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German Pages 293 Year 1990
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft
Band 47
Eid, Meineid und Falschaussage Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870
Von
Thomas Vormbaum
Duncker & Humblot · Berlin
THOMAS VORMBAUM
Eid, Meineid und Falschaussage
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp Band 47
Eid, Meineid und Falschaussage Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870
Von Thomas Vormbaum
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Vormbaum, Thomas: Eid, Meineid und Falschaussage: Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 / von Thomas Vormbaum. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 47) ISBN 3-428-06909-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-06909-9
Vorwort Diese Untersuchung enthält das in meiner Habilitationsschrift 1 verschiedentlich angekündigte historische Material zur Diskussion der Aussagetatbestände. Im lO.Kapitel wird eine rechtspolitische Analyse dieses Materials versucht. Ich danke Herrn Prof. Jürgen Welp, der das Buch zur Aufnahme in die Schriftenreihe empfohlen hat, sowie Herrn Referendar Andreas Steffen, der meinen laienhaft erstellten PC-Text in mühevoller Kleinarbeit zu einer brauchbaren Druckvorlage umformatiert hat. Das Buch ist dem Andenken von Hannelore Stumpf, geb. Vormbaum ( + 27.Februar 1990) gewidmet.
1 Ko/Twòawm, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils. Untersuchungen zum Strafrechtsschutz des strafprozessualen Verfahrenszieles. (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft.22). Berlin 1987.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
X ERSTER TEIL: Grundlagen
1. Kapitel: Sachliche Grundlegung: Probleme und Methoden I. II. III. IV.
Problemstellung Forschungsstand Methoden und Fragestellungen Darstellungsweise
1 1 2 3 6
2. Kapitel: Historische Grundlegung: Deutsches Partikularrecht I. Preußisches Recht 1. Prozeßrecht a) Strafprozeßrecht (Criminal-Ordnung v.1805) b) Zivilprozeßrecht (Allg. Gerichtsordnung v.1793) c) Weitere Entwicklung 2. Strafgesetzbuch von 1851 II. Außerpreußische Partikularrechte 1. Strafprozeßrecht 2. Materielles Strafrecht
7 7 7 7 11 14 16 18 18 22
ZWEITER TEIL: Entwicklung seit 1870 3. Kapitel: Materiellrechtlicher
Ausgangspunkt: Reichsstrafgesetzbuch
I. Erster Entwurf (Juli 1869) 25 II. Zweiter Entwurf (Dezember 1869) und Reichstagsvorlage . . 29 III. Reichstagsberatungen 32
. . 25
Inhaltsverzeichnis
Vili
4. Kapitel: Prozeßrechtlicher
Ausgangspunkt: Reichsjustizgesetze
39
I. Eidesvorschriften der Strafprozeßordnung
39
II. Eidesvorschriften der Zivilprozeßordnung
46
5. Kapitel: Reformversuche
bis zum Beginn der Strafrechtsreform
I. II. III. IV.
Reformversuche bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Empfehlungen der Strafprozeßkommission (1905) Carl Stooß in der "Vergleichenden Darstellung" (1906) Entwurf von 1908/09 1. Inhalt und Begründung 2. Beratimg im Reichstag 6. Kapitel: Beginn der Strafrechtsreform I. Vorentwurf (1909) II. Gegenentwurf (1911) III. Kommissionsentwürfe von 1913 und 1919
. . . . 48
48 58 67 70 70 72 77 77 83 84
7. Kapitel: Weimarer Republik
97
I. II. III. IV.
Weimarer Reichsverfassung (1919) 97 Entwurf Goldschmidt/Schiffer (1920) 98 Materiellstrafrechtliche Reformarbeiten (1922/1925/1927) . 101 Versuch einer Zusammenführung von Eidesstrafrecht und Eidesprozeßrecht (1929/1930) 104 V. Anhang: Kriminalpolitisches Schrifttum bis 1933 112
8. Kapitel: Zeit des Nationalsozialismus
116
I. Eidesnovellen (1933) II. Arbeit am Deutschen Strafgesetzbuch 1. Systematik 2. Meineid und falsche uneidliche aussage III. StrafrechtangleichungsVO (1943) 9. Kapitel: Gesetzgebung und Reformdiskussion
116 118 118 120 136 nach 1945
I. Besatzungsrecht 144 II. Gesetzgebung der Fünfziger jähr e 147 III. Beratungen der Großen Strafrechtskommission und Entwurf von 1962 150 IV. Gesetzgebung der Sechziger- und Siebzigerjahre 161
144
Inhaltsverzeichnis
IX
DRITTER TEIL: Zusammenfassung und Würdigung lO.Kapitel:
167
Zusammenfassung (167) - Konnexität (169) - Säkularisierung (173) Kriminalisierung (180) - Kontinuität (190) - Resümee (201) Anhang Synopse I: Materielles Straf recht (1)
203
Synopse II: Materielles Strafrecht
207
Synopse III: Materielles Strafrecht
(2) (3)
217
Synopse IV: Strafprozeßrecht
(1)
221
Synopse V: Strafprozeßrecht
(2)
227
Synopse VI: EG-Entwurf
1929 und StGB-Entwurf
Quellenverzeichnis
1930
233 237
A.
Ungedruckte und unveröffentlichte Quellen
237
B.
Veröffentlichte Rechtsquellen
239
Literaturverzeichnis
247
Personenverzeichnis
261
Sachverzeichnis
270
Abkürzungsverzeichnis
Α.
Auflage
AaO.
Am angegebenen Ort
Abg.
Abgeordneter
a.F.
alte Fassung
AG
Amtsgericht
AGO
Allgemeine Gerichtsordnung
AK
Alternativkommentar
ALR
Allgemeines Landrecht
Ani.
Anlage
ArchCrR NF
Archiv des Criminalrechts. Neue Folge
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
Art.
Artikel
AT BA
Allgemeiner Teil Bundesarchiv
BayZ Bd, Bde Begr. BGBl. BGH BGHSt
Zeitschrift für Rechtsplege in Bayern Band, Bände Begründung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Amtliche Sammlung) Blatt
Abkürzungsverzeichnis
BMJ
Bundesministerium der Justiz
BR
Bundesrat
BT
Besonderer Teil; Bundestag
BVfG
Bundesverfassungsgericht
BVfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)
CPO
Civilprozeßordnung
CrimGB
Criminalgesetzbuch
CrimO
Criminalordnung
Denkschrift NS
s. QVerz. Β 2.2.26
DJ
Deutsche Justiz
DJZ
Deutsche Juristenzeitung
DR
Deutsches Recht
DRiZ
Deutsche Richterzeitung
DStrR
Deutsches Strafrecht
DVO
Durchführungsverordnung
DVP
Deutsche Volkspartei
E
Entwurf
E 1913
s.QVerz. Β 2.2.16.1
E 1919
s.QVerz. Β 2.2.16.2
E 1919 Denkschrift
s.QVerz. Β 2.2.16.3
E 1920 GRSt
s.QVerz. Β 2.2.17
E 1922
s.QVerz. Β 2.2.18
E 1925
s.QVerz. Β 2.2.19
E 1927
s.QVerz. Β 2.2.20
E 1930
s.QVerz. Β 2.2.22
E 1936
s.QVerz. A 2.3
E 1938
s.QVerz. A 2.4
E 1939
s.QVerz. A 25
E 1959
s.QVerz. Β 2.2.35
XII
Abkürzungsverzeichnis
E 1960
s.Qverz. Β 2.2.36
E 1962
s.QVerz. Β 2.2.37
EEG 1929
s.QVerz. Β 2.2.21
EGStGB 1974
s.QVerz. Β 2.2.42
EGStPO
Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung
E Dez.1869
s.QVerz. Β 2.2.2
EEG
Entwurf eines Einführungsgesetzes
E Juli 1869
s.QVerz. Β 2.2.1
Ersch/Gruber, Enc.
Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet und herausgegeben von J.SiirscA und J.G.Gruber. Leipzig.
EStPO
Entwurf einer Strafprozeßordnmung
EStPO 1908
s.QVerz. Β 2.2.11
FN.
Fußnote (bei Verweisungen auf andere Werke)
Fschr.BMJ
Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz. Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes am 1 Januar 1977. Köln 1977.
Fschr.Coing
Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Helmut Coing zum 70.Geburtstag. Hrsg. von Norbert Horn in Verbindung mit Klaus Luig und Alfred Söllner. München 1982.
Fschr.Fischer
Deutscher Konservatismus im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Fritz Fischer zum 75.Geburtstag und zum SO.Doktoijubiläum. Hrsg. von Dirk Stegemann, Bernd Jürgen Wendt und Peter Christian Witt. Bonn 1983.
Fschr.Frank
Festgabe für Reinhard von Frank zum 70.Geburtstag 16 August 1930. 2 Bde. Hrsg. von August Hegler. (Beiträge zur Strafrechtswissenschaft. I und II). Tübingen 1930. NdrAalen 1969.
Fschr.Gallas
Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70.Geburtstagam 22.Juli 1973. Hrsg. von Karl Lackner, Heinz Leferenz u.a. Berlin, New York 1973.
Fschr.Gmür
Festschrift für Rudolf Gmür zum 70.Geburtstag am 28 Juli 1983. Hrsg. von Arno Buschmann, Franz-Ludwig Knemeyer u.a. Bielefeld 1983.
Fschr. Lackner
Festschrift für Karl Lackner zum 70.Geburtstag am 18.Februar 1987. Hrsg. von Wilfried Küper in Verbindung mit Ingeborg Puppe und Jörg Tenckhoff. Berlin, New York 1987.
Abkürzungsverzeichnis
Fschr.Maurach
Festschrift für Reinhart Maurach zum 70.Geburtstag. Hrsg. von Friedrich Christian Schroeder und Heinz Zipf. Karlsruhe 1972.
Fschr.Peters
Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70.Geburtstag. Hrsg. von Jürgen Baumann und Fritz Tiedemann. Tübingen 1974
Fschr.Rebmann
Festschrift für Kurt Rebmann zum 65.Geburtstag. Hrsg. von Hans Eyrich, Walter Odersky, Franz Jürgen Säcker. München 1989.
Fschr. H.Rosenberg
Sozialgeschichte heute. Festschrift für Hans Rosenberg zum 70.Geburtstag. Hrsg. von Hans-Ulrich Wehler. (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. 11). Göttingen 1974.
Fschr.Tröndle
Festschrift für Herbert Tröndle zum 70.Geburtstag am 24 August 1989. Hrsg. von Hans-Heinrich Jescheck und Theo Vogler. Berlin, New York 1989.
Fußn.
Fußnote (bei Querverweisungen)
G
Gesetz
GA
Goltdammers Archiv für Strafrecht
GE
s.QVerz. Β 2.2.15
GG
Grundgesetz
Ghztm
Großherzogtum
Goltdammer, Mat.
s. QVerz. Β 1.11.14.
GrStrK
Große Strafrechtskommission (s. QVerz. Β 2.2.33)
GrStrPK
Große Strafprozeßkommission (s. QVerz. A 2.6)
GS
Der Gerichtssaal
GVB1.
Gesetz- und Verordnungsblatt
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
Hahn, Mat.CPO
s.QVerz. Β 2.1.2 (Bd 2)
Hahn/Stegemann
s.QVerz. Β 2.1.2
HDA
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. (1927-1942), Ndr. 10 Bde . Berlin 1987.
HdRW
Handwörterbuch der Rechtswissenschaft. Herausgegeben von Fritz Stier-Somlo und Alexander Elster. Berlin und Leipzig 1926 ff.
XI
Abkürzungsverzeichnis
Hemken
Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat und der Amerikanischen Militärregierung erlassenen Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Befehle, Direktiven. Im englischen Originalwortlaut mit deutscher Übersetzung zusammengestellt von KHemken. Loseblattsammlung. Stuttgart 1946-1955.
HESt
Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen
h.M.
herrschende Meinung
Hoche
Die Gesetzgebung des Kabinetts Hitler (ab Heft 18: Die Gesetzgebung Adolf Hitlers). Die Gesetze in Reich und Preußen seit dem 30 Januar 1933 in systematischer Ordnung mit Sachverzeichnis. Hrsg. von Werner Hoche. 33 Hefte. Berlin 1933 - 1939. Zit. mit röm. Bandzahl und Seite.
HRG
Handwörterbuch der Deutschen Rechtsgeschichte.
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung
Hs.
Halbsatz
Ibd.
Ibidem (Ebendort)
i.d.F.
in der Fassung
i.V.m.
in Verbindung mit
JR
Juristische Rundschau
JuS
Juristische Schulung
Justiz
Die Justiz. Zeitschrift für Erneuerung des Deutschen Rechtswesens. Zugleich Organ des Republikanischen Richterbundes.
JZ
Juristenzeitung
KabO
Kabinetts-Order
KJ
Kritische Justiz
KRG
Kontrollratsgesetz
KritV
Kritische Vierteljahresschrift Rechtswissenschaft
Leg.Per.
Legislaturperiode
LG
Landgericht
LitVerz.
Literaturverzeichnis
für
Gesetzgebung und
Abkürzungsverzeichnis
LK
Leopziger Kommentar (s. LitVerz.)
LR
Löwe/Rosenberg (s.LitVerz.)
MdB
Mitglied des Bundestages
MdNV
Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
MdR
Mitglied des Reichstages
Mitt. IKV
Mitteilungen Vereinigung
MRG
Gesetz der Militärregierung
MschrKrim
Monatsschrift für Kriminologie
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NArchCrR
Neues Archiv des Criminalrechts
Ndr.
Neudruck
NJB
Nederlands Juristenblad
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NStZ
Neue Zeitshrift für Strafrecht
OLG
Oberlandesgericht
OTr.
Ober-Tribunal
PolStGB
Polizeistrafgesetzbuch
Pr.GS
Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten
PrJb
Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung
Pr. JMB1.
Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung
der
Internationalen
Kriminalistischen
und Rechtspflege Prot.DStGB
s.QVerz. A 2.2 und Β 2.1.5
Prot.GrStrPK
s.QVerz. A 2.6
Prot.GrStrK
s.QVerz. Β 2.2.33
Prot.NV
Protokolle der Verfassunggebenden Nationalversammlung
Prot. StrK
s.QVerz. A 1.1 und A 2.1
XVI
Abkiiizungsverzeichnis
Prot.StrPr
s.QVerz. Β 2.2.10
QVerz.
Quellenverzeichnis
RAnz
Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger
RegE
Regierungsentwurf
Regge/Schubert
s.QVerz. Β 2.15 (zit.nach Bd und Seite)
Rev.StGB
Revidirtes Strafgesetzbuch
Rev.StPO
Revidirte Strafproceßordnung
RG
Reichsgericht
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RG-Rspr.St
Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Amtliche Sammlung)
RJ
Rechtshistorisches Journal
RJM
Reichsjustizminister(ium)
RL
Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten, enthaltend die gesammte Rechtswissenschaft..., redigirt von Julius Weiske. Leipzig 1839 ff.
Rspr.
Rechtsprechung
RStGB
Reichsstrafgesetzbuch
RStPO
Reichsstrafprozeßordnung
RT
Reichstag
RT-Komm
Reichstagskommission
RVB1. RW
Reichsverwaltungsblatt Staats-Lexikon oderEncyklopädie der Staatswissenschaften. In Verbindung mit vielen der angesehensten Publicisten Deutschlands herausgegeben von Carl von Rotteck und Carl Welcker. Altona 1834 ff.
s.; S.
siehe; Seite
Schubert/Regge
s.QVerz. Β 2.1.2a.
SchwurGG
Schwurgerichtsgesetz
SchwZStrR
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht
Abkürzungsverzeichnis
Sp.
Spalte
Sten.Ber.BT
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Bundestages
Sten.Ber.prHdA
Stenographische Berichte des preußischen Hauses der Abgeordneten
Sten.Ber.prHH
Stenographische Berichte des preußischen Herrenhauses
Sten.Ber.RT
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages
Sten.Ber.RTNdB
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozeßordnung
StrÄG
Strafrechtsänderungsgesetz
StrPrK
Strafprozeßkommission (s. QVerz. Β 2.2.10)
StrRG
Strafrechtsreformgesetz
StVRG
Strafverfahrensrechtsreformgesetz
StVRGErgG
s.QVerz. 2.2.44
StrVt
Strafverteidiger (Zeitschrift)
Stw
Stichwort
u.
und; unten
VD
s.QVerz. Β 2.2.12
UW
Ullstein's Weltgeschichte. Die Entwicklung der Menschheit in Staat und Gesellschaft, in Kultur und Geistesleben. Hrsg. von J. v.Pflugk-Harttung. 7.Band: Neueste Zeit. 1890-1925. Hrsg. von Paul Herre. 2 Teilbde (durchpag.). Berlin 1925.
VE
s.QVerz. Β 2.2.13
Verh.DJT
Verhandlungen des Deutschen Juristentages
Verh. Kammer
Verhandlungen der Ersten und Zweiten Kammer über die Entwürfe desStrafgesetzbuchs fürdie Preußischen Staaten und des Gesetzes über die Einführung desselben vom lO.Dezember 1850. Nebst den Kommissionsberichten und sonstigen Aktenstücken. Berlin 1851.
Verh. ständ. Ausschuß
Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses. Zusammengestellt von E.Bleich. Erster Band. Berlin 1848.
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
VO
Verordnung
VZ
s.QVerz. Β 2.2.34
WRV
Weimarer Reichsverfassung
WP
Wahlperiode
Württ.Reg.Bl.
Württembergisches Regierungsblatt
ZAkDtR
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht
ZNR
Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Erster Teil:
Grundlagen 1. Kapitel
Sachliche Grundlegung: Problem und Methode I. Problemstellung Die Falschaussage vor Gericht ist strafbar; ist sie mit dem Eide bekräftigt worden, so ist ein Meineid begangen, und die Strafe wird geschärft. Dies - so darf man annehmen -ist den meisten heutigen Rechtsgenossen, mit Sicherheit aber den Juristen, als Rechtszustand geläufig. Beschrieben ist damit allerdings nur der Kern der gesetzlichen Regelung; enthalten doch die einschlägigen neun Paragraphen (§§ 153-160,163) des Strafgesetzbuches nicht nur die erwähnten beiden Tatbestände der falschen uneidlichen Aussage und des Meineides, sondern noch weitere Tatbestände (§§ 156,160,163) sowie Tatbestandserweiterungen (§ 155), Strafmilderungs- und Strafaufhebungsregelungen (§ 157,158) und eine - im Strafgesetzbuch singuläre1 - Vorschrift über die Ausweitung des Anwendungsbereiches der §§ 30,31 StGB auf Vergehen (§ 159)2. Auch die Regelungen der Kerntatbestände der §§ 153,154 sind differenzierter, als die eingangs erwähnte Formulierimg es ausdrückt. So werden neben den Gerichten die "anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Stellen" bzw. die "anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stellen" erwähnt, und § 153 beschränkt - anders als § 154 - die Strafdrohung auf Zeugen und Sachverständige.
Daß der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage - ein als "etabliert", ja als "klassisch" empfundener Tatbestand -erst 1943 in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde, und daß er damals für einen großen Teil des deutschen Rechtsraumes ein Novum darstellte3, dürfte weniger bekannt sein. Auch die
1 Zu vergleichbaren Vorschriften außerhalb des Strafgesetzbuches s. Vormbaum, GA 1986,365, Fußn.47. 2
Zu einigen Problem des § 159 StGB s. Vormbaum aaO.
3
Ausführlich dazu das 2.Kapitel sub I I 2.
1. Kapitel
2
meisten anderen Paragraphen des neunten Abschnittes - einschließlich des Meineid-Paragraphen - haben ihre heutige Fassung erst in jüngerer, teilweise erst in jüngster Zeit erhalten. Wechselhaft wie das Ensemble und die Ausgestaltung der Tatbestände sind auch die zur Regelungsmaterie entwickelten strafrechtstheoretischen und kriminalpolitischen Auffassungen. Erst die bekannte Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. Oktober 19554 brachte - freilich mehr durch die Autorität ihrer Leitsätze als durch die Qualität ihrer Gründe - eine gewisse Beruhigung der dogmatischen Diskussion; rechtspolitisch hingegen ist bis in die jüngste Vergangenheit die Reform dieses Bereiches diskutiert worden5. Komplizierte, gar widersprüchliche gesetzliche Regelungen6 sind für den Rechtsdogmatiker eine Herausforderung; der Rechtshistoriker sieht eine seiner Aufgaben darin, dem Dogmatiker die Frage nach den Ursachen der Friktionen beantworten zu helfen. Dies ist auch das hauptsächliche Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung. II. Forschungsstand Den älteren legislatorischen und dogmatischen Bemühungen zu unserem Themenkreis sind verschiedene Darstellungen gewidmet, von denen neben einigen Aufsätzen 7 vor allem die Abhandlungen von Thudichum 8 und Hirzef sowie v.Liszt's Abhandlung "Meineid und falsches Zeugnis"10 zu nennen sind. Infolge ihrer Entstehungszeit oder ihres begrenzten Erkenntnisinteresses berücksichtigen sie jedoch nicht die Gesetzgebung und Reformdiskussion seit
4
BGHSt 8,301 ff.
5
s. die (im 9. Kapitel näher dargestellten) Diskussionen der Großen Strafrechtskommission; zu erwähnen sind ferner Herrmann, Reform der Aussagetatbestände (1973), sowie Zipf, Die Problematik des Meineides innerhalb der Aussagedelikte, in: Fschr.f. Mäurach, S.415 ff. Zahlreiche weitere Nachweise zur Reformliteratur der Siebzigeijahre b. Maurach/Schroeder, BT/2, S.165. 6
Zu erwähnen sind vor allem einzelne Probleme der Meineid-Dogmatik sowie der §§ 159,160; s.z.B. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.294 f., 295 ff.; Ders., GA 1986,353 ff.; Ders., JR 1989, 133 ff. 7
s.z.B. Jacobson, Eid aaO.; Schwarze, Meineid aaO.; Bopp, Meineid aaO.; Kraus, GS 1851, 426; Rotering, GA 1892, 92 ff.; aus neuerer Zeit Erler, Eid aaO.; Holzhauer, Meineid aaO. 8
Thudichum, Geschichte des Eides (1911).
9
Hirzel, Der Eid (1902).
10
Franz v.Liszt, Meineid und falsches Zeugnis (1876). V.Liszt hat sich nach Fertigstellung seiner historischen Untersuchung auch der aktuellen dogmatischen Durchdringung der Materie angenommen; s. sein 1877 erschienenes Werk "Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde nach deutschem und österreichischem Recht".
Problem und Methode
3
dem Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches 11. Diesen widmet sich die vorliegende Untersuchung. III. Methode und Fragestellungen Die Studie sieht - wie erwähnt - eines ihrer Anliegen in der Darstellung von Reformdiskussionen, Gesetzesinitiativen und Gesetzesänderungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Der zeitliche Kern der Darstellung beginnt mit der Entstehung des Reichsstrafgesetzbuches; vorangestellt ist ein Uberblick über die Partikularrechte des 19 Jahrhunderts, namentlich über das preußische Recht, welches die Strafgesetzgebung des Reiches stark beeinflußt hat. Die Darstellung endet mit den Gesetzesänderungen und Reformdiskussionen der Sechziger-und Siebzigerjahre unseres Jahrhunderts. Dogmen- und legislationsgeschichtliche Darstellungen haben in der gegenwärtigen rechtshistorischen Fachdiskussion an Ansehen eingebüßt12. Man wirft ihnen nicht nur eine verengte Perspektive vor, sondern sieht sie auch in der Gefahr, den gegenwärtigen Rechtszustand als den schließlich "erreichten" zu verklären und von dort her die vorangegangenen Stadien als "Vorgeschichte" aus entwicklungsoptimistischem Blickwinkel zu interpretieren und damit zu verzerren 13. Die mit dieser Kritik verbundene Forderung nach einer rechtsgeschichtlichen Untersuchungsmethode, die auch die Erkenntnismöglichkeiten von Nachbarwissenschaften aktiviert, setzt freilich ein Instrumentarium voraus, welches zur Zeit allenfalls im Ansatz vorhanden ist14. Auch dürfte Dogmengeschichte ihren Platz neben einer umfassenderen Betrachtungsweise dort behaupten, wo sie der rechtsdogmatischen Arbeit - wenngleich in bescheidenem Ausmaß - aus aktuellem Anlaß Erkenntnisse zuführt. Da die nachfolgende Untersuchung ihre Entstehung strafrechtstheoretischem und -dogmatischem Interesse verdankt15, wird die dogmengeschichtliche Darstellung den 2.Teil beherrschen. Nur unmittelbar greifbare politische und gesellschaftliche Einflüsse auf die Rechtsentwicklung werden sogleich in die Darstellung einbezogen. Im 3.Teil, der Zusammenfassung und Resümee versucht16, soll
11 Bis in die Gegenwart führt freilich die Darstellung von W.Herrmann, Reform der Aussagetatbestände S.35 ff. Sie enthält jedoch nicht mehr als eine auf die Verwertung in der Reformdiskussion angelegte Skizze. 12 s. zur Problematik vor allem die Referate der strafrechtsgeschichtlichen Sektion des 26.Deutschen Rechtshistorikertages, in: Akten des 26.Deutschen Rechtshistorikertages (1987), S.151 ff. (dazu Rez. Vormbaum, GA 1986,477). 13
Ibd.
14
Zum (noch) unausgereiften Entwicklungsstand der Verfassung eines Faches "Strafrechtsgeschichte" s. Naucke aaO. (Fußn. 12) S.154. 15
s.das Vorwort.
16
Kap. 10
4
1.Kapitel
dann die Entwicklung in einen weiteren Interpretationsrahmen gestellt werden. Dieser Absicht kommt entgegen, daß das Thema, wiewohl dogmatisch bzw. gesetzessystematisch zugeschnitten, in mehrfacher Hinsicht über den Komplex "Aussagedelikte" hinausweist: (1) Die Entwicklung der Aussagetatbestände ist geprägt durch den Zusammenhang zwischen materiellem Strafrecht und Prozeßrecht. Führt die Prozeßgesetzgebung zu einer Reduzierung der Zahl der Eide, so sieht das materielle Strafrecht sich der Forderung nach Schaffung eines Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage ausgesetzt. Läßt das Prozeßrecht an Stelle des Eides die Berufung auf einen früher geleisteten Eid oder auf den Diensteid zu, so muß der Meineidtatbestand entsprechend erweitert werden. Die beiden Bereiche erwecken damit den Eindruck kommunizierender Röhren, in denen jeder Druck auf eine Wassersäule eine Erhöhung der anderen bewirkt. Stichwort: Konnexität. (2) Die Entwicklung der erwähnten prozeßrechtlichen Normen (und damit der zugehörigen Straftatbestände) ist geprägt durch die Zurückdrängung des sakralen Bekräftigungsmitteis "Eid". Die wichtigsten Etappen dieser Entwicklung sind: Ersetzung des konfessionellen Eides durch einen unspezifischen religiösen Eid; alternative Zulassung eines nichtreligiösen Eides; alternative Zulassung einer Bekräftigung ohne Eidescharakter; dazu parallel Zurückdrängung von Aussagebekräftigungen überhaupt. Es interessiert der Stellenwert dieser Entwicklung innerhalb der Gesamtentwicklung des Strafrechts. Stichwort: Säkularisierung (3) Die Entwicklung der materiellrechtlichen Normen ist geprägt durch eine Ausweitung des Strafbarkeitsbereiches. Sie wirft damit die Frage nach der historischen Entwicklung von Kriminalisierungsmaßstäben auf. Stichwort: Kriminalisierung (4) Die entscheidende Ausweitung erfolgt - wenn auch als Endpunkt17 jahrzehntelanger Diskussionen - während der NS-Zeit. Damit besteht Anlaß, die Entwicklung der betrachteten Normen im Kontext der deutschen Rechtsgeschichte und der allgemeinen deutschen Geschichte zu sehen. Stichwort: Kontinuität Die Absicht, diese vier Problembereiche am Schluß der Untersuchung zu diskutieren, bestimmt bereits die Stoffauswahl des 2.Teils: zu (1): Die Konnexität zwischen Aussagetatbeständen und prozessualem Eidesrecht verbietet es, die Betrachtung auf die Entwicklung des materiellen Rechts zu beschränken. Vor allem werden die prozeßrechtlichen Normen
17
Die Bezeichnung "Ergebnis" wird bewußt vermieden.
Problem und Methode
5
über die Vereidigung und das Absehen von ihr in die Darstellung einzubeziehen sein. Zum Umfeld dieser Normen gehört auch das Problem, ob die Vereidigung durch Voreid oder durch Nacheid erfolgen soll. Allerdings werden die Diskussionen hierüber nicht so breit dargestellt werden, wie diejenigen über die eigentlichen Vereidigungsvorschriften. Im übrigen beschränkt die Einbeziehung des Eidesrechtes sich auf diejenigen Eide, die auf eine Aussage bezogen sind. Nicht berücksichtigt werden daher die promissorischen Eide im engeren Sinne18, also die Versprechenseide von Politikern, Beamten, Soldaten, Berufsrichtern, Geschworenen, Schöffen 19 und anderen öffentlichen Funktionsträgern. zu (2): Die Säkularisierung des prozessualen Eidesrechts dokumentiert sich u.a. in der Prozedur der Eidesabnahme. Einzubeziehen sind die Diskussionen über deren Gestaltung, insbesondere darüber, ob einerseits religiöse Zusätze zur Beteuerungsformel zugelassen werden sollten, andererseits die Weglassung religiöser Bestandteile des Eides oder gar die Ersetzung des Eides durch eine andere Bekräftigungsart gestattet werden sollte, zu (3): Der Gesichtspunkt der Kriminalisierung manifestiert sich vor allem in der Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage, ferner in den Diskussionen über die Dekriminalisierung des fahrlässigen Falscheides und in der Ausgestaltung des Eidesnotstandes und der "tätigen Reue". Vor allem diesen Problemkreisen - mit Schwerpunkt beim zuerst genannten - wird sich die Darstellung zu widmen haben. zu (4): Zur Vorbereitung der Kontinuitäts-Problematik werden die Diskussionen in der Kommission zur Ausarbeitung eines nationalsozialistischen Deutschen Strafgesetzbuches besonders ausführlich dargestellt; dasselbe gilt für die bislang20 unveröffentlichten Motive zur Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29.Mai 1943, durch welche die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage in das deutsche Strafrecht eingeführt wurde. Soweit prozeßrechtliche Normen darzustellen sind, liegt der Schwerpunkt auf dem Strafprozeßrecht, jedoch wird die Entwicklung des Zivilprozeßrechts im Auge behalten, vor allem dort, wo dieses mit spezifischen Normen die materiellstrafrechtliche Rechtslage beeinflußt.
18 Ob der Voreid von Zeugen und Sachverständigen zu den "promissorischen" zu zählen sei, ist bis heute str.; jedenfalls ist er es nur in einem "weiteren" Sinne, denn ungeachtet der zunächst noch fehlenden Aussage bezieht er sich doch letztlich versichernd ("assertorisch") auf diese. 19
Die Ausklammerung der drei zuletzt genannten Eidesarten geschieht nicht ohne Skrupel, denn vor allem in den partikularrechtlichen Strafprozeßordnungen wurde für die Eidesformel der Zeugen und Sachverständigen nicht selten auf diejenige der Berufsrichter, Geschworenen und Schöffen verwiesen. 20 In der Quellenedition von Schubert/Regge/Rieß/Schmid dieser Verordnung nicht vorgesehen.
(QVerz. Β 2.1.5) sind Quellen zu
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1.Kapitel
In die Diskussion der vier Problembereiche fließen notwendig wertende Stellungnahmen zur historischen Entwicklung und zu Reformmöglichkeiten ein. Auf Stellungnahmen zu dogmatischen Streitfragen der Aussagetatbestände und des prozessualen Eidesrechts wird hingegen verzichtet21. IV. Darstellungsweise (1) Quellen der Untersuchung sind zahlreiche Reformentwürfe, Motive und Kommissionsprotokolle sowie Parlamentsberichte und -drucksachen. Die Darstellung bemüht sich darum, deren markante Stellen möglichst häufig direkt zugänglich zu machen. Um trotz dieses Bestrebens die Lesbarkeit des Textes möglichst zu erhalten, werden direkte Quellenzitate, insbesondere solche aus Entwurfs- und Gesetzestexten, überwiegend in den Fußnoten plaziert. Einen Vergleich der wichtigsten Reform- und Gesetzgebungsetappen sollen zwei im Anhang angefügte Synopsen - eine materiellrechtliche und eine prozeßrechtliche - erleichtern. (2) Die Darstellung erfolgt in historischen Etappen. Weil aber nicht nur die Entwicklungsgeschichte eines einzelnen Tatbestandes, sondern diejenige eines ganzen materiell- und prozeßrechtlichen Normenkomplexes das Thema ist, führt diese Darstellungsweise dazu, daß die Entwicklungslinien der einzelnen Normen nur jeweils stückweise und mit Unterbrechungen sichtbar werden. Dennoch spricht mehr für die etappenweise Darstellung als für mehrere Längsschnittdarstellungen, denn in ihr werden die jeweiligen historischen Zusammenhänge und dogmatischen Bezüge zwischen den Normen deutlicher. Der an diachronen Einzelstrukturen interessierte Leser sei auf die (freilich nur kurzen) historischen Darstellungen hingewiesen, die sich demnächst in der Kommentierung des Verfassers zu den §§ 153 ff. StGB im Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch zu Beginn jedes Paragraphen finden werden. (3) Die Quellenerschließung hat ergeben, daß im 19. Jahrhundert die Diskussionen über den Prozeßeid der Juden umfangreich und heftig gewesen sind. Dieser Bereich stellt freilich für die Entwicklung der Eides- und Meineidnormen eher ein Randproblem dar. Die dazu erarbeiteten Ereignisse und Analysen sind deshalb aus dem ursprünglichen Konzept der Untersuchung ausgegliedert worden und werden demnächst in einem separaten Aufsatz dargestellt werden.
21
S. dazu vom Verf.: Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils (1987), S.139-311; Versuchte Beteilung an der Falschaussage, in: GA 1986,353 ff.; Frühzeitige und rechtzeitige Berichtigung falscher Angaben, in: JR1989,133 ff., sowie demnächst: Kommentierung der §§ 153-163 StGB, in: Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch Bd 4 (1990 oder 1991);
2. Kapitel
Historische Grundlegung: Deutsches Partikularrecht I. Preußisches Recht Sofern rechtliche Regelungen nicht gänzlich neue Materien zum Gegenstande haben, besitzen sie stets "Vorläufer". Rechtshistorische Forschung und Darstellung, die nach angemessener Periodisierung strebt, muß daher über die formale Betrachtung hinaus nach sachlichen Einschnitten und Zeitabschnitten suchen. Das Reichsstrafgesetzbuches bildet - ungeachtet seiner Bedeutung für die deutsche Rechtseinheit - keinen derartigen Einschnitt. Vielmehr gehen viele seiner Regelungen zurück auf das preußische Strafgesetzbuch von 18511; dieses nun weist in der Tat innovatorische Züge auf 2. Ungeachtet der zeitlichen Rahmensetzung durch das Jahr 1870 verlangt daher die Sachstruktur des Untersuchungsgegenstandes, bis 1851 auszuholen und - wenn auch gerafft - den Inhalt jenes Gesetzbuches darzustellen. Außerdem gebietet der enge Zusammenhang zwischen Prozeßrecht und materiellen Strafrecht, der unsere Thematik prägt, daß vorab der prozessuale Stoff des Gesetzbuches vorgestellt wird. Ein kurzer Blick auf die außerpreußischen Partikularrechte wird das Kapitel abschließen. 1. Prozeßrecht
a) Maßgebend für das preußische Strafprozeßrecht bis zur Jahrhundertmitte - in einigen (auch für unser Thema relevanten) Punkten noch darüber hinaus - ist die Criminal-Ordnung von 1805, eines der letzten Gesetzgebungswerke des gemeinen Inquisitionsprozesses . Unser Interesse muß der fünfte Abschnitt des zweiten Titels ("Vom Verfahren des Richters bei Aufnehmung
1
Allgemein: v.Hippel, Strafrecht Bd 1, S. 314 ff.; Rüping, Grundriß S.81 m.w.N.; Eb.Schmidt, Einführung S.343 f.; zweifelnd, jedoch ohne Begründung,Sc/iw&7i, GA 1982,191,217 (FN.92). Zu den Unterschieden Rüdorff, StGB, S.51 ff. Speziell zu den Aussagetatbeständen Herrmann, Aussagetatbestände S.38. 2 Vgl. Eb.Schmidt, Einführung S.319 ff., der freilich im Erlaß des Gesetzes auch nicht jenen Bruch sehen will, den die Strafrechtslehre des ausgehenden 19 Jahrhunderts in ihm erblickte. 3
Vgl. Eb.Schmidt, Einführung S.271 ff.
.Kapitel
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des Beweises") beanspruchen. § 317 gebietet, den Zeugen4 über seine Wahrheitspflicht und über den nach der Vernehmung zu leistenden Eid zu belehren5. Gem. § 333 Abs.l ist nach erfolgter Vernehmimg "der Zeuge, wenn nicht bei seiner Vernehmung Gründe dergänzlichen Unglaubwürdigkeit, besonders derTheilnahme an dem Verbreche entdeckt worden,.. zu vereidigen". Die auf verschiedene Typen von Zeugenaussagen jeweils zugeschnittene Eidesnorm6 wird vervollständigt durch die aus Einleitungs- und Schlußsatz bestehende Eidesformel 7. Der Einleitungssatz der Eidesformel lautet: "Ich etc. etc. schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden"; Der Schlußsatz lautet bei "protestantischen
Glaubensgenossen":
"So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum zur Seligkeit"; bei Katholiken: "So wahr mir Gott, die Jungfrau und Mutter Gottes Maria, sammt allen lieben Heiligen helfe". 1832 wird den Katholiken der Provinz Westfalen 8, drei Jahre später denen in der gesamten preußischen Monarchie 9 gestattet, die "kanonische Bekräftigungsformel" "So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium" zu benutzen. Die anders lautende Eidesformel des § 334 CrimO wird aufgehoben. Für Juden gelten noch lange Zeit Sonderbestimmungen, auf die hier indes ankündigungsgemäß nicht näher eingegangen wird.
4
ge-
Zu den Zeugen zählt, wie der Kontext mehrerer Vorschriften ergibt, auch der Sachverständi-
5 "Wenn der Zeuge gehörig erschienen ist, so muß er ernstlich erinnert werden, auf alles, worüber er gefragt werden wird, die reine Wahrheit nach seiner besten Wissenschaft anzugeben, mit dem Bedeuten, daß er nach geschlossenem Verhör seine Aussage werde eidlich bestätigen müssen". 6 Für den Normalfall der Zeugenaussage lautet sie dahin, "daß er (sc. der Zeuge) von allem, worüber er befragt und vernommen worden, seine eigentliche Wissenschaft nach der reinen und unverfälschten Wahrheit gesagt und dieselbe weder aus Freundschaft noch aus Feindschaft, Furcht, Neid, Hass oder Gunst oder um Geschenke oder Gabe willen, noch aus Hoffnung eines Gewinnes oder Vortheiles, noch aus irgend einer anderen Ursache verschwiegen, auch nichts dazu gesetzt, oder davon genommen habe" (§ 333 Abs.l CrimO). 7
§ 334 CrimO.
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Landtags-Abschied für die Provinz Westfalen vom 22sten Juli 1832; in Bezug genommen in Satz 1 der KabO v.1835 (s.die folgende Fußn.); zur weiter zurückliegenden Vorgeschichte s. Rönne, Ergänzungen Bd 3, S.272 (Anm.l zu § 316 AGO I 10). 9 Allerhöchste Kabinetsorder vom 8ten August 1835, über die Bekräftigungs-Formel bey den Eiden der katholischen Konfessions-Verwandten; Pr.GS.1835, 182.
Deutsches Partikularrecht
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Personenfärstlichen Standes brauchen nur die ihnen vorgelesene Eidesformel zu unterschreiben 10; bei vereidigten Amtsträgern genügt "in Sachen, welche ihr Amt immittelbar betreffen", die Verweisung auf den Amtseid 11; bei "ein für allemal" vereidigten Sachverständigen reicht ein entsprechender Protokollvermerk aus12. Mennoniten 13 und andere Personen, die selber oder deren Religionsgemeinschaft "unter der ausdrücklichen Landesherrlichen Vergünstigung, keinen Eid ableisten zu dürfen, im Lande aufgenommen worden", müssen "die bei einer solchen Sekte eingeführte, mit dem Eide gleiche Kraft habende Formel" gebrauchen14. Vor der Eidesabnahme sind die Zeugen nochmals "wegen der Pflicht, ihr Gewissen zu wahren, nach dem gedruckten Formulare zu verwarnen"; auch muß ihnen, "wenn es einfältige und gemeine Leute sind, die Natur und Absicht des Eidesschwurs, die Verpflichtungen, welche der Schwörende dadurch über sich nimmt, und die Strafe des Meineides erklärt und ernstlich zu Gemüthe geführt werden" 15. Der Richter ist überdies berechtigt, "einen Geistlichen von der Religionsparthei des Zeugen zuzuziehen"16. Wie erwähnt, gilt eine Ausnahme von der Vereidigungspflich nur in Fällen "gänzlicher Unglaubwürdigkeit", insb. bei Teilnahme an der verfolgten Tat. Wenn § 332 CrimO festsetzt, daß eine Zeugenaussage, die "als Beweismittel dienen" soll, "eidlich bestärkt" werden müsse, so scheint außer für die erwähnte Fallgruppe diese Voraussetzung stets gegeben zu sein. Dies trifft aber nur vordergründig zu, denn einen umfangreichen, aus unterschiedlichen Gründen für suspekt geltenden Personenkreis läßt die Criminal-Ordnung darüber hinaus von vornherein nicht in die Zeugenrolle einrücken; die Frage der Vereidigung oder Nichtvereidigung dieser Personen stellt sich daher von vornherein nicht.
10
§ 335 Satz 2 Ziff.l CrimO.
11
AaO. Ziff.2.
12
AaO. Ziff.3.
13
Mennoniten: Reformatorische Bewegung anabaptistischer Richtung, benannt nach ihrem Gründer Menno Simons (1492-1559). Simons gründete seit 1537 "Gemeinden mit strenger Kirchenzucht, die in Holland und Deutschland Duldung fanden und sich später auch nach Rußland und Nordamerika ausbreiteten. Die Mennoniten treten für eine sich in der Lebensführung bewährende Frömmigkeit ein und verwerfen die Kindertaufe und den Eid, die strengen von ihnen auch den Kriegsdienst und die Annahme obrigkeitlicher Ämter". (H.v.Glasenapp, Die fünf Weltreligionen. Düsseldorf/Köln 1963. S.300). Über Menno Simons: I.B. Horst, M.S.; in: Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen, hrsg. von HJ. Goertz. München 1978. S.179 ff. 14
AaO. Ziff.4. Die Ziffern 5 und 6 der Vorschrift betreffen Stumme und Taube.
15
§ 338 CrimO.
16
§ 339 Halbs.l CrimO. Er ist hierzu besonders dann verpflichtet, "wenn von einem wichtigen Verbrechen die Rede ist oder wenn der Beschuldigte oder dessen Vertheidiger es verlangen".
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Hierher gehören 17: 1) "Rasende, wahn- und blödsinnige Personen"; 2) Blinde "in Ansehung solcher Gegenstände, zu deren Kenntnis der Sinn des Gesichts erfordert wird"; 3) Taube, "insofern sie nicht lesen können"; 4) Taubstumme, "insofern dieselben nicht lesen und schreiben können"; 5) "Diejenigen, welche geständlich oder erweislich Geld oder andere Vortheile angenommen haben, um ein dem Angeschuldigten günstiges oder ungünstiges Zeugniß abzulegen"; 6) "Diejenigen welche wegen eines falschen Zeugnisses oder anderen Meineides überführt worden sind"; 18
7) "Diejenigen, welche begangener Verbrechen wegen für ehrlos erklärt worden" .
Das Regelungssystem der Criminal-Ordnung erscheint in einem anderen Licht, wenn man § 356 Abs.2 CrimO in die Betrachtung einbezieht; diese Vorschrift gibt dem Richter die Befugnis, die Angehörigen des genannten Personenkreises, insofern es ihre persönlichen Eigenschaften erlauben, nichteidlich zu vernehmen, "wenn es nicht unwahrscheinlich ist, daß ihre Aussage zur Entdeckung der Wahrheit führen werde". Daß sie - obwohl doch (uneidlich) vernommen - dennoch nicht als "Zeugen" gelten, erklärt sich aus dem formellen Beweisregelsystem des gemeinen Inquisitionsprozesses19. Danach kann die Aussage einer uneidlich vernommenen Person zwar nicht als das Beweismittel "Zeugenaussage" zur förmlichen Überführung des Angeschuldigten verwendet werden, aber doch Hilfstatsachen zur Erzielung des formellen Beweises vermitteln. Hindern somit bestimmte Eigenschaften nur die eidliche Vernehmung (und damit die formelle Zeugeneigenschaft), nicht aber die uneidliche Vernehmung, so steht das System der Vereidigungsregeln der Criminal-Ordnung dem heutigen Recht nicht so fern, wie der erste Anschein es vermittelt, denn in der Sache handelt es sich bei den betreffenden Eigenschaften um Vereidigungshindernisse, also um obligatorische Ausnahmen vom Grundsatz eidlicher Vernehmung. Die Criminal-Ordnung kennt einen weiteren Personenkreis, dessen Angehörige grundsätzlich ebenfalls unfähig sind, als förmliche Beweiszeugen zu fungieren 20, die aber nach richterlichen Ermessen - "besonders im Falle des Hochverrates, der Landesverrätherei und der beleidigten Majestät - dennoch
17
§ 356 Abs.l CrimO.
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Andere Verurteilungen führen nicht zum Ausschluß von der Zeugenstellung, sondern schwächen allenfalls die den Aussagen beizulegende Beweiskraft, und auch dies nur, wenn aus der Verurteilung ein "Mangel moralischer Grundsätze, welche auf Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit Einfluß haben, hergeleitet werden kann". 19 Für die Regelung der CrimO s. dort §§ 361 ff.; zur Beweislehre der Carolina (insb. Art.60,62 CCC) Eb.Schmidt, Einführung S.127 ff.; allgemein Küper, Richteridee S.125 ff.; zu den Beweislehren einiger gemeinrechtlicher Strafrechtslehrer Hornung-Grove, Beweisregeln. 20
§ 357 CrimO.
Deutsches Partikularrecht
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mit dem Zeugeneid beleg(t)M werden können21. Hierher gehören: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12)
Verwandte des Angeschuldigten in aufsteigender Linie; Verwandte des Angeschuldigten in absteigender Linie; Stief- und Schwiegereltern, Stief- und Schwiegerkinder des Angeschuldigten; Geschwister des Angeschuldigten; Schwäger und Schwägerinnen des Angeschuldigten; Ehegatten und Verlobte von Angeschuldigten; Alle, "die von dem Ausgang der Untersuchung Vortheil oder Schaden zu erwarten haben": Juden , außer wenn der Angeschuldigte Jude ist, keine höhere Strafe als fünfzig Taler oder sechswöchiges Gefängnis zu erwarten hat und die Zeugenaussage gegen ihn zeugt. Personen unter 14 Jahren 23; "Diejenigen, welche ein mit dem Verlust der bürgerlichen Ehre verbundenes Geschäft treiben" 24; "Diejenigen, welche wegen begangener Untreue oder eines vorsätzlichen oder muthwilligen Bankeruts gerichtlich überführt worden"; "Diejenigen, welche für unfähig erklärt worden, in ihren eigenen Sachen einen nothwendigen Eid zu schwören".
Die Behandlung der beiden Personenkreise entspricht demnach den heutigen Fällen obligatorischer bzw. fakultativer Befreiung von der Vereidigungspflicht 25. In ihrem Zuschnitt unterscheiden sich freilich beide Gruppen deutlich von späteren Regelungen. Sieht man von den Sondervorschriften über die Vereidigung von Juden ab, so sind zwar fast alle genannten Personengruppen bis heute oder bis vor kurzem als Problemgruppen anerkannt; jedoch sind die meisten Problemfälle nicht mehr über Eidesverbote, sondern über Zeugnis-bzw. Eidesverweigerungsrechte erfaßt, andere nicht mehr explizit normiert, sondern der - in der Criminal-Ordnung noch nicht zur Herrschaft gelangten - freien richterlichen Beweiswürdigung anheimgegeben.
b) Den preußischen Zivilprozeß regelte seit 1793 die Allgemeine Gerichtsordnungför die preußischen Staaten. Wie erwähnt, galten einige ihrer Vorschriften, ergänzend zur Criminal-Ordnung, auch für den Strafprozeß. Von Bedeutung für die Ausgestaltung der Aussagetatbestände im Straf-
21
§ 358 CrimO. - Die Parallele zur bekannten KabO v.3Juni 1740 über die Abschaffung der Folter in Preußen drängt sich auf. Auch dort die Ausnahme "bey dem Crimine laesae Majestatis und Landesverrätherey, auch denen großen Mordthaten, wo viele Menschen ums Leben gebracht oder viele Delinquenten, deren Connexion heraus zu bringen nöthig, impliciret sind". (Ungekürzte Wiedergabe b. W?irt,DRiZ 1988,298; s. auch Eb.Schmidt, Einführung S.269 f.); da die Aufzählung in § 358 CrimO nicht abschließend ist (OTr. t GA 7 [1860], 808), können die in der KabO von 1740 genannten weiteren Fälle auch hier hinzugedacht werden. 22 § 357 Ziff.8. - Gilt selbst dann, wenn die jüdische Aussageperson sich "zur Ablegung des Zeugnisses freiwillig erbietet". 23
§ 357 Ziff.9. - Jugendliche von 14-18 Jahren nach richterlicher Beurteilung (aaO.).
24
§ 357 Ziff. 10.
25
Unter Vereidigungspflicht wird hier und im folgenden die Pflicht des Gerichts zur Eidesabnahme, unter Eidespflicht die Pflicht der Aussageperson zur Eidesleistung verstanden.
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gesetzbuch von 1851 sind vor allem die Regelungen des fünften Abschnitts (§§ 245 ff.: "Von der Aufnehmung des Beweises durch den Eid") im zehnten Titel der Gerichtsordnung. Der Abschnitt behandelt nur den Parteieid (§§ 249,250 AGO I IO) 26 . Nach § 252 AGO 110 steht es "den Parteien Frei, statt anderer Beweismittel über eine streitige Tatsache sich der Zuschiebung des Eides an den Gegentheil zu bedienen"27. Umfängliche und komplizierte Regelungen über die Zulässigkeit der Eideszuschiebung (iuramentum delatum) und -zurückschiebung (iuramentum re latum) f über die Verpflichtung zur Akzeptation des zu- oder zurückgeschobenen Eides und über die Folgen der Eidesverweigerung schließen sich an. Rudimente dieser Regelungen lassen sich noch heute in den §§ 445 ff. ZPO über die Parteivernehmung ausmachen. Grundlegende Unterschiede zwischen diesen (seit 1933 geltenden) Normen und der damaligen Rechtslage zeigen sich jedoch im Rechtscharakter und in den Rechtsfolgen. Der Titel der Zivilprozeßordnung über den "Beweis durch Parteivernehmung" regelt eine Prozedur, welche an diejenige der Zeugenvernehmung angelehnt ist; das Gesetz behandelt die förmlich e Aussage der Partei als ein Beweismittel, welches wie alle anderen Beweismittel der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) unterliegt. Der Eid der Partei ist ebenso wie der Zeugeneid - bloße Bekräftigung der Aussage. Die Verweigerung der Aussage und/oder des Eides unterliegt mitsamt den für sie vorgetragenen Begründungen ebenfalls der freien Beweiswürdigung (§§ 446,453 ZPO). Die Regelung von 1793 hingegen versteht den Parteieid als solchen als Beweismittel. Seine Ableistung zählt zu den Fällen, "in welchen eine Thatsache für völlig erwiesen anzusehen ist"28. Unter bestimmten strengen Voraussetzungen kann ein solcher "echter" Parteieid nicht nur unter den Parteien zugeschoben und zurückgeschoben
26
Zum Zeugeneid, der im wesentlichen parallel zu den Vorschriften der (später entstandenen) CrimO geregelt ist, s. §§ 169 ff. AGO I 10. 27 Ausnahmen regelt § 107 AGO I 10. - Der Richter soll gem. § 254 "eine solche Partei, welche es auf den Eid ihres Gegners ankommen lassen will, an die Bedenklichkeiten und rechtlichen Folgen, welche damit verbunden sind, und an die anderweitig vorhandenen Beweismitterl erinnern", denn nicht nur sei der Eid an sich ein sehr bedenkliches Mittel zur Entdeckung der Wahrheit, sondern es habe auch "die allzu große Vervielfältigung der Eide eine dem gemeinen Besten höchst nachtheilige Geringschätzung derselben zur Folge". 28 § 10 AGO 113: "... ohne das richterliche Ermessen in zu enge Grenzen einzuschließen, lassen sich nur folgende Fälle auszeichnen, in welchen eine Thatsache für völlig erwiesen anzunehmen ist:
8) wenn die Parteien den Weg der Eidesdelation gewählt haben, und ein deferierter oder zurückgeschobener Eid geschworen oder erlassen oder dessen Ableistung verweigert worden ist; da sodann, nach Verschiedenheit dieser Fälle, die streitig gewesene Thatsache für wahr oder falsch anzunehmen ist". - Eine Relativierung dieser Regel gilt nur für den Fall, daß von mehreren Litiskonsorten einige den deferierten oder zurückgeschobenen Eid schwören, andere hingegen die Eidesleistung verweigern oder zurückschieben wollen (§ 12 Ziff.4 AGO 113; vgl. auch § 21 aaO.).
Deutsches Partikularrecht
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werden, sondern einer Partei vom Richter auch auferlegt werden. Ein solches iuramentum necessarium 29 kennt die AGO in den Erscheinungsformen des Erfüllungs- und Reinigungseides (iuramentum suppletorium, iuramentum purgatorium) 30, des Schätzungseides (iuramentum in litem) 31, des Offenbarungseides (iuramentum manifestations )32 und des Gefährdeeides (iuramentum calumniae) 33. Zugeschobener, zurückgeschobener und auferlegter Eid sind die letzten Exemplare einer ehedem üppig wuchernden Vielfalt von "echten" Eiden 34 , von denen der strafprozessuale Reinigungseid als historisches Phänomen wohl am bekanntesten geblieben ist 35 , während der Offenbarungseid ("Manifestationseid") sich am längsten erhalten hat, bis er 1970 zu einer "Eidesstattlichen Versicherung über die Vermögensverhältnisse" herabgestuft wurde 36. Das Nebeneinander von zugeschobenem, zurückgeschobenem und auferlegtem Parteieid einerseits, Zeugen- und Sachverständigeneid andererseits ist auch den anderen deutschen Partikularrechten geläufig 37. Es gehörte somit - nicht nur in Preußen - zu den (normativen) Gegebenheiten, welche das materielle Strafrecht bei der Formulierung von Aussagetatbeständen vorfand und
29 s. die Überschrift des 22.Titels der AGO: "Von den in einem Prozesse vorkommenden nothwendigen Eiden"; vgl. ferner Jacobson, Eid aaO. S.653 ff. 30 § 2 AGO 122 ("Vom Suppletorio und Purgatorio"): "Obgleich nach der in gegenwärtiger Prozeßordnung dem Richter auferlegten Pflicht und zugleich ertheilten Befugniß, die Wahrheit durch alle nur irgend dazu vorhandene an sich erlaubte Mittel von Amts wegen aufzusuchen, in den meisten Fällen die in einem Prozesse vorkommenden Thatsachen, und was daran wahr sey, durch die Untersuchung in ein vollständiges Licht gesetzt werden wird, so können sich doch Fälle ereignen, wo, aller angewandten pflichtmäßigen Bemühungen des Richters ungeachtet, der Grund oder Ungrund einer solchen streitigen Thatsache, oder gewisser Umstände derselben, noch nicht deutlich und zuverlässig genug ausgemittelt werden können; und es also noch auf einen von dieser oder jener Partei darüber abzuleistenden nothwendigen Eid ankommt". 31 § 9 AGO I 22 ("II. Vom Juramento in litem"): "Zu den nothwendigen Eiden gehört ferner II. Das Juramentum in litem, wodurch der Werth einer Sache, oder der Betrag eines Schadens bestimmt werden soll". 32 § 28 AGO I 22 ("III. Vom Manifestationseide"): "Der Manifestationseid kann gefordert werden, wenn jemand einen Inbegriff von Sachen oder Rechten ganz oder zum einem Antheile (pars quota) anzeigen oder heraus geben soll, oder auch über den Betrag eines gewissen Gegenstandes Auskunft zu ertheilen verbunden ist". 33
§ 37 AGO I 22 ("IV. Vom Juramento calumniae"): "Das Juramentum calumniae hat zur Absicht, der Chikane einer oder der anderen Partei, wodurch sie die Bemühungen des Richters in Ausmittelung der Wahrheit zu vereiteln oder doch zu erschweren und den Prozeß in die Länge zu ziehen sucht, Einhalt zu thun". 34
Überblick b. Jacobson, Eid aaO.; Holzhauer, Meineid aaO.; Ζλ, Meineid aaO. S.409.
35
Über ihn Eb.Schmidt, Einführung, insb. S.77 ff.; s. auch die Nachweise b. Thudichum, Eid S.67. 36
§ 807 Abs.2 ZPO i.d.F. des Gesetzes vom 27.6.1970.
37
s. dazu sowie zu Reformvorschlägen Hahn, Mat.CPO, S.330 f.
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aufgreifen mußte. c)
Weitere Entwicklung: 1844 wurden die Eidesnormen für Zeugen, Sachverständige und Taxatoren einer sprachlichen Straffung unterzogen , ohne daß dadurch eine sachliche Änderung des Eidesrechts eintrat 39. Die bekannte Verordnung vom 3Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens Geschworenen in Untersuchungssachen führte zwar den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ein 40 , ließ aber die bestehenden strafprozessualen Vorschriften über die Beweisaufnahme, insb. diejenigen über Vernehmung und Vereidigung von Zeugen, ausdrücklich in Geltung41. Nach dem Krieg von 1866 gelangten umfangreiche neue Territorien durch Annexion an die preußische Monarchie 42. Ein Jahr später wurde in ihnen das preußische Strafgesetzbuch eingeführt. Hingegen ließ sich das verschachtelte straîprozessuale Normengefüge aus Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung, der Criminalordnung, der Strafprozeßverordnung von 1849 und des Strafprozeßgesetzes von 1852 nicht wohl auf die neuerworbenen Territorien übertragen. Deshalb wurde durch Verordnung vom 25Juni 1867 für diese Gebiete eine neue Strafprozeßordnung erlassen. Sie setzt in § 160 den Grundsatz der obligatorischen Vereidigung von Zeugen - und zwar durch Nacheid H -
38 Verordnung vom 28 Juni 1844. Die Verordnung trägt den irreführenden Titel "Verordnung wegen Abänderung der Eidesformein für Zeugen und Sachverständige, sowie der Formel des Ignoranz-Eides"; Pr.GS 1844,249. 39 Es genügt, die neue Eidesnorm des Zeugeneides wiederzugeben (zu dessen früherer Fassung s.o. Fußn.6): "... daß Zeuge von Allem, worüber er vernommen worden , nach seinem besten Wissen die reine Wahrheit gesagt, und wissentlich weder etwas verschwiegen noch beigesetzt habe". 40 Für die beim Kammergericht und beim Kriminalgericht Berlin zu führenden Untersuchungen bereits seit 1846. (Ges. vom 17Juli 1846, QVerz. Β 1.11.8). 41 § 22 der Verordnung: "Die bestehenden gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren bei Aufnahme der Beweise, insbesondere auch darüber, welche Personen als Zeugen vernommen oder vereidet werden dürfen, bleiben maßgebend. Dagegen treten die bisherigen positiven Regeln über die Wirkungen der Beweise außer Anwendung. Der erkennende Richter hat fortan unter genauer Prüfung aller Beweise für die Anklage und Verteidigung nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der vor ihm erfolgten Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig sei...". 42 Hannover; Kurhessen; Nassau; Hessen-Homburg (abgetreten vom Ghztm Hessen); Frankfurt; Schleswig-Holstein. 43 Dieses Gesetz hatte Ergänzungen und Konkretisierungen der VO von 1849 gebracht. Sie betrafen aber nicht unseren Untersuchungsbereich. 44
§ 163 (".. nach erfolgter Vernehmung...").
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Deutsches Partikularrecht
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fest 45. Ausgenommen sind nur Eidesuiifahige 46, Eidesunmündige47, Tatbeteiligte 48 und Angehörige des Beschuldigten49. Die Vereidigung kann unterbleiben, wenn der Zeuge sich "wegen Verstandesschwäche, wegen seiner mangelnden Einsicht in das Wesen des Eides, wegen seines dringenden Interesses zur Sache oder aus anderen Gründen(!) als besonders unzuverlässig darstellt" 50. Die Eideserstattung erfolgt durch Nachsprechen der vom Richter vorzusprechenden Eidesnorm 51 und der Eidesformel. Für Sachverständige gelten die bereits aus der Criminal-Ordnung bekannten Besonderheiten . Über den Text der Eidesformel trifft die neue Strafprozeßordnung keine Regelung. Die einführende Verordnung enthält jedoch einen Vorbehalt zugunsten der "Vorschriften der bisherigen Landesgesetze über die Form der Eidesleistungen der Zeugen, Sachverständigen und Dolmetscher, insbesondere hinsichtlich der Eingangsworte des Eides und der am Schlüsse hinzuzufügenden Bekräftigungsformel" sowie für "die Bestimmungen über die Befugniß gewisser Religionsgesellschaften, sich an Stelle der Eidesleistung einer anderen Betheurerungsform zu bedienen"53. Damit blieben in den altpreußischen Gebieten auch die Sondervorschriften über die Vereidigung von Juden bestehen. Sie wurden erst 1869 durch das Gesetz über die Eide der Juden 54 beseitigt. Es gab der von Juden zu sprechenden Eidesformel die Fassung:
45 "Die eidliche Bestärkung des Zeugnisses darf bei keiner Zeugenvernehmung unterbleiben, insofern nicht ein diese Unterlassung rechtfertigender Grund festgestellt ist". 46
§ 161 Abs.2 Ziff.l: "die in Folge strafgerichtlicher Verurtheilung zur Ableistung des Zeugeneides unfähigen Personen". 47 § 161 Abs.2 Ziff.3: "Personen welche zur Zeit ihrer Vernehmung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben". 48 § 161 Abs.2 Ziff.3: "Personen, welche hinsichtlich der in Untersuchung befangenen That als Thäter, Theilnehmer, Begünstiger oder Hehler verdächtig oder bereits verurtheilt sind". 49 §161 Abs.2 Ziff.4: "Zeugnisverweigerungsberechtigte Angehörige desBeschuldigten".Diese können jedoch nach richterlichem Ermessen mit dem Eid belegt werden, wenn "es sich um eine That handelt, welche gegen sie selbst oder gegen einen anderen Angehörigen der Familie begangen sein soll". Indem das Gesetz hier auf die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht verweist, legt es die aus der Umgestaltungzum reformierten Strafprozeß (hier Ersetzung der Beweisregeln durch die freie richterliche Beweiswürdigung) folgende Trennung von Zeugnispflicht und Eidespflicht zugrunde. (Vgl. bereits o.b.Fußn.19 ff.). 50
§162.
51
§ 164 Abs.l. Die regelmäßige Eidesformel lautet beim Zeugen: ".. daß er von Allem, worüber er vernommen worden, nach seinem besten Wissen die reine Wahrheit gesagt und wissentlich weder etwas verschwiegen noch hinzugesetzt habe." 52
§§ 172 Abs.3, 186 StPO 1867.
53
Art. X I I Abs.2 Ziff.3 der Verordnung.
54
Gesetz vom 15.Mäiz 1869; Pr.GS. S.484. - Ausführlich über dieses Gesetz und die zu ihm hinführende Entwicklung der im 1.Kapitel angekündigte Aufsatz.
16
.Kapitel "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden -... - So wahr mir Gott helfe" 55.
Einige Jahre später übernahm die Reichsjustizgesetzgebung diese Eidesformel für alle Aussagepersonen in die Zivil- und die Strafprozeßordnung, wo sie sich bis heute erhalten hat 56 . 2 Strafgesetzbuch
von 1851
Die dargestellten prozeßrechtlichen Normen bildeten den Gegenstandsbereich der Aussagetatbestände des materiellen Strafrechts, deren Schilderung ankündigungsgemäß mit dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851 einsetzt. Jahrzehntelange, von politischen und rechtswissenschaftlichen Kontroversen geprägte Diskussionen 57 sowie zahlreiche Entwürfe und Umarbeitungen 58 waren dem Erlaß dieser Strafrechtskodifikation vorausgegangen; nach den ständischen Provinziallandtagen waren zuletzt noch der Vereinigte Landtag und die 1848 neugeschaffene parlamentarische Volksvertretung an den Beratungen beteiligt worden 59. Am 14 April 1851 wurde das 349 Paragraphen umfassende Werk, welches den Strafrechtstitel des Allgemeinen Landrechts 60 mit seinen 1577 Paragraphen ersetzte, vom König unterzeichnet und trat am 1 Juli 1851 in Kraft 61 .
Der mit "Meineid" überschriebene Achte Titel des Besonderen Teils (§§ 125-132) ist eingestellt zwischen die Titel "Münzverbrechen und Münzvergehen" (§§ 121 ff.) und "Falsche Anschuldigung" (§§ 133 f.) 62 - also in die heute noch bestehende Nachbarschaft. Offenkundig hat damit das Gesetz das dem ALR und anderen naturrechtlichen Gesetzbüchern zugrundeliegende Verständnis des Meineides als eines qualifizierten Betruges, also eines Individualschutz-
55 § 1 aaO. "... von Männern unter Erhebung der rechten Hand, von Frauen unter Auflegung dieser Hand auf die Brust". 56
Näher hierzu der im 1.Kapitel angekündigte Aufsatz.
57
Quellen b. Schubert /Regge, Preuß.Gesetzrevision; Darstellung b. Berner, Strafgesetzgebung S.218 ff.; Goltdammer, Mat. Bd 1, S.VII ff.; v.Kamptz, PrJb 58,325 ff.; PrJb 60,1 ff.; Hälschner, Preuß.Strafrecht I, S.251 ff. 58 Von besonderer Bedeutung der Entwurf von 1843 (E1843) sowie die bei Bänke, Entwurf Bd 1 und 2, abgedruckten Entwürfe von 1848 und 1849 (letzterer konzipiert als deutsches Einheitsstrafrecht). 59
Vgl. Eb.Schmidt, Einführung S.318 f.; Berner, Strafgesetzgebung S.236 ff.
60
Zweiter Teil, zwanzigster Titel des ALR ("Von den Verbrechen und deren Strafen").
61
Art.I des Einführungsgesetzes vom 14April 1851 (Pr.GS. S.93).
62
Zur Einordnung des Meineid-Tatbestandes in die Legalordnung des Strafgesetzbuches und der vorangegangenen Entwürfe vgl. Goltdammer, Mat. Bd 2, S.225; Oehler, Legalordnung S.214 ff.; Bänke, Entwurf Bd 2, S.36 ff.; Vormbaum, Schutz des Strafurteils 3.Kapitel (S.12 ff.).
Deutsches Partikularrecht
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deliktes, aufgegeben 63. Die Basis-Tatbestände des Abschnittes sind in den §§ 125-127 formuliert. § 125 bedroht denjenigen mit Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren, der "einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört".
Der nachfolgende Tatbestand (§ 126) bedroht mit derselben Strafe denjenigen, der "als Zeuge in einer (Zivilsache oder Strafsache wissentlich ein falsches Zeugnis mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugnis verletzt".
§ 127 dehnt diese Vorschrift sinngemäß auf den Sachverständigen aus64. § 126 Abs.2 ordnet eine Verschärfung der Strafe auf Zuchthaus von 10 bis zu 20 Jahren an, wenn "das falsche Zeugniß in einer Strafsache zum Nachtheil eines Angeschuldigten abgelegt und dieser zur Todesstrafe, Zuchthausstrafe oder zur Strafe der Einschließung von mehr als fünf Jahren verurteilt worden ist",
und behält damit eine Folgerung aus der Auffassung vom IndividualschutzCharakter des Meineid-Tatbestandes bei. Das Gesetz trifft somit eine doppelte Unterscheidung. In §§ 126,127 differenziert es zwischen vor- und nachgängiger Beeidigung einer Falschaussage durch Zeugen und Sachverständige; in § 125 stellt es diesem Komplex das falsche Schwören eines zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Parteieides gegenüber 65,66, widmet somit den prozeßrechtlich unterschiedenen Eidestypen "Parteieid" und "Zeugen- und Sachverständigeneid" je einen Tatbestand. Ebensowenig wie später das Reichsstrafgesetzbuch enthält das preußische Strafgesetzbuch eine Begriffsbestimmung des Meineides. Frühere Entwurfsfassungen, die den Meineid z.B. als "das Bekunden einer falschen Thatsache oder Verschweigen einer bekannten Thatsache"
63
147 ff.
Zu dieser Lehre s. Naucke, Betrug S.62 ff.; Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.14 ff.,
64 "Wer als Sachverständiger in einer (Zivilsache oder Strafsache wissentlich ein falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Erklärung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Gutachten verletzt, wird gleich dem falschen Zeugen bestraft". 65
Zum Parteieid s.o. sub 1 b.
66 Alle genannten Vorschriften haben ihre Entsprechungen im Allgemeinen Landrecht von 1794; jedoch folgen Unterschiede zum einen daraus, daß dieses den Meineid als qualifizierten Fall des Betruges auffaßt (s.o. Fußn. 63), zum anderen daraus, daß der Regelung von 1851 die für das ALR charakteristische Detailfreude(vgl. §§ 1403-1430 ALR I I 20)) ebenso fehlt wie das belehrende Verweisen auf Regelungen der Prozeßordnung (vgl. § 1422 ALR II 20).
18
.Kapitel
beschrieben, wurden mit der Begründung fallengelassen, daß es bedenklich sei, "das bloße Verschweigen einer Thatsache in den Begriff des Meineids überhaupt aufzunehmen, da es nicht immer, sondern nur unter besonderen Umständen für eine Verletzung der Eidespflicht angesehen werden könne, wenn eine Zeuge Thatsachen nicht angebe, über welche er nicht befragt worden sei" 67 .
§ 128 stellt mehrere Beteuerungsformen dem Eide gleich68. Die Vorschrift hat sich bis in die Formulierung hinein als eine der langlebigsten des Abschnittes erwiesen; erst 1975 wurde sie infolge geänderter prozeßrechtlicher Voraussetzungen durch eine andere ersetz?9. Gefängnis von drei Monaten bis zu einem Jahre droht § 129 demjenigen an, der "einer öffentlichen Behörde eine Versicherung an Eidesstatt wissentlich falsch abgibt§ 130 Abs.l bedroht denjenigen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, der "einen Anderen wissentlich zur Ableistung eines falschen Eides in dessen eigenen Angelegenheiten, zur eidlichen Bekräftigung einer Unwahrheit oder zur Angabe der Unwahrheit nac abgeleistetem Zeugeneide zu verleiten suchf. Die parallele Vorschrift für die eidessattliche Versicherung (§ 130 Abs.l) droht Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre an 70 . II. Außerpreußische Partikularrechte 1. Das außerpreußische Prozeßrecht71 bietet in unserem Fragenbereich ein teilweise einheitliches, teilweise aber auch recht zerklüftetes Bild. Ein Vergleich der Einzelregelungen erlaubt folgende Zusammenfassung: Alle einschlägigen Gesetze gehen grundsätzlich vom Vereidigungszwang aus, lassen aber unterschiedlich weit gefaßte Ausnahmen teils obligatorischer, teils fakultativer Art zu. Aus der Natur der Sache folgt, daß Eidesunmündige
67 Goltdammer, Mat. Bd 2, S.256. Zu der bis heute umstrittenen Frage der "Falschaussage durch Verschweigen" s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.270 ff. 68 Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet: 1) wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgiebt; 2) wenn derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgiebt, oder wenn ein Sachverständiger, welcher als solcher ein für allemal vereidet ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid abgiebt; 3) wenn ein vereideter Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgiebt. ω
Näheres dazu im 9. Kap.sub. IV.
70
Näheres zu dieser Vorschrift und zu ihrer Auslegung sowie zu der bei Entstehen und nach Inkrafttreten umstrittenen Nachfolgeregelung im RStGB im 3.Kap. b.Fußn. 69 ff. 71 Der folgende Überblick beschränkt sich im wesentlichen auf die über die Sammlungen von Haeberlin (s.QVerz.B 1.1.1) und Sundelirt (s.QVerz.B 1.1.3) verhältnismäßig leicht zugänglichen tfra/prozessualen Normen des Partikularrechts.
Deutsches Partikularrecht
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und Eidesunfähige nicht vereidigt werden dürfen; hier stimmen daher alle Rechte überein , das Eidesmündigkeitsalter variiert, es wird beim vollendeten fünfzehnten 73, sechzehnten74 oder achtzehnten Lebensjahr75 angesetzt. Als weitere Fälle obligatorischer Nichtvereidigung finden sich: Beteiligung und Beteiligungsverdacht76, Interesse am Ausgang des Verfahrens 77, Zeugnisverweigerungsberechtigung 78, vorangegangene Belohnung für eine Anzeige79 oder für einen bestimmten Aussageinhalt80. Die Fälle, in denen das Gericht nach seinem Ermessen von der Vereidigung absehen darf, reichen von der globalen Ermessenseinräumung 81 bis zur - abschließenden oder exemplarischen Katalogisierung von mehr oder minder zahlreichen Fällen. Unter diesen finden sich: Geringe Schwere des Falles82; Persönlichkeit des Zeugen oder Sachverständigen83^ Interesse des Zeugen oder Sachverständigen am Ausgang der Untersuchung84; besondere Beziehung des Zeugen zu den in der Untersuchung behandelten Personen85; besondere Beziehung des Zeugen zu den in der 72 Baden (§ 153 Abs.l S.3 StPO 1845); Bayern (Art.46 SchwurGG 1848); Frankfun (Art.76 G.v.15.5.1856); Hannover (§ 92 Abs.4 StPO 1850; § 99 Abs.4 StPO 1859); Hessen-Darmstadt (Art.127 EStPO 1860); Oldenburg (Art.112 St?Ö 1857); Sachsen (Art.225 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868); Sachsen-Altenburg (Art.170 Abs.l StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 StPO 1857); 'Thüringische StPO" (Art.189 Abs.l). 73
Bayern (Art.46 SchwurGG 1848).
74
Frankfurt (Art.76 G.v.15.5.1856); Hannover (§ 99 Abs.4 StPO 1859); Hessen-Darmstadt (Art.127 Zif..l EStPO 1860); Oldenburg (Art.112 StPO 1857); Württemberg (Art.213 StPO 1843). 75
Braunschweig (Art.59 StPO 1849); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 StPO 1857); Sachsen (Art.225 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868). 76 Baden (§ 155 StPO 1845); Bayern (Art.46 SchwurGG 1848); Hannover (§ 99 Abs.4 StPO 1859); Hessen-Darmstadt (Art.141 Abs.2 EStPO 1860); Oldenburg (Art.113 StPO 1857); Württemberg (Art.213 StPO 1843). 77 Hessen-Darmstadt (Art.141 Abs.2 EStPO 1860); Oldenburg (Art.113 StPO 1857, "wenn dieses Interesse "auf den Ausgang von Einfluß sein könnte"). 78 Hessen-Darmstadt (Art.127 Ziff.2 EStPO 1860 für Geistliche, Staatsbeamte und Verteidiger, soweit das aus dem Zeugnisverweigerungsrecht folgende Vernehmungsverbot reicht). 79 Frankfurt (Art.76 G.v.15.5.1856, falls Staatsanwalt oder eine Partei gegen die Vereidigung Einspruch erheben). 80
Württemberg
(Art.304 StPO 1843 für eine Aussage für oder gegen den Angeschuldigten).
81
Baden (§ 153 Abs.l S.3 StPO 1845: "wenn der Vereidigung Bedenken entgegenstehen"); Württemberg (Art.213 StPO 1843: bei denjenigen, "deren Zeugnis aus anderen Gründen als verdächtig anzusehen ist"). 82 Hannover (§ 99 Abs.4 StPO 1859: wenn Beschuldigter und Staatsanwalt mit unbeeideter Vernehmung einverstanden sind). 83
Hannover (§ 150 Abs.4 StPO 1859: "namentlich").
84
Wie vor.
85
Sachsen-Altenburg (Art.170 Abs.l StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 StPO 1857).
20
.Kapitel
Untersuchung behandelten Verhältnissen86; Zeugnisverweigerungsberechtigung87.
Die Frage 'Vor- oder Nacheid?" wird - jedenfalls für den Normalfall - von der großen Mehrheit der Partikularrechte zugunsten des ersteren beantwortet .Zur Frage des Vereidigungszeitpunktes, vor allem zu der Frage, ob Zeugen und Sachverständige erst in der Hauptverhandlung oder - ggf. unter gewisse Bedingungen - bereits im Ermittlungsverfahren vereidigt werden sollen, exis eine breite Palette partikularrechtlicher Regelungen. Neben Vorschriften, d generell die Vereidigung im Fo/verfahren oder in der Voruntersuchung 90 zulassen, findet sich am häufigsten die Regelung, daß die Vereidigung im Vorverfahren erfolgen darf bzw. muß, wenn sie das einzige Mittel ist, um die Aussageperson zu wahrheitsgemäßer Aussage zu veranlassen91, und/oder wenn zu befürchten ist, daß die Aussageperson in der Hauptverhandlung nicht werde erscheinen können92; die Zulässigkeit wird aber auch von Antrags-
86 87
Sachsen-Altenburg (Art.170 Abs.l StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 StPO 1857). Frankfun
(Art.76 G.v.15.5.1856).
88
Voreid: Baden (§§ 153, 231 StPO 1845); Bayern (Art.157 SchwurGG 1848); Braunschweig § 60 StPO 1849); Frankfurt (Art.83 G.v. 153.1856); Hannover (§ 150 Ziff.2 StPO 1859); HessenDarmstadt (Art.140 SchwurGG 1848); Hessen-Homburg (Art.101 G.v.15.10.1850); Hessen-Nassau (Art.139 SchwurGG 1849); Sachsen (Art.176 StPO 1855: für Sachverständige, unverändert Rev.StPO 1868); Württemberg (Art.123 SchwurGG 1849). Nacheid: Sachsen (Art.226 Abs.l Abs.l StPO 1855: für Zeugen im Vorverfahren, unverändert Rev.StPO 1868); Hannover (§ 92 Abs.l StPO 1850: für Zeugen im Vorverfahren). Vor- oder Nacheid wahlweise: Hessen-Darmstadt (Art.142 EStPO 1860: im Vorverfahren in der Regel Nacheid; Voreid dort nur, wenn kein Grund zur Aussetztung der Vereidigung vorhanden); Oldenburg (Art.115 StPO 1857: Voreid, sofern nicht aus besonderen Gründen angemessen, über die Vereidigung erst nach erfolgter Vernehmung zu beschließen); Sachsen (Art.282 Abs.2 StPO 1855: für Zeugen in der Hauptverhandlung grundsätzlich Voreid; aber nach Ermessen des Gerichts auch Nacheid möglich, unverändert Rev.StPO 1868); SachsenAltenburg (Art.170 Abs.2, 122 Abs.2 StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189, 237 Abs.2 StPO 1857); 'Thüringische StPO" (1850, § 189 Abs.2). 89
Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 StPO 1857).
90
Braunschweig (§ 38 StPO 1849: Nach Ermessen des Untersuchungsrichters; s. aber auch die folgende Fußn.); Sachsen-Altenburg (Art.169 StPO 1854: Neben obligatorischen Gründen s.die folgenden Fußn. - "aus sonstigen Rücksichten" nach Ermessen des Untersuchungsrichters); umgekehrt Württemberg (Art. 211 Abs.2 StPO 1843: Unter bestimmten Voraussetzungen - dazu die folgenden Fußn. - , "es wäre denn, daß der Untersuchungsrichter einen anderen Zeitpunkt hierzu für geeigneter erachten würde"). 91 Hannover (§ 92 Abs.3 StPO 1850; § 99 StPO 1859); Oldenburg (Art.114 § 1 StPO 1857); Sachsen (Art.224 StPO 1855: Wenn "erhebliche, im Protokoll niedergelegte Gründe" hierfür sprechen; unverändert Rev.StPO 1868). 92
Hannover (§ 92 Abs.3 StPO 1850; § 99 StPO 1859); Oldenburg (Art.114 § 1 StPO 1857); Sachsen (Art.224 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868); Sachsen-Altenburg (Art.169 StPO 1854); "Thüringische StPO" (1850, Art.188); ähnlich Braunschweig (§ 38 StPO 1849: In der Voruntersuchung obligatorisch, "wenn zu besorgen ist, daß das Zeugnis bis zur Hauptverhandlung verloren gehen könnte").
Deutsches Partikularrecht
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erfordernissen 93 oder davon abhängiggemacht, daß die Aussage Voraussichtlich auf das Endurteil von Einfluß ist . Wo die Vereidigung im Vorverfahren zugelassen ist, wird häufig auch die spätere Bezugnahme auf den im Vorverfahren geleisteten Eid anstelle einer nochmaligen Eidesleistung gestattet95. Auch die Bezugnahme auf den allgemein geleisteten Sachverständigeneid findet sich gelegentlich96; wo hingegen die Bezugnahme auf den Amtseid erwähnt wird, geschieht dies überwiegend ablehnend97. Die Eidesformel wird in den meisten außerpreußischen Partikularrechten in überkonfessioneller Form vorgeschrieben oder zugelassen98. Überwiegend findet sich die Formel "So wahr mir Gott helfe" 99; nur vereinzelt wird auf die "Gebräuche der Religion" des Schwörenden verwiesen 100 oder die "angemessene Abänderung" der Eidesformel zugelassen, "falls es nach besonderen Religionsgrundsätzen erforderlich erscheint" 101. Die Befugnis, als Mitglied einer Glaubensgemeinschaft, die den Eid ablehnt, insb. der Gemeinschaft der Mennoniten, eine eidesersetzende Versicherung abzugeben, ist in den meisten partikularen Strafprozeßordnungen vorgesehen102.
93 Sachsen-Altenburg (Art.169 StPO 1854: Wenn bei Verbrechen Staatsanwalt und Angeschuldigter, bei Vergehen der Angeschuldigte die Vereidigung besonders beantragen); "Thüringische StPO" (1850, Art.188: Wenn Staatsanwalt oder Angeschuldigter die Vereidigung besonders beantragen). 94
Württemberg
(Art.211 Abs.2 StPO 1843).
95
Baden (§ 231 StPO 1845); Sachsen (Art.282 Abs.2 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868); Sachsen-Altenburg (Art.222 Abs.2 StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.237 Abs.2 StPO 1857). Eindeutig ablehnend ("ist unzulässig") Hannover (§ 143 Abs.4 StPO 1850, § 150 Ziff.2 StPO 1859, allerdings nur für Zeugen; zulässig hingegen bei Sachverständigen). 96 Hannover (§ 150 Ziff.3 StPO 1859); Sachsen (Art.176 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868); Sachsen-Altenburg (Art.222 Abs.2 StPO 1854); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.237 Abs.2 StPO 1857). 97
So in Hannover (§ 150 Ziff.2 StPO 1859); Frankfurt (Art.77 G.v.15.5.1856). Bejahend Sachsen (Art.224 Abs.l StPO 1855, unverändert Rev.StPO 1868). 98 Anders für Juden aber noch 1868 Sachsen (VO v. 3-August 1868): Schwören - mit bedecktem Haupt und unter Emporhebung der rechten Hand - bei "Adonai, dem ewigen Gott Israels ... - so wahr mir helfe Adonai, der Gott Israels". 99 Bayern (Art.157 SchwurGG 1848); Braunschweig (§ 60 StPO 1849); Frankfurt (Art.76 G.v. 15.5.1856); Hessen-Darmstadt (Art.140 Abs.2 SchwurGG 1848); Hessen-Homburg (Art.101 i.V.m. Art.96 G.v.15.10.1854); Hessen-Nassau (Art.139 SchwurGG 1849 mit dem Zusatz "... und sein heiliges Wort"); Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 Abs.3 StPO 1857). 100
Württemberg
101
Sachsen-Coburg-Gotha (Art.189 Abs.4 StPO 1857).
102
(Art.212 StPO 1843).
Bayern (Art.157 Abs.3 SchwurGG 1848); Hessen-Darmstadt (Art.140 Abs.3 i.V.m. Art.135 SchwurGG 1848); Hessen-Homburg (Art.96 G.v. 15.10.1850; Hessen-Nassau (Art.139 Abs.3 i.V.m. Art.134 SchwurGG 1849); Oldenburg (Art.117 § 3 StPO 1857); Sachsen (Art.226 Abs.3 StPO 1855; unverändert Rev.StPO 1868); Sachsen-Altenburg (Art.170 Abs.3 StPO 1854); Sachsen-
.Kapitel
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2. Ahnlich uneinheitlich wie im Prozeßrecht ist das Bild im materiellstrafrechtlichen Bereich. Zwar stellen alle Partikularrechte 103 den Meineid und die falsche eidesstattliche Versicherung unter Strafe 104; die fahrlässige Begehung ist aber nur vereinzelt mit Strafe bedroht 105. Die meisten Partikularrechte sehen höhere Strafe für den Fall vor, daß durch den Meineid ein Nachteil für einen anderen - regelmäßig für den Angeklagten im Strafprozeß - eingetreten ist 106 ; in Sachsen führt auch ein Handeln in der Absicht, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, zur Strafschärfung 107 . Überwiegend wird für rechtzeitigen Widerruf Strafmilderung oder Straferlaß gewährt - und zwar durchweg obligatorisch und mit einer Ausnahme sowohl bei fahrlässigem wie bei vorsätzlichem Falscheid108. Die Versuchte Verleitung zum Meineid wird außerhalb Preußens nur in Oldenburg besonders unter Strafe gestellt. In der Straflosigkeit der falschen uneidlichen Aussage stimmt hingegen die Mehrzahl der außerpreußischen Partikular-Strafrechte mit dem preußischen Strafrecht überein. Immerhin wird sie vereinzelt mit Sanktion belegt - wenn auch nicht überall mit Kriminalstrafe. Es zeigt sich allerdings, daß das Problem "Falsche uneidliche Aussage" weder strafrechtsdogmatisch noch gesetzgebungstechnisch bewältigt ist. Regelungen der Materiefinden sich in Kriminalstrafgesetzbüchern109, inPolizeistrafgesetzbüchern 110undinProzeßordnungen 111.Der Täterkreis ist unterschiedlich weit gefaßt, es existieren Vorschriften gegen
Coburg-Gotha (Art.189 Abs.5 StPO 1857); Württemberg
(Art.212 Abs.l StPO 1843).
103
Übersicht über die Rechtspflegedelikte in den deutschen Fartikuai-Strafgesetzbüchern b. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.12 ff.; die weiter unten gegebenen Hinweise zu partikularrechtlichen Vorschriften über die falsche uneidliche Aussage stützen sich auf eine Zusammenstellung der Reichsregierung aus dem Jahre 1899 in: Sten. Ber. RT. } X.Leg.Per., I.Session, Aktenstück Nr 108 (Anlage), Anlagenbd 2, S.973 ff., hier S.983 ff. 104
s. die in Fußn. 103 erwähnte Zusammenstellung.
105
Sachsen (Art.227 Rev.StGB 1868); "Thüringisches StGB" (1849, Art.176); Braunschweig (§ 137 CrimGB 1840); Hamburg (Art.113 KrimGB 1869); Oldenburg (Art.125 StGB 1858); bis 1867 (vgl.o. b.Fußn.44 ff.) auch Hannover (Art.214 CrimO 1840), vgl. Goltdammer, Mat. Bd 2, S.257. 106
Detaillierte Nachweise in Kap.3, Fußn.13.
107
Art.222 Rev.StGB 1868.
108
Sachsen (Art.231 Rev.StGB 1868); Hessen-Darmstadt (Art.240 StGB 1841); 'Thüringisches StGB" (1849, Art.175 für Meineid, Art.177 für Fahrlässigen Falscheid); Braunschweig (§ 142 CrimGB 1840); Sachsen-Altenburg (Art.188 KrimGB 1841); Bayern (Art.196 StGB 1861); Baden (§ 491 StGB 1845); Oldenburg (Art.125 § 2 StGB 1858, nur für den Fahrlässigen Falscheid). 109
Bayern (StGB 1813; StGB 1861); Sachsen (StGB 1838; StGB 1855; Rev.StGB 1868).
110
Württemberg,
111
Württemberg
(PolStGB 1839); Braunschweig (PolStGB 1870). (StPO 1868; CPO 1868).
Deutsches Partikularrecht
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Jedermann 112, gegen Zeugen113, gegen "Zeugen, Auskunftspersonen oder Sachverständige , gegen "Zeugen, Sachverständige und Taxatoren" 115 sowie gegen Personen, die "in einer sie nicht selbst betreffenden Angelegenheit"116 bzw. "in einer weder sie selbst noch ihre nächsten Angehörigen betreffenden Angelegenheit" aussagen117. Auch der Kreis der Adressaten der falschen Bekundung ist unterschiedlich weit gezogen; neben der "Obrigkeit" 118 werden "öffentliche Behörden" 119 und "Gerichte genannt. Die Tatbestände werden in enger Nachbarschaft zur Falschverdächtigung, zur Strafvereitelung, zur Irreführung von Behörden oder zur Ungebühr gegenüber Behörden eingruppiert und formuliert. Die Strafdrohungen liegen weit auseinander, selbst wenn man diejenigen unberücksichtigt läßt, die sich an der Höhe des Schadens orientieren, der bei einer betroffenen Person eingetreten ist; es finden sich Drohungen von "bis zu acht Thalern oder Haft bis zu sechs Tagen"121 neben solchen von "Gefängnis oder Arbeitshaus bis zu zwei Jahren" . Nach der Verabschiedung des Reichsstrafgesetzbuches, das wie die preußische Regelung die falsche uneidliche Aussage nicht unter Strafe stellt, erließen drei deutsche Staaten - Sachsen, Württemberg und Braunschweig - ergänzende landesrechtliche Vorschriften über diese Materie 123 . Der sächsische Tatbestand
112 Bayern (Art.288 StGB 1813); Oldenburg (Art.293 StGB 1814); Württemberg PolStGB 1839). 113 Bayern (Art.289 StGB 1813); Oldenburg (Art.294 StGB 1814); Württemberg 1868; Art. 498 CPO 1868). 114
Bayern (Art.200 Abs.l StGB 1861).
115
Braunschweig (§ 10 Ziff.9 PolStGB 1870).
(Art. 7
(Art.162 StPO
116
Sachsen (Art.325 StGB 1838; Art.229 StGB 1855; § 2 VO v.lO.Dezember 1870, dazu u.b.Fußn.124); Sachsen-Altenburg (Art.525 KrimGB 1841); ebenso das sog. Thüringische Strafgesetzbuch (Art.321). 117 Schwarzburg-Sondershausen Strafgesetzbuches). 118
(Modifikation des i.ü. übernommenen Thüringischen
Bayern (Art.283 StGB 1813); Württemberg
(Art.7 PolStGB 1839).
119
Bayern (Art. 200 Abs.l StGB 1861); Sachsen (Art.325 StGB 1838; Art.229 Abs.l StGB 1855; § 2 VO v.l0.Dez.l870); Sachsen-Altenburg (Art.525 StGB 1841); "Thüring.StGB- (Art.321). 120
Württemberg
(Art.7 Abs.3 PolStGB 1839; An. 162 StPO 1868; Art.498 CPO 1868).
121
Württemberg,
Art.47 Abs.2 PolStGB i.d.F.d. Ges. v.27.Dez.l871.
122
Sachsen (Art.229 Abs.l StGB 1855).
123
§ 2 Abs.l der sächsischen VO, die Bestrafung der wahrheitswidrigen Aussage vor öffentlichen Behörden betreffend, vom lO.Dezember 1870: Wer in einer nicht ihn selbst betreffenden Angelegenheit vor einer öffentlichen Behörde eine Aussage, von der er weiß oder überzeugt ist, daß sie unwahr sei, jedoch nicht eidlich und nicht unter Versicherung an Eidesstatt erstattet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.
.Kapitel
24
wurde allerdings 1873wieder gestrichen, nachdem das Oberappellationsgericht Dresden ihn für imvereinbar mit der Reichsgesetzgebung erldärt hatte . Auch die württembergische Regelung hatte nur wenige Jahre Bestand125.
Art.47 des württembergischen Gesetzes, betreffend Änderungen des Polizeistrafrechts vom 27.Dezember 1871: Gegen Diejenigen, welche durch ungebührliches Benehmen oder durch ungebührliche Äußerungen bei einer Verhandlung oder in schriftlichen Eingaben die einer Behörde schuldige Achtung verletzen, kann Geldstrafe bis zu acht Thalern oder Haft bis zu sechs Tagen verhängt werden. Die gleiche Strafe kann gegen diejenigen ausgesprochen werden, welche bei einer mündlichen Verhandlung oder bei schriftlichen Eingaben in Beziehung auf einen amtlich anhängigen Gegenstand gegenüber der zuständigen Behörde wissentlich unwahre Tatsachen vorbringen, vorbehaltlich der besonderen Vorschriften der Prozeßgesetze. § 10 des braunschweigischen Polizeistrafgesetzbuches vom 22.Dez. 1870: Mit Geldstrafe bis zu 50 Reichsthalern oder mit Haft wird bestraft,...9. wer vor einer öffentlichen Behörde als Zeuge, Sachverständiger oder Taxator unbeeidigt, ohne daß die Vorschriften der §§ 154 ff. des Bundesstrafgesetzbuchs zutreffen, vernommen, wissentlich die Unwahrheit vorbringt oder wissentlich die Wahrheit unterdrückt. 124 125
Zitiert nach Sten.Ber.RT. aaO (o. Fußn.103), S.984, FN.*.
Art.147 aaO. wurde durch Gesetz v.l2April 1879 (Württ.Reg.Bl.1879.153) aufgehoben; vglBeling, Württemb.Strafgesetzgebung (1903), S.43.
Zweiter Teil:
Entwicklung seit 1870 3. Kapitel
Materiellrechtlicher Ausgangspunkt: Reichsstrafgesetzbuch I. Erster Entwurf (Juli 1869) Der im Juli 1869 vorgelegte erste Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund1 schließt sich im Abschnitt "Meineid"2 (wie auch sonst3) eng an das preußische Strafgesetzbuch von 1851 an. So wird für den falschen zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid - den "echten" Meineid - an der Strafdrohung von Zuchthaus bis zu zehn Jahren, obligatorischem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und dauernder Eidesunfähigkeit ebenso festgehalten 4 wie an der gleichhohen Strafdrohung für den Zeugenund den Sachverständigenmeineid5. Der Entwurf beharrt damit auf einem Standpunkt, den in dieser Rigorosität nur wenige deutsche Partikularrechte mit dem preußischen Strafgesetzbuch teilten6; in einigen von ihnen lag die
1 s. QVerz.B.2.2.1; der Entwurf ("Entwurf Γ ) war das Werk des späteren Reichsjustizministers (damaligen Vortragenden Rates) Heinrich v.Friedberg (über ihn: Kuhn, Justizminister S.38 f.). Über die Quellen zum RStGB und die Entstehungsgeschichte: v.Hippel y Strafrecht I S.342 ff.; Berner, Lehrbuch S.89 ff; Rüdorff, StGB, S.18 ff. 2
Zehnter Abschnitt des Besonderen Teils (§§ 134-141 E Juli 1869).
3
s. die Ausführungen des preußischen Justizministers Leonhardt im Reichstag zu Beginn der ersten Beratung; in: Sten.Ber.RTNdB, I.Leg.Per., Session 1870,8.Sitzung v.22.Februar 1870, Bd 1, S.41 ff. 4
§ 134 E Juli 1869 (wörtlich wie § 125 prStGB, o.Kap. 2 b.Fußn.63). Vgl. auch SynopseL
5
§§ 135 Abs.l und § 136 E Juli 1869 entsprechen sachlich unverändert den §§ 126 Abs.l und 127 prStGB. 6
Die partikularstrafrechtlichen und ausländischen Regelungen über den Meineid sind zusammengestellt in: Sten. Ber.RT NdB, I.Leg.Per., Session 1870, Drucksache Nr 5 Anlage Nr 1 Ziff.XIII, Β 3 (= lAnlagenbd) nach S.122, S.LXXX ff. - Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren war der (nichtqualifizierte) Meineid außer in Preußen noch bedroht in Oldenburg (Art.119 StGB 1858), Braunschweig (§ 135 i.V.m. § 14 Abs.2 CrimGB 1840), Bremen (StGB-Entw.v.1868).
26
.Kapitel
obere Strafgrenze sogar ganz erheblich niedriger 7. Das Abgehen von der Regel, daß mit der Zuchthausstrafe ein bloß fakultativer Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden sei, rechtfertigen die Motive zum Entwurf® mit der "schweren Natur des Verbrechens" 9; der Eid sei "eine nothwendige Vorbedingung jeder Rechtspflege", beruhe doch "die ganze Rechtssicherheit der bürgerlichen Gesellschaft, auf dem Gebiete des civilen nicht minder wie auf dem des Strafrechts, auf der Voraussetzung der Wahrheit eines geschworenen Eides". Daher müsse "die bürgerliche Gesellschaft, so viel dies durch das positive Gesetz geschehen (könne), dagegen geschützt werden, daß der, welcher einmal eidbrüchig gewesen, jemals von neuem durch Eidbruch ihre Rechtssicherheit gefährden könne" 10 . Hieraus erkläre sich auch die Beibehaltung der Unbefristetheit der Eidesunfähigkeit anstelle der sonst für Ehrenrechtsverluste geltenden Höchstfrist von 10 Jahren.
Die Strafschärfung für den zum Nachteil des unschuldigen Angeschuldigten erstatteten strafprozessualen Meineid behält der Entwurf bei1 ; hier befand sich das preußische Strafgesetzbuch in Übereinstimmung den anderen Partikularrechten 12; bei den Voraussetzungen gehörte es zu den zurückhaltenden ( Verurteilung des durch die Aussage benachteiligten Angeschuldigten erforderlich) 13 , zu den strengen hingegen in der Strafdrohung (Zuchthaus von zehn 7 Sachsen: Arbeitshaus oder Zuchthaus bis zu zwei Jahren (Art.221 StGB 1868); Ghztm Hessen: Korrektionshaus von ein bis zu drei Jahren oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren (Art.235 StGB 1841); 'Thüringisches StGB": sechs Monate Arbeitshaus bis Zuchthaus von sechs Jahren; Sachsen-Altenburg: Arbeitshaus von sechs Monaten bis Zuchthaus von 2 Jahren Art. 183 KrimGB 1841); Hamburg: Zuchthaus von einem bis zu sechs Jahren ( A r t . l l l KrimGB 1869); Bayern: Zuchthaus bis acht Jahren (Art.192 StGB 1861); Württemberg: Arbeitshaus nicht unter acht Monaten); Baden: Zuchthaus von einem Jahre bis zu acht Jahren (§ 484 StGB 1845/1851); Österreich: Zuchthaus von einem bis zu vier Jahren (StGB-Entw.v.1867). 8 Motive E Juli 1869 (s. QVerz.B.2.2.2). - Die Motive nehmen - offenbar wegen der weitgehenden Übernahme der preußischen Bestimmungen - nur zu drei Fragen des uns interessierenden Abschnitts Stellung; s.dazu das Folgende. 9 10
Ibd. Ibd.
11
§ 135 Abs.2 (über § 136 auch auf Sachverständige anwendbar): "Ist das falsche Zeugniß in einer Strafsache zum Nachtheile eines Angeschuldigten abgelegt und dieser zur Todesstrafe, Zuchthausstrafe, oder zur Strafe der Einschließung von mehr als fünf Jahren verurteilt worden, so ist die Zuchthausstrafe eine fünf- bis fünfzehnjährige". 12 13
s. die Nachweise aaO. (o.Fußn. 6)
Freilich muß berücksichtigt werden, daß in Preußen bereits die Strafdrohung für den nichtqualifizierten Meineid sehr hoch lag. Im einzelnen: Preußen: Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren bei Verurteilung zum Tode, zur Zuchthaussstrafe oder zur Einschließung von mehr als fünf Jahren (§ 125 Abs.3 StGB 1851); Sachsen: Arbeitshaus von acht Monaten bis zu vier Jahren oder Zuchthaus bis zu vier Jahren bei "Zeugnis zu Ungunsten eines Anderen" (Art.221 Rev.StGB 1868); Ghztm Hessen: Bei der Strafzumessung ist "auf die Größe der durch den Meineid verursachten Rechtsverletzung Rücksicht zu nehmen" (Art.235 Abs.2 StGB 1841); Oldenburg: wie Preußen (Art.120 § 2 StGB 1858); Braunschweig: § 135 CrimGB 1840: Meineid, "um einen Unschuldigen in Strafe oder einen Schuldigen in schwerere Strafe,als er verwirkt hat, zu bringen": Zuchthaus nicht unter 3 Jahren (bis zu 10 Jahren); "falls an dem fälschlich Angeschuldigten eine härtere Strafart als Zuchthaus in Folge des Meineides ganz oder theilweise wirklich vollzogen wäre, diese Strafart" (d.h. Kettenstrafe oder Todesstrafe; so
Reichsstrafgesetzbuch
27
bis zu zwanzig Jahren). Der Entwurf setzt die Strafdrohung niedriger an 14 . Sachlich unverändert - nur im Strafmaß geringfügig gemildert - ist gegenüber dem preußischen Gesetzbuch der Tatbestand der falschen eidesstattlichen Versicherung 15. Ebenfalls aus dem preußischen Gesetzbuch übernommen sind die Tatbestände "Unternommene Verleitung zum Meineid" und "Unternommene Verleitung zur falschen eidesstattlichen Versicherung" 16. Derartige Vorschriften waren nur wenigen Partikularrechten bekannt17. Sie wurden in den Motiven gegen Kritik verteidigt, die auf die sonstige generelle Straflosigkeit erfolgloser Anstiftungshandlungen hingewiesen hatte 1 . Die "Ausnahme-Natur des Verbrechens rechtfertig(e).. eine Ausnahme-Bestimmung über die Bestrafung einer Verlei-
ausdrücklich diζ Motive zum braunschw.CrimGB, Braunschweig 1840, S.261); Sachsen-Altenburg: Meineid, um "einen Unschuldigen in Strafe oder einen Schuldigen in schwerere Strafe, als er verwirkt hat, zu bringen", je nach angedrohter Strafe des fälschlich angeschuldigten Verbrechens Zuchthaus bis zu zwei Jahren, von vier bis zu sechs Jahren, von sieben bis zu zwölf Jahren (Art.184 KrimGB 1841); Hamburg: Meineid, "um einen Unschuldigen in Strafe oder einen Schuldigen in schwerere Strafe, als er verwirkt hat, zu bringen": Zuchthaus von drei bis zu zehn Jahren; bei Vollzug der Strafe in Folge des Meineides: Zuchthaus von drei bis zu fünfzehn Jahren ( A r t . l l l KrimGB 1869); Bayern: Verurteilung des Beschuldigten zu Todes- oder mehr als achtjähriger Zuchthausstrafe: Zuchthaus bis zu zwanzig Jahren (Art.192 StGB 1861); Baden: Zuchthaus von einem Jahr bis zu acht Jahren, bei Verurteilung zu nicht verwirkter Todesstrafe: Zuchthaus bis zu 15 Jahren (§ 487 StGB 1845/1851); Bremen: Verurteilung zu höherer als zehnjähriger Zuchthausstrafe: Zuchthaus bis zu achtzehn Jahren (Art.75 StGB-Entw.1868). 14
Zuchthaus von 5 bis zu 15 Jahren.
15
Gefängnis von 1 Monat bis zu 1 Jahr (§ 138 E Juli 1869) statt Gefängnis von 3 Monaten bis zu 1 Jahr (§ 129 prStGB). - Partikularrecht: Sachsen: E.V. wird "dem Eid gleichgeachtet" (Art.228 StGB 1868); Hessen: Korrektionshausstrafe bis zu zwei Jahren (Art.241 StGB 1841); 'Thüringisches StGB" (außer für Anhalt): E.V. "gilt einem Eide gleich" (Art.176 Abs.2); Oldenburg: Art.123 StGB 1858); Braunschweig: Zwangsarbeit bis zu einem Jahr (§ 136 CrimGB 1840); Hamburg: Gefängnis von einem bis zu achtzehn Monaten und Verlust der staatsbürgerlichen Rechte auf gewisse Zeit (Art.112 KrimGB 1869); Bayern: Gefängnis bis zu zwei Jahren, in Strafsachen zum Nachteil des Angeschuldigten nicht unter sechs Monaten (Art.197 StGB 1861). 16
§ 139 E Juli 1869 (= § 130 prStGB).
17
Partikularrecht: Preußen: § 130 StGB 1851 (s.o.2.Kap. b.Fußn.70); Oldenburg: Art.124 § 1 StGB 1858 (wissentliche versuchte Verleitung eines anderen zu einem falschen Eid), Art.124 § 2 (wissentliche versuchte Verleitung eines anderen zu einer falschen eidesstattlichen Versicherung);vgl. Österrech: § 176 StGB-Entw.1867, Bremen: Art.84 StGB-Entw.1868. - Sachsen (Art.64 StGB 1855) und Braunschweig (AiiZl CrimGB 1840) besaßen allgemeine Vorschriften über strafbare versuchte Teilnahme. - Über die einschlägigen partikularrechtlichen Vorschriften und deren Entstehung s. Schultze, Verleitung S. 3 ff.; vgl. auch Voigt, GA 1880,223; v.Liszt, Falsche Aussage S.168. 18
s. dazu John, Entwurf S. 375 ff.; Eine generelle Strafbarkeit erfolgloser Anstiftungen (zu Verbrechen) wurde erst 1876 durch den sog. Duchesne-Paragraphen (heute § 30 Abs.l StGB) in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Zur Rechtsgeschichte strafbarer Vorbereitungshandlungen s. Busch J.O.: Die Strafbarkeit der erfolglosen Teilnahme und die Geschichte des § 49a StGB. Marburg (jur.Diss.) 1964.
28
.Kapitel
tung zum Meineide19, wie sich ja eine ähnliche Bestimmung rücksichtlich einer erfolglos gebliebenen Aufforderung zu einem Verbrechen im § 42 Abs.2 vorfinde)" 20 . Auf die Verleitungstatbestände, die im Gesetzgebungsverfahren noch einige Wandlungen erfuhren, ist noch näher einzugehen. Gegen die Tatbestände des fahrlässigen Falscheides und der fahrlässigen falschen eidesstattlichen Versicherung 2, die nur ein Teil der Partikularstrafgesetzbücher normierte 22, die der Entwurf jedoch mitsamt der Strafbefreiung bei rechtzeitiger Berichtigung aus dem preußischen Strafgesetzbuch übernimmt, war eingewendet worden, sie poenalisierten nicht fahrlässiges Handeln, sondern fahrlässige Unwissenheit23. Die Motive hielten diesen Einwand mit der Erwägung für erledigt, "daß eben der Schwörende es unterlassen hat, sich zuvor (!) genügend über die Thatsachen zu unterrichten, also nicht sowohl seine fahrlässige Unwissenheit, als vielmehr ganz eigentlich seine Fahrlässigkeit in der Unterlassung von Handeln da, wo ein solches geboten war, gestraft wird" 24 . Die Strafbefreiungsvorschrift, die der Entwurf in einem Punkt gegenüber der preußischen Regelung noch erleichtert 25, wird in den Motiven damit gerechtfertigt, daß hierin "ein Fall bethätigter Reue lieg(e), durch den die geschehene Rechtsverletzung in ihren objektiven Folgen geradezu als aufgehoben angesehen werden muß"26.
19
Zur Terminologie s.u.b. Fußn.59 und b. Fußn.69 ff.
20
E Juli 1869 Motive S.146. - § 42 des Entw.: "Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Schriften oder andere Darstellungen, welche verbreitet oder öffentlich ausgestellt oder angeschlagen werden, zur Verübung eines Verbrechens oder Vergehens auffordert, anreizt, verleitet oder zu bestimmen sucht, soll als Anstifter bestraft werden, wenn die Aufforderung das Verbrechen oder Vergehen oder einen strafbaren Versuch zur Folge gehabt hat. Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß bis zu einem Jahr ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maaße nach, keine schwerere sein, als die auf die That selbst angedrohte". 21
§ 141 E Juli 1869 (= § 132 prStGB).
22
Preußen: § 132 StGB 1851; Sachsen: Art.227 StGB 1868 (Leichtsinniger Falscheid); "Thüringisches StGB": Art.177 (Leichtsinniger Falscheid); Oldenburg: Art.125; Braunschweig: § 137 CrimGB 1840 (Leichtsinniger Eid); Sachsen-Altenburg: Art.187 KrimGB 1841 (Leichtsinniger Eid). Keine Bestrafung des fahrlässigen Falscheides kannten: Hessen, Bayern, Württemberg, Baden, Österreich. 23
Vgl. John aaO. (Fußn.18).
24
AaO. S. 146.
25 Weggefallen ist die Voraussetzung, daß aus der Falschaussagenoch kein Nachteil für einen anderen entstanden sein dürfe. Sie wurde später wieder eingefügt; s. noch u.b. Fußn.51. 26
AaO.S. 147. - Ebenfalls eine Vorschrift über die tätige Reue beim fahrlässigen Falscheid kannten: Preußen (§ 132 Abs.2 StGB 1851); Sachsen (Art.231 StGB 1868); "Thüringisches StGB" (Art.177 Abs.2); Oldenburg (Art.125 § 2 StGB 1858); Braunschweig (§ 142 CrimGB 1840); Sachsen-Altenburg (Art.188 KrimGB 1841); Hamburg (Art.112 S.2 KrimGB 1869). - Zur tätigen Reue bei den Kerartzdelikten sogleich sub II.
Reichsstrafgesetzbuch
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Wörtlich aus dem preußischen Gesetzbuch übernommen sind schließlich die eidesersetzenden Bekräftigungen 27 und der Tatbestand des Eidesbruchs28. Nicht in den Entwurf aufgenommen ist der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage. In der Kommision herrschte die Auffassung vor, "daß es ausreiche, dieses Vergehen mit Ordnungsstrafen zu belegen" . IL Zweiter Entwurf (Dezember 1869) und Reichstagsvorlage Der Entwurf wurde im Herbst 1869 durch eine vom Bundesrat eingesetzte Kommission30 überarbeitet. Die neue Fassung ("Entwurf II") war im Dezember 1869 fertiggestellt 31 und wurde sodann - nach Beratung durch den Bundesrat32 - im Februar 1870 mit wenigen Änderungen, im uns interessierenden Bereich völlig unverändert, vom Bundeskanzler im Reichstag eingebracht33. Vom ersten Entwurf unterscheidet die überarbeitete Fassung sich vor allem durch stärkere Berücksichtigung des außerpreußischen Strafrechts 34. Dies gilt auch für den Abschnitt "Meineid". Nach dem Vorbild mehrerer Partikulargesetze faßt der neue Entwurf den Zeugen- und Sachverständigenmeineid in einem einzigen
27 § 137 E Juli 1869 (wörtlich wie § 128 prStGB) - Zum partikularen Prozeßrecht s.bereits 2.Kap. sub II 1). 28 § 140 E Juli 1869 (= § 131 prStGB). - Vergleichbare Vorschriften der Partikularrechte: Ghztm Hessen (Art.242 StGB 1841); 'ThüringischesStGB" (Art.178); Braunschweig (§ 138 CrimGB 1840); Hamburg (Art.114 KrimGB 1869); Bremen (Art.77 StGB-Entw.1868). 29
Schwarze, StGB, zu § 156. Schwarze, selber Kommissionsmitglied (s.noch Fußn.30) merkt kritisch an (aaO.) :"Die K.Sächs. und die Thüringensche Spruchpraxis können für die Wichtigkeit dieses Vergehens und das praktische Bedürfnis besonderer Strafen Zeugniß ablegen". (Schwarze war sächsischer Generalstaatsanwalt). Vgl. auch o.2.Kap., b.und in Fußn. 123 ff. 30
Unter dem Vorsitz des preußischen Justizministers Leonhardt. Weitere Mitglieder: Friedberg (o.Fußn.l) als Referent, Schwarze (sächs. Generalstaatsanwalt), Donandt (Senator aus Bremen), Dorn (Rechtsanwalt aus Berlin), Bürgers (Appellationsgerichtsrat aus Köln), Budde (Oberappellationsgerichtsrat aus Rostock). 31 s.QVerz. Β 2.2.3 - Zum Verlauf der Beratungen Berner, Lehrbuch S.90; Rüdorff, S. 34 ff. 32 s. v.Hippel, Strafrecht I S.343; Rüdorff, StGB, S.VI.
StGB,
StGB, S.38 ff.; Berner, Lehrbuch S.90 f.; Schwarze,
33
Sten.Ber.RTNdB, I.Leg.Per., Session 1870, Aktenstück Nr 5 v.14. Februar 1870 (Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund), Bd 3 (= Anlagenbd 1) S. 2 ff. ("Entwurf III"). 34 s. den Hinweis von Leonhardt (der als Bundeskommisar an den Reichstagsberatungen über das Strafgesetzbuch teilnahm), in: Sten.Ber.RT NdB, I.Leg.Per., Session 1870, 8.Sitzung v.22.Februar 1870, Bd I, S.41 (r.Sp.).
30
.Kapitel
Tatbestand35 zusammen und spricht statt vom Meineid "in einer bürgerlichen Rechtssache oder in einer Strafsache" vom Meineid "vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde" 36. Die Motive 37 führen dazu aus, die bisherige Fassung habe "bereits in der preußischen Rechtsprechung zu Zweifeln Anlaß gegeben", und sie passe "auch nicht auf diejenigen Bundesstaaten, in denen noch andere Behörden als lediglich solche, welche in bürgerlichen Rechtssachen oder in Strafsachen fungiren, zur Abnahme von Eiden befugt sind"38. Die Strafdrohung gegen den erfolgsqualifizierten Meineid in Strafsachen ist beibehalten, jedoch abermals gemildert 39. Die deutlichste Abweichung vom preußischen Recht und vom Entwurf Juli 1869, gleichzeitig die deutlichste Annäherung an außerpreußische Partikularrechte enthält § 156 des neuen Entwurfs; danach soll tätige Reue nicht mehr nur bei Fahrlässigkeitstaten, sondern auch bei Meineid und vorsätzlicher falscher eidesstattlicher Versicherung Berücksichtigung finden - allerdings nur strafrn/Wemd 40. Die Milderung geschieht durch Halbierung der an sich verwirkten Strafe 41. Di ε Motive 42 weisen auf gleichartige Regelungen "in der Mehrzahl der übrigen deutschen Gesetzbücher" hin 43 . Die kriminalpolitische Notwendigkeit einer solchen Regelung ergab sich daraus, daß der Entwurf ebenso wie schon das preußische Strafgesetzbuch davon ausgeht, der Meineid sei mit der Beendigung der Aussage bzw. der Eidesleistung vollendet. Frühere Entwürfe zum preußischen Strafgesetzbuch hatten den Zeitpunkt der Vollendung mit dem Ende der Verhandlung zu koordinieren getrachtet 44, der Entwurf von 1843 immerhin noch die Vollendung erst dann eintreten lassen, "wenn die
35 § 152 Abs.l E Dez.1869: "...welcher vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten verletzt". 36 Ebenso oder ähnlich Sachsen (Art.221 RevStGB 1868); Ghztm Hessen (Art.233 StGB 1841); 'Thüringisches Strafgesetzbuch" (Art.172); Braunschweig (§ 135 CrimGB 1840); SachsenAltenburg (Art.183 KrimGB 1841); Hamburg ( A r t . l l l Abs.l KrimGB 1869); Bayern (Art.192 StGB 1861); Württemberg (Art.227 StGB 1839). 37
AaO. (Fußn.32) S.64.
38
Ibd.
39
§ 152 Abs.2 E Dez.1869: Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren. - Zu den Strafmaßen der außerpreußischen Partikularrechte s. bereits o.Fußn.13 . 40
§ 156 E Dez.1869.
41
§ 156 i.V.m. § 155 Abs.l. Eine auf diese Weise entstehende Zuchthausstrafe unter einem Jahr ist in Gefängnisstrafe umzuwandeln (§ 155 Abs.2). 42
AaO. (Fußn.36) S.64.
43
Nachweise o. 2.Kapitel, Fußn.108.
44
Goltdammer, Mat. Bd 2, S.232 f.
Reichsstrafgesetzbuch
31
Verhandlung in Ansehung desjenigen, welcher den Eid abgeleistet hat, geschlossen ist" 45 . In den Entwürfen von 1848 und 1849 fehlt dieser Passus bereits; immerhin ist noch eine Bestimmung geblieben, welche die Verfolgung des im strafgerichtlichen Vorverfahren geschworenen Zeugenmeineides erst nach Einstellung des Vorverfahrens oder Beendigung des Hauptverfahrens zuläßt, und sie untersagt, falls der Zeuge im Hauptverfahren vernommen worden ist 46 . Daß im Gesetz alle derartigen Regelungen fehlen 47, führt zu einer überaus strengen Regelung, zumal das Gesetz keine Möglichkeit des strafmildernden oder strafbefreienden Widerrufs der Falschaussage eröffnet 48. Da auch keine allgemeine Berücksichtigung mildernder Umstände vorgesehen ist, kann ein Widerruf nur im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden 49. Diesem Mangel hilft die neue Entwurfsfassung vom Dezember 1869 ab. Bei den Voraussetzungen für die Anerkennung tätiger Reue kehrt sie allerdings zu der bei Fahrlässigkeitsdelikten geltenden Regelung des preußischen Strafgesetzbuches zurück. Es reicht daher - anders als nach dem Entwurf vom Juli 1869 - nicht aus, daß im Augenblick des Widerrufs noch keine Anzeige gegen den Täter erfolgt und noch keine Untersuchung gegen ihn eingeleitet worden ist 50 , sondern es darf auch noch kein "Nachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden" sein51. Angesichts der Beibehaltung des Qualifikationstatbestandes für den strafprozessualen Meineid zum Nachteil des Angeschuldigten erscheint dies folgerichtig; in der Rechtslehre freilich war zu dieser Zeit die Auffassung vom Individualschutz-Charakter der Aussagetatbestände bereits aufgegeben 52. Neu ist ferner die Bestimmung, wonach Strafmilderung auch dann eintritt, wenn die Angabe der Wahrheit gegen den Aussagenden selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte oder wenn der Aussagende die falsche Aussage "zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht,
45
§ 247 E 1843.
46
§ 97 E 1848; Art.91 E 1849.
47
Zu den Gründen Goltdammer aaO. S.233.
48
In den Gesetzesberatungen war befürchtet worden, diese Möglichkeit würde "dem Verbrecher nur Gelegenheit zu Ausflüchten und zur Verdeckung des Verbrechens" geben. (Verh. StändAussch. Bd 3, S.358 ff.; Goltdammer, Mat. Bd 2, S.234). 49
Goltdammer aaO.
50
s.§ 132 Abs.2 prStGB; § 141 Abs.2 E Juli 1869.
51
§ 160 Abs.2 E Dez 1869.
52
Zu den verschiedenen Auffassungen über das geschützte Rechtsgut der Aussagetatbestände s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.143 ff., 194 ff.; ferner demnächst: Ders., Kommentierung der §§ 153 ff., in: AK StGB.
32
.Kapitel
die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein"53. Auch insoweit berufen die Motive sich auf die "Übereinstimmung mit der Mehrzahl der übrigen deutschen Gesetzbücher"54; sachlich wird die Änderung damit begründet, daß in den betreffenden Fällen "mit der Pflicht, die Wahrheit zu sagen, die Rücksicht auf die eigene Gefahr, beziehungsweise auf die Gefährdung eines Angehörigen in Kollision tritt und bei der letzteren der Aussagende nicht darüber belehrt worden ist, daß es ihm im Falle solcher Kollision freistehe, die Aussage abzulehnen"55. III. Reichstagsberatungen Während der Reichstag den Allgemeinen Teil und die ersten sieben Abschnitte des Besonderen Teils in zweiter Lesung direkt im Plenum diskutierte, wurden die übrigen Abschnitte, darunter auch der Abschnitt "Meineid", in einer Kommission vorberaten 56; diese erstattete allerdings keinen schriftlichen Bericht; daher sind nur die Beratungs-Ergebnisse förmlich dokumentiert 57. An den Meineid-Vorschriften nahm die Kommission nur wenige Änderungen vor. Sie schlug die sprachliche Parallelisierung der falschen eidesstattlichen Versicherung mit dem Zeugen- und Sachverständigen-Meineid vor 58 . Tätige Reue sowie Falschaussage zum Selbst- oder Angehörigenschutz sollten zur Ermäßigung der an sich verwirkten Strafe "auf die Hälfte bis ein Viertheir führen. Statt von unternommener Verleitung zur Begehung eines Meineides soll von unternommener Verleitung zur Ableistung eines falschen Eides die
53
§ 155 Abs.l Ziff.l u.2 E Dez.1869.
54
AaO. (Fußn.32). Wichtigste Regelungen: Baden (§491 StGB 1845/1851), flayem (Art.195 StGB 1861), sowie - als Entwurf - Österreich (§ 175 StGB-Entw.1867). 55 56
Ibd.
Näher Rüdorff, StGB S.40 f.; Schwarze, StGB, Schwarze, v.Bernuth> Hosius, Graf v.KIeist, Aegidi, v.Einsiedel, Endemann, Evelt, Eysoldt, Genast, Frhr.v. v.Luck, zur Megede, Meyer (Thorn), Tobias, Wagner
S.VI f. -Mitglieder der Kommission: Graf Bassewitz, v.Brauchitzsch (Genthin Haverbeck, v.Kirchmann, Koch, v.Levetzo (Altenburg).
57 sSten.Ber.RT NdB, I.Leg.Per., Session 1870, Drucksache Nr 85 (Zusammenstellung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, Theil I I Abschnitt 8-22, mit den von der IV.Kommission über diese Abschnitte gefaßten Beschlüssen); Bd 4 (=Anlagenbd 2), S.354 ff.,355. - Mündlicher Berichterstatter für den Abschnitt "Meineid" war der Abg. Wagner (Altenburg). Sein Ansatz zu einem Bericht wurde allerdings vom Reichtagspräsidium mit dem Hinweis auf einen Kommissionsbeschluß abgebrochen, wonach die von der Kommission abgelehnten Abänderungsanträge nur in Ausnahmefallen im Plenum erneut diskutiert werden sollten: Sten.Ber.RTNdB aaO. 33.Sitzung v.2April 1870, Bd 2, S.632. - Immerhin kam W. noch dazu, zu berichten, daß in der Kommission sowohl der Antrag auf Schaffung eines einheitlichen Meineid-Tatbestandes als auch der Antrag auf Beschränkung des Meineid-Tatbestandes auf gerichtliche Meineide abgelehnt worden war. 58 Durch die Erweiterng des Tatbestandes um die Variante "...oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wissentlich falsch aussagt...".
Reichsstrafgestzbuch
33
Rede sein - eine Neuformulierung, die in der dritten Lesung nochmals revidiert wurde; in zweiter Lesung billigte das Plenum diese Änderung ebenso ohne Debatte wie die beiden andereir 9 . Es fügte ferner dem Tatbestand der falschen eidesstattlichen Versicherung den Hinweis auf die Zuständigkeit der entgegennehmenden Behörde ein und glich ihn damit noch weiter dem MeineidTatbestand an 60 . Abgelehnt wurden hingegen Anträge des Abgeordneten Lasker, bei den Meineid-Tatbeständen die Berücksichtigung mildernder Umstände zuzulassen61 und dafür die Strafmilderung in den Fällen des Selbstund Angehörigenschutzes als "bloße Exemplifikation der mildernden Umstände" wegfallen zu lassen62. Der zur Unterstützung des Antrages vorgetragene Gedanke, daß "ein ganz erheblicher Theil der Meineide .. moralisch mit auf die Schuld der Gerichte durch deren ungeschickte Regulirung" falle 63, verfehlte seine Wirkung. Die Mehrheit folgte der Auffassung von Leonhardt 64, der die vorgeschlagene Milderung als "nicht angemessen und dem Charakter des Eides widersprechend" bezeichnet hatte65. Ebenfalls abgelehnt wurde der Antrag, Parteien, Zeugen und Sachverständigen das Recht zu geben, eine "Erklärung mit einem 'Ja' oder 'Nein' an Eidesstelle zu bekräftigen" und diese Bekräftigung dem Eid im Sinne der Meineid-Tatbestände gleichzusetzen66. Der Antragsteller, Abg. Fritzsche, bezeichnete den Rechtszustand, der Dissidenten zwinge, sich der Eidesformel einer der bestehenden Religionsgemeinschaften zu bedienen oder bei Verweigerung der Wahl die Formel derjenigen Religionsgemeinschaft zu benutzen, der er zuletzt angehört habe, als unerträglich für die Aussageperson wie für die Mitglieder der betreffenden Gemeinschaften 67. Ihm wurde entgegengehalten, "in der solennen Form des Eides lieg(e) eine Garantie für die Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit des Schwörenden"; mit dem Verzicht auf die religiöse Eidesformel würde man diese Garantie verlieren; Dissidenten, die eine abgekürzte Formel für ihren Eid haben wollten, könnten sich gegebenenfalls "ausdrückliche gesetzliche Dispensation verschaffen" 68.
59
Stett.Ber.RT NdB aaO. (Fußn.34) 33.Sitzung vom 2April 1870, Bd 2, S.635.
60
AaO. S.635.
61
Gemildertes Strafmaß: Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
62
Sten.Ber.RTNdB aaO. (Fußn. 57), Drucksache Nr 106 (Abänderungsanträge zum Entwurf eines Strafgesetzbuches), S.427. 63
AaOS.633 (AbgBähr).
64
S. bereits Fußn.3.
65
AaO. S.633.
66
Sten.Ber.RT NdB aaO. (Fußn.62) S.427.
67
AaO. (Fußn.59) S.635.
68
Ibd.
34
.Kapitel
In der dritten Lesung des Meineid-Abschnittes ging es nur noch um die Verleitungs-Problematik. Die hierüber ausgetragenen Kontroversen lassen sich bis zu den Beratungen zum preußischen Strafgesetzbuch zurückverfolgen. In den Entwurf von 1850 war auf Antrag der rheinischen Juristen folgende, unter Berufung auf Art.365 des Code pénal69 geforderte Bestimmung aufgenommen worden 70: "Derjenige, welcher einen Anderen wissentlich zur Ausschwörung eines falschen Eides in dessen eigenen Angelegenheiten, zur eidlichen Bekräftigung einer Unwahrheit nach abgeleistetem Zeugeneide oder zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird dadurch nicht straflos, daß der Verleitete nicht wissentlich die Unwahrheit sagt oder aus einem anderen ihm persönlichen Grunde nicht schuldig ist."
Strafbar sollte also jeder sein, der die Leistung eines - strafbaren oder straflosen - Falscheides durch einen anderen bewirkt. Die Bestimmung war in den Entwurf gelangt, obwohl die Kommission des preußischen Staatsrates sie teils für überflüssig, teils für bedenklich erklärt hatte71. Die Kommission der 2.preußischen Kammer meldete gegen die vorgeschlagene Regelung ebenfalls "erhebliche Bedenken" an 72 . Sie ging - wie incidenter ja auch der Entwurf davon aus, daß es einer Sonderbestimmung über die erfolgreiche Anstiftung nicht bedürfe, da die Fälle, in denen der Verleitete die Tat vorsätzlich vollende oder versuche, bereits durch die allgemeinen Vorschriften über Anstiftung erfaßt seien, daß aber eine Vorschrift über die erfolglose Anstiftung zum Meineid erforderlich sei, weil "die Verleitung zum Meineide, auch wenn sie ihren Zweck nicht erreiche oder wenigstens nicht erwiesen werden könne, daß sie ihn ereicht habe, .. eine nicht bloß unmoralische, sondern auch so gefährliche und rechtswidrige Handlung (sei), daß die Androhung einer hohen Strafe durchaus gerechtfertigt erscheine" . Die Kommission hielt aber daran fest, "daß beim Versuch der Verleitung, wie bei der Verleitung selbst, ein nothwendiges Requisit der Vorsatz des Verleitens sei, den Anderen zu bestimmen, wissentlich falsch zu schwören"74. Die Poenalisierung der Verlei-
69 Diese Bestimmung ist allerdings nur insofern einschlägig, als sie den (erfolgreichen) Verleiter strenger bestraft als den Meineidigen selber. Bereits 1832 war diese Besonderheit beseitigt worden; s. dazu Goltdammer, Mat. Bd 2, S.252, FN.3. 70 Vgl. Goltdammer, Mat. Bd 2, S.251; John, Beurtheilung S.75: Die Entwürfe von 1829 und 1830 enthalten keinen Tatbestand über versuchte Anstiftung zur Falschaussage; in den Entwürfen von 1833,1836 und 1843 ist die Verleitung zum Meineide als besonderes Verbrechen behandelt. Seit 1845 (Revision unter Savigny) fehlt die Vorschrift wieder. Vgl. ferner Stooß, Vgl.Darst. BT/3, S.307; A.S.Schultze, Verleitung S.9 ff.; Ders., GA 1870, 213; Binding, , Entwurf S.27 ff. 71
Schnitze, Verleitung S.ll; Ders., GA 1870,213.
72
S. den Kommissionsbericht in: Verh.Kammer
73
Verh.Kammern
74
AaO. S.112.
S.lll.
S . l l l ff.; Goltdammer, Mat. Bd 2, S.252.
Reichsstrafgesetzbuch
35
tung zum gutgläubigen Falscheid wurde hingegen als eine "zu gefährliche Verallgemeinerung des Thatbestandes" angesehen; außerdem sei es "materiell ungerecht.., denjenigen, welcher gar nicht die Absicht habe, einen Anderen zum Meineidigen zu machen, als einen Verleiter zum Meineide zu bestrafen" 75. Der Vorschlag der Kommission ging als § 130 Abs.l unverändert in das preußische Strafgesetzbuch ein: Derjenige, welcher einen Anderen wissentlich zur Ausschwörung eines falschen Eides in dessen eigenen Angelegenheiten, zur eidlichen Bekräftigung einer Unwahrheit, oder zur Angabe der Unwahrheit nach abgeleistetem Zeugeneide zu verleiten versucht, soll mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden 76.
Von der preußischen Rechtswissenschaft und Praxis wurde das Merkmal "falscher Eid" in korrekter genetischer Interpretation als "Meineid" aufgefaßt 77. Die Bestimmung war in den Jahren ihres Bestehens teilweise heftigen Angriffen ausgesetzt. John sprach von einem "Danaergeschenk der rheinischen Juristen", und wies darauf hin, daß die Vorschrift nicht nur systematisch, sondern auch im Kreise der deutschen Strafgesetzbücher eine Ausnahmebestimmung darstelle 78. Binding zählte die Vorschrift zu denjenigen, welche "dem Ansehen der Gesetze schwere Wunden schlagen"79 Wie geschildert, behält die Reichstagsvorlage die Vorschrift, geringfügig umformuliert, bei; in den Motiven wird sie gegen die erhobene Kritik verteidigt; einen Tatbestand, der - auch oder ausschließlich - die Verleitung zum gutgläubigen falschen Eid unter Strafe stellt, enthält die Vorlage nicht. Daß dann die Reichstagskommission in der Sache die Regelung des preußischen Entwurfes von 1850 wiederaufgriff 60, war vor allem der gerade erschienenen
75 AaO. S.112 f. - Angesichts dieser Argumentation ist es nicht ohne Interesse, daß gegenüber der heutigen Regelung der versuchten Anstiftung in § 159 kritisch eingewendet worden ist, sie enthalte eine "ungerechtfertigte Konzession an die sog. Schuldteilnahmetheorie" CMaurach/Schroeder, BT/2, S.183). 76 Entsprechend wurde Absatz 2 für die falsche eidesstattliche geändert. Ebenfalls in die endgültige Gesetzesfassung ging der Vorschlag ein, für versuchte Verleitung zur falschen eidesstattlichen Versicherung die zeitige Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zu ermöglichen. 77
S. die Nachweise b. Oppenhoff \ Pr.StGB, § 130.
78
John, Beurtheilung S.76 f. (ähnlich Ders., Entwurf S.375 ff.); weitere Nachw. b. v.Liszt, Falsche Aussage, S. 173. Ungerechtfertigt war Johns Vorwurf, die Fassung des § 130 StGB sei, was die Bezugnahme auf den Eid "in dessen Angelegenheiten" angehe, inkorrekt. Dagegen zu Recht A.SSchultze, GA 1870, 214. 79
Binding, Entwurf S.29.
80
S.o.b. Fußn.59.
36
.Kapitel
Monographie von August Sigmund Schultze 81 "Die Verleitung zum falschen Eide als selbstständiges Verbrechen" 82 zuzuschreiben. Schultze setzt sich in seiner vielbeachteten Schrift mit der Kritik an § 130 des preußischen Strafgesetzbuches auseinander, und spricht sich dafür aus, den seinerzeit unterbreiteten Vorschlag der rheinischen Juristen wieder aufzugreifen. Seinen Ausführungen liegt die Auffassung zugrunde, "der Eid (sei) das wichtigste Beweismittel; die Verleitung zu einem unrichtigen Eid (sei) Fälschung dieses Beweismittels". Tatbestand der Verleitung zum Falscheid sei die "vorsätzliche, rechtswidrige Täuschung der Organe der Gerechtigkeit". Darauf, daß der Verleitete gutgläubig, vorsätzlich oder fahrlässig handele, komme es nicht an 83 . Ihre Überzeugungskraft dürfte diese Argumentation vor allem daraus bezogen haben, daß sie auf der Linie der damals herrschenden Fälschungstheone 94 lag, welche die zu Beginn des 19Jahrhunderts herrschende IndividualschutzTheorie 85 abgelöst hatte und ihrerseits gegen Ende des Jahrhunderts allmählich von der durch v.Liszt begründeten Rechtspflegeschutz-Theorie 86 verdrängt wurde. In der dritten Lesung des Meineid-Abschnittes im Reichstag wurde nunmehr beantragt, die ursprüngliche Formulierung der Reichstagsvorlage - "Unternehmen der Verleitung zum Meineid* - wiederherzustellen, daneben aber einen Tatbestand der Verleitung zum Falscheid aufzustellen. Der Anstoß zu diesem Antrag ging von dem "Vertrauensmänner"-Gremium aus, welches zur Vorbereitung der dritten Lesung von den Reichstagsfraktionen gebildet worden war, um etwa erwogene Abänderungsanträge zu koordinieren und damit die allseits gewünschte Verabschiedung des Strafgesetzbuches in der laufenden Session sicherzustellen. Schwarze berichtet, bei der Besprechung der Vertrauensmänner habe man sich überzeugt, daß die von der Reichstagskommission beschlossene und in zweiter Lesung vom Reichstag übernommene Abänderung "nicht ausreiche, andererseits aber eine gleich hohe Strafe wie die bei der Verleitung zum wissentlich falschen Eide nicht gerechtfertigt sei"87. Die Begründung
81 DrAugust Sigmund Schultze (28.4.1833 Greifswald -1.11.1918 Straßburg). 1864 Kreisrichter in Bergen a.R., 1871 Landgerichtsrat in Straßbrug; 1872 o.Prof. f. Zivilprozeß, Konkurs-, Strafprozeß- und Völkerrecht sowie für röm. Zivilprozeß an der Universität Straßburg. Zum 70. Geburtstag (1903) Festschrift der Straßburger Juristenfakultät. Näher. Zeitgenossenlexikon ("Wer ist's?") 7Ausg. Leipzig 1914, S.1542; Kürschners Dt.LU.Kal. Jg.39 (1917), 1554; Dt.Biogr. Jahrb., 2.Überleitungsbd (für 1917/1920), Berlin u.Leipzig 1928, S.704, alle mit Werkangaben. 82
Kurzfassung der Überlegungen in GA 1870, 208 ff.
83
A.S. Schultze, Verleitung S.17; s. auch (teilweise widersprechend) Voigt, GA 1880,224.
84
Zur Fälschungstheorie und ihren Varianten (vor allem b. Alsberg, Hellmuth Mayer und Binding ) s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S. 144 ff. 85
Über diese - vor allem von Feuerbach vertretene - Theorie s. Vormbaum aaO. S.146 ff.
86
Vgl. Vormbaum aaO. S. 149 ff.
87
Schwarze, StGB, Anm. zu § 160 (S.194).
Reichsstrafgesetzbuch
37
gegenüber dem Reichstag übernahm der Abgeordnete Wagner, der bereits Berichterstatter der Reichstagskommission für diesen Abschnitt des Besonderen Teils gewesen war 88 . Er erklärte, in der Kommissionsberatung hätten sich "in Folge der sich durchkreuzenden bezüglichen Anträge Inkorrektheiten eingeschlichenH. Man habe zum Ausdruck bringen wollen, daß sowohl die Verleitung "zu einem wissentlich falsch geleisteten Eide" als auch die Verleitung zu einem "lediglich objektiv falschen Eide, d.h. zu einem Eide wider die Wahrheit, bei dem der Schwörende selbst nicht weiß, daß er falsch schwört", strafbar sein solle89. Die jetzt vorgeschlagene Aufteilung in zwei Tatbestände biete nicht nur den Vorteil einer formellen Unterscheidung dieser beiden Verleitungsarten, sondern auch die Möglichkeit, "die Verleitung zum objektiv falschen Eid mit einer milderen Strafe als die Verleitung zum wirklichen Meineid" zu belegen90. Damit waren die neue Regelung und die durch sie bewirkten Neuerungen freilich noch nicht vollständig umschrieben. Hinzu kam die unterschiedliche Formulierung der beiden Tatbestände im Hinblick auf den Versuch. Während die erfolglose Anstiftung, obgleich materiell Versuchshandlung, als Tatbestand ausgestaltet91 und damit der Geltung der allgemeinen Versuchsregeln, insb. der/töcfcröttvorschriften entzogen ist 92 , differenziert § 160 zwischen (materieller) Vollendung und Versuch und ermöglicht damit für den letzteren die Geltung der Rücktrittsvorschriften.
Der Reichstag stimmte der beantragten Änderung ohne Debatte zu 93 . und sie gelangte auch in die endgültige Gesetzesfassung . Trotz teilweise heftiger 88
S.o. Fußn. 57.
89
Sten.Ber.RT NdB aaO., 53.Sitzung vom 24.Mai 1870, Bd 2, S.1153 ff., 1170.
90
Ibd. - Die Strafe für die unternommene Verleitung zum Meineid/zur wissentliche falschen eidesstattlichen Versicherung sollte Zuchthaus bis zu fünf Jahren/Gefängnis bis zu einem Jahre sein, die Strafe für die Verleitung zum Falscheid/zur falschen eidesstattlichen Versicherung Gefängnis bis zu zwei Jahren/bis zu sechs Monaten. 91
"Wer es unternimmt.." (vgl. i.e. Synopse I).
92
So von Beginn an die h.M.: Schwanz, StGB, § 159 Anm.l Abs.2; v.Liszt, Lehrbuch, 6Λ. (1894), S.188, 575, 25j\. v. Eb.Schmidt (1921), S.213, 625; Olshausen, StGB (1 j \ . Bd 2, 1883), § 159 Anm.l; RiXdorff, StGB, § 159 Anm.2; RGSt 2,283; RGSt 8,354; RGSt 15,148. - a A Frank, StGB (11./14j\. 1914), § 159; Berner, Lehrbuch S.140; Hälschner, Strafrecht Bd I I 2, S.327. Alle mit Nachw. - Die angegebenen Stellen zeigen, daß das Verhältnis der Begriffe "Unternehmen" und "Versuch" umstritten war. Erst das Strafrechtsänderungsgesetz v. 30.8.1951 (BGB1.I, S.739) brachte in § 87 (seit 1968: § 46a, seit 1975: § 11 Abs.l Nr 6) StGB die Klarstellung, daß der Begriff des Unternehmens den Versuch und die Vollendung, nicht aber Vorbereitungshandlungen umfaßt. 93 94
Sten.Ber.RT NdB aaO. (Fußn.89).
Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund wurde vom Reichstag am 25.Mai 1870, dem letzten Sitzungstag der Legislaturperiode, verabschiedet. Es wurde am 31.Mai 1870 im Reichsgesetzblatt verkündet (RGBl. 1870, S.195) und trat am lJanuar 1871 in Kraft. Am 15.Mai 1871 wurde es mit den erforderlichen redaktionellen Änderungen als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich verkündet (RGBl. 1871,127) und trat im erweiterten Geltungsbereich überwiegend am 1 Januar 1872 in Kraft. Näher v. Hippel, Strafrecht I, S. 345.
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.Kapitel
Kritik, die entweder die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit oder die dogmatische Notwendigkeit der Vorschrift in Frage stellte , ist § 160 derjenige Tatbestand des 9 Abschnittes, der sich bis heute die wenigsten Änderungen in Formulierung und Gehalt gefallen lassen mußte96, während die "Zwillingsvorschrift" des § 159 eine verhältnismäßig bewegte Geschichte vor sich hatte. Für die nächsten 63 Jahre allerdings blieb trotz - oder gerade wegen - jahrzehntelanger Reformdiskussionen der gesamte Abschnitt in seinem Wortlaut gänzlich unverändert. In den ersten Jahren ihres Bestehens besaßen die dargestellten materiellrechtliche Regelungen des Reichsstrafgesetzbuches noch keine reichsrechtlich geregelten prozessualen Bezugspunkte. In weiten Bereichen konvergierten zwar die zivil- und strafprozeßrechtlichen Regelungen der Partikularrechte 97 infolge der politischen und rechtswissenschaftlichen Entwicklung des 19 Jahrhunderts; Unterschiede in Einzelpunkten waren indes unvermeidlich und konnten zu regional abweichenden Präzisierungen der reichsrechtlichen Straftatbestände führen. Markierte z.B.reichsrechtlich der Eid die Schwelle zur Strafbarkeit der falschen Zeugen- und Sachverständigenaussage, so trafen die partikularrechtlichen Bestimmungen über das Einsetzen der Eidesmündigkeit incidenter auch eine materiellstrafrechtliche Regelung. In anderen Bereichen hingegen - etwa bei der Nichtvereidigung von Eidesunfähigen und von Teilnahme-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtigen -bestand faktisch ein gemeindeutscher Rechtszu-
Erst 1879 - mit dem Inkrafttreten der 1877 erlassenen Reichsjustizgesetze trat dem einheitlichen Strafrecht ein einheitliches Prozeßrecht an die Seite. Entstehung und Inhalt der Eidesvorschriften der Reichsstrafprozeßordnung schildert das folgende Kapitel.
95 Vor allem v.Liszt, Lehrbuch aaO. S.575 bzw. 625, und Falsche Aussage S.170 ff.; s. auch u.6.Kap. sub I I zum Gegenentwurf von 1911. 96 Die einschneidendste Änderung war die erweiterte Bezugnahme auf den 1943 neu geschaffenen Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage; dazu u. 8. Kap. a.E. 97
s.o.2.Kap. sub I I 1.
98
S.o. Kap.2 b.Fußn.73 ff.
99
s.bereits Kap.2 b. Fußn.72, 76 ff.; ferner die Motive zum RStPO-Entwurf von 1874 b. Hahn/Stegemann, Mat. S.107 f.
4.Kapitel
Prozeßrechtlicher Ausgangspunkt: Reichsjustizgesetze I. Eidesvorschriften der Strafprozeßordnung Der dem Reichstag im Oktober 1874 vorgelegte Entwurf zu einer Reichsstrafprozeßordnung 1 enthält in den §§ 46, 50-58 Vorschriften über den Zeugeneid. Anders als die partikularrechtlichen Kodifikationen, die die Vorschriften über die einzelnen Untersuchungshandlungen und Beweismittel meistens in den Abschnitt über die Voruntersuchung einstellen, faßt der Entwurf diese Materie in einem Allgemeinen Teil zusammen2. Diese Regelungstechnik hat sich bis in die endgültige Gesetzesfassung und bis in den heutigen Rechtszustand hinein behauptet. Innerhalb des Allgemeinen Teils sind die Vereidigungsvorschriften nicht exakt von den Vernehmungsvorschriften getrennt, vielmehr die Fälle des obligatorischen und des fakultativen Absehens von der Vereidigung3 als Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften über die Zeugenvernehmung eingestellt und formuliert. Der Entwurf geht somit stillschweigend vom Gmndsatz der eidlichen Zeugenvernehmung aus4,
1 Sten.Ber.RT., 2.Leg.Per., Il.Session 1874, Drucksache Nr 5, Bd 3 (=Anlagenbd 1), S.3 ff.; Hahn/Stegemann, Mat. S.7 ff. - Vorangegangene, nicht veröffentlichte Entwürfe im Rahmen der Beratungen des Bundesrates (November 1870, Januar 1873, Ende 1873) sind neuerdings bei Schubert/Regge zugänglich. Die Quellenedition konnte in den Fußnoten dieses Kapitels noch berücksichtigt werden. 2 Ebenso bereits die Entwürfe vom November 1870 (§§ 61 ff.), Januar 1873 (§§ 43 ff.) und Ende 1873 (§§ 42 ff.); Schubert/Regge S.56, 118, 301. Zur Begründung dieser Regelungstechnik s. RT-Vorlage 1874\ Motive (Vor §§ 42 - 123) in: Sten.Ber. RT aaO., Ani. zu Nr 5, S.34; Hahn/Stegemann, Mat. S.58 ff., 97 (danach im folgenden stets zitiert): "(Die bisher übliche Regelungstechnik) gründet sich wesentlich auf das frühere inquisitorische Verfahren, in welchem sich allerdings die einzelnen Untersuchungshandlungen als Handlungen des Inquirenten darstellten. Sie entspricht dagegen der Natur des heutigen Strafverfahrens nicht, da in letzterem jene Untersuchungshandlungen ebenso sehr Bestandt e i l e des Hauptverfahrens wie der Voruntersuchung sind". 3 4
§ 46 RT-Vorlage 1874.
So auch ausdrücklich die Motive zum Entwurf (Hahn/Stegemann, Mat. S.107): "Der Entwurf setzt als selbstverständliche Regel voraus, daß in den Strafsachen, welche zum Hauptverfahren gelangen.., jede Zeugenaussage zu beschwören ist, wenn nicht ein vom Gesetz vorgesehener Grund für die Nichtbeeidigung vorliegt". Ebenso bereits die vorangegangenen
40
.Kapitel
und zwar von der Vereidigung in Form des Voreides 5. Nur "aus besonderen Gründen, namentlich wenn Bedenken gegen ihre Zulässigkeit obwalten1*, soll eine nachträgliche Vereidigung erfolgen . Der Voreid ist nach Ansicht der Verfasser des Entwurfs 7 "ein wirksameres Mittel, den Zeugen zur Aussage der Wahrheit zu bewegen" als der Nacheid8. Der Zeuge werde "in eindringlicherer Weise als durch den bloßen Hinweis auf die spätere Beeidigung^ an die Verantwortlichkeit für seine Aussage" gemahnt; er stehe von Beginn seiner Vernehmung an unter dem Eindruck der geschehenen Eidesleistung, während ohne Voreid "ein minder gewissenhafter Zeuge dem Zweifel, ob seine Vereidigung demnächst auch wirklich stattfinden werde, leicht einen Einfluß auf seine Aussage einräumen werde". In der Hauptverhandlung könnten Richter, Schöffen und Geschworene beim Voreid von vornherein erkennen, ob eine Aussage eine eidliche oder eine uneidliche sei und diesen Umstand sogleich in ihre Glaubwürdigkeitserwägungen einbeziehen. Schließlich könne bei wiederholten Vernehmungen desselben Zeugen besser auf den Voreid als auf den Nacheid Bezug genommen werden.
§ 46 schließt Eidesunmündige, Eidesunfähige und Beteiligte10 zwingend von der Vereidigung aus11. Die Konsequenzen sind für die beiden zuletzt genannten Gruppen ambivalent: Einerseits sind sie gänzlich von der Strafdrohung wegen Falschaussage freigestellt; andererseits bedeutet die damit verbundene Diskriminierung in der relativ hermetischen Gesellschaft des Kaiserreiches
Entwürfe von November 1870 (§ 70), Januar 1873 (§ 52) und Ende 1873 (§ 51). 5 § 51 RT-Vorlage (s. auch die in der vorigen Fußn. angegebenen Paragraphen der vorangegangenen Entwürfe). - Auch diese Festlegung wird zur Verschachtelung der Vernehmungs-und der Vereidigungsvorschriften beigetragen haben, da in dieser Konstellation die den beiden Normenkomplexen entsprechenden Vorgänge sich auch tatsächlich (zeitlich) verschachteln. - In den Beratungen der StPO-Kommission des Bundesrates (5.Sitzung vom 23 April 1873; Schubert /Regge S.166) war ein Antrag von Schwarze, Vor- und Nacheid gleichberechtigt nebeneinanderzustellen, abgelehnt worden. 6
§ 51 RT-Vorlage.
7
AaO. (Fußn.4) S.110 f.
8
In den Motiven zum Entwurf (S.lll) wird der Voreid als "promissorischer", der Nacheid als "assertorischer" Eid bezeichnet. Dies ist zumindest mißverständlich, denn jedenfalls dann, wenn die zugehörige Aussage erstattet ist, ist auch der Voreid ein auf die Wahrheit dieser Aussage bezogener "assertorischer" Eid. 9
Der Entwurf unterscheidet (wie auch später das Gesetz) sprachlich noch nicht zwischen der Kereidigung des Zeugen und der Beeidigung der Aussage. 10 Im einzelnen: - "Personen, welche zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; - Personen, welche wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides eine genügende Vorstellung nicht haben; - Personen, welche nach den Bestimmungen der Strafgesetze zur Ablegung eines eidlichen Zeugnisses unfähig sind; - Personen welche "hinsichtlich der den Gegenstand der Untersuchung bildenden That als Theilnehmer, Begünstiger oder Hehler verdächtig oder bereits verurtheilt sind". 11
Ebenso § 65, § 57, § 46 der vorangegangenen Entwürfe.
Reichsjustizgesetze
41
sicherlich eine soziale Belastung. Immerhin weist das damalige Zusammenspiel von strafrechtlicher und strafprozessualer Regelung, insbesondere im Vergleich mit dem heutigen materiellrechtlichen Rechtszustand12, beachtliche Zurückhaltung und Konsequenz auf. Angehörige 13 des Beschuldigten, die wegen dieser Stellung das Zeugnis hätten verweigern dürfen, können unvereidigt vernommen werden (§ 46 Abs.3). Diese Regelung wird in den Motiven nachdrücklich gegen die Auffassung verteidigt, die fraglichen Personen müßten, wenn sie trotz ihres Zeugnisverweigerungsrechts das Zeugnis ablegten, dann auch den allgemeinen Eidesregeln unterliegen. Diese Auffassung - so die Motive - verkenne die Lage jener Zeugen. Schon die Verweigerung ihres Zeugnisses könne dem Beschuldigten zum Nachteil gereichen, weshalb Angehörige auch nur selten von diesem Recht Gebrauch machen würden. Auch würden sich Angehörige dem Ansinnen, ein falsches Zeugnis abzulegen und zu beeiden, oft nicht entziehen können. Der alte Strafprozeß habe deshalb nahe Angehörige des Beschuldigten garnicht als Beweiszeugen zugelassen; und in dem auf der freien Beweiswürdigung beruhenden neuen Strafprozeß würden "die Gerichte nur in seltenen Fällen den Aussagen der Angehörigen des Beschuldigten ein erhebliches Gewicht beilegen . Dem Gericht müsse daher die Befugnis gegeben werden, von der Vereidigung der betreffenden Personen abzusehen. Ein Vereidigungsve/ftöf empfehle sich nicht, da H in Fällen, in denen der Verletzte selbst ein Angehöriger des Beschuldigten ist, die Bestrafung des letzteren vielleicht unmöglich werden würde, wenn man die Beeidigung der zur Verweigerung berechtigten Person schlechthin ausschließen wollte"15. Vor der Eidesleistung hat gem. § 40 der Richter den Zeugen "in angemessener Weise auf die Bedeutung des Eides hinzuweisen". Sodann hat der Richter dem Zeugen die Eidesnorm vorzusprechen und dieser sie, versehen mit der Eingangsformel "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden"
12
Semreit § 157 StGB heutiger Fassung Absehen von Strafe (fakultativ!) zuläßt, erfaßt er die genannten Personengruppen (soweit es sie heute noch gibt) nur zum Teil: Eidesunmündige können gem.y4Z>5a/72wegenihrerfalschenuneidlichenAussagestraffreibleiben. Beteiligungsverdächtige sind durch Absatz 1 nur erfaßt, wenn sie zugleich die dort verlangte Motivation aufweisen. 13 Verlobte; Ehegatten; Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie; Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grade; Verschwägerte in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade (§ 42 Abs.l). 14
Hahn/Stegemann, Mat. S.109.
15
Ibd.
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§ 52 Abs.l RT-Vorlage: "... daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde". Entsprechnd abgewandelt die Eidesformel beim Nacheid (§ 52 Abs.2 aaO.). - Wörtlich übereinstimmend die vorangegangenen Entwürfe (§ 71, § 53, § 52; s. Fußn.l).
42
.Kapitel
und dem Schlußsatz "so wahr mir Gott helfe", vollständig nachzusprechen17. Mitglieder von Religionsgemeinschaften, denen das Gesetz den Gebrauch "gewisser Beteuerungsformen anstelle des Eides" gestattet, können unter dieser Beteuerungsklausel aussagen18. Die Berufung eines öffentlichen Beamten auf seinen Diensteid kann der Eidesleistung gleichgeachtet werden 19. Bei wiederholter Vernehmung des Zeugen in derselben Untersuchung genügt die Bezugnahme auf den früher geleisteten Eid 2 0 , 2 1 . Für Sachverständige finden die Bestimmungen über Ladung, Vernehmung und Vereidigung der Zeugen grundsätzlich entsprechende Anwendung22. Ihre Vereidigung erfolgt stets in der Form des Voreides 23. Das Plenum des Reichstages befaßte sich am 24. und 26.November 1876 in erster Lesung mit dem Entwurf 24 und überwies ihn einer Kommmission von 28 Mitgliedern zur weiteren Beratung 25. Diese legte am 11 Juni 1875 nach zwei Lesungen ihren Bericht vor 26 . Die Eidesvorschriften blieben in den Beratungen der Reichstagskommission im Kern unverändert 27. Zu den Abänderungsanträgen, welche abgelehnt wurden, gehörte auch der Antrag, die Zeugen nur die Eidesformel, nicht aber die Eides/lernt nachsprechen zu lassen28. Die Pflicht der Zeugen, die gesamte Eidesnorm nachzusprechen, führe - so der Antragsteller - häufig dazu, "daß die Leute sich versprächen, daß etwas wiederholt werden müsse u.s.w. Man
17 §§ 52-54 aaO.; ebenso §§ 71-73 E November 1870, §§ 53-55 E Januar 1873, §§ 52-54 E Ende 1873). 18
§ 55 aaO.; ebenso § 75 E November 1870; § 56 E Januar 1873; § 55 E Ende 1873.
19
§ 56 aaO.; ebenso § 74 E November 1870, § 57 E Januar 1873, § 56 E Ende 1873.
20
§ 58 aaO.
21
Zu den Folgen der Verweigerung des Eides s. § 61 aaO.
22
§ 73 RT-Vorlage.
23
§ 71 Abs.l Halbs.l aaO. - Sein Eid geht gem. Halbsatz 2 aaO. dahin, "daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde". Ebenso in beiden Punkten bereits § 89 E November 1870, § 70 E Januar 1873, § 70 E Ende 1873. 24 Sten.Ber.RT., 2.Leg.Per., Il.Session 1874,16.Sitzungv. 24.November 1874 und 18.Sitzung v. 26.November 1874, Bd 1, S.275 ff., 327 ff.; Hahn/Stegemann, Mat. S.497. 25
AaO. S.353 bzw. 548.
26
Sten.Ber.RT., 2.Leg.Per., IV.Session, Drucksache Nr 10, Bd 8 (=Anlagenbd 1), S. 363 ff.; Hahn/Stegemann, Mat. S.549 ff. (danach im folgenden zitiert). 27 1.Lesung: 40.Sitzung v.15 Juni 1875, Hahn/Stegemann, Mat. S.588 ff., 591 ff.; ZLesung: 143.Sitzung v.29.Mai 1876, Hahn/Stegemann, Mat r , S.1231 ff., 1247. 28
AaO. S.593 f. (Abg. v.Puttkammer).
Reichsjustizgesetze
43
müsse deshalb die Zeugen so wenig sagen lassen als irgend möglich. Jedes Wort mehr als unbedingt nöthig, sei von Übel" 29 . Dem Antragsteller wurde entgegengehalten, das von ihm vorgeschlagene Verfahren stamme aus Frankreich, und zu dessen Übertragung auf Deutschland liege "bei der verschiedenen Anschauungsweise beider Völker ein ausreichender Grund nicht vor" 30 . Eine vom Zivilprozeßrecht abweichende Regelung müsse vermieden werden 31. Durch die verkürzte Prozedur könne der "moralische Eindruck" des Eides abgeschwächt werden 32. Andere Kommissionsmitglieder äußerten die Auffassung, der würdige Ablauf der Vereidigung hänge mehr von der Persönlichkeit des Richters als von der Form des Eides ab 33 ; wieder andere machten geltend, auch der Änderungsvorschlag biete keine Garantie gegen störende Vorkommnisse, daher sei die "Beibehaltung der alten Weise" zu empfehlen 34, denn es sei "von außerordentlicher Bedeutung, bei dem von Alters her Gewohnten zu verbleiben"35. Der Antrag wurde ebenso abgelehnt36 wie ein vermittelnder Antrag, der die beantragte Änderung nur bei der Vereidigung "einer größeren Anzahl von Zeugen" einführen wollte 37 . Beantragt war ferner, im Eidestext die Passage "bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" ersatzlos zu streichen; diese sei Ausdruck eines Gewissenszwanges, den der Gesetzgeber um so weniger ausüben dürfe, als er angesichts der allgemeinen Zeugnispflicht gehalten sei, "dem Zeugen nicht durch Gewissensbedenken ohne alle Noth seine Aufgabe zu erschweren" 38. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt39. Gestrichen wurde allerdings die Vorschrift der Reichstags-Vorlage, welche öffentlichen Beamten die Möglichkeit gab, Wahrheitsbeteuerungen unter
29
Ibd.
30
Bundesratsbevollmächtigter vAmsberg aaO. S.594.
31
Ibd.
32
vAmsberg aaO.; Abg. Mayer aaO.
33
Abg. vJagoWy Abg. Pfafferott
34
vJagow, Pfafferott
aaO.
aaO.
35
vAmsberg aaO. - Für den Antrag sprach Abg. Bahr, er machte darauf aufmerksam, daß der Entwurf nichts über die Formalien der Eidesleistung enthalte, namentlich darüber, "daß ja neben dem Sprechen bestimmter Worte die Eidesleistung auch noch ein Mehreres erfordere, namentlich eine gewisse Thätigkeit der rechten Hand" (aaO. S.594); er bestritt, daß es sich bei den Vorschriften des Entwurfs um altes Herkommen handele und wies darauf hin, daß das vom Antragsteller vorgeschlagene Verfahren bei der Vereidigung von Geschworenen bereits Anwendung finde (aaaO. S.595). 36
Mit 14:12 Stimmen (aaO. S.595).
37
Antrag des Abg. Grimm (aaO.).
38
Abge. Eysoldy Herz und Klotz aaO. S.595.
39
Ibd.
44
.Kapitel
Berufung auf den Diensteid abzugeben. Ahnlichlautende partikularrechtliche Regelungen wurden als "ein Hauptübelstand des bisherigen Strafverfahrens" bezeichnet40: Der Begriff des "öffentlichen Beamten" i.S. dieser Vorschriften sei unklar 41 ; nicht alle (landesrechtlichen) Diensteide beinhalteten auch das eidliche Versprechen wahrheitsgemäßer Aussage vor Gericht 42; die (ohnehin unumgängliche) Beschränkimg der Regelung auf unmittelbar dienstrelevante Gegenstände führe dazu, daß z.B. Polizeibeamte in ähnlich gelagerten Fällen einmal vereidigt werden müßten, ein anderes mal nicht vereidigt werden dürften 43; dabei sei ein großer Teil der unteren Beamten sich nicht einmal bewußt, daß die Versicherung unter Bezugnahme auf den Diensteid rechtlich eine Eidesleistung sei44. Die Verteidiger der Vorschrift, die zunächst geltend gemacht hatten, die massenhafte Vereidigung z.B. von Polizeibeamten führe zu einer "Entwürdigung des Eides"45, gaben sich schließlich mit der Zusicherung zufrieden, an geeigneter Stelle werde die Möglichkeit vorgesehen werden, bei der Verhandlung von Forstvergehen und polizeilichen Übertretungen Forstbzw. Polizeibeamte hinsichtlich aller in derselben Sitzung verhandelten Sachen nur einmal zu vereidigen46. Wie sehr Eidesvorschriften mit Grundfragen der Verfahrenstruktur verflochten sein konnten, zeigt die Debatte der Kommissionsmitglieder über die Frage des Zeitpunktes der Vereidigung. Die Reichstagsvorlage wollte als Grundsatz die Vereidigung in der Hauptverhansdlung normieren (§ 57 Abs.l), die Vereidigung im Vorverfahren aber zulassen, "wenn voraussichtlich der Zeuge verhindert sein oder seine Ladung zu letzterer wegen großer Entfernung unterbleiben wird, oder wenn die Beeidigung als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage notwendig erscheint" (§ 57 Abs.2 Satz 1).
40
Abg. v. Puttkammer aaO. S.598.
41
Ibd.
42
Abg. Schwarze aaO. S.596 f.
43
Abg. v.Forcade aaO. S.598.
44
Ibd. - Abg. Gneist wies darauf hin, daß die hauptsächlich in Betracht kommenden Personengruppen - Nachtwächter und Polizeibeamte - bei der Versicherung "mehr das Gefühl ihrer Wichtigkeit als das Gefühl ihrer Verpflichtung, die Wahrheit einer Thatsache auf den Eid zu versichern. Der Dünkel der dienenden Beamten werde durch das Institut der Versicherungen auf den Diensteid erheblich gesteigert" (aaO. S.597). 45 Oehlschläger (aaO. S>597) berichtete, es komme in Ostpreußen vor, daß "auf die Denunziation weniger Beamter 2-300 Holzdiebstähle an einem einzigen Tage erledigt würden". - Zur preußischen Holzdiebstahlsgesetzgebung und zu ihren Folgen s. Blasius, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität (1976), S.103 ff.; DersKriminalität und Alltag (1978). 46 AaO. - Ein in der zweiten Kommissionslesung (anscheinend auf Initiative der Reichsregierung) eingebrachter Antrag, die Vorlage wiederherzustellen, wurde abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde die Aufnahme einer Sondervorschrift für Feld- und Forstrügesachen, da nach dem Einführungsgesetz für diese Sachen ohnehin ein landesrechtlicher Vorbehalt vorgesehen war (aaO. S.1253/54). - Vgl. i.ü. heute § 3 EGStPO; § 386 Abs.2 ZPO; ferner § 155 StGB.
Reichsjustizgesetze
45
In der Kommission wurden zahlreiche Änderungsanträge gestellt, die überwiegend das Ziel verfolgten, die Fälle der Vereidigung im Vorverfahren zu verringern - überwiegend aus der Sorge heraus, daß sonst "das (Hauptverfahren) oft nichts anderes mehr als eine Rekapitulation des Vorverfahrens sein werde" 47. Man beschloß in l.Lesung, Vereidigung im vorbereitenden Vrfahren prinzipiell nur bei Gefahr im Verzug zuzulassen, in der Voruntersuchung auch, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung voraussichtlich am Erscheinen gehindert ist oder wenn die Vereidigung als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint48. In der 2.Lesung wurde dagegen einerseits daraufhingewiesen, daß die Zeugenvereidigung im Vorverfahren einen Vorteil für den Beschuldigten bedeuten könne, da sie die Anklageerhebung vermeiden helfen könne, andererseits von den Regierungsvertretern die Besorgnis geäußert, die "öffentliche Sicherheit (werde) preisgegeben oder zumindest erheblich gefährdet..., wenn die Kommission bei ihren Beschlüssen bleibe, denn durch diese werde die Staatsanwaltschaft entweder lahmgelegt oder gezwungen, die öffentliche Klage gewissermaßen ins Blaue hinein zu erheben"50. Die Kommissionsmehrheit konzedierte schließlich für alle Vorverfahren die Vereidigung auch dann, wenn die Vereidigung "als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage über eine Tatsache, von der die Erhebung der öffentlichen Klage abhängig ist, erforderlich erscheint"51. In der zweiten Lesung52 im Plenum des Reichstages53 stellte der Abgeordnete Windthorst einen Antrag auf ausschließliche Zulassung desn Nacheides54. Angesichts der Unvollkommenheit des menschlichen Gedächtnisses sollten dem Zeugen Korrekturen seiner Bekundungen leichtgemacht werden; ein bereits geleisteter Eid hemme die Berichtigungsbereitschaft 55. Das Bewußtsein des Zeugen, eidlich verantwortlich zu sein, bestehe nicht nur - wie von den Anhängern des Voreides geltend gemacht - bei vorheriger Vereidigung, sondern auch dann, wenn dem Zeugen bewußt sei, daß auf seine Aussage die
47
Abg. Becker in der 41. Sitzung der Kommission, Hahn/Stegemann, Mat., S.600).
48
AaO. S.606.
49
143.Sitzung, aaO. S.1248 ff.
50
AaO. S.1251.
51
AaO. S.1252.
52
Der Bundesrat hatte gegen die von der Kommission gefaßten Beschlüsse in den dargestellten Punkten keine Bedenken erhoben. S.i.ü. die Zusammenstellung der Einwände des Bundesrates, in: Hahn/Stegemann, Mat. S.1620 ff. 53 Sten.Ber.RT., 2.Leg.Per., IV. Session 1976,18.-23.Sitzung v. 27.,28.,29. und 30 Nov., 1. und 2. Dezember 1876, Bd 1, S.389 ff.; Hahn/Stegemann, Mat., S.1693 ff. (danach im folgenden zitiert). 54 55
Antrag Abg. Windthorst
aaO. S.1785.
Abg. Windthorst, Abg. Pfafferott
aaO. S.1787 (auch eingeräumt von Abg. v. Schwarze [ibd.]).
46
.Kapitel
Vereidigung folgen werde 56. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen würden häufig erst während der Vernehmung sichtbar und könnten nur bei nachträglicher Vereidigung berücksichtigt werden 57. Der fakultative Nacheid, wie ihn der Entwurf vorsehe, bedeute für den betroffenen Zeugen eine Mißtrauensbekundung, die sich in der Vernehmung als unberechtigt herausstellen könne. Dem Antrag wurde entgegengehalten, die (unbestrittenen) Vorzüge des Nacheides würden durch die Kompromißlösung des Entwurfs mit denjenigen des Voreides verknüpft 58. Ein Mißtrauen gegen den Zeugen könne in der ausnahmsweisen Verschiebung der Vereidigung an das Ende der Vernehmung nicht erblickt werden, denn sie könne in mancherlei Fällen, etwa auch bei der Vernehmung mehrerer Zeugen zur selben Sache, erfolgen . Schließlich liege die im Entwqurf vorgeschlagene Regelung auch den meisten Partikularrechten sowie der soeben beratenen neuen Zivilprozeßordnung zugrunde60. Der Antrag von Windthorst wurde abgelehnt61. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren blieben die Eidesvorschriften des Entwurfes inhaltlich unverändert 62. II. Eidesvorschriften der Zivilprozeßordnung Die Eidesvorschriften der im selben Jahr (1879) in Kraft getretenen Zivilprozeßordnung 63 sind denjenigen der Strafprozeßordnung vergleichbar. Sachbedingte Abweichungen finden sich beim Absehen von der Vereidigung; dort fehlt naturgemäß der Fall des Teilnahme-, Begünstigungs- und Hehlereiverdachts; dafür sind "Personen, welche bei dem Ausgang des Rechtsstreits unmittelbar beteiligt sind"64, unvereidigt zu vernehmen. Auch können die Prozeßparteien auf die Vereidigung verzichten65. Spezifisch zivilprozeßrechtli-
56
Abg. Windthorst
57
Abg. Pfafferott
58
Abg. v.Schwarze aaO. S.1787.
59
Ibd.
60
Ibd.
61
AaO. S.1789.
aaO. S.1788. aaO. S.1787.
62
Redaktionell wurde während des Gesetzgebungsverfahrens noch die bis heute fortgehende Trennung zwischen den Vorschriften über die Vernehmung und denjenigen über die Vereidigung herbeigeführt. Vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Fassungen in: Hahn/Stegemann, Mat., S.2154 ff. 63
QVerz. Β 2.2.8.
64
§ 358 Abs.l Ziff.4 ZPO 1877.
65
§ 356 Abs.2 ZPO 1877.
Reichsjustizgesetze
47
che Regelungen enthalten auch die §§ 410 ff. ("Beweis durch Eid"). Sie regeln den zwischen den Parteien zugeschobenen, angenommenen und zurückgeschobenen Eid sowie den vom Richter auferlegfen Eid. Nach dem Vorbild des gemein- und partikularrechtlichen Zivilprozeßrechts 66 begründet dieser "echte Eid" bei Vorliegen recht strenger gesetzlicher Voraussetzungen gem. § 428 "vollen Beweis der beschworenen Thatsache". Das Reichsstrafgesetzbuch, das dieser zivilprozessualen Besonderheit durch das Nebeneinander der §§ 153 und 154 bereits Rechnung trug, erhielt hierdurch nur redaktionell, nicht aber inhaltlich einen neuen prozessualen Bezugspunkt.
66 S.o. 2.Kap. b. Fußn.26 ff. - Bei den Beratungen der ZPO in der Reichstagskommission lag bereits ein Antrag der Abg. Reichensperger und Marquardsen vor, die Vorschriften über den "echten" Parteieid zu streichen und stattdessen die "zeugeneidliche Vernehmung der Parteien" der gesetzlichen Regelung zugrundezulegen (Hahn, Mat.CPO, S.652). Der Antrag wurde abgelehnt, u.a. mit der Begründung, das "neue Werk, welches mit der Civil-Prozeß-Ordnung geschaffen werde, dürfe man nicht mit Institutionen belasten, von denen noch wenige Juristen in Deutschland einen klaren Begriff hätten, und welche deshalb in der Praxis der Amtsgerichte unendliche Schwierigkeiten bereiten würden: der Entwurf enthalte des Neuen bereits soviel, daß die Gerichte mancher Landestheile Mühe genug haben würden, sich daran zu gewöhnen" (aaO. S.655; Dir.im Reichskanzleramt vAmsberg).
5.Kapitel
Reformversuche bis zum Beginn der Strafrechtsreform I. Reformversuche bis zum Ende des 19« Jahrhunderts Schon bald nach ihrem Inkrafttreten war die Strafprozeßordnung Gegenstand ungünstiger Kritik 1 und zahlreicher Abänderungsvorschläge. Die Forderung nach "veränderten Vorschriften über die Beeidigung der Zeugen"2 gehörte neben sieben anderen - zu denjenigen Reformforderungen, denen auch die Reichsregierung "hervorragende Wichtigkeit" bescheinigte. Jedoch blieben zahlreiche Gesetzesinitiativen, die dem Reichstag bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und noch darüber hinaus vorgelegt wurden, zunächst erfolglos. Da die Reformbemühungen sich im ersten Jahzehnt des neuen Jahrhunderts sowohl im Prozeßrecht (1908) wie im materiellen Strafrecht (1909) zu Kodifikationsentwürfen verdichteten, sei der dazwischenliegende Zeitraum mit einer gerafften Darstellung der wichtigsten Gesetzesinitiativen überbrückt 3.
1. In der Reichstagssession 1884/85 legte die Reichsregierung dem Reichstag den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung vor 4. Dieser s
1 So der über Jahrzehnte stereotyp wiederholte Einleitungssatz von Reichstagsdrucksachen, die Novellen oder Gesamtreformen des Strafprozeßrechts vorschlugen; s. nur Sten.Ber. RT., VI.Leg.Per., I.Session 1884/85, Drucksache Nr 399, Bd 7, S.2001; Sten.Ber.RT., IX.Leg.Per., IILSession 1894/95, Drucksache Nr 15, Anlagenbad 1, S.62. Die iterative Verwendung der Formulierung beruht freilich auch auf der Gewohnheit der Regierungsbürokratie, erneut eingebrachte Vorlagen nicht neu zu formulieren, sondern "fortzuschreiben". 2
s. nur Sten.Ber.RT., IX.Leg.Per., IILSession 1895/95, Drucksache Nr 15, Anlagenbd 1, S.62. Die anderen Punkte des Katalogs: (1) Einführung der Berufung gegen die Urteile der Strafkammern in erster Instanz; (2) Entschädigung unschuldig Verurteilter; (3) Aufhebung "einiger der zum Ersätze für die mangelnde Berufung eingeführten sog. Garantien des Verfahrens"; (4) Ausdehnung des Kontumazialverfahrens; (6) Einführung eines abgekürzten Verfahrens für gewisse, eine schleunige Behandlung erheischende Straftaten; (7) Veränderungen in der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte; (8) Veränderte Regelung der Geschäftsverteilung und Geschäftsbehandlung bei den Kollegialgerichten. 3 Eine umfassende Zusammenstellung aller Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet des Strafprozeßrechts von 1868 bis 1913 gibt Hübet, ZStW 1916, 22 ff. (s.QVerz. Β 2.1.1). 4
Sten.Ber.RT., VI.Leg.Per., I.Session 1884/85, Drucksache Nr 399, Bd 7, S.1796 ff.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
49
u.a. vor, an die Stelle des Voreides prinzipiell den Nacheid treten zu lassen; in Gebieten, in denen bereits vor dem Inkrafttreten der Reichsstrafprozeßordnung der Voreid statthaft gewesen war, sollte es "bis zu anderweitiger landesgesetzlicher Bestimmung" dabei sein Bewenden haben5. Die mit der Einführung des Voreides gehegte Erwartung, der Voreid werde die Wahrheitsbereitschaft der Zeugen fördern, hatte sich - so die Entwurfsbegründung nicht erfüllt; die bereits bei seiner Einführung erhobenen Bedenken hätten sich bestätigt6. Der Entwurf sah ferner die Möglichkeit vor, mehrere Zeugen gleichzeitig zu vereidigen7. Der Regelzeitpunkt für die Vereidigung sollte auf das Ende der ersten gerichtlichen Vernehmung des Zeugen vorverlegt werden8. Das seit Inkrafttreten der StPO geltende Verbot der Bezugnahme auf den im Vorverfahren derselben Sache geleisteten Eid sollte aufgehoben werden9; der Entwurf kehrte also zum Grundsatz des früheren preußischen Strafprozeßrechts zurück 10. Die Fälle des Absehens von der Vereidigung sollten um denjenigen vermehrt werden, in dem die Zeugenaussage "sich nach richterlichger Überzeugung als offenbar unglaubwürdig darstellt" . Der Entwurf folgte damit "mehreren älteren Prozeßgesetzen" und wollte "einem vielfach empfundenen Bedürfnis Abhilfe schaffen", denn "mit der Heiligkeit des Eides steh(e) es nicht im Einklang, daß der Richter genöthigt (sei), einen Zeugeneid auch dann abzunehmen, wenn er (wisse), daß dieser Eid ein Meineid (sei)"12. Der Entwurf fiel dem Ende der Reichstagssession zum Opfer und wurde von der Reichsregierung in der folgenden Session nicht wieder eingebracht wohl in der Erkenntnis, daß seine Vorschläge nicht die Grundlage abgeben konnten, auf der eine Einigung zwischen Bundesrat und Reichstag über wichtige Reformfragen möglich war 13 . Soweit die auf das Eidesrecht bezogenen Vorschläge überhaupt Beachtung fanden, wurden sie kritisiert. Der landes-
5
Art. I I I § 60 der Vorlage.
6
AaO. S.2005. Die hierzu (S.2005 f.) vorgetragenen Argumente sind allesamt in den Beratungen der Strafprozeßkommission (u. 6.Kap. sub I) aufgegriffen worden. 7
Art. III § 60 Abs.3.
8
Art. III § 65 Abs.l. - Die Vereidigung im Vorverfahren sollte gem. § 65 Abs.2 aaO. unterbleiben können, "wenn Bedenken gegen deren Zulassung obwalten, sowie wenn der Richter die Beeidigung für den Zweck des Vorverfahrens nicht als erforderlich ansieht und die Staatsanwaltschaft dieselbe nicht beantragt". 9
Art. III § 66 aaO.
10
S.o. 2.Kap. sub I 1.
11
Art.IV § 56a der Vorlage.
12
Begründung aaO. S.2011.
13
Vgl. Bolder, Versuch S.25 f.; Zacharias, Reformversuche S.19; Kern, Geschichte S.127; Eb.Schmidt, Einführung S.413: Im Vordergrund der (zu erwartendenden) Auseinandersetzungen stand stets die Frage der Einführung der Berufung gegen Strafkammerurteile.
50
.Kapitel
rechtliche Vorbehalt für den Voreid bedeute eine "Durchlöcherung des Prinzips der Einheit der Strafrechtspflege" 14, die Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunktes für die Vereidigung in das Vorverfahren gefährde den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung15, und es sei auch widersprüchlich, einerseits den Voreid u.a. wegen der zu frühen eidlichen Festlegung des Zeugen zu beseitigen, andererseits die Zeugenvereidigung obligatorisch in ein möglichst frühes Verfahrensstadium zu verlegen16 2. Erst ein Jahrzehnt später - in der Session 1894/95 - wurde die Eidesfrage wieder Gegenstand einer Reichstagsvorlage. Am ó.Dezember 1894 legte die Reichsregierung den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des GVG und der StPO vor 17 . Von seinem Vorgänger übernahm er die Ersetzung des Voreides durch den Nacheid - allerdings ohne den seinerzeit ins Auge gefaßten landesrechtlichen Vorbehalt 18 - und auch die sonstigen Änderungsvorschläge für den Zeugeneid19. Für Sachverständige sollte an die Stelle des obligatorischen Voreides die Vereidigung "vor oder nach der Erstattung des Gutachtens" treten 20. Der wichtigste Unterschied zum Entwurf von 1884 bestand in der nochmaligen Ausweitung der Möglichkeit, von der Zeugenvereidigung abzusehen. Zu den Fällen offenbarer Unglaubhaftigkeit der Aussage sollten nunmehr diejenigen der offenbaren Unerheblichkeit hinzutreten, falls nicht die Vereidigung beantragt wa? 1 . In beiden Fallgruppen sollte die einstimmige Auffassung des Gerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen erforderlich sein. In der Begründung wurde erläutert, eine Eidesabnahme, welche belanglose Dinge zum Gegenstand habe, widerspreche der Würde des Eides, gereiche den Beteiligten zur Beschwer und verzögere unnötig den Gang der Verhandlung - umso mehr, wenn nach der Einführung des Nacheides die Unerheblichkeit der Aussage im Augenblick der
14
Mayer, GA 1885,262; ablehnend auch Schwarze, GS 1886,43; Fuchs, GS 1885,598.
15
Geyer, GS 1885,385; Schwarze, GS 1886,46 fftfiayer, GA 1885,279 ff.(der deshalb - aaO. S.285 - forderte, entweder beim bisherigen Rechtszustand zu bleiben oder ausnahmslos alle Zeugen im Vorverfahren zu vereidigen). Zur Kritik insgesamt Bolder; Versuch S. 27 ff. 16
Geyer aaO. S.383; Schwarze, GS 1886, 48.
17
Stert.Ber.RT. y IX.Leg.Per., IILSession 1894/95, Drucksache Nr 15, Anlagenbd 1, S.55 ff.
18
§ 60 Abs.l StPO i.d.F. der Vorlage.
19
Anders als im Entwurf von 1885 wurde diesmal aus der Zulassung gleichzeitiger Vereidigung mehrerer Zeugen die notwendige prozedurale Konsequenz gezogen: Gem. § 63 hatte der Richter den zu Vereidigenden "die Eidesnorm mit der Eidesformel "Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" vorzusprechen". Die Zeugen sollten sodann den Eid leisten, "indem jeder einzeln die Worte spricht: 'Ich schwöre es bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, so wahr mir Gott helfe'". 20
§ 79 aaO.
21
§ 56a aaO. Diese wichtige Änderung ist bei Bolder, Versuch S.77, übersehen.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
51
Eidesabnahme bekannt sei22. 3· Da noch während der Beratung des Entwurfs in der Reichstagskommission das Sessionsende eintrat, brachte die Reichsregierung die Vorlage unverändert in Text und Begründung - in der Session 1895/97 erneut ein 23 . In der Reichstagskommission24 wurde zunächst ein Antrag, im Beleidigungsstrafverfahren auch die (angeblich) beleidigte Person unvereidigt zu lassen, abgelehnt; das, was die Aussage dieser Person suspekt mache, gelte auch für die Aussagen aller anderen (angeblichen) Opfer, eine entsprechende Ausweitung nichtbeeideter Vernehmungen gehe aber im Interesse der Strafverfolgung nicht an 25 . Die von der Regierung vorgeschlagene Ausweitung der nichtbeeideten Aussagen auf offenbar unglaubhafte sowie - bei fehlendem Vereidigungsantrag - auf offenbar unerhebliche Aussagen sollte nicht im Schwurgerichtsverfahren gelten26; andererseits sollte im Verfahren wegen Übertretungen die Vereidigung unterbleiben können, wenn - bei fehlendem Vereidigungsantrag - das Gericht die Aussage einstimmig für glaubhaft hielt 27 . Die Ersetzung des Voreides des Zeugen durch den Nacheid wurde gebilligt28, auch alle weiteren Regierungsvorschläge zum Eidesrecht unverändert angenommen29 - die prinzipielle Vorverlegung des Vereidigungszeitpunktes auf das Ende der ersten richterlichen Vernehmung allerdings erst nach längerer Debatte und nur mit einer Mehrheit von 8 gegen 6 Stimmen30.
22
Begründung aaO. S.74.
23
Sten.Ber.RT IX.Leg.Per., IV.Session 1895/97, Drucksache Nr 73 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung), Anlagenbd 1, S.341 ff. 24 s. deren Bericht in: Sten.Ber.RT1, IX.Leg.Per., IV.Session 1895/97, Drucksache Nr 294 (Bericht der IX.Kommission über den derselben zur Vorberathung überwiesenen Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung; Berichterstatter Abg. Lenzmann und Abg. OrSchröder), Anlagenbd 3, S.1564 ff. 25
AaO. S.1579.
26
Ausführliche Diskussion aaO.
27
AaO. - Also eine Umkehrung der für andere Verfahren geltenden "Unglaubwürdigkeits"Regel. 28
AaO. S.1579 f.
29
AaO. S.1580; vgl. auch die Zusammenstellung aaO. S.1621 ff.
30
Ibd. - Die Gegenmeinung führte zugunsten des späteren Zeitpunktes vor allem an, der Zeuge brauche nach der Aussage Zeit zur ruhigen Prüfung und gewissenhaften Überlegung. Auch liege in der Vereidigung der Zeugen durch den Ermittlungsrichter eine schwere Beeinträchtigung der Rechte des Angeklagten, da der Zeuge in dessen Abwesenheit vereidigt und dessen Aussage damit festgelegt werde. Bereits 1884 hatte auch der 17.Deutsche Juristentag (Würzburg) die Frage des Vereidigungszeitpunktes diskutiert. Einer der Gutachter (LG-Direktor Wiesand; Verh. 17.DJT Bd 1, S.275 ff.) hatte die Vereidigung nach der erstenrichterlichen Vernehmung mit der Erwägung befürwor-
52
.Kapitel
Im Plenum erfuhr die Frage, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen das Gericht von der Vereidigung von Zeugen solle absehen dürfen, eine ungewöhnlich lange, kontroverse, überwiegend von richterlichen Abgeordneten auf hohem Expertenniveau bestrittene Aussprache31. Abänderungsanträge wollten das Gericht einerseits strenger, andererseits weniger streng an die Zustimmung der Verfahrensbeteiligten binden32. Schließlich wurden aber die Regierungsvorlage und der Kommissionsvorschlag bestätigt33. Auch die meisten anderen Kommissionsempfehlungen zum Eidesrecht wurden in zweiter Lesung angenommen34. Abgelehnt wurde jedoch die Vorverlegung des Regelzeitpunktes der Vereidigimg auf das Ende der ersten richterlichen Vernehmung . Während der Debatte im Plenum tauchte erstmals seit 1870 die Forderung auf, die uneidliche "Lüge vor Gericht" unter Strafe zu stellen, also die Frage der Reduzierung der Eide von der bis dahin stets mitzudenkenden Konsequenz
tet, die bereits vor der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen müßten auf solide Beweise gestützt werden. Der andere Gutachter (LG-Direktor Philler; Verh.17.DJT Bd 1, S.230 ff.) stellte sich auf den Gegenstandpunkt, den er hauptsächlich mit der Befürchtung begründete, die Hauptverhandlung könne sonst zu einem mündlichen Schlußtableau auf Grund spruchreifer Akten herabsinken (S.239). Eine Mehrheit von 28:12 Stimmen folgte der letzteren Auffassung (aaO. Bd 2, S.235), auch aus dem Grunde, daß der Beschuldigte im Vorverfahren keine Möglichkeit habe, seine Verteidigung bei Vernehmung der Anklagezeugen wahrzunehmen (s.z.B. Jacoby, aaO. Bd 2, S.227); s. auch Bolder, Versuch S.88 f. 31 s. das Protokoll der 2.Lesung; in: Sten.Ber.RT., IX.Leg.Per., IV.Session 1895/97,128.Sitzung v.20.Nov.l896 und 129.Sitzung v.21.Nov.1896, Bd 5, S.3345, 3366-3369 und S.3371, 3371-3382. Jedenfalls für die Beratung der uns interessierenden Fragen trifft Bolders Charakterisierung (Versuch S.92) nicht zu, daß "nunmehr eine weniger sachverständige Rednerschar auch ihre Meinung äußern konnte und... daß die in der Vorlage liegenden Möglichkeiten der Parteiagitation und Wahlpropaganda bald erkannt und weidlich ausgenutzt wurden". 32 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 536 Munckel), Nr 563 (Rembold) und Nr 571 (Frhr v.Gültlingen). 33
Sten.Ber.RT. aaO. S.3382.
34
Der reichseinheitlichen Einführung des Nacheides wurde vom bayreischen Abg. Lerno u.a. mit der Begründung widersprochen, der Nacheid widerspreche speziell den bayerischen Verhältnissen, nämlich den "Charakteranlagen" des dortigen Volks: "Ein großer Theil unserer Bevölkerung ist mehr in sich gekehrt, wenig mitteilsam, oft mißtrauisch und wird dem Richter auf die einfache Frage, wenn er nicht beeidigt ist, selbst trotz des Hinweises auf den später zu leistenden Eid kaum die volle Wahrheit sagen" (aaO. S.3384). Lernos Antrag, den Voreid dann zuzulassen, wenn nur durch ihn eine wahrheitsgemäße Aussage des Zeugen erreicht werden könne, wurde abgelehnt (aaO.S.3385). 35
Abstimmung: Sten.Ber.RT. aaO. S.3391. - Als Hauptgründe für die Ablehnung wurden genannt: Die Bedeutung der Hauptverhandlung werde "alterirt und degradirt" (Abg. Haußmann S.3386); die Verteidigungsrechte des Beschuldigten würden verkürzt (Abg. Lenzmann S.3386; Abg. Stadthagen aaO. S.3388); das Ziel der Verminderung von Eiden - insb. auch von Meineiden - werde vereitelt (Abg. Haußmann S.3386 f.; Abg. Stadthagen S.3388).
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
53
der Straflosigkeit der betreffenden Falschaussagen abzukoppeln36. Der Regierungsvertreter erklärte sich zu der Mitteilung ermächtigt, "daß in dieser Beziehung im Schöße der verbündeten Regierungen Erwägungen schweben" (sie!)37, deren Ergebis aber noch nicht abzusehen sei; vorerst müsse auf dem Boden des geltenden Rechts argumentiert werden, welches uneidliche Zeugenaussagen vor Gericht straflos lasse38. Die dritte Lesung des Entwurfes gelangte nicht über die Generaldebatte hinaus; der Gesetzentwurf scheiterte vor allem daran, daß die verbündeten Regierungen nicht auf die Forderung der Reichstagsmehrheit nach Einführung der Berufung gegen Strafkammerurteile eingehen wollten und daher ihr Desinteresse an einer weiteren Beratung der Vorlage erklärten .
4. Noch in derselben Session - im Mai 1897 - wurde von konservativer Seite unter Federführung des Abgeordneten v.Salisch ein Antrag 40 eingebracht, der mit geringfügigen, freilich bezeichnenden Änderungen 41 die eidesrechtlichen Vorstellungen der gescheiterten Novelle separat realisieren und überdies die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen einführen wollte. Diese sog. Lex Salisch43 wurde zum Ausgangspunkt der zukünftigen Diskussion über 36
Abg. Haußmann, in: Sten.Ber.RT. aaO., 129.Sitzung v.21.Nov.l896, S.3376.
37
Kgl. preußischer Geh.Ober-Justizrat Dr. Lucas, in: Sten.Ber.RT. aaO. S.3379.
38
Ibd.
39
Sten.Ber.RT. aaO., 147.Sitzung v.15.12.1896, S.3935; vgl. Bolder, Versuch S.94 f.; Kern, Geschichte S. 129 f. 40 Sten.Ber.RT. tIX.Leg.Per., IV.Session 1895/97, Drucksache Nr 809 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend einige Änderungen und Ergänzungen der Strafprozeßordnung... undderCivilprozeßordnung... sowie die Bestrafung wissentlich falscher unbeeideter Aussagen), Anlagenbd 7, S.4219. 41
Sie betrafen zwei Punkte, die bei der Beratung der gescheiterten Novelle besonders umstritten gewesen waren, nämlich dasAbsehen von der Vereidigung auch im schwurgerichtlichen Verfahren (durch Beschluß der Berufsrichter!), sowie die Vreidigung des Zeugen im Vorverfahren. 42
Art. I I I aaO.
"Wer vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wird und als solcher wissentlich falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit wissentlich falscher Aussagen hingewiesen worden ist, wird mit Gefängniß von einer Woche bis zu drei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe erkannt werden.
§2
Hat ein Zeuge oder Sachverständiger eine nach § 1 strafbare Aussage gemacht, so ist die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn 1. die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder 2. der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. §3 Nimmt der Zeuge oder Sachverständige die nach § 1 strafbare Aussage zurück, bevor noch
54
.Kapitel
diesen Gegenstand, blieb aber zunächst erfolglos, da der Antrag in der laufenden Session nicht mehr behandelt wurde. 5. In der darauffolgenden Session versuchten Anträge des Zentrums 44 und des Freisinns45 erneut, Teile der gescheiterten Prozeßreform, u.a. auch deren eidesrechtliche Regelungen, zu verwirklichen. Auch v.Salisch und seine konservativen Fraktionsfreunde brachten ihren Antrag erneut ein 46 , und über diesen Antrag fand auch eine Kommissionsberatung statt47. Dabei erhielten seine eidesrechtlichen Vorschläge die Fassung der gescheiterten StrafprozeßNovelle und wurden damit den beiden anderen Anträgen angenähert48. Im materiellrechtlichen Bereich Schloß die Kommission sich der Forderung nach Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen an 49 . Sie mußte sich allerdings mit Bedenken auseinandersetzen, die dahin gingen, die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen entspreche nicht "dem gegenwärtigen Rechtsbewußtsein und den Rechtsanschauungen des Volkes"; es sei auch nicht konsequent, einerseits die Zahl der Meineide verringern zu wollen, andererseits aber die uneidliche Falschaussage als völlig neues Delikt in das Strafrecht einführen zu wollen50. Während die Kommission sich diese grundsätzlichen Bedenken nicht zu eigen machte, folgte sie der Anregung, im Interesse der Heilighaltung des Eides die Strafdrohung für die uneidliche Falschaussage von derjenigen des Meineides deutlich nach unten abzusetzen. Sie reduzierte daher das Strafmaximum auf sechs Monate51 und nahm die fahrlässige Begehungsweise, auf welche die Antragsteller inzwischen ihren Antrag ausgedehnt hatten52, von der Strafbarkeit aus . Außerdem wurde in einer Protokollnotiz festgehalten,
ein Wahrspruch oder Endurtheil darauf ergangen ist, so bleibt er straflos." 44 Sten.Ber.RT., IV.Leg.Per., V.Session 1897/98, Drucksache Nr 33 (Antrag Dr. Rintelen), Anlagenbd 1, S.331 ff. 45
ff.
Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 67 (Antrag Lenzmann, Munckel), Anlagenbd 1, S.787
46 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 36 (Antrag v.Salisch u.Gen.), Anlagenbd 1, S.362 ff. Der Antrag unterscheidet sich im hier interessierenden Bereich von den beiden anderen Anträgen in den in Fußn. 41 erwähnten Punkten sowie durch die Forderung nach Strafbarkeit der falschen unbeeideten Aussage (s.o.Fußn.43). 47 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 236 (Bericht der sechsten Kommission), Anlagenbd 3, S.1912 ff. 48
Vgl. die Zusammenstellung aaO. S.1924 ff.
49
AaO. S.1917.
50
AaO. S.1917 f.
51
AaO. S.1918 - Damit wurde die im Antrag vorgesehene Strafmilderungsmöglichkeit (s.o. Fußn.46, § 3) obsolet. 52
Vgl. die neue Textfassung des Antrages aaO. S.1938.
53
AaO. S.1918.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
55
daß als "endgültige Entscheidung" - erst mit deren Erlaß sollte die Strafbarkeit eintreten - nur die rechtskräftige Entscheidung anzusehen sei54. Schließlich wurde der Tatbestand noch auf Aussagen beschränkt, die in einem für die Entscheidung der Sache erheblichen Punkte falsch waren 55,56 . Abermals verhinderte das Ende der Session (und der Legislaturperiode) die weitere Beratung dieser Entwürfe. 6. Ebenso erging es in der ersten Session der folgenden Legislaturperiode (Session 1898/1900) zwei einschlägigen Anträgen - einem interfraktionell unterstützten Antrag des Zentrums-Abgeordneten Rintelen 57 und einer Regierungsvorlage 58. Beide knüpften an den Diskussionsstand des Jahres 1895 an - der Regierungsantrag mehr an die damalige Regierungsvorlage, der Antrag Rintelen mehr an die damaligen Beschlüsse der Reichstagskommission und des Plenums59. Der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage stimmte in beiden Anträgen weitgehend überein 60, insbesondere war die Beschränkung auf entscheidungserhebliche Falschaussagen, die in der vorangegangenen
54
AaO. (Fußn.47), S.1918.
55
Ibd.
56
Der neue Tatbestand lautete damit folgendermaßen: "Wer vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich vernommen wird und als solcher in einem für die Entscheidung erheblichen Punkte wissentlich falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen hingewiesen worden ist, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu eintausend Mark erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäter die falsche Aussage widerruft, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor die Sache, in welcher die Vernehmung erfolgte, endgültig entschieden ist." 57
Sten.Ber.RT., X.Leg.Per., I.Session 1898/1900, Drucksache Nr 17 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Strafprozeßordnung und des Strafgesetzbuches), Anlagenbd 1, S.55 ff. 58 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 108 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen der Civilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung sowie die Bestrafung uneidlicher Aussagen), Anlagenbd 2, S.973 ff. 59 Die Unterschiede zeigten sich demgemäß in der Frage der Herausnahme der Schwurgerichtsverfahren aus dem Bereich der uneidlichen Vernehmung wegen Unerheblichkeit und Unglaubhaftigkeit. In der Frage des Vereidigungszeitpunktes enthielt sich die Regierungsvorlage einer Regelung, während der Antrag Rintelen es ausdrücklich bei der bestehenden Rechtslage belassen wollte. Im Bereich der Übertretungen wollte die Regierungsvorlage die Möglichkeiten des Absehens von der Vereidigung noch erweitern; es sollte bereits genügen, daß die Beeidigung weder beantragt noch von einem Mitglied des Gerichts verlangt wird (§ 60 Abs.3 des RegE; aaO.). 60 Auch die prinzipale Strafdrohung (Gefängnis bis zu sechs Monaten) stimmte überein. Unterschiedlich war insofern nur die Regelung für "mildernde Umstände": Während der Entwurf Rintelen nur fakultativen Übergang auf Geldstrafe vorsah, sollte er nach der Regierungsvorlage zwingend erfolgen.
56
.Kapitel
Session von der Reichstagskommission beschlossen worden war, nicht mehr vorgesehen61; bei rechtzeitigem Widerruf sollte Straflosigkeit eintreten 62; die fahrlässige Begehung sollte straffrei bleiben. Die Reichstagskommission 63, welche beide Anträge zusammen beriet, hielt sich im eidesrechtlichen Bereich auf der Linie früherer Kommissions- und Plenarbeschlüsse64, setzte jedoch für das neue Delikt der falschen uneidlichen Aussage das Strafmaximum von sechs Monaten auf drei Jahre Gefängnis herauf. Mit dieser Rückkehr zum Strafmaß der HLex Salisch"65 fuhr sie einen deutlich härteren Kurs als ihre Vorgängerin und als die beiden nunmehr vorliegenden Anträge 66. 7. Daß damit die Richtung der weiteren Diskussion angezeigt war, machen die Anträge, die in der Session 1900/1903 zur Beratimg standen, deutlich. Neben einem freisinnigen Antrag der Abgeordneten Lenzmann und Munckef 1 standen der erneut eingebrachten Antrag Rintelen** und ein neuerlicher Antrag v.Salisch 69 zur Beratung. Während der zuerst genannte Antrag nur Änderungen des Prozeßrechts im Auge hatte, griffen die beiden
61
Die Begründung der Regierungsvorlage berief sich insoweit vor allem auf die Irrtumskonsequenzen (aaO. S.978) 62 Rechtzeitigkeit nach dem Antrag Rintelen, wenn der Wideruf geschieht, "bevor eine Anzeige gegen (den Täter) erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und die Sache, in welcher die Vernehmung erfolgte, endgültig entschieden ist"; die Regierungsvorlage verlangt außerdem, daß die Folgen der falschen Aussage sich noch beseitigen lassen; sie will damit so die Begründung (aaO. S.978) - einerseits die Bestrafung in den Fällen "unwiderbringlichen Schadens" sicherstellen, andererseits - entgegen der Rspr. des RG über den Widerruf beim Meineid (RG Rspr.Str. 5,74) - diejenigen Fälle unter die Straflosigkeit fallen lassen, in denen der eingetretene Rechtsnachteil sich wieder beseitigen läßt. 63 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 203 (Bericht der sechsten Kommission über beide Anträge; Berichterstatter Abg. Lenzmann), Anlagenbd 2, S.1393 ff. 64 Insbesondere wurden die in Fußn.59 erwähnten Neuerungswünsche der Regierungsvorlage wieder beseitigt. 65
s.o.in Fußn.43.
66
In der ersten Kommissionslesung war sogar der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sowie die Strafbarkeit der fahrlässigen Begehung vorgesehen gewesen (aaO. S.1414). In der Frage des strafbefreienden Widerrufs der Falschaussage wurde die Formulierung der Regierungsvorlage (o.Fußn.58) übernommen. 67 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 30 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung), Anlagenbd 1, S.286 ff. 68
Sten.Ber.RT., X.Leg.Per.,II.Session 1900/1902, Drucksache Nr 35 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, der Civilprozeßordnung und des Strafgesetzbuchs; unterstützt von 120 weiteren Abgeordneten), Anlagenbd 1, S.303 ff. 69 Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 43 (Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderung der Vorschriften der Civilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung über die Eidesleistung und betreffend die Bestrafung falscher uneidlicher Aussagen), Anlagenbd 1, S.339 ff.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
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anderen auch den materiellrechtlichen Aspekt der Bestrafung uneidlicher Falschatissagen wieder auf, und beide bestätigten sowohl die in der vorangegangenen Session beschlossene Tatbestandsfassung als auch die heraufgesetzte Höchststrafdrohung. Im Eidesrecht, insb. bei der Bestimmung der Fälle uneidlicher Vernehmung, war der Diskussionsstand inzwischen so verfestigt, daß alle drei Anträge insoweit nahezu wörtlich übereinstimmten70. Die Kommissionsberatung 1 brachte daher insoweit auch keine Änderungen. Bei der uneidlichen Falschaussage hingegen nahm die Kommission eine weitere Verschärfung vor, indem sie für "die aus Fahrlässigkeit falsch abgegebene Aussage" Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark vorsah 72. Auch in dieser Session fand weder die prozeßrechtliche noch die materiellrechtliche Problematik einen legislatorischen Abschluß. 8. Eine weitere Initiative zum Eidesrecht bildete der Antrag der Deutschsozialen Reformpartei (Antisemiten) vom 4.Dezember 1896. Er forderte - mit deutlich antisemitischer Tendenz - die Wiedereinführung der konfessionellen Eidesformel. Fiel diese Initiative, auf die hier nicht näher einzugehen ist, wegen ihrer manifest ideologischen Zielsetzung aus dem Rahmen, so lag andererseits die über sie geführte Debatte insoweit auf der allgemeinen Entwicklungslinie, als Sprecher sämtlicher Fraktionen sich auch diesmal - wenngleich aus unterschiedlichen Motiven - für eine spürbare Herabsetzung der Zahl der Gerichtseide aussprachen73. Die Verwirklichung dieser Forderung wie auch derjenigen nach Einführung eines Straftatbestandes der falschen uneidlichen Aussage schien angesichts des erreichten Diskussionsstandes in beiden Bereichen nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Dennoch sollten noch drei Jahrzehnte vergehen, ehe die erste, und sogar vier Jahrzehnte, ehe die zweite Forderung realisiert wurde.
70 Insbesondere stimmten alle drei Anträge nunmehr darin überein, daß die Regelungen über die uneidliche Vernehmung nicht im schwurgerichtlichen Verfahren Anwendung finden sollten. Synopse des Gesetzestextes und der drei Anträge am Ende des Berichts der Kommission (u.Fußn.71) S.1478 ff. 71
Bericht der Kommission: Sten.Ber.RT. aaO., Drucksache Nr 220, Anlagenbd2, S.1368 ff.
72
Vgl. den Text aaO. S.1539.
73
Sten.Ber.RT, IX.Leg.Per., IV.Session 1895/97, 204.Sitzung v. 2April 1897, Bd 7, S5455 ff. - Aussagen in dem im Text erwähnten Sinne u.a. von Abg. Lenzmann aaO. S.5461; Abg. Frhr v.Bernstorff aaO. S.5462; Abg. Schall aaO. S.5456,5469; Abg. Lütgenau aaO. S5456; Abg. Lieber aaO. S.5469. - Im selben Sinne auch das Schrifttum; s. nur Hubrich, DJZ 1897,395. Näher zum Prozeßeid der Juden und zu der im Text angesprochenen Reichstagsdebatte der im l.Kap. angekündigte Aufsatz des Verf.
58
.Kapitel
IL Empfehlungen der Strafprozeß-Kommission (1905) Nachdem verschiedene Versuche zur Novellierung der Reichsstrafprozeßordnung, darunter auch die zuvor geschilderten, ergebnislos geblieben waren 74, faßte die Reichsjustizverwaltung im Jahre 1902 eine allgemeine Revision des Strafprozesses ins Auge. Zur Vorbereitung dieses Vorhabens berief sie eine 21köpfige Sachverständigenkommission75, der sie einen Fragenkatalog zur Beantwortung unterbreitete. Die hier interessierenden Fragen lauteten^8: "Erscheint es nach den praktischen Erfahrungen geboten, die Vorschriften über die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen ... einer Änderung zu unterwerfen? Wie ist bejahendenfalls das Verfahren auszugestalten? 1. Ist die Beeidigung der Zeugen einzuschränken?... 2. Sind für das Verfahren vor dem Schwurgericht Abweichungen ... erforderlich?... 3. Ist der Voreid zu beseitigen? 4. Empfiehlt sich eine Umgestaltung der Eidesformel und des Verfahrens bei der Abnahme von Eiden? 5. In welchem Abschnitte des Verfahrens ist die Beeidigung der Zeugen zu bewirken? 6. Soll im Zusammenhang mit der Einschränkung der Zeugeneide die Strafbarkeit uneidlicher falscher Aussagen eingeführt und wie soll sie im einzelnen gestaltet werden?"
Es begegnet somit der Problemkatalog, der die Diskussionen der vorangegangenen Jahrzehnte bestimmt hatte und bis in die Gegenwart bestimmend geblieben ist. Die Kommission sah die häufigen Eidesleistungen und das bestehende Eidesabnahmeverfahren - "namentlich mit Rücksicht auf die Länge der Eidesformel" - als Mißstände an; die generelle "Abschaffung des Zeugen- und Sachverständigeneides und seine Ersetzung (sie!) durch die Einführung der Strafbarkeit uneidlicher falscher Aussagen" lehnte sie jedoch mit Rücksicht auf die besondere Gewähr, welche der Eid für die Ermittlung der Wahrheit biete79, und auf den negativen Eindruck, den seine Beseitiung in der Öffentlichkeit hervorrufen würde 80, ab. Der weiteste Antrag, die Vereidigung des Zeugen nach schweizerischem Vorbild vom Antrag eines Verfahrensbeteilig-
74 Näheres b. Kern, Geschichte S.127 ff.; Eb.Schmidt, Einführung S.413 ff.; Vormbaum, Lex Emminger S.44 ff.; kurzer Überblick b. Beling, DJZ 1904, Sp.912 ff. Ausführlich für einzelne Etappen die von Kern betreuten Dissertationen von Zacharias (Reformversuche, 1921), Bolder, (Versuch, 1934), Klingebiel (Entwicklung, 1936), Intrator (Strafprozeßentwurf, 1936). 75 Mitglieder: Bassermann, Baumbach, Baumstark, Behringer, Buff, v.Calker, Gammersbach, Gröber, v.Hecker, Himburg, Kaufmann, Kronecker, Lenzmann, Nagel, Opfergelt, Oppermann, Rintelen, Tauchen, Wach, Wachler, Wolffson. Näheres - auch zu personellen Veränderungen während der Beratungen - in Prot.StrPr. Bd 1, S.V. 78
AaO. S. 1 f. (Abschnitt C II).
79
Prot.StrPr.,
80
AaO. S.48.
6.Sitzung v. 8.März 1903, Bd 1, S.47.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
59
ten abhängig zu machen und überdies die Beschränkung des Antrages auf einzelne Aussagenteile zuzulassen, wurde mit großer Mehrheit (18:1 Stimmen) abgelehnt81. Diese Verkehrung der bisherigen Regel in die Ausnahme sei allgemein bedenklich und werde faktisch nichts bewirken; den Zeugen werde jeder derartige Antrag durch das ihm entgegengebrachte Mißtrauen verletzen; die Beschränkung auf Teile der Aussage werde der im Strafprozeß bestehenden Notwendigkeit einer Würdigung der gesamten Zeugenaussage nicht gerecht. Ausnahmen von der Vereidigungspflicht Im Vordergrund standen die Gesichtspunkte:
wurden in 12 Anträgen gefordert 82.
Unglaubwürdigkeit und Unwahrheit der Aussage, Unerheblichkeit der Aussage, Einvernehmen der Prozeßbeteiligten, daß Vereidigung nicht erforderlich sei.
Teils wurden die Gesichtspunkte miteinander kombiniert, teils mit einengenden materiellen und/oder prozessualen Voraussetzungen verknüpft. Überwiegend wurden fakultative Regelungen vorgeschlagen .
81
AaO. S.48f.
82
Prot.StrPr.,
83
Die Anträge lauteten: Die Beeidigung eines Zeugen darf unterbleiben, wenn das Gericht die Aussage einstimmig für offenbar unwahr hält und die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit der Unterlassung einverstanden sind. Die Beeidigung eines Zeugen kann unterbleiben, wenn das Gericht einstimmig die Aussage für offenbar unwahr hält. (wie 2, jedoch mit dem Zusatz:) und die Beeidigung weder von der Staatsanwaltschaft noch auch von der Verteidigung oder dem Angeklagten beantragt ist. Die Beeidigung kann unterbleiben, wenn das Gericht einstimmig die Aussage für unerhablich hält und die Beeidigung nicht beantragt ist. (wie 4, jedoch statt "unerheblich" "offenbar unerheblich"). Die Beeidigung eines Zeugen darf unterbleiben, wenn das Gericht die Aussage einstimmig für unerheblich hält und die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit der Unterlassung einverstanden sind. Die Beeidigung eines Zeugen kann unterbleiben, wenn das Gericht unter Zustimmung aller Prozeßbeteiligten die Beeidigung einer an sich erheblichen Aussage einstimmig für nicht erforderlich hält. Eine Beeidigung findet nicht statt, wenn die Mitglieder des Gerichts und die Parteien auf dieselbe verzichten. Die Beeidigung kann unterbleiben, wenn eine der Parteien die Nichtbeeidigung beantrag und die andere Partei dem Antrag zugestimmt hat. Die Beeidigung eines Zeugen darf unterbleiben, wenn das Gericht der Ansicht ist, daß es auf die Aussage nicht ankommt oder dieselbe bereits widerlegt oder auch ohne Beeidigung für völlig glaubwürdig anzusehen ist, und die Parteien (Staatsanwalt, Privatkläger, Nebenkläger, Beschuldigter) mit der Unterlassungeinverstanden sind. Von der Beeidigung kann auf einstimmigen Gerichtsbeschluß abgesehen werden, wenn ein Prozeßbeteiligter dies beantragt und die übrigen zustimmen. Von der Beeidigung darf jedoch nicht deshalb abgesehen werden, weil der Zeuge glaubwürdig
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
11.
7.Sitzung v. 19.März 1903, Bd 1, S.50 ff.
60
.Kapitel
Den lebhaftesten Widerspruch erfuhren jene Vorschläge, welche auf die Unwahrheit der Aussage Bezug nehmen wollten. Damit - so wurde eingewendet - würden "frivole Zeugen" geradezu ermuntert, möglichst frech zu lügen, um der Vereidigung zu entgehen. Die Ehre des nichtvereidigten Zeugen werde gebrandmarkt. Mit vorgezogenen Erwägungen über die Glaubwürdigkeit des Zeugen werde häufig die Beantwortimg der Schuldfrage antizipiert. Zu befürchten seien auch übereilte Schlüsse von der Unglaubwürdigkeit des Zeugen auf die objektive Unwahrheit der Aussage. Für die Unerheblichkeit und die Nichterforderlichkeit schließlich fehle ein objektiver Maßstab84. Eine Mehrheit fand hingegen der Antrag, die Nichtvereidigung des Zeugen von der einstimmigen Auffassung des Gerichts über die Unerheblichkeit und vom Einverständnis der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten abhängig zu machen85. Im schwurgerichtlichen Verfahren 86 sollte unter denselben Voraussetzungen die Vereidigung nur erfolgen, wenn einer der Geschworenen auf Befragen diese wünschte . Die Vereidigung von Sachverständigen sollte - wieder mit der erwähnten Maßgabe für schwurgerichtliche Verfahren - unterbleiben können, wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf sie verzichteten88 Auch in Übertretungssachen 89 sollte bei Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen unterbleiben können 90 , in Privatklagesachen
12.
84
ist. Überflüssige Beeidigung von Zeugen hat zu unterbleiben. Sie darf nur unterbleiben im Einverständnise von Gericht und Parteien. Die Beeidigung darf nicht unterbleiben lediglich aus Gründen des Zweifels an der Glaubwürdigkeit des Zeugen oder des Vertrauens in dieselbe. ProtStrPr.
Bd 1, S.52 f.
85
AaO. S.54 f. - Alle weiteren in diesem Zusammenhang gestellten Anträge (bis auf Antrag 6) wurden mit großer Mehrheit abgelehnt (aaO. S.54 f.). Antrag 6 (s. Fußn.10) wurde mit 11:0 Stimmen abgenommen. 86
Zum schwurgerichtlichen Verfahren der RStPO von 1877 und zu den Bemühungen um seine Reformierung sowie zu seiner Beseitigung durch die "Lex Emminger" vom 4.Jan. 1924 s. ausführlich Vormbaum, Lex Emminger, Abschnitt 10. 87 AaO. S. 55 f. - Die konträren Auffassungen hierzu: Bei der Wichtigkeit der vor die Schwurgerichte gehörenden Sachen und bei der Feierlichkeit dieses Verfahrens schade es nichts, wenn hier einige unerhebliche Eide geleistet würden. - Andererseits: Gerade hinsichtlich der Schwurgerichte bestehe ein praktisches Bedürfnis für eine Einschränkung der Eidesleistungen, da hier jeder auch nur entfernt in Betracht kommende Zeuge geladen werde und deshalb häufig unerhebliche Aussagen vorkämen. 88
AaO. S. 57.
89
ProtStrPr.,
90
9.Sitzung v.21.März 1903, Bd 1, S.69 ff.
AaO. S.70 (einstimmig angenommen). - Abgelehnt wurden Anträge, welche in diesen Verfahren die Vereidigung ersatzlos beseitigen oder durch die Eidesstattliche Versicherung ersetzen oder ihren Wegfall durch die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage kompensieren wollten.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
61
die Vereidigung von Zeugen, wenn die Parteien auf sie verzichteten und kein Mitglied des Gerichts sie beantragte 91 .Die Heiligkeit des Eides werde besonders verletzt, wenn er wegen geringfügiger Sachen abgenommen werden müsse, zumal die Volksüberzeugung "die rein polizeilichen Delikte gar nicht als eigentliche Straftaten bewerte" 92. Freilich sei ein genereller Ausschluß von Eidesabnahmen in Übertretungsverfahren nicht zu rechtfertigen 93. In Privatklageverfahren seien in der Regel - ähnlich wie im Zivilprozefi - die Zeugen den Parteien bekannt; daher bestehe in Fällen beiderseitigen Verzichts auch ohne Eidesleistung eine Gewähr für wahrheitsgemäße Aussagen94.
Zur Frage, ob auch eine im selben Strafverfahren abgegebene Falschaussage ein Vereidigungsverbot nach § 56 Nr 3 RStPO auslösen solle, lagen mehrere Anträge vor-sie forderten, derartige Falschaussagen nicht als "Begünstigung" aufzufassen bzw. an diese Begünstigungsfälle nicht die prozessuale Folge des § 56 Nr 3 StPO zu knüpfen 96. Die Praxis der Reichsgerichts97, auch in diesen Fällen die Vereidigung für unzulässig zu erklären, ermögliche dem Zeugen, der im Vorverfahren frech lüge, sich der Vereidigung und damit der Bestrafung wegen Meineides entziehen98. Die Kommissionsmehrheit mochte indes ein Regelungsbedürfnis nicht anerkennen. Der befürchtete Fall komme selten vor, schon deshalb, weil der Zeuge sich der Bestrafung wegen Begünstigung aussetze99. Liege aber Begünstigung vor, so werde der Zeuge durch die Vereidigung in die Zwangslage versetzt, entweder einen Meineid zu schwören oder durch Berichtigung der falschen Aussage seine strafrechtliche Verfolgung wegen Begünstigung herbeizuführen 100. Weiter wurde empfohlen, für Zeugen den obligatorischen Nacheid einzuführen 101. Wie schon bei den ge-
91 AaO. S.71 f. (mit 16 gegen 1 Stimme angenommen). - Abgelehnt wurde ein Antrag, der die Regelung auf Angehörige des Privatklägers beschränken wollte. 92
AaO. S.70.
93
AaO. S.70 f.
94
AaO. S.72
95
AaO. S.72 f.
96
AaO. S.73.
97
Vgl. RG-Rspr.Str. 6,214; RG, GA 35,304; RGSt 28,111.
98
Prot.StrPr.
aaO. S.73.
99
Zur Entwicklung des Verhältnisses von "Begünstigung" und "Strafvereitelung" s. für die Zeit bis 1870: Dersch, Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige in der gemeinrechtlichen Strafrechtsdoktrin bis zum Erlaß des Reichsstrafgesetzbuchs. Göttingen 1980. (Dazu Rez. von Holzhauer, ZNR 1981, 218 ff.); für die Zeit bis 1974 Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.375 ff. 100 ProtStrPr. aaO. S.73. Gegen den erstgenannten Antrag war ferner eingewendet worden, er sei unannehmbar, weil er vom Prozeß her das materielle Recht festlege. Der Antrag wurde daraufhin zurückgezogen. Der zweite Antrag wurde mit 14:3 Stimmen abgelehnt (aaO.). 101
AaO. S.58.
62
.Kapitel
scheiterten Novellierungsversuchen von 1895 und 1899102 wurde argumentiert, der vom bereits geleisteten Eid erhoffte Eindruck trete bei geringem geistigen Fassungsvermögen des Zeugen nicht immer ein und könne im Laufe der Vernehmung verblassen; auch könne gerade er den Zeugen in Unruhe versetzen und ihn so an der erforderlichen Sammlung hindern. Der Voreid erschwere den Widerruf falscher Zeugenaussagen; auch führe er leicht zu unzulässigen Vereidigungen. Die beschlossene Einschränkung der Eide bei unerheblichen Aussagen werde nur praktisch werden können, wenn man den Nacheid einführe 103. Hingegen solle der Sachverständige regelmäßig vor Erstattung des Gutachtens vereidigt werden 104. Dadurch werde sein Eid dem Diensteid des richterlichen Beamten angenähert und seine Stellung als Gehilfe des Gerichts betont. Auch könne er leichter - etwa unter dem Eindruck anderer Gutachten - seine unter Eid bekundete wissenschaftliche Überzeugung korrigieren. Schließlich stehe bei ihm ein etwaiger Grund, der zum Unterlassen der Vereidigung nötige, im allgemeinen schon vor der Aussage fest 105 . Der Zeuge sollte im Anschluß an die vom Vorsitzenden vorzusprechende Eidesnorm nur noch mit der Eidesformel "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" antworten 107. Der Vorschlag, ihm auf sein ausdrückliches Ersuchen zu gestatten, die religiöse Beteuerungsformel wegzulassen, wurde abgelehnt. Der auf Gottesleugner ausgeübte Zwang zur Ableistung einer religiösen Formel sei nicht gravierend 108, während es andererseits bedenklich sei, die Beifügung der Beteuerungsformel in das Belieben des Zeugen zu stellen. Der Eid würde damit einen wesentlichen Teil seiner Kraft, auf den Zeugen zur Aussage der
102
Ibd. - Vgl. Sten.Ber.RT., IX. Leg.Per., 4.Session 1895/97, Drucksache Nr 73, Bd 9 ( = Anlagenbd 1), S.341 f.; Sten.Ber.RT., X. Leg.Per., l.Session 1898/99, Drucksache Nr 108, Bd 9 (= Anlagenbd 2), S.937 f. 103
ProtStrPr.
aaO. Bd 1, S.58 f.
104
ProtStrPr.,
8.Sitzung v.20.März 1903, Bd 1, S.60.
105
Ibd. - Bis zu einer Umgestaltung des Ermittlungsverfahrens sollte es nach Auffassung der Kommission beim Grundsatz der Vereidigung in der Hauptverhandlung bleiben (aaO. S.6o f.). Ausnahmsweise sollte Vereidigung bereits im Vorverfahren zulässig sein, wenn sie als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für den Zweck des Vorverfahrens oder als Unterlage für zu treffende Entscheidungen über Verhaftung, Unterbringung in eine öffentliche Irrenanstalt, Durchsuchung oder Beschlagnahme erforderlich erschien (einstimmig angenommen; aaO. S.64). 106
Sie entspricht der heutigen Fassung des § 66c Abs.l StPO.
107
Beschlossen mit 19: 1 Stimmen; ProtStrPr.
108
Bd 1, S.65 f.
AaO. S.66: Ein religiöses Bekenntnis werde dem Schwörenden mit der Anrufung Gottes nicht abverlangt. Deshalb könne "auch der Atheist ohne Gewissensbedenken die religiösen Worte in der gesetzlichen Eidesform aussprechen". Eher schon schien der Mehrheit der Kommission das Bedenken zu beeindrucken, es könne auf religiös gesinnte Menschen verletzend wirken, wenn sie sähen, daß ein Gottesleugner Gott zum Zeugen anrufe. Diese Bedenken wurden aber mit dem Hinweis ausgeräumt, dieses Empfinden werde auch dann verletzt, wenn der Gottesleugner den Eid ohne religiösen Zusatz leiste.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
63
Wahrheit einzuwirken, einbüßen109. - Hingegen sei eine Klarstellung ins Gesetz aufzunehmen, daß das Hinzufügen einer dem Glaubensbekenntnis des Zeugen entsprechenden Bekräftigungsformel die Eidesleistung nicht ungültig mache110. Entsprechendes sollte für Sachverständige gelten, jedoch sollte dort die bisherige Eidesnorm 111 beibehalten werden . Der erneut vernommene Zeuge sollte die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den bereits geleisteten Eid versichern können113. Der Vorteil, hierdurch die Zahl der Eide zu verringern, überwog nach Ansicht der Kommissionsmehrheit dogmatisch-konstruktive Bedenken114. Auf die Problematik der Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen im Strafverfahren verwendete die Kommission eine eigene Tagung 1 1 5 , 1 1 . Eine solche Strafnorm wurde von drei Antragstellern gefordert 117. Einer von ihnen verlangte global die Poenalisierung "uneidlicher falscher Aussagen vor Gericht , die beiden anderen enthielten detaillierte Vorschläge, die an die Diskussionsergebnisse der oben geschilderten Reichstagsdebatten anknüpften und daher in den meisten Punkten übereinstimmten. Auch in der späteren gesetzlichen Regelung von 1943 ist ihre Spur noch sichtbar. Beide Anträge wollten den Täterkreis der uneidlichen Falschaussage auf Zeugen und Sachverständige begrenzen 119 und nur diejenigen Aussagen erfassen, welche vor einer zur
109
Ibd.
110
Abgelehnt wurde aber der Vorschlag, dem Schwörenden ausdrücklich zu gestatten, den Schlußworten der Eidesformel eine seinem Glaubensbekenntnis entsprechende Bekräftigungsformel hinzuzufügen (aaO. S.67). - Die von der Kommission beschlossene Formulierung rezipierte die entsprechende Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGSt 6,44). 111
§ 79 RStPO (s. Synopse II).
112
AaO. S.68.
113
Nach § 66 RStPO war dies nur möglich, wenn der Zeuge in demselben Korverfahren oder in demselben Hauptvcrfahren nach der Vereidigung nochmals aussagte. 114 ProtStrPr., 9.Sitzung v.21.März 1903, Bd 1, S.69 f. (15:2 Stimmen). - Aus der Mitte der Kommission war geltend gemacht worden, die Verweisung auf einen früher geleisteten Nacheid sei unlogisch. Ein diesen Bedenken Rechnung tragender Antrag wurde wegen zu großer Schwerfälligkeit mit 12:6 Stimmen abgelehnt. 115
ProtStrPr.,
14.Sitzung v.7Juli 1903, Bd 1, S.105 ff.
116
Die Kommission interpretierte ausdrücklich ihren Auftrag dahin, daß er sich nur auf Falschaussagen im Strafverfahren beziehe (AaO. S.107). 117
AaO. S.105-107.
118
AaO. S.105, Antrag 1.
119
Möglicherweise nur wegen der von der Kommission beschlossenen Beschränkung auf den Strafprozeß; s.o. b. Fußn.41.
64
.Kapitel
Eidesabnahme befugten Behörde abgegeben waren 120. Als Strafmaß wurde übereinstimmend Gefängnis von einer Woche bis zu zwei Jahren vorgeschlagen121, jedoch sollte bei Eintreten der in δ 154 Abs.2 RStGB genannten schweren Folgen eine drastische Strafschärfung eintreten 122 . Andererseits sollten die §§ 157,158 RStGB auch auf die falsche uneidliche Aussage Anwendung finden 123 . Beide Antragsteller wollten die Strafbarkeit nicht von einem vorangegangenen Hinweis auf die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen abhängig machen, jedoch wollte einer von ihnen 124 den Mangel des Hinweises ausdrücklich als mildernden Umstand behandelt sehen. Dieser Antragsteller schlug ferner vor, die §§ 159, 160 RStGB auf den uneidlich falsch Aussagenden auszudehnen, andererseits Straflosigkeit eintreten zu lassen, falls der Punkt, über den die Falschaussage erstattet worden war, sich als für die Sachaufklärung völlig unerheblich erweisen sollte, oder falls der Aussagende später selber Beschuldigter in Ansehung der Tat werde, bezüglich derer er vernommen worden war 125 .
Die Strafbarkeit fahrlässiger uneidlicher Falschaussagen hielt der eine Antrag nicht für regelungsbedürftig 126, der andere wollte sie mit Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten bedrohen, bei Widerruf jedoch unter den in § 163 RStGB genannten Voraussetzungen127 Straflosigkeit eintreten lassen128. Für die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen wurde vorgetragen: - Hauptgrund der Bestrafung des Zeugenmeineides sei nicht nicht die Verletzung religiöser Pflichten, sondern die durch falsches Zeugnis herbeigeführte Gefahrdung der Rechtspflege. Die falsche uneidliche Aussage sei deshalb bei Zeugen und Sachverständigen das Grunddelikt, der Meineid die Qualifikation 1 2 9 .
120
Antrag 3 übernahm insoweit die Formulierung des § 154 RStGB:"vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde". Antrag 2 schlug die später Gesetz gewordene Formulierung "vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Behörde" vor. 121 Beide Anträge wollten den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zulassen, Antrag 2 darüber hinaus Geldstrafe bis zu 1000 Mark. 122 Antrag 2 schlug Gefängnis nicht unter drei Jahren neben Geldstrafe bis zu 1000 Mark vor, Antrag 3 Zuchthaus bis zu fünf Jahren. 123
Antrag 2 schlug vor, im Falle des § 158 RStGB Straflosigkeit eintreten zu lassen. Antrag 3 wollte Geldstrafe bis zu 600 Mark zulassen. 124
Antrag 2 (Pkt d).
125
Antrag 2 (Pkte e, h und i).
126
Antrag 2 (Pkt c).
127
Zu deren Entstehung s.o. 3.Kap. b.Fußn. 21; Text s. Synopse /.
128 Ein vierter Antragsteller hatte lediglich für den Fall, daß die - von ihm abgelehnte Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage beschlossen werden sollte, Eventualanträge gestellt. Sie betrafen die Strafbarkeit der fahrlässigen uneidlichen Falschaussage, die Verleitung zur uneidlichen Falschaussage sowie die Pflicht zur Belehrung über die Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage. 129
ProtStrPr.
aaO. S.107.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
65
- Bereits nach geltendem Recht kämen unbeeidete Zeugenaussagen als Beweismittel in Betracht; sie müßten in ihrer Zuverlässigkeit sichergestellt werden; das Strafgesetzbuch weise hier"eine nicht zu rechtfertigende Lücke" auf 130 . - Ein praktisches Bedürfnis für die Strafdrohung bestehe vor allem für das Vorverfahren, wo die uneidliche Aussage die Regel bilde 131 . - Vor allem im österreichischen, italienischen, belgischen, russischen und überwiegend auch im schweizerischen Strafrecht stehe die uneidliche Falschaussage unter Strafe^ 33. Wenn das frühere preußische und in seiner Nachfolge das deutsche Strafgesetzbuch einen anderen Standpunkt einnähmen, so beruhe dies darauf, daß Zeugen, die nach geltendem Recht uneidlich zu vernehmen seien, nach preußischem Strafprozeßrecht nur als Auskunftspersonen angesehen worden seien 134 - Personen, welche unvereidigt zu vernehmen seien135, könnten bislang ungestraft die Unwahrheit sagen136. Eidesunmündige (§ 56 Nr 1 RStPO) besäßen indes häufig durchaus die Einsicht, um die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage zu erkennen; Eidesunfähige (§ 56 Nr 2 RStPO) müßten in den - freilich seltenen - Fällen ihrer Vernehmung zur Wahrheit angehalten werden können; Teilnahme-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtige (§ 56 Nr 3 RStPO) könnten vom Auskunftsverweigerungsrecht (§ 54 RStPO), Angehörige des Beschuldigten (§ 57 RStPO) vom Zeugnisverweigerungsrecht (§ 51 RStPO) Gebrauch machen137. - Auch im juristischen Schrifttum werde von zahlreichen Stimmen eine Strafvorschrift gegen falsche uneidliche Aussagen gefordert 138. - Werde, wie von der Kommission empfohlen 139, der Zeuge bei Unerheblichkeit seiner Aussage nicht vereidigt, so sei die Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage immer noch im Hinblick
130
Ibd.
131
Ibd.
132
Damals noch auf Kantonsebene normiert.
133
Zur Entwicklung der Rechtspflegedelikte im österreichischen Recht s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.15 ff.; zur Regelung der Aussagetatbestände Herrmann, Aussagetatbestände S.35. - Rechtsvergleichende Informationen b.Herrmann S.48 ff.; Vormbaum, S.56 f.; ferner Stooß, Meineid aaO. S.314 ff. 134 Prot.StrPr. b. Fußn.19. 135
aaO. S.107 ff. - Zu den Auskunftspersonen im preußischen Recht s.o. 2.Kap.
Vgl. o. 4.Kap.sub I (= §§ 56,57 RStPO; s. Synopse II).
136
Dieses in den Diskussionen der folgenden Jahrzehnte immer wieder auftauchende Argument vernachlässigte freilich, daß die Bestrafung unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten (zB. persönliche Begünstigung, §§ 257,258 RStGB; falsche Anschuldigung, § 164 RStGB; verleumderische Beleidigung, § 187 RStGB; Freiheitsberaubung, § 239 RStGB) unberührt blieb. Vgl. auch noch u.b. Fußn.147. 137
AaO. S.109.
138
Genannt wurden Mittermaier, John, Berner, Hälschner, Heffter, Heinze, Hugo, Mayer, v.Lisz Binding, v.Schwarze, Brettner, Wittich, Gall, Rotering, Stenglein, Kade, Lukas. Zur Auffassung CJA.Mittermaiers, Bindings und v.Liszts s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.144 ff. 139
Vgl. o.b.Fußn.85.
66
.Kapitel auf das Verschweigen erheblicher Umstände von Bedeutung140.
- Eine Überhäufung der Staatsanwaltschaften mit fälschlichen Denunziationen sei nach den österreichischen Erfahrungen nicht zu befürchten 141 . - Die Änderung des bestehenden Rechtszustandes sei "im Interesse der Autorität des Staates, des Ansehens der Gerichte und der öffentlichen Moral" dringend geboten142.
Die Kommission beschloß mit großer Mehrheit 143 , die gestellte Frage zu verneinen. Maßgebend waren folgende Gründe 144 : - Ein allgemeines Recht des Staates auf Wahrheit bestehe nicht. Dies ergebe bereits die Beschränkung des Meineidstatbestandes auf Aussagen vor eidesbefugten Behörden 145 . - Der Meineid könne nicht als bloßer qualifizierter Fall der uneidlichen Falschaussage charakterisiert werden. Wäre dies der Fall, so müßte die Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage folgerichtig zur Abschaffung des Eides führen, denn zum einen könne das religiöse Moment in der Beteuerungsformel vom Standpunkte des Staates aus nicht straferschwerend sein, zum anderen widerspreche es dem Zwecke des Strafverfahrens, zwei Mittel zur Erzwingung wahrer Aussagen einzusetzen; soweit es auf die Erforschung der Wahrheit ankomme, müsse stets zum stärksten Mittel gegriffen werden 146 . - Ein praktisches Bedürfnis für die erhobene Forderung bestehe nicht. Von falschen Aussagen könnten die Zeugen schon durch die Strafdrohungen der §§ 187 und 257 RStGB (Verleumdung, Persönliche Begünstigung) abgehalten werden 147 . - Empfehle die Kommission, die Vereidigung tunlichst bis zur Hauptverhandlung hinauszuschieben, so geschehe dies in der Absicht, dem Zeugen bis dahin die Möglichkeit zur Berichtigung der falschen Aussage zu lassen. Mit dieser Absicht stehe die Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage in Widerspruch, u.zw. auch dann, wenn man bei rechtzeitigem Widerruf Straffreiheit gewähre. Meistens werde dem Zeugen die Wirkung des Widerrufs unbekannt sein; häufig könne er vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 158 RStGB auch nichts wissen. Er werde daher, um der Gefahr der Bestrafung zu entgehen, sich lieber auch noch des Meineides schuldig machen als zu widerrufen 148. - Personen, die nach dem Gesetz unvereidigt bleiben könnten oder müßten, wegen falscher uneidlicher Aussage zu bestrafen, widerspreche jenem Gedanken des Gesetzgebers, der zur
140
AaO. S.109.
141
Ibd.
142
AaO. S.109. - "Erst (sie!) durch die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage werde dem Volk zum Bewußtsein gebracht, daß man vor Gericht unbedingt die Wahrheit zu sagen habe". 143
12:6 Stimmen; aaO. S.107.
144
AaO. S.110ff.
145
AaO. S.110.
146
Ibd.
147
Ibd.
148
AaO. S.111.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
67
unbeeidigten Vernehmung gerade dieser Personenklassen geführt habe. Das Gesetz mute den in §§ 56,57 RStPO genannten Personen entweder nicht die geistige Reife oder nicht die "Größe der Gesinnung" zu, daß sie die Wahrheit sagen würden und wolle sie vor den schweren Folgen des Meineides bewahren, indem es ihre Vereidigung untersage oder wenigstens von einem Beschluß des Gerichts abhängig mache. Folgerichtig könne das Gesetz dann nicht ihre uneidliche Falschaussage mit Strafe bedrohen1 . - Angehörige des Beschuldigten, die nicht von ihrem Aussageverweigerungsrecht, wohl aber von ihrem Eidesverweigerungsrecht Gebrauch machen wollten, würden sich dem Verdacht ausgesetzt sehen, unwahr ausgesagt und damit sich strafbar gemacht zu haben. Es sei auch aus prozessualer Sicht unerfreulich, wenn dieser Personenkreis deswegen verstärkt von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen würde 150 . - Eine erzieherische Wirkung der Bestrafung sei nicht zu erhoffen, denn die Strafbarkeit stehe nicht im Einklänge mit dem Rechtsbewußtsein des Volkes, wie es sich auf Grund des geltenden Rechtes im Laufe der Zeit herausgebildet habe l s l . - Die Furcht vor einer Zunahme unbegründeter Denunziationen sei nicht grundlos. Andererseits würden unbegründete Anklagen gegen Schuldige kaum verhindert, denn die meisten Anklagen erfolgten nur aufgrund polizeilicher Ermittlungen, die Bestrafung: der falschen Aussagen vor der Polizeibehörde werde aber von keiner Seite befürwortet 1 .
Aufgrund ihrer Entscheidung sah die Kommission sich der Beantwortung der Folgefragen enthoben. In der zweiten Lesung im Jahre 1905153 wurden die gefaßten Beschlüsse bestätigt. III. Carl Stooß in der "Vergleichenden Darstellung" (1906) Kurz nach der Veröffentlichung der Beratungsprotokolle und Beschlüsse der Kommission erschien 1906 das von Carl Stooß verfaßte Gutachten über den Meineid 155 im Rahmen der von der Reichsregierung in Auftrag gegebenen "Vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Straf-
149
Ibd.
150
AaO. S.112.
151
Ibd.
152
AaO. S.112 und 111.
153
ProtStrPr., 77.Sitzung v. 22.Februar 1905, Bd 2, S.217 ff., hier S.222 ff.; 78.Sitzung v. 23.Februar 1905, Bd 2, S. 226 ff. 154 Zur Person: E.Hafter, Carl Stooss; in: HSchultheß (Hrsg.),Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre (Zürich 1945), S.361 ff.; neuerdings: RMoos, Carl Stooß in Österreich; in: SchwZStrR 1988, 35 ff. 155
s.Lit.Verz.
68
.Kapitel
rechts" 156. Stooß fordert in bewußter Frontstellung gegen die Vorschläge der Kommission die Abschaffung des Eides 157. Gläubige Menschen würden durch den Eid beunruhigt und evtl. in ihrer Konzentration geschwächt, Nichtgläubigen bedeute er nicht mehr als eine unter Strafdrohung stehende uneidliche Aussage158. Da die freie Beweiswürdigung die Bindung des Richters an die beeidete Aussage nicht erlaube, fördere der Eid die prozessuale Wahrheitserforschung nicht wesentlich . Der Eideszwang beinhalte den Zwang zu einer religiösen Handlung und verletze damit die Gewissensfreiheit 160. Die bestehende Rechtslage sei überdies insoweit ungerecht, als sie den Gläubigen, nicht aber den Ungläubigen unter gewissen Voraussetzungen vom Eid befreie 1 6 1 . Gerecht sei nur eine Regelung, die die Möglichkeit des nichtreligiösen Eides - d.h. des Eides ohne Anrufung Gottes - oder der bürgerlichen Wahrheitsversicherung eröffne. Verzichte man gänzlich auf eine Bekräftigung, so stelle sich freilich die Frage nach der Strafbarkeit der falschen Beweisaussage als solcher 162. Hier sei vorab zu berücksichtigen, daß diejenigen Zeugen, welche das deutsche Strafprozeßrecht von der Eidespflicht befreie, "verdächtige Zeugen" seien, die das Gesetz "nicht als vollkommene Beweispersonen anerkenne)". Mit Ausnahme der wegen Meineides verurteilten Eidesunwürdigen verdienten diese Zeugen eine "weitgehende Rücksicht des Gesetzgebers" und es liege keine Veranlassung vor, ihretwegen die Bestrafung uneidlicher Aussagen einzuführen 163. Es sei ein glücklicher Zufall, daß sie nach geltendem Recht nicht wegen falschen Zeugnisses bestraft werden könnten164. Was ferner die im Vorverfahren vernommenen Personen angehe, so dienten ihre Bekundungen mehr der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung als der Entscheidungsfindung des erkennenden Gerichts; werde aber infolge der falschen Bekundung das Verfahren eingestellt, so bleibe die Möglichkeit einer Bestrafung wegen Begünstigung. Somit gebe es kein zwingendes Bedürfnis, diese beiden Personengruppen in größerem Umfang als
156
Dazu Eb.Schmidt, Einführung S.394 f. - Gegenstand der vorliegenden Studie sind an sich die Reformmaterialien und Gesetzestexte.Einen Überblick über literarische Meinungsäußerungen bis 1933 gibt der V. Abschnitt des 7. Kapitels. Wegen des offiziösen Charakters der "Vergleichenden Darstellung" werden die rechtspolitischen Forderungen von Stooß bereits hier im Zusammenhang vorgestellt. 157 In der dritten Abteilung seiner Darstellung; s. Stooß, Meineid aaO. S.379 ff. (Überschrift: "Gesetzgebungsfragen"). 158
AaO. S.386.
159
AaO. S.387.
160
S.388.
161
Ibd. - Vgl.o. 3.Kap. b.Fußn. 66 ff.
162
S.389.
1 0
S.391.
164
S.398.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
69
bisher zu bestrafen; dann sei aber Bestrafung insoweit auch nicht gerechtfertigt, denn: 7m Zeifel ist gegen die Ausdehnung der staatlichen Strafgewalt zu entscheiden, und es ist immerein Gewinn, wenn der Staat nicht straf en muß" 16 Von diesem Gedanken geleitet ist audi Stooß 9 Forderung, nur diejenigen falschen Aussagen zu bestrafen, die von "prozessualischen Beweispersonen" in dieser Eigenschaft abgegeben worden seien166. Ihre Brisanz erhält die Forderung durch ihre Verbindung mit der prozessualen Forderung, "jede Person, die nicht in der Lage ist, eine zuverlässige Beweisperson zu sein, nicht nur vom Eide, sondern auch von der Pflicht (zu) entbinden .., in einem Prozeß Beweisperson zu sein"167. Bei dennoch erfolgter Vernehmung soll nicht nur - wie in § 157 RStGB angeordnet - Strafmilderung, sondern Straffreiheit eintreten 168. Erwogen werden soll ferner die Beschränkung der Strafbarkeit auf Aussagen zur Sache169. Strafbefreiender Widerruf soll so lange möglich sein, wie "der Richter die Aussage noch nicht als Erkenntnisquelle für sein Urteil über den Sachverhalt gewürdigt hat" 170 . Die in § 158 aufgestellte Voraussetzung, daß noch kein Rechtsnachteil für einen anderen aus der falschen Aussage entstanden sein dürfe, hält Stooß für verfehlt. Nach Ansicht von Stooß kann der Tatbestand der falschen Versicherung an Eidesstatt ebenso ohne Not entbehrt werden wie der Tatbestand der fahrlässigen Falschaussage171; auch einen Grund, gerade bei den Aussagedelikten die versuchte Anstiftung unter Strafe zu stellen, erkennt er nicht 172 ; die Verleitung zum Falscheid bedürfe - da ein Fall der mittelbaren Täterschaft - keiner besonderen Normierung 173. Seit dem Gutachten von Stooß ist in unserem Themenbereich nie wieder eine offizielle oder offiziöse Stellungnahme aufgetaucht, die in solcher Konsequenz gleichzeitig auf der prozessualen Ebene die Konfliktsituation von Aussagepersonen berücksichtigt, auf der materiellrechtlichen Ebene die Zurückführung des Strafrechts auf das unbedingt Erforderliche zum Maßstab der
165
S.391.
166
S.393.
167
S.396.
168
S.399.
169
Ibd.
170
S.399.
171
S.396 bzw.406.
172
S.401.
173
S.403.
70
.Kapitel
Kriminalpolitik macht 174 . IV. Entwurf von 1908/09 1. Inhalt und Begründung Auf der Grundlage der 1905 veröffentlichten Verhandlungen und Beschlüsse der Kommission und der an ihnen geübten Kritik 175 sowie unter Berücksichtigung früherer Vorlagen und Beschlüsse des Reichstages176 wurde von der Reichsregierung in Abstimmung mit den Bundesregierungen der Entwurf einer Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz und der Entwurf einer neuen Strafprozeßordnung nebst Einführungsgesetz 177 erarbeitet 178 und am l.September 1908 veröffentlicht (E StPO 1908)179. Der StPO-Entwurf hält in § 57 am Grundsatz der obligatorischen Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen fest, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Zeugnisverweigerungsberechtigte, die von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben, können die Beeidigung der Aussage verweigern 180. Vereidigungsverfrote sind aufgestellt für Eidesunmündige, Eidesunfähige und Beteiligungsverdächtige181. Nach richterlichem Ermessen können unvereidigt bleiben die wegen persönlicher Beziehung zum Verdächtigen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen182,die in entsprechender Beziehung zum Privatklä-
174 Die Zusammenfassung der Vorschläge von Stooß in dessen eigener Formulierung (AaO. S.408): "Nur die falsche prozessuale Beweisaussage ist zu bestrafen. - Wird der Eid beibehalten, so ist der Eideszwang aufzuheben. Die falsche bürgerliche Versicherung des Eidesverweigerers ist gleich dem Meineid zu bestrafen. - Anstiftung zum Meineid und Verleitung zum Falscheid unterliegen den allgemeinen Bestimmungen. - Die Zwangslage einer Person schließt sie vom Zeugnis aus. Die Zwangslage schließt die Strafe aus, wenn die Person als Zeuge falsch ausgesagt hat. - Rechtzeitiger Widerruf hebt die Strafbarkeit auf. - Falsche Versicherung an Eidesstatt, fahrlässiger Falscheid und Eidesbruch sind nicht strafbar." 175 Zusammenstellung der Reformforderungen zu allen Bereichen desStrafprozeßrechts bis 1912 b. Hegler, ZStW 1912,115 ff. 176
s. die Zusammenstellung in: EStPO 1908 Begr. Sp.135 ff.
177
Hier zitiert nach dem Sonderabdruck, Berlin 1908 (Sonder-Beilage für die Abonnenten der Deutschen Juristen-Zeitung). 178 Zur redaktionellen Vorgeschichte s. Begr. E StPO 1908 Sp. 191 ff.; Intrat or, Strafprozeßentwurf S.15 f.; Hegler, ZStW 1912, 115. 179 Zur öffentlichen Kritik, insb. seitens juristischer Standesorganisationen s. die Zusammenstellung b. Hegler, ZStW 1908,543, ZStW 1912, 116 f. 180
§ 57 Abs.2 EStPO 1908.
181
§ 59 EStPO 1908.
182
§ 59 Ziff.l EStPO 1908; vgl. § 50 EStPO 1908 und § 52 Abs.l StPO.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
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ger stehenden Personen 183, sowie schließlich alle Zeugen hinsichtlich der Auskunft auf Fragen, deren Beantwortung ihnen oder einem ihrer Angehörigen die Gefahr str^gerichtlicher Verfolgung hätte zuziehen oder zur Unehre gereichen können1 .Darüber hinaus unterbleibt generell in erstinstanzlichen Amtsgerichtsverfahren die Vereidigung, wenn der Vorsitzende sie nicht für erforderlich erachtet und weder ein Mitglied des Gerichts noch - auf Befragen - ein Prozeßbeteiligter sie vor dem Schluß der Beweisaufnahme verlangt . In anderen Verfahren darf die Vereidigung eines Zeugen unterbleiben, wenn seine Aussage von allen Mitgliedern des Gerichts und den anwesenden Prozeßbeteiligten für unerheblich erachtet wird 186 . § 61 EStPO 1908 sieht für Zeugen den obligatorischen Nacheid vor. Der Zeuge soll gem. § 62 nicht mehr die Eidesnorm, sondern nur noch die Eidesormel "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" sprechen. Für Sachverständige tritt an die Stelle des obligatorischen Voreides (§ 79 RStPO) die wahlweise Vereidigung vor oder nach der Gutachtenerstattung 187. Für die Vereidigung von Sachverständigen gelten die für die Vereidigung von Zeugen aufgestellten Regelungen entsprechend 188. Ihre Vereidigung unterbleibt jedoch stets, wenn der Vorsitzende sie nicht für erforderlich erachtet und kein Mitglied des Gerichts und - auf Befragen - auch kein Prozeßbeteiligter sie verlangt 189 .
In der amtlichen Begründung zum StPO-Entwurf wird - wie in allen Vorlagen seit 1884 - die Verbesserung der "geltenden Vorschriften über die Pflicht zur Ableistung des Zeugnisses und zur Beeidigung der Aussage sowie über das Verfahren bei Eidesleistungen"190 als ein "Hauptziel der Reform" bezeichnet 191 . Als Kritikpunkte gegenüber dem bestehenden Rechtszustand werden abermals genannt: die zu geringe Rücksichtnahme auf Konfliktsituationen von Aussagepersonen, die schädlichen Auswirkungen zu häufiger Eidesleistun-
1 0
§ 59 Ziff.2 EStPO 1908; s.dazu Begr. E StPO 1908,, Sp.212.
184
§ 59 Ziff.3 EStPO 1908.
185
§ 60 Abs.l EStPO 1908. - Die Bezugnahme auf Amtsgerichtssachen eröffnete dieser Neuerung eine besondere Tragweite, weil nach dem gleichzeitig vorgelegten Novellierungsentwurf zum GVG (§ 23 Abs.2) die Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit des Amtsgerichts durch Anklage bei ihm begründen können sollte (Begr. EStPO 1908, Sp.212). Vgl. heute § 24 Abs.l Ziff.3 und § 25 Ziff.3 GVG; zur Vorgeschichte dieser Vorschriften und zur Kritik an ihnen s. Vormbaum, Lex Emminger S.85 ff. 186
§ 60 Abs.2 EStPO 1908.
187
§ 77 Abs.l S.1 EStPO 1908.
188
§ 70 Abs.l EStPO 1908.
m
§ 77 Abs.3 EStPO 1908.
190
Begr. EStPO 1908, Sp. 158.
191
AaO. Sp.141; vgl.o.b. Fußn.2.
72
.Kapitel
gen 192 , sowie die Unzweckmäßigkeit der Eidesabnahme in der Form des Voreides 193. Im Strafverfahren könne zwar nicht wie im Zivilprozeß schlechthin ein Verzicht der Prozeßbeteiligten auf die Zeugenvereidigung auch gegen den Willen des Richters zugelassen werden; jedoch verdiene auch hier die Auffassung der Beteiligten "in gewissem Umfang Berücksichtigung". Ein wesentlicher Beitrag zur Verhütung "bedenklicher Eidesleistungen" sei vor allem von jenem Vorschlag zu erwarten, der die uneidliche Vernehmung in Betreff solcher Aussageteile zulasse, die für den Zeugen verfänglich seien. Auch die vorgesehene Ersetzung des Voreides durch den Nacheid werde "zweifellos von Einfluß auf die Verminderung der Eidesleistungen" sein. Namentlich werde sie "verhindern, daß bei Zeugen, welche die Beeidigung ihrer Aussage verweigern dürfen oder von Amts wegen unvereidigt gelassen werden können, die maßgegenden Tatsachen erst erkannt werden, wenn die Vereidigung bereits erfolgt ist" 194 . Die Verkürzung der Vereidigungsprozedur solle die Eideshandlung "einfacher und eindrucksvoller" gestaltet . 2.Beratung im Reichstag Nachdem die Entwürfe im Bundesrat diskutiert worden waren, wurden sie im März 1909 196 und - nach dem Ende der Session - erneut im November desselben Jahres 197 dem Reichstag vorgelegt. In dem hier interessierenden Bereich ist die Fassung des StPO-Entwurfes mit der usprünglichen Fassung identisch 198 . Der Reichstag beriet den Entwurf im Januar 1910 in erster Lesung und überwies in zur weiteren Beratung an seine 7.Kommission. Diese beriet ihn in zwei Lesungen und legte Anfang 1911 ihren Bericht vor 2 0 0 .
192
Übersicht über Vorschläge im Schrifttum zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren b. Hegler, ZStW 1912, 703, Fußn.170. 193 AaO. Sp.158 f.; s. auch Sp.160 a.E.; Übersicht über Anhänger und Gegner b. Hegler aaO. Fußn.171. 194
AaO.Sp.161.
195
Ibd. - Zustimmend zu den Eidesbestimmungen des Entwurfes Paucke, GS 1909,158; eher 1 kritisch v.Lilienthal, ZStW 1909,552 f. 196
Sten.Ber.RT, XII.Leg.Per., I.Session, Drucksache Nr. 1310, Bd 254 (mit eigener Paginie-
rung). 197
Sten.Ber.RT., XII.Leg.Per., Il.Session, Drucksache Nr. 7, Bd 270 (mit eigener Paginierung).
198
Eingehend zu den vom Bundesrat beschlossenen Änderungen im übrigen: Intrator, Strafprozeßentwurf S.46 ff.; Kohlrausch, ZStW 1909, 669 ff. 199 200
Sten.Ber.RT XII.Leg.Per., Il.Session, 15.-17.Sitzung V.13.-15. Jan.1910, Bd 258, S.506 ff.
Sten.Ber.RT1, XII.Leg.Per., Il.Session, Drucksache Nr.638, Bd 277, S.3108 ff. Aufzählung der Mitglieder aaO. S.3108; dort auch Mitteilungen über das Verfahren der Kommissionsberatungen. Berichterstatter für die GVG-Novelle sowie für das - hier interessierende - l.Buch der StPO war der Abg. OtHeinze (später - in der Zeit der Weimarer Republik - Reichsjustizminister); über ihn Kuhn, Justizminister S.60 f. - Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Kommissionsberatungen durch den Kommissionsvorsitzenden: Wellstein, DJZ 1910, Sp.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
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In den Kommissionsberatungen wurde die Beibehaltung des - von Ausnahmen durchbrochenen - Grundsatzes der obligatorischen Vereidigung ohne Diskussion gutgeheißen201. Abgelehnt wurden Anträge, welche - über den Entwurf hinausgehend - Vereidigungsverbote verlangten für Zeugen, deren Aussagen oder Wahrnehmungen "durch Geisteskrankheit beeinflußt" waren, oder die zur Zeit der Wahrnehmung oder der Aussage wegen Geisteskrankheit entmündigt waren 202. Andererseits wurde beschlossen, die fakultative Nichtvereidigung von Angehörigen des Privatklägers auf Angehörige aller Verletzten auszudehnen und sie ferner bei Zeugen zuzulassen, die zur Zeit der Vernehmung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt waren 203. Die Sonderregelung des Entwurfs für erstinstanzliche Amtsgerichtsverfahren wurde beibehalten . Von besonderer Bedeutung für unser Thema war ein Antrag, der die Befugnis des Gerichts zum Absehen von der Vereidigung nicht - wie im Entwurf vorgesehen - von der Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten abhängig machen wollte, sondern dem Gericht diese Möglichkeit - nach Anhörung aller Verfahrensbeteiligten - auch gegen deren Willen eröffnen wollte. Der Antragsteller räumte ein, daß ein so weit gehender Antrag "die Bestrafung uneidlicher vor Gericht erstatteter Aussagen bedinge" und behielt sich entsprechende Anträge vor 205 .
1249 ff.; 1392 ff. 201
AaO. S.3195.
202
AaO. S.3196 f. - Die Mehrzahl der Kommission empfand die Anträge als zu weitgehend, denn für die Gewissenhaftigkeit der Aussage - deren Verbürgung der Zweck der Vereidigung sei - komme es auf den Geisteszustand, in dem der Zeuge sich zur Zeit der Wahrnehmung befunden habe, nicht an. Was aber die Zeit der Aussage angehe, so sei nicht zu bestreiten, "daß unter Umständen auch ein Geisteskranker von Wesen und Bedeutung des Eides eine genügende Vorstellung haben und durch die Vereidigung zur Wahrhaftigkit abgehalten werden könne" (aaO.). 203 AaO. S.3197. - § 59 EStPO 1908 erhielt zuletzt durch die Redaktionskommission der Reichstagskommission folgende Fasung: "Nach richterlichem Ermessen können unvereidigt bleiben: 1. der Verletzte, 2. Angehörige (§ 50) des Verdächtigen oder des Verletzten, 3. Zeugen, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind, 4. jeder Zeuge hinsichtlich der Auskunft auf solche Fragen, deren Beantwortung ihm oder einem seiner Angehörigen (§ 50) die Gefahr strafgerichtlicher Verfolguing hätte zuziehen oder zur Unehre hätte gereichen können". 204 AaO. S.3198. - Abgelehnt wurde ein Antrag (aaO.), der auf besondere Regelungen für das Schwurgerichtsverfahren abzielte, wie sie auch die Strafprozeßkommission vorgeschlagen hatte (o.b.Fußn.86). Die Kommissionsmehrheit verwies in ihrer ablehnenden Stellungnahme darauf, daß hier ein grundsätzliches Problem liege, welches im Zusammenhang mit der allgemeinen Diskussion über eine Reform des Schwurgerichtsverfahrens behandelt werden müsse". 205 Der betreffende Antrag wurde dann im Zusammenhang mit der Beratung der Eidesbelehrungsvorschriften (§ 61 EStPO 1908) gestellt, jedoch angesichts der nachfolgend dargelegten Erwägungen der Kommissionsmehrheit zurückgezogen (aaO. S.3199).
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.Kapitel
Von den an der Beratung teilnehmenden Regierungsvertretern wurde "der Gedanke, die Vereidigung von Zeugen in noch weiterem Umfang dadurch entbehrlich zu machen, daß die Bestrafung uneidlicher Aussagen unter Strafe gestellt werde", als "an sich berechtigt" anerkannt. Sie erinnerten an die unerledigt gebliebene Reichstagsvorlage aus dem Jahre 1899206. Damals hätte es freilich unbedenklich erscheinen können, das materielle Strafrecht zu ändern, da die allgemeine Revision des Strafgesetzbuches noch in weiter Ferne gelegen habe. Nunmehr aber, da an diese Reform bereits herangetreten sei 207 , müsse jene bedeutsame Frage vorbehalten bleiben"208. Nach dem gegenwärtigen Stande des materiellen Strafrechts könne über die Vorschläge des Entwurfs nicht hinausgegangen werden 209. Der Antrag wurde daraufhin zurückgezogen210. Auch eine Erweiterung des Bereiches (fakultativer) Nichtbeeidigung auf unglaubhafte Aussagen stieß bei der Kommissionsmehrheit auf Bedenken. Auf die Möglichkeit, "derartige Aussagen durch den Eideszwang zu kontrollieren und eventuell noch in letzter Stunde eine Berichtigung herbeizuführen", dürfe - so wurde argumentiert - nicht verzichtet werden, denn andernfalls könnten unzuverlässige Zeugen in Versuchung kommen, sich durch grobe Unwahrheiten der Vereidigung zu entziehen211. Die vorgeschlagene weitere Lockerung des Eideszwanges könnte Gerichte und Prozeßbeteiligte geneigt machen, eine "auffallende Bekundung" womöglich voreilig für unwahr zu halten, während die eidliche Bekräftigung der Aussage sie zu genauerer Prüfung veranlassen und vielleicht zu anderer Auffassung gelangen lassen würde 212 . Schließlich könne die Nichtvereidigung wegen Unglaubhaftigkeit der Aussage den betroffenen Zeugen "in empfindlichster Weise bloßstel len" 213 . Auch dieser Antrag wurde zurückgezogen, jedoch blieb das Problem, welches ja bereits die Strafprozeßkommission ausgiebig diskutiert hatte 214 ,
206
s.o. S.Kap.sub I 6.
207
Der Vorentwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch war 1909, also knapp zwei Jahre zuvor, vorgelegt worden; s. dazu das folgende Kapitel. 208 AaO. S.3198. - Interessanterweise wurde den Regierungsvertretern darauf hingewiesen, es Verde .. noch der Erwägung bedürfen, ob allgemein die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen einzuführen oder etwa die Vergehen der Begünstigung und der falschen Anschuldsigung weiter auszubilden seien" (ibd.) - ein Ansatz, der in der Folgezeit (jedenfalls öffentlich) nicht weiterverfolgt worden ist. 209
Ibd.
210
Ibd.
2,1
AaO. S.3198.
212
Ibd.
213
Ibd.
214
S.o.b. Fußn.81.
Bis zum Beginn der Strafrechtsreform
75
auch in der Zukunft Gegenstand eingehender Debatten215. Eine kurze Debatte - eher ein Geplänkel - rief die Frage "Vor- oder Nacheid?" hervor. Ein Kommissionsmitglied regte an, Vor- und Nacheid fakultativ nebeneinanderzustellen. Ein anderes Mitglied entgegnete, die Frage, ob Voreid oder Nacheid besser sei, werde nie zur Ruhe kommen. Die Reichsjustizgesetze hätten sich grundsätzlich für den Voreid entschieden. "Jahrelange Agitation" habe nun die öffentliche Meinung zugunsten des Nacheides gewendet. Nachdem die Zivilprozeß-Novelle vom 1 Juni 1909 zum Nacheid übergegangen sei 216 , empfehle es sich, beide Prozeßordnungen gleichmäßig zu behandeln und auch für die Strafprozeßordnung den Nacheid zu wählen. Entscheidend sei nicht, wie man sich in dieser "über Gebühr erörterten Frage" entscheide, sondern daß man sich entscheide. Die Kommission beließ es bei dem vom Entwurf vorgeschlagenen obligatorischen Nacheid - vor allem deshalb, weil nur bei seiner Anwendung die Frage nach der Unerheblichkeit einer Aussage rechtzeitig beantwortet werden könne 217 . Zur Vereidigungs-Prozedur war beantragt, dem Zeugen die Wahl zu geben, entweder sich die Eidesnorm in religiöser Fassung218 vorsprechen zu lassen und die Eidesformel mit religiösem Zusatz 219 zu sprechen oder sich in beiden Teilen für die nichtreligiöse Beeidigung seiner Aussage zu entscheiden220. Der Antragsteller verwies auf den "modernen Staatsbegriff", der auf die religiöse Überzeugung der Bürger nicht sehe, und zog Parallelen zur Einführung der Zivilehe. Der Zwang zur Anrufung Gottes fördere Gewissenszwang und Heuchelei221. Kommissionsmehrheit und Regierungsvertreter hielten entgegen, ein nichtreligiöser Eid sei ein Widerspruch in sich; das Volk sehe eine nichtreligiöse Beteuerung nicht als vollwertigen Eid an; dieser Auffassung müsse sich "die Minorität, die nicht an Gott glaube, fügen" 222 ; ein Gewissenszwang werde damit nicht ausgeübt223. Für den Prozeß sei andererseits zu befürchten, daß "gerade Leute, die mit dem Eide sehr peinlich seien,.. die nichtreligiöse Beteuerungsformel wählen (würden), um ihr Gewissen zu entlasten, während andere die ihnen eingeräum-
215 Bei der Gesamtredaktion wurde § 60 des Entwurfes als § 236a unter die Regelungen über die Hauptverhandlung eingereiht; aaO. (Fußn.200) S.3198. 216
RGB1.1909, S.475.
217
Ibd.
218
D.h. mit dem Passus "bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden".
219
Nämlich mit dem Zusatz "so wahr mir Gott helfe", auf Antrag auch unter Zufügung einer (weiteren) religiösen Bekräftigungsformel. 220
AaO. S.3199. - Ein einschränkender Antrag wollte dieses Wahlrecht nur denjenigen Zeugen, die nicht einer anerkannten Religionsgemeinschaft angehörten (den sog. Dissidenten) zugestehen. Ein weiterer vermittelnder Antrag wollte dem Zeugen das Wahlrecht nur auf seinen ausdrücklichen Antrag geben. 221 AaO. S.3199. - Übersicht über die Kritiker des religiösen Eides b. Hegler, ZStW 1912, 702 f., FN. 168. 222 223
AaO. S.3200.
Eine Begründung für diese Auffassung wurde aus der Mitte der Kommission nicht gegeben, möglicherweise im Hinblick auf die entsprechenden Diskussionen der StrafprozeßKommission (o.b.Fußn.108). Die Regierungsmitglieder wiesen darauf hin, daß dem Schwörenden ein religiöses Bekenntnis nicht abverlangt werde; ein religiöses Moment des Eides sei freilich nicht zu leugnen; es sei indes auch der angeblich nichtreligiösen Eidesformel "Ich schwöre" eigen (aaO. S.3200).
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.Kapitel
te Möglichkeit "zu unliebsamen Demonstrationen" benutzen würden 224 .
Damit blieben die Eidesvorschriften des Entwurfes von 1908 in der Reichstagskommission im wesentlichen unverändert. Unmittelbare Wirkung war ihnen freilich nicht beschieden, denn im Plenum des Reichstages wurde die Behandlung der eingebrachten Entwürfe bereits während der Beratung der GVG-Novelle abgebrochen225. Hatte es zunächst so ausgesehen, als ob ein - insgesamt freilich bescheidenes - strafprozessuales Reformprogramm den zeitlichen Sieg über die Reform des materiellen Strafrechts davontragen würde, so lag der Schwerpunkt des Interesses nunmehr auf der letzteren . Und in der Tat wurden bis 1920 die Arbeiten an einem neuen Strafgesetzbuch - mit Unterbrechung durch den Weltkrieg - mit Vorrang betrieben. Zu der Zeit, da die Arbeiten an der neuen Strafprozeßordnung abgebrochen wurden, lag bereits seit zwei Jahren ein "VorentwurP für ein neues Strafgesetzbuch vor. Ihm muß nun unsere Aufmerksamkeit gelten.
224 AaO. S.3200. - Ähnlich die Regierungsvertreter (ibd.): Die vorgeschlagene Regelung werde praktisch weniger zu einer Berücksichtigung abweichender religiöser Überzeugungen beitragen, als vielmehr Mißbräuchen Vorschub leisten. Gerade "ein gläubiger aber gewissenloser Zeuge werde die abgeschwächte Formel des Eides wählen, weil er damit den religiösen Folgen des Meineides zu entgehen hoffe". - v.Lilienthal, ZStW 1909,552, faßt die Erwägungen der Kommission (zustimmend!) mit den Worten zusammen: "Die Beibehaltung der religiösen Form des Eides rechtfertigt sich wohl aus politischen Erwägungen, obwohl sie überflüssig ist...". 225 Näher zu den aktuellen Gründen (vor allem: Laienrichter in der Berufungsinstanz): Intrator, Strafprozeßentwurf S. 48 ff. 226 Mitunter wurde der Vorrang der Reform des materiellen Strafrechts auch als sachliche Rechtfertigung für den Abbruch der Prozeßrechtsreform genannt: Kohlrausch, ZStW 1912,228 f., Hegler, ZStW 1912,115.
ó.Kapitel Beginn der Strafrechtsreform L Vorentwurf (1909) Die Diskussionen über die Reform des materiellen Strafrechts begannen parallel zu den geschilderten Arbeiten an einer Strafprozeßrechts-Reform etwa zu Beginn des neuen Jahrhunderts 1. Am l.Mai 1906 trat im Reichsjustizamt eine fünfköpfige "Kommission von praktischen Juristen" 2 zusammen. Sie hielt bis zum 22April 1909 117 Sitzungen ab; im selben Jahr legte sie den "Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch" vor. Dieser war - daher sein Name - von Anfang an nicht zur Vorlegung an die gesetzgebenden Körperschaften vorgesehen, sondern nur "zur öffentlichen Beurteilung bestimmt"3. Vom bestehenden Strafgesetzbuch unterschied er sich u.a. darin, daß er dem Besonderen Teil eine strengere Systematik zu geben versuchte4. Diese wirkte sich auch im uns interessierenden Bereich aus. In einem eigenen Buch des Besonderen Teils werden die "Verbrechen und Vergehen gegen Einrichtungen des Staates"5, dort wiederum in einem eigenen Abschnitt die "Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Rechtspflege" 6 behandelt; mit dieser gekünstelt wirkenden Formulierung soll - so die amtliche Begründung - zum Ausdruck gebracht werden, daß in dem Abschnitt nicht nur solche Delikte zusammengefaßt sind, "die sich unmittelbar gegen die Rechtspflege richten, sondern auch solche, die zu ihr in Beziehung stehen"7.
Das Bestreben um Systematisierung prägt auch die Regelung der Aussagedelikte. Die betreffenden Paragraphen (§§ 165 -170 VE) enthalten jeweils
1
Eb.Schmidt, Einführung S.394 ff.
2
VE Begr. A T S.V; Mitglieder der Kommission: Lucas (Direktor im preußischen Justizministerium); v. Tischendorf (Oberregierungsrat im Reichsjustizamt; ab Juli 1908 vertreten durch Joel, Regierungsrat im Reichsjustizamt; über diesen Godau-Schüttke, Joel ), Schulz (Vortragender Rat im pieuß. Justizministerium; seit Herbst 1908 ersetzt durch Kammergerichtsrat Kleine), Ditzen (Kammergerichtsrat; nach dessen Ernennung zum Reichsgerichtsrat: Oelschläger, Kammergerichtsrat), Meyer (bayr. Oberlandesgerichtsrat). 3
VE Begr. aaO.
4
Zur "Legalordnung" des V E s. Oehler, Legalordnung S.191 ff.
5
§§ 184 ff. V E - Die anderen Bücher des Besonderen Teils: "Verbrechen und Vergehen gegen den Staat" (l.Buch); "Verbrechen und Vergehen gegebn die Person" (3.Buch); "Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen" (4.Buch). 6 7
§165 ff. VE.
VE Begr. Bd 2, S.528; zu den in dem betreffenden Abschnitt zusammengefaßten Delikten s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.32.
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.Kapitel
abgeschlossene tatbestandliche Regelungen des Meineides (§ 165)8, der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 166), der Versuchten Verleitung zum Meineid und zur falschen Versicherung an Eides Statt (§ 167)9, sowie derfalschen uneidlichen Aussage (§ 168)10. In den Fällen der §§ 165, 166, 168 ist jeweils in Absatz 2 die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt. § 170 VE schließlich enthält die Verleitung zur Ableistung eines falschen Eides oder zur Ableistung einer Falschen Versicherung an Eides Statt 11. Die Strafdrohungen sind gegenüber dem Reichsstrafgesetzbuch nahezu unverändert. Einen Qualifikationstatbestand für bestimmte schwere Folgen der Falschaussage, wie ihn § 154 Abs.2 RStGB normiert, kennt der Vorentwurf nicht12. An die Stelle der benannten Strafmilderungsgründe des § 157 RStGB tritt Strafmilderung für die Fälle des Vorliegens mildernder Umstände. In "besonders leichten Fällen" der falschen uneidlichen Aussage soll von Strafe abgesehen werden können13. § 169 VE schreibt - wie bereits § 163 Abs.2 RStGB -bei rechtzeitigem Widerruf eines fahrlässigen Falscheides (§ 165 Abs.2), einer fahrlässigen Versicherung an Eides Statt (§ 166 Abs.2) und und nunmehr auch einer (vorsätzlichen oder fahrlässigen) falschen uneidlichen Aussage (§ 168) Straffreiheit zwingend vor.
8 Wortlaut des § 165 Abs.l VE: "Wer vor einer zuständigen Behörde einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid oder einen Zeugen- oder Sachverständigeneid wissentlich falsch schwört oder durch eine unwahre Aussage verletzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sachs Monaten bestraft. Eine von dem Gesetz an Stelle des Eidesleistung zugelassene Beteuerung oder Versicherung steht dem Eide gleich". 9 Wortlaut des § 168: "Wer jemanden zur Begehung eines Meineides (§ 165 Abs.l) zu verleiten sucht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Jahren, und werversucht, jemanden zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 166 Abs.l) zu verleiten, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr, bei mildernden Umständen mit Haft bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft". 10 Nicht mehr aufgeführt ist der "Eidesbruch" (§ 162 RStGB). In der Begründung (VE Begr. Bd 2, S.550) wird ausgeführt, § 162 RStGB sei angesichts der Entwicklung im Zivilprozeßrecht gegenstandslos geworden. 11
"Wer jemanden zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Gefängnis, und wer jemanden zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt verleitet, wird mit Gefängnis oder Haft bis zu sechs Monaten bestraft. (Abs.2:) Der Versuch ist strafbar". 12 In der Begründung (VE Begr. Bd 2, S. 540) werden für die Streichung vorwiegend Praktikabilitätserwägungen ins Feld geführt. Die Vorschriften über Verbrechen gegen das Leben und über Freiheitsberaubung sowie die allgemeinen Strafzumessungs- und Konkurrenzregeln würden ausreichen, um eine schwere Bestrafung, soweit erforderlich, zu ermöglichen. 13 Ein "besonders leichter Fall" soll gem. § 83 V E dann vorliegen, "wenn die rechtswidrigen Folgen der Tat unbedeutend sind und der veit>recherische Wille des Täters nur gering und nach den Umständen entschuldbar erscheint, so daß die Anwendung der ordentlichen Strafe des Gesetzes eine unbillige Härte enthalten würde".
Beginn der Strafrechtsreform
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Der Meineid-Tatbestand (§ 165 VE) enthält im wesentlichen eine redaktionelle Zusammenfassung der §§ 153,154 RStGB. Mit der Übernahme dieser Straftatbestände distanzierte die Kommission sich von der Forderung, den Eid sowohl als eigenständiges Beweismittel wie auch als Mittel der Aussagebekräftigimg zu beseitigen und nur noch die falsche Beweisaussage als solche unter Strafe zu stellen - eine Forderung, die durch die im vorigen Kapitel geschilderte Stellungnahme von Carl Stooß besonderes Gewicht erlangt hatte14. Gegenüber Stooß, der auch auf günstige Erfahrungen im Gebiet der schweizerischen Militärstrafgerichtsordnung und im Kanton Zürich hingewiesen hatte, verwiesen die Verfasser des Vorentwurfes auf entgegenstehende Erfahrungen der deutschen Gerichtspraxis, welche dafür sprächen, daß "der völlige Wegfall der eidlichen Bestärkung von sehr nachteiligen Folgen für die Wahrheitsermittlung und damit für die Rechtspflege und Rechtssicherheit sein würde" 15. Die Erfüllung der Wahrheitspflicht der Aussageperson müsse auch fernerhin auf doppelte Weise gesichert werden, nämlich durch den Eid "mit der in ihm liegenden Mischung des religiösen mit dem bürgerlichen Element"16 und durch die strenge Bestrafung der Eidesverletzung. Auch die Strafprozeß-Kommission habe ja Vorschläge zur Abschaffung des Zeugen- und Sachverständigeneides und zu seiner Ersetzung durch die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen nach ausgiebiger Erörterung abgelehnt17. Es müsse somit auch für die Zukunft von einer prozeßrechtlichen Situation ausgegangen werden, welche die Verwendung des Eides vorsehe; schon aus diesem Grunde verbiete sich eine Beseitigung der korrespondierenden Strafdrohung 18. Andererseits wurde die Regelung des Reichsstrafgesetzbuches deshalb als mangelhaft empfunden, weil sie nur beeidete Falschaussagen unter Strafe stellte19. Dieser Zustand stellte nach Ansicht der Kommission angesichts der bereits bestehenden Vereidigungsverbote 20 einen gravierenden Mangel dar. Er führe dazu, daß die unter diese Verbote fallenden Zeugen und Sachverständigen mangels einer Strafbestimmimg ohne Gefahr wahrheitswidrig aussagen könnten , häufig verleite er geradezu zu Falschaussagen22. Die Strafbarkeit der falschen Anschuldigung und der persönlichen Begünstigung könne diesen Mangel nicht kompensieren, da "diese Behelfe nur teilweise zu(träfen), auch mit Rücksicht
14
Vgl. Stooß, Meineid aaO. (o.5.Kap. sub III).
15
VE Begr. Bd 2, S.532.
16
VE Begr. Bd 2, S.531.
17
S.o.Kap.5 b. Fußn. 144 ff.
18
VE Begr. Bd 2, S.532.
19
VE Begr. Bd 2, S.533.
20
s. vor allem §§ 56 ff.RStPO (Text in Synopse IV).
21
VE Begr. Bd 2, S.533.
22
VE Begr. Bd 2, S.535.
80
.Kapitel
auf die Zwecke der Generalprävention die Aufstellung einer besonderen Strafvorschrift nicht entbehrlich machen (könnten)"23. Diese Unzulänglichkeit des materiellen Strafrechts sei umso bedenklicher, als die laufenden prozeßrechtlichen Reformarbeiten drastische Erweiterungen des Bereiches unbeeideter Aussagen erwarten ließen. Aus den genannten Gründen sieht der Vorentwurf, im Gegensatz zu der Empfehlung der Strafprozeßkommission, die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Ausssage vor. Nach dem Vorbild der im vorigen Kapitel dargestellten Reformvorschläge soll die Strafbarkeit allerdings nicht generell eintreten; § 168 Abs.l VE sieht sie nur für denjenigen vor, der 'Vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich vernommen, wissentlich falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen hingewiesen worden ist".
Das Zuständigkeitserfordernis soll sicherstellen, daß die vernehmende Stelle Gewähr dafür bietet, daß die Vernehmung in sachgemäßer Form erfolgt und der Vernommene sich der Tragweite seiner Aussage voll bewußt wird . Der vorgeschriebene Hinweis auf die Strafbarkeit ist - obwohl an sich von prozeßrechtlicher Natur - in den Straftatbestand aufgenommen, weil eine entsprechende Vorschrift im damaligen Strafprozeßrecht noch nicht vorhanden ist, man jedoch ausgeschließen will, daß dem Vernommenen die Folgen einer uneidlichen Verletzung der Wahrheitspflicht unbekannt bleiben25. Weitere prozeßrechtliche Eingrenzungen des Strafbarkeitsbereiches sieht der Vorentwurf weder beim Meineid noch bei der falschen uneidlichen Aussage vor. Für den Meineid wird in der Begründung auf die laufende Reform des Strafprozeßrechts verwiesen26, für die falsche uneidliche Aussage die Auffassung vertreten, daß weder die Unerheblichkeit der Aussage noch die Eidesunmündigkeit oder Eidesunfähigkeit des Aussagenden Anlaß zur Reduzierung des Strafbarkeitsbereiches böten27. Die Erheblichkeit einer Frage zu übersehen, sei der Vernommene oft außerstande, und er sei auch nicht berufen, darüber zu entscheiden. Es sei für die Rechtssicherheit gefährlich, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger, wegen einer falschen Aussage zur Verantwortung gezogen, sich erfolgreich darauf berufen könnte, daß er den fraglichen Punkt seiner Aussage für unerheblich gehalten habe28. Freilich wurde nicht verkannt, daß in bestimmten Situationen - beispielsweise: Zwangslage des Aussagenden, Geringfügigkeit
23
Ibd.
24
VE Begr. Bd 2, S.547.
25
Ibd.
26
VE Begr. Bd 2, S.537.
27
S.547,548.
28
Ibd.
Beginn der Strafrechtsreform
81
des Falles, Nebensächlichkeit der Aussage - eine mildere Beurteilung zu rechtfertigen sei. Deshalb sieht der Vorentwurf fur die Fälle des Vorliegens mildernder Umstände Strafmilderung vor, in besonders leichten Fällen der falschen uneidlichen Aussage wird sogar, über die allgemeine Regel des § 83 VE hinaus, die Möglichkeit des Absehens von Strafe eröffnet. Andererseits sind die in §§ 157,158 RStGB für bestimmte Fallgruppen zwingend vorgeschriebenen Strafmilderungen gestrichen; eine strukturell übereinstimmende Forderung hatte Lasker bereits in der zweiten Lesung des Reichsstrafgesetzbuches im Reichstag für den Meineid erhoben 29. Der Kommission erschien die Regelung der §§ 157,158 RStGB nicht flexibel genug; einerseits sei die mildere Bestrafung in der Praxis häufig als ungerechtfertigt empfunden worden, andererseits sei es kaum möglich, gesetzgeberisch alle Fälle zu erfassen, in denen die Regelstrafe als zu hart angesehen werden müsse30. Diese "Flexibilisierung" entspricht dem durchgängigen Zug des Vorentwurfes, der damit einer in der Reformdiskussion vor allem aus dem Liszt'schen Lager erhobenen Forderung nachkam31. Besonders ausführlich setzten die Entwurfsverfasser sich mit den Angriffen auseinander, welche gegen die Bestrafung des fahrlässigen Falscheides gerichtet wurden 32: - Die fahrlässige Verletzung der Wahrheits- bzw. Eidespflicht sei nicht etwa deshalb undenkbar, weil dann, wenn die Aussage dem gegenwärtigen Wissen des Schwörenden nicht entspreche, nur eine Vorsatztat vorliegen könne. Die Nichtübereinstimmung von Wissen und Aussage könne auf Nachlässigkeit in der Wiedergabe des Wissens, in der Vergegenwärtigung des Wissens oder in der Uberprüfung des Wissens beruhen. Vom Zeugen müsse aber gefordert werden, "keinerlei Überlegung, Handhaben oder Hilfmittel außer Acht (zu) lassen ..., die sein Gedächtnis zu unterstützen und sein Erinnerungsvermögen vor Irrtümern zu schützen geeignet ist"; und der Sachverständige sei verpflichtet, "schon vor Abgabe des Gutachtens alles dasjenige vorzunehmen, was er nach gewissenhafter Prüfung als zur Vorbereitung des Gutachtens für erforderlich ansehen muß" 33 . - Der Tatbestand des fahrlässigen Falscheides weiche nicht wegen des Fehlens eines rechtswidrigen Erfolges von den anderen Fahrlässigkeitsdelikten in unzulässiger Weise ab 34 . Die durch die falsche eidliche Aussage "für die Rechtssicherheit herbeigeführte Gefahr an sich (in abstracto)" bilde den Grund der Strafbarkeit. "Die unwahre eidliche Aussage selbst" sei somit der rechtswidrige Erfolg, dessen Herbeiführung bestraft werde. Ob im einzelnen Fall durch die falsche Aussage eine wirkliche Gefahr oder ear ein Schaden herbeigeführt worden sei, müsse für den Tatbestand ohne Belang bleiben .
29
S.o. 3.Kap. b.Fußn.61.
30
S.539.
31
S. dazu Eb.Schmidt, Einführung S.395 f.
32
S.542 ff.
33
Ibd.
34
S.543.
35
Ibd.
.Kapitel
82
- Auch "der am häufigsten erhobene Vorwurf", beim fahrlässigen Falscheid werde nicht, wie sonst üblich, ein fahrlässiges Handeln, sondern ein fahrlässiges Nichtwissen bestraft, greife nicht. Der Schwörende werde nicht für die Unwahrheit seiner Aussage als solche bestraft. Ihm werde vielmehr vorgeworfen, "daß er seine für wahr gehaltenen Bekundungen für mit der Wahrheit überenstimmend ausgegeben hat, obwohl er sich bei gehöriger Sorgfalt von ihrer Unrichtigkeit hätte überzeugen müssen, wenn er sein Gedächtnis genügend angestrengt oder die ihm zu Gebote stehenden Mittel zur Berichtigung seines Erinnerungsbildes pflichtmäßig benutzt hätte, oder darin, daß er seinem richtigen Wissen bei seiner Aussage aus Unachtsamkeit und Leichtfertigkeit einen falschen Ausdruck gegeben oder aus gleichem Grunde sich darüber geirrt habe, daß seine falsche Aussage unter den Eid falle" . - Kriminalpolitische, kriminalistische oder rechtsstaatliche Bedenken sprächen ebenfalls nicht gegen den Tatbestand. Die Strafdrohung sei sehr wohl geeignet, den Schwörenden zur sorgfältigen und gewissenhaften Erfüllung der Eidespflicht anzuhalten. Daß die Statistik für den Falscheid eine unverhältnismäßig höhere Zahl von Freisprechungen ergebe als bei den meisten anderen Straftaten, könne nicht gegen die Beibehaltung der Vorschrift vorgebracht werden, denn dieses Verhältnis sei die notwendige Folge von Schwierigkeiten mit der Beweisführung über innere Tatsachen; diese träten auch beim Meineid und einigen anderen Straftaten, z.B. beim Wucher, auf, ohne dort als Grund für die Beseitigung der Tatbestände zu dienen. Schließlich habe das Reichsgericht die Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Fahrlässigen Falscheides so sorgsam umschrieben, daß eine zu weit gehende Ausdehnung des Tatbestandes nicht zu befürchten sei 37.
Die Beibehaltung der Strafdrohung gegen die Versuchte Verleitung 38 zum Meineid wurde damit begründet, daß der Vorentwurf eine allgemeine Vorschrift über den Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen nicht vorsehe, andererseits im Interesse der Rechtssicherheit auf eine solche Strafdrohung im Bereich der Eidesdelikte nicht verzichtet werden könne39. Die Aufhebung der Vorschrift würde "einer laxen Auffassung von der Bedeutung jener Beweismittel, die vor jeder unerlaubten Einwirkung geschützt werden (müßten), bedenklichen Vorschub (leisten)"40. Auch der Tatbestand der Verleitung zum Falscheid, obgleich den meisten ausländischen Rechtsordnungen ebenso unbekannt wie den deutschen Partikularrechten vor Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches 41, wurde beibehalten.
36
Ibd.
37
S.544. - Daß der Tatbestand die Geschworenen häufig ermuntere, des Meineides überführte Angeklagte wegen fahrlässigen Falscheides zu verurteilen, um sie vor der schwereren Meineid-Strafe zu bewahren, wurde als Einwand ebenfalls nicht anerkannt. Es sei möglich, daß in den betreffenden Fällen bei Fehlen des Tatbestandes sogar völlige Freisprechung erfolgen würde; auch sei von der im Entwurf vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung mildernder Umstände beim Meineid die Abnahme der Zahl der fraglichen Fälle zu erwarten. 38 Wie die Begründung ergibt, gingen die Verf. davon aus, daß mit der "versuchten Verleitung" eine "versuchte Anstiftung" gemeint sei; s. heute die korrekte Wortwahl in § 159 StGB. (Vgl. auch noch 8.Kap. Fußn.40). 39
VE Begr. Bd 2, S.545 f. (Text o. in Fußn.9).
40
S.546.
41
Vgl. o. 3.Kap. b.Fußn.69 ff.
Beginn der Strafrechtsreform
83
Als maßgebender Grund wurde angegeben, daß einerseits der Entwurf eine allgemeine Vorschrift über mittelbare Täterschaft nicht enthalte, die Anwendbarkeit dieser Rechtsfigur auf alle Fälle der in Betracht kommenden Art auch durchaus zweifelhaft sei, andererseits derartige "die Rechtssicherheit schwer gefährdende Handlungen" nicht straflos bleiben dürften 42. IL Gegenentwurf (1911) Die Regelung der Aussagedelikte durch den Vorentwurf fand ein überwiegend positives Echo 43 ; Kritik erfuhr die Strafdrohung gegen fahrlässige Tatbegehung bei Meineid, falscher Versicherung an Eides Statt und falscher uneidlicher Aussage44. Im 1911 erschienen "Gegenentwurf von Goldschmidt, Kahl, v.Lilienthal und v.Liszt enthält der hier interessierende lOAbschnitt ("Meineid und falsche Aussage") bloß drei Paragraphen (§§ 199-201 GE): "Meineid" (§ 199 GE), "Falsche Versicherung an Eidesstatt" (§ 200) und "Falsche Aussage" (§ 201). Die entsprechenden Tatbestände des Vorentwurfs (§§ 165 Abs.l, 167, 168 Abs.l VEÌ sind wörtlich übernommen45, die Strafrahmen nur unwesentlich verändert . Auf die Strafbarkeit fahrlässiger Begehung ist generell verzichtet 47. Begründet wird dies48 einerseits mit der kriminalistischen Erwägung, daß der Nachweis der Fahrlässigkeit gerade bei diesen Delikten auf die größten Schwierigkeiten stoße, andererseits mit der Erfahrung "daß im schwurgerichtlichen Verfahren vielfach die auf fahrlässige Verletzung der Eidespflicht gerichtete Hilfsfrage nur deshalb von den Geschworenen bejaht wird, weil sie den Angeklagtem zwar für schuldig halten, aber die auf vorsätzlichen Falscheid gesetzte schwere Strafe vermeiden wollen". Dies könne einerseits zu einer Verdachtsstrafe gegen den nicht Überführten, andererseits zu einer weitgehen42
VE Begr. Bd 2, S.550.
43
s. die Nachweise in der vom Reichs-Justizamt gefertigten "Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen", S.287 ff. 44 Kritisch zB. Kohler, GA 1909, 301 f.; Olbricht, Rechtspflege aaO. S.175 ff.; zustimmend zB. Binding, GS 77 (1911),49. 45 Lediglich der Vorsatz-Hinweis "wissentlich" ist gestrichen, da der Gegenentwurf in §§ 20,21 eine allgemeine Regelung des Vorsatzes enthält und deshalb im Bes.Teil von einer Wiederholung dieses Erfordernisses durchgängig absieht; vgl. GE Begr. S.24. 46 Der Gegenentwurf setzt in § 42 den Höchstbetrag der Gefängnisstrafe prinzipiell auf zwei Jahre fest, während der Vorentwurf, der den Höchstbetrag auf fünf Jahre festgesetzt hatte (§ 16 VE), die Falsche eidesstattliche Versicherung (§ 166 Abs.l) und die Falsche uneidliche Aussage (§ 168 Abs.l) jeweils mit Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bedroht. 47 Deshalb braucht der Gegenentwurf den Wegfall der Strafbarkeit bei rechtzeitigem Widerruf, die der Vorentwurf bei Fahrlässigkeitstaten sowie bei vorsätzlicher uneidlicher Falschaussage vorgesehen hatte, nur noch bei der letzteren anzuordnen (§ 201 Abs.3 GE). 48
GE Begr. S.207
84
.Kapitel
den Strafmilderung gegenüber dem Schuldigen führen. Beides sei gleich bedauerlich 49. Schließlich lasse die Erweiterung der Strafdrohung auf die falsche uneidliche Aussage es doppelt bedenklich erscheinen, über die Strafbarkeit der vorsätzlichen Tat hinauszugehen. Entfallen ist im Gegenentwurf auch die Vorschrift über die Strafbarkeit der Versuchten Anstiftung zum Meineid (§ 159 RStGB, § 167 VE), da § 32 Abs.2 GE nach dem Vorbild des 1876 in das Reichsstrafgesetzbuch eingefügten "Duchesne-Paragraphen" (§ 49a StGB a.F.50) die Versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen generell unter Strafe stellt5 . Die Strafbarkeit der Versuchten Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage, wie sie das heutige Recht kennt, ist - wie bereits im Vorentwurf - offenbar gar nicht in Betracht gezogen worden. Schließlich fehlt im Gegenentwurf auch die Strafbestimmung gegen die Verleitung zum Falscheid (§ 160 RStGB, § 170 VE). Auch diese Fallkonstellation sahen die Verfasser durch eine Regelung des Allgemeinen Teils ihres Entwurfes geregelt. § 32 Abs.l GE verlangt für die Strafbarkeit der Anstiftung lediglich, daß ein anderer zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens vorsätzlich bestimmt werde; gem § 34 S.2 GE erfolgt die Bestrafung des Teilnehmers "ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit der Person des Täters"; damit sind vor allem die Fälle fehlender Schuld beim Haupttäter, nach damaliger Auffassung also auch die Fälle fehlenden Vorsatzes, erfaßt. Für eine Sonderregelung der Verleitung zum Falscheid bestand daher kein Bedürfnis 52. III. Kommissionsentwürfe von 1913 und 1919 1911 trat auf Veranlassung des Reichsjustizamtes eine neue, größere Kommission53 zusammen, um auf der Grundlage des Vorentwurfes und der zu ihm eingegangenen Kritik,
49 Ähnliche Klagen waren bereits unter der Herrschaft des preußischen Strafgesetzbuches von 1851 erhoben worden; s. dazu v.Kräwel, GA 1853,461,467; Vormbaum, Entkriminalisierung aaO. S.333. 50
v.Liszt hatte allerdings in seiner 1877, also kurz nach Inkrafttreten des DuchesneParagraphen, erschienenen Schrift "Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde" sowohl diesen Paragraphen wie auch die Spezialvorschrift des § 159 RStGB einer scharfen Kritik unterzogen. (Vgl. dort S.170 ff.). § 32 Abs.2 GE dürfte sich daher entweder aus einer anderen Auffassung der Mitverfasser oder aus der in manchen Punkten sichtbar werdenden Kompromißbereitschaft v.Liszt's im Interesse des Gelingens der Strafrechtsreform (Eb.Schmidt, Einführung S.395 f.) erklären lassen. 51 Zu den ablehnenden Stellungnahmen gegen eine derartige Regelung s. bereits 3.Kap. b. Fußn.78,79 (John, Binding) und 5.Kap. b.Fußn.173 (Stooß). 52 53
GE Begr. S.48 und 207.
Mitglieder der aus Wissenschaftlern und Praktikern zusammengesetzten Kommission: Duffner; Ebermayer, v.Freilitsch, v.Frank, Friedmann, v.Hippel, Kahl, Lindenberg, Lucas, Mey Niemeyer, Pfersdorf, v.Rupp, Rüster, Schulz, v. Tischendorf, Moeli, Klein; später Corman, Joel, Klei
Beginn der Strafrechtsreform
85
deren Ergebnisse amtlicherseits zusammengestellt worden waren 54, einen neuen Entwurf auszuarbeiten55. Ende September 1913 lag der "Entwurf der Strafrechtskommission" (E1913) vor 56 ; seine Veröffentlichung wurde aber ebenso wie der Fortgang der Reformarbeiten durch den Kriegsausbruch verhindert 57. Erst im Frühjahr 1918, als "sich die kriegerischen Ereignisse ihrem Ende zuzuneigen schienen"58, nahm das Reichsjustizamt die Arbeit an der Strafrechtsreform wieder auf". Eine vierköpfige Kommission60 überarbeitete den Entwurf von 1913 vor allem im Hinblick auf die durch den Weltkrieg bedingten Änderungen der Verhältnisse und Anschauungen. Das Ergebnis, der Entwurf von 1919 (E1919) wurde 1920 zusammen mit dem Entwurf von 1913 (E 1913) und einer Denkschrift veröffentlicht.
Der Entwurf von 1913 gibt zugunsten einer lockeren Aneinanderreihung von insgesamt 28 Abschnitten die im Vorentwurf unternommene systematische Durchgliederung des Besonderen Teils wieder auf. Allerdings faßt der Entwurf noch - wie der Vorentwurf - Aussagetatbestände und andere Rechtspflegeschutz-Tatbestände in einer Deliktsgruppe "Gefährdung der Rechtspflege" zusammen61. Die Tatbestände des Meineides, der falschen Versicherung an Eides Statt sowie der - erneut vorgesehene - Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage sind nahezu unverändert aus dem Vorentwurf übernommen 62. Im Meineid-Tatbestand sind die Hinweise auf besondere zivilprozessuale Eidesformen gestrichen und nur noch einerseits eine Formulierung für den Parteieid und den Nacheid des Zeugen, andererseits eine Formulierung für den Voreid des Zeugen und des Sachverständigen Übriggeblieben: Wer vor einer zur Abnahme von Eiden 63 zuständigen Behörde einen Eid falsch schwört
54
Zur "Zusammenstellung" (Q.Verz. Β 2.2.14) s. v.Hippel, Strafrecht Bd 1, S.362 Anm.9.
55
Zur Arbeit dieser Großen Strafrechtskommission s.v.Hippel aaO. S.363 ff.; v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch (25 Α.), S.88 ff.; Eb.Schmidt, Einführung S.397 ff.; E1922 Begründung S.48; E1925 Begründung S. 2 f. - Über nichtjuristische Interna der Kommissionsberatungen berichtet das Kommissionsmitglied Ebermayer (später Oberreichsanwalt) in seinen Memoiren (s£bermayer, Fünzig Jahre Dienst am Recht, S. 76 ff.). 56 Zur anschließenden Ausarbeitung des Entwurfs eines Einführungsgesetzes s. Ebermayer aaO. S.71. 57 Allerdings hatte das Kommissionsmitglied Ebermayer regelmäßig in der DJZ über die Beschlüsse der Kommission berichtet. Die Berichte erschienen 1914 auch in Buchform (s.Lit.Verz.). 58
E 1925 Begründung S.3. Vgl. ferner Ebermayer, Memoiren S.72 ff.
59
S. die in Fußn. 55 gegebenen Hinweise.
60
Joel, Ebermayer, Corman, Bumke. - Zu Bumkes Arbeit in der Kommission s. Kolbe, Bumke S. 8 ff.; s. ferner Ebermayer aaO. S. 72 f. 61
12. Abschnitt des Besonderen Teils (§§ 226 - 238).
62
§§ 226, 227, 230 E 1913 einerseits, §§ 220, 221, 224 E 1919 andererseits.
63
Der Passus "zur Abnahme von Eiden", auf den der Vorentwurf verzichtet hatte, wurde in der 2.Lesung der Kommission wieder eingefügt (9:6 Stimmen). Maßgebend hierfür war der Wunsch, klarzustellen, daß die Zuständigkeit der Behörde sich nur auf die Abnahme von Eiden überhaupt beziehen müsse, nicht aber darüber hinaus auf die Zuständigkeit zur
86
.Kapitel oder durch eine unwahre Aussage verletzt ,.. 64 .
Wie der Vorentwurf und der Gegenentwurf stellt auch der Kommissionsentwurf die uneidliche Falschaussage unter Strafe. Dieser Entscheidung gingen allerdings langwierige Diskussionen in der Kommission voraus. In LLesung lag ein Antrag vor, die entsprechende Vorschrift des Vorentwurfes (§ 168) entweder vollständig zu streichen65 oder dahin abzuschwächen, daß nur die falsche Aussage des Zeuge oder Sachverständigen vordem erkennenden Gericht sowie diejenige falsche Aussage erfaßt sein solle, welche bestimmt ist, an Stelle einer vor dem erkennenden Gericht abgegebenen zu treten 66. Der Antragsteller führte aus, die Bestrafung der uneidlichen Aussage "sei eine Einrichtung des gemeinen Rechts, die sich auf die heutigen Verhältnisse wegen des veränderten Prozeßbetriebes nicht übertragen lasse. Im gemeinen Recht sei jeder Zeuge, der überhaupt habe vereidigt werden dürfen, gleich bei der ersten Vernehmung vereidigt worden und seine erste Aussage habe zur Urteilsfällung Verwendung gefunden ohne Rücksicht darauf, wieweit sie zurückgelegen habe. Die Strafvorschrift gegen falsche uneidliche Aussagen vor Gericht habe also nur diejenigen Personen getroffen, die überhaupt nicht vereidigt werden konnten. Heute werde der Zeuge im Vorverfahren regelmäßig unvereidigt vernommen und erst in der Hauptverhandlung vereidigt. Infolgedessen... treffe (die Regelung) auch Personen, die beeidigt werden könnten und in der Regel später noch über denselben Gegenstand eidlich vernommen würden. Das gehe aber nicht an, weil es dem Zeugen, der im Vorverfahren die Unwahrheit gesagt habe, dadurch wesentlich erschwert werde, in der Hauptverhandlung die Wahrheit zu sagen. Um sich nicht selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, werde er es oft vorziehen, seine unrichtigen Angaben auch bei seiner Beeidigung aufrecht zu erhalten, in der Hoffnung, so jeder Strafe zu entgehen"67.
Ein anderes Kommissionsmitglied wollte noch weiter gehen und die Anwendung des neuen Tatbestandes nicht in Fällen zulassen, in denen die Vereidigung des Zeugen nach prozeßrechtlichen Vorschriften unzulässig gewesen wäre; de
Abnahme gerade des Eides, um dessen Leistung es sich im Einzelfalle handele. Prot.StrK 253.Sitzung v. 17Juni 1913, S.2. Ein entsprechender Beschluß wurde mit 12:3 Stimmen bei der falschen eidesstattlichen Versicherung gefaßt (Prot.StrK. aaO. S.5). 64 Die in § 226 E 1913 vorgesehene Strafmilderung bei Vorliegen mildernder Umstände konnte im Text von § 220 E 1919 unerwähnt bleiben, weil der E 1919 in §§ 113-115 generell eine Milderungsmöglichkeit eröffnet. Für Meineid ergibt sich aus § 220 i.V.m. § 114 Abs.l Fall 5 E 1919 eine Strafmilderung bis zu Gefängnis nicht unter drei Monaten, während § 226 E 1913 eine Strafmilderung bis zu Gefängnis nicht unter sechs Monaten vorsieht. - Für die generelle (also nicht an die Voraussetzungen des § 157 RStGB gebundene) Zulassung mildernder Umstände beim Meineid war der Wunsch der Kommission ausschlaggebend gewesen, "der Neigung der Schwurgerichte entgegenzuwirken, den Täter lediglich wegen der drohenden Zuchtshausstrafe statt des Meineides des fahrlässigen Falscheides schuldig zu sprechen". ProtStrK., 118.Sitzung v.15.4.1912, S.ll. 65
ProtStrK.,
66
AaO. S.2.
67
AaO. S.2f.
120.Sitzung v.17.4.1912, S. 1.
Beginn der Strafrechtsreform
87
- gegen die Erscheinung, daß Personen unter 16 Jahren 68 "der Einbildung und Beeinflussung in weitestem Umfang" unterlägen, könne man nicht mit Mitteln des Strafrechts ankämpfen 6^ - bei eidesunfähigen Personen 70 könne man folgerichtig von geringeren Strafdrohungen erst recht keine Wirkung erwarten. Andererseits bestehe gerade bei ihnen die Gefahr, daß der uneidlichen Aussage wegen der Strafdrohung eine zu hohe Bedeutung beigemessen werde 71; - die Poenalisierung der Falschaussage von Beteiügungs-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtigen72 widerspreche dem "tief eingewurzelten Grundsatz der Strafrechtspflege, daß niemand deswegen bestraft werden dürfe, weil er eine eigene strafbare Handlung geleugnet oder nicht eingestanden habe"73; - ócm Angehörigen des Beschuldigten gestehe das Recht mit der Befugnis zur Eidesverweigerung "das Recht zu, die volle strafrechtliche Verantwortung für ihre Aussagen abzulehnen. Dieses Recht dürfe ihm nicht geschmälert werden". Sein Gewissenskonflikt verdiene bei der Frage der Strafbarkeit für uneidliche Aussagen die gleiche Berücksichtigung wie für die Frage der Beeidigung"74.
Alles in allem sei die Bedrohung der falschen uneidlichen Aussage mit Strafe nur insoweit angängig, als die uneidliche Aussage eine eidliche ersetzen solle 75. In diesem Umfang freilich sei die Strafdrohung "als Ergänzung der gegen das Übermaß der gerichtlichen Eidesleistungen gerichteten prozessualen Bestimmungen freudig zu begrüßen"76. Sie gebe dem Gericht die Möglichkeit,"so oft es die Wahl zwischen eidlicher und uneidlicher Vernehmung habe, ... den Zeugen oder Sachverständigen ohne Anwendung der gewichtigen Form des Eides unter Strafzwang zur Wahrheit anzuhalten"77. Gegen beide Anträge wurden prinzipielle Einwände erhoben. Widerspruch erfuhr vor allem die Annahme, die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage solle lediglich als Ersatzmittel für die sonst zulässige Vereidigung geschaffen werden. Der neue Tatbestand - so wurde entgegengehalten - richte sich "gegen die unwahre Aussage von Zeugen und Sachverständigen vor 68
§ 56 Nr 1 RStPO (heute: § 60 Nr 1 Fall 1 StPO); § 393 Nr 1 ZPO 1877.
ω
AaO. S.4.
70
§ 56 Nr 2 RStPO (heute als fakultative Regelung: § 61 Nr 4 StPO); § 393 Nr 2 ZPO 1877.
71
AaO. S^.
72
§ 56 Nr 3 RStPO (heute: § 60 Nr 2 StPO).
73
AaO. S^.
74
AaO. S.6.
75
Ibd.
76
Ibd.
77
AaO. S.8. - Der Antragsteller schlug folgende Ergänzung des Tatbestandes vor (ibd.): "Die Strafbarkeit tritt nicht ein, wenn der Zeuge oder Sachverständige nicht vereidigt werden darf oder zur Verweigerung des Eides berechtigt ist und von diesem Recht Gebrauch macht; hierüber ist der Aussagende zu befragen".
88
.Kapitel
Gericht schlechthin"78. Derzeit werde bei uneidlichen Vernehmungen vor Gericht "in erschreckendem Umfang und ohne Scheu die Unwahrheit gesagt. ... Um das moralische Verantwortungsgefühl des Volkes in dieser Beziehung zu heben, bleibe nichts übrig, als die unwahre Aussage vor Gericht ganz allgemein mit Strafe zu bedrohen"79. Auch für das Vorverfahren und prinzipiell auch gegenüber Personen, deren Vereidigung unzulässig sei, müsse an der Strafbarkeit der uneidlichen Aussage festgehalten werden, denn - unwahre Aussagen im Vorverfahren führten zur Verzögerung und Erschwerung der Wahrheitsfindung, häufig auch zur Einstellung des Verfahrens; im übrigen sei es generell wichtig, daß nach Einleitung eines Strafverfahrens die Wahrheit so rasch wie möglich an den Tag komme. Die Befürchtung, die Aussageperson könne angesichts der bereits im Vorverfahren begründeten Strafbarkeit in der Hauptverhandlöung an ihren falschen Angaben festhalten, könne durch obligatorische Straffreiheit bei Widerruf entkräftet werden; auch könne die fahrlässige uneidliche Aussage straffrei bleiben80; - mit dem Verbot der Vereidigung von Jugendlichen solle diesen nicht die Fähigkeit abgesprochen werden, die Wahrheit zu sagen81; - der Gewissenskonflikt von Angehörigen sei mit dem Recht, das Zeugnis zu verweigern, hinreichend berücksichtigt; es brauche ihnen nicht auch noch strafloses Lügen gestattet zu weiden 82 .
Für Beteiligungs-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtice möge im Hinblick auf den geltendgemachten strafrechtlichen Grundsat? 3 eine Ausnahme akzeptabel sein, äußerstenfalls auch noch für Personen, denen gegenüber ein Vereidigungsverbot bestehe. Insoweit möge geprüft werden, ob und wieweit durch prozeßrechtliche Ausgestaltung des Hinweises auf die Strafbarkeit die tatsächliche Anwendung des Tatbestandes einzuschränken sei. Keinesfalls aber dürfe der Grundsatz angetastet oder unterdrückt werden, daß falsche uneidliche Aussagen vor Gericht straßar seien 84. Vermittelnd wurde vorgeschlagen, dem Richter die Befugnis zur Erteilung des die Strafbarkeit aktivierenden Hinweises auf die Strafbarkeit nur unter prozeßrechtlich zu regelnden -Einschränkungen zu geben, evtl. zusätzlich noch die Personen, deren Vereidigung prozeßrechtlich unzulässig sei, ausdrück-
78
AaO. S.8.
79
AaO. S.8f.
80
AaO. S.9f.
81
AaO. S.10.
82
AaO. S.U.
83
S.o.b.Fußn.73.
84
AaO. S.11.
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89
lieh von der Strafbarkeit auszunehmen85. Die Kommission beschloß, die Grundsatzfrage zunächst nur vorläufig zu entscheiden und die abschließende Entscheidung erst nach Eventualberatung von Detailproblemen zu treffen. Zunächst wurde daher folgende Ergänzung des vom Vorentwurf vorgeschlagenen Tatbestandes beschlossen86: § 168 (sc.: VE) findet keine Anwendung, wenn der Zeuge oder Sachverständige nicht beeidigt 87 werden darf . Wann - abgesehen hiervon - der in § 168 vorgesehene Hinweis erfolgen darf, bestimmen die Reichs- und Landesgesetze89.
Nach Abschluß der Detailberatung wurde die Einfügung des Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage in der bis dahin erreichten Fassung mit 10:6 Stimmen verworfen 90. Jedoch wurde beschlossen, zur Vorbereitung der 2.Lesung eine Unterkommission einzusetzen91. Diese gab zu Beginn der erneuten Beratung des lßAbschnitts 92 eine einstimmige Empfehlung ab 93 . Auch sie erblickte die Hauptschwierigkeit für die Schaffung eines Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage in dessen sachgerechter Eingrenzung. Ihr Vorschlag lautete, wie im Vorentwurf den Täterkreis auf Zeugen und Sachverständige zu begrenzen und die Strafbarkeit vom vorher erteilten Hinweis auf die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage abhängig zu machen. Zusätzlich griff sie die Anregung aus der l.Lesung auf, dem Hinweis "nicht in allen Fällen strafbegründende Wirkimg beizulegen, sondern nur, wenn er durch besondere Bestimmungen reichs- oder landesrechtlicher
85 AaO. S.13. - Der in Fußn.77 wiedergegebene Antrag wurde angesichts dieses Vermittlungsvorschlages zurückgezogen, und der Antragsteller schlug stattdessen eine Formulierung vor, welche sicherstellen sollte, daß der neue Tatbestand bis zum Erlaß einer prozessualen Regelung über die Zulässigkeit des strafbarkeitsbegründenden Hinweises auf die Strafbarkeit ohne Bedeutung bleiben würde, die aber andererseits die Möglichkeit der Strafbarkeitserstreckung auf das Vorverfahren eröffnen sollte: "§ 168 (sc.:VE) findet keine Anwendung, wenn der Zeuge oder Sachverständige nicht beeidigt werden darf oder zur Verweigerung des Eides berechtigt ist und von diesem Recht Gebrauch macht. Wann - abgesehen hiervon - der im § 168 vorgesehene Hinweis erfolgen darf, bestimmen die Reichs- und Landesgesetze". 86
Mit 9:7 Stimmen.
87
Zur Terminologie s. bereits o.4. Kap., Fußn.9.
88
Abgelehnt wurde mit 9:7 Stimmen die weitere Einschränkung "...oder zur Verweigerung des Eides berechtigt ist und von diesem Recht Gebrauch macht". 89
AaO. S.16f.
90
Prot.StrK,121.Sitzung
91
Ibd.
92
Prot. StrIC, 253.Sitzung v.l7Juni 1913.
93
AaO. S. 18 f.
v.22.4.1912, S.8.
90
.Kapitel
Verfahrensgesetze vorgeschrieben oder zugelassen" sei94; diese zusätzliche Voraussetzung sollte als Tatbestandsmerkmai mit der entsprechenden Vorsatzbzw. Irrtumskonsequenz ausgestaltet werden. Wann ein derartiger Hinweis mit strafbegründender Wirkung erfolgen dürfe, sei eine nicht von der Kommission zu entscheidende prozessuale Frage 95. Freilich werde die neue Vorschrift "einstweilen nur theoretische Bedeutung" besitzen, "weil bisher in keinem Verfahrensgesetze der zur Strafbarkeit erforderliche Hinweis vorgesehen sei". Dennoch stelle die vorgeschlagene Lösung "unter allen Umständen ... einen bedeutenden Schritt auf dem Wege zur Lösung der schwierigen Frage der Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen dar, da es naturgemäß leichter sei, die Lücke eines bereits vorhandenen Tatbestandes auszufüllen als diesen zu schaffen" 96. Der Vorschlag der Unterkommission 97 wurde nach kurzer Debatte unverändert angenommen98 und ging als § 230 in den Kommissionsentwurf von 1913 ein 99 . Im Kommissionsentwurf von 1919 fehlt freilich der auf Empfehlung der Unterkommission eingefügte Satz100; dies läßt jedoch nicht auf eine von den gefaßten Beschlüssen abweichende Überzeugung der "Kleinen Kommission"101 schließen, sondern drückt - wie die Ausführungen in der
94
Ibd.
95
AaO. S. 19 f.
96
AaO. S. 20.
97
Wortlaut: "Wer vorsätzlich vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich vernommen falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen hingewiesen worden ist, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Wann der Hinweis erfolgen darf, bestimmen die Gesetze über das Verfahren. In besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden". Die Ersetzung von "wissentlich" durch "vorsätzlich" erfolgte einstimmig; s. Prot.StrK., 121 .Sitzung v. 22.4.1912, S.2. 98 AaO. S.21 (12:3 Stimmen). Die Minderheit wiederholte die bereits in der 1.Lesung geäußerten Bedenken gegen eine Vorschrift, "deren Trafgweite man nicht übersehen und für die man daher auch keinen angemessenen Strafrahmen auswerfen könne". - Die Straflosigkeit für besonders leichte Fälle wurde mit 9:6 Stimmen ebenfalls gebilligt (aaO. S. 21). 99 In redaktionell leicht überarbeiteter Fassung: "Wer vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit falscher Aussagen hingewiesen worden ist, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Wann der Hinweis erfolgen darf, bestimmen die Gesetze über das Verfahren. In besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden." 100 § 224 E1919: "Wer vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, obwohl er von der Behörde auf die Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen hingewiesen worden ist, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. In besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden." Der Hinweis auf das Vorsatzerfordernis konnte entfallen, da § 15 E 1919 prinzipiell nur vorsätzliches Verhalten für strafbar erklärt. 101
s.o. Fußn.60.
Beginn der Strafrechtsreform
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Denkschrift zum E 1919 zeigen - aus, daß der Inhalt jenes Beschlusses inzwischen als selbstverständlich angesehen wird 102 . Interessant ist die Begründung, welche die Denkschrift der Öffentlichkeit für die Ausgestaltung des gerichtlichen Hinweises auf die Strafbarkeit als Tatbestandsmerkmal gibt. Heißt es in der Begründung zum Vorentwurf noch, angesichts der Neuheit des Straftatbestandes müßten dem Aussagenden die Folgen einer Verletzung der Wahrheitspflicht vor Augen gefühlt werden, so tritt nunmehr der Gedanke in den Vordergrund, dem Prozeßgesetzgeber solle die Möglichkeit eröffnet werden, die Vorschriften über die Belehrung von Aussagepersonen, insbesondere jene über die Notwendigkeit von Belehrungen, so auszugestalten, daß eine sachgerechte Beschränkung des Strafbarkeitsbereiches erreicht werden könne103' .
Denfahrlässigen Falscheid und di efahrlässige falsche eidesstattliche Versiche rung bedroht auch der E 1913 mit Strafe 105; er verzichtet jedoch - anders als der Vorentwurf -auf einen Tatbestand der fahrlässigen uneidlichen Falschaussage106. Wegen der generellen Strafmilderung bei Vorliegen mildernder Umstände107 ist auf die kasuistisch formulierte (obligatorische) Strafmilderungsvorschrift des § 157 RStGB verzichtet 108, ebenso - in Ubereinstimmung mit dem Vorentwurf - auf die Strafschärfungsvorschrift des § 154 Abs.2 RStGB. Erneut wird darauf hingewiesen, daß, falls zwischen Meineid und Verurteilung kein ursächlicher Zusammenhang bestehe, die zuletzt genannte Vorschrift mit dem
102
E 1919 Denkschrift,
103
Vgl. E 1919 Denkschrift
S. 171 f. S.171 f.
104 Zur Rechtfertigung des neugeschaffenen Tatbestandes führt die Denkschrift aus, es bestehe Veitgehendes Einverständnis" darüber, daß "auf eine Herabminderung der eidlichen Vernehmungen hinzuwirken und insbesondere in Angelegenheiten von geringer Bedeutung die Vereidigung eines Zeugen oder Sachverständigen nur unter eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen" sei. Angesichts der zu erwartenden prozeßrechtlichen Änderungen wie auch der bereits bestehenden Möglichkeiten uneidlicher Vernehmungen sei es notwendig, kompensatorisch in diesen Bereichen die uneidliche Falschaussage unter Strafe zu stellen. (S.170). 105 §§ 226 Abs.2, 227 Abs.2 E 1913; §§ 220 Abs.2, 221 Abs.2 E 1919. - Beschlossen bereits in erster Lesung unter Hinweis auf die zum VE gegebenen Begründungen; s. ProtStrK, 118.Sitzung v.15.4.1912, S.18 (Einstimmig). 106
Bereits in erster Lesung bei 1 Gegenstimme beschlossen; s. ProtStrK., v.22.4.1912, S.7.
121.Sitzung
107 Diese beim Erlaß des RStGB noch abgelehnte Milderung (s.o. 3.Kap.b.Fußn.61 ff.) wurde u.a. damit gerechtfertigt, daß sie "einer von verschiedenen Seiten bezeugten Neigung der Schwurgerichte entgegenwirken (werde), einen der Eidesverletzung überführten Täter mit Rücksicht auf die hohe Meineidstrafe statt des Meineides des fahrlässigen Falscheides schuldig zu sprechen"; sJ*rot.StrK., 118.Sitzung v. 15.4.1912, S.U. 108
s. E 1919 Denkschrift
S.168.
92
.Kapitel
Schuldprinzip nicht vereinbar sei, falls aber der Zusammenhang gegeben sei, regelmäßig eine schwerere Strafe aus anderen Straftatbeständen verwirkt sein werde 109. Eine besondere Regelung enthält E 1913 auch wieder für die Fälle des Widerrufs einer falschen (eidlichen, eidesstattlichen oder uneidlichen) Aussage. Wie geschildert sieht § 158 RStGB bei (objektiv zu beurteilender) Rechtzeitigkeit 1 des Widerrufs eine obligatorische Milderung der Strafe für den Meineid und die vorsätzliche falsche eidesstattliche Versicherung sowie obligatorische Straflosigkeit der Strafe für fahrlässigen Falscheid und fahrlässige falsche eidesstattliche Versicherung vor; der Vorentwurf ordnet bei freiwilligem und rechtzeitigem111 Widerruf einer fahrlässigen Falschaussage oder einer vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage Straflosigkeit an, der Gegenentwurf, der fahrlässige Falschaussagen nicht poenalisiert, normiert Straflosigkeit bei freiwilligem und rechtzeitigem 112 Widerruf einer uneidlichen Falschaussage E 1913 läßt nun bei rechtzeitigem 113 und freiwilligem Widerruf 114 eines Meineides und einer vorsätzlichen falschen eidesstattlichen Versicherung Strafmilderung "nach freiem Ermessen" des Gerichts zu 115 ; in den Fällen des fahrlässigen Falscheides, der fahrlässigen falschen eidesstattlichen Versicherung und der (vorsätzlichen) uneidlichen Falschaussage schreibt er zwingend Straflosigkeit vor. Die Versuchte Anstiftung zum Meineid und zur falschen eidesstattlichen
109
Ibd.
110
§ 158 RStGB:"... bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachteil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist". 111 § 169 VE: ",.. bevor aus ihr (sc. der Aussage) ein Rechtsnachteil für einen anderen entstanden ist...". 112
§ 201 Abs.3 GE = § 169 VE.
113
§ 231 Abs.3 E1913: "Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn aus der falschen Erklärung oder Aussage bereits ein Rechtsnachteü für einen anderen entstanden ist". 114 Im E1913 wie im E1919 ist der Kreis der für einen wirksamen Widerruf empfangsberechtigten Behörden gegenüber dem RStGB wie auch gegenüber dem VE und dem GE erweitert. Knüpfen diese die Wirksamkeit des Widerrufs daran, daß er "bei der Behörde, der er (sc. der Täter) sie abgegeben hat", erfolgt ist, so kann nunmehr der Widerruf wirksam erklärt werden "bei der Behörde, bei der er (sc.der Täter) sie abgegeben hat oder die sie im Verfahren zu würdigen hat, oder bei einem Amtsgericht"; s. dazu E1919 Denkschrift aaO.; Beratung in der Kommission über diesen Problemkreis: Erste Lesung Prot.StrK121.Sitzung v.22j\pril 1912, S.10 ff.; zweite LcsungProt.StrK., 253.Sitzung v.l7Juni 1913, S.21 ff. Die beiden zuletzt genannten Stellen wurden erst in der zweiten Lesung der Kommission eingefügt (253.Sitzung, S. 24 ff.). 115
§ 231 Abs.l u.2 E 1913; sachlich ebenso § 225 Abs.l E 1919.
Beginn der Strafrechtsreform
93
Versicherung ist als Straftatbestand beibehalten116, nunmehr aber mit einer eigenen Rücktrittsregelung versehen. Diese gab in beiden Lesungen der Kommission Anlaß zu kontroversen Anträgen und Debatten117. Einerseits wurde beantragt, die Rücktrittsvorschriften in vollem Umfange für anwendbar zu erklären; insbesondere müsse der Täter dann straflos bleiben, wenn er den Entschluß des anderen, den Meineid zu leisten, rückgängig gemacht, der andere aber aufgrund eines neuen selbständigen Entschlusses gleichwohl falsch geschworen habe. In diesen Fall den Strafaufhebungsgrund nicht eingreifen zu lassen sei unbillig und unzweckmäßig, umso mehr, als es ohnehin schon "sehr weit gehe.., die sonst straflose versuchte Anstiftung zu einem Vergehen zu strafen" 118. Der Gegenantrag wollte hingegen jede Berücksichtigung des freiwilligen Rücktritts und der tätigen Reue ausschließen119; es enthalte einen Widerspruch, schon den Versuch mit Vollendungsstrafe zu bedrohen, gleichzeitig aber für den Rücktritt oder die tätige Reue Straffreiheit zuzusichern; die Gegenansicht gar stelle die praktische Anwendbarkeit der Strafdrohung überhaupt in Frage 120; verglichen mit dem geltenden Recht "mindere sie ... den Strafschutz", da das Reichsgericht freiwilligen Rücktritt und tätige Reue beim Delikt des § 159 RStGB ausdrücklich ausgeschlossen habe121. Gegenüber diesen beiden Anträgen hielt die Mehrheit der Kommission 122 die Lösung des Entwurfs für einen brauchbaren Kompromiß, da er einerseits die als Folge des ersten Antrages zu befürchtenden Beweisschwierigkeiten vermeide, andererseits aber die Möglichkeit schaffe, "den Täter durch Zusicherung der Straffreiheit zu veranlassen, den Erfolg seines verbrecheri-
116 § 228 E 1913: "Wer versucht, einen anderen zu einem Meineid zu bestimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Werversucht, einen anderen zur vorsätzlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt zu bestimmen, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Hat der Täter den Meineid oder die Abgabe der falschen Versicherung an Eides Statt freiwillig verhindert, so ist er straflos." Diese Fassung wird durch § 22 E 1919 folgendermaßen präzisiert: "Wer einen anderen zu einem Meineid bestimmt oder zu bestimmen sucht, wird, soweit er nicht als Anstifter strafbar ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Wer einen anderen zur vorsätzlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt bestimmt oder zu bestimmen sucht, wird, soweit er nicht als Anstifter strafbar ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft". (Abs.3 sachlich unverändert). 117
ProtStrK.,
119.Sitzung v.16.4.1912, S.15 - 17; 253.Sitzung v. 17Juni 1913, S.8 - 14.
118
253.Sitzung, S.8. - Das zuletzt genannte Bedenken betrifft freilich nur das Vergehen der falschen eidesstattlichen Versicherung. 119
AaO. S.9.
120
AaO. S.10.
121
Ibd. - Vgl. RGSt 10,342; vgl. auch bereits o. 3.Kap., bei und in Fußn. 92.
122
12:1 Stimmen bzw. 11:4 Stimmen.
94
.Kapitel
sehen Tuns abzuwenden"123. Die Denkschrift setzt sich später noch mit dem naheliegenden Einwand auseinander, die Aufforderung an einen anderen zur Begehung eines Verbrechens sei bereits durch § 213 E 1913124 unter Strafe gestellt, so daß die Vorschrift im Hinblick auf den Meineid überflüssig sei. Diesem Hinweis wird mit dem Argument begegnet, eine Sonderregelung gegen die Verleitung zum Meineid bleibe schon deshalb erforderlich, weil die Strafdrohung des § 213 125 "für das besonders verwerfliche und für die Rechtssicherheit gefährliche Delikt der Verleitung zum Meineid unzureichend" sei 126 · 127 . Schließlich enthält der E 1913 - anders als der Gegenentwurf - auch wieder eine ausdrückliche Strafbestimmung gegen die Herbeiführung eines falschen Eides und einer falschen Versicherung an Eides Statt, nicht allerdings gegen die Herbeiführung einer uneidlichen Falschaussage . In der Kommission
123
Ibd.
124 Inhaltsgleich § 231 E 1919. - § 213 E 1913/ 231 E 1919 greift § 49a StGB a.F., den sog. Duchesne-Paragraphen, auf, welcher 1876 eingefügt wurde. Zu dessen Vor-, Entstehungs-und Entwicklungsgeschichte s. Busch, Erfolgslose Teilnahme S. 1 bis 116. 125
Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
126
So für den gleichlautenden § 231 E 1919: E 1919 Denkschrift,
S.170.
127
Daß § 222 E1919 nicht nur den BestimmungsverywcÄ, sondern auch das Bestimmen zum Meineid poenalisiert, dürfte eine Konsequenz daraus sein, daß der Allgemeine Teil des Entwurfs in § 28 (entsprechend § 35 E 1913) als Voraussetzung für die Anstifterstrafbarkeit eine vorsätzlich "begangene" Haupttat, zumindest also den DeliktsverswcA des Haupttäters verlangt. § 222 erfaßt somit auch jene Fälle, in denen der auf Grund der Anstiftungshandlung gefaßte Tatentschluß nicht wenigstens zum Versuch der Haupttat geführt hat. (Nach heutiger Auffassung ist diese Konstellation noch unter das "Versuchte Bestimmen" i.S.d. § 30 Abs.l StGB zu subsumieren; vgl. z.B. Samson, SK, § 30 Rn.6; Lenckner, Sch/Schr, § 30 Rn.21). Die Subsidiaritätsklausel gegenüber der Anstifterstrafbarkeit stellt dies klar. Mit der Formulierung "zu bestimmen sucht" (statt: "versucht") soll klargestellt werden, daß es sich nicht um einen Versuch im technischen Sinne des damaligen engen Versuchsbegriffes (§ 23 E 1919) handelt. Bereits beim ersten Zureden soll die Tat vollendet sein. Folgerichtig ist daher auch, daß Absatz 3 der Vorschrift eine eigene Rücktrittsvorschrift enthält. 128 § 229 E 1913: Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, von einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde einen falschen Eid leistet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, vor einer zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständigen Behörde eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Vgl. § 223 E 1919: Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde einen falschen Eid leistet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, einer zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständigen Behörde eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Beginn der Strafrechtsreform
95
war beantragt worden, die Bestimmung zu streichen 129; sie behandele nichts anderes als Meineid und vorsätzliche falsche eidesstattliche Versicherung in mittelbarer Täterschaft. Die einzige selbständige Bedeutimg der Vorschrift bestehe deshalb darin, den mittelbaren Täter ohne ersichtlichen Grund milder zu bestrafen als den unmittelbaren Täter 130 . Was den Versuch angehe, so sei einerseits der versuchte Meineid als Verbrechensversuch ohnehin strafbar, andererseits könne auf die Strafbarkeit des Versuchs der falschen eidesstattlichen Versicherung getrost verzichtet werden 131. Andere Mitglieder der Kommission bestritten die konstruktive Möglichkeit eines Meineides in mittelbarer Täterschaft, die Mehrheit 132 wiederum gab diese Möglichkeit zwar zu, wollte aber "im Interesse der Rechtspflege, namentlich der Laiengerichte, und der Generalprävention" den "klaren und gemeinverständlichen (Verleitungs-)Tatbestand" nicht "durch eine immerhin künstliche Konstruktion .. Der Entwurf von 1919 verteilt die Rechtspflegedelikte, die der Vorentwurf und der Entwurf von 1913 noch in einem Abschnitt zusammengefaßt haben, auf die drei Abschnitte "Meineid" (11 Abschnitt) 135 , "Schädigung der Rechtspflege" (12Abschnitt)136 und "Vorbereitung von Straftaten. Begünstigung. Strafvereitelung" (13Abschnitt) 137. Er will damit der "Eigenart und Bedeutung"138 der "Eidesdelikte" durch separate Gruppierung Rechnung tragen. Sachlich besteht eine erwähnenswerte Änderung gegenüber dem Entwurf von 1913 nur darin, daß gem. § 225 Abs.l Hs.2 E 1919 der Widerruf der falschen Bekundung in den Fällen des fahrlässigen Falscheides, der fahrlässigen falschen eidesstattlichen Versicherung und der (vorsätzlichen) falschen uneidlichen
129 Erste Lesung: ProtStrK, 119.Sitzung v.16.4.1912, S.2 ff. (Antrag auf Streichung der Versuchsstrafbarkeit), S.8 ff. (Antrag auf Streichung der gesamten Vorschrift); zweite Lesung: ProtStrK., 253.Sitzung v. 17Juni 1913. 130
253.Sitzung, S.15 f.
131
AaO. S.20.
132
11:4 Stimmen.
133
AaO. S.16.
134
E1919 Denkschrift, S.171, führt aus, der Entwurf folge dem Gegenentwurf deshalb nicht, weil einerseits seine Definition der strafbaren Anstiftung - anders als jene des Gegenentwurfs ein Bestimmen zur vorsätzlich begangenen Haupttat verlange, andererseits umstritten sei, ob die Begehung eines Meineides in mittelbarer Täterschaft überhaupt möglich sei. 135
§§ 220-225 E 1919.
136
§§ 226-230 E 1919
137
§§ 231-136 E 1919.
138
E 1919 Denkschrift
S. 173.
96
.Kapitel
Aussage Straflosigkeit nur noch fakultativ nach sich zieht 139 . Diese Änderung ist umso bemerkenswerter, als die Kommission noch einstimmig der Auffassung gewesen war, daß der Widerruf "auch bei der falschen uneidlichen Aussage, und zwar als obligatorischer Strafaufhebungsgrund, berücksichtigt werden müsse"140.
139 § 225 Abs.2 E 1919 übernimmt den Text von § 231 Abs.3 E 1913 (ο. Fußn. 113), jedoch mit dem klarstellenden Zusatz: ",.. wenn zur Zeit des Widerruß..."; s. dazu E1919 Denkschrift, S.172. 140 ProtStrK, keine Erklärung.
253.Sitzungvom 17Juni 1913, S.22. - Die Denkschrift
liefert für diese Änderung
7.Kapitel
Weimarer Republik I. Weimarer Reichsverfassung Im Jahre 1919 nahm die Weimarer Nationalversammlung eine der Reformforderungen auf dem Gebiete des Eidesrechts in die Grundrechtsbestimmungen der neuen Reichsverfassung auf. Sie beschloß, daß "niemand .. zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden (dürfe)" 1. Auf Antrag der Deutschen Volkspartei 2 erhielt die Verfassung ferner in Artil77 folgende Übergangsbestimmung3: Wo in den bestehenden Gesetzen die Eidesleistung unter Benutzung einer religiösen Eidesform vorgesehen ist, kann die Eidesleistung rechtswirksam auch in der Weise erfolgen, daß der Schwörende unter Weglassung der religiösen Eidesform erklärt: "Ich schwöre". Im übrigen bleibt der in den Gesetzen vorgesehene Inhalt des Eides unberührt.
Daß dieser Grundrechtsartikel und die (ohnehin recht restriktive) Übergangsbestimmung nicht ohne Reibungsverluste in die Gerichtspraxis umgesetzt wurden, zeigt ein Beschluß der Vorsitzenden der Berliner Schöffengerichte4, in dem bekräftigt wurde, daß "der Eid grundsätzlich unter Benutzung der religiösen Eidesformel abzulegen" sei und daß "eine Verpflichtung des Richters zur Aufklärung des Schwörenden über das ihm aus Art.177 der Verfassung zustehende Recht (nicht) besteh(e)" - eine Auffassung, die in beiden Bestandteilen zwar mit dem Buchstaben, aber kaum mit dem Sinn und Zweck der
1
Art.136 Abs.4 WRV; vgl. Prot.NV, 59.Sitzung v.17Juli 1919, Bd 328, S.1662. Die Vorschrift gilt über Art.140 GG bis heute. 2 Abg. Düringer (DVP) erklärte, seine Fraktion stimme der Vorschrift nur unter dem Vorbehalt zu, daß zur Vermeidung von Diskrepanzen zwischen Piozeßgesetzen und Verfassung eine Übergangsbestimmung beschlossen werde (aaO.). 3 4
ProtNV., 63.Sitzung v. 22Juli 1919, Bd 328, S.1830.
Das Folgende nach einer Mitteilung des SPD-Reichstagsabgeordneten Rosenberg in der Etatdebatte 1923 (Sten.Ber.RT., I.Wahlperiode 1920,298.Sitzung v. 12.Febr.1923, Bd 358, S.9626) über den "kürzlich" gefaßten Beschluß, welcher demnach um die Jahreswende 1922/23 gefaßt worden sein dürfte.
98
7.Kapitel
Verfassungsbestimmungen in Einklang zu bringen war 5. II. Entwurf Goldschmidt/Schiffer Am Beginn derprozeßrechtlichen Reformversuche der Weimarer Republik stand der "Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen", den Reichsjustizminister Eugen Schiffer 6 Anfang 1920 zusammen mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes veröffentlichen ließ 7 Der Entwurf, im wesentlichen ein Werk des bekannten Prozessualisten James Goldschmidt, kann als erster und bisher letzter Versuch einer republikanischen Gesamtreform des Strafprozesses bezeichnet werden8. Vorliegend interessieren freilich nur die von dieser Intention weniger geprägten - Vorschläge des Entwurfes, welche unsere Fragestellung betreffen.
Der Entwurf hält am Grundsatz der Vereidigung von Zeugen fest 9. Die Vereidigung soll stets durch Nacheid erfolgen 10. Die Vereidigungsverfrote für Eidesunmündige11, Eidesunfähige 12 und Beteiligungs-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtige 13 sollen bestehen bleiben. Nach richterlichem Ermessen können unvereidigt bleiben der Verletzte, Angehörige des Beschuldigten und des Verletzten sowie jeder Zeuge hinsichtlich der Auskunft auf Fragen, deren Beantwortung ihm oder einem Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen kann14. In Privatklageverfahren und Übertretungssachen darf nur vereidigt werden, wenn dies zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit 15 der Aussage unerläßlich ist oder von einem Beteiligten beantragt wird 16 . Schließlich hat die Vereidigung auch zu unterbleiben, wenn alle Mitglieder des Gerichts und die anwesenden Beteiligten den
5 Reichsjustizminister Heinze zog sich in seiner Antwort auf den formalen Standpunkt zurück, der Beschluß der Schöffengerichtsvorsitzenden entspreche dem Verfassungstext (aaO. S.9658). 6
Zur Person Schiffers
7
s. Q.Verz. Β 2.2.17.
s./. Ramm, Eugen Schiffer und die Reform der deutschen Justiz (1987).
8
Näher zur Charakterisierung des Entwurfes: Eb.Schmidt, Einführung S.417; Kern, Geschichte S.153 ff.; Vormbaum, Lex Emminger S.46 ff. m.w.N. in FN.17. 9 § 77 Abs.l E 1920 GRSt: "Jeder Zeuge ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu vereidigen. Vereidigen kann nur der Richter". 10
§ 81 Abs.l S.l E 1920 GRSt.
11
§ 78 Ziff.l.
12
§ 78 Ziff.2.
13
§78 Ziff.3.
14
§79.
15
Im Entwurf: Glaubwürdigkeit.
16
§ 80 Abs.l.
Weimarer Republik
99
Inhalt für unwesentlich halten, im Verfahren vor den Schwurgerichten jedoch nur dann, wenn kein Geschworener die Vereidigung verlangt 17. Wie bereits 1905 von der Strafprozeß-Reformkommission empfohlen, soll der Zeuge nicht die Eidesnorm, sondern nur noch die Eidesformel nachsprechen18. Auch ist entsprechend der Reichsverfassung die Möglichkeit vorgesehen, den Passus "so wahr mir Gott helfe" fortfallen zu lassen1. Sachverständige sollen nur noch vereidigt werden, wenn es zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Gutachtens unerläßlich oder von einem Beteiligten oder einem Geschworenen verlangt wird 20 . Auch für sie ist ausschließlich der Nacheid vorgesehen. Die Begründung des Entwurfes bezeichnet es abermals als "besonders wichtige Aufgabe..., das Übermaß der Eidesleistungen einzuschränken". Die Häufigkeit der Eide drücke die Bedeutung des Eides herab und vermehre die Zahl der Falscheide. Deshalb gehe der Entwurf in dieser Hinsicht noch über die Vorschläge der Strafprozeß-Kommission von 1905 hinaus. Vor allem vom Vereidigungsverbot bei den für den Zeugen verfänglichen Fragen sei zu erwarten, daß es zur Verhütung bedenklicher Eide beitragen werde 21. Der Entwurf Goldschmidt/Schiffer stieß im juristischen Schrifttum auf Kritik 2 2 und im Reichrat sowie in der Justizbürokratie auf Widerstand 23. Er wurde daher als Gesamtwerk nicht weiterverfolgt. Große Teile des Entwurfes bildeten aber weiterhin die Grundlage der strafprozessualen Reformpläne der folgenden Jahre, bis 1924 die sog. Lex Emminger 2* - ungeachtet der Übernahme einiger Elemente des Entwurfs von 1920 - der Entwicklung des Strafprozeßrechts eine ganz andere Richtung gab. Der hier interessierende Problembereich blieb freilich von der Lex Emminger ausgespart. Er gehörte darüber hinaus zu denjenigen Bereichen, die auch nach 1924 in die bereits vorher eingeschlagene Richtung strebten.
Nach dem Scheitern des Entwurfs Goldschmidt/Schiffer wurde im Reichsjustizministerium beschlossen, die Prozeßrechtsreform bis zur Verwirklichung der Reform des materiellen Strafrechts zurückzustellen und nur die Reform
17 § 80 Abs.2. Diese Einschränkung war vor allem deshalb erforderlich, weil durch § 271 des Entwurfes den Geschworenen eine unmittelbare Teilnahme an der Beweisaufnahme eingeräumt wird. - Die Geschworenen sollen darüber befragt werden, ob sie die Vereidigung verlangen (§ 80 Abs.2 S.2). 18
§ 82 Abs.l.
19
§82 Abs.4.
20
§ 98 Abs.l.
21
Begründung E 1920 GRSt S.28.
22
Umfangreiche Nachw. b. Vormbaum aaO. (o.Fußn.8).
23
Vor allem aus (angeblichen) Kostengründen; vgl. zB. Härtung, Memoiren S.43.
24
Dazu ausführlich Vormbaum, Lex Emminger.
100
Kapitel
der Gerichtsverfassung weiter zu betreiben 25. Infolgedessen hielt die Reformplanung sich in den folgenden Jahren mit Vorschlägen zur Reduzierung der Vereidigungsfälle zurück. Es finden sich lediglich Versuche, die durch die Weimarer Reichsverfassung geänderten verfassungsrechtlichen Verhältnisse in die einfache Gesetzgebung umzusetzen. So sieht ein (interner) Entwurf des Reichsjustizministeriums vom Januar 192226 die Einführung einer ausdrücklichen Belehrung des Zeugen darüber vor, "daß er den Eid auch in der Weise leisten könne, daß er unter Weglassung der religiösen Eidesformel erklärt: Ich schwöre'" 27 . Die Entwurfsbegründung bezeichnet es als "dringend erwünscht, daß diese Frage rechtzeitig vor der Abnahme des Eides geklärt wird". Geschehe dies nicht, "so komm(e) es, wie sich in der Praxis gezeigt ha(be), zu peinlichen Störungen der Eidesabnahme und unliebsamen Auseinandersetzungen"28. Dieser Vorschlag gab in einer Beratung des Reichsjustizministeriums mit Mitgliedern des Rechtsausschusses des Reichsrates "Anlaß zu grundsätzlichen Erörterungen"29. Widerspruch fand die vorgeschlagene Belehrungspflicht bei den Vertretern Bayerns und Württembergs. Argumente, die bei der Beratung des StPO-Entwurfes von 1909 gegen die Möglichkeit der Leistung eines nichtreligiösen Eides verwendet worden waren, kehrten jetzt als Einwände gegen die Belehrung über diese Möglichkeit wieder. Den Bevölkerungskreisen, die sich des bürgerlichen Eides bedienen wollten, sei das Recht dazu auch ohne Belehrung hinreichend bekannt. In kirchlich gesinnten Kreisen werde der ausdrückliche Hinweis auf die doppelte Möglichkeit der Eidesleistung Ärgernis erregen. Zugleich entstehe die Gefahr, daß der bürgerliche Eid für weniger verbindlich gehalten werde als der religiöse; so könne die Belehrung geradezu als Anreiz zu Eidesverletzungen wirken. Mehrere Teilnehmer schlugen vor, die Regelung dieser Frage der Landesgesetzgebung zu überlassen. Von anderen wurde dagegen die vorgeschlagene Regelung als Folgerung aus den Bestimmungen der Artikel 136 Abs.4,177 WRV angesehen30. In den überarbeiteten Fassungen des Entwurfes vom 16.Mai31 und 19Juni 192232 blieb der Regelungsvorschlag in allen dargestellten Punkten aufrechterhalten; das Reichsjustizministerium sah sich allerdings nunmehr veranlaßt, eine ausführliche verfassungsrechtliche Begründung nachzuliefern 33.
25 So die Begründung des (internen) Entwurfes eines "Gesetzes zur Neuordnung der Strafgerichte" vom Januar 1922 (dazu sogleich), der sich deshalb auf die Reform der Gerichtsverfassung beschränkt. (Bundesarchiv, R431/1210, B1.69; vgl. auch Vormbaum, Lex Emminger, S.49 ff.). 26
s. vorige Fußn.
27
Art.IV Ziff.7 (aaO. B1.58).
28
AaO. (Fußn. 25) B1.75.
29
S.50.
AaO. B1.115 Rücks.; näher zu dieser Sitzung am 15.März 1922 Vormbaum, Lex Emminger,
30
AaO. Bl. 116. - Zu den Art.136 Abs.4 und 177 WRV s. bereits o.sub I.
31
AaO. B1.127.
32
AaO. Bl. 171 (Reichsrats-Drucksache Nr 173 von 1922); diese Vorlage wurde im Reichsanzeiger - allerdings ohne die Begründung - veröffentlicht; s.RAnz. Jg.1922, Nr 157 v.19. Juli Abends. 33
AaO. B1.147 (Rücks.).
Weimarer Republik
101
Aufgrund der außen- und währungspolitischen Erschütterungen der beiden folgenden Jahre wurden Reformfragen des Strafprozesses und der Strafgerichtsverfassung immer mehr zu einer Funktion tatsächlicher oder angeblicher Sparstrategien 34. Fundierte Vorschläge zur Reform des hier besprochenen Fragenkreises tauchen in dieser Zeit nicht auf. Wir haben daher unser Augenmerk zunächst wieder auf die Pläne zur Reform des materiellen Strafrechts zu lenken. III. Materiellstrafrechtliche Reformarbeiten Ausgangspunkt der in der Zeit der Weimarer Republik fortgeführten Arbeiten an der Strafrechtsreform war der 1922 vom Reichsjustizminister Gustav Radbruch persönlich 35 ausgearbeitete und der Reichsregierung vorgelegte StGB-Entwurf. Vor allem wegen seiner Neuerungsvorschläge auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils wie Abschaffung der Todesstrafe, Ersetzung der Zuchthausstrafe durch die Strafe des "strengen Gefängnisses" und Beseitigung der sog. Ehrenstrafen 36 gilt dieser Entwurf, der erst dreißig Jahre später veröffentlicht wurde, als Markstein auf dem Weg zu einer zukunftsträchtigen Strafrechtsreform, als "Höhepunkt der strafgesetzlichen Reformarbeit" 37.
In der Gliederung des Besonderen Teils, insbesondere auch in derjenigen der Rechtspflegeschutz-Tatbestände, schließt sich der Entwurf von 1922 allerdings weitgehend seinen Vorgängern an. Wie im Entwurf von 1919 gehen die drei einschlägigen Abschnitte (Abschnitte 11 bis 13)38 jenen über Urkundenfälschung und Falschmünzerei voraus. Lediglich die Überschrift des 11 Abschnitts - "Meineid und falsche Aussage" -ist dem geplanten neuen Rechtszustand im Bereich der Aussagetatbestände angepaßr9. Inhaltlich übernimmt der Entwurf weitgehend die Vorschläge seiner Vorgänger. Der inzwischen verfestigte Tatbestandskanon (einschließlich des Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage) ist beibehalten, fahrlässige Begehung wie bereits in den Entwürfen von 1913 und 1919 nur beim Falscheid und bei der falschen eidesstattlichen Versicherung unter Strafe gestellt. Mehr als nur eine redaktionelle Änderung bedeutet es, daß das Problem der Zuständigkeit der vernehmenden Behörde zur Abnahme von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen bzw. zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in
34 Dazu, daß die einschneidenden Maßnahmen der Lex Emminger nur zu einem Teil mit Einsparungsnotwendigkeiten gerechtfertigt werden konnten, zu einem anderen Teil aber sich bloß hinter diesen verschanzten, s. Vormbaum, Lex Emminger,S.97 u.ö. 35 S. den Hinweis von Eb.Schmidt, Einleitung Entwurf S.VI, FN.2; Radbruch, Der innere Weg S.115. 36
Eb.Schmidt aaO.
37
Uepmann (zit.b. Eb.Schmidt aaO. S. VII).
38
§§ 176 ff. E 1922.
39
Näheres zu den Rechtspflegeschutz-Tatbeständen dieses Entwurfes b. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.36 ff.
102
7.Kapitel
einer einzigen Vorschrift geregelt ist 40 . Damit ist das betreffende Merkmal worauf dann die Begründung zum Entwurf von 1925 ausdrücklich hinweisen wird - vom Tatbestandsmerkmal zur bloßen Objektiven Bedingung der Strafbarkeit abgeschwächt41. In den Tatbeständen der Versuchten Anstiftung (§ 172 E1922) und der Herbeiführung eines falschen Eides (§ 173) sind die dogmatischen Überspitzungen des E1919 wieder aufgegeben . Bei freiwilligenr 3 und rechtzeitigem44 Widerruf des Meineides, der falschen Versicherung an Eides Statt und der falschen uneidlichen Aussage sieht auch dieser Entwurf Strafmilderung Hnach freiem Ermessen" des Gerichts vor. Im übrigen kann nach der allgemeinen Regelung in §§ 72,73 E 1922 die Strafe innerhalb gewisser Bandbreiten gemindert werden, wenn nach Ansicht des Gerichts die Tat "hauptsächlich auf Ursachen zurückzuführen" ist, "die dem Täter nicht zum Vorwurf gereichen' 45. Wegen der aktuellen politischen Schwierigkeiten - Ruhrblockade, Inflation, Hitlerputsch 46 -
40
§175 E 1922.
41
E1925 Begründung, S.88. - Wie manche andere Objektive Bedingungen der Strafbarkeit gab auch diese sich den Anschein der Täterfreundlichkeit; § 175 Abs.3 E 1922:"... nur strafbar, wenn die Behörde ... zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständig ist". 42 §172 E 1922: "Wer einen anderen zu einem Meineid zu verleiten sucht...". "Wer einen anderen zur vorsätzlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt zu verleiten sucht..." §173 E 1922: "Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, vor einer Behörde einen falschen Eid leistet..." "... eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt...". Im Gegensatz zur (bis heute beibehaltenen) Terminologie des RStGB, wonach "Verleiten" die Einwirkung auf einen vorsatzlos Handelnden ausschließlich (h.M.) oder auch (Hruschka, JZ 1967,210 ff.) erfaßt, bezeichnen E1922 und, ihm folgend, E1925 und E1927 die Einwirkung auf einen dolos Handelnden (nach heutiger Terminologie: Versuchte Anstiftung) als "Verleitung", die Einwirkung auf einen vorsatzlos Handelnden hingegen als "Herbeiführung eines falschen Eides (u.s.w.)"; s. §§ 172,173 E 1922, §§ 173,174 E 1925, §§ 186,188 E 1927. 43
§ 178 Abs.l: "...aus freien Stücken...".
44
§ 178 Abs.2: "... nicht, wenn zur Zeit des Widerrufs... die Entscheidung oder Verfügung schon getroffen oder aus der Tat schon ein Rechtsnachteil für einen anderen entstanden ist". 45 § 72 E 1922 entsprach ungefähr dem heutigen § 49 StGB. Für den Meineid, dessen ordentliche Strafdrohung strenges Gefängnis von einem Jahr (§ 31 Abs.l) bis zu zehn Jahren betrug, reichte der gemilderte Strafrahmen von drei Monaten Gefängnis bis zu fünf Jahren strengen Gefängnisses. 46 Eingehend zu diesen Ereignissen und ihrem Einfluß auf die Gesetzgebung Vormbaum, Lex Emminger, S.21 ff.
Weimarer Republik
103
wurde die Beratung des Radbruchschen Entwurfs im Reichskabinett zurückgestellt 47. Erst am 12.November 1924 - Radbruch war inzwischen aus dem Amt geschieden48 - wurde der Entwurf vom Kabinett verabschiedet und am 17.November dem Reichsrat vorgelegt. Diese Reichsratsvorlage wurde 1925 veröffentlicht (E1925). Sie hielt unter Berücksichtigung österreichischer Reformarbeiten an der Gesamtkonzeption des Entwurfs von 1922 im wesentlichen fest, zog freilich wichtige Reformvorschläge Radbruchs wieder zurück 49 .
Im Bereich der Aussagedelikte übernimmt der Entwurf1925 nahezu unverändert die Fassung des Entwurfs von 1922. Während die sehr knappe Begründimg zum E 1922 zu den uns interessierenden Vorschriften keine Ausführungen enthält, sind dem E 1925 auch in diesem Bereich Erläuterungen beigefügt. Sie schließen sich weitgehend der Denkschrift zum E 1919 an. Vor allem wird wieder auf zu erwartende Änderungen im Prozeßrecht hingewiesen, durch welche die Zahl unbeeideter Aussagen vor Gericht sich drastisch erhöhen werde; die bereits bestehenden Möglichkeiten, von der Vereidigung abzusehen, werden erneut als Begründung für die sofortige kompensatorische Ausweitung des Strafbarkeitsbereiches auf uneidliche Falschaussagen genannt50. Erstmals seit Beginn der Arbeit an der Strafrechtsreform findet sich auch eine Begründung für die dem heutigen Leser des § 153 StGB nicht unmittelbar zugängliche Kombinierung der uneidlichen Falschaussage mit der zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Stelle. Durch die neue Vorschrift 51 - so wird ausgeführt - solle "nicht der Kreis der geschützten Behörden und Verfahrensaiten erweitert werden, sondern lediglich die Strafbarkeit falscher Zeugen- und Sachverständigenaussagen von der Voraussetzung der Vereidigung unabhängig gemacht werden 52. Aufgrund von Verhandlungen der Reichsregierung mit dem Reichsrat erfuhr der Entwurf eine abermalige Überarbeitung. Diese neue Fassung
47 So jedenfalls die offizielle Begründung der Verzögerung in: E1925 Begründung, S.3 und E 1927 Begründung, S.3; s. auch die Erklärung von Reichsjustizminister Heinze im Reichstag, in: Sten.Ber.RT., I.Wahlperiode 1920, 299. Sitzung v. 13.Februar 1923, Bd 358, S.9649 ff., 9658. Radbruch, Innerer Weg S. 115 f., deutet auch inhaltlich motivierte Widerstände im Reichskabinett an. 48 Zur Arbeit Radbruchs als Justizminister und zu seinen beiden Amtsperioden (Oktober 1921 bis November 1922 und August 1923 bis November 1923) s. Radbruch aaO. S.105 ff.; Kuhn, Justizminister S.63. 49 Insbesondere die Abschaffung der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe; vgl. i.e. Eb.Schmidt, Einführung S.406; v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch S.92. 50
E 1925 Begründung, S.88.
51
Im E 1925: § 175.
52
E 1925 Begründung, S.88. - Auch das tatbestandliche Erfordernis des vorgängigen Hinweises auf die Strafbarkeit uneidlicher Falschaussagen wurde erneut doppelt begründet: Einerseits Neuheit derStrafdrohung; andererseits Eröffnung der "Möglichkeit, durch prozessuale Bestimmungen darüber, bei welchen Vernehmungen ein solcher Hinweis auf die Strafbarkeit stattzufinden habe, bestimmte Gruppen von Aussagen von der Strafdrohung auszunehmen" (aaO. S.88).
104
7.Kapitel
wurde 1927 dem Reichstag, dessen dritte Legislaturperiode sich freilich bereits ihrem Ende zuneigte , vorgelegt 54. Der Entwurf von 1927 behält die Grundkonzeption der Aussagedelikte bei, die sich in den Entwürfen seit 1919 herausgebildet und seither verfestigt hat; jedoch zeigt sich die für den ganzen Entwurf charakteristische Verschärfung repressiven Denkens55 auch in diesem Bereich. Mehrere Strafdrohungen sind verschärft: die Höchststrafe ist beim fahrlässigen Falscheid von einem Jahr auf zwei Jahre Gefängnis 56, bei der fahrlässigen falschen Versicherung an Eides Statt sowie bei der Herbeiführung einer unvorsätzlichen falschen Versicherung an Eides Statt57 von sechs Monaten auf ein Jahr Gefängnis heraufgesetzt. Die Möglichkeit, in besonders leichten Fällen uneidlicher Falschaussage von Strafe abzusehen, ist im Hinblick auf eine im Allgemeinen Teil vorgesehene Regelung über mildernde Umstände entfallen. Neu unter Strafe gestellt ist der Versuch der falschen Versicherung an Eides Statt58 sowie der Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage59. Für diese Verschärfungen im Bereich der Aussagedelikte enthält die dem Entwurf beigegebene Begründung keine Erläuterung. Jedoch dürfte die von verschiedenen Kritikern gegenüber dem Entwurf von 1925 geäußerte Sorge, es werde der "notwendige Strafrechtsschutz zu sehr abgeschwächt"60, Wirkung gezeigt haben. IV* Versuch einer Zusammenfuhrung von Strafrechtsreform und Eidesreform (1929/30) Der Reichstag überwies die Vorlage an den 32 .Ausschuß, dessen Arbeit aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung in der folgenden vierten Legislaturperiode (nach der vorzeitigen Reichstagsneuwahl vom 28.Mai 1928), nunmehr im 21 .Ausschuß, kontinuierlich fortgesetzt werden konnte. Da vor dem vorzeitigen Ende auch dieser Legislaturperiode im Juli 1930 ein entsprechendes Gesetz zur Fortsetzung der Strafrechtsreform nicht zustandekam, wurde in der fünften Legislaturperiode (nach der Reichstagsneuwahl vom 14.September 1930) vom bisherigen Ausschußvorsitzenden Kahl ein Entwurf auf der Grundlage der bisherigen Beratungsergeb-
53
Und überdies auch noch vorzeitig beendet wurde; s.u. sub IV am Anfang.
54
Vgl. Eb.Schmidt, Einführung S.406 f.; Horstkotte, Anfänge aaO. S.334.
55
Vgl. Horstkotte aaO. S.335.
56
§ 184 Abs.2 E 1927.
57
§§ 185 Abs.2 E 1927.
58
§ 185 Abs.l S.3 E 1927.
59
§ 188 Abs.2 S.2 E 1927. Die Straffreiheit für den Fall freiwilliger Verhinderung der falschen Äußerung ist allerdings beibehalten (§ 188 Abs.3); darüber hinaus ist durch Verweis auf die allgemeine Versuchsregel klargestellt, daß Straffreiheit auch dann eintritt, wenn die Falschaussage zwar ohne Zutun des Anstifters unterbleibt, er sich jedoch ernsthaft bemüht hat, sie zu verhindern (§ 188 Abs.3 S.2 i.V.m. § 27 Abs.3 E 1927). 60
E 1927 Begründung S.3.
Weimarer Republik nisse61 emgcbracht(Entwurf schußberatungen gemacht.
105
1930 oder Entwurf Kahl) und abermals zur Grundlage von Aus-
In den Beratungen des Ausschusses der IILLegslaturperiode* 1 wurde der Mangel an Unterlagen über die zukünftige Gestaltung des prozessualen Eidesrechts als schweres Hemmnis bei der Beratung der Ausagedelikte empfunden 63. Auf Empfehlung eines Unterausschusses wurde daher die Reichsregierung einstimmig ersucht, im gesamten Gerichtsverfahren auf eine wesentliche Einschränkung der Eidesabnahmen hinzuwirken, insbesondere vorzusehen, im Strajprozeß - den Voreid durch den Nacheid zu ersetzen; - in Privatklage- und reinen Übertretungssachen die Vereidigung nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses oder eines wichtigen Interesses einer Partei an eidlicher Feststellung bestimmter Tatsachen zuzulassen; - für Fälle des Absehens von der Vereidigung in der Hauptverhandlung eine Pflicht zum Hinweis auf die Strafbarkeit vorsätzlich falscher oder unvollständiger Aussagen aufzustellen 64. - im Vorverfahren und in der Voruntersuchung Umfang der eidlichen Vernehmung zuzulassen;
einen solchen Hinweis nur im derzeitigen
- Sachverständige grundsätzlich nicht zu vereidigen.
61 Genauer Der Antrag gab die Beschlüsse erster Lesung der Kommission der vierten Legislaturperiode wieder, u.zw. in deijenigen Fassung, die sie auf den "deutschen und österreichischen Strafrechtskonferenzen" erhalten hatten. Wo weder in der ersten Lesung noch auf den Strafrechtskonferenzen endgültige Beschlüsse gefaßt worden waren, wurde die Fassung der ursprünglichen Regierungsvorlage (E1927) zugrundegelegt; s. Fußnote in der Antragsdrucksache (Sten.Ber.RT, V.Wahlperiode, Drucksache Nr 395 v. ó.Dezember 1930), hier zit. nach dem Neudruck als Bd 5 der Materialien zur Strajrechtsreform (Bonn 1954). 62 Die folgende Darstellung der Diskussionen der Strafrechtsreform-Ausschüsse kann sich auf eine Zusammenstellung stützen, welche (ca.1934/35) in einem "Merkblatt" für das RJM von Ministerialrat Busch erstellt wurde; s. Bundesarchiv R 22/Akte 990a (maschinenschriftliches Gutachten von 187 Blättern m.eigener Paginierung); vgl. auch Hegler, Eidesreform S. 11 ff.; Engisch, ZStW 1932, 661 ff. 63 Verh. d. 32Ausschusses der 3.Wahlperiode, 53.-57, 62. Sitzung; zit. nach Merkblatt aaO. B1.90; s. auch Hegler, Eidesreform S.ll und S.41, Anm.16; Loewenthal, Justiz 1928/29, 277 ff. Zahlreiche Hinweise auf die Ausschußberatungen auch bBoehringer, Eidesreform. 64 Außer in Fällen des Bestehens eines Zeugnisverweigerungsrechts. (Hintergrund: Nur nach erfolgtem zulässigen Hinweis auf die Strafbarkeit sollte nach dem derzeitigen Stand der Reformdiskussion Bestrafung erfolgen dürfen. Der Hinweis sollte prinzipiell vor der Vernehmung erfolgen, in besonderen, gesetzlich zu regelnden Fällen sollte er auch nach der Vernehmung möglich sein; in diesen Fällen sollte dem Zeugen anschließend die Gelegenheit gegeben werden, seine Aussage zu berichtigen oder zu ergänzen).
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7.Kapitel
im Zivilprozeß - zu prüfen, inwieweit der Parteieid durch die eidliche und uneidliche Parteivernehmung ersetzt und der Offenbarungseid eingeschränkt werden könne; - die Vorschriften über die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen entsprechend den für den Strafprozeß ausgesprochenen Empfehlungen umzugestalten .
Im materiellrechtlichen Bereich wurde nach teilweise sehr kontroverser Debatte u.a. beschlossen, - die Strafbarkeit der mit dolus eventualis begangenen Eidesverletzung beizubehalten66; - die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides und der fahrlässigen falschen eidesstattlichen Versicherung beizubehalten6 ; - beim Meineid den Gesichtspunkt der Unerheblichkeit der Aussage für die Entscheidung unberücksichtigt zu lassen, ihn jedoch bei der falschen uneidlichen Aussage als besonders leichten Fall strafmildernd zu berücksichtigen 68; - im Einklang mit der Regierungsvorlage § 157 RStGB fortfallen zu lassen69.
Im Reichsjustizministerium wurde daraufhin der Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch ausgearbeitet und 1929 veröffentlicht 70. Er enthält inbesondere Anpassungen des Gerichtsverfassungsrechts und Strafprozeßrechts an die geplante Kodifikation des materiellen Strafrechts 71. Unter anderem sieht er auch eine umfassende Neugestaltung der strafprozessualen Vorschriften über Zeugenvernehmung und Zeugenvereidigung vor. Als neue
65
Merkblatt S.91 f.
66
Merkblatt B1.93 Pkt 1. - Von sozialdemokratischer Seite war kritisiert worden, dolus eventualis sei beim Meineid praktisch kaum vorstellbar. Er beinhalte aber die Möglichkeit des Mißbrauchs und führe zu Urteilen, die das Volk nicht verstehe. Die Reichsregierung und die Ausschußmehrheit erwiderten, die Einbeziehung der Fälle des dolus eventualis sei vor allem beim Offenbarungseid unentbehrlich. - Die h.M. interpretierte das Merkmal "wissentlich" in den §§ 153,154,156 RStGB stets als "vorsätzlich" und ließ daher dolus eventualis ausreichen; Binding, BT I I / l , S.149 Anm.5; Frank, StGB (16A.), § 153 Anm.IV; § 154 Anm.IV Abs.l; Meyer/Allfeld, Dt.Strafrecht (8.A.), S.581; Olshausen, StGB (10A.), § 153 Anm.5; § 156 Anm.8; a A v.Liszt, Lehrbuch (11A.),S.579. 67
Merkblatt B1.94.
68
Merkblatt B1.96.
69
Von Seiten der "Linksparteien" (Merkblatt B1.96 f.) war vorgeschlagen worden, § 157 als spezielle Strafmilderungsvorschrift beizubehalten, u.zw. mit objektiv formulierten Voraussetzungen und einer generellen Strafmilderung auf die Hälfte. Von Seiten der Reichsregierung wurde erwidert, der Grundgedanke dieses Antrages passe nicht in den Entwurf, der "mit kasuistischen Bestimmungen aufräumen" wolle. (Merkblatt B1.97). 70
Im folgenden: EEG 1929.
71
Art.66 ff. EEG 1929.
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obligatorische Form der Bekräftigung soll die (stets nach der Aussage abzugebende) Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussage unte Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit eingeführt werden 72,73 . Von der Abnahme dieser Versicherung muß 74 bzw. kann in zahlreichen Fällen - es sind im wesentlichen die bisher als Vereidigungs-Ausnshmen diskutierten Fälle abgesehen werden. Sachverständige sollen die neue Versicherung, bezogen auf die unparteiische und nach bestem Wissen und Gewissen geschehene Gutachtenerstattung, nur auf Verlangen des Gerichts oder auf Antrag eines Beteiligten abgeben. Dig Beeidigung (als Vor- oder Nacheid) soll bei Zeugen-
72 Art.67 Ziff.26 § 59 EEG 1929: "Jeder Zeuge hat, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nach der Vernehmung die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Aussage unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit zu versichern". 73 Entsprechend geändert ist das Verfahren: gem. § 57 sollen die Zeugen vor der Vernehmung zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen werden, "daß sie in den Gesetz vorgesehenen Fällen die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Aussage unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit zu versichern, unter Umständen auch ihr Aussage zu beeiden haben; hierbei werden sie über die strafrechtlichen Folgen einer unvollständigen oder unrichtigen Aussage belehrt". - Gem. § 60 soll die Versicherung in der Weise erfolgen, daß "der Richter an jeden Zeugen nach nochmaligem ausdrücklichen Hinweis auf die Strafbarkeit einer falschen Aussage die Frage richtet(e): 'Versichern Sie unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit, daß Ihre Aussage richtig und vollständig ist?' und daß der Zeuge hierauf erwidert: 'Ich versichere es'...". Zeugnisverweigerungsberechtigte sollen auch die Abgabe der Versicherung verweigern können (§ 60 Abs.3). 74
Die Abnahme der Versicherung soll unzulässig sein - bei unter 16jährigen und Eidesunmündigen; - bei Beteiligungsverdächtigen; - bei Verzicht des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten; - wenn nach Überzeugung aller Mitglieder des Gerichts die Aussage unerheblich ist und der Zeuge auch nicht in der Lage ist, erhebliche Tatsache Tatsachen zu bekunden. 75 Von der Versicherung soll nach Ermessen abgesehen werden können gem. § 62: - in einem Verfahren, das ausschließlich eine Übertretung betrifft; - in anderen Verfahren, wenn die Aussage nach der Überzeugung aller Mitglieder des Gerichts offenbar unglaubwürdig ist; gem. § 63: bei der Vernehmung - des Verletzten; - einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person; - einer Person, die zu dem Verletzten in einem Verhältnis steht, welches, wenn es zum Beschuldigten bestünde, zur Zeugnisverweigerung berechtigen würde, - einer Person, die zwar das sechzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; - einer Person, die während der vergangenen zehn Jahre wegen eines Aussagedelikts rechtskräftig zu Strafe verurteilt worden ist oder eine solche Strafe verbüßt hat; - jedes Zeugen hinsichtlich der Auskünfte auf Fragen über solche Tatsachen, die ihm oder einer nahestehenden Person die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen können.
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aussagen nur noch (ganz oder teilweise76) zulässig (nicht: vorgeschrieben) sein, wenn das Gericht "der Aussage ausschlaggebende Bedeutung für die Urteilsfindung beimißt, und wenn es der Auffassung ist, daß bei Würdigung der Sachlage die Beeidigung als äußerstes Mittel der Wahrheitserforschung nicht entbehrt werden kann . Bei Sachverständigenaussagen soll die Beeidigung gänzlich entfallen 78,79. Als weitere Neuerung des Strafprozeßrechts sieht der Entwurf bestimmte Erkundigungspflichten für Zeugen vor 80 . Bildet den Gegenstand der Vernehmimg eine Auskunft, die der Zeuge voraussichtlich an Hand seiner Bücher oder anderer Aufzeichnungen zu geben hat, so soll ihm die Pflicht auferlegt werden können, die für die Auskunft erforderlichen Nachforschungen und Prüfungen vor seiner Vernehmung vorzunehmen; ist Gegenstand der Vernehmung eine Auskunft, die sich auf eine Sache oder auf eine Örtlichkeit bezieht, so soll ihm die Pflicht auferlegt werden können, sich durch eine Besichtigung der Sache oder Örtlichkeit auf die Aussage vorzubereiten. Mit der Aufstellung dieser Pflichten, deren Erfüllung zwangsweise soll durchgesetzt werden können, ist gleichzeitig, wie sich zeigen wird, auch der Anknüpfungspunkt für eine neue materiellstrafrechtliche Sicht der Problematik gewonnen. Korrespondierend zu diesen prozessualen Vorschlägen sieht der Vorschlag der Reichsregierung eine auf die unterschiedlichen Bekräftigungsformen abgestimmte Stufenleiter von Straftatbeständen vor 81 . Im 21. Ausschuß der
76 Die teilweise Beeidigung einer Zeugenaussage soll ermöglichen, den Eid nur auf wirklich wesentliche Punkte zu erstrecken. Um Zweifel über den Inhalt der beeideten Aussage auszuschließen, soll die wörtliche Aufnahme ins Protokoll obligatorisch sein. "Dies ist insbesondere für ein etwaiges späteres Meineidsverfahren von Bedeutung; bisher fehlte eine solche einwandfreie Grundlage in den meisten Fällen" (EEG 1929 Begründung S.44). 77
Art.67 Ziff.26 § 64a EEG 1929.
78
Art.67 Ziff.33 § 79 EEG 1929.
79
Entsprechende Änderungen sind in der Zivilprozeßordnung vorgesehen; dort soll z.B. die Vereidigung von Zeugen nur noch stattfinden, wenn das Gericht sie zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für notwendig erachtet. Vgl. Art.76 Ziff.18 ff. EEG 1929. 80 81
Art.67 Ziff.28 § 69a EEG 1929.
Ausschußdrucksache Nr 175 der vierten Wahlperiode; näher dazu Engisch, ZStW 1932, 664; Hegler, Eidesreform S.12 ff.; Merkblatt B1.98. - wissentliche falsche Bekräftigung, - Bekräftigung mit dolus eventualis, - fahrlässige falsche Bekräftigung - wissentlicher Meineid - Meineid mit dolus eventualis - fahrlässiger Falscheid - wissentliche falsche Versicherung auf Pflicht und Gewissen - wie vor, mit dolus eventualis, - wie vor, fahrlässig.
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IV.Legislaturperiode wurde diese als zu kompliziert empfundene Regelung82 umgestaltet. Im sog. E1930 - im wesentlichen das Ergebnis der von Juli 1928 bis Februar 1930 abgehaltenen l.Lesung im Ausschuß83 - trägt der H A b schnitt die neue Überschrift "Falsche Versicherung und Meineid". Erstmals steht nicht der Meineid-Tatbestand an der Spitze, sondern der Tatbestand der "falschen Versicherung" 84. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, "wer wissentlich85 vor einer Behörde mündlich eine unrichtige oder unvollständige Angabe macht und deren Richtigkeit und Vollständigkeit unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit versichert". Die Strafe ist Gefängnis nicht unter drei Jahren, in besonders schweren Fällen Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Das Gericht soll die Strafe nach freiem Ermessen mindern oder von Strafe absehen können, wenn "die Angabe nur in Punkten, die für die Sache ohne Bedeutung sind, unrichtig oder unvollständig" ist 86 . die Versicherung also gem. Art.67 Ziff.26 § 61 EEG 1929 hätte unterbleiben müssen. In dem an die zweite Stelle gerückten Meineid-Tatbestand87 ist die Strafdrohung gegenüber dem geltenden Recht und gegenüber allen vorangegangenen Entwürfen deutlich gemildert 88 , nur in besonders schweren Fällen soll die bisherige Strafdrohung von Zuchthaus bis zu zehn Jahren gelten. Die Strafvorschriften über Verleitung 89 und Versuchte Anstiftung - nunmehr zur falschen Versicherung oder zum Falsch- bzw. Meineid - sind beibehalten90,91. Ganz neuartig ist der Tatbestand der "Verletzung der Erkundigungspflicht" 92, der die bisherigen Fahrlässigkeitstatbestände ersetzen soll. Er hat den Anlaß für die bereits geschilderten
82
s. auch die Kritik von Hegler, Eidesreform S.21.
83
s. bereits Fußn.61.
84
§ 183a Abs.l E 1930. - Abs.2 der Vorschrift erfaßt den Fall der schriftlichen unwahren oder unvollständigen Angabe; korrekterweise beginnt die Vorschrift: "Wer einer Behörde..." (statt: "Wer vor einer Behörde..."). 85 Das Merkmal "wissentlich" hat hier technische Bedeutung; gem. § 18 des Entwurfes genügt, "wo das Gesetz wissentliches Handeln fordert,... zur Strafbarkeit nicht, daß der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes nur für möglich hält und für den Fall der Verwirklichung mit ihr einverstanden ist". Gefordert ist demnach dolus directus (i.w.S.). 86
§ 183a Abs.3 E 1930.
87
Nunmehr in folgender Formulierung: "Wer wissentlich vor eine Behörde eine unrichtige oder unvollständige Angabe beeidigt...". 88
Zuchthaus bis zu fünf Jahren.
89 Verleitung setzt voraus, daß der Täter "wissentlich veranlaßt, daß ein anderer, ohne wissentlich zu handeln", eine falsche Versicherung oder einen falschen Eid abgibt; erfaßt ist also auch der Fall, in dem der Verleitete mit Eventualvorsatz handelt. Dies ist angesichts des gesteigerten Vorsatzerfordernisses (s.o.Fußn.85; vgl. auch bereits Fußn.66) konsequent. 90
§§ 185a,186 E 1930.
91
Zur Terminologie o.Fußn.42 Abs.2.
92
§ 186a E 1930.
.Kapitel
110
Vorschläge des EEG 1929 über die Auferlegung von Erkundigungspflichten für Zeugen gegeben. Mit Strafe 93 bedroht er denjenigen, der "in einem behördlichen Verfahren gegen eine ihm vom Gesetz oder kraft Gesetzes von der Behörde auferlegte Pflicht zur Nachforschung oder Prüfung verstößt, wenn er infolge des Verstoßes unrichtige oder unvollständige Angaben macht und deren Richtigkeit und Vollständigkeit unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit versichert oder beeidigt".
Objektive Bedingung der Strafbarkeit ist bei allen Aussagedelikten, daß die Abgabe der "Versicherung" oder des Eides in dem betreffenden Verfahren und vor der betreffenden Behörde 94 zulässig gewesen ist 95 . In einer Zangenbewegung von Strafrechtsreform und Eidesreform wurde somit für den Gesamtkomplex eine umfassende Neukonzeption formuliert. Freilich sollte sie niemals voll realisiert werden 96. Der Reichsrat, dem der Entwurf des Einführungsgesetzes im Frühjahr 1930 vorgelegt wurde, erteilte diesem seine Zustimmung, meldete jedoch in einem einzigen Punkte, nämlich gerade in der Eidesfrage, Bedenken an. In einer Entschließung97 stellte er fest, daß er "die Beschlüsse des Strafrechtsausschusses zum 11 Abschnitt des Besonderen Teils ... nicht für eine befriedigende Lösung der Eidesfrage (halte)". Dem berechtigten Wunsch nach Einschränkung der Eide und damit der Gelegenheiten zu straflosen Eidesverletzungen könne dadurch Rechnung getragen werden, daß im Verfahrensrecht die Möglichkeiten, von der Vereidigung abzusehen, noch über die Vorschläge des Entwurfes hinaus98 vermehrt würden. Der Reichsrat behalte sich vor, neue Gesetzesvorschläge zum Einführungsgesetz zu beschließen, sobald die endgültige Fassung der einschlägigen Vorschriften des StGB-Entwurfes feststünden. Daraufhin gab der Reichstagsausschuß in seiner (wegen der Reichstags-
93
Gefängnis bis zu zwei Jahren
94
"... in einem Verfahren..., in dem das Gesetz die Abgabe von Versicherungen unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit oder die Leistung von Eides zuläßt". - "... wenn die Behörde ... zur Abnahme oder Entgegennahme von Versicherungen unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit oder zur Abnahme von Eiden zuständig war". 95
§189 E 1930.
96
Skepsis hinsichtlich der Realisierbarkeit bereits b. Kohlrausch, Entwurf S.68. - Kohlrausch gab in der von ihm besorgten Textausgabe des E 1930 den 11 Abschnitt des BT in der Fassung des E 1927 wieder und fügte die Fassung des E 1930 nur anhangweise mit dem Bemerken bei, diese sei "vor der Durchberatung der im EG vorgesehenen Änderungen der Prozeßordnungen wohl nicht als endgültig anzusehen". 97 Die Entschließung des Reichsrates ist der Drucksache vorangestellt, mit der die Reichsregierung des EEG 1929 im Mai 1930 im Reichstag einbrachte; Sten.Ber.RT4.Wahlperiode, Drucksache Nr 2070 (30.Mai 1930). 98 D.h. über die für die Abnahme der "Versicherung unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit" beschlossenen Ausnahmen hinaus.
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111
auflösung abgebrochenen) zweiten Lesung seinem in erster Lesung geschaffenen Modell den Abschied und beschritt einen anderen Weg: Mit knapper Mehrheit wurde die Abschaffung des Eides überhaupt und damit des MeineidTatbestandes beschlossen. Der letztere wurde durch den Tatbestand der "falschen Beteuerung", der Tatbestand der falschen eidesstattlichen Versicherung durch denjenigen der "falschen Versicherung an Beteuerungs Statt" ersetzt". Da die Strafdrohungen für diese beiden Tatbestände - ebenso wie jene für die entsprechend umformulierten Beeinflussungstatbestände 100 dieselben sind wie im Reichsstrafgesetzbuch und in den früheren Reformentwürfen 101, handelt es sich letztlich nur um die säkularisierte Neuformulierung des geltenden Rechts102. Entsprechend verändert ist die Überschrift des Abschnittes: "Verletzung der Pflicht zur Wahrheit". Wie in der Fassung erster Lesung ist auch in dieser Fassung die schlichte Falschaussage nicht unter Strafe gestellt. Beibehalten ist der den fahrlässigen Falscheid ersetzende Tatbestand der Verletzung einer Erkundigungspflicht. Das Bestreben, die Strafbarkeit einer falschen Bekundung von einem besonderen, formalisierten Bekräftigungsritual abhängig zu machen, gleichzeitig aber den religiös geprägten Eid zu verdrängen, ist also beiden Fassungen gemeinsam. Beide Fassungen setzten ferner voraus, daß gleichzeitig mit der vorgeschlagenen materiellrechtlichen Änderung auch eine Änderung der einschlägigen prozessualen Vorschriften stattfinde, denn ohne die prozessuale Verankerung der "Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit" bzw. der "Beteuerung" hängen die Straftatbestände in der Luft. Der Reichstagsausschuß trug damit der Kritik Rechnung, die den vorangegangenen Entwürfen vorgeworfen hatte, sie stellten mit der Neueinführung des Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage gleichsam strafrechtliche Wechsel auf eine ungewisse prozeßrechtliche Zukunft aus103. Er berücksichtigte ferner die Forderung
99
ff.
§§ 184,185 i.d.F. der 2.Lesung des Ausschusses; abgedruckt b. Kohlrausch, Entwurf S.152
100 § 185a aaO.: Verleitung zur falschen Beteuerung und zur falschen Versicherung an Beteuerungs Statt. § 186 aaO.: Herbeiführung einer falschen Beteuerung und einer falschen Versicherung an Beteuerungs Statt. Zur Terminologie vgl. o. Fußn.42. 101 Falsche Beteuerung: Zuchthaus bis zu 10 Jahren; Falsche Versicherung an Beteuerungs Statt: Gefängnis bis zu drei Jahren; Verleitung usw.: Zuchthaus bis zu fünf Jahren bzw. Gefängnis bis zu zwei Jahren; Herbeiführung usw.: Zuchthaus bis zu fünf Jahren bzw. Gefängnis bis zu zwei Jahren. 102 Beibehalten ist allerdings der Tatbestand der Verletzung der Erkundigungspflicht (§ 186a aaO.); die Bedeutungslosigkeit der Falschaussage ermöglicht Strafmilderung oder Straffreiheit nach Ermessen des Gerichts; freiwillige ("Bevor er von der Anzeige ... weiß") und rechtzeitige Berichtigung der Falschaussage verschafft Straffreiheit. 103
S.zB. HMayer, GS 93 (1926), 172. "Die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage ist bei dem gegenwärtigen Stand des Prozeßrechts ein schwerer Mißgriff. In den Fällen, in denen heute die uneidliche Vernehmung vorgeschrieben ist, bedeutet eine Strafdrohung zugleich eine höchst unzweckmäßige Behinderung der Wahrheitserforschung und schweres
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.Kapitel
nach Verminderung der Zahl der Vereidigungen und trug schließlich mit dem vorgeschagenen Tatbestand der Verletzung der Erkundigungspflicht den immer wieder geäußerten Bedenken gegen die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides und der fahrlässigen falschen Versicherung an Eides Statt Rechnung. In den Turbulenzen der Endzeit der Weimarer Republik wurden die geschilderten Reformpläne ebensowenig weiterverfolgt 1 wie die gesamte Strafrechtsreform. V· Anhang: Das kriminalpolitische Schrifttum bis 1933 Die legislatorischen Bemühungen um eine Reform des prozessualen Eidesrechts und der Aussagetatbestände wurden im juristischen Schrifttum von Anfang an mit Interesse verfolgt und kommentiert 105. Im Verlauf der Zwanzigerjahre erreichte die jahrzehntelange Diskussion um die "Eidesreform" einen gewissen Höhepunkt. Hingewiesen wurde auf die große Zahl der Meineidverfahren 106 sowie auf die im Vergleich zu anderen Delikten ungewöhnlich hohe Quote von Freisprüchen 107. Auch wurden religiöse Bedenken gegen zu häufige Eidesabnahmen vorgetragen. Weiter wurde die Besorgnis geäußert, die Inflationierung des Eides werde zur Abnutzung dieses prozessualen Instru-
Unrecht gegen den Schuldigen. Für ein Prozeßrecht, das heute noch nicht existiert und vielleicht niemals existieren wird, kann man aber nicht jetzt schon Straftatbestände schaffen." s. auch die Forderung von Hegler, GS 98 (1929), 300 f., zuerst die Prozeßreform, danach erst das neue StGB zu verabschieden. 104
Vgl. Eb.Schmidt, Einführung S.407 f.
105
Zu den Reaktionen auf die Entwürfe bis 1909 s. bereits S.Kap.b. Fußn.13 ff. und b. Fußn.198 ff. 106 Hegler, Eidesreform S.9 f.; H.Mayer, GS 93(1926), 174; Goldschmidt, Justiz 1927/28,173 ff. - Die Zunahme der Meineidverfahren wurde gelegentlich auch darauf zurückgeführt, daß die sog.Lex Emminger 1924 die "echten" Schwurgerichte durch große Schöffengerichte ersetzt hatte (dazu Vormbaum, Lex Emminger, insb. Abschn.10); s. zB. Sling, Justiz 1927/28,170: "Die ganze Meineid-Hochflut unserer Tage verdanken wir dem Emminger'schen Schwurgericht. Das alte Schwurgericht hat bekanntlich in Meineidssachen so oft freigesprochen, daß die Staatsanwälte in neunzig von hundert Fällen gar keine Anklage mehr erhoben... Anders wurde es mit einem Schlage, als die Zahl der Geschworenen sich auf die Hälfte verminderte, und als anstelle der einen Rechtsbelehrung des Vorsitzenden nun gar drei Richter in das Beratungszimmer losgelassen wurden. Jetzt war endlich die Möglichkeit gegeben, Bestrafungen wegen Meineides durchzusetzen; den Staatsanwälten schwoll der Kamm und jetzt erheben sie Anklage - mit erstaunlichem Erfolg"; ähnlich Ders., Richter und Gerichtete S.305, 313; Rosenberg, Justiz 1925/26, 387. 107 H.Mayer, GS 93(1926),174: In den Jahren 1903,1913,1923 kamen auf hundert Verurteilungen wegen Meineides 111, 97,125 Freisprüche; bei anderen Straftaten betrugen die Zahlen 23, 23,18; weitere Zahlen b. Hegler, Eidesreform S.38 (Anm.6), ferner b. Kloß, MschrKrim 1905/06, 667 ff.; v.Hentig, Justiz 1927/28, 157. - Zahlreiche Nachweise, auch über das nichtjuristische Schrifttum, b. Boehringer, Eidesreform S.40; vgl. auch Dahs, Eid aaO. S.164. - Der bekannte Gerichtsreporter Schlesinger ("Sling") setzte dem Schlagwort von der "Meineid-Seuche" dasjenige der "Eides-Seuche" entgegen (Richter und Gerichtete S.297 ff.).
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ments und damit zur Gefährdung der Wahrheitsfindimg führen. Als Heilmittel gegen die allseits beklagte "Meineid-Seuche" wurde vorgeschlagen, die Zahl der Eide durch Änderung des Prozeßrechts zu verringern und damit die Gelegenheiten zur Begehung von Meineiden zu vermindern, dafür aber die falsche uneidliche Aussage unter Strafe zu stellen. Der Meinungsstand im kriminalpolitischen Schrifttum zu den wichtigsten materiellrechtlichen Einzelfragenläßtsichfolgendermaßenzusammenfassen 108: - Meineidtatbestand: Als Zweck dieses Tatbestandes wird überwiegend der Schutz der Staatsverwaltung, insb. der Rechtspflege angesehen109; nur vereinzelt finden sich noch Vertreter der Fälschungstheorie 110. Eidesunmündige können sich nicht wegen Meineides strafbar machen111; wohl aber Eidesunwürdige und Personen, von deren Vereidigung wegen besonderer Beziehungen zum Gegenstand des Verfahrens oder zu den Verfahrensbeteiligten abgesehen werden muß oder kann ("interessierte Zeugen") 112 . Auch sonstige Verstöße gegen eidesrechtliche Vorschriften schließen die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Schwörenden nicht aus 113 . - Die Forderung nach Bestrafung der vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage gehört zu den ältesten in unserem Fragenkreis. Sie wird schon kurz nach Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches von prominenten Vertretern der Strafrechtswissenschaft wie v.Liszt l14, Berner 115, Binding 116 und Beling 117 erhoben. Obwohl - wie geschildert -alle Reformentwürfe vom Vorentwurf bis zum E 1927 sich diese Forderung zu eigen machen, schließt sich ihr in der Folgezeit nur ein Teil des strafrechtlichen Schrifttums vorbehaltlos an 1 1 8 , während ein
108
Die folgende Übersicht stützt sich u.a. auf das in Fußn. 62 erwähnte "Merkblatt".
109
v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch (25 Α.), S.831; Frank, StGB, Vor § 153 Anm.I; Ebermayer, LK (4A.), § 153 Anm.I; Olshausen, StGB, Vor § 153 Anm.I; Stooß, Meineid aaO. S.381 (s.bereits 6 .Kap. sub II). Anders noch RGSt 10,338, wo als weiteres Schutzgut die Religion genannt wird. 110
Binding, BT I I / l , S.107 ff.,132 ff.; Alsberg GS 66 (1905), 54 ff., hier 65 ff.; Hellmuth Mayer, GS 1926,179 ff., 184 (zu den Ansichten dieser Autoren s. näher Vormbaum, Schutz des Strafurteils S. 144 ff.); zur Fälschungstheorie s. ferner Vormbaum aaO. S. 208 ff.; vgl. auch o. 3.Kap. b.Fußn. 84 ff. 111 Ebermayer, LK (4A.), § 154 Anm.3; Frank, StGB, Vor § 153 Anm.IV; Binding, BT I I / l , S.146; v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch S.833; Stooß, Meineid aaO. S.291. - Ebenso die ältere Rspr. des Reichsgerichts (RGSt 4, 32; RGSt 28, 87); anders dann aber RGSt 36,278; zustimmend Olshausen, StGB, § 153 Anm.3. 112
65,206.
Olshausen aaO. Anm.3 a,c m.w.N.; ebenso RGSt 25,30; RGSt 58,301; RGSt 60,27; RGSt
113
Olshausen aaO.; RG GA 1909, 215.
114
v.Liszt, Falsche Aussage S. 197 ff.
115
Berner, Lehrbuch (18A.) S.427.
116
Binding , BT II/2, S.138 FN.3.
117
Beling, DJZ 1901, 363.
118
Olbricht, Rechtspflege aaO. S.169; Kadecka, Reform S.276; Neumann, Mitt.IKV 1922,72 ff., insb. 79 ff.(zit. im "Merkblatt" aaO.); v.Liszt/Schmidt,Lehrbuch (25Α.), S.831.
114
.Kapitel
anderer Teil sie entweder ablehnt oder nur unter strengen Einschränkungen akzeptieren will 1 1 9 . Zur Begründung der ablehnenden Haltung wird angeführt, die Straflosigkeit der falschen uneidlichen Aussage verletze nicht das allgemeine Volksempfinden, denn das Täterverhalten sei ungeachtet seiner sittlichen Verwerflichkeit oft "in hohem Maße entschuldbar" 120; durch Strafbewehrung werde der uneidlichen Aussage leicht eine übertriebene Bedeutung zugebilligt und der Einfluß des Eides herabgeminderr 21; der uneidlich falsch Aussagende unterliege bei späterer Vereidigung einem Gewissenszwang, da er der höheren Meineid-Strafdrohung nur dadurch entgehen könne, daß er die bereits begangene Straftat offenbare 122; erscheine dem Gesetz diese Strafdrohung gegenüber Eidesunmündigen, Eidesunwürdigen und interessierten Zeugen ungerechtfertigt, so sei es nicht angemessen, mit einer milderen Strafdrohung das verschmähte Ziel doch noch anzustreben 123; eine Strafbarkeit interessierter Zeugen wegen uneidlicher Falschaussage sei auch schwer vereinbar mit der Straflosigkeit von Angehörigen unter dem Gesichtspunkt der Strafvereitelung 124. Einschränkungen des Strafbarkeitsbereiches sollen entweder durch Beschränkung auf bestimmte Personen oder durch Ausnahmen für bestimmte Personen oder Verfahrenssituationen erreicht werden. So soll die Strafbarkeit beschränkt bleiben auf eidlich vernehmbare Beweispersonen125, auf konkret die Entscheidung des Rechtsstreits gefährdende Aussagen126 oder auf Aussagen in Verfahren, in denen Zeugen eidlich vernommen werden können und in denen die betreffende Behörde zur Behandlung solcher Sachen abstrakt zuständig ist 127 . Andererseits sollen Aussagen im Vorverfahren 128 und/oder Aussagen von eidesunmündigen und interessierten Zeugen von der Strafbarkeit ausgenommen werden 129 oder die Strafbarkeit soll davon abhängig gemacht werden, daß das künftige Prozeßrecht uneidliche Aussagen in weiterem Umfange als bisher zulassen sollte 130 . - Die §§ 159 und 160 RStGB haben - wie geschildert - schon während ihrer Entstehung teilweise heftige Kritik erfahren 131. § 159 wird als ungerechtfertigte Sondervorschrift 132, § 160
119 Bumke, ZStW 35 (1914), 53 ff.; Grebe , ZStW 34 (1913), 56; Koffka, ZStW 1928, 10 ff.; Hellmuth Mayer, GS 1926, 172 ff., hier 198 ff.; Oetker, DJZ 1929, Sp.881; Hegler, Eidesreform S.30, S.80 Anm.214; Schlegelmilch, DRZ 1928, 988; v.Hentig, Justiz 1927/28, 156 ff. 120
Bumke aaO.; ähnlich Schlegelmilch aaO.
121
Ibd.
122
Ibd.; ebenso Hellmuth Mayer aaO.
123
Ibd.
124
Ibd.
125
Stooß aaO. S.398 ff. (s.bereits 5. Kap. sub III).
126
Koffka
127
Hellmuth Mayer aaO.
128
So hilfsweise Bumke aaO. und Grebe aaO.; ebenso Koffka
aaO.
129
aaO. und Hellmuth Mayer aaO.
Koffka aaO.; Grebe aaO.; Hellmuth Mayer aaO. - Ausgenommen werden durchweg die Fälle der Eidesunwürdigen und des fakultativen Absehens von der Vereidigung. 130
Grebe aaO.
131
S.o. 3.Kap. b.Fußn.78 ff.
Weimarer Republik
115
als überflüssig und prinzipwidrie 133, seine Strafdrohung als ungerechtfertigte Begünstigung des Beschuldigten13^ bezeichnet"5. - Die Strafbarkeit fahrlässiger Falschaussagen, mit deren Berechtigung sich bereits der Vorentwurf ausführlich auseinandergesetzt hatte 136 , wird von einem großen Teil der Autoren abgelehnt137, von einem anderen Teil nur für Fälle grober Fahrlässigkeit 138 und/oder fahrlässigen Falscheides 139 als berechtigt angesehen140. Dieser Kritik versuchte der Reichstagsausschuß mit dem vorgeschlagenen Tatbestand der Verletzung einer Erkundigungspflicht gerecht zu werden.
Die nationalsozialistische Gesetzgebung und Gesetzesplanung konnte sich somit auf reichhaltiges literarisches und legislatorisches Material der Zeit vor 1933 stützen, und die folgende Darstellung wird zeigen, daß sie es auch - von wenigen Punkten abgesehen - nicht verschmähte, Pläne und Absichten der vorangegangenen Zeit zu verwerten.
132 Binding, BT II/2, S.163; v.Liszt, Falsche Aussage S.171 ff.; Kohler, GA 56 (1909), 294. Stooß, Meineid aaO. S.408, will die versuchte Anstiftung zum Verbrechen generell unter Strafe stellen (ebenso Kadecka, Reform S.275 ff.). 133 Binding aaO.; v.Liszt aaO.; Frank, StGB, Vor § 153 Anm.III; § 160 Anm.l. Für das künfige Recht: Kadecka aaO.; Stooß, Meineid aaO. 134
Binding, v.Liszt aaO., Berner, Lehrbuch (18A.) S.436).
135
Zustimmend zum geltendenden Recht z.B. Olbricht, Rechtspflege aaO. S.179; Hellmuth Mayer, GS 1926, 212. 136
S.o. 6.Kap. b.Fußn.32 ff.
137
v.Liszt, Falsche Aussage S.44 ff. m.zahlr. Nachweisen über die ältere Lit. in FN.3 auf S.45; Stenglein, Verh. 26.DJT Bd 1, S.56 ff.; Olshausen, GA 50 (1903), 8; Ders., Verh. 27.DJT, Bd 4, S.303 f.; Stooß, Meineid aaO. S.404 ff. (s.bereits 6.Kap. sub II); Thomsen, GS 60 (1902), 56 ff.; GS 64 (1904), 219 ff.; Mannheim, GS 81 (1913), 412; Ders., Fahrl. Falscheid aaO. S.315 ff. 138 139 140
Oetker, DJZ 1929,883; Hellmuth Mayer, GS 1926, 205 ff. Hellmuth Mayer aaO.; weitere Nachweise b. Herrmann, Aussagetatbestände S. 221, FN.97.
Für die Strafbarkeit Binding, BT I I 2, S.150 Anm.5; Kadecka, Reform S.274; Hegler, GS 98 (1929), 302.
8.Kapitel
Zeit des Nationalsozialismus L "Eidesnovellen" von 1933 Gleich im Jahr der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurden längst geplante Änderungen der Prozeßgesetze verwirklicht. Im Zivilprozeß ersetzt die Novelle vom 27.0ktober 1933 den Parteieid durch die beeidete Parteiaussage; damit ist der Eid als Beweismittel (der "echte" Eid 1 ) abgeschafft. Für die Parteiaussage wie für die Aussage von Zeugen und Sachverständigen wird die Beeidigung grundsätzlich nur zugelassen, wenn das Gericht sie mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für geboten erachtet2. Im Strafprozeß mochte man so weit nicht gehen; man war der Auffassung, "die Dinge, um die es im Strafverfahren gehe, seien so bedeutsam", daß es nicht möglich sei, "das Gericht von allen Bindungen zu befreien" 3. Das Ziel des Strafprozesses sei die Erforschung der objektiven Wahrheit. Diesem Ziele diene "der rücksichtslose Einsatz der Zwangsgewalt des Staates". Auch in Fällen, in denen das Bekenntnis der Wahrheit den Aussagenden in Schwierigkeiten bringe, könne der Staat in der Regel auf die Aussage nicht verzichten. Daher müsse auch die Möglichkeit, die Aussage eines Zeugen durch den Eid erhärten zu lassen, in größerem Umfange gewährleistet werden als im Zivilprozeß 4. Das Gesetz vom 24. November 1933 "zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren" 5 hält daher grundsätzlich am Eideszwang für Zeugen6 fest 7;
1
S. bereits 2. Kap. b. Fußn.26 ff.
2
RGB1.I, 780.
3
Leitmann, RVB1. 1934,135; ähnlich Steinert, BayZ 1934, 101. Vgl. auch den Text der Gesetzesbegründung bei LR (19Λ.), S. 1476 f. 4
Lehmann aaO.; Ders., DJ 1933,873.
5
RGBl. I S.1008. - Text mit Begr. b. Hoche V, S.393 ff.; s. auch Reichsanzeiger 1933, Nr 277,
S.2. 6
Nicht für Sachverständige;
§ 79 StPO erhielt durch die Novelle seine heutige Fassung.
Zeit des Nationalsozialismus
117
realisiert sind jedoch jene obligatorischen und fakultativen Ausnahmen, welche in der Reformdiskussion der vorangegangenen Jahrzehnte allgemein als sachgerecht akzeptiert worden waren .Nachdem auf diese Weise die Vereidigung weitgehend vom Inhalt der Aussage abhängig gemacht ist, ist die Einführung des Nacheides als einziger Eidesform konsequent, denn nur nach erstatteter Aussage hat der Richter die Möglichkeit, deren Inhalt zu würdigen und für seine Entscheidung zu verwerten 9. Die weitere Folgerung, die Reduzierung der Zahl der Eide durch Einführung des Straftatbestandes der falschen uneidlichen Aaussage zu kompensieren, ist allerdings nicht gezogen. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, das Gericht solle sich "unter sorgfältiger Würdigung des Einzelfalles darüber schlüssig werden, ob durch das Druckmittel des Eides" - einschließlich der hinter ihm stehenden Strafdrohung - "etwas zur Erforschung der Wahrheit beigetragen werden (könne)" 10,11 .
7 Die Gemengelage der gesetzgeberischen Motive wird im "Vorspruch" des Gesetzes deutlich: "Um dem Eide die seinem Wesen und seiner Heiligkeit entsprechende Bedeutung wieder zu verleihen, um vor allem (!) überflüssige Eidesleistungen zu verhindern...". 8 Im Ermittlungsverfahren sollte Vereidigung eines Zeugen nur erfolgen bei Gefahr im Verzug sowie dann, wenn "der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage über einen für das weitere Verfahren erheblichen Punkt erforderlich erscheint" (§ 66 StPO i.d.F. der Novelle; s. heute § 66 Ziff.l u.2 StPO), in der Voruntersuchung darüber hinaus bei voraussichtlichem Verhindertsein am Erscheinen in der Hauptverhandlung und bei Unzumutbarkeit des Erscheinens in der Hauptverhandlung (§ 66 aaO.). In der Hauptverhandlung wurde die Vereidigungunzulässig bei Eidesunmündigen, Eidesunfähigen und Beteiligungs-, Begünstigungsund Hehlereiverdächtigen (§ 60 aaO.); gem. § 61 konnte von ihr abgesehen werden bei unter Achtzehnjährigen, beim Verletzten und seinen Angehörigen, bei Verlobten, Ehegatten und Angehörigen des Beschuldigten, ferner hinsichtlich der Auskünfte auf Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder seinen Angehörigen die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen konnte, schließlich dann, wenn "alle Mitglieder des Gerichts die Aussage für unerheblich oder für offfenbar unglaubhaft halten und wenn nach ihrer Oberzeugung auch unter Eid eine erhebliche oder eine wahre Aussage nicht zu erwarten ist", und dann, wenn die StA, der Angeklagte und der Verteidiger auf sie verzichteten. (Vgl. für das heutige Recht §§ 60,61 StPO). Zur Reformdiskussion und Gesetzgebung über die Fragen, "deren Beantwortung ... zur Unehre gereichen kann", s. Andreas Wolters, Die Anwendung von § 68a Abs.l StPO in der Hauptverhandlung des Vergewaltigungsprozesses. Osnabrück (jur.Diss.) 1987, S.14 ff., hier vor allem S.20 f. 9 Lehmann, RVB1. 1934,136; Eb.Schmidt, Komm. II, Vor §§ 57 ff. Rnr 3. - 1938 wurde im Bericht des Reichsjustizministeriums über die Arbeit der amtlichen Strafprozeßkommission (dazu noch u.b. Fußn.94) resümiert, die Erfahrungen hätten dieser Regelung des Gesetzes vom 24.11.1933 Recht gegebeneren«, Zeugenbeweis aaO. S.231). Die Begründung zu diesem Gesetz ( [bJioche V, S.398) berief sich ihrerseits darauf, daß der Nacheid sich im Zivilprozeß bewährt habe. 10 11
Lehmann aaO.
Wohl aber zwang die vorangegangene ZPO-Novelle zu einer Änderung des Strafgesetzbuches: Der Einführung der förmlichen Parteivernehmung und des Nacheides im Zivilprozeß wurde durch einen Zusatz zu § 153 RStGB Rechnung getragen: "Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der als Partei wissentlich eine falsche Aussage mit einem Eide bekräftigt". Der vorangehende Satz 1 des § 153 (s. Synopse I) behielt nur noch für vergangene Fälle und für gewisse Übergangsfälle Bedeutung; vgl. i.e. Frank, StGB (18A., Nachtr. Schäfer/v. Dohnanyi), § 153 Anm. II.
118
.Kapitel
Eidesnorm und Eidesformel sind neu geregelt. § 66c StPO schreibt in der neuen, bis heute geltenden Fassung12 vor, daß der Richter dem Zeugen die Eidesnorm - einschließlich des Eingangspassus "Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" - vorspricht und der Zeuge nur noch mit der Eidesformel "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" antwortet. Die seit dem Inkr afttreten der Weimarer Reichsverfassung mögliche weltliche Eidesleistung wurde bei dieser Gelegenheit nicht in das Gesetz eingearbeitet; daher kam die Überlegung auf, ob das Wahlrecht zwischen religiösem und weltlichem Eid nunmehr beseitigt sei. In der Begründung zur Novelle sind Ausführungen zu dieser Frage bewußt vermieden13, da es sich um eine "Frage von grundsätzlicher Art" handelte und eine Teilentscheidung für das Gebiet des Strafprozesses vermieden werden sollte14. Von Seiten der Reichs- und preußischen Justizverwaltung wurde jedoch darauf hingewiesen, daß die weltliche Eidesform "im deutschen Volk und bei deutschen Richtern nie Boden (habe) fassen können und heute ... vollends überlebt" sei15. Der preußische Justizminister hatte bereits im Mai 1933 angeordnet, daß die religiöse Eidesform die "allein den sittlichen Überzeugungen des deutschen Volkes entspr(echende)" sei, die nichtreligiöse daher auf "die Fälle zu beschränken (sei), in denen sie unvermeidlich ist" 16 . II. Arbeit am Strafgesetzbuch L Systematik Die Bemühungen des NS-Regimes um die Ausarbeitung eines nationalsozialistischen Strafgesetzbuches setzten gleich nach der Machtübergabe ein. Bereits 1933 wurde Reichsjustizminister Gürtner 17 von/fif/er beauftragt, eine "amtliche Kommission zur Bearbeitung der Strafrechtserneuerung" einzuberufen 18. Im
12
Heute freilich nur noch für den religiösen Eid; s. § 66c Abs.l StPO.
13
Lehmann aaO.
14
Lehmann, DJ 1933,875. (Lehmann war der Sachbearbeiter im Reichs- und preußischen Justizministerum; vgl. Gruchmann, Justiz, Anhang 1, S.1154). 15 So für den Zivilprozeß Staud, DJ 1933,604 (Staud war Sachbearbeiter im preußischen Justizministerium); zustimmend Lehmann, DJ 1933,875. 16
Erlaß despreuß. Justizministers vom ll.Mai 1933, Pr.JMBl. (ab 21.9.1933 = "Preußische Justiz", ab 9.November 1933 = DJ) 1933,154. Entgegenstehende Verfügungen von 1922 (JMB1. S.68) und 1926 (JMB1. S.2) wurden ausdrücklich aufgehoben. 17 18
Über ihn die Biographie von E.Reitter (s.Lit.Verz.).
S. die Zeittafel 1933 bis 1936 in: DJ 1936, 1699 ff.; zum äußeren Verlauf der Arbeiten von 1933 bis zum endgültigen Scheitern im Dezember 1939 s. Regge,/Schubert Bd 2.1, S.XV ff.; ausführlich neuerdings auch Gruchmann, Justiz S.753 ff.
119
Zeit des Nationalsozialismus
selben Jahr erschien eine Denkschrift des preußischen Justizministeriums (Titel: "Nationalsozialistisches Strafrecht"), die sich zur Aufgabe setzte, "der Reichsregierung zu diesem Werke die innerhalb der Justizverwaltung des größten deutschen Landes in der Strafrechtspraxis gesammelte reiche Erfahrung nutzbar zu machen"19. In ihr wurde eine Gliederung des Besonderen Teils in zwei Hauptgruppen - "Schutz der Volksgemeinschaft" und "Schutz der Volksgenossen" - vorgeschlagen20. Die erste Gruppe ist in vier Abschnitten den Schutzgütern "Staatsordnung", "Rasse und Volkstum", "Familie" und "Volksgut" gewidmet. Der Abschnitt "Schutz der Staatsordnung" enthält als einen von drei Unterabschnitten21 den "Schutz der inneren Staatsordnung". Hier erfaßt eines von fünf Kapiteln22 die "Angriffe auf die Rechtspflege". Das Kapitel enthält folgende Titel: -
Meineid Begünstigung Unterlassung der Verbrechensanzeige Falsche Anschuldigung und falsche Selbstbezichtigung Zweikampf Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen.
Ausformulierte Tatbestandsvorschläge enthält die Denkschrift nicht. Der vom Reichsjustizminister im Oktober 1933 einberufenen Strafrechtskommission23, die am 3.November ihre 1. Sitzung abhielt, lag ein im Reichsjustizministerium erarbeiteter Referentenentwurr* vor, der sich in Aufbau und Inhalt weitgehend an den Entwurf von 1927 hielt 25 . In der Kommission fand eine ausgiebige Diskussion über die dem Besonderen Teil zugrundeliegende Systematik statt26. Sie mündeten schließlich in einer Gliederung des Besonderen Teils in fünf Gruppen. Das 2.Buch des Entwurfs vom Februar 1936 umfaßt die Gruppen
19
Denkschrift
NS S. 3.; Auszüge aus dieser Denkschrift in: DJ 1933, 41^436.
20
Denkschrift
NS S.13 ff.
21
Weitere Unterabschnitte: "Schutz der Machtstellung des Staates nach außen", "Verletzung von Amtspflichten". 22
Weitere Kapitel: "Angriffe auf Staat, staatliche Einrichtungen und höchste Staatsorgane", "Angriffe auf die Wehrmacht", "Angriffe auf die Staatsgewalt", "Angriffe auf die Münzhoheit". 23 Allgemein zu dieser Kommission Eb.Schmidt, Einführung S.450 f.; Gürtner/Freister, Strafrecht S.204 ff. 24
Neues
Abgedruckt b. Regge/Schubert Bd 1.1, S. 1 ff. Nähere Angaben daselbst in Fußn. 1.
25
Regge/Schubert Bd 1.1, S. XV f. - Die Abweichungen vom E 1927 sind im Abdruck aaO. S. 1 ff. hervorgehoben. 26 Prot.DStGB f 38.Sitzung v. 6Juli 1934, S Λ-26.(Regge/Schubert stellung bei Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.40 f.
Bd 2.2, S.349 ff.). Dar-
120
-
.Kapitel
Schutz Schutz Schutz Schutz Schutz
des Volkes der Volkskraft der Volksordnung der Persönlichkeit des redlichen Wirtschaftslebens 27.
Die dritte dieser Gruppen - "Schutz der Volksordnung" - umfaßt die Teile - Angriffe auf die Volksführung 28 - Angriffe auf die öffentliche Ordnung - Angriffe auf die Rechtsordnung.
Der zuletzt genannte Teil besteht aus den Abschnitten -
Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung (§§ 354-384) Eidesverletzung (§§ 385-392) Urkundenfälschung (§§ 393-404) Geldfälschung (§§ 405-412)
Der Abschnitt "Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung" enthält 31 Tatbestände (§§ 354-384)29. Spätere Überarbeitungen durch Unterkommissionen änderten an der Gesamtkonzeption nur wenig. Auch die Zusammensetzung der uns interessierenden Regelungen, auf die sogleich einzugehen ist, blieb im wesentlichen unverändert. 2. Meineid und falsche uneidliche Aussage In der Eidesfrage geht die erwähnte Denkschrift des preußischen Justizministeriums davon aus, daß die Unverletzlichkeit und Heiligkeit (des Eides) ... tief im deutschen Rechtsempfinden wurzel(e)" 30. Deshalb seien alle Versuche der Verwässerung der Rechtseinrichtung des Eides und einer zu weit gehenden Einschränkung seiner prozeßrechtlichen Anwendung, wie sie die "Reformbestrebungen liberalistischen Gepräges" angeregt hätten, abzulehnen. "Denn durch Maßnahmen solcher Art (werde) die Wurzel des Übels, die in der Nachkriegszeit besonders starke Zunahme der Eidesverletzungen, die durch die sittlichen Verfallserscheinungen der Nachkriegszeit hervorgerufene und durch die liberalistische Denkweise begünstigte Untergrabung der Achtung
27 Die fünfte Gruppe enthielt in der letzten Entwurfsfassung die Überschrift "Strafbarer Eigennutz" (§§ 442 ff. E Juni 1939). 28 Dieser Teil entfiel in der letzten Entwurfsfassung; stattdessen erhielt der Titel "Hochverrat" einen Tatbestand "Verrat am Führer" (§ 91 E Juni 1939). 29
Nähere Darstellung b. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.41 f.
30
Denkschrift
NS S.39.
Zeit des Nationalsozialismus
121
vor dem Gesetz und vor den sittlichen Werten des Volkes, nicht berührt" 31. Die geltenden Bestimmungen - einschließlich der Aberkennung der Eidesfähigkeit - seien daher beizubehalten. Lediglich solche Aussageteile, die für die richterliche Entscheidung ohne jede Bedeutung seien, könnten von der Meineidsstrafe ausgenommen werden. Neu einzuführen sei die Strafbarkeit uneidlicher Falschaussagen solcher Personen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen unvereidigt blieben33. Dies fordere "die Achtung vor dem Gesetz und die Sicherheit der Rechtspflege". Der Referentenentwurf sieht hingegen - abweichend auch vom E 1927 einen Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage nicht vor 34 . Andere Abweichungen gegenüber dem E 1927 sind - durchgängige Umstellung des Textes von der "falschen" auf die unrichtige oder unvollständige Angabe; - fakultative Strafmilderung bis hin zum Absehen von Strafe in Fallen, in denen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit für die Sache ohne jede Bedeutung ist (§ 186a RefE); - ausdrückliche Klarstellung, daß Strafbarkeit wegen Meineides voraussetzt, daß der Eid in einem Verfahren geleistet worden ist oder werden sollte, in dem die Vereidigung für Angaben gleichen An zulässig ist 35.
Im September 1934 begann die Strafrechtskommission mit der Beratung der Aussagedelikte36. An ihr beteiligten sich neben dem Vorsitzenden Reichsjustizminister Gürtner und mehreren Ministerialbeamten 37 und Praktikern 38 die Strafrechtslehrer Mezger, Dahm, Nagler und Gleispach. Mezger als Bericht-
31
AaO S.39 f.
32
"Rechtssicherheit und Volksempfinden, wie es im bekannten Sprichwort 'Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...' seinen volkstümlichen Ausdruck findet, verlangen..., daß .. an (dieser) Nebenstrafe ... festgehalten wird. 33
Denkschrift
NS S.40.
34 Min.DirifttfcA im Reichsjustizministerium kritisierte in seinem Merkblatt über Meineid und falsche Aussage (s.im vorigen Kapitel Fußn.62) diese Enthaltsamkeit des Referentenentwurfes und verlangte die Poenalisierung der falschen uneidlichen Aussage (aaO. B1.134 ff.). Wichtigster Grund: Die neue nationalsozialistische Staatsauffassung lasse die Interessen des Einzelnen überall zurücktreten vor den Interessen der Gesamtheit. Lügenfreiheit könne nicht mehr gewährt werden, auch dann nicht, wenn sie dem Lügner Vorteil bringe. 35 § 189 S.l RefE. Entsprechend für die falsche eidesstattliche Versicherung. - Satz 2 enhält die aus E 1927 übernommene zusätzliche Klarstellung, daß die Strafbarkeit voraussetzt, daß die Behörde, vor welcher der Eid abgelegt worden ist oder werden sollte, zur Vereidigung zuständig gewesen ist. (Entsprechend für die eidesstattliche Versicherung). 36
ProtDStGB, 42. Sitzung v. 14.September 1934, S. 1 - 15; Regge/Schuben Bd 2.2, S.433 ff.
37
Freister;
38
Klee, Leimer,; Grau.
Schäfer; Dürr.
122
.Kapitel
erstatter für die Aussagedelikte empfahl 39, - die uneidliche Falschaussage nicht unter Strafe zu stellen; - die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides auf Fälle grober Fahrlässigkeit zu beschränken; - die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft beim Meineid anzuerkennen (und damit einen eigenen Tatbestand der Verleitung zum Falscheid überflüssig zu machen); - die Zuständigkeit der vernehmenden Behörde als Tatbestandsmerkmal beizubehalten, sie also nicht zur bloßen Objektiven Bedingung der Strafbarkeit herabzustufen; - die speziellen Strafmilderungsgründe des § 157 RStGB 40 , zumal in ihrem objektiven Verständnis, wegfallen zu lassen.
Freister als Korreferent beschrieb in der Kommission den erstrebenswerten Endzustand dahin, daß Eide und Eidesbestrafungen nicht mehr erforderlich seien, weil die Erziehung des Volkes zur Wahrhaftigkeit dahin geführt habe, "daß die Aussage ohne Eid genauso ernst genommen wird wie die mit Eid" 41 . Die jüngste Gesetzgebung zur Auflockerung des Eideszwanges bedeute ein "Vorweglaufen der Gesetzgebung vor dem Grade der Erziehung des Volkes". Dies müsse bei der Erörterung der Strafbarkeit uneidlicher Falschaussagen berücksichtigt werden 42. Keineswegs könne vorerst auf den Eid völlig verzichtet werden, ebensowenig auf die Strafbarkeit des Falscheides. Rechtsgrund der Strafbarkeit sei die "Täuschung des Vertrauens des Staates in die Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit der Selbstverpfändung der eigenen Persönlichkeit des Aussagenden"; dieses staatliche Vertrauen aber sei "eine der unmittelbarsten Erscheinungsformen für die Bestätigung der Treue.., die der einzelne dem Staat (schulde) . Folgerichtig müsse beim Meineid auf eine Strafe erkannt werden, welche die Ehrlosigkeit des Verurteilten in einer besonders feierlichen Form vor allem Volke feststelle 44. Als eine solche Ehrenstrafe sei die EidesUnfähigkeit geeignet. Von ihr sei "eine erzieherische Wirkung im ganzen Volke"
39 Antrag Nr 65, in: Bundesarchiv, R 22/990a (eig.Paginierung); abgedruckt b. Regge/Schubert Bd 2.2, S.755 ff. 40
S.o.3.Kap. b.Fußn. 40, 53, 59; Synopse /.
41
AaO. (Fußn.36) S.3.
42
Ibd.
43
Ibd.
44
Der spätere Entwurf sah in §§ 31,32 die Ehrloserklärung vor. Der Volksgerichtshof unter Präsident Freister verwendete in Todesurteilen die Formel: "Er ist für immer ehrlos". Vgl. Hittermeier (Hrsg.), "Im Namen des Deutschen Volkes". Todesurteile des Volksgerichtshofes. Darmstadt und Neuwied 1980; sowie Gerh. Meyer, Für immer ehrlos?,*/»: ebd. S.115 ff.; vgl. auch Marxen, Zum Verhältnis von Strafrechtsdogmatik und Strafrechtspraxis im Nationalsozialismus, in: U.Reifner/B.-R. Sonnen (Hrsg.),Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, Frankfurt/M., New York 1984, S.77 ff.; zeitgenössisch: Schaffstein, GA (DtStrR) 1934, 273 ff.
Zeit des Nationalsozialismus
123
zu erwarten 45. Daneben müsse freilich eine Freiheitsstrafe treten. Andererseits müsse der Rahmen der Freiheitsstrafe gegenüber dem geltenden Recht nach unten erweitert werden, um der mißbräuchlichen Praxis abzuhelfen, daß ein hoher Prozentsatz von Strafaussprüchen auf die Privilegierungsfälle des § 157 RStGB geschoben46, ein anderer 47 im Gnadenwege gemildert werde. Beim Strafaufhebungsgrund der rechtzeitigen Berichtigung müsse - unter Hintanstellung gewisser grundsätzlicher Bedenken - der Kreis der zur Entgegennahme der Berichtigung" zuständigen Behörden im Interesse betroffener Dritter erweitert werden?0. Freisler sprach sich ferner - entgegen Mezger - für die Charakterisierung der Behördenzuständigkeit als Objektive Bedingung der Strafbarkeit aus; einer geschickten Verteidigung werde es sonst in vielen Fälle gelingen, sich hinter dem angeblichen Glauben an die Unzuständigkeit zu verschanzen51. Er befürwortete ferner die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides, und zwar ohne Begrenzung auf die Fälle grober Fahrlässigkeit. Die Strafbarkeit der falschen Versicherung an Eides Statt wollte Freisler nur dann beibehalten, wenn sie auf Versicherungen beschränkt bliebe, die vor Behörden abgegeben würden. Dann allerdings müsse sie ebenso hart wie der Falscheid bestraft werden, denn einen Unterschied zwischen einem großen und einem kleinen Ehrenwort dürfe es nicht geben. Dies gelte auch für die fahrlässige Begehungsweisen52. Freisler war ferner, wie Mezger, der Ansicht, daß besondere Regelungen über die Versuchte Anstiftung zum Meineid und über die Verleitung zum Falscheid durch die von der Kommission bereits beschlossene Ausweitung der Teilnahmestrafbarkeit 53 bzw. durch die Bejahung der Möglichkeit mittelbarer Täterschaft beim Meineid entbehrlich würden 54 .
In der Diskussion sprachen sich alle Redner für die Beibehaltung des
45
AaO. S.4.
46
Nach Angabe von Freisler ein Drittel aller Fälle.
47
Nach Angabe von Freisler vierzig Prozent der Fälle.
48
Vgl. § 158 RStGB.
49
Also nicht bloß "Widerruf".
50
Diesem Vorschlag gemäß ließ der Entwurf vom Februar 1936 als zuständige Behörden zu: Die Behörde, der gegenüber die falsche Aussage gemacht wurde oder die sie im Verfahren zu würdigen hat; ein Gericht; eine Staatsanwaltschaft; die Polizei (§ 391 E Febr. 1936). - Die Erweiterung des Kreises der zuständigen Behörden hatte mit dem Entwurf von 1913 eingesetzt; s. dazu o. 6.Kap., Fußn. 114. 51
AaO. S.4.
52
AaO. S.5.
53 § 11 Abs.l des Entwurfs vom Februar 1936 bestimmte unter der Überschrift "Beginn der Teilnahme": "Bleibt die Anstiftung zu einer mit dem Tode oder mit Zuchthaus bedrohten Tat erfolglos, so wird der Anstifter nach der Vorschrift bestraft, die für die vollendete Anstiftung gilt. Die Strafe ist jedoch zu mildern...". 54
AaO. S^.
124
.Kapitel
Meineid-Tatbestandes und der in ihm angedrohten Zuchthausstrafe aus55, jedoch mit einem für leichtere Fälle nach unten bis in den Gefängnisbereich erweiterten Strafrahmen. Die Eidesunfähigkeit sollte Nebenstrafe bleiben, jedoch obligatorisch zu verhängen sein. Überwiegend wurde die Beibehaltung der Strafbarkeit desfahrlässigen Falscheides befürwortet. Hauptargument war, daß ein Auffangtatbestand für die Fälle nicht nachweisbaren Vorsatzes zur Hand sein müsse . Zu diesem Zwecke erschien allerdings eine Begrenzung der Strafbarkeit auf die Fälle grober Fahrlässigkeit bzw. der Leichtfertigkeit tragbar 57. Zweifel wurden gegenüber der Möglichkeit eines in mittelbarer Täterschaft begangenen Meineides geäußert. Dohm machte geltend, der Tatbestand des Meineides setze eine Selbstverfluchung voraus, die nicht durch Mittelspersonen erfolgen könne. Es solle daher der besondere Tatbestand der Verleitung zum Falscheid erhalten bleiben, freilich mit derselben Strafdrohung wie der Meineid58. Bei der Problematik der Wesentlichkeit der Aussage? 9 wurde ein Dilemma nationalsozialistischen Strafrechtsdenkens deutlich; machte man sie zum Tatbestandsmerkmal und damit zum notwendigen Gegenstand des Vorsatzes, so provozierte man entsprechende Schutzbehauptungen der Verteidigung; stufte man sie zur Objektiven Bedindung der Strafbarkeit herab, so setzte man sich in Widerspruch mit dem Gedanken des Willensstrafrechts 60. Deshalb wurde empfohlen, diesen Gesichtspunkt nur bei der Strafzumessung zu beachten 6 1 ; zu erwägen gegeben wurde, ihn allenfalls beim fahrlässigen Falscheid tatbestandlich zu berücksichtigen 62,63. Im Unterschied zu den bei allem Scharfsinn recht ideologiebefrachteten Gedanken über den Meineid und seine Schutzfunktion standen bei der Diskussion über die falsche uneidliche Aussage juristisches Expertentum und 55
Dahm aaO. S.7; Klee aaO. S.8; Leimer aaO. S.9; Nagler aaO. S.12.
56
Dahm aaO. S.7; Klee aaO. S.8; Nagler aaO. S.ll; Grau aaO. S.14.
57
Abweichend Gleispach, der für die Straflosigkeit des fahrlässigen Falscheides eintrat. Er wies vor allem auf den Wertungswiderspruch hin, daß nach dem Willen der Kommissionsmehrheit die bewußte uneidliche Lüge vor Gericht prinzipiell straffrei bleiben sollte, die fahrlässige eidliche Lüge aber - ein Delikt von geringerem Unrechtsgehalt - bestraft werden sollte (aaO. S.14). - Leimer wollte jeden Fall des fahrlässigen Falscheides bestraft sehen (aaO. S.9). 58
AaO. S.7. - Für die Anerkennung mittelbarer Täterschaft beim Meineid Klee aaO. S.8.
59
S. zur Ablehung dieses Gesichtspunktes durch den Vorentwurf
bereits o. 6.Kap. b.Fußn.27.
60
Dahm sprach dieses Dilemma offen an (aaO. S.7). Mit seinem Hinweis auf die Möglichkeiten der Strafzumessung fand er in der Kommission überwiegend Zustimmung. 61
Dahm aaO.
62
Klee aaO. S.8.
63
Auch hier zeigte sich also, daß die nationalsozialistische Strafrechtstheorie von dem von ihr favorisierten Willensstrafrecht dann abrückte, wenn es zu einem für den Täter günstigen Resultat führte. Vgl. dazu allgemein Frommet, JZ 1980,559 ff.; Marxen, Kampf S.208 ff.
Zeit des Nationalsozialismus
125
Realitätssinn im Vordergrund. Mezger 64 sprach sich gegen die Strafbarkeit der schlichten Lüge vor Gericht aus. Er räumte ein, daß aufgrund der Eidesnovellen 65 die Zahl der uneidlichen Aussagen stark steigen werde und daß daher ein "gewisses Bedürfnis" bestehe, "die uneidliche Lüge vor Gericht und vor anderen Behörden" strafrechtlich zu erfassen. Jedoch sei es schon schwer genug, Wahrheit und Lüge in den unter Eid erfolgten Aussagen richtig zu scheiden; diese Schwierigkeiten würden ins Unermeßliche und Unmögliche wachsen, "wenn jedes Reden vor Gericht einer solchen Prüfung unterzogen werden müßte". Das Ergebnis werde eine der Würde und Ordnung des Rechts wenig zuträgliche Willkür der Strafverfolgung sein. Auch sei eine Flut von Denunziationen zu befürchten. Praktische Erwägungen sprächen daher trotz der Verwerflichkeit der Verhaltensweise gegen deren Strafbarkeit. Der Mangel einer solchen Regelung sei im übrigen auch zu verschmerzen, denn in den wirklich belangreichen Fällen würden andere Strafdrohungen zu Verfügung stehen66. Allenfalls könnte vom Prozeßrecht her eine Lösung gefunden werden, indem - im Rückgriff auf EEG 1929 - unter gewissen Voraussetzungen eine einfache Versicherung der Wahrheit eingeführt werde, deren Verletzung unter Strafe gestellt werden könnte. Jedoch stelle sich dann die Frage, wie die Parteilüge im Zivilprozeß zu behandeln sei67. Mezger fand Zustimmung und Widerspruch. Zugunsten seiner Position wurde ergänzend geltend gemacht, man habe durch die Prozeßnovellen die sog. Meineidsseuche bekämpfen wollen; es sei kaum angängig, die Gefahr heraufzubeschwören, "daß wir nunmehr die Meineidseuche auf dem Gebiet der falschen uneidlichen Aussage erleben" 68; es werde kaum als Ausdruck konsequenter und zielbewußter Gesetzgebung verstanden werden, wenn kurze Zeit nach einer prozeßrechtlichen Maßnahme gegen die "Meineidsseuche" materiellrechtlich deichsam ein "kleiner Meineid" zusätzlich tatbestandlich geschaffen werde6 .Widersprüchlich sei es auch, gewisse Personen einerseits zur Vermeidung von Gewissenskonflikten von der Eidespflicht zu befreien, sie andererseits aber für eine falsche uneidliche Aussage zu bestrafen 70. Schließlich könnten relevante Fälle, abgesehen vom Vorhandensein anderweitiger Strafvorschriften, auch dadurch aufgefangen werden, daß in Fällen
64
ProtDStGB, 42. Sitzung v.l4.September 1934, S.l ff.
65
S.o. sub I.
66
AaO. S.2.
67
Ibd.
68
Reichsjustizminister Gürtner aaO. S.6 ff.
69
Gürtner aaO. S.12.
70
Klee aaO. S.8.
126
.Kapitel
fakultativer Vereidigung der Eid eben abgenommen werde 71. Darüber hinaus sei allenfalls die Ausdehung der Meineidstrafbarkeit auf die uneidliche Aussage des Eidesunfähigen zu erwägen72 Freisler, der zunächst die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage gefordert hatte, zog diesen Antrag im Verlauf der Diskussion zurück. Ihn schreckte vor allem die Vorstellung, daß das Nebeneinander von strafbarer eidlicher und strafbarer uneidlicher Aussage mit unterschiedlichen Strafrahmen unterschiedliche Ehrenworte zur Folge haben würde. Daneben überzeugte ihn der Hinweis, daß der Richter auch nach neuem Recht fast immer zur Vereidigung schreiten könne, wenn er sie für erforderlich halte. Freilich müßten so fügte er hinzu - die Gerichte nachdrücklich daran erinnert werden, daß die Strafprozeßordnung nach wie vor von der Vereidigung als dem Normalfall ausgehe. Maßgeblicher Gesichtspunkt für das Absehen von der Vereidigung dürfe nicht sein, den Aussagenden vor der Meineidsstrafe zu bewahren, im Vordergrund müßten vielmehr die prozeßrechtlichen Gesichtspunkte stehen73. Strafbar sein sollte allerdings auch nach Freislers Auffassung die uneidliche Falschaussage des Eidesunfähigen bzw. "-unwürdigen". Ehrlosigkeit bedeute nicht, daß das Wort des Ehrlosen in allen Fälle überflüssig sei; es könnten Fälle eintreten, in denen nur der Eidesunwürdige einen Vorgang beobachtet habe. In diesen Fällen dürfe er keine Gelegenheit zum straflosen Lügen geboten bekommen. Dieser Vorschlag setzte sich durch. Im Sommer des darauffolgenden Jahres griff die Kommission den Komplex in zweiter Lesung erneut auf 74. Sie konzentrierte sich auf die Frage nach der Strafwürdigkeit falscher uneidlicher Aussagen. Der Behandlung dieser Frage widmete sie nicht weniger als drei Sitzungstage75. Ausgelöst wurde die intensive Diskussion durch einen Rückkommensantrag von Freisler, der erneut Zweifel bekundete, ob angesichts der neuen strafprozeßrechtlichen Lage, die zu einem
71
Dürr aaO. S.15.
72
Ibd.
73
AaO. S.12ff.
74
Teilnehmeran den Kommissionsberatungen in diesem Sitzungsabschnitt: Gürtner (Reichsjustizminister); Freisler (Staatssekretär); Ebert (Staatsanwaltschaftsrat); Schäfer (Ministerialdirektor); Grau (Senatspräsident); Dahm (Strafrechtsprofessor); v.d.Goltz (Staatsrat und Rechtsanwalt); Thierack (Vizepräsident des RG); Henkel (Strafrechtsprofessor); Klee (Senatspräsident, Strafrechtsprofessor); Schaffstein (Strafrechtsprofessor); GrafGleispach (Strafrechtsprofessor); Niethammer (Reichsgerichtsrat); Lorenz (Landgerichtspräsident); Nagler (Strafrechtsprofessor); Reimer (Oberstaatsanwalt); Leimer (Landgerichtsdirektor); E.Schäfer (Ministerialrat); Κ Schäfer (Ministerialdirektor); Mezger (Strafrechtsprofessor); Kohlrausch (Strafrechtsprofessor). 75
ProtDStGB, 81.Sitzung v.29Juni 1935; 82.Sitzung v. lJuli 1935; 83.Sitzung v.2 Juli 1935.
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127
starken Rückgang der Zahl der Vereidigungen im Strafprozeß geführt habe76, der nicht vereidigte "Lügner" 77, soweit er nicht bereits für eidesunfähig erklärt war, ungestraft davonkommen solle78. Die Mehrheit der Kommission tendierte wegen der bereits diskutierten Einwände - vor allem: Schwierigkeit der Grenzziehung zum nicht strafwürdigen Lügen79 sowie: "sittlicher Widersinn" eines "verschiedenartigen Ehrenwortes" 80 - dahin, die Effizienz der Meineid-Strafdrohung und die Entbehrlichkeit der Bestrafung uneidlicher Falschaussagen durch restriktive Regeln im Prozeßrecht sicherzustellen81. Vorschläge einer Minderheit zielten auf eine materiellrechtliche Lösimg, sei es durch eine generelle Poenalisierung der Lüge vor Gericht, sei es durch einen mit Hilfe von (protokollpflichtigen) Strafbarkeitshinweisen eingeengten und präzisierten Tatbestand82. Die Überlegungen zu einer "prozeßrechtlichen Lösung" richteten sich vor allem auf eine Änderung des 1933 eingeführten § 61 Nr 5 StPO, der ein Absehen von der Vereidigung zuließ, "wenn alle Mitglieder des Gerichts die Aussage für unerheblich oder für offenbar unglaubhaft halten, und wenn nach ihrer Uberzeugung auch unter Eid eine erhebliche oder eine wahre Aussage nicht zu erwarten ist". Vor allem die jeweils zweite Variante ("offenbar unglaubhaft "wahre Aussage nicht zu erwarten") wurde von fast allen Kommissionsmitgliedern als unerträglich empfunden, da sie dem lügnerischen Zeugen 76 Bezug genommen wurde u.a. auf die von KPeters auf einer Sitzung der Bezirksgruppe Köln des NS-Rechtswahrerbundes mitgeteilten Zahlen (veröff. in GA 1935,145 ff.), wonach an den Kölner Gerichten mindestens 90-95% der Zeugen unvereidigt blieben; vgl. Henkel, 81.Sitzung S.16 f.; vgl. auch Gruchmann, Justiz S. 1056. - Ausführlich noch u.b. Fußn.96 ff. 77
Dahm, 81.Sitzung S.19.
78
"Es ist kein Erfolg der Strafrechtspflege, an Hand der Statistik nachweisen zu können, daß die Zahl der Eidesvergehen zurückgegangen ist, wenn man sich darüber klar ist, daß man dadurch das Volk noch keineswegs zur Wahrheit erzogen hat, sondern daß man den Rückgang der Delikte nur dadurch erreicht hat, daß man die Möglichkeit, unter einer Beteuerungsformel die Unwahrheit zu sagen, beschränkt hat" (81.Sitzung S.14). 79 Klee (82.Sitzung S.ll) wies darauf hin, daß im Zivilrecht auch nach Einführung der "nationalsozialistischen Parole 'Wahrheitspflicht der Parteien vor Gericht"· falsche Parteiaussagen häufig vorkämen. Freilich würden die Parteien meist gar nicht bewußt oder auch nur fahrlässig die Unwahrheit sagen, "sondern deshalb, weil sie ein bestimmtes Bild der Sachund Rechtslage in sich tragen, in das sie sich völlig einseitig hineingedacht haben". 80
So Freister selber Prot.DStGB 82.Sitzung S.4; ebenso v.d.Goltz, 82.Sitzung S.15.
81
U.a. Gärtner, 81.Sitzung S.16; Leimer, 81.Sitzung S.17; Kohlrausch, 81.Sitzung S.17; Klee, 82.Sitzung S.11. 82 Vgl. Graf Gleispach, 81.Sitzung S.18 ("Es entspricht.. nicht dem Willensstrafrecht, daß es von der Entscheidung, die der Richter über die Beeidigung trifft, abhängig sein soll, ob jemand ein Verbrechen begeht oder nicht"); Nagler; 81.Sitzung S.18; Dahm, 81.Sitzung S.19 ("Das Entscheidende" an der Falschaussage "ist nicht ein Angriff auf die Rechtspflege. Vielmehr liegt eine Art von Treubruch vor, in dem der Lügende das Vertrauen auf seine Wahrheit bricht ... Die Bestrafung der uneidlichen falschen Aussage ist nur von (diesem) Standpunkt aus zu verstehen"); ähnlich Eben, 82.Sitzung S3 f.; Schaffstein, 82.Sitzung S.12.
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.Kapitel
die Möglichkeit gab, durch offenkundiges Lügen bzw. bereits durch die Ankündigung, die Unwahrheit zu sagen, seine Nichtvereidigung zu provozieren und damit seine Straflosigkeit gleichsam durch Erfüllung einer Potestativbedingung herbeizuführen 83. Wolle man dieser Möglichkeit begegnen, so müsse man klarstellen, daß die Auffassung des Gerichts von der Unglaubhaftigkeit sich nicht an der Aussageperson, sondern am Inhalt der Aussage zu orientieren habe84. Was die Erheblichkeit angehe, so sei problematisch, ob sie im Hinblick auf den bereits erreichten Stand der Beweisaufnahme oder im Hinblick auf den Inhalt der Aussage an sich zu verstehen sei85. Jedenfalls dürfe nach einmal geleistetem Eide die Erheblichkeit nicht mehr von Seiten des materiellen Rechts problematisiert werden 86. Allenfalls beim fahrlässigen Falscheid könne der Gesichtspunkt der Erheblichkeit materiellrechtlich Bedeutung erlangen, da das Maß der geforderten Konzentration sich nach der Bedeutung des Gegenstandes richte 87. Erwogen wurde ferner, die Erheblichkeit der Aussage auf den Zeitpunkt des Beginns der Vernehmung zu beziehen und zur Durchsetzung dieser Auffassung den Voreid wieder einzuführen 88. Freilich mußte in diesem Falle eine weitgehende Einschränkung der Möglichkeit der Berichtigung des Meineides bzw. Falscheides in Kauf genommen werden 89. Kritik erfuhr auch § 61 Ziff.6 StPO (entspr. § 61 Ziff.5 heutiger Fassung), freilich nicht zuletzt deshalb, weil "der Gedanke, die Parteien verfügten über den Gang des Verfahrens", einigen Kommissionsmitgliedern als "unerträglich" bzw. als "ein Grundübel" erschien90. Die Streichung dieser Vorschrift wurde überwiegend befürwortet 91.
83 Freisler, 81.Sitzung S.15; Kohlrausch, 81.Sitzung S.15; Schäfer, 81.Sitzung S.16; Gürtner, 81.Sitzung S.16; Niethammer, 81.Sitzung S.17; Leimer, 81.Sitzung S.17; Lorenz, 82.Sitzung S.14 f. 84
Freisler,
85
Ibd.
81.Sitzung S.15.
86
Freisler, 81.Sitzung S.14; Gürtner, 81.Sitzung S.16; Niethammer, 81.Sitzung S.17; Leimer, 81.Sitzung S.17. - Gürtner faßte später in den Beratungen der Großen Strafproze/ikommission (s.u.Fußn.93 ff.) das Beratungsergebnis der Strafrechtskommission dahin zusammen, daß in diesen Fällen "der Zeuge stets vereidigt werden muß". Die Strafprozeßkommission übernahm daher ohne Aussprache den Vorschlag auf Wiederaufhebung der 1933 eingeführten Vorschrift; s. Prot.GrStrPK.,17.Sitzung v. 11.3. 1937, S.14). 87
Freisler,
88
S. die Diskussionbeiträge i.d. 82.Sitzung S.17.
89
AaO. S.20.
90
Freisler,
91
Neben den Vorgenannten v.d.GoUz S.18; Schaffstein,
82.Sitzung S.5.
82.Sitzung S.18; Henkel, 82.Sitzung S.19, Mezger, Gürtner S.19.
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129
Die Streichungsvorschläge92 wurden an die gleichzeitig tagende StrafprozeßReformkommission geleitet93, deren Arbeiten freilich ebensowenig zu einem Gesetz gediehen wie diejenigen der Strafrechtskommission 94. Vorab wurde vom Reichsjustizministerium "im Verwaltungswege daraufhingearbeitet, daß mehr vereidigt wird" 95 . Das Reichsjustizministerium hatte bereits 1934 alle Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte ersucht, über die Erfahrungen der Gerichte in ihren Bezirken mit der Eides-Novelle vom 24.November 1933 zu berichten 96. Die Berichte der Angeschriebenen sowie einzelner OLG-Strafsenate hatten ergeben, daß durchweg die Einführung des Nacheides im Strafverfahren begrüßt wurde und daß die Nichtvereidigung der Zeugen inzwischen die Regel bildete oder doch die Mehrzahl der Fälle ausmachte. Überwiegend wurden Zahlen in der Größenordnung von 70 bis 90 % genannt. Eine Gefahr für die Wahrheitsfindung wurde in dieser Praxis überwiegend nicht erblickt; vereinzelt wurde allerdings die Befürchtung geäußert, dies könnte anders werden, wenn der neue Rechtszustand sich herumgesprochen haben sollte97. Die Beibehaltung des obligatorischen Nacheides wurde vor allem deshalb befürwortet, weil die Fälle, in denen von der Vereidigung abzusehen sei, besser erkannt werden könnten, weil Zeugen
92 Vereinzelt wurde die prozeßrechtliche Lösung auch damit gerechtfertigt, daß nur sie die Schaffung eines mit milderer Strafdrohungversehenen Tatbestandes der uneidlichen Falschaussage zu verhindern in der Lage sei; ein solcher Tatbestand sei jedenfalls dann mit dem Willlenstrafrecht unvereinbar, wenn er geringere Strafe vorsehe als der Meineid-Tatbestand. "Hier soll plötzlich das Willensstrafrecht überhaupt nicht beachtet werden, der Mann soll nur bestraft werden, weil er lügt, obwohl er... von vornherein mit Zuchthausstrafe wegen Meineides gerechnet hat...". 93
S. dazu die Beratungen der Großen Strafprozeßkommission; Prot.GrStrPK, 17.Sitzung v.ll.März 1937, S.14 ff. - Veröffentlichung der Beratungsergebnisse b. Töwe, Zeugenbeweis aaO. 94 Näher zur äußeren Geschichte Eb.Schmidt, Einführung S.451 f. - Bei den Beratungen der Großen Strafprozeßkommission zeigte sich, daß das gegen § 61 Ziff.6 damaliger Fassung vorgebrachte Argument, die Parteien dürften nicht über das Verfahren verfügen, durchaus seine Kehrseite besaß. Während nämlich einerseits erneut betont wurde, für den Richter, "der doch Herr des Hauptverfahrens und des Umfangs der Beweisaufnahme sei", dürfe "ein Wunsch des Staatsanwalts und des Verteidigers oder gar (! - T.V.) des Angeklagten... nicht maßgebend sein" (Graf Gleispach in: Prot.GrStrPK aaO. S.14; zustimmend Töwe aaO.), wurde andererseits für die Beibehaltung dieser Bedingung plädiert, weil die Justizbürokratie mit ihrer Hilfe über die Staatsanwaltschaften auf die Vereidigungshäufigkeit Einfluß nehmen könne (Freister aaO.: "Der Bedingungssatz ... hat uns ermöglicht, durch eine Anweisung an die Staatsanwälte, nur noch in seltenen Fällen auf die Vereidigung zu verzichten, der übermäßigen Anwendung dieser Bestimmung entgegenzutreten"; i.E. zustimmend Lehmann aaO. S.15; Gürtner ibd.). Zu der erwähnten Anweisung s. sogleich den folgenden Text. - Besonders umfangreiche Diskussionen rief in der Strafprozeßkommission die Frage der Vereidigungsmöglichkeit im Vorverfahren hervor; Prot.GrStrPK, 17.Sitzung v.ll.März 1937, S.15 - 22; 18.Sitzung v. 12.Mäiz 1937, S.l 11. 95
Freister in: Prot.DStGB, 106.Sitzung v.30.0ktober 1936, S.24.
96
Bundesarchiv, R 22/ 1073 (ohne Paginierung und Foliierung).
97
So der LG-Präsident von Berlin und die OLG-Präsidenten von Köln und Hamburg.
130
.Kapitel
leichter - da noch nicht von der Strafdrohung ereilt - auf den Weg der Wahrheit zurückgeführt werden könnten und weil belanglose Zeugenaussagen unbeeidet gelassen werden könnten98. Durch eine Ausführungsverordnung vom 29. Juni 193699, welche nicht zuletzt durch die Beschlüsse erster Lesung der Strafrechtskommission ausgelöst worden war 100 , hatte der Reichsjustizminister sodann die Staatsanwaltschaften angewiesen, "bei dem Verzicht auf die Zeugenvereidigung nach § 61 Nr. 6 StPO die durch den Zweck dieser Vorschrift gebotene Zurückhaltung zu üben". Die Staatsanwaltschaft werde nur dann Anlaß haben, auf die Vereidigung eines Zeugen zu verzichten, wenn dessen Aussage für die Entscheidung unerheblich oder von untergeordneter Bedeutung sei. Bei Aussagen, welche für die Entscheidung wesentliche Bedeutung hätten, werde auf die Vereidigung auch dann nicht verzichtet werden dürfen, wenn die Staatsanwaltschaft den Zeugen auch ohne Vereidigung für glaubwürdig halte. In Strafsachen wegen geringfügiger Taten werde ein Verzicht auf die Vereidigung eher zu verantworten sein als in schwerwiegenden Sachen. In Strafsachen vor den Sondergerichten, den Großen Strafkammern, den Schwurgerichten und den höheren Gerichten werde ein solcher Verzicht nur in seltenen Ausnahmefällen angebracht sein 101 . Diese Anweisung führte - wie eine 1937 veranstaltete neuerliche Umfrage des Reichsjustizministeriums102 ergab - zu einem drastischen Wiederanstieg der Zahl der Vereidigungen. Die Oberlandesgerichtspräsidenten berichteten übereinstimmend, daß seitens der Staatsanwaltschaften seither nur noch ausnahmsweise auf die Vereidigung verzichtet worden sei. Insbesondere würden Hauptzeugen, auf deren Aussage sich das Urteil stütze, fast durchweg wieder vereidigt1 .
98 Zu den hier und im folgenden geschilderten Vorgängen s. neuerdings auch Gruchmann, Justiz S. 1056 f. 99
4103 - II a 18854; abgedruckt in DJ 1936,993.
100
Vgl. o. b. Fußn. 89. - Der OLG-Präsident von München bemerkte, in seinem Bezirk sei vor dem Erlaß in Fällen, in denen das Gericht und die Beteiligten den Zeugen für glaubwürdig gehalten hätten, gewöhnlich von der Vereidigung abgesehen worden, u.zw. "entsprechend der Auslegung, die § 61 Nr 6 StPO in RGSt 69,263 gefunden hat". Die zitierte Entscheidung (Urteil v. 9 Juli 1935) betont freilich den fortbestehenden Grundsatz der Vereidigung von Zeugen und interpretiert § 61 Ziff. 6 damaliger Fassung StPO dahin, daß von der Vereidigung abgesehen werden könne, "wenn sie nach Ansicht des Gerichts und der Beteiligten wegen der Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht erforderlich ist". Es handelt sich also um eine durchaus restriktive Interpretation der Vorschrift. 101 "Flankierend" dazu die Ausführungen von Lehmann (zur Person bereits o.Fußn.14), DJ 1936, 1008 ff. 102 Bundesarchiv, v.lO.März 1937, S.2.
R 22/1073 (s.Fußn.96); vgl. auch Freister,
in: ProtGrStrPK,
16.Sitzung
103 OLG-Präsident München (Schreiben v.26.Febr.l937); ähnlich die OLG-Präsidenten von Breslau (24.Febr.1937), Celle (25.Febr.1937) und Hamm (25.Febr.1937), alle aaO.
Zeit des Nationalsozialismus
131
Der im Februar 1936 fertiggestellte Entwurf 1936m setzt im Abschnitt "Eidesverletzung" die geschilderten Ergebnisse der Kommissionsberatungen um. Wegen Meineides soll bestraft werden, "wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Vereidigung zuständigen Behörde unter Eid die Unwahrheit sagt oder die Wahrheit verschweigt" (§ 385) 105 .
Durch § 392 Abs.2 werden Eidesverletzungen vor "anderen Stellen, die Eide abnehmen ... können", den Eidesverletzungen vor Behörden gleichgestellt106. Die Strafe Act falschen Versicherung an Eides Statt entspricht derjenigen für leichtere Fälle des Meineides, für besonders schwere Fälle tritt die für den Normalfall des Meineides vorgesehene Strafdrohung ein. Formell ist damit Freislers Forderung nach gleichen Strafrahmen für Meineid und falsche Versicherung an Eides Statt ebenso erfüllt wie seine Forderung nach Präzisierung der Tathandlung. Strafbar sein sollen falsche eidesstattliche Versicherungen nur noch, wenn sie "zu Protokoll eines Gerichts, eines Notars oder eines Rechtsanwalts" abgegeben worden sind (§ 386) oder "gegenüber anderen Stellen, die... Versicherungen an Eides Statt entgegennehmen können" (§ 392). Gleichermaßen soll strafbar sein, "wer veranlaßt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, unter Eid oder unter Versicherung an Eides Statt die Unwahrheit erklärt oder die Wahrheit verschweigt"107.
Daß die allgemeine Zuständigkeit der vernehmenden Behörde zur Abnahme von Eiden bzw. eidesstattlichen Versicherungen nicht Tatbestandsmerkmal, sondern nur Objektive Bedingung der Strafbarkeit sei, wird dadurch klargestellt 108 , daß ein Irrtum des Täters über dieses Merkmal ausdrücklich für unbeachtlich erklärt wird 109 . Die falsche Aussage eines für eidesunfähig Erklärten soll nach Meineidsgrundsätzen strafbar sein, wenn er zuvor auf die Strafbarkeit einer solchen falschen Aussage hingewiesen worden ist 110 . Damit greift der Entwurf auf eine bereits vom Vorentwurf von 1909 vorgesehene Kautele
104
Zu dessen Systematik s. bereits o. sub 1.
105 Die Zusammenstellung von "Erklärung der Unwahrheit" und "Verschweigen der Wahrheit" ging zurück auf einen Vorschlag von Mezger, s. ProtDStGB, 42.Sitzung v.l4.Sept.l934 (Regge/Schubert, Bd 2.2 S.433 ff.), S.13. 106
Ähnliche Regelungstechnik bereits in § 191 E 1927.
ισ7
§ 387 E 1936 (Februar).
108
§ 388 E 1936 (Februar).
109
"... tritt die Strafe auch dann ein, wenn der Täter irrtümlich geglaubt hat, die Behörde, der gegenüber er die unwahre Angabe beteuert hat..., sei zur Entgegennahme einer solchen Beteuerung nicht zuständig oder die Beteuerung sei in dem Verfahren nicht zulässig gewesen". 110
§ 389 E 1936 (Februar).
132
.Kapitel
zurück. Der leichtfertige Falscheid und die leichtfertige falsche eidesstattliche Versicherung sind mit Gefängnisstrafe bedroht 111. Rechtzeitige Richtigstellung führt zu Straflosigkeit; jedoch hat der Begriff der Rechtzeitigkeit einen subjektiven Einschlag erhalten, indem die Berichtigung u.a. dann für verspätet erklärt wird, Hwenn der Täter zuvor von einer gegen ihn eingeleiteten Untersuchung Kenntnis erlangt hat" 112 . Der Entwurf selber wurde nicht veröffentlicht 113; jedoch hatte bereits nach Abschluß der l.Lesung ein von Gürtner herausgegebener Sammelband über die Ergebnisse der Beratungen unterrichtet und dabei auch mit den wesentlichen Details und Tatbestandsformulierungen bekannt gemacht114.Er wurde nach Abschluß der 2.Lesung aktualisiert 115. Der Beitrag über die Eidesdelikte von Mezger verfaßt 116 - geht vor allem auf die Frage der Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage ein. Er stellt die praktischen Gründe, welche gegen eine Pönalisierung vorgetragen worden waren, in den Vordergrund 117, erwähnt aber auch die in 2.Lesung angestellten Überlegungen zum Strafprozeßrecht: "Eine sorgfältige Abwägung der Gründe und Gegengründe ließ die Entscheidung im ablehnenden Sinne ausfallen. Es wurde aber betont, daß die Neuregelung des Eides auf prozessualem Gebiet zu unerwünschten Ergebnissen und zu einer allzuweit getriebenen Zurückdrängung der Beeidigung geführt habe. Daher werde insofern eine Nachprüfung vor allem der §§ 61 Nr.5 und 6 StPO erforderlich werden" 118. Das letzte Wort in dieser Frage war nach Ansicht von Mezger noch nicht gesprochen. Der Entwurf wurde noch mehrfach von Unterkommissionen überarbeitet 119, erfuhr jedoch in den wesentlichen Punkten des Abschnittes über "Eidesverlet-
111
§ 390 E 1936 (Februar).
112
§ 391 Abs.2 E 1936 (Februar).
113
Eb.Schmidt, Einführung S.451. - Das fernere Schicksal des Entwurfes läßt sich gut rekonstruieren anhand der Akten Bundesarchiv R 22/854-856 (s.Q.Verz. A 1.2 ff.) und R 43 11/1513,1513a (s.Q.Verz. A 1.10/11). Von einem (ursprünglich geplanten) Exkurs zu diesem Thema ist abgesehen worden, nachdem während der Bearbeitungszeit die (wohl zum Standardwerk avancierende) Monographie von Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, und die Quellensammlung von Regge/Schubert die Entwicklung unter Rückgriff auf die Quellen schildern; s. Gruchmann, Justiz S. 791 ff., insb. S.819 ff.; Regge/Schuben, Bd 1.1, S.XV ff. 114
Gürtner, Kommendes Strafrecht BT (1935).
115
Gürtner, Kommendes Strafrecht BT (2Λ.) (1936).
116
Mezger, Eidesverletzung aaO. (S.180 ff. bzw. S. 394 ff.).
117
AaO. S.185 bzw. S.354.
118
AaO. (2A.) S.355.
119
Aktualisierte Fassungen u.a. im Mai 1936 und im Juli 1936; s. Q.Verz A 2.3 ff.; weitere Fassungen b. Regge/Schuben, Bd 1).
Zeit des Nationalsozialismus
133
zungen" nur noch kleinere Veränderungen. Erwähnenswert ist, daß im Meineidstatbestand der Umstand, daß der Täter zu den Personen gehört, die unvereidigt bleiben konnten, als ein (fakultativer) Strafmilderungsgrund ausdrücklich erwähnt wird 120 . Im Gegensatz zur ursprünglichen Auffassung, daß eine Ausdehnung der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen (Erfolglose Teilnahme, Anerbieten, Verabredung) auf die falsche eidesstattliche Versicherung nicht erforderlich sei, ist nunmehr ein entsprechender Straftatbestand eingefügt 122. Der Strafrahmen für die Verleitung zum Falscheid und zur falschen eidesstattlichen Versicherung ist gemildert, gleichzeitig der Tatbestand dahin geändert, daß die Falschheit der veranlagten Aussage aus der Sicht des Veranlassenden zu bewerten ist 123 . Hier hatte offenbar das Willensstrafrecht eine Bastion erobert. Umso unverständlicher muß es anmuten, daß die Beschränkung der Strafbarkeit des Fahrlässigen Falscheides auf Fälle der Leichtfertigkeit aufgegeben wurde, war doch die Kritik dieses Tatbestandes vor allem von Anhängern der mit dem Willensstrafrecht im Einklang stehenden subjektiven Eidestheorie vorgetragen worden bzw. vice versa die Existenz dieses Tatbestandes als Einwand gegen jene Theorie verwendet worden 124. In der Entwurfsfassung, welche im Juni 1938 dem Reichskabinett vorgelegt wurde 125 , ist die Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides wieder auf Leichtfertigkeitsfälle begrenzt 126. Auch in der NS-Zeit blieb das Projekt einer neuen Strafrechts-Kodifikation unrealisiert; im Bereich der Aussagedelikte brachten die folgenden Jahre allerdings noch einige einschneidende Gesetzesänderungen. Es war ausgerechnet ein rassen- bzw. nationalitätendiskriminierendes Gesetz, welches zum ersten mal für einen Teilbereich die seit Jahzehnten diskutierte Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen normierte. Die 'Verordnung über die Strafrechts-
120 § 386 Abs.2 Hs.l E 1936 (Juli): "Gehört der Täter zu den Personen, die unvereidigt bleiben können, oder liegt ein minder schwerer Fall vor, so kann auf Gefängnis nicht unter sechs Monaten erkannt werden". 121 In redaktioneller Hinsicht ist ferner erwähnenswert, daß in der Juli-Fassung erstmals im Meineid-Tatbestand die generelle Formulierung "vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle" in einen Gesetzentwurf aufgenommen wurde. 122 δ 391 E 1936 (Juli): "Die Vorschriften über erfolglose Teilnahme, Anerbieten zu einer Straftat und Verabredung einer Straftat... gelten auch für die falsche Versicherung an Eides Statt". 123
§ 388 E 1936 (Juli): "Wer veranlaßt daß ein anderer unter Eid oder unter Versicherung an Eides Statt in gutem Glauben eine Erklärung abgibt, die der Veranlassende für falsch hält, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in besonders schwweren Fällen mit Zuchthaus bestraft". 124
s. auch Herrmann y Aussagetatbestände S.44 f.
125
Eb.Schmidt, Einführung S.450. - Dieser Entwurfsfassung war auch eine Begründung beigefügt, welche allerdings für unsere Thematik keine zusätzlichen Erkenntnisse erbringt. 126
δ 384 E 1938.
134
.Kapitel
pflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten" vom ^De zember 1941 - sog.PolenstrafrechtsVO - bestimmt in ihrer Nr DC: "Polen und Juden werden im Strafverfahren als Zeugen nicht beeidigt; auf eine unwahre uneidliche Aussage vor Gericht finden die Vorschriften über Meineid und Falscheid sinngemäß Anwendung".
Strukturell war mit dieser Regelung verwirklicht, was der Entwurf von 1936 vorgesehen hatte, nämlich die Poenalisierung der uneidlichen Falschaussage von Eidesunfähigen. Sie zeigte aber auch, daß die Umsetzung ihrer menschenverachtenden Prämisse ("Eidesunfähigkeit" von Polen und Juden) an die bereits mehrfach erörterten strukturellen Gegebenheiten der Regelungsmaterie gebunden blieb: Sah man im Prozeßrecht von jeder Form der Bekräftigung ab, so fiel die Absicherung gegen unwahre Aussagen ausschließlich dem materiellen Strafrecht zu. Abgesehen von dieser regionalen und personellen Sondergesetzgebung blieb aber der Eid Voraussetzung für eine strafbare prozessuale Falschaussage. Es kann also nicht gesagt werden, daß die Ausweitung des Bereiches nichtbeeideter Aussagen durch die Novelle von 1933 einen Zwang zur kompensatorischen Einführung des Straftatbestandes der uneidlichen Falschaussage geschaffen hätte 128 ; wohl aber hat sie die Schaffung dieses Tatbestandes nahegelegt, wie die Darstellung des Diskussion in der Strafrechtskommission gezeigt hat. Der Meinungsstreit über Nutzen und Nachteil einer Strafvorschrift gegen falsche uneidliche Aussagen war auch nach 1933 nicht verstummt. Im Schrifttum sprachen sich vor allem Peters 129 und Ebert 130 für die Strafdrohung aus. Im Namen der Akademie für Deutsches Recht erklärte deren Präsident Hans Frank den Verzicht der Strafrechtskommission auf diesen Straftatbestand für untragbar 131. Auch die Abteilung IV des Reichsjustizministeriums (Abt. für Bürgerliches Recht und Zivilprozeß) empfahl in ihrer Stellungnahme zum Strafgesetzbuch-Entwurf die Aufstellung einer Strafnorm gegen die unbeeidete falsche Aussage, nachdem bei einer von ihr veranstalteten Umfrage eine große Zahl von Oberlandesgerichtspräsidenten 132 einen solchen Wunsch geäußert
127
RGBl. I, S.759.
128
So aber Herrmann, Aussagetatbestände S.45; ähnlich BGHSt 8,311.
129
Peters, GA (DtStrR) 1935, 145; s. bereits o. b. und in Fußn. 76.
130
Eben, GA (DtStrR) 1936, 125.
131
Frank (zur Person: Schudnagies, 1989) in der Anlage zum Schreiben vom 5.Februar 1937 an den RJM, in: Bundesarchiv, R 22/854 (QVerz. A 1.2), Bl. 440 ff., hier B1.452. 132 OLG-Präsidenten von Berlin, Braunschweig, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Jena, Karlsruhe, Kiel, Stettin und Stuttgart.
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135
hatte 133 . Es wurde die Befürchtung geäußert, "daß die Praxis den festen Boden verliere, wenn es sich herumspreche, daß in der Regel keine Beeidigung erfolge und dann keine Bestrafung der falschen Aussage eintrete". Auch wurde die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage als Mittel befürwortet, um "die Einschränkimg der Eidesleistungen auf wirklich wichtige Fälle aufrechterhalten und künftig noch weiter ausgestalten zu können" und um "die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens in den Fällen zu schaffen, in denen eine Entscheidimg auf einer falschen uneidlichen Aussage beruht" . Die von der Strafrechtskommission eingesetzte Unterkommission für die Überprüfung der vorläufigen Beschlüsse 2.Lesung räumte demgegenüber zwar ein, daß die Frage "nochmals zu prüfen sein" werde, sah aber ihrerseits "keinen Anlaß, neben den im 24Abschnitt vorgesehenen Bestimmungen noch ein besonderes Delikt der falschen uneidlichen Aussage zu schaffen" 135. Richtiger erscheine es, " Abhilfe gegen die mit der Straflosigkeit der falschen Aussage verbundenen Mißstände nach der Richtung zu suchen, daß künftig die Beeidigung des Zeugen oder Sachverständigen die Regel bildet" 136 . Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß die falsche uneidliche Aussage bereits derzeit regelmäßig nach anderen Vorschriften, insb. nach denjenigen "gegen Betrug, Verleumdung, verleumderische Betriebsgefährdung und Ehrabschneidung" sowie nach zahlreichen Behördenschutz-Tatbeständen strafbar sei 137 . Werde gleichwohl eine Vorschrift gegen die falsche uneidliche Aussage erwogen, so seien in diesem Zusammenhang noch zahlreiche schwierige Einzelfragen zu klären 138 . In der Kommission setzte sich aber, wie geschildert, die ablehnende Haltung durch und sie blieb auch bis zum Scheitern des Kodifikationsprojektes diejenige des Reichsjustizministeriums. Nur wenige Jahre später freilich kehrte die Situation sich vollständig um.
133
Bundesarchiv, R 22/ 990a (Q.VerzA 1.5) (Bemerkungen der Sachbearbeiter des Reichsjustizministeriums zu dem Abschnitt "Eidesverletzung" v. 2Juni 1936; mit eigener Paginierung). 134
AaO. Bl.l.
135
AaO. B1.2.
136
Ibd.
137
AaO. B1.2 f.
138
AaO. B1.3 f. - Der Fragenkatalog: - "Soll die Aussage nur von Zeugen und Sachverständigen oder auch die eigene Aussage der Partei einbezogen werden? - Soll eine Belehrung über die Strafbarkeit vorausgesetzt werden? - Sollen die Aussagen vor allen Behörden, also auch Polizeibehörden geschützt werden oder nur die Aussagen vor Behörden, die zur Abnahme von Eiden zuständig sind? - Sollen auch Aussagen vor dem Staatsanwalt geschützt werden? - Soll die Leichtfertigkeit einbezogen werden? - Sollen die Fälle straflos bleiben, in denen die Beeidigung verboten oder in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt ist? - Soll ein Hilfstatbestand geschaffen werden, der auch die Verleitung, das Anerbieten und die Verabredung bezüglich einer falschen Aussage erfaßt?"
136
.Kapitel
III. Strafrechtsangleichungs-Verordnung (1943) Neben und nach den Arbeiten an der Strafrechtskodifikation lief die strafrechtliche Einzelgesetzgebung weiter und brachte neben system- und kriegsbedingten Maßnahmegesetzen - darunter ausgesprochenen Terrorgesetzen wie der VolksschädlingsVO139 und der erwähnten PolenstrafrechtsVO 140 auch die Verwirklichung einiger seit langem geplanter Gesetzesänderungen. Zu den letzteren gehörte die nicht nur für unsere Thematik folgenreiche "Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpenund Donau- Reichsgaue" vom 29.Mai 1943. Zusammen mit ihren zwei Durchfuhnmgsverordnungen führte dieseVerordnungTatbestände undTatbestandsfassungen ein, die ihre Gestalt zum großen Teil bis heute behalten haben. Man kann sie mit Fug als eine der großen Zäsuren in der deutschen Strafrechtsgeschichte des 20Jahrhunderts bezeichnen141. Die Verordnung nahm nicht nur tiefgreifende (noch zu schildernde) Änderungen im Bereich der Aussagedelikte vor; sie legte u.a. auch den Grund für die heutigen Fassungen des Nötigungs-, des Erpressungs- und des Urkundenfälschungs-Tatbestandes (§§ 240,253,267 StGB), pönalisierte erstmals die Vortäuschung einer Straftat (§ 145d) und den Versuch der Taten nach §§ 216,259,274 und 348 StGB, erweiterte die Akzessorietätslockerung des heutigen §§ 28 Abs.2 und führte diejenige des heutigen 29 StGB ein 142 . Der Entwurf dieser im Reichsjustizministerium ausgearbeiteten Verordnung wurde, nachdem der Reichs-Innenminister, das Oberkommando der Wehrmacht und der Propagandaminister zugestimmt hatten 143 , vom Reichsjustizministerium am 22.Februar 1943 den Leitern der Reichskanzlei und der Parteikanzlei zwecks Erteilung der erforderlichen 144 Zustimmung vorgelegt 145. Der Reichsjustizminister betonte in seinem Anschreiben, die Verordnung enthalte "keinerlei politische Entscheidungen, sondern lediglich technische Verbesserungen des bisherigen Strafrechts" 146. Diese seien für die praktische Strafrechtspflege von großer Bedeutung, würden
139
Verordnung gegen Volksschädlinge. Vom S.September 1939; in: RGB1.I, S.1679.
140
S.o.b. Fußn.127. - Zu der VO s. auch Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.351.
141
Mit allen Licht- und (nach Ansicht des Verf. in diesem Falle überwiegenden) Schattenseiten, die einer solchen Zäsur zu eignen pflegen. 142
Näher Roxin, LK (10A.), § 28 Rn 1.
143
Vgl. Bundesarchiv, R 43 I I / 1512a, B1.76.
144
Nach dem Führererlaß vom 20August 1942 über besondere Vollmachten des Reichsministers der Justiz, RGBl. I, S.535. 145 Bundesarchiv, R 43/1512a Bl. 76. Frühere Vorgänge zu dieser Problematik hat Verf. nicht auffinden können. Es ist sicher kein Zufall, daß der Leiter der Partei-Kanzlei das Original des ausführlichen Erläuterungsschreibens erhielt, während dem Leiter der Reichskanzlei lediglich eine Abschrift dieses Schreibens zur Kenntnis übersandt wurde. 146
AaO. Bl. 77 Rücks.
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137
zahlreiche Zweifelsfragen bereinigen und die Handhabung des Strafrechts beträchtlich vereinfachen. Bei einer Besprechung mit den OLG-Präsidenten und den Generalstaatsanwälten habe die Verordnung lebhafte Zustimmung gefunden 147. - In der Reichskanzlei trug man Bedenken, die Regelung im Verordnungswege zu erlassen, da die Änderungen "sehr grundsätzlicher Natur (seien) und teilweise dem Strafrecht eine neue Richtung (geben würden)" 148 . Es wurde daher erwogen, die Form des Gesetzes zu wählen 149 . Dann wurde jedoch zwischen den Staatssekretären der Reichskanzlei und der Parteikanzlei 150 vereinbart, den Führer zu unterrichten und danach dem Reichsjustizminister die Zustimmung zum Erlaß der Verordnung zu erteilen 151 . Hitler erhob in der Besprechung vom 10.Mai 1943 keine Bedenken gegen den Inhalt der Verordnung 152 . Daraufhin erklärten Parteikanzlei und Reichskanzlei ihre Zustimmung. Die Verordnung wurde am 29.Mai 1943 nach dem Text des Entwurfes erlassen 153.
Die im Reichsjustizministerium ausgearbeitete Entwurfs-Begründung 154 wies auf die zahlreichen Unzuträglichkeiten hin, welche das bisherige Nebeneinanderstehen zweier selbständiger Strafrechtssysteme innerhalb des Reiches mit sich bringe 155 . Sie träten im Kriege wegen des vermehrten Wohnsitz- und Arbeitsplatzwechsels besonders stark in Erscheinung und würden zu unbilligen und unbefriedigenden Entscheidungen führen, die im Volke nicht verstanden würden und das Ansehen der Rechtspflege beeinträchtigten. Eine umfassende Rechtsvereinheitlichung lasse sich freilich zur Zeit nicht erreichen 156, da einerseits die Übernahme des vielfach veralteten Strafrechts des "Altreichs" den Alpen- und Donau-Reichsgauen nicht zugemutet werden könne, die Gesamtreform des großdeutschen Strafrechts aber während des Krieges
147
AaO.
148
AaO. B1.78 (Vermerk v. 9.März 1943).
149
Dies hätte, wie Reichsjustizminister Thierack in seinem Schreiben an die Parteikanzlei vorrechnete, eine Verzögerung von 4-6 Monaten bedeutet, da bei der Wahl dieses Verfahrens alle Kabinettsmitglieder hätten konsultiert werden müssen. 150
Kritzinger
151
AaO. B1.78 Rücks.
152
AaO. B1.91.
und Klopfer.
153
Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und DonauReichsgaue (StrafrechtsangleichungsVO). Vom 29. Mai 1943; in: RGB1.I, S.339. - Inhaltsangaben b. Kohlrausch, DR 1943, 721 ff.; Rietzsch, GA (DtStrR) 1943, 97 ff. 154
Unveröffentlicht; s. aaO. B1.79 ff. (Begründung: B1.82 ff.).
155
Handlungen, welche in Österreich strafbar seien, würden vom Strafrecht des Altreichs wesentlich anders beurteilt oder gar nicht erfaßt und umgekehrt; gleichartige Handlungen desselben Täters seien hier strafbar, dort straflos; Mittäter und Teilnehmer aus beiden Strafrechtsgebieten müßten unterschiedlich behandelt werden; auf Taten, die über den räumlichen Geltungsbereich des einen Strafrechts hinausragten, könne nicht angemessen reagiert werden. 156 Im Aftfitör-Strafrecht war diese Einheit allerdings hergestellt worden, u.zw. durch die VO vom 12.Mai 1938 (RGBl. I, S.517.
138
.Kapitel
zurückgestellt werden müsse157. Man könne daher die Unzuträglichkeiten derzeit nur dadurch mildern, daß man die beiden Strafrechtsordnungen "aneinander heranführe". Hauptaufgabe sei es daher, "die Rechtsgebiete, die in den Alpen- und Donau- Reichsgauen gesünder, volksnäher und zweckmäßiger geregelt sind als im Altreich, unter Übernahme wertvoller österreichischer Rechtsgedanken auf das Altreich einheitlich zu ordnen" 158 1 5 9 . Bei dieser Übernahme "gesünderer, volksnäherer und zweckmäßigerer Regelungen" handelte es sich überwiegend um die Aufstellung neuer und um die Verschärfung bestehender Strafvorschriften. Im Bereich unserer Thematik fügte Art. 6 der Verordnung hinter den Tatbestand der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 RStGB) einen neuen Tatbestand ein, der die falsche uneidliche Aussage unter Strafe stellte. Der Wortlaut des neuen Tatbestandes folgte Reformvorschlägen aus der Zeit vor 1933160. Er blieb in seinem Wortlaut bis zum Inkrafttreten des l.Strafrechtsreformgesetzes, in seinem Kern sogar bis heute unverändert. Der Versuch wurde unter Strafe gestellt161. Die Strafbarkeitserweiterungen der §§ 159 und 160 RStGB wurden auch auf den neuen Tatbestand bezogen. Die Begründung legitimierte unter Hinweis auf den österreichischen Rechtszustand1 die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage mit vier Sätzen: "Auch wer ohne einen Eid zu leisten vorsätzlich falsch aussagt, vereitelt oder erschwert die Wahrheitsfindung. Eine Strafdrohung gegen die falsche uneidliche Aussage entspricht auch einer ethischen Forderung: Auch wer unbeeidigt aussagt, hat sich im Bewußtsein seiner Verantwortung vor der Volksgemeinschaft streng an die Wahrheit zu halten. Die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage ermöglicht es auch, auf eine Verminderung der eidlichen Aussagen und damit auf eine Höherbewertung des Eides hinzuwirken. Art.6 schlägt aus diesen Gründen vor, die falsche uneidliche Aussage unter Strafe zu stellen" 163 .
157
AaO. Bl. 82 ff.
158
Ibd.
159
Offenbar gewitzt durch frühere Erfahrungen betonten die Verfasser der Begründung des Reichsjustizministeriums, daß die wesentlichen Vorschriften des Verordnungs-Entwurfes in dem Ausschuß für die Angleichung des deutschen und österreichischen Strafrechts in der Akademie für Deutsches Recht beraten worden seien und das Ergebnis der Arbeit des Ausschusses in dem Entwurf verwertet sei (aaO. Bl. 82 Rs.). 160 "Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich vorsätzlich falsch aussagt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft". (Art.6a Abs.l). - In einigen Nuancen - zB. der "zur Entgegennahme von Eiden zuständigen Stelle" - folgte der Entwurf dem E 1936/1938/1939. 161
Abs.2 aaO.
162
Zu diesem: Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.15 ff. und 56 f.
163
AaO. Bl. 84 (= BL5 der Begründung).
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139
Mögen diese Überlegungen - von ihrer gemeinschafts-ideologischen Färbung befreit - plausibel klingen, so können sie doch für sich allein nicht die völlige Abkehr von der in der Strafrechtskommission nach umfänglichen Erörterungen getroffenen Entscheidung verständlich machen. Der Wunsch nach der Vereinheitlichung des Strafrechts im "Altreich" und in Österreich mag in der Tat eine Rolle gespielt haben; berücksichtigt man aber, daß seinerzeit durch Einflußnahme auf das Prozeßrecht das Bedürfnis für eine materiellstrafrechtliche Rechtsänderung als eliminiert angesehen worden war 164 , so kann auch hier kein ausschlaggebender Grund gefunden werden. Will man daher die Erklärung für den Kurswechsel nicht in erster Linie darin erblicken, daß die Justizministerialbürokratie die Gelegenheit bzw. den Vorwand der Strafrechtsvereinheitlichung ergriffen habe, um einige ihrer juristischen Lieblingsideen im Verordnungswege durchzuschmuggeln165, so empfiehlt es sich, einen Blick auf die Entwicklung im StralprozejSrecht zu werfen , hatte dieses doch häufig genug die Diskussionen im Bereich der Aussagetatbestände gesteuert. Die Angleichungsverordnung selber liefert keinen klärenden Hinweis in dieser Hinsicht; aus der am selben Tag erlassenen l.Durchfiihrungsverordnung 167 lassen sich jedoch - obwohl zu ihr keine Begründung erarbeitet wurde Rückschlüsse ziehen. Ihr Absatz 4 nämlich paßte die Eidesbelehrung nach § 57 StPO an den neuen Straftatbestand der falschen uneidlichen Aussage an 168 . Vor allem aber stellte er durch Änderung des § 59 StPO die Vereidigung von Zeugen -entsprechend der Rechtslage bei Sachverständigen - gänzlich in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts 169. Für den zuletzt erwähnten Punkt drückt der Titel der Verordnung ihren Inhalt daher kaum korrekt aus, denn der durch den neuen Straftatbestand geänderte materiellrechtliche Zustand ermöglichte zwar die Lockerung des prozessualen Eidesrechts, nötigte aber keineswegs zu einer "Durchführung" in der geschehenen Weise. Eher wird man vermuten dürfen, daß umgekehrt die geplante Aufhebung des prozeßrechtlichen Vereidigungsgrundsatzes (mit der abzusehenden Folge des Rückgangs
164
S. in diesem Kapitel b. Fußn.99.
165
Von der Hand zu weisen ist ein solches Motiv freilich nicht; s. zu einem besonders illustrativen Beispiel Vormbaum, Die Lex Emminger vom 4 Januar 1924. 166
Zu einigen Erwägungen materiellrechtlicher bzw. kriminalpolitischer Art noch im lO.Kap. b.Fußn.144 ff. 167
RGB1.I, S.341.
168
Die neue Fassung des § 57 StPO: "Vor der Vernehmung sind die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen und über die Bedeutung des Eides sowie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren" (Art.4 Ziff.l der DVO). 169 § 59 StPO erhielt folgende Fassung: "Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Zeuge zu vereidigen ist. Die Vreidigung erfolgt, soweit nichts anders bestimmt ist, in der Hauptverhandlung. Die Zeugen sind einzeln und nach ihrer Vernehmung zu vereidigen." (Art.4 Zifff.2 DVO). - Gleichzeitig wurde u.a. § 61 StPO gestrichen. Weiterhin unzulässig blieb die Vereidigung von Eidesunmündigen und Eidesunfahigen sowie von Beteiligungs-, Begünstigungs- und Hehlereiverdächtigen (§ 60 StPO i.d.F. der DVO).
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der Zahl der Vereidigungen) die Strafbarkeit der uneidlichen Falschaussage nach sich zog. Immerhin war ja mit der jetzt vollzogenen Änderung des Prozeßrechts das Instrument entfallen, mit dessen Hilfe seinerzeit die Zahl der Vereidigungen wieder in die Höhe gedrückt und die Zahl strafloser Falschaussagen entsprechend niedrig gehalten worden war 170 . Die Verordnung gestaltete des weiteren § 157 StGB grundlegend um. Die Vorschrift, deren objektive Fassung schon früher Anlaß zur Kritik gegeben hatte 171 , erhielt die abgesehen von redaktionellen Änderungen bis heute bestehengebliebene Formulierung 172. Der Täter muß nunmehr durch die im Gesetz genannten Gründe motiviert worden sein ("um... zu"), die Strafmilderung (jetzt allerdings bis hin zum Absehen von Strafe) ist nicht mehr obligatorisch, sondern nur noch nach dem Ermessen des Richters auszusprechen, andererseits reicht die (beabsichtige) Abwendung der Bestrafung von einem Angehörigen uneingeschränkt, also nicht mehr nur bei unterbliebener Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht, für die Strafmilderung aus. Erweitert ist die Vorschrift ferner um den Fall, daß ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat 173 . Ahnliche Tendenzen weist die Neufassung der Vorschrift über tätige Reue auf. § 158 StGB wurde - abgesehen von einer redaktionellen Umgestaltung dahin geändert, daß
170
S.bereits o. Fußn.94.
171
S.z.B. o.b.Fußn.40.
172
§ 157 StGB in der Fassung der Angleichungsverordnung: "Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann der Richter die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen mildern und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr einer gerichtlichen Bestrafung abzuwenden. Der Richter kann auch dann die Strafe mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat". 173 Praktische Bedeutung kann diese Vorschrift freilich nach heute geltendem Jugendstrafrecht und -strafverfahrensrecht kaum gewinnen, denn gegen den Eidesunmündigen - also denjenige, der das ló.Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. § 60 Nr 1 StPO) - darf gem. § 17 Abs.2 JGG ohnehin nur dann (Jugend-)Strafe verhängt werden, wenn "wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind (!), Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist". Diese Voraussetzungen schließen ein Absehen von Strafe begrifflich aus und werden auch kaum jemals mit Gründen harmonieren, die eine Strafmilderung rechtfertigen. (Auf diesen Zusammenhang hat mich Herr Kollege ProfStruensee, Münster, aufmerksam gemacht).
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- statt des "Widerrufes" die "Berichtigung" der falschen Aussage gefordert wird 1 7 4 ; - diese Berichtigung auch dann verspätet ist, wenn sie "bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann"; - auch hier, wie im Falle des § 157 StGB, anstelle der bis dahin obligatorischen Strafmilderung eine bloß fakultative eröffnet ist und - daraus folgend - das Ausmaß der Strafmilderung nicht mehr mit einem Strafrahmen versehen, dafür aber bis hin zum Absehen von Strafe erweitert ist.
Die Begründung des Reichsjustizministeriums bemerkt zu den neuen Fassungen der §§ 157,158 lediglich, die Vorschriften hätten die durch die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage erforderlich gewordenen Anpassungen erhalten. Sie seien so ausgestaltet, daß es dem Richter möglich werde, "die Entscheidung je nach dem Maß der Schuld des Täters abzustufen" 175. Schließlich ergänzte A r t . l l der Verordnung den Meineid-Tatbestand um den bis heute erhaltenen Absatz 2, der beim Vorliegen mildernder Umstände 176 Strafmilderung bis zum Mindestmaß von sechs Monaten Gefängnis 177 vorsieht. Die Begründung des Reichsjustizministeriums weist insoweit lediglich auf den österreichischen Rechtszustand sowie daraufhin, daß sich die Mindesstrafe von 1 Jahr Zuchthaus im Altreich "nicht bewährt" habe178. Der Sachbearbeiter der Reichskanzlei wurde in einem (für den Vortrag beim Führer verfaßten) Aktenvermerk deutlicher: "Art.ll sieht die Möglichkeit mildernder Umstände beim Meineid vor. Dieser Vorschlag beruht auf einem Vortragdes Generalfeldmarschalls von Richthofen beim Führer. Richthofen wies darauf hin, daß Soldaten in Alimentenprozessen zahlreiche Meineide leisteten und bei dem bisherigen Strafmaß damit wehrunwürdig würden. Jetzt ist die Möglichkeit zu einer Gefängnisstrafe gegeben"179.
Im Herbst desselben Jahres setzte das Reichsjustizministerium in einem Rundschreiben die Reichskanzlei, die Parteikanzlei, das Oberkommando der Wehrmacht und mehrere Reichsministerien vom Entwurf einer 2. Durchßh174 Die wohl h.M. verlangt unter Berufung auf diese Formulierung, daß die falsche Bekundung durch eine richtige ersetzt wird, läßt also prinzipiell den Widerruf nicht ausreichen, im Detail werden aber gewisse Einschränkungen zugelassen; näher Lenckner, Sch/Schr (23A.), § 158 Rn.5. 175
Bundesarchiv, R 43 II/1512a, B1.84.
176
Heute "in minder schweren Fällen".
177
Heute "Freiheitsstrafe".
178
Bundesarchiv, R 43 I I / 1512a, B1.85.
179
AaO. B1.89. - Es handelte sich um die einzige Bestimmung der AngleichungsVO, in der gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ausschließlich eine Milderung(smöglichkeit) normiert wurde. Neben drei anderen Punkten wurde dieser Punkt in dem Aktenvermerk als einer derjenigen bezeichnet, die "den Führer vor allem interessieren dürften".
142
.Kapitel
rungsverordnung zur AngleichungsVO in Kenntnis180. Sie wurde am 20 Januar 1944 in Kraft gesetzt . Sie betraf fast ausschließlich die deutschen und österreichischen Strafvorschriften über die Falschaussage. Die für Österreich bestimmten Vorschriften, welche 1945 wieder aufgehoben wurden 182, interessieren hier nicht näher 183. Die das /te/c/w-Strafrecht betreffenden Regelungen gaben dem Neunten Abschnitt des Besonderen Teils die bis heute gültige Überschrift "Falsche uneidliche Aussage und Meineid" 184 . § 153 RStGB, der bereits mit der Abschaffung des "echten" Parteieides durch die Eidesnovelle von 1933185 obsolet geworden war, wurde gestrichen. Der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage wurde stattdessen als § 153 an die Spitze dieses Abschnittes gestellt. § 154 erhielt die bis heute gültige Tatbestandsfassung. Die Ungereimtheit, welche die AngleichungsVO in den Strafdrohungen beider Tatbestände geschaffen hatte - Strafobergrenze von 10 Jahren Zuchthaus für Meineid, Zuchthaus bis zum Höchstmaß für schwere Fälle der falschen uneidlichen Aussage186 - wurde durch Aufhebung der Obergrenze der MeineidStrafdrohung beseitigt. Die Begründung des Reichsjustizministeriums187 erläuterte, "der Grundtatbestand des bisherigen Meineid-Abschnittes (sei) jetzt die falsche uneidliche Aussage. Der Meineid (sei) ein qualifizierter Fall dieser Straftat. Es (sei) deshalb erwünscht, die Abschnittüberschrift zu ändern und den Tatbestand der uneidlichen Falschaussage an die Spitze des Abschnittes zu stellen"188. § 159 StGB wurde aus einem Tatbestand in eine Verweisungsnorm umformuliert; er erfaßte jetzt neben allen Fällen des Meineides und der falschen Versicherung an Eides Statt auch die uneidliche Falschaussage. Damit wurde
180
Am 20.10.1943; aaO. B1.95.
181
RGBl. I, S.41.
182 Vgl. Kundmachung des Staatsamtes für Justiz v3.November 1945 über die Wiederverlautbarung des österreichischen Strafrechts; abgedruckt in: Spehar, Herbert (Hrsg.), Strafrecht I. Strafgesetz (Textsammlung, Goldmann-TB). München 1967. 183
Recht.
Sie betrafen die sinngemäße Übertragung der §§ 156,157 und 158 auf das österreichische
184
Art.l Ziff.l der 2.DVO.
185
S.o. subì.
186
Vgl. dazu Hall,, Aporie aaO. S.60.
187
Bundesarchiv, R 43 II/1512a, B1.95 f.
188
Bei dieser Umstellung blieb das Tatbestandsmerkmal "uneidlich" in § 153 StGB bestehen. Dies dürfte ein Redaktionsversehen sein. Die ursprüngliche Fassungder AngleichungsVO hatte -wie geschildert - den Tatbestand der uneidlichen Falschaussage hinter den Meineid-Tatbestand eingeordnet. In dieser Konstellation machte der ausdrückliche Hinweis auf die Uneidlichkeit der Aussage einen Sinn, nicht aber mehr, nachdem der Tatbestand als Grundtatbestand an den Anfang des Abschnittes gesetzt worden war. Die Auslegung der §§ 153,154 muß dies berücksichtigen; vgl. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.189 ff., insb. S.191 f.; Ders. y JR 1989, 133-136.
Zeit des Nationalsozialismus
143
nicht nur der Strafrahmen des § 49a StGB a.F. anstelle des niedrigeren Strafrahmens des bisherigen Tatbestandes anwendbar, sondern es wurden neben der versuchten Anstiftung auch alle anderen in § 49a StGB a.F. erwähnten Verhaltensweisen (damals - seit Inkrafttreten der AngleichungsVO! - vor allem die versuchte Beihilfe) in die Strafdrohungen gegen Aussagedelikte einbezogen189.
189
Näher zur Problematik des § 159: Vormbaum, GA 1986, 353 ff.
9.Kapitel
Reformdiskussion und Gesetzgebung nach 1945 I. Besatzungsrecht
Nach dem Ende des Krieges und der nationalsozialistischen Herrschaft beließen die Besatzungsmächte die prozeßrechtlichen Bestimmungen über Vereidigung, Vereidigungsverbote und Absehen von der Vereidigung in Geltun Über die Vtrcidigungsprozedur bestimmte das Gesetz Nr.2 der amerikanischen Militärregierung, daß an Stelle des Eides eine Versicherung über die Richtigkeit der Aussage abgegeben werden könne2. Unwahre Aussagen unter einer solchen Versicherung sollten nach deutschem Recht in der gleichen Weise strafbar sein wie der Meineid 3. Im Kernbereich des materiellen Strafrechts wurde - wenn auch nur kurze Zeit - die Frage erörtert, ob der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage und die an ihn geknüpfte Strafdrohung fortgelte. Positivrechtliche Anknüpfungspunkte für diese Überlegungen waren Nr 8 Satz 1MRG Nr T4, wonach die Verhängung grausamer oder übermäßig harter Strafen verboten war 5, sowie Nr 8b der Allgemeinen Anweisungen an Richter Nr 1 der Militärregierung, wonach "in allen Fällen, in denen auf Grund eines seit dem 30 Januar 1933 erlassenen Gesetzes die Höchststrafe für die Straftat, die vor dem 30 Januar 1933 vorgesehen war, verschärft wurde", keine Strafe verhängt werden durfte,
1 Die anzuwendenden Fassungen der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes wurden den deutschen Gerichten durch die Allgemeine Anweisung für Richter Nr 2 der Militärregierung (s. Q.Verz. Β 2.2.30a) mitgeteilt. Die §§ 59,60,63-66 StPO behielten danach die Fassung, welche sie 1944 durch die 2.DVO zur StrafrechtsangleichungsVO (s.o. 8.Kap. b.Fußn. 181) erhalten hatten. 2 Nr 8a des Gesetzes Nr 2 der Militärregierung (s.QVerz. Β 2.2.30c), eingefügt durch Amendment Nr 3 (in Kraft getreten am 20.Mai 1947). 3
AaO. Abs.2.
4
Q.Verz. Β 2.2.30b; dort innerhalb von Artikel IV. (Das MRG 1 ist ganz durchnumeriert und außerdem in Kapitel gegliedert). 5
Wiederholt in Nr 8a der Allgemeinen Anweisung an Richter Nr 1.
Nach 1945
145
"die das vor dem 30 Januar 1933 zugelassene Strafmaß überst(ieg)"6. Ferner wurde die Frage aufgeworfen, ob § 153 StGB in der seit 1943/44 geltenden Fassung auf nationalsozialistischem Gedankengut beruhe7 und damit gegen Nr 4 MRG 1 verstoße8. Das OLG Braunschweig befand im November 19469, die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage beruhe nicht auf nationalsozialistischem Gedankengut; für das OLG Hamburg 10 stand im Januar 1947 die Gültigkeit der Vorschrift bereits "außer Zweifel". Ein nationalsozialistischer Charakter des Tatbestandes wurde mit dem Hinweis darauf verneint, daß bereits die amtlichen Entwürfe der Weimarer Zeit die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage vorgesehen hätten, daß die Strafbarkeit von der NS-Strafrechtskommission sogar abgelehnt worden sei und daß ihre letztendliche Aufnahme in das Strafgesetzbuch dem Wunsch nach Angleichung des deutschen und österreichischen Strafrechts entsprungen sei11. Es handele sich um die Übernahme bewährter Rechtsnormen aus dem österreichischen Strafrecht "im Interesse der damals gebotenen Rechtseinheit"12. Der Strafrahmen der Vorschrift - Gefängnis nicht unter drei Monaten, in schweren Fällen Zuchthaus bis zum Höchstmaß - sei nicht "übermäßig hoch" im Sinne von Nr 8 MRG 1. Ebensowenig stehe Nr 8b der AllgAnweisungen an Richter Nr 1 der Fortgeltung des Strafrahmens 13 entgegen14. Zwar sei die falsche uneidliche Aussage als solche vor dem 30 Januar 1933 straflos gewesen. Mit ihrer Einfügung in das Strafgesetzbnuch sei jedoch keine "Verschärfung" gegenüber einer vor 1933 bestehenden Strafdrohung eingetreten, sondern ein "neuer Deliktstypus" geschaffen worden, so daß die von den "Anweisungen" vorausgesetzte "Ver-
6 Ausnahmen waren nur insoweit zulässig, "als die Verschärfung der Strafe durch die kriminelle Vergangenheit des Angeklagten oder die Häufigkeit der Straftat gerechtfertigt" waren. 7
So der Revisionsführer in dem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall (aaO. S.35).
8
Nr 4 (in Artikel III) MRG 1: "Die Auslegung oder Anwendung deutschen Rechts nach nationalsozialistischen Lehren, gleichgültig wie und wann dieselben kundgemacht wurden, ist verboten". 9
OLG Braunschweig HESt 1, 34 (wortgleich wiederholt in HESt 1,276).
10
OLG Hamburg HESt 1,37.
11
Als Beleg für die Quintessenz - "Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, die Strafdrohung gegen falsche uneidliche Aussage vor Gericht seinauf typisch nationalsozialistisches Gedankengut zurückzuführen" - wird vom OLG Braunschweig der offiziöse Strafrechtskommentar der NS-Zeit von Pfundtner/Neubert herangezogen (aaO. S.35), ebenso vom OLG Hamburg (aaO. S.41). 12
OLG Hamburg HESt 1,41.
13
Und damit in diesem Falle der Fortgeltung der Vorschrift überhaupt, denn vor dem 30Januar 1933 betrug die Höhe der Strafdrohung für falsche uneidliche Aussagen "Null". 14
OLG Braunschweig aaO. S.36.
146
.Kapitel
gleichsmöglichkeit zwischen zwei bestimmten gesetzlichen Tatbeständen hinsichtlich des Strafmaßes" fehle 15. Neben diesen immerhin konsistenten Ausführungen weist die Argumentation des OLG Braunschweig auch weniger solide Überlegungen auf: Die Frage, ob § 153 i.d.F. von 1943/44 eine "übermäßig hohe" Strafdrohung enthalte, wird ausführlich anhand des Vergleichs mit der Strafdrohung für falsche eidesstattliche Versicherungen (Gefängnis von 3 Monaten bis zu drei Jahren) erörtert, und ein Wertungswiderspruch wird im Hinblick auf das größere Gewicht der falschen uneidlichen Aussage vor Gericht verneint 16. Mag diese Ableitung im Ansatz plausibel erscheinen17, so hätte doch ein Vergleich mit der Strafdrohung für den Meineid näher gelegen. Auf diesen Tatbestand war Nr 8b der Allg. Anweisungen Nr 1 nämlich unzweifelhaft anwendbar, sein Strafmaß durfte also den vor dem 30Januar 1933 bestehenden Strafrahmen mit der Obergrenze von 10 Jahren Zuchthaus nur dann überschreiten, wenn die falsche Aussage zum Nachteil eines Angeklagten abgegeben worden und dieser zum Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war 18 . In sonstigen Fällen, auch in schweren, lag also die Höchststrafe für den Meineid niedriger als diejenige für schwere Fälle der falschen uneidlichen Aussage. Dies als Wertungswiderspruch anzusehen hätte nahegelegen19.
In den folgenden Jahren bis zum Ende der Geltung des Besatzungsrechts begnügten Lehrbücher und Kommentare sich mit dem Hinweis auf die genannten obergerichtlichen Entscheidungen und auf die einhellige Auffassung vom Fortgelten des § 153 StGB (mitsamt seiner Strafdrohung) und der übrigen Vorschriften des Abschnittes20.
15 Ibd. - Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sollte nur dann gelten, wenn es sich "ausnahmsweise nur um neugeschaffene qualifizierte Falle innerhalb desselben Grundtatbestandes handelt". Auf dieser Grundlage hätte sich freilich auch argumentieren lassen, der neue Tatbestand habe mit dem Meineid den Grundtatbestand "Falsche Aussage vor Gericht u.s.w." gemeinsam und erkläre somit eine bis dahin straflose Verhaltensweise innerhalb dieses Bereiches für strafbar. 16
AaO. S.35 f.
17
Auch wenn fraglich ist, ob sie das Ausmaß des Unterschiedes der beiden Strafrahmen zu erklären vermag. 18
Schwarz, StGB (13A. 1949), § 154 Anm.la.
19
S. auch noch Fußn.40.
20
Kohlrausch/Lange,, StGB (39./40A. 1950), Vor § 153 Anm.II ("Der Kontrollrat hat die Neugestaltung des 9Abschnitts nicht beanstandet. Typisch nationalsozualistisch ist sie nicht"); Mühlmann/Bommel, StGB (1949), § 153 Anm.I ("Gegen die weitere Anwendung dieser Vorschrift sind Beanstandungen nicht zu erheben"; Beleg: OLG Braunschweig); Mezger, LK (6./7A. 1951), § 153 Anm.I ("Über die Weitergeltung der Neuordnung kann kein Zweifel bestehen"; Belege: OLG Braunschweig und OLG Hamburg); Schänke, StGB (4A. 1949), § 153 Vorb. ("Die Bestimmung ist als neuer Tatbestand auch im Strafmaß uneingeschränkt anwendbar"; Beleg: OLG Braunschweig); Maurach,, Lehibuch BT (I.A. 1953), S.503 ("Das Fortgelten der unter dem Nationalsozialismus geänderten Vorschriften ist einhellig anerkannt"); Petters, StGB (20A. 1950), § 153 Anm.7 ("Da der § 153 aus der Reformarbeit vor 1933 stammt, somit kein nationalsozialistisches Ideengut enthält, dürften gegen seinen Fortbestand keine Bedenken bestehen"); Schwarz, StGB (13A. 1949), § 153 Anm.la ("Gegen die Gültigkeit des neuen § 153 bestehen keine Zweifel"; Beleg: OLG Braunschweig).
Nach 1945
147
II. Gesetzgebung der Fänfzigeijahre
1950 nahm der bundesdeutsche Gesetzgeber eine Bereinigung und Überarbeitung des Strajprozeßrzchts in Angriff 20". Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellungder Rechtseinheit aufdem Gebiete der Gerichtsv fassung; derbürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrec wollte allerdings auf die Wiedereinführung des Vereidigungszwanges im Strafverfahren ausdrücklich verzichten22. Zur Begründung wurde zunächst darauf hingewiesen, daß die 1933 bzw. 1943 entstandene Rechtslage in allen Besatzungszonen beibehalten worden sei. Seinerzeit sei zutreffend daraufhingewiesen worden, Maß häufige Eidesabnahmen im Volk das Gefühl für die Heiligkeit und Bedeutung des Eides (herabminderten)". Es sei auch zweckmäßig, die Vereidigung des Zeugen vom pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts abhängig zu machen, denn einerseits nehme das Gericht auch die Beweiswürdigung nach freiem Ermessen vor, andererseits stehe inzwischen die falsche uneidliche Aussage unter Strafe 23. Ergänzend wurde die Möglichkeit der Beeidigung nur eines Teiles der Aussage ausdrücklich vorgesehen24. Der Bundesrat forderte jedoch in seiner Stellungnahme eine Abschwächung der richterlichen Ermessensbefugnis. Er schlug folgende Regelung vor: "Der Zeuge soll vereidigt werden, soweit die Aussage für das Gericht von ausschlaggebender Bedeutung ist, in Verfahren wegen einer Übertretung jedoch nur, wenn es das Gericht außerdem zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für notwendig hält" 25 .
Er empfand es als "Mißstand..., daß die Gerichte fast stets von der Vereidigung der Zeugen Abstand nehmen". Dies erscheine vor allem in den Fällen, in denen es sich um Aussagen von ausschlaggebender Bedeutung handele, nicht tragbar 26. Über dieses Petitum ging der Rechtsausschuß des Bundestages noch hinaus, indem er im wesentlichen diejenige Rechtslage wiederherstellte 27, welche durch die Eidesnovellen von 193328 herbeigeführt worden war; in zwei Punkten ging er sogar hinter jene Rechtslage zurück. Von der Zeugenvereidi-
20(1 Die folgende Darstellung berücksichtigt nur die Entwicklung in der Bundesrepublik. Zum Rechtszustand in der DDR s. Herrmann, Aussagetatbestände S.72 ff.; Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.60 f. 21
Sten.Ber.BT. , l.Leg.Per., Drucksache Nr 530.
22
Art.3 Ziff.20 RegE.
23
Sten.Ber.BT. aaO. Ani. I a, S.35.
24
Art.3 Ziff.19 RegE.
25
AaO. Anl.II, S.14.
26
Ibd.
27
Sten.Ber.BT., l.Leg.Per., Drucksache Nr 1138 (Mdl. Bericht des Rechtsausschusses), S.42.
28
s.o. 8.Kapitel sub I.
148
.Kapitel
gung durfte nur noch bei Unwesentlichkeit, nicht mehr bei offensichtlicher Unglaubhaftigkeit der Aussage abgesehen werden, die Möglichkeit, bei Verzicht aller Verfahrensbeteüigten von der Vereidigung abzusehen, wurde nicht aus der Gesetzgebung von 1933 übernommen. Die vorgeschlagene Regelung, die dann vom Plenum des Bundestages ohne Diskussion übernommen wurde 29, entspricht den heutigen Ziffern 1 bis 3 des § 61 StPO. Ferner wurde eine neue Fassung des § 62 in die Strafprozeßordnung eingefügt, wonach bei Übertretungen und in Privatklagesachen Zeugen nur dann vereidigt werden durften, Venn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für notwendig hält" 30 . Die in der Regierungsvorlage vorgeschlagene Möglichkeit der Beeidigung von Aussagete/Vert wurde nicht Gesetz31. Insgesamt hatten somit Rechtsausschuß und Plenum des Bundestages in der Frage des strafprozessualen Vereidi^ungszwanges "das Steuer wieder nach der anderen Richtung geEine erste Überarbeitung und Bereinigung des materiellen Strafrechts brachte das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom August 1953*. Durch dieses Gesetz wurde der längst obsolet gewordene § 162 StGB aufgehoben 35. Ferner wurde die Strafbarkeit des Versuchs bei der falschen uneidlichen Aussage und bei der falschen Versicherung an Eides Statt beseitigt36. Die Begründung zur Regierungsvorlage 37 führte aus, es bestehe kein Anlaß, von der "überwiegend als Fortschritt empfundenen" Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage wieder abzugehen. Die Vorschrift trage keinen nationalsozialistischen Charakter, sei vielmehr seinerzeit in Anpassung an das österreichische Recht in das Strafgesetzbuch eingefügt worden; die falsche uneidliche Aussage sei in vielen Staaten strafbar, auch die Reformentwürfe vor 1933 hätten den Tatbestand vorgesehen. Im übrigen rechtfertige schon die Tatsache, daß im Zivilprozeß immer noch die meisten Zeugen unvereidigt blieben, den
29
Sten.Ber.BT., l.Leg.Per., 79.Sitzung v.26Juli 1950, Bd 4, S.1905.
30
Die Vorschrift ist - mit Ausnahme der Bezugnahme auf Übertretungen - bis heute unverändert geblieben. 31
Dazu Dahs, NJW 1950,888.
32
Kern, MDR 1950,585. - Daß in der Folgezeit erwogen wurde, den Voreid wieder einzuzuführen (sDahs aaO), war danach nur konsequent. 33 Kritisch zu der Neuregelung Eb.Schmidt, Lehrkomm. Bd 2, Vor §§ 51-71, Rnr 7; Dahs, NJW 1950,887; Nüse, JR 1950,554. 34
BGBl. I, S. 735.
35
Art.l Ziff.20 3.StrÄG.
36
Art.2 Ziff.26 3.StrÄG.
37
Sten.Ber.BT., l.Leg.Per., Drucksache Nr 3713 (29.Sept.1952), Begr. S.36.
Nach 1945
149
Fortbestand des § 153 StGB 38 . Als "Überspannung" wurde hingegen die Strafbarkeit des Versuchs angesehen. Unabhängig davon, wie man das Verhältnis zwischen falscher uneidlicher Aussage und Meineid rechtlich auffasse, stelle doch "die uneidliche Aussage für die natürliche Auffassung eine Vorstufe der beeideten dar". Noch weiter zeitlich zurückzugehen und schon den Versuch der uneidlichen Falschaussage unter Strafe zu stellen, sei übertrieben. Auch die Entwürfe aus der Zeit vor 1933 seien überwiegend nicht so weit gegangen* ähnliches gelte für den Versuch der falschen Versicherung an Eides Stat?9' . Das Gesetz begrenzte ferner die Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen bei falscher uneidlicher Aussage und falscher Versicherung an Eides Statt auf die Fälle Versuchter Anstiftung 41. Diese Begrenzung war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten gewesen. Sie wurde erst vom Rechtsausschuß des Bundestages eingefügt 42 und vom Plenum ohne Debatte übernommen 43. Im mündlichen Bericht des Rechtsausschusses44 wurde die Änderung damit motiviert, daß nach dem Wegfall der Strafbarkeit des Versuchs der falschen uneidlichen Aussage und der falschen eidesstattlichen Versicherung bloße Vorbereitungshandlungen zu diesen Vergehen nicht mehr unter Strafe gestellt werden dürften. Nur die Strafbarkeit der "erfolglosen Anstiftung", die von selbständiger Bedeutung erscheine, solle aus kriminalpolitischen Gründen beibehalten werden. Was die falsche eidesstattliche Versicherung angehe, so werde mit diesem Nebeneinander von straflosem Tatversuch und strafbarem Anstiftungsversuch lediglich der Rechtszustand aus der Zeit vor Erlaß der Verordnungen vom 29.Mai 1943 und 20Januar 1944 wiederhergestellt 45. Schließlich wurde § 163 Abs.2 StGB der seit 1943 geltenden Fassung des §
38
Das Argument ließ freilich unberücksichtigt, daß der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage erst zehn Jahre nach der Aufhebung des zivilprozessualen und erst im Zusammenhang mit der Aufhebung des -1950wieder eingeführten - strafprozessualen Vereidigungszwanges in das Strafgesetzbuch gelangt war. 39
AaO. (Fußn.37).
40
Auch auf dem 39.Deutschen Juristentag (Stuttgart 1951) war - worauf die Begründung zum Regierungsentwurf ebenfalls hinwies - die Aufhebung von §§ 153 Abs.2, 156 Abs.2, daneben aber auch die Harmonisierung der Strafrahmen der §§ 153,154,159,160 StGB gefordert worden, deren Mißverhältnis RLange in seinem Referat als "grotesk" und "geradezu verfassungswidrig" bezeichnet hatte (RLange, Referat aaO. S. C 19; s.ferner Schneidewin, Referat aaO. S.C 33). Der erweiterte Strafrahmen für schwere Falle des § 153 wurde allerdings erst 1974 gestrichen; s.u.b. Fußn.158. 41
Art.2 Ziff.27 3.StrÄG. - Die Erwähnung des Meineides in § 159 wurde gestrichen.
42
Sten.Ber.BT. , l.Leg.Per., Drucksache Nr 4250 (Art.2 Ziff. 14a).
43
Sten.Ber.BT., l.Leg.Per., 265.Sitzung v.l2.Mai 1953, Bd 16, S. 13018 C
44
AaO. S.12992 ff., 12996 C (Berichterstatter Dr.Schneider).
45
Ibd.
150
.Kapitel
158 angepaßt46, d.h. es wurde "Berichtigung" statt bloßen "Widerrufs" verlangt47, und die Straflosigkeit des Täters wurde zwingend vorgeschrieben. Ebenso wie § 159 erhielt damit diese Vorschrift ihre heutige Fassung. III. Beratungen der Großen Strafrechtskommission und Entwurf von 1962 Zu Beginn der Fünfzigerjahre wurde auf Initiative des Bundesjustizministers Dehler die Arbeit an der Strafrechtsreform wieder aufgenommen. Im Jahre 1954 trat die Große Strafrechtskommission zusammen. Sie wandte sich im Frühjahr 1958 der Beratung der Aussagedelikte zu. Eine Unterkommission arbeitete zunächst einen Regelungsvorschlag zum Themenbereich "Meineid und falsche uneidliche Aussage" aus48. Er bildete zusammen mit Änderungsvorschlägen und Bemerkungen von Sachbearbeitern des BMJ 49 sowie Änderungsanträgen von Kommissionsmitgliedern50 die Grundlage der Kommissionsberatungen51. Der Vorschlag der Unterkommission lehnte sich in Aufbau und Tatbestandskanon weitgehend an das seit 1943/44 geltende Recht an, enthielt aber im Detail einige Besonderheiten. Im Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage sollten gegenüber dem bestehenden Recht keine Änderungen eintreten; jedoch war statt der Höchststrafe "Zuchthaus" "Gefängnis bis zu fünf Jahren" angedroht52. Der MeineidTatbestand - ebenfalls unverändert übernommen - drohte nur noch Gefängnis nicht unter einem Jahr an, stellte also nach der Konzeption der Kommission nur noch ein Vergehen dar 3 . Zu erwägen gegeben wurde, in besonders leichten Fällen bis zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten hinabzugehen.
46 Art.3 Ziff. 15 3.StrÄG. Die Begründung zum Regierungsentwurf (Fußn.37) ging davon aus, daß diese Anpassung 1943 bloß vergessen worden war. 47
S. dazu bereits die Hinweise im 8.Kap., Fußn.174.
48
Er wurde mit den Vorschlägen zu anderen Themenbereichen vom Bundesjustizministerium zu einer "Vorläufigen Zusammenstellung" (VZ) gebündelt. [Die V Z ist abgedruckt in: Prot. GrStrK. Bd 5, S.263 ff. (Anhang B)]. Da die Beratungen und Beschlüsse der Vorkommission nicht veröffentlicht sind, werden ihre Vorschläge hier nach der V Z zitiert. 49
Umdruck J 72, in: ProtGrStrK.
50
Anlage 6 zu Umdruck J 72, in: ProtGrStrK.
51
Bd 7, S.389 ff. (Anhang Nr 17). Bd 7, S.403 ff.
Der Übersichtlichkeit wegen werden im folgenden zunächst nur die Regelungsvorschläge der Unterkommission und die Änderungsvorschläge und Bemerkungen der BMJ-Sachbearbeiter geschildert. Die Änderungsanträge von Kommissionsmitgliedern werden erst bei der Darstellung der Kommissionsberatungen berücksichtigt. 52
§ 231 VZ.
53
§ 232 Abs.l VZ.
Nach 1945
151
Die Sachbearbeiter des BMJ schlugen vor, den Meineid-Tatbestand parallel zum Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage zu formulieren: "Wer vor Gericht... eidlich falsch aussagt...*54. Damit sollte sichergestellt werden, daß der Voreid, sollte er einmal wieder eingeführt werden, erfaßt sei 55 ; außerdem sollte die Formulierung "das Verhältnis des Meineides als eines erschwerten Falles der falschen uneidlichen Aussage deutlich machen"56. Eine Strafmilderung für besonders leichte Fälle sei nur für den Fall erforderlich, daß die Bedeutungslosigkeit des Aussage nicht als Strafmilderungsgrund anerkannt werde. Auch die Ausgestaltung des Aussagenotstandes (§ 157 StGB) werde insoweit zu berücksichtigen sein57.
Als Ausgleich für die verminderte Grundstrafdrohung für Meineid schlug die Unterkommission einen Qualifikationstatbestand vor, der Zuchthausstrafe bis zu fünfzehn Jahren androhte, falls aufgrund der falschen Aussage einem anderen durch gerichtlichen Beschluß die Freiheit entzogen würde . Die Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums schlugen als weitere Qualifikationsmerkmale vor, daß durch die Tat "ein anderer in wirtschaftliche Bedrängnis gerät oder seine Berufsstellung einbüßt oder dessen Familienverhältnisse zerrüttet werden" 59. Zu erwägen gegeben wurde, einen bloßen Regelbeispiels-Katalog aufzustellen und in diesen Katalog noch den Fall habgierigen Handelns aufzunehmen 60. Mit dieser Vermehrung der Qualifikations- bzw. Strafschärfungsfälle sollte die Entscheidung für die Gefängnisstrafe als Grundstrafdrohung erleichtert werden 61.
Der Tatbestand der Falschen Versicherung an Eidesstatt wurde mit gemilderter Strafdrohung 62 zur Beibehaltung empfohlen 63. Die Regelung Ass Aussagenotstandes sollte nicht mehr nur für Zeugen und Sachverständige, sondern auch für Offenbarungseidpflichtige gelten; andererseits erfaßte sie nicht mehr die falsche uneidliche Aussage eines noch nicht Eidesmündigen. Auch sollte in den Fällen uneidlicher Falschaussage nicht mehr gänzlich von Strafe abgesehen werden können. Erwogen wurde ferner, Strafmilderung nicht zuzulassen, falls der Aussagende an der Tat, deretwegen
54
§ 232 Abs.l der Vorschläge.
55
Völlig abgeschafft ist er freilich bis heute nicht; vgl. §§ 410 ZPO, 189 GVG.
56
Prot. GrStriC, Bd 7, S.392.
57
AaO. S.392.
58
So in insgesamt vier alternativen Formulierungsvorschlägen § 232 Abs.4 VZ.
59
§ 232a Abs.l der Vorschläge i.d.F. der 2Alternative.
60
AaO. 1 Alternative. - In Anbetracht der Vermehrung der Fälle sollte in minder schweren Fällen des schweren Meineids Strafmilderung (Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr) eintreten (§ 232a Abs.2 der Vorschläge). 61
So die Begründung; sJ*rot.GrStrK.,
62
Bd 7, S.393.
Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren statt der vom Strafgesetzbuch angedrohten Zuchthausstrafe. ö
§233VZ.
152
.Kapitel
Strafverfolgung drohte, beteiligt gewesen war und zur Zeit der Tatbegehung vorhergesehen hatte oder vorhersehen hatte können, "daß er über die Straftat als Zeuge oder Sachverständiger oder als Schuldner im Vollstreckungsverfahren vernommen werden würde" 64. Schließlich sollte für Teilnehmer Aussagenotstand generell ausgeschlossen sein65. Die Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums schlössen sich der Unterkommission in der Tendenz zur Einschränkung des Aussagenotstandes und auch in den meisten Details an. Sie schlugen jedoch vor, die umständliche und schwer praktikable Regelung für die Fälle "vorhersehbarer Vernehmung" durch das generelle Erfordernis "wesentlich geminderter Schuld" zu ersetzen66. Ferner sollte die Strafmilderung obligatorisch sein.
Für die falsche uneidliche Aussage und den (zum Vergehen herabgestuften) Meineid sollten die Vorschriften über den Versuch derBeteiligung entsprechend gelten, für die falsche eidesstattliche Versicherung hingegen nur die Vorschriften über die Versuchte Anstiftung 67. Gegenüber der seit 1953 geltenden Fassung des Strafgesetzbuches, die auch auf die falsche uneidliche Aussage nur die Vorschriften über die Versuchte Anstiftung für anwendbar erklärte, war also eine Verschärfung vorgesehen. Die BMJ-Sachbearbeiter schlugen - wenn auch in anderer Formulierung - die Beibehaltung des geltenden Rechtszustandes vor 68 . Für eine Bestrafung anderer Vorbereitungshandlungen auch bei der falschen uneidlichen Aussage bestand nach ihrer Auffassung kein kriminalpolitisches Bedürfnis; auch erschien es ihnen widersprüchlich, den Versuch der falschen uneidlichen Aussage straflos zu lassen, Vorbereitungshandlungen zu ihr jedoch unter Strafe zu stellen69.
Der Tatbestand der Herbeiführung einer unvorsätzlichen Falschaussage wurde von der Unterkommission auf alle drei Aussagetatbestände bezogen . Nur Mezger, der auch dieser Kommission angehörte, hielt diesen Tatbestand
64
§ 234 Abs.2 VZ.
65
δ 234 Abs.3 (Altern.1) VZ. - Alternativ wurde vorgeschlagen, wenigstens die Umwandlung von Gefängnisstrafe in Geldstrafe auszuschließen. Dieser Vorschlag setzte sich durch. 66
§ 234 der Vorschläge (ProtGrStrK;,
67
§ 235 VZ.
Bd 7, S.393 f.).
68
§ 235 der Vorschläge: I. "Wer einen anderen zu bestimmen sucht, eine falsche uneidliche Aussage, einen Meineid oder eine falsche Versicherung an Eides Statt zu begehen oder dazu anzustiften, wird ... bestraft... II. "Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Anerbieten eines andern annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, einen Meineid zu begehen oder dazu anzustiften". 69 ProtGrStrK., Bd 5, S.283 Anm.4. - Zu Friktionen, die sich auch bei dieser zurückhaltenden Regelung noch ergeben, s. Vormbaum, GA 1986,353 ff. 70
Mit abgestuften Strafdrohungen für drei Fallgruppen; s£ 236 VZ.
Nach 1945
153
für überflüssig, da er nach wie vor der Auffassung war, daß auch bei Aussagedelikten mittelbare Täterschaft möglich sei 71,72 .
Zu erwägen gab die Unterkommission, eine besondere Vorschrift über Strafmilderung für jene Fälle aufzunehmen, in denen "die falsche Aussage eine Frage (betraf), die in der Sache offensichtlich bedeutungslos war . Auch wurde zur Prüfung anempfohlen, ob weitere benannte Strafmilderungsgründe, zB. prozessual unzulässige Vereidigung und unterbliebener Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht, vorgesehen werden sollten 74,75 . Ferner wurde die Beibehaltung der Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides vorgeschlagen. Eine Minderheit der Unterkommission wollte daneben die leichtfertige falsche Versicherung an Eides Statt poenalisieren76. Die Sachbearbeiter des BMJ bekundeten Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung, vor allem deshalb, weil die leichtfertige uneidliche Falschaussage straffrei bleiben sollte77. Bei der Regelung der "tätigen Reue" (§158 StGB) hielt die Unterkommission in ihrer Mehrheit am geltenden Recht fest 78. Die Sachbearbeiter des BMJ stimmten dem zu 79 . Nur zwei Mitglieder der Unterkommission wollten den Anwendungsbereich der Vorschrift dadurch erweitert sehen, daß schon Freiwilligkeit 80 bzw. Rechtzeitigkeit oder Freiwilligkeit 81 der Berichtigung die Strafmilderung und das Absehen von Strafe ermöglichten. Für Fahrlässigkeitstaten wollten Unterkommission und Ministerialbeamte es bei der Straflosigkeit im Falle der Berichtigung belassen82.
71
Prot.GrStrK.,
Bd 5, S.283 Anm.4.
72
Die BMJ-Sachbearbeiter stimmten - abgesehen von marginalen Abweichungen in Formulierung und Strafdrohung - den Vorschlägen der Unterkommission zu. 73
δ 237 (Altern.1) VZ.
74
Prot.GrStrK.,
Bd 5, S.395 f.
75
Die BMJ-Sachbearbeiter schlossen sich an, wollten aber sogar die Möglichkeit des Absehens von Strafe eröffnen (§ 237 ihrer Vorschläge). 76
δ 238 Abs.2 (Altern.1) VZ.
77
ProtGrStrK,
78
5 239 Abs.l (Altern.1) VZ.
79
ProtGrStrK,
80
Vorschlag Oberstaatsanwalt Fritz (= § 293 Abs.l Alternat.2 VZ).
81
Vorschlag Frhr v.Stackelberg ( = § 329 Abs.l Alternative 3 VZ).
82
δ 239 Abs.2 VZ; δ 239 Abs.2 der Vorschläge.
Bd 5, S.395 f.
Bd 5, S.396.
154
.Kapitel
Die Große Strafrechtskommission begann am 10.März 1958 die Beratimg des Themenbereiches "Aussagedelikte"83. Zum Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage stellte der Referent des Bundesjustizministeriums84 fest 85, daß "an der Notwendigkeit dieses Tatbestandes heute wohl kaum mehr gezweifelt" werde. Würde es allein auf das Gebiet des Strafprozesses ankommen, wo nach dem Gesetz die uneidliche Aussage die Ausnahme sei, so würde man den Tatbestand vielleicht sogar für entbehrlich halten können. Da aber im Zivilprozeß gerade umgekehrt die uneidliche Aussage die Regel sei, könne auf den Tatbestand nicht verzichtet werden. Diese Ausführungen fanden grundsätzlich keinen Widerspruch. Eb.Schmidt beantragte allerdings den Zusatz, daß eine im selben Verfahren beschworene Aussage nur aus dem Meineid-Tatbestand zu bestrafen sei. Damit sollte in Erweiterung der Plenarentscheidung BGHSt 8,301 (und insoweit in gewissem Widerspruch mit ihr) klargestellt werden, daß ein Konsumtionsverhältnis zwischen Meineid und Falscher uneidlicher Aussage auch immer dann bestehe, wenn die in erster Instanz gemachte Aussage erst in der zweiten Instanz beschworen werde 86. Der Vorschlag wurde von der Kommissionsmehrheit vor allem deshalb abgelehnt87, weil nur schwer die Feststellung zu treffen sei, ob die in zweiter Instanz beeidete Aussage mit der in erster Instanz abgegebenen inhaltsgleich sei.
Die von den Sachbearbeitern des Bundesjustizministeriums vorgeschlagene, an der Tatbestandsfassung der falschen uneidlichen Aussage orientierte Neuformulierung des Me/zie/d-Tatbestandes wurde von der Kommission fast einhellig zugunsten der geltenden Formulierung ("falsch schwört") abgelehnt88. Die vorgeschlagene Formulierung 89 wurde als sprachlich mißglückt angesehen; moniert wurde ferner, daß sie zwar den Voreid erfasse, dafür aber den ungleich wichtigeren Nacheid nicht eindeutig enthalte; schließlich wurde befürchtet, daß diese Formulierung die Möglichkeit eröffne, Meineidversuch bereits mit Beginn der Aussage anzunehmen. Eine längere Diskussion löste die Frage aus, ob als Grundstrafe für den Meineid Zuchthaus oder Gefängnis vorzusehen sei, ob m.a.W. der Grundfall des Meineides als Verbrechen oder als Versehen einzuordnen sei. Die Befürworter der Zuchthausstrafe machten geltend, nur die Androhung dieser Strafe gewährleiste den erforderlichen Präventionseffekt 90; ein eindringlicher
83 ProtGrStrK, 73.Sitzung v.lO.März 1958, Bd 7, S.213 ff.(219 ff.); 74.Sitzung v.ll.März 1958, Bd 7, S.235 ff. 84
LG-Rat Sturm.
85
ProtGrStrK.,
86
Eb.Schmidt aaO. S.220.
(73.Sitzung) Bd 7, S.220.
87
Zustimmend zunächst Bockelmann aaO. S.220; bei der Abstimmung nur Dünnebier (Stimmenthaltungen von Gallas, RLange). 88 ProtGrStrK(73.Sitzung) Eb.Schmidt, Schafheutie).
Bd 7, S.223 f. (Beiträge von Gallas, Welzel, Frankel, Baldus,
89
s.o.b.Fußn.54.
90
Schäfer aaO. S.224; Gallas aaO. S.229.
Nach 1945
155
Hinweis auf eine drohende Zuchthausstrafe vermöge den Zeugen am ehesten zu bewegen, von der Falschaussage Abstand zu nehmen. Die derzeitige Strafzumessungspraxis der Gerichte dürfe nicht zur Grundlage für die Entscheidung gemacht werden, gegen sie sei vielmehr "der Vorwurf zu großer Milde zu erheben" 91. Der Verzicht auf die Zuchthausstrafe könne zu einem weiteren Absinken der Eidesmoral führen 92 . Der Meineid sei, als schwerer und u.U. schwerster Verstoß gegen Bürgerpflichten, durchaus der Hochkriminalität zuzurechnen93. Letztlich sei auch eine Systematik, welche von der Zuchthausstrafe ausgehe und das Heruntergehen auf Gefängnisstrafe in unbenannten minder schweren Fällen zulasse, rechtsstaatlich weniger bedenklich als das Gegenmodell, welches den Sprung von der prinzipiell angedrohten Gefängnisstrafe zur Zuchthausstrafe entweder - abgesehen vom Fall der Habgier - von mehr oder minder zufälligen Tatfolgen abhängig mache oder (bei Zugrundelegung von Regelbeispielen) diese schwerwiegende Verschärfung in das Ermessen des Richters stelle94. Die Gegenmeinung machte geltend, die alternativ vorgeschlagene Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr könne keineswegs als milde Strafe bezeichnet werden, zumal der Unterschied zwischen Zuchthausstrafe und Gefängnisstrafe nur noch in der Ehrenminderung, nicht aber mehr im Vollzuge liegen solle 95 . Es sei zweifelhaft, ob der Meineid zur Hochkriminalität zu zählen sei; immerhin habe er im Bewußtsein weiter, auch religiöser, Bevölkerungskreise seine religiöse Bedeutung verloren 96. Werde er als Verbrechen beibehalten, so würden die Gerichte voraussichtlich - wie bisher - in über neunzig Prozent der Fälle das Vorliegen eines minder schweren Falles annehmen. Damit aber würde die gesetzliche Regelstrafe entwertet 97. Auch optisch mache es keinen guten Eindruck, wenn in allzu zahlreichen Fällen das Vorliegen eines "minder schweren" oder gar "besonders leichten" Falles ausgesprochen werde 98. Die vorgesehenen Qualifikationsmerkmale bzw. Strafschärfungsgründe reichten aus, um die Fälle wirklicher Hochkriminalität mit Zuchthausstrafe zu belegen100. Auch der Strafrechtsausschuß des Deutschen Richterbundes habe sich mit überwältigender Mehrheit 101 für die Aufsparung der Zuchthausstrafe für besonders schwere Fälle ausgesprochen102. Wolle man aber wirklich den Meineid als Verbrechen ausgestalten, so müsse dem Eid auch prozessual eine überragende Bedeutung eingeräumt werden; vor allem dürfe er dann im Strafprozeß nicht mehr routinemäßig abgenommen werden, sondern dürfe nur noch - wie im Zivilprozeß - als ultima ratio der Wahrheitsfindung eingesetzt werden 103 . Entsprechende Änderungen des Strafprozeß-
91
Ibd.
92
Skott aaO. S.226 f.; Gallas aaO. S.229.
93
Gallas aaO.
94
Gallas aaO. S.228; kritisch gegen solche konstruktiven Erwägungen Dreher aaO. S.229: Ausschlaggebend müßten kriminalpolitische Erwägungen sein. 95
Dünnebier aaO. S.224; ähnlich Koffka
96
Frankel aaO. S.224; Baldus aaO. S.227; Rösch aaO. S.228; Fritz aaO. S.230; RLange aaO.
S.230. 97
Frankel aaO. S.224 f.
98
Baldus aaO. S.227.
99
S.o.b.Fußn.58 ff.
100
Schafheutie aaO. S.225.
101
13:1 Stimmen.
102
Voll aaO. S.226.
103
Wilkering
aaO. S.226.
aaO. S.225; Skott aaO. S.227; auch Schäfer aaO. S.227.
156
.Kapitel
rechts müßten im Einführungsgesetz erfolgen. Die deutliche Mehrheit der Kommission104 sprach sich schließlich für Gefängnis als Primärstrafe aus 1 0 5 , 1 0 6 .
Beim "Schweren Meineid" sprachen sich zunächst je acht Kommissionsmitglieder für die Kataloglösung (Qualifikationslösimg) und für die Regelbeispiellösung (Strafeumessungsregel) aus107. Auf Grund neuer Formulierungsvorschläge der Unterkommission entschied die Kommission sich in einer späteren Sitzung109 für das Katalogmodell. Dieser Beschluß ging in den Entwurf von 1959 ein 110 und blieb auch im Entwurf von I960 111 unverändert. E 1962 ging dann jedoch zur Regelbeispiel-Lösung über und ersetzte die Entgeltlichkeit des Täterhandelns durch das Merkmal der Gewinnsucht: "Ein besonders scherer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. aus Gewinnsucht handelt, 2. durch die Tat bewirkt, daß ein anderer die Freiheit auf Grund gerichtlicher Anordnung verliert oder seine berufliche Stellung einbüßt oder daß die Familienverhältnisse eines anderen zerrüttet werden, oder 3. durch die Tat vereitelt, daß ein anderer wegen eines von diesem begangenen Verbrechens bestraft wird" 112 .
Zum Aussagenotstand herrschte in der Kommission die Auffassung vor, es gebe "keine Vorschrift des geltenden Strafgesetzbuches, mit der mehr Mißbrauch getrieben worden" sei, als § 157 StGB 113 . Daher wurde die in den Vorschlägen der Unterkommission und der BMJ-Sachbearbeiter zum Ausdruck gekommene Tendenz zur Einengung des Aussagenotstandes begrüßt. Ein Kommissionsmitglied nannte diese Zielsetzung "ein Hauptanliegen der Reform" 114. Sowohl die von der Unterkommission vorgeschlagene Lösung (Kein Aussagenotstand bei tatsächlicher oder potentieller Voraussicht der
104
12:6 Stimmen.
105
ProtGrStrK. (73.Sitzung) Bd 7, S.233. Eine knappe Merheit (10:8 Stimmen; aaO. S.233) befürwortete ferner zunächst die Zulassung auch unbenannter Strafmilderungsgründe. Diese Möglichkeit wurde in einer späteren Sitzung wieder aufgegriffen; vgl. ProtGrStrK (75.Sitzung v.l2.März 1958) Bd 7, S.313. 106 Entsprechend dem Vorschlag der Unterkommission wurde beschlossen, die Aberkennung der Eidesfähigkeit nicht mehr als Nebenfolge vorzusehen. (ProtGrStrK, 73.Sitzung Bd 7, S.233). 107
ProtGrStrK
(73.Sitzung) Bd 7, S.234; s.auch aaO. (74.Sitzung) Bd 7, S.240 f.
108
ProtGrStrK,
(Umdruck U 57) Bd 7, S.403 (Anhang Nr 18), § 232a.
109
ProtGrStrK
(75.Sitzung) Bd 7, S.314.
110
§439 E 1959.
111
§433 E 1960.
112
§ 433 S.2 E 1962.
113
Baldus aaO. (74.Sitzung) S.244.
114
Baldus aaO.
Nach 1945
157
späteren Vernehmung) als auch das von den BMJ-Sachbearbeitern vorgeschlagene Erfordernis der "wesentlich gemilderten Schuld" fanden Anhänger 115. Auf Grund eines neuen Vorschlages der Unterkommission 116 wurde schließlich folgende Formulierung beschlossen117:
"Hat jemand als Zeuge oder Sachverständiger oder bei der Leistung eines Offenbarungseides die Unwahrheit gesagt, um von sich oder einem Angehörigen die Gefahr abzuwenden, wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen zu werden, so kann das Gericht die Strafe wegen falscher uneidlicher Aussage, Meineid oder falscher Versicherung an Eides Statt ... mildern. Das gilt nicht, wenn die rechtswidrige Tat durch eine Äußerung in derselben Sache begangen worden ist, in welcher der Täter die falsche Aussage gemacht, den Meineid geleistet oder die falsche Versicherung abgegeben hat 9.
Gleiche Strafmilderung sollte demjenigen Aussagenden zugute kommen können, der zur Falschaussage genötigt worden war 1 . Weitere Möglichkeiten zur Strafmilderung wurden für diejenigen Fälle des Meineids, des Fahrlässigen Falscheides und der falschen uneidlichen Aussage eröffnet, in denen "der Täter einem gesetzlichen Verbot zuwider vereidigt worden (war) oder ... berechtigt (war), die Aussage oder den Eid zu verweigern, und .. dem Gesetz zuwider darüber nicht belehrt worden (war)" 119
Schließlich wurde Strafmilderung bei Meineid, Strafmilderung und Absehen von Strafe bei sämtlichen Aussagedelikten120 vorgesehen, falls die falsche Erklärung eine Tatsache (betraf), die für das Verfahren von vornherein offennsichtlich bedeutungslos war" 121 .
Angesichts dieser Vermehrung von benannten - freilich nur fakultativen Strafmilderungsgründen verzichtete man auf die ursprünglich vorgesehene allgemeine Strafmilderung für minder schwere Fälle des Meineides122. Einstim-
115
ProtGrStrK.
(74.Sitzung) Bd 7, S.245; vgl.o. nach Fußn.63.
116
ProtGrStrK.
(Umdruck U 18) Bd 7, S.404.
117
§ 237 Abs.l der Kommissionsbeschlüsse, in: Prot GrStrK (Umdruck Κ 57), Bd 7, S.406; entspr. § 444 Abs.l E 1959; § 438 Abs.l E 1960; § 438 Abs.l E 1962. 118 § 237 Abs.2 der Kommissionsbeschlüse; entspr. § 444 Abs.2 E1959; § 438 Abs.2 E 1960; § 438 Abs.2 E 1962. 119 Auch in Fällen fahrlässigen Falscheides; § 237a der Kommissionsbeschlüsse; entspr. § 445 E 1959; § 439 E 1960; § 439 E 1962. 120 Also auch beim Versuch der Beteiligung, beim Herbeiführen einer falschen Aussage und beim Fahrlässigen Falscheid. 121
§ 273b der Kommissionsbeschlüsse; entspr. § 446 E 1959, § 440 E 1960, § 440 E 1962.
122
S.o.b. Fußn. 57.
158
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migwurde schließlich beschlossen, Aussagenotstand bei Teilnehmern ausdrücklich auszuschließen123. Beim Versuch der Beteiligung war zum einen umstritten, ob die Versuchte Anstiftung zur falschen eidesstattlichen Versicherung strafbar sein solle, zum anderen, ob bei der falschen uneidlichen Aussage neben der Versuchten Anstiftung auch andere Formen versuchter Beteiligung einzubeziehen seien 124 . Da der Versuch der beiden genannten Aussagedelikte nicht strafbar war, mußte die Bestrafung der versuchten Beteiligung an ihnen den Verdacht von Wertungswidersprüchen nahelegen125. Ein Diskussionsteilnehmer erklärte das kriminalpolitische Bedürfnis einer Bestrafung von "Hintermännern" für so stark, daß er bereit sei, die Einheit des Systems notfalls durch die Strafbarkeit des Versuchs der beiden Delikte zu erhalten 126. Dies wurde aber von anderen Mitgliedern unter Hinweis auf die Erwägungen, die 1953 zur Beseitigung der Versuchsstrafbarkeit bei der falschen uneidlichen Aussage und bei der falschen eidesstattlichen Versicherung geführt hätten, als zu weit gehend angesehen. Die Mehrheit war der Auffassung, daß um der kriminalpolitischen Zielsetzung willen Friktionen im System hingenommen werden müten 127 . Sodann wurde mit unterschiedlichen Mehrheiten 128 beschlossen, bei allen drei Aussagetatbeständen den Versuch der Anstiftung unter Strafe zu stellen. Mit deutlicher Mehrheit 129 wurde die Einbeziehung der falschen uneidlichen Aussage in die Strafbarkeit sonstiger Beteiligungsvorstufen beschlossen130. Zum Tatbestand der Herbeiführung einer falschen Aussage bestand unter den anwesenden Mitgliedern Einigkeit darüber, daß auf die herrschende Auffassung, welche die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft bei Aussagedelikten verneine, Rücksicht genommen werden müsse. Da andererseits nach der Konzeption des von der Kommission bereits durchberatenen Allgemeinen Teils Anstiftung nur zu vorsätzlicher Tat möglich sein sollte, erwies sich eine
123
So bereits damals die st.Rspr.; anders ein Teil des Schrifttums.
124
s. die Diskussion ProtGrStrK.
(74.Sitzung) Bd 7, S.246 ff.
125
Koffka (74.Sitzung) S.246 zur falschen eidesstattlichen Versicherung; zur falschen uneidlichen Aussage bereits die BMJ-Sachbearbeiter (o.b.Fußn.69) sowie nunmehr Sturm aaO. S.246. Eingehend zu den angesprochenen Wertungswidersprüchen Vormbaum, GA 1986,353 ff. 126
Fritz aaO. S.247.
127
S. die Diskussion aaO. S.247 ff.
128
Bei 1 Gegenstimme (RLange) bzw. mit 10:8 Stimmen.
129
2 Gegenstimmen (RLange, Rösch).
130 g 234 der Kommissionsbeschlüsse: "Für die falsche uneidliche Aussage und den Meineid gelten die Vorschriften über den Versuch der Beteiligung ... und für die falsche Versicherung an Eides Statt die Vorschriften über den Versieh der Anstiftung ... entsprechend".
Nach 1945
159
Vorschrift nach Art des § 160 RStGB als unumgänglich. Große Mühe wurde darangesetzt, zu einer Wortwahl für die Beeinflussungshandlung zu gelangen, welche klarstellte, daß es um die Beeinflussimg eines unvorsätzlich Handelnden gehe. Erwogen wurden insbesondere "Veranlassen", "Bestimmen" und "Beeinflussen". Der Terminus "Bestimmen" schien mehreren Mitgliedern durch seine Verwendung bei der Anstiftungsvorschrift als Ausdruck für die Herbeiführung vorsätzlichen Handelns verbraucht 131. "Veranlassen" ließ andererseits das Erfordernis tätiger Beeinflussung unberücksichtigt 132. "Verleiten" schien mehreren Mitgliedern aufgrund der Auslegungstradition das Erfordernis unvorsätzlicher Aussage hinreichend bestimmt zum Ausdruck zu bringen; andere Mitglieder hielten diese Stütze für nicht hinreichend, um die einhellig gewünschte Auslegung sicherzustellen. Eine Mehrheit sprach sich zunächst für die Formulierung aus: "Wer durch seine Einwirkung einen anderen veranlaßt..."133. Nach weiteren Formulierungsversuchen 134 erhielt die Vorschrift schließlich im Entwurf von 1959 folgende Formulierung: "Wer einen anderen dahin beeinflußt, daß dieser gutgläubig 1. falsch schwört..., 2. uneidlich falsch aussagt..., 3. eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt..., wird im Falle der Nummer 1 mit Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren, im Falle der Nummer 2 mit Gefängnis bis zu drei Jahren und im Falle der Nummer 3 mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft" 135.
Im Entwurf von 1962 wurde das Wort "gutgläubig" durch die Formulierung "ohne Vorsatz" ersetzt 136. Die (abgestuften) Strafdrohungen waren ebenfalls das Ergebnis intensiver Diskussion. Die deutlich milderen Strafdrohungen des geltenden Strafgesetzbuches wurden als unvertretbar gegenüber einem "sozialethisch besonders unerfreulichen Verhalten" 137 angesehen. Andererseits schreckte man doch vor der Konsequenz zurück, dieselben Strafdrohungen wie für die in Bezug genommenen Aussagedelikte aufzustellen 138.
131 Obwohl freilich § 30 E 1962 (ebenso wie § 26 StGB 1975) das Erfordernis der Vorsätzlichkeit noch zuzsätzlich aufführte. 132
ProtGrStrK(74.Sitzung)
133
AaO. S.253.
134
Kommission: aaO. S.314 ff.; Unterkommission: aaO. (Umdruck U 57) S.404.
135
§ 442 Abs.l E 1959 (= § 436 E 1960); der Versuch war strafbar (Abs.2).
136
§ 436 E 1962.
137
RLange (74.Sitzung) Bd 7, S.253.
138
s.zB. Schafheutie aaO. S.253.
Bd 7, S.249 ff.
160
.Kapitel
Besonders ausführlich diskutiert wurde die Problematik der Fahrlässigkeitstaten. Der Referent des Bundesjustizministeriums bezeichnete die Einwände gegen die konstruktive Möglichkeit und gegen die Strafwürdigkeit fahrlässiger Falschaussagen als überholt 139. In der Kommission erfuhr jedoch der Gesichtspunkt der Strafwürdigkeit unterschiedliche und differenzierte Beurteilung. Kritisch wurde angemerkt, daß der Straftatbestand sich außer im deutschen Recht nur noch im schwedischen Recht finde 140 . In der Sache wurde ferner zu bedenken gegeben, fahrlässige Falschaussagen seien häufig das Ergebnis schlechter Vernehmungen, die es nicht vermocht hätten, die Aufmerksamkeit der Aussageperson auf das Wesentliche hinzulenken14 ; es gehe auch nicht an, schlechte Gedächtnisleistungen unter Strafe zu stellen. Nicht von der Hand zu weisen sei schließlich der Verdacht, daß der Tatbestand der Fahrlässigen Falscheides häufig bei zweifelhaftem Vorsatz als Verdachtsstrafen-Tatbestand, in Fällen minderten Straf bedürfnisses als Auffangtatbestand mißbraucht werde 142. Zur Rechtfertigung der Vorschrift wurde vorgetragen, die Rechtsprechung des Reichsgerichts habe eindeutige und weitgehende Erfordernisse für den Nachweis der Fahrlässigkeit aufgestellt, bei deren Berücksichtigung ein Schuldvorwurf durchaus zu rechtfertigen sei. Praktische Bedeutung komme nur noch wenigen Fallgruppen zu, nämlich zum einen jenen, in denen die Aussageperson ohne Gedächtnisanstrengung achtlos daherrede, und zum anderen jene, in denen sie trotz Vorliegens deutlicher Hinweise und Anhaltspunkte für eine Gedächtnisauffrischung ihr Erinnerungsbild nicht richtig reproduziert habe. Außerdem kämen noch die Fälle unrichtiger Wiedergabe des richtig Reproduzierten in Betracht 143 . Keineswegs werde von der Aussageperson verlangt, ihr Gedächtnis durch Anstrengung zum richtigen Funktionieren zu brigen . Die Kriminalstatistik weise die Relevanz dieses Tatbestandes aus145. Schließlich sei noch zu berücksichtigen, daß es einen psychologischen Unterschied mache, ob eine bestehende Strafvorschrift abgeschafft oder von der Neueinführung einer Strafvorschrift abgesehen werde . Mehrere Teilnehmer setzten sich dafür ein, einen Fahrlässigkeitstatbestand nur für jene Täter beizubehalten, die zu vorherigen Erkundigungen verpflichtet waren, vor allem also für Offenbarungseidpflichtige und Sachverständige; angeknüpft
139
Sturm (74.Sitzung) Bd 7, S.266 f.
140
Welzel aaO. S.267.
141
Ibd.
142
Ibd.
143
Gallas (74.Sitzung) Bd 7, S.269.
144
Baldus (74.Sitzung) Bd 7, S.267 f., unter Hinweis auf RG JW 1936, 260 und RG H RR 1930, Nr 631; zustimmend Frankel (74.Sitzung) Bd 7, S.268. 145
Schäfer aaO. S.270.
146
Bockelmann aaO. S.271.
Nach 1945
161
wurde insofern an § 186a E 1930147. Die Mehrheit der Kommission148 sprach sich jedoch für die uneingeschränkte Strafbarkeit des fahrlässigen Falscheides aus; ebenfalls mehrheitlich beschlossen149 wurde die Strafbarkeit der leichtfertigen falschen Versicherung an Eides Statt 150 . Im Entwurf von 1962 wurden beide Tatbestände auf Leichtfertigkeitsfälle begrenzt 151. Systematisch eingeordnet sind die Aussagetatbestände des E 1962 in den Titel "Gefährdung der Rechtspflege" 152 - eine deutliche Dokumentation, daß jedenfalls in diesem Punkte hundert Jahre Reformdiskussion und strafrechtsdogmatischer Bemühungen eine communis opinio herausgebildet haben. IV. Gesetzgebung der Sechziger- und Siebzigeijahre Der Entwurf von 1962 - vor allem sein Besonderer Teil -wurde bekanntlich nicht Gesetz. Die Grundstruktur des zweiten Teils des Reichsstrafgesetzbuches ist bis heute bestehengeblieben. Auch die Gestalt der Aussagetatbestände, die durch die Gesetzgebungen von 1943/44 und 1953 entstand, ist nur noch kleineren Änderungen unterzogen worden 153. Das Erste Strafrechtsreformgesetz (l.StrRG) vom 25Juni 1968154 brachte im materiellrechtlichen Bereich neben einigen redaktionellen Änderungen die Streichung des § 161 StGB, der bei jeder Verurteilung wegen Meineides (außer bei Anwendung der §§ 157 und 158) zwingend die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Eidesfähigkeit angeordnet hatte, bei Verurteilung aus den anderen Vorsatztatbeständen (außer bei § 160) die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte neben (jeder) Gefängnisstrafe zugelassen hatte. Inhaltlich ist die Vorschrift damit im Hinblick auf die Aberkennung der Eidesfähigkeit beseitigt, im übrigen durch die allgemeine Regelung des § 45 Abs.l modifiziert und ersetzt worden. Die Vorschrift hatte
147
RLange (74.Sitzung) Bd 7, S.268; Eb.Schmidt aaO. S.271; Jescheck aaO. S.270; v.Stackelberg aaO. S.270; zunächst auch Koffka aaO. S.268; zurückhaltend Gallas aaO. S.269; Welzel aaO. S.273. 148
AaO. S.73 (13:6 Stimmen)
149
AaO. S.274.
150
§ 236 der Kommissionsbeschlüsse = § 443 E 1959 = § 437 E 1960.
151
§437 E 1962.
152
Zur Systematik des E 1962 und insbes. seiner Rechtspflegeschutz-Tatbestände s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S. 43 ff. 153 Die Hoffnung von Herrmann, Aussagetatbestände S.47, daß die "Alternativ-Professoren" auch zu den Aussagedelikten einen Entwurf vorlegen würden, hat sich nicht erfüllt. 154
Art. 1 Ziff. 43-45 l.StrRG. ; BGBl. I, S.645.
162
.Kapitel
verschiedentlich Kritik (bis hin zur Behauptung partieller Menschenrechtsverletzung155) erfahren. Im prozessualen Bereich wurden die "Personen, die wegen Meineids verurteilt worden sind" (s. jetzt § 61 Ziff.4 StPO) 156 aus dem Katalog der Vereidigungsverfrote herausgenommen und denjenigen der Fälle fakultativen Absehens von der Vereidigung überstellt. Durch Gesetz vom 27 Juni 1970 wurde der Offenbarungseid generell in eine Eidesstattliche Versicherung umgewandelt - vor allem, um die Abnahme der Bekräftigung durch den Rechtspflege r zu ermöglichen . Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2.März 1974158 glich den Text der Aussagetatbestände redaktionell dem durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz herbeigeführten Rechtszustand an. Daneben wurde im Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage die Strafschärfung für schwere Fälle gestrichen. In der Begründung des Regierungsentwurfes ist klargestellt, daß durch den Verzicht auf eine Abstufung des Strafrahmens einer "späteren Reform der Eidesdelikte nicht vorgegriffen werden" solle 159 . Der Aussagenotstand ist auf Fälle des Meineides und der falschen uneidlichen Aussage beschränkt, die falsche Versicherung an Eides Statt somit nicht mehr aufgeführt. Freilich ist dies nur von redaktioneller Bedeutung, denn § 49 Abs.2, auf den § 157 nunmehr verweist, ist für die Fälle der falschen Versicherung an Eides Statt ohne Bedeutung, weil § 157 das gesetzliche Mindestmaß der Freiheitsstrafe androht, neben dem nach der generellen Bestimmung in § 11 Abs.2 EGStGB (= § 47 Abs.2 StGB n.F.) ohnehin wahlweise Geldstrafe verhängt werden kann 160 . Das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (l.StVRG) vom ll.Dezember 1974 brachte eine neuerliche Erweiterung des Katalogs des § 61 StPO. Die neue Nummer 5 gestattet das Absehen von der Zeugenvereidigung. wenn Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagter auf sie verzichten . Damit ist vollends jener Rechtszustand wiederhergestellt, den die Eidesnovelle vom 24.November 1933 herbeigeführt hatte , den aber die
155 AG Wiesbaden, NJW 1963,965. - Über die wechselvolle und oft widersprüchliche Rechtsprechung zu § 161 StGB a.F. Roxin, JZ 1965,558 ff. 156
Durch das EGStGB 1974 erhielt der Text der Ziff.4 den heutigen Klammerzusatz.
157
s.QVerz. Β 2.2.40. - Darstellung der Entstehungsgeschichte und heftige Kritik an der Neuregelung b. Habscheid, NJW 1970,1669 ff. 158
BGBl. I, S.469.
159
Vgl. Begr. z.RegE (BR-Drucksache 1/72) S.221.
160
Art.19 Ziff.65 EGStGB 1974.
161
Art.l Ziff.14 l.StVRG.
162
S.o. 8.Kap. sub I.
Nach 1945
163
Durchfuhrungsverordnung von 1943163 und das Rechtseinheitsgesetz von 1950 mit gegensätzlicher Tendenz variiert hatten. Die Begründung zur (gleichlautenden) Regierungsvorlage führt aus, die 1950 geäußerte Befürchtung des Bundestags-Rechtsausschusses, eine solche Vorschrift könne den Gebrauch des Eides zu sehr einschränken, sei inzwischen nicht mehr gerechtfertigt. Andererseits entspreche die Auflockerung des Vereidigungszwanges in derartigen Fällen einem dringenden Bedürfnis der Praxis, vor allem in solchen Fällen, in denen kein Anlaß bestehe, an der Richtigkeit der Zeugenaussage zu zweifeln oder in denen die Aussage unglaubhaft sei und nicht angenommen werden könne, daß der Zeuge sie im Falle der Vereidigung berichtigen werde. Die Regelung diene auch der Verfahrensbeschleunigung; so werde man auf die oft zeitraubende Nachholung der Vereidigung nach § 251 Abs.4 S.4 StPO allseitig verzichten können, zahlreiche Zweifelsfragen der anderen Ziffern des § 61 StPO könnten durch das Ausweichen auf die neue Bestimmung unerörtert bleiben, manches Eideserzwingungsverfahren werde sich erübrigen; durch den Verzicht auf zusätzliche materielle Kriterien (etwa daß der Aussage keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen dürfe) würden Revisionen, die sich auf eine Verletzung der Eidesbestimmungen stützten, erschwert. Die Regierungsvorlage hatte auch eine gravierende Änderung im Bereich der Aussagedelikte vorgesehen. Gem. Art.5 Ziff.l sollte § 153 StGB auch auf Aussagen vor der Staatsanwaltschaft Anwendung finden. Damit sollten - so die Begründung -die gleichzeitig eingeführten neuen Zwangsbefugnisse der Staatsanwaltschaft durch eine strafrechtliche Sanktionierung der Wahrheitspflicht der nunmehr zum Erscheinen und zur Aussage verpflichteten Personen (§§ 161a Abs.l, 163a Abs.3 StPO) ergänzt werden 164. Diese Vorlage, in der nächsten Legislaturperiode (1973) unverändert wieder eingebracht , wurde im Rechtsausschuß des Bundestages "einhellig" abgelehnt 6 6 . Der Ausschuß warf ihr vor, sie mißachte die funktionsgerechte Grenzziehung zwischen staatsanwaltschaftlichem und richterlichem Ermittlungsbereich, lasse insb. die erheblichen Auswirkungen der Strafbarkeit einer unrichtigen Zeugenaussage im Ermittlungsverfahren auf die Hauptverhandlung unberücksichtigt; dem Zeugen werde es schwer gemacht, in der Hauptverhandlung seine Aussage aus dem Ermittlungsverfahren zu korrigieren oder zu vervollständigen; der Unmittelbarkeitsgrundsatz werde empfindlich beeinträchtigt. Die Sicherung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme müsse "dem gelegentlich vorhandenen Bedürfnis vorgehen, bereits für das Ermittlungsverfahren die strafrecht-
163
S.o.8.Kap.b.Fußn.l67 ff.
164
BR-Drucksache 208/72, S.107; kritisch zu den Zwangsbefugnissen für die Staatsanwaltschaft Welp, Zwangsbefugnisse (1976). 165
BR-Drucksache 117/73; Begründung aaO. S.107.
166
BT-Drucksache 7/2600, S.13.
164
.Kapitel
liehe Sanktionierung der Falschaussage einsetzen zu können"167. Die Verpflichtung des Zeugen zu einer wahrheitsgemäßen Aussage vor dem Staatsanwalt werde dadurch nicht berührt 168 . Der Bundesrat rief u.a. wegen dieser Streichung des Regierungsvorschlages den Vermittlungsausschuß an 169 . Er erklärte es für folgerichtig, nach der Einführung neruer Zwangsbefugnisse für die Staatsanwaltschaft nun auch die das Ermittlungsverfahren abschließende Verfügung des Staatsanwalts durch die Poenalisierung der ihm gegenüber abgegebenen Falschaussage auf eine "möglichst gesicherte Grundlage" zu stellen. Die Strafdrohung diene auch dem "recht verstandenen Interesse des Beschuldigten", da sie ungerechtfertigte Anklagen vermeiden helfe. Sie diene der Verfahrensbeschleunigung, da sie die Einschaltung des Ermittlungsrichters häufig überflüssig machen werde. Eine Verfestigung der Zeugenaussagen und damit eine Gefährdung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme seien - im Gegensatz zur Auffassung des Bundestages - nicht zu befürchten, zumal der Zeuge ohnehin der Wahrheitspflicht unterliege und in zahlreichen Fällen unter anderweitiger Strafdrohung stehe. Auch nach geltendem Recht könne die Staatsanwaltschaft durch Einschaltung des Ermittlungsrichters faktisch eine Verfestigung der Zeugenaussage herbeiführen. Schließlich sei zu bedenken, daß eine falsche Aussage vor dem Staatsanwalt im Hauptverfahren mit den Rechtsfolgen des § 158 StGB korrigiert werden könne 1 . Der Vermittlungsausschuß machte sich diese Überlegungen nicht zu eigen, so daß es bislang bei der seit 1943 geltenden Fassung des § 153 StGB geblieben ist. Die letzte wichtige Gesetzesänderung unseres Themenkreises wurde durch den Beschluß des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom llApril 1972 171 ausgelöst und betrifft die Bekräftigungsformel. Das Verfassungsgericht stellt grundsätzlich fest, der ohne Anrufung Gottes geleistete Eid habe nach der Vorstellung des Verfassungsgebers "keinen religiösen oder in anderer Weise transzendenten Bezug"1 , es sieht aber die "Glaubensüberzeugung, die auch den ohne Anrufung Gottes geleisteten Zeugeneid aus religiösen Gründen ablehnt", als durch Art.4 Abs.l GG geschützt an und erklärt in verfassungskon-
167
AaO. S.13 f.
168
S.14.
ι ω
BR-Drucksache 676/74 (= BT-Drucksache 7/2774).
170
AaO.
171
BVfGE 33,22 = NJW 1972,1183 = JZ 1972,515 m. Anm. Peters.
172
AaO. S.23 (Leitsatz 1).
165
Nach 1945
former Auslegung des § 70 Abs.l StPO das Grundrecht der Glaubensfreiheit für einen "gesetzlichen Grund" zur Eidesverweigerung 173. Die durch die "Allgemeinen Anweisungen an Richter Nr 2" der amerikanischen Militärregierung eröffnete Möglichkeit, anstelle des Eides eine (strafbewehrte) Wahrheitsversicherung abzugeben, war von der deutschen Nachkriegsgesetzgebung nicht übernommen worden. In Art.140 GG war lediglich Art.136 Abs.4 der Weimarer Reichsverfassung 174 für fortbestehend erklärt worden, und das Rechtseinheitsgesetz hatte den Grundsatz, daB der Eid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden könne, 30 Jahre nach seiner Formulierung durch die Weimarer Nationalversammlung endlich auch in den Text der Strafprozeßordnung eingefügt 175 . Das Bundesverfassungsgericht leitet die bis zu seiner Entscheidung nicht unumstrittene Auffassung 176, der ohne Anrufung Gottes geleistete Eid weise keinerlei transzendenten Bezug auf, aus einer Zusammenschau der Art.140 GG, 136 Abs.4 WRV einerseits, der Art.56, 64 Abs.2 GG andererseits ab; alle in diesen Verfassungsartikeln erwähnten assertorischen und promissorischen Eide seien rein weltliche Gelöbnisse bzw. Versicherungen; sie bänden "nicht mehr in Ansehung der Verantwortung des Schwörenden vor Gott, sondern allein im Hinblick auf die Verantwortung; vor der im Staat vereinigten Volksgesamtheit und die ihr gegenüber bestehenden Pflichten . Aus diesem nicht-transzendenten Charakter folgt aber nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 178 keine Begrenzung des Eidesverweigerungsrechtes von Zeugen 179 auf den unter Anrufung Gottes geleisteten Eid; vielmehr - so das Gericht -gebiete Art.4 Abs.l GG, die Glaubensüberzeugung auch desjenigen zu achten, der nach seiner individuellen Glaubenserkenntnis jeden Akt des Schwörens als durch göttlichen Spruch verboten ansehe. Dem Staat sei es angesichts der vorbehaltlosen Garantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch Art.4 Abs.l GG verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als "richtig" oder "falsch" zu bezeichnen180. Die Aufnahme einer Form der Wahrheitsversicherung ohne Verwendung des Wortes "schwören" in das Prozeßrecht sei ohne Beinträchtigung der Interessen der Rechtspflege möglich 181 .
173 AaO. (Leitsätze 2 und 3). - Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde ausgelöst durch die Verfassungsbeschwerde eines evgl. Parrers, der wegen Verweigerung jedes Schwörens zu einer auf § 70 Abs.l StPO gestützten Ordnungsstrafe verurteilt worden war. Für die Bundesregierung sah der Bundesjustizminister die Verfassungsbeschwerde als begründet an. 174
S.o. 7.Kap. sub I.
175
§ 66c Abs.2 StPO i.d.F. von 1950.
176
S.nur o.5.Kap. b. und in Fußn.l08;b. und in Fußn.223; 7.Kap. b. Fußn.29.
177
BVfG aaO. S.27 unter Berufung auf Friesenhahn, Der politische Eid (1928), S. 11 f.
178
Abweichende Auffassung des Verfassungsrichters v.Schlabrendorff noch u.Fußn. 182.
aaO. S.35 ff. s. auch
179 Wohl aber von Personen, die den Amtseid nach Art. 56, 64 Abs.2 GG zu leisten haben (aaO. S.31). 180
AaO. S.30.
181
AaO. S.32 f.
166
.Kapitel
Dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Schaffung einer solchen Regelung182 ist der Gesetzgeber in Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Ergänzung des l.StVRCj mit der Einfügung der neuen §§ 66d StPO, 481 ZPO nachgekommen. Die bisherigen Spezialvorschriften für die Mitglieder bestimmter Religionsgesellschaften 1 wurden damit durch eine allgemeine Regelung ersetzt 185. Die neue Regelung erspart dem Richter die Prüfung, ob der jeden Eid verweigernde Zeuge tatsächlich durch religiöse oder Gewissensgründe geleitet wird, sondern läßt ausreichen, daß er solche Gründe angibt 186. Durch Artikel 3 desselben Gesetzes wurde § 155 StGB der neuen prozessualen Rechtslage angepaßt.
182 Kritik im Schrifttum zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts b. Peters, JZ 1972,520 ff.; Lange, Fschr. Gallas S.427 ff.; Nagel, JR 1972, 413 f.; Eben, JR 1973,397 ff.; zustimmend hingegen Stolleis, JuS 1974, 770 ff. 183
BGB1.I, 3686.
184
§ 64 RStPO; seit der Eidesnovelle vom 24.November 1933: § 66e StPO.
185
Vgl. Meyer, LR (23A.), § 66d Rn.l.
186
Vgl. Meyer aaO.; Pelchen, KK, § 66d Rn.2; Kleinknecht/Meyer,
StPO, § 66d Rn.l.
Dritter Teil:
Zusammenfassung und Ausblick 10.Kapitel Zusammenfassung Vergleicht man Anfang und Ende der dargestellten Rechtsentwicklung, so zeigen sich folgende äußerliche Unterschiede in den prozeßrechtlichen und materiellstrafrechtlichen Normen: Im Prozeßrecht: Am Anfang steht in allen Prozeßordnungen die nur für Eidesunfähige, Eidesunmündige und Eidesunwürdige durchbrochene Vereidigungspflicht gegenüber Zeugen und Sachverständigen. Heute stellt das Zivilprozeßrecht die Vereidigung der Zeugen und Sachverständigen ganz in das Ermessen des Gerichtes; das Strafprozeßrecht trifft für Zeugen eine aus obligatorischen und fakultativen Elementen zusammengesetzte Regelung, die allerdings, vor allem wegen der heutigen Fassung des § 61 Ziff. 5 StPO, die Vereidigung faktisch zur Ausnahme hat werden lassen; für Sachverständige gilt dieselbe Regelung wie im Zivilprozeßrecht. Das partikulare Zivilprozeßrecht und die Zivilprozeßordnung des Reiches von 1877 kennen noch die Unterscheidung des ("echten") Parteieides vom Zeugen- und Sachverständigeneid. Heute ist der Parteieid durch die (evtl. eidliche) Parteivernehmung ersetzt; die letzte wichtige Erscheinungsform des echten Eides - der Manifestations- bzw. Offenbarungseid -ist seit 1970 zu einer eidestattlichen Versicherung herabgestuft. Ursprünglich zur Ableistung des religiösen Eides verpflichtet, hat die Aussageperson heute die Wahl zwischen dem Eid mit religiöser Beteuerung, dem Eid ohne religiöse Beteuerung und der eidesersetzenden Bekräftigung. Anders als 1877 ist heute nicht mehr die gesamte Eidesnorm, sondern nur noch die Eides- bzw. Bekräftigungsformel nachzuspechen. An die Stelle der prinzipalen Geltung des Voreides diejenige des Nacheides getreten.
ist im Strafprozeß
168
lO.Kapitel
Im materiellen Strafrecht: Die falsche uneidliche Aussage, im Reichsstrafgesetzbuch nicht erwähnt, ist heute strafbedroht und nimmt die früher vom Meineid-Tatbestand besetzte erste Position im Abschnitt über Aussagedelikte ein. Die versuchte Anstiftung ist unter Strafe gestellt, ebenso die Verleitung zur unvorsätzlichen uneidlichen Falschaussage. Die Strafbarkeit des Versuchs freilich, 1943 zunächst ebenfalls normiert, ist inzwischen wieder entfallen. Ebenfalls straflos bleibt die fahrlässige Begehung. Unverändert ist seit 1870 dit falsche eidesstattliche Versichemng mit Strafe bedroht. Die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung, der Verleitung und der fahrlässigen Begehung entspricht in allen Punkten dem Rechtszustand von 1870. Der Versuch, zwischenzeitlich (1943-1953) mit Strafe bedroht, ist wie 1870 straflos. Der Meineid ist damals wie heute unter Strafe gestellt; seit 1944 ist an die Stelle der früheren Höchstgrenze von zehn Jahren Freiheitsstrafe (bzw. Zuchthausstrafe) eine solche von fünfzehn Jahren getreten. Andererseits ist die Erfolgsqualifikation des § 154 Abs.2 StGB a.F., die eine Anhebung der Strafuntergrenze auf drei Jahre nach sich zog, entfallen; auch sieht das heutige Recht für minder schwere Fälle einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung - früher in § 159 speziell geregelt - folgt heute ebenso wie die Strafbarkeit weiterer Vorbereitungshandlungen aus den allgemeinen Regelungen in § 30 Abs.l und 2, als deren Vorläufer § 159 StGB a.F. angesehen werden kann. Strafbar sind wie 1870 die Verleitung zum Falscheid und der fahrlässige Falscheid. Die Regelung des sog. Aussagenotstandes (§ 157 StGB), 1870 nur auf den Meineid bezogen, erfaßt heute den Meineid und die falsche uneidliche Aussage. Die ursprüngliche Regelung orientiert sich an objektiven Kriterien und läßt mit ihrer Quotenregelung für die - obligatorischen - Strafmilderung dem richterlichen Ermessen wenig Spielraum; hingegen stellt das heutige Recht auf die Motivation des Täters ab und überläßt dem richterlichen Ermessen die Entscheidung über das Ob und das Wie der Strafmilderung, bei uneidlicher Aussage auch über das Absehen von Strafe. Bei der sog. tätigen Reue (§§ 158, 163 Abs.2 StGB) läßt sich im Hinblick auf die Rechtsfolge dieselbe Entwicklung beobachten. Bei den Anwendungsvoraussetzungen ist einerseits durch Hinzufügung der Bedingung, daß die Berichtigung bei der Entscheidung noch berücksichtigt werden kann, die Stellung des Täters verschlechtert, verbessert ist sie durch die Vermehrung der zur Entgegennahme der Berichtigung zuständigen Stellen.
Zusammenfassung und Ausblick
169
Konnexität Es stellt sich die Frage nach funktionalen Zusammenhängen zwischen den Entwicklungen in beiden Bereichen. Vor allem die Abhängigkeit des am meisten diskutierten Problems - Strafbarkeit falscher uneidlicher Aussagen vom prozessualen Eidesrecht deutet sich an. In der Tat ist nicht zu bezweifeln, daß zwischen prozessualem Eidesrecht und Aussagetatbeständen ein Zusammenhang besteht. Die Annahme allerdings, das Verhältnis beider zueinander sei gleichsam dasjenige kommunizierender Röhren - Druck auf die prozeßrechtliche führe zu entsprechendem Ansteigen der materiellrechtlichen Säule, je mehr also im prozeßrechtlichen Bereich die eidliche Aussage an Terrain verliere, desto mehr erweitere sich der Anwendungsbereich der Strafvorschriften gegen uneidliche Falschaussagen - kann nur modifiziert übernommen werden. Normativ-präskriptiv formuliert mag sie plausibel klingen; auch insoweit ist sie aber voraussetzungsreich und, wie sich zeigen wird, problematisch; würde sie hingegen historisch-deskriptiv formuliert, so wäre sie unpräzise. Im strafrechtlichen und kriminalpolitischen Schrifttum wurden Stellungnahmen zur Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage mitunter ohne Bezugnahme auf die Entwicklung im prozeßrechtlichen Eidesrecht sozusagen autochthon - formuliert, und zwar mit differierenden Ergebnissen. Einerseits wurde die Notwendigkeit des Straftatbestandes befürwortet, weil die Lüge vor Gericht u.s.w. unabhängig von der Beifügung einer Bekräftigung strafwürdig sei; andererseits wurde gerade umgekehrt die unbekräftigte Lüge als unterhalb der Strafwürdigkeitsschwelle liegend angesehen. Die große Mehrheit der Autoren sah freilich einen Zusammenhang zwischen der Verminderung der Zahl der Eide und der Notwendigkeit des neuen Straftatbestandes. Unsere Untersuchung hat aber gezeigt, daß es ein breites Spektrum von Auffassungen gab, das im erwähnten physikalischen Bild nicht angemessen veranschaulicht ist. Die Gesetzesplanungs- und Gesetzgebungsinstanzen mit ihrer im allgemeinen größeren Bereitschaft, Kriminalisierungsforderungen aus der Gerichtspraxis aufzugreifen, betonten den angesprochenen Zusammenhang stärker als das Schrifttum. Jedoch bestanden auch bei ihnen lange Zeit Unsicherheiten in Grund- und Detailfragen - Unsicherheiten, die nicht bloß die optimale Abstimmung zwischen Eidesprozeßrecht und Eidesstrafrecht betrafen, wenngleich diese Zielsetzung zweifellos im Vordergund stand. Immerhin aber bewirkte 1870 der Reichsgesetzgeber mit dem Erlaß des Strafgesetzbuches die Aufhebung einiger partikularrechtlicher Straftatbestände über falsche uneidliche Aussagen, lehnte 1905 die Strafprozeßkommission einen derartigen Straftatbestand ab, akzeptierte 1913 die Strafrechtskommission ihn erst in zweiter Lesung und strich 1934 die NS-Strafrechtskommission ihn wieder aus dem Entwurf. Und diese skeptischen bis ablehnenden Stellungnahmen zogen durchaus nicht immer die kompensatorische Forderung nach umfänglicher Vereidigung möglichst aller Beweispersonen nach sich - die Entscheidung von 1934 erfolgte sogar kurz nach einer gesetzlichen Lockerung der Vereidigungs-
170
lO.Kapitel
pflicht 1. Erst 1943, Hand in Hand mit der kriegsbedingten völligen Beseitigung der Vereidigungspflicht auch bei strafprozessualen Zeugen, wurde die Kriminalisierung der falschen uneidlichen Aussage verwirklicht, und sie war - wenn man den Bekundungen der ministeriellen Sachbearbeiter Glauben schenken darf 2 - vorwiegend vom Wunsch nach Angleichung der deutschen an die österreichische Rechtslage bestimmt. Diese Richtigstellung im Detail schließt freilich nicht aus, daß in der Tendenz die Konnexitäts-Annahme auch als deskriptive Aussage zutrifft. Die Detailabweichungen machen aber deutlich, daß andere Optionen als diejenige auf die schließlich Gesetz gewordene Regelung erörtert und praktiziert wurden; sie könnten daher bei einem - derzeit freilich nicht zu erhoffenden Aufleben der rechtspolitischen Diskussion dieses Fragenkreises berücksichtigt werden. Zusammenhänge zwischen Eidesprozeßrecht und Eidesstrafrecht bestehen nicht nur im gerade angesprochenen Problembereich. Hingewiesen sei noch - auf die Abschaffung des "echten" Parteieides, die den entsprechenden Straftatbestand in § 153 StGB a.F. überflüssig macht; - auf den "weltlichen Eid", die eidesersetzenden Bekräftigungen und die Bezugnahmen auf frühere Bekräftigungen, die eine entsprechende Erweiterung des Meineid-Tatbestandes nach sich ziehen; - auf die Berichtigungsvorschrift der §§ 158, 163 Abs.2 StGB, deren zeitliche Grenzziehung weitgehend auf prozessuale Gegebenheiten abstellt.
Daß materielles Strafrecht und Prozeßrecht (vor allem Sfrö/prozeßrecht), ungeachtet ihrer kodifikatorischen Trennung, in vielfacher Weise verschlungen sind, ist oft bemerkt und wiederholt untersucht worden3; die im Bereich der Aussagedelikte anzutreffende spezielle Konstellation - Prozeß und Prozeßnormen als "Stoff für Straftatbestände - kennzeichnet nur eine der zahlreichen 1 Freilich war sie gekoppelt an eine - aber eben nut partielle - Rücknahme dieser Lockerung. Zum Begriff der Vereidigungspflicht s.o. 2.Kap., Fußn.25. 2 Was - wie im Darstellungsteil bereits erwähnt wurde -nicht unbesehen geschehen sollte. Die Nachkriegs-Rechtsprechung übernahm - wie dargestellt - diese Argumentation unbesehen; auch Werle (Justiz - Strafrecht S.438), für dessen Thematik der Vorgang freilich am Rande liegt, übernimmt die Begründung der Ministerialbürokratie. Zutreffend dürfte in der Tat sein, daß die die österreichische Regelung der Ministerialbüroktatie schon deshalb attraktiv erschien, weil sie in diesem Punkte härter war als diejenige des Altreichs. Die Übernahme österreichischer Strafrechtsnormen war vom österreichischen Altnationalsozialisten und Strafrechtsprofessor Graf Gleispach wiederholt mit der Begründung vorgeschlagen worden, diese stünden dem nationalsozialistischen Strafrechtsdenken näher als das liberalistische Strafgesetzbuch von 1871 (Gleispach 1941 im Ausschuß für Strafrechtsangleichung der Akademie für Deutsches Recht , 1942 in der Kommission für Strafrechtsangleichung des RJM ). 3 s. dazu mit Nachweisen Vormbaum, Schutz des Strafurteils, 6.Kapitel; s. auch Marxen, Straftatsystem S.313, FN. 1.
Zusammenfassung und Ausblick
171
Beziehungsebenen. In jüngerer Zeit wird nun verschiedentlich auf die Nachteile, ja Gefahren der didaktischen und dogmatischen Trennung beider Bereiche aufmerksam gemacht4. Das in der Dogmatik des materiellen Strafrechts gelehrte Straftatsystem verliert seine Aussagekraft und Praxisrelevanz, je weiter der praktizierte Strafprozeß sich von dem Zustand entfernt, der zu der Zeit, in der das Straftatsystem in seiner heutigen Gestalt entwickelt wurde (Ende des 19Jahrhunderts), noch stillschweigend vorausgesetzt werden konnte. Besondere Bedeutung kommt den vermehrten Möglichkeiten vorzeitiger Verfahrenserledigung nach Opportunitätsgesichtspunkten sowie der Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens zu5; sie haben so die Kritik - die sorgfältige Tatsachenfeststellung anhand des vom Straftatsystem gelieferten Arbeitsablaufplanes in weiten Bereichen überflüssig, gemacht6. Eine neu zu konzipierende "rechtsstaatlich-praktische allgemeine Straftatlehre könne solche Vorgänge integrieren, reflektieren und gegebenenfalls auch kritisieren 8. Kritikwürdig seien viele der Veränderungen im Strafprozeß vor allem deshalb, weil damit im Gewand prozessualer Normen bzw. ihrer Interpretation Ziele angestrebt würden, deren Verwirklichung im Gewände materiellstrafrechtlicher Normen bzw. deren Interpretation ungerecht und/oder verfassungswidrig 9 wäre. Hingewiesen wird besonders auf § 153a StPO, der in der Sache sogar eine Ersetzung der Strafsanktion durch eine nach Opportunitätsgesichtspunkten bestimmte prozessuale Sanktion herbeigeführt hat 10 . Hier eröffnet die systematologische Trennung des materiellen Strafrechts vom Strafprozeßrecht und von anderen Rechtsgebieten die Möglichkeit, Sanktionsverhängung aus den strengen Bindungen des materiellen Strafrechts zu lösen und in andere Bereiche - hier eben in das Strafprozeßrecht - zu verlagern, wo sie zwar häufig milder ausfallen, oft aber gerade deshalb überhaupt erst möglich werden 11.
4 Naucke, Grundlinien, insb. S.23 ff.; Ders., GA 1984, 205 ff.; Ders., Wechselwirkung S.169; Marxen, Straftatsystem, insb. S.144 ff., 157 ff.; vgl. auch Frommel, Präventionsmodelle S.36 ff. 5 Einen entscheidenden Sprung in dieser Entwicklung stellt die sog. Lex Emminger von 1924 dar; zu ihr Vormbaum, Lex Emminger. 6 7
Naucke, Wechselwirkung S.8 f.; Ders., Grundlinien S.23 ff. Naucke, Grundlinien einer rechtsstaalich-praktischen allgemeinen Straftatlehre (1979).
8 Naucke aaO. S.40 f.: "Ein als unabdingbar aufgefaßter strafjuristischer Handlungsrahmen in der Form der wirklich allgemeinen Straftatlehre gäbe auch einen Beurteilungsmaßstab für Strafrechtsentwicklungen ab. Terversionen' des Strafrechts würden leichter entdeckbar, da solche Entwicklungen - gemessen an den Erfahrungen seit 1900 - ... beim Verfahren und bei den Rechtsfolgen beginnen". 9
Gegen zu leichtherziges Argumentieren mit der Verfassung und für zähes und geduldiges rechtsphilosophisches Bemühen um die Gewinnung von Maßstäben für Ungerechtigkeit von strafrechtlichen Normen Naucke, Wechselwirkung S.14, FN.6. 10 Naucke, Wechselwirkung S.9; Frommel, Präventionsmodelle S.38, FN.40; Backes, KritV 1986, 315 ff.; Vormbaum, Lex Emminger S.173. 11 Naucke GA 1984,203 ff.; Frommel, Präventionsmodelle S. 36 ff.; Vormbaum, Entkriminalisierung. Überdies kann dieser Vorgang dann noch als "Entkriminalisierung" ausgegeben werden; zur Kritik der "scheinbaren Entkriminalisierung" s. Naucke und Frommel aaO.; vgl. auch Vormbaum, Entkriminalisierung aaO. S.332. Auf den (Ent-)Kriminalisierungsaspekt ist weiter unten noch zurückzukommen. - Ahnliche Effekte wie im Verhältnis Strafrecht/Strafprozeßrecht stellen sich im Verhältnis des Strafrechts zum Ordnungswidrigkeitenrecht und zu dessen Verfahrensrecht ein.
172
lO.Kapitel
Nun unterscheidet die in der Untersuchung dargestellte Entwicklung sich von den kritisierten Erscheinungen dadurch, daß die Entwicklung gerade umgekehrt, nämlich vom Prozeßrecht zum materiellen Strafrecht verlaufen ist. Immerhin: eine Verschiebung der Regelung ist zu konstatieren, und sie erweist sich bei näherem Hinsehen als durchaus symptomatisch im Sinne der beschriebenen Erscheinungen. Mit der oben dargelegten Einschränkung läßt sich sagen, daß der Regelungsort der zu lösenden Problematik - Sicherstellung wahrheitsgemäßer Aussagen vor Gericht 12 - zwischen Prozeßrecht und materiellem Strafrecht mehr oder minder beliebig verschubt wird. Die Stimmen, die für eine materiellstrafrechtliche Lösung besondere Legitimationsnachweise verlangen, klingen von Anfang an verzagt. Die Strafdrohung gegen falsche uneidliche Aussagen wird gleichsam als natürlicher Ersatz für die Verminderung der Zahl der Eidesleistungen in Ansatz gebracht. Auch im übrigen bleibt die zitierte Kritik trotz der äußerlichen Gegenläufigkeit der Entwicklung einschlägig; die Zurückdrängung des Eides im Prozeßrecht führte nicht nur zu einer - prima facie ja nicht unbedingt unerwünschten - Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens, sondern bewirkte auch, daß der stattdessen eingefügte Straftatbestand einen recht amorphen Regelungsstoff erhielt, der mit gewisser Zwangsläufigkeit auf die Tatbestandsfassung durchschlug. Hier schwenken die gegenläufigen Bewegungen in eine gemeinsame Richtung: Sachlich können unbestimmt formulierte Tatbestände dasselbe bewirken wie Abschwächungen des Legalitätsprinzips13. Daß § 153 StGB heute nicht zu den Standardbeispielen für bedenklich unbestimmte Straftatbestände zählt, mag vor allem daran liegen, daß frühere Skrupel gegenüber der Strafbarkeit schlichter Falschaussagen der Gewöhnung an die gesetzliche Regelung gewichen sind. Diese Gewöhnung mag ihrerseits in Zusammenhang stehen mit dem allgemeinen Klima in Strafgesetzgebung und -anwendung, welches zahlreiche noch imbestimmtere Straftatbestände produziert bzw. toleriert 14. Wichtig für unser Sichwort ist aber, daß die Anwendungspraxis ausweislich der kriminalstatistischen Daten keine als exorbitant zu empfindende Aburteilungsziffer produziert. Dieses Anwendungsergebnis ist indes bei korrekter Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes kaum zu erzielen. Gespräche mit Praktikern, insb. mit Richtern, bestätigen in der Tat, daß § 153 nur deshalb
12 Andere Stellen als Gerichte seien hier aus Vereinfachungsgründen ausgeklammert. Zu den "anderen Stellen"i.S.d. § 153 s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.155 ff. 13 In der Schweiz wird - falls der Aufsatztitel von Wolfers, ZBJV 1986,569 ("Zum Legalitätsprinzip im schweizerischen Strafrecht") - für die dortige Sprachübung repräsentativ ist - das Gesetzlichkeitsprinzip ("nullum crimen, nulla poena sine lege") als "Legalitätsprinzip" bezeichnet. 14 Dabei unterstützt vom Bundesverfassungsgericht, das - BVfGE 73,206 - weder die Tatbestandsfassung des § 240 StGB wegen zu großer Unbestimmtheit, noch die obergerichtliche Definition der "Gewalt"-Nötigung wegen Analogie in malam partem für verfassungswidrig erklären mochte. - Zum Komplex "Kriminalisierung" s.noch u.b. Fußn.52 ff.
Zusammenfassung und Ausblick
173
"erträglich" bleibt, weil er in zahllosen Fällen schlicht ignoriert wird 15 - sei es daß die tatbestandsmäßige Handlung als solche wegen sachlicher oder prozessualer Bedeutungslosigkeit übergangen wird, sei es daß der Richter selber den Zeugen durch sanfte oder strenge Hinweise auf den Weg der Wahrheit zurückführt, sei es daß der für die Strafbarkeit erforderliche Vorsatz wohlwollend verneint wird. De facto werden also weitgehend dieselben Überlegungen angestellt wie beispielsweise bei der Anwendung der §§ 153,153a StPO. Es bleibt freilich die (scheinbare) Paradoxic, daß gerade durch Kriminalisierung deijenige Flexibilisierungseffekt erzielt wird, der sonst als Folge der Verlagerung von Sanktionsnormen aus dem strafrechtlichen in den prozessualen Bereich eintritt. Sie löst sich aber auf, wenn man berücksichtigt, daß ein gewisser Teil der jetzt für strafbar erklärten Verhaltensweisen bereits vorher, nämlich in der Kategorie "Meineid", strafbar gewesen war. Insoweit fand in der Tat eine - wenn auch wegen der Beibehaltung des Meineidtatbestandes nicht "deklarierte", sondern kryptisch gebliebene - Entkriminalisierung durch Änderung von Prozeßnormen statt. Sie wurde freilich durch die Einfügung des neuen Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage jedenfalls für die Fälle vorsätzlicher Begehensweise wieder aufgefangen.
Darauf, daß die faktische Reduzierung des Meineid-Strafbarkeitsbereiches sogar überkompensiert wurde, ist noch einzugehen. Zuvor sei ein anderer Aspekt angesprochen. Er wird uns ebenso wie die noch folgenden Stichworte auf die gerade angesprochene Problematik zurückführen. Säkularisierung Besser Land und Leut verloren, Als einen falschen Eid geschworen Philipp der Großmütige von Hessen ... besser geschworen als verloren Goethe, Reinecke Fuchs
Besonderheiten unseres Untersuchungsgegenstandes folgen aus den Eigentümlichkeiten der zentralen Begriffe "Eid" und "Meineid" und der in ihnen geronnenen Problemerfahrungen. Als "ethnologisches Urphänomen" 16 wurde
15 Lt. Freister, DJ 1941, 493 (r.Sp.), hat in der NS-Strafrechtskommission eine ähnliche skeptische Vermutung gegenüber der österreichischen Regelung bei der Ablehnung der Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage eine große Rolle gespielt. Freister freilich 1941 (aaO.): "Die Ostmärker bestreiten das - und sie müssen es wissen". 16 Erler, Eid aaO. Sp. 861; vgl. auch Jacobson, Eid aaO. S.632; D., Meineid aaO. S.405; Holzhauer, Meineid aaO. Sp.447 f.:"Mit seinem magisch-religiösen Inhalt erinnert der Eid bis in die Gegenwart an die ursprüngliche Einheit von Recht und Magie, Recht und Religion".
174
lO.Kapitel
der Eid vom Recht vorgefunden, also erst im nachhinein Objekt der Strukturierungsbemühungen von Gesetzgebung, Rechtsübung und Rechtswissenschaft. Diesen Bemühungen gegenüber erwies sich der Komplex freilich stets als sperrig. Erst in jahrhundertelanger Begriffsarbeit gelang es, Problemebenen zu unterscheiden, rechtlich Irrelevantes auszuklammern und Teilbereiche zu erhellen 17. Dennoch ist bis heute in der strafrechtlichen Behandlung des Komplexes ein "ungeklärter Rest"18 zu registrieren, der die Eid- und Meineidproblematik ebenso überschattet wie das Verhältnis der uneidlichen zur eidlichen Falschaussage. Ungeachtet theologischer Kontroversen um den Eid 19 , die seit dem Zeitalter der Reformation auch in eidesverweigernden Glaubensrichtungen ihren Ausdruck fanden 20, gehörte der Eid bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein zu den festen Bestandteilen gerichtlicher Verfahren, wenngleich seine Funktion und Bedeutung bis dahin bereits manche Wandlungen erfahren hatten. Die Annahme, daß ihm eine instrumentelle Eignung zur Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen21 zukomme, dürfte ursprünglich auf nicht näher reflektierten magischen Vorstellungen beruht haben22, welche später religiös "veredelt" worden sind23. Die alten Völker waren sich der vor-rechtlichen Natur dieses Instituts so sehr bewußt, daß sie den Mißbrauch des Eides überwiegend nicht - jedenfalls nicht als solchen24 -unter weltliche Strafdrohung stellten25.
17
"Nachträgliche Vernünftigkeit. - Alle Dinge, die lange leben, werden allmählich so mit Vernunft durchtränkt, daß ihre Abkunft aus der Unvernunft dadurch unwahrscheinlich wird. Klingt nicht fast jede genaue Geschichte einer Entstehung für das Gefühl paradox und frevelhaft? ..." (Nietzsche, Morgenröte, Buch 1, Aphor.l). 18
Lenckner, Sch/Schr, Vor § 153 Rn.2.
19
Ansatz zur Kritik bot vor allem die die Evangelienstelle Matth. 5, 33-37: "Ich aber sage euch: ihr sollt überhaupt nicht schwören. ... Eure Rede sei 'ja ja, nein nein', was darüber ist, ist von Übel". Näher Thudichum, Geschichte des Eides S.6 f. (m.w.Nachw.); Jacobson, Eid aaO. S.634; D., Meineid aaO. S.406.; vgl. auch Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.181, FN.193. 20
Über die Mennoniten s. bereits 2.Kap. b. und in Fußn.13.
21 Von der eine (skeptisch zu beurteilende) indizielle Eignung, nämlich diejenige zur Feststellung einer intensivierten Rechtsgutverstoßes, zu unterscheiden ist; vgl. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.195 ff. 22 Der Schwur erfolgte ursprünglich wohl bei gewissen Gegenständen; der Schwörende, der sie anfaßt oder anfleht, "verstrickt sich mit ihnen. Er ruft ihren Segen oder ihren Fluch auf sich herab. Ihr Zauber nützt oder schadet dem Schwörenden. Die Gegenstände, nicht eine dahinter stehende Gottheit üben die eidliche Wirkung aus"; Fehr, Eid aaO. Sp. 660. 23 24
Allgemein zu diesem Vorgang: ROtto, Das Heilige, S.147 f.
Hinter der Bestrafung konkurrierender Delikte wird sich häufig eine Sanktion für den Meineid verborgen haben; in Betracht kamen z.B. im römischen Recht vor allem "falsum, stellionatus, oder, wenn beim Kaiser geschworen worden war, ein crimen laesae maiestatis" (Holzhauer, Meineid aaO. Sp. 448 f. ; vgl. ferner Schwarze, Meineid aaO. S. 168 f.; Bopp, Meineid aaO. S.415; v.Liszt, Meineid S.15.
Zusammenfassung und Ausblick
175
Noch im Mittelalter traute man den Banden frommer Scheu so sehr, daß der Reinigungseid - einem Gottesurteil nicht unähnlich26 - als ausreichendes Mittel zur rechtsförmlichen Beendigung eines Strafverfahrens angesehen wurde. Freilich: Was als Mittel der Konfliktregelung unter Freien bzw. innerhalb der oberen Schichten erträglich gewesen sein mochte, stieß angesichts sozialen Verschiebungen des Hoch- und Spätmittelalters auf Bedenken27. Man ersann formelle oder materielle Korrektive, um suspekte Eide von vornherein zu unterbinden 28,29. Der Meineid-Tatbestand der Carolina 30, dessen sibyllinische Passagen bis zuletzt Gegenstand von Auslegungskontroversen blieben31, dürfte Ausdruck schwächer gewordener Selbstverständlichkeiten sein, wie ja überhaupt die wachsende Überzeugung, daß die prozessuale Funktion des Eides der Absicherung durch diesseitige Strafdrohung bedürfe, durchaus auf dieser
Zur altmosaischen, griechischen, römischen, germanischen und kirchenrechtlichen Auffassung vgl. Thuäichum, Geschichte des Eides S.3 ff.; Bopp, Meineid aaO. S.451 ff.; Erler, Eid aaO. Sp.862; Dieck, Eid aaO. S.51 f.; Schwarze, Meineid aaO. S.168 ff.; Jacobson, Eid aaO. S.633 ff.; v.Liszt, Meineid S. 9 ff. 26 Zur Berührung von Eid und Gottesurteil s. Erler, Eid aaO. Sp.861 f.; Lasch, Der Eid S.3; Bauer, Der Eid S.23 f.; Hirzel, Der Eid S.176 ff. 27 Über das Strafrecht gegenüber "landschädlichen Leuten" s. Eb.Schmidt, Einführung S.82 ff.; Schild, Alte Gerichtsbarkeit S.154 ff. 28 Zu den ersteren kann das sog."Übersiebnen" der landschädlichen Leute gezählt werden, d.h. die Möglichkeit, ihnen mit Hilfe von sechs klägerischen Eideshelfern auch bei nichthandhafter Tat den Reinigungseid zu verlegen; s. dazu Knapp, Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland (1910); Ders., Das Übersiebnen der schädlichen Leute (Schlußergebnis), in: ZStW 1924,379-424,515-553; vgl. auch Eb. Schmidt, Einführung S. 82 ff. - Zu den zahlreichen und teilweise umständlichen Kautelen des deutschen Partikularrechts, mit denen bestimmte Personenkreise nach materiellen Kriterien vom Eid ausgeschlossen wurden -sie sind schließlich in die heutige Regelung der §§ 60 und 61 Nr 1, 2 und 4 StPO ausgemündet - s. das 2.Kapitel. 29
Die angedeutete Entwicklung hatte sich schon einmal in der Antike abgespielt; vgl. Hirzel, Der Eid S. 81 (über die Entwicklung in Griechenland): "Wie das Denken über die Götter eine Frucht des Zweifels ist und wieder in neue Zweifel verstrickt, so war das nach allen Richtungen zu sich erstreckende Nachdenken über den Eid ein Zeichen, daß es wirklich mit ihm bedenklich stand. ... Das Mißtrauen ... lauerte dem Eide auf und untergrub seine Glaubwürdigkeit". 30
Art.107 CCC (1532) (ed. J.Kohler/W.Scheel, Halle a.d.S. 1900): Straff der jhennen, so einen gelerten eid vor Richter vnd gerycht meineydig schwern. Jtem wellicher vor Richter oder gerichte einen gelerten meyneidt schweret: So derselb eid zeitlich gut antrifft, Das jnn dess, der allso fallschlich geschworn hat, nutz komen, der ist zuforderst schulldig, wa er das vermag, sollich feischlich abgeschworn gut dem verletzten wider zu keren, soll auch darzu verleumpt vnnd aller eeren enntsetzt sein; Vnnd Nach dem jm heilligen Reich ein gemeiner geprauch ist, sollichenn fallschschwerern Die zwen finger, damit sy geschworn haben, abzuhawen, diesselbige gemeine gewonliche leipstraff wollen wir auch nit endern. Wo aber einer durch seinen fallschen eidt ymandt zu peinlicher straff schwüre, derselbig soll mit der peene, dye er fallschlich vff einenn annderen schwüre, gestraft werden. Wer solliche fallsche schwerer mit wissen fursetzlich vnd arglistiglich darzu anrichtet, der leidet gleiche peine, Vnangesehen Ob etliche vnnservnndvnnserervorfarenn keiserliche gesetzedarwiderverstannden werden mochten. 31 Vgl. Bopp, Meineid aaO. S.419 f.; Holzhauer, Meineid aaO. Sp.455 f.; Schwarze, Meineid aaO. S.173 ff.; v.Liszt, Meineid S.105 ff.; alle m. Nachw.
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Entwicklungslinie liegt 32 . Das Aufkommen von Inquisitionsprozeß, Zeugenbeweis und Folter nimmt dem strafprozessualen Reinigungseid weitgehend seine Bedeutung33, führt freilich andererseits zur Vermehrung der Zeugeneide34. Im Strafrecht des 19Jahrhunderts ist, wie das 2.Kapitel im Überblick gezeigt hat, der Meineid-Tatbestand fest etabliert 35. Die religiöse Form des Eides ist immer noch obligatorisch, jedoch sind die früher üblichen feierlichen Eideszeremonien36 einer geschäftsmäßig nüchternen Prozedur gewichen37. Im Strafprozeßrecht dieser Zeit ist der Parteieid abgeschafft 38, im übrigen der echte Eid durch den assertorischen Zeugen- und Sachverständigeneid ersetzt, dessen Ableistung freilich immer noch obgliatorisch ist - mit der prozessualen Konsequenz, daß ein Kreis suspekter Personen niht in die formelle Zeugenrolle einrücken kann, und der strafrechtlichen Konsequenz, daß die betreffenden Personen nicht der Meineidstrafe verfallen können. Im Zivilprozeß gilt für Zeugen und Sachverständige dieselbe Regelung, für Parteien ist nach wie vor - wenn auch unter manchen Kautelen - die Eideszuschiebung, - zurückschiebung und -auferlegung möglich. In unserem Untersuchungszeitraum, in dem die Zahl der Eidesleistungen sich - beginnend im Zivilprozeß; im Strafprozeß zunächst zögerlich und schwankend, zuletzt aber mit hohem Tempo nachfolgend - radikal vermindert
32
Vgl. Holzhauer, Meineid aaO. Sp. 450.
33
So, wie später die Geständniserpressung mittels Folter ihrerseits durch die freie richterliche Beweiswürdigung obsolet wird und der Zeugenbeweis seinerseits durch die Fortschritte naturwissenschaftlicher Kriminalistik an Bedeutung verliert; vgl. Rüping, Grundriß S.70 f.; Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.86 f. - Zum Reinigungseid s. noch Fußn.38. 34
Kornblum, Eid aaO. Sp. 865.
35
Immerhin wird in der Lehre die Theorie vom Sakraldelikt durch die Publica-fidesTheorie, die Fälschungstheorie und zuletzt die Rechtspflegeschutz-Theorie verdrängt; vgl. v.Liszt, Meineid S.128 ff. 36 Für das preußische Recht zB. die Verordnung wegen zweckmäßiger Einrichtung der Eidesleistungen vom 26.0ctober 1799 (Novum Corpus Constitutionum Bd X, S.2663 ff.; s. auch das bei vXamptz, PrJb Bd 72, S.312 mitgeteilte Ministerial-Rescript ν. 26.Nov.1830. 37 Kritisch zu dieser Entwicklung Reichenbach, Der Eid S.23: "Wahrscheinlich in der Meinung, etwas konfessionell Störendes zu beseitigen, schaffte man .. die zur Feierlichkeit und Erhöhung des Ernstes eingeführte Aufstellungdesschwarzbehangenen Tisches, des gekreuzigten Christus und der zwei brennenden Kerzen ab. Die Eidesleistung geschieht daher heute ohne jede Feierlichkeit, ohne allen den Ernst derselben hervorhebenden Zusatz, der Richter sagt einfach die Eides formel her, der zum Schwur Aufgeforderte spricht sie nach und damit ist die Handlung geschehen, soll ein Eid geleistet sein." 38 Hinweise zu den schließlich erfolgreichen Bemühungen um die Beseitigung des Reinigungseides (der inzwischen seine ursprüngliche, den Angeklagten loslösende Funktion eingebüßt hatte und dem anders nicht überführbaren Angeklagten auferlegt wurde) b. Thudichum, Geschichte des Eides S.67.
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und der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage schließlich den Meineidtatbestand weitgehend substituiert, setzt sich damit eine Entwicklungslinie fort, die als Bestandteil des großen neuzeitlichen Prozesses der Säkularisierung aller Lebensbereiche aufgefaßt werden kann. Eine interessante Frage an Psychologen und Kulturhistoriker lautet, ob juristische Argumente Bewegungskräfte oder bloß Oberflächenornamentik in jenem umwälzenden historischen Gestaltwandel gewesen sind, der auf verschiedenen Ebenen39 mit Schlagworten wie "Modernisierung", "Rationalisierung"40, "Zivilisierung" 41 und eben "Säkularisierung" annäherungsweise dingfest gemacht werden kann. Welch tiefverwurzelte Vorstellungen - nicht nur religiöse - hier freilich überwunden werden mußten, macht das Zögern deutlich, mit dem die Kriminalisierung schlichter Falschaussagen realisiert worden ist. Vielen der in unserer Untersuchung zitierten Stellungnahmen läßt sich entnehmen, daß auch bei prinzipieller Bejahung des Gesetzgebungsplanes der Gedanke an eine Strafbarkeit formloser falscher Aussagen erst der Gewöhnung bedurfte. Es muß Mißverständnissen begegnet werden: 1. Die Positionen "Beibehaltung des Eides" und "Zurückdrängung oder Beseitigimg des Eides" dürfen nicht kurzerhand mit konservativen und progressiven politischen Richtungen gleichgesetzt werden, wenngleich vor allem Vertreter liberaler und sozialistischer Positionen sich für die Zurückdrängung oder gar Beseitigung des Gerichtseides aussprachen. Daß eine solche Gleichsetzung der Plausibilität entbehren würde, folgt schon daraus, daß es der konservative Reichstagsabgeordnete v.Salisch war, der einen der ersten nachhaltigen Vorstöße zur Verminderung der Eide und zur kompensatorischen EinführungdesStraftatbestandes der falschen uneidlichen Aussage unternahm, und daß die völlige Beseitigung des Gerichtseides in der Endzeit der Weimarer Republik unter maßgeblicher Beteiligung der katholischen Zentrumsfraktion projektiert wurde. Begründet wurden diese nicht ohne weiteres zu erwartenden Positionen freilich mit durchaus religiösen Argumenten. Das Hauptargument, die zu häufige Abnahme von Eiden führe zur Routinisierung und sei deshalb
39
Zu weiteren Ebenen als den anschließend genannten,insbes. im Zusammenhang mit der "Epochenschwelle" im Zeitraum der Französischen Revolution s. Vormbaum, Gesinderecht S.134 ff. mit zahlr. Nachweisen, sowie Ders., ZNR 1990. 40 Rationalismus hier nicht nur als philosophiegeschichtliche Epoche verstanden, sondern auch und vor allem als "Vulgärrationalismus"; "in all seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen ist (dies)er ein in den breiten Volksmassen Wurzeln schlagender Ausläufer der großen universalhistorischen Entwicklung zum modernen Geistes-, Staats- und Wirtschaftsleben gewesen. Er war ein Glied jenes unendlich komplizierten Säkularisierungs- und Rationalisierungsprozesses, der zur Entstehung der modernen Kultur geführt hat". (H.Rosenberg, Rationalismus aaO. S.23 f.). 41 Trotz neuerdings erhobener Kritik immer noch standard: N.Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. 2 Bde (TB-Neuaufl.) Frankfurt 1976.
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der Heiligkeit des Eides abträglich 42, zeigt, daß "Modernisierung" sich hier wie in manchen anderen Bereichen - auch mit traditionalistischen Begründungen verwirklichen konnte. Ins allgemeine gewendet: Technischer Fortschritt in einem sehr weiten Sinne, der die Perfektionierung von Herrschafts-"Techniken" einschließt44, stand in einem verwickelten, gerade in Deutschland von Kongruenz weit entfernten Verhältnis zum sozialen und politischen Fortschritt im Sinne erweiterter Humanität, Emanzipation und Partizipation. Daß die Gestaltung des wechselseitigen Verhältnisses dieser beiden Modernisierungskomponenten ganz wesentlich von den ambivalenten Modernisierungsinteressen des Industriebürgertums und dessen für die deutsche Geschichte charakteristischen sozialen Kompromiß mit feudalaristokratischen Interessen abhängig war, ist bekannt; die Vermittlung dieses Komplexes mit unserem Fragenkreis zu untersuchen, würde hier zu weit führen . Offensichtlich aber hat der Vorgang "Zurückdrängung des Eides im Gerichtsverfahren" an beiden Fortschritts- bzw. Modernisierungskomponenten teil: Soweit dieser Vorgang symbolisch und real den Verzicht auf staatliche Religionsvereinnahmung und auf (potentiellen) Gewissenszwang darstellt, ist er Ausdruck der Liberalisierung und Weltoffenheit und damit des politischen und sozialen Fortschritts. Dies gilt auch für die Möglichkeiten, anstelle des religiösen Eides einen nichtreligiösen Eid zu schwören oder eine eidesersetzende Bekräftigung abzuzgeben. Gleichzeitig aber stellt die Entwicklung - so, wie sie tatsächlich stattgefunden hat - eine starke Komponente in der Deformalisierung und Flexibilisierung des Strafverfahrens dar: Die Abnahme des Eides vor allem des Nacheides - war ein deutlicher, formalisierter, protokollmäßig fixierbarer Vorgang, an den mit einer ebenso klaren Bezugnahme die MeineidStrafnorm anknüpfte. Dies stellte ein Stück Rechtssicherheit dar, das mit der
42
So auch schon Stimmen im 19 Jahrhundert; vgl. zB. Krauß, GS 3(1851), 439: "Wenn .. die letzte den Menschen gemeinschaftliche Grundlage von den öffentlichen Organen profanirt wird, wie ist dann zu erwarten, daß der Einzelne den Eid heilig halte?"; D.t Meineid aaO. S.413: "Nichts wirkt nachtheiliger auf die Heilighaltung des Eides, als die unnöthige Vervielfältigung desselben. Es ist daher eine Aufgabe der Gesetzgebung, diesen Mißbrauch des Eides zu vermeiden". 43
Für den Kulturbereich, insb. den Musikbetrieb, s. Peter Gay; Freud, Juden und andere Deutsche. Herren und Opfer in der modernen Kultur (TB-Ausg.1989), passim, insb. S.43 ff., S. 239 ff. 44 Es genüge insoweit der Hinweis auf Bismarcks Presse-und Finanzpolitik ("Weifenfonds") und an seine Geheimdienstpolitik (dazu WJ.C.F. Stieber, Spion des Kanzlers. Die Enthüllungen von Bismarcks Geheimdienstchef. 1978) sowie auf die in Flugceugeinsätzen im Wahlkampf, in "Volksempfängern", "Volkswagen" und Autobahnen sich manifestierende Modernität des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. Vgl. auch/femtig, Historikerstreit S.175: "Faschismus verdeutlicht das Auseinanderfallen von Momenten des gesellschaftlichen Fortschritts; Fortschritt wiid allein als technische und technokratische Kategorie verstanden, während das Begriflsmoment des Fortschritts der Menschheit, der fortschreitenden Humanisierung, aufgegeben wird". 45
Zum Problem des deutschen "Sonderweges" s.noch u.b.Fußn.124 u.144.
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Ersetzung durch die strafbare falsche uneidliche Aussage verloren ging46. So sehr es daher einleuchten mochte, mit dem Eid auch alle anderen formellen Wahrheitsbekräftigungen von Zeugen- und Sachverständigen entfallen zu lassen, so sehr gab es auch gute Gründe gegen ein solches Vorgehen. Der Versuch von 1930, den Eid abzuschaffen ohne gleichzeitig die Aussagebekräftigung aus dem Prozeß zu eliminieren , scheiterte; obgleich sprachlich nicht sonderlich geglückt, hätte er in der Tat die Ersetzung eines staatsreligiösen Instituts durch ein funktionsgleiches bürgerliches dargestellt. Treibende Kraft der Entwicklung - so zeigt sich hier - war letztlich nicht der Modernisierungsgedanke in seiner sozialfortschrittlichen, sondern in seiner technizistischen Komponente. Damit führt dieser Gedankengang zu jenem zurück, in den unsere Überlegungen zum Stichwort "Konnexität" ausgemündet sind. Dort ist festgestellt worden, daß die weitgehende Ersetzung des mit der MeineidStrafdrohung gekoppelten Eides durch den Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage eineflexibel handhabbare, Strafverfolgung weitgehend vom Ermessen der Strafverfolgungsbehörden abhängig machende Rechtslage schuf. Die Betrachtung aus der Perspektive "Säkularisierung" bestätigt, daß progressive und konservative Forderungen in eben diesem Punkte konvergierten. Gleichzeitig mit dem Eid jede förmliche Bekräftigung aus dem Verfahren zu verdrängen, bedeutete, ein Element "unzweckmäßigen", "systemwidrigen", "unflexiblen", "rituellen" Prozedierens zu eliminieren, das in seiner Starrheit und Sperrigkeit den Dispositionsgelüsten der Strafverfolgungsbehörden Zügel angelegt hatte. Die hohe Meineid-Strafdrohung, ergänzt um die starre Strafmilderungsregelung der §§ 157,158 StGB 1870 weist in dieselbe Richtung48. Umgekehrt dokumentieren die heutige Beschränkung der Eidesleistung auf das Nachsprechen der Eidesformel, die Möglichkeit der Berufung auf den früheren Eid sowie der mildere Strafrahmen des heutigen § 153 StGB und die flexible Regelung der heutigen §§ 157,158 StGB die Abkehr von dieser Richtung.
46
Abschwächend muß freilich ergänzt weerden, daß bis 1933 im Strafprozeß der Voreid, für den diese Aussage in geringerem Maße Geltung besitzt, die Regelform des Eides darstellte. 47 Hierauf lief auch trotz anderer Zielsetzung (nämlich: Wiedereinführung des konfessionellen Eides) schon früher ein (ernstgemeinter) Vorschlag des Zentrums im Reichstag hinaus: "Wir haben gar nichts dagegen, wenn für solche, die offen bekennen, daß sie nicht einmal im weistesten Sinne des Wortes an einen persönlichen Gott glauben, an Stelle der Aussage unter der Anrufung Gottes die Aussage *bei Vermeidung von fünfzehn Jahren Zuchthaus' gesetzt werde". (Lieber, Zentrum-MdR, in: Sten.Ber.RT, IX.Leg.Per., IV.Session 1895/97, 204.Sitzung vom 2April 1897, S3459). 48 Wo die alte Regelung tatsächlich zur Anwendung gelangte, war sie freilich für die Betroffenen umso härter. Spektakuläre Fälle dieses Bereiches bildeten einen beliebten Gegenstand der Justizkritik vor allem in der Zeit der Weimarer Republik, (s. zB. Sling, Richter und Gerichtete S.299 ff.; Ders., Justiz 1927/28, 165 ff. In Feuchtwangers Roman "Erfolg" steht ein solcher Fall im Mittelpunkt der Handlung). Andererseits muß zu dem im Text Gesagten noch ergänzt werden, daß der Meineid bis 1924 in die Zuständigkeit des alten "echten" Schwurgerichts fiel und daß die Geschworenen gerade in Meineidsachen häufig den Erwartungen der Anklagebehörde nicht nachkamen; s. dazu Vormbaum, Lex Emminger S.137.
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2. Ein Mißverständnis wäre es ferner - auch dies hat die Untersuchung ergeben -, Säkularisierung mit einer Tendenz zur Zurückdrängung des Strafrechts gleichzusetzen. In manchen Bereichen mag sich dies feststellen lassen, etwa in denen der Religionsschutzdelikte49 und der Sexualdelikte im weitesten Sinne50; in anderen Bereichen hingegen, so in dem unserer Untersuchung, ist die entgegengesetzte Tendenz festzustellen. Alle Entwürfe von 1909 bis 1933 sahen den neuen Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage vor; zwar versäumte es kaum einer von ihnen, Begrenzungen vorzusehen, die sicherstellen sollten, daß die Neukriminalisierung lediglich Ersatz für die weggefallene Meineidstrafbarkeit schaffe. Verwirklicht worden sind von diesen Vorschlägen aber nur die Beschränkung des Täterkreises auf Zeugen und Sachverständige sowie die (für Gerichte kaum 51 relevante) Beschränkung auf Aussagen vor den "zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Stellen", so daß im Ergebnis eine Erweiterung des Strafbarkeitsbereiches eingetreten ist. Damit ist bereits das nächste Stichwort dieser abschließenden Überlegungen angesprochen. Kriminalisierung Vordergründig bietet die Neukriminalisierung der falschen uneidlichen Aussage nichts Auffälliges: Ein neuer Straftatbestand wird etabliert, zur Kritik umso weniger herausfordernd, als er nur einen anderweitig entstandenen straffreien Raum wieder abdecken will. Auffälliger ist bereits, daß - wie gerade wieder angesprochen - die Gesetz gewordene Regelung mehr als nur jene Fälle erfaßte, in denen die Meineidstrafbarkeit wegen der Verringerung der Eideslei-
49 Diese Plausibilitätsannahme bedürfte freilich der genaueren Überprüfung vor allem beim Tatbestand der Gotteslästerung. Seit Feuerbach diesem mit der bekannten Begründung, es sei unmöglich, daß "die Gottheit injuriiert werde", undenkbar, "daß sie wegen Injurien sich an Menschen räche", eine Torheit, "daß man sie durch Strafe ihrer Beleidiger versöhnen müsse" (Radbruch, Feuerbach S.87), ins Wanken gebracht hat, ist durch Gesetzgebung und Gesetzinterpretation an die Stelle des Religionsschutztatbestandes ein Tatbestand zum Schutz des "öffentlichen Friedens" (vgl. § 166 StGB) gerückt, der in manchen - regionalen und sachlichen - Bereichen die Rolle des alten Tatbestandes übernommen hat - ein schönes Beispiel für die Gehlen'sche These von der "Ewigkeit der Institutionen", ein weniger schönes Beispiel für den Variationsreichtum und die Fungibilität der Rechtsgut-Lehre (s.noch u.b.Fußn.154). Verblüffend ist die Ähnlichkeit dieses Vorganges mit der Transformation des Meineid-Tatbestandes vom Religionsschutz-Tatbestand zum Rechtspflegeschutz-Tatbestand; die Ähnlichkeit vergrößert sich noch, wenn man auf der Tatbestandsebene die heutige Fassung des § 166 mit dem Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage funktional äquivalent setzt. Vollständige Parallelität wäre freilich nur dann erreicht worden, wenn der alte Gotteslästerungstatbestand - parallel zum Meineidtatbestand - zum Qualifikationstatbestand (Tathandlung des § 166 Abs.l, qualifiziert durch Gotteslästerung) umfunktioniert worden wäre. 50 Also etwa auch der Kindestötung bzw. des Gefahrdungsdeliktes der Verheimlichung einer Schwangerschaft; dazu i.e. Wächtershäuser, Das Verbrechen des Kindesmordes im Zeitalter der Aufklärung (1973), passim, insb. S.145 ff.; neuerdings auch Cyrus , "Kindesmörderinnen" und das Gesetz von 1795 (bremisches Partikularrecht) wider das vorsätzliche Verheimlichen von Schwangerschaft und Niederkunft; in: KrimJ 2.Beiheft 1987 (Kriminologie und Gechichte), S.131 ff. 51
Zu den wenigen Ausnahmen s. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.155 ff.
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stungen weggefallen war. Der neue Tatbestand ist in seiner Ausgestaltung durchaus symptomatisch für eine bedenkliche Entwicklung in der neuen Strafrechtsgeschichte, die man als tendezielle Ausweitung, Deformalisierung und Entfragnentarisiemng des Strafrechts bezeichnen kann . Diese These mag nach der Diskussion der Aspekte "Konnexität" und "Säkularisierung" nicht mehr überraschen; sie kollidiert indes mit einer verbreiteten Auffassung, die gerade unseren Untersuchungszeitraum - abgesehen von den 12 Jahren der NSHerrschaft - als einen der stetigen Milderung und Humanisierimg des Strafrechts begreift 53. Eine solche Sicht ist jedoch zu undifferenziert. Man könnte sie dahin präzisieren, daß die Kriminalpolitik dieses Zeitraums dahin tendiert, immer mehr Verhaltensweisen für strafbar zu erklären, andererseits aber hier nun in der Tat mit Ausnahme der NS-Zeit, aber auch der ersten Nachkriegszeit - abgestufter, meistens milder zu strafen oder, statt zu strafen, andere, meist mildere Sanktionen zu verhänizen54 : Schlagwortartig ausgedrückt: Kriminalisierung neben Depoenalisierunf? oder: Mehr Straßarkeit, weniger Strafe. Allerdings verlaufen diese beiden Entwicklungsstränge nicht voneinander unabhängig; sie bilden untereinander und mit anderen Strängen ein Geflecht, das insgesamt die eingangs kritisierte Entwicklung ausmacht. Löst man dieses Geflecht erneut auf, diesmal aber in feinere Fäden, so treten Erscheinungen und Tendenzen ins Blickfeld, die jedem Beobachter des gegenwärtigen Strafrechts vertraut sind: - Vorfeldkriminalisierung und Umfeldkriminalisierung durch Aufstellen von Gefährdungstatbeständen56, Organisationstatbeständen57 und Unternehmenstatbeständen58 sowie von
52 Die drei im Text verwendeten Begriffe sind keine untereinander abgegrenzten; sie überschneiden sich in weiten Bereichen und stehen im übrigen auch in funktionalem Zusammenhang. 53
So auch noch Verf.,
Entkriminalisierung aaO. S.323 und S.343.
54
Vgl. Frommel, Präventionsmodelle S.39: "Quantitative Ausdehnung, verbunden mit einer stärkeren Abstufung der in Betracht kommenden Sanktionen". 55
Als "Kriminalisierung" und "Entkriminalisierung" werden hinfort gesetzgeberische oder interpretatorische Veränderungen auf der Definitionsseitc der Strafnorm bezeichnet. Auf der Sanktionsseite bieten sich die Bezeichnungen "Poenalisierung" bzw. "Depoenalisierung" oder trendgerecht - "Diversion" an, jedoch bedarf es in diesem Bereich noch terminologischer Klärungen. 56
Kritisch dazu in jüngster Zeit zB. Bussmann, KritV 1989,129; s. auch noch die Nachweise in Fußn.70 ff. u. 106. - Auch im ausländischen Strafrecht wird die Tendenz zu dieser Gesetzgebungstechnik mit Sorge beobachtet. Über die Arbeit einer von der niederländischen Regierung eingesetzten Kommission, welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Bestrafung von Vorbereitungshandlungen untersuchen soll, berichtet Th.de Roos (NJB 1989,845 ff.); er fordert, daß "het parlement eindelijk eens de dijkbreuk in de rechtsstaat en de stortvloed van de criminalisering moet gaan bestrijden, desnoods dwars tegen het "gesundes Volksempfinden", in plaats van de (ernstige, georganiseerde) criminaliteit zelf tegen te gaan met middelen di op den duur meer schaden verorzaken dan dat zij bijdragen aan een voor alle burgers veilige samenleving".
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Verletzungstatbeständen, die in der Sache nichts anderes darstellen als Vorbereitungshandlungen zu bereits tatbestandlich erfaßten Handlungen59; - Geringschätzung des Bestimmtheitsgebots bei der Aufstellung, des Analogieverbots bei der Auslegung von Straftatbeständen 60; - Regelbeispiel-Kataloge anstelle von Katalogen mit abschließend aufgezählten Qualifikationsfällen 61 ; - Objektive Bedingungen der Strafbarkeit anstelle von objektiven Tatbestandsmerkmalen mit Vorsatz-und Irrtumskonsequenz und Fahrlässigkeitstatbeständen
57 Die jüngste Entwicklung im Bereich der Kriminalisierung "terroristischer Vereinigungen" ist ebenso symptomatisch wie die ursprüngliche Funktion des § 129a StGB; seinerzeit als Vergehens(!)-Tatbestand konzipiert, dessen wesentliche Funktion darin bestand, Anknüpfung^tatbestand für allerlei Eingriffsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden und Beschränkungen prozessualer Rechte des Beschuligten zu sein, ist er anläßlich einer terroristischen Zwischenwelle in der Mitte der Achtzigeijahre zum Verbrechen hochgestuft und seine Anwendung ist weit in den Bereich zwar schwerer, aber von der Struktur und dem Gewicht typischer terroristischer Straftaten weit entfernter Bezugstaten ausgedehnt worden; krit. Dencker, StrVt 1987,119 ff. 58 Der 1938 entstandene, 1946 durch Kontrollratsgesetz aufgehobene, 1952 modifiziert wieder eingeführte Straftatbestand des § 316a StGB bietet nicht nur ein gutes Beispiel für diesen Tatbestandstypus, sondern ist auch mit seiner bloß fakultativen Rücktrittsregelung (Abs.2), mit seiner ebenfalls bloß fakultativen (1971 eingeführten) Strafmilderungs- und Strafabsehensregel (Abs.l S.2) sowie mit seinem Strafrahmen, der - lediglich durch die Kriterien "besonders schwere Fälle" und "minder schwere Fälle" konkretisiert - Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr bis zu lebenslang androht, symptomatisch für die Entwicklung . 59
S. dazu Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff.
60
Beispiele für beide Tendenzen finden sich in großer Zahl in allen Kommentaren zu § 1 StGB; s. auch Otto, Grundkurs Strafrecht A T (3A.1988), § 211; Kritik aus rechtshistorischer Sicht b. Marxen, Kampf S.260 ff. - § 240 StGB ist nur das markanteste Beispiel in Aufstellung und Anwendung. Die Verfassungsrechtsprechung ist dieser Tendenz nicht entgegengetreten. Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht bislang erst einen Straftatbestand wegen zu großer Unbestimmtheit für verfassungswidrig erklärt (BVfGE 17,306,314, wo es allerdings eher um die Widersprüchlichkeit als um die Unbestimmtheit einer Strafvorschrift des PersonenbeförderungsG ging). Das Verdikt des BayVGH (E 4 II, 194) über den landesstrafrechtlichen Tatbestand des "Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung" indiziert nicht Gegenteiliges, denn dieser Tatbestand ließ sich beim besten(?) Willen nicht halten; freilich: angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVfGE26,41 ) zum Unfugstatbestand des § 360 Abs.l Nr 11 StGB a.F. (vgl. jetzt § 118 Abs.l OWiG) muß selbst diese Annahme bezweifelt werden. Vgl. neuestens aber BVfG, NStZ 1989,139 = NJW 1989,1663 (Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs.2 FernmeldeanlagenG wegen Unbestimmtheit). 61
Das bekannteste Beispiel - § 243 StGB - betrifft immerhin eine Straftat, die in der polizeilichen Kriminalstatistik mit über 30% aller Straftaten zu Buche schlägt. Allerdings relativiert sich seine Bedeutung "wegen der absoluten Unüblichkeit von Freiheitsstrafen über 5 Jahren für Diebstahl einerseits, der Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe nach § 47 andererseits" (Maurach/Schroeder, BT/2, S.295). 62 Daß dieser Regelungstyp hierher gehört, wird deutlich, wenn man die "wirklichen" Tatbestandsmerkmale für sich allein betrachtet; wegen ihrer Uferlosigkeit führen diese sich selbst ad absurdum ("Sichberauschen" in § 323a StGB!). Die Beifügung der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ist daher nichts weiter als die Befolgung einer Forderung der praktischen Vernunft - nur eben auf einem Wege, der das Vorsatz- und/oder Fahrlässigkeitserfordernis umgeht. Kritisch zu den objektiven Bedingungen der Strafbarkeit Bemmann, Zur
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- Vermehrung und Erweiterung der Garantenpflichten bei unechten Unterlassungsdelikten63; - Einräumung weiter Spielräume für den Richter bei der Auswahl und Bemessung von Sanktionen, insb. Ersetzung der obligatorischen durch die fakultative Strafmilderung beim Versuch 64 und bei Regelungen über tätige Reue; - kriminalrechtliche Sanktionen (Maßregeln der Besserung und Sicherung) gegenüber Tätern, die für schuldlos, insb. für schuldunfähig, befunden worden sind 65 ; - breite Grauzone im Grenzbereich von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht 66,in der die definitorische Zuordnung zu einem der beiden Bereiche von Zweckmäßigkeitserwägungen dominiert wird, und in der dank spezifischer strafprozeßrechtlicher Erledigungsformen die Verfahrensweise und die Sanktionen für Bagatellstraftaten sich denjenigen für Ordnungswidrigkeiten weitgehend angeglichen haben67; damit zusammenhängend - Tendenz zur Rückkehr zum bürokratisch-inquisitorischen Strafverfahrenstyp, gekennzeichnet u.a. durch zunehmende Aufweichung des Legalitätsprinzips, partielle Bestimmung des zuständigen Gerichts durch die Anklagebehörde, Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens, Quasisanktionierung nach § 153a StGB, Schmälerung des Beweisantragsrechtes des Beschuldigten, Verteidigerausschluß, Verteidigerüberwachung, Beschlußverwerfung sog. offensichtlich unbegründeter Revisionen, Abbau der Laienbeteiligung an der Strafrechtspflege 68.
Die Ursachen dieser Erscheinungen sind wenigstens anzudeuten. Im dichtstrukturierten, aber weniger komplexen Sozialgefüge der Zeit des Inkrafittretens des Reichsstrafgesetzbuches ist die Gesellschaft in weit größerem Umfang als heute in der Lage, das Verhalten ihrer Mitglieder zu überwachen und abweichendes Verhalten und die aus ihm folgenden Konflikte autonom, d.h. ohne Hinzuziehung staatlicher Instanzen, zu verarbeiten; viele heute alltägliche Gefahrenquellen, die sich typischerweise außerhalb festgefügter Sozialkontakte auftun (Straßenverkehr!), sind noch unbekannt; die alltägliche
Frage der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (1957); zu Eingrenzungsversuchen s. Hirsch, LK, § 227 Rn. 15 (zu § 227 StGB); BGHSt 10,249 (zu § 323a StGB). 63
Dazu zuletzt Seelmann, Opferinteressen und Handlungsverantwortung in der Garantenpflichtdogmatik, GA 1989, 241 ff.; s. auch bereits Marxen, Kampf S. 259 ff. m.Nachw. 64 Durch die Novelle v. 29.Mai 1943; im StGB-Kommentar von Schwarz (13.Aufl. 1949) wird diese Regelung als mit dem post-nationalsozalistischen Denken unvereinbar bezeichnet (aaO.§ 44 Anm.la). 65
Dazu die Kritik von Naucke, Wechselwirkung S.18; Ders., Grundlinien S.32.
66
Dazu ebenfalls Naucke, (Kleinbetrug aaO. S. 696 ff.; Ders., Wechselwirkung S.190).
67
Daß eine "Ballung juristischen Ermessens", dessen Ausübung kaum noch überprüft werden kann, nicht mehr nur bei Ordnungswidrigkeiten, sondern - durch das Zusammenspiel materiellstrafrechtlicher und strafprozeßrechtlicher Normen ermöglicht - auch bei (Bagatell) Straftaten anzutreffen ist, zeit am Beispiel des Kleinbetruges Naucke (Kleinbetrug aaO. S.698). Eine Umwandlung zahlreicher Bagatellstraftaten in Ordnungswidrigkeiten würde inzwischen nur noch zu einer Umetikettierung (scheinbarer Entkriminalisierung, s Naucke, GA 1984,205; Frommel, Präventionsmodelle S.36 ff.) führen. 68
Näher Vormbaum, Lex Emminger, insb. 12.Kapitel.
184
lO.Kapitel
Lebenswelt ist noch wenig von "wirtschaftlichen Kontexten durchdrungen" 69. Unter der Annahme, daß Strafnormen ein geeignetes und legitimes Mittel seien, neue Quellen sozialschädlichen oder -gefährlichen Verhaltens einzudämmen, ist es nur folgerichtig, daß der vom Strafrecht erfaßte Bereich expandiert, wenn diese Rahmenbedingungen wegfallen. Die Situation des Bürgers in der Gesellschaft wird zunehmend von Vereinzelung und anonymen Sozialkontakten, gleichzeitig aber von erweiterten technischen Möglichkeiten der Kommunikation und Mobilität geprägt; der Bereich spontan und selbstverständlich als verbindlich empfundener Hilfspflichten schrumpft (vor allem, wenn der entlastende Hinweis auf ihre professionelle Wahrnehmung durch Unfallhilfe, Feuerwehr, Caritas, Altersheime u.ä. möglich ist), während andererseits die Möglichkeiten des Eintritts von "Unfällen und gemeinen Gefahren" (s. § 323c StGB) zahlreicher werden. Manche sozial angepaßte Verhaltensweise (zB. Alkoholgenuß), die seinerzeit allenfalls begrenzte Risiken schuf, wächst sich im Zeitalter der Motorisierung zum Lebensrisiko für eine unbestimmte Vielzahl von Menschen aus; ein einziger Bedienungsfehler kann Folgen hervorrufen, die seinerzeit den Rahmen des Vorstellungsvermögens überschritten. Die technologische Entwicklung hat manche der herkömmlichen Straftaten leichter begehbar und darüber hinaus manches schädliche Verhalten, das früher schlicht durch die Macht der Verhältnisse ausgeschlossen war, überhaupt erst begehbar gemacht. Vermehrte Anwendung der bestehenden Straftatbestände bedeutet für den Justizapparat eine Mehrbelastung, die seine Leistungsfähigkeit bald übersteigt. Noch bevor der Arbeitsanfall auf Grund von Neukriminalisierungen vor allem in den Dreißigerjahren weiter anstieg, wurden Maßnahmen zur Vereinfachung des Strafverfahrens eingeleitet und - mitunter handstreichartig 71 - durchgeführt. Dennoch blieben Klagen wegen Überlastung der Justiz und Forderungen nach ihrer Entlastung durchgängige Diskussionsgegenstände der Prozeßgeschichte des 20 Jahrhunderts. Verfahrensbeschleunigung durch Verfahrensvereinfachung wurde - von kurzen Zwischenphasen abgesehen das durchgängige Heilmittel. Damit wurde ein Weg beschritten, der aus mehreren Gründen problematisch, ja verhängnisvoll ist: 1. Verfahrensvereinfachungführt zur Vernachlässigung von Verfahrensgarantien für den Beschuldigten und von "schützenden Formen" 72;
69
Bussmann, KritV 1989, 135.
70
Nicht zuletzt deshalb, weil er der Flut meist leichter bis mittelschwerer Gefährdungs-, Fahrlässigkeits- oder Umfelddelikte mit einem förmlichen, teilweise umständlichen Verfahrensinstrumentarium begnen mußte, das auf die Erhebung und Überprüfung schwerer bis schwerster Schuldvorwürfe zugeschnitten war; s. dazu Naucke, Wechselwirkung S.21. 71 Zur Lex Emminger, auf welche diese Charakterisierung in besonderem Maße zutrifft, s. Vormbaum, Lex Emminger (1988). 72
Ausführlich: Vormbaum, Lex Emminger Kap. 12.
Zusammenfassung und Ausblick
185
2. Verfahrensvereinfachung kennt - wie die Entwicklung dieses Jahrhunderts zeigt73 - keine immanente Schranke. Die Versuchung, bei Neukriminalisierungen die einfache Verfahrenserledigung von vornherein einzukalkulieren, ist groß 74; 3. Verfahrensvereinfachung als Mittel zur Entlastung der Strafjustiz besitzt ihre Alternativmöglichkeit in der Entkriminalsierung, also in der definitiorischen Verringerung des Arbeitsanfalls der Straf justiz. Entschwindet diese Möglichkeit dem kriminalpolitischen Blick, so beginnt die Suche nach immer weiteren Entlastungsmöglichkeiten75. Fertigt aber die Justiz Kriminalität als Massenware zu kleiner Münze ab, so fördert dies die Veralltäglichung des Verbrechensbegriffs und damit die Bereitschaft zu immer neuen Kriminalisierungen76. Problemlösung durch Kriminalisierung wird zur politischen Attitüde, die Problemlösung selber reproduziert und potenziert das zu lösenden Problem - ein "Kreislauf mit positiver Rückkoppelung", der in der freiheitlichen Rechtsordnung ebenso schädlich wirkt wie vergleichbar e Vorgänge in anderen Bereichen menschlichen Sozialverhaltens . 4. Neukriminalisierung, auch wenn, ja gerade wenn durch sie ein normativ-psychologisches Hemmnis (die Strafdrohung) an die Stelle früherer faktischer Hemmnisse tritt, bedeutet Ersetzung natürlicher Begrenzungen
73 Vor allem in der offenbar nicht aufzuhaltenden Expansion einfacher Erledigungsformen (Strafbefehl, Verweisung auf den Weg der Privatklage,Einstellung unter Auflagen) und der Vermehrung der Einstellungsmöglichkeiten aus Opportunitätsgründen. 74
Gut zu studieren an der Neukriminalisierung von Umwelt- und Wirtschaftsdelikten: "Die Umwelt- und Wirtschaftsschädigungen streben nicht mit dem Ziel in den Verbrechens- und Strafbereich zurück, daß sich ihnen die rechtsstaatliche Strenge der Verbindung von Verbrechen und Strafen öffne. Auch präventive Erziehung durch Strafe wird kaum gemeint sein. ... Was die Annäherung von Umwelt- und Wirtschaftsstraftaten an den 'eigentlichen' Verbrechensbegriff erreichen soll, ist die Legitimation harter, abschreckender Strafen ohne allzu bremsende hohe rechtsstaatliche Hürden" (Naucke, Wechselwirkung S.31). 75 Bleibt der Gesetzgeber insoweit untätig, so "kommt die Justiz nicht umhin, eigene Entlastungsstrategien zu entwickeln" (Albrecht, KritV 1986,69); auch dies ist ein Aspekt der gegenwärtigen Diversionsdebatte. 76 Zum festen Bestandteil neuerer Gesetze gehören inzwischen die im vorletzten Abschnitt unmittelbar vor den Übergangs- und Schlußvorschriften - routinemäßig piazierten Bußgeldund Strafbestimmungen. - Carl Joseph Anton Mittermaier hatte 1818 in einer Abhandlung zur Meineidproblematik empfohlen, zu "erwäg(en), daß es .. nicht Weisheit verrate, wenn der Gesetzgeber alle Handlungen, die er nicht billigen kann, mit Strafen verfolgt".(CJA.Mittermaier, Über den Meineid nach dem gemeinen Rechte und den Bestimmungen der neuesten Strafgesetzbücher,//!.· ArchCrR2, 85-120). Daß diese Empfehlung Früchte getragen habe, wird man weder allgemein noch für die Aussagetatbestände behaupten können. 77 So KLorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit S.43 (hier zit. nach d. Lizenzausgabe Gütersloh 1973), für die Bevölkerungsexplosion und den "Wettlauf des Menschen mit sich selbst". Zu den z.T. bedenklichen anderen Thesen von Lorenz ist damit keine Stellung bezogen.
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durch staatlicherseits verordnete Freiheitsbeschränkung. Die Problematik reicht damit über die bloße Suche nach technisch geeigneten Mitteln zur Verhinderung unerwünschter Verhaltensweisen hinaus. Für den Menschen des vorindustriellen Zeitalters war die Unmöglichkeit, eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu überschreiten, nicht eine Einschränkung seiner Freiheit, sondern Bestandteil der condicio humana. Verbietet ihm im Zeitalter der Motorisierung der Gesetzgeber eben dieses Verhalten bei Strafe, so entzieht er ihm einen Teil seiner (Bewegungs-) Freiheit. Unabhängig von der Bewertung dieser konkreten gesetzgeberischen Entscheidung7® stellt sich die generelle Frage nach der Legitimation staatlicher - und schon gar mit Strafsanktionen abgesicherter - Freiheitsbeschränkungen. Die Beantwortung der Frage bedarf größeren Begründungsaufwandes als bloß des Nachweises, daß ein strafbewehrtes Verbot eine effiziente Bekämpfung des mißbilligten Verhaltens gestatte. Die Beschränkung auf diese Begründungsebene wird durch die geschilderte Entwicklung gefördert.
5. Aussicht auf strafrechtlichen Schutz verleitet auf der (potentiellen) Opferseite dazu, faktische Hemmnisse abzubauen, wo sie als unbequem oder unprofitabel angesehen werden 79,80 . Überhaupt führt sie zur Vernachlässigung der Bereitschaft, Kriminalprophylaxe durch Schaffung struktureller Gegebenheiten81 statt durch (bloß) normative Beschränkungen zu betreiben: Das notorisch unfallträchtige Schnellfahren im Straßenverkehr wird durch den Bau schmalerer Straßen 82, und gedrosselter Kfz-Getriebe besser bekämpft als durch strafbewehrte Höchstgeschwindigkeitsvorschriften 83; straßenbauliche Maßnahmen in Wohnbereichen sind effektiver als die geforderte und dann, versteht sich, bußgeldbewehrte Höchstgeschwindigkeitsregelung Tempo 30". Datenschutzrechtliche Übergriffe von Ermittlungsbehörden werden durch den Verzicht auf maschinenlesbare Ausweise und Pässe oder doch wenigstens den Verzicht auf eine
78 Daß der Text sich nicht die Autoclub-Maxime "Freie Fahrt für freie Bürger" zu eigen macht, geht aus dem Folgenden hervor. 79 Über "Selbstbedienungsläden und Warenhäuser als Zugangschancen zur illegitimen Befriedigung des Konsumstandards" s. /. Wagner, Ladendiebstahl - Wohlstands- oder Notstandskriminalität? (Kriminolog.Schriftenreihe.70). 1979.S.117 ff.;s.auch//.G.Heüand, Gelegenheitsstrukturen und Massenkriminalität, i/t;MschrKrim 1987, 277 ff. 80 Nebenbei ist es auch kein Ausweis hochstehender Rechtskultur, sich in Kaufhäusern und anderen Selbstbedienungsläden mit zahlreichen Hinweisen auf die Entschlossenheit des Inhabers, jeden Ladendiebstahl "unnachsichtig" zur Anzeige zu bringen, konfrontiert zu sehen. Die Legitimierung dieses Hinweises mit einem behaupteten "Interesse der ehrlichen Kunden" streift den Bereich des Peinlichen. 81
Vgl. Albrecht, KritV 1988, 205 ("Strukturelle Prävention").
82
Die dem Holland-Touristen geläufige Erfahrung, daß auf den Straßen und Autobahnen der Niederlande ein deutlich niedrigeres Durchschnittstempo üblich ist als in der Bundesrepublik Deutschland dürfte vor allem auf Unterschiede in der Gestaltung des Straßenbaus (schmalere Fahrspuren; tempodrosselnde Gestaltung von Kreuzungs- und Einmünmdungsbereichen) zurückzuführen sein. Eine höhere Fahrmoral der niederländischen Kfz-Führer ist kaum als ursächlich anzunehmen; im grenznahen Raum, zB im Münsterland, sagt ihnen ein verbreitetes (Vor?-)Urteil eher das Gegenteil nach. - Zum Zusammenhang zwischen Tempound Risikobereitschaft von Autofahrern und dem "Anreiz-Charakter" der Straßenbaugestaltung s.die Mitteilung über eine einschlägige Studie b .J.Wille, Die Tempomacher. 1988. S.125 ff.,128. 83
Die Vorteile für den Umweltschutz sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
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Personenkennziffer besser verhindert als durch das strafbewehrte Verbot des Mißbrauchs solcher technischerMöglichkeiten Scheckkartenmißbrauch wird durch sorgfältige Prüfung der Bonität des Bankkunden besser begrenzt als durch eine - inzwischen in § 266b freilich Gesetz gewordene - Strafdrohung 85; Steuerhinterziehungen werden durch Meldepflichten der Kreditinstitute, durch Quellensteuern, durch bessere Aufklärung der Steuerpflichtigen und durch Erweiterung der Palette fiskusneutraler Steuerbefreiungsmöglichkeiten erfolgreicher verhindert als durch Strafvorschriften, deren Ineffektivität der Gesetzgeber mit der (ihrerseits ineffektiven) Selbstanzeigeregelung des § 371 AO selber einräumt 86 . Vergleichbare Möglichkeiten ließen sich in weiten Bereichen der Wirtschafts- und Umweltkriminalität erkunden 87.
Vor allem die zuletzt angeführten Beispiele zeigen, daß unser Untersuchungsbereich auch an dieser Problematik teilhat. Er bietet mit dem Bemühen um Verminderung der Eidesleistungen und um Vereinfachung der Eidesprozedur einen bescheidenen Ausschnitt aus ihr, wie er andererseits mit der Etablierung des Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage die Ausdehnung und Arrondierung 88 des Strafbarkeitsbereiches sowie die Tendenz zu abgestuften, zum Teil diskretionär handhabbaren Sanktionen bzw. Sanktionsmilderungen (Meineid-Strafrahmen; Strafrahmen des § 153; fakultative Strafmilderung und fakultatives Absehen von Strafe nach §§ 157,158 StGB) repräsentiert. Er macht allerdings auch deutlich, daß die skizzierte Entwicklung nicht nur linear verläuft, sondern auch Vernetzungen und Rückkopplungen aufweist: Die Forderung nach Kriminalisierung falscher uneidlicher Aussagen war Folge, nicht Voraussetzung der Forderung nach Verminderung der Eide, letztere aber wieder Folge der Überlastung der Justiz durch gesteigerten Kriminalitätsanfall. Der Eid wiederum gehörte als Bestandteil des prozessualen "Urgesteins" gleich in doppelter Weise zu jenen "faktischen Gegebenheiten", deren Beseitigung dazu beitrug, manches früher schwer oder gar nicht Machbare zu verwirklichen. Zum einen war er - wenn auch mit
84
Immerhin bietet im Bereich der ADV die neue Technologie selber Chancen, Schutzmechanismen gegen Mißbrauch zu entwickeln. Dies setzt aber voraus, daß den Schutzdestinatären die Motivation zur Entwicklung und Realisierung dieser Schutzmechanismen gestärkt wird. Voreiliger Erlaß von Straftatbeständen - womöglich sogar gegen Verhaltensweisen, die überhaupt erst durch zukünftige technische Entwicklungen ermöglicht werden (vgl. Welp, Datenveränderung < § 303a StGB >, in: IuR 1988,446 r.Sp.), können im Sinne des Rechtsgüterschutzes geradezu kontraproduktiv sein. 85
Zur Kritik s. die Nachweise b. Vormbam, Lex Emminger S.181, FN.54.
86
Hoffschmidt,
KritV 1989, 122 ff.
87
Vgl. Bussmann, KritV 1989, S.141 ff. m. Nachw.; s. insb. den Hinweis auf S. 141 f.: Entkriminalisierende Wirkung des § 54 Abs.l UrhG, dessen geänderte Fasung schon bei der Leerkassettenabgabe von Bild- und Tonträgem eine angemessene Urhebervergütung vorsieht und damit Strafvorschriften gegen unerlaubtes Überspielen überflüssig macht. 88
Im doppelten Sinne von "Verflächigung", d.h. sowohl Entfragmentarisierung des Strafrechts in diesem Bereich, als auch "bloße" Arrondierung; denn ein großer Teil der wirklich gewichtigen Fälle falscher Aussagen war bereits vorher durch andere Tatbestände, insb. die der Falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) und der Strafvereitelung (bzw. persönlichen Begünstigung) (§ 258 StGB) erfaßt.
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abnehmender Tendenz89 - als mysterium tremendum für die Aussageperson ein Tathindernis, dessen Wirkung über die konditionierende Wirkung der mit ihm gekoppelten Strafdrohung hinausging, zum anderen bildete er eine Schranke, die zur Feststellung der Strafbarkeit einer Falschaussage vor Gericht überstiegen werden mußte. War die Vorstellung, daß eine solche ausdrückliche Bekräftigung unabdingbare Voraussetzung für die Strafbarkeit falscher Aussagen sei, erst einmal geschwunden, so konnten Kriminalisierungserwägungen innerhalb gelockerter Rahmenbedingungen ausschweifen; so wird es verständlich, daß entgegen der ursprünglichen Absicht der neue Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage weitaus mehr Fälle erfaßte als nur diejenigen, die infolge der prozeßrechtlichen Entwicklung aus dem Geltungsbereich des Meineid-Tatbestandes ausgeschieden waren. Fügt man nach diesen Überlegungen die Elemente des eingangs aufgestellten Bedenkenkatalogs noch einmal zusammen, so präsentiert sich ein Modell, in dem Tatschuld-Strafrecht zum diskretionär handhabbaren sozialen Interventionsrecht mutiert; Instanzen der Strafverfolgung werden zu Instanzen der Sozialkontrolle y denen auf der Definitionsseite wie auf der Sanktionsseite weite Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräume eröffnet sind, und denen für den Fall des Einschreitens ein weitgefächertes Instrumentarium von Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung steht, darunter eben auch die im Strafgesetzbuch vorgesehene Strafverhängung -Strafrecht als Element des social engineering. Kritik an dieser Entwicklung - freilich mit unterschiedlichem Nachdruck - ist nicht ausgeblieben und, wenn die Anzeichen nicht trügen, in letzter Zeit deutlicher und reflektierter geworden. Man sieht die Gefahr des Übergangs vom "Bürgerstrafrecht" zum "Feindstrafrecht" 90 oder "Gefährlichkeitsstrafrecht 91" und zu einer "Kriminalpolitik ohne Legitimität"92, vom liberalen Rechtsstaat zum "sozial-autoritären Rechtsstaat" , zum "Präventionsstaat"94, zum "sozialen Interventionsstaat"95 oder zum "Sicherheitsstaat"96. Die Situa -
Die Zunahme der Verurteilungen wegen Meineides seit den Fünfzigeijahren des 19 Jahrhunderts bietet jedenfalls die Möglichkeit dieser Interpretation; zu beachten jedoch die berechtigte Kritik von Frommel (Präventionsmodelle S. 14 ff.) an der Leichtfertigkeit im Umgang mit historischen kriminalstatistischen Daten. Zahlen für die Zeit von 1854 bis 1878 b. Bauer, Eid S.98. 90
Jakobs, ZStW 1985,753 u.ö.
91
Dencker, StrVt 1988, 262 ff.; zust. Albrecht, KritV. 1988, 202.
92
Backes, KritV 1986, 315 ff.
93
Calliess, NJW 1989, 1338 ff.
94
Denninger, KJ 1988,1. (s. auch noch Fußn.154).
95
Albrecht, KritV 1986,58; Ders., KritV 1988,182 ff.; s. auch Marxen, Begründung aaO. S. 64 ("Übergang von einem formalen Rechtsstaat zu einem finalen Interventionsstaat", abgelesen an der Entwicklung der Strafrechtsdogmatik in der ersten Hälfte des 20Jahrhunderts. 96
Krauß, StrVt 1989, 315 ff.
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189
tionsanatysen stimmen im wesentlichen überein97, Ursachenanalysen und Therapievorschläge gehen hingegen auseinander, weil die Zielsetzungen unterschiedlich weit gesteckt und unterschiedlich strukturiert sind; rechtsphilosophische98 sowie rechts- und systemtheoretische99 Ansätze100 werden neben oder zusammen mit Ansätzen präsentiert, die sich darauf beschränken, Leitlinien für kurzoder mittelfristige Verbesserungen zu entwickeln101 oder mit den herkömmlichen Mitteln der Strafrechtsdogmatik einzelne besonders bedenkliche Elemente des Problemkatalogs zurückzudrängen bzw. einzudämmen102; abolitionistische Vorschläge - diese wieder mit unterschiedlichen Legitimationen, Strategien, ja Selbstverständnissen103 -stehen neben solchen, die das Strafrecht auf einen engen, aber auch unaufgebbaren Kern zurückführen wollen 104 . Schon die Erfüllung derjenigen Forderungen, in denen alle Kritikansätze konvergieren, - vor allem derjenigen nach Konkretisierung 105 oder Eliminierung einiger
97 Vor allem in der Einschätzung der Gefahren, die von der Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen zu "vorbeugender Kerôrec/imybekâmpfung" ausgehen, zumal wenn diese mit einer immer flächigeren Ausgestaltung von Strafnormen und mit zunehmender Vorfeldkriminalisierung zusammentrifft.Neue prozeßrechtliche Gesetze und Gesetzentwürfe erweitern noch das Instrumentarium zur Bestellung dieses Aufgabenfeldes; s. dazu auch Kniesel, ZRP 1989, 329: "Polizeirecht wandert (durch die Schaffung von Vorfeldtatbeständen) systemwidrig in das Strafrecht ein. ... Durch die von der Polizei bei der Bekämpfung solcher abstrakten Gefahrdungsdelikte angewandten Methoden (kann es) zu einem elementaren Einbruch in die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens kommen"; ähnlich Backes, KritV 1986,325,340; Albrecht, KritV 1988, 203; Strate , StrVt 1989, 406,410. 98 Naucke, vielerorts, zB. Wechselwirkung S.13 f. FN.6, S.38, FN.35; ZStW 1982,564; GA 1984, 215. 99
Calliess aaO.; Jakobs aaO.
100
Bedeutsam ist vor allem, daß sowohl Vertreter naturrechtlicher Gerechtigkeitslehren (vor allem Naucke) und ausgewiesene Präventionstheoretiker (Jakobs, Calliess) sich in ihrer Kritik sehr weitgehend einig sind. 101
Dencker, StrVt 1988, 263 ff.
102
S.z.B. HJ. Hirsch, Spannungsverhältnis aaO.; s.auch Ders., ZStW 1982,278; Jakobs, ZStW 1985,759ff.; Dencker, StrVt 1988,264 (Kritik an den strafausweitenden Folgen subjektiver Ansätze). 103 S. zB. S.Scheerer, Die abolitionistische Perspektive, in: KrimJ 1984,90 ff.; KF.Schumann, Labeling approach und Abolitionismus, in: KrimJ 1985,19 ff. - Zusammenfassende, teilweise kritische Darstellungen (auch unter Einbeziehung der benachbarten bzw. integrierten Problematik "Diversion") b. Kaiser, Abolitionismus aaO. S.1027 ff.; Walter/Geiter/Fischer, NStZ 1989,407 (f., Albrecht, KritV 1988,206 ff.; Ludwig, Diversion - Strafe im neuen Gewand (1989); M.Brusten, N.Herringer; P.Malinowsfä (Hrsg.), Entkriminalisierung. Sozialwissenschsaftliche Analysen zu neuen Formen der Kriminalpolitik; Naucke, Wechselwirkung S.39, FN.36. 104 Naucke, GA 1984,215 ("Rücknahme des Strafens zur Stärkung 'echten' Strafrechts"); Ders., Wechselwirkung S.36; Calliess aaO. S. 1343 ("...gibt das Strafrecht dem Staat die Kriterien, in welchen Fällen und in welcher Weise er jener Schutzpflicht zu genügen hat, die er als Inhaber des Gewaltmonopols stellvertretend für die Opfer und Betroffenen übernommen hat"). 105 Zur Forderung nach Konkretisierung des § 240 StGB s.zB. HJ. Hirsch, Spannungsverhältnis aaO.
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Tatbestände des Besonderen Teils 106 - würde einen inzwischen epochalen Stil der Kriminalpolitik 107 nachhaltig in Frage stellen. Gerade deshalb sind aber auch die Erfolgsaussichten zurückhaltend zu beurteilen. Dieser skeptische Hinweis leitet zum letzten Gesichtspunkt über. Kontinuität In den drei bisher betrachteten Komplexen haben sich Entwicklungslinien gezeigt, die kontinuierlich über den gesamten Betrachtungszeitraum verlaufen und noch über dessen Beginn zurückreichen. Diese Einsicht fügt sich jedenfalls dann, wen man den politischen Charakter der zuletzt geschilderten und kritisierten Entwicklung annimmt 108 - nur schwer in das vorherrschende Verständnis der deutschen Geschichtsentwicklung ein, welches den Zeitabschnitt zwischen 1933 und 1945 aus dem Zusammenhang der deutschen Geschichte herausfallen läßt. Dieses Verständnis hat es leicht, weil es an vordergründige Evidenzerlebnisse anknüpfen kann: die sog. Machtergreifung und die anschließende Ersetzung der parlamentarischen Demokratie durch die Führerdiktatur am einen Ende, die totale militärische Niederlage, die Zerstörung der deutschen Städte und die Befreiung von der Hitlerdiktatur am anderen Ende, dazwischen vor allem das, was durch das Stichwort "Auschwitz" wachgerufen wird - damit, so scheint es, sind Marken gesetzt, die hinreichen sollten, Diskontinuität plausibel zu machen. Gewiß besteht kein Anlaß, die qualitativen Unterschiede zwischen der Weimarer und der Bonner parlamentarischen Demokratie einerseits und dem NS-Regime andererseits abzuschwä-
106 ZB. der sog. Klimadelikte (Jakobs, ZStW 1985,774 ff.) bzw. Kommunikationsdelikte 0Albrecht, KritV 1988,201); s. auch Dencker, StrVt 1988, 262 ff. 107
Der nicht auf konservative Kriminalpolitiker beschränkt ist, sondern bis in den Bereich alternativen Politikverständnisses hinein gepflegt wird, wo er sein gutes Gewissen - so ist zu befürchten - aus einer angestrebten sozialen "Proportionalität" oder "Symmetrie der Strafdrohungen bzw. der Strafverfolgung ableitet (s. zu diesem Gesichtspunkt Vormbaum, Entkriminalisierung aaO. S.334 f.). - Naucke registriert im gegenwärtigen Recht u.a. einen "kämpferischen Stil"; "Bekämpfung .. durch Recht, diese Vorstellung gehört zu den juristischen Gewohnheiten" 0Naucke, Versuch über den aktuellen Stil des Rechts, in: KritV 1986,189 ff.; s. auch Dencker, StrVt 1988,266, FN.21). Illustrativ eine Stellenausschreibung des ("rot-grünen") Berliner Senats in: KJ 1989, 382 ff. 108 Eine gleichsam naive Kontinuitätsauffassung, die (deskriptiv) vom unpolitischen Charakter des Rechts und der Rechtswissenschaft ausgeht, ist freilich verbreitet, wenn nicht gar herrschend; vgl. nur Eb.Schmidt, Einführung S. 451, wonach auch in den Jahren der NS-Herrschaft "die Kontinuität echter Strafrechtswissenschaft nicht abgerissen ist". Kritik und weitere Nachw. bMarxen, Begründung aaO. S.56 ff. - Richtig ist freilich, daß es Bereiche gibt oder doch geben könnte, in denen mit spezifisch juristischen Argumenten Lösungen gefunden werden könnten, die auch gegenüber politischen Meinungsunterschieden bestandsfest wären (so die Forderung von Naucke, zuletzt NJW 1988,2873); die rechtsdogmatischen Kritikmöglichkeiten bei einem politisch besonders umstrittenen Straftatbestand (§ 240 StGB) führt HJ.Hirsch, Spannungsverhältnis aaO., vor. 109 Die zu dieser Zeit freilich bereits weitgehend zu einer - allerdings (wie K.W.Nörr Zwischen den Mühlsteinen S.243 f., insoweit zu Recht hervorhebt) noch nicht auf Dauer angelegten - Präsidialdiktatur mutiert war.
y
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chen; auch die Bereiche unveränderten Alltagslebens während der NS-Zeit 110 (jedenfalls vor Kriegsbeginn) bieten hierzu keinen Anlaß. Jedoch: Eine Betrachtungsweise, welche die historische Einordnung der NS-Zeit im allgemeinen von der nationalsozialistischen Terror-, Kriegs- und Ausrottungspolitik her, im Strafrecht von der nationalsozialistischen Rassen- und Kriegsgesetzgebung und der ihr ebenbürtigen Strafrechtsprechung her vornimmt, macht die - nicht nur nicht zu leugnende, sondern gegenüber neueren Relativierungsbemühungen zu betonende111 - Einmaligkeit von "Auschwitz" zu einem historiographischen Strudel, der das Forschungsinteresse über das ihm zukommende hohe Maß hinaus absorbiert und damit von Bedingungen und Folgen ablenkt, die nicht in seinem unmittelbaren Umfeld liegen1 . Damit aber ist gerade dem Bemühen um "Aufarbeitung" des Nationalsozialismus ein schlechter Dienst erwiesen. Denn diesem Bemühen muß es darum gehen, zu zeigen, daß die manifeste Rechtsstaatswidrigkeit des nationalsozialistischen Regimes und seine exorbitanten Untaten auch durch eine Tradition vorbereitet gewesen sind 113 , daß also das "Anormale" des Nationalsozialismus zu einem großen Teil nicht als Negation der Tradition, sondern als grausige Konsequenz wichtiger Traditionselemente zu verstehen ist; und die "Lehre" aus dieser Einsicht muß darin bestehen, solche Elemente, falls und soweit sie heute noch fortwirken, dingfest zu machen und sie wegen dieses historischen Stellenwertes in Frage zu stellen. Unser Untersuchungsgegenstand bietet hierzu Gelegenheit: Daß der Normenkomplex"Aussagetatbestände"seinenbescheidenen, aber repräsentativen Anteil an den oben aufgelisteten bedenklichen Tendenzen hat, wurde bereits geschildert. Die heutige Fassung verdankt in den wesentlichen (gleichzeitig in den bedenklichen) Punkten ihre Entstehung der NS-Gesetzgebung, wurde aber bereits vor 1933 diskutiert und in Entwürfen fixiert. Ein Bruch in dieser Kontinuität kann allenfalls darin erblickt werden, daß von den NSRechtswissenschaflern in der Strafrechtskommission des Reichsjustizministe-
110 Im Wortsinne illustrativ. HM.Enzensberger (Hrsg.), Tausend ganz normale Jahre. Ein Photoalbum des gewöhnlichen Faschismus von Otto Weber (1987); mehr die Veränderungen betonend: H.Focke/U.Reimer, Alltag unterm Hakenkreuz. Wie die Nazis das Leben der Deutschen veränderten (1979). 111
Quellensammlungen mit den wesentlichen Beiträgen zum Historikerstreit in: "Historikerstreit". Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. 2Aufl. München, Zürich 1987; D.Diner (Hrsg.), Ist der Nationalsozialismus Geschichte?. Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt 1987; H.Hoffmann (Hrsg.), Gegen den Versuch, Vergangenheit zu verbiegen. Frankfurt 1987; vgl. ferner H.U.Wehler, Entsorgung der deutschen Vergangenheit? Ein polemischer Essay zum "Historikerstreit". München 1988; /.Habermas, Eine Art Schadensabwicklung. Fankfurt 1987; E.Hennig, Historikerstreit. 112 Hennig aaO. S.157: "Ein kritischer Begriff der Normalitätsteile des Faschismus schließt eine ... Marginalisierung des Holocausts aus". 113 Ohne daß diesem Boden mit Notwendigkeit solche Früchte entsprießen mußten. Geschichte ist kraft der menschlichen Freiheit nach vorne offen, freilich in mehr oder minder großem Ausmaß.
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riums die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage sogar abgelehnt wurde. Jedenfalls konnten diejenigen, die im Schrifttum für die Strafbestimmung votierten, sich auf eine hinter 1933 zurückreichende Diskussionstradition berufen. Ein Charakteristikum der Diskussionen in der NS-Zeit mag man freilich in der Verwendung einerverwahrlosten Sprache 114 erblicken, eines populistisch-rüden Jargons, der um die sprachliche Umsetzung disziplinierter Gedankenführung nicht bemüht ist - ja nicht einmal um die kultivierte sprachliche Einkleidung undisziplinierter Gedanken. Gerade in unserem Bereich gewinnen die Forderung nach Bestrafung falscher uneidlicher Aussagen und die Rechtfertigung der schließlich durchgesetzten Regelung eine unüberhörbar aggressive Färbung; so, wenn behauptet wird, der geradezu entscheidende Gesichtspunkt für die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage, sei: "Wir fordern von jedem Volksgenossen heute eine anständige Haltung, anständig gegenüber der Gemeinschaft, wie gegenüber anderen Volksgenossen; mit einer solchen aber ist es schlechthin unvereinbar, bei einer Aussage vor Gericht, von der wichtige gerichtliche Entscheidungen abhängen können, zu lügen". Es handele sich darum, "die Forderung 'Vor dem Richter die Wahrheit' ohne Umschweife und Krücken um der inneren Sauberkeit willen grundsätzlich zu erheben." Soweit Volksgenossen "das Verantwortungsgefühl für die Bedeutung ihrer Aussage (fehle, müsse) ihnen das Empfinden hierfür anerzogen werden" 115 ; oder Es sei "untragbar, in einer Zeit, in der die Fahne der Wahrheitspflicht vor Gericht vorwärts getragen (werde), die Verteidigungslinie gegen die Verletzung dieser Wahrheitspflicht geradezu fluchtartig zurückzuverlegen", es gehe nicht an, daß "ein notorischer Schweinehund .. straflos aus(gehe), obwohl er gewissenlos Unheil gesät (habe), nur weil ein 'formaler Akt' unterblieben (sei)" 116 . Dennoch darf auch diese Erscheinung nicht ohne weiteres mit dem nationalsozialistischen
114 Ich paraphrasiere die von Rehbein, MschrKrim 1987, 197 ff., geprägte Bezeichnung "Verwahrloste Bildung", die das Nebeneinander von Kontinuität und Bruch in den Lehren der Strafrechtler und Kriminologen der NS-Zeit m.E. gut einfängt. Der Aufsatz des Nicht-Juristen Rehbein ist ein zorniges und empörtes Werk, wofür Verständnis aufbringt, wer die dort zitierten Sentenzen, zB. diejenigen Mezgers, liest ("Rassehygienische Maßnahmen zur Ausrottung krimineller Stämme"; "Ausmerzung volks- und rasseschädlicher Teile der Bevölkerung"; "Das Schöpferische im Menschen erstirbt im Untermenschentum"; aaO. S. 201). "Zorn" und "Empörung" scheint zu einem Problembegriff bei der Beschäftigung mit der NS-Zeit und wohl noch mehr - mit deren Verarbeitung nach 1945 zu avancieren. Dencker, Beurteilung aaO. S.295, bekennt sich zu seinem Zorn über die Behandlung der NS-Strafrichter nach 1945; Naucke, NJW 1988,2873, charakterisiert das Buch von I.Müller, Furchtbare Juristen, ebenso wie dasjenige von Messerschmitt/Wüllner, Wehrmachtsjustiz, als "empörtes Buch"; RSchröder, der seinerseits das Buch von LMüller als außerordentlich (!) sachlich qualifiziert (OLG Celle S.13, FN. 10), bezeichnet dafür - offenbar in warnender Absicht - das Buch von J.Friedrich, Freispruch für die Nazi-Justiz (1983), als "polemisch" (aaO. S.18 Fn.18). Daß Zorn dem wissenschaftlichen Ertrag hinderlich sein kann, ist nicht zu bestreiten; daß wissenschaftlicher Befassung mit der NS-Zeit die "Schamröte über Auschwitz" (/.Habermas) oder - zu ergänzen - über die deutsche Justiztradition hinderlich sein müsse, ist zu bestreiten. Ob die Empörung weit genug greift oder selbstgenügsam bleibt, ist freilich - wie Naucke in den erwähnten Rezensionen zu Recht herausstellt - eine andere Frage. Ein eher rhetorisches Problem ist, wieweit die Darstellung von NS-Verbrechen oder NS-Prozessen sich durch Häufung von Pejorativen selbst der wünschenswerten Wirkung beraubt; zu einem Beispiel s. Vormbaum, GA 1987,144. Notabene: Es sind nicht die "viehisch begangenen Morde" (RSchröder, Rez. Gruchmann, Justiz, in: KJ 1989,372), die das Exorbitante des Nationalsozialismus ausmachen, sondern es ist die nüchterne, "pflichttreue" Exekutierung eines bürokratisch organisierten Ausrottungsprogramms. (Anders die Nachkriegs-Rechtsprechung zu den sog. Exzeßtätem, über die J.Friedrich, Die kalte Amnestie. NS-Täter in der Bundesrepublik , mit verhaltenem Zorn berichtet). 115
Rietzsch (Reichsgerichtsrat im RJM), GA (DtStrR) 1943, 105 f.
116
Eben (Staatsanwaltschaftsrat im Reichsjustizministerium), GA (DtStrR) 1936,130 f.
Zusammenfassung und Ausblick
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Duodezennium ineins gesetzt weiden. Einerseits überwogen in den Beratungen der Strafrechtskommission kompetente und problembezogene Ausführungen die rüde Phraseologie, und in den Veröffentlichungen der Kommission sind sie durchweg dominant; zum anderen sind ähnliche Töne schon vor 1933, und nicht nur von nationalsozialistischer Seite, vernehmbar, so etwa, wenn 1903 in den Beratungen der Strafjprozeßkommission die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage mit der Begründung gefordert wird, sie sei "im Interesse der Autorität des Staates, des Ansehens der Gerichte und der öffentlichen Moral dringend geboten; erst durch die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage werde dem Volk zum Bewußtsein gebracht, daß man vor Gericht unbedingt die Wahrheit zu sagen habe" 117 , oder wenn 1913 in den Beratungen der Strafrechtskommission zugunsten derselben Forderung vorgetragen wird, es werde derzeit bei uneidlichen Vernehmungen "in erschreckendem Umfang und ohne Scheu die Unwahrheit gesagt", und es gehe darum, "das moralische Verantwortungsgefühl des Volkes in dieser Beziehung zu heben 7118 . Und wer - freilich mit heutigen, durch die Ereignisse der Folgezeit geschärftem Gehör - Liszt's berühmten Aufsatz über den Zweckgedanken im Strafrecht 119 auf sich wirken läßt, wird sich verschiedentlich eines unguten Gefühls ebenfalls nicht erwehren können 120 .
Ähnliche Erkenntnisse wie bei den Aussagedelikten erbringt die Betrachtung anderer Tatbestände, welche ihre Inkrafttreten ebenfalls der NS-Zeit verdanken 121 . Und nahezu alle Elemente des oben aufgestellten Katalogs bedenklicher Erscheinungen im Strafrecht lassen sich über 1933 hinaus zurückverfolgen 122. Hält man also die Zeitmarken 1933 und 1945 - ungeachtet ihres unzweifelhaften Gewichts - nicht für einschneidende Daten der Strafrechtsentwick-
117
S.o. 5.Kap. bei und in Fußn. 142.
118
S.o. ó.Kap.b. Fußn.79. - Zum autoritären Charakter des Topos "Erziehung" bzw. "Pflege des Volkes" durch (Straf-)Recht s. Marxen, Kampf S.253. 119
ZStW 1883, 1 ff.
120
AaO. S.15:"Wie ein krankes Glied den ganzen Organismus vergiftet, so frißt der Krebsschaden des rapid zunehmenden Gewohnheitsverbrechertums sich immer tiefer in unser soziales Leben"; aaO. S. 39 f.: "die Strafe (der Gewohnheitsverbrecher)... besteht in Strafknechtschaft mit strengstem Arbeitszwang; als Disziplinarstrafe wäre die Prügelstrafe nicht zu entbehren; obligatorischer und dauernder Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte müßte den unbedingt entehrenden Charakter der Strafe scharf kennzeichnen. Einzelhaft hätte nur als Disziplinarstrafe, verbunden mit Dunkelarrest und strengstem Fasten, einzutreten...". (Ähnliche Hinweise b. Naucke, Die Kriminalpolitik des Marburger Programms 1882, in: ZStW 1982,525 ff., hier S.529: "Die Sprache dieses Programms läßt sich über weite Strecken als bürokratisch mit heiklen emotionalen Untertönen ... auffassen"; weitere noch schlimmere Lûzr-Zitate aaO. S.548). Daß Liszts Kontrahent Binding später den Begriff der "Vernichtung lebensunwerten Lebens" kreierte, hebt die angeführten Stellen über die persönliche Sphäre hinaus und erweist sie als symptomatisch. 121
Nur Beispiele: §§ 240, 266, 267 StGB.
122
Einiges dazu sogleich.
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lung 123 , und hält man diese Entwicklung für eine Fehlentwicklung, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt, so stellt sich die Frage, worin und in welchem Zeitraum deren Ursachen zu suchen sind. In der strafrechtsgeschichtliche η Kontinuitätsthematik begegnen - ungeachtet spezieller Aspekte - zahlreiche kontroverse Standpunkte, welche aus der allgemeinen Kontinuitätsdiskussion bekannt sind. Wie dort stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein "deutscher Sonderweg" oder eine in wesentlichen Punkten konforme gemeineuropäische Entwicklung anzunehmen sei. Den markantesten und zugleich zeitlich entferntesten Punkt auf der gemeineuropäischen Betrachtungsebene setzt Naucke mit der These, ein auf instrumenteUe Rationalität reduziertes Strafrechts- bzw. Ära/denken während der Aufklärungsepoche - sogar bei Beccaria 124 - habe den Mißbrauch des Strafrechts als weltliches Herrschaftsinstrument abgestützt und sei damit für die Folgezeit traditionsbildend geworden. Damit ist die seit den Untersuchungen von Horkheimer/Adomo wogende Diskussion über Einordnung und Bewertung der europäischen Aufklärung auf die Strafrechtsgeschichte appliziert 125. In der Tat: Wenn als Schattenseiten der europäischen Aufklärung u.a. ihre Verschwisterung mit Herrschaft 126 und ihre mechanistische, gefühls- und lustfeindliche Erziehungsideologie127 angeführt werden, so wäre es recht erstaunlich, wenn gerade ein den Bereichen "Herrschaft" und "Erziehung" gleichermaßen benachbarter Bereich wie das Strafrecht 128 von dieser Mesalliance verschont geblieben wäre. Und wirklich besitzt von den vier Elementen der strafrechtlichen Aufklärung - Säkularisierung, Humanisierung,
123 So zuerst prononciert Marxen, Kampf S.275; s. ferner Ders., Begründung aaO. S.55; Naucke, Analogieverbot aaO. S.108; für das Strafprozeßrecht I.Müller, Das Strafprozeßrecht des Dritten Reiches, in: Rüfner/Sonnen (Hrsg.), Straf justiz und Politik im Dritten Reich (1984), S .59 ff. 124 Naucke, Beccaria aaO., insb. S.44 ff.; s. dazu Vormbaum, ZNR 1990. - Diese Kritik an Beccaria (die Naucke explizit nicht als Kritik an der Person B. und ihren Intentionen versteht; aaO. S.53) wird auf Widerstand stoßen; sie läßt sich indes aus dem Text von B.'s Hauptwerk "Dei delitti e delle pene" gut begründen. Selbst die vielgerühmten Forderungen nach Abschaffung von Folter und Todesstrafe werden in der Tat mit Zeckmäßigkeitserwägungen, weniger oder gar nicht mit schieren Humanitätserwägungen begründet. Freilich: Der Zeitbezug muß beachtet werden; die Strafrechtstheoretiker nach Beccaria fielen häufig genug hinter ihn zurück. (Einige Beispiele b. SMoccia, Die italienische Reformbewegung des 18Jahrhunderts und das Problem des Strafrechts im Denken von Gaetano Filangieri und Mario Pagano,;/*; GA 1979, 210 ff.; KSeelmann, Gaetano Filangieri und die Proportionalität von Straftat und Strafe, in: GA 1985, 241 ff. 125
S. aber bereits Eb.Schmidt, SchwZStrR 1958, 341 ff.
126
Horkheimer/Adorno,
Dialektik der Aufklärung S.19 u.ö.
127
Horkheimer/Adorno
aaO. S.3, 88ff.; vgl. auch Hennig, Historikerstreit S. 139.
128
Mit einem interessanten Vertreter des Erziehungs- (Straf-)Rechts der Aufklärung, Ernst Gottlob Morgenbesser, macht wieder bekannt: W.Schild, Aufklärerisches Strafrechtals Erziehungsrecht. Gedanken zu E.G. Morgenbessers Anmerkungen zum ALR (1798), in: ZNR 1982, 26 ff. - Vgl.i.ü. H.Glantschnik, Liebe als Dressur. Kindererziehung in de Aufldärung (1987).
Zusammenfassung und Ausblick
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Liberalisierung und Rationalisierung 129 - vor allem das letzte eine ähnlich ambigue Natur, wie sie oben 130 im Gedanken des Fortschritts erblickt worden ist. Die Verkümmerung von Rationalität und Vernunft zur bloßen Zweckrationalität entzieht Aufklärung gerade in ihrem wesenhaftesten Element 131 die verheißungsvollste ihrer Forderungen: Mündigkeit des Vernunftwesens Mensch 132 Die reduktionistische Verwirklichung von Rationalität, denkerisch hervorgerufen durch ihre Entmaterialisierung, politisch durch ihre Auslieferung an Herrschaft, läßt schließlich ihr Objekt (und zugleich Subjekt!), den Menschen, zum bloßen Begriff verblassen133 und ermöglicht den Einsatz von Rationalität sogar für irrationale Herrschaftsziele 134. Die europäische Aufklärung (u.zw. nicht nur die strafrechtliche) ist als Aufklärung unvollendet geblieben. Ob sie gescheitert ist 136 , ob und wie sie zu vollenden, zu korrigieren oder zu rekonstruieren wäre 137 - dies sind spannende Fragen und aktuelle Aufgabenstellungen heutiger Politik, nicht nur der Kriminalpolitik 138 . Daß die Defizienz der Aufklärung der einzige Ursachen-
129
Eb.Schmidt, SchwZStrR 1958, 343.
130
In diesem Kapitel b. Fußn.39ff.
131
In dem im Text vertretenen Verständnis von Aufklärung sind die anderen drei von Eb.Schmidt herausgestellten Elemente "nur" - notwendige - Folgerungen aus der Rationalität. 132 So in der Sache der bekannte erste Satz in Kants Aufsatz "Was ist Aufklärung?" (1783; ed.Weischedel Bd XI, S. 53 ff.). 133 Was nicht ausschließt, daß dieser entleerte Begriff emotional aufgeladen wird. In Schillers "Ode an die Freiheit", der Zensur zuliebe zur "Ode an die Freude" abgeschwächt, hieß es "Bettler werden Fürstenbrüder" - nüchterner, aber auch gehaltvoller (von der politischen Brisanz zu schweigen) als der unverbindliche, politisch (beet-)höflichere, emotional aber ansprechendere (freilich merkwürdig misogyne) Satz "Alle Menschen werden Brüder". 134 Auschwitz als historische Extremform: Irrationale Rassenideologie, exekutiert in einem fabrikmäßig durch"rationalisierten" Ausrottungsverfahren (s. auch bereits o.b. Fußn.44). 135 "Aufklärung" als philosophischer Sachbegriff und "europäische Aufklärung" als historische Epochenbezeichnung mitsamt ihren konkreten Wirkungen sollten unterschieden werden. 136 HMaier, Außenseiter (Tb-Ausgabe 1981) S.9, stellt dieses Diktum an den Anfang seiner Untersuchung (beschränkt es allerdings ausdrücklich auf die bürgerliche Aufklärung). Prüfstein für die These ist die Behandlung gesellschaftlicher Außenseiter, exemplarisch dargestellt an Juden, Frauen und Homosexuellen. Die Ergänzung um "Kriminelle" wäre nach dem zuvor im Text Dargestellten naheliegend, u.zw. selbst vom Labeling-Standpunkt aus, denn zumindest bei den Juden beruhte die Außenseiterrolle auch auf Zuschreibungsprozessen. 137
Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung S.6: "Die an Aufklärung geübte Kritik soll einen positiven Begriff von ihr vorbereiten, der sie aus ihrer Verstrickung in blinder Herrschaft löst". 138 Über der Kritik am rationalistischen Denken sollte nicht vergessen werden, daß Irrationalismus (oder gar Antirationalismus) eine große Gefahr für rechtsstaatlich-liberales Strafrechtsdenken ist (vgl. nur Marxen, Kampf S.47 ff.,73), kritischer (i.e. herrschaftsknüscher) Rationalismus hingegen seine Bedingung.
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faktor fur Fehlentwicklungen der europäischen Strafrechtsgeschichte gewesen sei, wird man freilich kaum annehmen können. Wie dieser Faktor im Vergleich mit anderen geschichtsmächtigen Faktoren zu gewichten ist, bedarf noch der Klärung; vor allem ist zu untersuchen, in welcher Wechselbeziehung Aufklärung und ihre Realisierungschancen zu anderen kulturgeschichtlichen, sozioökonomischen139 und politischen140 Entwicklungstendenzen gestanden haben. Zu fragen ist auch, welchen Stellenwert das Zweckmäßigkeitsargument im 18 Jahrhundert und in der Zeit danach bessesen hat - hatte auch hier Wahrheit ihre Zeit 141 ? Zu fragen ist ferner, welche entgegengesetzten Entwicklungen neben den angesprochenen Fehlentwicklungen - Aufklärung initiiert hat, womit sie als Januskopf in die strafrechtliche Gegenwart hineinragt 142. Fragen gibt es somit viele - mehr Fragen, als diese kurze Schlußbetrachtung Antworten wagen kann. Je nach politischen oder sonstigen Vorverständnissen werden die einflußreichen Traditionselemente unterschiedlich - sozioökonomisch, politisch, institutionell oder kulturell - gesetzt oder gewichtet143. Dies gilt auch 139
Die soziale Herkunft der Träger des Aufklärungsdenkens als Begrenzungsfaktor für die Radikalität aufklärerischer Forderungen betonen zB. UJ.Heuer, Allgemeines Landrecht und Klassenkampf (1960); G.Haber, Strafrechtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der französischen Aufklärung (1979) (dazu Rez. von Vormbaum, GA 1981, 235, und Schild, ZNR 1982, 73); s. auch Ders., Probleme der Strafrechtsgeschichte im Vormärz. Ein Beitrag zum Rechtsdenken des aufsteigenden Bürgertums, in: ZStW 1979, 590, sowie Blasius, Der Kampf um die Geschworenengerichte im Vormärz, in: Fschr.H.Rosenberg S.148 ff. 140 Zu denken ist vor allem an den Übergang von der traditionell-ständischen zur modernen legal-bürokatischen Herrschaftsform (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Studienausg. Hrsg. vJoh.Winckelmann , S.157 ff.). 141 Das Verhältnis von Effektivierung und Liberalisierung des Strafrechts ist heikel, aber - historisch gesehen - nicht durchweg widersprüchlich. Frommel zeigt am Beispiel Franz v.Liszt, wie bei der Änderung historischer Randbedingungen auch der Stellenwert einer kriminalpolitischen Argumentation sich verändern kann ÇFrommel, Präventionsmodelle S.40). Was die Aufklärungsepoche angeht, so zeigt die lange Reihe der von Fischi , Aufklärungsphilosophie, dargestellten Autoren durchweg Lehren, in denen der Zweckgedanke zu einer beträchtlichen Eingrenzung staatlicher Strafgewalt eingesetzt wird. War er dann nicht für das 18 Jahrhundert ein humaner Gedanke? 142
Differenzierend zB. Seelmann, Zum Verhältnis von Strafzwecken und Sanktionen in der Strafrechtsliteratur der Aufklärung; in: ZStW 1989, 335 ff., insb. S.351. - Auch Naucke hat positive Markierungspunkte der Strafrechtsgeschichte, die nach der Aufklärungszeit liegen, positiv gegen die Strafrechtsentwicklung des 20 Jahrhunderts abgehoben - etwa den Strafrechtsteil des preußischen ALR (Hauptdaten aaO.; Beccaria aaO. S.39) und das liberale Strafrecht der 2.Hälfte des 19Jahrhunderts ÇNaucke, Grundlinien S.30). Neuerdings hat Naucke freilich auch für diese Epoche nachdenklich stimmende Hinweise gegeben: auf das Kolonialstrafrecht (vgl. Naucke, Kolonialstrafrecht aaO.), sowie auf das Nebenstrafrecht, hier vor allem das Sozialistengesetz (vgl. Ders., Beccaria aaO. S.40, sowie Vortrag über nationalsozialistisches Strafrecht auf dem Bielefelder Rechtshistorikertag 1988). 143 Die erste Kontinuitätsthese dürfte aus der sozioökonomischen Perspektive der marxistischen Geschichtsforschung formuliert worden sein, die einen Entwicklungslinie des Kapitalismus zum Faschismus postuliert (inzwischen klassisch: M.Horkheimer, Die Juden und Europa , in: Ges. Schriften Bd 4, Frankfurt 1988, S.308: "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen") und trotz zahlreicher Relativierungen, die sie sich anhand jüngerer Forschungen hat gefallen lassen müssen, immer noch wichtige
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für die relativ selbständige Frage, warum gerade die deutsche Entwicklung an den Extrempunkt eines "nationalsozialistischen Strafrechts" gelangt ist. Offensichtlich ist sie eingebettet in die allgemeinere Debatte über einen "Sonderweg" der deutschen Geschichte144. Beschränkt man sich aber auf strafrechtshistorische Aspektstrukturen 145, so lassen sich rückwärtsschreitend folgende - sicherlich nodi vermehrbaren - Ereignisse, Zeitpunkte und Zeiträume benennen, welche Untersuchungsstoff für Fehlentwicklungen der deutschen Strafrechtsgeschichte anbieten: - Illiberale bzw. antiliberale Strafrechtsdogmatik 146 und Strafgesetzgebung 147 in der Weimarer Republik; - Die Kriegsstrafgesetzgebung von 1914 bis 1918148; - Die durch eine liberale Dogmatik nur schwach gebändigte zweckgerichtete Kriminalpolitik der soziologischen Strafrechtsschule 149.
Erklärungselemente anbieten kann. Freilich ist sie gerade für "Überbau"-Elemente wie das Recht nur selten operationalisierbar. (Die kritische marxistische Forschung hat stets betont, daß zwischen Basis und Oberbau kein Verhältnis schlichter Abhängigkeit bestehe, sondern ein vielfach gebrochenes Verhältnis, welches auch Rückwirkungen des Uberbaus auf die Basis einschließe, etwa infolge der bewußtseinsgestaltenden Kraft des Rechts; vgl. Ph.de Lara: Art. "Überbau"; in: Krit.Wörterbuch d.Marxismus Bd 9 (1989), S.1325 ff.). 144
Um- und zusammenfassend: H.Grebing, Der "deutsche Sonderweg" in Europa 18061945. Eine Kritik. (1986). 145 Der von J.Kocka t Theorieprobleme aaO. S.307, für die Sozialgeschichte verwendete Begriff der "Aspektwissenschaft" meint eine Betrachtungsweise, die - neben einer und teilweise auch im Gegensatz zu einer Betrachtung als "Sektorwissenschaft" (aaO. S.306) - ihren Teilbereich als "besondere Sehweise definiert, gemäß der der gesamte historische Verlauf 'unter dem Blickwinkel der Sozietät' erfaßt weiden soll" (aaO. S.307). Zumindest für mache Zeitabschnitte könnte diese Sichtweise auch für die (Straf-)Rechtsgeschichte fruchtbar gemacht werden. 146 Marxen, Kampf, insb. S. 76 ff.; Ders., Begründung aaO.; vgl. auch Naucke, Rückwirkungsverbot aaO. S.238 ff.; Ders., Analogieverbot aaO. S.97 ff. 147 Im Bereich des Strafprozeßrechts vor allem die Lex Emminger vom 4 Januar 1924; dazu Vormbaum, Die Lex Emminger (1988). 148
Naucke, Beccaria aaO. S.40; Ders.,ZStW 1982, 552 f. m.Nachw. - Im Strafprozeßrecht beginnt in dieser Zeit die Politik der Justizentlastung durch Verfahrensvereinfachung, welche dann durch die Lex Emminger von 1924 im großen Stil verwirklicht wird. 149 Marxen, Kampf S.159, 161 f., 248,267j>ers., Verhältnis aaO. S.82; Majer, Grundlagen S.175; Naucke, ZStW 1982,525 ff. -Alexander Graf zu Dohna hat "in manchen Gesprächen seiner letzten Jahre (der Sorge) Ausdruck (gegeben), ob nicht das Liszt'sche Programm der Zweckstrafe, seiner Sicherungen entkleidet, die Grundlage verfehlter nationalsozialistischer Strafrechtspflegemaßnahmen geworden sei, denen man sicher nicht Unzweckmäßigkeit, wohl aber Ungerechtigkeit vorwerfen mußte" (H.v.Weber, Alexander Graf zu Dohna, in: W.Kiiper (Hrsg.), Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20Jahrhundert (1986), S.275 ff., 278.
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- Die Strafgesetzgebung während der Zeit der "großen Depression" in den Siebziger- und Achtzigetjahren des 19Jahrhunderts 15**151; - Die gescheiterte Revolution von 1848 und die politische Säuberungswelle unter der Richterschaft in der Reaktionszeit152; - die Zeit der verspäteten Industrialisierung in der Zeit der Restauration und des Vormärz 153 , in der u.a. die Rechtsverletzungslehre durch die Rechtsgutverletzungslehre verdrängt wird 1 5 4 ; - Die auf die französische Revolution reagierende Strafgesetzgebung der deutschen Partikularstaaten155.
150 In diese Zeit fällt die Wendung von einer liberalen Freihandelspolitik zur Schutzzollpolitik, innenpolitisch abgestützt vom neuen Bündnis von Nationalliberalen mit Konservativen und Großagrariern; in unmittelbarem Kontext damit stand das Sozialistengesetz; der Schulenstreit in der Strafrechtswissenschaft setzte ein; möglicherweise ist es kein Zufall, daß Deutschland damals seine erste Welle terroristischer Attentate erlebte. 151 Im Strafrecht ist u.a. zu registrieren die "Lex Duchesne" von 1876, welche die bis dahin nur in unserem Untersuchungsbereich (s.§ 159 RStGB) bekannte Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zur generellen Regelung für Verbrechen erhob (vgl. Dencker, StrVt 1988,264), ferner die strafrechtlichen Vorschriften des Sozialistengesetzes, die ersten Anti-Terror-Gesetze (dazu J.Wagner, Politischer Terrorismus und Strafrecht im Deutschen Kaiserreich von 1871 , insb. S. 325 ff.) sowie ein mehr als drakonisches Kolonialstrafrecht (dazu Naucke, RJ 1988, 297 ff.). 152 Ingo Müller y Furchtbare Juristen S.16 ff.; anschaulich, im Detail freilich mitunter ungenau: B.Engelmann, Die unsichtbare Tradition. Bd 1: Richter zwischen Recht und Macht. Ein Beitrag z. Geschichte der deutschen Strafjustiz von 1779 bis 1918 (1988), insb. S. 135 ff. 153
In diese Zeit fallen vor allem die Karlsbader Beschlüsse und die Demagogenverfolgungen. Die Strafrechtsentwicklung in diesem Zeitraum war Gegenstand der strafrechtsgeschichtlichen Abteilung des 26.Deutschen Rechtshistorikertages in Frankfurt 1986. 154 Äußerlich markiert durch den bekannten Aufsatz von Birnbaum, Über das Erforderniß einer Rechtsverletzung zum Begriffe des Verbrechens, in: ArchCrR NF. 1834, 149 ff.; s. dazu Amelung, Rechtsgüterschutz S.41 ff.; Naucke, Mittermaier aaO., insb. S.104; Frommel, Strafjustiz aaO. S. 191 ff.; Dies., Mittermaier aaO. S.83). - So wichtig das Beharren auf dem Rechtsguterfordernis gerade gegenüber der heutigen Strafgesetzgebungs- und Rechtsprechungspraxis ist, so leichtfertig wäre es andererseits, die rechtsstaatliche Wachsamkeit auf die Einhaltung dieses Erfordernisses zu beschränken: Nicht nur kann es beim Erlaß von Strafnormen mit einigem Erfindungsreichtum leicht erfüllt werden (zur "Rechtsgutinflation" s. Bussmann, KritV 1989, 12; Volk, JZ 1982, 87 f.) und nicht nur kann es bei der Auslegung ebensogut wie für restriktives auch für extensives Verständnis verwendet werden (vgl. Vormbaum, Schutz des Strafurteils S.67); es birgt auch kriminalpolitische Gefahren, denn "bei konsequenter Fortführung des Ansatzes beim Rechtsgüterschutz müßte man sogar die gefährlichen Gedanken potentieller Täter und zudem noch die Quellen dieser gefahrlichen Gedanken strafrechtlich bekämpfen" (Jakobs, ZStW 1985,753). - Denninger, KJ 1988,1,14, beschreibt aus verfasungspolitischer Sicht den gegenwärtigen Rechtszustand als den eines Übergangs vom "Rechtssicherheitsstaat" zum "Rechtsgütersicherheitsstaat". 155 Reagierend im doppelten Sinne: zunächst abwehrend (s.zB. für Preußen: Naucke, Hauptdaten aaO.); sodann - während der napoleonischen Oberhoheit - sich anpassend. Vgl.zu den sozialen Bedingungen dieser Zeit der "defensiven Modernisierung" H.U.Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd 1 (1700-1815) (2A. 1989), S.347 ff.).
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Gemeineuropäische Faktoren von ähnlicher Bedenklichkeit für die allgemeine 156 wie für die Strafrechtsentwicklung überlagern bzw. verschlingen sich mit diesen spezifisch deutschen157; die strafrechtshistorische Forschung wird sie abschichten bzw. entflechten müssen. Betrachten wir abschließend noch einmal den Problemkatalog der neueren Strafrechtsentwicklung 158, so bleibt bemerkenswert, daß viele der als Belege angegebenen Normen in der NS-Zeit in Kraft gesetzt worden sind 159 . Offenbar erfuhr die kritisierte Entwicklung während dieser Zeit einen besonders kräftigen Schub160. Kommt dieser Zeit also doch eine "besondere" Bedeutung für die Strafrechtsentwicklung zu? Dies eingeschränkt zu bejahen bedeutet nicht, die zuvor vertretene Kontinuitätsthese zurückzunehmen, denn die fraglichen Normen bleiben schon deshalb Ausdruck der Kontinuität der jüngeren deutschen Strafrechtsentwicklung, weil sie bereits vor 1933 diskutiert und ausformuliert worden sind. Immerhin: In der Weimarer Zeit sind sie nicht in Kraft gesetzt worden; ob dies durch Skrupel in der Sache, durch prozedurale Schwerfälligkeit einer auf Diskussion und Interessenausgleich angelegten
156 Willkürlich gegriffene Beipiele: Die ubiquitäre Begeisterung über den Kriegsausbruch 1914; die gemeineuropäische "Epoche des Faschismus" (klassisch: Nolte , Der Faschismus in seiner Epoche ; s. ferner W.Wippermanrt, Europäischer Faschismus im Vergleich 1922-1982 < 1983 >). An der seit den Forschungen Fritz Fischers kaum noch zu bezweifelnden Hauptverantwortung des Deutschen Reiches für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges {F.Fischer, Griff nach der Weltmacht < 1961 > ; Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914 ) ändern diese Beispiele freilich ebenso wenig wie daran, daß faschistische Regimes nicht in allen europäischen Ländern zur Herrschaft gelangten und daß gerade das deutsche Regime den Zweiten Weltkrieg entfesselt und als einziges eine systematische, bürokratisch organisierte Ausrottungspolitik gegenüber "Fremdvölkischen" betrieben hat. 157 So ist die Abhaltung des internationalen Strafrechts-und Gefängniskongresses 1935 in Berlin zu erwähnen -eine ins Auge springende Parallele zu den Olympischen Spielen im darauffolgenden Jahr, vgl. Kolbe, Bumke S.248 ff. - Vgl. i.ü. Dahm, Nationalsozialistisches und faschistisches Strafrecht (1935), sowie Schubert, /Regge, Bd 1.1, S.XIII. 158
S.o.b.Fußn.56 ff.
159
S. die in den genannten Fußnoten angegebenen Belege. Zu ergänzen sind u.a.: der 1943 (durch die mehrfache erwähnte AngleichungsVO) neuformulierte Nötigungstatbestand (dazu Werle, S.441 ff.), die 1941 (durch Novelle vom 4.September, RGB1.I, S.549) neuformulierten Tötungstatbestände (dazu Thomas, Die Geschichte des Mordparagraphen. Eine normengeschichtliche Untersuchung bis in die Gegenwart , insb. S.239 ff.; s. auch Werle, S.338 ff.), der 1933 (durch Novelle v. 26.Mai, RGBl. I, S.295) neuformulierte Tatbestand der Untreue (vgl. Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals "Vermögensbetreuungspflicht" im Rahmen des Mißbrauchstatbestandes der Untreue , insb. SSO ff.; s. auch Werle, S.79 ff.) und der 1935 (durch Novelle v. 28Juni, RGB1.I, S.839) eingefügte Tatbestand der Unterlassenen Hilfeleistung (dazu Werle S.141 ff., hier S.168). 160 Zumal insoweit jene Normen hinzuzudenken sind, die nach 1945 wieder beseitigt wurden, denn sie können - wie im Text erwähnt - zu einem großen Teil als extreme Konsequenzen der besprochenen Entwicklung angesehen werden. Zur Aufhebung des Analogieverbotes Naucke, Analogieverbot aaO.; zur Mißachtung des Rückwirkungsverbotes Naucke, Rückwirkungsverbot aaO.
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parlamentarischen Demokratie oder schlicht durch Diskontinuitäten infolge zahlreicher Parlamentsneuwahlen bedingt war, spielt keine Rolle; denn jeder dieser Gründe würde seine Dignität gegenüber den Gesetzgebungsbedingungen der Diktatur besitzen161. Es war eben das NS-Regime mit seinen weniger skrupulösen rechtspolitischen Maximen162, seiner größeren Hermetik 163 und seiner durch kein Wählervotum unterbrochenen Herrschaftskontinuität, welches diese Gesetzgebungspläne realisierte. Sowenig es daher beruhigen kann, daß die Wurzeln einer in der NS-Zeit erlassenen Strafvorschrift in frühere Zeiten zurückreichen, so sehr muß Unruhe und skeptisches Fragen einsetzen, wenn diese Vorschrift bis heute in Geltung geblieben ist. Die Feststellung der Herkunft einer Strafvorschrift aus der Zeit des Nationalsozialismus ist somit jedenfalls heuristisch 164 für die aktuelle kriminalpolitische Diskussion gewinnbringend. Sachliche Erkenntnisse sind daraus allerdings nur dann zu gewinnen, wenn die über 1933 zurück- und die über 1945 hinausweisenden Traditionsstränge ins Auge gefaßt werden. Wird in dieser Weise die nationalsozialistische Strafgesetzgebung zum Menetekel heutiger strafge-
161 S. auch Dencker, StrVt 1988,264: (Feindstrafrechtliche Vorschriften der NS-Zeit waren) "in vielen Fällen vorbereitet durch Entwürfe, die sich bis dahin nicht hatten politisch durchsetzen können". Ebenso Schubert/Regge, Bd 1.1 S. XIII. 162 Was nicht ausschließt, daß zweckrationalistische oder ideologisch bedingte Skrupel sich kriminalisierungshemmend auswirken konnten. S.zB. die Forderung der NSDAP an ein neues Strafgesetzbuch, es müsse davon Kenntnis nehmen, daß die Justiz "den größten Bundesgenossen im Kampf gegen das Asoziale ... in der Partei (habe).... In Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe (sei aber) die Partei immerwährend gezwungen, einzelnen nehezutreten. Rechtsgutverletzungen (seien) dabei unvermeidbar. Das Gesetz (müsse) dem Rechnung tragen, indem es den Schutzanspruch des einzelnen einschränk(e). Eine Verfolgung dessen, der in Erfüllung seiner Amtspflicht in das Rechtsgut des einzelnen eingreif(e), (müsse) ausgeschlossen werden(BA, 22/856, B1168: Schreiben des Stellvertreters des Führers < Heß > an den RMJ v.30.Sept.l938. Hervorhebung von mir - T.V.). 163 Dabei wird nicht verkannt, daß gerade prozedurale Reibungsverluste - aber eben solche eigener Art - auch für das NS-Regime charakteristisch waren. Die Vorstellung von einer monolithischen Herrschaftsstruktur des NS-Staates ist von der zeitgeschichtlichen Forschung nicht bestätigt worden. Innerhalb der politischen Herrscherkaste - insbesondere zwischen staatlichen Stellen und solchen der Partei, innerhalb des Staatsapparates und und nicht zuletzt zwischen einzelnen NS-Größen - lassen sich spannungsreiche Verhältnisse ausmachen, ebenso in den Beziehungen dieser Kaste zu außerstaatlichen Machtzentren, - etwa: Wirtschaft, Militär, Akademie für Deutsches Recht, anfangs auch SA. Ob deshalb bereits vom NS-System als einer "Polyarchie" gesprochen werden darf (M.Broszat, Der Staat Hitlers < 1969 >, S.363 ff.), kann hier nicht en passant erörtert werden. Gegenüber den Beherrschten jedenfalls präsentierte sich das System im allgemeinen einheitlich, insbesondere dort, wo seine - insgesamt erstaunlich wenigen - gesicherten ideologischen Grundverständnisse berührt waren. Zu diesen wird man das Verständnis des Strafrechts als Feind- und Gefährlichkeitsstrafrecht zählen dürfen. 164 Also nicht etwa im Sinne eines naiven "Abiesens" von "Lehren" aus der Geschichte des Nationalsozialismus; dazu die Debatte von M.Stolleis U.D.Simon: Vorurteile und Werturteile der rechtshistorischen Forschung zum Nationalsozialismus; in: NS-Recht in historischer Perspektive (1981), S.13 ff.
R
Zusammenfassung und Ausblick
201
setzgeberischer und strafrechtsdogmatischer Tätigkeit 165 , wäre dies die beste denkbare "Bewältigung der Vergangenheit". Resümee Sicherlich bilden die Aussagetatbestände weder theoretisch noch praktisch einen herausragend wichtigen Normenkomplex innerhalb des Strafrechts; die polizeiliche Kriminalstatistik billigt ihnen - anders als etwa dem Exhibitionismus und dem Hausfriedensbruch - kein eigenes Zahlenwerk zu 166 . Immerhin: Der Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage ist bereits deshalb von speziellem Interesse, weil er eine trübe Spur durch die neuere deutsche Strafrechtsgeschichte zieht. Die schlichte HLüge vor Gericht" taucht als Straftat erstmals nach 1870 im barbarischen deutschen Kolonialstrafrecht auf 167 ; und bereits vor der allgemeinen Kriminalisierung der falschen uneidlichen Aussage im Jahre 1943 erfolgt 1941 durch eines der schlimmsten Rassenstrafgesetze der Nationalsozialisten, die Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten 168, die erste gesetzliche Fixierung des Tatbestandes der falschen uneidlichen Aussage. Auf einen breiteren Hintergrund projiziert mag dies denn doch kein Zufall sein. Der Zusammenhang mit der Ideologie des "kurzen Prozesses" - vornehmer und für normale Zeiten formuliert: mit dem Bemühen um Verfahrensbeschleunigung und um Entlastung der Gerichte - drängt sich auf. Und generell: Unsere Untersuchung hat ergeben, daß die Entwicklung der Aussagetatbestände seit 1870 mehrere für die Beurteilung der neueren Strafrechtsentwicklung bedeutsame Entwicklungslinien und -tendenzen zwar nicht dramatisch, aber in ihrem bescheidenen Rahmen doch repräsentativ bündelt. Wer die Auffassung teilt, daß diese Tendenzen für ein rechtsstaatlich-liberales Strafrecht bedenklich seien, der kann aus hundert Jahren Geschichte der Aussagetatbestände Anregungen nicht
165
Lackner, StGB, Vorwort zur 18Auflage (1989), bezeichnet es als "schmerzlich, daß es immer noch ganze Tatbestandsgruppen gibt, die nach einhelliger Ansicht der Umgestaltung bedürfen und deren Fassung zum Teil noch auf Gesetzgebungsakte aus der Zeit des Nationalsozialismus zurückgeht". 166 Allerdings wohl auch deshalb, weil es sich von vornherein um "justizinterne" Vorgänge handelt. 167
Naucke, Kolonialstrafrecht aaO. S.304.
168
S.o. 8.Kap.b. Fußn.127.
202
lO.Kapitel
nur für eine Reform dieser Tatbestände gewinnen, sondern auch Anschauungshilfe für die kritische Betrachtung anderer Regelungsbereiche169.
169 Die Strafrechtswissenschaft, deren "Schulenstreit" seinerzeit nicht zuletzt in der gemeinsamen Bereitschaft zu Neukriminalisierungen seine praktische Lösung fand, sollte heute die Umkehrung dieser Tendenz signalisieren. Wichtige Punkte einer "theoretischen Strategie" wären: - Vorrang der Entkriminalisierung vor allen Formen der Entpoenalisierung und Diversion; - Vorrang derjenigen Entkriminalisierungsforderungen, in denen alle Kritiker aus ihren unterschiedlichen Sichtweisen übereinstimmen (s. bereits Fußn.105 ff.); - Verzicht der Vertreter des Depoenalisierungs- und Diversions-Abolitionismus auf das Argument, die Verminderung der Straftatbestände verstärke das Gewicht der verbleibenden Straftatbestände; hingegen Zugeständnis der Befürworter eines unaufgebbaren Kerns von Strafnormen, daß (auch in diesem Bereich) Strafmilderung^- und ausschließ ungpmöglichkeiten, selbst wenn sie mit Zweckmäßigkeitsargumenten verfochten werden, Möglichkeiten der Humanisierung des Strafrechts bergen. (Das Referat von George P.Fletcher über "Utilitarismus und Prinzipiendenken im Strafrecht" auf der Strafrechtslehrertagung 1989 in Trier und die daran angeschlossene Diskussion waren bei Abschluß des Manuskripts noch nicht publiziert; s. aber inzwischen ZStW 1989, 803 ff.).
Synopse I Materielles Strafrecht (1): Preußisches Strafgesetzbuch von 1851 (QVerz. Β 1.11.15) und Reichsstrafgesetzbuch (QVerz. B. 2.2.4/5)
204
Synopse I: Materielles
Preuß.Strafgesetzbuch (1851)
echt ( )
Reichsstrafgesetzbuch (1870)
§125 Wer einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
§153 (unverändert)
§126 Wer als Zeuge in einer Civilsache oder Strafsache wissentlich ein falschesZeugniß mit einem Eide bekräftigt, oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falschesZeugniß verletzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
§154 Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugniß oder ein falsches Gutachten verletzt. Ist das falsche Zeugniß oder Gutachten in einer Strafsache zum Nachtheile eines Angeschuldigten abgegeben und dieser zum Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf Jahre betragenden Freiheitsstrafe verurtheilt worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein.
§127 Ist das falsche Zeugniß in einer Strafsache zum Nachtheil eines Angeklagten abgelegt, und dieser zur Todesstrafe, Zuchthausstrafe oder zur Strafe der Einschließung von mehr als fünf Jahren verurtheilt worden, so ist die Strafe Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. §128 Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet: 1) wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgiebt; 2) wenn derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgiebt; 3) wenn ein vereideter Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgiebt.
§155 Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet, wenn 1) ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt. 2) derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein- für allemal vereidet ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid abgibt. 3) ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt.
§129 Wer einer öffentlichen Behörde eine Versicherung an Eidesstatt wissentlich falsch abgiebt, wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu einem Jahre bestraft; auch kann gegen denselben zugleich auf zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§156 Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eidesstatt zuständigen Behörde eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wissentlich falsch aussagt, wird mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft
Synopse I: Materielles Recht (1)
Preuß. Strafgesetzbuch y.1851 (fehlt)
205
Reichsstrafgesetzbuch v. 1870 §157 Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineides (§§ 154,155) oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht, so ist die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn 1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder 2) der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussager zu ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. §158 Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher sich eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus des falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, wideruft.
§130 Derjenige, welcher einen Anderen wissentlich zur Ableistung eines falschen Eides in dessen eigenen Angelegenheiten, zur eidlichen Bekräftigung einer Unwahrheit oder zur Angabe der Unwahrheit nach abgeleistetem Zeugeneide zu verleiten versucht, soll mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden. Derjenige, welcher einen Anderen wissentlich zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt (§ 129) zu verleiten versucht, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft; auch kann gegen denselben zugleich auf zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§159 Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Meineides zu verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unternimmt, einen Anderen zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt zu verleiten, mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft.
(fehlt)
§ 160 Wer einen Anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, neben welcher auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann,
206
Synopse I: Materielles
Preuß. Strafgesetzbuch v.1851
echt ( )
Reichsstrafgesetzbuch v. 1870 und wer einen Anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.
(s. § 129)
§161 Bei jeder Verurtheilung wegen Meineids, mit Ausnahme der Fälle in den §§ 157 und 158, ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurtheilten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen In den Fällen der §§ 156 bis 159 kann neben der Gefängnisstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§131 Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht geleisteten Kaution, oder dem in einem Manifestations-Eide gegebenen Versprechen zuwider handelt, soll mit Gefangniß bis zu zwei Jahren bestraft werden.
§162 Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.
§132 Wer aus Fahrlässigkeit in eigenen oder fremden Angelegenheiten etwas Unwahres eidlich versichert, oder eine unwahre, ie Stelle des Eides tretende Versicherung abgiebt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Die Strafe wird ausgeschlossen, wenn der Thäter, bevor eine Anzeige gegen ihn gemacht oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet worden, und ehe noch ein Rechtsnachtheil für einen Anderen daraus entstandenist, seine unwahre Versicherung bei derjenigen Behörde, welcher er sie abgegeben hat, widerruft.
§163 Wenn eine der in den §§ 153 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen ist, tritt Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr ein. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäter, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft.
Synopse I I Materielles Strafrecht (2): Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch (QVerz. Β 2.2.13) Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs (1911) (QVerz. Β 2.2.15) Kommissionsentwurf von 1913 (QVerz Β 2.2.16) Entwurf von 1919 (QVerz Β 2.2.16.2) Entwurf von 1927 - Reichstagsvorlage (QVerz. Β 2.2.20) Entwurf vom Dezember 1936 (QVerz. A 2.3)
208
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
Vorentwurf zu einem Gegenentwurf zum Vorentwurf Kommissionsentwurf Deutschen deutschen Strafgesetzvon 1913 Strafgesetzbuch (1909) buchs (1911) §165 §226 §199 Wer vor einer zuständigen Wer vor einer zuständigen Wer vor einer zur AbnahBehörde einen ihm zugescho- Behörde einen ihm zugescho-me von Eiden zuständigen benen, zurückgeschobenen benen, zurückgeschobenen Behörde einen Eid falsch oder auferlegten Eid oder oder auferlegten Eid oder schwört oder durch eine uneinen Zeugen- oder Sachver- einen Zeugen- oder Sachver- wahre Aussage verletzt, wird ständigeneid wissentlichfalsch ständigeneid falsch schwört mit Zuchthaus bis zu zehn schwört oder durch eine oder durch eine unwahre Jahren, bei mildernden Umunwahre Aussage verletzt, Aussage verletzt, wird mit ständen mit Gefängnis nicht wird mit Zuchthaus bis zu Zuchthaus bis zu zehn Jahren unter sechs Monaten bestraft. zehn Jahren, bei mildernden bestraft. Eine von dem Gesetz Der Eidesleistung steht eine Umständen mit Geßngnis an Stelle der Eidesleistung vom Gesetz an deren Stelle nicht unter sechs Monaten be- zugelassene Beteuerung oderzugelassene Beteuerung oder straft. Eine von dem Gesetz Versicherung steht dem EideBerufung auf einen früheren an Stelle der Eidesleistung gleich. Eid gleich. zugelassene Beteuerung oder Versicherung steht dem Eide gleich. Ist die Handlung aus Fahr- (fehlt) Wer die Tat fahrlässig lässigkeit begangen, so tritt begeht, wird mit Gefängnis bis Gefängnis oder Haft bis zu zu einem Jahr bestraft. einem Jahr ein. §166 §200 §227 Wer einer zuständigen Wer einer zur Abnahme Wer einer zuständigen Behörde eine Versicherung an eidesstattlicherVersicherungen Behörde eine Versicherung an Eidesstatt wissentlich falschEidesstatt falsch abgibt, wirdzuständigen Behörde eine abgibt, wird mit Geßngnis bis mit Geßngnis bestraft. Die Versicherung an Eides Statt zu drei Jahren bestraft. DieBerufung auf eine abgegebenefalsch abgibt, wird mit GeBerufung auf eine abgegebeneVersicherung an Eidesstattßngnis bis zu drei Jahren Versicherung an Eidesstattsteht deren Abgabe gleich. bestraft. Der Abgabe steht die steht deren Abgabe gleich. BeruJUng auf eine frühere Versicherung an Eides Statt gleich. Ist die Handlung aus Fahr- (fehlt) Wer die Tat fahrlässig lässigkeit begangen, so ist die begeht, wird mit Gefängnis bis Strafe Geßngnis oder Haft zu sechs Monaten oder mit bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bestraft. Geldsstrafe bis zu eintausend Mark. § 167 (fehlt) Wer jemanden zur Begehung eines Meineides (§ 165 Abs.l) zu verleiten sucht, wird mit Zuchthaus bis zu ßnf Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, und wer versucht, jemanden zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt (§166 Abs.l) zu verleiten, wird mit Geßngnis bis zu
§228 Wer versucht, einen anderen zu einem Meineid zu bestimmen, wird mit Zuchthaus bis zu ßnf Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Wer versucht, einen anderen zur vorsätzlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt zu bestimmen, wird mit Geßngnis bis zu
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
Entwurf von 1919
Entwurf von 1927 (Reichstagsvoriage)
209
Entwurf Dezember 1936
§220 §378 §153 Wer vor einer zur Abnahme Wer vor einer Behörde Wer vor Gericht oder einer von Eiden zuständigen Behör- einen falschen Eid schwört anderen zur Abnahme von de einen Eid falsch schwört oder unter Eid eine falsche Eiden zuständigen Stelle oder durch eine unwahre Aussage macht, wird mit falsch schwört, wird mit Aussage verletzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft und auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Einem Eide steht die Lebenszeit für eidesuntauglich bestraft. Einem Eide steht BerufUng auf einen früheren erklärt. gleich eine Beteuerung oder Eid und bei Personen, die von In minder schweren Fällen Berufung auf einen früheren der Pflicht zur Eidesleistungist die Strafe Geßngnis nicht Eid, die das Gesetz an Stelle befreit sind, die an Stelle des unter sechs Monaten; daneben des Eides zuläßt. Eides zugelassene Beteuerungkann die Eidesuntauglichkeit auf die Dauer von fünf bis zu Wer die Tat fahrlässig gleich. begeht, wird mit Gefängnis bis Wer die Tat fahrlässig zehn Jahren beschränkt Werzu einem Jahr bestraft. begeht, wird mit Geßngnis bis dern. Ein minder schwerer Fall kann insbesondere vorzu zwei Jahren bestraft. liegen, wenn der Täter zu den Personen gehört, die unvereidigt bleiben können.
§379 §221 §185 Wer einer zur Abnahme Wer vor einer Behörde eine Wer einem Gericht oder eidesstattlicherVersicherungen falsche Versicherung an Eideseiner anderen zur Entgegenzuständigen Behörde eine Statt abgibt, wird mit Geßng- nahme von Versicherungen an Versicherung an Eides Stattnis bis zu drei Jahren bestraft.Eides Statt zuständigen Stelle falsch abgibt, wird mit Ge- Der Versicherung steht dieeine falsche Versicherung an fängnis bis zu drei Jahren Berufung auf eine frühere Eides Statt abgibt, wird mit bestraft. Der VersicherungVersicherung an Eides StattGeßngnis nicht unter drei steht die Berufung auf eine gleich. Der Versuch ist straf-Monaten, in besonders frühere Versicherung an Eides schweren Fällen mit Zuchtbar. Statt gleich. haus bestraft. Wer die Tat fahrlässig Wer die Tat fahrlässig In minder schweren Fällen begeht, wird mit Gefängnis bisbegeht, wird mit Gefängnis bisist die Strafe Gefängnis. Ein zu sechs Monaten oder mit zu einem Jahre oder mit minder schwerer Fall kann Geldstrafe bestraft. Geldstrafe bestraft. insbesondere vorliegen, wenn der Täter zu den Personen gehört, die unvereidigt bleiben können. §380 §222 §186 Wer veranlaßt, daß ein Wer einen anderen zum Wer veranlagt, daß ein Meineid bestimmt oder zu anderer, ohne vorsätzlich zuanderer in gutem Glauben bestimmen sucht, wird, soweithandeln, vor einer Behörde unter Eid eine Erklärung er nicht als Anstifter strafbar einen falschen Eid schwört abgibt, die der Veranlassende ist, mit Zuchthaus bis zu fünf oder unter Eid eine falsche ßr falsch hält, wird mit Geßngnis nicht unter drei Jahren bestraft. Aussage macht, wird mit in besonders Wer einen anderen zur Zuchthaus bis zu ßnf Jahren Monaten, schweren Fällen mit Zuchtvorsätzlichen Abgabe einer bestraft. Der Versuch ist strafhaus bestraft. falschen Versicherung an bar. Eides Statt bestimmt oder zu Wer veranlaßt, daß ein bestimmen sucht, wird, soweit(s. auch § 188) anderer in gutem Glauben er nicht als Anstifter strafbar unter Versicherung an Eides
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
210
Vorentwurf
von 1909
einem Jahr, bei mildernden Umständen mit Haft bis zu sachs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft.
Gegenentwurf (1911)
Kommissionsentwurf
(1913)
einem Jahre bestraft. Hat der Täter den Meineid oder die Abgabe der falschen Versicherung an Eides Statt freiwillig verhindert, so ist er straflos.
§229 Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde einen falschen Eid leistet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, einer zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständigen Behörde eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt, wird mit Geßngnis bis zu zwei Jahren bestraft.
§168 §230 §201 Wer, vor einer zur eidlichen Wer vor einer zur eidlichen Wer vor einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Vernehmung von Zeugen und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Sachverständigen zuständigenSachverständigen zuständigen Behörde als Zeuge oder Behörde als Zeuge oder SachBehörde, als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich Sachverständiger uneidlich verständiger uneidlich falsch vernommen, wissentlich falschvernommen, falsch aussagt,aussagt, obwohl er von der aussagt, obwohl er von der obwohl er von der Behörde Behörde auf die Straßarkeit Behörde auf die Straßarkeit auf die Straßarkeit falscher falscher Aussagen hingewiesen falscher uneidlicher Aussagenuneidlicher Aussagen hinge- worden ist, wird mit Gefänghingewiesen worden ist, wirdwiesen worden ist, wird mitnis bis zu drei Jahren bestraft. mit Geßngnis bis zu drei Wann der Hinweis erfolgen Gefängnis bestraft. Jahren, bei mildernden Umdarf, bestimmen die Gesetze ständen mit Haft bis zu einem über das Verfahren. Jahr bestraft. Ist die Handlung aus Fahrläs- (fehlt) sigkeit begangen, so ist die Strafe Haft bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark. In besonders leichten In besonders leichten FälFällen ...kann von Strafe len ... kann von Strafe abgeseabgesehen werden. hen werde. Die Straßarkeit entfällt, wenn der Täter die falsche Aussage freiwillig und bevor
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
Entwurf von 1919 ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Verhindert der Täter freiwillig den Meineid oder die Abgabe der falschen Versicherung an Eides Statt, so wird er straffrei.
Entwurf von 1927
211
Entwurf Dezember 1936 Statt eine Erklärung abgibt, die der Veranlassende ßr falsch hält, wird mit Gefängnis bestraft.
§223 Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde einen falschen Eid leistet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in besonders schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Wer bewirkt, daß ein anderer, ohne vorsätzlich zu handeln, einer zur Abnahme eidesstattlicherVersicherungen zuständigen Behörde eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Der Versuch ist strafbar. §224 §187 §381 Wer vor einer zur eidlichen Wer als Zeuge oder Sach- Die Freiheitsstrafe des auch den Vernehmung von Zeugen und verständiger uneidlich falschMeineides trifft der vor Sachverständigen zuständigenaussagt, obwohl er von der Eidesuntauglichen, Behörde als Zeuge oder Sach-Behörde auf die Strafbarkeit einer zur Abnahme von Eiden verständiger uneidlich falschfalscher uneidlicher Aussagenzuständigen Stelle falsch aussagt; obwohl er auf die Strafaussagt, obwohl er von der hingewiesen worden ist, Behörde auf die Strafbarkeit wird mit Geßngnis bis zu drei barkeit einer falschen Aussage hingewiesen worden ist. War falscher uneidlicher AussagenJahren bestraft. der Täter bisher auf Zeit ßr hingewiesen worden ist, wird eidesuntauglich erklärt, so ist mit Gefängnis bis zu drei §188 diese Ehrenstrafe nunmehr Wer einen anderen zu Jahren bestraft. In besonders leichten Fäl- einem Meineid zu verleiten auf Lebenszeit zu erstrecken. len kann von Strafe abge- sucht, wird mit Zuchthaus bis zu ßnf Jahren bestraft. sehen werden. §382 Wegen Meineids, falscher Wer einen anderen zur vorsätzlichen Abgabe einer Versicherung an Eides Statt falschen Versicherung an oder Herbeißhrung einer wird Eides Statt zu verleiten sucht,falschen Beteuerung auch bestraft, wer irrtümlich wird mit Geßngnis bis zu glaubt, die Stelle, der er die zwei Jahren bestraft. Ebenso falsche Angabe beteuert oder wird bestraft, wer einen anderen zu einer falschen uneid-beteuern läßt, sei zur Entgelichen Aussage zu verleiten gennahme einer solchen Beteuerung nicht zuständig oder sucht. Verhindert der Täter ausdie Beteuerung sei in dem freien Stücken den Meineid, Verfahren nicht zulässig.
212
Synopse II: Materielles Strafrecht (2) Vorentwurf
von 1909
Gegenentwurf (1911)
Kommissionsentwurf
aus ihr ein Rechtsnachteil für einen anderen entstanden ist, bei der Behörde, der er sie abgegeben hat, widerruft. §170 Wer jemanden zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Geßngnis, und wer jemanden zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird mit Geßngnis oder Haft bis zu sechs Monaten bestraft. Der Versuch ist straßar. §169 In den Fällen der §§ 165 Abs.2,166 Abs.2, 168 Abs.l,2 ßllt die Strafbarkeit weg, wenn der Täter die falsche Erklärung oder Aussage freiwillig und bevor aus ihr ein Rechtsnachteil für einen anderen entstanden ist, bei der Behörde, der er sie abgegeben hat, widerruft.
§231 In den Fällen der §§ 226 Abs.l, 227 Abs.l kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter die falsche Erklärung oder Aussage freiwillig bei der Behörde, der sie abgegeben ist, oder die sie im Verfahren zu würdigen hat, oder bei einem Amtsgericht widerruft. In den Fällen der §§ 226 Abs.2, 227 Abs.2, 230 ist der Täter unter den gleichen Voraussetzungen straflos. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn aus der falschen Erklärung oder Aussage bereits ein Rechtsnachteil ßr einen anderen entstanden ist
(1913)
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
Entwurf von 1919
Entwurf von 1927
213
Entwurf
1936
die Abgabe der falschen Ver- §383 sicherung an Eides Statt oder Die Vorschriften über die falsche uneidliche Aus- erfolglose Teilnahme, sage, so wird er straffrei. § 27 Anerbieten zu einer Straftat Abs.3 gilt entsprechend und Verabredung einer Straftat ... gelten ßr alle Fälle des Meineids und der falschen §189 In den Fällen des § 184, Versicherung an Eides Statt. des § 186Abs.l und des § 188 Abs.l ist die Tat nur strafbar, wenn die Behörde, vor der der §384 Eid geleistet worden ist oder Wer leichtfertig falsch werden sollte, zur Abnahmeschwört oder wer leichtfertig von Eiden zuständig war. eine Versicherung an Eides In den Fällen des § 185, Statt falsch abgibt, wird mit des § 186 Abs.2 und des § 188 Gefängnis bestraft. Abs.2 Satz 1 ist die Tat nur strafbar, wenn die Behörde, der die Versicherung abgegeben worden ist oder werden sollte, zur Entgegennahme von Versicherungen an Eides Statt zuständig war. In den Fällen des § 187 und des § 188 Absatz 2 Satz 2 ist die Tat nur strafbar, wenn die Behörde, vor der die falsche Aussage gemacht worden ist oder werden sollte, zur eidlichen Vernehmungvon Zeugen oder Sachverständigen zuständig war. §225 §190 §385 Widerruft in den Fällen der Wenn der Täter die falsche Der Richter kann die §§ 220; 221, 224 der Täter dieErklärung oder Aussage bei Strafe wegen Eidesverletzung nachfreiem Ermessen mildern falsche Erklärung oder Aus- der Behörde, bei der sie abgeabsehen, sage freiwillig bei der Behör-geben ist oder die sie im Ver-oder von Strafe de, der sie abgegeben ist oder fahren zu würdigen hat, oderwenn der Täter die falsche die sie im Verfahren zu wür-bei einem Amtsgericht aus Angabe rechtzeitig richtigstellt digen hat, oder bei einem freien Stücken widerruft (§§ Die Berichtigung ist verAmtsgericht, so kann das 184, 185, 187) oder richtigspätet, wenn schon abGericht die Strafe nach freiemstellt (§ 186), so kann das Ermessen mildern; in den Gericht die Strafe nach freiemschließend entschieden oder verßgt worden oder aus der Fällen des § 220Abs.2, § 221 Ermessen mildern. Abs.2, § 224 kann auch von Diese Vorschrift gilt nicht,Tat ein Nachteil ßr einen Strafe abgesehen werden. wenn zur Zeit des Widerrufs anderen entstanden ist, oder Dies gilt nicht, wenn zur oder der Berichtigung die wenn der Täter zuvor erfahren Zeit des Widerrufs aus der Entscheidung oder Verfügunghat, daß gegen ihn eine Anfalschen Erklärung oder Aus- schon getroffen oder aus derzeige erstattet oder eine Untersage bereits ein RechtsnachteilTat schon ein Rechtsnachteil suchung eingeleitet worden ist. für einen anderen entstandenfür einen anderen entstanden Die Berichtigung kann bei der Stelle, der die falsche ist. ist. Angabe gemacht worden ist oder die sie im Verfahren zu §191 Im Sinne dieses Abschnit- prüfen hat, sowie bei einem tes stehen den Behörden Gericht oder einer Polizei-
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Synopse II: Materielles Strafrecht (2) Vorentwurf
von 1909
Gegenentwurf (1911)
Kommissionsentwurf
(1913)
Synopse II: Materielles Strafrecht (2)
Entwurf von 1977
Entwurf von 1936
solche Stellen gleich, denen behörde erfolgen. durch besondere Vorschriften die Befugnis zur Abnahme von Eiden oder zur Entgegennahme von Versicherungen an Eides Statt oder zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen eingeräumt ist.
Synopse III Materielles Strafrecht (3): Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue - StrafrechtsangleichungsVO (1943) (QVerz. Β 2.2.28) Zweite Durchführungsverordnung zur StrafrechtsangleichungsVO (1944) (QVerz. Β 2.2.30) Drittes Strafrechtsänderungsgesetz (1953) (QVerz. Β 2.2.32) Spätere Änderungen
218 StrafrechtsangleichungsVO (1943) §153 (unverändert) §154 (unverändert)
§155 (unverändert) §156 (unverändert) § 156a Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverstä n d i g e r uneidlich vorsätzlich falsch aussagt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. Der Versuch ist strafbar. § 157 Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann der Richter die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen mildern und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr einer gerichtlichen Bestrafung abzuwenden.
Synopse III: Materielles Strafrecht (3) 2.Durchf.VO zur AngleichungsVO (1944)
3.StrÄG (1953)
Spätere Änderungen
§153 EGStGB (1974): §153 Abs.2 (Versuchsstraf- Strafschärfung für schwere Fälle gestribarkeit) gestrichen. chen. § 154 §154 §154 Wer vor Gericht (unverändert) l.StrRG (1968): oder vor einer anMindeststrafe 1 Jahr deren zur Abnahme Freiheitsstrafe. von Eiden zuständigen Stelle vorsätzlich §155 §155 falsch StVRGErgG (1974): (unverändert) schwört, wird mit Dem Eid stehen Zuchthaus bestraft. gleich: Sind mildernde 1.die den Eid erUmstände vorhanden, setzende Bekräfso ist die Strafe Getigung, fängnis nicht unter 2.die Berufung auf sechs Monaten. einen früheren Eid oder auf eine frühere Bekräftigung. §153 (gestrichen) § 156a wird § 153
§156 (unverändert) § 156a (s. § 153)
§156 §156 Abs.2 (Versuchsstraf- EGStGB (1974): barkeit) gestrichen. Mindestfreiheitsstrafe gestrichen. Wahlweise Geldstrafe.
§157 (unverändert)
§ 157 (unverändert)
§157 Abs^: EGStGB (1974): Einbeziehung der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung
Synopse III: Materielles Strafrecht (3) StrafrechtsangleichungsVO
Durchführt! ngsVO
StRAG
Spätere Änderungen
Der Richter kann auch dann die Strafe mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat. § 158 § 158 Der Richter kann (unverändert) die Strafe wegen Meineids, falscher Versicherung an Eides Statt oder falscher uneidlicher Aussage nach seinem pflichtgemäßen Ermessen mildern oder von Strafe absehen, wenn der Täter die falsche Aussage rechtzeitig berichtigt. Die Berichtigung ist verspätet, wenn sie bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist oder wenn schon gegen den Täter eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet worden ist. Die Berichtigung kann bei der Stelle, der die falsche Angabe gemacht worden ist oder die sie im Verfahren zu prüfen hat, sowie bei einem Gericht, einem Staatsanwalt oder einer Polizeibehörde erfolgen.
§158 (unverändert)
§158 (seither sachlich unverändert)
§ 159 § 159 (Erweiterung auf Die Vorschriften die falsche uneidliche über die Bestrafung Aussage) der erfolglosen Anstiftung und anderer Vorbereitungshandlungen bei Verbrechen ... gelten entsprechend für alle Fälle der falschen
§ 159 Die Vorschriften über die Bestrafung der erfolglosen Anstiftung bei Verbrechen .. gelten entsprechend für die Fälle der falschen uneidlichen Aussage und der wissentlichen Abgabe
§ 159 Neue Fassung durch EGStGB (1974): Für den Versuch der Anstiftung zu einer falschen uneidliehen Aussage (§ 153) und einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156) gelten §
220 StrafrechtsangleichungsVO
Synopse III: Materielles Strafrecht (3) DurchfuhrungsVO
StRÄG
spätere Änderungen
uneidlichen Aussage, einer falschen Verdes Meineids und der sicherung an Eides 30 Abs.l und § 31 wissentlichen Abgabe Statt. Abs.l Nr.l, Abs.2 einer falschen Versientsprechend. cherung an Eides Statt. §160 (Erweiterung auf § 160 die falsche uneidliche (unverändert) Aussage)
§161
§161
(unverändert)
(sachlich unverändert)
§162
§162
(unverändert)
(unverändert)
§163 (unverändert)
§ 160 (unverändert)
§ 160 (EGStGB 1974): Für Verleitung zu falscher uneidl. Aussage wahlweise Geldstrafe ; für Verleitung zu falscher Versicherung an Eides Statt wahlweise Geldstrafe bis zu 6 Monaten
§161 (unverändert)
§161 aufgehoben durch l.StrRG (1968)
§162 aufgehoben
§163 Abs.2: Straflosigkeit §163 tritt ein, wenn der (sachlich unverändert) Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. Die Vorschriften der §§ 158 Abs.2 und 3 gelten entsprechend.
§163 Abs.l: EGStGB 1974: Wahlweise Geldstrafe.
Synopse IV Strafprozeßrecht (1): Reichsstrafprozeßordnung (QVerz. Β 2.2.9) Entwurf einer Strafprozeßordnung von 1908 (QVerz. Β 2.2.11) Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen, 1920 (QVerz. Β 2.2.17)
222
Reichsstrafprozeßordming vom LFebruar 1877
Synopse IV: Strafprozeßrecht (1) Entwurf einer Strafprozeßordnung (1908)
Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen (1920)
§57 §77 Jeder Zeuge ist, soweit nicht Jeder Zeuge ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu ein anderes bestimmt ist, zu vereidigen. Vereidigen kann nur vereidigen der Richter.... §56 Unbeeidigt sind zu vernehmen: 1. Personen, welche zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; 2. Personen, welche nach den Bestimmungen der Strafgesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernommen zu werden; 3. Personen welche hinsichtlich der den Gegenstand der Untersuchung bildenden Tat als Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler verdächtig oder bereits verurteilt sind.
§58 §78 Nicht zu vereidigen sind: Nicht vereidigt wird: 1. wer zur Zeit der Ver1. Personen, die zur Zeit der nehmung das sechzehnte Vernehmungdassechzehnte Lebensjahr noch nicht Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen vollendet hat oder wegen Verstandesschwäche oder magelnder Verstandesreife mangelnder Verstandesoder wegen Verstandesreife von Wesen und Beschwäche von dem Wesen deutung des Eides keine und der Bedeutung des genügende Vorstellung Eides keine genügende besitzt, Vorstellung besitzen, 2. Personen, die nach den 2. wer nach den Vorschriften Vorschriften der Strafgesetze der Strafgesetze unfähig unfähig sind, als Zeugen ist, als Zeuge eidlich vereidlich vernommen zu nommen zu werden, werden, 3. wer verdächtig ist, an der 3. Personen, die hinsichtlich Tat als Täter, Teilnehmer, der den Gegenstand der Begünstiger oder Hehler Untersuchung bildenden beteiligt zu sein, oder wer Tat der Täterschaft, Teildeswegen bereits verurteilt nahme, Hehlerei oder einer ist; doch darf die Vereidivor der Vernehmung began- gung nicht unterbleiben, genen Begünstigung verweil der Zeuge verdächtig dächtig oder deswegen ist, eine Begünstigung erst bereits verurteilt sind. durch die Aussage begangen zu haben.
§57 §59 §79 Stehen Personen zu dem Nach richterlichem ErmesNach richterlichem ErmesBeschuldigten in einem Ver- sen können unvereidigt gelassen können unvereidigt bleiben: hältnisse, welches sie ... zur sen werden: 1. der Verletzte Verweigerung des Zeugnisses 1. Personen, die zum Ver-2. Angehörige des Beschulberechtigt, so hängt es von dächtigen in einem Verhältdigten oder des Verletzten, dem richterlichen Ermessen nisse stehen, das sie ... zur 3. jeder Zeuge hinsichtlich ab, ob sie unbeeidigt zu verVerweigerung des Zeugnis- der Auskunft auf solche nehmen oder zu beeidigen ses berechtigt, Fragen, deren Beantworsind. 2. im Verfahren auf Privattung ihm oder einem Dieselben können auch klage auch solche Persoseiner Angehörigen die nach der Vernehmung die nen, die zum Privatkläger Gefahr strafgerichtlicher Beeidigung des Zeugnisses in einem Verhältnisse der Verfolgung hätte zuziehen verweigern und sind über im § 50 bezeichneten Art oder zur Unehre hätte dieses Recht zu belehren. stehen, gereichen können. 3. jeder Zeuge hinsichtlich der Auskunft auf solche Fragen, deren Beantwortung ihm oder einem seiner Angehörigen ... die Gefahr strafgerichtlichetVerfolgung
Synopse IV: Strafprozeßrecht (1) Reichsstrafprozeßordnung
Entwurf von 1908
223 Entwurf von 1920
hätte zuziehen oder zur Unehre hätte gereichen können. §60 §80 Unbeschadet der Vorschrif- In einem Verfahren, das ausschließlich auf Eigenklage ten der §§ 58,59 unterbleibt die Vereidigung der Zeugen ineingeleitet ist oder ausschließSachen, die in erster Instanzlich eine Übertretung betrifft, vor den Amtsgerichten zuunterbleibt die Vereidigung, es verhandeln sind, soweit diesei denn, daß sie zur BeurVereidigung nicht vom Vor-teilung der Glaubwürdigkeit der sitzenden ßr erforderlich er- Aussage unerläßlich ist oder von einem Beteiligten achtet oder vor dem Schlüsse der Beweisaufrahme von beantragt wird. einem Mitgliede des Gerichts Auch in anderen Sachen oder einem Prozeßbeteiligtenunterbleibt die Vereidigung, verlangt wird; die anwesenden wenn alle Mitglieder des Prozeßbeteiligten sind zu Gerichts und die anwesenden befragen, ob sie die VereiBeteiligten den Inhalt der Ausdigung verlangen. sage ßr unerheblich halten, im vor den SchwurAuch in anderen als den Verfahren im Absatz 1 bezeichneten gerichten jedoch nur dann, Sachen darf die Vereidigungwenn kein Geschworener die eines Zeugen unterbleiben, Vereidigung verlangt; die Geschworenen sind zu befragen, wenn seine Aussage von allen ob sie die Vereidigung verlanMitgliedern des Gerichts und den anwesendenProzeßbeteilig-gen. ten ßr unerheblich erachtet wird. §59 §61 §81 Vor der Leistung des Eides Die Vereidigung des ZeuVereidigt wird der Zeuge hat der Richter den Zeugen gen erfolgt nach seiner Vererst nach seiner Vernehmung. in angemessener Weise auf nehmung. Sie kann bis zum Die Vereidigung kann bis zum die Bedeutung des Eides Schlüsse der BeweisaußahmeSchlüsse der Beweisaufnahme hinzuweisen. ausgesetzt werden. ausgesetzt werden. Mehrere Zeugen können gleich- Mehrere Zeugen können §60 zeitig vereidigt werden. gleichzeitig vereidigt werden. Jeder Zeuge ist einzeln und Vor der Vereidigung hat der Vor der Vereidigung hat vor seiner Vernehmung zu Richter den Zeugen, soweit es der Richter den Zeugen, soweit beeiden. Die Beeidigung kann angemessen erscheint, über das es angemessen erscheint, über jedoch aus besonderen Grün- Wesen und die Bedeutung des Wesen und Bedeutung des den, namentlich wenn Beden- Eides zu belehren. Wird der Eides zu belehren. ken gegen ihre Zulässigkeit Zeuge nur hinsichtlich eines Wird der Zeuge nur ßr obwalten, bis nach Abschluß Teils seinerAussage vereidigt, einen Teil seiner Aussage vereider Vernehmung ausgesetzt so ist er hierauf hinzuweisen. digt, so ist der Teil genau zu werden. bezeichnen. §61 Der vor der Vernehmung zu leistende Eid lautet: daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde; der nach der Vernehmung
§82 §62 Die Vereidigung geschieht Die Vereidigung geschieht in der Weise, daß der Richter in der Weise, daß der Richter an den Zeugen die Worte an den Zeugen die Worte richtet: richtet (Eidesnorm): "Sie schwören bei Gott dem "Sie schwören, nach bestem Wissen die reine Allmächtigen und AllwisWahrheit gesagt und senden, daß Sie nach nichts verschwiegen zu bestem Wissen die reine
224 Reichsstrafprozeßordnung
Synopse IV: Strafprozeßrecht (1) Entwurf von 1908
Entwurf von 1920
zu leistende Eid lautet: daß Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt habe.
haben", Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichtsund daß der Zeuge hierauf die hinzugesetzt haben " Worte spricht: und daß der Zeuge hierauf die 'ich schwöre es, so wahr Worte spricht (Eidesformel): mir Gott helfe". "Ich schwöre es, so wahr Der Schwörende soll die mir Gott helfe". rechte Hand erheben. Der Schwörende soll die §62 Werden mehrere Zeugen Der Eid beginnt mit den rechte Hand erheben. gleichzeitig vereidigt, so spricht Worten: Bei gleichzeitiger Ver-jeder einzeln die Worte: "Ich schwöre bei Gott dem eidigung mehrerer Zeugen wird "ich schwöre es, so wahr Allmächtigen und Allwis- die Eidesformel von jedem mir Gott helfe". senden" Zeugen einzeln gesprochen. Die Eidesleistung kann auch in und schließt mit den Worten: der Weise erfolgen, daß sich "So wahr mir Gott helfe". der Schwörende auf die Erklärung beschränkt: §63 "ich schwöre es". Der Eid wird mittels Nachsprechens oder Abiesens der die Eidesnorm enthaltenden Eidesformel geleistet. Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand heben. §64 Der Eidesleistung wird gleichgeachtet, wenn ein Mitglied einer Religionsgemeinschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Beteuerungsformel dieser Religionsgemeinschaft abgibt.
§64 unverändert
§65 Die Vereidigung des Zeugen erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen des § 222, in der Hauptverhandlung. Sie kann schon in der Voruntersuchung erfolgen, wenn voraussichtlich der Zeuge am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert oder sein Erscheinen wegen großer Entfernung besonders erschwert sein wird, oder wenn die Beeidigung als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage erforderlich erscheint. In dem vorbereitenden Verfahren ist die Beeidigung nur zulässig, wenn Gefahr im
§65 §85 Die Vereidigung der Zeugen Die Zeugen werden in der Regel erst in der Hauptvererfolgt in der Regel erst in der handlung vereidigt. Hauptverhandlung. Der Zeuge kann schon §86 vorher vereidigt werden, wenn vorauszusehen ist, daß ihm das Vor der Hauptverhandlung Erscheinen in der Hauptver-ist der Zeuge zu vereidigen, handlung unmöglich oder wenn vorauszusehen ist, daß seine Vernehmung in der besonders erschwert sein wird, Hauptverhandlung unmöglich oder wenn von einer wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugenoder besonders erschwert sein der Fortgang des Verfahrenswird. oder eine Entscheidung über Vor der Hauptverhandlung die Verhaftung oder die Auskann der Zeuge vereidigt werlieferung des Beschuldigten den, wenn Beweise zu sichern oder über dessen Unterbringung sind oder wenn begründete in einer öffentlichen IrrenanZweifel an der Wahrheit seiner stalt oder über eine BeschlagAussage bestehen und von der nahme, Durchsuchung oder Aussage die Erhebung der
§84 (sachlich) unverändert
225
Synopse V: Strafprozeßrecht (1) Reichsstrafprozeßordnung
Entwurf von 1908
Entwurf von 1920
Verzug obwaltet, oder wenn die Beeidigung als Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage über eine Tatsache, von der die Erhebung der öffentlichen Klage abhängig ist, erforderlich erscheint. Erfolgt die Beeidigung im Vorverfahren, so ist der Grund in dem Protokoll anzugeben.
körperliche Untersuchung Anklage oder eine Entabhängt; der Grund der Ver-scheidung über Verhaftung, eidigung ist im Protokoll anzuAuslieferung, Unterbringung in geben. eine öffentliche Irrenanstalt, Vor der Hauptverhandlungkörperliche Untersuchung, ist der Zeuge zu vereidigen, Durchsuchung oder Beschlagwenn Beweise gegen einen nahme abhängt. Abwesenden gesichert werden Der Grund der Vereisollen. digung ist in der Niederschrift anzugeben.
§66
§66 §87 Wird ein eidlich vernom-(unverändert) mener Zeuge in demselben Verfahren oder in einem anderen Verfahren, das dieselbe Tat zum Gegenstande hat, nochmals vernommen, so kann der Richter den Zeugen, statt ihn zu vereidigen, die Richtigkeit der Aussage unter Bezugnahme auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.
§79 Der Sachverständige hat vor Erstattung des Gutachtens einen Eid dahin zu leisten: daß er das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde. Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid
§77 §98 Die Vereidigung des Sach- Sachverständige werden verständigen erfolgt vor oder nur vereidigt, wenn es zur Beurnach der Erstattung des Gutteilung der Glaubwürdigkeit achtens. Die Eidesnorm geht des Gutachtens unerläßlich ist dahin, daß der Sachver- oder wenn es von einem Beständige das von ihm erforderte teiligten oder einem GeGutachten unparteiisch und schworenen verlangt wird; die nach bestem Wissen und GeGeschworenen sind zu bewissen erstatten werde oder fragen, ob sie die Vereidigung erstattet habe. verlangen. Ist der Sachverständige für Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten Gutachten der Art im allder erforderten Art im allgegemeinen vereidigt, so genügt meinen vereidigt, so genügt die es, wenn er auf den Eid Bezug Bezugnahme auf den geleiste-nimmt. ten Eid. Der Eid geht dahin, daß der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Gewissen abgegeben habe.
Wird der Zeuge, nachdem er eidlich vernommen worden ist, in demselben Vorverfahren oder in demselben Hauptverfahren nochmals vernommen, so kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.
Synopse V Strafprozeßrecht (2): Gesetz zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren von 1933 (QVerz. Β 22.25) Durchführungsverordnung zur StrafrechtsangleichungsVO von 1943 (QVerz. Β 2.2.29) RechtseinheitsG von 1950 (QVerz. Β 2.2.31) Spätere Änderungen
228
Synopse V: Strafprozeßrecht
Gesetz zur Einschrän- DurchfuhrungsVO zur kung der Eide im AngleichungsVO Strafverfahren (1933) (1943)
RechtseinheitsG (1950)
§ 57 Vor der Vernehmung sind die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte oder zugelassene Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unter Eid unrichtig oder unvollständig erstatteten Aussage zu belehren.
§ 57 Vor der Vernehmung sind die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen und über die Bedeutung des Eides sowie die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren,
§ 59 Die Zeugen sind einzeln und nach ihrer Vernehmung zu vereidigen. Die Vereidigung erfolgt; soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Hauptverhandlung.
§ 59 § 59 Das Gericht ent- (wie 1933) scheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Zeuge zu vereidigen ist. Die Vereidigung erfolgt, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Hauptverhandlung. Die Zeugen sind einzeln und nach ihrer Vernehmung zu vereidigen.
§60 §60 Von der Vereidi- (unverändert) gung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verständesschwäche vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben; 2. bei Personen, die nach den Bestimmungen der Straf-
() Spätere Änderungen
§ 57 S.l wie 1933; S.2: Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren,
§60 (unverändert)
§60
Ziff. 2 gestrichen durch l.StrRG (1968). (s. stattdessen § 61 Ziff.4)
Synopse V: Strafprozeßrecht (2) EideseinschränkungsG
DVO zur A n g l V O R e c h t s e i n h e i t s G
Spätere Änderungen
gesetze unfähig sind, als Zeugen eidlich vernommen zu werden; 3. bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand dere Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Begünstigung oder Hehlerei verdä chtig oder deswegen bereits verurteilt sind.
§ 61
§ 61
Von der Vereidi- (gestrichen) gung kann nach dem Ermessen des Gerichts abgesehen werden 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung zwar das sechzehnte, aber noch nicht das achzehnte Lebensjahr vollendet haben; 2. beim Verletzten, seinem Verlobten und Ehegatten sowie bei Personen, die ... seine Angehörigen sind; 3. beim Verlobten und Ehegatten des Beschuldigten, sowie bei Personen, die... seine Angehörigen sind; 4. bei jedem Zeugen hinsichtlich der Auskünfte auf Fragen über solche Tatsachen, die ihm, seinem Ehegatten oder einer Person, die sein Angehöriger ... ist, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen würden; 5. wenn alle Mitglieder des Gerichts die Aussage für
§ 61
§ 61
Von der Vereidigung kann nach dem Ermessen des Gerichts abgesehen werden 1. (wie 1933) 2.
3.
beim Verletzten sowie bei Personen, die Angehörige des Verletzten oder des Beschuldigten sind; wenn das Gericht der Aussage keine wesentliche Bedeutung beimißt und nach seiner Überzeugung auch unter Eid keine wesentliche Aussage zu Durch l.StrRG (1968) erwarten ist. eingefügt: 4. bei Personen, die wegen Meineids (§§ 154,155 des Strafgesetzbuches) verurteilt worden sind. (Klammerzusatz durch das EGStGB 1974)
Durch l.StVRG (1974) eingefügt: 5. wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und
230 EideseinschränkungsG
Synopse V: Strafprozeßrecht (2) DVO zur AnglVO
RechtseinheitsG
Spätere Änderungen der Angeklagte auf die Vereidigung verzichten.
unerheblich oder für offenbar unglaubhaft halten, und wenn nach ihrer Überzeugung auch unter Eid eine erhebliche oder eine wahre Aussage nicht zu erwarten ist; 6. wenn die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der Verteidiger auf sie verzichten. §64 §64 Unterbleibt die (unverändert) Vereidigung eines Zeugen ..., so ist der Grund dafür im Protokoll anzugeben.
§64 (unverändert)
§ 65 § 65 Im vorbereitenden (unverändert) Verfahren ist die Vereidigung nur zulässig, wenn Gefahr im Verzug ist, oder wenn der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage über einen für das weitere Verfahren erheblichen Punkt erforderlich erscheint. Im vorbereitenden Verfahren wegen einer Übertretung ist die Vereidigung unzulässig.
§65 (unverändert)
§66 §66 In der Vorunter- (unverändert) suchung ist die Vereidigung nur zulässig, wenn 1. Gefahr im Verzug ist; 2. der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage über einen für das weitere Verfahren erheblichen Punkt erforderlich erscheint oder
§66 In der
§65 (Änderung durch l.StrRG) ... wenn 1. Gefahr im Verzug ist; 2. der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage über einen für das weitere Verfahren erheblichen Punkt erforderlich erscheint; 3. der Zeuge voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sein wird.
§66 Vorunter- (gestrichen wegen Ab-
suchung ist die Ver- S c h a f f u n g der eidigung nur zulässig, V o r u n t e r s u c h u n g
wenn 1. unverändert 2.
unverändert
3.
unverändert
4.
dem Zeugen das Erscheinen in der Hauptverhand1 u ng wegen
durch das l.StVRG).
Synopse V: Strafprozeßrecht (2) EideseinschränkungsG
DVO zur AnglVO
3. dem Zeugen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen des damit verbundenen Zeitverlustes oder wegen der Schwierigkeit der Verkehrsverhältnisse nicht zugemutet werden kann.
RechtseinheitsG großer Entfernung nicht zugemutet werden kann.
§ 66a § 66a Wird ein Zeuge (unverändert) außerhalb der Hauptverhandlung vereidigt, so ist der Grund der Vereidigung im Protokoll anzugeben.
§ 66a (unverändert)
§ 66c § 66c Die Vereidigung (unverändert) erfolgt inder Weise, daß der Richter an den Zeugen die Worte richtet: "Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben" und der Zeuge hierauf die Worte spricht: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe". Der Schwörende sóli bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben.
§ 66c Abs.1: unverändert
§66e § 66e Gibt eine Zeuge an, (unverändert) daß er Mitglied einer Religionsgesellschaft sei, der das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln anstelle des Eides gestattet, so steht eine unter der Beteuerungsformel
Spätere Änderungen
§ 66a (unverändert)
§ 66c geändert durch das LStVRGErgG (1974): Abs^: Der Eid kann Abs.1 Einleitungssatz: auch ohne religiöse Der Eid mit religiöser Beteuerung geleistet Beteuerung wird in der Weise geleistet, werden. daß der Richter an den Zeugen die Worte unverändert richtet: (i.ü. unverändert) Abs.2: Der Eid ohne religiöse Beteuerung wird in der Weise geleistet, daß der Richter an den Zeugen die Worte richtet: "Sie schwören, daß Sie nach bestem Wissen die reine (AbsJ wird Abs.3) Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben" und der Zeuge hierauf die Worte spricht: "Ich schwöre es". AbsJ: Gibt ein Zeuge § 66e an, daß er als Mit(unverändert) glied einer Religionsoder Bekenntnisgemeinschaft eine Beteuerungsformel dieser Gemeinschaft verwenden wolle, so kann er diese dem Eid anfügen. (AbsJ wird Abs.4.)
232 EideseinschränkungsG
Synopse V: Strafprozeßrecht (2) DVO zur AnglVO
RechtseinheitsG
dieser Religionsgesellschaft abgegebene Erklärung der Eidesleistung gleich. § 79 Der Sachverständige kann nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft,des Angeklagten oder des Verteidigers ist er zu vereidigen. Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin, daß der Sachverständige das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe. Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im allgemeinen vereidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid.
Spätere Änderungen § 66e a-Rgestrichen; s. jetzt § 66c AbsJ.
§ 79 §79 Abs.1 S.1 unverändert, Abs.1 S.1 unveränAbs.1 SL2 gestrichen. dert. Abs.1 SJh Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des VerteidiAbsJl unverändert. gers ist er zu vereidigen. AbsJ2 unverändert. AbsJ unverändert AbsJ unverändert
§ 66d ilF. (eingefügt 1974 durch das LStVRGErgG): Gibt ein Zeuge an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er die Wahrheit der Aussage zu bekräftigen. Die Bekräftigung steht dem Eide gleich; hierauf ist der Zeuge hinzuweisen. Die Wahrheit der Aussage wird in der Weise bekräftigt, daß der Richter an den Zeugen die Worte richtet: "Sie bekräftigen im Bewußtsein IhrerVerantwortung vor Gericht, daß Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben" und der Zeuge hierauf spricht: "Ja". § 66c Abs.3 gilt entsprechend.
Synopse VI: Entwurf eines Einführungsgesetzbuches zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch (1929) (QVerz. Β 2.2.21)
und Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs - E 1930 (Entwurf Kahl) (QVerz. Β 2.2.22)
234
Synopse VI: EG-Entwurf von 1929 und StGB-Entwurf von 1930
Entwurf eines Einfuhrungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch (1929) Die §§ 57 bis 64 StPO werden durch folgende Vorschriften ersetzt: §57 Vor der Vernehmung werden die Zeugen zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen, daß sie in den im Gesetz vorgesehenen Fällen die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Aussage unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit zu versichern, unter Umständen auch ihre Aussage zu beeidigen haben; hierbei werden sie über die strafrechtlichen Folgen einer unvollständigen oder unrichtigen Aussage belehrt.
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches (Entwurf Kahl - E 1930) (Paragraphenzählung im Anschluß an E 1927) llAbschnitt Falsche Versicherung und Meineid
§ 183a Wer wissentlich vor einer Behörde mündlich eine unrichtige oder unvollständige Angabe macht und deren Richtigkeit und Vollständigkeit unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit versichert, wird mit §59 Gefängnis nicht unter drei Monaten Jeder Zeuge hat, soweit das Gesetz nicht anderes bestraft. In besonders schweren bestimmt, nach der Vernehmung die Richtigkeit und Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis Vollständigkeit seiner Aussage unter Berufung auf die zu fünf Jahren. Pflicht zur Wahrheit zu versichern. Wer wissentlich einer Behörde schriftlich eine unrichtige oder §60 unvollständige Angabe macht und Die Versicherung erfolgt in der Weise, daß der deren Richtigkeit und VollständigRichter an jeden Zeugen nach nochmaligem ausdrückli- keit unter Berufung auf die Pflicht chem Hinweis auf die Strafbarkeit einer falschen zur Wahrheit versichert, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren beAussage die Frage richtet: "Versichern Sie unter Berufung auf die Pflicht zur straft. Wahrheit, daß Ihre Aussage richtig und vollständig Ist die Angabe nur in Punkten, ist?" die für die Sache ohne jede Bedeuund daß der Zeuge hierauf erwidert: tung sind, unrichtig oder unvollstän"Ich versichere es". dig, so kann das Gericht die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von Strafe absehen. §61 Die Abnahme einer Versicherung (§ 59) ist unzu- §184 lässig: Wer wissentlich vor einer Behör1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das sech- de eine unrichtige oder unvollstänzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wegen dige Angabe beeidigt, wird mit mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandes- Zuchthaus bis zu fünf Jahren beschwäche von dem Wesen und der Bedeutung einer straft. Versicherung unter Berufung auf die Pflicht zur In besonders schweren Fällen ist Wahrheit keine genügende Vorstellung haben; die Strafe Zuchthaus bis zu zehn 2. bei Personen, die wegen der den Gegenstand der Jahren. Untersuchung bildenden Tat als Täter, Teilnehmer, Einem Eide steht bei Personen, Begünstiger oder Hehler verdächtig oder bereits die von der Pflicht zur Eidesleisverurteilt sind; tung befreit sind, die an Stelle des Beteuerung 3. wenn das Gericht und die Beteiligten auf sie verzich- Eides zugelassene gleich. ten; 4. wenn nach der Überzeugung aller Mitglieder des Gerichts die Aussage unerheblich und der Zeuge §185 auch nicht in der Lage ist, erhebliche Tatsachen zu (Falsche Versicherung an Eides bekunden. Statt) gestrichen §62 Von der Versicherung kann nach dem Ermessen des § 185a Gerichts abgesehen werden: Wer einen anderen zu einer 1. in einem Verfahren, das ausschließlich eine Übertre- falschen Versicherung (§ 183a) zu
Synopse VI: EG-Entwurf von 1929 und StGB-Entwurf von 1930
EG-Entwurf von 1929
StGB-Entwurf von 1930
tung betrifft; 2. in anderen Verfahren, wenn die Aussage nach der Überzeugung aller Mitglieder des Gerichts offenbar unglaubwürdig ist.
verleiten sucht, wird mit Gefängnis bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Wer einen anderen zu einem §63 Meineid (§ 184) zu verleiten sucht, Von der Versicherung (§ 59) kann nach dem Ermes- wird mit Zuchthaus bis zu fünf sen des Gerichts ferner abgesehen werden bei der Jahren bestraft. Vernehmung Verhindert der Täter aus freien 1. des Verletzten; Stücken die falsche Versicherung 2. einer nach § 52 zur Verweigerung des Zeugnisses oder den Meineid, so wird er straffrei. ... berechtigten Person; [§ 52: ... die Angehörigen des Beschuldigten, die Kinder seiner Geschwister und die Geschwister seiner Eltern ...] 3. einer Person, die zu dem Verletzten in einem Verhältnis der im § 52 bezeichneten Art steht 4. einer Person, die zur Zeit der Vernehmung zwar das sechzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; 5. einer Person, die innerhalb der letzten zehn Jahre wegen einer in den §§ 183a bis 186a des Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs mit Strafe bedrohten Handlungen rechtskräftig zu Strafe verurteilt worden ist oder eine solche Strafe verbüßt hat; 6. jedes Zeugen hinsichtlich der Auskünfte auf Fragen über solche Tatsachen, die ihm oder einer Person, die zu ihm in einem Verhältnis der im § 52 bezeichneten Art steht, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen können. §64 Die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussage unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit erfolgt vorbehaltlich der Vorschriften der § 154h Abs.2, § 223 in der Hauptverhandlung.
§186 Wer wissentlich veranlaßt, daß ein anderer, ohne wissentlich zu handeln, einer Behörde eine unrichtige oder unvollständige Angabe macht und deren Richtigkeit und Vollständigkeit unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit versichert, wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Wer wissentlich veranlaßt, daß ein anderer, ohne wissentlich zu handeln, vor einer Behörde eine unrichtige oder unvollständige Angabe beeidigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. § 186a Wer in einem behördlichen Verfahren gegen eine ihm vom Gesetze oder kraft Gesetzes von der Behörde auferlegten Pflicht zur Nachforschung oder Prüfung verstößt, wird mit
.[§ 154h: Beweissicherungsverfahren gegen Abwesende; Gefängnis bis zu zwei Jahren be§ 223: Vernehmung durch beauftragten oder ersuch- straft, wenn er infolge des ten Richter] Verstoßes unrichtige oder unvollständige Angaben macht und deren Im vorbereitenden Verfahren, das nicht ausschließlich Richtigkeit und Vollständigkeit eine Übertretung betrifft, und in der Voruntersuchung unter Berufung auf die Pflicht zur darf die Abnahme einer Versicherung nur erfolgen, Wahrheit versichert oder beeidigt. wenn Gefahr im Verzug liegt oder wenn der Zeuge am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert oder §187 sein Erscheinen wegen großer Entfernung besonders (Falsche uneidliche Aussage) erschwert sein wird oder wenn die Versicherung als gestrichen Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage über einen für das weitere Verfahren erheb- §188 lichen Punkt erforderlich erscheint; der Grund ist im (Verleitung zum Meineid) Protokoll anzugeben. Wird ein Zeuge auf Ersuchen des s. § 185a. Untersuchungsrichters vernommen, so hat im Falle der § 61 Nr.4, § 62 Nr.2, § 63 der Untersuchungsrichter
236
Synopse VI: EG-Entwurf von 1929 und StGB-Entwurf von 1930
EG-Entwurf von 1929 über die Abnahme der Versicherung zu entscheiden. § 64a Das Gericht kann beschließen, daß der Zeuge, anstatt eine Versicherung nach § 59 abzugeben, seine Aussage oder einen Teil derselben zu beeidigen hat, wenn es der Aussage ausschlaggebende Bedeutung für die Urteilsfindung beimißt, und wenn es der Auffassung ist, daß bei Würdigung der Sachlage die Beeidigung als äußerstes Mittel der Wahrheitserforschung nicht entbehrt werden kann. Die Beeidigung kann auch beschlossen werden, wenn eine Versicherung bereits abgegeben worden ist. Erfolgt eine Beeidigung des Zeugen, so ist er vor der Eidesleistung auch auf die Bedeutung des Eides hinzuweisen. § 64b Die Beeidigung erfolgt in der Weise, daß der Richter an den Zeugen die Worte richtet: "Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben", und daß der Zeuge hierauf die Worte spricht: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe". Die Eidesleistung hat auf Wunsch des Schwörenden in der Weise zu erfolgen, daß der Richter die Worte "bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" fortläßt und der Schwörende sich auf die Erklärung beschränkt: "Ich schwöre es." Der Schwörende soll die rechte Hand erheben.
StGB-Entwurf von 1930 §189 Verbrechen und Vergehen gegen diesen Abschnitt sind nur strafbar, wenn die Versicherung oder der Eid in einem Verfahren abgegeben oder geleistet worden ist oder werden sollte, in dem das Gesetz die Abgabe von Versicherungen unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit oder die Leistung von Eiden zuläßt. Sie sind ferner nur strafbar, wenn die Behörde, der die Versicherung abgegeben oder vor der der Eid geleistet worden ist oder werden sollte, zur Abnahme oder Entgegennahmevon Versicherungen unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit oder zur Abnahme von Eiden zuständig war.
§190 Wer eine nach diesem Abschnitt strafbare Handlung begeht, wird straffrei, wenn er die unrichtige oder unvollständige Angabe der Behörde gegenüber, der sie abgegeben worden ist, oder die sie im Verfahren zu würdigen hat, oder bei einem Amtsgerichte widerruft, oder in den Fällen des § 186 richtigstellt, bevor eine Entscheidung oder Verfügung getroffen oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist. § 64c Die Vorschrift des Absatz 1 gilt Die Beeidigung erfolgt, vorbehaltlich der Vorschrift des § 223 Abs.3 S.2, in der Hauptverhandlung; § 60 nicht mehr, wenn schon eine AnAbs.3 gilt entsprechend. Soweit die Aussage beeidigt zeige gegen den Täter erfolgt oder wird, ist sie wörtlich in das Protokoll aufzunehmen. eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet worden ist. Die §§ 66 und 67 werden gestrichen. Hinter § 69 werden folgende Vorschriften eingefügt: §191 Im Sinne dieses Abschnittes § 69a Bildet den Gegenstand der Vernehmung eine Aus- stehen den Behörden solche Stellen kunft, die der Zeuge voraussichtlich an der Hand seiner gleich, denen durch besondere VorBücher oder anderer Aufzeichnungen zu geben hat, so schriften die Befugnis eingeräumt kann dem Zeugen die Pflicht auferlegt werden, die für ist, Versicherungen unter Berufung die Auskunft erforderlichen Nachforschungen und auf die Pflicht zur Wahrheit abzuPrüfungen vorher vorzunehmen. Ebenso kann, wenn nehmen oder entgegenzunehmen den Gegenstand der Vernehmung eine Auskunft bildet, oder Eide abzunehmen oder Zeudie sich auf eine Sache oder auf eine Örtlichkeit gen oder Sachverständige eidlich bezieht, dem Zeugen die Pflicht auferlegt werden, sich oder mit Versicherung unter Bedurch eine Besichtigung der Sache oder der Örtlichkeit rufung auf die Pflicht zur Wahrheit zu vernehmen. auf die Aussage vorzubereiten. Die Anordnung soll in der Ladung oder, falls sie mündlich im Termin erfolgt, in das Protokoll aufgenommen werden.
eeverzeichnis A UNGEDRUCKTE UND UNVERÖFFENTLICHTE QUELLEN 1
KOBLENZ:
Bundesarchiv
1.1
Nachlaß Brecht hier: NL 89 Brecht/43 Sitzungsprotokolle der Strafrechtskommission mit Anlagen - Beratungen zum allgemeinen und besonderen Teil des ersten und zweiten Buches. Bd 4 (118.-158.Sitzung) 1911-1913. Maschinenschriftlich. Metallographiert 1.
1.2
R 22/854 Reichsjustizministerium. Generalakten über die Strafrechtsreform Bd 3. (1936-1937)
1.3
R 22/856 Reichsjustizministerium. Generalakten über Strafrechtsreform Bd 5. (1939-1942)
1.4
R 22/857 Reichsjustizministerium. Generalakten über Strafrechtsreform Bd 6. (1942-1945)
1.5
R 22/990a Reichsjustizministerium. Strafrechtsreform. Sachakte über Meineid und falsche Aussage; Eidesverletzungen. Anträge zur 1. und 2.Lesung. Unterkommission für die Überprüfung der vorläufigen Beschlüsse 2.Lesung. Inliegend: Merkblatt über Meineid und falsche Ausage (Bearbeiten Ministerialrat Busch). (1933 - 1936)
1.6
R 22/1073 Reichsjustizministerium. Generalakten. Strafsachen. Sammelberichte. Bd 1. (1934-1937)
Mittel
der Wahrheitserforschung
in
1 Die KommissionsprotokoHe einschließlich der Beratungsprotokolle der Kommission zur Aufstellung des Einführungsgesetzes sind im Bundesarchiv unter den Findnummern NL 89 Brecht/40-57 vollständig vorhanden. (Arnold Brecht , damals kgl.preuß. Gerichtsassessor, war einer der Protokollführer der Kommission; zur Person s. P.Chr.Witt, Reichskanzlei aaO. S.272).
238
uerzeichnis
1.7
R 43 1/1210 Reichskanzlei. Akten betreffend Gerichtsverfassung Bd 1 (8August 1917 - 31. Januar 1933).
1.8
R 43 II/1512a Reichskanzlei. Reichsstrafgesetzgebung Bd 11 (1941-1944). Darin: Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue. (1943)
1.9
R 43 11/1513 Reichskanzlei. Reichsstrafgesetzgebung Bd 8 (1936-1939). Darin: Entwurf eines Dt. Strafgesetzbuches, Stellungnahme von Reichsminister Dr. Frank. (1937)
1.10
R 43 II/1513a Reichskanzlei. Reichsstrafgesetzgebung Bd 9 (1936-1940). Darin: Behandlung des Strafgesetz-Entwurfes. (1936-1939).
1.11
R 43 11/1514 Reichskanzlei. Reichsstrafgesetzgebung Bd 5 (1933-1935). Darin: Schutz der Rasse im Strafrecht (Einspruch des Auswärtigen Amtes gegen Veröffentlichung von Protokollen der Strafrechtskommission) (1934)
2
MÜNSTER: Strafrecht
2.1
Signatur Str.R. X I 77 Sitzungsprotokolle der Strafrechtskommission. 2.Lesung. (208. - 282. Sitzung). 1913. In 2 Bde gebd. Maschinenschriftlich. Metallographiert 2.
2.2
Signatur Str.R. X I 255 Protokolle der Strafrechtskommission (1.-107. Sitzung). 1933-1936.
2.3
Signatur Str.R. X I 257-259 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission. 2.Lesung 1935/36. Zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommission Vorabdruck nach dem Stand vom l.Februar 1936 (E Februar 1936) Vorabdruck nach dem Stand vom l.Mai 1936 (E Mai 1936) Vorabdruck nach dem Stand vom 1. Jli 1936 (E Juli 1936) O.O., o.J. (Berlin 1936)
2.4
Signatur: Str.R. XI 260 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs. Zur Kabinettssitzung im Juni 1938. O.O., oJ. (Berlin 1938)
2.5
Signatur. Str.R. XI 261 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs. Neudruck Juni 1939.
Bibliothek des Rechtswissenschaftlichen Seminars/ Abteilung
2 Die Protokolle der 1.Lesung sind nicht vorhanden. Die Protokolle der 2.Lesung sind vollständig vorhanden.
uerzeichnis
2.6
Signatur Str.Pr. V I 100 Protokolle der Großen Strafprozeßkommission. 1936-1938. In 2 Bde gebd.3
Β VERÖFFENTLICHTE RECHTSQUELLEN4 1 1.1
Deutsche Partikularrechte (alphabetisch nach Regionen) Quellensammlungen
1.1.1
Sammlung der neuen deutschen Strafprozessordnungen. Mit Einschluß der französischen und belgischen sowie der Gesetze über Einführung des mündlichen und öffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgerichten. Von C.F.WJ. Haeberlin. Greifswald 1852.
1.1.2
Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher. Hrsg. von Melchior Stenglein. München 1858. Bd 1: Bayern, Oldenburg, Sachsen-Altenburg, Württemberg, Braunschweig. Bd 2: Hannover, Hessen-Darmstadt und Frankfurt, Baden. Nassau. Bd 3: Thüringisches Strafgesetzbuch, Preußen, Österreich, Sachsen.
1.1.3
Sammlung der neuern deutschen Gesetze über Strafverfahren. Hrsg. von F.Sundelin. Berlin 1861.
1.2
Großherzogtum Baden
Gerichtsverfassung
und
Strafproceßordnung vom 6.März 1845; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.370. 1.3
Königreich Bayern
1.3.1
Allgemeines Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern. Vom 6.Mai 1813; in: Stenglein (s. 1.1.2), Bd 1 Nr I.
1.3.2
Gesetz vom 16.November 1848, die Abänderungen des zweiten Theils des Strafgesetzbuches vom Jahre 1813 betreffend; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.233.
1.3.3
Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern. Vom lO.November 1861. In Kraft getreten am 1 Juli 1862; in: Das Strafrecht für das Königreich Bayern. II.Bändchen (Strafgesetzbuch). Correkter Abdruck der amtlichen Ausgabe und Anmerkungen. Hrsg. von Heinrich Kitt. München 1862.
3 Unvollständiges Expl. Es fehlen die Protokolle der 28., 29., 39., 41., 42., 51., 54., 56., 60., 67., 68. und 70. Sitzung. Die Publikation der Protokolle der Großen Strafprozeßkommission ist im Rahmen der Quellenedition zur Strafrechtsreform von Schubert/Regge /Schmid /Rieß (s.Q.Verz. Β 2.1.4) für 1989 angekündigt. 4 Veröffentlichte andere Quellen sind durchweg so zitiert, daß sie über das Abkürzungsverzeichnis oder das Literaturverzeichnis erschlossen werden können. Parlamentaria sind nicht aufgeführt; sie sind an Ort und Stelle ausführlich nachgewiesen. Unveröffentlichte Rechtsquellen s. unter A.
240
uerzeichnis
1.4
Herzogtum Braunschweig
1.4.1
Das Criminalgesetzbuch für das Herzogthum Braunschweig. Nebst den Motiven der Herzogl. Landesregierung und Erläuterungen aus den ständischen Verhandlungen. Braunschweig 1840.
1.4.2
Strafpropzeßordnung vom 22-August 1849; ins Leben getreten am 1 Juli 1850; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.725.
1.4.3
Gesetz, die Bestrafung von Polizei-Übertretungen betreffend. Vom 22.Dezember 1870; in: Gesetz- und Verordnungssammlung f.d. Herzogl. Braunschw. Lande 1870, 695.
1.5
Frankfurt Gesetz vom 15.Mai 1856, betreffend das Verfahren inm Strafsachen; in: Sundelin (s.1.1.3), S.584.
1.6
Königreich Hannover
1.6.1
Die Justizgesetzgebung des Königreichs Hannover. Hrsg. von A. Leonhardt. Bd 3: Das Criminalgesetzbuch (vom 8 August 1840) und dessen Nebengesetze. Zusammengestellt und erläutert von A. Leonhardt. 3Auflage. Hannover 1860.
1.6.2
Strafproceßordnung vom 8.November 1850; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.279.
1.6.3
Revidirte Strafproceßordnung vom 5.April 1859; in: Sundelin (s.1.1.3), S.117.
1.7
Großherzogtum Hessen(-Darmstadt)
1.7.1
Entwurf einer Strafproceßordnung von 1850; in: Sundelin (s.1.1.3), S.204.
1.7.2
Gesetz vom 28.0ctober 1848, die Einführung des mündlichen und öffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgerichten in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen betreffend; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.637.
1.8
Landgrafschaft
Hessen(-Homburg)
Gesetz vom 15.0ktober 1850, betreffend Geschworenengerichten; in: Sundelin (s.1.1.3), S.459. 1.9
die
Einführung
von
Herzogtum Nassau Gesetz vom 14April 1849, die Einführung des mündlichen und öffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgerichten in Nassau betreffend; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.637.
1.10
Großherzogtum Oldenburg Strafprozeßordnung vom 2.November 1857; in: Sundelin (s.1.1.3), S.494.
1.11
Königreich Preußen
1.11.1
Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. Vom 6.Juli 1793. Erster Theil. Prozeßordnung. Neue Auflage. Berlin 1922.
1.11.2
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe. Mit einer Einführung von Hans Hattenhauer und einer Bibliographie von Günther Bernert. Frankfurt am Main, Berlin 1970.
uerzeichnis
1.11.3
Allgemeines Criminalrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil. CriminalOrdnung. Vom 11. Dezember 1805. Sechster Abdruck. Berlin 1835.
1.11.4
Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate. Vom Ilten März 1812; in: Pr.GS. 1812,17.
1.11.5
Allerhöchste Kabinetsordervom 8ten August 1835 über die Bekräftigungs-Formel bei den Eiden der katholischen Konfessions-Verwandten; in: Pr.GS. 1835,182.
1.11.6
Verordnung wegen Abänderung der Eidesformeln für Zeugen und Sachverständige, so wie die Formel des Ignoranz-Eides. Vom 28.Juni 1844; in: Pr.GS.1844, 249.
1.11.7
Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten nach den Beschlüssen des preußischen Staatsraths. Berlin 1843.
1.11.8
Gesetz, betreffend das Verfahren in den bei dem Kammergericht und dem Kriminalgericht zu Berlin zu führenden Untersuchungen. Vom 17.Juli 1846; in: Pr.GS.1846,267.
1.11.9
Gesetz über die Verhältnisse der Juden. Vom 23Juli 1847; in: Pr.GS.1847,263.
1.11.10
Entwurf eines Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten von 1848; in: Bänke, Entwurf Bd 2 (s. LitVerz.), S.40-99.
1.11.11
Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses. Zusammengestellt von EBleich. Bd 1. Berlin 1848.
1.11.12
Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches. Berlin 1849; in: Bänke, Entwurf Bd 1 (s.LitVerz.), S.37-116.
1.11.13
Verordnung über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen. Vom 3Januar 1849; in: Pr.GS. 1849,14.
1.11.14
Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Nebst den amtlichen Quellen nach Paragraphen des Gesetzbuches zusammengestellt und erläutert von Theodor Goltdammer. 2 Bde. Berlin 1851.
1.11.15
Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten. Vom 14April 1851 (Pr.GS. 1851,101). Nebst den Abweichungen der Strafgesetzbücher für das Herzogthum AnhaltBernburg vom 22Januar 1852 und das Fürstenthum Waldeck und Pyrmont vom 15.Mai 1855; in: Stenglein, Sammlung Bd 3, Nr XI.
1.11.16
Gesetz, betreffend die Zusätze zu der Verordnung vom 3 Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen. Vom 3.Mai 1852; in: Pr.GS.1852,209.
1.11.17
Verordnung, betreffend das Strafrecht und das Strafverfahren in den durch das Gesetz vom 20.September 1866 und die beiden Gesetze vom 24.Dezember 1866 mit der Monarchie vereinigten Landestheilen, mit Ausnahme des vormaligen Oberamtsbezirks Meisenheim und der Enklave Kaulsdorf. Vom 25. Juni 1867; in: Pr.GS.1867,921.
1.11.18
Strafprozeß-Ordnung für die durch das Gesetz vom 20.September 1866 und die beiden Gesetze vom 24.Dezember 1866 mit der Monarchie vereinigten Landestheile, mit Ausschluß des vormaligen Oberamtsbezirks Meisenheim und der Enklave Kaulsdorf; in: Pr.GS.1867,933.
1.11.19
Gesetz, betreffend die Eide der Juden. Vom 15.März 1869; in: Pr.GS.1869,484.
242
uerzeichnis
1.12
Königreich Sachsen
1.12.1
Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen. Vom 30.März 1838. Mit erläuternden Bemerkungen zum praktischen Gebrauche... hrsg. von Christian Ernst Weiß. 2. Auflage Dresden und Leipzig 1848.
1.12.2
Strafgesetzbuch für das Königreich Sachsen. Vom 13August 1855; in: Stenglein (s. 1.1.2), Bd 3, Nr XIII.
1.12.3
Strafprozeßordnung mit Einführungspatent. Vom 13August 1855; in: Sundelin (s. 1.1.3), S.637.
1.12.4
Verordnung, die Eidesleistung der Juden betreffend. Vom 3 August 1868; in: GVB1. f.d. Kgr.Sachsen 1868,504.
1.12.5
Revidirtes Strafgesetzbuch für das Königreich Sachsen. Vom 1.Oktober 1868; in: GVB1. f.d. Kgr. Sachsen 1868,909.
1.12.6
Revidirte Strafprozeßordnung für das Königreich Sachsen. Vom l.Oktober 1868; in: GVB1. f.d. Kgr.Sachsen 1868,1036.
1.12.7
Verordnung, die Bestrafung der wahrheitswidrigen Aussage vor öffentlichen Behörden betreffend. Vom lO.Dezember 1870; in: GVB1. f. d. Kgr. Sachsen 1870,358.
1.13
Herzogtum Sachsen-Altenburg Strafprozeßordnung mit Einführungspatent. Vom 27.Februar 1854; in: Sundelin (s.1.1.3), S.389.
1.14
Herzogtum Sachsen-Coburg - Gotha Gesetz vom 21.September 1857, betreffend die Einführung Strafproceßordnung; in: Sundelin (s.1.1.3), S.358.
einer neuen
1.15
'Thüringisches Strafgesetzbuch" Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogthümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt-Dessau und Kothen und die Fürstenthümer Schwarzburg-Rudolstadt, SchwarzburgSondershausen und Reuß jüngere Linie; in: Stenglein (s. 1.1.2) Bd 3 Nr X.
1.16
'Thüringische Strafprozeßordnung" Strafprozeßordnung für Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, SchwarzburgRudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen. Gültig in Sachsen-Weimar und den beiden Schwarzburg vom 1 Juli, in den beiden Anhalt vom l.October und in Sachsen-Meiningen vom l.December 1850; in: Haeberlin (s.1.1.1), S.751.
1.17
Königreich Württemberg
1.17.1
Civilprozeßordnung. Vom 3April 1868; in: Reg.Bl. f.d. Kgr. Württemberg 1868,191 (la-216a).
1.17.2
Strafprozeßordnung. Vom 3April 1868; in: Reg.Bl. f.d. Kgr. Württemberg 1868,205 (lb-160b).
uerzeichnis
1.17.3
Gesetz, betreffend Änderungen des Polizeistrafrechts. Vom 27.Dezemnber 1871; in: Beling, Ernst: Württembergische Strafgesetzgebung. Textausgabe mit Anmerkungen. Tübingen und Leipzig 1903. S.7-48.
2
Gesetze und Reformmaterialien des Norddeutschen Bundes, des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland
2.1
Register und Quellensammlungen
2.1.1
Die Verhandlungen des deutschen Reichstags über die gegenwärtige und künftige Strafprozeßordnung. Zusammengestellt von Paul Hiibel; in: ZStW 62 (1916), 2240.
2.1.2
Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen. Auf Veranlassung des Kaiserlichen Reichs-Justizamtes herausgegeben von C. Hahn. Zweiter Band: Materialien zur Civilprozeßordnung. Zwei Abtheilungen ( = Bde) (durchpaginiert). Berlin 1880. Dritter Band: Materialien zur Strafprozeßordnung. Zwei Abtheilungen ( = Bde) (durchpaginiert). Zweite Auflage. Hrsg. von Eduard Stegemann. Berlin 1885.
2.1.2a
Entstehung und Quellen der Strafprozeßordnung von 1877. Hrsg. von Werner Schubert und Jürgen Regge. Frankfurt/M. 1989.
2.1.3
Verzeichnis wichtigerer Aufsätze zur Reform des Strafrechts aus den Jahren 19061913. Zusammengestellt von Paul Hübel\ in: DtStrZ 1914, 152-160.
2.1.4
Verzeichnis wichtigerer Aufsätze zur Reform des Strafrechts aus den Jahren 19141925. Zusammengestellt von Paul Hübel; in: ZStW 46(1925), 329-347.
2.1.5
Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts. Hrsg. von Werner Schubert, Jürgen Regge, Peter Rieß und Werner Schmid. Berlin und New York. IIAbteilung: NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch. Bd 1: Entwürfe eines Strafgesetzbuchs. l.Teil. Hrsg. von Jürgen Regge und Werner Schubert. Teilbd.l 1988. Bd 2: Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums. Hrsg. von Jürgen Regge und Werner Schubert. Teilbde 1 und 2: Erste Lesung. 1988, 1989.
2.1.6
Materialien zur Strafrechtsreform. 15 Bde . Bonn 1954-1962.
2.2
Einzelne Quellen
2.2.1
Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund. Motive zu dem Entwürfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, nebst vier Anlagen. Berlin, Im Juli 1869.
2.2.2
Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund. Motive zum Entwürfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, nebst vier Anlagen. Berlin, 31.Dezember 1869.
2.2.3
Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund. Dazu InhaltsVerzeichniß, Einführungs-Gesetz, Motive und 4 Anlagen zu den Motiven; in: Sten.Ber.RTNdB, I.Leg.Per., Session 1870, Drucksache Nr 5, Bd 3 (= Anlagenbd 1), S. 2 ff.
244
uerzeichnis
2.2.4
Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Vom 31.Mai 1870; in: BGBl. NdB 1870,197.
2.2.5
Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Vom 15.Mai 1871; in: RGBl. 1871. 127.
2.2.6
Entwurf einer Strafprozeßordnung und eines Einführungs-Gesetzes zu derselben; in: Hahn/Stegemann (s. 2.1.2). Bd 3, S.4 ff.
2.2.7
Gesetz betreffend die Änderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuches und die Ergänzung derselben. Vom 26.Februar 1876; in: RGBl. 1876. 25.
2.2.8
Civilprozeßordnung. Vom 30.Januar 1877; in: RGBl.1877,83.
2.2.9
Strafprozeßordnung. Vom l.Februar 1877; in: RGB1.1877, 253.
2.2.10
Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses. Hrsg. vom ReichsJustizamte. Erster Band: Erste Lesung. Berlin 1905. Zweiter Band: Zweite Lesung und Zusammenstellung der Beschlüsse. Berlin 1905.
2.2.11
Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetze. Mit Begründung. Amtliche Ausgabe. Berlin 1908.
2.2.12
Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform. Hrsg. auf Anregung des Reichsd-Justizamtes von Karl Birkmeyer, Fritz v.Calker, Reinhard Frank, Robert v.Hippel, Wilhelm Kahl, Karl von Lilienthal, Franz v.Liszt, Adolf Wach. 6 Bde zum AT, 8 Bde zum BT. Registerbd. Berlin 1905-1909.
2.2.13
Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigenkommission. Veröffentlicht auf Anordnung des ReichsJustizamtes. Berlin 1909. Begründung. 2 Bde (AT und BT). Berlin 1909.
2.2.14
Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Gefertigt im Reichs-Justizamt. Als Manuskript gedruckt. Berlin (Reichsdruckerei) 1911.
2.2.15
Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches. Aufgestellt von WKahl, K.v.Lilienthal, F.v.Liszt, J.Goldschmidt. Text mit Vorwort. Berlin 1911. Begründung (mit einer Denkschrift, betr. die Einarbeitung der Nebengesetze, von N.H. Kriegsmann). Berlin 1911.
2.2.16
Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizministeriums. Berlin 1920. (Darin jeweils mit eigener Paginierung:) 2.2.16.1 Entwurf der Strafrechtskommission (1913) 2.2.16.2 Entwurf von 1919. 2.2.16.3 Denkschrift zu dem Entwurf von 1919.
2.2.17
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen nebst Begründung. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Berlin 1920.
uerzeichnis
2.2.18
Gustav Radbruchs Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches (1922). Mit einem Geleitwort von Thomas Dehler und einer Einleitung von Eberhard Schmidt. Tübingen 1952.
2.2.19
Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Erster Teil: Entwurf. Zweiter Teil: Begründung. Berlin 1925.
2.2.20
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begründung; in: Reichstag. Il.Wahlperiode 1924/27, Drucksache Nr 3390.
2.2.21
Amtlicher Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz. Nebst Begründung. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Erster Teil: Entwurf. Zweiter Teil: Begründung. Berlin 1929.
2.2.22
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1930. (Entwurf Kahl). (= Reichstag. V.Wahlperiode 1930. Drucksache Nr 395 vom ó.Dezember 1930. Nachdruck als Bd 5 der Materialien zur Strafrechtsreform (s. 2.1.6). Bonn 1954.
2.2.23
Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches. Nach den Beschlüssen des Deutschen Reichstagsausschusses und der Deutschen und Österreichischen Strafrechtskonferenzen. Von Eduard Kohlrausch. Zweite Ausgabe. Berlin und Leipzig 1930.
2.2.24
Gesetz zur Änderung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Vom 27,Oktober 1933; in: RGBl. I 1933. 780. Text mit Begründung bBoche V (15.0ktober bis 31.Dezember 1933), S. 367 ff. (wortgleich mit dem Text in FLAnz. 1933, Nr 257).
2.2.25
Gesetz zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren. Vom 24.November 1933; in: RGBl. I 1933. 1008. Text mit Begründung b. Hoche V, S. 393 ff. (wortgleich mit dem Text in RAnz. 1933, Nr.277).
2.2.26
Nationalsozialistisches Strafrecht. Denkschrift des Preußischen Justizministeriums. Berlin 1933
2.2.27
Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten. Vom 4.Dezember 1941; in: RGBl. I 1941. 759.
2.2.28
Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue (StrafrechtsangleichungsVO). Vom 29.Mai 1943; in: RGBl. I 1943. 339.
2.2.29
Durchführungsdverordnung zur StrafrechtsangleichungsVO. Vom 29.Mai 1943; in: RGBl. I 1943. 341.
2.2.30
Zweite Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue. Vom 20.Januar 1944; in: RGBl. I 1944. 41.
2.2.30a
Military Government - Germany. Supreme Commander's Area of Control. Instructions To Judges No.2 / Militärregierung - Deutschland. Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers. Allgemeine Anweisungen für Richter Nr 2: Gerichtsverfassungsgesetz (Auszug) und Strafprozeßordnung. o.O., o.J.
246
uerzeichnis
2.2.31
Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts. Vom 12.September 1950; in: BGBl. 1950. 455.
2.2.32
Drittes Strafrechtsänderungsgesetz. Vom 4August 1953; in: BGBl. I 1953. 735.
2.2.33
Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission. 14 Bde und 1 Registerbd. Bonn 1956 - 1960.
2.2.34
Vorläufige Zusammenstellung der für den Entwurf des Besonderen Teils eines Strafgesetzbuches vorgesehenen Bestimmungen nach den Beschlüssen der Unterkommissionen der Großen Strafrechtskommission; in: Prot. GrStrK (s. 2.2.33) Bd 5. Bonn 1958. S.263-330 (Anhang B).
2.2.35
Entwurf eines Strafgesetzbuchs. Nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung zusammengestellt und überarbeitet vom Bundesministerium der Justiz (E1959); in: Prot.GrStrK (s.2.2.33) Bd 12. Bonn 1959. S-549-Ó49 (Anhang B).
2.2.36
Entwurf eines Strafgesetzbuches Bundesratsdrucksache 270/60.
2.2.37
Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB). E 1962. Mit Begründung. Bonn 1962.
2.2.38
Protokolle der Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Zit. nach Wahlperiode des Bundestages und Seitenzahl).
2.2.39
Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (l.StrRG). Vom 25.Juni 1969; in: BGBl. I 1969. 645.
2.2.40
Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts (2.StrRG). Vom 4.Juli 1969; in: BGBl. I 1969. 717
2.2.41
Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, des Beurkundungsgesetzes und zur Umwandlung des Offenbarungseides in eine eidesstattliche Versicherung. Vom 27Juni 1970; in: BGB1.I 1970. 911.
2.2.42
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Vom 2.März 1974; in: BGBl. I 1974. 469.
2.2.43
Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (l.StVRG). Vom 9.Dezember 1974; in: BGBl. I 1974. 3393.
2.2.44
Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts. Vom 20.Dezember 1974; in: BGBl. I 1974. 3868.
(StGB).
E
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Mit
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1
Werke, die nur einmal zitiert sind und nur ein Randproblem betreffen, sind überwiegend nicht aufgenommen. Sie sind an Ort und Stelle ausführlich nachgewiesen. Für die in das Literaturverzeichnis aufgenommenen Werke gilt, soweit nicht anders angegeben, folgende Zitierweise: Selbständige Veröffentlichungen sind mit dem Namen des Verfassers oder Herausgebers und mit dem hervorgehobenen Teil des Titels zitiert. Veröffentlichungen in Sammelwerken sind mit dem Namen des Verfassers, dem hervorgehobenen Teil des Titels und dem Zusatz "aaO" zitiert. Zeitschriftenaufsatze sind mit dem Namen des Verfassers und der Jahrgangs- bzw. Band- und der Seitenzahl der Zeitschrift zitiert.
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Behörde nach deutschem und
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