativen Verhalten der Restbevölkerung angepaßt. Das Leistungspotential des Volkes war nicht gefährdet. Einen Restbestand an Gemeinschaftswidrigen werde die moderne Gesellschaft jedoch immer produzieren.166 Und so ging es weiter.167 Immer wieder kam er hoch, der bedrohliche Gegensatz zwischen Gemeinschaft und Außenseitern, zwischen der saturierten bürgerlichen Welt und den in ihr hausenden »Gemeinschaftsunfähigen«. Noch in den 1960er Jahren formatierte diese Dualität das Denken. Weiter ging die Suche nach biologischen Gliederungsprinzipien der Bevölkerung, die Gliederung nach Intelligenz, Sozialschicht, Beruf, Physiognomie usw., und die Festlegung statischer Korrelationen zwischen diesen Größen. Dann wurden Individuen Segmenten zugeordnet, in die sie aus »natürlichen« Gründen hineingehörten, und die sie nicht verlassen können sollten. Wenn diese Zuordnung und Fixierung geleistet werden könnte, dann würde endlich eine stabile soziale und ideelle Ordnung herrschen, dann hätten die zahllosen Durchmischungen ein Ende, dann wären endlich die destruktiven Folgen der Moderne stillgestellt. So stabil ist die Matrix des Bevölkerungsdiskurses geblieben.
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X. Eugenik im Wohlfahrtsstaat | 121
X. Eugenik im Wohlfahrtsstaat
Die Geschichte der deutschen Eugenik ist bekannt.168 Interessant ist nun die Frage, welche Auswirkungen die nationalsozialistische Bevölkerungs- und Vernichtungspolitik auf Schweden hatte. Zumindest um die Nürnberger Rassengesetze, die Ausgrenzung der Juden und das Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses wußte man weltweit. Bremste das nordische Ambitionen, eugenische Praktiken zu legalisieren und zu institutionalisieren? Immerhin handelte es sich um eine Demokratie, die, trotz eines gewissen Opportunismus im Zweiten Weltkrieg, wenig von totalitären Zwangsmaßnahmen hielt. Auch in Schweden (und den anderen skandinavischen Ländern) hatten Ärzte und Statistiker Ende des 19. Jahrhunderts die »Geistesschwachen« ausfindig gemacht, und wie in Deutschland oder den USA versprach man sich auch in Schweden, mit Sterilisierungen der Gefahr Einhalt gebieten zu können. Sterilisierungen waren allerdings gesetzlich nicht geregelt, das beunruhigte die Ärzte, die diese massiven Eingriffe in die persönliche Integrität der Patienten auszuführen hatten. Jahrelang übten ihre Lobbygruppen Druck auf die skandinavischen Parlamente aus, Vorbilder hatten sie etwa in einigen US-Bundesstaaten oder dem sozialdemokratisch regierten Sachsen, das bereits 1923 ein solches Gesetz beschlossen hatte. 1929 und 1935 verabschiedete Dänemark zwei Sterilisierungsgesetze, Schweden folgte 1935 und 1941. 1935 wurde nur die Sterilisierung dauerhaft unmündiger Menschen geregelt, wobei Ärzte sowohl über deren Unmündigkeit entschieden als auch – im Verein mit den Behörden – über deren Sterilisierung. Allerdings war man sich der schwachen Begründungsbasis eugenischer Maßnahmen bewußt. Die Degenerationsfurcht war zwar der Motor des Gesetzes, doch begründet wurde es mit ökonomischen Belastungen – den angespannten Sozialkassen – und moralischen Gefähr-
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122 | Ein ewigwährender Untergang dungen. 1941 wurde ein zweites Sterilisierungsgesetz verabschiedet, das durch seinen präzisierten Rahmen den Ärzten einen größeren Interpretationsspielraum gab, wer aus sozialen Gründen zu sterilisieren sei. »Asoziale Lebensweise« wurde nun ausdrücklich als soziale Indikation aufgenommen, und damit konnte der Zugriff etwa auf körperlich Behinderte oder mündige Menschen, die sich freiwillig sterilisieren lassen wollten, erfolgen – wobei der Begriff »freiwillig« in der Praxis erheblichen indirekten Druck einschloß. Die medizinische Indikation (Sterilisierung zum Schutz der persönlichen Gesundheit) begann erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine entscheidende Rolle zu spielen. Bis dahin dominierten die eugenische (Sterilisierung wegen vererbbarer Geisteskrankheiten) und die soziale Indikation. Letztere schrieb den Lebenswandel und die amtlich festgestellte Unfähigkeit, die eigenen Kinder erziehen und versorgen zu können, als Sterilisierungsgrund fest. Betroffen waren v.a. Frauen, die grundsätzlich als schwach und verführbar oder als besonders sittenlos und deshalb als besonders gebärfreudig galten. Da in den Oberschichten verhütet wurde, kamen die unerwünschten Kinder ganz unten zur Welt, und deren Mütter trieben den Verfall der Gesellschaft voran. Außerdem war »Sittenlosigkeit« ja ein Indiz für »Geistesschwäche«, und im Rückblick haben Betroffene berichtet, wie rasch ein Mädchen »geistesschwach« werden konnte. Es reichte, einmal zu oft auf die Tanzbahn zu gehen und vom Pastor bei den Behörden angezeigt zu werden. Diese Sicht führte in der Folge dazu, daß wesentlich mehr Frauen als Männer in die Fänge der Sterilisierungspraktiker gerieten und sterilisiert wurden. Da die Sterilisierungsgesetze geschlechtsneutral formuliert waren und die Frauenbewegung die Sterilisierungsdebatte nicht als Frauenfrage ansah, weil sie scheinbar nur Geistesschwache betraf, wurde dieses Ungleichgewicht verdeckt. Verschärft wurde dieses Mißverhältnis, als die sogenannte »Mischindikation« eingeführt wurde. War eine Mutter durch zu viele Kinder und Hausarbeit »verschlissen« und drohte dadurch der Ehe das Ende, sollte die Ehe durch eine Sterilisierung der Frau gerettet werden. Medizinisch wurde die Konstitution der Frau erfaßt, sozial auf den Erhalt der Familie abgezielt. Waren Männer für den schlechten Zustand einer Familie verantwortlich, so wurden sie in der Regel nicht sterilisiert. Dieses merkwürdige Verständnis von »Humanität« rückte nach dem Kriege immer stärker in den Vordergrund – infolgedessen nahm der Anteil der Frauen an den Sterilisierungen erneut zu, von 63 Prozent (1942) auf 99 Prozent (seit 1965). Das zeigt, wie stark die eugenischen Praktiken auf das soziale Verhalten fokussiert waren – und auf Frauen aus den Unterschichten.
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X. Eugenik im Wohlfahrtsstaat | 123 Daß das Verfahren so reibungslos funktionierte und die Schlagseite verborgen blieb, liegt an der Verfahrenspraxis. Die Sterilisierungsgesetze wurden zwar in den Parlamenten erlassen, in Schweden von einer sozialdemokratischen Regierung, in einem parteiübergreifenden Konsens. Widerstand gab es, wie übrigens auch in Dänemark, nur rudimentär. Allerdings waren das nur Rahmengesetze. Die Ausführungsbestimmungen wurden nicht durch diese Gesetze, sondern maßgeblich durch die Medizinalverwaltung geschaffen. In Handbüchern, Richtlinien, Rundschreiben und der Korrespondenz mit Ärzten fand allmählich eine ganz wesentliche Verschärfung statt, die der Gesetzgeber nicht intendiert und vorhergesehen hatte, die er aber sanktionierte. Die Verwaltung beschrieb Standardsituationen, in denen Sterilisierungen erwünscht seien, ermächtigte Ärzte zu Eingriffen und verlangte in den Berichten der Kliniken Begründungen, wenn ein Patient nicht sterilisiert worden war. So schuf sie ein Klima, das Sterilisierungen begünstigte, auch wenn, strikt dem Gesetz folgend, physischer Zwang unterbunden wurde. Vor Ort, in den Kliniken, wurden die Möglichkeiten aufgegriffen. Abtreibungen, die Entlassung »Geistesschwacher« aus den Anstalten oder Sozialleistungen für Mütter verknüpften die Praktiker mit der Einwilligung in eine Sterilisierung; die prinzipiell neutral gehaltenen Formulare wurden durch Gutachter konkret mit sozialen Vorurteilen und moralischen Wertungen gefüllt, die so in die »Objektivität« ärztlicher Expertise transformiert wurden. Indem die Sterilisierungspraxis aus der politischen Arena in die Bürokratie und in die Anstalten und Krankenhäuser verschoben wurde, konnte sie sich, der öffentlichen und parlamentarischen Debatte entzogen, ohne Widerspruch radikalisieren. Die Gewaltenteilung ist in Schweden traditionell schwach ausgeprägt, die Justiz keine unabhängige Gewalt, wohingegen Verwaltungsinstitutionen große Gestaltungsspielräume genießen. Außerdem sind sie, bedingt durch die korporative Gesellschaftsverfassung des Landes, in die Judikative eingebunden, sitzen also teilweise über ihre eigenen Entscheidungen zu Gericht.169 Für die Opfer war das ein undurchsichtiges System, gegen das sie nur schwer ankommen konnten. Selbst als in den 1950er Jahren die wissenschaftliche Basis der Eugenik fragwürdig zu werden begann und nunmehr auch »Geistesschwachen« ein Schutz ihrer persönlichen Autonomie zugestanden wurde, konnten die Sterilisierungen in einzelnen Institutionen fortgesetzt werden. Sie waren längst von ihrer eugenischen Grundlage entkoppelt und Teil der täglichen Routine in den Krankenhäusern geworden. Ihr Ende wurde nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse, öffentliche Proteste oder eine moralische Debatte bereitet, sondern sie verloren einfach ihre Funktion als Ord-
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124 | Ein ewigwährender Untergang nungsinstrument der Gesellschaft. Man sah sie zunehmend als irrelevant an, ohne sie freilich jemals ernsthaft in Frage zu stellen. 1975 wurde die bisherige Praxis vom Gesetzgeber per Federstrich als unzeitgemäß beendet. Zweifel hatten der Eugenik nie wirklich etwas anhaben können. Zwar machten selbst nationalsozialistische Autoren durch indirekte Formulierungen Skepsis transparent: »So sehr wir noch in den Anfängen einer aussichtsreichen jungen Forschung stehen – die grundlegende Tatsache einer nachweisbaren Vererbung geistiger Eigenschaften steht einwandfrei fest und kann nicht mehr ernstlich geleugnet werden.«170 Und: »Es genügt der Hinweis, daß hier [bei der Vererbung von Jähzorn, Eigensinn, Zerfahrenheit, Gefühlskälte usw.] oft verwickelte Erbgänge vorliegen, die es häufig recht schwer machen, zu deutlichen Ergebnissen zu kommen.«171 Man wußte, daß die erbbiologischen Theoreme nicht zu beweisen waren, doch war man sich sicher, daß die Genetik den Beweis künftig liefern werde. Ähnlich sah es in Skandinavien aus. Dort sieht man einen Widerspruch zwischen einer weitgehenden Angst vor dem Verfall der Gesellschaft und der faktischen Ausformung des eugenischen Gesetzesnetzes. Das fiel bei weitem nicht so feinmaschig aus, wie es sich mancher Experte gewünscht hatte und wie es den verbreiteten Sorgen entsprochen hätte. Auch hier kreiste die Eugenik um ihre ganz charakteristische Leerstelle, sie konnte nicht bewiesen werden. Außerdem kam es auf Grund unterschiedlicher professioneller Prägungen der Experten zu zahlreichen Konflikten. Juristen bestanden aus Gründen des Rechtsschutzes auf einer restriktiven Anwendung der Gesetze, Rechtsmediziner zweifelten an der Definition für »Geistesschwäche«, die bei einem IQ von unter 75 beginne, die Ärzte der einen Anstalt hielten Geistesschwäche für heilbar, die Ärzte einer anderen befürworteten extensive Sterilisierungen. Grundsätzlich aber stellten selbst die Skeptiker die Eugenik nicht in Frage, und so wurden trotz aller Zweifel in Schweden zwischen 1935 und 1975 über 60.000 Personen, je nach Schätzung etwa 20.000 von ihnen gegen ihren Willen, sterilisiert, die meisten von ihnen »geistesschwache« Frauen.172 Die noch junge Genetik dagegen kritisierte die alte Rassenhygiene massiv. Sie warf ihr vor, in erster Linie auf Ideologie zu gründen. Sie verwarf den rassistischen Ansatz und natürlich die Datenbasis, auf der all die Rassen- und Klassenvorurteile der Eugenik bauten, die peniblen Beschreibungen sozialen Verhaltens. Der Schwede Gunnar Dahlberg, um nur ein Beispiel zu nennen, wandte sich 1940 gegen simple Vererbungstheorien. Bei braunen Bohnen etwa bekomme man Generation für Generation dasselbe Mengenverhältnis kleiner wie großer Bohnen. Die Umwelt beeinflusse sicherlich die Größe, das aber werde nicht
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X. Eugenik im Wohlfahrtsstaat | 125 vererbt. Massive Selektion könne Defekte nicht beseitigen, ebensowenig allerdings positive Eigenschaften: »Die Dummen können niemals die Genies ausrotten.«173 Defekte akkumulierten nicht durch Vererbung, sondern würden im Erbgang gestreut und dadurch entschärft. Von »reinen« Rassen hielt Dahlberg gar nichts, die angeblichen Merkmale, z.B. die Augenfarbe, ließen sich nur mit Willkür scharf gegeneinander abgrenzen. Tatsächlich seien die Übergänge fließend, was auch ausländische Rassenforscher oft enttäuscht feststellen müßten, wenn sie in den Norden reisten und dort auf so viele leicht übergewichtige Schweden mittleren Alters stießen. Den nordischen Idealtyp, den sie suchten, gebe es nur selten; die »Kriterien« für Rassenzugehörigkeit, z.B. die durchschnittliche Körpergröße, wandelten sich im Laufe der Geschichte ohnehin beständig. Das Gerede von einer »jüdischen« Rasse verwarf Dahlberg komplett. Er war zuversichtlich, daß die alte Eugenik verschwinden werde, weil sich die junge Generation der Genetik, also der wissenschaftlichen Wahrheit anschließen werde. Und zum Beweis für den wissenschaftlichen Quantensprung illustrierte er sein Buch über »Erbe und Rasse« mit der Photographie eines Chromosoms der Fruchtfliege, samt eines Schemas ihres Aufbaus und der Plazierung bereits bekannter Gene. Nichts versinnbildlichte besser, daß die moderne Genetik weiße Flecken kartographierte, während die alten Eugeniker mit Zeichnungen scheel dreinblickender Gestalten nur abstruse Vorurteile zu Papier brachten (Abb. 47, 48). Ganz so einfach stellte sich die Geschichte allerdings nicht dar. Genetik und Eugenik existierten mehrere Jahrzehnte nebeneinander her. Weder setzten die Genetiker zum Sturm auf die Rassenhygiene an, noch blieb diese völlig unbeeindruckt von den Ergebnissen der Genetik. Zudem zeigten sich auch Genetiker empfänglich für sozialhygienische Ansätze. Durch ihre Experimente an Fruchtfliegen hatten sie endlich eine naturwissenschaftliche Methode gefunden, den Erbhaushalt von Lebewesen zu bestimmen und zu verändern. Von rassischen Hierarchien hielten sie nicht mehr viel, Rassenmischungen erschienen ihnen aber trotzdem bedenklich wegen der geistigen und körperlichen Unterschiede. Auch wollten sie »Asozialität« als ein »komplexes Manifestationsbild polymerer Gendefekte«174 aufspüren und streng wissenschaftlich, effektiv und auf humane Weise kontrollieren und vermindern, um soziale Schäden zu reduzieren (das war der Schwerpunkt der Sterilisierungsgesetze der 1930er Jahre). So sollte durch die Kontrolle der menschlichen Fortpflanzung eine Gesellschaft genetisch und sozial gleichwertiger Menschen geschaffen werden, frei von »Asozialen«. Weil aber die genetischen Experimente mit Fruchtfliegen sich nicht auf die klinische Forschung an Menschen übertragen ließen, setzten
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126 | Ein ewigwährender Untergang genetisch geschulte Eugeniker erneut auf umfangreiche anthropologische Karteien, um soziale Vererbungsmuster statistisch belegen und den erbhygienischen Schadenszustand der Bevölkerung erfassen zu können – und sie setzten auf die klassischen eugenischen Techniken:
Abbildung 47: Vererbungsgänge: nun wirklich wissenschaftlich (1940)
Sterilisationen, Eheverbote usw., um Rassen und Schichten getrennt zu halten. Letztlich übernahm diese »Reformeugenik« die Ausgangshypothese und Zielbestimmung der »orthodoxen« Eugenik – sie zielte auf die Vererbbarkeit als negativ definierter sozialer Eigenschaften –, kritisierte diese zwar wegen ihrer »Unwissenschaftlichkeit«, war aber selbst nicht in der Lage, das missing link, den wissenschaftlichen Beweis für die Vererbungslehre, zu liefern. So trieb die Leerstelle die Eugenik weiterhin voran und sorgte zugleich dafür, daß sich Experten und Politiker im Wissen um dieses Fehlen stets einer gewissen Zurückhaltung bei der eugenischen Gesetzgebung wie der Genehmigung von Sterilisierungen befleißigten. Nach dem Kriege sollte auch diese Strömung der Eugenik als »ideologisch« kritisiert werden, durch die Humangenetik. Aber die Vorstellung hält sich bis heute, daß bestimmte Menschengruppen aufzuspüren seien, um sie zu eliminieren – z.B. behinderte Kinder schon vor der Geburt. Es mag nun weniger der Staat sein, der bevölkerungspolitisch auf »gesunde« Kinder hinarbeitet, sondern es sind vor allem Eltern im Verein mit Ärzten und Geneti-
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Abbildung 48 a+b: Vererbungsgänge: konkret und abstrakt, populär und »wissenschaftlich« (1927, 1911)
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128 | Ein ewigwährender Untergang kern, die »Anormalität« frühzeitig »wegwählen«. Doch auch die jeweils individuellen Selektionen zeitigen letztlich denselben Effekt. Vergleicht man die nationalsozialistische mit der schwedischen (bzw. skandinavischen oder auch amerikanischen) Eugenik, sind gewisse Ähnlichkeiten frappierend. In beiden Fällen war die Antwort auf die schwere Wirtschaftskrise der 1930er Jahre eine Art »nationaler Sozialismus« gewesen, der Versuch, mit Sozialpolitik und »Vergemeinschaftung« auf die Herausforderungen zu reagieren.175 Zu dieser Antwort gehörte auch die Eugenik, weil sie als vermeintlich moderne, wissenschaftliche Sozialtechnologie sowohl für Vergemeinschaftungsprozesse einsetzbar als auch in wirtschaftlicher Hinsicht nützlich war. Sie zog einen Schnitt durch die Gesellschaft, trennte »asoziale« von »sozialen« Mitbürgern und reduzierte die Kostgänger der Gemeinschaft. Daß die Nazis zu radikal vorgingen, kritisierten skandinavische und amerikanische Eugeniker. Sie zeigten sich vor 1945 zugleich neidisch darauf, welche Möglichkeiten ihren deutschen Kollegen offenstanden. Man kann deshalb nicht behaupten, daß in Deutschland einfach der wissenschaftliche Fortschritt auf der Strecke geblieben sei, während in Schweden die wissenschaftliche Genetik die alte Rassenhygiene abgelöst habe. Von daher neigt die skandinavische Forschung zur Geschichte der Eugenik seit einiger Zeit dazu, einen deutschen »Sonderweg« eher gering einzuschätzen: »This comparison of eugenics in Germany and Scandinavia suggests that it was short-term political changes rather than a fundamentally different German social and cultural development, a German ›Sonderweg‹, that led to the realization of Nazi eugenic politics.«176 Oder umgekehrt: Auch die skandinavischen Länder wiesen, wie die deutsche Diktatur, eine ähnliche Disposition zu eugenischen Zwangsmaßnahmen auf. Diese bildeten auch im Norden über das Jahr 1933 hinweg einen integralen Bestandteil der Bevölkerungsfrage, und sie blieben es, trotz »Auschwitz«, selbst nach 1945. Eugenik handelte in Deutschland wie Skandinavien von Normalität und Moral, vom Interesse der Gesellschaft, diejenigen zu kontrollieren und maßzuregeln, die sich nicht einpassen konnten oder wollten oder die ausgeschlossen werden sollten.
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 129
XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt
Das Raum-Volk-Problem weitete sich auf den Globus aus. Das war ja schon in den 1920er und 1930er Jahren angeklungen, als afrikanische Soldaten in Deutschland einmarschiert waren und mißtrauisch die »dräuende Hydra« in Asien beäugt worden war. Jetzt hörte man den Zeitzünder an einem viel größeren Sprengsatz ticken, der »Bevölkerungsbombe«. Eine Explosion ungeahnten Ausmaßes stand bevor und sollte die nächsten 50 Jahre beschworen werden, und da stoßen wir zunächst einmal auf einen Text von Giselher Wirsing mit dem eindrucksvollen Titel »Die Menschenlawine«. Wirsing sagte 1956 eine Abnahme des prozentualen Anteils der Europäer an der Weltbevölkerung voraus. Die armen Völker zogen der Ersten Welt nämlich seit 1920 durch einen rasant steigenden Geburtenüberschuß einfach davon. Für die nächsten vier Jahrzehnte, so Wirsing, sei ein Wachstum von eineinhalb bis zwei Milliarden Menschen zu erwarten, das werde alle bisherigen Methoden der internationalen Zusammenarbeit über den Haufen werfen. Zugleich sei die Weltbevölkerung höchst ungleich auf dem Globus verteilt. 50 Prozent siedelten auf fünf Prozent der Erde, weitere 57 Prozent der Erde nähmen gerade fünf Prozent der Bevölkerung auf; der Rest sei kaum bewohnbar. So würden die Bevölkerungsballungen zunehmen, »Überdruckgebiete werden entstehen, die auf friedliche Weise oder explosiv ihren Bevölkerungsüberschuß in weniger dicht besiedelte Räume ausschleusen wollen. Rassisch bedingte Einwanderungssperren, wie sie die Vereinigten Staaten, Australien und Kanada errichtet haben, werden durch diese Überdruckgebiete viel heftiger noch als heute in Frage gestellt werden.«177 Aber Auswanderung könne ohnehin nur einen geringen Teil der Probleme lösen.
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130 | Ein ewigwährender Untergang Der Nahrungsspielraum, so Wirsing, ist begrenzt. Der Boden wird bald endgültig ausgebeutet sein, die Nahrungsmittel sind ungleich verteilt, nur in den Gebieten des Überflusses steigt die Produktivität. Nicht die Atombombe, die Transferfrage ist das Menschheitsproblem Nummer eins: Wie bekommt man Lebensmittel in die Mangelgebiete? Und da versagte für Wirsing der Westen. Er lege Hilfsprogramme nur auf, wenn sie den Kommunismus in Schach zu halten versprächen. Das aber schaffe kein Vertrauen in den ehemaligen Kolonien. Sowjetische Hilfsprogramme und Propaganda drohten sich dort festzusetzen, während die Industrieländer mit der verweigerten Hilfe für den Assuanstaudamm bezeugten, wie wenig sie sich der Gefahren bewußt waren. Solidarisches Handeln – über die Blockgrenzen hinweg – tue not. »Diese Erde hat ein Stadium erreicht, in dem die materiell hochentwickelten Industrienationen die tätige Mitverantwortung für die Entwicklung in den Überdruckgebieten der Erde nicht mehr verweigern können. Diese Erkenntnis dämmert schon überall. Sie hilft aber wenig, wenn sie nicht positiv gefaßt wird: als eine Verpflichtung, mit der allein die atlantische Welt die so tief sitzenden Ressentiments auszugleichen vermag, die im Kolonialzeitalter entstanden sind. Aufgaben von heute vielleicht noch kaum zu erfassender Größe reifen in der nachkolonialen Epoche heran und werden drängend.«178 So endet das Buch. Als Wirsing seinen Text schrieb, war die Dekolonisierung Asiens in vollem Gange, die Afrikas begann. Teils wollten sich die Kolonialmächte von den finanziellen Bürden befreien, die die Kolonien ihnen zunehmend auferlegten, teils erlebten sie schockierende militärische Niederlagen. Singapur ging im Zweiten Weltkrieg an die Japaner verloren, das Kolonialvolk hatte sich nicht, wie erwartet, an die Seite seiner britischen Herren gestellt. Die Franzosen erlebten 1953 in Indochina eine vernichtende Niederlage gegen die Vietnamesen, und als sie 1956 mit Großbritannien ganz im Stile der imperialistischen Kanonenbootpolitik entlang des Suezkanals in Ägypten einfielen, mußten sie sich auf Druck der USA zurückziehen. Die Zeiten änderten sich. Die Dritte Welt entstand. Die Sowjetunion unterstützte die ehemaligen Kolonien militärisch und wirtschaftlich. Und genau daher rührten Wirsings Sorgen. Eine neue Klassenkampfsituation sei entstanden: im Weltmaßstab. Die westlichen Nationen verhielten sich wie die Industriekapitäne des 19. Jahrhunderts, sie erkannten den Ernst der Lage, machten aber keine Zugeständnisse an die neuen Proletarier dieser Erde. »Kann man sich vorstellen, daß wirklich vier Fünftel der Menschheit am Rande des dürftigsten Existenzminimums in ständiger Unterernährung ruhig dahinleben würden? Zu irgendeinem Zeitpunkt würde
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 131 in den nächsten Jahrzehnten eine gewaltsame Entladung dieser Klassenkampfsituation unter den Erdräumen doch wohl unvermeidlich werden.«179 Und die Sowjetunion warte nur darauf, sich an die Spitze dieser Auseinandersetzungen stellen zu können. »Als Elendsmasse müssen diese zwei Milliarden zusätzlicher Erdenbewohner der nächsten Jahrzehnte für die sozial konsolidierten Völker zur ständigen Bedrohung werden. Mit der Hebung ihres Lebensstandards aber würden sie geradezu unerschöpfliche Möglichkeiten für die hochentwickelten Industrievölker bieten.«180 Der Neomalthusianismus feierte seine Auferstehung – im Gewande des Kalten Krieges. Auch für die Neomalthusianer der Nachkriegszeit verblieben Raum, Nahrung, Fertilität und Bedrohung in einer fixen Koppelung. Jetzt allerdings kam die Gefahr nicht mehr aus dem Innern des eigenen Raumes, sondern nur noch von außen. Dort baue sich ein Druck aus Elend und Bevölkerungswachstum auf, den die Sowjetunion gezielt gegen den Westen schießen lassen wolle; und so würden sie bald hereinbrechen, Asiaten und Afrikaner, in eine westliche Welt, deren Raum sich weiterhin entleere, und hinterdrein die Russen (deren eigene demographische Dampfwalze war mittlerweile freilich zu einem Wälzchen geschrumpft). »Der Automatismus eines prozentualen Zuwachses [der Bevölkerung] pro Jahr, die Dämonie der geometrischen Reihe ist explosiver als das Atom, geschwinder als die größte aller denkbaren Geschwindigkeiten.«181 Deshalb mußte man den Elenden die Idee der Geburtenkontrolle beibringen, man mußte ihre Ernährung sichern und ihnen denselben Wohlstand angedeihen lassen, wie den gefährlichen Unterschichten der eigenen Länder. Dann nehme ihre Masse ab, sie seien pazifiert und würden, wie die eigenen Arbeiter, den Wohlstand der Industrienationen steigern helfen – plötzlich war also genau das positiv, was für die Industrieländer weiterhin beklagt wurde: Geburtenreduzierung durch Verhütung und Wohlstand. Andere Autoren wollten die Kraft der Masse nutzen, die unter dem Druck des Hungers ihren eigenen Nahrungsspielraum auszuweiten versprachen. Man mußte dazu die ungleiche Durchsiedlung des Erdraumes, künstliche Grenzziehungen und falsche Wirtschafts- und Sozialordnungen korrigieren, um »einen gerechten Ausgleich der Lebensbedingungen der Völker«182 zu schaffen. Zuerst aber besinne man sich in Europa auf die eigene Nation, den eigenen Raum und das eigene Volk. »Durch sorgfältige Planung und Raumordnung, ausgehend von den kleinsten Verwaltungseinheiten, werden wir das Zielbild eines in seiner Tragfähigkeit möglichst ausgewogenen sozial gesunden Lebensraumes ansteuern müssen.«183 Dann könne man die große Aufgabe angehen, jeden Raum dieser Erde in eine harmonische Balan-
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132 | Ein ewigwährender Untergang ce zwischen Nahrung und Bevölkerung, Tragfähigkeit und Intensität der Bodennutzung sowie der Lebensbedingungen in Stadt und Land zu versetzen; jede Raumeinheit ein autarkes Gebilde, nach jahrzehntealtem deutschen Vorbild; Wanderungsbewegungen stillgestellt. Ob man nun von den Gleichungen »viel Volk, viel Not« oder »viel Volk, viel Innovation« ausging, stets ging es um das Verhältnis von Raum und Volk und die Gefährdung der westlichen Welt durch eine gestörte Balance in der Dritten Welt. Die Hierarchie von »gutem« und »schlechtem« Bevölkerungswachstum ist geblieben, außerdem die Vorstellung, daß übervölkerte Räume ihre Nachbarn aggressiv bedrohten.184 Wie ein Spiegelbild sehen wir die Bevölkerungsdiskussion der vorhergehenden 30 Jahre auf die Entwicklungsländer projiziert, weiterhin dieselbe Matrix wie zuvor.185 Selbst die rassenhygienische Komponente fehlte nicht, als ein Altvorderer der Eugenik, Hans Nachtsheim, noch 1968 die Debatte um die »Bevölkerungsexplosion« nutzte, um das alte eugenische Reinhaltungsdenken zu propagieren: Die Massenvermehrung in den Entwicklungsländern und die Anreicherung des »Erbgutes mit krankhaften Erbanlagen«186 stören das natürliche Gleichgewicht des Vermehrungsprozesses. Je mehr nämlich die primitiven »Völker aus dem Naturzustand in den Kulturzustand übergehen, um so mehr läßt die Selektion nach, die Auslese erschlafft, und soweit es sich dabei um erbliche Defekte handelt, bleiben die zugeordneten krankhaften Erbanlagen erhalten, bekommen die Möglichkeit, weitergegeben zu werden«.187 Das war zu der Zeit allerdings nicht der common sense. Es ging vielmehr um das reine Überleben der gesamten Welt. Seit den 1930er Jahren finden wir Studien, die ein Wachstum der Weltbevölkerung vorhersagten und koloniale Geburtenkontrollprogramme propagierten.188 Es herrschte damals freilich keine Panik. Die meisten Demographen interessierte die Situation in Afrika, Asien und Lateinamerika kaum. Großbritannien förderte die Geburtenkontrolle in Indien nicht, Frankreich und Belgien setzten auf eine pronatalistische Kolonialpolitik. Für Europa war die Transitionstheorie bereits entwickelt, die auch für zukünftige Industrialisierungsprozesse zu gelten schien. Dann kamen Ende der 1940er, Anfang der 50er Jahre erschreckende Zahlen aus Sri Lanka, Taiwan, der Karibik, aus Indien und China. Überall schossen die Geburtenzahlen in wenigen Jahren nach oben. Plötzlich wurde deutlich, daß die frühen Prognosen weit moderater ausgefallen waren als die spätere Entwicklung. Seit 1946 publizierte die UN regelmäßig datengesättigte Wachstumsvoraussagen, die ebenfalls hoffnungslos hinter den tatsächlichen Zahlen zurückblieben. Das steigerte die Dramatik immens, zumal man stets zwei Kurven sah: die »explodierenden« Geburtenraten und die weiterhin
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 133 sinkenden in der westlichen Welt; im Westen der Raum mit schrumpfenden Völkern, im Süden die Völker mit schrumpfendem Nahrungsspielraum. Erst in den 1960er Jahren schlug das Thema allerdings in der öffentlichen Diskussion und der Politik durch. Die Metapher der »Bevölkerungsbombe« bzw. der »Bevölkerungsexplosion« erblickte das Licht der Welt und hielt den Westen in Atem. Drei suggestive Graphiken dreier Autoren verdeutlichen den Schrecken. Bei Hans Nachtsheim fallen die Kurven der Geburten- und der Sterberate in einer harmonischen Schwingung ab – für die Industrienationen und über einen langen Zeitraum hinweg. Doch für die Entwicklungsländer läßt er die Sterberate innerhalb kürzester Zeit jäh nach unten sacken, und unvermittelt öffnet sich der große Rachen des Geburtenüberschusses. Die Folge ist, bei Wilhelm Niebuer, das infinite Aufwärtsstreben der Bevölkerungskurve in der Dritten Welt und dann, in Global 2000, der fatale Gegensatz von Urne und Pyramide, von Nord gegen Süd (Abb. 49-51). Niebuer läßt seine Kurve einfach steigen, als gebe es keine alternativen Wachstumsprognosen; Nachtsheim wählt für seine Diagramme unterschiedliche Maßstäbe, wodurch für die Entwicklungsländer der Beginn der demographischen Transition aufgeblasen wird, während ein mögliches Ende dieses Prozesses, analog zur Entwicklung in der westlichen Welt, unsichtbar bleibt. Global 2000 schreibt das Ende der Entwicklung dann fest. Die Graphiken stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten, aber gemeinsam erzählen sie paradigmatisch dieselbe Geschichte von Bevölkerungswachstum und Bevölkerungsrückgang auf dem jeweils falschen Kontinent. Gerade die Verkürzungen drücken aus, als wie bedrohlich die Situation über 20 Jahre hinweg empfunden wurde. Es stand, wie es 1970 an anderer Stelle hieß, die Wahl an zwischen der »quiet New England countryside« und der »vast crowd of impoverished Asians«.189 Irgendwo auf diesem Weg dann verschwand die Angst vor der »Menschenlawine« im Hintergrund; auch war die »Bevölkerungsbombe« keine Assoziation mehr auf die russsische Atombombe, denn nach einigen Krisen hatten sich mit dem Mauerbau in Deutschland die Fronten im Kalten Krieg geklärt. Die beiden Blöcke konkurrierten miteinander, aber es war kein unmittelbarer Einfall des Kommunismus in den Westen mehr zu befürchten. Vielmehr war ein neues, unerhört gewichtiges Thema auf die Agenda gekommen, die Umweltfrage. Rachel Carsons Buch »Silent Spring« weckte 1962 die Aufmerksamkeit dafür, daß sich die Menschheit sowohl durch Atomwaffen wie durch die Zerstörung der Umwelt selbst auslöschen konnte. Carson beschrieb eine stille Welt, in der keine Vögel mehr sangen, weil sie den Schädlingsbekämpfungsmitteln zum Opfer gefallen waren. Drohte
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134 | Ein ewigwährender Untergang dasselbe nicht in der Dritten Welt? Immer mehr Menschen erforderten immer mehr Nahrung, eine immer intensivere Agrarwirtschaft, d.h. den Einsatz von immer mehr chemischen Mitteln, die wiederum die Umwelt und damit die Nahrungsmittelbasis der Menschen zerstörten.
Abbildung 49: Harmonischer Abfall – sprunghaftes Aufreißen der Geburtenkluft (1968)
Abbildung 50: Der unaufhaltsame Anstieg der Bevölkerungszahl (1959)
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 135
Abbildung 51: Pyramide gegen Urne, Süd gegen Nord (1980)
Die Masse der Menschen werde, so schrieben Paul und Anne Ehrlich 1972 in bester malthusianischer Tradition, entweder eine weltweite Seuche oder einen thermonuklearen Krieg auslösen. Es gebe nicht eine Lösung für die zahllosen Probleme – »[e]ines aber kann man zur Gesamtsituation sagen: ›Was immer man unternimmt – ohne Bevölkerungskontrolle ist es eine aussichtslose Sache.‹«190 Dann kam der Ölschock, und es war endgültig deutlich geworden, daß Umwelt wie Rohstoffvorkommen der Erde nicht unbegrenzt ausbeutbar waren. In den Industrieländern untersuchten mehrere große Kommissionen die zukünftigen Möglichkeiten der Weltbevölkerung, ihre Berichte wurden in hohen Auflagen publiziert: »Die Grenzen des Wachstums« des Club of Rome (1972), »Global 2000« (1980) oder »Unsere gemeinsame Zukunft« der Brundtland-Kommission (1987). In diesen Berichten saß plötzlich die gesamte Menschheit, über Blockgrenzen und Wohlstandsgefälle hinweg, im selben »Raumschiff Erde«. Es gab kein »außen« und »innen« mehr, alle trugen ihren Teil der Verantwortung. Das suggerierte zumindest diese Metapher. Tatsächlich sah es anders aus. 1952 beschrieben Bevölkerungswissenschaftler den demographischen Übergang für Japan als fast abgeschlossen. Das schien der Beweis, daß die Theorie auch außerhalb Europas galt. In den Entwicklungsländern mußte man also nur, da die Zeit drängte, radikal genug vorgehen, statt auf das Ende der Transition in ferner Zukunft zu war-
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136 | Ein ewigwährender Untergang ten. Die Geburtenzahlen drastisch reduzieren, die traditionale Familienstruktur zerschlagen, das Heiratsalter erhöhen, Kenntnisse über Verhütungstechniken verbreiten, das Ideal der Kleinfamilie (mit wenigen, aber gesunden Kindern) propagieren – das war das genaue Gegenteil dessen, was man für den Westen wollte, aber eben: exakt spiegelbildlich das Gegenteil und damit Teil derselben Matrix. Wieder ging es darum, einen bedrohlichen Teil der Bevölkerung zu reduzieren, nun im Weltmaßstab und angeblich zum Wohle der Betroffenen und der gesamten Weltbevölkerung. Einige stellten die Existenz einer »Bevölkerungsexplosion« durchaus in Frage. Lateinamerikanische, französisch geprägte oder katholische Regionen begriffen sich als eher untervölkert. Afrikanische und lateinamerikanische Länder vermuteten in der Bevölkerungsfrage einen »imperialistic smokescreen«191, um von den wahren Gründen der weltweiten Armut abzulenken; gekürzte Entwicklungshilfen stärkten den Verdacht. »There is a story recounted to one of the writers of a visit by a family planner to Africa, where he called on his fifteenth Chief of State in as many days. ›Where you briefed about my country or myself?‹ the President interrupted mildly as the message of birth control as a panacea began. ›No, Your Excellency, I had no time‹. ›A pity,‹ concluded the President, ›or you might have learned that my country is underpopulated, and that I am a catholic.‹«192 Aber mit Indien, Sri Lanka, Thailand oder Bangladesh standen große Experimentierfelder für eine aktive Bevölkerungspolitik zur Verfügung. Im Westen wurden Population studies aufgelegt, um rasch Experten ausbilden zu können, die dann die Familienplanungsprogramme in ausgewählten Entwicklungsländern implementierten. Diese Programme sollten den Menschen dort dazu verhelfen, selbstbestimmt die Größe ihrer Familien zu wählen – denn die Welt war vor die Wahl gestellt, die Fruchtbarkeit in den Entwicklungsländern zu senken oder in die Katastrophe zu schlittern. So unvernünftig konnte die Welt ja nicht sein, und damit war die verantwortungsbewußte Wahl der Menschen präjudiziert. Und man ging wahrlich radikal vor. Zwangssterilisationen wurden durchgeführt, Langzeitverhütungsmittel verabreicht, teils ohne Einverständnis und mit schweren Nebenwirkungen, oder Prämien gezahlt, wenn die Frauen verhüteten: Geld, verbilligte Schweine oder Kredite für Zement.193 Erneut waren Frauen überproportional betroffen, offenbar begehen immer sie die Fehler: Bekommen sie in Europa zu wenig Kinder, weil sie falschen Idealen der »Selbstverwirklichung« folgen, statt sich auf die traditionelle Mutterrolle zu besinnen, so bekommen sie in den Entwicklungsländern zu viele Kinder, weil sie in Traditionen verhaftet sind, statt sich zu emanzipieren. Auch die unkontrolliert wandernden
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 137 Horden tauchen wieder auf, die Pauperisierten, Wirtschaftsflüchtlinge und entwichenen Verbrecher, die sich zu einer Gefahr für den Weltfrieden entwickelten: »›Physische und seelische Degenerierung, die moralische Degradation, gekoppelt mit […] Haß‹ befähigt die Armen zur Brutalität. Folglich bestehe die Gefahr, daß ›Abenteurercliquen‹, gestützt auf ein fanatisiertes und radikalisiertes ›Lumpen-›Proletariat‹ […] die Macht ergreifen und eine reaktionäre Diktatur errichten‹.«194 Das war die Sorge eines angesehenen DDR-Demographen; der westdeutsche Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeld fürchtete durch eine »›völlig irrationale Einwanderungspolitik‹«, die Gefahr einer »›massive[n] biologische[n] Unterwanderung‹«.195 Es ist also weiterhin derselbe Paternalismus wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten. Eine Bevölkerungsgruppe fühlt sich bedroht und versucht aus »objektiven« Gründen einer anderen das Reproduktionsverhalten zu diktieren. Sie behauptet, daß es sich um »unsere gemeinsame Zukunft« dreht, tatsächlich geht es eher um »unsere gemeinsame Zukunft«. Sie propagiert das westliche Modell als Vorbild, bis hin zur Übernahme von Tugenden wie Fleiß, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und Sparsamkeit – bei Wahlfreiheit der betroffenen Länder. 1995 galten fünf Milliarden Menschen als überzählig und sollten auf eine verträgliche Zahl zurückgeführt werden, wie, das blieb offen. »Ein technokratisches Vokabular, mit dessen Hilfe Menschen auf statistische Größen reduziert werden, trägt ebenso dazu bei, die Hemmschwelle der Gewaltanwendung herabzusetzen wie düstere Visionen, in denen Menschen aus dem Süden nur noch als willenlose, vom Schicksal oder den eigenen Trieben dirigierte, gefährliche Masse geschildert werden, derer man sich mit allen Mitteln erwehren muß. Je dramatischer die Katastrophenbeschreibungen und je schwärzer die Prognosen, desto eher erscheinen bevölkerungspolitische Zwangsmaßnahmen als das kleinere – und notwendige – Übel.«196 Selten einmal werden Zwangsmaßnahmen öffentlich für eine westliche Bevölkerung vorgeschlagen. Dann wird deren Brutalität sichtbar und die Empörung ist groß – etwa als ein britischer Chirurg 1994 Strafsteuern und den Ausschluß von öffentlichen Ämtern für Eltern mit mehr als zwei Kindern forderte. Zumeist zeichnet die Vorschläge »die Berufung auf das Wohl der Menschheit [aus] sowie eine scheinbar selbstverständliche, zumindest kaum hinterfragte Einschränkung der Menschenrechte anderer. Denn in der Regel sind die Rezepte, mittels derer der Planet gerettet werden soll, nicht von denjenigen zu befolgen, die sie entwerfen, weißen Männern der gehobenen Mittelschicht, sondern an die ›anderen‹ gerichtet – vor allem Menschen im Süden. Die persönliche Würde und körperliche Integrität einer Frau, zumal wenn sie arm ist
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138 | Ein ewigwährender Untergang oder in einem Land der ›Dritten Welt‹ lebt, erscheint zweitrangig, wenn es darum geht, vermeintliches Unheil von der ganzen Menschheit abzuwenden.«197 Niemand kann behaupten, daß es keine Probleme gegeben habe. Tatsache ist aber, daß die Probleme stets aus Sicht einer Gruppe definiert wurden und auf Kosten einer anderen Gruppe gelöst werden sollten. Gelöst wurden die Probleme nicht – aber sie hinterließen Tausende verstümmelter Menschen, im Westen wie im Süden. Welch guter Glaube dahinterstehen konnte, machte Alva Myrdal mit ihrem Buch »Unsere Verantwortung für die armen Völker« klar. Man dürfe keine »Kulturtyrannei« ausüben, nicht einfach die schwedischen Verhältnisse auf die Dritte Welt übertragen. Man müsse neu und vorurteilsfrei denken, aber zugleich einen gesunden (sprich: vernünftigen) Paternalismus pflegen. Hemmende Traditionen seien aufzuzeigen und zu zerstören. Durch Bildung seien die Menschen in die Lage zu versetzen, selbst das Richtige zu wählen, d.h. sich gegen Traditionen und für Rationalität zu entscheiden. Letztlich waren es schwedische Verhaltensnormen – Ordnung, Ehrlichkeit, Vernunft –, die als Praktiken unmerklich in die moralischen und intellektuellen Gewohnheiten der Menschen übergehen sollten – so, wie das in Schweden seit der Frühen Neuzeit praktiziert worden ist. Eine Hochsprache müsse die Dialekte ablösen, neue Agrartechniken die alten, eine neue Lebenseinstellung die überkommene. Selbst der Index für Fortschritt blieb derselbe. Statt der Zahl produzierter Autos addierte Alva Myrdal einfach die Zahl produzierter Fahrräder – je mehr, desto besser.198 »Ich sah vor allem ein«, berichtete sie über ihre Erfahrungen in Indien und formulierte damit ihr Credo, »daß jedes Land zu seinen eigenen Bedingungen akzeptiert werden mußte. […] Aber es galt, diese [Dorf-]Räte demokratischer zu machen, mehr Sozialgruppen und Frauen hinein-, und Kastenaspekte herauszubekommen.«199 Und heute? Da hat die Bombe ausgetickt und ist doch nicht explodiert. Überall neigen sich die Kurven sanft nach unten, überall wird sich die demographische Transition auf dieselbe Art vollenden.200 Ein Katastrophenszenario, das mit viel Energie aufgebaut worden ist, scheint völlig zusammengebrochen. Die Familienplanungsprogramme haben wenig gebracht. Ist mit diesem fatalen Irrtum nun wenigstens das Ende aller Bevölkerungskrisen erreicht, der realen und der verbalen? Nicht ganz. Denn nun wollen fast überall Frauen keine Kinder mehr haben und sackt ihre Fertilität unter das zur Reproduktion einer Bevölkerung notwendige Niveau. 100 Frauen zeugen nur noch 65 Töchter, die ihnen als potentielle Mütter der nächsten Generation folgen können. »[T]he low fertility countries will be faced with the new
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XI. Die »Bevölkerungsbombe« tickt und tickt und tickt | 139 challenge of rapid population aging.« Außerdem bleibt die Frage der Qualität. »Doomsday prophesies about global collapse through a continuing population explosion are not only wrong, but they also divert our attention from the essential next steps. We must stop our fixation on the numbers of human beings, move from quantity to quality concerns, and think about how best to invest in the well-being of people.«201 Bevölkerung bleibt ein Problem, quantitativ wie qualitativ. Neu ist nur, daß sie sich nun weltweit in die falsche Richtung entwickelt. Wie in einer soap opera setzt sich die Geschichte in die nächste Folge fort. Wir kehren zurück nach Europa.
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) vakat 140.p 143507640928
XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter? | 141
XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter?
Am 13. August 2004 erblickte in Schweden der kleine Viggo das Licht der Welt, zwei Wochen zu früh. Mit gutem Gefühl für timing, so »Dagens Nyheter«, sah er zu, genau an dem Tag aus dem Mutterleib zu schlüpfen, als die schwedische Bevölkerungszahl die Neunmillionengrenze überschritt. So geht Viggo nun in die Geschichte ein, neben einigen weiteren Kandidaten. Aus statistischen Gründen läßt sich der genaue neunmillionste Schwede nämlich nicht bestimmen, und so bot das »Aftonbladet« auf dem Titelblatt den kleinen Jakob an, auf Seite sieben die eingebürgerte 27jährige Marisa.202 Viggo sieht proper aus, Jakob sehr verschrumpelt, Marisa glücklich, nichts ist erstaunlich – bis auf die Tatsache natürlich, daß überhaupt der neunmillionste Schwede bejubelt und der zehnmillionste für das Jahr 2007 vorhergesagt wird. War da nicht einmal ein dramatischer demographischer Niedergang prognostiziert worden? Dann schaut man sich die Namen der drei genauer an, und stellt fest, daß Viggo Alfonso Oscar de Ruvo heißt, Jakob Bødker Jensen und Marisa Eley mit Nachnamen. Der neunmillionste Schwede ist ein Ausländer! Ist da nicht lange eine drohende Überfremdung beklagt worden? Schon die Achtmillionengrenze ist durch starke Einwanderung aus Finnland überschritten worden, 1969. Und dann sind alle so jung. Ist selbst die Vergreisung auf der Strecke geblieben? All das, was man in Deutschland weiterhin so wortreich beklagt? Dabei war es nach dem Krieg zunächst weitergegangen wie zuvor. Die Klagen über das schrumpfende Volk rissen nicht ab.203 In Deutschland brachte erneut Friedrich Burgdörfer all die alten Probleme wieder zur Sprache, allerdings nicht mehr in apokalyptischer Diktion, sondern
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142 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 52: »Glückwunsch Jakob – Schwede Nummer 9000000« (2004)
in einer auffallend nüchternen Sprache. Aus der Urne ist die »zerzauste Wettertanne« geworden (bei einem anderen Autor die »zerzauste Bergtanne«). Das alte Lebensraumproblem war durch das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges verschärft worden: Im Westen blieb die Bevölkerung auf das »Richtmaß« eingespielt, statt die Grenze des Nahrungsspielraumes zu »überspülen«, im Osten »fehlt die Abstimmung des Bevölkerungsvorgangs zu einem ausgebauten Lebensraum«;204 ein Bevölkerungsdruck baut sich auf. Hermann Muckermann sah bald »die Todes- und Lebenskurve [sich] eng umschlingen, und die Bevölkerungsbewegung kommt zum Stillstand wie in Schweden«.205 Für alle Autoren nahm die Fruchtbarkeit im Abendland in allen Schichten ab (die Fruchtbarkeit der erblich Belasteten sahen sie mittlerweile als überschätzt an), nicht aber in Afrika und Asien. Der Westen mußte die Quantität steigern, um Qualität zu produzieren. Je mehr Kinder geboren würden, desto größer sei die Chance auf Talente, die den Nahrungsspielraum ausweiteten. Bei dem Schweden Hannes Hyrenius hatte die eugenische Seite der Bevölkerungsfrage 1951 ebenfalls noch ihren Platz.206
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XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter? | 143 Dann blies Ingemar Mundebo 1962 die Gefahr eines Bevölkerungsrückganges für Schweden ab, er sah freilich die geringe Geburtenzahl, die ungünstige Altersstruktur, Binnenwanderung und die Veränderung der Familienstruktur als bleibende gewichtige Probleme; und die weibliche Berufstätigkeit könnte das harmonische Aufwachsen der Kinder gefährden. Eines machte Mundbo deutlich, und das gilt bis heute: Trotz aller Klagen wisse man »imponierend wenig« über den Zusammenhang von Bevölkerungsentwicklung und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. In den übrigen schwedischen Texten ging jedoch weiterhin die Zahl der Säuglinge zurück, schrumpfte und überalterte die Bevölkerung. Je nach Berechnung drei bis vier oder gar vier bis fünf Kinder pro Frau, die überhaupt noch Kinder bekomme, seien notwendig, um die Bevölkerung stationär zu halten. Immigration könne die Probleme nicht lösen, die Fruchtbarkeit müsse durch eine nationale Kraftanstrengung gestemmt werden. Immer wieder Rekurse auf die Bevölkerungskrise der 1930er Jahre und die Myrdals – immerhin verbunden mit der Beobachtung, daß damals ein baby boom die Krise zeitweise beendete. Könnte das wieder passieren? Man müsse vorsichtig sein, schrieben 1987 die Autoren einer staatlichen Untersuchung, nachdem sie all die Fehlprognosen früherer Jahrzehnte gesichtet und diskutiert hatten – um dann erneut den Sinkflug der Bevölkerungszahl vorherzusagen. Immer noch war die Angst da, daß die Gesellschaft wie eine alte Tanne »verwittere« (I. Mundebo), eine ausnahmsweise etwas romantische Form der Apokalypse. »Hoppla – wir sterben!«, hatte schon in den 1930er Jahren ein Redakteur respektlos getitelt, und 1976 stellte eine Zeitung die ironisch-absurde Frage: »Sollen wir nun wieder aussterben?«207 Passiert war das nach wie vor nicht, beschworen wurde es weiterhin. In Deutschland war die Stimmung düsterer, nachdem in den 1970er Jahren tatsächlich einige Jahre lang ein Geburtendefizit zu verzeichnen war, das erste in der langen Geschichte der Industrienation Deutschland. Hermann Schubnell rechnete 1989, illustriert durch zahlreiche Kurven, die Nettoreproduktionsrate der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern vor; die Ostblockstaaten lagen deutlich über, Westdeutschland weit unter dem Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Kindern. Während er einen moderaten Bevölkerungsrückgang nicht grundsätzlich als Katastrophe ansah, fürchteten andere einen extremen Individualismus, die weitere Emanzipation der Frauen und die Tendenz, daß die Deutschen ein Volk von Einzelgängern würden, was sich alles nachhaltig auf die Geburtenrate niederschlagen werde. Ansonsten ist nichts Neues in den Texten der 1960er bis 90er Jahre zu entdecken. Nur eine Verschiebung fand statt. Die eugenische Seite der
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144 | Ein ewigwährender Untergang Matrix rückte in den Hintergrund, dafür richtete sich die Aufmerksamkeit nun stärker auf die Ausländer. Die wurden nun weder in Deutschland noch in Schweden wirklich begrüßt, aber im Norden akzeptierte man in den 1970er Jahren immerhin die Bedeutung der Einwanderung für Größe und Altersstruktur der Bevölkerung. Ohne Einwanderung ließ sich das Ideal einer stationären Bevölkerung kaum halten. In Deutschland dagegen erklärte das »Funkkolleg Humanökologie« seinen Hörern und Lesern noch 1991 den Nutzen einer aktiven Bevölkerungspolitik. Die sollte bewirken, daß 100 Frauen im Laufe ihres Lebens 210 Kinder gebaren, um die Bevölkerungszahl langfristig ohne Zuwanderung stabil halten zu können. Es ging nämlich um den Erhalt des kulturellen Erbes, die nationale Identität, den inneren Frieden, die Verteidigungsbereitschaft, den Generationenvertrag und die Erneuerung des Humankapitals; all das sei zumindest gefährdet durch zu viele Einwanderer aus fremden Kulturkreisen.208 Der Autor der Kollegstunde erkannte gerade einmal an, daß Deutschland faktisch ein Einwanderungsland war, und dem müsse sich die Nation anpassen. Der Bevölkerungswissenschaftler Josef Schmid dagegen drosch verbal auf alle Ausländer ein: »Ihre mangelnde Integration, ihre nationale und kulturelle Identitätskrise, die Ausländer erleiden, ihr Qualifikationsmangel, der Berufschancen mindert, – [sic!] alles zusammengenommen läßt den Kriminalitätsanstieg fast logisch erscheinen. Dieser Zustand verstärkt sich noch durch Ablehnung und Diskriminierung seitens der Deutschen. […] Der Bevölkerungsdruck Afrikas und Asiens wird auf den Grenzen der Bundesrepublik lasten wie derjenige Lateinamerikas an der Südgrenze der USA. Die Bundesrepublik wird sich als weithin wirkender sozialpolitischer Magnet ohnehin einem ständigen Einsickerungsprozeß ausgesetzt sehen, der sich jedoch nicht zum Dammbruch ausweiten darf. Das Unbehagen des deutschen Durchschnittsbürgers am Ausländerzustrom, das noch keineswegs Ausländerfeindlichkeit bedeuten muß, sollte als Willensbekundung eines Souveräns geachtet und nicht vorschnell als Humanitätsmangel verdächtigt werden.«209 Das war 1981 und noch moderat. 1995 schilderte er in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« eine Welt zerbröselnder Nationalstaaten und zunehmender Ethnifizierung. Orientalen strömen ein, passen sich nicht an, sind arbeitslos, ihre Kinder verwahrlosen. Westliche Kleinfamilien sind schon lange »industriell zersetzt« und in den Armen der Sozialbehörden gelandet. »Orientalisch-südliche Großfamilien dagegen können in einem solchen System, das mit ihnen gar nicht rechnet, als Kooperative auftreten und ein Familieneinkommen erzielen, wie es
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XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter? | 145 bis in die einheimische Mittelschicht hinein unbekannt ist. […] Nun lächelt in Frankreich die algerische Frau, wenn sie die für die europäische Französin erdachten enormen Leistungen für das dritte Kind kassiert, wo sie selbst mit fünf eigenen Kindern rechnet.« Ihr generatives Verhalten reagiert noch auf Hartwährung; »Ethnien regenerieren sich ökonomisch und demographisch, versichern sich ihrer religiösen Klammer hier mehr als im Herkunftsland und fallen auch wegen besonderer politischer Orientierung aus dem Rahmen.« Da antworte wenigstens das deutsche Abstammungsrecht, das jus sanguinis, flexibel und realistisch auf die ethnische Herausforderung, indem es einen »friedenstiftende[n] Zaun« errichte und so die »›Anerkennung von Anderssein‹« ermögliche. »Die Mischung aus Güte und Überheblichkeit, die hinter einer unbesehenen Einbürgerung steckt, verkennt, daß damit beide Lager in eine Identitätskrise geraten, bei deren Heilungsversuchen sie sich verfeinden werden. Dann würden unsere Straßen wieder Aufmarschgebiet wie zur Weimarer Zeit, nur mit veränderten Gestalten und Themen.«210 Ich gebe zu, daß es etwas polemisch ist, einen derart dröhnenden Vertreter der demographischen Gilde so ausführlich zu zitieren. Aber Schmid macht deutlich wie kaum jemand, daß Bevölkerung in Deutschland nur die ethnisch Eingeborenen umfaßt, obwohl die meisten Autoren das fast nie explizit machen. Vielmehr scheint bei ihnen Bevölkerung geradezu natürlich mit den Blutsdeutschen in eins zu fallen, sie ist, wie bei Schmid, das »angestammte Staatsvolk«.211 Auch zeigt Schmid exemplarisch, wie wenig deutsche Demographen bis zur Jahrtausendwende bereit waren, eingefahrene Gesellschaftsmuster zu verlassen. Radikale Lösungsansätze demographischer oder sozialer Probleme wollte Schmid nicht einmal in Erwägung ziehen. Niemand werde den Status quo ändern. Statt dessen richtete er, als wären es der Klischees nicht genug, den Blick auf idyllische Stammesvölker, auf die Wilden. Die werden bekanntlich stets wegen ihrer angeblich harmonischen Lebensweise bewundert, die die Industrievölker auf dem Wege zum Wohlstand vermeintlich verloren haben. Für den Demographen Schmid hatte es der Wilde geschafft, das Gleichgewicht zwischen Bevölkerungsgröße und Umweltbasis zu halten und sich so in seinem Lebensraum zu behaupten. In Europa ist dieses Gleichgewicht durch die zwanghafte Dynamik der industrialisierten Lebensweise geschwunden. Hier »zerfließen« traditionelle Beziehungsformen »in eine Vielzahl eigenwilliger Lebensführungen«, und das provoziert die Frage, »wie denn ein Gleichgewicht aufrechterhalten werden kann, wenn Systemteile oder Subsysteme übereifrig reagieren, hinken, überdrehen oder verkümmern«212 – anders eben als die »lebendigen Sy-
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146 | Ein ewigwährender Untergang steme« der Naturvölker, die noch unverwechselbare Gemeinwesen bilden. Das war im Grunde die westdeutsche Antwort auf die demographische Krise: eine ethnisch homogene Gemeinschaft gegen jede Strukturänderung abzusichern, indem man die Zahl der ethnisch deutschen Kinder vermehrte. Notfalls belohnte man fruchtbare Mütter mit dem Beamtenstatus,213 aber schon deutsche Frauen als Soldaten und gar Ausländer als Polizisten waren zur Korrektur demographischer Verwerfungen undenkbar. Und noch heute zeichnet Herwig Birg ein Bild der Weltgesellschaft, das nur zwei Zustände kennt, den status quo (Nation, Familie, ethnische Homogenität) oder die Auflösung sämtlicher Strukturen. Daß Gesellschaften sich Veränderungen anpassen, erwägt er nicht einmal, weil seine demographischen Analysen im Grunde nur dem einen einzigen Ziel dienen, jede Form sozialen Wandels überflüssig zu machen, indem Frauen mehr Kinder bekommen, um so alle sozialen Institutionen ohne Zuwanderung in ihrem Bestand erhalten zu können.214 Wenigstens gab es hin und wieder in einigen wenigen Leserbriefen Widerspruch. »Wenn nicht jene rassistisch-nationalistische Überfremdungsangst unseren Politikern so sehr im Nacken säße, könnten sie gelassen in den demographischen Abgrund blicken: Die Kinderarmut von heute bietet übermorgen die Möglichkeit der Umverteilung unseres wirtschaftlichen Reichtums an immer mehr ausländische Arbeitnehmer, sprich Rentenversicherungspflichtige. Das entstandene deutsch-stämmige Bevölkerungsdefizit könnte so leicht aufgefüllt werden.« Und: »Nun sollen ›Rententräger‹ und Bollwerker gegen ›Überfremdung‹ gemacht werden. Das riecht nach ›Mutterkreuz‹ und ›Lebensborn‹. Heute und erst recht morgen sorgen die Halbleiter in den Computern und nicht mehr notwendig die Eileiter für ›Wehrkraft‹ und ›Bruttosozialprodukt‹.«215 Fehlprognose nach Fehlprognose hinderte Demographen und andere Publizisten nicht daran, die Katastrophe an die Wand zu malen. Für fünf bis 20 Jahre kann man sinnvolle Prognosen stellen, auf Generationen voraus aber sagen sie seit je den Untergang vorher – denn nur durch die Wahl »möglichst weite[r] Zeiträume für statistische Berechnungen [kann] die konstatierte Bedeutungsschwere der Bevölkerungsentwicklung überhaupt publikumswirksam« dargestellt werden.216 Noch im Jahre 2005 wiederholen die deutschen Medien unverdrossen die alten Schreckensmeldungen – »Kontinent ohne Kinder«, »Land ohne Kinder«, »Land der Greise«, »Den Deutschen fehlt der Wunsch zum Kind«, »Lieber kinderlos als arbeitslos«, »Die kinderarme Gesellschaft« – wie ein Mantra.217
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Abbildung 53: Die Zwickmühle (1990)
Wahlweise werden Egoismus, ein überzogenes Sicherheitsbedürfnis oder ein altbackenes Mütterbild für den deutschen Geburtenrückgang verantwortlich gemacht. Auf jedes »Geburtenwunder« stürzt man sich in der Hoffnung, wenigstens einen mickrigen baby boom ausmachen zu können, um enttäuscht feststellen zu müssen: »Doch kein Wunder in Prenzlauer Berg«.218 Neidisch schaut man auf die skandinavischen Länder und auf – Frankreich!, das durch eine vorbildhafte Familienpolitik und Arbeitsmarktpraxis die Geburtenrate gesteigert hat, und zwar bei jungen ethnischen Französinnen der soziokulturell gehobenen Gruppen.219 Nicht einmal in dieser Beziehung hat sich etwas geändert, es gibt immer noch die erwünschte und die unerwünschte Fertilität. Daß in Deutschland wenigstens ein paar Eltern noch Kinder bekommen, ist durchaus kein Grund zur Freude, denn, so befindet ein junger Aufsteiger der politischen Szene, es sind die Falschen, die Kinder kriegen, nämlich die sozial Schwachen. Wunderbar läßt sich das eine rabenschwarze Thema mit einem anderen verbinden, mit dem Pisa-Notstand. Da der Lernerfolg eines Kindes stark vom Bildungsstand der Eltern abhänge, wird sich, so muß man folgern, mit den Kindern der Unterschichten die Dummheit überproportional »vererben«.220 Sofort wird Akademikerinnen vorgeworfen, daß sie zu 30 oder gar 40 Prozent kinderlos blieben, aus Karrieregründen (»aufgezwungener Gebärstreik«) oder aus »Überklugheit« und »bedrückender Lebensängstlichkeit«, an der angeblich alle Akademiker leiden.221 Und so starren wir blind vor Angst auf den düsteren Horizont der Zukunft, während hinter uns eine gewaltige Jugendwelle aus den muslimischen Ländern hereinbricht, die bereits mit dem Olympia-Attentat von 1972 einen terroristischen Krieg der Kulturen begonnen hat, aus dem sie uns Zeit
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148 | Ein ewigwährender Untergang unseres Lebens nicht mehr entlassen wird.222 Ja, wie soll man eigentlich nicht in allertiefste Lebensangst verfallen, wenn Deutschlands Publizisten sich zu derart schrillen Geißelungszügen durch die Republik aufmachen? Sie vereinnahmen jedes Problem, jede Veränderung. Selbst die Renaturierung Deutschlands mutiert zur problematischen Folge demographischer Veränderungen. Die Wölfe der Lausitz bekommen mehr Nachwuchs als die Menschen! Und im entseelten Pfälzerwald haust wieder der Luchs.223 Wie erleichternd ist es da, schwedische Tageszeitungen zu lesen. Dank Viggo und Jakob und Elisa wächst die Bevölkerung. Ausländer gehören dazu, man muß sie nur integrieren. Immer wieder gibt es einen baby boom, in den 1960ern, 1990ern und just nach der Jahrtausendwende. Junge Akademikerpaare ziehen in die Großstadt, heiraten nicht, arbeiten beide und bekommen trotzdem Kinder, oft mehr als zwei. Die drohende Flut der Alten? Ein Mythos, schreibt der Chefökonom des Arbeitgeberverbandes, ein Enkel von Alva und Gunnar Myrdal. Die Alten lebten länger und seien gesünder als früher, man müsse sie nur ins Arbeitsleben integrieren, jeden nach seinem Vermögen. Ohnehin habe die Kategorie des Alters etwas Willkürliches, deshalb könne man sie auch neu definieren. Außerdem, so das Außenministerium 1973 und das Statistische Zentralbureau 2005, läßt sich durch Zuwanderung eine Gesellschaft wieder verjüngen (Abb. 54). Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Lehrer werden fehlen. Politiker bereiten sich nicht auf den nächsten baby boom vor. Die schwedische Geburtenzahl ist die niedrigste in Nordeuropa, so etwas wurmt. Auch in Schweden haben und bereiten Immigranten Schwierigkeiten.224 Aber was man als Deutscher an Schweden auch kritisch sehen mag – Gemeinschaftsideologie, Konfliktscheu, fehlende Gewaltenteilung, die exzessive Vernunftrhetorik –, die Gelassenheit, mit der etwas als Problem beschrieben wird, wenn es wirklich als Problem aufgefaßt wird, um es dann zu lösen, sollte man auch in Deutschland etwas mehr pflegen. Und es gibt sie ja auch hierzulande, die, die die Fassung bewahren. Ein Wirtschaftswissenschaftler erklärt uns, daß die Geburtenrate sich nicht derart eindimensional entwickele, wie die professionellen Kassandras stets behaupten. Daß 40 Prozent der Akademikerinnen kinderlos seien, könne gar nicht bewiesen werden, weil die statistische Datenbasis völlig ungenügend sei. Das liege an der verzerrenden Erhebungspraxis – Fachhochabsolventinnen z.B. bekommen im Schnitt mehr Kinder, werden aber nicht als Akademikerinnen gerechnet – und an Bundesländern, die es bei der Geburtenzahl gar nicht genau wissen
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XII. Der kleine Viggo – oder: Wann gehen wir denn nun unter? | 149 wollen, aus Furcht vor Folgen beim Länderfinanzausgleich. Weit weniger als 30 Prozent der Akademikerinnen seien kinderlos, der Abstand zu Hauptschulabsolventen sei bei weitem nicht dramatisch. Außerdem würden 50 Prozent der Realität ausgeblendet, indem nur auf die angebliche Wahl zwischen Mutterrolle und Berufstätigkeit bei Frauen geschaut werde, nicht aber auf »die Rolle der Männer bei der Entscheidung für Kinder«.225 Auch der Demograph James Vaupel, ein New Yorker mit deutschen, schwedischen und französischen Wurzeln, verheiratet mit einer Dänin und Chef des Rostocker Max Planck Institute for Demographic Research, schmetterte kürzlich alle Hoffnungen eines Interviewers auf den big bang ab. Deutschland wird keine Gesellschaft voller vergreister Pflegefälle, die Alten können arbeiten, Immigration kann den Geburtenrückgang ausgleichen helfen, die Deutschen wollen Kinder, eine schrumpfende Gesellschaft ist nicht naturnotwendig von Übel, die »Vererbung« sozialer Benachteiligung muß mit sozialpolitischen Mitteln beseitigt werden.226 Während Gunnar Myrdal oder Herwig Birg den demographischen Wandel pessimistisch wie einen schweren Wagen zeichneten, der, weil in Fahrt gekommen, nicht mehr zu bremsen sei, benutzt Vaupel ein anderes Bild mit einer anderen Schlußfolgerung. »Der demographische Wandel verhält sich darum wie die Gezeiten am Nordseestrand: Sie kommen allmählich, dafür unaufhaltsam.«227 Genau deshalb aber bleibe Zeit, etwas zu tun. Und endlich gibt es auch ein Pendant zur FAZ-Serie Birgs, nämlich eine Artikelfolge in der »Zeit« mit dem prägnanten Titel »Aussterben abgesagt«. Dort werden all die düsteren Rechnungen der Birgs und Schmids zerlegt und entsorgt: Die statistische Basis ist weitgehend wertlos, eine adäquate Datenerhebung wird aus weltanschaulichen Gründen behindert, die Berechnungen sind zweifelhaft, die alternativen Prognosen werden auf die schlimmstmögliche reduziert, Komplexität wird in Karten visuell auf alarmistisch rote Flächenfarben vereinfacht, Begriffe werden falsch verwendet und ohnehin ändert sich das Reproduktionsverhalten der Menschen so beständig, daß weder Statistiker noch Prognostiker wirklich mithalten. So werden nach wie vor die »Probleme der Gesellschaft […] fahrlässig ›demografisiert‹. Die Wirtschaft lahmt, der Sozialstaat ächzt, und wer ist angeblich schuld? Die Bürger, die keinen Nachwuchs liefern.«228 Auch die »Zeit« verläßt den demographischen Diskurs nicht, wenn sie aus der schaurigen Urne eine liebliche »Vase« macht. Aber endlich wird eine Tatsache schlagkräftig in der Öffentlichkeit markiert: Wir leben immer noch, und wir leben besser denn je. Der Untergang ziert sich vor den Avancen der Demographen, läßt auf sich warten, nach wie
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150 | Ein ewigwährender Untergang
Abbildung 54 a + b: Die mögliche Verjüngung einer wachsenden Bevölkerung (1973)
vor. Diese werben um so heftiger, aber bislang vergeblich. Einige haben aufgegeben und beschauen nun lieber die Babies, begrüßen die Immigranten und kümmern sich um die Alten. Sie wollen die Gesellschaft umstrukturieren, das Schrumpfen lernen und Alterung als Chance begreifen.229 Es spricht nichts dafür, daß die Demographie unsere Wohlstandsgesellschaft unmittelbar bedroht. Die Bevölkerung ist stetig gewachsen, meist durch einen Geburtenüberschuß, erst seit den 1970er Jahren manchmal nur mit Hilfe von Einwanderern. Sie ist nicht geschrumpft, sondern verteilt sich anders im Raum. Sie vergreist nicht, sondern ändert sich in ihrer Altersstruktur. In der Dritten Welt ist sie nicht explodiert und hat sich nicht über das Abendland ergossen.
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Abbildung 54 b
Wenn es ein Problem gibt, dann ist es die mangelnde Bereitschaft, überkommene gesellschaftliche Strukturen demographischen Entwicklungen anzupassen. Das aber läßt sich ändern. Wann also gehen wir nun unter?
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) vakat 152.p 143507641016
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XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik?
Das Problem mit allen Untergangsszenarien ist, daß der Maßstab fehlt. Anders als Pompeji, das unter der Lava begraben wurde, oder ein Flugzeug, das abstürzt und zerschellt, läßt sich ein »Völkertod« eben nicht punktgenau bestimmen. Dazu ist viel zuviel unklar: Die Kategorie des Alters – schon 1960 hatte Franz-Xaver Kaufmann den Begriff »Überalterung« als normativ und unzureichend definiert verworfen. Das biologische, psychologische und chronologische (und erst recht das metaphorische) Alter seien nicht notwendig identisch; das soziale Verhalten werde nicht durch das »Alter« gesteuert, sondern »bestimmt sich meist in weit stärkerem Masse [sic!] nach der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen, nach der beruflichen Stellung oder den sozialen Rollen des Individuums«.230 Es gibt zahlreiche Berufssparten, in denen überdurchschnittlich viele »Alte« überaus erfolgreiche Arbeit leisten. Die Natur kennt keine Überalterung. Eine Bevölkerung entwickelt sich biologisch, altert, verjüngt sich. Erst die modernen Sozialstaaten haben eine Alterskohorte herausgegriffen, als Versorgungslast definiert und sozial als »alt« fixiert.231 Oder es werden fixe Parameter gesetzt (»Innovation«), mit einer Variable korreliert (»Alter«) und »Alte« dann als Problem konstitutiert, weil sie nicht »innovativ« seien. Aber muß das sein? Sind »Alte« im Gegensatz zu »Jungen« wirklich unflexibel? Das ist inzwischen als Vorurteil entlarvt; ist also eine Bevölkerung mit aktiven, innovativen »Alten« wirklich überaltert? Wie muß das Verhältnis von chronologisch Alten und Jungen zueinander und zum psychologischen Jung-/Altsein aussehen, damit eine Gesellschaft wirklich überaltert ist? Und ist sie dann zum Untergang verurteilt? Niemand weiß es. Die Daten fehlen. Der Maßstab für Über- und Untervölkerung – dazu muß man erst einmal wissen, was eine optimale Bevölkerungsgröße ist, und da gibt
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154 | Ein ewigwährender Untergang es bis heute keinen allgemeingültigen Maßstab. Vielmehr galten lange Zeit die Pyramide als Ideal, und drei bis vier Kinder pro Frau – Wachstum bedeutete Macht und Sicherheit, und auf diese Weise Harmonie. Nun ist die Glocke zum Ideal erkoren, weil so die Bevölkerung weder wachse noch schrumpfe, es reichen zwei Kinder im Schnitt – eine stationäre Bevölkerung bedeutet die Vermeidung von Veränderungen, und auf diese Weise Harmonie. Warum sollte sich das nicht wieder ändern? Vielleicht ist bald eine kleine Bevölkerung das non plus ultra, weil die Menschen Raum wünschen? Tatsächlich, so Kaufmann, variiert die Bevölkerungsgröße rhythmisch innerhalb eines recht großen Bereichs. Und nicht einmal die Relation zwischen Nahrung, Raum und Bevölkerung definiert Über- oder Untervölkerung, weil durch Infrastruktur und Lebensstile hohe oder geringe Menschenmengen in einem Raum organisiert und konzentriert oder verteilt werden können, ohne daß notwendig ein Mißverhältnis wahrgenommen wird (Singapur und Island mögen als extreme Beispiele dienen). Der Begriff der Bevölkerung – wen soll der Statistiker dazu zählen, nur ethnisch Eingeborene oder auch Ausländer? Was sind ethnisch Deutsche, wird durch das Blut Deutschsein und Ausländischsein bestimmt und so die Grenze zwischen Bevölkerung und Ausländern gezogen? Und ab der wievielten Generation ist ein Ausländer ins deutsche Blut eingemischt, zählt also zur Bevölkerung? Oder macht doch einfach der Paß, nicht die Kultur, den Unterschied aus zwischen Auslandsdeutschen, die zur deutschen Bevölkerung rechnen, und Ausländern, zwischen problematischen und unproblematischen Migranten? Oder zählen alle, die sich in Deutschland dauerhaft aufhalten, zur Bevölkerung?232 Auch Bevölkerung ist ein normativer Begriff. Die früher eingewanderten Ausländer werden stillschweigend als »deutsch« subsumiert, gegenwärtige Einwanderer als zukünftige Bedrohung der Bevölkerung präsentiert. Das »Funkkolleg Humanökologie« oder Herwig Birg definieren den Begriff gar nicht erst. Nur wenn vom »natürlichen« Bevölkerungswachstum die Rede ist – Geburten statt Immigration –, merkt man erstens, daß Bevölkerungswachstum durch Migration offenbar »unnatürlich« ist, und zweitens, daß Einwanderer gegen Geburten von Deutschen stehen, Bevölkerung also »deutsch« ist. Das wird allerdings selten explizit gemacht. Die Kategorie des Bevölkerungsrückganges – für diese Kategorie haben Michael S. Teitelbaum und Jay M. Winter zehn unterschiedliche Bedeutungen ausgemacht: Ein Schrumpfen der Bevölkerung, des Bevölkerungswachstums, des natürlichen Wachstums, der Geburtenrate, der alterspezifischen Fertilität, der Nettoreproduktionsrate noch oberhalb, der Nettoreproduktionsrate bereits unterhalb die Reproduktionsgrenze,
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XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik? | 155 der gewünschten oder erwarteten Familiengröße bei jungen Paaren, dazu Überalterung, ein Rückgang subjektiv definierter Eigenschaften einer wachsenden und Zunahme ebenso definierter Eigenschaften einer alternden Bevölkerung (Innovation, Mobilität, Pessimismus, Risikoscheu usw.).233 Wenn also von Bevölkerungsrückgang gesprochen wird – welche dieser Komponenten verstecken sich in welcher Mischung in dem Begriff? Das wird selten offengelegt. Die differenzierte Fertilität – die läßt sich nicht einmal annähernd bestimmen, denn dazu muß man die Bevölkerung zunächst eugenisch oder sozial in erwünschte und unerwünschte Gruppen unterteilen. Eugenisch ist das gescheitert, sozial wird es nach wie vor versucht. Aber wo liegt der Übergang? Beim Übergang von Arbeitslosengeld auf Hartz IV? Eine verbindliche IQ-Grenze haben dänische Eugeniker schon in den 1930er Jahren bestritten. Mehrere Generationen Arbeitslosigkeit? Geringe Bildung über Generationen hinweg? Zugehörigkeit zu einem Drittweltland oder zu einer stark wachsenden Bevölkerung? All das sind willkürliche Zuschreibungen. Zudem gibt es zu wenige Studien, um tatsächliche negative Auswirkungen differenzierter Fertilität verläßlich bestimmen zu können. Daß sich soziales Verhalten nun nicht mehr genetisch, sondern durch Erziehung vererben soll, ist nur der Tausch einer schwächlichen gegen eine andere schwache Begründungsbasis. Individuell trifft das durchaus zu – aber kann das eine Bevölkerungspolitik begründen, die ganze Sozialschichten und Länder über einen Kamm schert? All diese Schwachstellen werden in zahlreichen Texten ja immer wieder eingestanden.234 Sie entwerten auch nicht grundsätzlich die Arbeit von Demographen. Irritierend ist aber, wie auf diesen Unklarheiten und willkürlichen Grenzziehungen immer wieder normative Urteile aufbauen, die größere Teile der Bevölkerung massiv tangieren. Immer wieder gleiten Argumentationen im Konjunktiv unversehens in apodiktische Festschreibungen über, etwa so: »Hätten z.B. die heute lebenden rd. 6 Mrd. Erdenbewohner auf Dauer pro Frau im Durchschnitt drei Kinder, die sich selbst fortpflanzen, so ergäbe sich schon nach 20 Generationen eine Bevölkerungszahl von 19286 Mrd. Pro Frau entfallen heute im Durchschnitt der Erdenbevölkerung tatsächlich rd. drei Kinder (im Zeitraum 2000-05 sind es 2,69). Daraus ergibt sich sofort, daß die Kinderzahl pro Frau in Zukunft rasch fallen muß, weil sonst die gesamte Oberfläche des Planeten schon nach wenigen Generationen nicht genug Platz für alle hätte.«235 Der Zeitraum von gerade fünf Jahren wird zum Angelpunkt des Arguments gemacht. Er wird umstandslos auf 20 Generationen extrapoliert, wobei noch nicht einmal klar ist, ob die 2,69 Kinder nur geboren werden oder auch alle bis
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156 | Ein ewigwährender Untergang zur Fortpflanzungsfähigkeit überleben – und woher diese bei aller statistischen Unsicherheit so sehr präzise Ziffer kommt. Daß die Kinderzahl pro Frau rasch fallen müsse, verschweigt außerdem, daß nur Frauen aus der Dritten Welt gemeint sein können. Denn der hier zitierte Herwig Birg macht, wie viele Autoren, dieselbe doppelte Demographie auf. »Wir« bekommen zu wenige, »die« zu viele Kinder. Eine einzige Variable wird verwendet, keine Alternative wird entwickelt, am Ende hat eine Personengruppe die bevölkerungspolitischen Implikationen dieses Kurzschlusses auszubaden, nämlich Frauen in den Entwicklungsländern. Es geht auch suggestiver: »Die Tragfähigkeit der Erde ist begrenzt wie die einer Brücke; wenn eine Brücke lange getragen hat, beweist das nicht, daß sie allen Lasten gewachsen ist, sie bricht meist plötzlich zusammen.«236 Mag sein. Aber die Welt ist keine Brükke, sie reagiert anders – und die Brücke kann halten, das wird übersehen. Das sind sehr einfache Beispiele. Aber selbst die komplexeren Argumentationen von Demographen sind oft nach diesem Schema aufgebaut. Mit eingängigen Metaphern veranschaulichen sie ihre Thesen, nicht die Realität, und liest man diese Texte genau, brechen nicht Brücken, sondern Metaphern zusammen. Die »Feststellungen« schrumpfen auf den Status von Vermutungen und Thesen. Aber durch ihre Anschaulichkeit lassen sie Text und Realität verwechseln, sie werden gehandelt wie Wahrheiten, mit den entsprechenden Folgen.237 Die Untergangsszenarien vom »Völkertod« hat Franz-Xaver Kaufmann in den Bereich »naive[r] Extrapolationen und ideologische[r] Übersteigerungen«238 verwiesen. Aber wie kommt es, daß sich in so unterschiedlichen Ländern wie Deutschland und Schweden derselbe Diskurs so lange erfolgreich gehalten hat? Trotz aller empirischen Unsicherheit, aller fehlgeschlagenen Prognosen, aller Kritik und selbst des offensichtlichen Desinteresses weiter Teile der Bevölkerungen? Weder die orthodoxe noch die Reformeugenik haben das überlebt, der Bevölkerungsdiskurs schon. Er ist nach wie vor ein medienwirksames Thema, selbst in Schweden. Welche Funktion erfüllt dieser Diskurs, daß er, bei bloßer Verschiebung von Schwerpunkten und regionaler Verlagerung, seine Attraktivität nicht verloren hat? Vielleicht bietet Michel Foucaults Konzept der »Bio-Politik« darauf eine Antwort. Foucault unterscheidet drei große Regierungstechniken, die Souveränität, die Disziplin und die Sicherheit. Die Souveränität zielt auf das Rechtssubjekt, das innerhalb eines Territoriums staatlicher Gerichtsbarkeit ausgesetzt ist. Gesetze unterscheiden Erlaubtes und Verbotenes und ahnden Übertretungen; was nicht verboten wird, ist erlaubt. Die Disziplin zielt auf den Körper, der in architektonischen Ensembles (Kaserne, Hospital oder Fabrik) klassifiziert, sequenziert und gedrillt
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Abbildung 55: Bevölkerungspolitische Selbstzucht als gelebter Nationalsozialismus (1938)
wird. Vorschriften unterscheiden Verbindliches und Verbotenes und verlangen Folgsamkeit; was nicht vorgeschrieben ist, ist verboten. Die Souveranität bestimmt Grenzen durch Strafe, die Disziplin Standorte durch Kontrolle. Erstere wirkt durch Druck von außen ein, letztere diszipliniert die Körper von innen. Die Sicherheit dagegen stellt kontrollierte Zirkulation her. Sie zielt auf die Bevölkerung, stützt sich auf die Statistik und konstituiert Interventionsfelder. Ein Fall wird empirisch beschrieben (z.B. Zweikindfamilien in den 1930er Jahren). Die Verteilungskurve wird statistisch ausgemacht (wo ist das Phänomen zu finden?). Je Sozialgruppe bzw. Individuum wird das Risiko bestimmt (daß sie Zweikindfamilien bilden könnten). Risikozonen werden differenziert, um die Gefahr genau bestimmen zu können (etwa die StadtLand- oder die soziale Verteilung von Zweikindfamilien). Die krisenhafte Eskalation der Entwicklung wird prognostiziert (Zunahme
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Abbildung 56: Schwedische Milchwerbung: »Ein gesünderes Geschlecht ist das Ziel … Laßt uns alle A-Menschen werden!« (1937)
der Zweikindfamilien). Normalitätskurven werden durch empirische Erhebungen entwickelt (welche Verhaltensweisen sind in welchen Bereichen normal?). Interventionen versetzen die einzelnen Normalitätskurven in Schwingungen, damit diese sich wechselseitig korrigieren und einer idealen Gesamtnormalitätskurve annähern: Architektur, Bevölkerungsverteilung, Fertilität, Arbeitsmarktverhältnisse, Selbstverwirklichung, Geschlechterverhältnisse – Ideale und Empirie zirkulieren zwischen diesen Bereichen, um so allmählich eine Idealgesellschaft herauszuschälen, etwa so, wie sie sich die Myrdals vorgestellt hatten. Es handelt sich um ein fragiles Gewebe, das ständiger statistischer Kontrolle bedarf, ständiger Interventionen, ständiger Justierungen, das sich durch die Kraft des Faktischen beständig verändert und das doch stets am Ideal einer Normalkurve entlanggleitend gehalten werden soll. Während das Gesetz eine Norm setzt, die Disziplin an ein optimales Modell angleicht, konstituiert die Sicherheit Normalitäten als
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XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik? | 159 Folge von dynamischen Entwicklungen.239 Es gibt dabei keinen Souverän, der Normalität setzt. Es handelt sich um die Selbststeuerung eines Systems (Abb. 55, 56). Wie könnte die bio-politische Karriere des Bevölkerungsdiskurses ausgesehen haben? Zur Zeit der Fürsten bildete Bevölkerung eine Ressource, die gepflegt werden mußte. Das erforderte einen registrierenden, siedelnden und gesundheitspolitischen Zugriff auf Menschen, die nicht als Individuen, sondern in klassifizierten Gruppen administriert wurden, als Frauen, Migrationsfähige, Berufsgruppen, Fortpflanzungskandidaten usw., die es zu fördern, zu pflegen, zu dressieren oder zu verpflanzen galt. Als mit der Industrialisierung Bevölkerung zur Bedrohung mutierte, konnten die Klassifikationen veränderten Zugriffen angepaßt werden, etwa die Unterscheidung von kriminellen Vaganten, seßhaften Taugenichtsen, sittlichen Armen, die unterschiedlichen positiven wie restriktiven Maßnahmen ausgesetzt waren, um die große Normalkurve des bürgerlichen Lebens vor dem Absturz zu bewahren. Die Ökonomen des 19. Jahrhunderts dann setzten Bevölkerungsgröße und Wirtschaftswachstum in Beziehung. Die Reduzierung der Geburtenziffer war eines der Steuerungsinstrumentarien, Wirtschaftswachstum zu generieren. Von früh an also wurde Bevölkerung als ein Objekt konstituiert, durch das hindurch auf den Zustand der Gesellschaft zugegriffen wurde. Entscheidend war die Zeit der Hochindustrialisierung. Da war Bevölkerung nicht nur durch elende, unhygienische Lebensbedingungen in Gefahr, da bildete der verelendete Teil der Bevölkerung nicht nur eine revolutionäre Bedrohung, sondern da stand die gesamte bürgerliche Lebenswelt auf dem Spiel, weil sich soziale Strukturen und Lebensstile rapide änderten. Fast alle Texte zur Bevölkerungsfrage lesen sich – in Negativform – wie ein Wertekatalog bürgerlicher Lebensweisen. Selbst eugenische Lehrbücher beschreiben in erster Linie die gegenwärtige soziale Welt. Im »Baur/Fischer/Lenz« beispielsweise wurde 1921 die »Akademikerschwemme« beklagt, und erbhygienisch begründet, warum man den Zugang zu höherer Bildung kanalisieren sollte. Erstens seien die meisten von Natur aus nicht zum akademischen Leben berufen, zweitens rufe ihr Aufstieg Neid bei denen hervor, die es nicht geschafft hätten, drittens führe das zu sozialer Disharmonie und viertens bekämen Akademiker weniger Kinder.240 Wilhelm Schallmayer wiederum zitierte 1903 in extenso die Klassiker der bürgerlichen Literatur, um die Berechtigung bürgerlicher Werte und damit erbbiologischer Thesen zu belegen.241 Immer wieder finden wir in den Texten die Beschreibung einer idealen, harmonischen Welt in der Form ihrer Auflösung. Die Idealwelt wurde mit rassenhygieni-
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160 | Ein ewigwährender Untergang schen Argumenten zur natürlichen Ordnung erhoben, Bevölkerungspolitik sollte sie erhalten bzw. wiederbegründen. So ging es darum, jedes Individuum in seiner Sozialschicht zu halten; darum, das Anwachsen bestimmter Schichten zu verhindern; darum, Bevölkerungsgruppen geographisch zu fixieren und Binnenwanderung zu reduzieren; darum, Geschlechterverhältnisse zu zementieren und Jugendlichen den Ausbruch aus traditionalen Sozialisationswegen zu verwehren; darum schließlich, Fremde vor den Grenzen der Nation zu halten. Jede Form der Bewegung, sozial und räumlich, veränderte Erfahrungen und Lebensweisen. Sie ließ Menschen abgleiten, sie erhöhte aber auch Partizipationsansprüche, politische und soziale. Beides machte sie zur Gefahr. Jede Bewegung bedrohte die patriarchalische Gesellschaftsordnung, vor allem die Dominanz der weißen, männlichen, bürgerlichen Mittelschicht. Deshalb berichten die Texte immer wieder von den verheerenden Auswirkungen unkontrollierter, widernatürlicher Bewegungen. Gleichzeitig präsentieren sie ein genaues Raster sozialer Positionen, das Zirkulation zwischen auseinanderliegenden Positionen stillstellt, indem es sie innerhalb eng abgegrenzter Räume optimiert. Jeder sollte in seiner Lebenswelt an den ihm gebührenden Platz aufsteigen können. Deshalb finden wir noch in den 1950er Jahren die aufwendigen Erhebungen, die fein differenzierte soziale Unterschiede erbbiologisch zu belegen und damit das Raster zu konstituieren suchten. Mit der Bevölkerungsfrage wurde bis weit in die Nachkriegszeit hinein die Frage nach der sozialen Ordnung der Gesellschaft verhandelt. Im Grunde hat sie immer etwas Existenzphilosophisches gehabt – auch für Neomalthusianer, wenn diese Quantität und Qualität der Arbeiterklasse in Beziehung setzten und in den Klassenkampf überführten. Bevölkerung handelte zudem stets von machtpolitischer Sicherheit. Das begann bei der Herrschaft der Fürsten, setzte sich fort mit dem Deutsch-Französischen und dann dem Ersten Weltkrieg, und läßt sich selbst in einem Buch von 1961 noch beobachten, als zwei Autoren davon ausgingen, daß das intellektuelle Potential für den Bau avancierter Waffensysteme eine Bevölkerungsgröße von mindestens 45 Millionen Menschen voraussetze.242 Mit Beginn des Kalten Krieges hatte sich zwar die Sorge vor einer Bevölkerungsflut aus dem Osten erledigt, weil auch dort die Geburtenzahlen schrumpften. Aber nun drohte die Dritte Welt mit ihrem Nachwuchs. So reisten die Sozialingenieure nach Afrika und Asien, um die erprobten bevölkerungsregulierenden Maßnahmen zu implementieren. Wieder ging es darum, je Raum und Schicht Normalkurven der Reproduktion zu erheben und abweichendes generatives Verhalten durch Verhütungsmaßnahmen an diese Kurven
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XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik? | 161 heranzuführen. Was vorher auf nationaler Ebene stattfand, war nun Aufgabe im Weltmaßstab: Bevölkerung im Raum zu gliedern, an den Raum zu binden, zu begrenzen und die soziale Ordnung umzubauen. Erneut wurden die Interessen eines Teils der (Welt-)Bevölkerung naturalisiert. Erschien früher die bürgerliche Gesellschaft als Natur, so war es nun die Umwelt, die Regulierungen geradezu erzwang. Ob es sich um Sozialingenieure handelte, die in der bürgerlichen Lebenswelt des frühen 20. Jahrhunderts aufgewachsen waren, oder um Kinder der pluralistischen Gesellschaft, gemeinsam war ihnen, daß sie Zirkulationen kontrollieren wollten. Das Ziel war nicht, Dynamik einzufrieren. Es sollten Gefälle austariert werden, die gefährlich schienen, um optimale Bewegungen zu finden. Kontrollierte Teilzirkulationen – z.B. der Aufstieg innerhalb der eigenen Schicht oder die Einschleusung von Frauen in den Arbeitsmarkt, um Geburten zu fördern (Industrieländer) oder zu reduzieren (Entwicklungsländer) – sollten die eine große Zirkulation – entgleisende Bevölkerungsbewegungen – verhindern helfen. Dynamik wurde akzeptiert und partiell freigesetzt, um das Spiel der Dynamiken im Griff zu behalten und die ideale Ordnung wahren zu können. Das ging immer auf Kosten größerer Bevölkerungsteile. Vor einer Annahme sollte man sich trotzdem hüten. Bevölkerungspolitik folgte nie dem Modell der Souveränität. Man findet keine Agenten, die eine repressive Bevölkerungspolitik entwarfen, um bestimmte Bevölkerungsteile zu unterdrücken. Bevölkerungspolitik verdankt sich spezifischen Weltanschauungen und politischen Konstellationen, die sich verschieben konnten, in Verbindung mit einer diskursiven Formation, die die Wahrnehmung der Welt strukturierte. Es gab Akteure, die handelten, aber der Durchgang durch die Stationen des Bevölkerungsdiskurses sollte deutlich gemacht haben, daß die einzelnen Texte nicht Ausdruck individueller Autorpositionen sind, sondern Ergebnisse und Bausteine eines spezifischen Diskurses. Die Akteure befanden sich zwar in der komfortablen Lage, in Praktiken und Texten über andere entscheiden und urteilen zu können, aber das System umgriff auch sie. Es war auf ihre Lebenswelt zugeschnitten, doch es diskriminierte im Zweifelsfalle jeden. Und heute? Läßt das schwedische Beispiel darauf schließen, daß der Bevölkerungsdiskurs nach etwa 100 Jahren Parallellauf vor einer Diskontinuität steht, die eine diskursive Formation zerbrechen läßt? Es ist zu früh, das vorherzusagen. Entscheidende Elemente des Diskurses werden in Schweden möglicherweise gerade über Bord geworfen, andererseits spielen Bevölkerungsgröße und Geburtenziffer nach wie vor eine Rolle. Und in Deutschland ist die Matrix stabil, quantitativ
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162 | Ein ewigwährender Untergang durch die Korrelation von Raum, Bevölkerungsgröße und Geburtenziffer, qualitativ weiterhin durch die Differenzierung von Bevölkerung in akzeptable und problematische Teile. Quantitativ geht es beispielsweise um den Umbau der Sozialsysteme, die durch zunehmende Empfängerzahlen immer stärker belastet werden. Demographie läßt sich als schlagkräftiges Argument einsetzen, den Sozialstaat zu reformieren (das muß keine Verschlechterung bedeuten243); man könnte damit auch den Umbau mentaler Dispositionen einfordern, etwa eine veränderte Einstellung gegenüber »Alten«. Beides geht Hand in Hand. Qualitativ trifft es nun zum einen ungeborenes Leben, das mit Hilfe immer detaillierterer medizinischer screenings zum Risiko erklärt wird – wenn es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit droht, behindert, mit Erboder Zivilisationskrankheiten behaftet oder auch nur mit unerwünschten Eigenschaften zur Welt zu kommen. Experten fällen keine Entscheidungen mehr, sondern eröffnen eine Kosten-Nutzen-Kalkulation. Die Wahl bleibt den Eltern überlassen, denen ausführlich ihre Verantwortung für den Fall deutlich gemacht wird, daß sie das Kind nicht »wegwählen« sollten. Zum andern rücken »Alte« ins Visier, sofern sie zu Pflegefällen werden und die Sozialkassen belasten. Die Stimmen mehren sich, die eine aktive Sterbehilfe für unheilbare Pflegefälle befürworten – und fordern. Selbst die Utopie einer genetischen Renovierung der gesamten Bevölkerung und die verbissenen Versuche, rassische Unterschiede doch noch genetisch festzuschreiben, sind nicht vom Tisch.244 Auf verschiedenen Ebenen dreht es sich um das »Humankapital« der Gesellschaft. Quantitativ geht es um notwendige Investitionen in dieses Kapital, das sträflich vernachlässigt worden sei. Durch die Geburtenausfälle habe sich eine gewaltige Investitionslücke aufgetan, obwohl doch eine moderne Nation hochqualifizierte Arbeitskräfte, kompetente Konsumenten, verantwortliche Eltern, partizipationsfähige Bürger und aktive Mitglieder einer Zivilgesellschaft benötige, um den »Anschluß an die Welt« nicht zu verpassen.245 Qualitativ müßten diese Bürger Mindestanforderungen erfüllen. Ihr intellektuelles Potential muß der modernen Welt angepaßt sein, und sie sollen keine kostenträchtigen körperlich-genetischen Defekte aufweisen. Deshalb stehen nach wie vor die Frauen im Mittelpunkt der Bevölkerungspolitik, denn von ihnen erwartet man den geeigneten Nachwuchs. Sie sind quantitativ nun einer neuen Maßzahl unterworfen, ihre Geburtenrate soll auf 1,6 Kinder gesteigert werden, die sie zudem in möglichst jungen Jahren bekommen sollen. Qualitativ sind sie das Ziel immer ausgeklügelterer diagnostischer Methoden, die immer feinere Risikoabschätzungen zulassen und immer genauere genetische Normalitätskurven
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XIII. Abschluß: 300 Jahre Bio-Politik? | 163 zeichnen. Statistisch immer weniger wahrscheinliche Risiken lassen bereits ungeborene Lebewesen in die Zonen der Anormalität zirkulieren.
Abbildung 57: Menschen sollen wieder dazu gebracht werden, Kinder attraktiv zu finden (1957)
Wie soll man nun die Geschichte des Bevölkerungsdiskurses schreiben? Als Geschichte einer hundertjährigen Mahnung, die nie erhört wurde, wofür wir bald die Quittung erhalten? So würden das gerne einige Demographen lesen. Oder als Geschichte einer hundertjährigen Hysterie, die jetzt vorbei ist? Das scheint nicht der Fall zu sein, wenigstens nicht in Deutschland. Eher ist es wohl die Erfolgsgeschichte einer Matrix, die es seit nunmehr 100 Jahren erlaubt, durch den Zugriff auf Bevölkerung Gesellschaft zu regulieren, nicht normierend, nicht disziplinierend, sondern normalisierend.246 Das macht die verborgene Kraft eines Diskurses aus, der nur scheinbar ständig gescheitert ist.
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Herwig Birg: Grundkurs Demographie – neunte Lektion, »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 3.3.2005. Herwig Birg: Grundkurs Demographie – letzte Lektion, »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 4.3.2005. »Der Stern« Nr. 27 vom 30.6.2005, S. 28. Vgl. Deupmann, Die Macht der Kinder, S. 32. Vgl. Burgdörfer, Familie und Volk. Vgl. G. Myrdal, Population. Vgl. Foucault, Archäologie des Wissens; ders., Die Ordnung des Diskurses; ders., Was ist ein Autor?; ders., Der Wille zum Wissen; ders., Die Ordnung der Dinge. Vgl. auch Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache; ders., Erfahrung und Tatsache. Vgl. Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, S. 23-114. Vgl. Katzmair, Ordnungen des Zählens; D. Schmidt, Statistik und Staatlichkeit; Sköld, Kunskap och kontroll; VomBrocke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?, S. 41-54. Zu Europa: Johannisson, Det mätbara samhället. Vgl. Höjer, Svenska siffror. Malthus, Das Bevölkerungsgesetz [1798], S. 19. Ebd., S. 46. Ebd., S. 63. Vgl. Malthus, An Essay on the Principle of Population [1803]; Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, S. 290-303. Vgl. Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, S. 311-412. Vgl. ebd., S. 289. Lundborg, Medizinisch-biologische Familienforschungen innerhalb eines 2232köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden, S. 389.
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166 | Ein ewigwährender Untergang 18 Vgl. Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung e.V., Mitteilungen Nr. 17 vom 24.6.1929, S. 4 (Bundesarchiv Koblenz, Bestand N 1336/37) 19 Vgl. Stone, Europe Transformed 1878-1919; Doering-Manteuffel, Mensch, Maschine, Zeit; Drehsen/Sparn, Die Moderne; Föllmer/Graf, Die »Krise« der Weimarer Republik; Planert, Der dreifache Körper des Volkes; Schott, Zur Biologisierung des Menschen; Hau, Körperbildung und sozialer Habitus. 20 Vgl. Perkin, The Rise of Professional Society; ders.: The Third Revolution; Hirdman, »Social Planning Under Rational Control«. 21 Zum folgenden vgl. Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, Blut und Gene, S. 27-366; Weindling, Health, Race and German Politics between National Unification and Nacism; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 18-39; Engels, Darwins Popularität im Deutschland des 19. Jahrhunderts; Weber, Ernst Rüdin; Grotjahn, Erlebtes und Erstrebtes; Lösch, Rasse als Konstrukt; Weiss, Race Hygiene and National Efficiency; Adams, The Wellborn Science; Heuer, Eugenik/Rassenhygiene in USA und Deutschland; Schmuhl, Rassenhygiene in Deutschland – Eugenik in der Sowjetunion; D. Kaufmann, Eugenik – Rassenhygiene – Humangenetik; Broberg/ Tydén, Oönskade i folkhemmet; Zaremba, De rena och de andra, S. 42-51, 124-160; Baxmann, Der Körper der Nation; Cromm, Gesellschaft versus Individuum; Föllmer, Der »kranke Volkskörper«. 22 Lundborg, Medizinisch-biologische Familienforschungen innerhalb eines 2232köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden, S. V. 23 Vgl. Rafter, White Trash. 24 Die Studien hinter den Schlagwörtern: Dugdale, »The Jukes«; Goddard, The Kallikak Family. 25 Rafter, White Trash, S. 28f. 26 Vgl. dazu Broberg, Statlig rasforskning. 27 So auch N. Hofsten, Modern ärftlighetslära; ders., Ärftlighetslärans grunder. 28 Lundborg, Degenerationsfaran och riktlinjer för dess förebyggande, S. 27f. (kursiv im Orig.). 29 Schallmayer, Ueber die drohenden körperliche Entartung der Culturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes, S. 20 (Hervorh. im Orig.). 30 Vgl. den Literaturbericht von Mohl, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 409-517. 31 Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 65 (Hervorh. im Orig.).
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Anmerkungen | 167 32 Vgl. Teitelbaum/Winter, The Fear of Population Decline, S. 1743. 33 Vgl. Wolf, Der Geburtenrückgang, S. 7-166. Vgl. auch Ferdinand, Geburtenrückgangstheorien in der Nationalökonomie Deutschlands zwischen 1900 und 1930. 34 E.A. Ross, zustimmend zit.n. Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 61. 35 Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 63. Vgl. auch ders., Die neue Sexualmoral und das Geburtenproblem unserer Tage; ders., Der Geburtenrückgang. 36 Wolf, Der Geburtenrückgang, S. 176 (Hervorh. im Orig.). 37 Ebd., S. 179. 38 Ebd., S. 183. 39 Ebd., S. 180f. (Hervorh. im Orig.). 40 Ebd., S. 185. Der Niedergang Roms scheint von der Frühen Neuzeit bis heute ein überzeugendes bevölkerungspolitisches Beispiel zu sein: Vgl. Demandt, Der Fall Roms, S. 347-396; »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 18.4.2006. 41 Wolf, Der Geburtenrückgang, S. 187. 42 Fahlbeck, zit.n. ebd. 43 Vgl. auch Brentano, Die Bevölkerungslehre; Wolf, Nahrungsspielraum und Menschenzahl. 44 Vgl. Schallmayer, Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker, S. 119f. 45 Ploetz, Rassenhygiene und Krieg, S. 615. 46 Das gilt schon für den Militärdienst in Friedenszeiten: Vgl. Schallmayer, Ueber die drohenden körperliche Entartung der Culturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes, S. 17f. 47 Dieser These widersprach Geyer, Rassenpflege, S. 3. 48 Ploetz, Rassenhygiene und Krieg, S. 617. 49 Ebd., S. 619. Ähnlich: Burgdörfer, Volks- und Wehrkraft, Krieg und Rasse (mit Verweis auf Ploetz); ders., Krieg und Bevölkerungsentwicklung; Geyer, Rassenpflege, S. 28; Hoffmann, Krieg und Rassenhygiene; Kammerer, Einzeltod, Völkertod, biologische Unsterblichkeit und andere Mahnworte aus schwerer Zeit; Winkler u.a., Art. »Bevölkerungswesen«, S. 697-728. Zusammenfassend: Crook, War as Genetic Disaster?; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 48-52. 50 Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 64f. 51 Vgl. Lundborg, Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven; ähnlich Hultkrantz, Om rashygien, S. 49f.
2007-04-02 17-06-50 --- Projekt: T397.x-texte.etzemüller / Dokument: FAX ID 028e143507639648|(S. 165-180) T01_14 anmerkungen.p 143507641232
168 | Ein ewigwährender Untergang 52 Lundborg, Rassenbiologische Übersichten und Perspektiven S. 26f. 53 Rümelin, Zur Uebervölkerungsfrage, S. 597. Vgl. auch Roscher, System der Volkswirthschaft, S. 484-572. 54 Rümelin, Zur Uebervölkerungsfrage, S. 599. 55 Ebd., S. 601. 56 Das rechneten z.B. Wolf, Nahrungsspielraum und Menschenzahl, und Oppenheimer, Weltprobleme der Bevölkerung, vor. Vgl. auch Ross, Raum für Alle?, S. 12-14. 57 Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, Blut und Gene, S. 129-131; Carlson, The Swedish Experiment in Family Politics, S. 7-15; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 87-89; Lewin, Masken uti rosen. 58 Vgl. Besant, The Law of Population. 59 Vgl. [Drysdale], Die Grundzüge der Gesellschaftswissenschaft, bes. S. 238-289, 401-543 (dt. 1871, schwed. 1878). 60 Ross, Raum für Alle?, S. 11. 61 Ebd., S. 289. 62 Beide Zitate ebd., S. 331. 63 Vgl. Mombert, Bevölkerungslehre; ders., Bevölkerungspolitik nach dem Kriege; ders., Bevölkerungsproblem und Bevölkerungstheorie im Lichte des Weltkrieges; ders., Die Gefahr einer Uebervölkerung für Deutschland. 64 Vgl. K. Wicksell, Läran om befolkningen; ders., Barnalstringsfrågan; ders., Befolkningsfrågans nuvarande läge; ders., Om utvandringen; Bergegren, Kärlek utan barn; ders., Begick jag ett misstag då jag propagerade för kärlek utan barn? Vgl. auch Öhrvall, I vår befolkningsfråga; Wright, Population (dt. 1924, schwed. 1924). 65 Vgl. Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 60. 66 Vgl. Andersson, Barnalstringsfrågan och arbetareklassen; Bergegren, Kärlek utan barn. 67 Vgl. Besant, The Law of Population. 68 Vgl. Wolf, Art. »Bevölkerungsfrage«, S. 65. 69 Vgl. Bergegren, Kärlek utan barn, S. 28f. Ähnlich Öhrvall, I vår befolkningsfråga, S. 41-47. 70 Vgl. nur Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Funkkolleg Humanökologie, Studienbrief 3, S. 88-117; Birg, Die Weltbevölkerung, bes. S. 21-67. 71 Vgl. außerdem die ersten Publikationen zur Geschichte der Bevölkerungswissenschaft: VomBrocke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?; Mackensen, Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933; ders., Bevölkerungslehre und Bevölkerungspo-
2007-04-02 17-06-50 --- Projekt: T397.x-texte.etzemüller / Dokument: FAX ID 028e143507639648|(S. 165-180) T01_14 anmerkungen.p 143507641232
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litik im »Dritten Reich«; Mackensen/Reulecke, Das Konstrukt »Bevölkerung« vor, im und nach dem »Dritten Reich«. Dagegen der Überblick von Weippert, Bevölkerung und Nation. Vgl. VomBrocke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?, S. 8794. Burgdörfer, Familie und Volk, S. 7 (Hervorh. im Orig.). Ähnlich: Burgdörfer, Der Geburtenrückgang und seine Bekämpfung. Burgdörfer, Familie und Volk, S. 12. Burgdörfer, Volk ohne Jugend, S. 38. Burgdörfer, Familie und Volk, S. 24f. Ebd., S. 39. Beide Zitate ebd., S. 40. Ebd. (Hervorh. im Orig.). Ebd., S. 68 (Hervorh. im Orig.). Vgl. Reinecke, Krisenkalkulationen, S. 232f. Ähnlich: Burgdörfer, Aufbau und Bewegung der Bevölkerung; ders., Der Geburtenrückgang und seine Bekämpfung; ders., Bevölkerungsentwicklung im Dritten Reich. Vgl. Burgdörfer, Volk ohne Jugend, S. 421-431. Ebd., S. 425. 1940 verschärfte Burgdörfer diese Vorwürfe, nun auch an die Adresse Großbritanniens: Vgl. Burgdörfer, Krieg und Bevölkerungsentwicklung. Burgdörfer, Sterben die weißen Völker?, S. 81. Ebd., S. 8. Die mit Abstand beste Biographie über Alva (und Gunnar) Myrdal ist nach wie vor Bok, Alva Myrdal. Vgl. jetzt aber auch Hirdman, Det tänkande hjärtat. Myrdal/Myrdal, Kris i befolkningsfrågan, S. 107. G. Myrdal, Socialpolitikens dilemma, S. 25, 28. Myrdal/Myrdal, Kris i befolkningsfrågan, S. 93. Ebd., S. 11. A. Myrdal, Stadsbarn, S. 87. G. Myrdal, Population, S. 188, 190 (kursiv im Orig.). Vgl. auch A. Myrdal, Nation and Family; G. Myrdal, Befolkningsproblemet i Sverige; ders., Vad gäller striden i befolkningsfrågan? Am öffentlichkeitswirksamsten: Myrdal/Klein, Women’s Two Roles. Vgl. G. Myrdal, Befolkningsproblemet i Sverige, S. 4-8. Vgl. Bok, Alva Myrdal; Hirdman, Det tänkande hjärtat. In alphabetischer Reihenfolge für Deutschland: Bülow, Gustav Ruhland, ein deutscher Bauerndenker im Kampf gegen Wirt-
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170 | Ein ewigwährender Untergang schaftsliberalismus und Marxismus; Die Eugenik im Dienste der Volkswohlfahrt; Eickstedt, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit; Elster, Art. »Eugenik und Eubiotik (Sozialbiologie)«; Folkers, 24 Karten zur Rassen- und Raumgeschichte des deutschen Volkes; Friese, Rassenkunde; Fürth, Die deutschen Frauen im Krieg; Geyer, Rassenpflege; Glässing, Bericht des ersten deutschen Kongresses über Bevölkerungsfragen zu Darmstadt am 7., 8. und 9. November 1916; V. Grimm, Der Kampf des Bauerntums mit der Großstadt; D. Günther, Die Uebervölkerungs- und die Wohlstandstheorie im Spiegel der deutschen Bevölkerungsbewegung 1840-1933; Gütt, Bevölkerungs- und Rassenpolitik; Harmsen, Praktische Bevölkerungspolitik; Harmsen/Lohse, Bevölkerungsfragen; Haufe, Die Bevölkerung Europas; Helmut, Volk in Gefahr; G. Ipsen, Art. »Bevölkerung: I. Bevölkerungslehre«; Kahn, Der internationale Geburtenstreik; Korherr, Geburtenrückgang; ders., Volk und Raum; Most, Bevölkerungspolitik; Muckermann, Eugenik; ders., Kind und Volk; ders., Rassenforschung und Volk der Zukunft; Mühlner, Bevölkerungsentwicklung unter kriegswirtschaftlichen Gesichtspunkten; J. Müller, Der Geburtenrückgang; K.V. Müller, Arbeiterbewegung und Bevölkerungsfrage; Schacht, Brennende deutsche Bevölkerungsfragen; Ungern-Sternberg, Bevölkerungsverhältnisse in Schweden, Norwegen und Dänemark; ders., Die französischen Kolonien; ders., Die Ursachen neuzeitlicher Ehezerrüttung; vgl. schon früher: Alsberg, Erbliche Entartung, bedingt durch Soziale Einflüsse; Gruber, Ursachen und Bekämpfung des Geburtenrückgangs im Deutschen Reich; Woltereck, Erbkunde, Rassenpflege, Bevölkerungspolitik; Haushofer, Bevölkerungslehre; Hoffmann, Krieg und Rassenhygiene; Kammerer, Einzeltod, Völkertod, biologische Unsterblichkeit und andere Mahnworte aus schwerer Zeit; Schallmayer, Bevölkerungspolitische Kriegsliteratur; und später: Mackenroth, Bevölkerungslehre. – Für Schweden: Acta och facta i befolkningsfrågan; Alegård, Befolkningsfrågan genom tiderna; Arrhén, Befolkningsfrågan är vår ödesfråga; Bagger-Sjöbäck/Hofsten, Ett barn – eller fyra?; Biörck, Vårt folk och vår framtid; Borg, Ett döende folk; Byttner, Vetenskap och politik i befolkningsfrågan; Cassel, Liv eller död; Dahlberg, Sveriges befolkningsproblem; Debatt i befolkningsfrågan; Edin u.a., Vårt folks framtid; Familjen främst!; Fransson, Barnbegränsningens orsaker; Grönlund, Översikt av befolkningsrörelsen i Sverige under 200 år; E. Hofsten, Hur den svenska landsbygden avfolkas; Hultkrantz, Om rashygien; Hyrenius, Livsvilja eller
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folkdöd; Lundborg, Västerlandet i fara; Silverstolpe, Folkmängd och välstånd; SOU 1936:59; SOU 1938:15; SOU 1938:19; SOU 1938:24; SOU 1938:57; SOU 1945:53; Ström, Nu gäller det livet!; Thörnberg, Från det moderna samhället; Trägårdh, Civilisationens dilemma och andra biologiska skisser; Vårt lands befolkningsfråga; Wahlund, Medan patienten väntar…; S. Wicksell, Ur befolkningsläran; vgl. auch schon Sundbärg, Grunddragen av befolkningsläran; Wallis, Befolkningsfrågan, från kulturalla och politiska synpunkter. – Andere Länder: Langeland, Det er liv eller død det gjelder; Lionæs/Skaug, Dør vi ut; Glass, Population; Sinclair, Population. – Vgl. auch Ehmer, Eine »deutsche« Bevölkerungsgeschichte?; Matz, Die Bewertung des Geburtenrückgangs zur Zeit der Weimarer Republik; Pinwinkler, Der österreichische Demograph Wilhelm Winkler und die Minderheitenstatistik; ders., Volk, Bevölkerung, Rasse and Raum; ders., Wilhelm Winkler (1884-1984) – eine Biographie; Schleiermacher, Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene; Stöckel, Säuglingsfürsorge zwischen sozialer Hygiene und Eugenik; Stölken, »Komm, laß uns den Geburtenrückgang pflegen!«. Im Detail: Carlson, The Swedish Experiment in Family Politics; Hatje, Befolkningsfrågan och välfärden; Kälvemark, More Children of Better Quality? – Zu Deutschland: Bokelmann, Die demographische Frage nach dem Ersten Weltkrieg. Als Ausnahmen: Ungern-Sternberg/Schubnell, Grundriß der Bevölkerungswissenschaft (Demographie), S. 9; F.-X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 20, 23, 25-28. Pfeil, Bevölkerung und Raum, S. 5. Vgl. Ungern-Sternberg/Schubnell, Grundriß der Bevölkerungswissenschaft (Demographie), S. 10. Kulischer/Kulischer, Kriegs- und Wanderzüge, Weltgeschichte als Völkerbewegung, S. 72. Ebd., S. 177. Pfeil, Bevölkerung und Raum, S. 23. Vgl. dazu Lundborg, Rassenkunde des schwedischen Volkes. N. von Hofsten, Diskussionsbeitrag, in: Debatt i befolkningsfrågan, S. 29. Hyrenius, Livsvilja eller folkdöd, S. 118. Helmut, Volk in Gefahr, S. 12. Ebd., S. 46. H. Gütt, Nachwort, in: ebd., S. 55. L:son von Horn, Die gothische Nordrasse als Opfer der Verstädterung und der Industrialisierung, S. 477.
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Ebd., S. 476. Vgl. Pöhlmann, Die Übervölkerung der antiken Grossstädte [sic!] im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung städtischer Civilisation. Zur Stadtkritik aus eugenischer Sicht vgl. auch H. Günther, Die Verstädterung. Vgl. Vietinghoff, Großstadt – Industriestadt. Vgl. die Beiträge in Eickstedt, Bevölkerungsbiologie der Großstadt. H. Muckermann, in: Die Eugenik im Dienste der Volkswohlfahrt, S. 16. H. Grimm, Volk ohne Raum; hierzu Gümbel, Instrumentalisierte Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Weigmann, Politische Raumordnung; F. Meyer, Probleme und Methoden der Binnenwanderungsforschung; Bülow, Großraumwirtschaft, Weltwirtschaft und Raumordnung; vgl. auch schon Ratzel, Der Lebensraum. Außerdem: Gerhard, Nomadische Bewegungen und die Symbolik der Krise; Leendertz, Ordnung, Ausgleich, Harmonie. A. Höjer, Diskussionsbeitrag, in: Debatt i befolkningsfrågan, S. 35. Hultkrantz, Några ord om eugenik (rashygien), S. 299. Vgl. R. Grubb, in: Edin u.a., Vårt folks framtid, S. 21f. Beispielsweise für R. Gustafson, E. Wägner und R. Grubb, in: SOU 1938:19, S. 3*-10*. Fransson, Barnbegränsningens orsaker, S. 36. Ebd., S. 35. Hoffmann, Krieg und Rassenhygiene, S. 11 (Hervorh. im Orig.). Cassel, I förnuftets tjänst, Bd. 2, S. 74. Rümelin, Zur Uebervölkerungsfrage, S. 615. Winkler u.a., Art. »Bevölkerungswesen«, S. 633. Da folgen ihm die Herausgeber seiner Schriften, Rudolf Haller und Robin Kinross, völlig unkritisch: Neurath, Gesammelte bildpädagogische Schriften; ähnlich Nikolow, Kurven, Diagramme, Zahlen- und Mengenbilder. Vgl. auch Leonard, »Seeing Is Believing«. Vgl. dazu die interessante Analyse von Bredekamp, Darwins Korallen, der herausarbeitet, wie stark die Genese der Evolutionstheorie ein Prozeß der Visualisierung war. Vgl. Sinclair, Population, S. 92. Vgl. dazu Schulte-Holtey, Über Kurvenlandschaften in Printmedien. Vgl. Helmut, Volk in Gefahr.
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Anmerkungen | 173 135 Ebd., S. 6. 136 Rechenbach, Die bevölkerungspolitische Bedeutung und Aufgabe des Bauerntums im deutschen Volke, S. 815. 137 Wichterich, Menschen nach Maß – Bevölkerung nach Plan, S. 31f. 138 Vgl. dazu, und zu weiteren Techniken: Brecht/Nikolow, Displaying the Invisible; Nikolow, Anormale Kollektive; dies., Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung; dies., Die Nation als statistisches Kollektiv; dies., Der statistische Blick auf Krankheit und Gesundheit; dies., Imaginäre Gemeinschaften; Schaible, Sozial- und Hygiene-Ausstellungen. 139 Vgl. Folkers, 24 Karten zur Rassen- und Raumgeschichte des deutschen Volkes; Korherr, Volk und Raum. 140 Lundborg, Svenska folktyper; ders., Rassenkunde des schwedischen Volkes. 141 Lundborg, Svenska folktyper, S. 11. 142 Ebd., S. 7. 143 Ebd., S. 10. 144 Vgl. Cassel, I förnuftets tjänst, Bd. 2, S. 125f. 145 H. Günther, Rassenkunde Europas. 146 Friese, Rassenkunde, S. 196. 147 Vgl. Exner/Kytir/Pinwinkler, Bevölkerungswissenschaft in Österreich in der Zwischenkriegszeit; Herlitzius, Frauenbefreiung und Rassenideologie; Klevenow, Geburtenregelung und »Menschenökonomie«; Richter, Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich; Schleiermacher, Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene; Schwartz, Eugenik und Bevölkerungspolitik; ders., Konfessionelle Milieus und Weimarer Eugenik; ders., »Proletarier« und »Lumpen«; ders., Sozialismus und Eugenik; ders., Sozialistische Eugenik; Allen, »Das Recht des Kindes, seine Eltern zu wählen«; dies., German Radical Feminism and Eugenics; Zaremba, De rena och de andra. 148 Vgl. Moriturus, Bakom födelsepropagandans fasader. 149 Vgl. Ploetz, Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme (samt der erwähnten Debatte). 150 W. Schmidt, Rasse und Volk, S. 23. 151 Ebd., S. 12. 152 Ebd., S. 21. 153 Vgl. Boas, Rasse und Kultur; dazu D. Kaufmann, »Rasse und Kultur«; Stepan, The Idea of Race in Science, S. 140-169; Krae-
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mer, Kritik der Eugenik. Für die Nachkriegszeit: Benedict, Die Rassenfrage in Wissenschaft und Politik; Conrad-Martius, Utopien der Menschenzüchtung; UNESCO, Four Statements on the Race Question. Ein erster Überblick über die Kritiker: VomBrokke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?, S. 101-104. Vgl. Gradmann, Bazillen, Krankheit und Krieg; Jansen, »Schädlinge« (bes. S. 375-379, wo Jansen vor vereinfachenden Kontinuitätslinien warnt). Schwidetzky, Das Problem des Völkertodes, S. 12. K.V. Müller, Typen des sozialen Verhaltens und ihre Standorte, S. 47. Schwidetzky, Anthropologische Regionaluntersuchungen im Dienste der Raumforschung, S. 55. Vgl. Hejden, Die Bedeutung der handwerklichen Begabung für die Planologie. Wieso, bleibt unklar; Vgl. Steiner, »Papillarmuster als anthropologische und stammeskundliche Leitzeichen (am Beispiel eines niedersächsischen Landkreises).« (Zitat S. 76). Vgl. auch Asmus, Bevölkerungswandel in Niedersachsen im Laufe von 70 Jahren aus dem Institut für empirische Soziologie, Hannover [sic!]. Arnold, Bevölkerungsbiologische Beobachtungen an Sippenwanderern (dort das Zitat, S. 64); ders., Wer ist Zigeuner? Schwidetzky, Anthropologische Regionaluntersuchungen im Dienste der Raumforschung, S. 54. Das komplizierte Verfahren erklärte Eickstedt, Stadtanthropologie als bevölkerungspolitische Aufgabe, S. 13-16 (Zitate S. 15f.). Vgl. Pinn/Nebelung, Kontinuität durch Verdrängung; Weß, Hans Wilhelm Jürgens, ein Repräsentant bundesdeutscher Bevölkerungswissenschaft; ders., Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Vgl. Reeken, Konservative Kontinuität und beginnende Modernisierung, S. 61f.; Krauss, Das »Wir« und das »Ihr«; Gerhardt, Bilanz der soziologischen Literatur zur Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge nach 1945. Jürgens, Der biologische Anspruch auf Territorium, S. 18. Vgl. Jürgens, Asozialität als biologisches und sozialbiologisches Problem; vgl. auch R.J. Lorenz, Die Arbeiten Siegfried Kollers zur Rassenhygiene in der Zeit von 1933 bis 1945, S. 210-224. Vgl. auch Eickstedt, Vom Wesen der Anthropologie; Keyser, Die gegenwärtigen Aufgaben der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland; Linde, Die generative Form spezifischer Bevölkerungen; C. Lorenz, Die methodischen Grundlagen der Bevölke-
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rungsstatistik; Müller, Erforschung der qualitativen Bevölkerungsstruktur in sozialanthropologischer Sicht; Nachtsheim, Übervölkerung und Erbgutdegeneration; ders., Die neue Deklaration der UNESCO zum Rassenproblem; Pfeil, Der Flüchtling; Schade, Erforschung der qualitativen Bevölkerungsstruktur in medizinischer Sicht; Schwidetzky, Grundzüge der Völkerbiologie; Verschuer, Eugenik in der industrialisierten Gesellschaft; ders., Erbschädigung des Menschen durch radioaktive Strahlen; ders., Probleme der Eugenik. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, Blut und Gene, S. 367-561; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 121-173; Weindling, Health, Race and German Politics between National Unification and Nacism; VomBrocke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?, S. 57-107; Bock, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus; Petermann, Die Vorstellungen der Rassenhygieniker und das Bevölkerungsprogramm im »Dritten Reich«; R.J. Lorenz, Die Arbeiten Siegfried Kollers zur Rassenhygiene in der Zeit von 1933 bis 1945; Roth, Schöner neuer Mensch; Weikart, Progress through Racial Extermination. Ausführlich: Rothstein, Den korporativa staten. Geyer, Rassenpflege, S. 9 (Hervorh. im Original). Ebd., S. 12. Vgl. ähnlich Schallmayer, Ueber die drohenden körperliche Entartung der Culturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes, S. 11f., 14; Burgdörfer, Familie und Volk, S. 39; oder die Beiträge in Eickstedt, Bevölkerungsbiologie der Großstadt. Vgl. für Schweden: Broberg/Tydén, Oönskade i folkhemmet; Runcis, Steriliseringar i folkhemmet; Tydén, Från politik till praktik; SOU 2000:20. – Dänemark: Koch, Racehygiejne i Danmark 1920-56; dies., Tvangssterilisation i Danmark 1929-67; dies., The Ethos of Science. – Für Finnland: Mattila, The Alegal Eugenic Sterilisations in Finland; ders., Kansamme Parhaaksi, S. 401-435 (summary). Skandinavien: Broberg/Roll-Hansen, Eugenics and the Welfare State. – Der internationale Kontext: Zaremba, De rena och de andra; Mattila, Old Arguments, New Truths; Schmuhl, Rassenhygiene in Deutschland – Eugenik in der Sowjetunion; Weingart, Science and Political Culture; Harwood, National Styles in Science; Porter, Eugenics and the Sterilisation Debate in Sweden and Britain Before World War II; Weindling, International Eugenics; Grazia, Die Radikalisierung der Bevölkerungspolitik im faschistischen Italien; C. Ipsen, Dictating Demography; Quine, Population Politics in Twentieth-Century Europe;
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Hasian, The Rhetoric of Eugenics in Anglo-American Thought; Soloway, Demography and Degeneration. Dahlberg, Arv och ras, S. 130. Roth, Schöner neuer Mensch, S. 387. Vgl. Witoszek/Trägårdh, Culture and Crisis; Schivelbusch, Entfernte Verwandtschaft. Roll-Hansen, Conclusion, S. 267. Wirsing, Die Menschenlawine, S. 32. Ebd., S. 101f. Ebd., S. 73. Ebd., S. 74. Niebuer, Bedrohungen des menschlichen Lebensraumes, S. 12. K. Meyer, Nahrungsraum und Übervölkerung, S. 12. Ebd., S. 37. Vgl. Weiner/Teitelbaum, Political Demography, Demographic Engineering, S. 15f., 45-53. Vgl. auch Orr, The White Man’s Dilemma (dt. 1954, schwed. 1955); Vogt, Road to Survival (dt. 1950, schwed. 1950); Cook, Wer wird morgen leben?; Burgdörfer, Welt-Bevölkerungs-Atlas; K. Meyer, Ordnung im ländlichen Raum, S. 24; Hauser, Die zukünftige Entwicklung der Weltbevölkerung als zentrales weltpolitisches Problem unserer Zeit. – Bereits 1923: East, Mankind at the Crossroads (dt. 1926); Ross, Raum für Alle? Nachtsheim, Übervölkerung und Erbgutdegeneration, S. 3. Ebd., S. 7. Vgl. auch Cook, Wer wird morgen leben?; East, Mankind at the Crossroads. Zum Folgenden vgl.: Symonds/Carder, The United Nations and the Population Question; Caldwell/Caldwell, Limiting Population Growth and The Ford Foundation Contribution; Back, Family Planning and Population Control. Symonds/Carder, The United Nations and the Population Question, S. 176. Ehrlich/Ehrlich, Bevölkerungswachstum und Umweltkrise, S. 428. Ähnlich: dies., Bevölkerungskontrolle – Kontrolle der Bevölkerung?; P. Ehrlich, Die Bevölkerungsbombe; Meadows u.a., Die Grenzen des Wachstums, S. 26-30, 37-45, 96-105, 124-128; Das Überleben sichern; Global 2000, S. 39-45, 50-77, 143-189, 498538, 991-1027; Unsere gemeinsame Zukunft; Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Funkkolleg Humanökologie, v.a. Einführungsbrief (S. 17-27), Studienbrief 1 (S. 2630, 51-84, 104-113), 3 (S. 51-117), 11 (S. 16-19, 46-48), 12 (S. 67ff.); Schmid, Das Bevölkerungsproblem in der Dritten Welt; E. Hof-
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sten, Världens befolkning; ders., Indien; ders., Folkökning!; Hyrenius/Åhs, The Sweden-Ceylon Family Planning Pilot Project; Hyrenius, Befolkning och samhälle; ders., Flerspråkig demografisk ordbok; Matthiessen, Befolkningsutvecklingen – orsak och verkan; Boserup, The Conditions of Agricultural Growth; Clark, Population Growth and Land Use. Symonds/Carder, The United Nations and the Population Question, S. 171. Ebd., S. 203. Vgl. Randeria, Das Wunder Kerala: eine Erfolgsgeschichte indischer Bevölkerungspolitik?; Spiller, Objekt »Frau« in Familienplanungsprogrammen; Wichterich, Menschen nach Maß – Bevölkerung nach Plan; Duden, Bevölkerung; Greenhalgh, The Social Construction of Population Science; Hummel, Der Bevölkerungsdiskurs; Weissman, Die Bevölkerungsbombe ist ein Rockefeller-Baby; Enzensberger, Zur Kritik der politischen Ökologie. P. Khalatbari, zit.n. Heim/Schaz, Berechnung und Beschwörung, S. 116 (Auslassungen im Orig.). I. Eibl-Eibesfeld, zit.n. ebd., S. 127. Ebd., S. 135. Ebd., S. 137. Vgl. A. Myrdal, Vårt ansvar för de fattiga folken. Ähnlich: G. Myrdal, Världsekonomin; ders., Rika och fattiga länder. Lindskog, A. Myrdal, S. 97f. Vgl. Bongaarts/Bulatao, Completing the Demographic Transition; Lutz/Sanderson/Scherbov, The End of World Population Growth in the 21st Century. Beide Zitate: Lutz/Sanderson/Scherbov, The End of World Population Growth in the 21st Century, S. 61. »Dagens Nyheter« vom 13.8.2004; »Aftonbladet« vom 13.8. 2004. Vgl. u.a. Bolte, Art. »Bevölkerung«; Burgdörfer, Bevölkerungsdynamik und Bevölkerungsbilanz; Findeisen, Europa stirbt und merkt es nicht; Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Funkkolleg Humanökologie; Franke/Jürgens, Keine Kinder – keine Zukunft?; K. Meyer, Ordnung im ländlichen Raum, S. 24-37; Schade, Völkerflut und Völkerschwund; Schmid, Der Kinderwunsch in der modernen Industriegesellschaft; Schubnell, Die Entwicklung der Demographie in Deutschland, ihr gegenwärtiger Stand und ihre Aufgaben; ders., Möglichkeiten und Grenzen der Bevölkerungspolitik; ders., Gesetzgebung und Fruchtbarkeit; Schwarz, Zum Stand der bevölkerungs-
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politischen Diskussion und zur Thematik; Selke, Zum Stand der bevölkerungspolitischen Diskussion in Raumordnung und Landesplanung; Ungern-Sternberg/Schubnell, Grundriß der Bevölkerungswissenschaft (Demographie); Wingen, Familien- und gesellschaftspolitische Aspekte der Entscheidung für Kinder. – Für Schweden: Grönlund, Översikt av befolkningsrörelsen i Sverige under 200 år; E. Hofsten, Befolkningsutvecklingens stora roll; ders., Flera barn i Sverige?; Hyrenius, Befolkning och samhälle; ders., Så mycket folk; Mundebo, Ny kris i befolkningsfrågan?; SOU 1987:3, bilaga 27; »Svenska Dagbladet« vom 20.11. 1976 und vom 30.11.1976. – Ein rudimentärer Überblick über die Geschichte der Bevölkerungswissenschaften in der Bundesrepublik: VomBrocke, Bevölkerungswissenschaft – Quo vadis?, S. 108-110. Vgl. auch Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, Blut und Gene, S. 562-630; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 174-204. Bolte, Art. »Bevölkerung«, S. 155. Muckermann, Das Bevölkerungsproblem, S. 13. Vgl. Hyrenius, Befolkning och samhälle, S. 53-55, 131-139. »Svenska Dagbladet« vom 30.11.1976 (dort wird auch die erste Überschrift zitiert). Vgl. Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Funkkolleg Humanökologie, Studienbrief 3, S. 47-87. Schmid, Bevölkerungsveränderungen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 33, 38. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 8.11.1995. Vgl. auch das »Heidelberger Manifest«, »Die Zeit« vom 5.2.1982, dazu der Hintergrundartikel von Hanno Kühnert, ebd. Schmid, Bevölkerungsentwicklung und Migration in Deutschland, S. 23. Schmid, Das verlorene Gleichgewicht, S. 8. Vgl. Interview mit H.W. Jürgens, »Die Zeit« vom 22.2.1985. Vgl. Birg, Die demographische Zeitenwende. Leserbriefe, »Die Zeit« vom 15.3.1985. Reinecke, Krisenkalkulationen, S. 222; ähnlich Demeny, Demography and the Limits of Growth, S. 238. »Süddeutsche Zeitung« vom 10.1.2005, 12./13.2.2005, 21.4.2005 und vom 3.5.2005; »Der Stern« Nr. 27 vom 30.6.2005; »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 13.11.2004. »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 27.4.2005. Vgl. Deupmann, Ulrich: Die Macht der Kinder, S. 80-82; »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 22.1.2005. Vgl. schon E. Hofsten, Befolkningsutvecklingens stora roll.
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Anmerkungen | 179 220 »Welt am Sonntag« vom 27.2.2005; »tagesschau.de« vom 24.1. 2005 (www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID3995 848,00.html, Zugriff am 30.9.2005); vgl. aber auch Niejahr, Alt sind nur die anderen, S. 88. 221 »Die Zeit« vom 17.2.2005. 222 Vgl. Schirrmacher, Das Methusalem-Komplott, S. 50f. 223 Vgl. Kröhnert/Olst/Klingholz, Deutschland 2020 – die demographische Zukunft der Nation, S. 21. 224 Vgl. Royal Ministry of Foreign Affairs, The Biography of a People, S. 154f.; »Svenska Dagbladet« vom 12.4.2005, »Dagens Nyheter« vom 3.3.2004 und vom 8.8.2004; »Dagens Nyheter«, OnlineAusgabe vom 23.2.2005 (www.dn.se/Dnet/jsp/polopoly.jsp?d=5 72&a=382382&previousRenderType=1, Zugriff am 30.9.2005). 225 »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 8.3.2005; »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« vom 16.10.2005; »Die Zeit« vom 9.10.2005 und vom 14.6.2006. Typisches Beispiel dafür: F.-X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 123, wo das Thema gerade einmal in einer Fußnote angeschnitten wird, mit Hinweis auf die völlig unzureichende Datenbasis. 226 Vgl. »Die Zeit« vom 4.5.2005. 227 Zit.n. Deupmann, Die Macht der Kinder, S. 67. 228 »Die Zeit« vom 8.6.2006. Die übrigen Beiträge in der »Zeit« vom 14.6., 22.6. und 29.6.2006. Vgl. auch »Die Zeit« vom 9.10. 2005 und 17.3.2006 sowie die Beiträge in »Literaturen«, Heft 6 (2006) bzw. »Berliner Debatte Initial«, Heft 3 (2006). 229 Vgl. Deupmann, Die Macht der Kinder; Mai, Die Alten der Zukunft; Niejahr, Alt sind nur die anderen; Schirrmacher, Das Methusalem-Komplott; SOU 2003:91. Selbst die FAZ scheint die Geduld mit den vollkommen hoffnungslosen Zukunftsszenarien Herwig Birgs zu verlieren, vgl. das Streitgespräch zwischen Birg und dessen scharfen Kritiker Albrecht Müller (der angesichts der Irrelevanz des Faches noch nicht einmal Gelegenheitsdemograph sein wolle), »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 28.8.2006. 230 F.-X. Kaufmann, Die Überalterung, S. 234. Am Ende sieht allerdings auch Kaufmann nur drei Möglichkeiten für die Schweiz: Überalterung (wenn die Zahl der Jungen im Vergleich zu den Alten zu stark abnimmt), Überfremdung oder Wachstum (ebd., S. 539). 231 Vgl. Conrad, Vom Greis zum Rentner. 232 So z.B. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2003 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 41. 233 Vgl. Teitelbaum/Winter, The Fear of Population Decline, S. 10f.
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180 | Ein ewigwährender Untergang 234 Am deutlichsten ist immer noch F.-X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft. 235 Birg, Die Weltbevölkerung, S. 12 (Hervorh. von mir). 236 Ebd., S. 25 (Hervorh. von Birg). 237 Das gilt übrigens auch für F.-X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, der ansonsten unter den Bevölkerungswissenschaftlern zu den wenigen gehört, die einen reflektierten und erfreulich unaufgeregten Ton anschlagen (z.B. S. 112f.: Aus den Befunden lassen sich Konsequenzen ableiten, die umstritten bleiben werden, weil sich immer auch Gegentendenzen ausmachen lassen. Die setzt er dann mit »verharmlosenden Diskursen« gleich, gegen die er seine Gegenthese stellt). 238 Ebd., S. 23. 239 Vgl. Foucault, Geschichte der Gouvernementalität I; ders., In Verteidigung der Gesellschaft; ders., Überwachen und Strafen. 240 Vgl. Baur/Fischer/Lenz, Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene, Bd. 2, S. 275f. 241 Vgl. Schallmayer, Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker. 242 Vgl. McIntosh, Population Policy in the Liberal Democracies, S. 30. 243 Kritisch aber: Butterwegge, Sozialreform, demographischer Wandel und Generationengerechtigkeit; Welzk, Die »Alterskatastrophe« und der Absturz der Renten. 244 Vgl. Beck-Gernsheim, Körperindustrie und Gentechnologie; Köbsell, Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten …?; Kühl, Die Internationale der Rassisten, S. 205-238; Waldschmidt, Normalistische Landschaften in der genetischen Beratung und Diagnostik; Weingart/Kroll/Bayertz, Rasse, Blut und Gene, S. 631-884; Wichterich, Menschen nach Maß – Bevölkerung nach Plan, S. 13-18. 245 Vgl. F.-X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 72-82, 105109. 246 Vgl. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft.
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Nachwort | 181
Nachwort
Die Anfänge dieses Textes liegen im Sonderforschungsbereich 437 »Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit« an der Universität Tübingen. Dort begann ich Ende 2002 ein Projekt über den Einfluß des Krieges auf die Bevölkerungswissenschaft. Genau ein Jahr darauf wechselte ich an die Universität Oldenburg; das Projekt wollte ich rasch mit einem längeren Aufsatz abschließen. Es waren nur noch ein paar Texte zu lesen. Aber das Thema entwickelte sein Eigenleben. Es diktierte eine immer längere Literaturliste, die nur durch immer radikalere Kürzungsaktionen in den Griff zu bekommen war. Im Sommer 2005 schrieb ich dann – weitgehend im Schwarzwald, teils in Hamburg – die erste Fassung des Manuskripts, das im Sommer 2006 schließlich überarbeitet war. Ich danke meinem invisible college für Lektüre und eingehende Kritik: Iris Carstensen, Heiko Droste, Michael Hochgeschwender und Ariane Leendertz. Stockholm, im August 2006
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) vakat 182.p 143507641336
Abbildungsverzeichnis | 183
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3:
Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15:
»Svenska Dagbladet« vom 13.6.1935 The Economic Writings of Sir William Petty, Bd. 2, Neudruck 1997, S. 595 Demografiska databasen, Umeå universitet (http://karna. ddb.umu.se/tabellverk/Material/Variabler/Formbilder/pa ges/folk100 %20sida %201_jpg.htm, Zugriff am 24.10. 2006) Johann Peter Süßmilch, Die göttliche Ordnung, Teil I, 1741, S. 290 Herman Lundborg, Medizinisch-biologische Familienforschungen, 1913, S. 85 Herman Lundborg, En svensk bondesläkts historia, 1920, S. 22 Herman Lundborg, Medizinisch-biologische Familienforschungen, 1913, S. 440 Lars-Henrik Schmidt/Jens Erik Kristensen, Lys, luft og renlighed, 1986, S. 107 Herman Lundborg, Rassenbiologische Übersichten, 1921, S. 26 Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, München Friedrich Burgdörfer, Volk ohne Jugend, 1932, S. 112 Friedrich Burgdörfer, Familie und Volk, 1930, S. 28 Friedrich Burgdörfer, Sterben die weißen Völker?, 1934, S. 22 Arbetarrörelsens arkiv och bibliotek, Stockholm, Photo: Arne Holström, »Stockholms-Tidningen« vom 7.12.1937
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184 | Ein ewigwährender Untergang Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
Abb. Abb.
Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 21 Ernst Kahn, Der internationale Geburtenstreik, 1930, S. 91 Wilhelm Roscher, System der Volkswirthschaft, Bd. 1, 6 1866, S. 536f. 19: Friedrich Burgdörfer, Familie und Volk, 1930, S. 18 20: Ernst Kahn, Der internationale Geburtenstreik, 1930, S. 95 21: »Såningsmannen« vom 15.8.1936 22: Josef Schmid, Bevölkerungsveränderungen in der BRD, 1984, S. 59 23: Franz-Xaver Kaufmann, Die Überalterung, 1960, S. 132 24: Ernst Kahn, Der internationale Geburtenstreik, 1930, S. 93 25: SOU 1938:24. Betänkande med vissa demografiska utredningar, 1938, S. 152 26: Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 10. koordinierte Bevölkerungsberechnung (2003), S. 26 27: Erland Hofsten, Flera barn i Sverige?, 1979, S. 122 28: Dennis Meadows u.a., die Grenzen des Wachstums, 1972, S. 40 29: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 7 30: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 23 31: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 31 32: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 33 33: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 45 34: Otto Helmut, Volk in Gefahr, 1934, S. 53 35: Friedrich Burgdörfer, Familie und Volk, 1930, S. 21 36: www.nutrivia.com/nutrivia/shop/buecher_lage-der-nation. htm, Zugriff am 20.7.2006 37: Friedrich Burgdörfer, Familie und Volk, 1930, S. 36 38: Richard Korherr, Volk und Raum, 1938, S. 31 39: Herman Lundborg, Svenska folktyper, 1919, S. 8 40: Herman Lundborg, Rassenkunde des schwedischen Volkes, 1928, Tafel V 41: Herman Lundborg, Rassenkunde des schwedischen Volkes, 1928, Tafel XXXII 42: Hans F. K. Günther, Rassenkunde Europas, 31929, S. 48 43: Hans F. K. Günther, Rassenkunde Europas, 31929, S. 93 44: Leopold Trinkwalter, Einführung in die Vererbungslehre, Familienkunde, Rassenkunde und Bevölkerungspolitik, 1934, nach S. 20 45: Ilse Schwidetzky, Die neue Rassenkunde, 1962, S. 33 46: Ilse Schwidetzky, Die neue Rassenkunde, 1962, S. 97
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Abbildungsverzeichnis | 185 Abb. 47: Abb. 48:
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) vakat 186.p 143507641480
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Quellen und Literatur
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204 | Ein ewigwährender Untergang 1926, in: Hans Körner/Angela Stercken (Hg.): 1926-2002. Ge So Lei. Kunst[,] Sport und Körper. Ostfildern-Ruit 2002, S. 217-226 –: Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung. Bevölkerungskonzepte in der Gesundheitsaufklärung in Deutschland vor 1933, in: Rainer Mackensen (Hg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933. Opladen 2002, S. 297-314 –: Die Nation als statistisches Kollektiv. Bevölkerungskonstruktionen im Kaiserreich und der Weimarer Republik, in: Ralph Jessen/Jakob Vogel (Hg.): Wissenschaft und Nation in der Europäischen Geschichte. Frankfurt a.M., New York 2002, S. 235-259 –: »Die Versinnlichung von Staatskräften«. Statistische Karten um 1800, in: Traverse 6 (1999), H. 3, S. 63-82 –: Der statistische Blick auf Krankheit und Gesundheit. »Kurvenlandschaften« in Gesundheitsausstellungen am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland, in: Uta Gerhard/Jürgen Link/Ernst Schulte-Holtey (Hg.): Infografiken, Medien, Normalisierung. Zur Kartographie politisch-sozialer Landschaften. Heidelberg 2001, S. 223-241 –: Imaginäre Gemeinschaften. Statistische Bilder der Bevölkerung, in: Martina Heßler (Hg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschaftsund Technikbilder seit der Frühen Neuzeit. München 2006, S. 263278 –: Kurven, Diagramme, Zahlen- und Mengenbilder. Die Wiener Methode der Bildstatistik als statistische Bildform, in: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Band 3,1: Diagramme und bildtextile Ordnungen. Berlin 2005, S. 20-33 Oberndörfer, Dieter: Demographie und Demagogie. Wissenschaft und Interesse bei Herwig Birg und Charlotte Höhn, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 50 (2005), S. 1481-1491 Öhrvall, Hjalmar: I vår befolkningsfråga. Stockholm 1917 Olsson, Ulf: Drömmen om den hälsosamma medborgaren. Folkuppfostran och hälsoupplysning i folkhemmet. Stockholm 1999 Oppenheimer, Franz: Weltprobleme der Bevölkerung. Leipzig 1929 Orr, John Boyd: The White Man’s Dilemma. Food and the Future. London 1953 Overath, Petra: Transfer als Verengung? Zur internationalen Diskussion über den Geburtenrückgang in Frankreich in den Texten von Fernand Boverat, Roderich von Ungern-Sternberg sowie Joseph John Spengler in den späten 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, in: Alain Chatriot/Dieter Gosewinkel (Hg.): Figurationen des Staates in Deutschland und Frankreich 1870-1945. München 2006, S. 185-211
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Quellen und Literatur | 205 –/Daniel Schmidt (Hg.): Volks-(An)Ordnung. Einschließen, ausschließen, einteilen, aufteilen! Leipzig 2003 Palmblad, Eva: Den disciplinerade reproduktionen. Abort- och steriliseringspolitikens dolda dagordning. Stockholm 2000 Paul, Diane: Controlling Human Heredity. 1865 to the Present. Atlantic Highlands/NJ 1995 Perkin, Harold: The Rise of Professional Society. England Since 1880. London u.a. 1989 –: The Third Revolution. Professional Elites in the Modern World. London u.a. 1996 Petermann, Heike: Die Vorstellungen der Rassenhygieniker und das Bevölkerungsprogramm im »Dritten Reich«, in: Rainer Mackensen (Hg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik im »Dritten Reich«. Opladen 2004, S. 125-140 Pfeil, Elisabeth: Bevölkerung und Raum. Heidelberg, Berlin, Magdeburg 1939 –: Der Flüchtling. Gestalt einer Zeitenwende. Hamburg 1948 Pinn, Irmgard/Michael Nebelung: Kontinuität durch Verdrängung. Die »anthropologisch-soziologischen Konferenzen« 1949-1954 als ein »vergessenes« Kapitel der deutschen Soziologiegeschichte, in: Heinz-Jürgen Dahme u.a. (Hg.): Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1990, S. 177-218 Pinwinkler, Alexander: Der österreichische Demograph Wilhelm Winkler und die Minderheitenstatistik, in: Rainer Mackensen (Hg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933. Opladen 2002, S. 273-296 –: Volk, Bevölkerung, Rasse and Raum. Erich Keyser’s Ambiguous Concept of a German History of Population, ca. 1918-1955, in: Ingo Haar/Michael Fahlbusch (Hg.): German Scholars and Ethnic Cleansing 1919-1945. New York, Oxford 2003, S. 86-99 –: Wilhelm Winkler (1884-1984) – eine Biographie. Zur Geschichte der Statistik und Demographie in Österreich und Deutschland. Berlin 2003 Planert, Ute: Der dreifache Körper des Volkes: Sexualität, Biopolitik und die Wissenschaften vom Leben, in: Geschichte und Gesellschaft 26 (2000), S. 539-576 Ploetz, Alfred: Die Begriffe Rasse und Gesellschaft und einige damit zusammenhängende Probleme, in: Verhandlungen des 1. Deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober 1910 in Frankfurt a.M. Reden und Vorträge von Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Max Weber, Werner Sombart, Alfred Ploetz, Ernst Troeltsch, Eberhard
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206 | Ein ewigwährender Untergang Gotheim, Andreas Voigt, Hermann Kantorowicz und Debatten. Tübingen 1911, S. 111-136 (Debatte S. 137-165) –: Grundlinien einer Rassenhygiene. I. Theil: Die Tüchtigkeit unsrer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch über Rassenhygiene und ihr Verhältnis zu den humanen Idealen besonders zum Socialismus. Berlin 1895. –: Rassenhygiene und Krieg, in: Hans Harmsen/Franz Lohse (Hg.): Bevölkerungsfragen. Bericht des Internationalen Kongresses für Bevölkerungswissenschaft. Berlin, 26. August – 1. September 1935. München 1936, S. 615-620 Pöhlmann, Robert: Die Übervölkerung der antiken Grossstädte im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung städtischer Civilisation. Leipzig 1884 Pörksen, Uwe: Weltmarkt der Bilder. Eine Philosophie der Visiotype. Stuttgart 1997 Porter, Dorothy: Eugenics and the Sterilisation Debate in Sweden and Britain Before World War II, in: Scandinavian Journal of History 24 (1999), S. 145-162 Pyta, Wolfram: »Menschenökonomie«. Das Ineinandergreifen von ländlicher Sozialraumgestaltung und rassenbiologischer Bevölkerungspolitik im NS-Staat, in: Historische Zeitschrift 273 (2001), S. 31-94 Quine, Maria Sophia: Population Politics in Twentieth-Century Europe. Fascist Dictatorships and Liberal Democracies. London, New York 1996 Rafter, Nicole Hahn (Hg.): White Trash. The Eugenic Familiy Studies 1877-1919. Boston 1988 Randeria, Shalini: Das Wunder Kerala: eine Erfolgsgeschichte indischer Bevölkerungspolitik?, in: Christa Wichterich (Hg.): Menschen nach Maß. Bevölkerungspolitik in Nord und Süd. Göttingen 1994, S. 239-259 Raphael, Lutz: Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 165-193 –: Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft: Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 5-40 –: Sozialexperten in Deutschland (1918-1945) zwischen konservativem Ordnungsdenken und rassistischer Utopie. Ratzel, Friedrich: Der Lebensraum. Eine biogeographische Studie. Darmstadt 1966 [1901]
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Quellen und Literatur | 207 Rechenbach, Horst: Die bevölkerungspolitische Bedeutung und Aufgabe des Bauerntums im deutschen Volke, in: Hans Harmsen/Franz Lohse (Hg.): Bevölkerungsfragen. Bericht des Internationalen Kongresses für Bevölkerungswissenschaft. Berlin, 26. August – 1. September 1935. München 1936, S. 814-821 Reeken, Dietmar von: Konservative Kontinuität und beginnende Modernisierung: Die Heimatbewegung in Niedersachsen 1945-1960, in: Bernd Weisbrod (Hg.): Von der Währungsreform zum Wirtschaftswunder. Wiederaufbau in Niedersachsen. Hannover 1998, S. 57-74 Reinecke, Christiane: Krisenkalkulationen. Demographische Krisenszenarien und statistische Expertise in der Weimarer Republik, in: Moritz Föllmer/Rüdiger Graf (Hg.): Die »Krise« der Weimarer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters. Frankfurt a.M., New York 2005, S. 209-240 Reulecke, Jürgen: Bevölkerungswissenschaft und Nationalsozialismus, in: Rainer Geissler/Wolfgang Popp (Hg.): Wissenschaft und Nationalsozialismus. Eine Ring-Vorlesung an der Universität-Gesamthochschule Siegen. Essen 1988, S. 15-36 –: Rassenhygiene, Sozialhygiene, Eugenik – ein Überblick, in: Sozialwissenschaftliche Informationen 26 (1997), H. 1, S. 20-27 Richter, Ingrid: Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Zwischen Sittlichkeitsreform und Rassenhygiene. Paderborn u.a. 2001 Roll-Hansen, Nils: Conclusion: Scandinavian Eugenics in the International Context, in: Gunnar Broberg/Nils Roll-Hansen (Hg.): Eugenics and the Welfare State. Sterilization Policy in Denmark, Sweden, Norway, and Finland. East Lansing/MI 22005, S. 259-271 Roscher, Wilhelm: System der Volkswirthschaft. Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studierende. Bd. 1: Die Grundlagen der Nationalökonomie. Stuttgart 61866 [1854] Ross, Edward Alsworth: Raum für Alle? Berlin, Leipzig 1929 Roth, Karl Heinz: Schöner neuer Mensch. Der Paradigmenwechsel der klassischen Genetik und seine Auswirkungen auf die Bevölkerungsbiologie des »Dritten Reichs«, in: Heidrun Kaupen-Haas/ Christian Saller (Hg.): Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften. Frankfurt a.M., New York 1999, S. 346-423 – (Hg.): Erfassung zur Vernichtung. Von der Sozialhygiene zum »Gesetz über Sterbehilfe«. Berlin 1984 Rothstein, Bo: Den korporativa staten. Intresseorganisationer och statsförvaltning i svensk politik. Stockholm 1992
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208 | Ein ewigwährender Untergang Royal Ministry of Foreign Affairs: The Biography of a People. Past and Future Population Changes in Sweden. Conditions and Consequences. Stockholm 1974 Rümelin, Gustav: Die Bevölkerungslehre, in: Gustav Schönberg (Hg.): Handbuch der Politischen Ökonomie. 2 Bde., Tübingen 21885, Bd. 1, S. 883-942 [1882] –: Zur Uebervölkerungsfrage, in: Ders., Reden und Aufsätze. Neue Folge. Freiburg, Tübingen 1881, S. 568-624 Runcis, Maija: Steriliseringar i folkhemmet. Stockholm 1998 Schacht, [Horand Horsa]: Brennende deutsche Bevölkerungsfragen. München 1932 Schade, Heinrich: Erforschung der qualitativen Bevölkerungsstruktur in medizinischer Sicht, in: Studium Generale 12 (1959), S. 302-312 –: Völkerflut und Völkerschwund. Bevölkerungswissenschaftliche Erkenntnisse und Mahnungen. Neckargemünd 1974 Schaible, Gunter: Sozial- und Hygiene-Ausstellungen. Objektpräsentationen im Industrialisierungsprozeß Deutschlands. Phil. Diss., Univ. Tübingen 1999 Schallmayer, Wilhelm: Bevölkerungspolitische Kriegsliteratur, in: Zeitschrift für Politik 10 (1917), S. 441-468 –: Ueber die drohenden körperliche Entartung der Culturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes. Berlin, Neuwied 1891 –: Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker. Eine staatswissenschaftliche Studie auf Grund der neueren Biologie. Jena 1903 Schievelbusch, Wolfgang: Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus, New Deal 1933-1939. München 2005 Schirrmacher, Frank: Das Methusalem-Komplott. München 2004 Schleiermacher, Sabine: Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene. Der Mediziner Hans Harmsen im Centralausschuß für die Innere Mission. Husum 1998 Schmid, Josef: Bevölkerungsveränderungen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Revolution auf leisen Sohlen. Stuttgart u.a. 1984 –: Der Kinderwunsch in der modernen Industriegesellschaft, in: Der Kinderwunsch in der modernen Industriegesellschaft. Dokumentation von der Jahrestagung 1979 der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft e.V. Stuttgart u.a. 1980, S. 20-38 –: Bevölkerungsentwicklung und Migration in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43 (2001), S. 20-30 –: Das Bevölkerungsproblem in der Dritten Welt, in: Dieter Nohlen/ Franz Nuschler (Hg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 1: Unter-
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Quellen und Literatur | 209 entwicklung und Entwicklung: Theorien – Strategien – Indikatoren. Hamburg 21982, S. 183-194 –: Bevölkerungsveränderungen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Veränderung auf leisen Sohlen. Stuttgart 1984 –: Das verlorene Gleichgewicht. Eine Kulturökologie der Gegenwart. Stuttgart, Berlin. Köln 1992 Schmidt, Daniel: Statistik und Staatlichkeit. Wiesbaden 2005 Schmidt, Lars-Henrik/Kristensen, Jens Erik: Lys, luft og renlighed. Den moderne socialhygiejnes fødsel. Kopenhagen 1986 Schmidt, Wilhelm: Rasse und Volk. Eine Untersuchung zur Bestimmung ihrer Grenzen und zur Erfassung ihrer Beziehungen. München 1927 Schmuhl, Hans-Walter: Rassenhygiene in Deutschland – Eugenik in der Sowjetunion: Ein Vergleich, in: Dietrich Beyrau (Hg.): Im Dschungel der Macht. Intellektuelle Professionen unter Stalin und Hitler. Göttingen 2000, S. 360-377 Schott, Heinz: Zur Biologisierung des Menschen, in: Rüdiger vom Bruch/Brigitte Kaderas (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Wiesbaden 2002, S. 99-108 Schubnell, Hermann: Die Entwicklung der Demographie in Deutschland, ihr gegenwärtiger Stand und ihre Aufgaben, in: Studium Generale 12 (1959), S. 255-273 –: Gesetzgebung und Fruchtbarkeit. Stuttgart 1975 –: Möglichkeiten und Grenzen der Bevölkerungspolitik, in: Horst Claus Recktenwald (Hg.): Der Rückgang der Geburten – Folgen auf längere Sicht. Ein Symposium der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 22.-23. Juni 1988. Düsseldorf 1989, S. 59-72 Schulte-Holtey, Ernst: Über Kurvenlandschaften in Printmedien. Am Beispiel der Hamburger Zeitung Die Woche, in: Uta Gerhard/Jürgen Link/Ernst Schulte-Holtey (Hg.): Infografiken, Medien, Normalisierung. Zur Kartographie politisch-sozialer Landschaften. Heidelberg 2001, S. 93-114 Schultz, Theodore W.: In Menschen investieren. Die Ökonomik der Bevölkerungsqualität. Tübingen 1986 [1981] Schwarz, Karl: Zum Stand der bevölkerungspolitischen Diskussion und zur Thematik, in: Der Kinderwunsch in der modernen Industriegesellschaft. Dokumentation von der Jahrestagung 1979 der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft e.V. Stuttgart u.a. 1980, S. 15-19
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210 | Ein ewigwährender Untergang Schwartz, Michael: Eugenik und Bevölkerungspolitik. Über neuere Beiträge zur Geschichte einer problematischen Sozialtechnologie, in: Archiv für Sozialgeschichte 32 (1992), S. 426-444 –: Konfessionelle Milieus und Weimarer Eugenik, in: Historische Zeitschrift 261 (1995), S. 403-448 –: »Proletarier« und »Lumpen«. Sozialistische Ursprünge eugenischen Denkens, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994), S. 537570 –: Sozialismus und Eugenik. Zur fälligen Revision eines Geschichtsbildes, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 25 (1989), S. 465-489 –: Sozialistische Eugenik. Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890-1933. Bonn 1995 Schwidetzky, Ilse: Anthropologische Regionaluntersuchungen im Dienste der Raumforschung, in: Raum und Gesellschaft. Referate und Ergebnisse der gemeinsamen Tagung der Forschungsausschüsse »Raum und Gesellschaft« (Leiter: Prof. Dr. K. V. Müller) und »Großstadtprobleme« (Leiter: Dr. Elisabeth Pfeil). BremenHorn 1952, S. 53-56 –: Das Problem des Völkertodes. Eine Studie zur historischen Bevölkerungsbiologie. Stuttgart 1954 –: Grundzüge der Völkerbiologie. Stuttgart 1950 –: Siebung und Umwelt in der Prägung des Großstadttypus, in: Egon Frhr. von Eickstedt (Hg.): Bevölkerungsbiologie der Großstadt. Der Stadt Breslau zur Siebenhundertjahrfeier ihres Wiederaufbaus nach dem Mongolensturm gewidmet. Stuttgart 1941, S. 136-155 – (Hg.): Die neue Rassenkunde. Stuttgart 1962 Segelken, Barbara: Staatsordnung im Bild der Tabelle am Beispiel von Friedrich Anton von Heinitz (1785/86), in: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Band 3,1: Diagramme und bildtextile Ordnungen. Berlin 2005, S. 34-47 Selke, Welf: Zum Stand der bevölkerungspolitischen Diskussion in Raumordnung und Landesplanung, in: Raumforschung und Raumordnung 40 (1982), S. 234-242 Silverstolpe, G. Westin: Folkmängd och välstånd. Stockholm 1926 Sinclair, H[uia] I[an]: Population. New Zealand’s Problem. Dunedin 1944 Singer, Hilde/Kurt Singer: Tvångssteriliseringen i Tredje Riket. Stockholm 1936 Sköld, Peter: Kunskap och kontroll. Den svenska befolkningsstatistikens historia. Stockholm 2001
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X-Texte zu Kultur und Gesellschaft Heiner Bielefeldt Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus April 2007, 216 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN: 978-3-89942-720-2
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X-Texte zu Kultur und Gesellschaft Peter Fuchs Das System »Terror« Versuch über eine kommunikative Eskalation der Moderne 2004, 120 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 978-3-89942-247-4
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Gunter Gebauer, Thomas Alkemeyer, Bernhard Boschert, Uwe Flick, Robert Schmidt Treue zum Stil Die aufgeführte Gesellschaft 2004, 148 Seiten, kart., 12,80 €, ISBN: 978-3-89942-205-4
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Stefan Weber Medien – Systeme – Netze Elemente einer Theorie der Cyber-Netzwerke 2001, 128 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 978-3-933127-77-8
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